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Friedrich Wilhelm Joſeph von Schellings

ſämmtliche werke.

94

Zweite Abtheilung.

Erſter Band.

Stuttgart uud Augsburg. 9. ©. Cotta'ſcher Berlag. 1856.

2 .

Ginleitung

Philofophie der Mythologie

von

Friedrich Wilhelm Joſeph von Schelfing

Stuttgart und Augsburg. J. G. Cotta'ſcher Berlag.

858, In

Buchdrnderei ver 3. G. Cotta ſchen Buchhandlung in Gtuttgart und Augsburg.

Vorwort des Herausgebers.

Das nachfolgende Werf, das als erfted aus dem handfchrift: lichen Nachlafle Schellingd, und zwar nach der Abficht des Urhebers in Form von Vorlefungen, erfcheint, befteht aus zwei Theilen. Der erfte (Vorlefung I bis X), enthaltend eine philofophifche Kritik der jowohl wirklich hervorgetretenen, als überhaupt möglichen Erflärungs- weilen der Mythologie, iſt nicht erft in den legten Jahren aus ber Feder des Philofophen gefloffen, er war fogar in einer, zwar in der Anordnung wie in der Ausführung verfchiedenen, aber in Beziehung auf den Hauptgedanfen mit der gegenwärtigen völlig übereinftimmenden Darftellung bereit vor beinahe dreißig Jahren gedrudt, jedoch nicht ausgegeben worden, was übrigens nicht ver- hinderte, daß einzelne Erempfare den Weg ins Publifum gefunden haben. Die legte Ueberarbeitung von Seiten des fel. Verfaſſers hat diefer erfte, Hiftorifche Theil der Einleitung theild in ben legten Jahren feines Aufenthaltes in München, theild noch in Berlin jelbft, wo er ebenfalls (1842 und 1845) über Philofophie der My- thologie lad, erfahren. Anderd verhält es fich mit bem zweiten Theil (Vorlefung XI bis XXIV). Er ift das Juͤngſte, was Schelling gefchrieben, an dem er nach dem Willen Gotted abbrechen ſollte, ohne noch bie legte Hand daran gelegt zu haben. Sein

. 3

u vI

Inhalt ift die rationale Philofophie, die hier zwar nur dem Ganzen dient und für den befondern, in dem vorausgehenden Theil einge: leiteten Zweck entmwidelt wird, aber ein Werk für fih ift, bie reine Vernunftwiſſenſchaft, Deren Darftellung dem Verewigten nach⸗ dem er die poſitive Philoſophie ausgearbeitet hatte, gar ſehr am Herzen gelegen, die ihn, im Alter zu dem Eyſtem feiner Jugend zurüdgeführt hat, zu dem Syitem, das in ‚feinen Augen zu feiner Zeit abgethan, vielmehr neu zu erftehen und erft feinen wahren Werth ald Borausfegung jener zweiten Philofophie zu erhalten be ſtimmt war. Einzelne Bruchftüde biefer jüngjten Arbeit hat er in ben Eigungen ber Afademie ber Wiflenfchaften zu Berlin in bejondern Vorträgen mitgetheilt, welche: in den Gontert des nach: folgenden Werks als integrirende Theile aufgenommen find *, mit Ausnahme der Abhandlung über die Quelle der ewigen Wahrheiten, die ihre eigene Stelle an dem Schluß diefed Bandes erhalten hat. Das Ganze dieſes zweiten Theil ift, wie es hier vorliegt, nicht

* Die in diefem Banb enthaltenen akademischen Abhandlungen find:

1) Ueber Kants Ideal ber reinen Bernunft, gelefen in ber Klaffenfigung ber Alademie am 15. März 1847 und in ber Gefammtfitung am 29. April deſſelben Jahrs (eilfte und zwölfte Vorleſung).

2) Ueber die urſprüngliche Bedeutung ber dialektiſchen Methode, geleſen in der Geſammtſitzung am 13. Juli 1848 (vierzehnte Vorleſung).

3) Ueber bie amia des Ariſtoteles, geleſen in ter Klaſſenſitzung am 5. Febr. 1849 (fünfzehnte Vorleſung).

4) Ueber eine principielle Ableitung ber brei Dimenfionen bes Küörperlichen, ge- lefen in der Geſammtſitzung am 19. December 1850 (adhtzehnte und neunzehnte Borlefung).

5) Ueber einige mit za zuſammengeſetzte griechifche Adjective, gelefen in ber Scfamnitfigung am 5. Februar 1852 (manzigfie Vorleſung).

vu

—— —— —2—

auf dem Katheder vorgetragen worden. Auf die Vollendung deſſelben war bie Veröffentlichung alles Uebrigen ausgeſetzt geblieben. Die folgenden Theile diefer Gefammtdarftellung der Echellingfchen Philos tophie liegen fänmtlich von ber Hand des Urhebers gefchrieben vor.

Nach dem erklärten Willen des Verewigten, welcher die Ber: öffentlichung feiner Werte, falls fie ihm nicht. mehr möglich ſeyn follte, feinen Söhnen übertragen hat, habe ich Die Herausgabe bes geſammten Rachlafled und die Berantwortlichfeit für deſſen authen- tiiche Publifation übernommen, jedoch unter Mitwirfung meiner Brüder, und iſt namentlich bei der Edition dieſes Bandes der Rath meines in der Nähe wohnenden jüngeren Bruberd Hermann, der auch in leßter Zeit länger mit dem Vater zufammengefebt nnd daher Gelegenheit gehabt hat, uͤber manches ſeine Denkweiſe beſonders kennen zu lernen, von mir eingeholt worden. Die mir auf An⸗ ſuchen gnaͤdigſt ertheilte zeitliche Enthebung von meinem geiſtlichen Amte gewährt mir die Moͤglichkeit, mich der übernommenen Auf— gabe ausſchließlich zu widmen.

Weinsberg, im Januar 1856.

Larl Friedrich Anguft Schelling.

Inhaltsüberfidt.

Erfes Sud.

Erfte VBorlefung. Titel und Gegenftand diefer Vorlefungen. &. 1. Gang der Entwidlmg ©. 5. Erſte Erflärungsweife der Mythologie als Dichtung (die M. bat Feine Wahrheit). Entwidlung und Kritif dieſer Anfiht. ©. 10. Erörterung der Etelle des Herodot II, 53: woraus fi das Verhältniß der helle nifchen Mythologie zur Poeſte ergibt. ©. 15. Verhältniß der andern Mythologien, namentlich der indifchen zur Poefle. ©. 21.

Zweite Borlefung Die allegorifhe Deutung ver Mythologie (Wahrheit if} in der Mythologie, aber nicht in ihr als folcher): die verfchies denen Arten verfelben, vie enemeriftifche, moralifhe, phyſikaliſche, S. 26; die tosmogonifche oder philofophifche (nah Heyne). ©. 30; die philofophifch = philo- logifche (nah Hermann). ©. 34. .

Dritte Vorlefung Verſuch einer Synthefis ber poetifchen und philofoe phifchen Anficht (Parallele zwifchen der Mitwirkung von Poefie und Philoſophie bei der Entſtehung der Mythologie und der bei ber Sprachenbildung). Re⸗ fultat: die Mythologie iſt jedenfalls ein organiſches Erzeugniß. S. 47. Das Erflärende liegt in einem Dritten, das Über Poeſie und Philofophie. ©. 54. Ueber: gang zur Erörterung der gefchichtlichen Voransfegungen der Mythologie. ©. 55. Kritik diefer Voransfegungen bei ben bisherigen Erflärungsarten: 1) daß die My thologie von einzelnen erfunden fey, ©. 56; 2) vom Volk felbfl. S. 59. Haupt⸗ inflanz - gegen die lehtere außer der Verwanbtfchaft der verſchiedenen Mythos Iogten —, daß ein Volk erfi mit feiner Bötterlehre entſteht. S. 61. WRefultat: die Mythologie keine Erfindung.

Vierte Vorlefung. Die religidfen Erklärungen ver Mythologie (Wahr beit ift in der Mythologie als folder). &. 67. Verſchiedene Arten berfelben, bie noch. nicht für wirklich veligidfe gelten Können (D. Humes Annahme. I. H. Vo$). ©. 68, Erklärung, die vom religiöfem Inftinft ausgeht, wobel entweber die Natur berbeigegogen (Naturvergötterung) oder her Polytheismus von der notitia insita allein abgeleitet wird. S. 76. Annahme einer vorausgehenden fürmlichen Lehre von Gott, beftritten durch Hume. ©. 68. Erklärung aus der Entftellung ber geoffen- barten Wahrheit, eines Monotheismus (Leſſing. Cudworth. Euemeriftiiche Benugung des U. T. durch ©. Voß. Annahme einer Uroffenbarung. William Jones). ©. 83. Er. Creuzers Theorie. ©. 89. Uebergang zu der Brage über ven Cauſalzuſammen⸗ bang zwifchen VWöltertrennung (⸗Entſtehung) und Polytheismus.

Fünfte Borlefung. Die phyſiſchen Hypothefen über Völkerentftehung. ©. 94.

Zuſammenhang viefes Problems mit der Frage nach dem Racenunterſchied. &. 97.

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Urſache der Völkertrennung in einer geiſtigen Krifis, bewieſen aus dem Conner ber Völkertrennung mit der Sprachenentſtehung 1 Mof. 11 —. S. 100. Erklärung jener Krifts und der pofitiven Urfache der Völkerentſtehung. S. 103. Mittel, ver Auflöfung in Völker zu begegnen, das @inheitsbewußtfeyn zu erhalten (Vorge⸗ fchichtliche. Monumente. Babylonifcher Thurm). S. 115.

Sechſste Borlefung Das Prineip der urſprünglichen Einheit: ein allge meiner, der Menichheit gemeinfchaftlicher Bott. S. 118. Nähere Unterfuchung darüber, wobei Zwifchenerörterung über den Unterfchled von finultanem und fucceflivem Poly theismus. ©. 123. Entſcheidung ber Hauptfrage, wer jener gemeinfame Gott war. Begriff des relativen Monotheismus und bierans Erklärung der Mythologie als eines Proceffes, in welchem mit der Bötterlehre zugleich die Välfer und Eprachen in gefeßmäßiger Ordnung entflehen. ©. 126. Vergleichung dieſes Refultats mit ber Annahme eines vorausgegangenen reinen Monotheismus. ©. 136. Berbältnif des relativen Monotheismus zur Offenbarung. ©. 140.

Siebente Borlefung. VBeftätigung des WBisherigen durch vie moſaiſchen Schriften. &. 144. Bereutung der Sündfluth. ©. 149. Der Monotheismus des Abrabam Fein abjolut unmythologiſcher. S. 161.

Achte Borlefung. Weitere Beftimmungen über den Gott der Vorzeit in feinem Verhältniß zum wahren Gott. ©. 175. Anwendung auf ven Offenbarungs-Begriff. ©. 179. Auseinanderfeung bes Verhältuiffes ver vorgefchichtlichen zur gefthicht: lichen Zeit, worans der Schluß, daß der Polytheismus feinen gefchichtlichen Anfang bat, was mit David Humes Behauptung übereinftimmt. S. 181. Uebergeſchicht⸗ liher Vorgang, durch den der relative Monotheismus entſtanden iſt und legte Borausfegung der Mythologie im (von Natur) gottfegenden menfchlichen Bewußt- ſeyn. ©. 184. NRefultat: die Mythologie ift, fubjektiv betrachtet, ein not hwen⸗ diger (im Bewußtſeyn vor fich gehender) theogonifcher Proceß. ©. 193,

. Neunte Vorlefung. Ueber Dttfried Müllers fcheinbar analoge Anficht von

der Mythologie. ©. 199. Was das ber Philofophie der Mythologie Eigenthümliche bleibe. &. 202, Hiebei Excurs über das Cigenthumsrecht des ‚Autors auf feine Ge danken. Bortgang gur Frage nach der objektiven Bedeutung des theogonifchen Proceſſes. S. 204.

Zehnte Vorlefung. Zufammenhang der Philofophie der Mythologie mit anderen Wiffenfchaften und ihre Michtigfeit für diefelben: 4) für die Phildfopbie der Gefchichte. ©. 228. 2) für die Phllofophie der Kunfl, ©. 242. 3) für die

Bhilofophie der Religion. ©. 244.

Bweites Sud.

Eilfte Vorleſung. Im Altertbum Feine pbilofophifche Religion möglich. S. 257. Das Ehriftenthum fegt die freie Religion nicht unmittelbar. Katholi- eismus. Reformation. ©. 260. Die natürliche Theologie S. 263. Aufläfung der alten Metaphyſik. ©. 266. Uebergang zur philofophifchen Entwidlung felbft. Diefe biftorifh bis Spinoza, fpekulativ bis zum Begriff des Seyenden gehen. S. 27.

Zwölfte Vorlefung. Hiftorifcher Fortgang durch Locke, Hume, Leibniz. Bedeutung von Leflings Spinozismus. ©, 277. Jacobis Vernunftwiſſen. S. 280. Kants Kritik. Das Ipeal der reinen Bernunft. ©. 282. Hieran ſich anknüpfend bie Deduction der Momente des Seyenden. S. 288. Verhältniß dieſer Momente um Seyenden felbft. S. 291.

x

Dreizehute Vorlefung Tas Seyende felbft = Prineip. Zu dieſem iR nicht deductiv, fondern inductiv zu kommen. S. 295. Crörterung über die Ele⸗ mente diefer Inpuction als im reinen Denken zu finden '(nicht aus der Erfahrung, niet in pſychologiſchen Thatfachen) vermittelt des Grundfages des Widerfpruche. S. 297. Logifche Grörterungen über dieſen Grundſat. €. 304. Zahlen in ver Philofophie (Trichotomie). S. 312. Bortgang der pbilofnpbifchen Entwiclung vom Sevenden (den Elementen) zu dem was das Seyenbe Sf. Das ontologifche Argument. ©. 313.

Vierzebnte Vorlefung. Die invuetive Methode, bie den Stoff aus dem reinen Denken nimmt, entfprechend ber dialektiſchen. S. 321. Tarftellung ver lege teren nach Platon, wobei nähere Beftimmungen über das Verhältniß der Elemente des Seyenden zut Seyenden felbft, insbefondere über ihre Möglichkeit, als ſelbſt⸗ Räntige Principien bervorzutreten. ©. 322. Uebergang zu Ariftoteles. S. 336.

Fünfzehnte VBorlefung. Lie dialektifche Methode nach Ariftoteles: 1) nega⸗ tiv in feinen Vorwürfen gegen vie Dialektif und Sophiſtik. &. 340. 2) pofltiv in feiner Lehre von den amlorc. ©. 349. Hiftorifches und fpeculatives Refultat: die ſchlechthin einfachen Elemente find nur durch teines Denken zu gewinnen. ©. 354. Die Dialektiker zur Zeit des Ariſtoteles. S. 357.

Sechzehnte Vörleſung. Nllgemeine Erörterung über den höchſten Ge: genftand. ©. 360. Aufgabe der neu entftebenden erſten (rationalen) Philoſophie. &. 363. Ausgang berfelben von ber Indifferenz, Stoff derfelben die abfolute Idee (Gott und Welt in Eins). S. 366. Charafterifiring des Ipentitütsfuftems (Kant, Fichte) und feines Pantheismus. S. 368. Begriff der reinrationalen Philoſophie, ihre. Vergleihung mit der Mathematik. ©. 376, Wiefern bie erfte Wiſſenſchaft nicht bloß Wiffenſchaft des Allgemeinen. Verhaͤltniß des Ariſtoteles m biefer Frage. €. 377. Allgemeines über Artftoteles.

SAecbenzehnts Vorlefung. Vortgang zur Erpofition ber rationalen Philo⸗ ſophie. Die Principe werden, ins Seyn erhoben, zu Urfachen. - Das Verhältniß der drei Urfachen (Potenzen)' zu einander. "&..386. Parallelifirung derfelben mit den Urfachen bei Platon, S. 391, bei Ariftoteles. S. 397. Wie weit ift mit den drei Urfachen zu Tommen? (Materie. Quantität. Qualität. Dinge). &. 348. Vierte Urfache. Ihr Verhaͤlmiß zu den drei Potenzen, zu Gott. S. 399. Die vierte Urſache = Seele = ri zu era des Ariſtoteles. S. 402.

Achtzehnte Vorleſung. Necapitulation der vier Principe als Urfachen des Gutfichens von allem (der Ideenwelt). Die Seele Mittelglieb zwifchen dem Gonereten und Gott. Platoniſche Weltfeele. Wiefern die Seele im Unbefeelten. Die Seele als Princip = a und ihr Verhältniß zu Gott. ©. 416. Das Dilemma einer innergättlichen ober aufßergöttlihen Welt. Die Erhebung in die Selbfiheit (= Geil. Giceros quinta quaedam natura). ©. 419. Beränderter Charakter der Wiffenfchaft in Bolge der nun folgenden außerintelligibeln Welt. ©. 421. Unterfchled zwiſchen der metapbufifchen und phyſfiſchen Mäterialität (Platon). Weſen der phyſiſchen Materie (Kepler), Verhältniß der Idee zur Materie. S. 422. Die Auspehnung. Raum und Zeit. Verhältniß der Gefchöpfe zum Raum. ©. 427. Eigenfchaft der Materie. Begriff des Körpers. S. 431.

Neunzehute Vorlefung Was zu einer Debuction der drei Dimenfionen bes Körperlichen auffordere. S. 433. Deduction der drei Dimenfionen unter Ans ſchluß an Ariſtoteles. S. 436. Verhältniß ver Principe zu den Dimenflonen,

insbeſondere zu der vierten Urſache (der Seele in ihren verſchiedenen Stufen). S. 442. Die phyſiſche Seite der Seele. ©. 451. Vorgang am Hyperphuflfchen ver Seele, dem voũg (Ariſtoteles). S. 454.

Zwanzigſte Vorleſung. Ueber den Nus des Ariſtoteles. S. 457. Nus = Geiſt. Ewige Natur deſſelben. S. 459. Weſen des Geiſtes = Wollen. Unter⸗ ſcheidung des erſten (Ur⸗) Wollens nnd des Wollens im Individunm. Eutſtehung der individnellen Seelen. S. 462. Vergleichung dieſes Idealismus mit dem Yichte: ſchen; feine Uebereinſtimmung mit dem allgemeinen menſchlichen Bewußtſeyn, fo wie fein Zufammenhaug mit dem Begreifen einer künftigen Fortdauer. ©. 461. Ety- mologie des Worts naxapıog. Unfterblichfeitstheorie. S. 469. Berbältniß des Ari- ftoteles zur Unfterblichkeitslehre. ©. 478. Prometheus als Repräfentant des Gegen- göttlichen. S. 481. Die Bernunftwiffenfchaft Ichnt die Frage ab, ob Gott bie Hundlung des Menfchen gewollt, mit welcher er die Welt aus der Idee gefeht. Rückblick auf den Gang der Veruunftwiffenfchaft. S. 487.

Einundzwanzigfte Vorlefung. LXöfung der Antinomie in Beziehung auf Begrenztheit und Unbegrenztheit des Weltalls. S. 490. Paläontologie. Die Gefchichte bes Erdkörpers eine innere, feine äußere. S. 495. Entſtehung des Menfchengefchlechts. Binheit deſſelben. Racenunterfchied. Gegenſatz bes einen göttlichen und ber natür- lichen Gefchlechter. S. 500. Rechtfertigung diefer Anficht gegen Einwendungen vom philantdropifchen Etandpunft. ©. 512.

Zweiundzwanzigfte Vorlefung Die Erfenntnißtheorie (der Gegenftand der Eeele nicht Gott, fondern das Seyende). S. 516. Unterſcheidung des natürlichen Erfennens und der erworbenen Wiflenfchaft, die fich auf das natürliche Erkennen gründet (alte Metaphyſik). S. 522. Uebergang von der Erfeuntnißtheorie zur praftifchen Philoſophie. Deduction des moralifchen Geſetzes. S. 527. Unabhängigkeit des Moralgeſetzes von Bott (die Adın der Alten. Kant). Debuction des Staats. S. 530.

Dreiundgwanzigfte Borlefung. Der Etaat nicht Produkt der Freiheit, weil vielmehr deren Urbebingung, alfo nicht durch Vertrag entſtanden. ©. 534. Die Genefis des Staats von der gefchichtlichen Seite. ©. 539. Staat und Gefellfchaft und ihre verfchiedenen Stellungen zu einander, woraus vie verfchlebenen Staats formen. &. 541. Griechenland. Rom. ©. 542. Durch das Chriftenthum wird der Staat Mittel (nicht Zwed) und dem einzelnen die Aufgabe, über ven Staat Inner lid hinaus zu kommen. ©. 546.

Bierundzwanzigfte Borlefung. Verhältniß des Inbividuums zum Sitten- geſez. Unfeligkeit des Handels. ©. 553. Rückzug in das contemplative Leben (Astefe. Kunft. Wiſſenſchaft) und was damit zulegt dem Ich zu erreichen fteht, nämlich Gott in der Idee, als Finalurſache. (Gleiches Ziel der alten Philofophie). ©. 556. Ende der bloßen Vernunftwifienfchaft (dev negativen Philofophie). For⸗ verung ber pofitiven Philofophie und Uchergang zu berfelben. Charakterifirung der pofitiven Philofophie. Worfrage derfelben. S. 560.

Abhandlung

über die Quelle der ewigen Wahrheiten. Entwicklung des Fragepunktes. &. 575, Behandlung der Brage bei den Scholaftitern. S. 577. Descartes Entfcheidung. Bayle gegen Descartes, ©. 578. Leibniz Theorie und Kritik derſelben. &. 581. Der-Hegelfche Nationalismus S. 583. Pofitive Löfung der Frage mit Anfnäpfmg an Kants Lehre vom Ideal der Vernunft. ©. 584.

Erſtes Muh.

Hiſtoriſch· kritiſche Einleitung in die

Philoſophie ber Mythologie.

- Spelling, fümtl. Werte. 2. Ah. |.

Erſte dorleſung.

Meine Herren, Sie erwarten mit Recht, daß ich vor allem über ven Titel mich erkläre, unter dem dieſe Vorleſungen angelänbigt find, nicht zwar darum, weil er neu ift, und weil er insbefonbere vor einer gewiflen Zeit fchwerlih im Lectionenverzeichniß einer beutjchen Univer- fität geftanden hat: denn was diefen Umftand betrifft, werm man davou einen Einwurf hernehmen wollte, - würde .fchon die löbliche Freiheit un⸗ ferer Hohenſchulen uns zu ftatten kommen, welde die Lehrer nicht auf ben Kreis gewiſſer einmal anerlannter und unter alten Titeln herge⸗ brachter Hauptfächer beichränkt, die ihnen verftattet, ihre Wiffenfchaft auch über neue Gebiete auszubehnen, Gegenftände, die ihr bis jet fremd geblieben, an fie heranzuziehen und in befonvern frei gewählten Borträgen zu behandeln, wobei es felten vorlommen wird, daß biefe Gegenftände nicht zu einer- höheren Bedeutung erhoben, die Wiffenfchaft ſelbſt nicht in irgend einem Sinne erweitert werde. „ebenfalls erlaubt biefe Freiheit, den wiflenfchaftlihen Geift nicht bloß allgemeiner und mannigfaltiger, fondern felbft tiefer anzuregen, als auf Schulen möglich ift, wo nur das Vorgefchriebene gelehrt und nur das geſetzlich Noth- wendige gehört wird. Denn wenn bei Wiffenfchaften, vie fich feit langer Zeit allgemeiner Anerkennung erfreuen, das Reſultat großentheil® nur als Stoff überliefert wird, ohne daß dem Zuhörer zugleich die Art, wie es erreicht worben, gezeigt wird, fo werben beim Vortrag einer neuen Wiflenfchaft die Zuhörer berbeigerufen, um .felbft Zeuge ihres Entftehen® zu ſeyn, zu ſehen, wie ber wiſſenſchaftliche Geift ſich zuerft

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des Gegenſtandes bemächtigt, dann ihn nicht ſowohl zwingt, als viel⸗ mehr beredet, die in ihm verborgenen und noch verſchloſſenen Quellen der Erfenntniß zu öffnen. Denn unfer Beftreben, einen Gegenſtaud zu erfennen, darf (man muß es nocd immer wiederholen) nie bie Abficht haben, etwas in ihn hineinzutragen, fondern nur ihn zu veranlaffen, daß er fich felbft zu erfennen gebe, und leicht möchte die Beobachtung der Urt, wie durch wifjenfchaftlihe Kunft der widerſtrebende Gegen- ftand zum Selbſtaufſchluß gebracht wird, den Zuſehenden mehr als jede Kenntniß bloßer Reſultate befähigen, künftig jelbft an ber Fortbildung der Wiſſenſchaft thätigen Antheil zu nehmen.

Ebenfowenig könnte e8 ums zu einer vorläufigen Erklärung ver- anlaffen, wenn man etwa fagte, e8 feyen nicht leicht zwei Dinge ein- ander fo fremb und bisparat, als Philofophie und Mythologie; gerade darin könnte die Aufforderung liegen, fie einander näher zu bringen, denn wir leben in einer Zeit, wo in der Willenfchaft auch das Ent⸗ legenfte ſich berührt, und in feiner früheren vielleicht war ein lebendiges Gefühl von der inneren Einheit und Berwanbtichaft aller Wiſſenſchaften gleihmäßiger und allgemeiner verbreitet.

Wohl aber möchte eine vorausgehende Erklärung deßhalb nöthig feyn, weil der Titel: Bhilofophie der Mythologie, inwieferne er an Ähnlidhe, wie Philofophie der Sprade, Philoſophie der Natur u. a. erinnert, für die Mythologie eine Stellung in Anſpruch nimmt, bie bis jet nicht gerechtfertigt erfcheint, und je höher fie ift, defto tiefere Begründung fordert. Wir werben nicht für genug halten, zu fagen, fie beruhe auf einer höheren Anficht; denn mit diefem Präbicat ift nichts bewiefen, ja nicht einmal etwas gefagt. Die Anfichten haben fi nach der Natur der Gegenſtände zu richten, nicht umgekehrt richtet fi diefe nad) jenen. Es ſteht nicht gefchrieben, daß alles philoſophiſch erflärt werden müffe, und wo geringere Mittel ausreichen, wäre es überflüflig, die Philofophie herbeizurufen, von der befonvers die horaziſche Kegel gelten jollte:

Ne Deus intersit, nisi dignus vindice nodus Inciderit.

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Ebendieß werben wir aljo auch in Anfehung der Mythologie verfuchen, ob fie nämlich nicht eine geringere Anficht zulaffe, als diejenige ift, welche der Titel „Philofophie der Mythologie“ auszudrücken fcheint. Erſt müffen nämlich alle anderen und näherliegenden als unmöglich dar⸗ gethan, fie felbft die einzig mögliche geworben ſeyn, ehe wir fie für begründet. erachten bärfen.

Dazu wird fi nun aber nicht mittelft einer bloß vefäligen Auf- zählung gelangen laſſen, e8 wird einer Entwicklung bebürfen, welche nicht einmal bloß alle wirklich aufgeftellten, ſondern die überhaupt auf- zuftellenden umfaßt, einer Entwidlung, deren Methode verhindert, daß feine überhaupt denkbare übergangen werde. Eine ſolche Methode kann nur bie von unten auffteigende ſeyn, welche nämlich von der erften möglichen ausgeht, durch Aufhebung verfelben zu einer zweiten gelangt, und fo durch Aufhebung je der vorhergehenven ven Grund zu einer fol- genven legt, bis diejenige erreicht ift, welche feine mehr außer ſich hat, in die fie fich anfhebeh könnte, und daher nicht mehr bloß als die wahr ſeyn könnende, ſondern als die nothwendig wahre erjcheint.

Dieß hieße zugleih auch ſchon alle Stufen einer philofopbifchen Unterfucdhung ver Mythologie durchgehen, denn eine philoſophiſche Unterſuchung ift im Allgemeinen ſchon jene, welche über die bloße That- fache, bier die Eriftenz der Diythologie, hinausgeht und nad ber Natur, nach dem Wefen der Mythologie fragt, indeß die bloß ge- lehrte over hiſtoriſche Forſchung ſich begnügt, die mythologifchen That- fadhen zu conftatiren. Diefe hat das Dafeyn der Thatfachen, welche bier in Borftellungen beftehen, durch bie Deittel zu erweifen, bie ihr in fortbauernden, ober im Falle der Nichtfortdauer Hiftorifch bezeugten Hand⸗ Inngen und Gebräuchen, ſtummen Dentmälern (Tempeln, Bildwerken) ober redenden Zeugniflen, Schriftwerken, vie fi felbft in jenen Bor- ftellungen bewegen, over fie als vorhanden darthun, an die Hand ge- geben find.

In dieſes Geſchäft der hiſtoriſchen Forſchung wird der Philoſophh nicht unmittelbar eingreifen, vielmehr, es in der Hauptſache als gethan vorausſetzend, wird er es höchſtens an ſolchen Stellen ſelbſt aufnehmen,

wo es ihm durd die Wlterthumsforfcher nicht: gehörig vollführt ober nicht völlig vollbracht fcheint. .

Das Hinburchgehen durch bie verfchiebenen mögfichen Anfichten wir übrigens noch einen andern Bortheil gewähren. Auch bie mythologiice Forſchung mußte ihre Lehrjahre durchlaufen, die ganze Unterfuchung hat num fohrittweife ſich erweitert, indem bie verſchiedenen Seiten bes Gegen⸗ ftande® nur eine nach der andern dem Forſcher hervortraten; wie denn jelbft dieſes, daß wir nicht von biefer ober jener Mythologie, fonbern von Mythologie überhaupt und als allgemeiner Erſcheinung reden, nicht bloß die Kenntniß verfchiedener Mythologien, die uns nur ſehr all: mählich zu Theil geworben, fondern auch die gewonnene Einficht voraus jeßt, daß in ihnen allen etwas Gemeinſchaftliches und Uebereinſtim⸗ mendes fey. Die verfchiedenen Anfichten werben alfo nicht an uns vor- übergehen, ohne daß zugleich auf diefe Weife alle Seiten des Gegen- ftandes fi nach einander zeigen, fo daß wir eigentlich erfi am Ente wifjen werden: was Die Mythologie ift; denn ber Begriff, von dem wir andgeben, kann natürlich” vorerft nur ein äußerer. und bloß nomi⸗ neller ſeyn.

Zur vorläufigen VBerftändigung wird indeß gehören, zu bemerfen, daß bie Mythologie als ein Ganzes gedacht wird, und nad} der Natur biefe8 Ganzen (alſo nicht zunächft ber einzelnen Vorftellungen) gefragt wird, und daß daher überall bloß der Urftoff in Betracht kommt. Das Wort kommt und wie befannt von ben Griechen; ihnen bezeid- nete es im weiteften Sinne das Ganze der ihnen eigenthümlichen Sagen und Erzählungen, die im Allgemeinen über bie geſchichtliche Zeit hinaus- gehen. Indeß unterfcheivet man in bemfelben bald zwei ſehr verſchie⸗ dene Beſtandtheile. Dem einige jener Sagen gehen zwar über die ge ſchichtliche Zeit hinaus, aber fie bleiben in der vorgefchichtlichen ftehen, d. h. fie enthalten nody Thaten und Ereignifje eines menſchlichen, wenn auch höher als des jebtlebenven begabten und gearteten Geſchlechts. Ferner wird aud) manches nody zur Mythologie gerechnet, was offenbar erft von ihr abgeleitete oder auf fie begründete Dichtung ift. Aber ber Kern, an ben ſich dieß alles angejeßt bat, der Urftoff beftcht aus

7.

Begebenheiten und Ereigniſſen, die einer ganz andern Ordnung der Dinge, nicht nur als der geſchichtlichen, ſondern als der menſchlichen angehören, deren Helden Götter ſind, eine, ſo ſcheint es, unbeſtimmte Menge religiös verehrter Perſönlichkeiten, bie unter ſich eine eigene, mit ber gemeinen Ordnung der Dinge und bes menſchlichen Daſeyns zwar in vielfacher Beziehung ftehenve, aber doch weientlich von ihr abgefonverte und für fi) eigene Welt bilden, die Götterwelt. Imwiefern darauf gefehen wird, daß biefer religid® verehrten Weſen viele find, ift bie Mythologie Bolytheismus, und wir werben biefes Moment, das fich ver Betrachtung zuerft barbietet, das polytheiftifche nennen. . Ber- möge befjelben ift die Diythologie im Allgemeinen Götterlehre.

Aber dieſe Perfönlichkeiten find zugleich in gewiffen natürlichen und geſchichtlichen Beziehungen zu einander gebacht. Wenn Kronos ein Sohn des Uranos heißt, fo iſt bieß ein natürliches, wenn er ben Bater ent- mannt und der Weltherrſchaft entjegt, fo iſt bieß ein geſchichtliches Berhältnif. Da indeß natitrliche Verhaltniſſe im weitern Sinn auch geſchichtliche find, fo wird dieſes Moment hinlänglich bezeichnet ſeyn, wenn wir es das geſchichtliche nennen.

Hiebei iſt jedoch ſogleich zu erinnern, daß die Götter nicht etwa erſt abſtract und außer dieſen geſchichtlichen Verhältniſſen vorhanden ſind: als mythologiſche ſind ſie ihrer Natur nach, alſo von Anfang geſchichtliche Weſen. Der vollſtändige Begriff der Mythologie iſt daher nicht bloße Götterlehre zu ſeyn, ſondern Göttergeſchichte, oder wie die Griechen das natürliche allein heroorhebend jagen, Theogonie.

Diefem eigenthümlichen Ganzen menſchlicher Borftellungen - ftehen

wir alſo gegenüber, und es foll die wahre Natur deſſelben gefunden

und auf die angezeigte Weife ausgemittelt und begründet werden. Da aber hiebei von einer erften möglichen Anficht ausgegangen werben foll, fo werben wir nicht umhin Können, auf den erſten Eindruck zurückzu⸗ gehen, den das Ganze ber Mythologie in uns hervorbringt; denn je tiefer wir anfangen, deſto gewiffer werben wir ſeyn, keine Anficht, bie ſich möglicherweife aufftellen Täßt, zum voraus ansgefchloffen zu Yaben.

Denken wir uns alfo, um ganz, wie man zu jagen pflegt, von

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vorne anzufangen, an bie Stelle eines ſolchen, ber noch nie von Miy thologie gehört hätte, und dem jeßt eben zum erfienmale ein Theil der griechiſchen Göttergefchichte ober fie felbft - vorgetragen wärbe, uab fragen wir, was feine Empfinbung feyn wärbe. Unftreitig eine Urt von Befremdung, bie nicht unterlaffen wirbe, fich burd)-bie Fragen za äußern: Wie habe ich dieß zu nehmen? Wie ift es gemeint? Wie alle entftanden? Sie fehen, bie drei Fragen gehen maufhaltiam in eine ber’ über, und find im Grunde nur eine. Durch bie erfte. verlangt ber Fragende nur eine Anficht für fi; nun lann er aber bie Mythologie nicht anders nehmen, b. h. er Tann fie in feinem andern Sim ver ftehen wollen, als in dem fie urſprünglich verfianden, in bem fie alfo entftanden if. Nothwendig geht er demnach von ber erſten Trage zur zweiten, von ber zweiten. zu ber dritten fort. Die zweite (wie gemeint?) ift bie Frage nach der Bedeutung, aber nach ber urſprünglichen; bie Antwort muß daher fo beichaffen ſeyn, daß bie Mythologie in demſelben Sinn auch entftehen konnte. Der Anficht, die fih auf die Bedeutung, folgt nothiwendig die Erflärung, bie ih auf die Entftehung bezieht, und wenn etwa um bie Mythologie in irgend einem Sinn entftehen zu lafjen, d. h. um ihr eine gewiſſe Bedeutung als urjprünglich zugufchreiben, - Borausfegungen nöthig find, bie fi) al® unmögliche erweiſen lafien, fo fällt damit bie Erflärung, und mit der Erflärung fällt auch die Anficht.

Wirklich gehört nicht viel dazu, um zu wiflen, daß jebe über bie bloße Thatſache hinausgehende und daher irgendwie philoſophiſche Yor- fung von jeher mit der Frage nach der Bedeutung angefangen hat.

Unfere vorläufige Aufgabe ift, die Anficht, welche der Titel aus⸗ brüdt, durch Ausſcheidung und Aufhebung aller andern, aljo überhaupt auf negative Weife zu begründen; denn ihr pofitiver Erweis kann nur erft Die angekündigte Wiſſenſchaft felbft ſeyn. Nun haben wir aber fo eben gejehen, daß die bloße Anficht für fid nichts iſt, alſo für fie anch Feine Beurtbeilung zuläßt, ſondern nur durch die mit ihr ver bundene ober ihr entiprechende Erklärung. Dieſe felbft aber wird nicht vermeiden können, gewifle Borausfegungen zu machen, bie als

unvermeidlich zufällige einer von der Philoſophie ganz imabhängigen Be- urtgeilung fähig find. Durch eine ſolche Kritik nun welche nicht felbft fon eine von ber Philofophie vorgeſchriebene, ſo zu fagen bictirte Anfiht mitbringt wird es gelingen, jene Voraueſetzuugen jeder ein- zelnen Erflärungsart entweder mit dem an fi Denfharen oder dem Glaublichen, ober felbft mit dem hiſtoriſch Erkennbaren in eine folde Bergleichung zu fegen, daß hiedurch die Boransfegungen felbft, je nach⸗ dem fie mit einem und dem anbern übereinftimmen over in Widerſpruch ftehen, fid als mögliche ober unmögliche zu erweifen genöthiget werben. Denn einiges ift ſchon an fi ‘nicht denkbar, anderes wohl denlbar aber nicht glaublich, noch anderes vielleicht glaublih, aber hiſtoriſch Erfanntem widerſprechend. Denn freilich verliert ſich die Mythologie ihrem Urfprunge nach in eine Zeit, in bie feine hiſtoriſche Kunde zu- rüdreicht; dennoch laſſen fi) aus dem, was ber hiſtoriſchen Kenntniß noch erreichbar ift, Schläffe ziehen auf. das, was ſich in der hiſtoriſch unjugänglichen Zeit als möglich vorausjegen läßt, was nicht; und eine andere hiſt oriſche Dialektik, als die fi früher, meift auf bloße piochologifche Neflerionen gegründet, wohl aud an dieſen von aller Geſchichtskunde fo weit entlegenen Zeiten verfucht hat, möchte aud von einer fehr dunkeln Vorzeit noch immer mehr erkennen laſſen, als bie Willie, mit der man ſich Vorſtellungen über diefelbe zu machen ge- wohnt ift, ſich einbildet. Und gerade indent wir das falſchgeſchichtliche Gewand, mit dem ſich die verſchiedenen Erklärungen zu umgeben ver- ſucht haben, abgiehen, kann es nicht fehlen, daß zugleich alles, was noch etiwa über den Urfprung ver Mythologie und vie Verhältuiſſe, in denen fie entftanden ift, gefchichtlich auszumitteln ift, erfennbar- werde. Dazu iſt aus jener Zeit wenigſtens ein Denkmal erhalten, das unver⸗ werflichſte, die Mythologie ſelbſt, und jeder wird zugeben, daß Bor- ausfegungen, denen bie Mythologie felbft wiverfpricht, nicht anders als unwahr feyn lönnen.

Nach dieſen Bemerkungen, welche ven Gang ber nächſtfolgenden Entwidlung worzeichnen, und bie ih Sie als Leitfaben - feftzuhalten bitte, ba es nicht fehlen Tann, daß biefe Unterſuchung in viele Neben-

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und Seitenerörterungen fich verwidte, über benen es leicht wärg, ben Hauptgang und Zufammenhang berfelben aus den Augen zu verlieren nad diefen Bemerkungen alfo gehen wir auf bie erfte Frage zuräd, auf die Frage: Wie habe ich es zu nehmen? Beſtimmter fautet fie: Habe ich .es zu nehmen als Wahrheit oder nicht als. Wahrheit? Als Wale beit? Könnte ich das, fo hätte ich nicht gefragt. IE und im einem ausführlichen und verftändlichen Vortrag eine Reihe wirklicher Begeben- heiten erzählt worden, fo wird e8 feinem von ums einfallen zu fragen, was dieſe Erzählung bevente. Ihre Bedeutung liegt einfach darin, daß vie erzählten Begebenheiten wirkliche find. Wir feßen in bem, ber fie ung verträgt, die Abſicht voraus, uns zu unterrichten, wir ſelbſt hören ihm in ver Abſicht zu, unterrichtet zu werben. Seine Erzählung bat für uns unzweifelhaft Doctrinelle Bedentung. In der Frage, wie habe ich e8 zu nehmen, d. h. was foll, oder was beventet vie Mytho⸗ logie, liegt daher Schon, daß der Fragende ſich außer Stand fühlt, in ben mythologiſchen Erzählungen, und da das Geſchichtliche hier von bem Inhalt unzertrennlih ift, in den mythologiſchen Vorftellungen ſelbſt Wahrheit, wirfliche Begebenheiten zu fehen. Sind fie aber nicht als Wahrheit zu nehmen, als was denn? Der natürliche Gegenfag von Wahrheit ift aber Dichtung. Ich werde fie alfo als Dichtung nehmen, ih werde annehmen, daß fie aud) als Dichtung gemeint und daher auch als Dichtung entftanden feyen.

Dieß alfo wäre unftreitig die erfte, weil aus der Frage felbft her⸗ vorgehende Anficht. Wir könnten fie die natürliche ober die unſchuldige nennen, inwieferne fie im erften Eindruck gefaßt, nicht über ihn hinaus an bie zahlreichen ernften ragen denkt, die fi an jede Erklärung ber Mythologie knüpfen. Dem Erfahreneren ftellen fi wohl gleich pie Schwierigkeiten var, die mit diefer Meinung verbunden feyn wir⸗ den, wenn man mit.ihr Ernft machen wollte, auch ift e8 nicht umfere Meinung zu behaupten, fie fei je wirklich aufgeftellt worden; nach den gegebenen Erklärungen ift e8 für ums genug, daß fie eine mögliche ſey. Zugegeben außerdem, daß fie fi) nie als Erflärung geltend zu machen geſucht habe, fehlte e8 doch nicht an ſolchen, die wenigſtens von keiner

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andern Anfiht der Mythologie als ver poetiichen wiſſen wollten und eine große Abneigung zu Tage legten gegen jebes Forfchen nach ben Gründen ber Götter (causis Deorum, wie ſchon ‘alte Echriftfteller fih ausbrüden), gegen jede Unterfuchung überhaupt, bie einen. andern als ivealen Sinn der Mythologie will. Wir können den Grund biefes Widerwillens nur in einer zärtlicden Beſorgniß für das Poetiſche der Sötter fehen, das bei den’ Dichtern allerdings allein feftgehalten ift; man fürchtet, es könnte unter Yorfchungen, die auf den Grund gehen, jenes Poetiſche Noth leiden oder gar verſchwinden; eine Furcht, bie übrigens auch im fhlimmften Fall ungegründet wäre. Denn das Er- gebniß, wie es ausfiele, würbe fi immer nur auf den Urſprung beziehen, umb nichts darüber feftfegen, wie die Götter bei den Dichtern ober gegenüber von reinen Kunftwerken zu nehmen fügen. Dem fogar bie, welde in ven Mythen irgend einen wiflenfchaftlichen Sinn (3. B. einen phufilalifchen) fehen, wollen darum nicht, daß man an biefen Sinn gerade auch bei den Dichtern denke, wie überhaupt die Gefahr nicht eben groß fcheint, daß in unferer über alles Aeſthetiſche reichlich, und wenigftens beffer als über manches andere belehrten Zeit noch viele geneigt feyn könnten, ſich den Homer durch foldye Nebenvorftellungen zu verberben; im äußerften Tall, und wenn unfere Zeit noch ſolches Unter» richts -benöthigt wäre, könnte man ſchon auf das befannte, für feinen Zweck nody immer ſehr empfehlenswerthe Bud von Moritz verweilen. Jedem fteht e8 frei, auch die Natur bloß äfthetifch zu betrachten, ohne darum bie Naturforſchung oder die Naturphiloſophie verbieten zu Tünnen. Ebenfo mag jeder die Mythologie für ſich bloß poetifch nehmen; wer aber mit biefer Anſicht etwas über die Natur der Mythologie auß- fprechen. will, der muß behaupten, daß fie auch bloß poetifch entftanden ſey, und alle die Fragen an ſich kommen: laffen, die mit biefer Be- hauptung entjtehen.

Unbefhränft num genommen, wie wir fie nicht anders nehmen können, ehe ein Grund zur Einfchränfung gegeben ift, würde bie poe- tiſche Erklärung den Sinn haben, daß die mythologiſchen Borftellungen erzeugt worden find nicht in ber Abficht, etwas damit zu behaupten

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oder zu lehren, jondern nur um einen vorerft freilich nubegrai- lihen poetiihen Erfindungstrieb zu befriebigen. Die Erflärung würde alfo die Ausfchliegung jedes boctrinellen Sinne mit ſich bringen. Dagegen nun wäre Folgendes einzuwenden.

Jede Dichturig verlangt irgend eine von ihr unabhängige Gruud⸗ lage, einen Boden, dem fie entfpringt; nichts kann bloß ervichtet, rein aus der Luft gegriffen feyn. Die freiefte Poefie, die ganz aus fid erfindet und jeden Bezug auf wahre Begebenheiten ausfchliegt, hat darum. nicht weniger an den wirflidhen und gemeinen Vorfällen bes menjchlichen Lebens ihre Vorausjegung. Jede einzelne Begebenheit nınf fonft beglaubigten oder als wahr angenommenen ähnlih (drüaosoın ouoie) feyn, wie Odyſſeus von feinen Erzählungen rühmt,‘ wenn auch die ganze Folge und Berkettung ans Unglaubliche ftreift. Das jogenannte Wunderbare des homerifchen Heldengedichts ift dagegen fein Einwurf. Es bat eine wirflihe Grundlage an der auf feinem Stand punkt nun Schon vorbantenen und als wahr angenommenen Götterlehre; das Wunderbare wird zum Natürlichen, weil Götter, . die in menfchlihe Angelegenheiten eingreifen, zu ver wirklichen Welt jener Zeit gehören, der einmal geglaubten und in die Borftellungen derſelben aufgenommenen Ordnung der Dinge gemäß find. "Wenn aber vie be: merifche Poeſie das große Ganze des Götterglaubend zu ihrem Hinter: grunde hat, wie fünnte man dieſem ſelbſt wieder Poefie zum Hintergrund geben. Offenbar ift ihm nichts voransgegangen, was erft nad ihm möglich, durch es jelbjt vermittelt worden, wie eben freie Dichtung.

In Folge diefer Bemerkungen würde ſich vie poetifche Erklärung näher dahin bejtimmen: Es fen wohl eine Wahrheit in der Diythologie, aber feine, die abſichtlich in fie gelegt jey, Feine aljo auch, bie ſich refthalten und als ſolche ausſprechen liege. Alle Elemente der Wirklid- feit feyen in ihr, aber etwa fo, wie fie auch in einem Märchen der Art ſeyen, von welcher Goethe uns ein glänzendes Beiſpiel hinterlaſſen bat, wo nämlich der eigentliche Reiz darauf beruht, daß es uns einen

' Od. XIX. 203.

Sinn vorjpiegle oder in ber Ferne zeige, aber der fi uns beftänbig wieber entziehe, dem wir nadzujagen gezwungen wären, ohne ihn je erreichen zu können; und unftreitig, berjenige würde als Meifter in biefer Gattung gelten, der uns auf dieſe Weiſe am geſchickteſten zu täufchen, den Zuhörer am meiften in Athem und gleichfam zum Beſten zu halten verſtünde. In der That aber ſey bieß bie eigentlichfte Be⸗ fhreibung ber Mythologie, die und mit dem Anklang eines tieferen Sinnes täuſche und immer weiter verlode, ohne uns jemals Rede zu ſtehen. Oder wem ſey e8 gelungen, jene verlorenen, unbeflimmt irren⸗ ben Töne je in einen wirklichen Einflang zu bringen? Sie feyen denen der Windharfe zu vergleichen, die ein Chaos von mufifalifchen BVorftel- (ungen in uns anregen, aber bie ſich nie zu einem Ganzen vereinigen.

Ein Zufammenhang, ein Syſtem fcheine ſich übersll. zu zeigen, aber es ſey mit ihm, wie nach den Reuplatonilern mit ber reinen Materie, von ber fie jagen: Wenn man fie nicht juche, ftelle fie fich dar, greife man aber nad ihr, ober wolle es mit ihr zu einem Wiflen bringen, jo entfliehe fie; und wie viele, die verfucht haben, die flüchtige Erfchei- nung der Mythologie zum ftehen zu bringen, baben nicht wie Irion in der Fabel flatt der Imo die Wolfe umarmt!

Wird von der Mythologie nur der abfichtlich hineingelegte Sinn ausgeſchloſſen, jo ift damit von felbft auch jeder bef ondere Sinn ausgeſchlofſen, und werben wir im bes Folge Erklärungen kennen lernen, ' deren jede einen verfchiebenen Sinn in vie Mythologie legt, jo wäre die poetifche die gegen jeden gleichgültige, aber eben darum auch keinen ausfchließeude, und gewiß dieſer Borzug wäre fein geringer. “Die poe⸗ tifche Anficht kann zugeben, daß durch bie Göttergeftalten Naturerſchei⸗ nungen hindurchſchimmern, ſie kann die erften Erfahrungen in menſch⸗ fihen Dingen unſichtbar waltender Mächte in ihr zu empfinden glauben, warum nicht felbft religiöfe Schauer nicht8 was den neuen, feiner jelhft noch nicht mächtigen Menſchen erſchüttern konnte, wird ber erften Entftehung fremd ſeyn, dieß alles wird ſich -in jenen Dichtungen ab- Ipiegeln und ben zauberhaften Schein eines Zuſammenhangs, ja einer von ferne ſtehenden Lehre hervorbringen, ven wir ald Schein gern

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zugeben und nur veriwerfen, wenn ein grober unb gemeiner Berflaut ihn in Realität verwandeln wil. Jeder Sinn ift in ver Mythelegie aber bloß potentiell, wie in eimem Chaos, ohne fich eben barum be ſchränken, partifularifiven zu laflen; jo wie man dieß verfucdht, wirt die Erſcheinung entftellt, ja zerftört;- lafje man ben Sinn’ wie er in ihre ift, und erfreue fih dieſer Unenblichfeit möglicher Beziehungen, fe iſt man in ber rechten Stimmung, bie Mythologie aufzufaſſen.

Auf diefe Weife, fcheint es, hätte die Vorftellung, die im Anfang faft zu luftig fcheinen konnte, "um in einer wifienfchaftlichen Exutoidlung eine Stelle zu finden, bod einen gewiſſen Beſtand erlangt, wmb wer hoffen damit manchen nad ihrem Sime geredet zu haben, wenn fk auch ihre Anficht nicht eben als Erklärung zu geben für gut fanden Und wer bliebe am Enbe, ließen andere Erwägungen es zu, nicht gern bei ihr fiehen? Wäre es nicht zumal ganz übereinflimmenb mit einer befannten und beliebten Denkweije, ven fpäteren ernften Zeiten unfered Geſchlechts ein Weltalter heiterer Poeſie vorauszudenten, einen Zuſtand, ver noch frei-von religiöfen Schreden und allen jener unheimlichen Ge fühlen war, non denen die fpätere Menſchheit gedrückt wurde, die Zait eines glüdlihen und ſchuldloſen Atheismus, wo eben dieſe Borftellungen, die fpäter unter barbariſch gewordenen Völkern ſich zu ausfchlichfih religiöfen verbüftert haben, noch rein poetifche Bedentung hatten, ein Zuftand, wie er vielleicht dem finnreihen Baco vorgefchwebt, als a die griechifchen Mythen Hauche befferer ‚Zeiten nannte, die auf die Rohr pfeifen ver Griechen gefallen.' Wer dächte fich nicht gern ein, wen nicht jet noch auf fernen Eilanden, body in ber Urzeit zu finbenbes Menſchengeſchlecht, dem eine geiftige Bata Morgana die ganze Wirklich feit ind Reich der Fabel gehoben hätte? ebenfalls enthält vie Anſicht eine Borftellung, durch die jeder binburchgeht, wenn auch feiner bei ihr verweilt. her jedoch, fürchten wir, würde man ihr zugeben, ſelbſt poetiſch erfunten zu ſeyn, als eine geſchichtliche Prüfung auszuhalten. Denn welde nähere Beſtimmung man ihr geben wollte, immer mäßte

Aurae temporum meliörum, quae in fistulas Graccorum inciderunt.

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zngleich- erklärt werden, wie die Menſchheit oder ein Urvolk oder bie Böller überhaupt in ihrer früheften Zeit gleichmäßig von einem unwiderſtehlichen inneren Trieb befallen, eine Poefie erzeugt hätten, deren Inhalt Götter und Göttergefchichte waren.

Wer immer mit einem natürlichen Sinn begabt ift, bat bei ver- widelten Aufgaben die Erfahrung machen fünnen, daß meift die erften Auffafſungen der Sache nad) die richtigen find. Allein fie find es nur fo weit, daß fie das Ziel bezeichnen, nach dem bie Gebanfen ftreben follen, nicht aber daß fie das Ziel felbft ſchon erreicht hätten. Die poetifche Anficht ift ebenfalls eine ſolche erfte Auffaſſung; fie enthält unftreitig das Richtige; inmwieferne fie feinen Sinn- ausſchließt und bie Mythologie durchaus eigentlich zu nehmen erlaubt, und fo werben wir uns wohl hüten zu fagen, fie fey falih, im Gegenteil, fie zeigt was zu erreichen ift; es fehlen nur die Mittel zur Erklärung ; fie jelbft drängt uns alfo, fie zu verlaffen und zu weiteren Yorfchungen fortzugeben.

Allerdings würde die Erklärung fehr an Beftimmtheit gewinnen, wenn man, ftatt bloß im allgemeinen Boefie in der Göttergefchichte. zu iehen, bis zu wirklichen einzelnen Dichtern berabftiege, und biefe zu Urhebern machte, nach Anleitung etwa der berühmten und vielbeipro- henen Stelle des Herodotos, wo er zwar nicht von den Dichtern über- haupt, aber von Heſiodos und Homeros fagt: dieſe ſind es, die ben’ Hellenen die Theogonie gemacht haben. '

Es liegt in dem Plan biejer vorläufigen Erörterung, alles aufzu= fucgen, was auf die Eutftehung der Mythologie noch etwa ein hiftorifches Licht werfen kann, auch wird es erwünſcht fenn, bei dieſer Gelegenheit andzumitteln, was fi über das frühefte Verhältniß der Poefie zur Mythologie gefchichtlich erkennen läßt. Aus dieſem Grunde werben wir bie Stelle des Geſchichtſchreibers einer genaueren Erörterung in dem gegen» wärtigen Zuſammenhang wohl werth halten. Denn die Worte bloß von dem zufälligen und äußeren Berhältnig zu verftehen, daß von den beiden die Göttergefchichte nur zuerft in Gedichten befungen worden, würde

' Ovroi eldıv ol noırdavreg Feopovinv "ElAnsıv. II, 53.

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der Zuſammenhang nicht erlauben, wenn es auch der Sprachgebrand zuließe.“ Etwas Wefentlicheres muß gemeint fern. Und auch etwas Gefchichtliches ift der ‚Stelle unftreitig abzugetwinnen ; denn Gerobotos jelbft gibt feine Aenßerung als Ergebniß ausdrücklich angeftellter Rad, forſchungen und angelegentlicher Erkundigungen.

Wäre bloß Heſiodos genannt, -fo könnte man unter. der Theogonie das Gedicht verftehen; da aber von beiden Dichtern ganz gleich gejagt ift: fie find e8, die den SHellenen bie Theogonie machten, fo iſt offe= bar, daß nur die Sache, die Göttergefchichte felbft gemeint ſeyn kam.

Run können aber doch nicht die Götter Überhaupt von den VBeibden erfimden ſeyn, der Gefchichtfchreiber kann nicht fo verfianben werben, als ob Griechenland erft feit Homeros umb. Heflovos Zeiten Götter kenne. Dieß ift unmöglich ſchon des Homeros felbft willen. Dem dieſer kennt Tempel, Priefter, Opfer und Altäre der Götter, nicht ale etwas Neuentftandenes, ſondern als etwas eigentlich Uraltes. Dan bat wohl oft hören können, bei Homer feyen die Götter nur noch poetiſche Weſen. Recht! wenn man damit fagen will, er denke nicht mehr an ihre ernfte dunkelreligiöſe Bedeutung, aber man kann nicht fagen, fie haben ihm überhaupt nur noch poetifche, für die Menfchen, die er dar ſtellt, haben fie eine fehr reale Geltung, und er bat fie als Weſen von religiöfer, alfo auch von boctrineller Bedeutung, nicht erfunden, ſondern gefunden. ° Indeß Herodotos fpricht in der That nicht von den Göttern überhaupt, fondern von der Göttergeſchichte, ‚und erklärt ſich näher fo: Woher ein jeder Gott ftamme, ober ob fie alle von jeher geweſen, dieß werde fo zu fagen erft feit geftern ober ehegeftern gewußt, nämlich feit ven beiden Dichtern, die nicht länger benn 400 Jahre vor ihm gelebt baben. Diefe jeyen es, welche ven Hellenen bie Göttergejchichte gemacht, den Göttern ihre Namen gegeben, Ehren und Berrichtungen unter fie ansgetheilt und eines jeden Geftalt beftimmt haben.

Das Hauptgewicht ift alfo auf das Wort Theogonie zu legen. Diefes Ganze, will Herodoto8 jagen, in dem jedem Gott fein natürliches

ı Wolffii Prolegg. ad Homer. p. LIV. not.

17 und geſchichtliches Verhättniß beſtimmt, jedem fein eigner Name, fein beſonderes Amt zugefchrieben, feine Geftalt gegeben if; diefe Götter- lehre, die Götter geſchichte ift, verbanfen vie Hellenen tem Heflobos mb Homeros.

Aber num auch nur fo verftanden, wie ließe ſich der Ausſpruch rechtfertigen? Denn wo fehen wir ben Homeros je eigentlid mit ber Entftehung der Götter befchäftigt? Höchſt felten, und auch da nur ges legenheitlich umb vorübergehend läßt er fid auf eine Erörterung ber natärlichen und geſchichtlichen Berhältnifje ter Götter ein. Ihm find fie nicht mehr im Werben begriffene Wefen, ſondern nun ſchon daſeyende, nad; deren Gründen und erfteh Urſprung nicht gefragt wird, fo wenig ver herdiſche Dichter, wenn er ven Lauf- des Helden beſchreibt, ver na⸗ turlichen Borgänge gebenft, durch bie er gebildet wurde. Auch Namen, Aemter, Würden ihnen auszutheilen, nimmt ſich jein forteilendes Gericht feine Seit, vieß alles wirb als ein Gegebeues behandelt, und wie ein von je und immer Vorhandenes erwähnt. Heſiodos? Nun freilich, diefer befingt bie Entftehung ber Götter, ui vermöge des crponirenden und didaktiſchen Charakter feines Gebichts Tieie ſich eher fagen, von ihm ſey die Theogonie gemacht. Aber vielmehr umgelchrt fonnte nur die Entfaltung der Göttergeihichte ihn · bewegen, fie felbft zum Gegen- fand einer epifchen Darftellung zu machen. "

Aljo freilich dieß fann mair der Einwenbung zugeben durch ihre Gerichte, erft als Folge von dieſen, ift die Göttergeſchichte nicht entftanden. Aber genan betrachtet jagt Herodotos dieß aud nicht. Tanıı er jagt nicht, daß biefe natürlichen und gefchichtlichen Unterſchiede der Götter zuvor überall nit da waren, er fagt nur: fie wurden nit gewußt (0x jmordero), er ſchreibi alſo den Dichtern nur zu, daß die Götter’ gewußt wurden. Dieß verhindert nicht, es nöthigt viel- mehr anzunehmen, daf fie der Säche nad) vor den beiden Dichtern vor» hanben war, nur in einem dunkeln Bewußtſeyn, chaotiſch, wie ja auch Hefiodos zuerſt (menrsore). Hier zeigt ſich demnach ein boppeltes Entftehen, einmal dem Stoffe nad) und in der Einwidelung, dann in

der Entfaltung und Auseinanderjegung. Es zeigt ſich, voß die Götter Selling, fümmtl. Werke. 2, Abrh. |

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gefchichte nicht gleich in der Geſtalt vorhandeh war, in welcher wir fie poetifch finden; bie unausgefprochene Tonnte. wohl der Aulgge nad poetifh feyn, aber nicht wirklich, alfo ift fie auch poetiſch nicht ent- ftanden. Die dunkle Werkſtätte, ver erfte Erjengungsort der Mythologie liegt jenfeits aller Poefle, der Grund ber Göttergefchiähte iſt nicht durch Poefie gelegt. Die ift Mares Reſultat der Worte des Geſchicht jchreiber8, wenn fie In ihrem ganzen Zuſammenhang erivogen werben.

Wenn nun aber Herodotos auch bloß fagen will: bie beiben Dichter haben bie zuvor unausgeſprochene Göttergefshichte zuerſt ausgeſprochen, fo ift damit noch nicht far, wie er ſich ihr beſonderes Verhältniß dabei gedacht habe. Hier müffen wir venn noch auf ein in der Stelle liegendes Moment aufmerkſam machen: "ERAraı er fagt, den Hel- Ienen haben fie die Göttergeſchichte gemacht, dieß fteht nicht umſonſt ba. Dem Herodotos ift es in der ganzen Stelle nur darım zu thun, her vorzubeben, wovon ihn bie Nachforfhungen überzeugt haben, auf vie er fich beruft. Aber was ihn diefe gelehrt, ift nur die Neuheit der Göttergeſchichte als folder, daß fie nämlich ganz. und gar helleniſch, d. h. mit ben Hellenen als ſolchen erſt entftanden ift. Herodotos fegt ven Hellenen bie Pelasger voraus, dieſe ſind ihm durch welche Kriſis iſt jetzt nicht zu ſagen aber ſie ſind ihm durch eine Kriſis zu Hel⸗ lenen geworden. Von den Pelasgern nun weiß er in einer andern mit der gegenwärtigen in nahem Bezug ſtehenden Stelle Folgendes: baß fie nämlich den Göttern alles opferten, aber ohne fie durch Na— men oder Beinamen zu unterſcheiden. Hier haben mir aljo bie Zeit jener flummen, noch .eingewidelten Göttergeſchichte. Denken wir uns in dieſen Zuftand. zurüd, wo das Bewußtſeyn noch chaotiſch mit_den Götterporftellungen ringt, ohne fie von fi) wegbringen, fi gegenftänbli machen, ohne’ eben darum fie ſcheiden und auseinander fegen zu können, wo e8 alſo überhaupt in keinem freien Verhältniß zu ihnen ifl. In diefem brangvollen Zuftend war auch Poeſie über- haupt unmöglich ; es würben alfo die beiden älteſten Dichter, vom Inhalt ihrer Dichtungen abgefehen, ſchon als Dichter das Ende jenes unfreien Zuftandes, des noch pelasgiſchen Bewußtſeyns bezeichnen. Die

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Vefreiung, die dem Bewußtſeyn durch die Scheidung der Göttervorftel- (ungen zu-Xheil wırde, gab den Hellenen auch erft Dichter, und um⸗ gekehrt, nur erft die Zeit, welche ihnen Dichter gab, brachte auch bie vollfommen entfaltete Göttergefchichte mit ſich. Poeſie ging nicht voraus, wenigftens nicht wirfliche, und Poeſie hat auch die ausgefprochene Götter- gefchichte nicht eigentlich hervorgebracht, feines geht dem andern voraus, ſondern beide find da 6 gemeinſchaftliche und gleichzeitige Ende eines frühern Zuſtandes, eines Zuſtandes ber Einwidelung und des Schweigen. |

Wir haben uns nım dem Sinn des Geſchichtſchreibers ſchon be⸗ deuteiib genähert; ex fagt: Hefiodos und Homeros, wir würden fagen: bie Zeit. der beiden Dichter bat den Hellenen die Göttergefchichte ge macht. Herodotos lann ſich ſo ansdrücken, wie er ſich ausgedrückt hat, denn Homeros iſt nicht ein Imbivivuum, wie ſpätere Dichter, wie Als fäo8, Tyrtäos ober andere, er bezeichnet eine ganze Zeit, er ift bie herrſchende Macht, das Princip einer Zeit. Es ift mit ben: beiden Dichtern nicht anders gemeint, als es gemeint ift, wenn Heſiodos faft mit denfelben Worten von Zeus erzählt, daß er nach Beendigung bes Kampfs gegen die Titanen von den Göttern zur Üebernahme der Herrſchaft aufgefordert, den Unſterblichen Ehren und Würben wohl vertheilt habe‘. Mit Zeus ald Haupt ift erſt die eigentliche hellenifche Göttergefchichte vor- handen; und es iſt unr berfelbe Wendepunkt, der Anfang eigentlich hellenifchen

ı Theog. v. 881 'ss.

Avrap insel pa övov "udxapes dJæol —XRC Tıerpsaı. di rıudev'xplvareo Bıipı, .

Ana ror' drpwor Pasılavaun avasdav Taıns ypadyosurydıv oldumıov supvona Zuv Adavärv' 0 dd rolsıv du dusdasdgaro rınas.

Oerobotos Ausbrüde find: ovro. Geſiodos und Homeros) dd slidı roto. Feoldı cas dmevoniag dovreg xai rıuas re zal rexvas dıeiovreg. cf. Theo- gon. v. 112, 96 €’ dpevog ddsdavro, xal ag rınas dıdloved.

Bei den vielen Erörterungen, zu benen bie Stelle des Herodotos Beranlaffung gegeben, lann mau fih mr wundern, daß nie, fo viel mir befannt, an bie des Seftobed gebucht worden.

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Lebens, ben ber Dichter durch den Namen des Zens mytbologif ch, ber Geſchichtſchreiber durch die Namen der beiden Dichter hiftorifch bezeichnet.

Wir gehen nun aber noch einen Schriit weiter, indem wir fragen: Wer von allen, die zumal den Homeros mit Siam zu leſen willen, ſähe nicht ſogar die Bötter in den homerifchen Gebichten. entftehen. Allerdings aus einer für ihn ſelbſt unergrünblichen Vergangenheit gehen bie Götter hervor, aber man fühlt wenigftens, daß fie hervorgehen. In der homerifchen Poefie funtelt gleichſam alles von Nenheit, dieſe gefchichtliche Göttermwelt ift hier nod in ihrer erften Friſche und Jugend. Das Religiöfe der Götter allein ift das Uralte, aber and nur aus büfterm Hintergrunde Hervorblickende; das Geſchichtliche, das Freibe⸗ wegliche dieſer Götter iſt das Neue, das eben Entſtehende. Die Krifis, durch welche die Götterwelt zur Göttergeſchichte ſich entfaltet, iſt nicht außer den Dichtern, fie vollzieht ſich in ven Dichtern ſelbſt, -fie macht ihre Gedichte, und fo kann Herodotos wohl ſagen: die beiden Dichter, nach ſeiner entſchiedenen und wohlbegründeten Meinung die früheſten der Hellenen, haben dieſen die Göttergeſchichte gemacht. Es ſind nicht ihre Perſonen, wie er freilich ſich ausdrücken muß, es iſt die in ſie fallende Kriſis des mythologiſchen Bewußtſeyns, welche die Götterge— ſchichte macht. Sie machen die Göttergeſchichte noch in einem ganz andern Sinn, als in welchem man zu ſagen pflegt, daß zwei Schwalben keinen Sommer machen: denn ber Sommer würde auch ohne alle Schwalben ſich machen; die Göttergeſchichte aber macht ſich in den Dich tern ſelbſt, in ihnen wird fie,-in ihnen gelangt fie zur Entfaltung, in ihnen ift fie zuerft da und ausgefprocden.

Und fo hätten wir ven Gefchichtichreiber, deſſen ungemeine Scharf- finnigfeit zumal in den älteften Berhältniffen fih, was bie Sache be trifft, ſtets auch in ven tiefften Unterfuchungen bewährt, bis auf ben Ausdruck gerechtfertigt. Er fieht ſich der Entſtehung der Oöttergefchichte noch nahe genug, um fich- ein hiſtoriſch begründetes Urtheil über fie zuaufchreiben. Auch wir bürfen uns auf feine Meinung als auf em folches berufen und fein Urtheil als Beweis geltend machen, daß Poeſie wohl das natürliche Ende und felbft das nothwendig unmittelbare

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Erzeugniß der Mythologie, aber als wirkliche Poefie (und wozu würde es dienen von einer Poeſie in potentia- zu fprecdhen?) nicht der hervor⸗ bringenbe Grund, nicht Die Onelle der Göttervorftellungen ſeyn Tonnte. . &o zeigt es ſich demnach in ver gefegmäßigften Entwicklung, in ver Eutwidlung des vorzugsweife poetiſchen Volks, des helleniſchen. Gehen wir, um alles über dieſes Verhältniß noch hiſtoriſch Erkenn⸗ bare Zu umfaflen, weiter zurüd, jo ſchließen fi) zunächft vie Indier an. Würde freilich alles, was einem oder einigen einfällt zu behaup- ten, alfogleich zum Dogma, fo -hätten wir fo eben keine geringe hifte- riſche Irrlehre ausgeſprochen, indem wir die Indier unmittelbar vor die Griechen ſtellen. In der That aber ſind die Indier das einzige Volk, das eine freie, in allen Formen entwickelte, und ebenfalls aus Mythologie hervorgegangene Dichtkunſt mit den Griechen gemein hat. Ganz abgeſehen von allem andern, würde ſchon dieſe reich entfaltete Poefie den Indiern dieſe Stellung anweiſen. Aber es kommt nament⸗ lich etwas Hinzu, das nicht. weniger für ſich allein entfcheiden würde, bie Sprache, die mit der griechifchen nicht ‚bloß zu berfelben Formation gehört, fondern ihr auch in der grammatikaliſchen Ausbildung am nächſten fteht. Derjenige' müßte von allem Stun für einen gefegmäßigen Gang jeder Eitwidlung, alfo beſonders auch geſchichtlicher Erſcheinungen, ver⸗ laſſen "fegn, der, hierauf hingewieſen, noch ver Meinung beiſtimmen könnte, welche die Indier zum Urvolk erhebt und geſchichtlich über alle Völker hinausſetzt, obwohl die erſte Entſtehung dieſer Meinung ſich allenfalls erklären und einigermaßen entſchuldigen läßt. Denn die erſte Kenntni der Sprache, in welcher die vorzüglichſten Denkmale der in- diſchen Literatur gefchrieben find, konnte nicht ohne großes Talent für Sprachen” und nicht ohne beveutende Anftvengung erworben erben; und wer möchte ben, "Männern nicht gern Anerkennung zollen, die, zum Theil ſchon in Jahren, in welchen das Erlernen von Sprachen über haupt nicht mehr fo leicht von Statten geht, des Sanserit nicht nur felbft, zwar aus großer ferne, ſich bemächtigt, fondern aud ben dor⸗ nigen Weg zur Kenntniß deſſelben für die Nachfolger geebnet und er» leichtert Haben? Nun ift es billig von einer großen Mühe auch einen

22 bedeutenden Erfolg zu erivarten, und wenn bie erſten Vorgänger chen ſchon die Erwerbung und Eroberung des Sanscrit für ihren höchſten Lohn achten durften, fo mußte es Nachfolgern ober Schülern, wie fie gern für jede Erweiterung des menſchlichen Wiſſens ſich finden, er wänfcht ſeyn, ſich auf andere Weiſe für die aufgewendete Mühe fchablos zu Halten, wenn auch durch Teidtferlige Uehertreibungen und Depe thefen, welche die bisher angenommene Ordnung und Folge der Bölfer umwarfen, und das Oberfte zu unterft kehrten. In der That möchte biefe Erhebung der Indier in ihrer Wirkung nicht viel anders zu beur⸗ theilen fen, als bie geologiſche Erpebungshypotefe von Goethe bem⸗ theilt worden, welcher fagt, daß fie von einer Anſchauung ausgehe, in der von etwas Feftem und Regelmäßigem gar nicht wehr bie Rede ſeyn könne, fonbern nur von zufälligen und unzu ſammen- hängenden Ereigniffen ‘, ein Urtheil, dem. mau, was bie Er⸗ hebungstheorie wenigftens in ihrer bisherigen Geſtalt betrifft, wohl bei:

pflichten Tann, ohne darum die Wichtigfeit der Thatfachen, auf bie fie fi beruft, zu verfenuen, ober die früher angenommenen Eutftehungs weifen glaublicher zu finden oder gar. vertheidigen zu wollen.

Es möge Sie nicht verwimdern, wenn ich gleich von Anfang diefer Unterfuhungs gegen ſolche Willfür mich entfchieden ausſpreche; denn bürfte man auf die Weife, wie es mit der Anwendung des Indiſchen verfucht worben ift, überhaupt verfahren, jo würde ich bie kaum ange fangene Unterſuchung lieber fogleich wieder aufgeben, indem babei an eine innere Entwidlung, an eine Entwidlung ver Sache jelbft nicht mehr zu denken wäre, und vielmehr alles in- einen bloß äufzerlichen ‚und zufälligen Zufammenhang gebracht würde. Auf dieſe Weiſe könnte man das Tüngfte und vom Urfprung Entferntefte als Maßſtab an das Erfte und Urfprüngliche legen, für eine feichte und grundloſe Anſicht des Helteften das Spätefte als Beweis und Beleg anführen. Ginem ſolchen vor: und zubringlichen Einmifchen des, Inbifchen in alles, ſelbſt 3. B. in Unterfuhungen über die Geneſis, mit dem die ächten Kenner

Nachgelaſſene Echriften, Th. XI. S. 1%.

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des Inbifchen gewiß am menigften einverflauben find, muß ter allge- meine Name Mythologie zum Dedmantel bienen, benn unter dieſem Titel wird das Untlegenfte, ganz verfchievenen Stufen, oft entgegen- geſetzten Enden Angehörige” als vSllig identiſch behandelt. ‚Allein es find in der Mythologie felbft große und mächtige Unterfehieve, und fo wenig wir zugeben können, daß bie einzelnen durch Namen und Würden wohl unterfhievenen Götter in die Kreuz und in bie Quer miteinander verglichen, ihre Unterſchiede ‘aufzuheben werfucht werben, ebenjfowenig werben wir zulaffen, daß die wahre, nämlich innere und dadurch geſetzliche Succeffion. der großen Momente ver mythologifchen Entwidiung verwiſcht und völlig aufgehoben werde. Und dieß ‚um fo weniger, ‚weil im Fall dieß geftattet wäre, jede wiflenfchaftliche Exfor- ihung- des höheren Alterthums aufgegeben werden müßte, für welde eben Mythologie ven einzigen. ficheren Leitfaben barbietet. '

Wäre -die Mythologie überhaupt eine. poetifche Erfindung, fo müßte auch die der Indier .eine foldye fern. Nun bat bie indiſche Poefie, fo- meit fie bis jetzt befannt ift, bie bereitivilligfte Anerkennung gefunven, und ift als neue Exfcheinung vielleicht zum Theil felbft über Gebühr bochgeftellt werben. Dagegen bat man die inbifchen Götter fehr allge: mein nicht ſonderlich poetiſch finden können. Goethes Ausdrücke über ihre Unform find bekaunt und ſtark genug, aber nicht eben ungerecht ju nennen, wenn man auch vielleicht einen Zufag von Unmuth darin wahrnehmen wollte, an welchem ver auffallend reelle und boctrinelle

! Diejenigen, welche von ber andern Eeite ihre Gründe haben, das Griechiſche fo viel möglich zu ifoliren ımb von jebem allgemeinen Zufammenhang fern zu halten, haben für bie andern, welche den Aufſchluß für alles im Indiſchen fuchen, ben Namen Indomanen erfimben. Ich habe nicht auf diefe Erfindung gewartet, um in ber Abhandlung über bie ſamothrakiſchen Gottheiten mich gegen alle Ablei- tung griechiſcher Borftellungen aus indiſchen zu erflären, bieß geſchah felbft wor den belannten Aenferungen in Goethes weſtöſtlichem Divan. Beftimmt ift dort (S. 30) die Meinung ausgebrüdt, die griechiſche Gätterlehre insbeſondere fey auf einen höheren Urfprung als anf indiſche Vorftellungen zurädzuführen; wären bie erſten Begriffe ben Pelasgern, von denen alles Hellenifche ausgegangen, aus foldhen Abfläffen, nicht vielmehr aus ber Quelle ber Mythologie felbft zugelommen, nimmer hätten ihre Götternorftellungen zu folcher Schönheit fich entfalten können.

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Charakter ver indiſchen Götter und bie allzu fühlbere Unmöglichkeit, auf fie die bloß idealen Erklärungen, mit denen man ſich bei den Griechen beruhigen fonnte, anzuwenden, einigen Theil haben wiochte. Denn me erffärt Tann man die indifchen Götter doch nicht laſſen, mit. einem bloßen Gefhmadsurtheil find fle wicht hinwegzuſchaffen; abſcheulich ober nicht, fie find einmal da, und weil fie da find, müſſen fie erflärt werben. Ebenſowenig kann man aber, fo ſcheint es, eine anbere Erftärung für die indifchen, eine andere für die griechiſchen aufſtellen. Wollte man aber aus einer Vergleichnug beider einen Schluß ziehen, jo müßte cs dieſer ſeyn, daß das Doctrinelle, das eigentlich Religiöfe ber, mythole giſchen Vorſtellungen nur allmählich und erſt in der letzten Entſcheidung völlig überwunden worden.

Die Kriſis, welche den Hellenen ihre Götter gab, hat fie offenser zugleich in Freiheit gegen viefelben geſetzt; Dagegen ift der Indier noch weit tiefer und innerlicher abhängig von feinen Göttern geblieben... Die forniloſen epiſchen wie bie kunſtvollen dramatiſchen Gerichte „Indiens tragen einen weit mehr dogmatiſchen Charakter, als irgend ein griechi⸗ ſches Werk derſelben Art an ſich. Das poetiſch Verklärte der griechiſchen Götter im Vergleich mit den indiſchen iſt nicht etwas ſchlechthin Urfprüng- liches, ſondern nur die Frucht der tieferen, ja der völligen Ueberwindung einer Macht, die über die indiſche Poeſie noch immer ihre Gewalt aus⸗ übt. Ohne ein reales, ihnen zu Grunde liegendes Princip konnte bie gerühmte Idealität der griechiſchen Göfter ſelbſt nur eine fade ſeyn.

Schaffende Poeſie, in allen Formen frei ſich bewegende Dichtkunſt, findet außer den Griechen ſich nur bei den Indiern; alſo ſie findet ſich gerade nur bei den Völkern, die in der mythologiſchen Entwicklung die letzten oder jüngſten ſind. Zwiſchen den Indiern und Griechen ſelbſt zeigt ſich aber wieder das Verhältniß, daß bei jenen das Doctrinelle vorherrſchend erſcheint und bei weitem ſichtbarer iſt, als bei dieſen.

Gehen wir weiter zurück, ſo begegnen uns zunächſt die Aegypter. Die Götterlehre der Aegypter iſt in rieſenhaften Bauwerken, koloſſalen Bildern verſteinert, aber eine bewegliche, mit den Göttern als unab⸗ hängigen, von ihrem Urfprung freien Weten waltende Poeſie ſcheint ihnen

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völlig fremd. Einen einzigen Ingubren Gefang und altwäterliche Lieber, zu denen, wie Herodotos ausdrücklich fagt‘, Feine neuen hinzufamen, ausgenommen, ift bei -ihnen feine Spur von Poefie. Weber erwähnt Herodoto® eines ben griechifchen halichen Dichters, ven er, der zu Bergleihungen fo geneigt ift, gewiß nicht unterlafien hätte nambaft zu machen, noch hat ſich bis jet eine ber zahlreichen Inſchriften auf Obelisfen oder Tempelmänben als ein Gebicht erwieſen. Und body ift bie agyptiſche Mythologie eine jo entwidelte, daß Herodotos in ägypti⸗ ſchen, gewiß nicht" „von ägyptichen Pfaffen beſchwabt· giicchſche Gott, heiten erkennt.

Noch weiter zurück finden wir eine nicht cbenſo weit, aber doch ſchon bedeutend vorgeſchrittene Götterlehre bei den Phönikiern, die erſten, Elemente einer ſolchen bei den Babyloniern; beiden Völkern könnte man höchſtens eine der althebräiſchen ähnliche pfalmenartige, alſo doctrinelle Poeſie zuſchreiben, doch wiſſen wir nichts von einer babyloniſchen, eben⸗ ſowenig von. einer phönikiſchen Poeſie.

Nirgend zeigt ſich die Poeſie als ewwas Erſtes, Urſprungliches, wie ſie in ſo manchen Erklärungen dorausgeſetzt wird; auch ſie hatte einen früheren Zuſtand zu überwinden, und erſcheint um ſo beweglicher, um ſo mehr ala Poeſie, je mehr fie ſich dieſe Vergangenheit unterworfen hat.

Dieſes alles demnach möchte gegen die unbedingte Geltung der rein poetiſchen Anſicht und Erklärung Bedenken erregen, die und zeigen, daß wir mit ihr nicht abſchließen, und daß noch eine unbeſtimmte Weite anderartiger Unterſuchungen und Erörterungen vor uns liegt. u

' Lib. U, c. 79.

Biete vorleſung

Wenn wir von ber’ poetiſchen Anſicht ungern uns entfernen, fo # es hauptfächlich, weil fle uns feine Befchränkung auferlegt, weil fie uns der -Diythologie gegenüber völlige Freiheit, biefe ſelbſt in ihrer .Univer- fafität- unangetaftet Täßt, zumal aber, weil fie uns verftattet, bei dem eigentlichen Sinn ftehen zu bleiben, wiewohl fie dieß nicht, anbers kann, als indem fie zugleich einen eigentlich doctrinellen Sinn ausſchließt. Diefes alfo möchte ihre Schranfe- ſeyn. Es wird daher eine anbere Anficht kommen, welche Wahrheit und einen boctrinellen Sinn zuläßt, vie behauptet, daß Wahrheit in ihr urjprünglich wenigfteng gemeint war. Dafür nun aber wird fie, wie es meift zu gehen pflegt, das andere aufopfern, bie Eigentlichfeit, und flatt derfelben ven umeigentlichen Sinn einführen. Es ift Wahrheit in der Mythologie, aber nicht in der My thologie als ſolcher, zumal fie Götterlehre und Göttergefchichte-ift, alfo religiöfe Bedeutung zu haben fcheint. Die Mythologie fagt aljo oder ſcheint etwas anderes zu jagen, al8 gemeint ift, und. die ber auß gefprochenen Anficht gemäßen Deutungen find überhaupt und das Wort im weiteften Sinn genommen allegoriſche'!.

Die verfhiedenen möglichen Abftufungen werben folgende feyn.

Es find Perfönlichfeiten gemeint, aber nicht Götter, nicht über- menjchliche, einer höhern Ordnung angehörige Weſen, ſondern menfd- liche gefchichtliche Wefen, auch wirkliche Ereigniffe find gemeint, aber Sreigniffe der menfchlichen ober bürgerlichen Geſchichte. Die Götter

' Allegorie belanntlich von dALo (ein Anderes) und ayoneven (jagen).

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ſind nur zu Göttern erhöhte Helden, Könige, Geſetzgeber, oder wenn, wie heutzutage, ein Hauptgeſichtspunkt Finanz und Handel iſt, See⸗ fahrer, Entdecker nener Handelswege, Colonienſtifter u. ſ. w. Wer Neigung empfände, zu ſehen, wie eine Mythologie in dieſem Sinn er⸗ Hört ſich ausnimmt, den könnte man anf Clerikus Anmerkungen zur Theogonie des Heſiodos oder auf Mosheims Anmerkungen zu Cudworth Systema. intelleetuale und auf Hüllmanna Anfänge ber griechifchen Geſchichte verweilen. - .

Die hiftorifche Geflärungsweife heißt nach Euemeros, einem Epi⸗ kureer der alexandriniſchen Zeit, der. nicht ihr älteſter, aber eifrigfter Vertheidiger geweſen zu ſeyn fcheint,. die enemeriftifche. Bekanntlich nahm Epikuros wirkliche, eigentliche Götter an, aber völlig mäßige, um menjchliche Angelegenheiten unbelüämmerte. Der Zufall, nad) feiner Zehre allein herrſchend, Ließ keine Borfehung und feine Wirkung höherer Weſen auf die Welt und die menfchlichen Dinge zu. Gegen eine ſolche Lehre waren bie thätig in menſchliche Handlungen „und Ereigniſſe ein greifenden Götter des Volksglaubens ein Einwurf, ver befeitigt werben mußte. Dieß geihah, wenn man von ihnen jagte, fie ſeyen nicht eigentliche Götter, fondern nur als Götter vorgeftellte Menſchen. Sie ſehen, dieſe Erflärung fett eigentliche Götter voraus, deren Borftellung Epikuros belanntli von einer jeder.Xehre vorausgehenden, ber menfchlichen Natur‘ eingepflanzten Meinung herleitete, welche darum auch allen Menſchen gemeinfchaftlich fey'. „Weil dieſe Meinung nicht durch eine Beranftaltung oder durch Sitte oder Geſetz eingeführt, ſondern allem dieſen voraus in allen Menfchen angetroffen wird, müfjen Götter ſeyn“, fo ſchloß Epikuros?, beſcheidter auch hierin wie manche Spätere.

' Quae est enim gens, sut quod- ‚genus hominum, quod non habeat sine doctrina anticipationem quandam deorum? quam appellat apoAmbın Epicurus, id est anteceptam animo rei quandam informationem, dine qua nec-intelligi quidquam, nec yuneri, nec disputari potest, Cic. de nat. Deor. I, 16.

3 Cum non institato aliquo, aut more, aut lege sit opinio constituta, manestque ad umum omnium firma consensio, intelligi necesse est. esse deos. ibid. 17.

Hieraus erhellt aber auch, wie unpaſſend es iſt, wenn einige in chriſtlichen, ja in unſern Zeiten, die vielleicht an manches andere, aber doch an keine wirklichen Götter glauben, wenigſtens theilweife bie euemeriftifche Erklärung anwenden zu können meinen,

- Eine zweite Abftufung wäre num bie, zu fagen, daß in ber Dr thologie überhaupt keine Götter gemeint find, weder eigentliche noch uneigentliche, Keine PBerfönlichleiten, ſondern unperfönliche Gogenſtände, bie nur poetiſch als Perſonen vorgeſtellt find. Perſonification iſt das Princip dieſer Erklärungsweiſe; perſonificirt ſind entweder ſituiche oder natürliche Eigenſchaften und Erſcheinungen.

Weil die Götter ſittliche Weſen ſind, und in jedem derſelben ichen eine Geiſtes⸗ oder Gemüthseigenfchaft, mit Ausſchließung anderer, und dadurch über gewöhnliche menfchliche Weife erhöht, hervortritt, laſſen fie ſich als Symbole fittlicher Begriffe anwenden, wie e8 -von jeher ge ſchehen if. Was einmal da ift, wird gebraudt, aber der Gebraud erflärt nicht die Entſtehung. Der Dichter, wenn er einer Gottheit be darf, bie zur Mäßigung und Selbſtbeherrſchung auffordert, wird nicht die zornmüthige Here, fondern die befonnene Athene herbeirufen. Darım ift aber bieje weber ihm jelbft noch der Mythologie bloß bie perfoni- ficirte Weisheit. Baco, in einem Zeitalter großer politifcher Parteiumgen lebend, benutzte in feinem Büchlein: De Sapientia Veterum die My thologie zur Einkleidung politiſcher Ideen. Die Mythologie als eine künſtlich eingekleidete Moralphiloſophie vorzuſtellen, wie der Dämon in Calderons wunderbarem Magus ſagt:

Das ſind Mährchen nur, worein Die profanen Schriftverfaſſer Mit der Götter Namen künſtlich Einzuhüllen ſich vermaßen

Die Moralphiloſophie.

war nicht ſowohl eine gelehrte als pädagogiſche Erfindung der Jeſuiten, die im Wettſtreit mit den Schulen der Proteſtanten ihren Zöglingen auch die alten Dichter, wiewohl meiſt verſtümmelt, in die Hände aber und zu dem Ende aud die Mythologie erklärten.

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Was vie phufifalifchen Deutungen betrifft, fo ift die materielle Möglichkeit derfelben nicht in Abrede zu ftellen, wiewohl damit die Er⸗ klärung nicht gerechtfertigt iſt, man müßte denn erſt bie Ratur ſelbſt iſoliren, ihren Zufammenhang mit einer höhern und allgemeinen Welt leugnen, vie vielleicht in der Mythologie nur ebenfo wie in der Natur fi) fpiegelt. Daß ſolche Erklärungen möglich find, Legt nur ein Zeug- niß ab für die Univerfalität der Mythologie, die in ver That von der Art ift, daß, die allegoriihen Erklärungen einmal zugegeben, faft ſchwerer iR zu fagen, was fie nicht bebeute, als was fie bedente. Verſuche ver Art, wenn fie an die formelle Erklärung, welche zeigt, wie die My— tbologie- im joldem Sum auch entitanden jey, nicht einmal benfen, In daher höchftens leere, müßiger Köpfe würdige Spielereien. -. Ber ohne Sinn fürs: Allgemeine durch bloße zufällige Eindrüde fih beftinnmen läßt, kann fogar zu [peciellen phufifalichen Deutungen berabfieigen, wie dieß vielfach gejchehen if. Zur Zeit ver blühenden Alchemie' konnten Adepten in dem Kampf um Troja den fogenannten philoſophiſchen Proceß erbliden. Die Deutung ließ fi felbft mit Ety⸗ mologien unterftügen, die manchen heutzutage üblichen an Wahrjchein- lichleit nichts nachgeben. Denn Helene, um bie ver Kampf entbrennt, ft Selene, der Mond (das alchemiſtiſche Zeichen des Silbers); Ilios aber, die heilige Stabt, eben jo deutlih Helios, die Sonne (welche in der Alchemie das Gold beveutet). ALS die antiphlogiſtiſche Chemie allgemeine Aufmerkſamkeit erregte,. tonnte man in den männlichen und weiblichen Gottheiten der Griechen die Stoffe diefer Chemie, in ber alles vermittelnden Aphrodite 3. B. den jeven Naturproceß einleitenden Sanerftoff zu erfennen glauben: Seutzutage bejchäftigt vie Naturforjcher vorzüglich der Electro - Magnetismus und - Chemismus, warum jollte nicht auch viefer in der Mythologie zu finden fern? Vergeblich wäre es, einen ſolchen Ausleger widerlegen zu wollen, dem die Entvedung das unſchätzbare Glück gewährt, fein eigenes neueftes Angeſicht im Spiegel jo hoher Alterthümlichkeit zu beichauen, wobei er überfläflig findet zu jeigen, theils wie bie, welche die Mythen erfunden haben follen, zu ben ſchönen phyfikaliſchen Kenntniffen, vie er vorausfegt, gelommen fine,

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theils was fie veranlaßt bat, dieſe Kenntnifſe auf eine fo wunderliche Weiſe einzuhüllen und zu verbergen '.

Immer noch höher als dieſe fpeciellen Deutungen wären bie Une (egungen, welche bie Gefchichte der Natur in der Mythologie zu fehen glauben; einigen freilich ift fie nur eine Allegorie ber jährlich fich wieder⸗ holenden, der ſcheinbaren Bewegung der Sonne durch die Zeiche bei Thierkreiſes?; anderen bie poetiſch bargeftellte wirfliche Geſchichte ber Natur, die Folge von ‘Veränderungen und Umftürzen, bie dem gegen wärtigen beruhigten Zuſtand berfelben vorandgegangen find," wozu bie feihblichen Verhältniſſe ver aufeinander folgenden Göttergefchlechter, zu mal der Kampf der Titanen gegen das jüngfte derſelben, nahe Veran laffung geben; noch weiter fann man bis zu einer natürlichen Welt entftehungslehre (Kosmogonie) fortgehen, die in der Mythologie ent- halten ſeyn folle. Das Letzte hat nach manden Aeltern vorzäglih Heyne verfucht®, der zugleich der erfte einigermaßen nöthig fand, auch die Entftehung in diefem Sinn begreiflih zu machen. Er nahm feinen Anſtand, Philofophen als Urheber zu denken; der urfprüngfiche Inhalt der Mythologie find ihm mehr oder weniger zufammenhängenbe . Phtlofopheme über die Weltbildung. Zeus Kat den Vater Kronos des Throns und nad einigen Erzählungen der Mannheit beraubt, heißt (ich beviene mich vielleicht nicht gerade feiner Worte): die ſchaffende Ratur bat eine Zeit lang bloß das Wilde, Ungeheure‘ (etiva das Unorganifcke) hervorgebracht; hierauf trat ein Zeitpunft ein, wo bie Probuftion der

' aut, wo er von ber ehemaligen Hypotheſe bes Phlegiſton ſpricht, erwähnt eines jungen amerikaniſchen Wilden, der, gefragt, was ihn denn ſo ſehr in Ver⸗ wunderung ſetzt an dem aus einer entſtöpſelten Flaſche als Schaum hervordringenden engliſchen Bier, die Antwort gab: Ich wundbere mid richt, Daß es heran fommt, ih wundere mich nur, wie ihres habt bineinbringen können.

2 Dorneddens, eines ehemaligen Göttinger Docenten, Pamenophis und anderer - Schriften, nach welchen bie ganze ägyptiſche Bötterlehre mm ein kalenda⸗ rifches Syſtem ift, eine verhüllte Darftellung bes jährlichen Gange der Some unb bes mit bemfelben geſetzten Wechſels von Erſcheinungen in einem ägyptiſchen Yahreslauf.

3 De origine et causis Fabularam Homericarum (Commentt, Gott. T. VII).

bloßen Maſſe aufhörte, anſtatt des Ungeſtalten und Formlofen das

Gebildete Organiſche erzeugt wurde. Das Aufhören dieſer unförmlichen Produktion iſt die Entmannung des Kronos; Zeus iſt die ſelbſt ſchon gebildete und Gebildetes hervorbringende Naturkraft, durch welche jene erſte, wilde gehemmt, beſchränkt und an fernerer Zeugung verhindert wird, Gewiß iſt dieß ein Sinn, ber ſich hören läßt, und ſolche Er- Härungen mögen immer als Vorübungen gelten; fie dienten in einer früheren Zeit, wenigſtens die Meinung von einem realen Inhalt ver Mythologie zu erhalten. Fragt man nım, wie die Philofopken dazu gelommen, ihre ſchätzbaren Einfichten in dieſe Form zu Heiden, fo fucht Heyne wenigftens das Künftliche fo viel möglich zu entfernen; fie haben die Darftellung nicht frei gewählt, ſondern waren zu ihr gebrungen und beinahe. gegwungen; theils haben ber älteften Sprache wiflenjchaftliche Ausprüde gefehlt für allgemeine Principien oder Urſachen, Armuth der Sprache habe fie genöthigt, abftracte Begriffe als Perſonen, logiſche over reale Beshältnifje durch das Bild der Zeugung auszubrüden; theild aber. jeyen fie von den Gegenftänven felbft fo ergriffen geweſen, daß fie genebeitet haben, fie aud ben Zuhörern gleichſam dramatiſch wie han⸗ deinde Perſonen vor Augen zu -ftellen '.

Sie felbft bie angenommenen Philoſophen wu ßten, daß fie nicht von wirklichen Perſonen redeten. Wie find nun aber die von ihnen gefchaffenen Perfönlichleiten zu wirklichen und dadurch zu Göttern ge- worben? Durch einen fehe natürlichen Mifverftand, follte- man denken, der unvermeiblich war, fobald die Vorftellungen an joldhe famen, denen das Geheimniß ihrer Entftehung nicht befannt war. Doc Heyne denkt

'.Nec vero hoc, (per fabulas) philpsophandi genus recte Satis appel- latur allegericum, cum non tam sententiis involucra quaeretent homines studio argutiarum, quam quod animi sensus quomodo aliter exprimerent non habebant. - Angustabat enim et coarctabat spiritum quasi erumpere lactantem orationis difficultas et inopia, percussusque tanquam numinis alicujus afflatu aufmus, cum verba deficerent propria, et sua et communia, sestuans et abreptus exhibere ipsas res et repraesentare oculis, facta in conspectu ponere et in dramatis modum in scenam proferre cogitata alla- borabaet. Heyne |. c. p. 38.

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ſich den Uebergang anders. Die Perſonificationen ſind einmal da, wohl verſtanden von allen, die um ben Sinn wiſſen. Da bemerken bie Dichter, daß fie ald wirkliche Perfonen genommen zu allerhand er- göglichen Mährchen und Erzählungen Stoff geben .würben, mit bene man hoffen fünnte, bei einem unterbaltungsluftigen Vol Eingang zu finden; Heyne ift fogar nicht abgeneigt, eben dem Homeros vorzüglich diefe Umwandlung philofophifch bedeutender Mythen in ganz gemeine Geſchichten zuzufchreiben. Ihm fey ver philoſophiſche Sinn nod wohl befannt, wie man aus einigen Anbentumgen, vie ihm entjchlüpfen, ab nehmen fünne; nur laſſe er es ſich nicht merken; als Dichter verſtehe er feinen Vortheil zu gut, um die Bedeutung mehr als höchftens- durch fheinen zu laſſen, denn philofophifche Ideen jeyen beim Volke nic beliebt, und bedeutungsloſe Geſchichten, wenn nur ein gewiſſer Wechſel von Gegenftänden und Begebenheiten barin beobachtet fey, fagen ihm weit eher zu. Auf viefe Art alfo feyen vie mythologifchen Perſönlich keiten zu der Unabhängigfeit von ihrer wifjenfchaftlichen Bedeutung, in ber fie bei den Dichtern vorfommen, und zu ver Sinnloſigkeit gelangt, in der fie der Volksglaube allein noch kenne.

Es fcheint ein bemerfenswerther Umſtand, daß ven Griechen ſchon ber Urfprung ver Mythologie, dem fie fo viel näher ſtanden als wir, nicht verftändlicher war, als er ung ift; wie der griechiſche Naturforicher der Natur nicht näher ftand, als ver heutige: Denn ſchon zu Platons Zeiten find, theilweije wenigftens, von mythologiſchen Meberlieferungen ganz ähnliche Deutungen verfucht worten, über tie Sofrates im Phädros äußert: es gehöre zu foldhen, um ſie nämlich durch alles hindurchzu⸗ führen, ein gewaltig ſich abmühenver Mann, und ver nicht eben be fonders glüdlih und beneidenswerth ey; denn um mit dieſer Art von grobem Berftand IXypoıxog cop/e) alles ins Gleiche oder auf etwas Wahrjcheinliches zu bringen, fey viele Zeit nöthig, bie nicht jeder übrig habe, der ſich mit Ernfterem und Wichtigerem befchäftigen könne!.

Ganz ähnlich äußert ſich der Akademiker bei Cicero über bat

' Platon. Phaedr. p. 229. De Rep. III. p. 311. D.

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Müpfeligediefer Deutungen in Bezug auf die Stoifer'; denn es ift mert · würbig, daß bie beiden auf dem Schauplatz der Philofophie in Griechen: land und in Mom zulegt allein übrig gebliebenen Syſteme, das epikuriſche und das ftoifche, fi) in die zwei Erflärungen, bie hiſtoriſche ober enemeriftifche und bie naturwiffenfhaftliche, getheilt haben. Die Stoiter ließen zwar großer Wohlthaten wegen vergätterte Menfchen zu, wo biefer-Urfprung am Tage zu liegen fchien, wie bei Herkules, Kaſtor und Bollug, Aeskulapios u. |. w. Aber alles Tiefere der Göttergefchichte, wie die Entmenmung des Uranos, Saturnus Ueberwältigung durch In- piter, erflärten fle aus rein phyſiſchen Verhältniſſen?. Zuletzt wurden beide von ben Neuplatonikern abgelöst, welche endlich eigentliche Meta- phyſit in der Mythologie ſahen, geföthigt dazu hauptſächlich wohl, um dem geiftigen Gehalt des Ehriftentfums in einem analogen bes Heidenthums ein Gegengewicht zu geben*. Da fie inbeh bei den Beſtrebungen, theils tie eigenen fpecnlativen Seen mit den Trabitionen der alten Religion in Einflang zu fegen, theils hinwiederum biefe durch jene zu fügen, weit entfernt find, an einen natiirlichen Urfprung ber Mythologie zu denken, die fie vielmehr als eine unbebingte Wutorität voransfegen, fo Lönnen fie unter ven eigentlichen Erllärern der Mythologie feine Stelle finden.

Hermne hatte ſich dagegen verwahrt, daß man feine Erklärung ober tie Einffeivungsmeife feiner Philoſophen felbft. eine allegoriſche nenne, weil nãmlich diefe fie nicht in ber Abſicht gewählt haben, ihre Lehren

* Ciegxo, De nat. D. L. II, e. 24. Magnam molestiam..uscepit et minime #peoessariam primus Zeno, post Cleanthes, deinde Chrysippus commentitiarum fabularim feddere rationem, vocabulorum, cur quigue ita appellati sint, causas explicare. Quod cum facitib, lud profecto con- fitemini, longe aliter rem se habere auque hominum opinio sit: eos enim, qui Di appellentur, rerum naluras esse, non figuras Deorum.

? Alias quoque ex ratione, et quidem physica, magna tluxit multitudo Deorum; qui induti specie humana fabulas poetis suppeditaverunt, homi- num autem vitam superstitione omni referserunt. Atque hic locus a Ze none traotatus, post a Cleanthe et Chrysippo pluribas verbis explicatus est. etc. Cicero 1. c. c. 24.

Wan vgl. bie Bemerkungen V. Coufins in den beiden Artikeln über Olym piodor, Journal des Savants, Juin 1834. Mai 1835. Selling, ſammtl. Werke. 2. Abrn 1. 3

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oder Meinımgen zu verhüllen. Als ob es darauf anlime! Geung, fie reven von Göttern, wo fie nur.an Naturkräfte denken, fie meinen alfe etwas anderes, als fie fagen, und brüden etwas aus, werat fie eigent- lich nicht denken. Iſt man nun aber ‚einmal fo weit gekommen, ben Inhalt als wifjenfhaftlidh anzunehmen, müßte es nicht eriwänfcht fern, au den Ausdruck ganz eigentlich und wiſſenſchaftlich zu finden, und jo wenigftend ganz und rein auf die entgegengefeßte Seite ber poetifchen Anficht zu kommen, wozu Heyne auf halben Weg ftehen geblieben if? &r war wohl überhaupt nicht ver Mann irgend eine Folgerung vel- ftändig auszuführen und auch nur verfuchsweife bis auf ihre letzte Spike durchzudenken. Vielleicht war es ein glüdlicher Leichtſiun, ber ihn ab- hielt, die philofophifhe Erklärung auf die legte Probe zu bringen, welche fie ein mehr formeller Geiſt, fein berühmter Nachfolger in- philologifher Forſchung, Gottfried Hermann, beftehen ließ, der nämlich ben durchgängig eigentlicdyen Sinn auf die Weije herftellte, daß er, eine ober flächlich perfonificirende Fürbung des Ausdrucks abgerechnet, auch u ven Namen num wiffenjchaftliche Benennungen ver Gegenftänpe ſelbſt ficht, daß ibm 3. B. Dionyfos nicht den Gott tes Weins, fondern fireng etymologiſch den Wein ſelbſt, Phoibos- nicht den Gott des Fichte, jondern ebenfo das Licht felbft bebeutet; eine Erklärung, die fchon ale Auflehnung gegen das allegorifirende Weſen der Beachtung und einer ausführlichen Darftellung wohl werth iſt.

Unterfuht man fo baut ver hochverdiente Grammatifer ſeine Theorie auf! die angeblichen Götternamen, fo zeigen ſich erſtent alle im Allgemeinen bedeutſam; erforfcht man näher bie Bevenkumg, jo findet fi, zufolge einer bald am Tage liegenden, bald durch tieferes Ein bringen fich zu erkennen gebenven Etymologie, zweitens, daß fie indge fammt nur Prädicate von Formen, Kräften, Erfcheinungen oder Thätig- keiten der Natur enthalten; unterfucht man weiter die Verbindung um ven Zufammenhang, in ven fie gejett find, fo kann man nicht au vers ſchließen, al8 daß die Namen auch nur Benennungen von Ratur-

ı Dissert. de Myıhol. Graecorum antiquississima. Lips. 1817.

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gegenftänden ſeyn follen; denn nimmt man fie als Namen von Göttern, fo verliert ſich bald jever erfennbare Zufammenhang, nimmt man fie für rein wifienfchaftliche Benennungen der Gegenftänte felbft, die das charak⸗ teriftifche Präbicat derſelben enthalten, das in / den gewöhnlichen zufälli- gen Benennungen entweber überhaupt nicht ausgebrüdt ober nicht mehr zu erlennen ift, gibt man der Darftellung noch außerdem das ganz un⸗ verfüngliche Mittel zu, die Abhängigkeit der einen Erſcheinung von ber andern durch das Bil der Zeugung auszubrüden, wie ja auch wir, ohne auch nur daran zu denken, daß bieß bilblich geredet iſt, Wärme vom Licht‘ erzeugt werben, oder ein Princip, ja einen Begriff von dem andern abftammen laſſen, fo entvedt fich ein ausführliches Ganzes, vefien Glieder einen vollkommen einleuchtenden und wiſſenſchaftlichen Zu⸗ ſammenhang unter ſich darſtellen. Diefer Zufammenkang lam nichts Zu⸗ fälliges ſeyn, das Ganze muß daher auch in rein wiſſenſchaftlicher Abficht entftgnben ſeyn, und legt man die Theogonie des Heſiodos als die reinſte Urkunde ver erften Entftehung zu Grunde, fo wird men ſich den Urſprung viefes Ganzen nicht wohl anders als auf folgende Weiſe denken können:

Es lebten einmal doch nein, fo würde bie Hermannſche Theorie felbft. wie ein Mythos anfangen, und zwar in der gemöhnlichften Form wir wollen alſo fagen: Es müſſen einmal, d: b. irgendwam und irgenb- wo etwa in Thrakien, wohin ‘die griechiſche Sage ven Thampris, Orpheus und Linos, oder in Lylien, wohin.fie den erften Sänger Olen verfegt; fpäterhin findet fich freilich, -vag wir bis in den fernen Orient

: waffen genug, es müflen einmal unter einem übrigens Volk einzelne durch beſondere Geiſtesgaben ausgezeich⸗ nete, Aber das Gemeine ſich erhebende Männer gelebt haben, welche Kräfte, Erſcheinungen, ja Geſetze der Natur beobachtet” und erkannt, die alfo auch wohl darauf denken durften, eine fürmliche Theorie des Uriprungs und des Zufammenhangs der Dinge zu entwerfen. ‘Dabei befolgten fie die Methode, bie allein beftimmte, ſichere und deutliche Renutniffe möglich macht‘, indem fie das unterſcheidende Präbicat jebes

ı lieber das Weſen und die Behandlung der Mythologie. Leipzig 1819. ©. 47.

m.

Gegenftandes aufſucht, um fich auf biefe Weile feines Begriffe zu verfihern. Denn wer z. B. den. Schnee Schnee nennt, ſtellt fi) den Gegenſtand wohl vor, aber denkt ihn nicht eigentlich. Venen aber if es um ben Begriff zn thım, und biefen Begriff foll auch vie Benennumy fefthalten. Sie ˖ wollen alfo 3. B. die brei Arten bes -fchlechten Wetters, Schnee, Regen, Hagel ansprüden. Bon dem Hagel finvet fi), daß a fhmettert, fie Fönnten alfo fagen, ‘ver Schmetternbe, aber bamit wäre nım ein Präbdicat, nicht ein Gegenſtand ausgebrüdt. Ste nennen ihn alfo ven Schmetterer, griechiſch xorrog- (vou xdxreo), bekanntlich der Name eines der hunbertarmigen Rieſen bei Hefiovos. Vom Reger lägt ſich bemerken, daß er Furchen in bas Felb gräbt (noch öfter fri- (ih möchte er fie verſchwemmen), er wird alfo Furchen macher ge: nannt, griehifh YUy75, Name des zweiten hefiobifchen Rieſen. Bom Schnee findet fih, daß er laftet und ſchwer ift, fie nennen ihn alle Schweremann, Poıwgeng, denten aber babei nicht an einen Mann, noch weniger an einen Rieſen, ſondern nur eben an ben Schnee. Nicht der Gegenftand felbft wird perfonificirt, wie bei Heyne, jondern nur, wenn man will, der Ansdruck, und diefe bloß grammatifche Per fonification bat hier nicht mehr auf fi, als in Ausprüden, wie fie in jeber Sprache vorlommen, wie wenn eine Art breiter Degen ber Stecher, das Werkzeug, mit dem man Wein: aus einen Faß hebt, der Heber genannt wird, ober wenn vie Yandleute den Brand im Ge treive den Brenner, den Krebs, von dem Bäume befallen werben, ben Freſſer nennen. Die Gegenſtände felbft als Perfonen von ftellen, wie etwa der Volkswitz einen heftig blajenden Wind & Blafind nennt, war ganz gegen ben Zweck der Urheber oder des Urhebers (dem Hermann ſelbſt fpricht zulegt. nur von cinem)'. An -eurer perfonific- renden Darftellung im Sinn Heynes fonnte eine Zeit nicht mehr Ge Ihmad finden von dem wiſſenſchaftlichen Ernft, ver nöthig war, ein Ganzes hervorzubringen, wie e8 Hermann in ber heſiodiſchen Theogonie fieht, in welcher ſich fo viel gründliche Kenntnig, ein folcher folgerechter

Ebendaſ. S. 107.

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zuſammenhang, eine jo bündige Ordnung findet (es find feine eigenen Ansprüde), daß er feinen Anftand nimmt, die der Theogenie zn Grunde iegenbe Lehre für das bewunderungswürdigſte Meifterftüd des Alterthums n erklären; er ficht in den Mythen nicht etwa eine oberflächliche Sammlung von Hypotheſen, fondern Theorien auf lange Erfah ung, forgfältige Beobachtung, fogar ‚genaue Berechnung ge wändet, und in dem ganzen Gebäude ver Mythologie nicht nur gründ⸗ iche Wiſſenfſchaft, fondern tiefe Weisheit!.

Wir müuſſen dahin’ geſtellt ſeyn laſſen, welchen Antheil an dieſen illerdings etwas hyperboliſchen Lobſprüchen entweder die natürliche Vor⸗ iebe für die Gegenſtände unſerer eigenen, wahren ober vermeinten Ent⸗ deddungen, ober’ ein nicht allzu genauer Begriff von dem Werth und ber Seltung folder Prävicate, die noch immer nicht zu gering erfcheinen vÄrben, wenn etwa von Laplaces Systäme du Monde die Rebe wäre, wer auch beide Urſachen zugleich haben mögen. Unftreitig find unter zieſen Refultaten gründlicher Wiffenfchaft nicht auch Xehren wie folgende jerecjnet: daß das Saatkorn (Repoep6sr) in-.die Erbe verborgen (vom Sott der Unterwelt geraubt) ‘werben müffe, um Frucht zu tragen; daß ver Bein (dtowvoog) vom Weinftod (der Semele) herkomme; daß bie Bellen des Meers beſtändig, ihre Richtung aber veränberlich fey, ‚und ihmliche, die jeder Menſch, der in. diefe Welt kommt, gleichjam um⸗ onft und geſchenkt erhält. Um ſich von dem philofophifchen Geift der Eheogonie zum Überzeugen, muß nicht das Einzelne, wobei freilich be- annte Säge nicht zu vermeiden find, ſondern das Ganze, insbefonbere ber der Anfang ins Ange gefaßt werben, beffen Erklärung nad) der- nann wir gern einige Augenblide ſchenken werben.

Jener alte Philofoph alfo, von dem fich die erfte, dem Heſiodoe elbſt ſchon unverſtändlich gewordene Grundlage herſchreibt, wollte mit er Welterklärung ganz von vorn anfangen, d. h. von da, wo noch ichts war. Zu diefem Ende jagt er: vor Allem war Chaos; viek eißt etymolodiſch (von Xdw, xalvo) das Weite, allem noch Offen—

Ebendaſ. ©. 47.

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ſtehende, Unerfüllte, alfo der von aller Materie leere Raum. Diefem kann natürlich nichts folgen, als was ihn erfüllt, die Materie, jedech bie felbft noch al8 formlos zu denkende, etymologifc (von yckoo, y&yaa) das, woraus alles wirb, alfo nicht die Erbe, fonbern ver Urftefi alles Werdens, die noch nicht geformte Grundlage alles Fünftig Ext ftehenvden. Nachdem nun fowohl das gefegt'ift,- in welchem, als bab, aus welchem alles entſteht, fo fehlt nur noch das dritte, durch welches alles wird. Dieſes dritte iſt das alles verknupfende Band, ber Eii- ger, Eros (von &i0@,) der hier nur dieſe wiſſenſchaftliche Bedentung nieht die des ſpäteren Gottes Kat. Und nachdem er. diefe brei Ele mente gefegt bat, kann der Philofoph Daran gehen, bie Schopfaug der Dinge ſelbſt zu erklären.

Die drei erſten Erzeugniſſe des Raums, als ‘des erften Element⸗ ſind: 1) Erebos, der Decker; mit dieſem Namen wird die Finſterniß belegt, die den Stoff zudeckte, ehe noch etwas ans ihm geſchaffen war; 2) Nyr, nicht die Naht, ſondern aud hier muß man ſich an die Ur: bebeutung halten; der Name ift von vvery (vcuetv), nutare, vergere, nach unten fich neigen, denn die nächſte Folge (alfo Zeugung) des Raums ift die Bewegung, die erfte und einfachjte Bewegung aber vie nad ımten, das fallen. Dieſe beiden erzeugen nun mit einander ven Wether und bie Hemere,. die Klarheit und die Heitere; denn wenn bie Finſter⸗ niß, die ſich der kosmogoniſche Dichter als etwas Körperliches und wie einen feinen Nebel vorftellt, mit der Nyr ſich vermählt, d. h. nieder: fallt, wird e8 obenher Mar und heiter.

Nun folgen die Erzeugniffe des zweiten Elements, der noch form loſen Materie. Diefe erzeugt zuerft für fid und noch ohne Gemahl ben Uranos, d. h. ten Oberen. Der Sim ift: das Teinere der Materie erhob fih von felbft, und wurde ald Himmel von dem grö⸗ beren Theil gefchieven, der als eigentlidher Erblörper zurückblieb. Diefes Gröbere wird angeveutet durch die hier erwähnten großen Berge mt den Pontos, der uicht, wie ſchon Hefiovos mißverftand, das Meer, fonbern, wie es Hr. Profefjor Hermann jegt beſſer verfteht, die Tiefe überhaupt bebeutet, wom Verbo nırveir, womit auch das lateiniſche

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fundus. verwandt .ift. Jetzt alſo nach der Ausicheivung des Oberen hat Gaãa erſt die Bedeutung ber Erbe; indem fie mit dem Oberen in Wechſelwirkung tritt, ift ihr erſtes Erzengniß ver Dfeanos, nicht das MWeltmeer, ſondern etymologiſch von @xvg, der Schnellläufer, das über alles ſich verbreitende und alle Tiefen erfüllende Waller. Diefen Erguß des Urwaſſers begleitet eine ungeheure Verwirrung ver Elemente, daß fie hin und der, auf» und abwärts, durcheinander fahren, bis fie enblich ſich gegenfeitig einfchränfenn zur Ruhe gelangen. Diefen Tumult bezeichnen die auf das Urwaſſer folgenden Kinder der Gäa und des Uranos, die paarweife zujammengeftellten Titanen, d. h. Streber, von re/vo, tıralvo, denn fie find bie Kräfte der noch wild ftreben- ven, unberubigten Natur. Je zwei berfelben brüden, ihren Namen zu- folge, einen der Gegenfäge aus, die man in der uech gefpannten und mit fich felbft uneinigen Natur vorauszufegen bat, nämlid 1) Krios und Koios, der Scheider. (von xodso) und der Menger; 2) Hy perion und Japetos, der Steiger und der Stürzer; 3) Theia und Rheia: ber gemeinfchaftliche Begriff beider ift das Fortgetrie- - benwerbden, ber Unterſchied aber, daß einiges babei feine Subftanz behält (Thein) , anderes fie verliert (Ahein von uEo fließen); 4) Themis und Mnemofyne, welde in. diefem Zufammenhang die gewöhnliche Bedeutung nicht behalten Können; jene ift die das Flüſſige zum Stehen oder Anfegen bringende, dieſe im Gegentheil die das Starre aufregende und bewegende Macht; 5) Phoibe md Thethys, bie reinigende, das Unnütze wegſchaffende, und die das Nützliche anziehende Kraft; der Letzte endlich von allen iſt Kronos, der Vollender, vom Zeitwort xpaivo; denn Chronos die Zeit hat erſt von Kronos ihren Namen erhalten, weil fie auch alles zum Vollendung bringt.

Hier ift, verfichert Hermann, nicht nur durchaus wilfenfchaftlicher Zufammenhang, fondern fogar. ähte Philofophie, die nämlich von allem Hyperphyſiſchen fish frei hält und vielmehr alles bloß .natür- li zu erflären ſucht. Bon Göttern, wenn man nicht fie willkürlich hineinlegen will, feine Spur. Das Ganze Beweis einer Denlart, bie man eher für atheiſtiſch als für theiftifh zu haften geneigt jeyn müßte.

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Und fieht man, wie bi8 auf die erften Anfänge zuräd und bis auf bie legten Erjcheinungen hinaus nur. der natürliche Zuſammenhang hervor gehoben ift, fo kann man fid nicht enthalten. zu. urtheilen, daß ber Urheber nicht bloß felbft von Göttern nichts willen. will, fondern daß feine Abficht fogar eine polemijche, gegen ſchon vorhandene Götter vorftellungen gerichtet ift'.

Wir find’ hiemit auf dem Gipfel der Hermamifchen- Theorie au gelommen, durch die, wie Sie ſehen, Heynes im Ganzen, ſchwacher Verſuch, der Mythologie alle urſprünglich veligiöfe Bedentung zu ent, ziehen, weit überboten iſt.

Zugleich erhellt aber, daß Hermann ſeine Erflärung ſelbſt = nur auf die eigentlich mythologiſchen Götter beſchränkt. Er will nicht den Urjprung des Götterglaubens überhaupt erflären, er fett vielmehr bei feinen Annahmen ſchon ein Volt voraus, welches von einem ſchon vor- handenen religiöfen Aberglauben durch die Philofophen befreit werben follte, die durch ihren Verſuch übrigens nur zu einem neuen und andern Götterglauben Beranlaffung geben. u

Es läßt fi) ‚allerdings wohl auch nicht denfen, taß das Boll, unter dem ſich ein nach Hermanns Meinung jo einſichtsvoller Philofoph erheben konnte, auf gleicher Linie mit ſolchen Völferfchaften geftanven habe, bei denen bis jegt feine Spur von Göttervorftellungen gefunden worben. Ein Boll, deſſen Sprache reich articulirt und biegfam genug war, um wilfenfchaftliche Begriffe mit durchaus eigentlihen Worten zu bezeichnen, wird ſich doch nicht wie bie africanifchen Buſchmänner durch bloße Schnalzlaute ausgevrüdt haben. Das Boll, zu dem die ange nommenen Philofophen gehören, wird man fi nicht auf der Gtufe jener Wilden bes ſüdlichen Amerika denken können, denen, wie Don Felix Azara erzählt, ſelbſt Concilien förmlich die Menſchheit abge⸗ ſprochen, die katholiſche Geiſtlichkeit die Sacramente zu ertheilen ſich geweigert hatte, und bie endlich nur durch einen Machiſpruch des Papftes unter fortbauerndem Widerfpruc ber im Lande befindlichen Geiftlichteit

%

Ebendaſ. S. 38. 101.

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——

für Menſchen erklärt werden konnten‘. Denn nur Menſchengeſchlechter der erwähnten Art ſind bis jetzt ohne alle religiöſe Vorſtellungen ange⸗ troffen worden.

Auch unabhängig von der angenommenen polemiſchen Abſicht werben wir dem von Hermann voransgefegten Bolt Göttervorftellungen zu- geben müſſen, freilich ber erften und daher, wie er fogt, robeften Art. Seine Religion beftand- aller Wahrſcheinlichleit nach in einem grob phufifalifchen "Aberglauben, ver auf der Vorftellung unfidhtbarer, mit Naturerfcheinungen im Zuſammenhang ſtehender Wefen beruhte. Weiterhin bemerkt die herangẽwachſene Denkfraft einzelner, daß die vermeinten Götter nichts anderes als die Natur und ihre Kräfte

find; bier entfteht benn jenes rein phyſilaliſche, von jedem religibſen Element freie Wiſſen, das die Urheber in der Abſi icht mittheilen, das Bolt für immer von allen Göttervorſtellungen frei zu machen. Es er- Härt fich hiedurch auf überrafchende Weiſe, warım die Mythologie bis⸗ ber fo unbegreiflich blieb, denn ſtets wollte man verfehrter Weife fie ans Böttervorftellungen entftehen Iaffen, bier aber entdeckt ſich das ganz Neue mb Berwimderfame, daß fie erfunden- worden, um allen religiöfen Borftellungen ein Ende zu maden, und gerabe von ſolchen, bie es am beften wußten, daß es nichts der Art gebe wie Götter ?.

Wurde bie edle Abfiht, welche Hermanı dem Erfinder ber Theo⸗ gonie zufchreibt,; erreicht, fo könnte ein philanthropiſcher Mann unjerer Zeit ſich freuen, in der Vorzeit: ſtatt abergläubifcher Götterbiener ein von aller Religion freies Geſchlecht zu finven, das alles bloß natürlich begreift und von jedem hyperphyſiſchen Wahn frei und ledig iſt. Wie indeß die Abficht mißlungen, indem die Erfinder dem Volk ihre Lehren zwar vortragen, aber umbegreiflicher Weife, dem von Borftellungen ım- fihtbarer, hinter Naturerfcheinungen ſtehender Wejen fchon erfüllten gegenüber, . unterlaffen, eine Erklärung ver bloß grammatiſch gemeinten Berfonification vorauszufchiden ihm felbft überlaffen, zu dem wahren

' Voyage dans l’Amerique meridionale T. ll, p. 186. 187. Ueber das Weſen und tie Behandlung der Mythologie S. 140.

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Sinn durchzudringen, oder ihn mißverftehend nur ſich ſelbſt zu tür fhen; wie dann das Boll die nur als Berfonen benannten Raturkräfte für wirkliche Berfonen nimmt, „bei denen es an weiter burdhans gar nichts mehr dent“ ', dieß ift zwar nicht leicht, doch noch einigermaßen zu begreifen. Aber wie das Volt nun bie Lehre nicht bloß mißmerficht, fondern die-mißverftandene, wozu es durch nichts genöthigt wird, au nimmt, an bie Stelle ber unſichtbaren Wefen, vie ihm mit Rate erfcheinungen in Berbinbung ſtehen und aljo Bedentung hattet, be völlig unverftandenen Perſonen, oder vielmehr nur bie finnlofen Namen berjelben ſich auflegen läßt; dieß überſteigt fo ſehr alle Slaublichten, dag wir und gern enthalten, dem ehrenmerthen lirheber im. bem wer teren Berlauf feiner Erklärung zu folgen. Wir ‚haben feine Hypotheſe überhanpt nur der Rückſicht werth geachtet, erftens, weil fie bie letzte in der angegebenen Richtung mögliche ift, weil fie: ven Vorzug hat, baf mit einem wiſſenſchaftlichen Inhalt ver Mythologie über fie nicht mehr hinauszugehen ift; zweitens, weil jedenfalls etwas an ihr für uns wichtig iſt, die philologifhe Grundlage und das unbeftreitbar Wahre der Beobadhtung, von der fie ausgegangen: denn daß der Meinung eines jolden Mannes, die er noch dazu nicht im Scherz, wie einige au eine für ihn wahrhaft beleidigende Weife annehmen wollen, fondern mit all dem Ernft, der in jeglicher feiner andern Arbeiten erfennbar if, und anfs Fleißigſte ausgeführt bat, überall nichts Wahres und Richtiges zu Grunde liege, dürfen wir ja auf feine Weiſe zugeben. Wir können es demnach ſchon nicht anders: al8 vervienftlich finden, dag nur überhaupt die Aufmerkfamleit wieder auf das ebenfo merk: wirbige als räthjelhafte Erzeugnig des Alterthums, das Gedicht des Heſiodos und vorzüglic auf die fo wenig beachtete wifjenjchaftliche Seite vefjelben gelenkt worden. Tiefe wiſſenſchaftlhiche Bedeutung ver Namen, die Hermann nicht zuerit bemerkt, aber vollends außer Zweifel geſetzt bat, ift aud eine Thatſache, die keine auf Bollftänbigleit

' Briefe Über Homer und Hefiobus bon G. Hermann und dr. Cremer. Seibelb., 1818. ©. 17.

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Anfpruch macende Theorie wird unbeachtet und unerklärt laſſen dürfen, und gerade was ein Theil feiner Fachgenoſſen an dem berühmten Mann belächeln zu dürfen glaubte, diefer Gebrauch der Sprachkunde für einen höhern Zweck, ift, was ber wahre Forſcher dankbar zu erkennen bat, Zumal aber in der Hauptwahrnehmung, von ber dieß alles aus⸗ ging, können wir nicht umhin, ihm volltommen Recht zu geben, in ver Bemerkung nämlich des philofophifhen Bewußtſeyns, das befonbers im Anfang der Theogonie fo beftimmt und unverkennbar bervortritt. Nur damit fängt die Täufhung an, daß Hermann gleich bereit ift, diefes wiſſenſchaftliche Bewußtſeyn dem fingirten Urvetfaffer des Gebichts, den wir wie gejagt zulegt im fernen Morgenlande zu fuchen hätten, beizulegen, anftatt e8 dem wirklichen Berfafler des in feiner Urgeftalt vorhandenen, wenn auch bie und da aus feinen Fugen, gekommenen, oder durch Einſchiebſel und fpätere Zufäge entftellten Gebichts, nämlich eben dem Heſiodos felbft, zuzufchreiben. Nur dieſe zu fchnell gefaßte Meinung Tonnte ihn fo manches Auffallende und mit feiner Theorie durchaus nicht Stimmende überfehen lafjen, namentlich, daß gerade ber Anfang fo viel Abftractes, Unpetfönliches, und daher ganz Unmptho- logiſches bat; wie- wenn Gia no für ſich ohne Zuthun des Uranos die großen Berge (0üpen uaxpı) erzeugt, die dadurch, daß man bie Worte mit großen Anfangsbuchftaben fchreibt, noch nicht zu Perſönlich⸗ keiten werben. Denn in Griechenland wie bei und waren ausgezeichnete Berge, der Olympos, Pindos, Helikon u. ſ. w. durd ihre Namen In⸗— dividuen, aber nicht Perſonen. Wenn ſich die Theogonie von einem Philofophen herſchreibt, der ſich zum Geſetz macht, die Dinge nicht mit ihren gemeinen Namen, fondern mit wifjenfchaftlich gebilveten zu be⸗ zeichnen, warum erhalten nicht auch die Berge einen von ihrer Eigen- haft in die Höhe zu gehen hergenommenen allgemeinen Namen, wie fpäter der Name Titanen auch ein mehreren gemeinfchaftlicher ift? Zu einer andern Bemerkung gibt das Neutrum Erebos Beran- laſſung. Hermann macht es durch feine Ueberſetzung (opertanus) in aller Stille zu einem Masculinum; aber es bleibt was es ift: aud Homer kennt e8 nur geſchlechtslos; ihm bedeutet e8 nie etwas anderes

4

als den Ort ver Dunkelheit unter der Erbe. Dieſes Unperfönliche ver- hindert den Dichter nicht, das Erebos (denn fo müſſen wir es nennen) mit der Nyr in Liebe a vermählen und Finder mit ihr zeugen ja laſſen Ovg ins xuddaudyn pin yılorarı uyelda.

Wie bei den: großen Bergen Eigentliches unter Uneigentliches, die ge wöhnliche Benennung unter angeblich: perfonificirende gemiſcht ift, fo iR bier ein abftract gebliebener Begriff dennoch künſtlich mythologifirt. Wer dieß thut, ift ficher nicht Erfinder ber Mythologie, fondern hat fie offen bar ſchon zum Vorbild.

Die Kinder des Erebos und der Nyr find ver Weiher und bie Hemere. Gewiß der Aether ift ein.rein phufifalifcher Begriff, bei dem nicht nur nicht der Urheber. des Gedichts, fondern auch fonft. niemand je fi. eine göttliche oder überhaupt eine Perfönlichkeit gedacht hat, er müßte denn in der Anrufung, die Ariftophanee dem Sokrates in ven Mund legt:

oO Ssöaor' avaf, audeont amp, ög iyus rijv Far ueriapov Aauspos AIOHP. (O König und Herr, unermehliche Luft, die ven Erdball ſchwebend um: berträgt, Und leuchtender Aether); aber eben diefe Anrufung ift ein Be weis, daß der Aether für feine mythologiſche Perfönlichkeit gilt, denn die Abficht des Komikers ift, daß Sokrates Feine ſolche anrufe '.

Unter den Enkeln der ververblihen Nyr finden fich fogar bie be trüglihen Worte (Weuöses Adyor), die zweideutigen Reden (wyupıio- ylaı) ganz unperfonificirt. Hier muß wohl Hermann zu einem Ein jchiebfel feine Zuflucht nehmen. Wenn er: aber die ganze Nachkommen: ichaft der Nyr mit dem Obelos bezeichnet, um auszubrüden, daß felde Begriffe nicht vom Urf prung ber Theogonie berfommen können, fo hätte. er dieſes Verwerfungszeichens billig-fehon eher, zunächft bei dem Eros, an- dem- Bögelhor bei Ariftophanee, we über den Eros nod

' Das 0 dios ardzo bed Prometheus bei Aefchylos (v. 88, vgl. bie anderen

unmittelbar nachfolgenden Anrufungen) wäre nur in demielben Sinn zu erwähnen geweſen.

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ganz auf biefelbe Weiſe wie hier philofophirt wirb, ſich erinnern, aber er hätte 63 vor allem gleih auf den erfien Vers der Theogonie an- wenden ſollen: Siehe zuerft war Chaos; denn es ift wahrhaft zu be⸗ dauern, wie das Princip der grammatiichen Perfonification gleich an dem erſten Berfe Schiffbrucdh leidet, denn mo hätte das Chaos je als ein Gott oder als eine Perfönlihtei gegolten? wer hätte je gejagt der Chaos?

Dieſer Ted an den- Aufang geſtellte, dem Homer völlig fremde Be- griff des Chaos, der. beim Ariftophanes ſchon zum Feldgeſchrei ver gegen tie Götter gerichteten, über den Vollsglauben binausftrebenben Bhilofophie geworben ift, verfündet aufs Beftimmtefte die erfte Regung emes abftracten, vom Mythologiſchen fich abziehenven Denkens, bie erfte Regumg einer freien Philofophie. Das Chaos und der gleichfalls unter den erften Begriffen vorkommende Aether bei Heſiodos find die früheften nachweislichen Keime jener rein phyſilaliſchen Weisheit, deren Veſaud theile in dem Schwur des Sokrates: |

Ma rijv 'Avanvonv, ua ro XAOS, na rov Adpa Ariſtophanes zufammenfaßt, der mit den grünbficher und gut altoäterifch Geſinnten über dieſe luftige Philoſophie fich luſtig zu machen nicht mũde wird.

Das Philoſophiſche im Anfang ber Theogonie bat alfo Hermann richtig gefehen, aber bie Erflärung liegt gerade am entgegengefegten Ende von dem, wo er fie fucht. Wie er verfihert, ahndet Heſiodos nicht, dag er etwas Wiffenfchaftliches vor fi bat, und nimmt die philo- fophifche Begriffe ausdrückenden Benennungen einfältig und arglos für Namen, von wirklichen Göttern, was er wie gezeigt bei manden, 5. B. bei dem Chaos, dem Aether, nicht einmal Konnte. Wenn diefe niemand je für Götter gehalten, fo fonnte fie gewiß Heſiodos am wenigften fo nehmen. Das Chaos, welches nur Spätere erft als leeren Raum oder gar als ein grobes Gemifch materieller Elemente erklären, ift ein rein ipecnlativer Begriff, aber nicht das Erzeugniß einer Philoſophie, die der Mythologie vorausgeht, fondern einer die ihr folgt, die fie zu begreifen ftrebt, und darum über fie hinausgeht. Nur erft die an ihr

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Ende gelommene und aus dieſem in den Anfang zurüdfchente, von dorther ſich zu faſſen und zu begreifen fuchende Mythologie konnte das Chaos an den Anfang ftellen. So wenig als Poefie ift der My thologie Philoſophie vorausgegangen, wohl aber find in dem Gedicht des Heſiodos bie erſten Bewegungen einer Philofophie erfennbar, die fih von der Mythologie loswindet, um fich ſpäter felbft gegen fie zu richten. Wie? wenn das Gedicht die bedeutende Stelle, die Herodotos dem Dichter neben, ja vor dem Homeros anweist, eben dadurch verbiente, wenn es einen wejentlihen Moment der Entwidlmg der Mythologie eben darına bezeichnete, weil es das erfte Erzeugniß der fich felbft bemußt zu werden, ſich felbft barzuftellen ſtrebenden wäre? Wenn gan übereinftimmend mit ber Gefegmäßigfeit, die wir in ber helleniſchen Bildung wahrnehmen, die beiven voneinander fo fehr verſchiedene Dichter, zwiſchen denen fehr alte Sagen fon von einem Wettkampf und alfo einem gewiſſen Gegenfag wiſſen, wenn biefe bie beiden gleich⸗ möglichen nicht Anfänge, aber Ausgänge ver Mythologie be zeichneten? wenn Homeros zeigte, wie fie in Poefie, Heſiodos wie fie in Philoſophie endete?

Ich füge noch eine einzige Bemerkung hinzu. Welche Unglaublid feiten man in Hermanns Erflärung finden möge, am unbegreiflichften ſcheint mir, daß fein Fritifches Gefühl ihm erlauben konnte, alle Ramen ohne Unterſchied, die, deren Urfprung fi) offenbar in bie Nacht der Bergangenheit verliert, wie Kronos, Poſeidaon, Gin, Zeus, und die, welchen ber verhältnigmäßig neue Urjprung an die Stirme gefchrieben, wie Plutos, Horai, Eharites, Eunomie, Dife und fo viele ähnliche, biefe alle miteinander und auf einmal aus dem Kopf eines Ein zigen entftehen zu lafjen. -

Dritte vorleſung

Die rein wpoetiſche, wie wir die erſte Anſiht genannt haben, und die philoſophiſche, wie wir die zweite auch ferner nennen werden, nicht daß wir fie fiir beſonders philoſophiſch, d. h. eines Philofophen würdig, hielten, ſondern bloß darum, weil ſie der Mythologie einen philoſophi⸗ ſchen Inhalt gibt dieſe beiden Anſichten, auf welche wir natürlicher und ungeſuchter Weiſe zuerſt geführt wurden, haben wir jede zuerſt in ihrer be ſonderen Vorausſetzung ſich ausſprechen laſſen und unterſucht, wo nebenbei für ums zugleich der Vortheil entſtand, daß manches That⸗ fächliche zum vorans erörtert wurde, worauf‘ wir nicht wieder zurückzu⸗ kommen brauchen, was ſich al8 ein num bereits Ermittelted voransfegen läßt, Aber eben darum ift tas, was beiden gemein ift, noch nicht hervorgehoben und noch weniger beurtheilt worden. Nım- könnten die befonveren Boransfegungen einer jeden als unhaltbar erfunden ſeyn, und dennoch die ihnen gemeinfchaftliche bleiben, und ald mögliche Grund⸗ lage neuer Berfuche betrathtet werben. Demnach wird ed, um mit den beiden Hauptanficten völlig. abzufchliegen, nöthig ſeyn, eben das -her- vorzubeben, worin beide übereinftiihmen, und auch diefes ber Veurther lung zu unterwerfen.

Wenigſtens iſt es nun nicht ſchwer, die ee beiden gemeinfaft liche Borausfegung zu erkennen: dieſe ift, daß die Diythologie überhaupt eine Erfindung ift. Entfchieven aber muß werben, ob auch biefes Allgemeine aufzugeben ift, oder ob ber Fehler vielleicht bloß darin liegt, daß die eine Anficht nur poetiſche, die andere nur philofophiihe Er⸗ firdung in der Mythologie ſieht. Allein es ift vor allem zu bemerken,

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nieht.

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daß ja ſchon von felbft feine von beiden die andere gänzlich außfchlieft Die vein poetiſche gibt aud wohl einen boctrinellen Gehalt zu, mr freilich einen bloß zufälligen, nicht beabfichteten; bie pbilofophifche kann des Poetiſchen nicht entbehren, aber ihr iſt mm vielmehr dieſes bat mehr oder weniger Künftlihe, und fo nur auf andere Weiſe Zufällige.

Dem Erften nun, dem bloß Zufälligen jenes boctrinellen Gehalts, wie e8 bie rein poetifche Erflärung allein noch übrig läßt, ſcheint ſchou das Syſtematiſche in der Aufeinanderfolge der Göttergefihlechter, ver püftere Ernft felbft, der auf manchen Theilen ver Göttergefchichte rakt, zu wiberfprechen. Denn daran wollen wir vorjegt noch gar nicht denken, daß die Mythologie wirklich als Götterlehre gegolten, daß fie Them und Laffen, das ganze Leben ver Völker gebieterifch beftimmt hat, wat ja doch auf jeden Fall aud- erklärt werden müßte. Noch mehr jedoch als diefe Zufälligfeit in der einen, ſtößt uns bie grobe Abfichtlichkeit zurück, welche die andere Erklärung in das erfte Entftehen legt. Bir gern insbejonbere wöchte man dem von Heyne angenommenen. Bhil- fophen das doppelte Geſchäft erfparen, erft den Inhalt Berbeizufchaffen, und dann bie Form oder Einfleivung wieder beſonders zu fuchen. Wie nahe gelegt fcheint es aljo, zu fragen, ob nicht mit Beibehaltung ber allgemeinen Borausjegung, daß die Mythologie überhaupt eine Erfin- bung ift, die beiden Elemente einander näher zu bringen, beide Er: Härungen duch Ineinsziehung auf eine höhere Stufe zu heben, ta} Wiverftreben, Das wir gegen jede insbeſondere empfinden, durch eine Verſchmelzung beider zu überwinden feyn möchte. Ließe ſich doch über- haupt ſchon fragen, ob Poeſie und Philoſophie an ſich fo außer einander find, als fie in den beiden Erklärungen angenommen werben, ob nicht eine natürliche Verwandtſchaft, eine faft nothwendige gegenfeitige An- ziehungsfraft zwijchen beiden ftattfindet. Muß man doch erkennen, daß von wahrhaft poetijchen Geftalten nicht weniger Allgemeingältig feit und Nothwendigkeit gefordert wird, als von philofophifchen Begriffen. Treilih, bat man die neuere Zeit vor Augen, fo ift es nur wenigen und feltenen Meiſtern geJungen, den Geftalten, deren Stoff fie nur aus dem zufälligen und vorübergehenden Leben nehmen konnten,

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eine allgemeine und ewige Bedeutung einzuhauthen, fie mit einer Art von mythologiſcher Gewalt zu bekleiden; aber dieſe wenigen ſind auch die wahren Dichter, und die anderen werden doch eigentlich nur. fo ge- nannt. Hinwiederum follen bie philoſophiſchen Begriffe feine bloßen al- gemeinen Kategorien, fie follen wirkliche beftinmte Weſenheiten ſeyn, und ie mehr fie dieß find, je mehr fie von dem. Bhilofophen mit wirklichem und befonderem Leben anögeftattet werben, defto mehr fcheinen fie fi poetiſchen ©eftalten zu mähern, wenn auch der Philofoph jede poetifche Einkleidüng verfhmäht: das Boetifche Liegt hier im Gedanken und braucht nicht äußerlich zu ihm hinzuzukommen.

Num Jönnte man aber noch insbefondere fragen: ob wohl überkaupt in der Entftehungszeit der Mythologie Boefie und Philofophie als ſolche, d. h. in ihrer formellen Entgegenfegung, vorhanden jeyn fonnten, da wir vielmehr gefehen haben, wie, ſobald die Diythologie da ift und das Bewußtſeyn vollſtändig erfüllt bat, wie alsdam vor ihr aus ale von einem. gemeinfcheftlichen Mittelpunft beide erft nad verfchievenen Richtungen auseinander geben, obwohl auch jegt nur fehr langſam fich trennen. Denn iſt die erſte Spur eines Ausſcheidens ber Philoſophie von der Mythologie ſchon in Heſiodos, ſo bedarf es der ganzen Zeit von dieſem bis auf Ariſtoteles, ehe die Philoſophie von allem Mythiſchen und daher auch Voetifchen ſich geſchieden hat. Wie weit if nicht ber Meg nidht von dem Realismus der Pythagoreer zu dem Nominalis⸗ mus des Ariſtoteles, denn die Principien (coxcd) ſind dem einen ganz ebenſo wirkliche Wefenheiten wie ben. ‚andern, gleichwie auch deren innere Ioentität wohl zu erfennen ift —, aber von dem jaft mythiſchen Aus— prud der erſten bis gu der rein: Begrifflücher Darftellungsweife des andern. Wäre. aber num nicht eben dieſes gemeinfchaftliche Hervortreten aus ber Mythologie ein Beweis, daß gerabe in ihr beide noch yereinigt waren, wobei denn freilich feine, von beiden für ſich und als foldhe wirken und noch weniger bie eine ober die andere der Mythologie vorausgehen und

ſelbſt Factor derſelben feyn fonnte. |

Dem Schluffe, daß Paefie und Philofophie, weil fie ſich in der Mythologie finden, auch zur Entſtehung derſelben mitgewirkt haben, Schelling, ſammit. Werke. 2. Abth. .

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ſollten Sprachkenner und Sprachforſcher am wenigſten vertrauen; in der Bildung ber älteſten Sprachen läßt ſich ein Schatz von Philoſophie entveden. War es aber darum wirkliche Philofophie, vermöge welder biefe Sprachen in den Venennungen oft ſogar ber abftrasteften Begriffe noch die urfprüngliche, aber dem fpäteren Bewußtſeyn frembgemworbene Deutung derfelben bewahrten? Was ift abflracter als die Bedentung ver Copula im Urtheil, was abflracter als ver Begriff des reinen Subjelts, das nichts zu feyn fcheint; denn was es iſt, erfahren wir ja nur durch die Ausſage, und doch kann es auch ghne das Attribut nicht nichts ſeyn; was iſt e8 denn aljo? ‚Wenn. wir es ausfpreden, fagen wir von ihm: es iſt dieß ober jenes, zB. cin Menſch ift geſund oder Frank, ein Körper dunkel oder hell; aber was ift er. denn, che wir dieß ausſprechen? Offenbar nur das biefes, 3. B. gefund ober krank, feyn Könnende; der allgemeine Begriff des Subjects alſo iſt reines Können zu feyn. Wie feltfam nun, wenn in der arabiſchen Sprache das ift durch ein Wort ausgebrüdt ift, das mit unjerm Kann nicht bloß gleichlautend fondern unftreitig iventifch ift, indem es gegen bie Analogie aller andern Sprachen nicht den Nominativus des Prö- dilats, fondern wie können im Deutſchen (4. B. eine Sprache fönnen), oder. posse im Lateinifchen ben Accuſativus nach fi hat; anderes nicht zu erwähnen. War es Philofophie, die in bie verſchiedenen und auf den erften Blick voneinander entlegenften Bedeutungenſ veffelben Zeitworts ein Gewebe wiſſenſchaftlicher Begriffe, gelegt, deſſen 3 ſammenhang Bhilofophie Mühe bat wieder zu finden? Die arabiſche Sprache befonders hat Zeitwörter veich an völlig disparaten Beben timgen. Was man gewöhnlich fagt, es feyen bier urſprünglich ver- ſchiedene Wörter, weldye die fpätere Ausfprache nicht mehr unterfchieben, eoalescirt, mag in manchen Fällen glaublich ſeyn, doch wäre es immer erft anzunehmen, werm alle Mittel, einen inneren Zuſammenhang ju entveden, vergeblich angewendet wären. "Aber es-gejchieht wohl, daß

ı Geht man ben Bedeutungen bes Worts im Hebrätfchen nad, fo wirb mar

ebenfalls auf ben Begriff des Könnens ober bes Subjects (ejus, quod sab- stat) geführt.

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anbere Unterfuchungen unerwartet uns auf einen Punkt ftellen, wo zwifchen ıumvereinbar fcheinenden Bedeutungen ein philoſophiſcher Zu- ſammenhang, in biefer ſcheinbaren Verwirrung ein- wahres Syſtem von Begriffen ſich entdeckt, deren reeller Zufammenhang nicht an ber Ober- fläche liegt, ſondern nur tieferen wiffenfihaftlichen Bermittelungen ſich enthüllt.

Die Wurzeln ber jemitifchen Sprachen ſind Zeitwörter und zwar regelmäßig zweiſylbige, aus drei Radicalen beſtehende (auch bei den in der Ausſprache einfulbig geworbehen ftellt ſich der urfprüngliche Typus in "einzelnen Formen wieder her). Diefer Anlage der Sprache gemäß fann man nicht vermeiden, das Wort, das im Hebräifchen Bater be ventet, auf em Zeitwort zurädzuführen, das Begehren, verlangen ausdrückt, alſo zugleih den Begriff der Bebürftigfeit enthält, ber in einem von ihm abgeleiteten’ Adjectiv auch zum Vorſchein kommt. Dem- gemäß, könnte man ſagen, iſt hier der philoſophiſche Begriff ausgedruſckt, daß das Väterliche als Vorausgehendes, Anfangendes das eines Nach⸗ folgenden Bedürftige iſt. Dagegen wird mit vollem Recht eingewendet: ber Hebräer werde feinen Ausdruck für Vater nicht erſt von einem Zeitworte und vollends To philofophifch abgeleitet, nicht den abftracten

Begriff begehren eher gelaunt haben, als ven Begriff Vater, ber unter bie natürlich erften gehört. Davon ift aber gar nicht die Rebe; dic Frage ift, ob nicht zwar nicht der Hebräer, aber der Geift, ver bie hebräifche Sprache fchuf, indem er den Bater fo benannte, andy jenes Zeitwort gebacht kat, wie bie ſchaffende Natur, indem fie ven Schädel bildet, auch ſchon den Nerven im Auge hat, der feinen Weg durch ihm nehmen fol. Die Sprache ift nicht ſtückweis oder atomiftifch, fle ift gleich in allen ihren Theilen als Ganzes und demnach organifch ent- ftanden. Der vorhin erwähnte Zuſammenhang ift ein objectiv in ber Sprache felbft liegender, und eben darum allerdinge nicht ein von Men- ſchen mit Abficht hineingelegter.

Bon ber beutfchen Sprache fagt Leibnitz: Philosophiae nata vide- tur; und wenn e8 überall nur ‘ber Geift ſeyn kann, der ſich das ihm gemäße Werkzeug erichafft, fo bat hier eine Philofophie, Die noch nicht

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virklich Philoſophie war, ſich ein Werkzeug bereitet, von dem fie erft n ber Folge Gebrauch machen’ fol. "

Da fi) ohne Sprache nicht nur kein philoſophiſches, ſondern über⸗ yaupt kein menſchliches Bewußtſeyn denken läßt, fo konnte der Grunud ver Sprache nicht mit Bewußtſeyn gelegt werben, und dennoch, je tiefer vir in fie einpringen, befto beftimmter entvedt fi, daß ihre Tiefe bie ‚es bewußtvollſten Erzeugniffes noch bei weiten übertrifft.

Es ift mit der Sprache, wie mit” ben organifchen Weſen; wir lauben dieſe blindlings entftehen zu ſehen, und können bie umergrünb- iche Abfichtlichkeit ihrer Bildung bis ins, Einzelnfte nicht i in Abrede iehen.

Aber iſt etwa Poeſie ſchon in der bloßen materiellen Bang er Sprachen zu verfennen? Ich rede nicht von den Ausdrücken geiftiger Begriffe, die man Metaphorifche zu nennen pflegt, wiewohl fie in ihrem Urſprung ſchwerlich für uneigentliche gehalten worben. Aber welche Schäge von Poefie liegen in der Sprache an fich verborgen, die ber Dichter nicht in fie legt, die er nur gleichjam hebt, aus ihr wie aus iner Scatlammer hervorholt, die er die Sprache nur berebet zu ‚ffenbaren. Iſt aber nicht ſchon jede Namengebung eine Perfonification, mb wenn alle Sprachen Dinge, die einen Gegenfat zulaffen, mit Heſchlechtsunterſchieden denken oder ausdrücklich bezeichnen; wenn die wutiche ſagt: der Himmel, die Erde; ber Raum, tie Zeit: wie weit ft es von da noch bis zu dem Ausdruck geiffiger Begriffe durch männ- iche und weibliche Gottheiten.

Beinahe ift man verſucht zu jagen: die Sprache jelbft ſey nur vie erblichene Mythologie, in ihr ſey nur im abſtracten und formellen Interfhieden bewahrt, was bie Mythologie noch in lebendigen und con- teten bewahre.

Nah allen dieſen Erwägungen könnte man nun wohl fi geneig ühlen zu fagen: in der Mythologie konnte nicht eine Philoſophie wirken, velche Die Geftalten erſt bei. ver Poeſie zu fuchen bat, fondern biefe Bhilofophie war jelbft und weſentlich zugleich Poefie; ebenfo umgekehrt: ie Poefie, welche die Geftalten der Mythologie ſchuf, ftand nicht im

Tienfte einer von ihr verſchiedenen Philofophie, fondern fie jelbft und weientlich war and Wiſſen erzeugende Tätigkeit, Philofophie. Das Legte würde bewirken, bag in ven mythologiſchen Borftellungen Wahrheit, doch nicht bloß zufällig, fondern mit einer Art von Noth⸗ wendigkeit ſeyn wird, das Erſtere, daß das Poetiſche in der Mythologie nicht ein äußerlich Hinzugekommenes, ſondern ein Innerliches Weſent⸗ liches und mit dem Gedanken ſelbſt Gegebenes wäre. Nennt man das Philoſophiſche oder Doctrinelle den Inhalt, das Poetiſche die Form, jo würde der Inhalt nie für ſich geweſen, er würde nur in dieſer Form entſtanden und daher mit dieſer unzertrennlich und unauflöslich ver- wachfen ſeyn. Pie Mythologie. wäre dann wohl nicht überhaupt nur em natürliches, ſondern ein organiſches Erzeugniß; allerdings ein bebentender Schritt im- Bergleich mit der bloß mechaniſchen Erflärungs- weife. Ein Organiſches aber auch in folgendem Betracht. Poeſie un Philoſophie, jeve für ſich, ift uns ein Princip freier abſichtlicher Er- findung, aber dadurch, daß fie aneinander gebunden find, Tann eigent- lich feine frei wirten: die Mythologie wäre alfo ein Erzeugniß an ſich freier, bier aber unfrei wirkender Thätigleiten, alfo wie das Organifche eine Geburt von frei-nothwendiger Entftehung, und inwiefern das Wort Erfindung noch anwendbar iſt, einer wiabfichtlich-abfihtlichen inftinkt- artigen Erfindung, bie von der einen Seite alles bloß Gemachte und Künftliche von ihr fern hielte, zugleidy von der andern Seite ben tiefften Sinn und bie reelliten Bezüge in ihr nicht doch als bloß zufälfig zu jehen erlauben würde. |

Dieß wäre alfo num das Höhere, zu dem fich von den beiden Er- . Märungen aus durch eine Syntheſis derfelben gelangen läßt, auf die man in Folge einer durch die fpätere Philofophie dem Gedanken ge- gebenen Richtung unfehlbar fommen mußte, während die Begriffe ber Kantſchen Schule faft um zu einer Erklärung wie die} Hermannjche rühren konnte; und gewiß, Erklärungen, wie die eben genannte, gegen- über, Könnte ſich die organische Auffaffung ſchon etwas zu feyn dünken. Sehen wir aber genau zu, was mit einer foldhen Syntheſis für eine wirflihe Erflärung gewonnen wäre.

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Sollte die Meinung etwa diefe ſeyn, daß das Mythologie erzen gende Brincip in feiner Wirkung der vereint wirkenden Philoſophie und Boefie gleich komme, ohne felbft etwas von beiden au fid zu haben, fo könnte bieß als wahr unb richtig zugegeben werben, ohne daß damit bie geringfte Erlenntniß ber eigentlichen Natur jenes Princips gegeben wäre, indem biefes an ſich felbft. etwas von beiden gänzlih Verſchiedeues ſeyn Tönnte, und das mit beiden wicht gemein hätte. Ober ift die Meinung, beide, Philofophie und Bock, als wirkende beizubehalten, nur nicht getrennt, ſondern etwa wir Männliches und Weiblihes in der Zeugung zuſammenwirkend, fo wird aud hier gelten, mas überall ſich geltend‘ macht, wo fid) zwei irgendwie entgegenge;.gte Principien zu einer Wirfung ‚vereinigen, daß, ba nick beine herrſchen Fönuen, nur das eine eigentlich das Wirkende ift, das andere mehr zu einer leidenden und werkzeuglichen Function ſich de quemt. Dann hätten wir and, jet iwieber nur entweder eine philoſo phiſche Poefie oder eine poetiiche Philoſophie, vie fi) zueinander wieber gerabefo verhalten würden, mie Pocfie und Philofophie allein ſich ver bielten; alles, was man mit tiejer Steigerung gewonnen. hätte, wäre eine formelle Berbefjerung ber beiden Erklärungen; dieß wäre allerdings etwas, aber nur wenn jene Erklärungen ſelbſt etwas wären..

Oder um daſſelbe auf eine andere Weiſe zu zeigen die an: gebliche Synthefis nennt noch Poefie und Philofophie, uns wohl be faunte Thätigleiten, aber eben weil beide nicht als ſolche wirken follen, jo erklären ſie auch nicht mehr, das Erklärende liegt nicht in ihnen, ſondern in dem, was beide ſich unterordnet, was ihnen nicht zu wirken, ſondern bloß, wie wir fagen könnten, durchzuwirken erlaubt. Dieſes wäre das Weien, das eigentliche Princip oder das mas wir fuchen. Das Dichterifhe und Wiſſenſchaftliche fände ji nur im Produkt, es wäre Das nothwendig Mitentftehende, aber eben als Mitentftehenves nur ein Hinzugekommenes, ein Zufälliges. Anftatt dag im den erften beiden Anfichten nur dag eine, entweder das Doctrinelle oder Poetiſche als das Zufällige erjcheinen muß, wäre bier beides zum Zufälligen berabgefett, das Wefentlihe aber, das eigentlich Erflärende wäre ein

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von beiden Unabhängiges, außer unb über beiden Liegendes, das bis jet eine völlig unbelannte Größe ift, und von dem ſich nur biefes einſehen läßt, daß es als das Poefie und. Philofophie fich Unterordnende nichts mit freier Erfindung gemein haben kann und ganz wo anders ber kommen müßte. Woher aber? “Da von den beiden uns allein be- fannten Principien der Philofophie und Poefie kein Weg zu ihrer wirkenden. und reellen Einheit führt, fo bliebe vorerft bloßes Rathen übrig. Es lännte wohl einer das vielgebrauchte, für fo vieles in An- ſpruch genommene Hellfehen vorſchlagen, mit dem fi) allerdings viel erflären ließe, wenn man nur erft Über dieſes Hellfehen felbft etwas heller fähe. Auch ein Traumzuſtand mürbe vielleicht nicht unan⸗ nehmlich gefunden, wie denn Epikur die vorübergehenden Erfcheinungen, durch welche er die Götter beglaubigt feyn läßt, nur als Tranmer- ſcheinungen gedacht. haben Tann. Denn übrigens kann ja aud im Traumzuftend die dem Meufchen natürliche Poeſie - und Philoſophie durchwirken. Selbſt der Wahnſinn als eine jede freie Erfindung, obwohl nicht allen Einfluß von Vernunft und Phantaſie ausſchließender Zuſtand, wäre nicht ſchlechterdings abzuweiſen. Aber was wäre mit allen Tolchen Erflärımgen gewonnen? Nicht das Geringfte; denn jeder Zuftand, den man annehme, um mit ihm. bie Erzeugung mythologiſcher Vorſtellungen zu erflären, müßte ſelbſt erklärt, d. h. zugleich geſchichtlich motivirt ſeyn. Die Begründung hätte darin zu beſtehen, daß gezeigt wüurde, durch welche natürliche ober göttliche Schickung ein ſolcher Zu⸗ ſtand in irgend einer Zeit über das Menſchengeſchlecht oder einen Theil deſſelben verhängt worden; denn die Mythelogie iſt vor allem ein ge⸗ ſchichtliches Phänomen. |

Diefe Bemerkung zeigt ımd, daß mit ben abftracten Vorausfegun- gen beiver Erklärungen, mit denen wir uns bisher befchäftigt haben, uicht weiter zu kommen ift, wie denn diefe Erklärungen ſelbſt nicht um- hin konnten, mit ihrer abftracten Borausfegung geſchichtliche zu ver- binden. Indem wir leßtere zu betrachten und anſchicken, wird nun aud) unfere Unterfuhung aus dem Gebiet abftracter Erörterungen auf ben gefchichtlichen Boden verſetzt.

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Wir gehen auf die Meinung zurüd, daß die Mythologie überhaupt eine Erfindung ſey. Iſt' dieß einmal angenommen,.fo wirb bie naͤchſte äußere Borausjegung ſeyn, daß fie von einzelnen erfunben if. Für die philofophifche Erklärung ift diefe Annahme umvermeiblich. Die poetifche wird fi) anfangs tagegen flräuben, wenn fie aber nicht auf alle gefchichtliche Ausführung verzichtet oder ganz ind Unbeftimmte fid verlieren will, am Ende auch auf einzelne Dichter kommen. Genau nm aber ‚betrachtet, ift biefes, einzelne als Urheber der Mythologie anzu nehmen, eine fo ungeheure Borausfegung, daß man ſich über die Be wußtleſigkeit, mit der fie fo allgemein, als könnte es eben gar nicht anders feyn, gemacht worben, nur höchlich verwundern Tann. Zwar Dichter oder Philofophen, wie man fie nöthig hat, vorauszufegen, finvel im Allgemeinen niemand ſchwer; -bei den unbeftimmten Borftellumgen von ber Urzeit, die man ſich bereditigt ‚glaubt als einen ‚leeren Raum anzuſehen, in ben e8 einem jeden frei fteht hineinzuftellen, was ihm be: liebt oder bequem dünkt, ift gleihfan Alles erlaubt. Heyne betarf aufer feinen poetifchen Philoſophen noch die eigentlichen Dichter, bie ihm die Philofopheme in Märchen, außerdem wahrſcheinlich nad herrſchſüchtige Priefter, bie ffe in Bolfsglauben verwandeln. Hermanns Philofophen, die ebenfalls, wiewohl etwas nüchterne Dichter find, wenden fi un⸗ mittelbar au das Volk; nur eines bat er zu erklären unterlaſſen, wie fie e8 angefangen, das Volk auch nur zum Anhören ihrer felbfterfon- nenen Weisheit zu bewegen, gefchweige fie ihm fo tief einzuprägen, daß fie fich ihm zu einer Götterlchre verwirren lonnte.

Veberhaupt aber, wer weiß, was einem Bolt: feine Mythologie iſt, würde ebenſo leicht, als er ihm feine Mythologie von einzelnen er— finden läßt, für möglid halten, daß einem Bolt auch feine Sprade tur Bemühungen einzelner unter ihm entftanden ſey. Eine Mytho⸗ [ogie einzuführen, ift feine Sache, bie fo leicht von flatten geht, als bei und die Einführung von Sculplanen, Lehrbüchern, Katechiemen und.bergleidhen. Eine Mythologie zu erichaffen, ihr diejenige Beglaubigung und Realität in den Gedanken der Menſchen zu ertheilen, die fie nöthig hat, um ven Grad von Bolfsmäßigkeit zu erlangen, deſſen fie auch nur

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zum dichteriſchen Gebrauch bedarf, geht über das Vermögeun jedes einzelnen, und ſelbſt mehrerer, vie ſich zu einem ſolchen Zwede vereinigen könnten.

Geben wir indeß nun alles zu, ſo würde eine Mythologie ent- ftehen für Ein Bolt aber die. Mythologie ift nicht Sad Eines Bol: te8, fonverm vieler Völker.

Slüdliche Zeit, wo Heyne zufrieden ſeyn konnte, auf ſeine Weiſe und mit feinen Annahmen bie griechiſche Mythologie erklärt zu haben. Hermann iſt ſchon weniger glüdlid, er weiß, daß in den griechiſchen Mythen zu viel Aehnliches mit den orientalifchen- ift, als daß nicht. beive auf ähnliche" Weife entſtanden ˖ ſeyn müßten‘. Er fühlt, daß, was Eine Mythologie erklärt, alle -erflären muß. Von der andern Seite ift er viel zu ſcharffichtig, um nicht einzufehen, daß es nad) ‚feiner Erklärung mit dem Entſtehen ver Mythologie ſchon unter Einem Bolt wunderlid genug „zugeht, und daß es vollends allen Glauben überfteigen würde, venfelben Zufall, ober vielmehr diefelbe Reihe von Zufällen, in der je. ber folgende unglaublicher ift als der vorhergehende, ſich unter einem zweiten, britten, vierten Volk wiederholen zu laſſen. Seine Stanb- haftigleit wird Dadurch nicht erfrhüttert; denn daß die einmal irgendwo zuerſt entftandenen Vorftellungen fih auf andere Völker fortgepflangt haben, bleibt immer möglich, und biefe Möglichkeit erhöht nur ben Werth, feiner Entvedimg, indem baraus hervorgeht, daß ber Götter⸗ glaube nicht bloß Griechenlands, ſondern Aſiens, Aegyptens, der ganzen Welt, ſich von jener zufällig einmal unter Einem Volk von wenigen ein⸗ zelnen ausgedachten, noch zufälliger eingelleideten, und darum mißver⸗ ſtandenen, nichts deſto weniger für, Wahrheit angenommenen und über- lieferten Weltentftehungslehre herfchreibt, deren wie durch ein Wunder geretteten Originalgedanken feine etymologiſch⸗grammatiſche Auslegungs- kunſt jet noch in dem Gedicht des Heſtodos entbedt hat, in welchen bie urſprünglich morgenländifchen Namen nur durch gleichbedeutende, auf geſchickte Weife nachgebilvete griechifche erjegt find ?.

ı Briefe über Homer und SHefiobus von ©. Hermann und Fr. Trauer.

Seibel 1818: ©. 14. 65. ii. a. »Ebendaſ. ©. 14. 65.-u. a. Dissert. cit. p. IV.

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Sollten wir aufrihtig aber glimpflih ansdrüden, wie eine folde Zufälligkeit ung anläßt, fo würden wir fagen, fle erinnere und an bi Erflärung, die verfelbe Gelehrte von der Babel der. Fo gibt. Dick, eine Enkelin des Okeanos und Tochter des Inachos wird von Zeus ge liebt und erwedt die Eiferfucht ver Here; um fle der Göttin zu ver bergen, verwandelt fie Zeus in eine Kuh, welche die argwöhniſche Here durch eimen Wächter‘ bewachen läßt u. f. w. Was kann die Euleln des Dfeanos (des Weltmeers) und Tochter des Imacdhos (ethmologiſcqh des Uebertreters, alfo eines übertretenden. Stroms) anders ſeym, «is ein durch Austreten eines Stroms erzeugtes, fortfliegendes Gewäffer? Wirklich heißt Io etymologiſch nur die Wandelnde. Zeus Liebe zur Jo, was Tann fie anders ſeyn, als der das Waſſer noch flärfer om ichwellende Regen, was Heres Eiferfucht über die Io, als der Ber druß, den das Volk (Here wird durch Populonia überfegt) wegen ber Ueberſchwemmung empfindet, die Kuh, in welde Zeus dic Yo ver wandelt, ift der gefrümmte Kauf der fortfließenven Fluth, dem bie Kuh Kat krumme Hörner, und frumme Hörner beveuten den krumm Lauf des Waller. Der Wächter ift ein vom Volk gegen das Wafler aufgeführter Damm; er heißt Argos, ver weiße, denn ber Damm befteht aus weißem Töpferthon, und der taufendäugige, denn der Then bat eine Menge Feiner Röhrchen over Poren, die vom Waffer angefült werben. Statt des Letzten fagt die Tabelr der Wächter wird einge ſchläfert. Die Rohrpfeife bebeutet das Flüftern der Wellen; der Wächter wird getödtet, heit: der Tamm wirb durchbrochen; Jo rennt im Wahnfinn nad) Egypten und vermählt ji dem Nil, heißt: das fort- laufende Gewäſſer vermifcht- fih mit dem Nil; Yo gebiert vom Nil ven Epaphos (Occupus), heißt: durch das Gewäflen entfteht der das Land einnehbmende und überſchwemmende Nil‘. |

Alfo ein ſolches alltägliches Ereignig, möchte man fagen, wie das Austreten‘ des Stroms, und was weiter Leeres und Unbedeutendes

' Dissertatio de Historiae Graecae primordiis, in. der das Ansleguuge-

princip, das früher auf bie Theogonie, auch auf bie fabelhafte Geſchichte Griechen lands angewendet wirb.

taraud folgt, hätte die ältefte Dichtkunſt in. ein fo koſtbares Gewand gekleidet ? einen fo wäßrigen Anfang hätte die Zabel von dem Wahn- finn und dem Irrlauf ver Io, deſſen Beſchreibung uns bei Aeſchylos mit Staunen und Schreden erfüllt? einen fo zufälligen Urfprung der fönigliche, über Aegypten herrſchende Nil? Und, möchte man fort: fahren, einen nicht. minder feichten Urjprung aus den ebenfo zufälligen als umergiebigen. Gebanlenverfnüpfungen eines einzelnen ober weniger einzelnen hätte der lebendige Strom von Götterlehre und Götterfage, ver tief und mädjtig, wie aus unergründlichen Quellen, über die ganze Vorwelt fih ergofien? Aus willkürlicher Reflexion abſtrahirten, von diürrem Berftand mit magern. Erfenutniffen gezeugten Naturbegriffen und Berfonificationen, die höchſtens den Epielen eines kindiſchen Witzes vergleichbar ‚ihren Urheber kaum einen Augenblid ernfthaft befchäftigen fonuten, hätte ſich die jahrtauſendlange Geſchichte des Irrwegs ber Bölfer, aus einem zugleich fo ſchwächlichen und fo fünftlihen Anfang die bunkle ungeheuere Gewalt des Götterglaubens ſich entiwideft ?

Eine Zufälligleit, wie die zuletzt gefchilverte, wo nämlich die Mytho— logie der Griechen, der -Aegupter, der Inder, kurz ber ganzen Welt, ihren Urfprung in einer. höchft zufällig ausgebachten, ſodann eingeffei- deten, endlich mißverfiandenen und deſſen ohngeachtet geglaubten Kos⸗ mogonie eines oder weniger einzelner haben ſoll eine ſolche Zufällig- feit feheint von der Art zu ſeyn, daß alle Umſtände erwogen felbft- manche von denen ſich nicht zu ihr entichliegen möchten, bie übrigens der Meinung find, daß die größten und mächtigften Ereigniſſe dieſer Welt durch bie zufälligften und nichtswürdigſten Urfachen hervorgebracht werben. -

Aber nun die höhere Auffaflung, welche eine inftinftartige Erfin- bung angenommen bat, wird ſich auch hier höher zu ftellen juchen, und und, wenn wir es als eine Ungereimtheit barftellen, vie Diythologie als Erfindung von einzelnen anzufehen, dagegen wohlgemuth. antworten: Freilich ift die Mythologie nicht von einzelnen erfumben, fie ift von Bolt felHft ausgegangen. Die Mythologie eines Volls ift vergeftalt mit feinem Leben und Weſen verwachſen, daß fie nur aus ihm ſelbſt

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hervorgehen tonnte. Alles Inſtinktartige wirkt ohnehin mehr in der Maſſe als in einzelnen, und wie in gewifſen Familien des Thierreiche cin gemeinfchaftlicher Nunfttrieb voneinander mabhängige SImbivikee zur Hervorbringung eine® gemeinfamen Kunftwerts verbindet, fo ‚erzeng ſich auch zwifchen verſchiedenen, aber zu demſelben Bolf gehörigen Jubr viduen von felbft und wie durch innere Nothiwendigfeit ein geiftiger Je jammenhang, ber fi in einem, gemeinſchaftlichen Erzeugniß wie: bie Mythologie offenbaren muß. Ja es fcheint dieſes geiftige Zufammen wirken ſich nody über bie Zeit der erſten Entftehung ‘ver Mythologie hinaus erjtredt zu haben. Wolf Unterſuchungen über den Gomer, etwas geiftreicher aufgefaßt, als e8 von feinen Zeitgenoffen gejchehen, boten längft eine große und bedeutende Analogie dar. Iſt die int, und find Ilias und Odyſſee nicht das Werk eines Individuums, fonbern eines ganzen Über mehr als ein Zeitalter ſich ausdehnenden Geſchlechtt jo muß man: wenigftens geftehen, dieſes Geſchlecht hat- wie ein Indi⸗ viduum „gebichtet.

Man erfennt allgemein und als natürliches Erzeugnig mit befon- derer Gunft eine Volks poeſie an, die älter ift, als alle Dichtkunf, und neben diefer noch immer befteht, im Sagen, Märchen, Lieber, deren Ursprung niemand zu nennen weiß; ebenfo eine natürliche Wet: weisheit, tie durch Vorfälle des gemeinen Lebens oder heitere Gefellig- feit erregt, immer neue Sprüchwörter, Räthſel, Gleichnißreden erfindet So vermöge eines Ineinanderwirkens von natürlicher Boefie und natär- licher Philofophie, nicht vorbedachter und abfichtlicher Weife, fonbern ohne Reflerion, im Leben felbft, ſchafft fi das Boll jene höheren Ge ftalten, deren es bevarf, um die Yeere ſeines Gemüths und feiner Phantafie auszufüllen, durch die es ſich felbft .auf eine höhere Stufe gehoben fühlt, die ihm rückwirkend fein eigenes leben veredeln und ver: ihönern, und bie einerfeitS von ebenſo tiefer Naturbeveutung als von ter andern Seite poetiſch find.

Und gewiß, gäbe e8 feine Wahl als zwilchen einzelnen und dem Bolt, wer würde zumal heutzutage lange Bedenken tragen, wofür er ſich ausfprähe? Aber je fcheinbarer vie Vorſtellung, deſto genauer

mag man zujehen, ob nicht auch hier eine ftillichmeigende Voraus: jegung fich einfchleicht, vie die Prüfung nicht aushält. Annahmen folcher Art find tem Forſcher, was unter dem Wafferfpiegel verborgene: Ko- vallenriffe dem Seefahrer; und der kritiſche Geiſt unterjcheivet ſich von dem unfritifchen eben nur dadurch, daß dieſer mit Vorausſetzungen - zu Werk geht, deren er ſich nicht bewußt iſt, jener hingegen nichts Ver⸗ borgenes und Unerörtertes zuläßt, ſondern alles foviel möglich and Licht hervorzieht.

Es ift wahr, wir athmen gleihfam freier, fowie mir hören: die Mythologie ift nicht von: einzelnen, fie ift vom ganzen Voll ausgegan- gen. Über viefes Voll, unter dem bier nur die Gefammtheit verftan: ven ift, wird boch wohl aud Ein Volk ſeyn. Allein die Mythologie ft nicht bloß Sache Eines Volles, ſondern vieler Völker, und zwifchen den myitthologiſchen Borftellungen verfelben ift nicht bloß eine Allgemeine, fondern - eine bi® ins Einzelne gehende UWebereinftimmung. Hier trete fie denn zuerſt hervor, die große und unwiderſprechliche Thatſache ber inneren Berwandtſchaft zwijchen ven Mythologien ber verfchiebenften und ſich übrigens unähnlichften Vöolker. Wie gebenkt man dieſe That⸗ ſache, wie bie Mythologie als allgemeine und im Ganzen überall fich gleiche Erſcheinung · zu erflären? Doch nicht aus Urſachen und Um- ſtänden, wie fie etwa unter Einem Bolle ſich denken lafjen? In dieſem Sale, wenn man fie nämlich zuerſt unter Einem Bolfe entftehen lieh, bliebe offenbar, um jene Hebereinftimmung zu erflären, fein anberes Mittel, als ferner anzunehmen, daß die mythologifchen VBorftellungen zuerft allerdings unter Einem Vollk entfianden, von biefem aber an ein zwei⸗ tes überliefert, und fofort immer zu einem folgenben fortgepflanzt wor- den ſeyen, allerdings nicht ohne Modificationen anzunehmen, aben doch fo, daß fie im Ganzen und der Grundlage nach biefelben blieben. Richt Hermann allein erflärt fi auf diefe Weife die Thatſache. Auch andere, ohne durch die Specialität ihrer Vorausfegungen dazu genöthigt zu ſeyn, ſtellen die Eyflärung auf, nach welcher die Mythologie eigent- lich nur noch ſcheinbar ein allgemeines Phänomen feyn würde, bie materielle Uebereinſtimmung der verſchiedenen Mythologien nur noch eine

äußere und zufällige feyn würde. Es mag bequeur bünfen, die nick an ter Oberflähe, fondern in ver Tiefe liegende Verwandtiſchaft durch einen ſolchen bloß äußeren und untergeorbneten Zufammenbang zu er Hären, aber die Art der Uebereinftimmmung wiberfpricht der Annahme. Hätten die Griecher ihre Demeter nur 'von ben Aegyptern erhalten, fe nrüßte Demeter wie Iſis den erichlagenen Gemahl, over Iſis wie De meter die geraubte Tochter fuchen. Die Achnlichkeit befteht aber mr darin, baß beide ein Verlornes fugen. Da dieſes Verlorne aber fir jede ein anderes ift,. fo fann die griedhifche Vorſtellung nicht ein bloßer Abdruck der äguptifhen, noch von diefer abhängig fer, fie muß ſelb ftändig und unabhängig von der vorhergehenden entſtanden feyn. Die Aehnlichkeiten find nicht, wie fle zwifchen Original und Chpie jo pflegen, fie veuten nicht auf eine einfeitige Abkunft der einen

von ber andern, ſondern auf eine gemeinfchaftliche Abkunft aller.“ Cs ift Feine "äußerlich erflärkare, es ift eine Wehnlichfeit ber Viuterer wandtſchaft.

Ließe fi aber auch bie Verwandtſchaft der verſchiedenen Mythe logien auf jene äußerliche, mechaniſche Weiſe erklären, könnte man es auch über ſich bringen, mit dieſer großen Thatſache, welche man al ein mächtiges Entwidlungsmittel der wahren Theorie werth achten muß, es fo leicht zu nehmen: Eines bliebe immer noch vorausgeſetzt, näm- lich daß die Mythologie in oder unter einem Volk entftehen könne. Mir aber fcheint gerade dieß, woran bis jeßt niemand Anftoß genommen, gar jehr der Unterfuchung berürftig, ob es nämlich überhaupt benfhar ſey, daß Mythologie aus oder unter einem Bolt entftehel Denn zuerft, was ift doch ein Volk, oder was macht e8 zum Volk? Unftreitig wicht bie bloße räumliche Coeriftenz einer größeren oder kleineren "Anzahl phyſiſch gleichartiger Individuen, ſondern bie Gemeinfchaft des Bewußt⸗ ſeyns zwiſchen ihnen. Dieſe bat in der gemeinſchaftlichen Sprache um ihren unmittelbaren Ausdruck; aber worin follen wir dieſe Gemeinſchaft jelbft oder ihren Grund finden, wenn nicht in einer gemeinfchaftliden Weltanficht, und biefe wieder, worin kann fie einem Volt urſprümglich enthalten und gegeben ſeyn, wenn nicht in feiner Mythologie? Cs

63

cheint daher unmöglich, daß zu dem ſchon vorhandenen Bolt eine My⸗ hologie hinzukomme, ſey es durch Erfindung einzelner unter ihn ober fie ihm durch eine gemeinſchaftliche inſtinktartige Erzeugung entſtehe. Als unmöglich erſcheint auch dieß, weil es undenkbar iſt, daß ein Volk ſey ohne Mythologie. Man dächte vielleicht zu erwiedern, ein Voll werde zuſammen⸗ gehalten durch den gemeinſchaftlichen Betrieb irgend eines Geſchäfts, . B. des Ackerbaus, des Handels, durch gemeinſchaftliche Sitten, Ge- jeßgebung, Obrigkeit u. |. w. Gewiß dieß alles gehört zum Begriff eines Volles, aber faft unnöthig erfcheint es Daran zu erinnern, wie innig bei allen Völlern obrigfeitlihe Gewalt, Geſetzgebung, Sitten, ſelbſt Befchäftigungen mit Göttervorftellungen sufammenhangen. Die Frage iſt eben, ob dieß alles, was vorausgefegt wird, und mas aller- dinge mit einem Bell gegeben ift, ohne alle religiöſen Vorſtellungen gebacht werden könne, bie nirgends ohne Mythologie find. Man wird einwenben, daß es denn doch Völlerſchaften ‚gebe, bei denen Feine Spur religiöfer alfo auch feine Spur mythologifcher Vorſtellungen angetroffen wird. Dahin gehören z. B. vie ſchon erwähnten bloß äußerlich menſcheu⸗ artigen Gefchlechter des [üblichen Amerika, Uber eben dieſe leben auch, wie Azara berichtet, ohne jede Art von Öemeinjhaft unter fi, völlig wie die Thieve des Feldes, indem jie jo wenig eine ficht- bare als eine unfichtbare Gewalt über ſich erfennen, und fi einander fo fremd fühlen, wie ſich Thiere derfelben Species einander fühlen; und fo wenig bilden fie ein Voll, als etwa die Wölfe oder Füchſe unter ich ein Volk bilden, ja fie leben ungefelliger, als mande in Gemein- ſchaft lebende und arbeitende Thiere, wie die Biber, die Ameijen ober bie Bienen’. Umfonft würbe jeve Bemühung ſeyn, fie zum Boll zu ı M. f. Azara Voyages ete. T. I, p. 44, wo von den Pampas geſagt iſt: ils ne connaissent ni religion, ni calte, ni soumission, ni lois, Di obligations’, ni recompenses, ni chätimehts; bafjelbe wird S. 91 von ben Guanas gefagt; ©. 151 von ben Lengnas: ils ne reconnaissent ni culte, ni divinite, ni lois, ni chefs,- ni ob@ässance, et ils sont libres en tout; von

den ——** baffelde S. 113, wo man auch ſieht, welche Bewandtuiß es mit ben ſogenannten, von ben aubern in bilrgerlicher Berfaflung gefundenen, Ginwohnern

64 machen, d. 5. eine gejellichaftlihe Berbindung unter ihnen hervorze- bringen. Mit Gewalt eingeführt, würbe fie ihr Untergang feyn, zum . Beweis, daß weber durch göttliche noch durch menſchliche Macht ein Volk aus dem werden fan, das nicht gleich als Bolt geboren iſt, mt daß wo die urſprüngliche Einheit und Gemeinſchaft des Bewußtſeyn fehlt, feine ſich hervorbringen laſſe.

Auch hier wieder ſtellt ſich die Sprache neben die Mythologie. Cs wurde ſogleich als ungereimt erkannt, anzunehmen, einem Volle füne feine Sprache durch Bemühungen einzelner unter ihm entſtehen Wäre e8 aber etiva weniger ungereimt, für möglich au halten, daß fk aus oder unter ihm felbft entfiche, gleich als ob ein Volk feyn könnte ohne gemeinfame Spradhe, und nicht erft das ein Bolt wi, das eine gemeinſchaftliche Sprache hat?

Daffelbe wäre zu fagen, wenn man bie Meinung, daß in der Geſetzgebung nicht alles durch einzelne Gefeßgeber zu geſchehen brandk, daß die Gefege vom Volk felbft im Fortgang feines Lebens erzeugt werben, fo verftehen wollte, als könnte fi ein Voll von Anfang Ge jege geben und alfo daſeyn ohne Geſetze, da es doch erft da jeine Gefege ein Volk und zwar diefes Boll iſt. Vielmehr hat, ee das Geſetz feines Lebens und Beftehens, von dem alle im Lauf feiner Gefchichte hervortretenden Gefege nur Entwicklungen feyn können, mit feinem Dafeyn als Volk empfangen. Dieſes Urgefet jelbft aber kam es nur mit ber ihm als Volt angeborenen Weltanficht erhalten haben, und diefe ift in feiner Mythologie enthalten. J

Wie man auch die Entſtehung der Mythologie aus oder unter

auf diefe Wilden übergetragenen Kaziken bat, tie (vgl. &, 43) weber das Recht zu befehlen, noch zu ftrafen, noch irgend etwas zu forbern haben, wohl aber eine gewiſſe Achtung bei ben andern genießen, bie meift in den’ Berfammlungen ihrer Meinung beiftimmen und ihnen folgen, nicht als Oberherrn, ober im Gefühl irgend einer Verpflichtung, fontern weil fie. ihnen mehr Verſtand, Schlauheit und körperliche Stärke zufchreiben, als fi ſelbſt. Bei ben Charruas ift zur Theil. nahme an ber Ausführung einer befchloffenen Sache niemand verpflichtet, ſelbſ der nicht, der fie vorgefchlagen bat; ihre Händel machen die Parteien ſeibſt, mei durch Fauſtlampfe aus. Ebendaſ. &. 16.

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einem Volk erfläre, immer wird man ſchon es felöft vorausfegen, und alſo z. B. annehmen, daß der Hellene Hellene war, ber Aegypter Aegypter, che er feine mpthologifchen Vorſtellungen auf bie eine ober andere Weife erhielt. Nun frage ich Sie aber, ob der Hellene noch Hellene, der Aegypter noch Aeghpter ift, wenn wir feine Mythologie hinwegnehmen. Alſo hat er feine Mythologie weder von andern ange- nommen noch fie felbft erzeugt, nach dem er Hellene ober Aegypter mar, er wurde Hellene ober Aegypter erft mit biefer Mythologie, ba- mit, daß dieſe Mythologie ihm wurde. Wird einem Boll feine My- thologie im Lauf feiner Gefchichte, und dieſe fängt für jedes Voll an, fowie es da ift, entfteht fie ihm alfo insbeſondere durch gefchichtliche Berhältniffe und Berührungen mit, andern Völkern, fo hat e8 eine Ge- ſchichte, ehe e8 eine Mythologie hat. Davon wird fonft immer das Gegen- theil angenommen. | Nicht vurch feine Geſchichte iſ ihm feine Mytho- logie, fonbern umgefehrt ift ihm durch feine Mythologie feine Gefchichte beſtimmt, ober vielmehr biefe beftimmt nicht, fie ift ſelbſt fein Schid- ſal (wie der Charakter eines Menſchen fein Schidfal ift), fein ihm gleich anfangs gefallenes Loos. Over ‘wer möchte leugnen, daß mit ber Götterlehre ber Indier, Hellenen u. a. ihre ganze Gefchichte gegeben iſt

I es unmöglich, daß die Mythologie eines Volks ans oder unter dem ſchon vorhandenen entftehe, fo’ bleibt nichts übrig, als daß fie mit ihm zugleich entftehe, als fein individuelles Vollsbewußtſeyn, mit dem es aus dem allgemeinen Bewußtſeyn ber Menfchheit heraustritt, ver⸗ möge beffen es eben dieſes und von jedem andern nicht weniger als durch feine Sprache verſchieden iſt.

Hiemit aber iſt bei bisher beurtheilten Erklärungen vollends, wie Sie ſehen, der Boden entzogen, auf dem fie fid zu errichten fuchten: diefer Boben war ein geſchichtlicher, d. h. bie Eriftenz von Völlern vor⸗ ausfegenber, während hier offenbar geworben, daß die Entftehung der Mythologie in die Zeit fällt, in welche die Entftehung der Völker zu⸗ thdgeht. | Der Urfprung der Mythologie jedes Volks geht in eine Re- gion zuräd, wo feine Zeit ift zur Erfindung, laſſe man fie von ein- ‚einen ober vom Volk felbft ausgehen, Teine zu Hinftlicher Einfleivung

Shelling, fümmil. Werk. 2. nf. 1. 5

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u“

und zu Mißverſtand. Für die Umſtände, welche Heyne, Hermann und andere annehmen, gibt es ſomit keine Zeit mehr. In die Zeit, wo bie Völker entftehen, kann man nicht mehr mit den Erflärungen zuräd gehen, welde die Mythologie Überhaupt als eine Erfindung annehmen, fen es als Erfindung einzelner, die einem Volk gegenüberftchen, ober als Erfindung des ganzen Volks durch einen gemeinfamen Suftukt. Die mythologiſchen Vorſtellungen, die mit den Völkern felbft entitehen, ihr erfted Daſeyn beftimmen, mußten ald Wahrheit, und zwar als ganze, volle Wahrheit, demnach als Götterlehre, auch gemeint ſeyn, und wir haben zu erflären, wie fie in biefem Sinne entftehen konnten. Wir find genöthigt, andere Anfafjungspunkte für viefe Unterfuchung p finden, denn unter allem, was fi bis jegt dargeboten, ift mid, was im jene ‚Region zurückging. Wir werden über bie jetzt ver übergegangenen Erflärungen nicht urtheilen, daß fie überall nichts Wahres enthalten. Dieß wäre zu viel; aber das Wahre enthalte fie nicht, diefes ift alfo immer noch erft zu finden, aber zu biefem werben wir auch jetzt nicht ſprungweiſe gelangen fönnen, fondern nur burd eine ftufenmäßige, feine Möglichkeit übergehende Entwidlung. Id er innere gern an bie Methode der Unterfuhung, denn ich fee baren einen möglihen Hauptgewinn berfelben, daß Sie lernen, wie ein fo vielfach verwidelter, fo viele Seiten barbietender Gegenftand bennof umfaßt, bewältigt und durch methodiſches Fortfchreiten endlich in em volles Licht gefetst werben kann. Nur das ift vorläufig gewiß und ba$ Mare Reſultat der legten Entwidlung: das Wahre, das wir fuchen, liegt außer ven bisherigen Theorien. Mit andern Worten: das Wahre liegt in dem, was vie bisher angeführten und Beurtheilten Erklärungen ausfchliegen, und ſchwer ift es num wenigſtens nicht, zu ſehen, was fie alle Abereinftimmend und gleicherweife ausjchließen. '

dierte vorleſung.

Wenn weder mit der Meinung auszukommen iſt, es ſey in der Mythologie urſprünglich überall keine Wahrheit gemeint worden, noch mit der, welche zwar eine urſprüngliche Wahrheit in ihr zugibt, aber nicht in der Mythologie als ſolcher, d. h. insbeſondere ſofern ſie Götterlehre und Göttergeſchichte iſt: fo iſt mit der Elimination dieſer beiden Meinungen von ſelbſt bie dritte begründet und nun bereits noth⸗ wendig: die Mythologie war ſo, wie ſie iſt, als Wahrheit gemeint; dieſes iſt aber von ſelbſt ſchon gleich der Behauptung: die Mythologie iſt ur⸗ ſprunglich als Götterlehre und’ Göttergeſchichte gemeint, ſie hat urſprümg⸗ lich religisſe Bebentung, und eben dieſe iſt nun auch das, was bie früheren Erklärungen ausſchließen; denn alle ſuchten herauszubringen, baß bie religiäfe ‚Bebeutung,“ vie fie ber Mythologie zugeftehen mußten, inwiefern fie unlengbar als Götterlehre -gegolfen hat, eine ber. ur- fprünglichen Entftehung fremde, erſt fpäter in fle hineingekommene ſey. Die reinpoetifche zwar, inwiefern fie nur den abfichtlich hineingelegten Sinn leugnet, Tann urſprünglich religiöfe Anklänge zugeben, aber aus demjelben Grunde verwahrt fie fich gegen jede religiöfe Entftehung, und was in der Mythologie als ein Religiöfes erjcheinen Tamm, muß ihr für ein ebenfo.Zufälliges und Apfichtslofes, wie jeder andere ſchein⸗ bar doctrinelle Sinn gelten. » Ganz anders aber verhält es ſich mit ven nichtpoettfchen, mehr philofophifchen Erflärimgen. Hier wird das Keli- giöfe nicht einmal als ein urſprünglich Zufälliges zugelaffen. Nach Heyne find die Urheber vielmehr fi wohl bewußt, daß die Perfünlich- feiten, bie fie erdichten, feine wirklichen Weſen, und ſchon darum alfo,

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daß fie feine Götter find; denn das Geringſte zum Begriff ver Götter ift Do, daß fie gefürchtete Weſen find, gefürchtet aber werten nur wirfliche ober für wirklich gehaltene. Im folgerediteften Fortgang, wie er ſich freilih nur bei Hermann findet, muß die religidfe VBebentung fogar zur abfihtlih ausgeſchloſſenen werben,

Wollten wir nun bemgemäß bie bisher beurtheilten Theorien int gefammt mit einem gemeinfchaftlihen Namen, bie irrefigiöfen .uennen (verfteht ſich ohne alle verbächtigende Nebenbeventung), fo würden fi dennoch vielleicht den Namen ablehnen, weil fie zum Theil wenigftens der Mythologie doch nach ihrer Meinung wirklich religiöfe Borftellungen wenigftens vorausfegen, aljo das Religiöſe doch nicht ganz ank fliegen. Und allerbings, wer z. B. dem Enemeros beipflichtete, müßte ten mythologiſchen Göttern, Die ihm nur uneigentliche find, eigentliche vorausbenfen. Ebenſo ſpricht Hermann von einer Borftufe ver Mytho logie, einem rohphyſikaliſchen Aberglauben, ver ſich allerdings wirkliche mit Naturerjheinungen in Verbindung geglaubte Wejen vorgeftellt habe, und auch Heyne, könnte man ihn darüber beftagen, würde nicht ſäumen, piefe Meinung anzunehmen; denn auch er, tamit feine Perfönlichkeiten, bie feine eigentlichen Götter find, für Götter genommen werben, muß eigentliche norausfegen. Auch tiefe Erflärungen aljo wollen nad) ihrer Meinung eigentliche Götter und demnach wirklich Religiöfes, wenigftent als Hintergrund. Demnach fehiene es, fünnte man feine’ Kategorie von irreligiöfen Anfichten im Allgemeinen aufftellen:

Aber in Bezug wenigſtens auf die fo eben erwähnten müßte doch erſt entſchieden ſeyn, ob wir den Weſen, die fie den eigentlich mythole gifchen vorausfegen, Anſpruch, Wejen von wirklich religiöfer Berew tung zu ſeyn, zugeftehen werben. Denn zunächſt find jie freilich wit: liche Weſen, vie der Menſch hinter Naturwirtungen verborgen wähnt, ſey es wegen Unkenntniß ver wahren Urfachen, ober aus bloßem thieriich gedankenloſen Erjchreden, oder in Folge einer pofitinen Neigung, bie man dem Menſchen zufcyreibt, überall wo er eine Wirkung wahrnimmt, auch Willen und Freiheit vorauszufegen, wäre e8 auch nur, weil er ben Begriff der Eriftenz, unter dem er bie Dinge außer fich denkt, mar

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aus fich ſelbſt fehöpft, nur allmählich verallgemeinert und das von ihm abfondern lernt, was mit diefem Begriff im menſchlichen Bewußtfenn verbunden ift‘. Als übermächtige, menſchlicher Kraft im Allgemeinen überlegene werden dieſe mit Naturvorgängen in Verbindung ftehenven Weſen gefürchtet (primus in orbe Deos fecit timor), und weil fie menſchlichen Unternehmungen wie nad Willfür und Laune bald hinber- lich bald förderlich erfcheinen, durch Unterwärfigfeitsbezeugungen günftig zu ftimmen geſucht. Der Glaube an folhe Weſen, jagt man alfo,

war die erfte Religion. | Ausgeführt wurde diefe Erklärung im neuerer Zeit vorzüglich von David Hume, wiewohl er die erften Vorftellungen von, unfichtbaren Weſen weniger aus Reflexionen Über Naturerfcheinungen herleitet; diefe, meint er, hätten’ ihrer Uebereinftimmung und Gleichmäßigkeit wegen eher auf ein einziges Weſen führen müffen ; vielmehr aus Beobachtungen und Erfahrungen der Widerſprüche und des Wechfeld im menfchlichen Leben ſey zuerft die Meinung von vielen Göttern entftanden. Da indeß das Leben des rohen Menſchen felbft nur ein Naturleben ift, ımb ber Wechſel feiner Begegniffe vorzüglich von Veränderungen in der Natur abhängt, fo ift dieſer Unterfchied ohne Bedeutung. Mythologiſch wird nah D. Hume dieſer erſte wirkliche Polytheismus nur dadurch, daß menſchliche Individuen, die in ihrer Zeit mächtig ober wohlthätig auf an- dere gewirkt, unter jene religiös verehrten Wejen aufgenommen werben. Einen andern Weg hat Joh. Heinrih- Boß eingefchlagen. "Auch diefer denkt fich die erften Borftellungen aus welchen nachher Mythologie entſtehen ſoll, noch beſonders roh und einem Zuſtand halb oder vollkommen thieriſcher Dumpfheit entſprungen. Er will keinen doctrinellen, beſonders urſprünglich religiöſen Sim in der hologie, für bloße Poeſie kann er ſie auch nicht halten: alſo muß a trinellen außer dem Poetiſchen einen andern Gegenſatz fuchen, und er findet ihn in dem völlig Sinnlofen; je finnlofer bie urjprünglichen ' Man vgl. ben Artikel Existence in ber franz. Encyclopäbie, aus bem

manches in fpäteren beliebten Erffärungen des erften Urfprungs von Göttervor fellungen entlehnt ſcheint. Der Artikel iR won Zurgot.

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Borftellungen, deſto beſſer; dem er hat damit zugleich das radikale Mittel gegen jeven Berfuch, in der Mythologie einen Sinn zu fehen und über feine Behandlung derſelben, die nur den tobten rohen Buchftaben be achten will, hinauszugehen. In biejem erften tief-Dumpfen Zuftande alfe, erregt von Naturereignifjen, ahndet der Menſch mit dieſen ihm gleick, d. h. ebenfalls rohe Weſen in Verbindung, bie feine erften Götter find. Für den Uebergang zur Mythologie aber müfjen Dichter dienen, bie Boß herbeiruft; dieſe folen ihm die düſtern Geftalten und umbeftimmten Weſen allmählich ausbilden, mit holderen menſchlichen Eigenfchaften aus ftatten und endlich zu idealiſchen Perfünlichkeiten erhöhen. Zuletzt er⸗ finden dieſe Dichter ſogar eine Geſchichte diefer Weien, durch die das urſprünglich Sinnlofe auf eine angenehme und. reizende Weife verhält wird. So entitand nad Voßens Meinung die Mythologie.

Wer einigen Sinn für hellenijhe Mythologie hat, erkennt in ihr etwas Sinnvolles, Beziehungsreiches, Organijches. Es war nur jener graſſen Unwiſſenheit über die Natur, welche in manchen Kreiſen früherer Philologen herrſchend war, möglich zu denken, daß aus fo ganz zufäl⸗ ligen und völlig zuſammenhangloſen Vorſtellungen, wie bie angenom⸗ menen, je etwas Organiſches habe entſtehen können. Nebenbei wäre bei diefer Gelegenheit zu fragen, wie mau in Deutihland eine ziemlid lange Zeit fo bereitwillig babe feyn können, unmittelbar aus dem rohe ſten Zuftand, in dem von allem Menſchlichen fo gut wie nichts übrig ft, Dichter hervortreten zu laſſen. Waren e8 Stellen der Alten, ſolche z. B. wo Orpheus erwähnt ift, wie er die wildlebenden Menjchen dur die füßen Töne ſeines Geſangs thieriicher Rohheit entwöhnt und zu menſchlicherem Leben anleitet wie die horaziſche:

Sylvestres homines sacer interpresque Deorum Caedibus et victu foedo deterruit Orpheus, °

Dictus. ob hoc lenire tigres rabidosque leones'.

Diefe Worte beziehen ji indeß Deutlich genug auf das befonbere orphijche Dogma, welches des Lebens ver Thiere zu ſchonen befiehlt;

ı A. P. 391 ss.

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biefes Dogma bat aber mit der Götterlehre, weldye blutige Opfer heifcht, fo wenig gemein, als orphifche Rebensweife mit der reichlichen Fleiſchkoſt homeriſcher Helden. Kein alter Schriftfteller gibt dem Orpheus An- theil an der Mythologie; an Orpheus bat auch wenigftens Voß ficher nicht gebacht; feine Meinung von vormpthologiihen Dichtern Schreibt ſich wahrjcheinlich nicht weiter her, als aus der guten alten göttinger Zeit, wo Heyne, von dem Voß nie anders als geringfchägig zu reden gewohnt ift, ohne darum, was folde Fragen betrifft, feine Schule ver- leugnen zu können, ‚von dem Bude des Engländer Wood: über das Driginalgenie des Homer lehrte: aus Neifebefchreibungen von Sitten der Wilden, oder, wie er naiv genug hinzufegt, anderer Böl- fer, die noch in einer ungebilveten Gefellfchaft und Staatöverfaffung leben,. lerne man das Meifte. für Homer‘, wo Heynefhe Schüler ben Homer mit Oſſian und auch mit. den altveutfchen Barden verglichen, von denen man die noch in Thierfelle gefleiveten Söhne Teuts nicht bloß zur Tapferkeit in der Schlacht begeiftert, ſondern auch zu menſch⸗ licherem Leben überhaupt angeleitet glaubte, wiewohl das Bild, das bie bomerifchen Gedichte felbft von ber. fröhlichen und gebilveten Gefelligkeit ihrer Zeit entwerfen, nichts weniger denn Wilde oder Halbwilde als Zuhörer damaliger Sänger denken läßt, wie die ſchon dem Odyſſens in ben Mund gelegte Rebe beweist: Wahrfidh es iſt doch Wonne. mit anzuhören den Sänger,

Solchen, wie jener ift, den Unfterblihen ähnlich an Stimme!

Denn nicht kenn' ich felber ein angenehmeres Trachten,

Als wenn ein Freudenfeſt im ganzen Bolt fi verbreitet,

Und in ben Wohnungen rings bie Schmaufenben horchen dem Sänger.

Solches däucht mir im Geiſt die ſeligſte Wonne bes’ Lebens.

Weſen alſo der beſchriebenen Art follen bie erften, bie eigtnilichen, ven mythologiſchen vorausgegangenen Götter geweſen ſeyn, und es fragt ſich alſo, ob wir dieſe für Weſen von wirklich religiöſer Bedeutung

UM. ſ. die vor der deutſchen Ueberſetzg des obengenannten Werks wieder abgebrudte Recenfion befielben in ben Ging. gel. Anzeigen.

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-. ——

können gelten laſſen. Wir bezweifeln jedoch ſehr, ob Vorſtellungen, wie die eben erwähnten, Religion zu nemen ſeyen; denn z. B. auch ven Wilden, die in den weiten Ebenen bes Laplataſtroms umherſchweifen, wirb bie gedanfenlofe Scheu vor irgend einem Unheimlichen und Unſicht baren ver Natım nicht fremd feyn, eine Scheu, bie wir "ja felbft an manchen Thieren wahrzimehmen glauben; aud ihnen werben duunlle Borftellungen von gefpenftifhen in Naturerfcheinumgen ſich regenben Weſen nicht fehlen; umd dennoch verfihert Azara, daß fie ohne alle Religion find. Man hat zwar gegen die Ausſage Einwendungen ge macht ', aber ein Mann wie ara ift nicht mit Geweinplägen zu widerlegen, wozu man auch den befannten aus Cicero rechnen kam, daß Fein Volk fo roh und unmenfchlich angetroffen werde, das ohne alle Borftellungen von Göttern wäre. Wir können diefen Satz wohl gelten laffen, denn wir Haben ſchon bemerkt, daß jene einheitslofen Horden fein Volk zu nennen ſind. Mau findet es immer jchwer, ſich von einer Ianggehegten Meinung zu trennen; befanntlih waren ſchon bie von Robertfon angeführten ganz daſſelbe ausfagenven Zeugniffe über mande amerifanifche Völkerſchaften gleichen Einreden ausgefegt; aber die Trage, ob eine Anzahl Menſchen, vie unter unfern Augen leben und vor und ohne Scheu alles ihren Sitten und ihrer Natur Gemäße thun und verrichten, irgend einem fidhtbaren oder unfichtbaren Weſen eine Art von Cultus erweifen, ift von der Art, einer ganz unzweifelbaften Ent: ſcheidung durch die bloße Beobachtung fähig zu feyn; Handlungen ber Aroration find fichtbare Handlungen. Der geiftvolle Azara läßt fid nicht mit gewöhnlichen Reiſenden auf eine Linie ftellen. War es der Geift allumfaffender Naturforfhung, der unfern berühmten Ale: rander v. Humboldt torthin begleitete, fo war es der Sinn des unabhängigen vorurtheilsfreien Denkens, des Philofophen, mit dem Azara jene Gegenven betrat, aus denen er Aufgaben für Natur⸗ und Menſchengeſchichtsforſchung mitgebracht hat, die noch ihre Löſung, ja in der Wiſſensfertigkeit unferer Zeit, zumal unferer Naturforfcher, großentheile

' Man vgl. u. a. die Bemerkungen, bes franzöf. Ueberſetzers.

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ihre Beachtung erwarten. Er fonnte ſich über die Thatſache nicht täufchen, daß jene Wilde durch feine ihrer Hanblungen eine religiöſe Verehrung für-irgend einen Gegenftand am ven Tag legen. Der daraus gezogene Schluß, daß fie ohne alle Religion feyen, ift ebenſo unbeftreitbar '. Wären unfihtbare, mit Naturvorgängen in Verbindung gewähnte Weſen ſchon Götter, fo müßten aud die Berg- und Waffergeifter ver feltifchen, bie Kobolde ver deutſchen Bölferfhaften, tie Feen der Morgen» und Abenblänber Götter ſeyn, wofür fie niemals gegolten. Auch bie griechiſche Imagination kennt Dreaden, Dryaden, Nymphen, die wohl zum Theil als Dienerinnen von Gottheiten verehrt, aber nie ſelbſt für Gottheiten gehalten wurben, Die Scheu, die allerdings auch vor foldhen Weſen empfunden wirb, Geſchenke ſelbſt, durch die man ihre Gunft zu gewinnen, fie hold und freundlich zu flimmen fucht, find noch fein Be weis für göttlich verehrte, d. h. für Wefen von religiöfer Bedeutung. Diefe Verſuche, Götter ohne Gott herauszubringen, ſcheinen alfo bie wahre. Kraft und Stärke des Begriffs nicht -erreicht zu haben. Götter biefer Art würben doch nur uneigentlich fo genannt. Hume felbft gibt

* Da bie Thatſache für bie Folge wichtig ift, fo mögen bie beweiſenden Gtellen bier fiefen. Eine, in der ſich der Verjaffer ganz allgemein erffärt, if folgende:

Les ecclösisstiques y ont ajout6 une autre fausset& positive en disant, que ce peuple avait une religion. Persuades, qu’il &ait impossible aux hommes de vivre sans en avoir une bonne ou mauvaise, et voyant quel- ques figures dessindes ou gravdes sur leurs pipes, les arcs, les bätons et les poteries des Indiens, ils se figurerent & linstmmt, que c’taient leurs idoles, et les brulörent. Ces peuples emiploient aujourd’hui encore les mẽmes figures, mais ils he le font que pour amusement, car ils n'ont aucune religion. Voysges T. II, p. 3.

Bon ben Payaguas unter andern erzählt ex ebenbaf. S. 137: Quand la tem- pete ou le-vent renverse leurs huttes ou cases, ils prennent quelques tisons de leur feu, ils courent & quelque distance contre le vent, en le menagant avec leurs tisons. D’autres pour &pouvanter la tempete don- nent force coups de poing en l'air; ils en font quelyuefois autant, quand ils apergoivent’la nouvelle lune; mais, disent-ils, ce n'est que pour mar- quer leur joie: ce qui a donné lieu & quelques personnes de croire, qu'ils l'adorsient: mais le fait positif est, qu’ils me rendent ni culte ni adora- tion & rim au monde et qu'ils n’ont amehlle religion.

7A

dieß zu und fpricht e8 aus. „Die Sache genau betrachtet“, fo lanten feine Worte, „ist diefe vorgebliche Religion in der That nur ein wit Aberglauben verbundener Atheismus. Die Gegenftände ihrer Ber chrung haben mit unferer Idee der Gottheit nicht ven geringften Zw fammenhang” '. Un, einer andern Stelle äußert. er: wenn man ans dem alteuropäijcgen Glauben Gott und die Engel (demn biefe als willenlofe Werkzeuge der Gottheit können ohne dieſe nicht gedacht wer ven) binwegnähme und nur die Feen und bie Kobolbe behielte, würde ein jenem vorgeblichen Polytheismus ähnlicher Glaube herauskommen ?,

Nach diefer keinen Widerſpruch zulaffenden Erflärung D. Humel jind wir nun auch beredtigt, alle bisher vorgelommenen Erklärungen unter dem allgemeinen Titel der irreligiöfen zuſammenzufaſſen und auf biefe Weife völlig mit ihnen abzufchließen,; und es ift ebenfo Mar, daß wir jegt erft zu den religiöfen als Gegenſtand einer völlig neuen Ct widlung übergehen. Die legte Entwidlung galt bloß der Fraͤge, welche Erklärungen religiöje genannt werben können, welche nicht. Der geſunde Verſtand jagt: Polytheismus kann doch nicht Atheismus, wirklicher Polytheismus nicht etwas feyn, worin gar nichts von. Theismus if. Eigentlihe Götter können nur heißen, denen, ſey es durch noch fo vice Zwifchengliever hindurch, und auf welche Weife immer, aber doch auf irgend eine Weife, Gott zu Grunde liegt. Hieran wird dadurch nichts geändert, daß man fih eutfchließt, zu fagen: die Mythologie ſey tie falſche Neligion. Denn die falſche Religion ift darum nicht Irreligion, wie der Irrthum Iwenigſtens was fo zu heißen verdient) nicht volllom⸗ mener Mangel an Wahrheit, fondern nur die verfehrte Wahrheit jelbft iſt.

Judem wir aber hiemit ausfpredhen, was wir zu einer wirllich religiöjen Anſicht fordern, zeigt fih auch ſogleich vie Schwierigfat,

' A bien cousiderer la chose, cette pretendue Religion n'est en efel qu'un Atheisme superstitieur, les objets du culte quelle &tablit, n’ont pas le moindre rapport avec l’idee que’ nous nous formons de la Divi- nite. Histoire naturelle de la Religion p. 25. Dieſe unb bie folgenten Stellen

find nach der (guten) franzöfiichen ueherebung citirt. Ebendaſ. p. 35.

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welcher fie in der Ausführung begegnet, und die nun erft zeigt, welche Urſachen die früheren Erflärer hatten, vor der religiöfen Bedeutung fo entfchieden zurückzutreten und eher alles aufzubieten, ja faft das Un⸗ glaubliche ſich . gefallen zu laſſen, als etwas eigentlich Religiöſes in ver Mythologie, oder auch nur in den angeblich vormythologifhen Borftel- lungen zuzugeben, von denen Hume ſelbſt fagt, daß fie nichts von Gott enthalten. Denn es liegt in der menſchlichen Natur, vor unüberwindlich ſcheinenden Schwierigkeiten zu erfchreden und Auswege zu fuchen, und erft wenn man fieht, daß alle dieſe faljchen Erfeichterungsmittel feine Hülfe gewähren, fish in das Unvermeibliche und Unwiderſtreitbare zu ergeben.

Die wirklich religiöfe Bebeutung der Mythologie als die urjprüng- liche vorausgefegt, ift die Schwierigfeit zu erklären, wie dem Polytheis- mus urfprünglich Gott zu Grunde liegen konnte. Auch hier werben verfhiedene Möglichkeiten fich barftellen, und deren Erörterung wird unfer nächftes Geſchäft ſeyn. Denn nachdem uns außer der religiöjen Anficht Feine, andere übrig geblieben, werben wir ung ganz in biefe ein⸗ fchließen und ſehen, wie fie ſich ausführen laſſe, und auch hier wieder werben wir darauf bebacht fehn, von der erften möglichen VBorausfegung auszugehen, mit der ſich eine urſpruuglich religiöfe Bedeutung be⸗ greifen läßt.

Die erſte mögliche iſt aber überall die, welche am wenigſten au⸗ nimmt, bier alſo unſtreitig diejenige, welche am wenigſten von einer wirklichen Erkenntniß Gottes, ſondern nur die Potenz oder den Keim einer ſolchen vorausſetzt. Hiefür aber bietet ſich von ſelbſt dar die ſchon von den Alten ſich herſchreibende und früher allgemein in den Schulen gelehrte Notitia Dei insita, mit welcher in der That ſich kein anderer Begriff als ver eines bloß potentia vorhandenen Gottesbewußt⸗ ſeyns verbinden läßt, welches aber in ſich felbft die Nothwendigkeit hätte, zum actus: überzugehen, ſich zum wirklichen Gottesbewußtfeyn zu er- heben. Es möchte bier der Moment feyn, wo bie früher angeregte in- ftinftartige Entftehung zu einem beftimmten Begriff gelangen könnte: es wäre ein religidfer Inftinkt, der die Mythologie erzeugte, denn was anderes foll man fi) unter einer ſolchen bloß allgemeinen und

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x ———

unbeftimmten Kunde von Gott denken? Jeder Inſtinkt iſt mit einem Suchen des Gegenſtandes verbunden, auf den er ſich bezieht. Aus einen ſolchen Greifen und Taſten nach tem dunkel geforderten Gott ließe fid, ſo ſcheint es, ein Polytheismus, der es wirklich iſt, ohne großen Auf wand begreifen. Indeß wird es auch hier an Abſtufungen nicht fehlen.

Der unmittelbare Gegenftand des menſchlichen Erkennens. bleibt die Natur oder die Sinnenwelt, . Gott ift nur das bunfle Ziel, nach dem geftrebt, und das zuerit in ber Natur geſucht wird. Die beliebte Er⸗ klärung duch Naturvergätterung würde erft bier ihre Stelle finben, denn immer müßte wenigftens eine angeborene dunkle Kunde von Gott vorausgehen. rüber konnte alfo von biefer Erflärung nicht die Rede fen. Unter Borausfegung eines religiöfen Inſtinkts würde ſich begreifen lafien, wie der Menſch ven Gott, den er ſucht, zunächſt in den allge genwärtigen Elementen ober in den Geftirnen, melde den mächtigften ober wohlthätigften Einfluß auf ihn ausüben, zu finden glaubt, allmählich, ihn ſich näher zu bringen, zur Erde berabfteigt, jelbft in unorganifchen Formen den Gott ſich vergegenwärtigt, bald mehr in organifchen Weſen, eine Zeit lang felbft unter Zhierformen, endlich in reiner Menſchen⸗ geftalt ihn vorftellen zu können wähnt. Hieher würden alfo vie Ant legungen gehören, denen die mythologiſchen Gottheiten vergötterte Natur: wefen find, ober vorzüglich nur eines -berfelben, die Sonne, bie in ihreu verfchiedenen Stellungen während eines Fahreslaufs jedesmal eine andere würde, namentlich die Erklärungen von Bolney ', Dupuis ? u. a.

Ein mehr philofophifches Anfehen würbe die von der Notitia insits ausgehende Erklärung erhalten, wenn man die Natur ganz aus dem Spide ließe, die Entftehung von der Außenwelt unabhängig und ganz innerlid machte, indem man vorausfette, jener Inſtinkt habe ein ihm felbft in wohnendes Geſetz (aſſelbe, durch welches aud die Stufenfolge in der Natur beſtimmt ift), vermöge biefes Geſetzes gehe cr vie ganze Natur hindurch, auf jever Stufe Gott befitend und wieder .. verlieren, bis er

Origine de tous les Cultes. 2 Les Ruines.

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zu dem alle Momente überragenden, fie als - Vergangenheit von fidh, damit- als bloße Momente der Natur- jegenden, benmach jelbft fiber der Natur ftehenven Gott gelange. Weil in biefer auffteigenven Be⸗ wegimg Gott das Ziel (terminus ad quem) ift, fo würde auf jeber Stufe Gott geglaubt, der legte Inhalt des hiemit entſtehenden Poly- theismus alfo doch wirklich Gott fehn.

Diefe Erklärung wäre die erfte, welche die Mythologie durch eine rein innere und zugleich nothwendige Bewegung entftehen liche, die fo von allen äußeren und bloß zufälligen Borausfegungen ſich befreit hätte, und .diefe gewiß wäre wenigftens als Vorbild der höchſten zu betrachten, zu welcher wir fortzufchreiten hätten. Denn für vie legte ober höchfte jelbft könnte fie ſchon deßhalb nicht gelten, weil fie auch eine noch nicht begriffene Vorausjegung hat; eben jenen Inftinkt, der, wenn er mächtig genug ift, die Menſchheit in diefer Bewegung zu dem wahren Gott zu erhalten, ſelbſt etwas Reelles, eine wirkliche Potenz ſeyn muß, für deren Erklärung man nicht hoffen Tünnte, mit der bloßen Gottesidee auszu⸗ reihen, man möchte dem glauben, e8 fen hier um ein bloßes Logifche® Kunftftüd zu thun, womit eine dürftige Philofophie vielleicht ‚gern auch biefer Unterfuchung zu Hülfe käme, um das Armfelige: die Gottesidee erft auf vie.bürftigfte Geftalt herabziifegen, um fie dann Fünftlich im Gedanken wieder zur Vollendung gelangen zu laſſen. Es handelt ſich nicht um ben Zufammenbang, in den fi) das Meaterielle der Mytho⸗ Iogie allerdings auch mit der bloßen Idee fegen läßt (die Mythologie würde bieß leiden, wie es auch die Natur leidet); aber fo wenig als bie Natur durch ein ſolches Kunftftüd erklärt wäre, fo wenig würde durch ein ähnliches die Mythologie erflärt ſeyn, aber eben um Erklärung handelt es fih, nicht um bie bloße ibeelle Möglichkeit, fondern um bie wirkliche Entftehung der Mythologie. Die Borausjegung eines religiöfen Inſtinkts, der in feiner Art nicht weniger wirklich ift, als jeder andere, könnte ber erfte Schritt feyn zu der Einfiht, daß die Mythologie aus einem bloß idealen Berhältniß, in dem das Bewußtſeyn zu irgend einem Gegenftanbe fteht, nicht erklärbar ift.

Jedenfalls hätte e8 mehr Schwierigfeit, tem Polytheismus eine

förmliche Lehre als eine bloß angeborene Kunde von Gott voramägehen zu laſſen. Widrig ift bei Vorausſetzung einer Lehre auch die Aumalıe einer Entftellung, die mit einer Lehre nothiwendig verbunden ift, bie zum Polytheismus werben foll. David Hume beftreitet mit fiegreichem Ge danken fowohl die Möglichkeit der Entftehung einer folchen Lehre, als auch die Möglichkeit der Entftellung verjelben. An die Notitia insite dachte er nicht einmal Hume gehört im Allgemeinen zu denen, welde von einen Inſtinkt ebenſowenig wiffen wollen, als von angeborenen Begriffen. Er zieht aus dem Grunde, weil, wie er behauptet, nicht zwei Völker, ja nicht zwei Menſchen über den Punkt der Religion überein fiimmen, den Schluß, daß das religiöfe Gefühl nicht wie die Selbſtliebe oder die gegenfeitige Zımeigung der Gefchlechter auf einem natürlichen Trieb beruhen Fönne, und will höchftens eine Geneigtheit zugeben, die wir alle haben, unbeftinmter Weife an die Exiftenz irgend einer unſichtbaren und intelligenten Gewalt zu glauben, eine Geneigtheit, ven der es ihm noch ſehr zweifelhaft fcheint, ob fie auf einem urjprünglichen Inftinft bernht '.

Humes Abficht ift, die wirklich religiöfe Bedeutung der Mythologie als eine urfprüngliche zu beftreiten; in dieſer Hinficht hätte er vor allem bie Notitia insita beftreiten müffen,, hätte er es nicht aus dem fchen angezeigten Grund umnöthig gefunden; dem zu feiner Zeit war jene Lehre von einer angeborenen Kunde völlig veraltet und hatte jede Gel⸗ tung verloren. Was er daher allein zu beftreiten nöthig glaubt, ift die Möglichkeit, dem Polytheismus und ver Mythologie eine religiöfe Lehre voraußgehen zu laffen, die fi) in beiten entftellt. hätte. Nimmt man einmal eine Lehre an, fo weiß Hume von feiner andern als einer wiſ⸗ fenfchaftlich gefundenen, von keinem andern als einem auf VBermuft- fchlüffen beruhenden Theismus (Theisme raisonne). Cine Erflärung aber, tie einen ſolchen vorausgeſetzt hätte, hat nie wirklich exiſtirt. Hume bringt diefe Erffärung bloß vor, um fie, und da er nichts am deres fennt, um bamit überhaupt eine urfprünglich theiftifche Berentung

' Histoire nat. de la Rel. p. 110.

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zu widerlegen. Da hat er dann ganz leicht zu zeigen, daß ein ſolcher Theismus raisonne in den Zeiten vor der Mythologie nicht ent- fiehen, und wenn entftehen, ſich nicht zum Polytheismus entftellen konnte.

Eine Merkwürdigkeit ift, daß Hume bier in feiner Natürlichen Ge- ſchichte der Religion als möglich vorausfegt, mas er befanntlich in feinen allgemeineren philofophifchen Unterfuchungen fehr wenig zugugeben bereit iſt: e8 ſey ber Bernunft möglich, durch Schlüffe, die von der ſichtbaren Natur ausgehen, zum Begriff. und zu der Ueberzeugung vow einem in- telligenten Welturheber, einem volllommenften Weſen u. |. w., kurz zu dem zu gelangen, was er unter Theismus verfteht, -und mas freilich. etwa8 fo Inhaltsloſes ift, daß es weit cher einer abgelebten oder eben im Ablaufen begriffenen, als einer noch friſchen und Träftigen Zeit zuzutrauen ift, und bag Hume feinen gauzen Beweis N füglich hätte erfparen können.

Der einigermaßen bie natürlichen Fortſchritte unſerer genntniffe beobachtet habe, werde überzeugt ſeyn, daß die unwiſſende Menge an- fänglid nur fehr grober und irriger Vorftellungen fähig geweſen fey. Wie follte fie fi denn zu dem Begriff eines volllommenften Wefens erhoben haben, von dem bie Orbnung und Regelmäßigkeit in allen Theilen der Natur herkomme? Ob man wohl glaube, eine ſolche Menfchheit werde ſich vie Gottheit ald einen reinen Geift, als ein all» weifes, allmächtiges, unenbliches Weſen, und nicht vielmehr als eine beſchränkte Macht, mit Leidenfchaften, Begierden, ſelbſt mit Organen wie bie unfern gebacht haben? benfo leicht würde man für möglich halten, daß e8 Palläfte gegeben, ehe Hütten gebaut worden, ober daß die Geometrie dem Aderbau vorausgegangen jey '.

Hatten ſich aber die Menſchen einmal durch Schlüffe, die fich auf bie Wunder der Natur gründeten, von dem Daſeyn eines höchſten Weſens überzeugt, jo war e8 ihnen unmöglich, dieſen Glauben zu verlaffen, um fich in Abgötterei zu ftürzen. Die Grundſätze, mittelft welcher zu- erft ımter den Menjchen diefe glänzende Meinung entftanden war, mußten

Ebendaſ. ©. 5.

noch leichter fie erhalten; denn es ift unendlich ſchwerer eine Wahrheit zu entdecken unb zu beweifen, als fie zu behaupten, wenn fie emtbeit und bewiefen ifl. Mit fpeculativen, auf dem Weg des Räfonnementt gewonnenen Einfichten verhält e8 fich ganz anders, als mit geſchichtliche Thatfachen, vie fich leicht entftellen. Bei Meinungen, bie durch Schläfke gewonnen werben, find entweber bie. Beweiſe Mar und gemeinner ftändlich genug, um.jebermann zu überzeugen: im biefem Falle werben fie binreichen, die Meimmgen in ihrer urfprünglichen Reinheit überall zu erhalten, wohin immer fie ſich verbreiten; oder bie’ Beweiſe find abftrufe, die Faſſungskraft gewöhnlicher Menfchen überſteigende: fo wer ven die Lehren, die ſich auf fie-ftügen, nur einer Heinen Anzahl von Menſchen befannt und in Vergeſſenheit begraben werben, fowie ſich dieſe mit ihnen zu befchäftigen aufhören. Nimmt man das eine ober das andere an, immer wird man einen vorausgegangenen Theremms, ber zur Bielgötterei entartet wäre, unmöglich finden. Leichte Schläffe hätten ihn verhindert ſich zu verberben; ſchwere und abftracte hätten ihn der Kenntniß des großen Haufens entzogen, unter dem allein Grund fäte und Meinungen fid, entſtellen!.

Eigentlichen Theismus, d. h. was er fo nennt, kann e8 alfo, wie nebenbei zu bemerken, für Hume in der Menfchheit nicht eher geben, als im Zeitalter der ſchon geübten und völlig ausgebilveten Bernunft. In der Zeit, in welche der Urfprung des Polytheismus zurüdgeht, if alfo an einen foldhen Theismus nicht zu denken, und was einem jolden Achnliches in der Vorzeit vorlommen mag, fieht nur fo aus md erklärt fih einfach auf folgende Art: Eine der abgöttiſchen Nationen erhebt eines ver geglaubten unfichtbaren Weſen zum höchften Rang entweder weil fie fich ihr Gebiet unter deſſen befonverer Botmäßigkeit denkt, oder weil fie die Meinung bat, es ſey unter jenen Wefen wie unter ten Menſchen, wo einer ald Monarch über die andern herrſche. Hat num eine folhe Erhebung einmal ftattgefunven, jo wird man fid um die Gunft dieſes einen vorzüglich bemühen, ihm ven Hof machen,

Ebendaſ. S. 8-10.

8

feine Mtrihule fleigern, wie es ja auch bei irdiſchen Monarchen ger ſchieht, die man ‚nicht bloß vorſchriftsmäͤßig Allerhöchſte und Allergnä- digſte neunt, ſondern freiwillig ſogar augebetete Monarchen ſelbſt unter Chriſten lann nennen hören. Hat ein folder Wetteifer ber Schmeichelei, indem je einer ben anbern zu überbieten ſucht, einmal angefangen, fo kann es nicht fehlen, daß er durch immer ſeltſamere und pomphaftere Beitwörter unter fortwährend ſich fleigernden Hyperbeln endlich an eine Grenze gelangt, wo nicht weiter zu gehen iſt; das eine Weſen heißt nun das höchſte Weien, das unendliche Weſen, bas Weſen das feines Gleichen nicht hat, das Herr und Erhalter ber Belt if. So entfteht die Vorftellung von einem Weſen, das bem, was wir Gott nennen, äußerlich ähnlich fieht; denn Hume ſelbſt, der auf dieſe Weife ven paradoxen, ja bizarr ſcheinenden Say wirklich herausbringt, daß der Polytheismus dem Theismus vorausgegangen, iſt zu klar, um nicht vollkommen zu wiffen, Dos ein ſolcher Theismus eigentlich nur Atheismus iſt.

Näfmen wir nun aber an, «8 werbe aus weile Grunde immer für unvermeidlich gehalten, dem Polytheismus eine Lehre vorauszuſetzen, fo würbe teils deren Inhalt, theils deren Entftehung beftimmt werden mäffen.. "In der erfteren, der materiellen Beziehung dürfte man ſich auf feinen Fall mit einer ſolchen Ieeren und abftracten, wie bie if, bie in ben jegigen Schulen gelehrt wird, begnügen, ſondern nur eine felbft inhaltsvolle, fuftematifche, veich entfaltete Lehre könnte dem Zweck ent- ſprechen; dadurch aber wirbe eine Erfindung noch unglaublicher, und man fähe fi} daher bie formelle Seite betreffend dahin gedrängt, eine religiöfe Lehre anzunehmen, die unabhängig von menfchlicher Erfin- dung in ber Menſchheit geweſen wäre, eine ſolche könnte nur eine gött⸗ lich geoffenbarte ſeyn. Damit wäre benn ſchon an ſich ein ganz neuer Erklãrungskreis betreten, denn eine göttliche Offenbarung ift ein reales Berhättniß Gottes zum menſchlichen Bewußtſeyn. Der actus ver Offen- barung felbft ift ein realer Vorgang. Zugleich ſchiene hiemit jenes "aller

Ebendaſ. S. 45 f. Eselting, ſammil. Werte. 2. Mb. 1. 6

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menſchlichen Erfindung Entgegengejegte erreicht, das ſchon früher ge

fordert, aber nicht gefimben werben; jebenfall® hätte man an einer gätt- lichen Offenbarung eine folivere Boransfegung, als an den früher vorge ichlagenen, an dem Traumzuſtand, dem Helljehen u. |. w. . Hume konnte feiner Zeit gegenüber unnäthig finden, dieſer Möglichkeit auch nur zu erwähnen. Hermann will, wie er fagt, niemand um dieſe fromme Meinnng beneiven‘. Und dennoch hätte er vielleicht einige Urfache, mit etwas weniger Geringfhägung von ihr zu reden, theils weil fie mit feiner eigenen Theorie in einer Hauptfache, der Annahme einer Eat ftellung übereinftimmt, theils weil er, im Fall e8 mit dem von ikm gebrauchten Dilemma, nad welchem fid außer Selbfterfindung ut göttlicher Offenbarung nichts Dritte® denken läßt, feine Nichtigkeit hätte, felbft no in den Fall kommen’ konnte, die fromme Meinung anzuneh men. Dermanıs Theorie wäre gewiß ganz vortrefflich, wenn die ˖ Mytho⸗ logie nie ander als auf dem Papier eriftint hätte, over eine bloße Schulübung gewefen wäre. Was wollte fie aber antworten, wenn man fie an die unnatärlichen Opfer erinnerte, welche die Völker ihren mythe⸗ logiſchen Vorftellungen gebracht haben? Tantum, könnte man wehl ihn fragen, quod sumis potuit suadere malorum? Konnte and dem was du annimmft ans jo unſchuldigen Vorausſetzungen viel Schlimmes entftehen? Gefteht, könnte man allen zurufen, welche mit ihm in Beſtreitung der urfpränglich religiöfen Bedeutung übereinftim: men, foldhe Folgen laſſen fi von folden Urſachen nicht ableiten; br fennt, daß es einer unabweislichen Autorität bedurfte, ebenfowehl um biefe Opfer zu heiſchen, als um fie zu wollbringen, 3. B. irgend einem Gott die geliebteften Kinder lebendig zu verbrennen! Wenn mur fo mogonifhe Philofophen im Hintergrund ftanden, feine Erinnerung au einen realen Vorgang, der ſolchen Borftellungen eine unwiperſtehliche Gewalt über das Bewußtſeyn verlieh, mußte da nicht fofort Die Natur in ihre Rechte wieder eintreten? Dem natürlichen Gefühl, das-fo unnatär lichen Forderungen ſich entgegenfete, konnte nur eine übernatürlide

Ueber das Wefen und bie Behandlung der Mythologie &. 25 f.

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Thatfache Stillfchweigen gebieten, deren Eindruck in aller Verwirrung fortvauernd fich erhielt.

Wemn man indeß die Mythologie als eine Entftellung ver geoffen- harten Wahrheit anfieht, fo ift e8 eben nicht mehr hinreichend, ihr bloßen Theismus voranszufegen, denn in biefem liegt nur, daß überhaupt Gott gedacht werbe. . In der Offenbarung ift e8 aber nicht bloß Gott überhaupt, es ift der beftimmte Gott, ver Gott der es ift, ver wahre Gott, welcher fi) offenbart, ımb er offenbart fich aud als den wahren. Hier muß alfo eine Beftimmung hinzukommen: es ift nicht Theismus, es it Monotheismus, der dem Polytheismus vorausgeht, denn da⸗ mit wird allgemein und überall nicht bloß die Religion überhaupt, fon- bern bie wahre. bezeichnet. Und dieſe Meinung. (daß dem Polytheismus Monotheismus vorandgegangen) war denn ſeit chriftlichen Zeiten bis auf die neueren, beftimmt wohl bi8 auf ‘D. Hume, im ungeftörten Beſitz einer volllommenen und allgemeinen Zuftimmung. Dan hielt es gleich⸗ ſam für mmöglid, daß Polytheismus anders habe entftehen können, als durch den Verderb einer reineren Religion, und daß diefe von einer göttlichen Offenbarung ſich hergefchrieben, war ein von jener Annahme wieder gewiffermaßen unzertrennlicher Gedanke. |

Aber mit dem bloßen Wort Monotheismus ift es nicht gethan. Was iſt fein Inhalt? Iſt er von der Art, daß in ihm Staff eines fpäteren Polytheismus liegt? Dann gewiß nicht, wenn man ven In⸗ halt des Monotheismus in dem bloßen Begriff der Einzigfeit Gottes beftehen läßt. Denn was enthält diefe Einzigfeit Gottes? Sie ift eben die reine Negation eines andern außer bem einen, bloße Abwehr aller Bielheit; wie fol nun aus biefer ihr gerades Gegentheil hervorgehen ? Welchen Stoff, welche Möglichkeit einer Vielheit läßt die einmal aus- geſprochene abſtracte Einzigfeit übrig? Diefe Schwierigkeit, hat and) Leffing empfunden-ald er in der Erziehung des Menſchenge— ſchlechts die Worte fhrieb: „Wenn aud der erfte Menſch mit dem Begriff von einem einzigen Gott fofort ausgeftattet wurde, fo konnte doch dieſer mitgetheilte "und nicht erworbene Begriff unmöglich lange in feiner Lanterkeit beftehen. Sobald ihn die fidh felbft überlafjene

Vernunft zu bearbeiten anfing, zerlegte- fie ven einzigen Unermeßlichen in mehrere Ermeßliche, und gab jerem biefer Theile ein beſonderes Merl⸗ mal; fo entftand natilrlicher Weife Bielgötterei und Abgötterei”'. Die Worte find und werth als Beweis, daß der herrlihde Mann einmal auch mit diefer Frage ſich befchäftigt, wenn fchon nur vorübergehend;

denn übrigens darf man wohl annehmen, daß Leſſing in einer Abhandlung von viel weiter reihendem Zwed, und wo er überhaupt fich kurz zu fafjen bedacht war, fo fchnell als möglich über ben fchwierigen Puntt binwegzufommen fuchte?, Nur das Wahre liegt in feiner Aeuferung, daß ein nicht erworbener Begriff, folange er nicht. ein erworbene geivorben ,. dem Verderb ausgefegt iſt. Uebrigens foll Bolytkeisums eut⸗ ftehen, inbem ber mitgetheilte Begriff (denn ver fpätere Ausdruck erflärt wohl den frühern: der Menſch jey mit diefem Begriff ausgeftattet) von ber Bernunft bearbeitet wird; biemit wäre dem Polytheismus doch eine rationale Entftehung gegeben: nicht er jelbft, nur ber ihm vor ansgefette Begriff ift unabhängig von menfchlicher Vernunft. Das Mittel, zur angenommenen Zerlegung des einen fand Pefling vermuthlich wohl darin, daß die Einheit dennoch zugleich als der Inbegriff aller Beziehungen

18,6 und 8. 7.

2 Leffing felbft fpricht in einem Brief an feinen Bruter (Eämmtl. Edyr. XXX, ©. 523) von der Erziehung bes Menfhengefhlechts auf eine Weife, bie anzeigt, daß fie ihm nicht genligte; „ich babe, heift es, ihm (bem Buchhänbler Boß) die E. d. M. geichidt, bie er mir auf ein halbes Dutzend Bogen aut behnen fol. Ich kann ja das Ding vollends in bie Welt ſchicken, da ich es nie für meine Arbeit erfennen werde, unb doch mehrere nad tem. ganzen Plan begierig geweien find”. Wem man aus ben unterfirichenen orten ſchließen wellte, Leſſing ſey Überhaupt nicht Berfafjer, fo möchte cher das Gegen- tbeil daraus folgen. Indem ev fagt, er werbe es nie ale feine Arbeit erlennen, gefteht er eben damit, daß es feine Arbeit if. Kann ja doch auch ber große Autor, und gerade ein folder wie Leffing, eine Schrift, tie ihm nicht gemügt (und fonnte bie E. d. M. ©. einem Geift wie Leffing überhaupt, nämlich and in weiterer Beziehung genügen, mußte er ihren Inhalt nicht betrachten ale .eiiun, das nur einftweilen aufgeftellt werbe, an deſſen Stelle einft etwas ganz anderes, jeßt noch nicht Ausführbares treten müſſe?) kaun doch, fage ich, ein Autor wie Leffing anch eine folche Echrift herausgeben, eben ale Webergang und Stufe zu einer höheren Entwicklung.

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Hottes anf Natur uud Welt gebacht wurde; jeder Seite berfelben wendet die Gottheit gleichjam ein anderes Antlit zu, ohne darum felbft vielfältig zu werben. Natürlih, daß in jeder dieſer möglichen An- fihten die Gottheit mit einem befondern Namen bezeichnet wird; Bei⸗ ſpiele ſolcher, verfehiedene Bezüge ausprüdenvder Namen finden fich felbft im Alten Teftament. In der Folge geben dieſe Namen, veren leicht eime Unzahl feyn Tann, in ebenfo viele Namen befonderer Gottheiten über. Dean vergißt der Einheit über ver Bielheit, und indem’ biefes oder jenes Boll, ja unter demſelben Volk viefer oder jener Stamm, unter vemfelben Stamm dieſes ober jenes Individuum, nach Bebürfnifien ober Neigungen ſich einer jener Eeiten beſonders zuwendet, entiteht Bielgätterei. So leicht, fo unmerklich dachte fich wenigſtens Cudworth ben Uebergang. Diefes bloß nominelle Anseinanvergehen hat indeß einem reellen, das in ber Folge angenommen wurde, zum Vorſpiel gebient. -

Hier mögen wir und nım wohl erinnern, daß der mythologiſche Bolytheismus nicht bloße Götterlehre, ſondern Göttergefchichte if. Im- wieferne nun bie Offenbarung. audy ben wahren Gott im ein gefchicht: (ches Verhältniß zu der Menfchheit fett, ließe ſich denken, daß eben diefe mit der Offenbarung gegebene göttliche Geſchichte zum Stoff des Bolytheismus geworben, daß ihre Momente zu mythologifchen ſich ent- fillt hätten. Eine Entwidlung der Mythologie aus der Offenbarung in diefem. Sum hätte viel Beachtenswerthes darbieten Fönnen. Unter ven wirklich aufgeftellten Exflärungen finden wir indeß eine ſolche Ent- wicklung nicht; theils mochte man bei der Ausführung zu große Schwie« rigfeiten antreffen, theils Tonnte man fie in anderer Hinficht zu gewagt finden. Dagegen warf man fi auf die menſchliche Seite der DOffen- barungsgeſchichte, und fuchte zunächſt den bloß hiſt oriſchen Inhalt vorzüglich der moſaiſchen Schriften zu euemeriſtiſchen Deutungen zu be⸗ men. , So follte der griechiſche Kronos, der an dem Bater Uranos gefrevelt, der von den Heiben vergötterte Cham feyn, deſſen Sohn an dem Bater Noch gefrevelt bat. Wirklich find die chamitifchen Nationen vorzugsweife Verehrer des Kronos. An die umgelehrte Erklärung, daß

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Götterfagen anverer Völker im Alten Teflament euemerifirt, als menid- liche Begebenheiten erzähft worben, konnte man in jener Zeit nicht benfen.

Der Haupturheber dieſer euemeriftifhen Benutzung bes Alten Te ftaments war Gerhard Voß, deſſen Wert De Origine et progressu Idololatriae übrigens für. feine Zeit das Verdienſt einer‘ volllonmtenen und nichts ansichliegenden Gelehrſamkeit hat. Angewendet wurbe fie, mit oft unglücklichem Wig, von Samuel Bochart, völlig ins Abge⸗ ichmadte getrieben von dem befannten franzöſiſchen Biſchof Daniel Huck, in deſſen Demonstratio Evangelica man bewiefen lefen kann, daß ber Taaut ver Phönikier, der Adonis der Syrer, der Oftris der Aegypter, ber Zoroafter der Perfer, der Kadmos und Danaos der Griechen, far daß alle göttlihen und menfchlihen Perſönlichkeiten ver verjchtebenen Mythologien nur ein Individuum find Mofes. Diefe Deutungen können höchſtens als sententiae dudum explosae für den Fall erwähnt werden, daß fie irgend jemand, wie e8 neuerlid, mit anderem geſchehen wieder hervorzuziehen gedächte.

Auf dieſe Weiſe war es überhaupt zuletzt nicht mehr die Offenbarung jelbft, e8 waren bie altteftamentlihen Schriften, und auch ımter biefen vorzüglich nur die biftorifchen, in denen man die Erklärung für bie älteften Mythen fuchte. In dem mehr Dogmatifchen Theil der mofaifhen Bücher, wenn man deren Inhalt auch als früher ſchon in der Ueberlieferung vorhanden vorausfegen burfte, konnte man um fo weniger Stoff für die Entftehung mythologifcher Borftellungen finden, je leichter e8 war, felbft in den erften Ausſprüchen der Genefis, z. 8. in der Schöpfungsgefchichte, deutliche Rüdfichten auf bereit8 vorhan- - dene Lehren einer falſchen Religion wahrzımehmen. In der Art, wie die Schöpfungsgefchichte das Licht auf güttliches Geheiß, und damüt erft einen Gegenfaß von Licht und Finfterniß entftchen läßt, wie Gott bas Licht gut heißt, ohne die Finſterniß böfe zu nennen, in Verbinbung mit der wiederholten Verſicherung, daß alles gut war, kann fie fcheinen ben Lehren wiberfprechen zu wollen, welche Licht und Finſterniß als zwei Principien anfehen, die anftatt erfchaffen zu ſeyn als gutes und böfes Princip im Streit und Widerſpruch miteinander die Welt

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nn. ·—

hervorbringen. Indem ich dieß als eine mögliche Meinung ausſpreche, weiſe ich um ſo beſtimmter den Einfall zurück, daß dieſe Kapitel ſelbſt Philoſopheme und Mythen außerhebräifcher Völker enthalten. Wenigſtens auf die griechiſchen Mythen wird man die Vermuthung nicht ausdehnen, und democh wäre es leicht zu zeigen, daß z. B. die Geſchichte des Sündenfalls weit mehr mit ven Perſephone⸗Mythen der Hellenen gemein bat, als mit irgend etwas anderem, das man aus perſiſchen oder in⸗ diſchen Quellen beizubringen gewußt hat.

In dieſer Beſchränkung alſo, hatte ſich der Verſuch, die Mythologie mit der Offenbarung in Zuſammenhang zu bringen, bis zu dem Ende des vorigen Jahrhunderts gehalten; ſeit diefer Zeit aber, ta unſere Kenntniß der verſchiedenen Mythologien, zumal aber der Religions— ſyſteme des Morgenlandes, ſich fo anfehnlid erweitert hat, konnte eine freiere und zumal eine von den fchriftlichen Urkunden ber Offenbarımg unabhängigere Anficht ſich geltend machen.

Durch bie Uebereinftimmungen, melde man zwijchen ber aghptiſchen, indiſchen, griechiſchen Mythologie findet, wurde man in Erflärung der Mythologie zuletzt anf ein gemeinfcaftliches Ganzes von Borftellungen geführt, in dem. die verfchienenen Götterlehren ihre Einheit. gehabt haben. Diefe allen Götterlehren zum Grunde liegende Einheit diente dann zum Gipfel einer Hypotheſe. Kine ſolche Einheit kann nämlich nicht mehr im Bewußtſeyn eines- einzelnen Volls (jedes Volt wird ſich als ſolches erft bewußt im Weggehen von biefer Einheit), auch nicht eines Urvolks gebadht werden; ber Begriff eines Urvolls wurde belanntlich von Bailly durch ſeine Geſchichte der Aſtronomie und ſeine Briefe über den Urſprung der Wiſſenſchaften in Umlauf ge⸗ ſetzt, iſt aber eigentlich ein ſich ſelbſt aufhebender. Denn entweder denkt man es mit den unterſcheidenden Eigenſchaften eines wirklichen Volks, jo kann es nicht mehr die Einheit enthalten, die wir ſuchen, und es ſetzt bereit8 andere Völler außer ſich voraus; oder man denkt es ohne Eigenthümlichkeit und ohne alles individuelle Bewußtſeyn, fo iſt es nicht ein Volk, ſondern die urſprüngliche Menſchheit felbft, die über dem Volle. So ift man von ber erfien Wahrnehmung jener Uebereinftimmungen

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ftufenweife zuletzt dahin gelangt, in der Urzeit, angeregt ober mitgetheilt von einer Urojfenbarung, die nicht einem einzelnen Boll ſondern dem gefammten Menjchengefchlecht zu Theil geworben wäre, ein über ven buchftäblihen Inhalt der Moſaiſchen Schriften weit hinausgehendes Syſtem vorauszufegen, ein Syſtem, von dem die Lehre Mofis felbk feinen vollendeten Begriff gebe, ſondern nur noch gewiſſermaßen einen Auszug enthalte; aufgeftellt im Widerſpruch und zur Niederhaltung des Polytheismus, habe dieſe Lehre mit weifer Vorſicht alle Elemente ext jernt, aus deren Mißverſtand Polytheismus hervorgegangen, und ſich mehr bloß an das Negative die Berwerfung der Bielgötterei ge halten. Wolle man daher von jenem Urſyſtem fich einen Begriff machen, jo reihen dazu die moſaiſchen Schriften nicht hin, man müſſe die feh⸗ ienden Gliever eben in den fremden Götterlehren, in. ven Bruchſtücen der morgenländiſchen Religionen und ven verfchievenen Mythologien auffuchen !.

Der Erfte, der durch die Uebereinftimmung ovientalifcher Götter: lehren mit griechiſchen Borftellungen von ber einen, mit Lehren des Alten Teſtaments von der andern Seite zu ſolchen Schlüffen bingezogen wurbe, nod mehr aber andere hinzog, war ber um die Geſchichte ver morgenländifchen Poefie und die Kenntniß der afiatifchen Religionen un- fterblich verdiente Stifter und erfte Präfivent der aſiatiſchen Geſellſchaſt in Galcutta, William Jones. Mag er von dem erften Erftaunen über die neuaufgedeckte Welt zu lebhaft hingeriffen, in einigem weiter gegangen ſeyn, als kalter Verſtand und die ruhige Einſicht einer fpätern Zeit gutheigen konnte: ſtets wird ihn Das Schöne und Edle feines Geiftes in der Meinung aller, die e8 zu erkennen fähig jind, weit über

' Man vergl. die Stelle in meiner Abhandlung Leber die Gottheiten von Samothrafe S. 30, die inbeß, wie der Zufammenhang zeigt, feine Behauptung enthalten, fonbern nur ber bort angeführten Meinung, bie fich bloß an den Buchflaben der mofaifchen Urkunden hält, eine andere als ebenfalls möglich entgegenftellen ſollte. Uebrigens war allerbings der Berfaffer damals mehr mit dem Moteriellen ber Mythologie beichäftigt, und hielt fich bie formellen

Fragen noch fern, tie erſt m den gegenwärtigen Vorträgen zur Sprache gebracht wurden.

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as Urtheil des gemeinen Haufens roher und bloß handwerlsmaͤßiger Helehrten hinausſetzen.

Fehlte es den Bergleichungen und Schlüffen William Jones zu oft In genauer Begründung und Ausführung, fo hat dagegen Friedrich Erenzer durch die Macht einer allfeitigen und übermwältigenden In⸗ duction bie urfpränglich veligiöfe Bedeutung der Mythologie zu einer nicht mehr zu widerfprechenden Hiftorifchen Evidenz erhoben. Doch nicht anf dieſes Allgemeine befchränkt ſich das Verdienſt feines berühmten Wertes‘; der philofophifche Tiefblick, mit den der DVerfafler die ver- borgenften Bezüge zwifchen ben verſchiedenen Götterlehren und den ana- logen Borftellungen berfelben enthüllt, bat beſonders lebhaft den Ge- danfen eines urfprüngliden Ganzen erwedt, eines Gebäubes unvorbenflicher menfchlicher Wiffenfchaft, das allmählich verfallen ober von einer plöglichen Zerftörung betroffen, mit feinen Trümmern, bie kein einzelnes Boll, die nur alle zuſammen vollftändig befigen, die ganze Erve bebedt bat; und wenigftens auf die früheren, ven Inhalt der Mythologie. atomiftiich zufammenjegenven Erklärungen ift ſeitdem nicht wieder zurädzulommen ?.

Näher beftimmt Tiefe ſich Creuzers ganze Meinung etwa auf fol- gende Art ansiprehen. Da nicht ınmmittelbar die Offenbarung jelbft, fondern nur das im Bewußtſeyn gebliebene Reſultat berfelben einer

Symbolik und Mytbologie ber alten Bölkler, befonbers ber Griechen. IV 25. 3. Aufl. Bei der Ausarbeitung ber ‚gegenwärtigen Vorträge ift die 2. Auf- lage benust. Studirenden ift der (in bemfelben Verlag erfchienene) Auszug bes Vals von Mofer, ber alles Wefentliche ohne Berluft in einem Bande enthält, zu empfehlen; höochſt beachtungswerth ift die franz. Bearbeitung von Guigniant (Religions de l’Antiquit£, Ouvrage traduit de l’Allemand du Dr. F. Creuzer refondu en partie complet& et developpe. Paris 1825. III Theile), bie manches Schãaͤtzbare und Neue hinzugefügt hat.

2 Man Bönnte die Mythologie etwa auch mit einem großen Tonftüd vergleichen, das eine Anzahl Menſchen, die allen Sinn für ben muſikaliſchen Zufammenbang, für Rhythmus und Tact beflelben verloren. hätten, gleichfam mechanisch fortfpielte, no es dann mir als eine unentwircbare Mafle von Mißtsönen ericheinen Könnte, inbeß baffefbe Tonſtück, Kunftgemäß aufgeführt, fogfeich feine Harmonie, feinen Zuſammenhang aub uriprünglichen Berftand wieber offenbaren wäre.

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Alteration fähig iſt, fo mußte bier allerdings eine Lehre in die Mitte treten, aber eine ſolche, in der Gott nicht nur theiſtiſch, bloß als Gott, in feiner Abſonderung von der Welt, fondern zugleich als Natur⸗ mut Welt begreifende Einheit, vargeftellt war, fen e8 auf eine Weile, die den Syſtemen analog war, welche zumal ein gewiſſer fchaler Theituus alle ohne Unterfchied als Pantheismus bezeichnet, oder daß man fih jenes Syftem mehr in der Weife altorientalifher Emanationsichren vente, wo bie an fi von aller Vielheit freie Gottheit herabfteigen ſich in eine Bielheit endlicher Geftalten einbilvet, die nur ebenſo viele Manifeftationen, oder um ein neueres Lieblingswort zu ‚brandyen, Ir carnationen ihres unendlichen Weſens find. Auf die eine ober bie andere Weiſe gebacht wäre die Lehre nicht ein abftracter, die Vielheit abfelnt ausſchließender, ſondern ein realer, die Bielheit in fich ſelbſt fegenver Monotheismuß,

Solange die Bielheit der Clemente von der Einheit beberridt und überwältigt ift, bleibt die Einheit des Gottes unaufgehoben im Be wußtjeyn; ſowie die Lehre von Volk zu Voll fortfchreitet, ja unter temfelben Volk im Paufe der Zeit und der Ueberlieferung, nimmt fie immer mehr polytheiftiiche Färbung an, indem fich die Elemente ver organifchen Unterordnung unter die herrſchende Idee entziehen und all mählich felbftänbiger ausbilden, bis zulegt das Ganze ans feinen Fugen weicht, und tie Einheit ganz zurüd-, hingegen tie Vielheit hervortritt. Co fand fhon W. Jones in den indischen Vedas, die wir ımd nad feiner Meinung geraume Zeit vor ver Sendung Mofis in ven erfia Perioden nah der Sündfluth gefchrieben denken müßten, noch ein von dem ſpätern indiſchen Volföglauben weit entjerntes, ber Urreligion näher ſtehendes Syſtem. Der fpätere Polytheismus Indiens ftammt von ber älteften Religion nicht unmittelbar, fonvern nur durch jucceffive Entartung der beijeren noch in den heiligen Büchern enthaltenen Ueberlieferungen, ab. MUeberhaupt zeigt eine genauere Aufmerkſamkeit deutlich in den ver: jchievenen Götterlehren ein allmähliches und faſt ftufenmäßiges Zurüd: treten der Einheit. In dem Verhältniß, als die Kinheit noch eine größere Macht hat, erſcheinen die Vorftellungen ver inbifchen zur. äguptifcen

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Götterlehre noch von viel doctrinellerem Gehalt, aber in gleichem Ber- . bältnig ungeheurer, ausſchweifender, zum Theil fogar monſtros; dagegen zeigt fih in dem Verhältniß, als in ihr vie Einheit mehr aufgegeben ift, die griechifche Mythologie zwar von geringerem boctrinellen Gehalt, aber um fo doetiſcher; der Irrthum hat ſich in ihr fo zu fagen von der Wahrheit gereinigt, und hört infofern eigentlich wieder auf Irr- thum zu feyn, und wird eine Wahrheit eigner Art, eine poetifche, eine auf alle Realität, welche eben in der Einheit liegt, verzichtenve - Wahrheit, und wenn man ihren Inhalt dennoch als Irrthum ausſprechen wollte, wenigftens ein reizender, fchöner, und verglichen mit dem reelleren in den orientalifchen Religionen, faft unfchulvig zu nennenter Irrthum.

Auf diefe Weife wäre aljo die Mythologie ein auseinander ge gangener Monotheismus. Diek aljo die legte Höhe, bis zu der ſtufenweiſe die Anfichten über Mythologie gelangt find. Niemand wirb dieſer Anficht abfprechen, eine großartigere al8 die frühern zu feyn, ſchon weil fie nicht von der unbeſtimmten Vielheit zufällig aus der Natur beroorgehobener Gegenftänve, fondern von dem Mittelpunkt einer die Bielheit beherrſchenden Einheit ausgeht. Nicht partielle Wefen von höchſt zufälliger und zweideutiger Natur, fondern der Gebanfe des not h⸗ wendigen und-allgemeimen Wefens, vor bem allein der menjch- lihe Geiſt fi beugt, waltet durch die Mythologie und erhebt fie zu einem wahren Syſtem zufanmengehöriger Momente, das im Auseinan⸗ vergehen noch jeder einzelnen Borftellung -fein Gepräge aufprüdt, und daher auch nicht ih eine bloße unbeſtimmte Vielheit, ſondern nur in Polytheismus in eine Göttervielheit enden fann.

Mit diefer Ietten Ausführung nun wird ich bitte Sie, bieß wohl zu bemerken, denn um einen Bortrag wie den gegenwärtigen in jeiner ganzen Bedeutung zu verftehen, bat man immer vorzüglich bie Uebergänge wahrzunehmen bier wird nicht mehr bloß philofophifch behauptet, daß der Polytheismus, ver es wirklich” ift, Monotheismus vorausfegt, bier ift der Monotheismus zu einer gejchichtlichen Voraus: jegung der Mythologie geworben, er felbft ift wieder von einer ges ſchichtlichen Thatſache (einer Uroffenbarung) hergeleitet; durch dieſe

geichichtlichen Borausfegungen wirb die Erflärung zur Hypotheſe, mt daher zugleich einer gefchichtlichen Beurtheilung fähig.

Ihre ftärkite geſchichtliche Stütze hat fie unftreitig darin, daß fr das einfadhfte Mittel darbietet, die Berwandtichaft der Vorſtellungen in übrigens ganz verjchiebenen Götterlehren zu erllären, und man lünzte fih in diefer Hinfiht nur wundern, daß Erenzer diefen Vortheil weniger beachtet, und mehr. Gewicht legt auf einen fchwer zu ermeifenden, je in ben Hauptfällen unerweislichen, biftorifchen Zuſammenhang der Bälle, aus dem er zum Theil jene Uebereinftimmungen herleiten will. be ſchon unfere früheren Entwidlungen haben uns auf Beſtimmungen ge führt, welche auch die monotheiftifche Hypotheſe, wie wir fie nem wollen, in ber gegenwärtigen Geftalt noch al8 fehr unbeſtimmt erfcheimen laſſen. Wir find fhon früher auf den Sag geführt worben: die My thologie eines jeden Volks kann nur zugleid mit ihm felbft entftchen. Es können alfo auch die verfchievenen Mythologien, und da die Mytho⸗ logie nirgends in abstracto eriftirt, fo kann der Polytheismus über: haupt nur mit den Völkern zugleich entftanden, und e8 würde denmach für den angenommenen Monotheismus fein Raum zu finden ſeyn, ale in der Zeit vor Entftehung der Bölfer. Etwas Achnliches fcheint and Creuzer gedacht zu haben, indem er äußerte, ver Monotheismus, der in ber älteften Lehre noch das Uebergewicht behauptete, babe nur fo lange befteben können, als die Stämme beifammen geblieben, mit der Schei⸗ bung berfelben habe Bielgötterei entftehen müſſen!.

Wir können zwar nicht beftimmen, was Creuzer unter der Schei⸗ dung ter Stämme veritanden, wenn wir aber dafür Scheidung ber Völker fegen, jo zeigt fi, daß zwiſchen diefer und dem hervortretenden Bolytheismus fich ein doppelter Kaufalzufammenhang venfen läßt. Man fönnte nämlich entweder in Uebereinftimmung mit Ereuzer fagen: nad: rem ſich die Menſchheit in Völker geſchieden hatte, Tonnte der Mono: theismus nicht mehr beftehen, indem bie bis dahin herrfchende Lehre im Berbältnig ihrer Entfernung vom Urfprung fi verbuntelte unt

' Briefe Über Homer und Hefiodus S. 100 f.

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immer mehr auseinander ging. Aber man könnte ebenſo gut ſagen: der entſtehende Polytheismus war die Urſache der Völkertrennung. Und zwiſchen dieſen zwei Möglichkeiten muß entſchieden werden, ſoll nicht alles im Schwankenden und Ungewiſſen bleiben.

Die Entſcheidung aber wird von folgender Frage abhangen. Iſt der Polytheismus erſt eine Folge von der Treunung der Völker, ſo muß eine andere Urſache gefunden werden können, vermöge welcher die Menſchheit in Völler ſich ſchied, es iſt alſo zu unterſuchen, ob es eine ſolche gibt; dieß heißt aber, es iſt überhaupt zu unterſuchen und die Frage zu beantworten, anf bie wir ſchon längſt hingedrängt worden: Was ift die Urfache diefer Trennung der Menjchheit in Bölfer? Die früheren Erklärungen alle festen Böller fchon voraus. Aber wie entftanden denn Bölfer? Kann man glauben, eine fo große und all» gemeine Erſcheinung, wie vie Mythologie und der Polytheismus oder denn bier ift dieſer Ausdruck zuerft an feiner Stelle das Heidenthum ift glaubt man, fage ich, eine fo mächtige Erfcheinung außer dem allgemeinen Zuſammenhang der großen Kreigniffe, von weldyen hie Menſchheit überhaupt betroffen wurde, begteifen zu können? Die Frage, wie Bölfer entftanden find, iſt alfo Feine willfürlich aufgeworfene, fie ift eine durch unfere Entwicklung ſelbſt herbeigeführte und darum noth⸗ wenbige und unabweisliche, und wohl mögen wir uns freuen, mit biefer Trage aus der Enge der bisherigen Unterfudhungen uns auf ein weiteres, allgemeineres, eben darum auch allgemeine und höhere Aufjchlüfje ver- ſprechendes Gebiet ver Forſchung verſetzt zu fehen.

FSünfte Yorlefung.

Wie entftanden Bölfer? Wer diefe Frage etwa für überfläfs erflären wollte, ver müßte entweber den Sag aufftellen: Völfer waren von jeher, oder den antern: Völfer entftehen von felbfl. Ja erfteren Behauptung wird ſich nicht leicht jemand entfchliegen. Wohl aber könnte man verfuchen, zu behaupten, Völker entftehen von ſelbſt. fie entftehen hen in Folge. der fortwährenden Vermehrung in ven Ge ſchlechtern, woburd nidyt nur überhaupt ein größerer Raum der Erde bevöltert wird, fondern auch bie Linien der Abſtammung immer weiter auseinander gehen. Dieß führte jedoch nur auf Stämme, nicht auf Bölfer. In dem Verhältniß indeß, könnte man fagen, als mächtig au: wachjente Stänme genöthigt find, fich zu zertbeilen und voneinander entfernte Wohnfige aufzufuchen, werben ſie ſich gegenfeitig entfrembet. Aber auch dadurch nicht bis zu verfchiedenen Völkern, es müßte ſich denn jedes Stammbruchſtück durch hinzulommende andere Diomente zum Bolt machen; denn duch bloße äußere Trennung werden Stämme nicht zu Böllern. Das fchlagenpfte Beifpiel gibt tie weite Entfernung zw jhen den morgen- und den abendländiſchen Arabern. Durch Meere von ihren Brüdern getrennt, find, einige geringe Nuancen der gemem- Ihaftlihen Sprade und der gemeinjchaftlichen Sitten abgerechnet, bie Araber in Afrifa no heutzutage, was ihre Stammgenoffen in ber arabifchen Wüſte find. Umgekehrt hindert Stanımeseinheit nicht das Auseinandergehen in verſchiedene Bölfer, zum Beweis, daß ein-von der Abſtammung ganz verfchievenes und unabhängiges Moment binzufom- men muß, damit ein Volk eutitebt.

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Ein bloß ränmliches Auseinandergehen würde ftetS nur gleidyartige, aber nie ungleichartige- Theile geben, wie Völker, ‚die von ihrer Ent- ſtehung an ſich phyſiſch und geiftig ungleichartig find. In der geſchicht⸗ lichen Zeit ſehen wir wohl, wie ein Boll das andere ſtößt und drängt, es zwingt, fich in engere Grenzen einzufchließen oder feine urfprimg- lihen Wohnfige ganz zu verlaffen, ‘ohne daß übrigens darum das ver- triebene oder felbft in bie größte Entfernung verfhlagene Bolt aufhörte feinen Charakter zn behanpten und daſſelbe Volk zu ſeyn. Auch ımter ven arabifchen Stämmen, fowohl denen die im Lande ihrer Gebt, als den. andern, die im Innern Afrilas ihr herumſchweifendes Leben fortfegen, ſich nach ihren Stammpvätern benennen und unterfcheiden, gibt es gegenfeitige Angriffe und Kämpfe, ohne daß fie barım gegen ein- ander zu Völfern würden, ober aufhörten eine homogene Maſſe zu fen, gerade fo wie es im Meer an Stürmen nicht fehlt, welche mächtige Wellen erheben,. die aber nad) kurzer Zeit tie alte ruhige Oberfläche des Elements wieberherftellen, und ohne eine Spar zurüdzulaffen, in bafjelbe zurüdfehren, ober wie der Wind der Wüſte den. Sand zu ver- verbenbringenden Säulen aufwirbelt, ver bald nachher wiever die alte gleichförmige Fläche barftellt. J

Eine innere, eben darum unaufhebliche nnd unwiderrufliche Tren⸗ nung, wie fie zwiſchen Völkern beſteht, Tann überhaupt nicht bloß von änßern, fie farm alfo auch nicht von bloßen Naturereigniffen bewirkt ſeyn, an die man zunächft denken möchte. Vullaniſche Ausbrücde, Erd- beben, Beränverungen des Dieeresnivenu, Yänderzerreigungen, in welcher Ausdehuung man fie annehme, würden eine Trennung in gleichartige, aber nie in ungleichartige Theile erflären. Es müfjen aljo jedenfalls innere, im „nern der homogenen Menſchheit felbft entftehende Ur- ſachen feyn, wodurch dieſe geſchieden, wodurch fie ſich in ungleicertige, fortan einander gegenſeitig ausſchließende Theile zu zerſetzen beſtimmt wurde. Dieſe inneren Urſachen könnten darum noch immer natürliche ſeyn. Immer noch eher als äußere Ereigniſſe ließen im Innern ver Menſchheit ſelbſt hervortretende Divergenzen der phyſiſchen Entwid- Img, die ſich nach einem verborgenen. Geſetz jm Menſchengeſchlecht zu

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äußern anfingen, und durch welche dann in ‚weiterer Folge auch gewiſſe geiftige, moralifhe und pfychologiſche Berfchiebenheiten hervortreten, als Urfachen ſich denken, durch welche die Menfchheit in Völker auseinaube zu geben beftinmt wurde.

Um die trennende Gewalt, welche phofſche Divergenzen andʒzuiber im Stande find, zu beweiſen, könnte man ſich auf bie Folgen berufen, bie e8 umgekehrt jederzeit gehabt Kat, wenn große Maſſen gleichſan durch göttliche Vorſicht auſseinander gehaltener Menſchengeſchlechter ſich berührten oder gar vermiſchten (denn umſouſt, fo klagt ſchon Hory, bat der vorſehende Gott uneinbare Länder durch ben Dceanus geſchie den, wenn mit frevelndem Fahrzeug gleichwohl ver Menſch die ver botenen flüfligen Räume überfchreitet); man lönnte zu viefem Ende ax bie weltgeihichtlichen Krankheiten erinnern, welche die Kreuzzüge, welche das entvedte oder nad Yahrtaufenden wiebergefundene Amerika über das Menfchengefchlecht verbreitet haben, oder an die verheerenden Kraul heiten, bie im Gefolge von Weltkriegen, durch welche weit vonein ander entlegene Völler in venfelben Raum zujammengebracht und für einen Augenblid gleihjam zu Einem Vollk werben, regelmäßig ſich eut- wideln. Wenn die unverfehene Bereinigung durch weite Länderfireden, durch Ströme, Sümpfe, Berge, Wüſten voneimander abgefchiebener Völker peftartige Krankheiten hervorbringt ; wein (um neben dieſe größeren Beifpiele Heinere zu jegen) die wenig zahlreichen Bemohner der von ver Welt und dem Umgang bes übrigen Menſchengeſchlechts völlig abgeſchie⸗ denen Schetlands - Infeln, jo oft ein auswärtiges Schiff, ja fo oft tie Mannſchaft ves jährlich wiederkehrenden, Lebensmittel und andere Be dürfniſſe ihnen zuführenden Schiffes ihre öden Geftabe betritt, von einem convulſiviſchen Huften befallen werben, ver fie nicht eher als nad Ent fernung ber Fremdlinge verläßt; wein etwas ‚Achnliches, ja noch Auf jallendere8 auf den einfamen Faröern geſchieht, wo die Erfcheinung eined auswärtigen Schiffes für die Einwohner in der Kegel ein eigenthäm- liches Katarrhalfieber zur Folge hat, von dem nicht felten ein verhält- nigmäßig nicht unanfehnlicher Theil ihrer ſchwachen Bevälferung van gerafft wird; wenn Wehnliches auf Inſeln der Südſee bemerkt wur,

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wo fchon die Ankunft einiger Mifjionarien hinreichte, Fieber hervorzu- bringen, von denen man eher nichts wußte, und welche bie Bevölkerung verminderten; wenn alſo nach einmal eingetretener Trennung die für einen Augenblick wiederhergeſtellte Coexiſtenz einander entfremdeter Men⸗ ſchengeſchlechter Krankheiten erzeugt, fo könnten ebenſo anfangende Diver- genzen ber phyſiſchen Entwicklung und dadurch erregte Antipathien ober ion. wirklich entftanbene Krankheiten Urfache werben eines gegenfeitigen, vielleicht inflinftartigen Ausſcheidens miteinander nicht länger verträg« licher Menſchengattungen.

Diefe Hypothefe alſo möchte unter den bloß phyſiſchen noch immer biejenige feyn, welche mit der Geſetzmäßigkeit aller urfprünglichen Vor⸗ gänge am meiften übereinftimmt; aber theil® erflärt fie nur gegenfeitig unverträgliche Gattungen, fie erlärt nicht Völker; theils möchten es nad andern Erfahrungen eher geiftige und moralifche Differenzen ſeyn, welche eine phufifche Incompatibilität gewiffer Menfchengefchlechter zur folge haben. Es gehört hieher das fchnelle Ausfterben aller Wilden in ber Berührung mit Europäern, vor denen alle Nationen, vie nicht durch ihre zahllofe Menge, wie die Indier und Chinefen, ober durch das. Klin verteidigt find, wie die Neger, zu verſchwinden beftimmt fcheinen: In Bandiemensland ift feit der Anſiedelung ter Engländer die ganze einheimiſche Bevölkerung erloſchen. Aehnlich in Neu-Süv-Wales. Es iſt als wenn die höhere und freiere Entwicklung der europäiſ Gen Nationen - allen andern töbtlicy werde.

Man fann von phyfiſchen Differenzen des Menſchengeſchlechts nicht reden, ohne fogleich an die ſogenannten Menſchenracen erinnert zu werben, deren Unterſchied ja einigen groß genug geſchienen, um ſogar eine gemeinſame Abftanmung des Menſchengeſchlechts aufzugeben. Bas, num freilidy diefe Meinung betrifft (denn in einer Unterfuchung wie die gegenwärtige läßt es fich nicht vermeiden, auch über dieſe Trage ſich irgendwie zu äußern), fo möchte das Urtheil, welches ten Racenunter⸗ ſchied als einen entſcheidenden Widerſpruch gegen die urſprüngliche Ein- heit des Menſchengeſchlechts anſieht, jedenfalls ein voreiliges zu nennen ſeyn; denn daß die Annahme einer gemeinſchaftlichen Abſammung mit

Schelling, fämmtl. Werke. 2. Abth. J.

Schwierigfeiten verfnäpft ift, beweist nichts; zu fehr find wir Anfänger in diefer Unterſuchung, zu viele. Thatſachen find noch nicht einmal hin⸗ länglich erfammt, um. behaupten zu lönnen, daß nicht‘ fänftige Forſchun⸗ gen unfern Anſichten über biefen Gegenftand eine ganz andere Rihtung geben, ober Erweiterungen bringen können, an bie bis jest wicht gebädht wird. Iſt doch felbft das, was ftillichweigenb bei allen Erörterungen voransgefegt wird, bis jetzt eine "bloß angenonimene aber nicht bewiefene Borftellimg, daß der Proceß, durch welchen bie Racenunterſchiede ent- fanden find, nur in einem Theil der Menſchheit flattgefinden habe, dem, welchen wir jegt wirklich zu Nacen degrabirt fehen (denn bie eiiro- päifche Menfchheit follte man eigentlich Teine Race nennen), während es ebenfomohl als möglich anzufehen ift, daß biefer Proceß durch bie ganze Menfchheit gegangen ift, und ber eblere Theil der Menſchheit nicht derjenige ift, der ganz von ihm freigeblieben, fondern nur ber- jenige, der ihn überwunden und fi) eben bamit zu höherer Geiftigfeit aufgeſchwungen Hat, vie wirklich eriftirenden Racen dagegen nur ber Theil find, der dem Proceh erlegen ift, und in dem eine jener Rich— tungen einer abweichenven phyſiſchen Entwidlung ſich firirt hat und zum bleibenden Charakter geworben ift. Gelingt e8 und biefe große Unter: ſuchung bis zu ihrem Ende durchzuführen, ſo hoffen wir Thatfachen namhaft zu machen, welche dem. Gedanken ver Allgemeinheit jenes Pro: ceffes Eingang zu verjchaffen geeignet ſeyn möchten, und zwar joldye, die nicht bloß von der Raturgefchichte hergenommen find, 3. B. von der durch neuere Entdeckungen gleichſam flüffig gewordenen Grenze zwiſchen den verfchiebenen Racen, fondern von ganz anderen Seiten. Für jebt genügt es auszufprechen, daß wir nicht etwa bloß zu Gunſten der Leber: Lieferung oder im Intereſſe irgend eines fittlichen Gefähls, ſondern in Folge rein wiflenfchaftlicher Erwägung, an der Einheit der Abſtammung, weldyer ohnedieß die nody immer nicht. ganz umgeftoßene Thatfadhe, daß die Nachkommen auch von Individuen verfchienener Racen felbft wieder zeugungsfähig find, zur Seite fteht, fo lange fefthalten müſſen, als nicht bie Unmöglichkeit dargethan ft, unter dieſer Vorausfegung die natür- lichen und gejchichtlichen Unterfchieve des Menſchengeſchlechts zu begreifen.

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Wenn nun übrigens auch die vorhin in Ausſicht geſtellten That- fachen fogar zum Beweis: gereichen möchten, daß der Racenproceß, wie wir ums Kürze halber ansprüden wollen, ſich bis in bie Zeiten ber Entſtehung der Bölker hineingezogeh habe, fo ift doch zu bemerken, daß vie Bölfer nicht, wenigftend nicht durchgängig, nach Racen gefchieben find. Es laſſen ſich dagegen wohl Bölfer. nachweifen, unter benen zwi⸗ chen den verſchiedenen Klafien verjelben nahezu wenigſtens ven Racen⸗ unterſchieden gleichlommenbe Differenzen ſich finden. Niebuhr fon hat bie auffallend weiße Haut und Geſichtsfarbe der indiſchen Braminen erwähnt, bie ‚bei den anderen Kaften ' abwärts immter tumfler wirb, und bei ven nicht einmal als Kafte betrachteten Parias fich in ein vöili⸗ ges’ Affenbraum verliert. Man darf Niebuhr zutrauen,. daß er einen urfprüngfichen Unterfchied der Gefichtöfarbe nicht mit dem zufälligen ver- wechjelte, den die verjchievene Lebensweiſe hervorbringt, und den man zwiſchen mußigen, meift im Schatten lebenden, und zwifchen fäft immer im Freien fich aufbaltenden, ber unmittelbaren Einwirkung von Sonne und Luft-ausgefegten Menfchen Überall wahrsimmt. Sind die Imbier das Beifpiel eined. Voll, unter dem eine dem Racenunterſchied nahe fommenbe phuftfche Berfchiedenheit nur eine Abtheilung in Kaften mit ſich gebracht, aber nicht die Einheit des Volks ſelbſt aufgehoben hat: fo find die Aeghpter vielleicht das Beifpiel eines Volks, in welchem ber Racen⸗ unterjchied überwunden worden; . ober wohin foll jene negerartige Race mit Franswolligem Haar und ſchwarzer Hautfarbe verſchwunden ſeyn, bie Herodotos noch in Aeghpten fah, und die man ihm, weil er auf biefen Anblid Schlüfje über bie‘ Herkunft ber Aegypter gründet, bort abs bie- ältefte gezeigt haben muß ?, wein man nicht annehmen will, er ſey gar nicht felbft in Aegypten gewefen oder babe bloß gefabelt.

Durch das bisher Vorgetragene möchte die Frage hinlänglich vor⸗ bereitet fein: ob nicht auseinauder gehende Richtungen der phyſiſchen Entwicklung anſtatt die Urſachen vielmehr ſelbſt nur eine begleitende

Im Indiſchen Heißt eine Kaſte Jati, aber auch Varna, Farbe. Siehe

Journal Asiat. Tom. VI, p. 179. ? Herodot. L. H, c. 104.

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Schwierigkeiten verknüpft iſt, beweist nichts; zu ſehr find wir Aufänger in dieſer Unterſuchung, zu viele. Thatſachen find noch nicht einmal bin länglich erfannt, um behaupten zu Können, daß nit‘ künftige Korfcem- gen unfern Anfichten über diefen Gegenſtand eine ganz andere Nichtunz geben, ober Erweiterungen bringen können, an bie biß jetzt‘ nicht gedach wird. Iſt doch felbft das, mas ſtillſchweigend bei allen Erörterungen vorandgejeßt wird, bis jet eine bloß angenonnnene aber nicht bewieſene Borftellimg, daß der Proceß, durch weldyen bie Racenunterſchiede ent- fanden find, nur in einem Theil der Menſchheit ſtattgefunden babe, dem, welchen wir jegt wirklich zu Racen degrabirt fehen (denn bie etre- päifche Menjchheit follte man eigentlich Feine Hace nennen), währt es ebenfowohl als möglich anzufehen ift, daß dieſer Proceß durch bie ganze Menſchheit gegangen iſt, und der edlere Theil der Menſchheit nicht derjenige iſt, der ganz von ihm freigeblieben, ſondern nur ber jenige, der ihn überwunden und fich eben damit zu höherer Geiſtigkei aufgefhwungen hat, die wirklich eriftirenden Racen dagegen nur ber Theil find, der dem Proceß erlegen ift, und in bem eine jener Rich⸗ tungen einer abweichenden phyſiſchen Entwidlung fi firirt bat und zum bleibenden Charakter geworben ift. Gelingt e8 uns dieſe große Unter ſuchung bis zu ihrem Ende durchzuführen, fo boffen wir Thatſachen nambaft zu machen, welche dem Gedanken der Allgemeinheit jenes Pre- ceſſes Eingang zu verjchaffen geeignet fen möchten, und zwar folde, bie nicht bloß von der Naturgefchichte hergenommen find, 3. B. von ber durch neuere Entdedungen gleihfam flüflig gewordenen Grenze zwiſchen den verfchievenen Racen, jondern von ganz anderen Seiten. Fur jebt genügt es auszufprechen, daß wir nicht etwa bloß zu Gunften der Ueber: lieferung oder im Intereſſe irgend eines fittlihen Gefühls, ſondern in Folge rein wiffenfchaftlicher Erwägung, an der Einheit der Abftammung, welcher ohnedieß die noch immer nicht ganz umgeftoßene Thatfache, baf die Nachkommen auch von Indivituen verfchievener Racen felbft -wiever zeugungsfähig find, zur Seite fleht, jo lauge fefthalten müffen, als nicht bie Unmöglichkeit dargethan ft, unter diefer VBorausfegung die natür- lichen und gejchichtlichen Unterſchiede des Menſchengeſchlechts zu begreifen.

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und die Sprache iſt doch etwas Geiſtiges. Sind die Völker durch feinen ihrer äußeren Unterſchiede, zu denen die Sprache von ihrer einen Seite ja aud gehört, jo innerlich getrennt wie burd; die Sprade, und find erft diejenigen Völker wirklich geſchieden, bie verſchiedene Sprachen reden, fo ift die Eutftehung der Sprachen von der Entftehung ber Bölfer nicht zu trennen. Und ift die Berfchievenheit der Völker nicht etwas von jeher Gewefenes, fondern Entſtandenes, fo muß eben dieß won der Verſchiedenheit der Sprachen gelten. "Gab es eine Zeit, in ber feine Bölfer, fo auch eine, in ber feine verfchievenen Sprachen waren, und iſt es unvermeiblid, der in Völler zertrennten Menſchheit eine unzertrennte vorauszujegen, fo iſt e8 nicht weniger unvermeiblich, den völfertrennenden Spradyen’ eine der ganzen Menfchheit gemeinfchaftliche voransgehen zu laſſen. Dieß find lauter Sätze, an die man gewöhnlich nicht denkt, ober an welde man durch eine grübleriſche, Geiſt entmathi⸗ gende und verkümmernde Kritik (die wie es ſcheint an manchen Orten unſeres Vaterlandes ganz beſonders zu Haufe ift) zu denken ſich ver⸗ bieten läßt, aber es find Säge, die, ſowie fie ausgeſprochen find, als unwiderfprechlic erkannt werden müſſen, und nicht weniger unmwiber- leglich ift die mit ihnen notwendig verbundene Folge, daß der Völker⸗ entftehung fchon darum, weil fie. eine Zertrennung der Sprachen un⸗ umgänglich mit fich brachte, im Innern der Menſchen eine geiftige Krifis voransgehen mußte. Hier treffen wir mit der älteften Urkunde des Menfchengefchlehts, den moſaiſchen Schriften, zuſammen, gegen welche fo viele nur darım Abneigung begerr, weil fie mit ihr. nichts anzufangen, fie weber zu: verftehen noch zu brauchen wiflen, | Die Geneſis nämlich fet die Entftehung der Völker mit der Ent- ftehung der verfchiedenen Sprachen in Verbindung, aber jo, daß fie-Die Bermirrung ber’ Sprache als die Urſache, die Entftehimg der Völker als die Wirkung beftimmt. Denn die Abſicht der Erzählung iſt feines- wegs, nur bie Berfchiedenheit ver Sprachen begreiflid zu machen, wie biejenigen vorgeben, bie fie für ein zu biefem med erfundenes mythiſches

1 Moſ. II.

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Erſcheinung ver großen geiſtigen Bewegungen waren, die mit der erſten Entſtehuug und Bildung von Bölfern verknupft feyn mußten. Dem es liegt ſehr nahe, an die Erfahrung zu erinnern, daß ſelbſt in einzelnen Fallen eine volllommene geiſtige Unbeweglichkeit auch gewiſſe phyffiſche Entwicklungen zurüdhält, und umgekehrt eine große geiftige Bewegung auch getwiffe phyſiſche Entwicllumgen ober Abweichungen - hervorruft, wie mit ver Mannigfaltigfeit geiftiger Entwicklungen ver Menfchheit Zahl und Berwidlung der Krankheiten zugenommen, wie, Übereinſtimmend mit der Beobachtung, daß im Leben bes. Einzelnen nicht felten eine über- wundene Sranfheit den Moment einer tiefen geiftigen Umwandlung be zeichnet, nene unter mächtigen Formen auftretende Krankheiten als parallele Symptome großer geiftiger Emancipationen erjcheinen." Hub wenn bie Bölfer, wie nicht bloß räumlich und äußerlich, fo auch nicht durch bloße natürliche Differenzen gefchiebene find, wenn fie geiftig und innerlich einander ausfchliegende, dabei aber in fich felbft unüberwindlich zufammengehaltene Maſſen find, fo läßt fid, weder ‚die urjpelingliche Einheit des noch unzertrennten Menſchengeſchlechts, der wir doch irgend eine Dauer zufchreiben müſſen, ohne eine geiftige Macht denken, welde die Menfchheit in dieſer Unbeweglichkeit erhielt‘ und felbft die im ihr enthaltenen Keime auseinander weichender phufiiher Entwicklungen nicht zur Wirkung kommen ließ, noch ift anzımehmen,' daß did Menſchheit jenen Zuftand, wo feine Bölfer-, fondern bloße Stammesunterfchiebe waren, verlaffen hätte ohue eine geiftige Krifis, die vom ber-tiefften Bedeutung feyn, im Grunde des menjchlichen Bewußtſeyns felbft vorgehen mußte, wenn fie ftarf genug ſeyn follte, um die bis dahin einige Menſch⸗ beit zu vermögen ober zu beflimmen, daß fie fi in Bölker zerfegte.

Und nachdem dieß nun im Allgemeinen auögefprochen, daß bie Urſache eine geiftige ſeyn mußte, können wir ans nur verwunbern, wie etwas fo nahe Liegenbes nicht unmittelbar erfannt worden. Denn verfchiedene Völker laſſen ſich ja ohne verſchiedene Sprachen nicht deuten,

! Mon vergleiche die bekannten Schriften des leider zu früh verftorbenen .Schnurrer. J

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und die Sprade ift doch etwas Geiftiges. Sind bie Völker durch feinen ihrer äußeren Unterfchieve, zu denen die Sprache von ihrer einen Seite ja auch gehört, fo innerlich getrammt ‚wie durch die Sprache, und find erſt diejenigen Völker wirklich gejchieden, die verfchievene Sprachen reden, fo ift die Entfiehung der Sprachen von der Entftehung ber Böller nicht zu trennen. Und ift die Verſchiedenheit der Völker nicht etwas von jeher Geweſenes, ſondern Entftanbenes, fo muß eben bieß von der Verſchiedenheit ver Sprachen gelten. Gab es eine Zeit, in ber feine Bölfer, fo auch eine, in ver feine verfchievenen Sprachen waren, und ift es ımvermeiblid, ber in Bölfer zerirennten Menſchheit eine unzertrennte vorauszufegen, fo ft es nicht weniger unvermieiblidh, den völfertrennenden Sprachen eine der ganzen Menfchheit gemeinjchaftliche vorausgehen zu laſſen. Dieß find lauter Säte, an die man gewöhnlich nicht denkt, ober an welche man durch eine grüblerifche, Geift entmuthi⸗ gende und verkümmernde Kritik (die wie es ſcheint an manchen Orten unferes Vaterlandes ganz beſonders zu Haufe iſt) zu denken ſich ver⸗ bieten läßt, aber es find Säge, bie, ſowie fie ausgeſprochen find, ale unwiderſprechlich erkannt werden müffen, und nicht weniger unwider⸗ leglich ift die mit ihnen nothwenbig verbundene Folge, daß ver BVölfer- entftehung ſchon darum, - weil fie. eine Zertrennung der Spraden un⸗ umgäanglich mit fich brachte, im Innern ber Menſchen eine geiftige Krifis vorausgehen mußte Hier treffen wir mit ber älteften Urkunde des Menſchengeſchlechts, den mofaifchen Schriften, zufanmen, gegen welche jo viele nur darum Abneigung hegeir, weil fie mit ihr. nichts anzufangen, fie weder zu verftehen noch zu brauchen wiſſen.

Die Geneſis nämlich fett die Entftehung der Völfer mit der Ent- ftehung der verfchiedenen Sprachen in Verbindung, aber fo, daß fie-bie Verwirrung der Sprache ald die Urſache, die Entftehung der Bölfer als die Wirkmg- beftimmt. Denn die Abſicht der Erzählung ift Teines- wege, nur bie Verſchievenheit der Sprachen begreiflic zu machen, wie - biejenigen vorgeben, die fie für ein zu dieſem Zwed erfundenes mythiſches

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'1 Mo. 11.

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Philoſophem erflären. Much, if fie überhaupt feine bloße Erfintung; biefe Erzählung ift vielmehr aus wirklicher Erinnerung geſchöpft, die ih ja zum Theil auch bei - andern Böllern erhalten‘, ‚eine Remi⸗ niscenz aus der mythiſchen Zeit allerdings, aber eines wirklichen Ereigniſſes derſelben; denn biejenigen, die jebe aus mythiſcher Zeit. oder aus mythiſchen Verhältnifſen ſich herſchreibende Erzählung fofort für Dichtung nehmen, jcheinen gar, nicht daran zu denken, daß jene Zeit und jene Berhältniffe, die wir mythiſche zu nennen gewohnt finb, od aud wirkliche waren. Diefer Mythos aljo, wie man, abgefehen von der eben erwähnten falfchen Bedeutung, die Erzählung allerdings {prad- unb fachgemäß nennen Tann, hat ven Werth einer wirklichen Ueber Iteferung, wobei ſich denn übrigens von felbit verfteht, daß wir mt vorbehalten, die Sache, und die Art, wie fie tem Erzähler von feinem Standpunkt aus erfcheint, unterſcheiden zu dürfen. Denn ihm z. B. iſt die Völkerentſtehung ein Unglück, ein Uebel, ſogar eine Strafe. Außer⸗ dem müfjen wir ihm aud das nachſehen, daß er ein Ereigniß, deſſen Eintreten allem Anſchein nach ein plötzliches war, deſſen Wirkungen aber ſich über einen ganzen Zeitraum erſtreckten, wie gleichſam an einem Tage vollendet darſtellen darf.

Aber eben darin, daß ihm die Völkerentſtehung überhaupt ein Er⸗ eigniß iſt, nänilich etwas, das ſich nicht von ſelbſt ohne beſondere Ur: ſache begibt, darin liegt die Wahrheit der Erzählung, ſo wie der Wider⸗ ſpruch gegen die Meinung, es bedürfe keiner Erklärung, Böller entſtehen unmerklich durch die ‚bloße Länge der Zeit und einen ganz natürlichen Berlauf. Ihm ift das Ereigniß ein unverfehenes, der Menſchheit, die von ihr betroffen wird, jelbft wubegreifliches, in welchem Falle denn auch das Fein Wunder ift, daß es jenen tiefen, bauernden Eindrud hinterließ, deſſen Erinnerung felbft bis in die gejchichtliche Zeit fih fortjegte. Die Völkerentſtehung ift dem alten Erzähler ein Geridt, demnach in der That, wie wir fie genannt haben, eine Kriſis.

' Man vergl. die bekannten Bruchſtücke des Abydenos bei Eusebius im

1. Buche feines Chronikons; die platoniſche Erzählung Politicus p. 272. B., we viefelbe menigftens ſchwach durchſchimmert.

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Aber als unmittelbare Urſache der Böllertrennung nennt fie bie Berwirrung der bis dahin einigeu umb dem ganzen Dienfchengefchlecht gemeinſchaftlichen Sprache. Schon bamit allein ift die Entſtehung buch einen geiftigen Borgang ausgeſprochen.

Denn eine Berwirrung ber Sprade läßt ſich nicht ohne einen inneren Borgang, nicht ohne eine Erjchütterung des Bewußtjeyns ſel bſt denken. Ordnen wir die Vorgänge nad ihrer natürlichen Folge, jo ift das Innerlichſte nothwendig eine Alteration des Bewußtſeyns, das Nächfte, Schon mehr Aeußerliche, die unmwillfürlihe Verwirrung ber Sprache, das Aenßerſte bie Scheidung bes Menſchengeſchlechts in fortan nicht bloß räumlich, fondern innerlich und geiftig. ſich ausſchließende Maſſen, d. 5. in Völker. Im diefer Ordnung bat das Mittlere zu bem Aeußerſten, welches bloße Wirkung iſt, noch immer das Verhältniß einer Urfache, nämlich das einer nächſten Urſache; vie Erzählung nennt nur biefe als die verftändlichfte, jedem, ber die trennenden Unterſchiede ber Völker ins Auge faßt, zuerft fi) barftellende, da nämlich der Unter ſchied der Sprachen zugleich ein äußerlich ‚wahrnehmbarer ift.

Aber auch jene Affection des Bewußtſeyns, welche zunächſt eine Berwirrung ber Sprache zur Folge hat, Eonnte Feine bloß oberflächliche ſeyn, fie mußte das Bewußtſeyn in feinem. Princip, in feinem Grund, ımd wenn ber angenommene Erfolg, Verwirrung ber „bis dahin gemeinfchaftlihen Sprache, eintreten fol, in eben dem er- fchättern, wa8 bisher dad Gemeinjame war und die Menjchheit, zuſam⸗ "enbielt; bie geiftige Macht mußte wanfend werben, bie bis jegt jeve auseinander ſtrebende Entwicklung verhindert, die Menſchheit, un⸗ geachtet der Theilung in Stämme, bie für fich einen.bloß äußeren Unter- jchied begründet, Auf. der. Stufe einer volllommenen, abfoluten Gleich artigfeit erhalten hatte.

Es war eine‘ geiftige Macht, die dieß bewirkte “Denn das Einigbleiben, das Nichtauseinandergehen der Menſchheit bedarf zu ſeiner Erklärung ſo gut einer poſitiven Urſache als das nachherige Auseinander- gehen. Welche Dauer wir dieſer Zeit der homogenen Menſchheit geben, iſt inſofern ganz gleichgültig, als dieſe Zeit, in der nichts ſich ereignet,

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jedeufalls nur tie Bedeutung eines Ausgangspuulta, eines reimen ter minus a quo hat, von dem am gezählt wird, aber im welchem ſelbſ feine wirkliche Zeit, d. b. feine Folge verſchiedener Zeiten, if. Dad eine Dauer müſſen wir diefer einförmigen Zeit geben, und bieje U fih ohne eine jever auseinander ſtrebenden Entwidiung wehrenbe Mocht durchaus nicht denken. Fragen wir aber, welche geiftige Macht allein ftart genug war, die Menjchheit. in viefer Unbemeglichleit zu exrhakten, fo ift unmittelbar einzufehen, daß es ein Brincip, und zwar Ei Princip, ſeyn mußte, von dem das Bewußtſeyn ber Menſchen au⸗ ſchließlich eingenommen und beherrſcht war; denn fo wie zwei Principien ſich in dieſe Herrſchaft theilten, mußten Differenzen in ber Menſchheit entſiehen, weil dieſe unvernieidlich ſich zwiſchen ben beiden Principien theilte. Aber ferner, ein ſolches Princip, das keinem andern im Be wußtſeyn Raum gab, fein anderes außer ſich zuließ, konnte ſelbſt um ein unendliches, nur ein Gott ſeyn, ein Gott, der das Bemußtfegn ganz erfüllte, der der ganzen Menjchheit gemeinfchaftlih war, ein Gott, der fie gleihfam in feine eigene Einheit bineinzog, ihr jede Be wegung, jede Abweichung, es fen zur Rechten oder zur Yinfen, wie das Alte Teſtament öfter fi) ausdrückt, verfagte; nur ein ſolcher konnte jener abfoluten Unbeweglichkeit, jenem Stillftand aller Entwicklung eine Daner geben.

Gleichwie nun aber ‘die Menjchheit nicht entſchiedener zufammen ‚und in yunbeweglicher Ruhe erhalten werben fonnte, als durch Die unbe vingte Einheit des Gottes, von dem fie beherrſcht wurde, fo läpt U} von ber andern Seite keine mädhtigere und tiefere Erſchütterung benfen, als die erfolgen mußte, jowie ver bis dahin unbeweglich Kine felbft beweglic wurde, und bieß war unvermeiblidh, fobald ein anderer ober mehrere andere Götter im Bewußtſeyn ſich einfanden over hervorthaten. Diejer wie immer (denn eine nähere Erflärung 'ift hier noch nicht mög lich) eintretende Polytheismus machte eine fortvauernde Einheit dei Menjchengejchlechtes unmöglich. Polytheismus alfo ift pas Scheibungt- mittel, das in die homogene Menfchheit geworfen wurde. Verſchiedene voneinander abweichende, im weitern Fortgang ſich fogar ausſchließende

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Götterlehren find das unfehlbare Werkzeug der Böllertreunung. Mögen fi, woran wir indeß nach dem bisher Berhandelten allen Grund haben zu zweifeln, andere Urfachen erfinnen lafien, welche ein Auseinanbergehen ver Menfchheit bewirken konnten: was die Scheivung und endlich vie velllommene Trennung der Bölfer unaufhaltfam und unwiderſtehlich be⸗ wirken mußte, war der entſchiedene Polytheismus und die von ihm un⸗ zertreunliche Verſchiedenheit miteinander nicht mehr verträglicher. Götter⸗ lehren. Derſelbe Gott, der in. unerſchuͤtterlicher Selbſtgleichheit die Einheit erhielt, mußte, ſich ſelbſt ungleich und wandelbar geworden, nun ebenſo ſelbſt das Menſchengeſchlecht zerſtreuen, wie er es porher zuſam⸗ menhielt, und wie er in feiner Identität die Urſache ſeiner Einheit war, ſo in feiner Vielſältigkeit die Urſache feiner Zertrennung werben. ‚Diefe Beflimmung des innerften Vorgangs ift freilich in der mo- jaifchen Ueberlieferung nicht ausgeſprochen, aber wenn fte bloß die nächfte Urſache (die Sprachenverwirrung) nennt, bat fie die entfernte und legte Urſache (die Entftehung des Polytheismus) wenigftens angeveutet. Bon diefen Andeutungen ſey für jegt nur bie eine erwähnt, daß fie ald den Schauplatz der Berwirrung Babel nennt, den Ort der künftigen großen Stadt, die dem ganzen Alten Teflament ald der Anfang und erfte Sig des entſchiedenen und nun unaufhaltſam ſich verbreitenden Polhtheismus gilt, als der Ort, „wo, wie ein Prophet ſich ausdrückt, der güldene Kelch ſich füllte, der alle Welt trunken gemacht, von. deſſen Wein bie Bölter getrunfen_haben“'. Ganz unabhängige hiſtoriſche Forſchung Wie wir und in ber Folge bavon Überzeugen werden, führt ebenfalls darauf, daß in Babylon ver Uebergang zum eigentlichen Polytheismus geſchehen. Der Begriff des Heidenthums, d. h. eigentlich des Bölfer- thums denn mehr drückt das hebräiſche und griechiſche Wort, das im Deutſchen durch Heiden uberſetzt wird, nicht aus iſt ſo unzer⸗ trennlich mit dem Namen Babel verknüpft, daß bis in das legte Buch des Neuen Teſtaments Babylon als das Symbol alles Heidniſchen und als heidnijch Arzuſehenden gilt. Eine ſolche unauslöſchliche ſymboliſche

gerem. 61, 7.

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Bedeutung, wie fie dem Namen Babel anhängt, eutſteht nur, indem fie von einem unvordenklichen Eindruck fich herſchreibt.

Neuerer Zeit zwar hat man verſucht, den Namen der großen Stab von ber bebeutenden Erinnerung zu trennen, vie er bewahrt, man hat verjucht, ihm eine andere Ableitung zu finden, als die alte Kraäklum ihm gibt. Babel follte fo viel feyn als Bäb-Bel (Pforte, Hof des Ba Belus-Baal); aber umfonft! Die Ableitung widerlegt ſich ſchon allein dadurch, daß bab in biefer Bebeutimg nur dem arabifchen Dialekt eigen ift. Es ift vielmehr wirklich fo, wie die alte Erzählung fagt: „Daher heißget ihr Name Babel, daß der Herr daſelbſt verwirret hatte de Sprahe aller Welt.” Babel ift wirflih nur Zufannmenziehung von Balbel, ein Wort, in dem offenbar etwas Onomatopoetiſches Tiegt Sonderbar genug ift das Tomachahmende, das in der Ausjprache Babel verwiſcht ift, im dem |pätern, einer ganz andern und viel jfingeren Sprache angehörigen Ablümmling deſſelben Wortes (Balbel) noch erhal ten; ich meine das griechiſche Adofaooc, Barbar, das man bisher nur von dem chaldäiſchen bar, branfen (extra), barja, Auswärtige (extraneus), abzuleiten gemupt Bat. Allen bei Griechen und Römern bat das Wort Barbar nicht diefe allgemeine Bedeutung, ſondern beftimmt die eined umverftändlich Redenden, wie ſchon as dem. befannten Verb des Ovibius erhellen würde:

Barberus hic ego sum, quia non intelligor ulli '.

Außerdem ift bei der Ableitung von bar die SIteration ver Shylle Pi nicht beachtet, in der vorzüglich das Tonnachahmende Liegt, jo wie eben dieſe ſchon allein beweiſen würde, daß das Wort ſich auf die Sprache bezieht, wie auch Strabo ſchon bemerkt hat. Das griechiſche Barbarct

Eben dieſe Bedeutung iſt bei dem Apoſtel Paulus zu erlennen, 1. Cor. 14, 11: Rqdu un eidö r dvranıv (Sinn, Bebeutung) rag yarys, 3donas da Aoövrı Bapdaoo; xul 0 Aalov (iv) Eucı Baoßapos, was Luther Überjegt: „werde ich dem Redenden unbeutich ſeyn, und der ba redet wirb mir unbentih ſeyn“. Diefem Gebrauch zufolge‘ iſt auch der ein Bapßapog, der unverfländäd redet, ohne ei extraneus zu ſeyn. Anch Cicero jet bem barbarus disertus entgegen. Ebenſo bei Platon Baodapi,sıv Unverſtändliches vorbringen: anopsr rat Baoßuoilor. Theaet. 175. D.

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iſt alſo nur vermöge ber bekannten jo Häufig vorkommenden Verwechs⸗ fung der Confonanten RmL von dem morgenländiihen Wort balbal gebilvet, da® den Ton ber ſtammelnden, die Laute durcheinander werfen» ven Spradde nachahmt, und mit ber Bebeutung eined vermorrenen Sprechens auch noch in ber arabiſchen und ſyriſchen Sprache er⸗ halten ft‘. s

. Nun drängt fid bier natürlich eine andere Frage auf: Wie kann der entftehende Polytheismus als Urfache. von Sprachverwirrung gedacht werden, welcher Zuſammenhang ift zwifchen einer Kriſis des religiöfen Bewußtſeyns und den Aeußerungen des Sprachvermögens?

Bir könnten einfach antworten: es ift fo, mögen wir die Berbin- dung einfehen oder nicht. Tas Verdienſt einer Forſchung befteht nicht immer bloß darin, ſchwierige Fragen aufzulöfen, das größere ıft vielleicht, neue Probleme zu erſchaffen und für eine künftige Unterfuchung zu be zeichnen, ober fchon beftehenven Fragen (wie eben der über Grund und Zuſammenhang der Sprachen) eine neue Seite abzugewinnen. Mag uns diefe neue Seite zunächſt nur in eine noch tiefere Unwifjenheit zu ſtürzen ſcheinen, aber gerade um fo eher verhindert fie und auch, allzu leichten md oberflächlichen Auflöfungen zu vertrauen, und "kann zum Mittel werben die Hauptfrage glüdlicher als bisher zu beantworten, inbem

‚fie uns zwingt, biefelbe von, einer Seite aufzufafien, an die bis jet nicht gedacht worden. Aber felbft an Thatfachen, wenn auch vor ber Hand ebenfowenig erflärbaren, - vie einen folden Zufammenhang be» zeugen, fehlt es nicht gänzlich. Es findet ſich viel Seltfames bei Hero- dotos: zu dem Verwunderlichſien gehört, was er von dem attiſchen Volk fagt: „da es eigentlich pelasgifch fen, babe es mit feiner Umwandlung in Hellenen aud die Spradhe umgelernt”“? Die Ummanblung

In ber arabilchen Ueberſetzung bes N. T. ift das Wort balbal auch für tapdddeı» (rijv Yuyıv) gebraucht. Act. 15, 24. Aus gleicher Tonnachah⸗ mung ift das Bateinifche balbus, balbuties, das deutſche babeln, babbeln (ſchwä⸗ biſch) = plappern; franz.’ babiller, babil.

? To Arrınov Iöros, dov nelasyınov, äna tz ueraßoAi; ru) ds Eädnvac xal riv yAaddav usriuader. L. I. c. 57.

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des pelasgiſchen Weſens in das hellenifche war, wie ſchon früher in diefen Vorleſungen bei Gelegenheit der berühmten Stelle des Gerebstei gezeigt worden, eben ber Uebergang vom nad unauegefprochenen pm entwidelten mythologifchen Bewußtſeyn. Wffectionen des Sprachver⸗ mögens, und zwar nicht bloß des äußern fonbern bes innern, bie mil religiöfen Zuftänden zufammenhängen, will man in manchen Fällen be obachtet haben, die ich dahingeſtellt ſeyn laſſe. Aber was konnte dei mit Zungen Reden in ber korinthiſchen Gemeinde, das ber Apoſl übrigens nichts weniger als unbebingt gelten läßt und eigentlich nur mi Schonung behanbelt, aber das er eben deßhalb um fo-ficherer als That: fache bezeugt, anders feyn, als die Folge einer religiöfen Affection? Wir find nur zu wenig daran gewöhnt, die Principien, von benen be ummilllürlihen veligiöfen Bewegungen des menſchlichen Bewußtſeyn beftimmt werben, als Principien von allgemeiner Bebeutung zu erkennen, bie Darum unter gegebenen Umftänden Urſachen anderer, felbft phyſiſcher Wirkungen werben können. Laffen wir indeß immer den Zuſammenhang für jetzt unerklärt; ſo manches iſt der menſchlichen Forſchung durch vor⸗ ſichtiges, ſtufenmäßiges Fortſchreiten begreiflich geworden. Der in Frage ſtehende Zuſammenhang religiöſer Affectionen mit Affectionen des Sprach⸗ vermögens iſt nicht räthſelhafter, als wie mit einer beſtimmten Mythe⸗ logie oder Religionsweiſe auch gewiſſe Eigenthümlichkeiten ver phyſiſchen Conſtitution verbunden waren. Anders der Aegypter, anders der Indier, wieder anders der Hellene organiſirt, und wenn man es genauer unter⸗ ſucht, jeder in einer gewiſſen Uebereinſtimmung mit der Natur feiner Götterlehre.

Doch wollen wir, mehr um vie Beziehung auf Polytheismng zu rechtfertigen, Die wir der alten Erzählung beilegen, als um noch eiu anderes Beijpiel des Zufammenhangs zu zeigen, in bem. religiöfe Be wegungen mit der Sprache ftehen, an das der Sprachverwirrung parallele Phänomen erinnern. Dem Ereigniß der Spradenverwirrung läft ſich in der ganzen Folge der religiöfen Geſchichte nur Eines an bie Seite ftellen, die momentan wieder hergeftellte Spracheinheit (öuoyAwecie) am Pfingftfefte, mit dem das Chriftenthum, beftimmt das ganze

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Menſchengeſchlecht durd die Erkenntniß des Einen wahren Gottes wierer zur Einheit zu verknüpfen, feinen großen Weg begimmt '.

Mag es nicht als überflüffig erfcheinen, wenn ic, beiflüge, daß eben- fo ver Böllertrennung in-ber ganzen Geſchichte nur Ein Ereigniß eutfpricht, die Bölferwanderung, bie aber einem Sammeln, Wieber- zufommenbringen äfmlicher ift als einer Zerftreuung. Denn nur eine Kraft, wie fie den höchſten Wendepunlten der Weltgefchichte vorbehalten ift, eine ber früheren abſtoßenden, zertrennenven gleihmächtige Anzie- hungskraft konnte e8 ſeyn, die jene dazu vorbehaltenen Bölfer aus der noch immer unerjchöpften Vorrathskammer auf den Schauplag der Weltgefchichte führte, bamit fie das Chriſtenthum in fih aufnahmen und es zu dem machten, was es werden follte, und wozu e8 allein durch fie werben fonnte.

Jedenfalls ift offenbar: Wölferentftehung, Sprachverwirrung und Polytheismus find der alfteftamentlihen Denfart verwandte Begriffe und zufanımenhängende Erſcheinungen. Sehen wit von bier auf früher Ge- funbenes zurüd, fo ift jedes Volt als foldyes erft da, nachdem es ſich in Anfehung. feiner Mythologie beftimmt und entfchieven hat. Dieſe kann ihm alfo nicht in der Zeit ver ſchon vollbrachten Abfonderung, md nachdem es bereit als Boll geworben Mar, entitehen; da fie ihm indeß ebenfowenig entftehen Tonnte, folange e8 noch im Ganzen ber Menfchheit als ein bis dahin umfichtbarer Theil derjelben begriffen war, fo wird ihre Urſprung gerade in den Uebergang fallen, ta e8 noch sicht als beftinnmtes Bolt vorhanden, aber eben im Begriff iſt fich ale ſolches auszuſcheiden und abzufchliegen.

ı 3 hatte darum in ben Borlefungen üher die Philoſophie ber Offenbarung die Erſcheinung am Pfingfifeft „Das umgelehrte Babel” genannt, ein Ausdrud, ben ich fpäter bei anbern fand. Mir ſelbſt war damals ber Wink von Gefenius in dem Nrtilel: Babylon der Halle'ichen Encyklopädie noch unbekannt. Schon Kirchenvätern indeß war biefe Entgegenftellung nicht ungewöhnlich, bie infofern wohl Auſpruch hat, für eine natürliche zu gelten. Eine andere Parallele aus ber perfifchen Lehre, wo bie Sprachenverſchiedenheit (drapoylossia) als ein Wert bes Ahriman befchrieben, unb für bie Zeit ber Wieberherftellung bes reinen Lichtreiche nach Beflegung bes Ahriman auch die Einheit der Sprachen verkündet ift, iſt in der Philoſophie der Offenbarung erwähnt.

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Eben vieß muß num aber auch von ber Sprache jebes Bolkes gelten, dafs fie fich erft beftimmt, indem es felbft zum Volk ſich entſcheidet. Bu dahin und fo lange e8 noch in der Krifis, alfo im Werben begriffen, ift auch jene Sprache flüflig, beweglich, nicht rein von den. andern ausgefchieven, fo daR wirklich gewiffermaßen verfchievene Eprachen burd- einander gejprochen werben ', wie and) vie alte Erzählung une eine Ber- wirrung annimmt, nicht fofort eine ‚gänzliche Ablöfung der Sprachen voneinander. Bon borther, wo die Sprachen noch nidyt geſchieden, fer- bern in ber Scheidung begriffen find, mögen fih unter ben Rauen griechiſcher Gottheiten die offenbar nichtgriechiſchen, worgejchidtfiden ſchreiben; Herodotos, dem man helleniſches Sprachgefühl wohl zutrame darf, und der eine griechiſche Etymologie z. B. aus dem Namen Poſei⸗ don wohl noch ebenſo gut als ein Grammatiker unſerer Zeit berant gehört hätte?, fagt, fait alle Namen ver Götter feyen den Griechen von ben Barbaren gefommen, womit offenbar nicht gejagt tft, daß ihnen auch die Götter felbft von den Barbaren gelommen feyen, und and) nicht gerade vor ben Barbaren. „Bon dorther auch erklären ſich wohl einzelne materielle Uebereinftimmungen zwijchen Sprachen, bie übrigens nach ganz verjchiedenen- Principien gebilvet find. Bei Bergleichungen von Sprachen findet überhaupt folgende Grabation ftatt: einige find nur Dialekte derfelben Sprache, wie die arabijche und hebräifche, bier fi Stammeseinheit; andere gehören zu verjelben Formation, wie Sander, Griechiſch, Lateiniſch, Deutſch; wieder andere werer zu demſelben Stamm

' Ufo ein wahres yAwssarz (im Plur.) Auisir; auch in Korinth etwas gar; anders ale das ireoaıs yAasduıs Aaleir, beifen Erltärung das Folgende enthält: ‘Or: mmovov el; Brasros ri; Idiu dıaltaro Aalovırar arröv, und das nur möglich iR, wenn bie Sprache, bie gefprochen wird, instar omnium ift, nicht wenn bloß ix verfchiedenen Sprachen ihre Spannung ober Ausſchließung gegeneinanber verhieren; mer auf dieſe Weiſe fpricht, ift dem Apoſtel Bapdauug nach der ſchon erwähnten Etelke.

2 Hermann erllärt ihn belanntlich aus morov (nodıs) und aidesIa:, quod potile videtur, non est. (Etatt potile follte wohl, irre ich nicht, potabile ſtehen. Denn ein Zrintbares im allgemeinen Sinn potile wie alles Zıopf barflüffige iſt das Meerwafler wirklich, bagegen trintbar im beſondern Eins, dem menſchlichen Geſchmadck annehmlich, potabile, fcheint e3 nur zu ſeyn).

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noch zu berfelben Formation, und doch finden fi) zwifchen ven verfchie- denen Sprachen lebereinftimmungen, vie weder aus gefchichtlichen Ver⸗ bältniffen, wie arabijche Wörter im Spanifchen und Sranzöfifchen ', noch daraus ſich erflären, daß die Sprachen zu demjelben Stamm oder zu ber gleichen Entwidlungsftufe (Formation) gehören. Beiſpiele diefer Art gibt das Vorkommen fenitifcher Wörter im Santerit, im Griechifchen, wie es fcheint auch im Altäghptifhen; dieß find alfo Uebereinſtimmungen, die über alle. Gefchichte hinausgehen. Keine Sprache entfteht dem ſchon fertigen und vorhandenen Boll, keinem. Vol! alfo aud feine Sprache ‚außer. allem Zufammtenkang mit ber urjpränglichen Spracheinheit, bie audy noch in der Scheidung fi zu behaupten ſucht.

Denn auf eine Einheit, deren Macht felbft in ver Zertrennung befteht, denten die Erfcheinungen, deutet das Benehmen der Völker, foweit e8 ohnge⸗ achtet dei großen Entfernung durch den Nebel ver Vorzeit noch erkennbar ift.

Nicht ein Äußerer Stachel, ver Stachel innerer Unruhe, dns Ge- fühl, nicht mehr die ganze Menjchheit, ſondern nur ein Theil berjelben zu fen, und nicht mehr dem ſchlechthin Einen anzugehören, fondern einem beſondern Gott oder befondern Göttern anheimgefallen zu feyn; dieſes Gefühl ift es, was fie von Lard zu Sand, von Küfte zu Küfte trieb, bis jedes mit fich allein, und von allen frembartigen ſich gefchieden ih, und den ihm beftimmten, ihm angemeflenen Ort gefunden hatte ?. Oper fol auch darin bloßer Zufall gewaltet Haben? War es Zufall, der die ältefte Bevölkerung Aegyptens, bie durch ihre dunkle Hautfarbe nur bie büftere Stimmung des eigenen Innern anlündigte, in das enge Nilthal führte®, oder war es das Gefühl, nur in folder Abgeſchiedenheit

ı Das belannte Abi. mesquin iſt ein vein axabifches Wort, das aus bem Spanifchen ins Franzoſiſche überging.

? Nach einer Stelle des Pentateuchs (5. Mol. 82, 8) werben bie Volker aus. getheilt von dem Allerhöchſten (an einzelne Götter, das hebräifche Wort hat fon gewöhnlich einen Dativ nach fich), ähnlich ift das Platonifche:.rors yao (Am erſten Weltalter) aurng npörov eng xunAddews ne ze —X ueyog öing 0 dog, og rdv nard Tonovg TalTov Toito ıno Yeor, aoyoı- Tov nayıy ra Tod xoduov ıdon ÖıeıAnudva. Politie. p. 271. D.

f Herod. Lib. II, c. 104.

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bewahren zu können, was fie in fi bewahren follte? Dem and nach der Zerſtreuung ließ die Angft nicht von ihnen; fie fühlten bie Zerftörung der urſprünglichen Einheit, die einer verwirrenden Vielheit Platz machte, und bie nicht anders als mit dem gänzlichen BVerluf alles Einheitsbewnßtſeyns und dadurch alles Menſchlichen enbigen pa können ſchien. |

Auch für dieſen extremen Zuftand find die Belege uns aufbehalten, wie für alles, was wahre und geſetzmäßig fortfchreitende Wiſſenſchaft von ſich aus erfennt oder fordert, aller Unbilven ver Zeit ohnerachte, fiher noch immer Denkmäler bewahrt find; vieß ift, wie ich mich oft genng ausgebrüdt, der Glaube des wahren Forſchers, ver nicht zu Schanden wird. Ich erinnere hier wieder an jene inehrmals erwähnte, anfgelöste und nur noch äußerlich menfchenähnliche Bevölkerung des für lichen Amerika. Beifpiele des erften, wie man annimmt noch robeften, und am meiften ver Thierheit ſich nähernden Zuſtandes in ihnen zu er bliden, ift ganz unmöglich, fie widerlegen im Gegentheil aufs VBeftinm- tefte den Wahn von einem foldyen ftupiven Urzuftand des Menſchenge⸗ fchlecht8, indem fie zeigen, daß von einem foldhen ans fein Fortſchreiten möglich ift; ebenfewenig fühle ich mich im Stunde, auf biefe Ge ſchlechter das Beifpiel von ehemaliger Bildung in. Barbarei zurädge ſunkener Bölfer anzuwenden. Der Zuſtand, in dem fie fich befinden, ift fein Problem für Köpfe, die bloß mit ſchon gebrauchten Gedanken fid forthelfen, der gründliche Denker mußte für fie bis jebt Feine Stelle. Wenn man Völker nicht als von jelbft entftehend verausfegen darf, wenn man für nothwendig erfennen muß, Völker zu erflären, fo auch jene Maſſen, die obwohl phufifh homogen, doch ohne alle moralijche und geiftige Einheit unter fich geblieben find. Mir fcheinen fie nur das traurige Reſultat eben jener Krifis zu ſeyn, aus der die übrige Menſchheit ben Grund alles menſchlichen Bewußtſeyns gerettet hat, während dieſer Grund für fie völlig verloren ging. Sie find das noch lebende Zeugnik der vollbrachten, durch nichts zurüdgehaltenen Auflöſung; an ihnen hat fid) der ganze Fluch der Zerftreuung erfüllt, fie find recht eigentlich die Heerbe Die ohne Hirten weidet, und ohne zum Voll zu werben, gingen

1 Pr Li

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fie in eben ber Kriſis unter, weldye ven Völkern das Daſeyn gab. Wenn ſich wirklich, wie ich, unabhängig von Zeugniffen, auf deren Zuverläffig- tet ih Übrigens nichts bauen möchte, annehmen will, einige Spuren von Cultur, oder vielmehr ſchwache Hefte finnlos fortgeübter Gebräuche unter ihnen finden, ſo beweiſen and) dieſe nicht, daß fie Trümmer eines durch gefchichtliche oder natürliche Kataſtrophen zerftörten und zeriplit- terten Volls find. "Denn ber vorgefchichtliche, der Bölkerentftehung vor- ansgegangene Zufland, an dem auch fie noch Theil hatten dieſer ifl, wie aus unjern Erklärungen binlänglich hervorgeht, nichts weniger als ein Zuftand völliger Unfultur und thierifcher Rohheit, woraus ein Ueber: gang .zur gefellfchaftlichen Entwicklung nimmer möglich gewefen wäre.

Denn wenigftens bie Stammeseintheilmg haben wir jenem Zuftend vindicirt: mo aber‘ diefe ift, da finden fich auch ſchon ber Ehe und Fa⸗ milie ähnliche Berhältniffe, auch Stämme, die noch nicht zum Volk ges worben, kennen wenigftend bewegliches Eigenthum und, inwiefern Eigen- thum, unftreitig aud Verträge; aber fein möglicher politifher Zerfall kam ein Ganzes, das einmal ein Voll war und dem gemäße Sitten, Geſetze, bürgerliche ‚Einrichtungen, und was mit biefen unfehlbar ver⸗ bunden ift, eigenthümliche religiöfe Vorftellungen und Gebräuche gehabt - bat, zu einem ſolchen Zuftand von abfoluter Gefeglofigfeit und folder Entmenfhung (Brutalität) herabbringen, wie bie ift, in welcher jene Ge- ſchlechter fih befinden, die ohne Ahndung von irgend einem Geſetz, von irgend einer Verbindlichkeit, ober einer alle verpflichtenden Ordnung, fo- wie ohne alle veligiöfen Vorftelungen find. Phyſiſche Ereignifje können ein Bolt materiell. zerftören, aber nicht ihm feine Ueberlieferung, feine Erinnerung, feine ganze Vergangenheit rauben, wie biefer Menſchenart, bie fo wenig eine Vergangenheit hat, als irgend ein Geſchlecht ber Thiere. Wohl aber begreift ſich ihr Zuſtand, wenn fie der Theil ber urfpräng- lihen Menſchheit find, in dem wirklich alles Einheitöbewußtfeyn unter gegangen if. Ich habe fchon bemerkt, daß die Völker nicht durch ein bloßes Auseinandergehen zu erklären find, daß es zugleich einer zuſam⸗ menhaltenden Kraft bedarf: an jenen ſehen wir, was die ganze Menſchheit geworden wäre, hätte ſie von der urſprünglichen Einheit nichts gerettet. Sqelling, fahmtl. Werke. 2. Abt. 1.

der Wahrheit, welche in ber alten-Erzählung von ber Sprachverwir⸗ rumg liegt, zeugen ganz insbeſondere dieſe Geſchlechter. Der Autdent Berwirrung ift bereit6 hervorgehoben: morben. Berwirrung enifich nur, wo mißhellige Elemente, vie nicht zur Einheit gelangen, chef wenig auseinander konnen. Im jeder werbenben Sprache wirft bie mr fprängliche Einheit fort, wie eben zum Theil bie Verwandijſchaft der Eprachen zeigt; eine Aufhebung aller Einheit wäre bie Wufhebumg der Sprache ſelbſt, damit aber alles Menſchlichen; denn der Menſch iR mr in dem Maße Menſch, als er eines über feine Einzelnheit hinausgehenden allgemeinen Bewußtſeyns fähig ift; auch -die Sprache hat nur als eines Gemeinfames Sinn. Die Sprachen vorzugsweiſe menſchlicher und geifig - zufammengehaltener Völler verbreiten ſich über große Räume, und folder Sprachen gibt es nur wenige. Hier ift alſo eine Gemeinfchaft des Be wußtſeyns noch in großen Maſſen erhalten. ferner bewahren biefe Sprachen in ſich noch immer Bezüge auf andere, Spuren einer urfpräng: lichen Einheit, Zeichen von gemeinfeaftlicher Mbhunft. Ich Begmeie jür materielle Uebereinftimmung zwifchen den Ioiomen jener amerilaniſchen Bevöllerung und zwiſchen eigentlichen, Völlerſprachen, fowie ich bahas geftellt Iaffen muß, inwieweit das Stubium, das man biejen Ioiamen geſchenlt Hat, die Hoffnung erfüllen Tonnte, in ber man es unternahm, auf wirkliche, nämlich auf gene ti ſche Elemente derſelben zu gelangen; auf legte Elemente wird man in ihnen gefommen feyn, aber auf Ele mente ber Zerfegung, nicht der Zufammenfegung und des Werdent. Unter jener Bevölferung ift nad) Azara bie Guarani-Sprache noch die einzige, bie in einem weiteren Umfang verftauben wird, umb andy bie forbert vielleicht noch genauere Unterfuchung. Dem fonft, wie derſelbe Apara bemerkt und biefer ift durch jene Länder nicht hindurchgegangen, er bat in ifmen gefebt und Jahre lang verweilt fonft wechfelt bie Sprache von Horde zu Horde, ja von Hütte zu Hütte, fo daß oft nur bie Dit glieber berfelben Familie einander verſtehen; und nicht bloß dieß, fordern das Sprachvetmogen ſelbſt ſcheint bei ihnen dem Auegehen und Erläfiier nahe zu ſeyn. Ihre Stimme iſt niemals ſtark und ſonor, fie vepen war

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tife, ohne jemals zu ſchreien, felbſt nicht, "wenn man fie töbtet. Sie bewegen beim Sprechen faum die Lippen, und begleiten ihre Rede wit leinem Blick, der zur Aufmerkjamfeit auffordert. Zu dieſer Gleichgültigkeit geſellt ſich eine ſolche Abneigung zu ſprechen, daß wenn fie mit je- mand zu th haben, ber hundert Schritte nor ihnen iſt, fie mie rufen, jondern laufen, ihn einzuhrlen. Die Sprache ſchwebt aljo hier anf ver legten Grenze, jenfeitS welcher fie gan; aufhört, ſowie man wohl fragen dürfte, ob Spiome, deren Laute meift Nafen- und Gurgel=, nicht Bruft- und Lippentöne finb, und bem größten Theile nach durch Zeichen unferer Schriftſprache nicht auszudrücken find, noch Überhaupt Sprachen zu heißen verbienen '. nt |

Diefe Angft alfo, biefes Entfegen -vor dem Berluft alles Einfeite- bemußtfeyn® hielt die vereint Gebliebenen zufammen, und trieb fie an, wenigſtens eine partielle Einheit zu behaupten, um, wenn nicht als Menſch⸗ beit, doch als Volk zu beftehen. Diefe Angſt vor dem gänzlichen Ber- ſchwinden ver Einheit und bamit alles wahrhaft vienſchlichen Bewußtſeyns gab ihmen nicht nur die erften Anſtalten religiöfer Art, ſondern felbft die erften bürgerlichen Einrichtungen ein, deren Zweı fein anderer war, als was fie-von der Einheit gerettet hatten zu erhalten und gegen weitere Zerftärung zu fihern. Da nad einmal verlorener Einheit auch der Ein- zelne fich abzuſchließen und eigenen Beſitzes fich zu verfichern fuchte, boten fie alles auf, die entflichende feftzubalten 1) durch Bildung be- ſonderer Gemeinſchaften, zumal ſtrenge Abſonderung derjenigen, in denen das Gemeinſame, das Einheitsbewußtfeyn fortleben ſolle: die Kaftenein- theilung, deren Grundlage fo alt iſt als die Geſchichte und allen Völkern gemein, beren uns befannte Verfaffung aus biefer Zeit ſich herſchreibt, ud die feine andere Abſicht hatte, als in folder Abſchließung jenes Be- wußtſeyn ficherer zu bewahren, und mittelbar auch für die Anbern zu erhalten, in denen es unvermeiblich mehr und mehr ſich verlor; 2) durch

! }js parlent ordinairement beaucoup de la gorge et du nez, le plus souvent msöme il nous est impossible d’exprimer avec nos lettres leurs mots ou leurs sons. Azara; Voyages T. II, p. 5, womit p. 14 und 57 zu

bergleichen.

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firenge Priefterfagungen, Feſtſtellung de Wiſſens als -Doctrin, we befonbers in Wegupten geſchehen feeint"; Anferlid, aber fi) zufanme aufaften ſuchten fie 3) durch jene offenbar einer vorbiftoricen Bei a gehörigen Monumente, bie fih in allen Theilen ber bekannten Erde finden unb durch Größe und Bufummenfügung Zeuguiß non fa Bier menſchlicher Stärke ablegen, und durch welche wir unmwillfärlid am jenen verhängnißvollen Thurm erinnert werben, ben bie ältefte Erzählung de ertwäßnt, wo von ber Berftreimmg ber Völler bie Rebe if. Die Eriemr fagen zu einander: Lafjet uns eine Veſte und einen Thurm bauen, dej Spige bis an den Himmel reiht, daß wir und einen Namen marden, denn wir möchten vielleicht zerfireut werben über bie ganze Erde. Sie fagen dieß nod ehe die Spradye ſich verwirrt, fie ahnden das Vevorftehende, bie Krifis, die ſich ihnen ankündigt.

Sie wollen fi einen Namen machen. Gewöhnlich: daß wir ns berühmt machen. Allein bie hier redende Menge kann doch nicht daran denlen, wie man es nad) dem Sprachgebraud, allerbing® überfegen Tann, berühmt zu werben, ehe fie einen Namen hat, d. h. ehe fie ein Bell ift, wie auch fein Menſch einen Namen, wie man zu fagen pflegt, ſich machen fönnte, wenn er nicht vorher einen hätte. Der Natur ber Sache nad) muß alfo hier der Ausdruck in feiner noch unmittelbaren Beben- tung genommen werben, von welder bie andere (berühmt werben) bloße Folge ift. Nach ihrer eigenen Rede aljo waren fie bis dahin eine namenlofe Menfchheit; der Name ifts, der ein Boll wie ein Inbiv duum von ben andern unterfdheibet, abfonbert, aber eben darum zu gleich zufammenhält. Die Worte, „daß wir uns einen Namen made“, heißen demnach nichts anders, als „daß wir ein Volk werben“, um als. Grund davon geben fie an: damit fie nicht zerſtreut werben in alle Länder. Alfo die Angft, zerſtreut zu werben, gar fein Ganzes mehr

! Ipöro tiv cv ardpdmwr, röv juslz. idnev, Aiyiarıoı Akyrraı re dwvoinv Aaßelv, xal Ipd Isasdaı - - - moöreı- di zal dirduare ipd Ayvodav, xal Adyou; ipois Isfav. Lucian. de Syria Des c. 2. -

21. Dof. 12, 2 verfprict Ichovah dem Abraham, ihn zum großen Bell und feinen Ramen groß zu machen.

117 zu feyn, fondern fi) völlig aufzulöfen, bewegt fie zu der Unteruehmung. An forte Wohnfige wird erft gedacht, wenn bie Menfchheit in Gefahr ft fih gang zu verlieren und zu zergehen, aber mit ber erften feften Stätte beginnt bie Abfonderung , alfo auch die Abſtoßung und die Aus⸗ ſchließung, wie der Thurm zu Babel, der die gänzliche Zerſtreuung ver⸗ hindern ſoll, Anfang und Anlaß der Völkertrennung wird. In bie Zeit eben dieſes Uebergangs gehören alfo auch jene Monumente einer vorgefchichtlichen Zeit, befonbers bie für kyklopiſch ausgegebenen und von ven Griechen fo genannten Werke in Griechenland, auf Inſeln bes mittelländifchen Meers, bie und da felbft auf dem Feſtland Italiens; Werke die Homeros, die Heſiodos fchon gefehen'‘, Mauern und Zinnen, bald aus unbehauenen Steinen ohne Cement ausgeführt, bald aus un- regelmäßigen Polygonen zufammengefügt, Denkmäler eines für die fpä- teren Griechen felbft fabelhaft gewordenen Geſchlechts, das Feine anderen Spuren feines Daſeyns zurüdgelafien,; aber dennod mehr, als man ges wöhnlich benft, von wirklicher hiſtoriſcher Bedeutung iſt. Denn wie Homer in der Odyſſee das Leben der Kyflopen befchreibt, wie-fie ohne Geſetz, ohne Vollsverſammlungen, jeder mit Weibern und Kindern für fih lebt und Feiner des andern acdhtet?, müffen wir urtheilen, dag in ihnen ſchon ein Anfang zu jenen völlig aufgelösten Geſchlechtern it, die ſich eben dadurch auszeichnen, daß feiner fi um den Andern befümmert, daß fie fi) untereinander fo fremd bleiben, wie Thiere ſich fremb bleiben, und durch Fein Bewußtſehn irgend einer Zufammenge- hörigfeit verbunden find. In der neuen Welt ift diefer Zuſtand, den bei Homer bie Kyklopen barftellen, erhalten, während daſſelbe Gefchlecht in Griechenland von der immer mächtiger nachbringenden Bewegung ver⸗ fchlungen, dem dadurch entftandenen Voll nur noch in der Erinnerung bleibt. Bei Homer wohnen fie noch in natürlichen, aber wie es fcheint

' Einftweilen, benn wir hoffen fpäter hierauf zurüdzulomnen, verweife ich wegen bes vorhomerifchen Alters der kyklopiſchen Werke in Griechenland auf meine in der Akad. der Wiffenfch. zu München vorgetragene und im zweiten Jahreébe⸗ richt derjelben (1829— 1831) im Auszug befindliche Abhandiung.

- ? = oil‘ allndor alsyoudıv. Odyss. IX, 115.

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künſtlich erweiterten Grotten, gleichwie bie fpätere Sage ihnen auch bie unterirbifchen Bauten, bie Grotten und Labyrinthe von Megara, Nau⸗ plia (Napoli di Malvasia) u. a. zuſchrieb. Aber daſſelbe Geſchlecht geht von biefen in der Subſtanz der Erbe ausgeführten Banwerken zu jenen über die Erbe fich erhebenden Monumenten. fort, die mit von ber Erde mmabhängigem und freiem Material ausgeführt find; aber mit biefen zugleich verſchwindet es ſelbſt; denn an biefe Werke knüpft fih ver Uebergang zum. Boll, in welddem jenes Uebergangegeſchlecht untergeht.

Sechote vorleſung

Ka der zunächſt vorausgegangenen Erwicleng, ber man indeß leicht anſieht, daß fie noch manche nähere Beſtimmungen von der wei⸗ teren Forſchung zu erwarten hat, ſcheint es nun nicht mehr zweifelhaft jeyn zu können, daß diejenige Erflärung, welche dem Polytheismus einen Monotheismus nich bloß überhaupt, ſondern einen geſchichtlichen vorausfegt, und zwar in ber Zeit vor der Trennung der Völker, es ſeyn werde, bei weldyer auch wir ftehen bleiben müflen. Die einzige Frage, welche zwifchen dieſer Erflärung und uns zweifelhaft war, ob bie Bölfertrennung vorandgegangen und ben Polytheismus zur Folge gehabt habe oder umgekehrt, ift, wir müſſen fo urtheilen,. ebenfalls er⸗ ledigt; denn bavon glauben wir uns durch das Vorhergehende hinlänglich überzeugt zu haben, daß keine vom Polytheismus unabhängige Urſache der Völlerentſtehimg zu finden. ſey, und folgenben, aus ber bisherigen Entwidlung refultirenden Schluß betrachten wir als den Grund, nf welchem wir fortbauen :

Wenn die Menfchheit in Böller fih trennte, fowie in dem bis bahn einigen Bewußtſeyn verfchievene Bötter hervortraten: fo Tonnte bie der Trennung voransgegangehe Einheit des Menſchengeſchlechts, vie wir uns ehenfotwenig ohne eine pofitive Urfache veufen können, durch nichts fo ent- ſchieden erhalten werben, als durch das Bewußtſeyn Eines allge: meinen und der ganzen Menfchheitgemeinfchaftlihen Gottes.

In dieſem Schluſſe ift jedoch feinerlei Entſcheidung darüber ent- halten, ob .ver allgemeine und dem ganzen Menfchengefchlechte gemein- ſchaftliche Gett, darum, weil er ein ſolcher war, nothwendig auch ber im San des Mouotheisums und zwar im Sinn eines geoffenbarten

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—3

Monotheismus Eine war, ob er überhaupt ein ſchlecht hin un mythe logifcher, alles Mythologiſche von ſich ausſchließender fern munfte.

Man wird freilich fragen, was dieſer der Menfchheit gemeinfcheft- liche Gott denn anders habe ſeyn können, als ber wahrhaft Eine un ein noch völlig unmythologifcher; und auf die Beantwortung diefer Frage fommt e8 nun eigentlih an: durch fie hoffen wir eine Baſis zu ge winnen, auf welche fich nicht mehr bloß hypothetiſche, ſondern kategoriſche Schlüffe über ven Urfprung der Mythologie bauen Iaffen.

Ich werde aber auf diefe Frage nicht antworten können, obme-tiefer, als es bis jett geichehen und bis jeßt auch nöthig geweſen ift, im bie Natur des Polytheismus, der doch erſt mit ber religiöfen Grklärug für ums zur Hauptfrage geworben ift, einzubringen.

Hier wollen wir denn auf einen Unterfchied im Polytheismus felhk aufmerffjam machen, der in allen bisher vorgefommenen Erklärungen übergangen war, auf ben eben darum auch wir feine Rüdjicht genommen, ber aber jegt zım Sprache kommen muß.

Keinem nämlih, der darauf hingewiefen wird, lann es entgehen, daß ein großer Unterſchied ift zwifchen dem Polytheismus, welcher ent: jteht, wenn zwar eine größere ober Feinere Anzahl von Göttern ge: dacht ijt, aber die einem und demſelben Gott als ihrem höchften und herrſchenden untergeordnet find, und zwijchen bem, welcher ent- fteht, wenn mehrere ©ötter angenommen find, aber deren jeber in einer gewifjen Zeit ver höchſte und herrſchende ift, und bie daher einonder nur folgen können. Denken wir uns, bie griechijche Götter: gefchichte hätte ftatt der drei Göttergeſchlechter, die fie aufeinander folgen läßt, nur ein einziges, etwa das des Zeus, fo wüßte fie auch nur von miteinander gleichzeitigen und coeriftirenden Göttern, die ſich alle in Zeus als ihre gemeinfchaftliche Einheit auflösten, fie wüßte nur von fimultanem Polytheismus. Nun bat fie aber drei Götter Spiteme, und in jedem ift Ein Gott der höchſte, in dem erften Utanos, in bem zweiten Kronos, in bem britten Zeus. Dieſe brei Götter alfe können nicht gleichzeitige, fondern nur ſich gegenfeitig ansfdliei: jende und daher in der Zeit aufeinander folgende feyn. Cr

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lang Uranos herrſcht, kann Kronos nicht herrichen, und foll Zeus zur Herrſchaft gelangen, muß Kronos in bie Bergangenheit zurücktreten. Dielen Polytheismus aljo werben wir den fucceffiven nennen.

Nun ift aber auch fogleich Folgendes einzufehen. Durch die zweite Art allein ift die Einheit, oder, um e8 ganz beftimmt auszubräden, die Einzigfeit des Gottes entjchieven aufgehoben: ver fuccefjive Poly- theismus erft ift der wahre, der eigentliche. Denn was die Götter betrifft, die einem höchſten gemeinfchaftlich unterworfen find, fo find fie zwar biefem, wenn man will, gleichzeitige, aber darum nicht gleiche; fie ſind in ihm; er iſt außer ihnen; er ift ver fie begreifenbe, aber nicht von ihnen begriffene; er- zählt nicht zu ihnen und 'ift, wenn aud) nur als ihre emanative Urſache gebracht, wenigftens ber Nytur und dem Weſen nad eher denn fie. Die Vielheit der andern berührt ihn nieht, ex ift immer der Eine, feines Gleichen nicht kennende, denn fein Unterfchied von ihnen ift nicht ein -Unterfchiev der bloßen In⸗ divibualität, wie der zwiſchen ihnen felbft, ſondern ein Unterſchied der ganzen Art (differentis totius generis);- bier ift fein wirflicher Po— Intheismus, denn alles löst fich zulegt wieder in Einheit auf, over ein Polytheismus nur etwa jo, wie auch bie jüdiſche Theologie die Engel ebenfalls Elohim (Götter) nennt, ohne zu fürdten, daß ver Einzigkeit des Gottes, deſſen bloße Diener und Werkzeuge fie ind, dadurch zu nahe getreten werbe. Bier ift zwar Göttervielheit aber feine Viel⸗ götterei. Diefe entjteht erft, wem mehrere höchſte und fo weit fi) gleiche Götter aufeinander folgen, die nicht wieder in eine höhere Einheit fich auflöfen können. Diefen Unterfchie zwifchen Göttervielheit und Bielgötterei müfjen wir alſo genau feithalten, um übrigens jegt zu ber Sache, m die es engentlich zu thun ift, überzugehen.

Dentt Sie .begteifen jogleih und ohne Erinnerung, daß dieſe beiden Arten von Bolytheismus ein fehr verfchiedenes Berhältniß zu jeder Er- Härung haben. ragt man, welcher von beiden hauptfählih Er- Märung fordert, fo ift es offenbar der ſucceſſive; Diefer ift das Räthſel, hier liegt die Frage, aber eben darum auch ver Auffchluß. Der fimultane it allerdings ganz leicht und einfach durch das bloße Auseinandergehen

einer urſprünglichen Einheit zu begreifen, nicht ebenfo leicht auf biefelbe Weife der fucceffive, kaum wenigftens ohne Fünfliche umb erzwungene Nebenannahmen. .

Der fucceflive kommt and darum auerft in Betracht, weil er über jeven fimultanen binausreicht, und alfo im Ganzen den fimnkitane ei ſchließt, während er felbft der abſolut und ‚frei baftehenbe if.

Nun wollen wir uns aber anfrichtig geftehen, daß durch alles bi— ber in dieſer ganzen Verhandlung - Borgelommene nicht das Geringfe gefchehen ift fin die Erklärung des ſnccefſiven Polytheisums, wm wir gewiffermaßen in ver Lage find, ganz von vom anzufangen, indem wir fragen: Wie ift Bielgätterei zu begreifen? .

Aber fowie wir die Unterfuhung nır aufnehmen, wird uns Kar, tag wir mit biefer Frage auf einem ganz andern Boden und Gebiet, dent der Wirklichkeit ftehen, und daß wir einer Wahrheit uns nähern, vor der alle bloßen Hypotheſen wie Nebel vor der Sonne: verjchwinden müffen.

Nach der griechiichen Theogonie (fie erzählt es wenigftens fo) gab ed alfo einmal eine Zeit, wo allein Uranos herrſchte. Sollte num dieß eine bloße Gabel, auch etwas rein Erdachtes und Erfundenes fen? Hat es nicht vielleicht wirklich eine Zeit gegeben, wo bloß ber Gott det Himmels verehrt wurde, wo man von einem andern, von einem Zee, und felbft von einem Kronos nichts wußte, und ift nicht anf dieſe Weile vie vollendete Göttergefchichte zugleich die hiftorifche Urkunde ihrer eige nen Entftehung? werden wir biefer gegenüber noch glaublicy finden, die Mythologie ſey auf einmal durch Erfindung eines einzelnen ober weni- ger einzelnen, ober (die andere Hypotheſe) durch das bloße Auseinander⸗ gehen einer Einheit entflanden, woraus im .beiten Fall nur ein ſimml⸗ taner Polytheismus, ein bloßes ftationäres Nebeneinanver, im lebten Reſultat nur ein umerfreuliches Alleinerlei hervorgehen Bönnte, nicht bie lebendige Aufeinanderfolge ver beweglichen vieltönigen, weil reichgeglie derten Mythologie ?

Urtheilen wir richtig, fo ift gerade das Succeſſive in der Mytho logie das, worin das Wirkliche, das wirklich Geſchichtliche, alfo and

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das Wirfliche, die Wahrheit verfelben überhaupt liegt; wir befinden uns mit demfelben anf hiſtoriſchem Grund, auf dem Boden des wirk⸗ chen Hergangs.

Daß es die wirfliche Gefchichte ihrer Entftehung ift, welche die Mythologie in der Aufeinanderfolge ihrer Götter bewahrt hat, wird vollends unwiderſprechlich, wenn man die Mythologien verſchiedener Böller miteinander vergleicht. Hier zeigt ſich, daß die Götterlehre, welche in den Mythologien der fpäteren Völker nur noch als vergan- gene vorlommen, die wirklichen und gegenwärtigen ber früheren waren, ſowie umgelehrt, daß bie herrſchenden Götter der früheren Bölfer in die Mythologien ver ſpäteren nur als Momente der Vergan⸗ genheit aufgenommen find. So erft wirb bie oft erwähnte Ueberein⸗ ſtimmung richtig aufgefafft und erflärt. In dem vornehmften, wir wür⸗ ben richtiger fagen in dem ausſchließlich herrſchenden Gott der Phönilier erfennen bie Hellenen mit der beftimmteften Gewißheit den Kronos ihrer eigenen Göttergefchichte und nennen ihn auch fo; man hat leicht bie Unterfchiede zwifchen dem phönikifhen Gott und dem griechifchen zu zeigen, um damit zu beweifen, daß diefer in feinem Bezug (Berwanbt- ſchaft) mit jenem fteht, aber alle dieſe Unterſchiede werden durch ben einen volllonmen erklärt, daß in der phönikiſchen Mythologie Kronos noch der allein herrfchenve, in ber hellenifchen der verbrängte und von einem fpätern Gott bereit3 überwundene ift, Kronos in jener der gegenwärtige, in biefer nur noch ber vergangene ift, Wie fonnten aber die Hellenen in dem phänikifchen ihren Gott erkennen, wenn nicht ſie ſelbſt ihres Kronos als einer wirklichen, nicht bloß vorgeſtellten und fingirten Ver⸗ gangenheit ſich bewußt waren?

Welche unnstärlihe Erflärungen würden erſt entftanden ſeyn, hätten bie früheren Hypotheſen ſich nicht damit begnügt, nur den Polytheismus überhaupt, auftatt vorzüglich und zuerft ven geſchichtlichen, zu er- Hören. Eine ſolche Yolge der Götter kann nicht bloß imaginirt, fie kann nicht erbichtet feyn; wer fi oder andern einen Gott macht, macht fi) und andern wenigftens einen gegenwärtigen. Es geht gegen die Natur, daß etwas gleich ale vergangen gefegt werbe; zum

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Bergangenen kann alles nur werben, es muß alfo erft gegenwärtig ge weſen feyn; was ich als Bergangenes empfinden fol, muß ich erſt als ein Öegenmwärtiges empfunden haben. Was nie Realität für un® hatte, fann uns nit zur Stufe, nicht zum Moment werben; ver frühere Gott muß aber wirflih als Stufe, ald Moment feftgehalten werben, font könnte Fein fuccefjiver Polytheismus entftehen; einmal muß er bat Bewußtſeyn beherrſcht und fogar ganz eingenonmen haben; und wem er verfchwunden ift, durfte er nicht ohne Wiverftand und Kampf ver: ſchwinden, denn fonft wäre er nicht behalten worben:

Nähmen wir, um das Aeußerſte zu verjuchen, fogar an, es hätte ein welterflärenver Philofoph ver Urzeit die Bemerkung gemacht, daß bie Welt, wie fie ift, nicht durch eine einzige Urfache. erklärbar ſey, wu nicht ohne eine gewilje Aufeinanverfolge von wirkenden Mächten over Potenzen babe entftehen können, in welcher je die eine ber andern zu Grund gelegt worden, und er habe demgemäß auch eine entjprechente Folge folder Urfachen, vie er als Berfönlichkeiten vorgeftellt, im feine Kosmogonie aufgenommen: fo würde, melden Erfolg wir. übrigens feiner Erfindung geben mögen, für bloß als vergangen gebadıte und vorgeftellte Götter nie jene religiöfe Scheu und Ehrfurcht entftanden feyn, mit ter wir nicht nur in ber griechiſchen Mythologie, ſondern felbft in der griechifchen Poefie und Kunft, den Kronos umgeben finden. Dieſe veligiöfen Schauer für einen übrigens jett ohnmächtigen Gott find Feine bloße poetifhe Lüge, fie find wirklich empfundene, und aud) nur darum etwas wahrhaft Poetiihes; wirflih empfunden Fonnten fie aber nur feyu, wenn dem Bewußtfeyn eine Erinnerumg des Gottes ge blieben, wenn ihm in Folge ftetiger und ununterbrodyener Weberlieferung von Geſchlecht zu Geſchlecht auch jet noch immer eingeprägt, daß bieler Gott einft, wenn auch vor jegt undenflicher Zeit, wirklich geherrſcht hatte.

Allerdings hat die Mythologie keine Realität außer dem Bewußt jeyn; aber wenn fie nur in Beftimmungen deſſelben, alfo im Borfte- lungen verläuft, fo kann doch diefer Verlauf, dieſe Succeffion von VBorftellungen felbft, dieſe kann nicht wieder als eine folche bloß vorgeftellt fern, dieſe muß wirklich ftattgehabt, int Bewußtfeyn

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wirllich fich ereignet haben; dieſe ift nidyt von der Mythologie, ſondern umgelebrt die Mythologie ift von ihr gemacht; denn die Mythologie ift eben nur das Ganze biefer Götterlehren, vie ſich wirklich gefolgt fint, und fie ift alfo durch dieſe Folge entſtanden.

Gerade weil die Götter bloß in BVorftellungen eriftiren, kann ver ſucceſſive Polytheismus nur dadurch wirflid werben, daß im Bewußt⸗ ſeyn erſt ein Gott geſetzt iſt, an deſſen Stelle ein anderer tritt, der ihn nicht ſchlechthin aufhebt (da würde das Bewußtſeyn auch auf- hören von ihm zu wiſſen), aber der ihn wenigſtens aus der Gegenwart in die Bergangenheit zuräd, und nicht ber Gottheit überhaupt, wohl aber ver ausſchließlichen, entſetzt. Hiemit ift eben nur, was man fo oft rühmen hört, aber fo felten wirklich findet, vie reine Thatſache aus- geiprochen; die Thatſache ift nicht erſchloſſen, fie liegt im fucceffiven Bolytheismns felbft vor. Wir erflären nicht, warum jener erfte ein folder ift, daß ein anderer ihm folgt, nicht, nad) weldyem Geſetz diejer ihm folgt; dieß alles bleibt dahingeftellt, nur als Thatſache wird be- hauptet, daß es fo geweſen, daß die Mythologie, wie fie felbft zeigt, anf diefe Weife nit durch Erfindung, nicht durch ein Ausein- andergehen, ſondern durch eine Folge entſtanden iſt, die im Bewußtſeyn wirklich ſtattgehabt hat.

Die Mythologie iſt feine bloß als fncceffiv vorgeftellte Götterlehre. Ein Kampf zwiſchen ven aufeinander folgenden Göttern, wie ex in der Theogonie vorkommt, würde fi) unter den mythologifchen Borftellungen gar nicht finden, wenn er nicht im Bewußtſeyn der Böl- fer, vie von ihm wiffen, und infoferne im Bewußtſeyn der Menſchheit, von ber jedes Boll ein Theil ift, wirklich ftattgefunden hätte. Der fncceffive Polytheismus ift nur zu erffären, indem man annimmt, das Bewußtſeyn ber Menſchheit Habe nacheinander in allen Momenten ves- felben wirklich verweilt. Die aufeinander folgenden Götter haben fih des Bewußtſeyns wirklich nacheinander bemädtigt. Die Mytho— logie als Göttergefhichte, alfo die eigentlihe Mythologie, konnte fid mw im Leben felbft erzeugen, fie mußte etwas Erlebteg und Er- fahrenes ſeyn.

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Indem ich die legten Worte ausfpreche, gereicht es mir zum Freude zu bemerken, daß diefelben Ausdrücke wenigftens in einer feiner gelegen heitlihen Aeuferungen au von Ereuzer in Bezug auf die Mythologie gebraucht worden find. Offenbar bat Hier der natürliche Eindruck über eine vorgefaßte Annahme geflegt, und wenn wir dem geiftuollen Mam in Unfehung des Formellen feiner Erklärung zum Theil wiberfpredien, fo machen wir nur gegen ihn geltend, was er im richtigften und wahr» ften Gefühl feleft ausgeſprochen.

Niemand kann verfennen, daß eine Succeffion von Borftellungen, durch die das Bewußtſeyn wirklich hindurch gegangen ift, bie einzige naturgemäße Erflärung des müthologifchen Polytheismus iſt.

Gehen wir nun mit diefer Einſicht auf die Hauptfrage zuräd, ui deren willen biefe ganze legte Erörterung ſtattgehabt hat, auf bie Frage, welche zu willen verlangt, ob jener dem ganzen Menſchengeſchlechte ge meinfame Gott nothwendig der unbedingt-Eine und daher ganz m- mythologiſche ſeyn mußte, fo fehen Sie von felbft, daß dieß feine nothwendige Folge it, und tie Wirkung, fowohl was das Zuſammen⸗ halten al8 was die nachherige Trennung betrifft, wenigften® ganz eben- jo erreicht wird, wenn auch diefer Gott bloß das erfte, nur noch nicht als folches erflärte und erkannte Element einer Götterfolge, d. h. eines fuccefjiven Polytheismus, if. Denken Sie fi viefen im Bewußtſeyn zuerft erfcheinenden Gott = A, fo ahndet das Bewußtjſeyn nicht, daß ihm ein zweiter = B bevorftehe, der erft neben, bald über ven erften ſich ftellen wird. Diefer ift alſo bis jeßt nicht nur über: haupt, fondern er ift in einem Sinn der Eine, in welchen es leiu folgender wieder ſeyn kann. Denn dem Gott B ift im Bewußtſeyn der Gott A, dem Gott C (denn es ift Urfache anzunehmen, daß ber zweite, ber ben erften verbrängt, nur einem britten ven Weg bahne), dem britten affo, wenn er fi anmeldet, find A und B im Bewußtſeyn bereite vorandgegangen. Aber ver Gott A ift ter, Bor dem fein anderer war, und nad dem fo ftellt es ſich das Bewußtfeyn vor kein anderer ſeyn wird; er ift ihm alfo nicht- ver bloß zufällig, fonbern in ber That ver fhlehthin, ver unbebingt-Eine. Noch ift keine Bielgoͤtterei

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im jegt beftimmten Sinn des Wortes. Verfteht man daher unter Monotheigmns nur das Gegentheil von Bielgötterei, fo ift im Bewußt⸗ ſeyn no wirklich Monotheismus; aber es ift leicht einzufehen, daß biefer zwar für die in ihm begriffene Menſchheit abfoluter ift, an fih und für uns aber bloß relativer. Denn ber abfolut-&ine Gott it der, welcher auch nicht die Möglichkeit anderer Götter außer fid zuläßt, ber bloß. relativ=einzige ber, welcher nur wirklich feinen andern vor, neben oder nad) fih hat. Es :ift ganz bieher anwendbar, was Hermann jcharffinnig bemerkt: Kine Lehre, welche bloß zufällig nur Einen Gott Tennt, ift ver Sache nad wahrer Polytheismus, weil fie die Möglichkeit anderer Götter nicht aufhebt, und nur darım bloß. von Einem weiß, weil fie von andern, oder wie wir zunächft fagen - würben, von einem andern, noch nicht gehört hat!. Bon unferm Gott A werben wir alfo fagen: Er ift für bie Menfchheit, folange fie von einem zweiten nicht weiß, ein volllommen unmythologiſcher, wie in jeder Aufeinanberfolge, beren Elemente wir durch A, B, O, bezeichnen, A erft ein Glied verfelben ift, wenn ihm B wirklich folgt. Ein mytholo- . gifcher Gott ift der, welcher Glied einer Göttergefchichte ift; der angenom- mene Gott ift bieß noch sicht wirklich, aber er ift darum nicht ein feiner Ratır nad) unmpthologifcher, wiewohl er ein folcher feheinen kann, folahge der andere ſich nicht anfünbigt, ber ihn feiner Abſolutheit entſetzen wird.

Dächten wir uns, mit dein erften Gott, aber ihm untergeorb- - net, fogar ein Syſtem von Göttern gefekt, fo würde damit zwar eine Göttervielheit, aber noch immer keine Bielgötterei geſetzt feyn, und aud die Götter diefes Syſtems könnten noch. immer der ganzen Menſchheit gemeinfchaftlich ſeyn; denn fie find noch“ nicht verſchiedenartige Götter, wie z. B. in ber griechiſchen Theogonie bie Uranos- die Kro⸗ nos⸗, die Zeus» Götter verfchievenartige find; fle find durchaus Götter von einerlei Art. Jedes Element, das Fein anderes außer fi bat, - von dem es beftimmt wird, bleibt immer und nothwendig ſich felbft gleich. Aendert ſich der herrſchende Gott nicht, fo können auch die ihm

' lieber das Weſen unb die Behandlung d. M. ©. 37.

untergeorvneten fich nicht ändern, und weil fie ſtets dieſelben bleiben, Können fie auch nicht für Verſchiedene verfchiedene unt andere fegn, alle nicht aufhören, die allen gemeinfchaftlichen zu feg..

Das bisher Vorgetragene ift num bereit hinreichend ‚zum Veweit, daß, um fowohl vie urſprüngliche Einheit als das nachfolgende Antein- anvergeben ver Menſchheit zu erflären, ein abſoluter Monotbeisumt, ein Gott, der ſchlechthin ver Eine ift, außer dem fein anderer jan fann, wenigftens nicht notbwendig ift; da aber nur bie eine ton beiden Borausfegungen die wahre fen kann, fo tft es unmöglich be dieſem Ergebniß ftehen zu bleiben. Wir müflen zwifchen beiden’ ex- fcheiten und daher unterfudyen, -ob nicht der relative Monotheisums fe gar beides (die Einheit und das Auseinanvergehen) befier als ber ab- folute, oder vielleicht fogar allein erft wirklich erflärt. Wir ſehen ung damit noch einmal auf vie VBölferentftehung zurüdgeführt. Die eben gefundene Unterfcheidung eines abfoluten und eine® relativen Monotheit- mus, ber aber eine Zeit lang als abfolut erfcheinen Tann, zeigt um8, daß in der erften Entwidlung noch eine Unbeftimmtbeit lag; denn un einer Unterfuhung wie diefe kann man überhaupt nur ſchrittweiſe gehen, alles jederzeit nur ausſprechen, foweit e8 an tiefem Punkt ber Ent- wicklung ſich darftellt. Diefer ganze Vortrag ift ein ftetig im allen feinen Theilen gleihmäßig wachſender und fortfchreitenver, vie Erkenntniß, bie er bezwedt, nicht für vollendet zu erachten, ehe ver letzte Zug hinzugefügt üt.

Als die Frage: wie entftanden Völker? zuerft von meinem Hörfeale aus in weitere Kreiſe fidy verbreitete, fand fie zum Theil eine Aufnahme, die deutlich zeigte, wie neu und unerwartet fie vielen jey, und ich habe feitvem noch mehr ©elegenheit gehabt, zu ſehen, wie wenig Eis dahin an die erften Elemente einer philofophifhen Ethnologie, melde eine allgemeine Ethnogonie voransjegt, gedacht worden. Es war wuflid fo, wie ich in ber legten Borlefung fagte, den meiften fchien vie Er: Märung überflüſſig, es bedürfe keiner befonveren Urfache, Völker entftehen von ſelbſt. Sollte auf dem: gegenwärtigen Standpunkt, nachdem bie Bölfertrennung als eine geiftige Krifis erfannt ift, mit biefem Bonfelbft- entftehen noch ein Gedanke verbimben fen, fo müßte man annehmen,

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vie geiftigen Differenzen, welche nachher durch die Verfchiebenheiten der Bölfer und bie abweichenden Götterlehren offenbar geworben, haben in ver urfprünglichen Dienfchheit wirkungslos und verborgen gelegen, und et mit den immer weiter ſich verzweigenden Generationen feyen fie zur Aengerung und Entwidlung gelangt. Bier wäre alfo als einziger Be- ſtimmungsgrund die immer zunehmende Entfernung vom Mittelpunft ver gemeinfchaftlichen Abftammung angenommen. Sft ein gewiſſer Punkt verfelben erreicht, fo treten jene Differenzen in Wirkſamkeit. Auf viefe Weile entftehen dann Völlker allerdings durch vie bloße Zeit. Aber faun dabei noch von irgend einer Gefegmäßigkeit tie Rede fen? oder wer getraut ſich zu fagen, in ber wievielten Generation, bei welchem Punkt ver, Entfernung von dem gemeinichaftlihen Stammvater, bie Tifferenzen jene Gewalt erlangt hätten, welche nöthig war, die Bölfer zu trennen? Aber damit über ein fo großes Ereigniß nicht der bloße Zufall malte, vie Entwidlung in einer ven Verſtande einleuchtenven Ordnung erfolge, non sine numine geſchehe, kann vie Dauer, melde wir der Zeit der volllommenen Homogenität des Menſchengeſchlechts zu- ſchreiben muſſen, nicht etwas bloß Zufälliges, fie muß durch ein Prin⸗ cip gleichſam gewährleiſtet ſeyn, durch eine Macht, ‚welche vie höhern Entwicklungen, die der Menfchheit bevorftehen und in ter Folge andere als jene bloß natürlichen Unterfchieve ımter ihr einführen werben, anf» uud zurüdhäl. Bon dieſer Macht, einmal eingefeßt, zu fagen, daß fie ihre Gewalt durch die bloße Länge ver Zeit verliere, ift unftatt- haft: verliert fie diefelbe, fo bebarf e8 tazu eines aubern, von ihr mobhängigen, eines wirklichen zweiten Princips, das fle erft erfchüttert, endlich ganz überwindet. Die Entftehung von Bölfern ift nicht etwas, das eine ruhige Folge aus zuver beftandenen Verhältniſſen von felbft berbeiführt, fie ift etwas, woburd eine frühere Orbnung der Dinge unterbrochen umd eine ganz nene eingefegt wird. ‘Der Uebergang von jenem homogenen Seyn zu bem höheren und entwidelteren, wo ſchon Bölter, d. h. Ganze von geiftigen Unterfchieven, ſind, macht ſich jo wenig von jelbft, als 3. B. der Mebergang von der unorganifhen zur organi«

ſchen Ratur, mit dem jener allerdings vergleichbar ift. ‘Denn wenn im Schelling, fammtl. Werke. 2. Abtb. 1. 9

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nn

Reiche des Unorganiſchen alle Körper noch in der gemeinfamen Schwere ruhen, und felbft Wärme, Clectricität und alles dem Achnliche ihnen noch gemein ift, fo entftehen mit den organifchen Weſen felbflänvige Mittelpuntte, für fid) ſeyende Weſen, vie dieß alles al® eigenes befiten, und die Schwere felbft, die fie in ihre Gewalt befommen haben, ale freie Bewegungskraft benugen.

Tas Princip, das die Menſchheit in der Einheit erhielt, fonnte demnach Fein abfolutes, e8 mußte ein ſolches ſeyn, dem eim anderes folgen konnte, von dem es bewegt, verwandelt, zuletzt gar bewältigt wurde,

Sowie nun aber dieſes zweite Princip feine Wirkung auf bie Menfchheit zu äußern anfängt, werben allervings wie mit-einem Schlag alle vermöge jenes Verhältniſſes in der Menſchheit möglichen Unterichiete, aber die einen als näher, die andern als entfernter mögliche, geſetzt jenn, Unterfchiebe, von denen zuvor feine Spur vorhanden war. ‘Der Grat biefer Unterfchiere liegt zunächſt darin, taß der bis jegt umbewegliche Gott (A), fewie er von einem zweiten Beftimmungen anzunehmen ge: nöthigt ift, nicht berfelbe bleiben, in Conflikt mit diefem "nicht umbin kann, von Geftalt zu Geftalt fortzugehen, erft eine, dann bie andere anzunehmen, je nachdem der zweite Gott (B) über ihn Macht bekommen. Wohl möglih, daß felbft jene Götter der griehifchen Theogonie, bie wir bis jegt als Beiſpiel aufeinander folgender betrachteten (Uranes, Kronos, Zeus) nur foldhe verjhiedene fuccefjiv angenommene Geftalten des einen ober des erften Gottes find, und’ daß ber zweite, ver ihn nöthigt durch dieſe Geftalten hindurchzugehen, ein ganz außer biefen ftehenver ift, defien Name bis jegt nicht genannt worden. Iſt aber einmal die erfte Geftalt des Gottes geſetzt, fo find die folgenden, nur als entferntere Möglichkeiten, ebenfalls gefeßt. Den verfchiedenen Ge⸗ ftalten des Gottes entſprechen ebenſo verfchievene, materiell differirende Götterlehren, die alfo mit der Erfcheinung des zweiten Principe eben falls ſchon alle potentiell vorhanden find, obſchon fie nicht alle zugleich, fondern nur in dem Berhältniß wirklich hervortreten können, als ver in fortwährender Ueberwindung begriffene, die Menſchheit noch immer on

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fih haltende Gott es nachgibt oder zuläßt. Den verſchiedenen Götter⸗ lehren entſprechen bie verſchiedenen Völker; auch dieſe alſo find mit dem Eintreten der zweiten Urſache potentiell ſchon vorhanden, wenn ſie gleich nicht alle auf einmal, ſondern nur in gemeſſener Felge in tie Wirklich: feit treten. Durch das Succefiive im Polytheismus find die Völfer zugleich hinſichtlich ihrer Erſcheinung, ihres Eintretens in bie Geſchichte, auseinander gehalten. Bis der Moment gelommen, ven es repräfentiren fol, bleibt jenes Volk in potentiellem Zuftand als Theil der noch unent« ſchiedenen, obwohl zur Auflöfung in Bölfer beftimmten Menſchheit zurück, wie wir gefehen, daß bie Pelasger, ehe. fie Hellenen wurden, in einem ſolchen umentfhhiedenen Zuſtand fich verhielten. Ta aber die Krifis, welche vie Wirkung ber zweiten Urfache ift, eine allgemeine, über bie ganze Menfchheit fi erſtredende ift, fo geht auch das für eine fpätere Zeit und einer fpäteren Entſcheidung vorbehaltene Volt durch alle Mo⸗ mente binburdh, zwar nicht als wirkliches Voll, aber als Theil der noch unentfchievenen Dienfchheit: Nur auf dieſe Weife ift es möglich, daß die an verfchiebene Völker vertheilten Momente im Bewußtſeyn des letzten . fi zur vollendeten Mythologie vereinigen.

Sie fehen: der Hergang ber Entftehung, ſowohl der verſchiedenen Götterlehren, als der ihnen parallelen Bälfer, gewinnt durch diefe An- fiht einer Bewegung, die vom relativen Monotheismus ausgeht, eine ganz anbere und beſtimmtere Geftalt, als durch das bloße Auseinanber- gehen eines urſprünglichen Monotheismus erreichbar wäre, Weberzeugen Sie fi, daß unfere Unterſuchung fortfchreitet; wir —22 nicht mehr bloß Bolker überhaupt, wie früher, ſondern auch ihr ſuccefſiwes Erſchei⸗ nen. - Auf einen möglichen Einwand wollen wir indeß noch Rädfict nehmen- Dan Lönnte fagen: Die Differenzen ober unterſcheidenden Charaktere, die wir erft bei den Bölkern annehmen, fenen ſchon bei den Stämmen; denn wenn man die alte von. den brei Söhnen Roche, Sem, Cham, Japhet, hergenommene Gintheilung, bie noch jest ſich bewährt,: beibehalte, fe. wmterfcheiden fidh.z. Mp die Semiten von ben Saphetiten dadurch, baffle im Allgemeinen ver Urreligion näher blieben, diefe fich weiter von ihre entfernt haben; vielleicht Tiege dieß ſchon in ben

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Namen, fehr wahrfcheinlich wenigftens in tem ber Japhetiten, der viel- leicht ebenfo vie höchfte Ausbreitung oder Entfaltung des Polythersums, wie die weitefte geographifche Verbreitung vorbebentet. Dieſer Unterfchiet, den man ſich als einen fchon mit der Stammverſchiedenheit gegebenen denken müfle, wiberfpreche ter angenommenen volllommenen Homegenität des Menſchengeſchlechts. Darauf ift zu antworten: Zuerft mußte bie Möglichkeit fi ven der Urreligion zu entfernen, überhaupt gegeben feyn, ehe jener Unterſchied irgendwie vorhanden ſeyn konnte. Diele Möglichkeit entſtand erſt mit der Erſcheinung bes zweiten Priucipt, vor derſelben iſt der angenommene Unterſchied nicht einmal in der Möglichkeit ſich zu äußern, und wenn man möglich nennt, was fich äußern fann, nicht einmal möglich, Tiefe geiftige Bedeutung erbal- ten die Stämme erft durch den Erfolg, und im Widerſpruch -mit ter gewöhnlichen Annahme müſſen wir fagen; mit tiefer Bedeutung find hie Stämme felbft erjt ta, wenn die Völker da find; ja wenn bie angegebene Nanıenbebeutung richtig ift, fo erhielten die Stämme dieſe Namen erfl, nachdem fie zu Völkern geworben waren.

Nur ter relative Monotheismus erklärt alfo tie Völkerentſtehung nicht bloß im Allgemeinen, fondern, wie wir jett gefehen, auch in ihren befondern Umftänben, namentlich das Succeſſive im Erfcheinen ver Völler. Noch aber ift etwas zurüd, von dem wir früher geftehen mußten, daß es fi mit den damals erlangten Begriffen nicht volllommen aufklären lafje: nämlich die mit der Entjtehung der Völker unzerfrennlich verknüpfte Entftehung verſchiedener Sprachen die Sprachenverwirrung als Folge einer religidfen Krifis. Sollte num nicht auch dieſer Zufammenhang, ter uns ein von jeiner Auflöfung noch unbeftimmt weit entferntes Problem ſchien, durch die jet erlangte Einficht tem vollftändigen Begreiſen wenig⸗ ſtens um etwas näher gerückt ſeyn?

Wenn es eine Zeit gab, in welcher, wie das Alte Teſtament ſagt, alle Welt nur einerlei Zunge und Sprache hatte und wir ſehen ſo wenig ein, wie wir dieſer Annahme uns erwehren ſollen, als der andern, daß es eine Zeit gab, mo keine Völker waren —, fo werben wir eine ſolche Unbeweglichkeit der Sprache auch nicht anders begreifen können,

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al indem wir uns benfen, daß die Sprache in jener Zeit nur von Einem Princip beherrſcht wurde, das, felbft unbeweglich, jede Witeration auh von ihr fern⸗, alfo fie auf ver Stufe einer Subftantialität tefthielt, wie ber erfte Gott A reine Eubftanz und erft durch den zweiten B acciventelle Beſtimmungen anzunehmen gendthigt if. War es mun em Brincip, und unftreitig ein geifliges, durch das die Sprache auf tiefer Stufe zurückgehalten wurde, fo begreift e8 ſich ſchon an fich leichter, wie zwifchen dieſem Princip der Sprache. und dem religiöfen Princip, das un derſelben Zeit nicht einen Theil des Bewußtſeyns, fondern das ganze eimahm und beherrfchte, ein Zuſammenhang war und fogar ſeyn mußte. Tenn die Sprache fonnte nur dem Gott gleichen, von dem das Bewußt⸗ ſeyn erfüllt war. Aber nım kommt ein neues Princip, von dem jenes erfte auch als die Sprache beftimmendes afficirt, umgewandelt, zulegt un« kenntlich gemacht ımb in bie Tiefe ‚zurlidgeprängt wird. Jetzt, wenn bie Sprache von zwei Principien beftimmt ift, finb nicht bloß materielle Ber- ſchiedenheiten verfelben, vie fich in Maſſe bervorbrängen, unvermeidlich, ſondern, je nachdem die Wirkung des zweiten umwandelnden Princips tiefer oder oberflächlicher einbringt, alfo die Sprache ihren fubftantiellen Charakter mebr over weniger verliert, erfcheinen nicht mehr bloß materiell, ſondern auch formell in. Anfehung der Principien fi ausſchließende Spraden.

So viel läßt fih einfehen, ohne och die wirflihen Grundverfchie- benheiten der Spracde in näheren Betracht gezogen zu haben.

Num bitte ih Sie aber, Folgenves hinzuzunebmen. Sind unfere Boransfegungen gegründet, fo wird die Meufchheit vom relativen Mono» theismns ober von Eingötterei (bier ift das fonft, und wie es che- mals gebraucht wurde, "völlig unftatthafte Wort ganz an feiner Stelle) durch Zweigötterei (Dytheismus) zur entſchiedenen Vielgötterei (Polytheis- mus) fortfchreiten. Aber verfelbe Fortſchritt ift in den Principien der Sprachen, die von urfprünglihem Monoſyllabismus durch Dyſyllabismus zu ganz entfefjeltem Polyfyllabismus fortgehen.

Dear Monofullabisums erhält das Wort in feiner reinen Subftanz, und da, wo er felbft 48 Princip erfcheint, werben wir nicht umhin fönnen, ein feſthaltendes, alle zufälligen Beſtimmungen abweifeutee

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Brincip vorauszufegen. Doch wir hören ven Einwurf, es gebe fein eigene monoſyllabiſche Sprache. Es ift wahr: wir kennen. nur ein Sprachſyſtem, in melden Monoſyllabismus waltet, das chinefifce, und biefem hat der Mann, ver bis vor Kurzem als ver größte Kemer chineſiſcher Sprache und Fiteratur gegolten (Abel Remufat'), den mon follabifchen Charakter beftreiten zu müſſen geglaubt. Sehen wir indeß genauer zu, fo bat ſich der gelehrte Mann hiezu vorzüglich nur durch die Meinung bewegen laflen, es werde, mit jener Annahme dem Bolt und der Sprache, um beren Kenntniß er fich fo verbient gemacht, ein Makel von Barbarei angehängt. Hierüber nım getrauten wir uns ihn völlig zu beruhigen; es ift.nicht unfere Meinung, daß ber. Zuſtand, in dem das Bewußtfeyn nur von Einem Princip beherrſcht wurde, ein Zu⸗ ftand von Barbarei gewefen; und was feine aus der Sprache feltft beigebrachten Inſtanzen betrifft, würde es für ihn felbft vielleicht nur biefer Beruhigung bebürfen, um an ihrer Beweiskraft zweifelhaft zu werben. Die Hauptfache möchte in Folgendem enthalten feyn: Die Be nennung einfylbig babe feinen Sinn, denn verftehe man barumter bie Wurzel, fo feyen alle Spraden ver Welt einfylbig, verftck man aber bie Worte, fo ſeyen es die für gewöhnlich. einſylbig gehaltenen Sprachen nicht mehr als alle anderen, denn bie Worte in biefen ſeyen nichts anders als ein Aggregat von Sylben, die nur getrennt erſcheinen, weil es die Natur der Echriftzeichen in venfelben fo mit fich bringe. Hier ift nun eben jenes falſch, was vorausgeht, es ſeyen Die Wurzeln in allen Spradden der Welt einfylbig. Denn der Dyſyllabismus ber femitifchen ift nichts Zufälliges, er iſt das eigenthümliche Princip verfelben, ein Princip, mit dem eine frühere Schranke durchbrochen wird und eine neue Entwidlung anfängt. Zwar hat man, um fi von dem bequemen Wege, wo jede Erflärung aus Principien vermieten und fo viel möglich alles von Zufälligkeiten abgeleitet wird, nicht abbringen zu laflen, neuerdings wieder (denn ber Verſuch ift fehr alt?) bie femitifchen Sprachen Fundgruben bes Orients B. III. &. 279.

2 Val. Löfcher in dem belannten Werk De causls linguae Helraeae mar längfi vorausgegangen. . |

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auf einſyſlbige Wurzeln zurüdzuführen gejucht, indem man nämlich geltend mechte, daß viele hebräiſche Zeitwörter,. die nur in zweien, ja zuweilen _ me in einem Radikal übereinftimmen, dennoch der Bedeutung nach ſich rerwandt bleibeit; ber dritte Confonant ſey in der Regel nur ein Bu. wachs, und dieſe Erweiterung bes Worts zeige meift nur eine Erwei⸗ teräng ver urfpränglichen Bebeutung bes einfylbigen am. So bebeute ham (eigentlich chamam) im Hebräifchen warmfeyn, warnıwerben, davon naher chamar, rotbjeyn, weil Röthe eine Folge von Erhigung; hamar fey alfo eigentlich nicht Wurzel, fondern dam (das jedoch nur in der Ausſprache einfylbig -erjcheint). Gerade tie erwähnte Thatſache aber, wenn jie ſich durchgängig beftätigen ließe, wide vielmehr zum Beweis dienen, daß der Monoſyllabismus ein wirkliches Princip, und daher bie femitifchen Sprachen diejenigen waren, die ed zu überwinden hatten und nur darum das Ueberwundene nody al8 Spur -over als Moment bewahren.- Für bie japhetiihen Sprachen num aber, alfo 5. 8. bie germaniſche, das Sanscrit, das Griehifche u. |. w., follte man denken, hätte dieſes in Den femitifchen bereits überwundene Princip feine Macht oder Beveutung mehr haben. können. Dagegen ift Das Neuefte, gerade ihre Wurzeln jenen entſchieden monoſyllabiſch, wornach es nur noch eines Schritte bevarf, um den femitifchen Sprachſtamm, wie er jet ift mit. feinen zweifylbigen Wurzeln), für jünger, das Sauscrit aber für älter, ächter, urfprünglicher zu erklären. Ich habe mid, über diefe Umkehrung aller vernünftigen Dronung früher fchon. im Allge- meinen ausgeſprochen, bier wollen wir ung nicht mit der Bemerkung aufhalten, wie ſchwer e8 fcheint, in deutfchen, zumal aber in griechifchen Wörtern, von denen, wenn man fie ihrer acciventellen (grammatifalifchen) Beſtimmungen beraubt, oft nur noch ein Bocal übrig bleibt, Wurzeln zu entveden, während man von ber andern Seite nicht weiß, wie es mit Wörtern zu halten ift, die offenbar auf zweifylbige Wurzeln zurück⸗ weilen, wie &yaxd&o, ba8 mit dem entſprechenden hebräifchen vielleicht wirklich zufammenhängt. Einfacher wird e8 ſeyn, den Grund ber Täu⸗ ihung aufzubeden. Ge. ‚möchte ſich nämlich fo verhalten, daß a) das Ehinefifche nichts als Wurzel, reine Subftanz ift, b) in ven ſemitiſchen

——

das Princip des Monoſyllabismus bereits überwunden, und alſo e) n den japhetiſchen Sprachen der Dyfyllabismus als Gegenfag und der nach als Princip ebenſo verſchwunden iſt. Wer nım bloß das lett ind Auge faßt, wird dadurch verleitet, wieder den Monofyllabtiumt hervorzuſuchen, während ber, welcher den wahren Zuſammenhang ein ſieht, nicht anſtehen wird, zu ſagen, dieſe Sprachen ſeyen in ihcen Princip polyſyllabiſch, weil in ihnen Monofyllabisums und Dyjyllahie mus beide ihre Bedeutung als Princip verloren haben.

Es wird in der Philoſophie der Mythologie ſelbſt Gelegenheit geben, auf biefes Verhältniß zurüdzulommen, und babei zugleich Mißdentungen zu begegnen, wie die feyn würbe, daß unferer Meinung nad) das Chi⸗ nefilche die Urſprache des Dienfchengefchleihts feyn müßte. Aber and auf jenen Parallelismus der fprachlichen und religiöfen Entwicklung werben wir ausführlicher, mit Hinzuziehung neuer, bier nicht zu erörternber Beltimmungen, wie ich hoffe, überzeugend zurüdtommen.

Mögen nun überhaupt bie letzten Ausführungen nur als indirecte Beweiſe gelten für einen bloß relativen Monofheisnus im Bewußtſenn ber urfprünglihen Menfchheit! Eine directe Schlußfolge wird jekt eben dieſe Borausfegung vollends ermweifen und als bie: einzig möglick tarthun.

Iſt der fucceffive Polytheismus etwas, das fi) in der Menfchheit wirklich ereignet hat, d. h. ift die Menſchheit wirklich durch eine folde Folge von Göttern hindurcdhgegangen, al® wir angenommen und hier wollen wir uns erinnern, daß dieß eine unwiderſprechliche Thatſache iſt, jo gut als irgend eine hiftorifch bezeugte —, fo mußte audy irgend ein: malin der Menjchheit ein folher erfter Gott feyn, als unfer Gott A ift, ber, obwohl nur erſtes Element einer fünftigen Succeffion, doch noch nicht als ſolches erſcheint, fontern wirklich nod der unbedingt⸗Eine ift, und daher Über vie Welt den Frieden und die Ruhe einer ungetheilten un unwiderſprochenen Herrſchaft verbreitet. Diefer Friede konnte aber nicht mehr beftehen, ſobald der andere Gott fih anfüntigte, denn mit dieſem war, wie gezeigt, Verwirrung und Zertrennung unvermeiblich gefekt. Wenn wir daher vie Zeit auffuchen, in welcher noch Raum war für

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einen erften Gott, fo ift einleuchtend, daß viefer Raum nicht in ber Zeit der ſchon vollbradgten Trennung zu finden, und taß er felbft in der Uebergangszeit ver eben anfangenden Scheibung nicht mehr zu finden, daß er alfo nur in ber ſchlechthin worgefchichtlichen Zeit zu fuchen ift. Entweder war alfo niemals ein folder erfter Gott, wie unfer Gott A, d. h. es gab nie eine folche wirkliche Aufeinanverfolge, als wir im eigentlichen Bolytheismus erkennen müfjen, ober ein folder Gott Batte im Bewußt⸗ feyn der urfpränglihen, noch völlig ungetrennten Menfchheit geherrfcht. Hiemit ergibt fih nun aber auch das Umgelehrte: ver eine, über tie ftille vorgefchichtliche Zeit herrſchende Gott war zwar ver einzige biß dahin feyende, aber nicht in dem Sinn, daß fein zweiter ihm folgen‘ konnte, fonvern daß ein anderer ihm nur noch nicht wirklich gefolgt war. So weit war er weſentlich (potentia) ſchon ein mythologifcher, obſchon er wirklich (aotu) ein foldyer erft wurde, als ber zweite wirklich fam, und fid zum Seren bes menfhlichen Bewußtſeyns machte, Bergleihen wir diefes Ergebniß mit der Annahme, melde der ent- ſtehenden Bielgötterei eine reine, dem geiftigen Monotheismus ganz nahe- ſtehende Lehre vorausgehen läßt, fo ift um nichts davon zu fagen, daß bie urfprüngliche Einheit des Menſchengeſchlechts weit entfchievener durch eine blinde, von menſchlichem Wollen und Denken unabhängige Macht, als durch Erkenntniß zufammengehalten. war, wie fie mit einem geiftigen Monotheismng verbunden gedacht werben muß, aber ganz unab- hängig davon ift —, je höher durch die Annahme eines geiftigen Mo⸗ notheismus das vormythologiſche Bewußtſeyn geſtellt wird, deſto weniger zu begreifen, zu welchem Ende es zergehen ſollte, da dieſe Verände⸗ rung doch nur (mie der Vertheidiger dieſer Anſicht ſelbſt erklärt) zum

Man ſ. z. B. Creuzer in ber Vorrede zum 1. Theil ber Symbolik und Mythol. 2. Ausgabe, S. 2: „Meinen Hauptfat halte ich in feiner ganzen Aus dehnung feſt. Er ift die Grundlage von einer anfänglich reineren Verehrung und Erkenntniß Eines Gottes, zu welcher Religion fi) alle nachherigen wie die gebrochenen und verblaßten Lichtſtrahlen zum vollen Lichtquell der Eonne verhalten.“

Dan vergl. eine andere Stelle aus den Briefen über Homer und Heſiodos S. 95: „Ich möchte meine Anſicht der Mythologie mit der Hypotheſe der Aſtronomen

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Schlechteren führen konnte. Wie man auch ſonſt vom Polytheisume deut, irgenpiwie mußte er doch Bermittlung einer höheren Erkenntniß, licher gang zu einer größeren Befreiung bes menfchlichen Bernußtfenns fe. Sa viel über-den Grund des Auseinandergehens.

Demnädft kann das Wie, Die Art des Anseinanvergehens i in Be tracht kommen. Creuzer bevient ſich diefe zu erflären eines Gleichniſſel Wie indeß ein Planet in mehrere Heinere auseinander fahre, läßt fid, wenn man einmal annehmen will, daß es mit der Bildung des Well ſyſtems fo tumultwarifch zugehe, allenfall® auf mehr denn eine Weiſe erflären; will man nicht einen allzeit zu Gebot -ftehenden Kometen mit biefem Gefchäft beauftragen, fo gibt es im Innern der Planeten daftifde Flüſſigkeiten, bie ſich befreien, Metalloive, vie mit Waſſer explobiren fönnen; und bei Gelegenheit einer folhen Ausbreitung oder Exrplofien könnte wohl einmal. ein Planet in Stüde gehen; im äußerften Fell würbe ſchon eine hohe electrifhe Spannung zu eimer ſolchen Wirkung hinreichen.

Hier ſind poſitive Urſachen einer Zerreißung oder Zerſprengung; aber hinſichtlich jenes vormythologiſchen Syſtems werden lauter bloß negative Urſachen angeführt, Verdunkelung und allmähliches Er blaſſen ver urſprünglichen Erkenntniß. Allein eine ſolche bloße Re⸗ miſſion oder. Erſchlaffung früherer Einſicht würde vielleicht ein Nicht mehrverftehen der Lehre, auch wohl ein gänzlihes Vergeſſen alla Religion, aber nicht nothwendig Polytheismus zur Folge haben. Tie bloße Berbunfelung eines früheren Begriffs würde das Erfchreden nicht erklären, das nad früher ermähnten Anzeichen die Menfchheit bei ver erjten Erſcheinung des Polytheismus empfand. Tas Bemußtfeyn, ein mal erichlafft, würde die Einheit leicht, ohne Kampf, alfo aud ohne

vergleichen, welche in ben neuerlich entbedten Planeten Pallas, Ceres, Befla, die auseinander gefahrenen Theile eines zerftobenen Urplaneten ertamen“; worauf er dann ferner bemerkt: die urſprüngliche Einheit, auf die man allen fehen müffe, fey eine veinere Urreligion, bie Monotheismus geweſen und, io fehr fie auch durch den eingerifienen Polytheismus zeriplittert worden, doch u feiner Zeit ganz umtergegangen ſey.

poſitives Reſultat aufgegeben haben. Durch ein bloßes Schwächer— werden der urſprünglichen Erkenntniß wird die Gewalt, mit welcher

ver Polytheismus entſteht, jo wenig erklärt, als von der andern Seite

vie Anhänglichkeit an eine bloße Lehre, die ohne dieß fchon als eine Ihwächer geiworbene angenommen wird, bie entgegerigefettte Gewalt er- Härt, mit ber die Ginheit im Bewußtfeyn fich behauptet, und bie völlige Auflöfung, die am Ende nicht einmal Polytheismus übrig gelaſſen hätte, verhindert.

Nur eine poſitive die Einheit zerſtörende Urſache erklärt jenes Ent⸗ ſetzen der Menſchheit bei der erſten Anwandlung der Vielgötterei. Von einem Standpunkt, auf den zuletzt auch wir ung ſtellen müſſen, wird bie Wirkung dieſer Urſache als eine göttlich verhängte, fie wird als ein Gericht erſcheinen. So angefehen konnte die durch ein göttliches Gericht zerftörte Einheit nicht die ſchlechthin⸗ wahre ſeyn. Dem ein Gericht

°

ergeht überall nur über das Relativ- wahre und das Einfeitige, das für

allfeitig genommen wird. Das gewöhnliche Wehffagen über ven Unter gang emer reinen Erkenntniß und deren Zerfplitterung in Vielgötterei ift daher dem religiöfen Standpunfte fo wenig gemäß, als dem philo-

ſophiſchen und als der wahren Geſchichte. Der Polytheismus. warb

über die Menſchheit verhängt, nicht um ven wahrhaft- Einen‘, fondern um: ben. einfeitig= Einen, um einen bloß relativen Monotheismus zu zer⸗ ftören. Der Polytheismus war, trog dem ‚entgegengefegten Anſchein, und fo wenig. dieß auf dem gegenwärtigen Standpunkt noch ſich be greiflich machen Läßt, dennoch wahrhaft Uebergang zum Beflern, zur Befreiung der Menſchheit von einer an fich wohlthätigen, aber ihre Freiheit erbrüdenden, alle Entwidlung und tamit bie höchſte Erkenntniß nieberhaltenden Gewalt. Wenigftens wird man geftehen, daß bieß eine begreiflihere, und wie immer, zugleich erfreulichere Anſicht ift, als jene die eine urfprünglich reine Erfenntniß völlig zwecklos, ımb ohne

taß biefer Vorgang irgendwie als Vermittlung eines höhern Refultats

erichiene, fich zerftören und untergehen läßt. Bis jet haben wir einen Ausgangspunkt der Entwidlung geſucht, auf den fich nicht mehr bloß hypothetiſche, fondern kategoriſche Schlüffe,

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über die Entftehung und ben erften Urfprung der Diytbologie bazcı laſſen. Aber eben bier, da wir uns feiner verfichert ‚glauben, treit tem Ergebniß nody ein mächtiger Einwand. Wir haben biß jet ie monotheiftifche Hypotheſe nur von einer Seite beurtheilt; vergeſſen wir nicht, daß durch fie im Bewußtſeyn der früheften Menſchheit ct > nur ein reiner Monotheismus überhaupt, fondern ein geoffenbarter behauptet wird. Nun haben wir bis jet nur bie eine Seite deſſelben vie materichle,. in Betracht gezogen, nicht auch die formelle, vie Sa feines Entftehens. Schon die Unparteilickeit und Gleichmuthigkeit aber, die wir uns bei biefer ganzen Unterfuchung zum Gefek gemacht hakaı, würde uns auffordern, aud ber. andern Seite ihr Recht wider⸗ fahren zu laſſen, hätten wir auch nicht gerade von biefer bie beftukm- tefte Einrede zu erwarten. Man kann uns nämlich einwenden: We} Ihr vorgebracht, wäre nicht zu beftreiten, wenn es Keine Offen barıng gäbe Im bloß natürlihen Gang ber menfchlichen Ent: wicklung würde vielleicht ein felcher eiufeitiger Mionotheismus das Erſte feyn. Uber tie Offenbarung wie wirb fich tiefe zur ihm wer: halten? Wenigſtens kann fi) jener relative Monotheismus nicht ven ihr berfchreiben, tie Offenbarung Tann ihn nicht feßen; kann fie ihn aber nicht fegen, jo wird fie ihm zuvorkommen, oder ihm wenigſten gleich, ihn aufhebend, entgegentreten. Sie ſehen, dieſes tft alfo eme neue Inſtanz, bie wir nicht umgehen können, vie überwunden je muß, follen wir auf dem gelegten Grund mit Sicherheit forthaum Wir laffen e8 vahingeftellt, ob es eine Offenbarung gibt oder. niht, und fragen nur, ob eine ſolche vorausgefett unfere Annahme eine? relativen Monotheismus als Bewußtſeyn ter urſprünglichen Menſchhei beſtehen könnte.

Was nun alſo das behauptete Zuvorkommen betrifft, ſo iſt freilich bekannt, daß nicht bloß Theologen, ſondern ſelbſt eine gewiſſe Klaſſe von Geſchichtsphiloſophen mit ver Offenbarung bis anf den erſten Men⸗ ſchen zurückgehen, und manche würden uns gewiß keine geringe Ver— legenheit zu bereiten glauben, wenn fie uns aufforderten, zu erklären, ob denn nad unferer Meinung auch ſchon tie Religion des eriten

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Menſchen nur jener vergängliche Monotheismus geweſen ſey. Wir tagegen wollen ihnen aus ihrer eigenen Annahme einfach, zurüdrufen, daß tie ja felbft einen voppelten Zuftand des erften Menfchen annehmen, jeinen Zuſtand vor dem fogenannten Fall, und feinen Zuftand nad) deınfelben, und da hätten fie dann, um mit der Offenbarung nicht bloß auf den erften, fondern auch auf den urſprünglichen Menſchen zurüd- zugehen, vor allem zu erklären, wie auch urſprünglich, d. h. vor dem Fall, das Verhältniß des Menſchen zu Gott ein ſo vermitteltes ſeyn konnte, als ſie es ſelbſt im Begriff der Offenbarung denlen müſſen, wenn ſie dieſen nicht durch eine ungemeſſene Ausdehnung alles Sinns berauben wollen. Ehemals würde, unſeres Wiſſens, die Offenbarung erflärt als ein Erbarmen Gottes über das gefallene Geſchlecht; nach ven feſten Begriffen alter Rechtgläubigkeit und ich geſtehe, daß ich dieſe, möge man ſie auch ſteife nennen, einer neuern, alles ver⸗ ſchwemmenden, und dann freilich für die Zwecke einer gewiſſen ſüßlichen Religioſität alles möglich machenden Begriff- und Wortausdehnerei weit vorziehe nach dieſen Begriffen alſo wurde die Offenbarung ſtets nur als ein durch frühere Vorgänge Vermitteltes, nie. als etwas Un⸗ mittelbares, Erſtes, Urſprüngliches betrachtet. Das Urſeyn des Menſchen iſt, ſelbſt nach den angenommenen Begriffen, wenn fie einiger- maßen ſich klar zu werden ſuchen, nur als ein noch überzeitliches und in weſentlicher Ewigkeit zu denken, die der Zeit gegenüber ſelbſt nur zeitloſes Moment iſt. Da iſt kein Raum für eine Offenbarung, deren Begriff ein Geſchehen, einen Vorgang in- der Zeit ausdrückt, da konnte nichts zwifchen dem Menfchen und Gott ſeyn, woburd der Menfch von Gott getrennt und entfernt gehalten ift; und etwas der Art muß ſeyn, damit Offenbarung möglich ift; denn Offenbarung ift ein actuelles (auf einem Actus beruhenves). Berhältniß; dort aber läßt fih nur ein wefentliches Verhältniß denken; Actus ift nur wo Widerſtand, wo etwas ift, das megirt und aufgehoben werben muß. Wäre übrigens der urfprünglide Menſch nit an fich ſchon Bemußtfeyn von Gott, müßte ihm ein Bewußtſeyn von Gott erft durch einen beſondern Actus zu Theil werben, fo müßten bie, welche dieß annehmen, felbft einen

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urfprünglihen Atheismus bes menfhlihen Bewußtſeynt behaupten, was doch gewiß am Ende gegen ihre eigene Meinung jean würde; wie ich denn überhaupt Gelegenheit gehabt babe, mich zu übe: zeugen, daß, diejenigen ausgenommen, benen es wiflentlih ober um wiffentlih nur darum zu thun ift, dem Princip der Trabition bie grüßt möglichfte Ausvehnung zu. geben, dieſes Herleiten aller Wiſſenſchaft zu Religion von einer Offenbarung. bei ven meiften nıfr in ber Meimmg gefchieht, damit etwas Erbauliches und frommen Ohren Wohlgefälliges zu jagen.

Bis dorthin alfo, bis auf das Urverhältnig des Menſchen zu Gett läßt fih der Begriff Offenbarung nicht ausbehnen. Nu wirb aber ferner angenommen, der Menſch fey durch eigene Schuld ans dem %o rabie® geftoßen, d. h. aus jenem Urzuftand eines bloß wefentlichen Ber- hältniſſes zu Gott gefett worden. Dieſes aber läßt fi num nid denken, ohne daß, wie er felbft ein anderer geworben, auch der Gott ihm ein anderer wurde, d. h. es läßt fi nicht denken ohne eine Alte ration des religiöfen Bewußtſeyns, und wenn man der Erzählung dieſes Vorgangs in der Genefis, die jeden, der fie verfteht, mit Bewunderung erfüllen muß, und, in welchem Sinne immer, gewiß eine der tiefften Offenbarungen enthält (denn es find in verjchievenen Theilen und Stellen des Alten Teftaments, der Gleichartigfeit im Ganzen unerachtet, jehr verfchievene Grade von Erleuchtung nicht zu verfennen); wenn man alle biefer Glauben beimißt, fo war jene Alteration gerade eine folk, welche dem, was wir relativen Monotheismus genannt haben, entfpridt. Denn der Gott fagt: Siehe, ver Menfch ift worben wie einer von und; alſo wie kann man die Worte anders verftehen?-— er ift nicht mehr ber ganzen Gottheit, fondern nur noh einem von uns Elohim gleih. Wie aber das Seyn des Menſchen, fo ift auch fein Bewußtſeyn (und das Verhältniß, welches ver Menfch im Bewußtſeyn zu Gott hat, beruht eben auf der Gleichheit feines Seyns mit dem göttlichen); alle liegt, ohne das Ariom, daß das Erfannte wie das Erkennende ift, ber beizurufen, in den Worten zugleich, daß das Bewußtſeyn nur noch zu Einem von ber Gottheit, nicht mehr zu der ganzen ein Verhältniß kat;

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——

was kann dieß aber anders ſeyn, als was wir relativen Monotheismus genannt haben? '

So tritt daher vem behaupteten Zuvorfommen einer Offenbarung, wodurch ein relativer Monotheismus in der Menſchheit gehindert worden wäre, die arglofe und aufrichtige Erzählung einer den Offenbarung®* gläubigen felbft für geoffenbart geltenden Schrift, und fomit alfo bie Offenbarung felbft entgegen, und fo, anftatt von jener Seite eine Hem- mung unferer Entwidlung zu befürdten, werben wir vielmehr vie Offen- barung, d. h. die als geoffenbart angefehenen Schriften, felbft als Beiftand unferer Entwidklung herbeirufen, wie wir benn überhaupt, nachdem ein- mal das Berhältniß von Mythologie und Offenbarung zur Sprade

gekommen, von diefem Punkt nicht werben binweggehen bürfen, ohne viefes Verhältni fo weit, als es vorerft ſeyn fanır, ing Reine gebracht zu haben.

Wir werben auf dieſe merhvürbige Stelle in ber Folge urlldtommen, und

dabei zugleich Gelegenheit haben, zu zeigen, baf fie ſich wörtlich und ſachlich nicht andere als auf die oben angenommene Weiſe verſtehen Mit.

Siebente Vorlefung.

Indem wir jet denen gegenüberftchen, weldye über den eriten Bu fand des Menſchengeſchlechts nur Aufſchlüſſen der Offenbarung wr- trauen, fo ift es als ein wahres Glüd für unfere Unterfuchung une fehen, daß unfere Behauptungen durch vie mofaifhen Echriftar felhk je entſchieden beftätigt werben, wie gleich bie erfte, daß vom Anfang ver Gefgichte, wie Kant wmit Recht den Sündenfall genannt hat, im Ve⸗ wußtſeyn des Menſchen an tie Etelle des abfolut- Einen der relativ Eine getreten fey; und ganz ebenfo wird es nur als eine der vidm falſchen Annahmen erfdheinen, wenn man auf die Weife, wie es ge wöhnlich gefchieht, vorgibt, in dem Bewußtſeyn der erften Menſchen fen die Erfenntniß Gottes noch reiner und vollfommener geweſen als in dem ter nachfolgenden; denn vielmehr mäßte man fagen, daß in bem erften Menſchen und feinen erften Nachkommen das Bewußtſeyn det relativ⸗Einen, eben weil er noch nicht als folder erfchien, noch mäh- tiger, reiner, vollfommener und ungetrübter war, als in ben nachfel genden, mo ſchon ber zweite Gott dem Bewußtſeyn näher trat. Dert tonnte gar fein Zweifel barüber entſtehen, daß das Verhältniß zu den velatio- Einen nicht die wahre Religion ſey. Denn tiefer Gott mar dort ſelbſt noch der unbedingte, und völlig ftatt des abfolut-@inen, der in ihm (infofern alfo doch) war. Aber eben darum wurde and) der abfolute noch nicht als folder unterſchieden, darum aud nicht al# ſolcher erfannt; aljo e8 war noch fein Monotheismus in dem Einn, wo er Erfenntuig des wahren Gottes als ſolchen und mit Unter ſcheidung iſt; denn dieſe Unterfeheivung war erft möglich, indem ver

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relative aufbörte, der abfolute zu ſeyn, als relativer erklärt wurde. Und eben dieß, daß das allererfte Menfchengefchlecht von dem wahren Gott als ſolchem wirklich nicht gewußt, wird burd die Geneſis ſelbſt wun⸗ dervoll beftätigt; wenn man dieß nicht gefehen, fo ift bieß nur, weil dieſen älteften Urkunden noch nie das Glück widerfahren, ihrem Inhalt nach ganz unbefangen betrachtet und unterfucdht zu werben, wozu An⸗ bänger der formell orthodoxen Theologie fo wenig als ihre Gegner ge- eignet waren, und ebenfowenig die, welde mehr als mit vem Inhalt fih mit der bloß äußeren Zuſammenſetzung dieſer Schriften beichäftigt haben. Ich gehöre: weder zu ber einen noch zu der andern dieſer Klaflen; ch, babe viefe Schriften weder mit den Augen eines Theologen, noch eines Gegners aller Theologie, noch auch mit denen eines bloßen Kri- tifers, fondern mit den Augen- eines Philofophen angefehen, dem es überall und vorzugsweiſe um den Inhalt der Dinge zu thun ift, und babe darum vielleicht manches in dieſen Schriften bemerken können, was andern entgangen ill.

Solange das erfte Menſchengeſchlecht in dem erften Got einfach und ohne Zweifel den wahren verehrte, mar feine Urſache, den wahren als ſolchen zu unterſcheiden. Als jener durch einen nachfolgenden Gott zweifelhaft zu werden aufing, da erſt ſuchte es den wahren in ihm feſt⸗ zuhalten und lerute ſo dieſen unterſcheiden. Es iſt immer aufgefallen, daß das hebräiſche Volk für ſeinen Gott zwei Benennungen hat, einen allgemeinen, Elohim, und dann noch einen beſondern, Jehovah. Allein eine vollſtändige Induction möchte zeigen, daß im Alten Teſtament und ganz beſonders in den moſaiſchen Schriften der Gott, der der unmit- telbare Inhalt des Bewußtſeyns iſt, Elohim, der Gott, der als der wahre unterfchieden wird, Jehovah genannt wird. Tiefer Unterſchied ft immer beobachtet. So findet fich gleich im vierten Kapitel der Genefis eine Genenlogie; dieſe fängt fo an!: Adam (der erfte Menfch) zeugete Seth, und Seth zeugete auch einen Sohn, ven hieß er Enos: von da an, alfo von Enos an, fing man an ben Jehovah anzurufen. Es

B. 25. 26. Schelling, fammtl. Werke. 2. Abtb. 1. 10

ift nicht gefagt: man fing an ben Gott Überhaupt, Elohim, anzurufen. Diefen mußte Seth und Adam fo gut fenmen ald Enos; nur von de⸗ hovah wird es gefagt. Da aber fonfl der Jehovah aud; ber Elohim und der Elohim ber Jehovah ift, fo kann der Unterſchied zwiſchen beiden nur ber ſeyn, daß Elohim ber Gott noch indistinete ift, Jehovah ver als folder unterfhievene. Aber um fo entfchieener ift nun eben biek, daß man erft von Enos an, aljo erft im ber britten Generation, dehovah angerufen habe. Wörtlich heißt es; von ba an fing man an ben Jo hovah bei Namen zu rufen; bieß ift aber ebenfo viel als: er wurde unter- ſchieden, denn wer bei einem Namen gerufen wird, wirb eben dadurch unterſchieden. Daraus folgt unwiderſprechlich: vor Enos, d. h. vor bem durch diefen Namen bezeichneten Menfchengefchlecht, wurbe der wahre Gott nit als ſolcher unterſchieden, bis dahin war alfo auch fein Mon theismus in dem Sinn einer Kenntniß des wahren Gottes als foldhen. Dieß war freilih in zu unmittelbarem Widerſpruch mit den angenom: menen Begriffen, als daß man nit, wie es in andern Fällen nicht weniger zu gefchehen pflegt, durch Interpretation zu helfen gefucht hätte. So fon Dr. Luther: Zu berjelben Zeit fing man an, von bes Her Namen zu predigen, andere: fid) nad; Jehovahs Namen zu nennen; andere meinten, es fen nur von einem Öffentlichen Cultus bie Rebe; aber von dem allen liegt nichts im Hebräifchen, ſprachgemäß Tännen die Worte nur überfegt werben: Jehovah wurde bei Namen gerufen ', was freilich dem auch fo viel ift als: er wurde angerufen, benn wer z. ®. von einem anbern, an bem er worübergeht, bei feinem Namen gerufen wird, wird allerdings aud) angerufen. Das Merkwürdigſte ift aber, daß dieſes Rufen des Jehovah bei Namen erft anfängt bei dem zweiten Ger ſchlecht; das erfte (durch Adam und Seth bezeichnete) weiß nichts von ihm. Ihm, das nur Ein Princip kannte, Tonnte Über die Wahrheit, Einheit und Ewigkeit des Gottes, von dem es erfüllt war, kein Zweifel entftehen, e8 hatte in ihm, einfältigen Herzens, um mich fo auszubrüden,

" Biegen bes Sprachgebrauch |. Ief. 43, 1; es heißt nicht IOUL/I TMRW fonbern nur ad RAD

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ven fchlechthin »- Ewigen und Cinzigen verehrt. Diefen als ſolchen zu unterfcheiden und mit einem befondern Namen zu bezeichnen, Tonnte erft tie Nothwendigkeit entftehen, als er durch vie Erfcheinung des zweiten zu verſchwinden, ein relativer zu werben drohte. Da war es noth, ven wahrhaft, d. h. ben nicht vorübergehend, fenvern bleibend Ewigen, ven es in jenem verehrt hatte, bei Namen zu rufen, wie wir einen rufen, der uns zu verfchwinden droht. Dieß 'war der Weg-von dem . relatin- Einen ſich zu dem in ihm eigentlich verehrten abjolut- Einen zu erheben. Die gewöhnliche. Meinung, welche dem erften Menſchen bie volllommene Erfenntniß und Verehrung des wahren Gottes als ſol⸗ hen zuſchreibt, dürfen ‘wir alſo um jo mehr für widerlegt, und zwar durch die moſaiſche Erzählung felbft wiverlegt Kalten, als eben biefe dae zweite mit Enos anfangenbe Menſchengeſchlecht auch in anderer Hin⸗ ſicht als ein anderes und von dem erſten weſentlich unterſchiedenes bezeichnet.

Dieß geſchieht nämlid; i in der merkwurdigen von Adam bis auf Noah herabgeführten Genealogie des Menſchengeſchlechts, die ſich im fünften: Kapitel der Genefis findet. Diefe Genealogie bietet zwar noch anderes Merfwürbige var, namentlich daß fie von Kain und Abel nichts weiß, wie auch in den nächſtfolgenden Gefchichten von beiden nichts wieder erwähnt wird (auch 1. Chron. 1,1 wird von Adam unmittelhar zu Seth übergegangen); aber hierauf können wir uns jegt nicht einlaffen,

es nicht zu unferem Zwed gehört; was hieher gehört ift Folgendes: daß die erwähnte Genealogie, die fich theils durch das Zurückgehen bis auf bie Schöpfung des Menſchen, theils durch die befonbere Ueberſchrift: biefes iſt das Buch von der Menſchen Geſchlecht, als bie ganz von. vorn anfangende und urkundlichſte bezeichnet, daß biefe von Adam fagt: Er war 130 Jahr alt, und zeugete einen Sohn nad feinem Dilbe, und nannte ihn Seth. Seth aber, ſo wird dann weiter erzählt, war 105 Jahr alt, und zeugete Enos. Das Sonderbare iſt hiebei: Erſtens, daß Enos nach der Meinung der Genealogie nicht mehr wie Seth nach dem Bilde des erſten Menſchen gezeugt iſt (denn ſonſt enthielte der Zuſat bei Seth eine ganz unnöthige Berfiherung). Seth trägt noch

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das Bild des erften Menſchen, Enos nicht mehr. Zweitens, daß der Name dieſes Enkels des erften Menfchen Enos nichts anders bebentet als eben wieder: Menfh, wie Aram, nur mit dem Nebenbegriff ter ſchon geſchwächten, gekränkten Kraft; denn das Berbum anas,. mit ven das griechiſche vocps zufammenhängt, beveutet krankſeyn. Mit Enns fängt alfo wirklich ein zweites Menfchengefchlecht an, ein zweites, weil fein Ahnherr wierer Menfch genannt wird, und weil e8 dem erften von Adam ummittelbar abftanımenden nicht mehr gleich if. Nun kann man bie Frage aufwerfen, wodurch dieſes zweite durch Enos vorgeftellte Mes ſchengeſchlecht von dem erflen, unmittelbar von Adam, dem Menfhe ohne Nebenbegriff, abftammenven ſich unterfchied, wodurch es im Ber- hältnig zu jenem gleichſam das kranke und ſchwache war. Nehmen mir nun zur Beantwortung diefer Trage das früher aus ‘ver andern Stelle ber Genefis Entwidelte hinzu, fo wird ſich von felbft und ungezwungen Volgendes ergeben. In Eeth war das Menfchengefchleht noch ftarf un mächtig, benn es wurde nur von Einem Princip getrieben, in ihm lebte noch der Eine und erfte Gott; das zweite aber ift krank und fchmad, denn ihm hatte fich ſchon ver zweite Gott genäbert, der jenen erften ſchwächt, feine Macht und Stärke bricht; denn alles was von Einem Princip beherrfcht wird, ift ftarf und gefund, dagegen was von zweien, ſchon ſchwach und Franf.

Das Ergebnig im Ganzen ift alfo, daß nach der Erzählung ber Genefis felbft ver mahre Gott als folder erft einem zmeiten Mer hhengeichleht befannt und gewußt war, und zwar einem im Vergleib mit dem erften ſchon afficirten, alfo einer andern, dem erften Gefchleht fremden Potenz untermworfenen. Diefe fremde Potenz kann nur unſer zweiter Gott (B) ſeyn, ben wir als bie erfte wirkende Urfache des Polb⸗ theismus Tennen gelernt haben. Dargethan wäre damit zugleich, daß eigent- licher Monotheismus nicht entfteht, ohme daß die Gefahr des Polytheis⸗ mus vorhanden ift, und daß jener bloß relativ-Eine Gott ebenfomohl die Borausfegung für die Entftehung des Monotheismus als des Poly: tbeismus if. Da wir uns zum Theil auf die Bedeutung des Namens (Eno8) berufen haben, fo fünnten wir weitergehend in dieſem Namen

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zugleidy die Anzeige des Gottes felbft finden, von dem das zweite Men⸗ ſchengeſchlecht afficirt iſt. Denn die wahricheinlihfte Etymologie des Namens Dionyfos, unter dem ber zweite Gott von den Hellenen ge- feiert wurbe, ift noch immer bie von einem arabifhen Wort (und unter ben Arabern, wie wir in ber Folge jehen werben, wurde ber ‚zweite Gott zuerft mit Namen genannt), das im Arabiſchen Herr bebeutet und wie das hebräifhe baal mit vielen andern Wörtern- zufammengefegt wird, und Enos, der Menſch, und zwar der Menſch mit jenem Neben- begriff der ſchon gefränkten Kraft. Ich könnte, fage ich, auch dieſes er- wähnen, wenn fi) diefe Kombination hier: weiter ausführen ließe, aber es möge an ber einen Bemerkung genug ſeyn, baß-in dem großen Ent- widlungsgang, ben wir barftellen, auch das Entferntefte, wie Altes Teftament und Hellenentbum, Offenbarung und Mythologie, ſich bei weitem näber liegt, al8 diejenigen denken, vie ſich an eine ganz abftracte Betrachtungsweife, 3. B. der hellenifchen Mythologie, abgeſchnitten von bem allgemeinen Zufammenhange, gewöhnt haben.

Wir haben ein erſtes durch Adam und Seth, ein zweites burd) Enos bezeichnetes Menjchengefchlecht anerkennen müſſen. Mit dem leß- teren exit kommen Anwaydlungen des zweiten Gottes, deſſen Spur wir nun weiter, und zwar in ber durch die Offenbarung felbft verzeichneten Geſchichte verfolgen werben.

Der nächfte große Wendepunkt ift die Sündfluth, nach dieſer folgt die Sprachenveriwirrung, bie Bölfertrennung, der. entfchiedene Poly- thetsmus. Die Sündfluth felbft aber wird nun in dem moſaiſchen Be- richt durch folgende Erzählung eingeleitet: Da fich die Menſchen begunnten zu mehren auf Erben, ta fahen die Söhne des Gottes nad) den Töch— tern der Menſchen, die ſchön waren, und die fie zu Weibern nahmen, woher die.Riefen und die von der Urzeit her berlihmten Gewaltigen entftanden. In diefer Stelle, die ven Auslegern "von jeher fo viel zu ſchaffen gemacht, ift ein fo offenbarer Bezug auf wirkliche mythologiſche Verhältniſſe, daß auch dieſe Erzählung nidyts Gemachtes, fondern nur eine Reminiscenz aus der wirklichen Gefchichte ver Mythologie ſeyn kann, wie ſich ja eine ‚gleiche Erinnerung aud in den Mythologien der andern

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Völker findet. Es wird erzählt, wie die Söhne des Gottes (im Hebrüi⸗ ſchen bezeichnet ihn der Artifel als den, der e8 allein ift), wie alfo diejenigen, in denen ber erfte, für feine Zeit unbebingte Gott lebt, nad ben Töchtern ver Menſchen bliden; was kann aber bier im. Gegenjat mit Söhnen bes Gottes unter Menfchen anders verftanden fen ala Anhänger des Gottes, durch den eigentlich die Menfchen erft Meufchen werden, von jener ungebeugten Kraft und Stärke ver erflen Zeit beral- finfen alfo e8 wird erzählt, wie bie, in denen noch der ftarfe Gett ber Urzeit lebt, zn den Töchtern der Menfchen, dv. h. der Anhänger bes zweiten Gottes, fich binneigen, fich mit ihnen verbinden, und jenel mittlere Geſchlecht erzeugen, das wir auch in ber griechiſchen Mythologie unter dem Namen der Giganten antreffen, wo fie ebenfall® zwiſchen dem Gott der erften Zeit und den menſchlicheren Göttern, dem anthre pomorphiftifchen Polytheismus einer fpätern Zeit in der Mitte find, mt biefer Entwidlung ins Menſchliche (denn der Gott der erften Zeit ift im bier gemeinten Einn noch übermenſchlich) fich entgegenfegen, dieſe Ent- wicklung aufhalten. Gerate fo läßt die Genefis hier jenes mittlere Ge fchlecht entftehen, das, weil es zwiſchen zwei Zeiten fteht, und ver Fort: gang unaufhaltfam ift, nicht dauern Tann, fondern dem Untergang ge weiht ift, der nun burd die allgemeine Fluth erfolgt. Dieſes Bruch—⸗ ftüd von fo ganz eigenthümlicher Farbe verbürgt eben durch viefe bie Authenticität feines Inhalts, und daß es fi) wirflih aus vorgeſchicht⸗ licher Ueberlieferung herſchreibt. Etwas ter Art Tonnte in ſpäteren Zeiten gar nicht mehr erfunden werben. Dieſe hochmythologiſche Far bung unterfcheidet das Bruchſtück gar fehr von der nun folgenden Er: zählung der Sündfluth, wo alles ſchon mehr dem fpäteren mofaifchen Standpunft gemäß dargeſtellt if. Doc läßt auch dieſe Erzählung ven wahren Grund ber Sündfluth erkennen. Was ven Gott bewegt, tie verberbliche Fluth über die Erbe zu führen, ift, daß ter Menſchen Bot heit groß war auf Erven. Hier find aber. nicht böfe Getanfen im ges mwöhnlichen (moraliſchen) Sinn gemeint; dieß zeigt der befondere Aus brud, ver Gott fagt: daß das Gebilde oder Gedicht (figmentum) ter Gedanken ihres Innern böfe ift. Diefelbe Redensart fommt andermwärte

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ad immer in einem Zuſanmenhange vor, ber über ihren Sinn keinen jweifel läßzt. Im der Anrede an. Moſes, als deſſen Zeit zu fterben tommen ift, Spricht Jehovah: „So fchreibet euch nım dieß Lieb und ehret es bie Kinder irael, daß e8 ein Zeuge ſey unter ihnen, denn & will fie in das Land bringen, das ich ihren Vätern gefchworen habe nund wenn fie effen ımb fatt und fett werben, fo werben te fih wenden zu andern Ödtfern und ihnen dienen und meinen Bund fahren laſſen benn ich weiß ihre- Gedanken (ihr Gebild), das fie ſchon jegt fih machen, ehe ich fie-in das Land bringe”! Auf ber legten Reichsverſammlung König Davids ſpricht er zu Salomon: „Und du mein Sohn, erfenne den Gott deines Vaters, biene ihm mit ganzem Serzen und mit williger Seele; denn der Herr fieht alle Herzen und verfteht aller Gedanken Dichten (das Gebild aller Gedanken); wirft bu ihn fuchen, fo wirft vu ihn finden, wirft bu ihn aber verlaffen, fo wird er dich verwerfen ewiglih”?. Defgleichen König David in feinem lebten Gebet, nachdem er alles zum Bau des Tempels geordnet, fpriht: „Herr, Gott unferer Väter, bewahre ewig⸗ ih folden Sinn und Gedanken im Herzen (ſolches Gebilde der Ge danken im Innern) deines Volle, daß es. dir aus aufrichtigem Her: zen biene”®. Tem Sprachgebrauch gemäß haben aljo diefe Worte reli- giöfe Bedeutung. Unter dem immer mehr zum Schlimmen fih neigen- den Gebilde ver Gedanken find die immer ſtärker werdenden polytheifti» ihen Anwanblungen verſianden i

8. Moſ. 31, 19-21. .

2 1. Chron. 99 (28), 9. Die Bütcher ber Shronif schen in religidfen Dingen andy fonft gern auf bie älteſte Ausbrudeweife zurlid.

3 Ebendaſ. 30 (29), 18.

ı%-D. Michaelis in feiner Anmerl. zu Gen. 6, 2 fagt: „Bisher hatte fi) das menfchliche Geſchlecht in zwei große Theile getheilt: ber beflere, der einen Gott glaubte, benannte fich von dem wahren Gott, Söhne Gottes; die Übrigen, die nicht in Aberglauben, denn von bem finden wir vor der Sünd— fluth keine Spur, fondern in völligem Unglauben verfunfen waren, nennt Mofes Eöhne der Menſchen“. Die vermißte Spur war indeß, wie ge- zeigt, ſchon Gen. 4, 26 zu finden, wo fie auch die chalbäifchen Ueberſetzer und die Älteften jübifchen Ausleger, die doch kein Intereſſe hatten, die Bielgötterei fo

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Menn Noah Gnade findet in den Augen des wahren Gottes, d. } wenn biefer fich ihm offenbart, fo. ift e8 gerade nur, weil er ein fiam- hafter Mann und ohne Wandel ift, wie Luther treffend überſen d. 5. ber nicht dem zweiten Gott ſich zuneigte zu feinen Zeiten‘. Wegen jener Anwandelungen aljo wirb die allgemeine Fluth über die Exve ge führt. Aber was ift num das Reſultat? Etwa daß fie verfchwinne und ausgetilgt werben? Seineswegs. Der Gott fieht vielmehr am Cute, daß das Dichten und Trachten des menfchlihen Herzens böfe ſey von Jugend auf? (einfacher Ausdruck um einen natürlichen umb über: winblichen Hang auszubräden), und ‚indem er ausfpricht, daß er anf Diefem Grunde (dieſer Gedanken wegen) das Leben auf Erben künftig nieht mehr vertilgen wolle, gibt er felbft zu, daß das Menfchengefchleit vom Uebergang zum Polytheismus nicht zurüdzuhalten if. Auch im ber moſaiſchen Darftellung ift alfo die Sündfluth am Ende oder ihrem wahren Refultat nach nur die Gränzſcheide ver zwei Beiten, bes noch über menſchlich ftarken, und des nun ganz menſchlich gewordenen und dem Menfchlihen zugewandten, aber eben damit auch dem Polytheismus fih hingebenden Geſchlechts.

Vergleichen wir die moſaiſche Erzählung mit den gleichen Ueberlie⸗ ferungen anderer Völker! Sieht man, welche Gottheiten dieſe mit der ver⸗ tilgenden Fluth in Verbindung bringt, fo find es durchaus fpätere Gottheiten. Eine jener Ueberlieferungen nennt den in der griechiſchen Mythologie ſchon an die Stelle des Urgottes, des Uranos, getretenen Kronos als den, zu deſſen Zeit die Sündfluth ſich ereignet. In der ſyriſchen Hierapolis aber, ohnweit des Euphrats, war nad Lukianos bekannter ausführlicher Erzählung ein Tempel, wo der Schlund gezeigt wurde, in den ſich die Waſſer der Fluth zurückgezogen hatten: dieſer Tempel war ver Derketo geweiht; dieſe ſyriſche Göttin iſt aber nuur

frühe anfangen zu laſſen, wenn auch vermöge einer unrichtigen Auslegung, ge funben hatten.

' Das Lebte fteht ausbrüdlich dabei 1. Mof. 7, 1.

21. Mof. 8, 21, vgl. mit 6, 5.

Man findet die Stellen in ter Kürze beifammen in Rofenmöällert

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die unter vielen Namen verehrte erfte weiblide Gottheit, durch welche, wie wir in der Folge jehen werven, allerwärts der Uebergang von vem erften zu dem zweiten Gott, d. 5. zur eigentlichen Viel⸗ götteret, vermittelt ifl. Wer dieß aljo erwägt und außerdem noch \weiß, weldhe Rolle das Wafler in allen Uebergängen von einem herrſchenden Princip zu einem zweiten, dem es ſich unterwirft, nicht bloß in der Ge⸗ ſchichte der Erde, fondern auch in ver Mythologie Kat (auch in Babylon taucht der menfchliches Geſetz lehrende Dannes aus dem Euphrat auf), ber wird, iſt er anders einigermaßen in ſolchen Forſchungen geübt, in ver Noahiſchen Fluth, wenn er fie auch übrigens als phufifches Ereig⸗ niß zugibt, doc nur das natürliche Zeichen des großen Wendepunkts der Mythologie erkennen ', dem fpäter der unaufhaltfame Uebergang ſelbſt, ie Verwirrung ver Sprachen, bie Bielgötterei nebft den verfchie- denen Götterlehren, die Zertrennung ver Menſchheit in Bölfer und Staaten folgten, zu wel’ allem vie Anfänge und Keime aus ber Zeit vor der Fluth mitgebracht jeyn mußten, wenn in den erften Jahrhuns derten nach berfelben Vorderaſien dicht von Menfchen, nicht mehr bloß von nomabijchen, fondern zu Staaten vereinigten, bevölkert, fchon zu Abrahams Zeit in Babylon ein Königreich, an. der Küfte des Mittel meers handeltreibende Phönikier, in Aegypten ein monarchiſcher Staat mit allen Einrichtungen eines ſolchen, überall mehr over weniger ent- widelte Mythologien entftanden ſeyn follten. |

Eine andere Anzeige von biefer Bedeutung der Sündfluth, als Uebergang zu ber unwiderſtehlich hervortretenden Gewalt des zweiten Gottes, enthält ein anderer Zug der moſaiſchen Erzählung, indem fie den Noah nach ver Fluth Ackerbauer werben und ven erften Wein pflanzen laͤßt?. Was dieß auf fih Bat wird aus dem Folgenden erhellen. Die Lebensweife der älteſten Menfchheit vor aller Bielgötterei war bie

Atem und Neuem Morgenland, Th. I, ©. 23. (Auch in Stolbergs Geſchichte der Religion Jeſu Chrifti, Th. I, S. 394).

' Berg. Eichhorn im Repertorium für bibl. und morgenlänb. Literatur, V, S. 216.

21. Moſ. 9, 20.

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nomabifche. Nicht Samen zu fäen, nicht Wein zu pflanzen, war and ber fpäteften Ueberbleibfeln viefes älteften Geſchlechts noch Religion. Die zeigt das Beiſpiel der Nechabiten, von benen der Prophet Jeremia er zählt ‘, die er feinem Volk als Beifpiel der Beftänbigfeit, des Tefthaltent an der väterlichen Religion vorhält, und denen er nach feiner Erzählung in einer der Kapellen des Tempels zn Ierufalem Becher voll Wein vorfegt, worauf fie antworten: „Wir trinken nit Wein. Denn unfe Bater Jonadab der Sohn Rechabs hat und geboten und gejagt: Ir und eure Kinder follt nimmermehr Wein trinken und kein Haus baue, feinen Samen fäen, keinen Weinberg pflanzen noch haben, fonbern folk in Hütten wohnen euer Leben lang, auf daß ihr lange lebet in dem Lane, darin ihr wallet”. Sie fehen: Häufer bauen, d. b. in feiten Sitzen wohnen, Samen ſäen, Wein pflanzen, achtet hier ein Stamm, der nicht zu den Yfraeliten gehört, aber zur Zeit ale Nebulapnezar heraufzog ins Land, vor dem Heere der Chaldäer und Syrer gen Jeruſalem ggezogen und bort geblieben war, fi) won Urzeiten her verboten. „Wir trinfen feinen Wein, weder wir noch umfere Väter, noch Söhne noch Töchter, und bauen aud feine Häufer, darin wir wohneten, und haben weder Weinberge noch Aeder, fondern wohnen in Hütten“, und alles befien ſich zu enthalten, was bie griechifche Mythologie vorzugsmeife als Gaben und Geſchenke des zweiten Gottes feiert, war ihnen wirklich Religion. Daher die unglaubliche Lebensdauer folder Stämme; denn noch zu Zeiten Niebuhrs wenigftens war in ber Nähe von Yernfalem ein nomatifh lebenver, ganz tiefen Geſetz treu gebliebener Stamm, ver höchſten Wahr: Icheinlichkeit nach die Nachkommenſchaft jener Rechabiten. Was ich von den Rechabiten anführte, daſſelbe erzählt Diovor von Eicilien von den Kata⸗ tharen, einem arabiſchen Volksſtamm, daß fie nicht, Samen fäen, nidt Wein pflanzen, nicht in Häufern wohnen. Wenn alfo Noah nad) der Fluth ein Aderbauer wird und ben erften Wein pflanzt, fo ift er eben dadurch als der Stammmwater eines neuen Menſchengeſchlechts bezeichnet, das nicht mehr in Hütten wohnt, fonvern fefte Wohnſitze gründet, Aderbau treibt,

ı Serem. 35.

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zu Völkern wird, aber eben darum auch. dem Polytheismus als einem un⸗ vermeidlichen und nicht mehr aufzuhaltenden Uebergang anheimfallen ſollte.

Ziehen wir das Reſultat der bisher entwickelten Thatſachen, ſo iſt es folgendes: Erſt mit dem zweiten durch den Namen Enos bezeichneten Menſchengeſchlecht wird der wahre Gott, d. h. der bleibend Eine und Ewige, als folder unterſchieden, unterſchieden von dem Urgott, der dem Bewußtſeyn zum relativ⸗Einen und bloß vorübergehend Ewigen wird; inzwiſchen wird bie Frucht des Polytheiſmus reif, das Menſchengeſchlecht fonn nicht an den erſten Gott gebunden bleiben, der nicht der falſche, aber doch aud nicht der fchlechthin wahre der Gott in feiner Wahr- beit ift, von dem es alſo befreit werden muß, um zur Anbetung Gottes in feiner Wahrheit zu gelangen. Befreit werben aber kann ed von ihm nur durch einen zweiten Gott. Der Polytheismus ift inſofern unver- meiblich, und bie Kriſis, durch welche ex nun zugelaflen wird, und mit welcher eine neue Reihe von Entwidlungen beginnt, ift eben bie Sünd⸗ fluth; von ba an findet ſich aud die Unterfceiding und Verehrung des wahren Gottes, die mit Enos angefangen hat, und es findet fich auch die Offenbarung, die ja nur Offenbarung des wahren Gottes’ feyn fann, nit mehr in ber Menfchheit überhaupt, denn dieſe ift als ſolche verſchwunden und zertrennt, fie findet ſich ebenfowenig (id) bitte vieß wohl zu bemerken) bei einem Volk denn alles was Bolt heißt, ift ſchon dem Polytheismus.verfallen die Kenntni des wahren Gottes ift bei einem einzigen Geſchlecht, das aufer den Völkern geblieben ifl. Denn vie Menſchheit hat fih nicht bloß in Völker, fondern in Völker und Nicht» völfer zertheilt, wiewohl Freilich vie. legten auch nicht mehr durchaus find was die noch. völlig homogene Menfchheit war, wie wenn Milch gerinnt der nicht gerinnende Theil auch nicht mehr Milch ift. Eben jenes „fi nicht partialifirt haben“, wird ihnen zur Beſonderheit, wie ver allgemeine Gott an dem fie fefthalten nun allerbings zu ihrem Gott geworben ift. Wenn erft einzelne Völker als foldye ausgefchieden find, erhöht fi für die Zurüdgebliebenen die Anziehungskraft ber bloß natürlichen, der Stamm- verhältniffe, die ihre abſondernde Sraft erft hier erhalten, während das Bewußtſeyn derſelben früher vielmehr die Bedeutung hat, die Einheit

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eines jeven Geſchlechts mit dem Ganzen, mit ber geſammten Menſchhät zu erhalten. Die wahre Religion, ſowie bie Offenbarung, wird fih affe weder in ber Menfchheit noch in einem Bolt, fonbern in einem Gefäleht finden, das von dem Weg ber Vblker fetngeblieben und fich noch immer an ben Gott der Urzeit gebunden glaubt. Dieſes Geſchlecht ift des vurh Sem von Noah abgeleitete der Abrahamiden, das ſich den Böltern über haupt entgegenfegt, mit benen ſich ihm (mit dem Begriff Völker) um trennlich ter Nebenbegriff von Anhängern anderer Götter verbunden hat Diefer haftet durchaus nicht an dem Wort; denn wo in umfern Lee fegungen Heiden fteht, finden fid im Hebräiſchen Wörter, bie wihtt anders bebeuten als Bölfer, denn ſelbſt zwifchen ben zwei Wörtern am mim und gojim finbet ſich in biefer Beziehung fein Unterſchied, we manche ſich vorftellen, bie wiflen, daß die heutigen Juden alle niht- jübifchen Völker, alfo beſonders auch bie chriſtlichen, gojim nennen. Die althebräifhen Schriftfteller machen biefen Unterſchied nicht, ja fie nennen ihr eigenes Volk (und Iſrael ift ja fpäter felhft zum Bolt geworden) mit: unter ebenfalls ein goi. Tiefe Berbinpung beider Begriffe Polytkik mus und Bölferthum, welde bis daher von uns nur vorübergehend be⸗ rührt worben, bie ih aber jegt als fette und entſcheidende Veftätigumg unferer Anficht geltend made, daß Polytheismus das Wertzeug der BVölfertrennung geweſen, hat ſich dieſem Geſchlecht won ven erſten Zeiten ber fo tief eingeprägt, daß es, längſt ſelbſt zum Bolk geworden, die In hänger falſcher Götter einfach und ohne Zuſatz Völker nennt, ein Sprad- gebrauch, ver ſich bis ins Neue Teftament fortjegt, das bie Heiden eben aud nur die Völker (£9%7) nennt. Unter den Rönigen, die Abraham mit den Seinen überfällt und fchlägt, wirb neben andern mit ven Ra men ihres Landes oder ihres Volles bezeichneten einer mit feinem Namen, aber nur als ein König ver Völker, d. h. als ein heibnifcher überhaupt erwähnt '. Sich ſelbſt alfe betrachteten die Abrahamiden als nicht zu den Völkern gehörig, als Nictvolf, und eben dieß fagt auch der Ram

* 1. Moſ. 14, 1. Gojim ſelbſt als Bolfename, Gsjiten, von denen man fonft hund

aus nichfe weiß, zu nehmen, ift fein Grund, unb gleich unnöthig jebe anbere Hinfliche Ertlarung; bie appellative Bebeutung ift durch obige Anficht vollfommen gerechtfertigt

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+

Hebräer. Wo Abraham mit den Königen ver Völker fireitet, wird er zum erftenmal im Gegenfag mit dieſen Haibri (der Yhri) genannt. Auch fpäter wird, außer etwa im poetifchen Styl, ver Name Hebräer den Sfraeliten ſtets nur im Gegenfaß mit den Völkern gegeben‘. Der Rame müßte alfo, fcheint e8, auch ihren Unterſchied von ven Völkern ausdrüden. Die Genefis fchaltet in das Gefchlechtsregifter felbft einen Heber ein, von dem fie nachher in ber fechsten Generation Abraham abſtammen läßt. Heutzutage ift man Üüberzengt, daß biefer Heber viel- mehr feinen Urfprung ebenfo den Hebräern verdankt, als der Doros und der Son in der griechiſchen Sagengefchichte den Doriern und Soniern. Werben doch in berfelben Genealogie Namen von Ländern zu Namen von Perfonen gemadt, heißt e8 doch z. B.: die Kinder Cham find Chus (Aethiopien), Miſraim (Aegnpten), und von Kanaan: er zeugete Sivon (Name ber. befannten Stadt) feinen erſten Sohn. ine abergläubiſche Verehrung des Buchſtabens wäre bier übel angebracht. Der Name Hebräer Täßt fich nicht auf die zufällige Eriftenz eines Heber unter ihren Borvätern zurüdführen, denn dieſe Abſtammung drückt fo wenig einen Gegenfag zu Völkern aus als das „über den Euphrat Gekommenſeyn“. Der Name bat die Form eines Völkernamens; denn nachdem einmal Böller da find, werben bie Abrahamiden auch gleichſam, nämlich be- ziehungsweiſe, zu einem Volk, ohne es für ſich ſelbſt zu ſeyn; aber ein dem conflanten Gebrauch des Namens im Gegenfag mit Völkern con- gruenter Begriff entfteht nur, wenn man ihn von dem ent|predhenden Verbum ableitet, das nicht bloß übergehen (über einen Fluß), fondern auch einen Ort ober eine Gegend durchziehen, überhaupt vorüber- gehen ? bebeutet. Abraham ber Ibri beißt alfo: Abraham, der zu den Durchziehenden, an feinen feften Wohnfig Gebundenen, nomadiſch Leben⸗ ben gehört, wie der Erzvater in Kanaan auch ſtets ber Fremdling beißt ®, denn der nirgends Weilende ift überall nur ein Fremdling, ein

S. Gefenins, Geſchichte ber hebr. Sprade und Schrift, ©. 11.

21. Mof. 12, 6, wo er von Abraham felbft gebraucht wirb; 37, 28, dann 2.:Rön. 4, 8.9 u. a.

3 1. Moſ. 17, 8. 85, 27. 37, 1. Die Verheißungen des Jehovah ihm -

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Wanderer '. Die Anhänglichleit an ven Einen allgemeinen Gott wirb mit dieſer Pebensweife jo durchaus in Verbindung gebracht, daß von Yale im Gegenſatz wit Eſau, ver ein Yäger und ein Adermanı wird, gefagt ift: Er war ein frommer (eigentlich ein ganzer, ungetheilter) Dann (ver bei dem Einen blieb) und wohnte in Hütten 2; und als Iſrael, das Di dahin noch immer ven Gott feiner Väter zum einzigen Hirten und Kümg gehabt Hat, von Eamuel einen König begehrt, wie ihn alle Böfker haben ®, da fagt Gott zu dem Propheten: „Sie thun bir, wie fie immer gethan Haben, von dem Tage an, da ich fie aus Aegypten geführt, mi mich verlaffen und andern Göttern gebient haben“,

Es mag fonverbar fcheinen, aber die Wichtigkeit, welche dieſer Uebergang von der Menfchheit zu Völkern für unfere ganze Unter fuchung hat, mag e8 entſchuldigen, wenn ich ein Beifpiel des Gegen ſatzes (von Volk und Nichtvolk) anführe, das ich in einer fehr jpäten Zeit noch gefunden zu haben glaube. Denn wenigftens_ Tann id vie Alemannen, die zur Zeit des Saracalla wie ein plötzlich aufgeftörter und immer wachfender Schwarm an den römifchen Gränzen erfcheinen. un Gallien und Italien überfallen, nad allen, wenn auch kärglichen Be fhreibungen °, nur für einen Theil germanifcher Menfchheit halten, ber fich noch nicht zum Volk beftimmt hatte, darum auch fo fpät auf ber Weltbühne erfcheint. Der Name ftimmt hiemit überein, mag man hiebei an alamanas benfen, das in einigen Bruchftüden ber gothiſchen

und feinen Nachkommen das Land, worin er als Fremtling fey, zu ewiger Be figung zu geben, erhält dadurch eine beftimmtere Bebeutung.

Vergl. 1. Mof. 47, 9. Die einzige der oben vorgetragenen etwa vor- zuziebende Erklärung des Namens Hebräer wäre bie von Wahl, ver, darauf gertügt, baß IM, wofür auch ein Blur. NIIYY, (Ser. 5, 6. 2. Kön. 25, 5) gefchrieben ift, Wüſte bebeutet, die ſinnreiche Vermuthung aufflellt, daß Ibrim (Hebräer), Arabim (Araber) und Aramim (Aramäer) bloße, analogiſch wohl begreifliche Abänderungen beffelben Namens fein. An der Sache, um bie es u thun ift, würde übrigens nichts geändert.

: 1. Moj. 25, 27.

°1. Eam. 8, 5.

Ebendaſ. v. 8.

> ©, Gibbons History c. X.

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Ueberfegung des N. T. bloß Menfchen überhaupt, ohne Unterfchieb zu bedenten ſcheint gibt man bem ala! diefe im Grunde verneinende Bedeu⸗ tung, fo wären Alemannen entweber ein namenlofes (noch nitht zum Volt gewordenes), eben darum ein noch night in beftimmte Gränzen eingefchlof- jenes Geſchlecht (in diefem Fall wären Marfomannen als Gegenfaß zn denken) oder mag man einfach erinnern un Almende, ein Grund, ber wüft (unbebant) gelaffen wird, und meift als Weide benugt, nicht Eigenthum bes Einzelnen, fondern ber Geſammtheit ift. Einen entfchievenen Wider⸗ willen der Alemannen gegen vollsartige Eriftenz bezeugt der auch fpäter noch tief eingemwurzelte ſichtbare Hang ver Alemannen zum freien Einzel- leben, ihr Haß gegen die Stäbte, welche. fie ald Gräber. anfehen, in vie man ſich lebendig einfchließt ?, ihre gegen die römischen Nieberlaffungen gerichtete Zerftörungswuth. Dagegen nım, wenn bie patronymifche Er⸗ Märung ded Namens der Deutihen als Teut'ſcher (Nachkommen des Teut) unbedingt aufzugeben ift, und Thiod body Volk bebeutet, würden die Deutichen (Thiod'ſchen) eben die Germanen feyn, bie ſich fchon als Volk befondert oder abgefonvert haben, wie in dem feit- dem fiebenten Yahrhunvert gebräuchlichen theotiscus, theotisce, noch ‘immer die Bes ziehung anf Volk hervorzuftechen feheint. Es lohnte wohl der Mühe, fämmtlihe Namen, unter denen germanifche Völker oder Völkerſchaften erwähnt werben, auch einmal aus bem Geſichtspunkt dieſes Gegenfates zu umerſuchen. Nicht weniger vielleicht könnte dieſe Unterfcheivung dienen, bie Wiverfprüde in Bezug auf beutfche Götterlehre, z. B. wiſchen Julius Cäſar und Tacitus, auszugleichen.

Wir ſind alſo nun in der Geſchichte der religiöſen Entwicklung, wie fie in ven moſaiſchen Urkunden, auf welchen doc alles, was von Offenbarung behauptet werben Tann, allein beruht, felbft verzeichnet ift, bi8 dahin. vorgefchritten,.wo die Erfenntniß des wahren Gottes nur noch bei einem Geſchlecht fi erhalten, das außer ven Völkern, ja im Gegenfag mit ihnen geblieben, und infofern allein noch bie reine Menjchheit

13. Grimm ſieht darin ein verſtärlendes Präfie. Götting. gelehrte An⸗

zeigen 1835, ©. 1106. 2 Ammian. Marcell. L. XVI, c. 2.

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repräfentirt. Bei eben biefem Geſchlecht ift mm allein auch Offen barung, und eben bei ihnen Infien fi bie Borausſetzungen einer Offenbarung fo deutlich und beftimmt erkennen, baf wir, um bie Be antwortung ber Frage, von welcher dieſe legte Unterfuchımg ausgeger gen ift, bis zum vollfländigen Refultat zu führen, nicht vermeiden fie nen, insbeſondere noch den Abrahamiben unfere Aufmerkſamleit zum wenben. Die Frage ging befanntlicy davon aus, ob Offenbarung ben Polytheismus zwoorgefommen. Auf die Weife, wie wir bie Unter ſuchung über Mythologie angefangen haben, konnte die Offenbarung von derſelben nicht ausgeſchloſſen werben. Es läßt ſich überhaupt nichts mer einzeln ober in ber Vereinzelung begreifen, alle® wird nur verftänbäd im großen, allgemeinen Zufammenhang, und dieß gilt von ber Offen barung ſelbſt ebenfowohl als von der Mythologie. Nun ergibt fih ans dem bisher Eriviefenen, daß das erfte Menfchengefchledht den wahren Gott implieite, nämlid in dem relativ. Einen verehrt, aber ohne ihn als folgen zu unterſcheiden. Offenbarung aber ift gerabe Manifeflatien des wahren Gottes als folchen, für welche in dem erften Menſchen⸗ geſchlecht, eben weil es tiefer Unterſcheidung nicht beburfte, Feine Em pfänglichfeit war. Bon bem zweiten wirb gefagt, daß es ben mahren Gott beim Namen gerufen, b. h. als ſolchen unterſchieden habe: hier ft alfo die Möglifeit einer Offenbarung, aber nicht eher gegeben, als bie nicht auch die erfte Auwandlung von Polytheisnius vorhanden war. Die hervorragendſte Geftalt ift Noah, mit dem der wahre Gott verkehr; aber eben zu feiner Zeit ift auch ver Polytheismus nicht mehr aufzuhalten, die Sundfluth felbft nur ver Uebergang von dem Zeitalter der noch zurüdge- haltenen zu dem ber unaufhaltfam hervorbrechenden und fid) über das Dien- ſchengeſchlecht ergießenden Vielgötterei. Bei dem nun folgenven Gefchledt, unter dem Monotheismus im eigentlihen Sinn, Erkenntniß bes mahren Gottes und damit Offenbarung, erhalten ift, müſſen ſich nun auch auft Beftimmtefte die Bedingungen erfennen laffen, unter benen ein ſolches Ber- hältniß zu dem wahren Gott allein beftehen konnte. Sie find den bisherigen Entwicklungen mit fo viel Theilnahme gefolgt, daß ich mir ebenbiejelbe auch für den Schluß verſpreche, der erſt zum befriebigenben Ziele führen wirt.

Was num aljo den Monotheismus und das Verhältniß zu dem wahren Gott betrifft, mit deſſen Glorie nicht nur im Alten Teftament, fondern in den Sagen bes ganzen Orients, das Haupt des Abraham umgeben ift (fie nennen ihn einftimmig den Freund Gottes) und nie tonnte eine fpätere Fiction biefe Uebereinftimmung der Ueberlieferungen erzeugen fo will ich zuerft und vor allem auf bie Beftänbigfeit auf merkſam machen, mit welder bie Genefis von dem Jehovah, aber meines Wifjens nie von dem Elohim fagt, er ſey Abraham, Iſak ımb Jakob erfchienen F ſchon dieß ‚fett voraus, daß er nicht der unmittel⸗ bare Inhalt ihres Bewußtſeyns war, wie diejenigen denken, welche die Offenbarung als ſchlechthin erſtes Erklärungsprincip aufſtellen. Nicht weniger merkwürdig iſt, wie bie Erzväter in bedeutenden Moyıenten ven Jehovah bei Namen rufen?, wie man ben ruft, den man feſthalten will, oder der erfcheinen fol. Wenn Jehovah nur. gerufen wird und umz erjcheint, fo fanıı der unmittelbare Inhalt ihres Bewußtſeyns nur der Gott feyn, welcher in den moſaiſchen Schriften Elohim genannt wird. Es iſt bier der Drt, und über diefen Namen zu erllären. Der grammatifchen Yorm nad ein Pluralis, bat er zuweilen auch das Ver⸗ bum in ber Mehrzahl nad) ſich nicht wie einige glauben, wegen bloß mechanifcher Anbequemung an die Form; denn. eine nähere Unterſuchung der Stellen zeigt, daß der Pluralis des Verbums nur in beftimmten Ballen, alfo nicht zufällig geſetzt iſt, denn fo z. B. wenn in ber &r- zählung vom babylonifchen Thurm Jehovah redet und fpriht: „Fahren wir hernieber, und verwirren wir ihre Sprache”, fo ift ber Grund ein« leuchtend, denn der Gott muß fich vervielfachen, um.vie Menfchheit zu zertrennen. Ebenſo in ter Schöpfungsgefchichte, wo bloß Elohim rebet und fpricht: „Paflet ung Menſchen maden, ein Bild das uns gleich ſey“, denn der ſchlechthin Eine Gott als folder ift bildlos. Wenn Abraham fagt: die Götter haben ihn aus’ feines Vaters Haufe in die

1. Mof. 12, 7. 17,1. 18, 1. 26, 2. 28, 12. Aber Kap. 359 Hier erjcheint Elohim, aber nım, um an ben „erſchienenen“ Gott zu erinnern (®. 1) und ben Segen bes leßteren zu beftätigen (®. 11).

? 1. Mof. 12, 8. 18, 4. 21, 33. 26, 25.

Schelling, fämmtl. Werke. 2. Abth. 1. 11

162 Irre, d. 5. in bie Wüfte, gehen, das nomabifche Lehen vorzichen Iaflen', fo fönmen, ba hier Elohim nicht wie anderwärts mit ben Artikel fickt, wirkliche Götter verftanden werben (Abraham floh bie im Kaufe feines Baters einreißende Abgötterei), unb bie andern Stellen, wo Schuh ihm die Flucht befiehlt, wären fein Widerſpruch, ba beides zufanmen beftehen Tann. Wenn aber in einer Gtelle wie ‚bie ſchon angeführt, der austrüdlic Jehovah Elohim genannte Gott fagt: „Siehe Aram f worben wie Einer von und“, alfo felb einen im fich unterſcheide und den andern entgegenfeßt, fo muß wohl an eine Mehrheit gebedt werben. Auch nicht als Reſt eines früheren Polytheiemus, wie mande gemeint, läßt fi die Pluralform des Namens oder bie Conftrudim mit dem Pluralis des Verbums erflären. Wohl aber barans, daß ber Gott als Jehovah zwar immer Eimer ift, aber als Elohim berjenig, der noch ben Sollicitationen zur Vielheit audgefegt ift, und außerden andy dem übrigens an der Einheit fefthaltenden Bewußtſeyn wirkich za einer, nur immer niebergehaltenen Vielheit wird. Nicht ein älterer Bolytheismus, fondern der fpätere, deſſen Anwanblungen z. B. and Abraham nicht entzogen war, brängt fi hier ein. Wbgefehen mm aber von biefer zuweilen hervortretenben Pluralbedeutung, läßt fich nicht mehr zweifeln, daß Elohim wie viele ähnliche Blurale Singularheveutung hatte, und ein Pluralis nicht der Vielheit, fonbern ber Größe ift (Plurals magnitudinis, qui unam.sed magnam rem indicat ), ter gebrundt wird, fo oft etwas in feiner Art Großes, Mädhtiges ober Erſtaunen- erregendes außgebrüdt werben foll. Den erften Anſpruch aber auf einen folgen Erſtaunen ansbrüdenden Namen hatte unftreitig jener Allgett, der Gott, außer dem für feine Zeit Fein anberer war. Ja ber Name drüdt ſelbſt nur Erſtaunen aus, da er vom einem Verbum abftammt, "

* Bl. Storrii Obes. p. 97. Beiſpiele: jamim Bebeutet das große Bier (p. 46, 8), thanim = draco sed itudo, ad grandis.

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das im Arabiſchen beſtimmt dieſe Bedeutung hat (obstupuit, attonitus uit). Es ift uns daher unzweifelhaft wohl in Elohim- ver urfprüngliche femitifche Name bes Urgottes bewahrt, womit übereinftimmt, daß hier umgefehrt von andern Yällen der Singularis (Eloah) erft aus - dem Pluralis gebilvet worden, wie barans zu eriehen, daß biefer Singular nm in fpäteren Büchern des A. T., meift bloß in poetifchen, vorkommt. Da in der Genefis und zum Theil noch in den folgenden Büchern bie Namen Elohim und Jehovah abwechſeln, fo kat man barauf die Hypo⸗ thefe zu gründen geſucht, daß insbefonbere die Genefis aus zweierlei Urkunden zufammengefegt fey: bie eine nannte man bie Elohim⸗, bie andere. die Jehovah⸗Urkunde. Allein man Tann fi, leicht Überzeugen, daß in den Erzählungen die. Namen nicht zufällig wechfeln, fondern mit abfichtlicher Unterfcheivung gebraucht werben, und ver Gebraud) des einen oder andern feinen Grund in der Sache bat, und nit von einem bloß äußeren ober zufälligen Umſtand beftimmt wird. Zuweilen, namentlich in ber Gefchichte des Sünbenfalls, find beive Namen verbunben, aber bloß wenn der Erzähler, nicht wenn das Weib oder Die Schlange ſpricht; onch Adam würde, wenn er rebenb eingeführt mwürbe, nur Elohim fagen, denn der erfte Menſch wußte noch nichts von Jehovah. Der Elohim iſt der Gott, den auch bie Völker, die Heiden noch fürchten‘, der auch zu Abimelech, dem König von Gar, zu Laban dem Syrer im Traum fommt?. Der Traum ſcheint vie natürliche Wirkungsweiſe bes Gottes, ber ſchon der Vergangenheit zu verfallen anfängt. Zu dem natürlichen, eben darum beſtändig gegenwärtigen Gott, dem Elohim, betet Abraham um die Heilung Abimelechs des Königs von Gerar. Da bier für Beten das eigentliche Wort gebraucht ift, fo erhellt daraus, daß das „ven Jehovah bei Namen rufen“ nicht fo viel als „beten“ ift®. In Bezug auf Abraham felbft iſt es, und zwar, wie man beutlich fieht, wenn man bie Stelle im Zuſammenhange Tiest *, recht ausdrücklich der

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Elohim, der ihm bie Beſchneidung gebietet, die ein uralter, auch einem Theil der Völler gemeiner religiöfer Gebrandy und eim bem Ur⸗ gott gebrachter Tribut war. Es iſt der Elohim, ber allgemeine Gott, durch den Abraham verfucht wirb, feinen Sohn nach Weife ver Heben ihm zum Branbopfer zu ſchlachten, der erſcheiiende Jehevah aber, ver ihn von der Vollbringung zurüdhält. Denn weil Jehovah nur erſchei⸗ nen kaun, fo wird fiatt Jehovah ſehr Häufig ſelbſt. noch in fpäterm Schriften der Engel, d. h. eben bie Erſcheinung des Jehovah, geſett

Das urfprüngliche Menſchengeſchlecht Hatte in dem velativ-Einm und Ewigen doch eigentlich den wahren, den weſentlich · Einen un Ewigen gemeint. Erft die Erfcheinung bes zweiten Gottes bringt tus Bewußtſeyn dahin, daß es den wefentlich-Eiwigen, ber in dem Bf zufällig Eiwigen ber wahre, ber eigentliche Gott gewefen ift, daß es ten wefentlich- Eiwigen von.bem, ber es nur für eine Zeit war, unterfhe- det. Hier muß man annehmen, daß es auch denen, bie den Weg tet Polytheismus gegangen find, nody frei ſiand, ſich dem weſentlich · Ewigen, der in dem andern ber wahre Gott geweſen iſt, alſo dem wahren Gone zuzuwenden. Bis hieher ift ber Weg bes Menſchengeſchlechts derſelbe, erft an biefem Punkte trennt er fih. Ohne den zweiten Gott ohne die GSollicitation zum Polytheismus würde auch fein Fortgang zum eigentlichen Monotheismus-gewefen ſeyn. Dieſelbe Potenz, welde tem einen Theil der Menſchheit ver Anla zur Bielgötterei wird, erhebt ein vorbehaltenes Geflecht zur wahren Religion. Abraham, nachdem ver Gott, den auch bie erfte Seit ſchon in dem relativ-Einen, wiewohl ın- wiffenb, verehrt hat, nachdem biefer ihm erfchienen, d. h. offenbar unt unterſcheidbar geworben, wendet ſich ihm freiwillig und mit Bewußtſern zu. Diefer Gott ift ihm nicht ver urfprünglidhe, er ift der ihm gemor- dene, erſchienene, aber er hatte ihn ebenfowenig erfunden noch erdacht;

if, erhellt aus 21, 4, wo bes Gebots nur wieber erwähnt wirb, unb es doch heißt: wie Elohim ihm geboten hatte.

* Die Hauptfelle natürlich 1. Mof. 22, 11. Der Engel Jehovah von Ir. hobah felöft nicht unterſchieden Richt. 6, 12, vgl. 14. 16. 22. Wo Jehovah und ber Engel Jehovah, ba ift natürlich auch ber Elohim, ebend. 13, 21 vgl. mit 2.

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was er dabei thut iſt nur, daß er den gefehenen (ihm offenbar geworvenen) feſthält; indem er aber ven Gott fefthält, zieht auch dieſer ihn an, und gebt mit ihm ein befonberes Berhäftniß ein, durch das er vollends aus ben Böl⸗ tern herausgenommen wird. Weil e8 feine Erkenntniß des wahren Gottes ohne Unterſcheidung gibt, darum ift ver Name fo wichtig. Die Verehrer des wahren Gottes find die, bie feinen Namen kennen; die Heiden, bie feinen Ram en nicht kennen, fie-fennen ben Gott nicht überall nicht (näm- lid) auch nicht der Subftanz nad), fie kennen nur nicht feinen Namen, d. h. fie kennen ihn nicht in der Unterfcheibung.. Allein Abraham Tann nicht etwa, nachbem er den’ wahren Gott gefehen, fi von feiner Boraus- fegung losreißen. Der unmittelbare Inhalt feines Bewußtſeyns bleibt ihm der Gott ber Urzeit, ber ihm nicht geworben, alſo aud nicht geoffenbart ift, der wir müſſen und fo ausprüden fein natür⸗ lich er-Öott if. Damit der wahre Gott ihm erfcheine, muß der Grund ter Erfcheinung der erfte bleiben, in welchem allein jener beftänbig ihm werben Tann. Der wahre Gott ift ihm durch den natürlichen nicht bloß vorübergehend, ſondern beftänbig vermittelt, ex ift ihm nie ber feyenbe, fondern beftändig nur der werdende, wodurch fi) allein ſchon ber Name Iehovah erklären würde, in dem eben der Begriff des Werdens vorzüglich ausgedrückt iſt. Abrahams Religion beſteht alſo nicht darin, daß er jenen Gott der Vorzeit aufgibt, ihm untren wird, das thun vielmehr die Heiden; der wahre Gott ift ihm felbft nur in jenem offen bar geworben, und daher von bemfelben untrennbar, untrennbar von tem Gott, der von jeher war, dem El olam, wie er genannt wird.

Man überfegt dieſen Ausbrud gewöhnlich: der ewige Gott; allein man würde fich irren, wenn man babei an metaphyſiſche Ewigkeit denken wollte. Tas Wort olam bezeichnet recht eigentlich bie ‚Beit, vor welcher die Mienfchheit von Feiner weiß, die Zeit, in ber fie fi findet, fo wie fie ſich findet, die ihr nicht geworben, und in biefem. Sinn freilich eine Gwigfeit ift. Der Prophet nennt die Chaldäer ein Volk me olam ', ein Bolt das ift, fett ver Zeit, in melcher keine Völker waren. Luther

' 3erem. 5, 15.

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überſetzt es daher richtig: die das .ältefte Voll geweſen find; olam if bie Zeit wo feine Völler waren. In gleichem Sim fagt das frlhe erwähnte Bruchſtück von den Heroen und Gewaltigen der Vorzeit, daß fie berühmt find me olam, d. h. feit ber Zeit, nad) welcher Völler entftanden. Joſua fagt den Kindern Iſrael: Eure Väter wohnten je feitS des Enphrats me olam ', d. h. von der Zeit ab, wo noch fein Völker waren, alfo feit es Völker gibt. Die erfte gefchichtliche Zeit die erfte Zeit von ver man weiß, findet fie dort. Der EI olam if alfo ver Gott, der nicht ſeit, fondern in jener Zeit fchon war, wo Bölfer noch nicht waren, ber Gott, vor dem feiner war, von deſſen Entſtehen alfo niemand weiß, der ſchlechthin erfte, ver unvorbenl: liche Gott. Der Gegenfag des El olam find vie Elohim chadaschim, bie neuen Götter, „bie nicht won lang her“, fondern erft entſtanden find? Und fo ift aud) dem Abraham der wahre Gott nicht ewig im metaphyſiſchen Einn, ſondern als der, dem man keinen Anfang weil. Wie ihm ter wahre Gott derfelbe ift mit vem EI olam, fe and

mit dem Gott des Himmels und ber Erbe; denn als folder wurbe einft der dem ganzen Menfchengefchlecht gemeinfchaftliche werehtt. Jehovah ift ihm nicht materiell ein Anderer als diefer, er ift ihm nr ber wahre Gott bes Himmels und ver Erde. Als er feinen ätteften Knecht ſchwören läßt, daß er ihm fein Weib nehmen wolle von ben Kindern ver Heiden ?, fat er: „ſchwöre mir bei dem Jehovah, dem Gett Himmels und der Erbe”. Tiefer ift ihm alfo mit dem ganzen älteren Menfchengefchlecht noch immer gemein. Eine Geftalt, die eben tiefem Geſchlecht angehört, ift jener‘ Dielchi-fevel, ver König von Salem und Priefter des -höchften Gottes, des El Eljon, ift, der unter dieſem Namen no in den Yragmenten des Sandhuniathon vorkommt, des Gottes, der, wie gefagt wird, "Himmel und Erbe befiget. An viefer aus dem Duntel der Vorzeit hervortretenden Geſtalt ift alles merfmürbig, auch die Namen, fein eigener fowohl, als der Name des Landes oter Ortes, von dem

30. 24,2. . -

2 5. Mof. 32, 17.

+1. Mof. 24, 8.

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*

er König genannt wird. Die Worte sedek, saddik bedeuten zwar auch Gerechtigkeit umd gerecht, aber der urfprünglihe Sinn, wie nod aus dem Arabifchen zu erfehen, ift Feſtigkeit, Unbeweglichkeit. Melchi⸗ſedel ift alfo der Unbewegliche, d. b. der unbeweglich bei dem Einen bleibt '. Daffelbe liegt in dem Namen Salem, das fonft gebraucht wird, wenn außgebrädt werben fol, daß ein Mann ganz, d. h. ungetheilt mit Elo⸗ him fen. oder gehe?. Cs ift daſſelbe Wort, wovon Islam, Moslem gebilvet ſund. Islam bebeutet nicht® anders als die volllommene, vd. h. bie ganze, ‘die ungetheilte Religion; Moslem ift der ganz dem Einen Ergebene. Man begreift auch das Spätere nur, wenn man das Weltefte begriffen. Die ven Monotheismus des Abraham beftreiten, oder deſſen ganze Geſchichte für fabelhaft Halten, haben wohl nie über die Erfolge bes Islam nachgedacht, Erfolge fo furchtbarer Art, ausgegangen von einem Theil der Dienfchheit, der hinter dem, ben er befiegte und vor fi) niederwarf, um Jahrtauſende in der Entwicklung zurüdgeblieben war, daß fie nur aus der ungeheuren Gewalt einer Vergangenheit er- klärbar find, die wieder aufftehend in das inzwifchen Gewordene und Gebilvete zerſtörend und verheerend einbricht. Die Einheitslehre Mo- hammeds konnte nie biefe umftürzende Wirkung bervorbringen, wem fie nicht von Urzeiten ‘her im biefen Kindern der Hagar war, an benen die ganze Zeit von ihrem Stammpater bis anf Mohammed fpurlos vor- übergegangen war. ber. mit bem Chriftenthum war eine Religion entftanden, bie den Polytheismus nicht. mehr bloß ausfchloß,. wie er vom Iudenthum ausgefchloffen war. Gerate ba, an diefem Punkt der Ent- wicklung, wo bie flarre, einfeitige Einheit ganz überwunden war, mußte die alte Urreligion noch einmal ſich aufrichten blind und fanatifd,, wie fie gegen bie viel entwideltere Zeit nicht anders 'erjcheinen konnte. Die Reaction galt‘ nicht bloß der zu Mohammeds Zeit zum Theil felbft unter dem Theil der Araber, der das nomadiſche Leben nicht ver- laſſen hatte, eingeriffene -Abgötterei, fondern ‚weit mehr der fcheinbaren

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Bielgötterei des Chriſtenthums, dem Mohammer ven flarren unbeweglichen Gott der Urzeit entgegenftellte. Alles hängt bier zuſammen; auch ber Mein verbot das Geſetz Mohammebe feinen Anhängern, wie ihn te Nechabiten zurückweiſen.

Diefem König von Salem alfo und Priefter des höchſten Gottes unterorbnet fih Abraham, denn Jehovah ift felbft nur eine durch ihn, den Urgott, vermittelte Erſcheinung. Abraham unterwirft fich ihm te dur, daß er ihm ven Zehenten von allem gibt. Immer verehrt eim jüngere aber fromme Zeit die ältere, als gleichſam dem Urfprung ned nähere. Melchi-ferel tritt aus jenem einfach, ohne Zweifel und ohne Unterfheidung an dem Urgott hangenden und in ihm unwiflenb ven wahren Gott verehrenden Gefchlecht hervor, gegen welchen ſich Abre- ham fchon gewifjermaßen weniger lauter fintet; denn er tft von ben Berfuchungen nicht frei geblieben, denen vie Völker gefolgt waren, ob: wohl er in tenfelben beftanden war, und aus ihnen ven als felhen unterfchiedenen und erfannten wahren Gott gerettet hat. Dagegen bringt Melchi-fenel dem Abraham Brod und Wein entgegen, ‚vie Zeichen ber neuen Zeit, denn wenn Abraham dem alten Bund mit dem Urgett nicht untreu geworben, mußte er ſich wenigftens von ihm entfernen, um ben wahren Gott al8 ſolchen zu unterfcheiden ; bie Entfernung bat er gegenüber dem älteften Gefchlecht mit den Völkern gemein, bie jenem Bund ganz abtrünnig geworben und in einen neuen getreten ſind, als deſſen Gaben fie Brod und Wein betraditen.

Jehovah ift dem Abraham nur der Urgott in feinem wahren blei- benden Wefen. Infofern ift ihm derſelbe audy, der El Olam, Gott ber Urzeit, ver Gott des Himmels und der Erde ', er ift ihm auch der EI Schaddai: dieß ift fein brittes- Attribut. Die Ferm ſchon beutet auf das höchfte Altertfum; schaddai iſt ein archaiftijcher Pluralis, ebenfalls ein Pluralis ver Größe. Der Grumtbegriff te Worts ift Stärke, Macht, der ja in ben: gleichfalls fehr alten Wert

Bloß Abraham Übrigens, nicht auch Melchi⸗Sedek, nennt ben Gott Himmele uud ber Erbe Jehovah 1. Moſ. 14, 22. vgl. 19. 20.

3. 169

el werfchievden won Elohim und Eloah) nicht weniger ver Grumbbegriff ft. Man könnte El Schaddai Überfegen: der Starke ver Starken, aber schaddai fteht auch allein, und ſcheint alfo mit el bloß durch Appofition verbinden, fo taß beives in Verbindung heißt: der Gott, der die über alles erhaberne Macht und Stärke iſt. Nun fagt Jehovah zu Abraham: „Ih bin ver EI Schabbai” '. Hier hat EI Schabbai pas Verhältniß des erflärenden Prävicats, und gegen Jehovah die Stellung des Voraus⸗ befannten, alfo auf des Vorausgegangenen. Nun fteht im zweiten Buch Mofis 2 eine berühmte Stelle -von großer biftorifher Wichtigkeit, wo umgelehrt der Elohim zu Mofes fagt: „Ich bin Jehovah“, wo aljo Jehovah als das fchon Belanntere vorausgefegt wird, und „ich bin Abraham, Iſak und Jakob erfchienen beel schaddai“, im EI Schabbat. Hier haben wir alfo das ausprüdliche Zeugniß, daß der EI Schabbai, d. 5. der Gott der Borzeit, das Offenbarungs- oder Erfcheinungsmebimm bes wahren Gottes, des Jehovah, geweſen ift. Deutlicher hätte fich unfere Anficht von der erften Offenbarung nicht ausſprechen laffen, als fie bier dem Jehovah ſelbſt in den Mund gelegt if. Der Jehovah ift dem Abraham nicht unmittelbar erfchienen, vermöge der Geiftigkeit feines Begriffs kann er nicht unmittelbar erfcyeinen, er ift ihm im EI Schabbai erfchienen *. Im zweiten Glied nun aber ftehen bie Worte: „Und in oder unter meinem Namen Jehovah war ich ihnen (den Vätern) nicht bekannt“. Es find vorzüglich diefe Worte, aus denen man ſchließen wollte, der Name Jehovah fey nach Mofis eigener Angabe nicht alt, fondern erft von ihm gelehrt worden; wenn man vollends die Bücher Mofis nicht von ihm felbft gefchrieben feyn ließ, fo konnte man mit dem Namen wohl gar bis .auf die Zeit Davids und Salomos herab- tommen. Aber bie erwähnten Worte können wenigſtens das nicht jagen

1. Mof. 17, 1.

26,2 f.

Wollte man, wozu übrigens kein Grund verhanben, das 2 in n bx3 als das befannte I praedicati erffären (f. Storrii Obss. p. 454), wiewohl es ſchwerlich in dieſer Conſtruction vorlommen möchte, ſo würde es auf daſſelbe hinauslommen, es wäre, wie wenn man ſagte, ich erſchien ihnen als EI Schaddai.

mn

wollen, was man in ihnen finden möchte. Das Grundgeſetz des hebrã⸗ hen Style ift bekanntlich der Parallelisnus, daß nämlich je zwei Glicder fi folgen, die mit verfchiedenen Worten daſſelbe fagen, meiſt aber fe, daß, was in dem erften Glied bejaht worben, in dem anbern bınd Berneinung bes Gegentheild ausgedrückt wirb, 3. B. ich bin ber Her, und ift fein andrer außer mir, oder: bie Ehre iſt mein, und ih wi fie feinem andern lafien. Wenn num bier das erfte Glied fagt: „IE bin den Vätern im El Schabbai erfchienen“, fo kann das zweite: „um in meinem Namen Jehovah wurde ich ihnen nicht gewußt“, nur auf negative Weife daſſelbe wiederholen; e8 Tann nur fagen: Unmittelbar (dieß eben heißt: in meinem Namen Jehovah) ohne Bermittelung bei El Schaddai mußten fie nichts von mir. Das bischmi (in meinen Namen) ift nur Umfchreibung von: in mir felbfl. Im El Schaddai haben fie mich gefehen, in mir felbft haben fie mid) nicht gefehen. Tas zweite Glied beftätigt alfo nur das erfte; und allerkings eim fpäteres und höheres Dioment des Bewußtſeyns, das den Jehovah auch uml- hängig vom EI Schaddai weiß ein Bewußtſeyn, wie wir es Mofi auch aus andern Gründen zufchreiben müffen, ift durch die Worte be zeichnet. Aber ein Beweis für den angeblich fpätern Urfprung des Ra mens, womit der Hauptinhalt ver Genefis ſelbſt hinwegfiele, ift wenigftene in ber Etelle nicht zu finden.

Alles bisher Vorgetragene zeigt, von welcher Art ver Dionotheisund bed Abraham geweſen, nämlid) daß er Fein abfolut unmythologiſcher war, denn er hatte zu feiner Borausfegung den Gott, der ebenfowohl bie Vorausſetzung des Polytheismus ift, und an diefen ift dem Abraham bie Erfcheinung des wahren Gottes fo jehr gefnüpft, daß der erjcheinente Jehovah den Gehorfam gegen bie Iufpirationen deſſelben als Gehorſam gegen ſich anfieht . Der Monotheismus Abrahams ſey kein überhaupt unmythologiſcher, ſagte ich zuletzt; denn er hat zur Vorausſetzung den relativ⸗Einen, der ſelbſt nur die erſte Potenz des Polytheismus iſt. Ce iſt daher die Weiſe der Erſcheinung des wahren Gottes, weil ſie von

Bgl. 1. Moſ. 22, 1 mit 22, 12 und 15—16. -

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ihrer Vorausſetzung ſich nicht losreißen kann, ſogar dieſe iſt eine ganz mythologiſche, d. h. eine ſolche, bei der das Polytheiſtiſche immer dazwiſchen kommt. Man bat, die ſämmtlichen Erzählungen zumal ver Genefis als Mythen zu behandeln, frevelhaft finden wollen, aber fie find wenigften® offenbar mythifch, fie find zwar nicht Mythen in dem Sinne wie man das Wort gewöhnlich nimmt, d. h. Fabeln, aber es find wirf- liche, obwohl mythologifche , d. b. unter den Bedingungen der Mythologie ſtehende Facta, die erzählt werben.

Diefe Gebimbenheit an den relativ-Einen Gott ift eine Befchränfung, bie auch als folche empfunden werben muß, und über die das Bewußt- jeyn hinausſtrebt. Aber nicht für die Gegenwart Tann es fie aufheben, e8 wird daher dieſe Befchränfung nur fo weit überwinden, daß es dem wahren Gott zwar als ven jett bloß erſcheinenden, aber zugleich als ven erkennt, der einft fegn wird. Bon biefer Seite angefehen ift bie Religion des Abraham reiner eigentlicher Monotheismus, aber biefer ift ihm nicht bie Religion der Gegenwart, in biefer fteht fein Monotheismus unter der Bedingung ber Mythologie, wohl aber ift er ihm bie Religion ter Zukunft; der wahre Gott ift ber, ver feyn wird, das ift fein Name. Als Mofes fragt, unter welchem Namen er den Gott verfün- digen foll, ver das Boll aus Aegypten führen werde, antwortet biefer: „Ich werbe fen der ich ſeyn werde“!; Bier alfo, wo ber Gott in eigener Berfon fpricht, ift ver Name aus der dritten in bie erfte Perſon über- jet, und ganz unftätthaft wäre e8, auch bier ven Ausbrud der meta⸗ phufifchen Ewigkeit oder Unveränberlichleit Gottes zu ſuchen. Es ift zwar bie eigentliche Ausfprache des Namens Jehovah uns unbelannt, aber grammatiſch faiın er nichts anders ſeyn, als ein archaiſtiſches Fu⸗ turum von hawa, ober in ber fpätern Form hajah = feyn; die jetzige Ausſprache ift in feinem Fall die richtige, da dem Namen, der eben nicht ausgeſprochen werben follte, feit fehr alter Zeit die Bocale eines andern Wortes (Adonai) untergelegt find, das Herr bebeutet, woher auch ſchon in ber grichifchen und allen fpäteren Ueberſetzungen ſtatt

2. Mof. 8, 14.

172

Jehovah: der Herr geſetzt if. Mit den wahren Vocalen lonnte ber Name (ebenfalls alterthümlich) Jiweh Iauten, oder analog mit audern Formen von Eigennamen (wie Jakob) Jahwo, jenes mit dem Jewe in ben Fragmenten des Sanchuniathon, dieſes mit dem Jao (Ice) bei Ti der von Sicilien und in’ dem bekannten Fragment bei Macrobins über einftimmend.

Wir haben ven Namen Jehovah früher erklärt als ven Name bes Werdenden vielleicht war bieß feine erfte Bedeutung, aber nad jener Erflärung bei Mofes ift er der Name des Zulünftigen, des jet nur Werbenven, ber einft feyn wird, und auch alle jeine Zufagen gehen in bie Zukunft. Alles was Abraham zu Theil wird, find Verheißunger. Ihm, der jegt fein Volk ift, wird verheißen, er ſoll ein groß und mädtig Bolf werden, ja alle Völker ver Erbe follen in ihm gejegnet werben, denn in ihm lag tie Zufunft jenes Monotheismus, durch ben .einft all jet zerftreuten und zertrennten Bölfer wieder follen vereinigt werben". Bequem und der Geiftesfaulpeit, die ſich oft als vernünftige Aufklärung brüftet, förderlich mag es feyn, in allen viefen Verheißungen nur Ertid- tungen des fpäteren jüdiſchen Nationaftolzes zu ſehen. Aber wo ift in ter ganzen Geſchichte des abrahamiſchen Geſchlechts ein Zeitpunkt, in melden eine ſolche Verheißung in dem angenommenen Sinn von politifcher Größe erdichtet werben konnte? Wie Abraham an dieſe verbeißene Größe feines Volks glauben muß, fo glaubt er auch an die zufünftige Religion, melde das Princip, unter dem er gefangen ift, aufheben wird, und dieſer Glaube wird ihm felbft für die vollfommene Religion gerechnet ?. In Bezug auf diefe zufünftige Religion heigt Abraham gleich anfangs ein Pre phet, denn er ift noch außer dem Gefeg, unter dem feine Nachkommen no beſtimmter werben gefangen werben, und ficht alfo über daſſelbe hinaus, wie die ſpäter ſogenannten Propheten über daſſelbe hinausſahen“

1. Moſ. 18, 18. 19. 26, 4.

21. Mo. 15, 6. Abraham glaubete dem Jehovah, dieß rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.

1. Moſ. 20, 7.

ı Alle Gedanken im A. T. find fo auf die Zukunft gerichtet, daß der fromme

Wenn nämlich die Religion der Erzväter nicht frei ift von ber Borausfegung, die dem wahren Gott als folden nur zu erfcheinen, nicht zu ſeyn erlaubt, fo ift das Gefeg durch Moſes gegeben noch mehr an diefe Borausfegung gebunden. Der Inhalt des moſaiſchen Gejeges ift allerting® die Einheit Gottes, aber ebenfo ſehr, daß dieſer Gott nur ein vermittelter ſeyn ſoll.

Ein unvermitteltes Verhältniß ſtand nach einigen nicht wohl anders zu nehmenden Stellen dem Geſetzgeber zu, der als ſolcher gewiſſermaßen außer dem Volle ſteht; mit ihm redete der Herr von Angeſicht zu An— geſicht, wie ein Mann mit feinem Freunde redet ', er fah ben Herrn wie er ift’, und ein "Bropbet wie er, mit dem her Herr rebete wie mit ihm, wird nicht mehr aufftehen ; aber dem Bolt wird das Gefek als ein Zoch auferlegt. Im dem Verhältniß als die Mythologie fort« [reitet ; der relative Monotheismns ſchon im Kampf mit. entchiebenem Polytheismus iſt, bereits Kronos Herrſchaft über die Böller ſich aus⸗ breitet, da muß auch dem Volk des wahren Gottes der relative Gott, in welchem es ſich den Grund des abſoluten zu erhalten hat, immer ſtrenger, ausſchließlicher, eiferſüchtiger auf ſeine Einheit werden. Dieſer Charakter ver Ausſchließlichkeit, der ſtrengſten negativen Einzigleit, Tann nur von bem relativ-Einen herfommen; denn ber wahre, ver abfolute Gott ift nicht auf biefe ausſchließliche Weife Einer und ald ver nichts ausſchließende auch von nichts bedroht. Das mofaifche Religionsgeſetz iſt nicht8 anders als ver velative Monotheismus, wie er fich im- Gegenfag

Erzähler 1. Mof. 4, 1 ſchon ber Eva eine Prophezeiung in ven Mund legt (Übri- gens vermöge einer weitgefuchten Exrflärung des Namens Kain, ber nach berfelben Etymologie eine viel nähere zuläßt): „ich habe den Mann den Jehovah“. Mit ber Fortdauer bes Menfchengefchlechts, die Durch die erfte männliche Geburt ver- bärgt wird, ift der Menfchheit auch ber wahre Gott, ben fie noch nicht hat, ge- fichert. Ich wehre niemand, ber dazu Luft hat, in ber Rebe wirkliche Worte ver Eva zu feben; er befenme dann aber auch als hiftorifch bewiefen, daß ber wahre Gott für ben erften Menſchen nur ein Zukünftiger war.

192, Mof. 38, 11.

2 4. Mof. 12, 8.

5. Mol. 34, 10.

174

mit dem von allen Seiten einbringenben Heidenthum in einer gr wiffen Zeit allein noch erhalten, als reell behaupten Eonnte '. Sen Princip indeß follte nicht um feiner felbft willen, ſondern eben nur alt Grund erhalten werben, und fo ift benn auch das moſaiſche Religimmt- gefe voll von der Zukunft, auf die es ſtumm wie eim Bild Bine. Das Heidniſche, von dem es ſich durchdrungen zeigt, hat nur temporäre Bebeutung, und wird zugleich mit dem Heidenthum felbft aufgeheben werben. Indem e8 aber, der Nothivenbigfeit gehorchend, vorzüglich mr den Grund ber Zukunft zu bewahren fucht, ift das eigentliche Prindp der Zukunft in das Prophetenthum gelegt, bie andere engännke Seite der hebräiſchen Religionsverfaffung, und ihr ebenfo wefentfih unb eigenthümfih. In ben Propheten aber bricht die Erwartung mt die Hoffnung der zufünftigen befreienden Religion nicht mehr Bloß in einzelnen Aeußerungen hervor, fie ift der Hauptzweck und Inhalt ifer Reden, unb nicht mehr ift diefe bie bloße Religion Ifraels, ſondern alle Bölfer; das Gefühl der Negation, unter der fie ſelbſt leiden, gibt ihac ein gleiches Gefühl für die ganze Menſchheit, und fie ſengen 9 an, and im Heiventhum die Zukunft zu ſehen.

Es ift alfo jegt durch bie älteſte Urkuibe, es iſt durch die für ge offenbart angenommene Echrift felbft bewiefen, daß die Menfchheit wid vom reinen ober abfeluten, fonbern vom relativen Monotheismus aut gegangen if. Ich füge un noch einige allgemeine Bemerkungen über diefen älteften Zuftand des Menſchengeſchlechtes hinzu, ber nicht bloß als religtöfer, der auch in allgemeiner Beziehung für uns bebeutfam ifl.

* gr möglich zu halten, baf fuperflitiäfe Gebäude, wie fie das mofeihke Geremomialgefeß) vorfchreist, noch etwa in Zeiten wie bie Davids ober fein Nachfolger entftehen konnten, fegt eine Unfenutniß bes allgemeinen Gange ber zefigiöfen Entwiclung voraus, die vor 40 Jahren ſich entjfufdigen fick; ben vergeihfidh war bamalß noch bie Meinung, Über eine Erfceinung wie bas mofeikkt Geſetz außer bem großen unb allgemeinen Zuſammenhang urteilen zu Fnmen. Hente aber in es feine unbillige Forderung, daß jeder erft mm höhere Bilbung fi Bemüße, ebe er Über Gegenflände fo hohen Altertfum® zu veven ſich umer- fängt.

. Adıte vorleſung.

Ueber die Zeit des noch einigen und ungetheilten Menfchen- geſchlechts hat aljo wir bürfen es jett als Thatſache ausſprechen, mb and die Offenbarung hat es bezeugt eine geiftige Macht, der Gott gewaltet, ver dem freien Auseinandergehen wehrte, und bie Ent⸗ wicklung bes Menſchengeſchlechts auf der erften Stufe eines durch bie bloßen natürlihen ober Stammesunterfchiebe getheilten, übrigens vollkommen gleihartigen Seyns erhielt, ein Zuftand, ber wohl andy allein richtig der Naturftand genannt würde. Und gewiß, eben diefe Zeit war auch. das vielgepriefene goldene Weltalter, von welchem dem Menfchengefchlecht, felbft dem Längft in Völker getrennten, in ber weiteften Entfernung von ihm noch das Andenken geblieben ift, wo nämlich, wie bie platonifche aus verfelben Erinnerung gefloffene Erzählung jagt, der Gott felbft ihr Hüter und Vorſteher war, und, weil er fie weibete, Keine bürgerlichen Verfaſſungen waren '. Denn wie der Hirt feiner Heerde ſich nicht zu zerſtreuen erlaubt, fo bielt der Gott, als mächtige Anziehungskraft wirkend, mit fanfter aber un- widerſtehlicher Gewalt die Menfchheit in dem Kreis eingefchloffen, im welchem fie zu erhalten ihm gemäß war. Bemerfen Sie wohl ven platoniſchen Austrud, daß der Gott ſelbſt ihr Vorfteher war. Da⸗ mals war alfo den Menfchen der Gott noch durch Feine Lehre, keine Wiſſenſchaft vermittelt, das Verhältniß war ein reales, und konnte

! Beög svsusv avroıs, autos dnidrarov viuovros ds dxeivor aolıreiai

re om ndav. Polit. p. 271. E.

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daher nur ein Verhältniß zu dem Gott in feiner Wirklichkeit, niht zu dem Gott in feinem Weſen, und alſo aud nicht zu dem wahren Gott feyn; denn ber wirkliche Gett ift nicht fofort auch ber wahre, we wir ja fogar bem, welchen wir in anderer Beziehung als einen Get: loſen anfehen, noch immer ein Verhältniß zu dem Gott in feiner Bir: Tichleit, aber nicht zu dem Gott in feiner Wahrheit geben, dem m vielmehr völlig entfrembet iſt. Der Gott der Vorzeit ift ein wirklicher "realer Gott, und in dem and) ber wahre Iſt, aber nicht als folder gewußt. Die Menfchheit betete alfo an, was fie nicht wußte, wen fie fein ideales (freies), fonbern nur ein reales Verhältniß hatte. Chrifins fagt zu den Samaritern (befanntlich wurden biefe von ben Iuden wie Heiden angefehen, im Grunde fagt er alfo von den Heiden): „Ihr betet an, was ihr nit wiffet, wir bie Juden, als Monctke- ften, die ein Verhältnig zu dem wahren Gott als ſolchen haben wir beten am, was wir wiffen“ (menigften® als cin Zufänftiges willen. Der wahre Gott, ver Gott als ſolcher, kann nur im Wiffen feyn, umb im völligen Gegenfag mit einem befannten wenig überlegten Wort, aber in Uebereinftiimmung mit ben Worten Chrifti müffen wir fagen: ver Gott, der nicht gewußt würbe, wäre fein Gott. Monotheismus hat "von jeher nur als Lehre und Wiffenfchaft eriftirt, und nicht einmal bei als Lehre überhaupt, fondern als ſchriftlich verfaßte und in” heiligen Büchern bewahrte, und biejenigen felbft, welche ver Mythologie eine Erkenntniß des wahren Gottes voraugfegen, find genöthigt, dieſen Mo notheismus als Lehre, ja als Syſtem zu denken. Die, melde hm wahren Gott, alfo den Gott in feiner Wahrheit anbeten, können ihn, wie Chriftus fagt, nur zugleich im Geift anbeten, und dieſel Berhältniß Tann nur ein freies ſeyn, wie dagegen das Berhältniß zu Gott außer feiner Wahrheit, wie es im Polytheismus und ber Mythe · logie angenommen iſt, nur ein unfreies ſeyn kann. Nachdem der Menſch einmal aus dem weſentlichen Verhältniß zu Gott, welches auch nur ein Verhältniß zu Gott in feinem Weſen, d.h.

"Eiche ©. 141.

u

in ſeiner Wahrheit, ſeyn konnte, herausgefallen, iſt der Weg, den die Menſchheit in der Mythologie ging, Fein zufälliger, ſondern ein noth— wendiger, wenn der Menſchheit beſtimmt war, das Ziel nur auf ihm zu erreichen. Das Ziel aber iſt das von der Vorſehung gewollte. Von dieſem Standpunkt angeſehen, war es bie göttliche Vorſehung ſelbſt, welche dem Menfchengefchlecht jenen relativ-Einen zum erſten Herrn und Hüter gegeben, bie Menjchheit war an biefen gewiefen und gleichjam unter feine Zucht gethan. Der Gott der Vorzeit ift ſelbſt für das vor- behaltene Geſchlecht nur der Zaum oder Zügel, an dem es von dem wahren Gott gehalten wird. Seine Erkenntniß des wahren Gottes ift feine natürliche, eben darum auch Feine ftattonäre, ſondern immer nur werdende, weil der mahre Gott ſelbſt dem Bewußtſeyn nicht der ſeyende, ſondern immer nım der werdende ift, der eben als foldher auch ber lebenbige beißt, ſtets nur der erſcheinende, der immer gerufen und feſtgehalten werben muß, wie eine Erſcheinung feſtgehalten wird. Die Erlenntniß des wahren Gottes bleibt daher immer eine Forderung, ein Gebot, und auch das fpätere Boll Iſrael muß immer aufgerufen unb ermahnt werben, feinen Gott Jehovah zu lieben, d. h. feftzuhalten mit ganzem Herzen, mit gauzer Seele und mit allen feinen Kräften, - weil der wahre Gott nicht der feinem Bewußtſeyn natürliche ift, fonbern durch einen beſtändigen ausbrüdlichen Actus feitgehalten werben muß. Weil der Gott ihnen nie zum ſeyenden wirb, ift der ältefte Zuſtand ber Zuftand. einer gläubigen Ergebung und Erwartung, und mit Recht heißt Abraham nicht bloß den Juden, fondern aud andern Drientalen der Bater aller Gläubigen, denn er glaubt an ven Gott, ber nicht it, aber fen wird. Alle erwarten ein künftiges Heil. Ter Erzvater Jakob bricht mitten in dem Segen, mit dem er feine Kinder fegnet, in die Worte aus: „Jehovah, ich warte auf dein Heil“. Diefes recht zu verfiehen, muß man auf bie Bebentung bes. entjprechenden Verbums pirüdgehen, dieſes heißt: aus der Enge in bie Weite führen, pafliv ge- dacht alfe: entkommen aus der Enge, daher errettet werben. Alle erwarten demnach, daß fie ans dieſer Enge, in ber fie bis jetzt er-

halten find, binausgeführt und frei werben von ber Boransjegung (des Sqchelläüng, ſammtl. Werke. 2. Abth. 1.

18 >

einfeitigen Monotheismus), vie Gott felbft jegt nicht hinwegnehmen kam, unter tie ſie mit dem ganzen Menſcheugeſchlecht, als unter das Befeg, unter bie Nothwendigkeit, befchloflen find, bis zum Tage der Erläfug mit welcher der wahre Gott aufhört, ber bloß erſcheinende, bio fih offenbarenbe zu fegm, alſo bie Offenbarung felft aufhört, wie iu Che geichehen ift, denn Chriſtus ift das Ende ber Offenbarung.

Bir fürdten nicht, der großen Thatfache, daß auch der Gott de früheften Menſchengeſchlechts ſchon nicht mehr der ſchlechthin -, ſonden nur der relativ ⸗Eine war, wenn auch noch nicht als folder erflärt um erfannt, daß alfo das Menſchengeſchlecht vom relativem Monotheitemt ausgegangen ift, zu viele Zeit „eingeräumt zu haben. Diefe Thatfahe von allen Seiten feftzuftellen, mußte und von größter Wichtigfeit ſcheinen nicht blo gegenüber von denen, melde Mythologie und Polytheitemt nur aus eimer entftellten Offenbarung begreifen zu Tönnen meinen, fer bern auch gegenüber von fogenannten Gefdichtephilefopgen, welde ale religiöfe Entwidlung der Menſchheit ftatt von der Einheit von ber Bick heit durchaus partieller wohl gar anfänglich Localer Borftelluugen ausgehen laſſen, von fogenanntem Fetiſchismus oder Schamanitunt, ober einer Naturvergötterung, die nicht einmal Begriffe oder Gat tungen, fondern einzelne Naturobjecte, z. 8. viefen Baum oder viefen Fluß, vergöttert. Nein, von folhem Elend ift die Menſchheit nicht ausgegangen, ber majeftätiihe Gang der Geſchichte hat einen gam andern Anfang, der Grundton im Bewußtſeyn der Menfchheit blich immer jener große Eine, der noch feines Gleichen nicht kannte, der wirklich Himmel und Erde, d. 5. Alle, erfüllte. Freilich, welde tie Naturvergötterung, bie fie bei efenden Horden, entarteten Stämmen, nie bei Bölfern gefunden haben, zu bem Erften bes Menſchengeſchlechtes machen mit jenen verglichen, ftehen die andern unbeftimmbar höher, welche der Mythologie Monotheismus, in welhen Sinne immer, wäre es auch in dem eines geoffenbarten, vorausgehen laſſen. Inzwiſchen hat fih das Verhältniß zwiſchen Mythologie und Offenbarung geſchichtlich ganz anders geftellt. Wir haben uns überzeugen müſſen, daß Offen barımg, daß ber Monotheismus, der ſich in irgend einem Theile ver

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Menſchheit gefchichtlich nachweiſen läßt, durch eben das vermittelt- ift, was auch ven Polytheisnms vermittelte, daß alfo, weit entfernt dem einen das andere vorausſetzen zu können, für beive die Borausfegung eine gemeinfhaftlidye ifl. Und mir fcheint, daß felbft die Anhänger ver Offenbarungshypotheſe dieſes Refultats am Ende nur frob feyn köunen.

Jede Offenbarung könnte fi) doch nur an ein wirkliches Bewußtſeyn wenden; aber im erften. wirklihen Bewußtſeyn finden wir ſchon ven relatin-Einen, welcher, wie wir gefehen, vie erſte Potenz eines fuccefliven Polytheismus, alſo ſchon bie erfte Potenz ver Mythologie felbft iſt. Tiefe konnte doch nicht felbft durch Offenbarung gefegt ſeyn; die Offen- barıng muß fie daher als eine von ſich unabhängige VBorausfegung finden; und bedarf fie nicht fogar einer folhen, ım Offenbarung zu ſeyn? Offenbarung -ift zur, wo irgend ein Verdunkelndes durchbrochen wird, fie fett alfo eine Verdunklung voraus, etwas das zwilchen das Bewußt⸗ fegn und dem Gott, der ſich offenbaren Toll, getreten ift.

Auch die angenommene Entftellung des urfprünglichen Inhalts einer Offenbarung ließe fi nut im Berlauf der Zeit und der Gefchichte venfen; aber die Borausfegung der Diythologie, der Anfang des Poly theismus ift da, fowie die Dienfchheit pa ift, fo fräb, daß fie durch feine Entftellung erklärbar iſt.

Wenn Männer, wie der früher genannte Gerhard Voß, einzelne My⸗ then als entftellte altteftamentliche Begebenheiten ertlärten, fe ift wohl an amehmen, daß es ihnen vabei eben nur um Erklärung diefer einzelnen Mythen zu thun, und baß fie weit von der Meinung entfernt waren, damit auch ven Grund des Heidenthums ſelbſt aufgedeckt zu haben.

Der Gebrauch des Begriffs Offenbarung. für jede Erklärung, bie auf andern Wegen Schwierigkeiten findet, ift von der einen Geite ein ſchlechter Beweis von befonderer Verehrung für diefen Begriff, ver zu tief Tiegt, als daß man fo geradezu, wie-mande ſich einbilven, mit ihm. anfangen, von’ ihm Gebranch machen könnte; von der anbern Seite heißt es alles Begreifen aufgeben, wenn man eim linbegriffene® durch ein anderes ebenfowenig oder nod weniger Begriffenes erklären will. Denn fo geläufig vielen unter uns das Wort ift, wer denkt fih tod

nn

eigenflich etwas babei,. wenn er es au@fpricht. Erklärt, möchte mn | fagen, alles, was ihr wollt, durch eine Offenbarung, aber zuerft erfäkt uns, was biefe felbft ifl, macht uns den be ſtim mten Borgang, be Thatſache, das Ereigniß, das ihr in dem Begriff Bo denken mäfd, begreiflich!

Bon jeher haben bie achten VBertheidiger einer Offenbarung fie au eine gewiffe Zeit eingefchränft, alfo fie haben ven Zuſtand des Be wußtſeyns, der e8 einer Offenbarıng zugänglich macht (obnoxium reddit), als einen vorübergehenden erflärt, wie die Apoftel ver letzten und ve fommenften Offenbarung als eine Wirkung verfelben auch vie Anfhehum aller außerorbentlichen Erfcheinungen und Zuftände anfünbigen, ohne be eine wirkliche Offenbarung nicht denkbar ift.

Chriftlihen Theologen follte vor allem daran gelegen fen, Ye Offenbarung in dieſer Abhängigfeit von einem ihr vorausznſetzenden befondern Zuftanve zu bewahren, damit fie ihnen nicht, wie längft ge heben, in ein bloß allgemeines und rationales Verhältniß oufgelöt und vielmehr in ihrer firengen Geſchichtlichkeit erhalten werte. Offenbarung, wenn eine folche angenommen, fegt einen beſtimmten aufer- ordentlihen Zuſtand des Bewußtſeyns voraus. Einen foldyen hätte jede Theorie, welche eine Offenbarung behandelt, unabhängig von dieſe nachzumeifen. Nun möchte fich aber kein Faktum finden, aus melden ein folder außerorbentlicher Zuftand erhellt, als die Mythologie felhk, und es würbe baber weit cher Mythologie die Borausfegung eines wi: jenfchaftlihen Begreifens der Offenbarung feyn, als umgelehrt die My thologie von einer Offenbarung hergeleitet werden könnte.

Auf dem wifjenfchaftlihen Standpunkt können wir die Offenbarangk bupotheje nicht höher als jene andere ftellen, welche vie Mythologie ven einer bloß zufälligen Thatſache abhängig macht. Denn eine begrifilos angenommene Offenbarung, wie fie nad ben bisher vorhanbenen Ein fihten und wiflenfchaftlihen Mitteln nicht anders angenommen werden kann, ift für nichts anders als für eine rein zufällige Thatſache zu halten. - Man könnte uns einwerfen, ver relative Monotheismus, ven tem

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wir alle Mythologie ausgehen laſſen, fey and) eine bis jetzt nicht ber griffene Thatſache. Aber der Unterſchied ift, daß die Hypotheſe der Dffenbarung ſich als eine lebte gibt, die jeven weiteren Regrefins ab⸗ ſchneidet, während wir mit jener Thatfache keineswegs abzuſchließen ven- ten, fondern bie gefchichtlich feftgeftellte und von dieſer Seite, wie wir annehmen bärfen, gegen jede Anfechtung gefiherte, nım ſogleich als Aus⸗ gangspunft einer neuen Entwidlwmg betrachten.

Zunächſt venmad; wird als Uebergang zu einer weiteren Entwidlung folgende Reflerion vienen. Jener Eine, der noch feines’ Gleichen wicht fennt, und für bie erfte Menfchheit ber ſchlechthin⸗Eine iſt, verhält fi) dennoch als der bloß. relativ» Eine, der einen andern außer ſich noch nicht hat, aber hoch haben kann, unb zwar einen ſolchen, ver ihn feines ausſchließlichen Seyns entfegen wird. Mit ihm ift alfo doch ſchon ber Grund zum fuccefiiven Polytheismus gelegt; er ift, wenn auch noch nicht als ſolches erkannt, doch feiner Natur’ nach das erfte Glied .einer künftigen Götterfolge, einer eigentlichen Bielgötterei. Hieraus unb bieß ift num ber. nächſte nothwendige Schluß ergibt fich die Folge, daß wir dem Polytheismus überhaupt feinen geſchichtlichen Anfang wiffen, felbft die gefchichtliche Zeit im weiteflen Sinn ger nommen. Im genauen Zinn. fängt bie gefchichtliche Zeit an- mit der vollbrachten Trennung der Böller. Der vollbrachten Trennung geht aber bie Zeit der Bälferfrifis ‚voraus; viefe als Uebergang zur ge ſchichtlichen Zeit iſt infofern eigentlich vorgeſchichtlich, aber üumviefern doch auch in ihr ehwas geſchieht und fi ereignete, iſt fie nur vorge ſchichtlich in Bezug auf die im engften Sinn fo zu nennende gefchicht- liche Zeit in ſich ſelbſt aber doch auch geſchichtlich —, alfo if ſie bie vorgefchichtliche oder die geſchichtliche Zeit nur beziehungsweife. Dagegen bie Zeit der ruhigen noch unerſchütterten Einheit des Menfchengefchlechts, diefe- wird die ſchlechthin vorgeſchichtliche fen. . Rım ift aber ſchon das Bewußtſeyn diefer Zeit ganz erfüllt von jenem unberingt» Einen, der in ber Folge ber erfte Gott des fuccefliven Polytheismus feyn wird. Iufofern wiffen wir dem Polytheismus feinen geſchichtlichen Anfang. Man dächte zwar vielleicht, es fey nicht nothwendig, daß bie ganze

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vorgeſchichtliche Zeit won jenem Gott erfüllt geweſen, es laſſe ſich ja anh in dieſer noch eine frühere denken, wa ver Menfch noch unmittelker mit dem wahren Gott verlehrte, und eine fpätere Zeit, wo fie el dem relativ- Einen anheimfiel. Wenn man’ biefe® einwenden wollte, fo wäre Folgendes zu benierfen. Mit dem bloßen Begriff der ſchlechtſi vorgefchichtlichen Zeit iſt jedes Bot und Nach, das man in ihr feif denken möchte, aufgehoben. Dem könnte auch in ihr noch etwas fd ereignen und ber angenommene lebergang von bem wahren Geit dem relativ» Einen wäre-dodh ein Ereigniß —, fo wäre fie eben nicht tr ſchlechthin vergefhichtliche, fondern gehörte ſelbſt zur geſchichtlichen Zei Wäre in ihr nicht Ein Princip, fondern eine Folge von Principie, fo wäre fie eine folge wirklich unterſchiedener Zeiten, und damit fie je ein Theil oder Abſchnitt der gefchichtlichen Zeit. Die fchlechthin vorge ſchichtliche Zeit ift die ihrer Natur nach ımtheilbare, abfelnt iden⸗ tiſche Zeit, und daher, welche Dauer man ihr zufchreibe, doch nur ald Moment zu betrachten, d. h. als Zeit, in der das Ende wie der An fang und der Anfaug wie das Ende ift, eine Art von Ewigkeit, wei fie felbft nicht eine Folge von Zeiten, fonvern nur Eine Zeit ift, tie nicht in ſich eine wirkliche Zeit, d. b. eine Folge von Zeiten ift, ſondern nur telativ gegen bie ihr folgende zur Zeit (nämlich zur Vergangenheit) wird. Wenn num dem fo ift, und vie fchlechthin worgefchichtfiche Zei feinen weiteren Unterfchieb von Zeiten in fich ſelbſt zuläßt, fo ift jenes Bewußtſeyn der Menjchheit, dem ver relativ-Eine Gott noch der fchleht- hin« Eine ift, das erfte wirkliche Bewußtſeyn der Menfchheit, das Be wußtfenn, vor dem fie felbft von keinem andern weiß, in dem fie fib findet, fowie fie fi findet, dem der Zeit nad Fein anderes voransin denken ift; und es folgt alfo, daß wir bem Polytheismus feinen ge: ſchichtlichen Anfang wiffen, denn im erften wirflihen Bemußtfem ift er zwar noch nicht wirklich (denn fein erſtes Glied für ſich bilvet ſchen eine wirkliche Aufeinanderfolge), aber doch potentia vorhanden. Merkwürdig Tann bei übrigens fo ganz abweichendem Gang hier dir Uebereinftimmung mit David Hume ſcheinen, der zuerft behauptet hat: Eoweit wir in der Gefhihte zurückgehen, finden wir

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Bielgötteres. Darin aljo pflichten mir ihm völlig bei, wenn fchon bie Unbeftimmtheit und felbft die Ungenauigkeiten feiner Erpofition ' bedauern lafjen, daß bie vorgefaßten Meinungen des Philofophen hier den Fleiß und bie Genauigfeit des Geſchichtsforſchers als entbehrlich erfcheinen ließen. Hume geht von dem ganz abftracten Begriff Polytheismus aus, ohne der Mühe werth zu halten, in bie wirkliche Beſchaffenheit und die verſchiedenen Arten deſſelben einzubringen, und unterfucht nun nach · diefem abftracten Begriff, wie der Polhtheismus habe entſtehen kön⸗ nen. Hume hat hier das erſte Beiſpiel jener bodenlofen Art von Rai⸗ fonmement gegeben, bie nachher ſo oft, nur ohne Humes Witz, Geiſt und philoſophiſchen Scharfſinn, auf hiſtoriſche Probleme angewendet worden iſt, wobei man nänilich, ohne um baß.hiftorifch, noch wirklich Erkennbare ſich umzufehen, fi. vorzuftellen fucht, wie bie Sache

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r Zur Vergleichung mögen bier einige feiner Stellen angeführt werben. C'est un feit incontestable, qu' en 'remontant au-delä d’environ 1700 ans on trouve tout le Genre humain jdolätre. On ne saurait nous objecter ici ni les doutes et les prineipes sceptiques d’un petit nombre de Philo- sophes , ni le Theisme d’une ou de deux nations tout au plus, Theisme encore, qui n’etait pas pure. (Damit ſcheint Hume bie Thatſache der alt⸗ teftamentlichen oder gar nur mofaifchen Religion befeitigen zu wollen, anſtatt biefe ſelbſt als Beweis für bie Priorität bes Polytheismus zu benugen). Tenons- nöus-en donc au t&moignage de l’histoire, qui n'est point quivoque. Plus nous pergons dans l’antiquite, plus nous voyons ‚les hommes plon- ges dans l’Idolatrie (die ift num jebenfalls, auch von bem Wort Idolatrie abgeſehen, bas keineswegs mit Polptpeismue gleichbedeutend ift, zu wiel gefagt, unb nicht ber Gefchichte gemäß), on m'y apergoit plus la moindre trace (?) d’une Religion plus parfaite: tous les vieux monumens nous presentent le Polytheisme comme la doctrine &tablie et publiguement regue. Qu’ op- posera-t-on & une veritö aussi 6vidente, à une verité ögalement attestos par l’Orient et par l’Occident, par le Septentrion et par le Midi? Autant que nous pouvorts suivre le fil de l’histoire, nous trouvons livr& le Genre humain au Poiytheisme, et pourrions-nous oroire que dans les temps les plus recules, avant la decouverte des arts et des sciences, les principes du pur Theisme eussent prevalus? Ce serait dire que les hommes decou- vrirent la verité pendant qu’ils etaient ignorans et barbares, et qu’aussi- wÖöt, qu’ils commenc£rent & s’instruire et & se polir, ils tomberent dans l'erreur etc. Histoire natarelle de la R. p. 3. 4.

16 we zu rc Mein mr, wer auch mar ven dem, was er jenn ze= ziste or Iris on feinem jegigen Sern tie Set: Febicer in der Mitte liegt. Schwärmeris me.se kebsumete, daß ber Menſch nur IR, ser: Shiärmeriih märe biefe Lehre den vet Marien, wenn man tiefes, nadım ste Sir > vie Sirflihleit getban, zur aueichlich- zermätser Fobend machen wollte, wie dieß ton Ferien eder den perfiichen Eofis, x: zer Eieripräcen ihres Götterglaubens, Feren Serns umt Vorſtellens überhumt Grm SEen rraktich gurüditreben wollen, alle ven Weg rüdmärts, nicht aber ter:

oe in einer Unterſuchung über tie te ter Menichheit zur Sprade e Bormereon von Anfang, ja ver er Natur beſchäftigt, ja ganz Aber mas in fo manchen ähn⸗ - km tie faliche Stellung der frage ih macht, in aud bier gefcheben. Dan m zu Gott? Aber das Bemuftera erfie Bewegung gebt, wie wir geſehen, von

veficlhen (denn jo Finnen wir and verfäfig anfeben), nicht mehr Er Selbſt; da alfe x aus feinem Urſtande heraustritt, ſowie

185 nur darum ift, weil er fein Gegentheil nody ‚verbirgt außer beiven gibt e8 ein Drittes: das Bewußtſeyn Könnte überall in feinen Ver⸗ bältniß zu Gott ſeyn, weder zu bem wahren, noch zu dem, der einen andern auszuſchließen bat. Davon alfo, daß es überha upt im Ber hältniß zu Gott ift, davon kann der Grund nicht mehr im erften wirt lichen Bewußtſeyn, er kann nur jenſeits deſſelben Liegen. Jenſeits des erſten wirklichen Bewußtſeyns iſt aber nichts mehr zu benfen, als ber Menſch, oder das Bewußtſeyn in feiner reinen Subftanz vor allem wirklichen Bewußtſeyn, wo der Menſch nicht Bewußtſeyn von ſich iſt (denn dieß wäre ohne ein Bewußtwerden, d. h. ohne einen Actus, nicht denkbar), alſo, da er doch Bewußtſeyn von etwas ſeyn muß, nur Bewußtfeyn von Gott ſeyn kann, nicht mit einem Aofus, alfo z. B. mit einem Willen over Wollen, verbundenes, alfo rein ſub⸗ ftantielle8 Bewußtſeyn von Gott. Der urfprünglide Menſch iſt nicht actu, er ift natura sua das Gott Segende, und zwar im Gott bloß überhaupt gedacht nur ein Abftractum .ift, ber bloß relativ⸗Eine aber ſchon dem wirklichen Bewußtſeyn angehört bleibt für das Urbe⸗ wußtfeyn nichts, als daß es das den Gott in feiner Mehrheit und abfo- Iuten Einheit Setzende iſt. Und fo denn freilich, wenn es überhaupt zuläſſig iſt, auf ein ſolches weſentliches Gott⸗Setzen einen Ansdruck qu⸗ zuwenden, durch den eigentlich ein willen] chaftlicher Begriff bezeichnet wird, oder wenn wir unter Monotheisnus eben bloß das Seten des wahren Gottes überhaupt. verftehen wollen, wäre Menotheismus die legte Borausfegung der Mythologie; aber, wie Sie nun wohl fehen, erftens ein übergefchichtlicher, zweitens. nicht ein Monotheis⸗ mus bes menſchlichen Berftandes, fondern der menfchlichen Natur, weil der Menfch in feinem urfprünglichen Weſen keine andere Be⸗ deutung hat, als vie, bie Gott-fegende Natur zu feyn, weil er urſprüng⸗ lich nur exiſtirt, um dieſes Gott⸗ſetzende Weſen zu ſeyn, alſo nicht bie für ſich ſelbſt ſeyende, ſondern die Gott zugewandte, in-Gott gleich- ſam verzückte Natur; denn ich brauche überall gern die eigentlichſten und bezeichnendſten Ausdrücke, und fürchte nicht, daß man z. B. hier ſage, das ſey eine ſchwärmeriſche Lehre; denn es iſt ja nicht von dem die

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von beiden. Nicht Bolytheismns; von dem verſteht es ſich von ſelbſ, daß er nichts Urfprüngliches ift, dieß geben alle zu, denn alle fuden ihn zu erflären. Aber mit einem urfprünglichen Atheisums des Bexuft- ſeyns, wir haben es ſchon ausgeſprochen, Täßt ſich ein Polyiheitunt, der dieß wirffich ift, andy nicht begreifen. So wäre alſo wohl Mon theismus das Urfprüngliche? Aber auch biefer wicht, nämlich nicht nach den Begriffen, welche bie Vertheidiger feiner Priorität mit dem Wert verbinden, indem fie damit entweder abftracten meinen, ver fein Ge gentheil nur ausfchließt, aus dem alfo der Polytheismus nie hätte ent ftehen Können, over förmlihen, d. h. auf wirklicher Erfenntuiß u Unterfcheivung berubenden. Behielten wir alfo das Wort, fo iR es allerdings nur auf die Weife möglich, daß wir antworten: Momotikit- mus zwar, aber ber e8 ift und nicht iſt; iſt, jest nämlich und folange das Bewußtſeyn fich nicht bewegt, nicht ift, nicht fo nämlich ift, daß er nicht Polytheismus werden könnte. Oper in noch beftimmterer Per: wahrung gegen Mißverſtand: Monotheismus zwar, aber der noch nichts von feinem Gegentheil, alfo auch ſich felbft nicht als Monotheisume weiß, und weber, indem er fein Gegentheil ausſchließt, fich bereits zum abftracten gemacht, noch indem er es überwunden und als bewältigt in fih bat, ſchon wirklicher, fich felbft wiſſender und befigender Mone- theismus ift. Nun fehen wir aber wehl: der Monotheismus, ber ſowehl gegen den Polytheismus, als gegen ten künftigen fürmlichen, auf wirt licher Erfenntniß beruhenden Monotheismus, nur wie bie gemeinfcaft- Iihe Möglichkeit oder Materie ſich verhält, ift ſelbſt bloß materieller Monotheismus, und diefer ift vom bloßen Theismus nicht zu ımter- jcheiven, wenn verfelbe nicht in dem abftracten Sinn der Neueren, fon dern in dem von uns feftgeftellten genommen wird, wo er eben Gleich⸗ möglichkeit von beiben ift.

Dieſes alfo möchte hinlänglich feyn zur Erflärung, in welchem Eim wir entweder Monotheismus oder Theismus der Mythologie voraus fegen: 1) nicht fürmlichen, in Dem der mahre Gott als foldyer unter: ſchieden wird; 2) nicht abftracten, ber den Polytheismus nur ausfchlicht; denn er hat ihn ja vielmehr noch in fi. Von bier au num aber muß

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Menſch (verftcht fi immer ver urfprängliche weientliche) ift an und gleichſam vor ſich felbft, d. h. ehe er fich ſelbſt hat, ehe er alfo etwas anders geworben iſt denn ein anderes iſt er ſchon, wenn er- auf fich ſelbſt zurückgehend, ſich ſelbſt Object geworden iſt ver Menſch, fo- wie er nur eben Iſt und noch nichts geworden iſt, iſt er Bewußt⸗ ſeyn Gottes, er hat dieſes Bewußtſeyn nicht, er iſt es, und gerade mr im.Nichtactus, in der Nichtbewegung iſt er das den wahren Gott Bir haben von einem Monotheismus des Urbewußtſeyns gefprochen, von dem bemerkt wurde, daß er 1) fein acciventeller, dem Bewußtſeyn irgenbiwie geiworbener, weil ein an ber Subftanz des Bewußtſeyns haf⸗ tender ſey, daß er 2) eben darum ein gejchichtlich, vorauszuſetzender ift, der dem Menfchen oder dem menfchlichen Gefchlecht zu Theil geworden und ihm fpäter - ‚verloren ging. Da er ein mit ver Natur des Menfchen Jeſetzter ift, fo ift er im Menſchen nicht erft mit der Zeit, er ift ihm ewig, weil mit feiner Natur geworben; 3) werben wir auch zugeben mäfien, daß dieſer Monotheismus des Urbewußtfeyns Fein fich felbft wiſſender, daß er nur ein natürlicher, blinder ift, der erſt zu einem gewwußten zu werben hat. Wenn mın biefer Beftimmung zufolge jemand weiter argumentirte: bei einem blinden Monotheismus könne nicht von einer Unterfcheivung. vie Rede ſeyn, nicht von Bewußtſeyn des wahren Gottes als ſolchem (b. h. nicht förmlichem)-, fo können wir bieß voll» fommen zugeben; ferner wenn man fagte: fo wie er anf einer Abforption des menſchlichen Weſens in das göttliche beruhe, fo werde es hinreichen, jenes Bewuftfeyn als einen natürlichen oder wefentlichen Theismus zu bezeichnen, fo werben wir aud dem. nicht wiberftreiten, zumal es bei gehöriger Anseinanverhaltung-der Begriffe und ihrer Bezeichnungen noth- wendig ift, Theismus als das Gemeinfchaftlihe und gemeinſchaftlich Vor— ausgehende, bie Imbifferenz, die Gleihmöglichfeit von (eigentlichen) Mo⸗ notheismus und Polytheismus zu fegen, und unfere Abſicht kann fa feine andere ſeyn, als aus dem Urbewußtjeyn fowohl dieſen als jenem hervor» gehen zu laſſen. Auf die Frage: was-zuerft gewefen, ob Bolytheismus oder Monotheismus, werden wir in gewiffem Sinne antworten: Feines

wohin es abzielt. Seine jener Formen für fi) ift dem Get gleich, wem fie aber im Bewußtſeyn zur Einheit werben, fo iſt biefe gewertee Einheit als eine gewordene auch eis gewußter mit Vewußtſen en laugter Monotheismus.

Eigentlicher, mit Wiſſen verbundener Monotheimrs ſindet ſich jet geſchichtlich nur als Reſultat. Unmittelbar indeß wird das Berouftie nicht der Vielheit anfeinanber folgender, im Vewußtſeyn fich ablöfener Geſtalten, alfo nicht unmittelbar dem entſchiedenen Polytheismus auheim- fallen. Mit ver erſten Geflalt werben bie folgenden, wird alfo Bol theismus bloß noch potentia gegeben feyn; dieß ift jener von .umd ge ſchichtlich erfannte Moment, wo das Bewußtſeyn ganz und ungetheil dem relativ» Einen angehört, der noch nicht im Widerſpruch mit bem ſchlechthin · Einen, fondern dem Bewußtſeyn wie kiefer ift. In ihm, fogten wir, betete obwohl unwiſſend die Menfchheit nody immer den Einen an. Der num folgende entſchiedene Polytheismus iſt nur ber Weg jur Bo freiung von deſſen einfeitiger Gewalt, nur Uebergang zu dem Verhältniß. das wieber gewonnen werben fol. Im Polytheisums ift nichts buch ein Wiffen vermittelt; dagegen drüdt Monotheismus, der, wenn er Kennt niß des wahren Gottes als folden und mit Unterſcheidung ift, mr Re fultat, nicht das Urfprüngliche ſeyn kann Monotheismus brädt des Berhältnig aus, das der Menſch zu Gott mtr im Wiflen; nur als ein freies haben Tann. Wenn Chriftus in demfelben Zuſammenhang, wo er die Anbetung Gottes im Geift und in ver Wahrheit als die zufänftige allgemeine anfüntigt ', die Befreiung (vor7PL«) von den Juden kom men läßt, fo zeigt der Zufammenhatig, daß biefe Befreiung nach Chrifti Sinn vie Befreiung oder Erlöfung von dem ift, was die Meufchheit anbetete ohne es zu wiffen, und Erhebung zu bem, das gewußt wird, und was nur zu willen ift. Gott in feiner Wahrheit ann nur gewußt werben, zu kem Gott in feiner bloßen Wirklichkeit ift auch ein blinde Berhältniß möglic.

Der Sinn biefer legten Entwicklung ift: Nur fo kaun die Mythologie

DJob. 4, 23. 24.

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begriffen werben. _ Darım ift fie aber noch nicht wirklich begriffen. Inzwifchen find wir auch von der legten zufälligen Vorausfegung eines der Mythologie gejchichtlich vorausgegangenen Monotheismus, der, weil ex für wie Menſchheit nicht ein felbfterfunbener, nur ein geoffen- barter feyn könnte, befreit, und weil biefe Vorausſetzung noch die.lete von allen früheren ſtehengebliebene war, ſo ſind wir jetzt erſt von allen zufälligen Borausfegungen frei, damit. von allen Erflärungen, bie bloß Hypothefen zu heißen verbientn. Wo aber die zufälligen Borausfegungen umd die Hhpothefen aufhören, da fängt die Wiſſenſchaft an. Jene zu⸗ fälligen Vorausſetzungen konnten der Natur der Sache nach nur geſchicht⸗ licher Art ſeyn, aber fie haben ſich durch unfere Kritik vielmehr als unbiftorifche erwiefen; und außer dem Bewußtſeyn in feiner Sub ftanz und ber erſten unftreitig als natürlich, anzufehennen Bewegung, durch die fich das Bewußtſeyn jene Beitimmung zuzieht, vermöge ver es der mythologiſchen Succeffion unterworfen ift, bebarf e8 feiner Voraus fegung. Diefe Boransjegungen aber find nicht mehr gefhichtlicher Natur. Die Grenze möglicher geſchichtlicher Erklärungen war mit dem vorge- Ichichtlichen. Bewußtſeyn der Menfchheit erreicht, und es blieb nur ber Weg ins Webergefchichtliche übrig. Der blinde Theismus des Urbewußt- ſeyns, von dem wir ausgehen, ift, ald mit vem Weſ en bes Menſchen vor aller Bewegung, alſo audy vor allen Geſchehen, gefest, nur als ein übergefchichtlicher zu beftimmen, und ebenfo läßt fich jene Bewegung, durch welche der Menfch, aus vem Berhältniß zu dem göttlichen Selbft geſetzt, dem wirklichen ‚Gott anheimfällt, nur als ein übergeſchichtliches Ereigniß denken.

Mit ſolchen Boransfegungen ändert ſig nun aber auch die ganze Erllarungsweiſe ver Mythologie; denn zur Erklärung ſelbſt werben wir begreiflicherweife noch nicht fortgehen können; aber welche Erklärungs- Weiſe nad ven eben bezeichneten Vorausſetzungen allein "mög iſt, läßt fi) auch vorläufig ſchon einſehen.

Zuerft alfo, wie mit biefen Borausfegungen jedes bloß zufällige Entftehen von felbft hinwegfalle, wird durch folgende Betrachtungen klär werden.

10 wohin es abzielt. Keine. jener Formen für ſich iſt bem Gott gleich, mem fie aber im Bewußtſeyn zur Einheit werben, fo iſt biefe geworben Einheit als eine gewordene aud) eim gewußter mit Bewußtſera er⸗ langter Monotheismus.

Eigentlicher, mit Wiſſen verbundener Monotfeisums findet fich ſelbſt geſchichtlich nur als Reſultat. Unmittelber inbeß wird das Bewuftiea nicht der Vielheit anfeinanber folgender, im Vewußtſeyn ſich ablöfenber Gefialten, alfo nicht unmittelbar dem entfopiebenen Bolytheisuns aufeim- fallen. Mit ver erften Geftalt werben bie folgenden, wirb alſo Pole theismus bloß noch potentis "gegeben feyn; bieß ift jener von .umd ger ſchichtlich erkannte Moment, wo das Bewußtſeyn ganz und ungelheift dem relativ» Einen angehört, ver noch nicht im Widerſpruch mit bem ſchlechthin · Einen, fondern dem Bewußtſeyn wie biefer ift. Im ihm, fagten wir, betete obwohl unwiſſend die Menſchheit no immer den Einen an. Der nun folgende entjchievene Polytheismus ift nur ver Weg zur Be freiung von beffen einfeitiger Gewalt, nur Uebergang zu dem Berhältuiß, das wieber gewonnen werben fol. Im Bolytheismns ift nichts buch ein Wiffen vermittelt; dagegen brüdt Monotheismus, der, wenn er Kemt- niß des wahren Gottes als ſolchen und mit Unterſcheidung ift, nur Re fultet, nicht das Urſprüngliche ſeyn kann Monotheismus drüdt das Berhältuig aus, das der Menſch zu Gott nur im Wiffen; nur als ein freies haben fann. Wenn Chriftus in demfelben Zuſammenhang, wo er die Anbetung Gottes im Geift und in der Wahrheit als bie zukünftige allgemeine anfünbigt ', die Befreiung (cor7EL«) von den Juden Toms men läßt, fo zeigt der Zufammenhatig, daß biefe Befreiung nad Chrifti Sinn die Befreiung oder Erlöfung von dem ift, was die Menſchheit anbetete ohne e8 zu wiffen, und Erhebung zu dem, das gewußt wird, und was nur zu wiſſen ift. Gott in feiner Wahrheit kann nur gemaßt werben, zu bem Gott in feiner bloßen Wirklichkeit ift auch ein blindes Berhältniß möglich.

Der Sinn dieſer letzten Entwicklung iſt: Nur jo Tann die Mythologie

"Job. 4, 23. 24.

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griffen werben. . Darım ift fie aber noch nicht wirklich begriffen. Iugwifchen find wir aud von ber legten zufälligen Boransfegung ine der Mythologie gefchichtlich vorausgegangenen Monotheismus, ber, weil er für die Menſchheit nicht ein felbfterfundener, nur ein geoffen- barter feyn Könnte, befreit, unb weil biefe Borausfegung noch bie. legte von allen früheren ftehengebliebene war, fo finb wir jegt erft von allen zufãlligen Vorausſetzungen frei, damit. von allen Erklärungen, bie bloß Oypotheſen zi heißen verdienen. Wo aber bie zufälligen Boransjegungen und die Hypotheſen aufhören; da fängt bie Wiſſenſchaft an. Jene zu- fälligen Boransfegungen konnten ber Natur ber Sache nad) nur gefchichte licher Art ſeyn, aber fie haben ſich durch unfere Kritik vielmehr als unhiftorifcge erwiefen; und außer dem Bewußtſeyn in feiner Sub Ranz und ber erſten unftreitig als natürlich, anzufehenden Bewegung, durch die ſich Das Bewußtſeyn jene Beſtimmung zuzieht, vermöge ver es ber uiythologiſchen Succeſſion unterworfen iſt, bedarf es feiner Voraus⸗ fegung. Diefe Borausfegungen aber find nicht mehr gefchichtlicher Natur. Die Grenze möglicher geſchichtlicher Erklärungen war mit bem vorge ſchichtlichen Bewußtſeyn der Menfchheit erreicht, und gs blieb nur ver Weg ind Uebergeſchichtliche übrig. Der blinde Theismus des Urbemußte ſeus, von dem wir ausgehen, ift, ald mit bem Wefen des Menſchen vor aller Bewegung, alfo aud vor allenı Gefchehen, gefegt, nur als ein übergefchichtlicher zu beftimmen, und ebenfo läßt ſich jene Bewegung, durch welche ber Menſch, aus vem Verhältniß zu dem göttlichen Selbft geſetzt, dem: wirklichen «Gott anheimfällt, nur als ein übergefchicptliches Ereigniß denfen.

. Mit folden Borausfegungen ändert fid num aber auch die ganze Erflärungeweife der Mythologie; denn zur Erklaͤrung felbft werben wir begreiflicherweife noch nicht fortgehen können; aber welche Erllärungs- Beife nad) den eben bezeichneten Vorausſetzungen allein möglich ift, läßt fi) aud vorläufig ſchon einfehen.

Zuerft alfo, wie mit dieſen Borausfegungen jedes bloß zufällige Entftehen von felbft hinwegfalle, wird durch folgende Betrachtungen Har

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Der Grund der Müthologie - ift fchon gelegt im erften wirllichen Bewußtſeyn, der Bolytheismus alfo dem Weſen nach ſchon entflanken im Uebergang zu biefem. Hieraus folgt, daß der Act, durch ven ber Grund zum Polytheismus gelegt iſt, nicht felbft in das wirkliche Be wußtſeyn hineinfällt, fondern außer diefem Liegt. Das erfte wirkliche Be wußtfeyn findet ſich ſchon mit biefer Affection, durch bie es von feinem ewigen und wefentlihen Seyn geſchieden if: Es kann nicht mehr in dieſes zurück und fo wenig über dieſe Beſtimmung als über. fich fehk hinaus. Diefe Beftimmung bat daher etwas dem Bewußtſeyn Unker greifliches, fie ift die nicht gewollte und nicht vorhergefehene Bolge einer Bewegung, die e8 nicht zurücknehmen kann. Ihr Urfprung Liegt in einer Region, zu der e8, einmal von ihr gefchieben, Teinen Zugang mehr hat. Das Zugezogene, Zufällige, verwandelt fi) in ein Nothwendiges und nimmt unmittelbar die ©eftalt eines nicht wieder Aufzubebenven an. -

Tie Alteration des Bewußtſeyns befteht darin, daß in ihm nicht mehr ver ſchlechthin⸗, ſondern nur noch der relatio-Eine Gott lebt. Diefem relativen Gott aber folgt der zweite, nicht zufällig, ſondern nad einer objectiven Nothwenbigfeit, die wir zwar noch nicht begreifem, aber darum nicht weniger zum voraus als foldhe (als .objective) anzuerkennen genöthigt find. Mit jener erften Beitimmung ift alſo das Bewußtſern zugleich der nothwendigen Aufeinanderfolge von Vorftellungen unterworfen, burch welche der eigentliche Polytheismus entfteht. Die erfte Affectien ger jetzt, ift Die Bewegung des Bewußtſeyns durch dieſe aufeinander folgenven Geftalten eine folhe, an der Denken und Wollen, Verſtand und Freiheit keinen Theil mehr haben. Das Bewußtjeyn ift in diefe Bewegung un verfehens, auf eine ihm jetzt felbft nicht mehr begreifliche Weiſe verwulelt. Sie verhält fih zu ihm als ein Schickſal, als ein Verhängniß gegen das e3 nichts vermag. Es ift eine gegen das Bemußtjeyn reale, d. 5. jet nicht mehr in feiner Gewalt befindliche Macht, die fich feiner bemädhtigt hat. Bor allem Denken ift es fchon eingenommen von jenem Princip, deſſen bloß natürliche Folge die Vielgötterei und bie Mythe logie iſt.

Alſo freilich nicht im Sim einer Philofophie, welche ven

193 Menfchen von thierifcher Stumpfheit und Sinnlofigfeit anfangen läßt, wohl aber in dem Sinn, welchen bie Griechen durch verfchiedene ſehr bezeich⸗ nende Ausdrücke wie Fsdrinxtog, Feoßiaßns u. a. angebeutet, in. dem Sinn alfo, daß das Bewußtſeyn mit dem einfeitig- Einen behaftet and gleichfam gefchlagen ift befinvet fi bie ältefte Menſchheit aller- dings in einem Zuſtand von Unfreiheit, von dem wir nnter dem Geſetz einer ganz andern” Zeit Lebenden und keinen unmittelbaren Begriff machen. können, mit einer Art. von stupor gefchlagen (stupefacta quasi et attonita) unb von einer fremden Gewalt ergriffen, außer ſich, d. b

aus ihrer eigenen Gewalt, gefegt. .

Die Borftellungen, durch teren Aufeinanderfolge unmittelbar der formelle, - mittelbat aber auch ver materielle (fimultane) Polytheismus entfteht, erzeugen ſich dem Bewußtſeyn ohne ſein Zuthun, ja gegen ſeinen Willen und damit wir das rechte Wort, das allen früheren Erflärungen, bie irgendwie Erfindung in der Mythologie annehmen, ein Ende macht, und erft_ jenes von aller Erfindung Unabhängige, ja aller Erfindung Entgegengefegte, das wir ſchoͤn früher zu for- bern veranlaßt waren, und wirklich gibt, beſtimmt ausfprechen die Mythologie entfteht burd einen (in-Anfehung des Bewußtfeyns) noth⸗ wendigen Proceß, deſſen Urfprung ind Uchergefchichtliche ſich ver- tiert und ibm felbft ſich verbirgt, dem das Bewußtſeyn fich vieleicht in enzelnen Momenten wiberfegen, aber den es im Ganzen nicht aufhalten, und noch weniger rückgängig machen kann.

Hiemit wäre demnach als allgemeiner Begriff ver Entſtehungsweiſe ver Begriff des Proceſſes aufgeitellt, ver vie Mythologie, und mit ihr unſere Unterſuchung vollends ganz aus ver Sphäre hinwegnimmt, in welcher fich alle bisherigen Erklärungen gehalten haben. “Mit viefem Be: griff iſt über die Frage entſchieden, wie bie mythologiſchen Vorftelluhgen . im Entſtehen gemeint waren. Die Yrage, wie bie mythologiſchen Bor: ſtellungen gemeint waren, zeigt die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit an, in der wir ung finden, anzımehmen, daß fie al8 Wahrheit gemeint worden. Darum ift denn der erfte Verſuch, fie uneigentlich auszulegen, d. h. eine Wahrheit in Ihnen anzunehmen, aber eine antere, als vie fie unmittelbar

Schelling, fämmtl. Werke 2. Abtb. 1. 13

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ausdrücken, ber zweite, eine urſprüngliche Wahrheit in ibmen zu ſchen aber vie entftellt worden. Aber man kann nady dem jetzt geinonnenen Refultat vielmehr die Frage aufwerfen, ob vie muythelogiichen Berfek lungen überhaupt gemeint, nämlich ob fie Gegenftand eines Meinent, d. h. eines freien Fürwahrhaltens, geweien. Auch bier war alfo bie dag falſch geftellt, fie war geftellt unter einer Borausfeßung, die ſelbſt wurihäg wor. Die mytbologifchen Borftellungen find weder erfundene, noch fra willig angenommene. Erzengniſſe eines vom Denken und Wollen m abhängigen Procefjes, waren fle für das -ihm unterworfene Bewußtien von unzweibeutiger und umabweislicher Realität. Bölfer wie Inbteiten find nur Werkzeuge viefes Proceſſes, den fie nicht überfchauen, bem dienen, ohne ihn zu begreifen. Es fteht nicht bei ihnen, fich dieſen Ber ftellungen zu entziehen, fie aufzunehmen ober ‚nicht aufzunchmen; bes fie kommen ihnen nicht von außen, fie find in ihnen, ohne daß ft fih bemußt find, wie; deun fie kommen aus dem Innern tes Benuft ſeyns felbft, dem fie mit einer Nothwendigfeit ſich darſtellen, vie übe ihre Wahrheit feinen Zweifel verftattte

Iſt man einmal auf ten Gedanken einer ſolchen Entftehungewei gelommen, fo begreift es ſich vollkommen, daß die bloß materiell ke tradhtete Mythologie jo räthfelhaft fchien, indem e8 eine befannte Eat iſt, daß aud) anderes auf einem geiftigen Proceß, auf einer eigenthäw- lihen inneren Erfahrung Beruhente, demjenigen, dem tiefe Erfah fehlt, als fremb und unverftänbfich erfcheint, indeß es für ben, bem ber innere Vorgang nicht verbergen ift, einen ganz begreiflichen um vernünftigen Sinn bat. Die Hauptfrage in Anfehung ver Mythe⸗ logie ift die Trage nach ver Bedeutung. Aber die Bebentung der My tbologie kam nur die Bebeutung des Proceffes ſeyn, burd ben fie entſteht.

Wären die Perfönlichkeiten und die Ereignifje, welche Subalt der Mythologie find, von ber Art, daß wir fie nach den angenonmert Begriffen für mögliche Gegenſtände einer unmittelbaren Erfahrung halten könnten, wären Götter Wefen, bie erfcheinen könnten, fo würde nieman je daran gedacht haben, fie in anderem als im eigentligen Enx

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zu nehmen. Man hätte den Glauben an bie Wahrheit und Objectivität diefer VBorftellungen, den wir dem Heibenthum ſchlechterdings zufchreiben mäfien, foll e8 uns anders nicht felbft zur Fabel werben, ganz einfach aus einer wirklichen Erfahrung jener früheren Menfchheit fi er- Mirt; man hätte einfach angenommen, daß dieſe Perfönlichkeiten, dieſe Begebenheiten ihr in der That ſo vorgekommen und erfchienen fenen, alfo ihr ganz in ihrem eigentlichen Verſtande auch wahr geweſen, gerade fo wie bie analogen Erſcheinungen und Begegniſſe, vie von ven Abra- bamiben erzählt werben, und bie und in dem jegigen Zuſtand ebenfalls nnmögliche find, ihnen wahre geweien find. Eben vieß nun aber, was fih früher nicht denken ließ, ift durch bie jegt begründete Erflärung mõglich gemacht, diefe Erklärung ift die erfte, welche eine Antwort auf bie Frage hat: wie es möglich geweſen, daß tie Völker des Alterthums jenen religiöfen Borftellungen, vie uns als durchaus widerfinnig und vernumftwidrig erfcheinen, nicht nur Ölauben ſchenken, fondern ihnen die erufleften, zum Theil fchmerzlichen Opfer bringen: konnten.

Weil die Müthologie nicht ein künſtlich, ſondern ein natürlich, ja unter ber gegebenen Vorausſetzung mit Nothwendigkeit Entftandenes -ift, laſſen fid) in ihr. nicht Inhalt und Form, Stoff und Einkleidung unterjcheiden. Die Borftellungen find nicht erſt in einer andern Form vorhanden, fondern fie entftehen nur in und aljo zugleich aud) Mit dieſer Form. Ein ſolches organifches Werben war früher von uns in biefem Bortrag ſchon einmal gefordert, aber das Princip des Procefjes, wo» durch es allein erflärhar wirb, war nicht gefunden. |

Beil das Bewußtſeyn weder bie Borftellungen felbft, noch deren Ansprud wählt ober erfindet, fo entſteht die: Mythologie gleich als folde, und in feinem andern Einn, ale indem fie fih ansfprict. Zufolge der Nothwenbigleit, mit weldyer fi der Inhalt ver Vorftel- lungen erzeugt, hat die Mythologie von Anfang an reelle und alfo auch poctrinelle Bedeutung; zufolge der Nothwendigkeit, mit welcher auch vie Form entfteht, ift fie durchaus eigentlich, vd. b. es ift alles in ihr fo zu verftehen wie fie es außfpricht, nicht als ob etwas an- deres gebacht, etwas anderes gejagt wäre. Die Mythologie ift nicht

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allegoriſch, fie iſt tantegoriſch“. Die Götter find ihr wirklich eriſi . rende Weſen, bie nicht etwa® anderes find, etwas anderes bedeuten, fondern nur das bebeuten, was fle find. . Früher wurben Gigentfihlet und boctrineller Sinn einander entgegengefegt. Aber beibes (Eigentlichten und doctrineller Sum) läßt fih nad unferer Erflärung nicht treume, und anftatt zum Beſten irgend einer boctrinellen Bedeutung die Eigen fichfeit hinzugeben, oder die Eigentlichfeit, aber anf Koſten des bachi- nellen Einns, zu vetten, wie die poetiſche Anficht, find wir. umgeleht vielmehr durch unfere Erklärung genöthigt, die durchgängige Einheit ut Untbeilbarteit des Sinnes zu behaupten.

Um den Grundfag ver unbedingten Eigentlichleit fogleich in ver Anwendung zu zeigen, erinnern wir und, baß in der Mythologie zwei Momente unterfchieven wurden: 1) das polytheiſtiſche; in Bezug af

Ich entlehne dieſen Ausbrud von bem befannten Coleridge, dem aa feiner Landsleute, ber beutfche Poefie und Wiffenfchaft, insbeſondere aber Phil fophie verftanden und finnvoll benugt hat. Der Ausdruck findet fich in einem übrigens wunberlichen Auffat in ben Transactions of the R. Society of Lite rature. Mich bat tiefer Aufſatz befonbers erfreut, weil er mir zeigte, wie eine meiner früheren Echriften, deren philoſophiſcher Gehalt und Belang in Demid land fo wenig ober vielmehr gar nicht verftanben worden bie Echrift über bie Gottheiten von Eamothrale von dem vielbegabten Vritten in ihrer Bebentum verftanden worden. Fir ben erwähnten treffenden Ausdruck überlaffe ich ihm gerne die von feinen eigenen Lanbsleuten fcharf, ja zu fcharf gerügten Entie- nungen aus meinen Schriften, bei welchen mein Name nicht genannt worden Einem wirklich congenialen Mann follte man bergleichen nicht anrechnen. Die Strenge folder Eenfuren in England beweist jeboch, welcher Werth dort auf wiffenfchaftliche Eigenthlimlichleit gelegt unb wie fireng das suum cuique in br Wiflenfchaft beobachtet wird. Coleridge braucht übrigens bas Wort tautegerikh als gleichbedeutend mit philosophem, was freifih meinem Sinn nicht gemäß wäre, allein er will vielleicht nur fagen, bie Mythologie müfje gerabe eben eigentlich genommen werben, wie man ein Philofophem zu nehmen pflegt, un bieß hat er aus ber obenermwähnten Abhandlung ganz richtig herausgefühlt. War berlich Habe ich den Auffa genannt wegen ber Sprache; benn wenn wir ein Theil früherer Kunſtausdrücke zu verlaſſen bemüht find, ober gern verlaffen wir ben, wein es bie Sache erlaubte, gibt er feinen beffen ungewohnten Lanbelenten unbebenflich, wenn auch mit einiger Ironie, Ausbräde wie subject-objeet un ähnliche zu genießen.

197 dieſes werben wir aljo nach Berwerfung jedes uneigentlichen Sinne be⸗ haupten, daß wirklich von Oöttern die Rebe fen; was dieß fagen will, braucht nach früheren Erflärungen feiner wiederholten Erörterung. Nur ift inzwifchen die Ermittlung hinzugekommen, daß der Mythologie er- zeugende Proceß ſchon im erften wirklichen Bewußtfeyn der Menſch⸗ beit feinen Grund und feinen Anfang bat. Hieraus folgt, daß die Göt- tervorftellungen zu Feiner möglichen oder angeblichen Zeit jener zufälligen Entftehung überlafien ſeyn kounten, bie im den gewöhnfichen Hypothefen angenommen wird, und daß insbeſondere für einen angeblidy vor mytho⸗ logiſchen Polytheismus, wie er zum Theil von jenen Erklärungen vor- ausgefegt wird, fo wenig eine Zeit übrig bleibt, als für die Reflerionen über Naturerfcheinungen, aus welchen nach Heyne, Hermann oder Hume bie Mythologie entftanden ſeyn foll, denn das erfte wirkliche Bewußtſeyn war der Sache nach ſchon ein mythologiſches. Jener bloß ſogenannte Polytheismus fol- anf zufälligen Vorſtellungen unfichtbarer übermächtiger Weſen beruhen; es bat aber urfprünglid) 'nie. einen Theil des Menſchen⸗ geſchlechts gegeben, der in dem Fall war, auf ſolche Weiſe zu Götter vorfellungen zu kommen: Dieſer Polytheismus vor ber Myuthologie iſt affo ein bloßes Figment der Schule; es iſt, dürfen wir ſagen, hiſto— riſch bewieſen, daß vor dem mythologiſchen fein anderer ſeyn konnte, daß es nie einen andern Polytheismus gab- als einen miythologiſchen, d. h. der. mit dem von und nachgewiefenen Proceß geſetzt ift, keinen alſo, in dem nicht wirkliche Götter, d. h. in dem nicht Gott der letzte Inhalt geweſen wäre. Aber vie Mythologie iſt nicht bloß Polytheismus Über: haupt, ſondern 2) geſchichtlicher, ſo ſehr, daß der, welcher nicht (piln- GA oder acty) geihichtlih wäre, auch nicht mythologiſch genannt- werben Böinnte. Aber auch in Anfehung dieſes Momentes ift die unbebingte Eigentlichfeit feſtzuhalten, die Aufeinanberfolge als eine wirkliche zu.ver- fichen. ° Sie ift eine Bewegung, ber das Bewußtſeyn in der That unterworfen iſt, bie fih wahrhaft ereignet. Selbſt in dem Spe- ciellen der Aufeinanverfolge, daß jenem Gott diefer und fein anderer vorausgeht oder folgt, ft nicht Willlür, ſondern Nothwendigkeit, und fogar in Anſehung ver befonderen Umftänte jener Ereignifle, die in ber

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Göttergeſchichte vorkommen, fo ſeltſam ſie uns ſcheinen mögen, werdes im Bewußtſeyn ſtets die Verhältnifſe ſich nachweiſen laſſen, ans welchen bie Vorſtellung derſelben natürlich. hervorging. Die Entmannung dei Uranos, die Entthronung des Kronos und bie andern zahlreichen Thater und Begebenheiten der Göttergeſchichte brauchen, um einen verftänblicen und begreiflihen Einn anzunehmen, nicht anders als buchſdũt ver⸗ ſtanden zu werden.

Man kann auch nicht etwa, wie e8 wohl mit ber Offenbarung ver⸗ ſucht worden, Lehre und Geſchichte unterſcheiden, die letzte als bloße Einkleidung der erſten betrachten. Die Lehre iſt nicht außer der Ee fchichte, ſondern eben die Gefchichte ſelbſt ift auch bie Pehre, und umgelckt das Toctrinelle der Mythologie ift gerade im Gefchichtlichen enthalten.

Objectiv betrachtet ift nie Mythologie wofür fie ſich gibt, wirkliche Theogonie, Göttergejchichte, da indeß wirkliche Götter nur vie fiat, beuen Gott zu Grunde liegt, fo ift der legte Inhalt der Göttergeſchicht bie Erzeugung, ein wirflidyes Werben Gottes im Bewußtſeyn, zu tem fid) die Götter nur als die einzelnen erzeugenden Diomente verhaften

Subjectiv ober ihrer Entftehung nah ift die Mythologie cn theogonifher Procef. Cie ift 1) ein Proceß überhaupt, den tat Bewußtſeyn wirklich volbringt, fo nämlich, daß es in den einzelnen Momenten zu verweilen genöthigt ift, und ſtets im folgenden ben ver ausgegangenen feithält, alfo vie Bewegung Im eigentlichen Sim erlekt. Sie ift 2) ein wirklich theogenifcher Proceß, d. h. der fich berfchreit von einen: mwejentlichen Verhältniß des menfhlichen Bewußtſeyns zu Gett, einem Verhältnig, in dem es feiner Subftanz nad, vermöge deſſen ed alfo Überhaupt das natürlich (natura sua) Gott -fegende if. Tas Be wußtſeyn kann, weil das urfprüngliche Verhältniß ein natürliches in, nicht aus demſelben heraustreten, ohne durch einen Proceß in bar felbe zurüdgeführt zu werden. Hiebei kann es denn (ich bitte dieß weh zu bemerken) nicht umhin, als das Gott nur noch mittelbar nm (ich eben durch einen Proceß wieder ſetzende zu erfcheinen, d. 5 e8 fann nicht umhin, eben al das Gott erzeugende, denmach theogeniid zu erfcheinen,

Uecunte vorleſung.

Werfen wir von dem erreichten Standpunkt .einen letzten Blick zu⸗ rad auf die bloß äußeren Vorausſetzungen, mit denen man in den frkhern Hypotheſen die Mythologie zu begreifen achte (auch die Offen- barung war ja eine folhe): fo war es unftreitig ein wefentlicher Schritt zur philoſophiſchen Betrachtung ver Mythologie überhaupt, daß ihre Entftehung in das Innere ver urfprünglichen Menſchheit verfegt wurde, dag nicht mehr Dichter oder kosmogoniſche Philoſophen oder Anhänger einer gefchichtlich voranögegangenen religiöſen Lehre als Urheber galten, fonbern das -menfchliche Bewußtſeyn felbft als ver wahre Sig und das eigentliche erzeugenbe Princip ber ° mythologiſchen Vorftellungen er⸗ Iaumt wurbe.

m ber ganzen bisherigen Entwilung babe ich mich bemüht, jeben

Fortſchritt, dem bie Unterfuhung früheren Forſchern verdaukte, an feiner Gtelle nad) Gebühr zu erfennen und zu bezeichnen, und, felbit denjeni⸗ gen- Anfichten, bie als ganz zufällige erfcheinen Tonnten, eine See ab⸗ ꝓagewinnen, von ber fie gleichwohl als nothwendige ſich tarftellteg.- | daß Feine irgend erwähnenswerthe Vorftellung- von ber Mythologie gangen worden, war burch bie Methode verbürgt. Auf eine Schrift jedoch noch e Rüdficht zu nehmen, veranlaßt ung fchon ihr Titel, welcher 2 a und dem Inhalt der gegenwärtigen Vorträge Achnliches igen ſchien; wir meinen die Schrift des zu früh verftorbenen

8. Ottfried Müller: Prolegomena zu einer wiffenfdhaft- lichen Mythologie 1825. Dort fand ich folgende Säge, welche mit einigen ber augen, vier Jahre früher vorgetragenen übereinzuftimmen

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[mm ——

ſcheinen kennten. „Die Mythologie iſt von Aufang an durch bie Ver— einigung und gegenſeitige Durchdringung des Ideellen und Reellen at. ftanden“ ', mo unter dem Ideellen das Gedachte, unter dem Reellen tus Gefchehene verftanden ift. Unter dem Geſchehenen verfteht er übrigens, wie wir fehen werden, nicht die Form bed Geſchehens in der Mythole⸗ gie, ſondern ein wirklich Gefhehenes außer der Mythologie. Eben derſelbe will für die Entftehung ber Mythen von Erfindung nicte wiffen, aber in welchem Sinn? Wie er fi felhft erlärt, in dem Eim, in welchem Erfindung „eine freie und abſichtliche Handlung ſeyn fol, buch welche etwas von dem Handelnden als unwahr Erlanntet nit dem Echeine der Wahrheit umkleivet werben foll“?. Im biefem Sinn haben wir Erfindung weder angenommen noch verworfen. Müller läßt aber doch Erfindung infofern zu, als fie eine gemeinfchaftliche if. Tieß erhellt ans dem, was er anninımt, „daß bei der Verbindung ve} Ideellen und Reellen im Mythus eine gewiffe Nothwendigkeit obge⸗ waltet babe, daß die Bilpner (d. h. doch wohl Erfinder?) des Mythus durch Antriebe, die auf alle gemeinfhaftlid wirkten, dar anf (doch wohl auf ven Mythus?) hingeführt wurden, unb daß im Mythus jene verfchiebenen Elemente (Ideelles und Reelles) zufanmen- wuchfen, ohne? taß diejenigen, durch welche es geſchah, ſelbſt ihre Ver⸗ fchiebenheit erfannt, zum Bewußtfeyn gebracht hätten”. Dieß käme alio auf jenen gemeinſchaftlichen Kunfttrieb (wahrſcheinlich eines Mythen⸗er⸗ zeugenden Bolfs) ‚zurüd, den wir früher * ebenfalls als eine Möglichkeit bezeichnet haben, vie aber tort ebenfo aud, bejeitigt worden. Es ſcheint, daß kiefe Durchdringung des Idealen und Realen in ihrer Anmwenbung auf Mythologie (denn den allgemeinen Gedanken hatte der gelehrte Man wohl jedenfalls aus einer philofophifchen Schule mitgebracht) manden Altertbumsforfcher als dunkel und myſtiſch vorkam. O. Müller fudt

S. 100.

2 S. 111.

»Dieſes „ohne“ iſt hier ergänzt worden, weil es zum Sinn nothwendig ſcheim, im Text fehlt ee.

* 3. Borlefung. . A

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fie daher durch Beifpiele zu erflären, und da werden wir kann feine Meinung deutlich. ſehen. Dad erfte biefer Veifpiele wird von der Peſt im erften Buch der Ilias hergenommen, wo befanntlic Agamemnon ven Priefter des Apollo beleidigt, dann diefer den Gott ihn zu rächen bittet, der fofort die Peſt kommen läßt, und wo bie Facta, d. h. alfo, daß bie Tochter eined Apollo-Priefter von dem Vater vergebens zurüd- geforbert, der Bater mit Hohn abgewieſen wurde, hierauf die Peft ausbrach, wo, diefe Fakta als richtig angenommen, „alle vie, welche von dem Glauben an Apollos rächende und firafente Ge walt erfüllt waren“, fogleich jeber von ſelbſt und -mit völliger Uebereinftimmung die Verbindung machten, daß Apollo die Pet auf Bitte feines durch verweigerte Zurüchgabe der Tochter beleidigten Priefters gefandt, umd jeder dieſe Verbindung mit verfelben Ueberzeugung aus» fprady, wie die Facta (man fieht: hier, was ihm das ©efchehene be- deutet), bie er felbft geliehen hatte. Hieraus fcheint abzımehmen, daß bie vorgetragene Erflärung nach der eigenen Meinung ihres Ur- hebers ſich gar nicht auf das allein Räthjelhafte, nämlich wie vie Men- ſchen dazu gefowimen, von ber Exiftenz eines Apollon und feiner rächen⸗ den und firafenden Gewalt überzeugt zu ſeyn, alfo auf ven eigentlicen Inhalt der Mythologie ſelbſt erftreden ſollte; denn jene Erzählung im erften Buch der Ilias gehört fo wenig zur Mythologie felbft, als bie Erzählung von der Legio fulminatrix oder ähnliche zur chriftlichen Lehre felbft gehören. Nachdem ich dieß gefunden, ſah ich, daß O. Müllers Prolegomenen mit der Philoſophie der Mythologie nichts gemein haben. Dieſe bezieht ſich auf das Urſprüngliche, auf die Göttergeſchichte Feibft, nicht auf die Mythen, welche erſt dadurch entſtehen, daß ein hiſtoriſches Factum mit einer Gottheit in Verbindung geſetzt wird, und ans dieſem fonnte auch unter den früheren Anfichten ver Mythologie vie

Mer'ſche nicht erwähnt werben, weil fie ſich gar nicht auf eigent« liche Mythologie bezieht. Denn darum, wie biefe von der Müthologie abgeleiteten Erzählungen entftanden find, darum befümmert fidh bie Phi- leſophie der Mythologie nicht. Das wäre ebenfo, als wenn ba, mo von dem Sin Apr Ehriftenthune die Rebe -ift, jemand von den Legenden

ſpräche und erflären wellte, wie dieſe entftanden find. Natirlich wei das Herz voll ift, davon gehet der Mund Über. Wenn einmal mit Göttervorftellungen erfüllt, werben fie biefe in alle Berbältniffe, alfe auch in alle Erzählungen eingemifcht haben, und fo werben freilich olme Berabredung, ohne Abſicht, mit einer Art von Nothwendigkeit Mythen im Sinne O. Müllers entftehen.

Wenn id nun in biefer ganzen Entwicklung mich ver Bifteriider Treue gegen meine Vorgänger befleikigt und jedem das Seime zn geben gefucht babe, fo wird man e8 mir nicht veräbeln können, wenn ich biefe Gerechtigkeit auch auf mich felbft anwende, und jenen erſten Schritt, ohne den ich wohl nie veranlaßt geworben wäre, auf Mythologie fid beziehende Vorträge zu halten, ben Gedanken, ven Sit, das sab- jectum agens ver Mythologie In dem menſchlichen Bewußtſeyn ſelbſt zu fuhen, mir vindicire. Tiefer Gebanfe, an bie Stelle. von Erfinbern, Dichtern oder überhaupt Individuen, das menfchlihe Bewußtſeyn ſelbſt zu fegen, erhielt ſpäter etwas Entfprechenbes in dem Verfuch, für vie Offenbarungslehre das hriftlide Bewußtfeyn zum Träger und zur Stüge aller chriftlichen Ideen zu machen, wiewohl hiebei, wie es fcheint, mehr das Mittel gefucht wurbe, ſich aller chjectiven Fragen zu entlerr gen, während e8 dort vielmehr darauf anfam, den mathelegiſchen Bor: ftellungen Objectivität zu erringen.

Goethe äußerte ich weiß im Angenblict nicht, bei welcher Gelegenheit: Wer in einer Arbeit etwas vor ſich zu bringen und nicht geſtört zu ſeyn wünſche, der werde wohl thun, ſein Vorhaben ſo viel möglich geheim zu halten. ‘Der geringſte Nachtheil, ven ex im ent gegengefetten Fall zu erwarten hat, ift, wenn man zufällig die Meinung von ihm bat, daß er wiffe, wo ein Schatz zu heben ift, darauf gefaft jeyn zu bürfen, daß viele in Haft und Eile vor ihm den Schatz zu gewinnen hoffen, ober wenn fie recht höflich und befcheiven ſind, Zi wenigftens bei Hebung beflelben behülflich ſeyn wollen. Da ift dem offenbar der öffentliche Lehrer, ver nicht bloß längft Belanntes wieder⸗ holt, am übeliten daran, da er bald Zaufende zu Mitwiſſern hat, und was in Deutjchland einmal vom Katheder vorgetragta wir, auf

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allerhand Wegen und Schleichwegen, insbeſondere durch nachgefchriebene Hefte, fih nach Umftänden in die weitelte Ferne verbreitet. Dan bat es-alabemifchen Lehrern oft mißdeutet, und es bald als Bekenntniß von Speenarmuth, bald als unedle Mifgunft getabelt, wenn fie gegen un- befugte Aneignung bloß mündlich von ihnen. mitgetheilter Gedanken ſich nicht ganz gleichgültig verhielten. Tas Erfte num könnte man fi) ge- iallen laſſen, venn niemand ift verpflichtet, an Ideen reich zu ſeyn, unverfchulvete Armuth keine Schande, Den andern‘ Vormurf betveffend, folte man doch jo billig ſeyn zu überlegen, daß wer nie 3.2. fo glüd- lich gewefen, fein Vaterland mit den. Waffen zu vertheidigen, der an den öffentlichen Angelegenheiten ver Verwaltung” oder Gefegebung nie Theil genommen hat, und auf das Die cur hie Überhaupt nur mit feinen bichterifchen Hervorbringungen oder .einigen wiſſenſchaftlichen Meen antworten kann, wohl einiges Recht bat, ſich ven Anſpruch, den er darauf bei ben Mitlebenden oder bei der Nachwelt gründen zu können meint, rein zu bewahren, wie denn die ebelften Geifter dafür nicht. un« empfinblicy gewejen. Der eben genannte große ‘Dichter erwähnt e8 in feiner Lebensbejchreibung, wenn ein Jugendbelannter ihm ein bloßes Sujet vorwegnimmt, nicht einmal wie mir ſcheint ein ſonderlich benei- denswerthes. Sagt man, daß e8 dem Reichen wohl gezieme, von feinen Ueberfluß der Armuth etwas zukommen zu laflen, jo fehlt e8 wohl keinem, der eigene Gedanken über wifjenfchaftliche oder im Leben vor- kommende Gegenftände hat und fie zutraulich zu äußern gewohnt if, an Gelegenheit, dieſe chriftlihe Tugend in der Stille zu üben. Doch hat auch biefe Freigebigkeit ihre Grenzen, denn mit feiner andern wer- den jo viele Undankbare erzeugt. Ich rede nicht von bem gewöhnlichen Undenf, über ven mandye Lehrer fich befehiweren: vielleicht geht es hie⸗ mit fe uatürlich zu, als damit, daß ein magnetifcher Bol im Bes den ihm entgegengeſetzten Pol hervorruft. Wer aber einmal die ihm zufällig bekaunt gewordenen Ideen eines andern als eigene zu Markt gebracht, wird natürlicherweiſe deſſen unver] öhnlicher Feind. Sonderbar, von eben ſolchen, welche ſich nicht nachdrücklich genng gegeiisden Nachdruck erklären zu können glauben, und denen,

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die dieſes ſchmähliche Handwerk ausüben, bie ſchimpflichſten Namen ter legen, Nachſicht gegen den Borbrud empfehlen zu hören, der doch, im Fall er feinen Zweck erreichen könnte, ein weit ſchlimmerer Diebſtahl al8 der erfte feyn würde. Gegen ven Nachbrud werben audy bie fehler vollen Ausgaben geltend gemacht; in welcher Geflalt aber entwendete Ideen in die Welt kommen, meift fo zugerichtet unb vwerumreinigt, baf fie dem Urheber felbft zumider werben könnten, wirb nicht beachtet Hefte benugen, die einem öffentlichen Lehrer nachgefchrieben find, ber nicht ſchon Bekanntes, fondern neue und eigenthümliche Ideen mitthelt, beißt von dieſem lernen wollen, ohne ſich als feinen Schüler zu befennen, beißt zugleich über Mitbewerber, denen entweder bie Gelegenheit p folhem Gebraud fehlt oder die ihn verfchmähen, einen Vorfprung pu gewinnen ſuchen; denn wer auch vor materieller Benutzung ſich hüte, bat wenigftens in Anfehung ter Methode, der Behanblung, der Aut drucksweiſe, wenn biefe neu und eigenthümlich find, einen Vortheil ge wonnen. Wenn nun übrigens dieß alle® weniger hoch angefchlagen wird, fo ift es, weil am Ende doch der wahre Urheber ſich immer unterfcheibet, und ftatt des Sie vos non vobis der andere Spruch in Erfüllung geht: Sie redit ad dominum, quod fuit ante suum. Unfer letztes Reſultat war, daß die Mythologie überhaupt buch einen Proceß entjteht, fpeciel burch einen theogonifchen Proceß, in wd- hem das menfchlihe Bewußtſeyn durch fein Wefen feftgehetten if. Nachdem tiefer Begriff gewonnen ift, wird zufolge des in Diefer ganzen Unterfuchung befolgen Gangs eben dieſer Begriff unmittelbar wieder zum Ausgangspunkt einer neuen Entwidlung, ja eben jener Proceß wirt ber einzige Gegenftanb ver Wiffenfhaft feyn, welcher vie biöherigen Torträge zur Einleitung getient haben. Es wird Ihnen nicht entgan- gen ſeyn, daß wir jenes Ergebniß vorerft nur benugt haben, tie fub jective Bedeutung des Pröcefies, die, welche er für die in ihm be griffene Menſchheit hatte, in Betracht zu ziehen. Diefe mufte auch vor allen erfebigt werden; denn von ber Trage, was die Mythe⸗ logie urſprünglich, d. h. was fie denen bebeutet, welchen fie entitand, war biefe ganze Unterfuhung ausgegangen. Was alfo biefe Frage

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betrifft, jo ift ein.volffommen befriedigender Auffchluß erreicht, und dieſe Unterfuchung darf als abgefchloffen betrachtet werben. Aber eben damit find wir zu der. höheren. Frage aufgeforvert, was der Proceß nicht in Bezug auf das ihm unterworfene Bewußtſeyn, was er an fich, was er objettiv bebeutet.

Nun haben wir gefehen, daß vie in ihm ſich erzeugenden Vorſtel⸗ lungen für die von benfelben ergriffene Menſchheit eine fubjective Nothwendigkeit haben, und ebenfo auch eine fubjective Wahrheit. Dieß wärbde nun,. wie Sie wohl fehen, nicht verhindern, baß biefelben Vor ftellungen objectiv betrachtet dennoch falfche-und zufällige wären, und auch in dieſem Sinn lafjen fih Erflärungen denken, von denen, weil fie erft auf dem jegigen Stanbpunft fubjectiver Nothwendigkeit möglich werben, früher nicht bie Rede ſeyn konnte. Alle früheren blieben mit ihren Borausfegungen innerhalb der gefchichtlichen Zeit ftehen; wir haben jest eine Erklärung aufgeftellt, die auf einen übergefchichtlichen Vorgang zurädgeht, und bier finden wir denn Vorgänger, an bie ‚früher nicht gedacht werben konnte. Es iſt eine ſehr alte Meinung, welche das Heidenthum wie alles Verderben in der Menſchheit vom Sündenfall allein. ableitet. Dieſe Ableitung kann bald eine bloß moraliſche, bald eine pietiftifche ober nıyftifche Yarbe annehmen. In jeder Geftalt aber verbient fie Anerkennung um der Einfiht willen, daß die Mytho⸗ logie ſich nicht ohne eine reelle Berrüdung des Menfchen von feinem urſprünglichen Standpunkte erflären laffe. Darin flimmt fie mit un⸗ ferer Erflärung überein; dagegen wirb nım ber Verlauf ver Erflärung ein anderer ſeyn, inwiefern fie insbefonbere nöthig findet, die Natur berbei zu ziehen und den Polytheismus durch Naturvergötterung zu er- Hären.. In der Art, wie fie die Menfchheit auf Naturwergötterung fallen läßt, unterſcheidet ſich die theologifehe Anficht von den gerühmten analogen Erflärungen ; mit der Naturvergötterung aber kehrt fie unter eine ſchon früher dageweſene Kategorie von Deutungen zurüd. Der Menſch, durch die Sünde in bie Attractions- Sphäre der Natur gerathen, und in diefer Richtung immer tiefer finfend, vermifcht das Geſchöpf mit dem Schöpfer, der ihm dadurch aufhört Einer zu ſeyn, und Biele wird. Dieß möchte in Kürze der Inhalt dieſer Erklärung ſeyn in ihrer einfachſten

Form. Ind Myſtiſche gewendet, konnte fie ſich etwa auf felgen Weife näher ausſprechen. Allerdings nicht won einem wrfprängliche, wenn auch noch fo herrlichen Wiffen, ſondern von einem Seyn be Menfchen in ver göttlichen Einheit, müffen wir ausgehen. Der Med ift in das Centrum der Gottheit erſchaffen, unb es ift ihm weſent lich, im Centrum zu ſeyn, denn nur ba ift er an feinem mahren Ort Solang er nun in biefem ſich befindet, flieht er tie Dinge, wie fie i Gott find, nicht in der geift- und einheitelofen Weußerlichkeit tes ge wöhnlichen Sehens, ſondern wie fie ftufenmweife ineinanver, baburd im Menſchen als ihrem Haupt, und durch ihm in Gott aufgenommen fi. Sowie aber der Menſch aus dem Mittelpunkt ſich bewegt bat unb ge wichen ift, verwirrt ſich ihm bie Peripherie und verrüdt ſich jene gött- liche Einheit, denn er felbft ift nicht mehr göttlich über ven Tinge, fondern felbft auf gleiche Stufe mit ihnen herabgeſunken. Indem a aber feine centrale Stellung und die damit verbundene Anfang, während er ſchon an einem antern Orte ift, behaupten will, entiick aus dem Streben und Ringen, im ſchon Geftörten und Auseinander gegangenen bie urfprüngliche göttliche Einheit feftzuihalten, jene mitten Welt, die wir eine Götterwelt nennen, und die gleichfam der Tram eine® höheren Daſeyns iſt, den der Menſch eine Zeit lang fortträum, nachdem er aus demſelben herabgefunten iſt; und biefe Götterwelt aı- fteht ihm in der That auf eine unwillfürliche Weife als Folge eine ihm durch fein urfprüngliches Verhältniß felbft auferlegten Nothwendig feit, deren Wirkung bis zum endlichen Erwachen fortdauert, wo er fih, zur Celbfterfenntniß gekommen, in tiefe außergöttlid;e Welt ergibt, freh von dem unmittelbaren Verhältniß, das er nicht behaupten kann, Io* gelommen zu feyn, und um fo mehr bemüht, ein vermitteltes aber jr gleich ihm felbft freilafiendes an deſſen Stelle zu feßen.

In dieſer Erklärung wird auch auf das Urfeyn des Menfchen zu rüdgegangen: die Mythologie ift nicht weniger die Folge eines unwill⸗ kürlichen Proceſſes, dem der Menſch dadurch anbheimfällt, daß er von feiner urfprünglichen Stelle fich bewegt. Allein nach dieſer Erklärung wäre, wie Sie felbft fehen, vie Mythologie doch mer etwas Falſchet

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und auch etwas bloß Subjectives, nämlich in folchen Vorftellungen Be⸗ ſtehendes, denen nichts Wirkliches außer ihnen entfpräde, denn ver- götterte Natnrobjecte find nicht mehr wirfliche. . Aber vorzüglich hervor zubeben wäre die Zufälligkeit, vie das SHerbeiziehen der Dinge den⸗ noch in die Erflärung bringt, während die Art, wie wir zum Begriff bes Procefied gelangt find, es allein ſchon mit ſich führt, daß zu dem⸗ felben nichts außer dem Bewußtſeyn erforverlich ift, nichts außer ven es ſelbſt ſetzenden und conftituirenden Principien. Es find überhaupt nicht die Dinge, mit denen der Menſch im mythologiſchen Proceß ver⸗ kehrt, e8 find im Innern des Bewußtſeyns ſelbſt aufſtehende Mächte, von denen es bewegt iſt. Der theogoniſche Proceß, durch den die Mythologie entſteht, iſt ein fubjectiver, imwiefern er im Bewußtſeyn vorgeht und fich durch Erzeugung von Vorſtellungen erweist: -aber die Urſachen, und alſo auch bie Gegenſtände dieſer Vor⸗ ſtellungen ſind die wirklich und an ſich theogoniſchen Mächte, eben dieſelben, durch welche das Bewußtſeyn urfprünglich das Gott⸗ſetzende iſt. Der Inhalt des Proceſſes ſind nicht bloß vorgeſtellte Potenzen, ſondern die Potenzen ſelbſt die das Bewußtſeyn, und da das Bewußtſeyn nur das Ende der Natur iſt, die die Natur erſchaffen, und daher auch wirkliche Mächte find. Nicht mit Naturobjecten bat ber mpthologifhe Proceß zu thun, fondern mit den reinen erſchaffenden Potenzen, deren urſprüngliches Erzeugniß das Bewußtſeyn felbft if. Hier alfo ift es, wo bie Erflärung vollends ins Objective durchbricht, ganz objectiv witb.. Es gab früher einen Punkt, wo wir alle bis dahin behandelten Erklärungen unter: dem Namen der ivreligiöfen zu- fammenfaßten, um ihnen vie religiöſe Erklärung im Allgemeinen als die allein noch mögliche entgegenzüſetzen, jet bebarf es einer noch all- gemeineren Bezeichnung, unter welcher auch vie’ bis jett wiberlegten religiöfen Exrflärungen zu ven befeitigten gefchlagen werben können. Wir wollen jegt alle bis jetzt vorgelommenen, auch die religiöfen, welche übrigens ven mythologiſchen Vorſtellungen eine bloß zufällige ober fub- jective Beveutung zufchrieben, vie fubjectiven nennen, über bie ſich Die objective Erflärung als die zuletzt allein fiegreiche erhebt.

*

Der mtholsgifäje Brock, der die an fih theogoniſchen Potenen zu Urfachen bat, ift nicht bloß von religiäfer überhaupt, fondern ven objectiv» religiöfer Bereutung; dem es find bie an fid) Gett- fegenden Potenzen, welche im mythologiſchen Proceß wirfen. ber und damit ift noch nicht die legte Beſtimmung erreicht, denn wir haben früher von einem Dionotheismns gehört, ter auseinander gegangen fen und fich in Polytheismus zerfplittert habe. Es Können alfo in den Proceß zwar die theogenifchen Potenzen felbft ſeyn, aber als folde, vie in ihm auseinander gehen und durch Auseinandergeben ihn be wirfen. Anf- biefe Weife wäre bie Mythologie denn doch nur das Ent ftellte, Zerriffene und Zerftörte des Urbewußtfenns. Unter dem Die notheismus, ver ſich in Vielgötterei zerfett haben follte, wurde früher allerdings ein gefchichtlicher gedacht, der in einer gewiflen Zeit bei Menfchengefchlehts vorhanden gewefen ſeyn fol. Einen ſolchen haben wir nun freilich aufgeben müflen. Aber wir haben inzwiſchen einen wefentlihen, d. h. potentiellen Monotheismns des Urbeppußtſeyns ange nommen. Dieſer alfo mwenigftens könnte e8 ſeyn, ber in deni theogen- Ihen Proceß ſich zerftörte, und man könnte nım fagen: dieſelben Potenzen, die in ihrem Zuſammenwirken und in ihrer Einheit in Bewußtſeyn zum Gottsfegenten maden, werben in ihrem Anseinam dergehen die Urfadhen des Procefies, tur den Götter geſett werden, alſo Mythologie entſteht.

Zunächſt nun aber, wie ſollte in dem angenommenen Proceß die wahre Einheit ſich zerſtören, da vielmehr ausdrücklich erklärt worden, er ſey eine Zerſtörung der falſchen Einzigkeit als ſolcher, und dieſe Zerſtörung ſelbſt ſey wieder nur Mittel, nur Uebergang, der keinen andern Zweck haben könne, als die Wiederherſtellung der wahren Ein⸗ heit, die Reconſtruction und im letzten Ziel die Verwirklichung deſſelben Monotheismus im Bewußtſeyn, der im Anfang ein bloß weſentlicher oder potentieller war ?

Allein man könnte doch Folgendes eimvenben. Die Mythologie f weſentlich fuccefjiver Polytheismus, biefer kann nur entftehen burd eine wirkliche Aufeinanderfolge von Potenzen, in welcher je die vorhergehende

bie folgende fordert, die folgende Durch bie vorhergehende ergänzt, zuletzt alſo die wahre Einheit wieder geſetzt wird; aber eben dieſes ſucceſſive Hervortreten der die Einheit zufammenſetzenden und wiederherſtellenden Momente ſey doch ein Auseinandergehen, oder ſetze rieuigſtens ein Aus⸗ einandergegangenſeyn derſelben voraus.

Das Letzte könnte man zugeben, aber indem man hingufügte, daß dieſes Auseinandergehen nicht in dem Mythologie erzeugenden Pröceß ſelbſt geſchehe, denn in dieſem kommen die Potenzen als aufeinander⸗ folgende nur vor, um die Einheit wieder zu ſetzen und zu erzengen. Der Sinn des Proceſſes iſt daher nicht ein Auseinander⸗, ſondern vielmehr ein Zuſammengehen der die Einheit ſetzenden Momente, der Proceß ſelbſt beſteht nicht in der Trennung, ſondern in der Wiederver⸗ einigung derſelben. Den Anlaß zu demſelben gibt allem Auſchein nach eine Potenz, die ſich des Bewußtſeyns, ohne daß dieſes eine Ahnung davon hat, ausſchließlich, alſo mit Ausſchluß der andern, bemächtigt hat; aber eben dieſe die wahre Einheit inſoweit aufhebende Potenz verwan⸗ delt ſich, der Ausſchließlichkeit wieder entſetzt und durch den Proeeß überwunden, in die, bie Einheit nun nicht mehr filfchtweigend, ſondern wirklich, oder, wie ich mich auszudrücken pflege, cum icty et actu fegenve, fo daß ber hiemit gejeßte Monotheismus nun auch wirkliche r, entſtandener, und demnach zugleich verſtandener, dem Bewußtſeyn ſelbſt gegenſtändlicher if. Das Falſche, wodurch die Spannung geſetzt, der Proceß veranlaßt wird, liegt alſo vor dem Proceß; in dem Proceß als folchem (und darauf kommt es an) iſt daher nichts Falſches, ſondern Wahrheit; er iſt der Proceß der ſich wiederherſtellenden und dadurch verwirklichenden Wahrheit; es iſt alſo freilich nicht in dem einzelnen Momente Wahrheit, denn fonft bebürfte es keines Fortgangs zu einem folgenden, keines Procefjes; aber in diefem felbft erzeugt fih, und es ift Daher in ihm als eine ſich erzeugende die Wahrheit, vie das Ende des Procefies ift, die alſo der Proceß im Ganzen ſelbſt als vollendete enthält.-

Wenn man ſchlechterdings unmöglich fand, in der Mythologie, wie fie ift, Wahrheit zu finden, und daher höchſtens fich cpiſchoß, eine

Schelling, ſammtl. Werke 2. Abt. 1.

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entftellte in ihr zu erkennen, fo kam bie Unmöglichkeit eben daven her, daß bloß bie einzelnen Vorftellungen als ſolche, nicht im ihrer Felge, fondern in ihrer Xhftraction, genommen wurben, d. h. weil man ches fich nicht zum Begriffe bes Proceſſes erhob. Man kann zugeben, kai Einzelne in ter Mythologie ſey falſch, aber. darum ift es wicht kei Ganze in feinem legten Verſtande, alſo im Proceß betrachte. Der fm ceſſive Polytheismus ift nur der Weg, die wahre Eirheit wieter a erzeugen, bie Bielgötterei als folche bloß tag Accidentelle, das fid im Ganzen (wenn man anf tiefes fieht) wieber aufhebt, fie iſt nicht die Intention des Proceſſes. Dan könnte demgemäß allerdings fagen, tal Falſche ver Mythologie ſey mur vorhanden durch Mißverſtand des Per ceffes, oder es finde fi nur im Anseinanvergezogenen, einzeln Betrad- teten teffelben; aber dieß iſt alsdann ein Fehler ves Betrachters, ‘te die Mythologie bloß äußerlich, nicht ir ihrem Weſen (tm Proceß ar- ſieht; es erflärt deſſen falfche Anfiht von der Mythologie, aber ui dieſe felbft.

Man könnte, um dieß jemand zu verbeutlihen, tie Moment u der Mythologie mit den einzelnen Sätzen in ter Philoſophie vergleiden Jeder Satz eines wahren Syſtems ift wahr an feiner Etelle, in ſeiner Zeit, d. h. in ver fortfchreitenden Bewegung aufgefaßt, und jeder fl faljh, für fich betrachtet oder aus der unaufhaltfamen Fortichreitug herausgenommen. So gibt es unvermeitlich einen Punkt, wo geagt werden muß: Gott ift auch das unmittelbare Princip der Natur; dem was Kann feyn, das Gott nicht wäre, von dem Gott auszufcliche wäre? Beichränkten ift ſchon dieß Pantheismus, und fie verftehen unter allem, das Gott ift, alle Tinge; aber über ven Tingen ftchen die reinen Urfachen, von welchen jene erſt abgeleitet find, und eben darm, weil Gott alles ift, fo ift er auch das Gegentheil jenes unmittelbaren Principe, ter Eat daher wahr ober falſch, je nachdem er betrachte wird; wahr, wenn er ben Sinn bat: Gott ift das Princip der Rater, aber niht um es zu feyn, fontern um ſich als taffelbe wieder aufır heben, zu verneinen und als Geift zu fegen (bier haben wir ſchen trei Momente); er wäre falfh, wenn er den Sinn hätte: Gett iſt jenel

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Princip insbeſondere, ftillftiehender oder ausfchlieglicher Weife. Im Bor« beigehen Tan man fich bier erflären, wie leicht es durch ein ganz ein- faches Kunftftüd den fcaalften und Übrigens unvermögenpften Köpfen wird, ben tiefgebachteften Sat; in’ einen falſchen zu verwandeln, indem fie ihn gegen vie ausdrückliche Erflärung, er fey nicht fo zu nehmen, allein hervorheben, und verfchweigen, was ihm folgt, entweder vorfäg- ih oder unvorfätlich was gewiß viel häufiger gefchieht, weil fie über- haupt unfähig find, ein Ganzes irgend einer Art zu faflen.

„Diefem nad wäre aljo ver Polytheismus Teine falſche Religion, ia e8 gäbe am Ende überhaupt keine folche?“ Was das Erſte betrifft, fo iſt nad) unferer Anficht die Mythologie nur nicht in fich falſch: unter ver Borausfegung, die fie bat, ift fie wahr, wie ja auch bie Natur mır wahr iſt unter einer Vorausſetzung. Was die andere Folgerung betrifft, fo iſt bereits erflärt, jeves Moment ber Mythologie, nicht als ſolches und benmach außer feiner Beziehung auf die andern aufgefaßt, ſey falſch. Nun bat man nad) dem, was früher ſchon angedeutet worben, vie verſchiedenen Mythologien der Völker in ver That nur als Mo mente anzuſehen, als Momente des einen durch die ganze Menfchheit hindurchgehenden Proceffes; infofern ift jede polytheiſtiſche Religion, bie fich in einem Volle firirt hat und ftehen geblieben ift, als folde, alfo als jet ansfchließlich daſtehendes Moment ift- fie freilich eine falfche Religion. Aber wir betrachten bie Mythologie eben nicht in biefen ver- einzelten Morienten; wir betrachten .fie im Ganzen, im ununterbrocdenen Zufammenhang ihrer durch alle Momente fortgehenden Bewegung. So- weit bie Menſchheit, und alſo auch foweit jeder Theil derſelben noch in die miythologiſche Bewegung eingetaucht und folang er von diefem Strom, daß ich fo fage, getragen wird, ift er auf dem Wege zur Wahrheit; nur indem ein Bolt fi) and ver Bewegung berausjegt und bie Yortleitung des Procefjes an ein anderes Volt abtritt, fängt e8 an, im Irrthum und in ber. falichen Religion zn feyn.

Rein einzelner Moment der Mythologie, nur der Proceß im Ganzen ft Wahrheit. Nun find die verſchiedenen Mythologien felbft nur ver- ſchiedene Momente des mtthologifchen Proceſſes. Inſofern iſt freilich

212 jede einzelne polytheiftifche Religion eine falfche (falſch wäre z. B. ter relative Monotheismus) aber ver Polytheitmns im Ganzen fan ſucceſſiven Momente betrachtet, ifi ver Weg zur Wahrheit und inſowei felbft Wahrheit. Dan könnte hieraus fchließen: auf viefe Art mäfle die fette, alle Momente vereinigende Mythologie die wahre Religion fem. So ift e8 auch auf gewiſſe Weife, nämlich ſowe it auf dem Wege tet angenommenen Proceſſes, der immer die Entfremdung von tem göttlihen Selbft zu feiner Borausfegung hat, vie Wahrhen überhaupt erreichbar iſt; das göttliche Selbſt iſt alfo freifich nicht m mytbologifchen Bewußtſeyn, aber doch das Gleichbild deſſelben. Tas Bild ift nicht der Gegenftand ſelbſt, und doch völlig wie ter Gegenflart felbft: in tiefem Sinne enthält das Bild Wahrheit; da es aber ted nicht ter Gegenſtand felbft ift, injefern ift es auch nicht das Aa. Auf gleiche Weife ift im legten mythologiſchen Bewußtſeyn das Bilt des wahren Gottes hergeftellt, chne daß damit das PVerhältnik zu tem göttlihen Eelbft, d. 5. zu tem wahren Gott felbft, gegeben wäre, 9 welchem erft durch das Chriftenthum der Zugang eröffnet wird. Ta Monotheiemus, zu welchem der mythologifche Proceß gelangt, ift mir ber faljche (denn e8 kann feinen falfhen Monotheismus geben), aber tr ift gegen den wahren, ten efoterifhen doch nur ter eroterifche.

Die polytheiftifhen Religionen find einzeln genommen vie fallden, aber in dem Zinn, mie jedes Ting ter Natur abgejentert von ter durch alles hindurchgehenden Bewegung, oder wiefern es aus dem Prert berausgeworfen und als tobtes Reſiduum zurüdgeblieben ift, Feine Wahr⸗ heit, nämlich, nicht die Wahrheit hat, die es im Ganzen und al Re ment deſſelben hat. Nicht diejenigen heitnifchen Völker nur, melde it Daſeyn bis in unfere Zeit fert erftredt haben, 3. B. tie Hintus, be⸗ finden fi zu ten Gegenftänten ihrer fuperftitiöfen Verehrung in emen ganz ſtupiden Verhältniß, aud) der gemeine Grieche hatte im Grunde zu ten Göttern feiner einmal vorhantenen und ſtehend gewordenen Ke ligion kein anderes. Tie falfche Religion als ſolche ift immer nur ci todtes und dadurch ſinnlos gewordenes Ueberbleibfel eines Proceſſes, ter in feiner Ganzheit Wahrheit iſt. Jede Praxis, die auf einem

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jetzt nicht mehr gewußten Zuſammenhang oder nicht mehr verſtandenen Proceß beruht, iſt eine Superſtition. Man hat ſchon immer nach der Etymologie, d. h. nach ber urſprünglichen Bedeutung dieſes Iateinifchen Wortes, gefragt. Einige meinten, das Wort ſey zuerſt nur gebraucht worden bon dem Aberglauben ver Ueberlebenden in Bezug auf die Manen der Abgeſchiedenen; da waren die Subjecte des Aberglaubens bezeichnet, aber die Hauptſache (der Aberglaube ſelbſt) nicht ausgedrückt. Immer noch beſſer wäre zu ſagen, jede falfche Religion ſey nur ein superstes quid, das Uebergebliebene eines nicht mehr Verſtandenen. Aber gewiſſe Götter, wahrſcheinlich geheimnißvolle, waren von den Römern praestites genannt; es ift aljo wohl anzunehmen, daß viefelben Götter in einer älteren Form auch superstites mit berfelben Bedeutung (vor- ſtehender Götter) genannt worben.

Man künnte.alfo dem zuletzt Verhandelten gemäß wohl fagen, bie polytheiftifchen, Religionen feyen wie ein finnlo8 geworbenes Ganzes, und fie verhalten fi) wie bie Trümmer eines umgeftürzten Syſtems, aber bie. Entftehung läßt fih durch eine foldhe Analogie nicht erflären. Tie Einheit iſt- nicht in einem früher verftanden gewefenen Urfuftem, fie ‚ift in dem nicht mehr verftanbenen Proceß zu fuchen, der nicht bloß ſub⸗ jective Wahrheit (für bie in ihm begriffene Menſchheit), der Wahrheit an fi, objective Wahrheit hat; und was Bisher allein nicht für möglich gehalten oder vielmehr woran nicht einmal gedacht worben, ergibt fich

ı Nah Ovid und Plutarh die Laren. Die Stelle bei Plutarch Tautet (Quaestiones Romanae ed. Reiske p. 119): Ad ri röv Aaonröv, oug. Idios apaıcriras ralovdı, rovᷣroig nvov wapddrnnev, aurol ds auvov dıpdtpaus Aunsyovrar; n apaıdrieng udv ol mooscrörss eldı, rovg ds n908- dröras olnov pvlarrırovg elvaı nposnneı, nal poßepor's uäv Tolg ailorplorg Goa⸗⸗ 0 xvov äörlv), nalovs da nal npdovg rolg dvvomovdiv; n uällor, o Adyoudır ivu 'Poualov, alndss dcrı;'nal, nasdıep oi napl Kpvoınnov olovras Yılodopoı, panla daıuovia mepıvodraiv, olg oi Heol Önuios ypövras noladralg di Tois; avodiovg- nal adinovs ardpamoug' obrag ol "Adpnres dowvvodsıs rıydg elcı nal nolvınoı Öainovss, dnidronor Piov nal olnov' „go nal vuv Ödpuadıy aundyovrar, nal avov ‚wdpeöpüs stv, ws darwvolg ovdır fıyvevcaı nal uereldelv vous movnpous. Bei Gruter, Insceript. p. 22.

1. p. 1065. n. 2. Jovi praestili.

aus der anfgeftellten Erflärungsweife als, nothwendige Folge, daß nin- ih in der Mythologie gerade ale folder,, d. 5. infofern fie Proch fuccefiiver Polytheismus ift, Wahrheit if.

Es kanu nicht unerwänfcht ſeyn, wenn ich dieſes Leite Kefulet benutze, um Ihnen ein Schema mitzutheilen, das einen kurzen de blick der verſchiedenen Anfichten gewährt, wie fie fich darſtellen, mean man bie objective Wahrheit zum Hauptgefihtepunkt nimmt. Ir bemerkte ich, es ift natürlich, wenn bei dieſer Maffification vie Auflden zum Theil eine andere Stellung erhalten, als fie in der früheren Eu- wicklung hatten, bie von ber Frage autöging,. wie tie mtuthologiige Borftellungen gemeint waren, wo alfo nur von ihrer möglichen fa jectiven Wahrheit vie Rebe ſeyn konnte.

A. B. Es ift Überall keine Wahrheit in Es iſt Wahrheit in der Myikele der Mythologie; fie if: gie, aber nicht in ber Mythologie ali 1) entweder bloß poetiich gemeint, folder. Das Mythologiſche if: und die Wahrheit, bie fich in ihr 1) entweber Einkleidung, Ber findet, if eine bloß zufällige; büllung 2) oder fie beſteht aus finnlofen Vor⸗ a) einer biftorifchen Walrke: ftellungen, welche bie Unwiffen- (Euemeros), beit erzeugt, Dichtkunſt fpäter b) einer phyfilaliſchen ausgebildet und zu einem poe⸗ (Heyne); tifhen Ganzen verknüpft bat 2) over Mißverſtand, Entfel

(I. 9. Boß). Inng u a) eiuer rein wiffenfgeit lien (weſentlich imdi: gidfen) (8. Hermann), b einer religiöfen Wahre (W. Jones), (Er. Creuzer). C. - Es iſt Wahrheit in ber Mythologie als ſolcher.

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Sie bemerken von felbft ven Fortgang von A durch B zu C; die dritte Anficht ift aber wirklich zugleich die Bereinigung ber beiden andern, inwiefern die exfte ben eigentlihen Sinn fefthält, aber mit ‚Abweifung jedes boctrinellen, die andere einen boctrinellen Sinn zus gibt, oder daß Wahrheit gemeint war, aber die in ver Mythologie nur entweber. al8 eine verhüllte oder als eine entftellte vorhanden ift, während die dritte in ber eigentlich verftandenen Mythologie zugleich ihre Wahr⸗ heit ſieht. Diefe Anficht ift nun aber, wie Sie einfehen, nur erft durch die Erklärung möglich geworben; denn nur, darum, weil wir genöthigt find, in ber Mythologie eine nothwendige Entſtehung anzu⸗ nehmen, ſind wir auch genöthigt, nothwendigen Inhalt, d. h. Wahrheit, in ihr zu erkennen.

Die Wahrheit in der Muthologie iſt zunächſt und ſpeciell eine religiöſe, denn der Proceß, durch den fie entſteht, iſt der theogonifche, und unſtreitig ſubjectiv, d. h. für die von dewſelben ergriſfene Menfch⸗ heit hat fie nur dieſe, nämlich veligiöfe, Bedeutung. Aber hat ſie und hat darum der Proceß, durch ven fie entfteht, auch abfolut be= trachtet, nur biefe beſondere, keine. allgemeine Bedeutung?

Ueberlegen Sie Folgendes. Jene realen (wirklichen) Maͤchte, von denen das Bewußtſeyn im mythologiſchen Proceß bewegt, deren Suc- ceſſion eben ber. Proteß iſt, find als dieſelben beſtimmt worden, durch die das Bewußtſeyn urſprünglich und weſentlich das Gott ⸗ſetzende iſt. Dieſe das Bewußtſeyn erſchaffenden, gleichſam einſetzenden Mächte kön⸗ nen dieſe andere ſeyn, als durch welche auch die Natur geſetzt und erſchaffen iſt? Das menfchliche Bewußtſeyn iſt ja nicht weniger als vieſe ein Gewordenes, und nichts außer der Schöpfung, ſondern das Ende derſelben; zu ihm als Ziel müſſen alſo die Potenzen zuſammenwirken, welche zuvor in der Entfernung von⸗ und in der Spannung gegenein⸗ ander bie Natur wirken. Die im Innern des Bewußtſeyns, wie wir ung früher ausprüdten, wieber aufftehenden und als theogoniſch fi erweifenden Mächte können daher keine anderen als die welterzeugenden

ſelbſt ſeyn, und eben indem fie-fich wiever erheben, werben fie aus inbjectiven, dem Bewußtfeyn als ihrer Einheit: untermorfenen, wieber

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objective, tie gegen das Bewußtſeim aufs Neue die Cigenfchaft äußerer, fosmifher Mächte annehmen, die fie in ihrer Einheit, indem ſe alfo das Bewußtfeyn fegten, verloren hatten. Der mytthologiſche Prexf fan, wie gefagt, nur die MWieberherftellung ver aufgehobenen Einket feyn; aber fie kann auf keine andere Weife wiederhergeftellt werke, als auf weldye fie ursprünglich gefegt war, d. h. inbem vie Potema durch alle Etellungen und Verhältniſſe zueinander, bie fie im tm Naturproceß hatten, hindurchgehen. Nicht daß die Mythologie unter einem Einfluß ver Natur entftünde, weldem das Innere des Menfden durch dieſen Proceß vielmehr entzogen ift, fondern daß der mythel- giſche Proceß nad) demſelben Geſetz durch dieſelben Stufen hintark- geht, durch welche urſprünglich die Natur hindurchgegangen iſt.

Es iſt am ſich nicht zu denken, daß tie. Principien eines Procefiet, ter ſich als ein theogeniicher erweist, antere als tie PBrincipien alles Seyns und alles Werbens feyn können. Der muwthologiſche Procek hat alfe nicht bloß religiöfe, er hat allgemeine Bedeutung, dem & ift ver allgemeine, Proceß, ver ſich in’ ihm wiederholt; demgemäß ift aud die Wahrheit, welde vie Mythologie im Proceß bat, eine nichts an& jhließenve, univerfelle. Dan kann der Mythologie nicht, wie gemwöhnlid, tie hiftorifche Wahrheit abjprechen, denn ver Proceß, durch ten je entfteht, iſt jelbft eine wahre Gefchichte, ein wirklicher Vorgang. Eben⸗ fowenig ift von ihr phyſikaliſche Wahrheit auszufchliegen, denn die Ratur it ein ebenfo nothmwendiger Turchgangspunkt des mythologifchen als ver allgemeinen Proceſſes. Ter Inhalt der Mythologie iſt kein abftract religiöfer, wie der der gemeinen theiftifchen Lehrbegriffe. Zwiſchen dem Bewußtſeyn in feiner bloßen Wejentlichkeit und dem Bewußtſeyn un feiner Verwirklichung, zwifchen ber in ihm bloß weſentlich geſetzten und ter in ihm verwirflichten Einheit, die das Ziel des Proceſſes ift, liegt bie Welt in ver Mitte Die Momente der theogenijchen Bewegung haben alfo nicht ausſchließlich Sinn für dieſe, fie find von allgemeiner Bedeutung,

Tie Mythologie wird in ihrer Wahrheit und daher wahrhaft nur erkaunt, wenn fie im Proceß erfaunt wird. Der Proceß aber, ber ſich

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in ihr nur auf befondere Weife wieberholt, ift ver allgemeine, der abfolute Proceß, vie wahre Wiſſenſchaft ver Mythologie demnach bie, welche in ihr den abfoluten Proceß-varftellt. Diefen aber darzu⸗ ftellen ift Sache der Philofophie; die wahre Wiffenfhaft der Mythologie ift daher Philoföphie der Mythologie.

Man verbrehe den Sat nicht, wie es früher mit ähnlichen ge ihehen. Die Idee des Proceſſes fol nicht an irgend einer erdachten, ſondern .eben an der wirklichen Mythologie vargeftellt werben; aber es gift nicht bloß einen allgemeinen. Umriß, e8 kommt barauf an, bie Momente in der zufälligen Form, die fie unvermeidlich in der Wirklich feit angenommen haben, zu erkennen; woher wüßte man aber von biefen Gormen, ald auf dem Weg hiftorifher Ermittlung, welche alfo von ber Philofophie der Diythologie nicht gering geachtet, fondern vorausgeſetzt wird? Die Ermittlung der mythologiſchen Thatſachen iſt zunächſt Sache des Alterthumsferſchers. Tem Philoſophen aber muß bie Prüfung frei» ſtehen, ob die Thatfachen richtig und vollſtändig ermittelt find.

Uebrigens ift in dem Sat „bie wahre.Wijfenfchaft der Mytho- logie ift Philofophie der Mythologie” nur ausgefproden, daß die andern Betrachtungsweifen die Wahrheit in ver Mythologie nicht erfennen; dieß ſagen ſie aber ſelbſt, indem ſie ihr Wahrheit abſprechen, entweder überhaupt oder doch als folder.

Gleich zuerſt als der Begriff „Philoſophie der Mythologie“ ausge⸗ ſprochen wurde, mußten wir ihn als einen problematiſchen erkennen, d. h. der ſelbſt erſt der Begründung bedürfe. Denn jedem ſteht es zwar frei, das Wort Philoſophie mit Hülfe eines nachfolgenden Genitivs mit jedem Gegenſtand in Verbindung zu bringen: In manchem Land hätte viel- leicht eine Philofophie der Kochkunſt nichts Auffallendes, wie wir ſelbſt in Deutſchland in frühern Jahren von einem fürftlich thurn und taxi⸗ ſchen Beamten eine Philofophie des Poſtweſens erhielten, bie letzteres nah den Kantifchen Kategorien abhandelte. Ein zu feiner Zeit fehr verbienftliches Werk des bekannten Fourcroy trug den Titel: Philofophie der Chemie, ohne ſich durch irgend eine philofophifche Eigenſchaft auszu⸗ zeichnen, wenn man nicht die Eleganz der Entwidlung und den logiſchen

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Zuſammenhang ſchon für eine ſolche nehmen will. Wir Deutſchen aka, denen durch die Begriffe Philoſophie ver Natur, Philoſophie der Ge ſchichte, Philofophie der Kunft, ein Mafftab für den Siun biefer Ye fammenfegung gegeben tft, werben uns wohl hüten, fie ba anzuenten wo fie nım etwa ausbrüden könnte, daß Klarheit und Methode in der Unterfuchung jey, over daß man Über ven benarinten Gegenflanb mr überhaupt philoſophiſche Gedanken vorbringen wolle; denn Klarheit un Methode find Forderungen, die au jebe Unterfuchung gemacht werben, und über welchen Gegenftand in der Welt Könnte nicht, wer fonft ba fähig ift, philoſophiſche Gedanken haben!.

Die objective, von menſchlichem Meinen, Denken und Wollen meh hängige Eutftehumg gibt der Mythologie auch einen objectiven Inhalt, wi tem objectiven Inhalt zugleich objective Wahrheit. Aber viefe Aufikt von der e8 abhängt, ob Philojophie der Mythologie em wife Ichaftfich möglicher Ausprud oder eine bloß mißbräuchliche Berkintun von Worten ift, war nicht vorausjufegen. Mit ver Begründung ber felben befanden wir uns felbft ned) außerhalb des Gebiets ver ange fündigten Wilfenfchaft und auf dem Standpunkt einer bloßen Vorunter: fuhung, vie freilich fo möchte man hintennach denken ihr Ziel auch auf fürzerem Wege hätte erreichen können, wenn man gleich von ter Mythologie als allgemeinem Phänomen ausgehend, auf bie noth wendige Allgemeinheit ter Urfachen gefchloffen hätte; aber diefer Schluß hätte nicht zugleich auf die beftimmte Natur dieſer Urfachen geführt, die ung jetzt ebenfalls erkannt ift; außerdem ſtanden ihm vie Erklärungen entgegen, nad) welchen bie vorausgefegte Allgemeinheit nur noch ein illuſoriſche ſeyn würde, indem die Verwandtſchaft des Inhalts in den verfchiedenen Mythologien eine bloß äußerlich durch Tradition von Bell zu Bolt vermittelte wäre; und biefe Erflärungsmeife war .nicht von dem Nächſten Beten, fondern von Männern aufgeftellt, die die Meinung für fi) haben, fi mit viefem Gegenftand Berufs halber und aufs Gränt: lichſte befchäftigt zu haben, und deren Scarfjinn in andern Unter: fnchungen anerkannt if. Es galt insbefondere die Abneigung zu über: winden, welche viele gegen jeve Einmifchung ver Philofophie zum verant

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empfinden, die, wenn man ihre Anfichten und Erklärungen als unphilo⸗ fophifche bezeichnen wollte, einfach geantwortet hätten: Unfere Anfichten follen nicht philoſophiſch ſeyn, wir machen baranf feinen Anfpruch; wie die Belgier den Agenten Joſephs IL. antworteten: Nous ne voulons pas &tre libres. Diefe alſo muften von der Unhaltbarkeit ihrer ver- meinten Erflärungen auf anderm Wege überführt werben. Und ein ganz unphilofophifche® war .ja auch dieſes Gefchäft nicht zu nennen. : Denn wem, wie Platon und Ariftoteles fügen, der Philoſoph vorzugsweife das Verwunderungswerthe liebt, fo-ift er ja in feinem Beruf, wenn er biefem überall nachgeht, zumal aber wenn er es da, wo es von fal- ihen Erflärumgen entftellt und zugebedt ift, von biefen Verhüllungen wieder. zu befreien und- in feiner reinen Geſtalt bervorzuftellen fucht. Und aud formell, da eine bloße Aufzählung nicht hinreichte, war das Geſchäft ein philofophifches, indem bie Methode angewenbet wurbe, bie durch fuecefjive Negation des bloß relatio-Wahren, aber eben darum zugleich relativ⸗Falſchen, das Wahre zu erreichen ſucht. Zur Philo⸗ ſophie der Mythologie wurde uns die Erklärung erſt da, wo keine andere Vorausſetzung möglich blieb, als die eines nothwendigen und ewigen Ber- hältniffes der menſchlichen Natur, das ſich im Fortgang für dieſe in ein Geſetz verwandelt. Und fo haben wir unfern Begriff nicht von oben herab gleichfam dictatoriſch aufgeftellt, fondern, was allein allge mein überzeugend ift, von unten betauf begründet. Die andern Anfichten Haben babei felbft als Hinleitung zu der wahren dienen müſſen, da doch feine unter ihnen ſeyn Tann, die nicht eine Seite des Gegen- ftandes aufgefaßt Hätte, irgend ein Moment, das in ber vollendeten Theorie mitbegriffen und miterwogen feyn muß.

War ber Standpunkt dieſes erften Theild unferer Unterfuhung vor- zugöweife der hiſtoriſch-kritiſche oder dialektiſche, fo wird doch niemand bie hierauf gewenbete Zeit für übel angewenbet erachten, ber weiß, weldhen Werth es für alle Wiffenfchaft bat, wenn auch nur eine einzige Sache, einmal ganz von Grund aus und mit Erfchöpfung aller Möglichkeiten unterſucht worben ift.

Der Begriff „Phitofophie ver Mythologie” fubfumirt ſich unter den

allgemeinen einer Theorie der Mythologie. . Eine und dieſelbe Gake kann Gegenſtand einer bloß äußeren Erkenntniß ˖ſeyn, wo es fi bleß um das Dafeyn derſelben handelt, nicht aber um: das Werfen; erhch fie fi zu tiefem, fo wird fie Theorie. Daraus ift leicht zu fehen, ef eine Theorie nur von dem möglich ift, worin ein wahres Weſen fi; der Begriff des Wefens aber ift: Princip, Quelle des Seyns over der Bewegung zu ſeyn. Ein mechanifches Triebwerk ift Fein aus ſich felbt wirkendes, und doch wird das Wort Theorie auch auf eine bloß meke- nifhe Erzeugung von Bewegung ‚angewendet, während niemand te tm Theorie redet, wo nicht einmal der Schein einer inneren Quelle en Bewegung, eine8 innerlich treibenden Weſens iſt.

Ein ſolches Wefen und inneres Princip fehlt ver Mythologie u ten früheren Erflärungen, die darum nur fehr mißbräuchlich Theorien genannt werben fonnten. Eine Philofophie der Mythologie bringt aber von felbft mit fi, daß tie Erflärung eine Theorie im wahren Eins des Wortes fen. Tie Theorie jedes natürlichen oder gejchichtlichen Gegen: ſtandes ift felbft nichts anders als eine philoſophiſche Betrachtung vejjelben, wobei e8 bloß tarauf ankommt, ven lebendigen Keim, der zu Entwidlung treibt, oder Überhaupt die wahre und eigentliche Natur in ihm zu entdecken.

Nichts ſcheint auf den erſten Blick disparater als Wahrheit und Mythologie, wie dieß auch in dem lange bräuchlich geweſenen Bert Fabellehre! ausgedrückt iſt, nichts eben darum entgegengeſetzter al? Philoſophie und Mythologie. Aber gerade in dem Gegenſatz ſelbſt liegt die beſtimmte Aufforderung und die Aufgabe, eben in dieſer ſcheinbaren Unvernunft Vernunft, in dem ſinnlos Scheinenden Sinn zu entdeden, und zwar nicht, wie dieß bisher allein verſucht worden iſt, wermöge einer willfürlichen Unterfheitung, fo nämlich, daß irgend etwas, ine man fih als vernänftig oder finnvoll zu behaupten getraute, als tus Weſentliche, alles übrige aber bloß als zufällig erflärt, zur Einkleidung

' Das griechifche Wort Mythos fchließt befanntlich ten Nebenbegriff, mit ben uns bas Wort Fabel verbunden ift, nicht nothwendig in fich.

oder Entftellung gerechnet wurde. Die Abfiht muß vielmehr ſeyn, daß andy die Form als eine nothwendige und infofern vernünftige erfcheine.

Wer in der Mythologie fo fehr nur das unfern gewöhnlichen Be- griffen Wiverftrebenve ficht, daß fie ihn gleichfam als unwürdig jeber Betrachtung, insbefondere aber der philofophifchen erſcheint, ver überlege doch, daß die Natım freilich dem. Geranfenlofen, durch tie Gewohnheit des täglichen Anblicks Abgeftumpften kaum noch Verwunderung erregt, daß wir uns aber gar wohl eine geiftige und ſittliche Stimmung denken fönnen, für welche die Natur ganz ebenſo, und um nichts weniger un⸗ glaublich, munverlih und feltfam als die Mythologie erfcheinen müßte. Wer in einer hoben geiftigen oder moralifhen Ekſtaſe zu leben gewohnt wäre, Könnte leicht, wenn er feinen Blid auf die Natur zurückwendete, fragen: Wozu tiefer in Gebirgen und Felfen nutzlos für phantaftifche Formen verfchwendete Stoff? Konnte ein Gott oder irgend ein morali- ſches Weſen im einer folden Probuctton ſich gefallen? Wozu diefe Ge⸗ ſtalten der Thiere, die uns zum Theil fabelhaft, zum Theil monftros anlaffen, an beren Daſeyn, von dem ſich großentheils fein Biwed ein- fehen läßt, wir nicht glauben würben, wenn wir fie nicht vor Augen ſãhen ? Wozu das viele Anftößige in ben Handlungen der Thiere? Wozu überhaupt diefe ganze Körperwelt? Warum ift nicht, was uns volllommen begreiflich fchiene, eine bloße, reine Geiftermelt? Dennoch Können wir nicht unterlafjen, in der uns unverftänblich gewordenen Natur ven urfprünglichen Verſtand, ven Sinn ihres erften Entftehens zu ſuchen. Gewiß können viele, bie, in ber Mythologie nur eine finnlofe, an fich abgeſchmackte Fabellehre ſehen, nicht fehlechter won ihr denken, als manche ver Naturphilofophie abgünftige Philofophen die Prädicate für die Natur wußten, als: die finnlofe, die unvernänftige, die ungöttliche u. vergl. Die viel mehrere müflen natürlich von der Mythologie fo urtheilen. Es wärbe baher nicht zu verwundern ſeyn, ‚wenn es der Bhilofophie der Mythologie im Anfang nicht viel anders erginge, als ver Naturphilofophie, die nachgerade als nothwendiges Clement der allgemeinen Philofophie allgemein anerkannt ift. |

Es gibt Gegenftände, welche vie Philofophie außer allem Verhältniß

zu ſich betrachten muß. Dahin gehört alles, was feine melextlck Wirflichleit in fih bat, was nur in ber iwillfürlicken Meimmg ve Menfchen etwas ift. Der mythologifche Proceß aber ift etwas, das fd in der Menfchheit unabhängig von ihrem Wollen und Meinen ereiget bat. Gleiche Bewandtniß bat es mit allem bloß Gemadten. Ak bie Mythologie ift ein natürliches, ein nothwenbiges Gewächs; wir habe zugegeben, daß fie poetifch behandelt und fogar erweitert werben kmnk, aber fie verhält fich hiebei wie die Sprache, die mit ber größten Are beit gebraucht, erweitert, innerhalb gewiſſer Schranken ſtets mit nam Erfindungen bereichert werben kann, aber die Grundlage ift etwas, a das menfchlige Erfindung und Willlär fi) nicht erſtreckt hat, was mit von Menfchen gemadt if.

Momit vie Philofophie nichts zu thun bat, ift ferner alles Gorrapk, Entftellte; für fie hat nım das Urfprüngliche Bereutung. Mögen, m in allem, was durch menſchlichen Gebrauch gegangen, einzelne aus ihren Fugen gekommene Theile auch in verſchiedenen Götterlehren ſich finden, die Mythologie ſelbſt ift nicht Durch Verderb entſtanden, ſondern das urfpräng liche Erzeugniß des fich felbft wiederherzuſtellen ftrebenden Beruftiennt.

Ein Drittes, worin ſich tie Philofophie nicht finden und erkemen kann, ift das Grenzenloſe, Ungeendete. Aber vie Mythologie ift eine wahre Totalität, ein Abgefchloffene®, in gewiſſen Echranfen Gehaltenet,

für fi) eine Welt; der mythologiſche Proceß eine Erſcheinung ven ſe

vollftäntigem Verlauf, wie etwa im Phyſiſchen vie regelmäßig und natür- (id) verlaufende, d. h. durch ein nothwendiges Beſtreben ſich aufhebente und zur Geſundheit wiederherftellende Krankheit; eine Bewegung, bie aus einem beftimmten Anfang durch beftimmte "Mittelpunfte in ein be ftimmtes Ente gehend fich ſelbſt abfchliekt und vollenket.

Enblich mirerftrebt ver Philofophie das Todte, Stillſtehende. Aber bie Mythologie ift ein weſentlich Bewegliches, und zwar nad) einem ir wohnenden Geſetz fich felbft Bewegendes, und es ift das höchſte menſd⸗ fihe Bewußtſeyn, das in ihr lebt, und durch ven Widerſpruch felkl, in den e8 ſich verwidelt, indem es ihn überwindet, fi als reell, alt wahr, ale nothwendig erweist.

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Sie ſehen, der Ausprud Philofophie der Mythologie ift ganz eigentlich und ebenfo verftanten wie bie ähnlichen: PBhilofopbie ber Space, Philofophie der Ratur. "

Der Ausdruck hat etwas Unbequemes, inwieferne manche unter Mithologie felbft ſchon die Wiffenfhaft der Mythen verftehen. Er hätte fih vermeiden laſſen, wenn ich hätte fagen wollen: Philoſophie ber Mythenwelt ober Aehnliches. Uebrigens if} e8 feinem Unterrichteten unbelannt, daß das Wort Mythologie ebenfowohl im objectiven Sinn für dad Ganze der mmthologifchen Borftellungen felbft gebraucht wird

Selang e8 noch ein möglicher Gedanke war, die Mythologie als ein aus feinem Zufammenbang gekommenes Ganzes zu betrachten, dem eine vorzeitliche. Philgfophie zu Grunde gelegen habe, Tonnte man ımter der Philoſephie der Mythologie nie in ihr untergegangene verftehen, vie man ſich vorgefett hätte ans Licht zu bringen oder aus ihren Bruch⸗ Riden wieverherzuftellen. Diefer Mißverftand ift jegt nicht mehr möglich

Var es nur darum zu thun, für die Philofophie einen gewifjen Einfluß auf vie. Behandlung der Muthologie in Anſpruch zu nehmen, le hätte e8. der ausführlichen Begründung nicht bedurft. Der Einfluß iR längft zugeſtanden; iſt es nicht eine wiflenfchaftliche und tiefe, fo ift 8 doch eine zufällige und oberflächliche Philofophie, die fich bei Gelegen- keit der Mythologie wenigftens über bie ihr vorauszufegenden Zuftände des Menfchengefchlechts vernehmen läßt. Ein Verhältniß zum Innern der Mythologie hat die Philofophie erft mit ihrer eigenen innerlid- lhihtlichen. Seftaltung erhalten, feit fie felbft durch Momente fortzu- ſchreiten anfing, ſich als Geſchichte wenigftens des Selbſtbewußtſeyns erflärt ‘, eine Methode, die nachher erweitert wurde und bis jegt fort- gewirlt hat; reeller-mwurbe der Bezug, wie die Natur als nothwendiges Moment der Entwidlung in bie Bhilofophie aufgenommen wurde.

Die nächſte Verwandtſchaft bat die Mythologie umftreitig mit der Ratır, mit ber fie außer ihrer Allgemeinheit auch diefes gemein hat, Eine in ſich abgefchlofiene Welt, und bezüglich auf und eine Vergangenheit

Eyſtem des tranfcenbentalen Idealiemus. Tübingen 1800. -

zu feyn. Demnächſt ift eine gewifle Ipentität des Inhalte nicht zu fennen. Es konnte für eine annehmliche Borftellung gelten, vie Die Iogie als eine durch erhöhende Refraction ins Geiftige gehobene Far anzufehen. Nur fehlte das Mittel, die Hebung begreiflicd zu make; unftreitig wären frühere Erflärungen in dieſem Sinn beveutender ab gefallen, hätte es nicht zu fehr an wirklich naturphiloſophiſchen Sem gefehlt. Unvermeidlich aber mußte durch eine Philofophie, in’ wein auf eine micht erwartete Weife das Natürliche zugleich die Beat eines Göttlichen annahm, auch die myitthologiſche Forſchung einen aden Sinn annehmen.

Unter ten neuern Behandlungen der Mythologie möchten ſich die jenigen wohl unterfcheiven laſſen, welche ihren erften Impuls bereit von ver Philofophie erhalten- haben, vie mah, weil fie zuerſt das Cl ter Natur wieder aufgenommen hatte, aud) im Allgemeinen ober Eier haupt (wiewohl mißbräuchlich) Naturphilefophie nannte. Tiefer Zul

menhang gereichte indeß den erften Verſuchen auf doppelte Weile w | Nachtheil; einmal, indem fie, von einer felbft noch im Werben begrifnn

Philofophie ausgehend, mehr von ver allgemeinen durch tiefe angeregin Gährung als von wiffenfchaftlihen Begriffen geleitet, ſelbſt zum Del ind Ungemefjene und zu wilden, unmethodiſchen Combinationen fer . riffen wurten, forann, indem fie an dem fanatifchen Haß, ven je Philoſophie bei einem Theil ver früheren vermeinten Inhaber von Kir [haft und Philofophie erregte, ihren Theil zu nehmen hatten.

Gern hätte ich früher einea Mannes erwähnt, ter immer min tie Merfwürbigfeiten einer gewiſſen Uebergangsperiode umferer Kiteratst zu vechnen ſeyn wird, des befannten Johann Arnold Kanne, M ic) als eine beteutend wigige und zugleich für tie höchften Iren be fähigte Natur gefannt habe, dem aber zugleich durch eine feltfame Lan des Geſchicks das Loos auferlegt war, unter der Paft einer ausgedehe ten, aber großentheils fpitfindigen und in ver Fülle großer Thatlahen doch nur Geringfügiges auslefenden philologifchen Gelehrſamkeit zu er⸗ fiegen. Am wenigften freilich begriff man, wie er dem Chriſtenthan mit folder Gelehrſamkeit dienen zu Tönnen meinte, dem, wenn e

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nicht mit einfachen großen Zügen als über alles fiegteiche Wahrheit dar⸗ zuftellen ift, in unferer Zeit folhe Mittel gewiß nicht aufbelfen. Im einer fpäteren Anwandelung ſelbſt, wie es fchien, von dem Gefühl ver Eitelkeit ſolcher Bemühungen betroffen, fuchte er unmuthig dieſen ganzen Plunder von Gelehrſamkeit von fi zu werfen; aber umfonft, denn noch in feinen legten Schriften kehrte er zu denſelben weitgejuchten, und wenn ‚fie in demfelben Berhältniffe wahr wären als fte großentheild nur Bizarr find, doch am Ente nichts beweifenden Analogien und gelehrten Zu⸗ fanımenftellungen zurüd. Unter feinen Schriften, tie man aus dem gegebenen Geſichtspunkt nicht ohne eine Art von Wehmuth betrachten fann, und beinahe verſucht ift, mit dem Schatz eines. Bettlers zu ver- gleichen, der bei. großem Gewicht am Ende meift aus Kupferhellern und Pfennigen befteht, möchte: das Pantheon der älteften Natur phifofophie' fein beventenbftes auf Mythologie ſich beziehendes Wert ſeyn; ein noch rein philologiſches, aber durch manche gelehrte Bemerkun⸗ gen werthvolles iſt die früher angefangene, aber nicht vollendete My⸗ thologie der Griechen.

Es wäre zu wünſchen, daß irgend einer von denen, bie ihm näher ſtanden, -verfuchte, feine Grundanſicht der Mythologie auf eine verftänd« liche Weife herauszubringen. - Mir war dieß bei der bekannten Befchaffen- heit feiner Schrifte unmöglich; darum konnte bei feiner ber früher vor» gelommenen Anfichten, auch nicht bei der, welche ich die muftifche nannte, fein Name erwähnt werben. Nur das glaube ich nad) dem ganzen Zufammmenhange feiner früheren Denkweife, in- welcher feine myithologi⸗ ſchen Werke noch geſchrieben ſind, annehmen zu dürfen, daß er der Mythologie einen tieferen Monotheismus oder vielmehr Pantheismus, als einen bloß geſchichtlichen, zu Grunde legte. Dieß ſoll ihm nun jedenfalls unvergeſſen ſeyn, wenn auch nienland nach feiner Darſtellung Nuten daraus ziehen oder ſich wirklich geförvert fühlen konnte.

Ein befonderes Glüd aber widerfuhr der Mythologie, indem nad)

' Stuttgart und Zübingen 1807. 2 Erſter Theil. Leipzig 1803. CS Helling, ſammti. Werke. 2 Abth. 1. 15

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vorübergehenben und ohne Wirkung gebliebenen Erfcheinungen ein Gek wie Ir. Erenzer feine Bemühungen auf: fie richtete, ber durch em klaſſiſch ſchöne Darftellung, durch eine reelle und großartige Orlde: famleit, tie von einer tiefen, centralen Anſchauung getragen wear, die Ueberzeugung von ver Nothwendigkeit einer höheren Anſicht und Beh lung ter Mythologie in den weiteften Kreiſen verbreitete umb bejeſtize

Es konnte nicht fehlen, taß tie platte, hausbaclene Anficht, tie u gewiſſen Gelehrtenkreifen fih noch immer erhalten hatte, dagegen a ſtand; turfte fie mit allem Lärm und Getöfe, wie es insbeſondere Veß zu erregen verftant, nicht hoffen noch in unferer Zeit Anhänge z werben, fo konnte fie wenigften® barauf rechnen, mittelft gewiſſer fer gebrachter Verleumdungen bei tem weniger unterrichteten und venlete Theil des Publikums vorläufig alle Verfuche, vie Mythologie ai" höheren Geſichtspunkten zu betrachten oder mit allgemeinen Unterinbur gen in Verbindung zu feßen, zu vertädtigen".

Bielmehr hatte aber ſolches Treiben tie Folge, daß nun aud tida Theil wiſſenſchaftlicher Forſchung, ter fi) bis dahin in ziemlicher Ab gejchiebenheit, und großentheil® zunftmäßiger Abgefchloffenheit gehalten hatte, in tie allgemeine Bewegung, in den großen wiſſenſchaftlicher Kampf ter Zeit mit aufgenommen wurde; man fühlte, daß es jih ki biefer Frage noch um mehr als bloß um vie Mythologie handle.

Ter Etreit über Urfprung, Berentung und Behandlung ter Tv thologie zeigte eine zu offenbare Analogie mit dem, welcher gleihzem in andern Gebieten über Fragen vom höchften und allgemeinften Belm geführt wurde, als daß nicht die Theilnahme, welche der letzte erreit, von felbft auch auf ten erften ſich verbreiten mußte. Darf jere Winer (haft fid) Glück wünſchen, wenn fie anfängt, in den Kreis ver höhere Literatur aufgenommen zu werben, fo kann ſich vorzüglich nad Cremer Bemühung tie Diythologie tes Vortheils freuen, unter tie. Glegenitärt‘ zu gehören, gegen teren Erforfchung es gleichfam feinem erlauft ir

' Eine Heine Schrift von W. Menzel it hiſtoriſch infofern beinerlenenent

als Voß in ibr feinen Meifter gefunden bat, unb durch fie zum völligen Ebel gebracht wurde.

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gleihgültig zu bleiben, der tie großen und über bie Menfchheit entſchei⸗ denden Fragen ins Ange zu faſſen fähig und gewohnt ift. -

Hat fi nun aber gerade burd) bie bisherigen Erfahrungen auf das Boftimmtefte heransgeftellt, daß ein befriebigenber, allgemein überzeugen» der Abſchluß diefer Unterfuhung mit Bloß empirifchen oder zufälligen Annahmen nicht zu erreichen fteht, und daß ein von individueller Dent- | weife unabhängiges Refültat nur zu erwarten ift, wenn es gelingt, die Mythologie auf Vorausfegungen von allgemeiner Natur zurückzuführen und aus ſolchen als nothwendige Folge herzuleiten: ſo erſcheint damit die Idee einer Philofophie der Mythologie zugleich als eine auch äußer⸗ lich, durch die Zeit und vurch Frühere Beitrebungen begrünbete und ar forberte. -

In feiner Richtung aber ift ein Fortichritt möglich, ohne mehr ober weniger von einer, andern empfunden zu werben. Eine Philofophie ber Mythologie Tann nicht entftehen, ohne auf andere Wiſſenſchaften erwei⸗ ternd einzuwirken. Als ſolche ſtellen ſich zunächſt dar Philoſophie der Geſchichte und Philoſophie der Religion. Ueber die Wirkung, welche auch ſchon das vorläufig. gewonnene Refultat. auf dieſe Wiſſenſchaften ausũubt, muß alſo in der nächſten Vorleſung vie Rebe ſeyn. |

nam

Behnte Porlefung.

Wenn eine neue Wiſſenſchaft in ten Kreis ver bekannten u gr tenden eintritt, fo wird fie in biefen felbft Punkte vorfinben, an ie ſe ſich anfchließt, an denen fie gleihfam erwartet iſt. Die Ortung, I welcher aus tem Ganzen möglicher Wiflenfchaften einzelne vor an bervortreten und bearbeitet werten, wird nicht durchgängig bie irn innern Abhängigfeit voneinanter ſeyn, und es kaum eine dem wamitd baren Berürfnig näher liegende Wiflenfchaft geraume Zeit hindurch m Fleiß. bearbeitet, in manchen Richtungen felbft fehr ausgebildet feun, ch fie bei allmählich ſtrengeren Forderungen die Enttedung macht, daß it Fränuiffen in einer andern bis jegt noch nicht vorhandenen Bifferjdet liegen, daß eigentlich eine antere ihr hätte vorausgehen müflen, 9 die bis jegt nicht geracht worden. Wieterum Tann Feine neue Bil ichaft entftchen, chne das Gebiet des menſchlichen MWiffens Aberhanft zu erweitern, in ben ſchon vorhantenen Mängel und Lücken antzufüle Hienach gebührt es fih, daß jever Wiſſenſchaft, nachdem fie ald am mögliche begründet ift, zugleidy ihre Etellung und ihr Wirkungstreit ie Ganzen ver Wiſſenſchaften, alfo ihr Verhältniß zu dieſen überhaupt be ſtimmt werte. So wirt es ſich denn auch geziemen, wenn wir für De Philoſophie der Mythologie die Ceite aufzeigen, von welcher fie wi andern ſchon längere Zeit gefuchten over in Bearbeitung begriffent! Wiffenfchaften zufammenhängt, und felbft fähig ift erweiternd anf rieſ einzuwirken.

Zunächſt nun iſt durch die Begründung, welche die Philoſophie der Mythologie erhalten, für das menſchliche Wiſſen wenigſtens eine get

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Thatfache gewonnen, die Eriftenz eines theogonifchen Proceſſes im Be- wußtfeyn der urſprünglichen Menſchheit. Diefe Thatfache ſchließt eine neue Welt auf, und kann nicht verfehlen, das menfchlihe Denken und Wiſſen in mehr als einem Sinn zu erweitern. Denn zunädft ſchon muß iever fühlen, daß insbefondere Fein ficherer Anfang der Geſchichte ift, folang bie Dunkelheit, welche bie erften Ereigniffe bedeckt, nicht zerſtreut, nicht die Punkte gefunden find, an welche das große rüthfelhafte Gewebe, das wir Gefchichte nennen, zuerft angelegt worden. Das erfte Verhältniß bat die Philofophie der Mythologie alfo zur Geſchichte; und ſchon das ift für nichts Geringes zu achten, daß wir durch fie in den Stand‘ gefegt worben, einer bis jegt für die Wiffenfchaft völlig leeren Raumr, die Vorzeit, in ber nichts zur erfennen war, und der mau höchſtens durch leere Erfindungen, Einfälle oder willfürlihe Annahmen einen Juhalt zu geben wußte, mit einer Folge reeller Ereigniffe, mit einer Iebensvollen Bewegung, einer wahren Geſchichte zu erfüllen, bie in ihrer Art nicht weniger als die insgemein fo genannte reich an abwechſelnden Vorfällen, an Scenen des Kriegs und des Friedens, an Kämpfen und Umſtürzen if. Die Thatſache kann insbeſondere nicht ohne Einwirkung bleiben 1) auf ˖ vie Philoſophie der Geſchichte, 2) auf alle biejenigen Theile der Geſchichtsforſchung, die irgendwie in dem Fall ſind fi mit den erften Anfängen der menfchlichen Dinge zu bejchäftigen. Die erfte Anregung zu einer Philoſophie ver Geſchichte und der Name felbft kam wie vieles andere von den Franzofen, der Begriff aber wurde ſchon durch Herders berühmtes Werk über die erfte Bedeu⸗ tung binausgeführt; die Naturphilofophie ftellte gleich anfangs ſich die Philofophie der Gefchichte als anderen Haupttheil ver Philofophie, wie fie damals fi) ausbrüdte, der angewandten Philofophie gegenüber \ Auch an formellen Erörterungen über ven Begriff hat «8 in ber. nächſt⸗ folgenden Zeit nicht gefehlt: Die Idee einer Philofophie der Geſchichte bat fortwährend große Gunft genofjen: felbft an Ausführungen Hat es

Bergl. bie Aeußerungen in ber erften Borrebe zu ben Ibeen über Philofophie der Natur.

nicht gefehlt; dennoch finde ich nicht, bag man auch nur mit tem % griff ind Reine gekommen.

Ich mache zunächſt darauf aufinerffem, daß ſchon jene Ziſamme⸗ ſetzung Philoſophie der Geſchichte die Geſchichte als ein Garxi erklärt. Ein Unbeſchloſſenes, nach allen Seiten Grenzenlofes hate di jolches fein Verhältniß zur Philofophie, wurde erft in ver leiten Bes (fung ausgeſprochen. Nun könnte man.vor allem fragen, nach welcher ter bisherigen Anfichten die Gefchichte ein Abgeſchleſſenes und Gerubeiel jey. Gehört bie Zukunft nicht auch zur Geſchichte als Ganzes betradtet? Findet ſich aber irgentwo in tem, was fi bis jest für Philoſophie er Gefchichte gegeben bat, ein Gedanke, durch ben ein wirklicher Schlij ter Geſchichte gegeben wäre, ich will nicht fagen ein befriedigendet Schluß? Tenn 3. B. die Verwirklichung einer volllommenen Rechterer fafjung, tie vollkommene Entwicklung des Begriffs der Freiheit mi alles ten Aehnliche ift in feiner Dürftigfeit zugleich zu bobenlos, al daß ber Geiſt darin einen Ruhepunkt finden könnte. Ich frage, ch m überhaupt an einen Schluß gedacht worten, und nicht alles vielmehk tarauf hinausläuft, daß vie Gefchichte überhaupt Feine wahre Zunft hat, fontern alles ins Unendliche fo fortgeht, ta ein Fortſchritt che Grenzen aber eben darum zugleich, finnlofer Fortſchritt —, ein Fer gehen ohne Aufhören und ohne Abſatz, bei dem etwas wahrhaft Neue und Anderes anfinge, zu den Glaubensartikeln der gegenwärtigen Bat ‚heit gehört. Ta es jevod von felbft ſich verfteht, daß mas feinen Ar fang nicht gefunden, auch fein Ente nicht finden kann, fo wollen wi . uns bloß auf tie Vergangenheit bejchränfen und fragen, ob uns res tiefer Eeite bie Gejchichte ein Ganzes und Abgefchloffenes ift, und mit vielmehr, nach allen bis jetzt ſtillſchweigend over austrüdlich erlläre Anfichten, die Vergangenheit ebeufo wie die Zukunft eine gleichmäßig I Unenbliche fortgehente, durch nichta in ſich ſelbſt unterſchiedene und be⸗ grenzte Zeit ſey.

Man unterſcheidet zwar in ver Vergangenheit allgemein: geſchicht liche und vorgeſchichtliche Zeit, und fcheint auf tiefe Art am Unterſchied zu fegen. Aber vie Frage ift, ob biefer Unterſchied ein mer

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!

loß zufälliger, ob beide Zeiten weſentlich verfchievene, und

im Grunde doch nur eine und dieſelbe Zeit find, wobei alfo bie

fchichtliche der geſchichtlichen nicht zur wirklichen Begrenzung ge⸗ m lann, denn bieß Könnte fie nur, wenn fie eine innerlid andere verfchievene von diefer wäre. Aber ift nach den gewöhnlichen Be— m in der vorgejchichtlichen Zeit wirklich etwas anderes als in zeſchichtlichen? Keineswegs; der ganze Unterfchieb ift bloß ber äußere zufällige, daß wir von ber gefchichtlichen etwas willen, von ber vor ichtlichen nichts wiſſen; letztere ift nicht eigentlich die vorgeſchicht⸗ ꝛ, fonvern bloß die vorbiftorifche. Kann es aber etwas Zufälli- I geben, als ven Diangel oder das Vorhandenſeyn fehriftlicher und ser Denkmäler, welche uns von den Begebenheiten einer Zeit auf shafte und fichere Weile unterrichten? Gibt es doch jelbft innerhalb iftorifch genannten. Zeit ganze Streden, für die es uns an gehörig ubigten Nachrichten fehlt. Und felbft darüber, welchen ber vorhan- ı Denkmäler hiſtoriſcher Werth zulomme, ift man ‚nicht einerlei sung. - Cinige weigern ſich, die moſaiſchen Bücher als hiftorifche nden gelten zu lafjei, während ſie ven älteften Geſchichtſchreibern riechen, 3. B. dem Herodotos, hiſtoriſches Anſehn zuerkennen, re auch dieſe nicht für vollgültig erachten, ſondern mit-D. Hume i: das erſte Blatt des Thukydides ſey das erſte Blatt der wahren wie.. Eine weſentlich, eine innerlich differente Zeit wäre die vor- ichtliche, wenn fie einen andern Inhalt hätte als vie gefchichtliche. e welchen Unterſchied könnte man zwifchen beiden in biefer Hinficht lellen? Nach ven bis jegt gemöhnlichen Begriffen wüßte ich keinen, eiwa den, daß die Begebenheiten ber vorgefchichtlichen Zeit unbedeu⸗ ſeyen, die der gefehichtlichen- aber bebeutend, Dieß würde ohngefähr ı daraus hervorgehen, daß nach einer beliebten Vergleichung, zu deren dung freilich nicht viel gehörte, bie erfte Zeit des Menfchengefchlechts bie Kindheit derſelben angefehen wird. Allerdings auch bie Heinen egniſſe ber Kindheit eines hiſtoriſchen Individuums werden der Ber- mbeit übergeben. Die gefchichtliche finge demnach mit ben bebeu- ben Begebenheiten an. Über mas heißt bier bebeutend, mar

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unbedeutenn? Muß es uns doch vorfommen, daß jenes mubelaunte Lam, jenes der Hiftorie unzugängfiche Gebiet, in dem fich die legten Oxdie aller Gefchichte verlieren, und gerade bie beventenbften, weil für de ganze Folge entſcheidenden und beftimmenden Vorgänge verbirgt,

Weil zwifchen der gefchichtlichen und vorgeſchichtlichen Zet ka wahrer, nämlich innerer Unterfchieb ift, fo ift e8 auch wumöglich, ex fefte Grenze zwifchen beiven zu ziehen. Niemand weiß zu fogen, m die biftorifche Zeit anfängt und bie andere aufhört, und bie Veacbein der Allgemeinen Gefchichte find in fichtlicher Verlegenheit fiber ven Pat bei dem fie anfangen follen. Natürlich; denn die gefchichtliche Zeit It für fie eigentlich Teinen Anfang, fondern geht im Grunde mb de Sache nach ins völlig Unbeftimmte zurüd, es iſt überall nur einerlä nirgends begrenzte noch irgendwo zu Begrenzende Zeit.

Gewiß in einem ſolchen Unbefchloffenen, Unbeenveten kann -fih ir Bernunft nicht erkennen; demnach find wir bis jegt von mh ar fernter, als von einer wahren Philofophie ver Gefchichte. Es fehlt m Beften, nämlich am Anfang. Mit ten leeren und wohlfeilen fern von Orientalismus und Dcciventalismus und ähnlichen, z. B. u M erften Periode ter Gefchichte habe das Unendliche, in ver zmeiten D4 Endliche, in ter dritten tie Einheit beider- geherrfcht, oder überhaupt m ver bloßen Anwendung eines anderswoher genommenen Schemas anf? Geſchichte ein Verfahren, in das gerade derjenige philoſophiſche Sartt fteller, ver es am lauteften getabelt hatte, ſowie er felbft ans Kelt kam und dem eigenen Erfintungsvermögen überlaffen bfieb, auf I gröblichfte Weiſe verfiel mit allem dergleichen ift nichts gethan.

Durch die vorhergegangenen, auf einen ganz anderen Gegenfast gerichteten Unterfuchungen hat indeß auch die Zeit ver Bergangenkt für uns eine andere Geftalt, oder vielmehr überhaupt erft eine Get gewonnen. Es ift nicht mehr eine grenzenlofe Zeit, in bie ſich die Ber gangenheit verliert, es fin wirflid und innerlich voneinande verfhiedene Zeiten, in bie fi für uns bie Gefchichte abſcht me gliedert. Wie? dieß mögen folgende Betrachtungen näher zeigen.

Indem bie gefchichtlihe Zeit beftimmt werben als die Zeit der

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®

vollbrachten Trennung der Völker (mie fie für jenes einzelne Bolt mit dem Augenbfid anfängt, wo es als dieſes fich erklärt und entſchieden hat), fo iſt auch Bloß änferlich betrachtet der Inhalt der vorgeſchichtlichen ein anderer als ver der gefchichtlichen Zeit. Jene ift vie Zeit der Völler⸗Schei⸗ dung ober Kriſis, des Uebergangs zur Trenming. Aber biefe Krifis ift ſelbſt wieder nur bie äußere. Erfcheinung oder Folge eines innern Borgange. Der wahre Inhalt der vorgefchichtlihen Zeit ift die Entftehimg ver - formell und materiell verfchienenen Götterlehren, aljo ver Mythologie überhaupt, welhe in der gejchichtlichen Zeit fchon ein Fertiges und Vorhandenes, aljo geihichtlih ein Vergangenes ft. Ihr Werben, vd. $. ihr eigenes geſchichtliches Daſeyn erfüllte die vorgeſchichtliche Zeit. Ein umgekehrter Euemerismns iſt die richtige Anſicht. Nicht wie Euemeros lehrte, enthält die Mythologie die Begebenheiten ber älteſten Geſchichte, ſondern umgekehrt die Mythologie im Entſtehen, alſo eigent- lich der Proceß, durch den ſie entſteht dieſer iſt der wahre und einzige Inhalt jener älteſten Geſchichte; imd wenn man die Frage auf- wirft, jmovon jene, gegen das Geräufch ver fpäteren Zeit fo ſtumm, fo arm und leer au Ereigniſſen fcheinende Zeit erfüllt war, fo ift zu antworten: biefe Zeit war erfüllt von jenen innern - Vorgängen und Bewegungen ‚des Bemußtfeyns, welche bie Entftehung ber mytho⸗ logifhen Syſteme, der Götterlehren ver Völker begleiteten ober zur Folge hatten, und beren legtes Refultat die Trennung. der Menfchheit in Bölfer war. Bu

Demgemäß find vie gefchichtliche und bie vorgefchichtliche Zeit nicht mehr bloß relative Unterſchiede einer und berfelben Zeit, fie find zwei weſentlich verſchiedene und voneinander abgefeste, fich gegenfeitig ausſchließende, aber eben darum auch be- grenzenbe Zeiten. Denn es’ ift zwiſchen beiden ber wefentliche Unter- ſchied, daß in der vorgefhichtlichen das Bewußtſeyn ver Menſchheit einer innern Nothwendigkeit, einem Proceß unterworfen ift, der fie der äußeren wirflichen Welt gleichfam entrüdt, während jedes Bolt, das burd innere Entſcheidung zum Boll geworben, durch biefelbe. Krifis auch aus dem Proceß als ſolchem gefegt und frei won ihm num jener Folge von

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Thaten und Hanbfungen fi) überläßt, teren mehr äuferer, weltliche und profaner Charakter fie zu hiſtoriſchen macht.

Die gefehichtliche Zeit ſetzt fich alfo nicht im bie worgefchichtlik fort, fondern ift durch tiefe als eine völlig andere vielmehr aly ichnitten und begrenzt. Wir nennen fie eine völlig andere, nik daß fie im meiteften Sinn nicht auch eine gefihichtliche wäre, tem au in ihr gefchieht Großes, und fie ift voll von Greigniflen, ım einer ganz andern Art, und die unter-einem ganz anbern Or jeg ftehen. In dieſem Sinn haben wir fie bie relativ vorgefhichtikk genannt.

Tiefe Zeit aber, von welcher die gefchichtliche abgefchlofien un be grenzt ift, ift ſelbſt auch wieder eine beftimmte, und alfo auch ifrerkei durch eine anbere begrenzt. Diele andere ober vielmehr dritte Zi fann nicht wieder eine irgendwie gefchichtliche, alfo nur vie abjolst vorgeſchichtliche feyn, tie Zeit der vollkommenen geſchichtlichen Is beweglichkeit. Sie ift die Zeit der noch unzertrennten und eima Menſchheit, vie, weil fle gegen die felgenve jid nur als Moment, di reiner Ausgangspunkt verhält, inwiefern nämlich in ihr felbft fm wahre Succeflion von Begebenheiten, keine Folge von "Zeiten, wie h ven beiten andern ift, felbft nicht wieter einer Begrenzung bedarf. E iſt in ihr, fagte ich, Feine wahre Euccefiton von Zeiten: damit ift mil gemeint, daß in ihr überall nichts vorfalle, wie ein gutmrüthiger Nam ſich das gedeutet hat. Denn freilich auch im jener fchlechthin wergefhiht lichen Zeit ging tie Sonne auf’ und unter, die Menfchen legten fit ihlafen une ftanten wieder auf, freieten und lichen fich freien, wurden geboren und ftarben. Aber darin ift Fein Fortgang und alfe keine Ce fchichte, mie das Individuum, in deſſen Peben geftern wie heute, ut wie geſtern ift, deſſen Daſeyn ein immer ſich wiederholender Cmtl gteichförmiger Abwechslung ift, feine Geſchichte hat. Cine mahre Ir einanderfolge wird nicht durch Begebenheiten gebildet, tie ohne Sp verſchwinden und das Ganze in dem Zuftand zurüdlafjen, in dem & zuvor war. Aus diefem Grunde alfo, weil in der abſolut vorgeſchicht lichen Zeit da8 Ganze am Ende ijt wie e8 im Anfang war, meil ali

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in viefer Zeit felbft Feine Folge von Zeiten mehr ift, weil fie, auch in viefem Sinn nur Eine, nämlich, wie wir uns ausbrädten, die ſchlecht⸗ bin identifche, alſo im Grunde zeitlofe Zeit ift (vielleicht ift dieſe Gleichgültigkeit der vergehenden Zeit von der Erinnerung durch die un- glaublich lange Lebensdauer der älteften Geſchlechter feftgehalten); aus tiefem Grunde, fage ich, bebarf fie felbft nicht wieder der Begrenzung durch eine andere, ihre Dauer ift’ gleichgültig, kürzer oder länger ift bafjelbe; mit ihr ift daher nicht bloß eine Zeit, fondern die Zeit Aber- haupt begrenzt, fie felbft das Leiste, zu dem man: in ver Zeit zurück⸗ gehen kann. Ueber fie hinaus ift fein Schritt mehr als in das Ueber geſchichtliche, fie iſt eine Zeit, aber die ſchon nicht mehr in ſich ſelbſt, die nur im Verhältniß zu dem Folgenden eine Zeit iſt; in ſich ſelbſt iſt ſie keine, weil in ihr Fein wahres Bor und Nach, weil fie. eine Art Ewigkeit ift, wie auch ber hebräiſche Ausdruck (olam), ber

für fie in der Genefis gebraucht ift, andeutet.

Es iſt alſo nicht mehr eine wilde, unorganiſche, grenzenfofe geit, in bie und bie Gefchichte verläuft; es ift em Organismus, es ift ein Syſtem von Zeiten, in das fich und die Gefchichte unferes Gefchlechtes einfchließt; jedes Glied dieſes Ganzen ift eine eigene ſelbſtändige Zeit, bie durch eine nicht bloß vorbergegangene, ſondern durch eine von ihr abgefegte umb weſentlich verſchiedne begrenzt ift, bis auf die legte, welche keiner Begrenzung mehr bedarf, weil in ihr keine Zeit (nämlich. feine Bolge von Zeiten) mehr, weil fie eine relative Ewigkeit ift. Tiefe Glieder find: Ä

abſolut⸗ vorgeſchichtliche, relativ⸗ vorgeſchichtliche, geſchichtliche Zeit:

Man kann Geſchichte und Hiſtorie unterſcheiden, jene iſt die Folge der Ereigniſſe und :Begebenheiten ſelbſt, dieſe die Kunde derſelben. Hieraus folgt, daß der Begriff der Geſchichte weiter iſt, als der Begriff ter Hiſtorie. Inſoferne ließe ſich ſtatt abſolut- vorgeſchichtliche einfach ſagen vorgeſchichtliche, ſtatt relativ- vorgeſchichtliche vorhiſtoriſche Zeit, und die Folge wäre alsdann dieſe:

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a) vorgefdjichtliche;

b) vorhiſtoriſche,

c) hiſtoriſche Zeit. Nur müßte man fi) hüten zu benfen, es ſey zwilchen ben beiten In nur der zufällige Unterfchied, ter in dem Worte liegt, daß mu m biefer Kunde hat, von jener nicht.

Mit einer grenzenlos fortgehenden gefchichtlichen Zeit iR le 56

Hr Thür und Thor geöffnet, Wahres von Falſchem, Eiſiht wm beliebiger Annahme oder Einbilvung gar nicht zu unterſcheiden. Veiſeh dafür ließen fi) in der von uns beenbeten Unterfuchung ſelbſt gm aufzeigen. Hermann 3. B. leugnet, daß ver Mythologie ein von in Menſchen felbft erfundener Theismus habe voransgehen können, mh & legt großen Werth darauf, daß dieß nicht babe fo ſeyn können. De felbe aber hat nichts tagegen und nimmt vielmehr ſelbſt an, deß m folder Theismus einige Jahrtauſende fpäter allerdings erfunden more, es fehlte alſo nach feiner Meinung nur an ber Zeit für eine folde % fintung ver der Mythologie. Zugleich mım aber äußert ebenteidk | die Hoffnung, wie es bereitS der Erdgeſchichte in Folge geologifher m ſchungen (vie er indeß mwahrfcheinliher aus Pfarrer Ballenſtädts Urmel ald aus Cuvier kennen gelernt bat) ergangen ſey, ebenfo durch die Ar thumsforſchung die Menſchengeſchichte noch mit einer reichlichen Zugk unbeftimmt früher Aeonen bereichert zu fehen'. Wer aber über eir it Ihöne Zeit zu verfügen hat, als Hermann fi) mit der eben erwähltt Erklärung vorbehalten, dem kann e8 für keine mögliche Erfindung, 1 er ver Urmelt fonft zuzufchreiben geneigt wäre, an Zeit fehlen. Herman vermöchte alfo einen zu widerlegen, der ein urweltliches Weisheitejyf annähme, won bem ben wenigen Ueberlebenven eines früheren Menfher geihlechts, das von einer jener Rataftrophen, vie ſich nach Hermumd Meinung in ver Ervgefchichte von Zeit zu Zeit wiederholen, und NP gleichen eine auch ung Fünftig bevorfteht?, ereilt, großentheils mit fanm

' Briefe iiber Homer und Heſiodus S. 67. ? Dissert. de Mythol. Graec. p. X. vom Erbballe: „in quo, senesoenlt

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feinem Wiffen begraben worben wäre, nur Trümmer und finnlofe Bruch⸗ ftäde geblieben wären, aus denen jeßt die Mythologie beſtünde. Iſt es wahrer Wiſſenſchaft eigen und geziemend, alles foviel möglich mit be⸗ fimmten Grenzen zu umfangen und in die Schranken ber Begreiflichkeit einzufchließen, ift Dagegen mit einer für grenzenlos angenommenen Zeit feine Art willkürlicher Annahme auszuſchließen; find. es nur barbariſche Voͤller, die ſich darin gefallen, Jahrtauſende auf Jahrtauſende zu häufen, und Tann es ebenſo nur eine barbarifche Philoſophie ſeyn, bie ſich bes fireßt, der Geſchichte eine Ausbehnung ins Grenzenloſe zu bewahren, fo kann e8 dem wahre Wiffenfchaft Fiebenden nur erwünfcht ſehn, einen fo beftimmten terminus a quo, einen folchen jeden weiteren Rüchgang abs ſchneidenden Begriff aufgeſtellt zu Iehen, wie der unferer ſchlechthin. vod⸗ geſchichtlichen Zeit iſt.

Rimmt man Geſchichte im weiteſten Sinn, ſo iſt die Philoſophie ber Mythologie ſelbſt der erſte, alſo nothwendigſte und unumgänglichſte Theil einer Philoſophie der Geſchichte. Es hilft nichts zu ſagen, die Mythen enthalten keine Geſchichte; als einſt wirklich geweſene und entſtandene find fie ſelbſt ber Inhalt der älteften Geſchichte, und muß e8 doch, wenn man auch die Philofophie ber Geſchichte auf Die gefchichtliche Zeit bejchränfen will, als unmöglich erſcheinen, ihr einen Anfang zu finden oder. irgend einen fihern Schritt -in ihr zu thun, wenn uns das, was biefe (Die gefchichtliche Zeit) als. Vergangenheit von fich felbft ſetzt, völlig verſchloſſen bleibt. (ine Philofophie ‘ver. Gefhichte, die der Ge fchichte feinen Anfang weiß, fann nur etwas völlig Bodenlofes. ſeyn und

verbient ‘den Namen ber Philofophie nicht. Was min aber von ber Geſchichte im Ganzen gilt, muß ebenſo von jeder beſondern geſchichtlichen Forſchung gelten.

In welcher Abſicht immer unſere Unterſuchungen bis in die Urzeiten unſeres Geſchlechts zurüdgehen, ſey es um bie Anfänge deſſelben über- haupt Zu e8 die erften Anfänge ber Religion und ber burgerlichen

jam, nos medii inter duas ruinas aeternitatem, serius oeius novis fucli- bus perituram, inani labore consectamur.“ |

Geſellſchaft oder ver Wiffenfchaften und der Künfte zu erforfchen, immer ftoßen wir zulegt auf jenen dunkeln Raum, jenen zo6sos Gönlo;, der nur noch von ter Mythologie eingenommen ift. Längft murte u daher für alle mit jenen Fragen in Berührung kommende Wiffenfcafte: die dringenbfte Forderung feyn, baß biefe Dumkelheit Überwunden, je Raum Har und teutlic erfennbar gemacht werke. "Mittlerweile, m da man für jene das Herkommen des Dienfchengefchlechts betreffezte Fragen doch ver Philofophie nicht entrathen kann, hat anf alle Forſchauze dieſer Art eine feichte und ſchlechte Philoſophie der Geſchichte ſtilſawä gend einen nur befto beftimmteren Einfluß geübt. Man erfennt tiefen Einfluß an gewiffen Artomen, welde überall und beftäntig mit tm größten Unbefangenheit, und als wäre etwas anderes nicht eimmal ten: bar, vorausgejegt werten. Eines tiefer Artome ift, daß alle menſchlibe Wiſſenſchaft, Kunſt und Bildung von den armfeligften Anfängen habe ausgehen müſſen. Tiefen gemäß ſtellt ein bekannter, jetzt nicht mehr lebender Geſchichtsforſcher bei Gelegenheit ter unterirdiſchen Tem von Ellore und Mavalpuram in Indien die erbauliche Betrachtung ar: „Schon tie nackten Buſchhottentoten machen Zeichnungen an ven Wänden ihrer Höhlen, von ta bis zu den indiſchen reichgeſchmückten Tempelr, welche Stufen“! „und doch, ſetzt ter gelehrte Geſchichtsforſcher hinzu, me die Kunſt and dieſe Betreten haben”! Nach dieſer Anſicht aber wir vielmehr eine ägyptiſche, eine inbifche, eine griechifhe Kunſt nie und in feiner Zeit möglid gewefen. Erdichte man welche Zeiträume immer, und behalte ſich vor, zu Ten erbichteten noch belichige Jahrtauſende bir: zuzufügen: es ift der Natur ver Sache nach unmöglich, daß vie Kunſt ver folhen ganz nichtigen Anfängen je und in irgend einer angeblichen Zi zu folher Höhe gelangte; und gewiß hätte ſelbſt der ermähnte Geſchikt fchreiber fi nicht Darauf eingelaffen, tie Zeit zu bejtimmen, in wel vie Kunft einen jolden Weg zurüdlegen fonnte. Er hätte ebenſo gut ar geben können, mie viel Zeit nötbig fey, damit etwas aus nichte entitck-

Heerens teen Über Bolitit uud Handel ber alten Völker, Th. 1. Anh. 3. 311 Annt, -

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. Man wird uns freilich einwenden, es laſſe ſich jenes Ariom nicht angreifen, ohne ven großen und gleichfam für heilig gehaltenen Grund⸗ fog von dem fleten Fortſchreiten des Menſchengeſchlechts anzutaften. Bo aber ein Fortichreiten ift, da ift ein Ausgangspunkt, ein Von⸗wo und ein Wohin. Über jenes Fortſchreiten geht nicht, wie man meint, vom Kleinen ind Große, vielmehr umgekehrt macht überall das Große, Gigantiſche ven Anfang, und bag organifch Gefaßte, ins Enge Gebrachte folgt erft nach. Homer ift von folder Größe, daß keine fpätere Zeit ihm Aehnliches beroorzubringen im Stande war, dagegen wäürbe aud) eine Sophoffeifhe Tragödie im homeriſchen Zeitalter eine Unmöglichkeit geweſen ſeyn. Die. Zeiten unterfcheiben fi) voneinander nicht durch bloßes Mehr oder Weniger fogenannter Kultur, ihre Unterfchiede find innere, find Unterfchieve wefentlid) oder qualifativ verfchiedener Prin- cipien, bie ſich einander folgen, ‚und deren jedes in feiner Zeit zur höchften Ausbilvung gelangen kann. Dieſes ganze Syſtem, dem die Gefchichte jelbft aufs Klarfte widerfpricht, mit dem felbft feine Anhänger doch eigent- ih nur in Gedanken fi) tragen, das noch feiner von ihnen auszuführen vermocht oder auch nur auszuführen verfucht hat, beruht zulett auf ber nicht von Thatfachen, fondern von einer unvolllommenen Erforſchung und Ergründung berfelben ſich herſchreibenden Meinung, daß ver Menſch ‚und bie Menſchheit von Anfang an lediglich fid)-felbft überlaſſen war, daß fie blind, sine numine, und dem fchnöbeften Zufall preisgegeben, gleihfam tappend, ihren Weg gejucht babe. Dieß ift, fanı man fagen, allgemeine Meinung; denn die Offenberungsgläubigen, weldye jenes Leitende, jenes numen, in ber- göttlichen Offenbarung fuchen, befinden ' fi theils in entſchiedener Minorität, theils können fie jenes Leitende nur für eisen fehr Meinen Theil des Menſchengeſchlechts uachweiſen; und merkwürdig bleibt e8 immer, daß das Volk des wahren Gottes bie Banmeifter feiner Tempel bei den Phönikiern fuchen mußte. Aber wo- durch wurden diefe andern Völker erzogen, wodurch bewahrt, ſich in das völlig Sinnloſe zu verlieren, wodurch zu der Größe gehoben, die wir ihren Conceptionen nicht abſprechen können? War es nicht bloßer Zufall, der die Babylonier, Phönikier, Aegypter ven Weg zu ihren Funftreichen

und zum Theil erſtannenswerthen Banten finden lieh, fo wuhte hier etwas anderes ind Mütel treten, etwas anderes, aber tod der Dffenbarung Analoges. Der geoffenbärten Religion ſteht in dem Heiten thum nicht eine bloße Negation, fonvern ein Pofltives anderer A entgegen. Diefes Anvere und doch Analoge war eben ber mutheleguke Proceß. Es find pofitive, wirkliche Mächte, die im. biefem walten. Und biefer Proceß ift eine Onelle von Eiugebungen, und nur and falde Inſpirationen laſſen fi die zum Theil ungeheuern Hermorbringuge jener Zeit begreifen. Werke mie die indiſchen und äguptifchen Dow mente entftehen nicht wie Stalaktytenhöhlen durch bie bloße Länge er Beit; diefelbe Gewalt, tie nach innen die zum Theil Ecloffalen Verf lungen der Mythologie erfchuf, brachte nach außen gewenbet vie kühnen, alle Mafftäbe ver fpäteren Zeit überfteigenben Unternebmumgen in be Kunft hervor. Tie Gewalt, die das menſchliche Bewußtſeyn in ta mythologiſchen Vorftellungen über die Echranfen der Wirklichkeit erheb, mar aud bie erfte Lehrmeifterin des Großen, Bedeutungsvollen in der Kunft, auch die Macht, welche die Dienfchheit Über bie untergeorhmeten, logiſch allerdings vworauszudentenden Etufen wie eine göttliche Hand ka weghob, und tie noch ben fpäteren Erzeugniffen des Alterthums em ber neueren Zeit bis jegt unerreichbar gebliebene Größe einhauchte. im folange wenigftens, als nicht ein erhöhtes und erweitertes Berwußtieg wieder ein Verhältniß zu ven großen Kräften und Mächten gewonnen hat, in dem ſich das Alterthum von felbft befand, wirb es immer ge rathen feyn, fih an das zu halten, was Gefühl und feiner Einn and unmittelbarer Wirflichfeit zu fchöpfen weiß. Man ſpricht zwar, wie ven hriftlicher Philofophie, fo auch von chriſtlicher Kunſt. Aber Kunft if überall Kunft und als folhe ihrer Natur nad) und urfprünglich welt und beibnifch, und bat daher auch im Chriſtenthum nicht das Farticnlare deſſelben, ſondern jenes Univerſelle, d. 5. das in ihm anfzufuchen me? feinen Zufammenbhang mit dem Heidenthum ausmacht. Einftweilen ift &$ als eine gute Wendung zu betrachten, wenn tie Kunft aus ben Gegenflär- ben, welche vie Offenbarung ihr tarbietet, folche erwählt, tie über das be⸗ ſchränkt Chriſtliche hinansgehen, Ereigniffe, wie die Sprachenverwirrung die

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Entſtehung der Böller, die Zerftörumg Ierufalems und andere, in denen nicht erft der Künftler den großen allgemeinen Zufammenhang hervorzuheben hat.

Dbwohl ich bei dieſem Gegenftend jet nicht eigentlich verweilen fan, will ich dennoch bemerken, daß bie Philoſophie der Mythologie, wie fie einen notioenbigen Bezug auf bie Philoſophie ber Geſchichte hat, fo auch für die Bhilofophie der Kunft eine nicht zu entbehrende Grundlage bildet. Denn e8 wirb für dieſe ımerläßlih, es wird fogar eine ihrer erften Aufgaben ſeyn, ſich mit ven Gegenſtänden ver fünft- lerijchen und dichterifchen Darftellungen zu befchäftigen. Hier wird es unvermeidlich feyn, eine aller bildenden und dichtenden Kunft voraus gehende, ur ſprünglich, nämlich auch den Etoff 'erfintende und erzeu- gende Poefie- gleichfam zu forbern. Etwas aber, das fich als eine ſolche wrfprängliche, aller bewußten und förmlichen Boefie voransgehende Ideen erzengung anjehen läßt, finbet fid, eben nımr in der Mythologie. Wenn es nuſtatthaft iſt, fie ſelbſt aus Dicht⸗Kunſt entftehen zur lafien, fo ift es darum nicht weniger offenbar, daß fie fich zu allen fpäteren freien Her- verbringungen als eine ſolche urfprängliche Poeſie verhält. Im jeder anıjaffenden Bhilofophie der Kunft wird taher ein Hauptabfchnitt bie Ratur und Bedeutung, inſoweit auch die Entftehung der Mythologie er. örtern mäfjen, wie ich in meinen vor fünfzig Jahren gehaltenen Vor⸗ trägen über Bhilofophie ver Kunſt! ein ſolches Kapitel in fie aufgenommen hatte, deſſen Ideen in ben fpäteren Unterjuchungen über Mythologie häufig reprodueirt wurden. Unftreitig ſteht witer den Urſachen, durch weiche die griechifche Kuuft fo auferorbentlich begünftigt war, die Be— ſchaffenheit ver ihr eigenthümlichen, alſo beſonders der durch ihre My⸗ thologie ‚gegebenen Gegenftänbe.oben an, die einerſeits einer höheren Geſchichte und anderen Ordnung ber Tinge angehörten, als biefer bloß zufalligen und vergänglicyen,. welcher der neuere Dichter feine Geftalten pi entnehmen hat, von der andern Seite in einem inneren wefentlichen mb bleibenden Bezug zur Natur fanden. Was vom Standpunkt ber

Dieſe Borträge vom 9%. 1803 find vollſtändig im handſchriſtichen Nachlaß werbanden. D. H.

Echelling, fammtl. Werke 2. * 1. 16

Kunſt ſtets empfunden worden, tie Nothwendigkeit wirklicher Weſen, be zugleich Principien, allgemeine und ewige Begriffe ih bloß bedeuten, ſondern find, davon bat die Philsſophie erſt die M lichkeit zu zeigen. Das Heidenthum iſt uns innerlich freud, aber unb mit dem unverſtandenen Chriſtenthum iſt zu ber angedenteten Surfihäk nicht zu gelangen. Es war zu früh, von eimer chriſtũchen Auf y reben, wenigſtens unter ben Inſpirationen der .einfeitig vomantide Stimmung. Aber wie vieles andere hängt nicht eben daron ab, m dem verftanbenen Chriftentfum, und “brängt nicht im ber ae tigen Verwirrung wiflend oder unwiſſend alled bahin ?

Jedes Kunſtwerk ficht um fo höher, je mehr es zugleich ven & brud einer gewiflen Nothwendigkeit ‚feiner Eriftenz ermedt, aber ur ve ewige und nothmendige Inhalt hebt auch gewiſſermaßen tie Anfälligkeit des Kunſtwerks auf. Je mehr die an fich poetifchen Gegenflänte wer: ſchwinden, deſto zufälliger wird auch die Poeſie felbft; Feiner Netbwentig keit fich bewußt, bat fie um fo mehr das Beſtreben, durch endlojet Produciren ihre Zufälligfeit zu verbergen, fid) den Schein von Nat wendigkeit zu geben. Den Eindrud rer Zufälligleit können wir and bei den anſpruchsvollſten Werfen unferer Zeit nicht überwinden, währen in den Werfen des griechifchen Alterthums nicht bloß die Nothwendigkei, Wahrheit und Realität des Gegenftandes, ſondern ebenfo die Na wenbigfeit, alfo die Wahrheit und Xealität der Production fib anf ſpricht. Man kann bei Piefen nicht, wie bei jo manchen Werten einer jpäteren Kunft, fragen: Warum, wozu ift e8 ta? Tas bloße Verviel fältigen der Hervorbringung kann ein bloßes Scheinleben nicht zum wir lichen erheben. Auch braucht man in einer ſolchen Zeit die Herverbringum nicht noch eben befonvers zu befördern, denn das Zufällige bat, wie gejagt, von felbft vie Tendenz, als ein Nothwendiges zu erfcheinen, und darım vie Neigung, fid) ind Ungemefjene und Grenzenloſe zu vermehren, wi wir denn heutzutage in ber Poefie, die von niemand geförbert wirt, ein ſolches wahrhaft end- und ziellefes Produciren wahrnehmen fünnen‘.

Kunſtrichter ſetzten Blaten berab wegen feines, wie fie e8 nannten, Tärglicen

2343 Byron fucht jene höhere; an fich poetifche Welt, er ſucht zum Theil mit Gewalt in fie einzubringen, aber ver Skepticismus einer troftlofen Zeit, der auch fein Herz verödet hat, läßt ihn keinen Glauben an ihre Geſtalten faflen.

Schriftſteller von Geift und Wiffen haben ven GCehenſab bes Alter⸗ thums und der neueren Zeit ſchon längſt hervorgehoben, aber mehr, um die ſogenannte romantiſche Poeſie geltend zu machen, als um in die wahre Tiefe der alten Zeit einzubringen. Wenn es aber feine bloße Redensart ft, von dem Alterthum als einer eigenen Welt zu fprechen, fo wird man ihm auch ein eigenes Princip zugeftehen, man wirb die. Gebanfen dahin erweitern müſſen, anzuerlennen, daß das räthſelvolle Alterthum, und zwar je höher wir in daſſelbe hinauffteigen vefto beftimmter, einem andern Gefeß und andern Mächten unterthan war, als von Venen bie gegenwärtige Zeit beherrjcht wird. Eine Pſychologie, die bloß von den Berhältnifien ber Gegenwart hergenommien ift und vielleicht ſelbſt dieſer num oberflächliche Beobachtungen zu entnehmen gewußt bat, ift fo wenig gemacht, Erſcheinungen und Creigniffe ver Vorzeit zu erflären, als fid die mechanifchen Gefege, die im der einmal geworbenen und erftarrten Natur gelten, anf die Zeit des urjprünglichen. Werdens und des erften lebendigen Entftehens übertragen laſſen. Das Kürzefte freilich, dieſe Erſcheinungen ald bloße Mythen. ein für allemal in das Gebiet des Un- wirklichen zu verweilen, ſich an ben begrünbetften Thatfachen, zumal des religiöfen Lebens.ver Alten, mit jeichten Hypotheſen. vorbeizufchleichen.

Der theogoniſche Proceß, in den fidh die Menſchheit mit dem erften wirklichen Bewußtſeyn verwidelt; ift wefentlih ein religioͤſer Proceß. Iſ nie ermittelte Thatfache von dieſer Seite: vorzüglich) wichtig für bie Geſchichte der Religion, fo kann fie auch nicht ohne mächtige Ein- wirtung bleiben auf die Bhilofophie der Religion.

Es iſt eine ſchöne Eigenthümlichkeit der Deutſchen, daß ſie ſich ſo

Producirens. Sie wußten nicht und werben nie . wiffen, was in ihm war, beffen Lebensfaben fo früh zerriß, deſſen Andenken ich gern, nicht wiffenb, ob mir ſelbſt noch Zeit zu Ausführlicherem gegönnt ift, einftweilen wenigftens biefe Zeilen widme.

eifrig und anhaltend um biefe Wiſſenſchaft bemüht Gaben; it dicich ihres Begriffs, Umfangs und Inhalts darum nicht mehr, wileiht fer | weniger ſicher als manche audere, fo mödte bie, algefehen bancn, af | es der Natur der Sache nad) in keiner Wiſſenſchaft fo wiele Dileitanin gibt, alfo and, in feiner fo leicht gepfujcht wirb, als in der Relten wifenfaft, zum Teil dadon ferfoiumen, baf fie ſih ſets in zu mie Abhängigkeit von bem Gang der allgemeinen Philofophie gehalten, tem Bewegungen fie unfelsftänbig. in ſih wieberhofe,“änbei e8 ihr uf möglich: gawefen wäre, einen von ber-Phifefophie unabhängigen Ja zu geiwismen, ud fo felbft erweiternp auf biefe zurädtjumvirken, Eine ſolche Möglicfeit möchte ihr mm wirkfid) gegeben fehn tuch das.Refultet unſerer Unterfuchung über Mythologie, im der eine zen Philoſophie und Vernunft gleich wie von Offenbarung unabhängige Re | ligion nachgewieſen worben. Denm angenommen ,. daf es feine Richtig teit hätte mit einem Ausfprud) G. Hermanns, dem wir als eimn Har und entfchieben ſich ausfprehenden Mann immer gern wieber am führen; angenommen, daß es feine anbere Religion gebe, «ls eutuce von angebliher Offenbarung fich herſchreibend, oder bie fogemamsie me tärlije, weldhe aber nur philoſophiſche fey, ein Auoſpruch, befien ii mung ift, daß e8 nur philofophifcie Religion gebe: fo mäten wir i ber That nicht, wie ſich Religionephiloſophie ald beſondere Wifſerfcheꝛ (bie fie doch ſeyn fol) umterfheiben und behaupten Fünnte; ben fir ie Bloß philoſophiſche Religion wäre unftreitig ſchen durch bie, Allgeme Beilefopfie geforgt, unb ber Keligientpfilofopfie, wenn fe wiht af jeden objectiven Inhalt verzichtete, Bliche daher nichts, als einen Ziel ober ein Kapitel der Allgemeinen Philoſophie in fich zu. wieberholen. Ienem Ausſpruch entgegen haben wir nam, umb war.ofme irgend wie felbR von einer Bhilofophie auszugehen, in Bolge Bloß geſchkac begrändeter Schlüffe, gezeigt, daß es außer ben beiben dort allein eine» der entgegengeftellten Religionen, eine von beiven unabhängige, bie my thologiſhe Religion gibt. Wir haben noch anßerdem ud infiefosher geyigt, daß fie RR ber Zeit mad) jeber Offenbarung (mean man dar feldhe anuimmt) vorausgeht, ja biefe felhft erſt vermittelt, demmd

b .

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unwiderfpredylich die erfie Form ift, in der Religion überhaupt eriftirt, für eine gewiffe Zeit vie allgemeine Religim, vie Religion des Menſchen⸗ geſchlechts iſt, gegen weldhe bie Offenbarung, fo fräh fie and auftritt, denuoch nur eine partielle Erſcheinung ift, beſchränkt auf ein beſonderes Geſchlecht, und Zahrtanſende lang einem ſchwach glinmenden Lichte ver- gleichber, unfähig die ihm miberfiefenbe-Berfinfterung zu burchbredien. Bir haben ſodann feruer dargethan, daß vie Mythologie, als die unvor- denlliche, infofern auch allem Denken zuvorkommende Religion des Men- ſchengeſchlechts, nur begreiflich ift aus dem natürlich Gott-Setzenden des Bewußtſeyns, das ans dieſem VBerhältniß nicht heraustreten Yann, ohne einem nothwendigen Proceß anheimzufallen, durch ven es in bie wiprünglide Stellung zurädgeführt wird. Als entftanden aus einem foldyen Verhältniß kann die Mythologie nur die natürlich ſich erzen- gende Religion ſeyn, und follte darum auch allein vie natürliche ge- aanut werben, nicht aber follte bie rationale ober. philofophifche biefen Kamen erhalten, wie bis jet darum gefchehen, weil man alles, wobei feine Offenbarung mitwirkt, natürlich nannte, umb ber Offenbarung nur die Bernunft entgegenzuſetzen wußte.

Diefe Beſtimmung der mythologifchen als der natürlichen Religion hat hier tiefere Bedeutung als was jetzt fo allgemein gejagt wirb: bie Mythologie ſey die Naturreligion, womit bie meiften nur, fagen wollen: fie ſey die Religion des Menfchen, ver fich nicht über pad Geſchöpf zum Schöpfer erheben‘ könne oder die Natur vergöttert habe (Erklärungen, deren Unzulänglichleit Binfänglich gezeigt worven); einige aber verftehen unter Naturreligion fogar nur die erfte Stufe der mythologiſchen, bie

"nämlich, wo, wie fie fagen, ver Begriff ver Religion, alſo Gott als ver Gegenftann dieſes Begriffs, noch ganz von der Natur zugedeckt, in fie verſenkt ſey. Was dieſe Erklärung betrifft, fo Haben wir bei Gele genheit der notitia insita gezeigt, daß vie Mythologie nicht aus ver Hoßen, wein and) etwa als nothwendig vorgeftellten Verwirklichung einee Begriffs entftehen konnte, da fie vielmehr anf einem wirklichen, realen Berhältniß des menſchlichen Wefend zu Gott beruhen muß, aus weichen allein ein vom menfchlihen Denken unabhängiger Proceß

ben kann, der in Folge biefes Urfprung® ein ber Diewfchkeit mtiı- ice zu nennen ift. In biefem Sinn alfo ift uns bie urhthologiſche we natürliche Religion.

ir könnten fie ebenfomohl die wild wachfende nennen, wie de große Apoftel der Heiden das Heidenthum ben wilden Delbaum: nem‘, das Indenthum, ale auf Offenbarung gegründet, den zahmen, ober ci» fach die wilde Religion, in dem Sinn, wie man im Denticen vet natürliche feuer des Himmels das Wilbfeuer, natürlich warme Bite Wildbäder genannt bat.

Keine Thatfache aber ift iſolirt; jede neu enthällte läßt andere fen befannte, aber vielleicht nicht erkannte, in einem neuen Licht erſcheinen Kein wahrer Anfang ift ohne Folge und Fortgang, die natürfiche Reh gion zieht von felbft und ſchon des Gegenſatzes wegen bie geoffenbark nach ſich. So haben wir e8 auch früher bereits gefunden. Die Hint- entftehende Religion fanın vorausfegungslos feyn, vie geoffenbarte, in der ein Wille, eine Abficht ift, verlangt einen Grund, und kann daher um an der zweiten Stelle ſeyn. Hat man die mythologiſche als eine ven aller Bernunft unabhängige Religion anerkennen müſſen, fo wirt man baffelbe in Bezug auf die geoffenbarte zu thun um fo weniger fid we: gern können, als die Annahme bet dieſer jevenfalls ſchon eine wermitteke ift; die anerkannte Realität der einen hat bie Realität der andern zu Folge, oder macht fie menigftens begreiflih. Wird vie geoffenbarte al die übernatürliche erflärt, fo wirb fie durch das Verhältniß zur natir Iichen felbft gewiſſermaßen natürlich, wogegen dann freilich der gam m⸗ vermittelte Eupernaturalismus nur als unnatürlich erjcheinen kam.

Mit Voransfegung der natürlichen änbert ſich alfo die ganze Et [ung der geoffenbarten Religion; fie ift nicht mehr die einzige von Ver— nunft und Philoſophie unabhängige Religion, und nennt man die Dentart, welche fein anderes als rationales Verhältniß des Bemußtfenns zu Oett begreift, Rationalismus, fo fteht viefem nicht zuerft vie geoffenbartt, jondern vie natürliche entgegen.

Röm. 11.

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Schon überhaupt kann in einem Ganzen zufanımengehöriger. Begriffe kein einzelner richtig ‚beftimmt werben, folange einer fehlt over nicht richtig beſtimmt if. Die geoffenbarte Religion ift in ver gefchichtlichen Folge erſt die zweite, aljo bereit vermittelte Form ter realen, d. h. von der Vernunft unabhängigen Religion. Diefe Unabhängigfeit bat fie mit der natürlichen gemein, ihre Differenz von ber philofophifchen ift daher nur ihre generifche, nicht wie man bisher angenommen ihre fpecififche; kein Begriff aber kann nad) feiner bloß generifchen Dif- ferenz volllommen beftimmt werden. Der geoffenbarten und ber natür- lichen ift gemein, nicht durch Willenfchaft, ſondern durch einen realen Borgang entftanden zu jeyn; ihr fpecififcher Unterſchied iſt das Natür- liche des Hergangs in der einen, das Uebernatürlihe in der andern. Diefe® Uebernatürliche wird aber durch feine Beziehung auf das Natür- liche begreiflih. Die Hauptſache iſt, daß es nicht in der bloßen Bor- fiellung beftehe. Nun gibt fi das Chriſtenthum jelbft für Befreiung von der blinden Macht des Heidenthums, und die Realität einer Befreiung wird nad) der Wirklichkeit und der Macht deſſen gejchäßt, wovon fie bes freit. Wäre das Heidenthum nichts Wirkliches, jo Tünnte auch das Chriftenthum nichts Wirkliches fenn. Umgekehrt, ift der Proceß, bem der Menfch in Folge feines Heraustretens aus dem urfprünglichen Ber- hältniß unterworfen worben, ift ver mythologifche Proceß nicht etwas -bloß Borgeftelltes, ſondern etwas das ſich wirklich ereignet, fo kann es auch nicht durch etwas was bloß in der Vorftellung ift, durch eine Lehre, es fanu nur durch einen wirklichen Borgang, durch eine von menſchlicher Borftellung unabhängige, ja fie übertreffende That aufge hoben werben; benn dem Proceß kann nur That entgegenftehen; und diefe That wird der Inhalt des Chriftenthums jeyn.

Den chriſtlichen Theologen bat ſich ihre ganze Willenichaft faft in ‚die fogenannte Apologetil aufgelöst, mit der fie aber noch nie zu Stande gekommen, und die fie immer wieber von vorn anfangen, zum Beweis, daß fie ven Punkt nicht gefunden, wo ſich in unferer Zeit der Hebel mit Erfolg anfegen ließe. Diefer Punkt kann nur in der Borausfegung aller Offenbarung, der blind entftandenen Religion liegen. Aber auch wenn

fie ganz darauf verzichteten, von ber Heinmäthigen Defeufive, anf ve fie zurückgeworfen find, wieder zur aggrefliven Bertheibigung füberpagehen, würde die Bertheidigung im Einzelnen leichter Aberiwinbliche Gdesirig keiten antreffen, wenn fie bemerken wollten, baß bie Offenbarung und ihre materiellen Vorausſetzungen in ber ‚natürlichen Religion bat. Des Stoff, in dem fie fih auswirkt, ſchafft fie ſich nicht, fie finbet im unabhängig von fi vor. Ihre formelle Bedeutung ift, Uecberemun ver bloß natürlichen, unfreien Religion zu ſeyn; aber eben darum kt fie diefe in fi), wie das Aufhebende das Aufgehobene im fich Hat. Fr unfromm oder wachriftlich wirb die Behauptung biefer minteriellen oc tität nicht gelten können, wenn man weiß, wie entichieben ebendieſelle gerabe von ber rechtglänbigften Anficht ehemald anerkannt werben. Baı es verftattet, im Heidenthum Entftellungen geoffenbarter Wahrheiten zu jehen, fo kann es unmöglich verwehrt jeyn, umgelehrt in dem Chriſten⸗ thum das zurechtgeftellte Heidenthum zu exrbliden. Wer wüßte aber nicht außerdem, wie vieles in vem Chriftenthbum foldhen, die nur von Ber nuuftreligion willen wollen, als heidniſches Element erfchienen ift, dat nad) ihrer Meinung aus dem reinen, d. 5. vernunftmäßigen Chrifer thum ausgemerzt werben follte? Zeigte fi) doch die Verwandtſchaft fen in dem gemeinfchaftlichen äußeren Schidfal beider, daß man beide (My thologie und Offenbarung) durch eine ganz gleiche Unterjcheibung von Form und Inhalt, von Wefentlihem ımb bloß zeitgemäßer Kinkleivung zu rationalifiren, d. 5. auf einen vernünftigen ober ben meiften ver nänftig feheinenden Sinn zurädzubringen ſuchte. Uber eben mit dem auögeftoßenen Heibnifchen wäre auch alle Realität aus dem Chriſtenthun binweggenommen. Das Legte ift allerbings das BVerhältniß zum Bater und Anbetung vejjelben im Geiſt und in der Wahrheit, in viefem Ke fultat verſchwindet alles Heidniſche, d. h. alles was nicht im BVerhältniß zu Gott in feiner Wahrheit ift; aber biefes Reſultat hat ohne feine Borausfegungen felbft Feine empiriſche Wahrheit. Wer mich fichet, ſiehet den Vater, fagt Chriftus, aber er fett hinzu: Ich bin der Weg, und: Niemand kommt zum Bater als durch mid).

Laſſen wir endlich noch einen allgemeinen Grundſatz entſcheiden.

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Diefer ift, daß wirkliche Religion von: wirklicher nicht verſchieden ſeyn taın. Sind mm natürliche und geeffenbarte beide wirkliche Religion, fo ann dem lebten Inhalt nach zwifchen beiden keine Berfchievenheit ſeyn; beibe muſſen viefelben Elemente enthalten, nur ihre Bedeutung wirb eine andere feyn in biefer, eine andere in jener, und ba ber Unterfchieb beider nur iſt, daß bie eine bie natürlich, bie andere bie göttlich gefeßte Religion ift, fo werden dieſelben Principien, die in jemer bloß natür⸗ Eiche find, in biefer die Bedeutung göttlicher annehmen. Ohne Präeri« ſtenz iſt Chriſtus nicht. Chriftus. Er exiſtirte als natürliche Potenz, ehe er als göttliche Perfönlichkeit. erfchien. Er war in der Welt (dv ro bon Ar), können wir aud in diefer Beziehung von ihm fagen. Er war koomiſche Potenz, wenn auch für fich felbft nicht ohne Gott, wie ber Apoſtel zu ehemaligen Heiden fagt: ihr wart ohne Sott (ihr hattet fein ımmittelbares Verhälmniß zu. Gott), ihr wart in ver Welt (in dem was nicht Gott ift, im Reich der kosmiſchen Mächte)‘. Denn biefelben Botenzen, in deren Einheit Gott It und ſich offenbart eben dieſe in ihrer Disjunction und im Proceß find außergöttliche, bloß natürliche Mächte, in denen Gott zwar nicht Überall nicht, aber doch nicht nach feiner Gottheit, alfo nicht nad) feiner Wahrheit if. Denn in feinem göttlichen Selbſt ift er Einer und kann werer Mehrere feyn noch in einen Proceß eingehen. Es kommt die Zeit, fagt Ehriftus in ber früher fchon angeführten Stelle, und ift ſchon jet, nämlich vem-Anfang nach, daß die wahrhaftigen Anbeter werben ven Bater anbeten im Geift und in der Wahrheit; alfo bis zu biefer Zeit beten auch bie Juden ven Vater nicht im Geifte an, der Zugang zu ihm in feiner Wahrheit wurbe beiden erbffnet, denen die nah und benen bie fern waren ?; benen bie unter dem Geſetz der Offenbarung ebenfowohl als denen die unter. dem bloß natürlichen Geſetz flanten; woraus denn erhellt, daß auch in ber Offenbarung etwas war, woburd das Bewußtſeyn von dem Gott im

Exh. 2, 12. Wem iv 76 nosuo nichts für ſich bebeutet, fo iſt es ber leerſte Zufag, da in dem Sinn, ben es aledann bat, auch bie Chriſten in ber Belt

find. 2 ph. 2, 17. 18.

Geift abgehalten war, und daß Chriſtus in feiner Erfcheimug de darum das Ende der Offenbarung R, weil er dieſes Gott Gxtfrenbane binwegnunmt.

So viel aljo über das Verhältniß der gerffenbarten zu der mil lichen Religion. . Ift nun aber das bisher Eutwidelte folgerecht. eutwidelt, fo begreifen Sie von felbft,-baß für die philofophifche, Religion in dieſer geichichtlichen Folge. keine Stelle als erft bie dritte übrig bleibt. Wat müßte diefe fen? Wenden wir ben ſchon ausgefprochenen Graubiet auch auf fie an, kann wirkliche Religion von wirklicher weſentlich m dem Inhalte nach nicht verſchieden ſeyn, fo Könnte bie philoſophiſche wir (ih Religion nur ſeyn, wenn fie die Factoren ber. wirklichen Keligien, wie fie in der natürlichen und geoffeubarten Religion find , nicht weniger als diefe in ſich hätte: nur in der Art, wie fie diefelben entbielte, Eöute ihr Unterfchied von jener liegen, und biejer Unterſchied würde ferner fas anderer ſeyn können, als daß die Principien, welche in jener als unke: griffene wirken, in ihr als begriffene und verſtandene wären. Die pe loſophiſche Religion, weit entfernt durch ihre Stellung zur Aufhebung der vorausgegangenen berechtigt zu feyn, würde aljo durch chen dieſe Stel: lung die Aufgabe und durch ihren Inhalt: die Mittel haben, jene ven ber Bernunft unabhängigen Religionen, und zwar als ſolche, demnach in ihrer ganzen Wahrheit und Eigentlichkeit, zu begreifen.

Und nun jehen Sie wohl: gerate eine folche philoſophiſche Kelizien wäre uns nöthig, un das, was wir in der Mythologie als wirklich ja erkennen uns gedrungen fehen, auch als möglich, ‚und demnach philcie phiſch zu begreifen, und fo zu einer Philofophie der Mythologie zu ge langen. Aber diefe philoſophiſche Religion eriftirt nicht, um wenn fie, wie wohl niemand in Abrede ziehen wird, nur das legte Er⸗ zeugniß und ver höchſte Ausdruck der vollendeten Philoſophie felbit jeg könnte, fo dürfen wir wohl fragen, wo bie Philoſophie ſich finde, tie im Stande märe, begreiflih zu maden, d. h. al8 möglich darzuthur, was wir in der Müthologie, und mittelbar auch in der Offenbarum, erfaunten ein reales Berhältnig des menſchlichen Bewuftfeyne ju Gott, während die Philofophie nur von Vernunftreligien und nur ven

einem rationalen Berhältuiß zu Gott weiß und alle religiöfe Ent⸗ widelung nur als eine Entwidelung in der Idee anfieht, wohin auch Hermanns Ausſpruch gehört: daß es nur philoſophiſche Religion gebe. Wir geben diefe Bemerkung über das Verhältniß unferer Anficht zu der geltenden Philofophie zu, aber wir Können in diefer feinen entſcheidenden Einwand gegen die Richtigleit unferer früheren Entwickelung oder bie Wahrheit ihres Rejultats erkennen. Denn wir find bei biefer ganzen Unterfudhung von feiner vorgefaßten Anficht, am wenigften von einer Philoſophie ausgegangen, das Ergebniß ift daher ein unabhängig von aller Bhilofophie gefundenes und feſtſtehendes. Wir haben die Mytho⸗ logie an keinem andern Punkte aufgenommen, als an dem jeber fie findet. Nicht Philoſophie war uns der Mahftab, nach dem wir. vie fich darbie⸗ tenden Anſichten verwarfen oder annahmen. Jede Erflärungsweife, auch die von aller Philofophie entferntefte, war uns willlenmen, wenn fie nur wirllid erklärte Nur fiufenweife, in Folge einer für jeben offen daliegenden, rein gefchichtlichen Entwidiung, erreichten wir unfer Refultat, indem wir voraußfegten, es werde auch für viefen Gegenftand gelten, was Baco in Bezug auf -bie. Philofophie gezeigt hatte: durch fuc- ceflive Ausfchliegung des erweislich Irrigen und Reinigung des zu Grunde liegenden Wahren von dem anflebenven Falſchen, werde das Wahre end» lich auf einen fo engen Raum eingefchlofien, daß man gewiflermaßen genöthigt fen, es zu erkennen und es auszuſprechen. Nicht ſowohl dem⸗ nach eklektiſch, als auf dem Wege einer fortſchreitenden, alles geſchichtlich Undenkbare allmahlich entfernenven Kritik, find wir zu dem Punkt gelangt, wo nur dieſe Anficht der Mythologie übrig blieb, welche philoſophiſch zu begreifen jegt erft unfere Aufgabe ſeyn wird.

Aber allerdings bei der Abhängigkeit, in welcher bie meiften von ihren philofophifchen Begriffen und ihrem Begreifungsvermögen über» haupt ftehen, ift zu erwarten, baß viele in der ihnen geläufigen Philo> fophie Gründe finden, fi die ausgefprochene Anficht nicht gefallen zu laſſen. Dieß berechtigt fie nicht, ihr unmittelbar zu widerſprechen, denn diefe Anficht ift ja felbft bloßes Reſultat; wollen fie widerſprechen, fo mäffen fie in den früheren Schlüflen etwas finden, das einen Widerſpruch

Gegründet, unb auch dieſet bürfte feine blohe Mebenfache, im ei Einzefbeit ſeyn (dem wie leicht ift da, wo fo vieles und Berfchiche berlhrt ſeyn will, in einem ſolchen zu fehlen), es müßte eimas jan, das nicht hinweggeriommen werben Hunte, ohne das ganze Gewebe unfern Sqluſſe aufzulöfen.

Unabhängig von jeder Philofophie wie unfere Anficht der Mut logie ift, Tann ihr auch nicht widerſprochen werben, weil fie fih mi irgend einer philoſophiſchen Mnfidt (wäre fie auch die faft elters geftenbe) nicht verträgt, und wenn feine vorhandene Philoſophie der &r ſcheinung gewachſen ift, fo ift es nicht bie einmal daſtehende und umsibe ſprechlich erfannte Erfeheinung, die ſich auf das Maf irgend einer p gebenen Philofophie müßte zurüdbringen faffen, fonbern ınmgefehtt dei die thatfächlich- begründete Auſicht, deren unausbleibliche Wirkung af einzelne philoſophiſche Wiſſenſchaften wir gezeigt haben, ſich Die Kraft je ſchreiben, aud die Philofophie und das philofophifche Bewzit feyn ſelbſt zu erweitern, ober zu einer Erweiterung über ihre gem wärtigen Schranten zu beftimmen.

Bweites Buch.

Philoſophiſche Einleitung „in bie Philoſophie ber Mythologie ober

Barflellung der reinrationalen Philofophie.

Eilſte Yorlefung.

Die philoſophiſche Religion, wie fie von ung gefordert ift, eriftirt nicht. Aber fofern fie durch ihre Stelung’vie Beſtimmung bat, die begreifente ber vorandgehenden, von Vernunft und Philofophie unab- bängigen Religionen zu ſeyn, infofern ift file Zweck des Proceſſes von Anfang, alfo das nicht heut oder morgen, aber doch gewiß zu Verwirk⸗ lihende und nie Aufzugebende, das jo wenig als die Philofophie ſelbſt unmittelbar, fondern auch nur in Folge einer großen und langdauernden Entwidlung erreicht wird.

Alles bat feine Zeit. Die mythologiſche Religion mußte voraus⸗ gehen. In der mythologifchen ift vie blinde, weil in einem nothwendigen Proceß ſich erzeugendve, die unfreie, bie ungeiftige Religion. Die Dffenbarung, diejenige nämlich, die in das Heidenthum felbft einzubringen beſtimmt ift (vom Judenthum wurde das Heidenthum bloß ausgefchloflen), die letzte und höchſte Offenbarung alſo, indem ſie die ungeiſtige Religion innerlich überwindet, das Bewußtſeyn gegen fie in Freiheit ſetzt, ver⸗ mittelt anf biefe Art felbft die freie Religion, die Religion des Geiftes, bie, weil e8 ihre Natur ift nur mit Freiheit geſucht und mit Freiheit gefunden zu werben, nur als philofophifche fi vollkommen verwirk⸗ lichen Tann.

Die philofophifche Religion ift demnach durch die geoffenbarte ge- ſchichtlich vermittelt. Der mythologifche Proceß erreicht im helleniſchen Bewußtſeyn fein Ende und bie legte Kriſis; wir fahen an dieſem Punkt ten erften Schimmer einer Bhilofophie hervorbrechen, welche die Mytho⸗ logie zu: begreifen ſuchte; aber ihr Grund wurde damit nicht aufgehoben,

das Reſultat des Proceſſes bleibt im Beruftjeyn, bie vollkommen Be | freiung wird von den Myſterien ſelbſt, deren Ausbildung Herebetst | Püilofopgg. (vopıorais) zuſchreibt, in die Bukunft verwiejen. I der wmpfhologifchen Religion hat ſich das Arjprängliche Berhältuif da Bewußtſeyns zu Gott in ein reales und bloß natürliches wermaubdi; von biefer Seite wird es als ein nothwendiges empfunden, mb def iſt es von ber andern ein vorübergehenbes, das in fich felbft bie jur berung eineß höheren entfält, durch das es aifgehoßen un fo ef fd ſelbſt verflänblid werden ſoll. Dieß ift der tragiſche Bug, der du | das gene Oeidenthum geht. Das Gefühl jener Forberung, und tank | eines Zukänftigen, nothwendig Bevorftehenden umd doch jetst’nict Er | tenubgren, mag man in einzelnen Aeußerungen bei Platon zu erlama glauben, und darin, wenn man will, Ahubungen bes Chriſtenther⸗ fehen. Sokrates, ver feinbfeliger Abfihten gegen bie alten Götter ie ſchuldigt war, erfenut diefe für die Gegenwert fo weit au, daß er im eines Entſchluſſes wegen zweifelgaften Xenophon an das delphiſche Drakd verweist, und feinen Schülern befiehlt, nad) feinem Tode wie für de Genefung von einer ſchweren Krankheit dem Asflepios einen Hahn g opfern. riftoteles von allem Ahudungsvollen in Platon frei, äufe zwar im Anfang der Metaphyfil: auch der Philoſoph ſey ein die My | Liebender wegen des Wunderbaren, das fie enthalten, - und er kam d nicht laſſen, von Zeit zu Zeit feinen Blick nad, ber Mytholegie Fe wenben; aber daß ihn die Mythologie als eine unvollenbete- Thatfeht anläßt, ver nichts für bie Wiffenfepaft abzugewinnen iſt erhellt banal, daß er, deſſen Geiſt alles im ber Erfahrung Gegebene aufs Groharich umfoßt, nie daram gedacht hat, feine Unterfnchungen auf vefigiöfe Zie> ſachen und Erfdeinungen anszubehnen. Welch ein Werk, wenn Ariſ⸗ teles ebenfo wie die verſchiedenen Staatsverfaffungen auch bie verſche— benen Religionen der Völler darftellte, von denen in meite fernen fi er durch feinen königlichen Schüler nit weniger Kunde erhalten ku, als von Thieren entlegener Himmelsftrihe ! Ginmal jebeh mi

! Macrob. Set. I, 18 in. fieht: „Aristoteles, qui Theologumene serizeit

v

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gewiffermaßen im Höhepunkt feiner Metaphufit -Täßt er feine Meinung Uber die Myjthologie erfennen. Wenn man von bet, was bie ganz Alten (saurscrcroı) in Geſtalt des Mythos (dv uuUov ayhuerı) hinter- Kaflen haben, nur das nehme, daß fie die erften Subftanzen (rag sporas ovalas) Götter nennen, das Anvere aber, daß fie Die Götter in menfchlicher Geftalt ober anderen lebenden Wefen Ähnlich vorftellen, zur in Rüdfiht anf ven großer Haufen und fürs gemeine Leben hin⸗ zugefügt annehme, fo mäffe man das Exfte für göttlich gefagt erklären, und es ſeyen in biefem Betracht wahrſcheinlicher Weife, da jede Kunft md jede Philoſophie mehr als einmal, foweit es jederzeit möglich ge- weien, erfunden worden und Mieber verloren gegangen, auch jene Mei⸗ nungen als ſolche Ueberbleibſel (Astyave) bis auf ‚unfere Zeit gerettet worben '. So konnte er benn freilich feine Quelle von Erfahrungser- fenntniß in der Mythologie ſehen, nicht mehr wenigftend als in ven Meinumgen ver Philofophen vor ihm, zu benen er auch ben Heſiodos ſtellt?, mit dem einzigen Unterfchieb, daß er biefen zu ben miuthiich Shiloſophirenden (uvo⸗æcõ aopıLousvovg) zählt, mit welchen tiefer ſich einzulaſſen nicht lohne, nicht zu ven beweifend zu Wert Gehenven (8. arodsl&so Adyosras)?’. Wievie jpäteren philofophifchen Schüler (Stoiker und Epikureer) die Mythologie zu erflären gefucht, haben wir. feiner Zeit geſehen; allein von Erlärung im Allgemeinen ift bier nicht mehr. die Rebe, fondern davon, ob irgenb eine Philofophie oder philofophifche Schule die Mythologie als Religion und zwar in ihrer Eigentlichkeit zu begreifen gewußt babe. Nenne ich num hier bie Neuplatoniker, fo wäre es leicht, ihre allegorifchen Erklärungen miythologiſcher Vorftellungen als Beweife anzuführen, wie fie ſich gegen biefe eben ganz al Rationaliften

Apollinem et Liberum patrem unum eundemque Deum esse asseve- rsi®. Zu zweifeln an ber Nichtigkeit des Namens; auch Theophraſt foll eine isropla pl Ysöv geſchrieben haben. Diod. Lib. V, 48.

U Mitapb. XI, 8 (p. 254, 5 ss. ed. Brandis). Diefe Ausgabe it auch ben häteren Eitaten aus ber Metaphufll zu Grunde gelegt.

2 Zu Parmenibes I, p. 13, 8.

a L. 11, p. 53, 13 ss.

E helling. fämmtl. Werke. 2. Abt. 1. 17

258

——

verhielten. Weil fie jedoch, wie früher bemerkt, um dem Chriſtenthen mit gleicher Macht zu begegnen, ſich gewiſſermaßen genöthigt jahen, va alten Götterlehre einen höheren geifligen Inhalt zu geben, fuditen fe biefes auf zweierlei Weife zu bewerfftelligen, einmal, invem fie.iem Philoſophie felhft das Anſehn einer Mythologie zu verfchaffen fi} b firebten, wobei freilich letztere nicht,viel zu gewinnen hatte, wie wem Plotinos die höchſten Principien feiner Philoſophie mit Uranos, Kreae, Zens verglich oder ihnen dieſe Namen gab, ſodaun, indem fie vie Rip thologie ſelbſt als eine Art von Philoſophie erfärten, mer (worin fe allerbings beſtimmtere Cinficht ale Ariſtoteles zeigten)‘ als umberuik, natürliche (europvrjg Yelocopie), wie fie Iulianns wirklich gem Bat; allein in gleichem Verhälinißz hatte fie aufgehört, ihnen Rılge zu feyn, weßhalb vie nad) Porphyrios Gelommenen theurgifche, magiik Geremonien, Opfer, Beſchwörungen und ähnliche Handlungen mit ve Philofophie in Verbindung zu fegen anfingen. Ob aber die Ram nifer überhaupt, durch das Chriſtenthum gebrungen bie überlicet Götterlehre als Wahrheit zu behaupten, nicht dadurch und durch dei Ekſtatiſche der Mythologie felbft zu der Meinung geführt worben, def nur in einer ebenfall® efftatijchen (über die Vernunft hinausgehenden Philofophie die Mittel dieſe zu begreifen gefunven werben können, über banpt nur Elſtaſe der neueren Zeit und ihrer Anfgabe gewachſen fe, biefe Trage würde fich befier in Folge fpäterer Entwicklungen aufwerfe laſſen. Welche Annäherung zu einer philofephifchen Religion aber man auch den Neuplatonilern zuſchreiben möchte: es würde gegen unjere Be hauptung, daß dieſe nur durch das Chriftenthum vermittelt wurde, nid beweiſen, denn die Neuplatoniter gehören nicht mehr tem reinen Altertkum, fontern der Uebergangszeit an, und find bereits von dem Geijt des Chriften thums angeweht, wie jehr fie ſich ihm auch verfchließen und entgegenfeger

Aber auh nur vermittelt iſt durch das Chriſtenthum die frei Religien, nicht unmittelbar durch daſſelbe geſetzt. Das Beruftien muß ebenfo wieder von der Offenbarung frei geworben feyn, um zu jener fortzugehen. Auch die Offenbarung wird wieder eine Uudk zunächſt unfreiwilliger Erkenntniß. Als Negation des Heidenthums mi

259 in biefent Gegenfag zu ihm wirkt das Chriftenthum ſelbſt auch als reale, unbegriffene Macht (denn nicht durch „vernünftige Reben menfchlicher Weisheit“ wurde dad Heibenthum überwunden); vem äußerlich noch "mächtigen gegenüber mußte für eine gewifje Zeit das Chriftenthum felbft anch zur äußeren. ımb blinven Gewalt werden in der Kirche, deren frühere erprüdenne Macht ein noch nicht ergründetes Geheimniß if, in- wiefern fie fein bloßes Werk menſchlicher Willkür, wie man gewöhnlic fich vorftellt, ſeyn konnte; es war bie Macht, bie das Chriſtenthum dem Heidenthum ausgezogen hatte, um fie ſelbſt an ſich zu nehmen '. Es kommt indeß die Zeit, wo nad) völliger Ueberwindung des Heiden⸗ thums. das Chriſtenthum ſeine Spannung gegen daſſelbe verliert, und bis dahin Princip unfreiwilliger Erkenntniß, nun ſelbſt Gegeuſtaud freiwilliger Erkenntniß wird und infoweit nun mit dem Heidenthum anf die gleiche Linie tritt. Vorzeichen dieſes Gleichgewordenſeyns waren bie plöglich erwachte Begeifterung, ja Liebe für das klaſſiſche Alterthum, in bem bie chriftliche Bildung keinen Gegenfag mehr fah, ber große Umſchwung der Künfte, das Verlaffen ve: kirchlich überlieferten Tupen gegen eine menfchliche, natürlich infofern als heidniſch oder profan er- ſcheinende Tarftellung der chriftlichen - Gegenftände, ver freie Verkehr mit dem Heidenthum, der Standpunkt ver großen Fiteratoren des fünf- zehnten und ſechzehnten Jahrhunderts, denen Heidenthum und Chriften- thum nahezu als gleichgültig erſchienen, indem - fie beide gewiſſermaßen unter fich fahen, wie wenn Cardinäle ver heiligen Kiche im Namen des Pabſtes fprechenn penſelben „Stellvertreter ver unſterblichen Bötter auf Erden“, die heilige Jungfrau felbſt Göttin zu nennen wicht anftanden ?. Solcher Leichtſinn ließ das noch tiefer ind Innere ter Kirche gebrungene ‚Seivnifche überſehen; als ein foldhes erfchien die. mächtige, hochbevorrechtete Prieiterfchaft, die fi im Chriſtenthum eu erhoben, erfchien das beftänbige Opfer, erfchienen die Büßungen, Rafteinngen, Beſchwörungen, der auf äußere und tobte Formen gegründete ! Ipaußeisav aurnv dv aurö Ünnte man jagen mit Anwendung von Col. 2, 15. 2 Belammte Ausbrudsweife bes Earbinal Bembi, |. Lipsii Epist. 37. Centur II.

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Gottesdienſt, erfchien tie Engel-, die Märtyrer-, vie Heiligen: ehrung den Urhebern der Reformation, bie biefem heidniſch gewerten das urfprängliche Chriftenthbum aus ber Zeit, we es ſelbſt nod vom Heidenthum unterdrückt fich rein und frei von ihm erhalten hatte, fat den Ausſprüchen ter Apoftel entgegenfeßten, welche theils felhkt Yin gefehen hatten in ein Weich ver volllommenen Freiheit, das fie als Je bezeichneten, theils das Zwiſchenreich eines unausbleiblich zu erwartete Widerchriftentbums vorhergeſagt hatten.

Die Kirche Konnte fih als fortdauernde, i immer gegenwãrtige Ciier barung geltend machen; aber bie Offenbarung, die in Folge ver Nee: mation nur noch ald eine vergangene, durch fchriftfiche, unter nicht aus zufchliegenden Zufälligfeiten entfianvene Denkmäler zu uns fpricht, wer unvermeinlich ber Kritif ausgefegt, die von den Denkmälern zum Juhak fortgehend, erft vielleicht nur die Wahrheit ver gegebenen, aber bald ans vie Möglichkeit einer Offenbarung beftreitet. Durch einen unaufhaltjamer Fortſchritt, zu tem das Chriſtenthum felbft mitwirkte, mußte das %- wußtjeyn, nachdem von ber Kirche, auch von der Offenbarung ſelbſt w abhängig werden, aus ter unfreien Erfenntniß, in ver e8 auch gegen tift fih noch befand, in ten Etand des gegen fie vollkommen freien, zumähl nun freilich erfenntnißlofen Denkens verfegt werden. Bei tiefem, tice inhaltslofen Freiheit, mit ter auch jeßt manche alles gethan wähnen, fenztt e8 fein Bewenden nicht baten. Eine neue Entwicklung mußte alje jelge.

Nun ift das, was ter Offenbarung inegemein und am ıummitl barften entgegengefegt wirt, die Bernunft; aber das Bewußtſenn, st fi) ter Offenbarung entzog, konnte zunächſt nur ber ihm natürlicen, alfo ebenjowenig freien Erkenntniß anheimfallen ver natürliden Vernunft, melde, wie ter Apoftel fagt, vom Geift Gottes nichts wr- nimmt, fondern zu allem Göttlihen nur ein äußeres und fermelles Ber hältniß hat, durch welche alſo das Bewußtſeyn nur einer antern Kath wendigkeit, einem andern Geſetz und andern Vorausſetzungen, näulid denen ſeines unbegriffenen Erlenntnißvermögens anheimfällt '.

Es war daher mir ein voreiliger nnb angemaßter Titel, wenn im bem Lende.

261 Eine auf diefen natürlichen Boraußfegungen gebaute Wiflenfchaft hatte indeß nicht erft nad} der Losſagung von der Kirche zu entſtehen. Unter- der Bebingung, daß fie feinen Anſpruch machte, den Inhalt der geoffenbarten Religion als eine begriffene zu befigen, alfo philofophifche Religion in dieſem Sinne zu feyn, war fie von der Kirche, der noch unerjchüttert herrſchenden, ſelbſt nicht allein zugeläffen, jonbern fogar

begänftigt; dieſe Wiflenfchaft eriftirte in der fcholaftifchen Metaphyſik, welche eine im eben bezeichneten Sinn fogenannte natürliche oder ra⸗

tionale Theologie (von einer Vernunftreligion war noch nicht die Rede) zu ihrem Schluß und Ende hatte.

Die Natur diefer Metaphufit zu verſtehen, muß man wiſſen, daß ſie drei von der Offenbarung unabhängige, voneinander verſchiedene Quellen der natürlichen Erkenntniß, als ebenſo viel Autoritäten zu Boransjegungen hatte, nämlich:

a) Die Autorität der allgemeinen Erfahrung, derjenigen, die und des Daſeyns und der Beſchaffenheit der ſinnlichen Dinge, ſowie des eignen äußern und innern Daſeyns und der bleibenden ſowohl als wechſelnden Beſtimmungen deſſelben verfichert. (Die Offenbarung als beſondere Erfahrung war ſchon durch die erſte Definition der Wiſſen⸗ ſchaft ausgeſchloſſen, zu der Daß „seposita revelatione* gehörte).

b) Die Autorität der allgemeinen, nicht erſt durch Erfahrung erworbenen Principien, die als xowal Ervoraı, als dem Bewußtſeyn eingeborne gedacht wurden, und unter denen das Geſetz ber Urſache (fo- wohl der Urſache überhaupt, als der d der Wirkung argemeſſenen Urſache) das weitreichendſte war.

ec) Die Autorität der Bernunft ale des Bermögens der Demon firation ober des Schluffes. ALS eine befondere Duelle von Erkennt niß wurde dieſes angefehen, inwiefern man annahm, es feyen durch Schlüffe, in welchen jene allgemeinen, den Charakter der Nothwenbigkeit an ſich tragenden Orunbfäge auf das in ber Erfahrung Gegebene, wo allein die Reformation politiſch velllommen gefiegt hatte, bie erften, welche nach dem Anfehn der Kirche auch bie Autorität der heiligen Schriften und bie Offenbarung ſelbſt angriffen,. ſich Freidenler (free-thinkers) nannten.

Zufällige angewenvet wurben, auch folche Gegenſtände erreichbar, bie aufer aller Erfahrung liegen, 3. B. das immaterielle Weſen der menfhäde Seele; insbefontere aber Laffe fi anf dieſe Weife das Tafeyu Get wirklich ermeijen '.

Tenn allein um das Dafeyn Gottes war es in biefer Meupieh zu thnn, nicht um die Natur, und gegen das in ber Erfahrung Gegeben mußte diefes Tafeyn allertings ein nothwendiges ſeyn. Wenn eins Bi zufälliger Eriftenzen, insbefondere eine im Ganzen und im Gimele als zweckmäßig ſich erweilente gegeben ift, fo muß eine letzte Urfahe und felbft eine intelligente und freiwollende angenommen werben, ee in ſich felbft Bat dieſe Urfache darum keine Nothwendigkeit zu eifire. Man mußte freilih nad der Hand fagen: das, mas die legte Urſehe von allem erfthält, Kann nicht felbft wieder zufällig exiſtiren, nech ein Urfache feines Daſeyns außer fich haben, aljo eriftirt es nothwentig wohlzumerken, wenn es eriftirt; aber daR es eriftirt, ift keine weht dieſer Argumentation, ſondern babei immer. ſchon vorausgeſetzt. Ta Beweis dafür mar aljo fein anderer, als wie er auch für das Taida irgend eines anteren einzelnen, nur nicht in unmittelbarer Erfahren gegebenen Objects 135. B. eines noch nie gefchenen Blaneten) ſich gem ließe. An ſich war Gott bloßes Object ver Erfahrung, reines Ein zelweſen, ter Schluß nur Erfag ter wirklichen, für den natürlice Menihen unmöglichen Erfahrung. Dem angeblich aporiktifchen Arge: ment, das von ber Idee, dem mas Gott ift, ausgehend, deſſen Erijten, daß er ift, felgert, tem darum ontologifdh genannten Argument hatte felbft ta8 große Anfehen des berühmten Kirchenlehrers Anfelmus feinen Eingang in tie herrſchende Metaphyſik verfchaffen können. Die große

' „Causae certitudinis in philosophis sunt experientia universalis. priw cipia et demonstrationes. Demonstrativa methodus progreditur ab ir quae sensui subjecta sunt et a primis notitiis, quae tocantur prindipie Philosophia docet, dubitandum esse de his, quae non sunt sensu om perta, nec sunt principia, nec sunt demosmstratione confirmata“. Diefe a Melanchthons Borrete zu den Locis theologieis zufammengeftellten Worte gift. werauf der Zufammenbang der alten Metaphyſil beruhte.

263

Scholaftifer, wie Thomas von Aquino, ließen es nicht zu, es blieb bei ten Beweifen, von denen die Erfahrung ein Element ift und von benen die Späteren nicht erft Gabriel Biel fondern ſchon Occam erflärten, daß fie nur Probablfität, Teine aporittifhe Gewißheit gewähren. Wurde die Schlußwiſſenſchaft der Metaphyſik vemungenchtet rationale Theologie genannt, fo war e8, weil unter Vernunft als Gegenfat der. Offenbaruug das Ganze der dem Menſchen natürlihen Erfenntniß, inſoweit alfo auch die Erfahrung, begriffen war. ALS beſondere Duelle der Erkenntniß batte die Bernunft auch in der Metaphufil bloß formale ober inftrumentale Bedeutung, uud in dieſem Sinn als bloßes Vermögen zu ſchließen, Tonnte fie dann um fo weniger in ber eigentlichen, auf die Autorität der Offenbarung fich flügenden Theologie eine andere als die bloß dienende Rolleanfprechen ; es war nur eine Unwiſſenheit, wenn mau aus biefer der Beruunft ange» wiejenen Stellung der chriſtlichen Theologie einen Vorwurf machen wollte ',

Diefe Bedeutung alfo der mittelalterlihen Metaphyſik muß man wohl aufgefaßt und verfianden haben, um ven Uebergang in bie folgende, bie nenere Zeit zu verſtehen. Denn, gerade wie zuvor von. ber Offen- barung. (wenigftens formell), follte das Bewußtſeyn auch wieder von ber natärliden Erkenntniß frei werben. Denn nicht umfonft haben wir von den verſchiedenen Quellen berfelben als ebenfo viel verſchiedenen Autoritäten gefprochen. Das Zeugniß der Sinne, dem wir glauben unb auf dem ber. anfehnlichfte Theil unferer Erfahrungsertenntniß berußt, ift bie allgemeinfte Autorität, der fi) jeder hlindlings unterwirft,. vor ver unmittelbar fogar jede andere verſtummt. Aber auch ben allgemei- nen Örundfägen, von benen wir in unſeren Urtheilen beftimmt werben, . B. dem Geſetz ver Urfache und Wirkung, gehorcht umfer Juneres faft ‚nicht anders, als der Körper dem Geſetz ver Schwere gehorcht ?, wir urtbeilen ihm gemäß nicht weil wir wollen oder in Folge eigentlicher

! „Ratio, quatenus facultatem ratiocinandi infert, saltem est ancilla et religionis instrumentum, non principium“. C. M. Pfaffii Institt. Theol. p. 26.

2 Frage: Wie unterfeheibet J— in dieſer Hinficht das Caufalgefet von ber reinen Bermunftertenntniß?

Einfiht, fonbern weil wir nicht anders können. Ebenſo üben die Geier bes Bernmftfchluffes, ohne daß und ehe wir derfelben beiuuft fixb, Aka uns eine völlig blinde Gewalt aus. Zuerſt zum das Anfche kei Syllogismus nicht fein Gebrauch, überhaupt aber feine Tauglichkeit zur Erforſchung der Principien und ber Urfachen, wurde durch Bacı ‚beftritten, der von ben drei Quellen ver Erkenntniß die Stumenerfahug als die einzig berechtigte ftehen ließ, und von feinem Allgemeinen wie wollte, als das durch Induction in dieſem Sinne gewormen wäre Descartes aber hatte dem ntetapbufiihen Schluß felbft den Suf entzogen, indem er gerade bie Realität der GSinnentorftellumgen, af welche jener zuletzt allein alles bauen wollte, in Zweifel zog, und fe der objectiven Gültigkeit der allgemeinen Wahrheiten nicht mehr ze mittelbar vertrauen wollte Damit war das ganze Fünftliche Geweche der Metaphyſik völlig zerrifien. Dieſer Riß vervollftändigte nur be Bruch, der durch die Reformation in das Syſtem der bisher geltenten Erkenntniffe gemacht worten. Eie felbft, mehr aus tief religidfer mt fittliher Erregung als wiffenfhaftlihem Geift hervorgegangen, hatte tir alte Metaphyſik unangetaftet ftehen laffen, war aber eben dadurch un⸗ vollendet geblieben. Ein dunkler Drang hatte ten Yüngling Tescartei anf den Schauplag des großen politiichen Kampfes, ven die Reformation in Deutfchland zu beftehen hatte, und in bie Heerlager ihrer Gegne geführt, und unzweifelhaft wohl in Deutſchland bat er vie erfte Grunt- lage feines Gedankenſyſtems gefunden. Unter beftändigen Betheurungen feiner Anhänglichkeit an die Kirche, deren Urtheil er alle feine Yehr: jäge unterwerfen zu wollen erffärte, fuchte er ein Afyl in Holland, tus er nur verließ, um im äußerſten Norden Europas bei ber Tochter ta Helden, der die Sache ber Reformation in Dentfchland wieder aufge richtet hatte, ven lebten Wohnfig anzunehmen, wie er eine marme Freundin feiner Philofophie an ver Gemahlin des unglüdlichen Fürfen gefunden, gegen den er felbft einft mit am weißen Berg geftanben hatte. Einem foldhen, von der Reformation felbft unabhängig geblichenen Geif war e8 alfo beftimmt, den erften Anftoß zu der wollendeten Befreiun zu geben, ver felbft unfere Zeit nur entgegengebt.

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Bis jekt, wenn‘ das Wort im allgemeinen Sinne gefagt wird, ver- fieht man unter Bernunft das bloß natürliche Erfenntnißvermögen, deſſen Functionen wicht frei, ſondern von gewiſſen ‘ihm felbft unbewußten Boransfegungen abhängig find. Wo es fich dieſer Vorausſetzungen zwar bewußt ift, aber ohne fie begriffen zu haben, wie in ber Mathematik, entfieht eine Art von Wilfenfchaft, aber in welcher die Vernunft doch nicht völlig bei fich felbft.ift, weil fie, wie Platon bemerkt, Voraus⸗ ſetzungen zuläßt, und 3. B. das Gerade und Ungerade, Figuren über- haupt, drei Arten von Winkeln und noch anderes annimmt, worüber die Inhaber dieſer Wiflenfchaft weder fich felbft noch · andern Rechenfchaft geben... Auch in biefen Uebungen oder Künften, wie er fie nennt (denn Wiſſenſchaften will er fie nicht nennen), iſt nach Pläton die Vernunft, aber nicht die felhfthercliche, nicht der unmittelbar wirkende Nus, fon- dern der bloß durchwirkende, Dianoia!, und wohl vermögen fie, zu dem Intelligiblen, nur der Vernunft felbft Zugänglichen zu ziehen, fie zwingen bie Seele, oder gewöhnen fie, des Denkens felbft ſich zu bebienen, um zur Wahrheit felbft: zu gelangen, ohne daß fie felber dieſe zu erreichen im Stande wären. Denn folange fie die Vorausſetzungen ftehen laffen, ohne zu dem, was sicht Mehr Borausfegung fondern das Princip felbft ift, fih zu erheben, träumen fie wohl ‚von dem Seyen⸗ den (dem eigentlich Intelligiblen), aber e8 zu ſehen, mit wachenden Augen zu fehen, vermögen fie nicht ?. Nur wo der Nus durchaus felbft- wirfend Stoff wie Form von ſich felbft nimmt, ohne durch Fremdartiges außer fi) gezogen zu ſeyn, entfteht Epifteme, die eigentliche, das

' Noöv own Isysv nepi avra donovdı doı narroı vorröv uvrov era apris dıavosav dd nalelv wor doxelg rov peunerpinöv re nal rn röv rorvıov Ev, all ov vouv.ag nerafu dosng re nal vov dıavaar ordan- -De Rep. VI. fin. (nad) Orelli).

? Ayoudas pös env vondıv, dirrınal apoc ovdiav, ebendaſ. vu, p. 522 P. nposavayıdkordıy aurf ri vondsı ypjadaı iv Yyuyılv da’ aurıv m alduav. Ebendaſ. p. 526 B.

7 Oveperrovan növ erapi or, Drrap ds aduvarov avrals Idelv, dws av vrod4dedı ypayevam ravrag dnıvnrovg dadı, mM Svvausvar Aoyov di- doran avrav. Ebendaſ. p. 533 C.

ö

Intelligible und das Princip ſelbſt erreichende Wiſſenſchaft. Dieſe alle in das unmittelbar dem Nus Folgende, nach ihr iſt Die Diandia, in der ja der Nus aud noch ift, nur nicht im feiner Reinheit‘. Dem Aus entgegen fteht num aber bie bloße Meinung (SoFcc), unter viefer da Glaube (Rlorız) und die Muthmaßung (eva), fo daß ber Bank der Epifteme, die Mutbmaßung der Dianoia (ber bie fogenannten ap bittifchen Wifſenſchaften erzeugenben Erkenntniftweiſe) entgegenſteht

Nach dieſen Erläuterungen darf ich als verſtändlich annehmen, wenn ich ſage: es mußte der älteren und der neueren Metaphyſik, bie wir Bedenken tragen müßten and) nur als Dianoia im platonifchen Eim zu beftimmen, bie wir vielmehr, auch nach dem, was fo eben bemerft worden (daß ihre Beweiſe bloße Wahrſcheinlichkeit hervorbringen), wet eher dem Gebiet ver Meinung und in biefem tbeils dem Glauben (dem Vertrauen auf das von den Einnen Gegebene und auf tie allge meinen Grundſätze) theils der Muthmaßung zuzumeifen gemdtbigt jeyn könnten e8 mußte, fage id), diefer Metaphufil cin Beftreben folgen, über bie Autoritäten, auf melden dieſelbe beruhte, und die ſelbſt nur ebenjo viele unbegriffene Vorausſetzungen (im platoniſchen Sims; waren, hinauszugehen, um zu der Willenfchaft zu gelangen, bie tab Erzeugniß der Vernunft felbft ift, der Vernunft, inwiefern fie jelhR das urfprüngliche, nichts außer fich bedürfende, von fi) ans vermögen Erkennen ift.

Einen fremden Geſetz unterworfen mar die Vernunft in ber mytb« logiſchen Religion, ebenfo ift fie e8 im Glauben an die Offenbarung als bloß äußere Autorität, worein unleugbar die Reformation zulegt ausgeartet. Aber ſie ift. nicht weniger unfrei, indem fie der unbegriffenen natürlichen Erkenntuiß folgt, und ein nothwenbiger Fortſchritt iſt c, taß fie auch gegen tiefe ſich in Freiheit ſetzte. Wenn fie aber fo fi

' Im Phäbeon ift Platons Sprachgebrauch noch weniger ſcharf beſtimmt; bert braudt er arri v7 dıavora (p. 6SE.), ara nad‘ aurnv eilmpırel vo drasvıa (p. 66 P.), wo er fpäter arrn ri words (J. bie vorletzte Anm.), aud are; vordn de Rep. VII, p. 532 A. fagt.

? De Rep. VII, p. 533 E. es.

ſelbſt zurückgegeben, in ihrer Lauterkeit, Einfalt und volllommenen Auto nemie nicht müßig weilen kann, ſondern ebenfalls Wiffenfchaft erzeugt, fo kann dieſe nicht mehr eine beſondere Wiſſenſchaft feyn, dergleichen die mathematiſchen Disciplinen find und im Grund auch die Metaphufil war; als Erzeugniß der Bernunft felbft kann fie auch nur die Wiſſenſchaft felbft, die Wiffenfchaft im Sinne Platons ſeyn, die, welche er-in biefem Zuſammenhang Sophia nennt; wir aber, weil doch nicht ſogleich als ihr Begriff auch fie felbft gegeben ift, wollen fagen: von da an’ werde Wilfenfchaft gefucht, die Weisheit ift; Philofophie ſey der angemefjene Ausdruck erft für die Stufe nach der Metaphyſik, wenn bie Aptoritäten, auf’ denen biefe beruht, ihr unbebingtes Anfehn zu verlieren anfangen, und ber Erfte, der die Wiſſenſchaft in dieſem Sinn gefuht, ſey Descartes geweſen. Inwiefern ſodann dieſes Suchen zugleich das Beſtreben iſt, über alles, was bloß Vorausſetzung iſt, zu dem durch ſich felbft gewiſſen Anfang - zu gelangen, von dem aus erſt mit Sicherheit die gefuchte Wiſſenſchaft fich -erzeugen laſſe, fey Descartes zugleich der, welcher zuerft das Princip in diefem Sinn geſucht. Die alte Metaphyſik hatte ‚einen gemeinfchaftlichen Mittelpunkt, kein Brincip, von dem fich ihr alles ableitet, fie gli) ver Mathematik durch die Zu⸗ fälligfeit ihres Fortſchreitens und darin, daß fie, wenn auch immer auf Boransgegangenes ſich ſtützend, doch im Grunde mit jedem neuen Gegen⸗ ſtand von vorn anfing...

Hiemit alſo iſt offenbar ein neuer Schritt zur Verwirklichung der freien Religion geſchehen, die wir ja zum voraus auch die philoſophiſche genannt haben. Es iſt, ebenfalls zum voraus, glaublicher, daß die von allen bloßen Vorausſetzungen freie, ſchlechthin von vorn anfangende Wiſſenſchaft (man könnte ſie ſelbſt mit einem chriſtlichen Ausdruck die erıorıyun dvadev yevyndsica nennen), es iſt glaublicher, ſage ich, daß biefe weiter und auch zum Begreifen des Chriſtenthums eher hinau⸗ reiche, als die, welche bei dem bloß Abgeleiteten ſtehen geblieben iſt. Auch das Chriſtenthum verlangt Ueberwindung, aber nicht der Ver— nunft ſelbſt (denn dann hörte alles Begreifen auf), ſondern der bloß natürlichen. Chriftus preist den Vater, daß er es den Weiſen und

Berftändigen verborgen, aber ven Unmlünbigen geoffenbart habe (or: dnexpvwas tauTa EURO COPD xul ovveror, Auexdivypa; avıd vyrlor. Matth. 11, 25). Tiefen Unmünvigen aber, welde kümte ihnen ähnlicher feyn, als vie nichts Wiſſenden, wie Sokrates ein Nichn wiffender ift (im reinen Denken ift: noch nichts vom Wiflen), vie mm Erkennen ganz auf die urfprängliche Einfalt zurücdgegangen. Und wen der Apoftel mit denfelben Worten alle geiftliche Weisheit und Ber ſtändigkeit (naoe» Goplar xl obveoıw Rvevuazızny) den Sea erfleht ', fo Können die Weifen und Verftänbigen (vopo? xcè ovvtrod in den Worten Ehrifti doch nur die bloß natürlich Weifen mb Ber: ftänvigen feyn. Die chriftlichen Theologen in ihren Erörterungen über Vernunft unterfcheiven felbft zwifchen verdunkelter und erleuchteter Ber nunft. Berbunfelt ift aber aud dem Platon der Nus im der bloken Dianoia; denn er fagt: für vie mathematifhen Disciplinen, tie er eft Wiffenfchaften genannt aus bloßer Gewohnheit, müſſe er etwas finden, das dunkler fey als Miffenfchaft, erleuchteter als bloße Meinung, mt eben dieß ſey Tiancia ?2, wo ein angenommener zwar, aber intelligikler und ter Vernunft durchfihtiger Stoff dieſer unmittelbar durchzuwirken erlaubt. Wo nun im Neuen Teftament von Vernunft in weniger gün ftigem Sinn die Rede ift, fteht eben auh Tiancia ?, nie wird Adyos, wohl aber werden häufig tie Aoyıouol (2. Cor. 10, 5) gemanıt, Schlüſſe, die ebenfalls zur bloß natürlichen Erkenntniß gehören. Wem aber Paulus von dem Frieden Gottes fagt, daß er höher ift als ale Vernunft *, höher alfo auch als die, in welcher nichts Verdunkelndet mehr ift, vie nur fie felbft ift, oder menn derſelbe Apoftel Chrifti Liebe als alle Erkenntniß übertreffent bejchreibt °, fo. kann hierin liegen, daß

Col. 1,9.

’Eranydsreoor udv 7 dosns, aurSoorepor. di 7 dmuarnun;, de Rep. VII. p. 533 D.

3.8. Co. 1, 21. (Eph. 2, 3 der Pluralis ai dravorar). Die beiden fint bem Apoftel esnorausro: (vulg. &oxorıdutvon) ri) dıavoıa, Eph. 4, 18.

! n vasp6yovdu adarra vovr, Phil. 4, 7.

® 7 ineoßallousa ris yradens aydan roũ Kpisrod, Epheſ. 3, 19, wobei rov Xpısroi. offenbar genit. aubj.

269

illerdings ihm etwas höher fteht, als auch die wahre, das Chriften- um in feiner ganzen Wahrheit begreifende Erlenntniß, nämlich, die große Sache felbft; denn darauf ift er vor allem bedacht, daß biefe Sade bleibe und nicht zur bloßen Vorftellung werbe, va un zerod 6 oravpög roũ Xgsoroo (1. Cor. 1, 17). Aber es ift ja auch nicht geſagt, daß jene von reiner Vernunft erzeugte Wiſſenſchaft das ſchlecht⸗ bin Letzte ſey und worüber nichts hinausgehe. Wie dem aber ſeyn möge, und wenn in uns ſelbſt etwas alle Vernunft Uebertreffendes Liegen follte, fo wird von biefem erft dann bie Rebe ſeyn Föunen, wenn bie Bernunft- wiſſenſchaft bis an ihr Ziel geführt ift, davon fie aber noch weit entfernt iſt. Und eben dieſe Hinausführung wird unfere erfte Aufgabe feyn. Dieß ift ein weiter Weg, ver vor uns liegt, aber ich fage dieß abficht- Gh, damit bie, welche gefonnen find, uns zu folgen, fi zum voraus mit ber nöthigen Kraft und Ausdauer rüſten, die andern aber, welche dieß nicht wollen ober nicht vermögen, bei Zeiten zurückbleiben. Denn wie im Leben, fo gibt es auch in der Wiflenfchaft eine Feigheit und einen Muth, des Entſchluſſes, und bei jeder ſchwierigen Befteigung einer Höhe werben bie Schwäclinge ‚auf der Mitte des Weges erfchöpft zu- rudbleiben.

Wir lenken daher jetzt auf Descartes zurüd, ber ben erften Anſtoß gegeben zu dieſer von der Vernunft ſelbſt erzeugten Wiſſenſchaſt, und der vor, allem den ſelbſt nicht vorausſetzungsartigen, ſondern jede Vor⸗ ausſetzung übertreffenden Anfang fucht. Sein Weg zum Princip ift ver Zweifel. Aber weil alles Zweifeln etwas vorausfegt, und zwar sben das, woran es zweifelt, ſo ſcheint dieſes Mittel doch nicht hin- reichend zur volllommenen Befreiung. „Ic zweifle, ich denke, alſo bin ich“, dieß der befannte Anfang, womit er eine Gewißheit erlangt glaubt, wie fie über die äußern Dinge nicht ftattfinde. Aber: ich zweifle an dem Seyn ver Dinge aufer mir, alfo find fie, ift ein nicht minder gültiger Schluß. Denn an dem, was überall nicht und auf Feine Weife wäre, könnte auch nicht gezmeifelt werden; daß aljo die Dinge auf ge- wiſſe Weiſ e find, folgt allerdings aus dem Schluß; im „Ich bin“ liegt aber auch nicht mehr, als daß ich irgendwie und auf gewilje Weije bin; "

U

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biefe Weife ift ſogar als eine beftimmte erkanut, es folgt ſogar um, daß ich im Actus des Denkens bin, aber nicht, daß außer ihm, uiht unbetingt: Sum, fonvern nur: Sum res cogitans (je suis une chow qui pense). Zweifel fagt zu viel over zu wenig im Anfang ber Phil⸗ fophie, je nachdem man es nimmt. Das Richtige ift: zurückweiſen, ai nicht fenend betrachten alles nicht von der Vernunft felbft Geſeht auf fo lange bis e8 von biefer aus erfannt und begriffen if. Dieſel Zurückweiſen muß aber dem „Ic; bin“ ebenfomohl gelten als dem daj Dinge find. Denn nicht bloß das mir, fondern das am ſich zwei bafte Seyn wird beijeitgefegt nicht für immer, fondern bis fen Zeit gekommen ift. An fich zweifelhaft aber. ift alles, was nur ein jo und nicht ſeyn Könnendes if. Im der That auch gründet Gartefint durchaus nichts auf dieſe, wie die neueften Enkomiaſten unter feines Landsleuten fagen, pſychologiſche Thatfahe. Wahr wird ihm das m „Ich bin“ ausgebrüdte Eeyn, und wahre Gewißheit erhält es für ihn jelktt doch erft durch den Zuſammenhang mit dem, deſſen Daſeyn weder af Erfahrung noch auf Schlüſſen beruht (dieß alles ift als zweifelhaft er- Härt), ſondern das ihm in Folge feines bloßen Gedacht ſeyns Iſt, ge wiß ift im reinen Denken, ohne taß tiefes aus fich felbft herausgeht, und nad dem allgemeinen Grundſatz tes fi) nur zu fich felbft verbal tenden Denkens (dem fogenannten Grundfag des Widerſpruchs). Test fo Gewiſſe ift ihm Gott, weil in dieſem das ſchlechthin vollkommere Wefen gedacht ift, und er dieſes nicht wäre, wenn er nicht eriftirte

Dian fieht: Descartes will die Eriftenz Gottes als vie im reinen Denken gefegte. Aber ter Gedanke mißlingt ihm, inmiefern er bed einen Mittelbegriff einfchaltet (ven, daß bie Eriftenz eine Bolllommenbet iſt) und einen Schluß fermirt. Das ift alfe nicht ver Gegenftand, ven dem Platon gefagt, daß ihn die Bernunft felbft berührt ?. Außerden

Jin kurzeſten Ausdrud bei Malebranche: leristence etant une perfecion, elle est necessairement renfermee dans celui qui les a toutes. Meditation: metaphysiques. Paris 1841. p. 57. Il auffit de penser (a) Dieu pour savoir qu'il existe; an verſchiedenen Orten.

? ou aırög 6 Aoyog Anreraı. De Rep. VI, p. 511 B.

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Ibeint für Descartes an "dem inhaltsreichften Begriff des fchlecht- bin volltommenen Weſens nichts wichtig, als daß aus ihm die Eriftenz folge; aber daß Gott „alles in fich einfchließt, was von Realität und Bolllonmenheit in den andern Wefen ift“, ſcheint vergeflen, und bes eigentlichen Zweds, der Wiſſenſchaft, wird nichtmehr gedacht. Wenn Gott das Wefen iſt, das alle Realität und Vollkommenheit in ſich ver- einigt, fo war es unerläßlich zu zeigen, wie aus einem ſolchen Wefen dieſe Welt von Einſchränkungen und Negationen hervorgehe, die wir in der Erfahrung antreffen. Allein Descartes bricht ab, und auf das, um befien willen doch eigentlich das unzweifelhaft Seyende gefucht worden, das Begreifen des zweifelhaft Seyenden, verzichten, gründet er-fein Fiir» wahrhalten der Dinge und felbft ver ewigen Wahrheiten, namentlich der mathematiſchen, auf einen Glauben, auf ven nämlich, daß Gott, weil er als das volltommenfte nothwendig auch das wahrhaftigfte Wefen fen, ihn nicht betrügen werde; und vollends wie er in bie fpecielle Phyſil übergehend, als Poftulat annimmt ', daß Gott die Materie erfchaffen amd gleih anfänglih in foviel möglich einander gleiche, doch nicht runde, weil biefe ben Raum nicht ftetig erfüllt haben würden, fonbern anders geftaltete Theilhen von mäßiger Größe getheilt habe, da verliert ſich vollends jede Spur von Wiſſenſchaft, und man hat Mühe zu glauben, daß vieß derſelbe Sartefine ift, der die erften Mebitationen geſchrieben.

Nicht viel anders iſt es mit dem nächften Nachfolger, M alebranqhe— der, wenn er von Gott ſagt?: er hat alles was möglich, um ſo mehr Aufforderung hatte, zu zeigen, theils auf welche Weiſe Gott im Beſitz der Allmöglichkeit ift, theil8 welcher Uebergang von biefer Allmöglichleit zur Wirfichleit fe, der insbefondere, wenn er wagt zu äußern (bei ferner fonft belannten. Denfart darf man die Aeußerung wirklich eine kühne nennen), daß auch die Materie Bezug hat auf eine Vollkommenheit, vie in

So vollſtandig findet ſich wenigſtens bei Spinoza die Sache, der in ſeinen Cogitatis Metaphysicis dem Carteſiſchen Syſtem eine wiſſenſchaftliche Geſtalt zu geben ſucht.

2 Il a tout ce qui est poſssible. Medit. metaphys. p. 24.

.

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Got ift', um fo mehr verpflichtet war, dieſen Bezug madhzenweifen un zu erforfchen. Aber weber baran beuft er, noch wie es zu ber Theilnahme (@pertieipation) und unvollfommenen Nachahmumng des göttlichen Weſens Tomme, bie er in den Dingen fleht, fucht er irgenbiwie zu erklüren

Dennoch iſt durch Malebrande ein wichtiger Cxhritt gefehehen, wen er ſelbſt auch deſſen Bedeutung nicht erlennt. Denn da wo er auf die Weiſe ſeines Vorgängers erflärt, daß Gott alles, was in ben Dinge Bolltommenheit iſt, in ſich begreife, bricht er ab und fagt: ex iR wit einem Wort das Seyenbe (il est en un mot Iftze)?. Die Billig: keit verlangt anzunehmen „baß „das Sehenbe“ nifft im generifhen Clan gemeint, ift, wiewohl er bie Unvorſichtigkeit hat, auch zu fagen: Gett ſey la generslit, l’&re en general (eiumal wenigſtens l’&tre uni- versel), zu welchem Ausdruck ihn · wahrſcheinlich das Ens ver Sqhe⸗ laſtiler verleitet hatte,- das ihnen genus generalissimum iſt, von bem fie ausgehen und das fie ald das in jevem Betracht Unbeftimmte (ens omnimodo .indeterminatum) erffären. Die Nachwirkung ber früheren Schule zeigt ſich durch wörtliche Uebereinftimmung, wo er von ber Idee vague de l'ätre en general ſpricht, die unferem Geift innig gegen wörtig fep?; denn ganz fo ſprechen die Thomiften von dem ens in genere*; unb eben dahin ift zu rechnen, wenn er für'ben-pofitioften Be- griff nur negative Ausbräde weiß, wie retre indetermine, l'&tre sans restriction. Aber berfelbe Malebranche fagt doch auch: Gott iſt nicht ein ſolches ober ſolches Wefen, er ift meit eher alles Seyende, il est bien plutöt tout &tre, omne ens 'ober omnia entia, wie ſich bie von ihm ſelbſt gebiligte lateiniſche Ueherfegung ausdrüct .

! Recherche de la verito, L. II, Ch. 9.

2 S. Entretien d’un philosophe Chrétien ayec un philosophe Chinois, gleich im Anfang. Bemerkt ſey gelegentlich, daß uns das Seyen de aud in ber Wolge wichts anderes bedeuten wirb, ais das framgöſtſche 1’Etre; wo von jenem bie Rebe, müßte frauzöfiſch biejes geſett werben.

® Rech. dela V. L. III, Ch. 8, nicht bloß in ber Aufchrift, fonbern auch im Ten

© Dan vergl. 8. 4, Rents philosophia ad mentem D, Thomae Aquin. gieih bie erften 95.

SR. de la V. . B. III, 9 extr. Entretiens 1. c.

Recht verftanden und im ganzen Umfang erfaßt, war biefes, daß . Gott das Seyende ift, der. wichtigfte Schritt, vie größte Einficht ge weſen, mit der allerdings ein Wendepunkt eintteten konnte, imwiefern man hiemit aufgegeben hatte, Gott als bloßes Einzelweſen zu wollen, womit ſich, wie geſagt, die Beweiſe der früheren Metaphyſik zufrieden geftellt hatten. Gott kann nicht bloßes Einzelwefen feyn, und der Gott, ver. nicht das Seyende wäre, könnte and; nicht Gott fen; für das bloße Einzelwefen gibt es Feine Wiffenfchaft. Aber ja nicht bloß zu der Wiffen- ihaft, auch zum Gefühl, iſt anders Wahrheit in ihm, hat Gott nur dadurch ein Verhältniß, daß er das allgemeine Weſen iſt. Freilich nicht das Seyende im abſtracten, beſtimmungsloſen, ſondern im beſtim⸗ mungẽvollſten Sinn, das Seyende, dem nichts fehlt was zum Seyn ge⸗ hört, das vollendet Seyende, To wetvrehos Öv, wie es Platon ges nannt bat’. -

Descartes wollte dad-im reinen. Denken, injofern unabhängig "von biscurfiver Wiſſenſchaft/ geſetzte Seyn als Anfang, aber der unvollkom⸗ men verſtandene Anfang ließ den wahren Fortgang nicht finden und blieb für die Wiſſenſchaft ſelbſt ohne Folge. Gott ift das Seyende (in eben beftimmtem Sim), fagt nicht eigentlich: Gott Iſt; es iſt, wie Sie ſelbft ſehen, ein Exiſtentialſatz, ſondern ein bloßer Attributivſatz. Aber dieſes das⸗ Seyende⸗ſeyn/iſt auch ein Seyn, nur eben nicht das Seyn Gottes überhaupt, wie Descartes es durch das ſogenannte ontologiſche Argument bewieſen haben wollte, ſondern eben nur das im reinen Denken

geſetzte; wir können es auch das reine Vernunftſeyn oder das in die Idee eingeſchloſſene Seyn Gottes nennen, denn das Seyende als das ſchlecht⸗ hin Allgemeine ift nicht eine Idee, fondern die Idee ſchlechthin, die Idee ſelbſt; ſoweit alſo Gott nur das Seyende iſt, ſoweit Iſt er auch nur in ber Idee, ewig, aber nur in dem Sinn, wie wir auch im’ reinen - Denken gefegte Wahrheiten ewige nennen. Jenes das - Seyenbe-feyn ift alfo au ein Seyn, nicht ein Seyn, das eine der Vollkommenheiten ift, die in Gott vereinigt find, fondern das feine Vollkommenheit jelbft

=

' De Rep. V, p. 477 A. Schelling. ſammtl. Werke. 2. Abth. 1. 18

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Gott ift', um fo mehr verpflichtet war, biefen Bezug nachzuweiſen nat ;a erſorſchen. Aber weder daran denkt er, noch wie e8 zu der Theilnahme (perticipation) und unvollfommenen Nachahmung des göttliche Wefens komme, bie er in den Dingen fieht, fucht er irgendwie zu erärn.

Dennoch ift durch Malebranche ein wichtiger Schritt gefchehen, wen er felbft auch deſſen Bedeutung nicht erfennt. Penn ba wo er auf die Weife feines Vorgängers erflärt, daß Gott alles, was in den Dina Bolllommenheit ift, in ſich begreife, bricht er ab und fagt: er Mi mi einem Wort das Seyende (il est en un mot l’Etre)?. Die Bilig feit verlangt anzunehmen, daß „pas Seyende“ nicht im generifchen Sim gemeint ift, wiewohl er bie Unvorfichtigkeit hat, auch zu fagen: Get fey la generalite, l'être en general (einmal wenigftens l’ätre uni versel), zu welchem Ausdruck ihn wahrfheinlih das Ens der Cie laſtiker verleitet hatte, da8 ihnen genus generalissimum ijt, von vem fie ausgehen und das fie als das in jevem Betracht Unbeſtimmte (ens omnimodo indeterminatum) erklären. Die Nachwirkung ver früheren Schule zeigt fi) durch wörtliche Uebereinftimmung, wo er von ber Ide vague de l’etre en general fpridt, bie unferem Geift innig gegen wärtig ſey?; denn ganz jo fprechen die Thomiften von dem ens in genere‘; und eben dahin tft zu rechnen, wenn er für den pofitivften Be griff nur negative Ausbrüde weiß, wie l’&tre indetermine, l’&tre sans restrietion. Aber derſelbe Malebranche jagt doch auch: Gott iſt nic ein ſolches oder ſolches Weſen, er ift weit eher alles Seyende, il ed bien plutöt tout @tre, omne ens oder omnia entia, wie ſich bie ven ihm felbft gebilligte Iateinifche Ueberfegung ausdrückt?.

I Recherche de la verite, L. III, Ch. 9.

2 ©. Entretien d'un philosophe Chretiien avec un philosophe Chinois. gleich im Anfang. Bemerkt fey gelegentlich, ta uns das Seyende audi ber folge nichts anderes bebeuten wird, als das frangöfifche 1'Eıre; wo ven jenem bie Rede, müßte franzöfifch biefes geſetzt werben.

3 Rech. de la V. L. III, Ch. 8, nicht bloß in ber Aufichrift, fondern auch im Tat

Man vergl. 3. 4, Rentz philosophia ad mentem D, Thomae Aquin. gleih tie erften 88.

> R. de la V. . B. IIL 9 extr. Entretiens 1. c.

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Recht verftanden und im ganzen Umfang erfafit, war dieſes, daß Sott das Seyende ift, der. widhtigfte Schritt, die größte Einſicht ge weſen, mit ber . allerdings ein Wendepunkt eintteten fonnte, inwiefern man hiemit aufgegeben hatte,. Gott als bloßes Einzelmefen zu wollen, womit fich, wie gefagt, die Beweiſe ver früheren Metaphyſik zufrieden geftellt hatten. Gott kann nicht bloßes Einzelwefen ſeyn, und der Gott, der nicht das Eeyente wäre, könnte and; nicht Gott ſeyn; für das bloße Einzelwefen gibt es feine-Wiffenfchaft. Aber ja nicht bloß zu der Wiſſen⸗ ſchaft, auch zum Gefühl, iſt anders Wahrheit in ihm, hat Gott nur dadurch ein Verhältniß, daß er das allgemeine Weſen iſt. Freilich nicht das Seyende im abſtracten, beſtimmungsloſen, ſondern im beftims mungövollften Eim, das Seyende, dem nichts fehlt was zum Seyn ge- bört, das vollendet Seyenbe, ‚nevrehög Ov, mie es Platon ge⸗ nannt hat’.

Descartes wollte das-im reinen. Denken, inſofern unabhängig von discurſiver Wiſſenſchaft, geſetzte Seyn als Anfang, aber ver unvollkom⸗ men verſtandene Anfang ließ den wahren Fortgang nicht finden und blieb für die Wiſſenſchaft ſelbſt ohne Folge. Gott iſt das Seyende (in chen beftimmtem Sinn), fagt nicht eigentlich: Gott Iſt; es ift, wie Sie ſelbſt ſehen, fein Eriſtentialſatz, ſondern ein bloßer Attributivſatz. Aber viefes das⸗Seyende⸗ feyn/ iſt auch ein Seyn, nur eben nicht das Seyn Gettes überhaupt, wie Descartes es durch das ſogenannte ontologiſche Argument bewieſen haben wollte, ſondern eben nur das im reinen Denken geſetzte; wir können es auch das reine Vernunftſeyn oder das in die Idee eingeſchloſſene Seyn Gottes nennen, denn das Seyende als das ſchlecht⸗ bin Allgemeine iſt nicht eine Idee, ſondern die Idee ſchlechthin, die Idee ſelbſt; ſoweit alſo Gott nur das Seyende iſt, ſoweit Iſt er auch nur in der Idee, ewig, aber nur in dem S Sinn, wie wir auch im reinen Denken geſetzte Wahrheiten ewige nennen. Jenes das⸗ Seyende⸗ ſeyn iſt alſo auch ein Seyn, nicht ein Seyn, das eine der Vollkommenheiten iſt, die in Gott vereinigt ſind, ſondern das ſeine Vollkommenheit ſelbſt

=

' De Rep. V, p. #77 A. Schelling, fammıl. Werke. 2. Abth. 1. 18

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ift, denn das Seyende feyn ift eben: das Bolllonnmene, das Babe:

ſeyn. Auch ein Beweis ift. hier nicht, denn es ift das ummiliedhr , von der Vernunft geſetzte Seyn, in allem Beweis aber ift eine Bermit-

lung, aber beſonders nicht ein Beweis ber Eriftenz Gottes, wie kei

bis jegt allgemein verftanden wird, nämlich ber Eriftenz Gettes ke

haupt; es gibt feinen ſolchen Beweis der Kriftenz Gottes überhaum,

benn es gibt feine Eriftenz Gottes überhaupt. Gottes Eyikm ift gleich und unmittelbar eine beftimmte; vom unbeftimmten Eeyn Gebet iſt nicht fortzufchreiten. Darum konnten weber Descartes noch tie im bierin folgten zur Wiffenfchaft gelangen. Anders nad, ber eben fit (ich vorerft mehr angebeuteten als ausgeſprochenen Anfiht. Mit dicker ift unmittelbar ein Fortgehen, von der Eriften; nämlich, in welcher Get nicht al8 Er jelbft, fonvern als das ſchlechthin Allgemeine if, zu tem Seyn, in welchem er als Er felbft ift, von dem im Seyenden eng widelten zu tem aus tem Seyenden bervorgetretenen (a Deo implien ad Deum explicitum), von dem nicht mehr zu fagen ift, tag er wu Eeyente, fordern daß er das ift was das Seyende ifl. .

Tas lette Ergebniß diefer Unterſcheidung liegt noch in großer derx und kann vorerft nur mit Zurüdhaltung ausgeſprochen werten. Tenneb, wenn nicht reell, müfjen auch in ber Idee fchon Gott und das Senente unterfchieten ſeyn, unterſchieden als Eubjelt und als Attribut. Gen muß daher ſchon in feinem das⸗Seyende⸗Seyn als ein fürsfich-jegn- Kir nendes, Abfonderliches (ein xwgeorov im ariftoteliihen Einn' gerat! feyn. Bon einer ſolchen vorerft nur begrifflichen Unterſcheidung it ki Descartes Feine Spur, eine erfolgloje, fchnell verwehte aber weni ftens bei Malebranche, inwiefern er einmal unterfcheidet: vie gönlid Eubftanz abjolnt genommen und fufern fie jih,auf die Ereaturen bezich und durch fie participakel ift!. Dieß Fönnte in unferer Sprache aut

' La substance divine prise absolument et en tout que relative aus creatures et participable par elles. R. de la V.L. Ill, ch. 6. ie Urt ſcheidung ift von Thomas von Aqu. genommen, ber fagt: Potest cognoseci Leis non solum secundum quod est in se, sed etiam secundum quod ei fer ticipabilis, secundum aliquem modum similitudinis, a cresturis. ©. di

- Bwölfte VYorlefi ung.

Wir haben geſehen, wie die von Descartes ausgegangene Bewegung nicht über den Anfang hinauskommen, auf dem Wege zur Wiſſenſchaft dieſſeits ſtehen bleiben ſollte, Spinoza aber, indem er die Unbeweglichkeit des Princips ausſprach, eigentlich kein anderes Syſtem übrig ließ, als das eines abfoluten wiſſenſchaftlichen Quietismus, der wohlthätig er⸗ ſcheinen kann gegenüber, den blinden Beftrebungen eines vergeblich rin genden Denkens, aber zugleich dem Denken eine Berzichtleiftung auferlegt, der es ſich feiner Natur gemäß nicht unterwerfen kann.

Nach der eingetretenen, nicht ſofort überwindlichen Stodung blieb zweierlei übrig: auf alles Metaphyſiſche verzichten, als einzige Quelle die Erfahrung anzuerkennen und aus ihr ſelbſt die zu jeder Erfenntniß noth⸗ wendigen Begriffe abzuleiten, ober zu dem alten Verſtandesweg ber früheren Metaphyſik zurückkehren. In der erſten Richtung ging England voran, Frankreich folgte. "Wit haben inzwifchen erlebt, daß in dem Vaterlande des Descartes ein Theil der muthvollen Geiſter wieder eine Metaphyſil fordert, wenn’ aud, mit dem Vorbehalt der Initiative durch Die Erfahrung. Ob dießmal England folgen wird, ftebt dahin. Auf alle Anregungen in biefem Sinne, woran e8 nicht gefehlt ich erinnere an Coleringe hat e8 die Antwort: „Ich bin reich und gar fatt und barf nichts“ '. Der Welthandel, die ungeheure Entwidlung des Kunftfleißes, die un⸗ abläffige, ‚wenn auch bis jett regelmäßige Bewegung feines politifchen Pebens, im Verein mit einer bunfeln, - barbarifchen Rechtsgelehrſamkeit und einem ſtarren Kirchenthum, nehmen von einer Seite ſo viele Geiſter

Bedarf nichts, Off. Joh. 3, 17.

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ift der Sinn des Worte, daß in Gott Weſen und Seyn Eins fit". Die Unterfheivung wäre alfo bei ihm ohne Zwed. Auch tie Une: ſcheidung vorausgefegt, wüßte er Gott Tein anderes als ins exix ober Bernunft-Seyn (das die-unenblihe-Subflang-Seyn). Alles iſt am. Aus dem ewigen, alfo dem reinen Bernunft-Seyn können auch nur ewig Wahrheiten folgen, und bie Tinge fließen aus ver Natur (vem Weſen Gottes nicht anders, als aus der Natur des Dreiecks die Wahrheit fel, daß die Winkel zufammengenommen zweien rechten gleich ſind. Cinge ſchloſſen in das ewige Seyn hat Gott zu Welt und Lingen fein ante? Berhältniß als das der bloß wejentliden, nicht der wirklichen Urſache Aber auch diefe rein logifche Folge wird bloß verfichert, nicht gezeigt. Te Begriff der unendlichen Subftanz ift von feinem, wie man. erwarten folk, dur das reine Denken gewonnenen Inhalt erfüllt, der Begrin des vollfommenften Wefens verfhwunden, wenn man nicht einen Kat defjelben in ver Andeutung einer unbeftimmbaren Menge göttlicher Attri- bute fehen will, von benen ung burd Erfahrung nur vie zwei, ta8 unendliche Tenfen und die unendliche Ausdehnung, befannt feyen. Her in ein völlige Abbrechen von ftreng rationaler Entwidlung (vie fchreienzie ueraßaoıs eis a).).o zyevos,. Es Iohnte nicht der Mühe, zu vem reinen Vernunftſtandpunkt fich zu erheben, um fo wieter in tie Erjah rung zurückzuſallen.

Aber wir dürfen dieß nicht überfehen die große Beſtimmung daß Gott das allgemeine Wefen ift, zu welchem Descartes ven Anlf gegeben, die durch den franfhaft frommen Malebrandhe nur ſchwach wer: treten war, mußte fo ift der Gang menjhliher Dinge von Spurp zum alles verfchlingenden, Wiſſenſchaft und Religion gleicherweife ver zehrenden Togma erhoben werten, um ihr volles Gewicht, ihre dauernde Geltung zu erlangen.

' In Deo Essentia et Existentias unum idemque sunt.

. Bwölfte vorleß ung.

Wir Gaben gefehen, wie bie von Descartes ausgegangene Beivegung nicht über den Anfang hinausfommen, auf bem Wege zur Wiffenfchaft vieffeits ftehen bleiben follte, Spinoza aber, indem er bie Unbeiveglichfeit des Princips ausſprach, eigentlich fein anderes Syſtem übrig ließ, als das eines abfoluten wiſſenſchaftlichen Quietismus, ver wohlthätig er- feinen Tann gegenüber ben blinden Beftrebungen eines vergeblich rin» genden Dentens, aber zugleich dem Denken eine Verzichtleiftung auferlegt, ver es ſich feiner Natur gemäß nicht unterwerfen kann.

Nach der eingetretenen, nicht ſofort überwindlichen Stockung Sieh zweierlei Abrig: auf Alles Metaphufifche verzichten, als einzige Duelle bie Erfahrung anzuerkennen und aus ihr felbft-vie zu jeder Erfenntniß noth⸗ wendigen Begriffe abzuleiten, oder zu dem alten Verſtandesweg ber früheren Metaphufil zurüdfehren. In der erften Richtung ging England voran, Frankreich folgte. Wit haben inzwifchen erlebt, daß in dem Baterlande des Descartes ein Theil der muthvollen Geifter wiever eine Metaphyſik fordert, wen auch mit dem Vorbehalt der Snitiative durch die Erfahrung. Ob dießmal England folgen wird, fteht dahin. Auf. alle Anregungen in biefem Sinne, woran es nicht gefehlt ich erinnere an Coleridge hat e8 die Antwort: „Ich bin reih und gar ſatt und darf nichts“! Der Welthandel, die ungeheure Entwidlung des Kunftfleißes, die un« abläffige, wenn auch bis jegt regelmäßige Bewegung feines politifchen Lebens, im Berein mit einer dunkeln, - barbarifchen Rechtögelehrfamteit und einem ftarren Kirchenthum, nehmen von einer Seite fo viele Geifter

Bedarf nichts, Of. Joh. 3, 17.

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in Anſpruch, und geben von ver antern ‚Seite allen Verhältniſſen cu folche Feſtigkeit, daß man feine Neigung empfinden faun, ven Zuflla, vie mit Verfolgung ver höchſten Wilfenfchaft unvermeidlich verkute fcheinen, fi) zu unterwerfen, und mit Behagen entbehrt,. werauf fett h langer Zeit tie Teutfchen einen fo hoben Werth legen.

Ten anderen Meg ſchlug Deutſchland ein: bie Metaphyſik fiel iha als Erbe zu, mit ihr die wenig beneivete Führung in wiſſenſchafiliher Philoſophie. Zumähft aber mußte tie hergebrachte Metaphyſik ſche darum in einen ziemlich weiten und unbeftinunten Effefticismns fid um- wandeln, meil fie nicht vermeiden konnte, die nenen durch Descarket in tie Philefophie gelommenen Glemente aufzunehmen, wie jegt neben der antern durchgängig mit auf Erfahrung beruhenden Argumenten ber ea Tescartes geltend gemachte ontolegifhe Beweis feine Etelle hatte; ven ter antern Zeite hatte ter englifhe und franzöfifche Enmpirismus ve Philoſophie eine eutſchieden jubjektive Richtung, nänilich tie Ricturgz auf Unterſuchung des Urſprungs ver nothwendigen Begriffe gegeben: vocke, ter ten Begriff der Subſtanz, Hume, der den ter Urſache mu: kend gemacht, bewirkte tamit, daß biefe Begriffe nicht mehr wie in ter ehemaligen Metaphyſik fich einfach vorausfegen ließen: fie felbit mut begriffen feyn, und waren Öegenftände wie andere, nicht mehr Frir cipien. Es murte daher insbefondere Die Verhandlung über die ange bernen Begriffe ein Hanptfapitel Diefer neueren Metaphyſik.

Eine autere, mehr äußere Erweiterung wurde ihr durch tie Erf bungen oder Hypothefen unferes Leibniz, teren Urheber vielleicht weai: ger die Abjicht hatte, fich felbit geltend zu machen, als die Haupüraze einftweilen in größere gerne zu rüden: gegen einen berühmten Theologen jellte er ſelbſt deß feinen Hehl gehabt haben, tag es ihm wenigftene ut der Theodicee mehr Epiel als Ernſt gewejen!. Wie bem ſeyn mau, ich wäre cher geneigt anzunehmen, daß tie monadologiſchen Thee— reme, bie präftaßilirte Harmonie unb was weiter baran hüngt,

S. in Des Maizeaux, Recueil de diverses pieces, T. 1, tag Averuſse ment zur 3. Ausgabe S. XXII ss.

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N —.--

Mendelsfohn, und doch auch nicht ein Spinoziſt ſey, wie Leſſing. Später als bereits ein anderer Geiſt in die Zeit gekommen, und an die Stelle der bloß vermittelnden die von ſich aus ſetzende und vermögende Vernunft deutlicher hervorgetreten war, ſprach er von einem unmittelbaren Ver⸗ nunftwiſſen Gottes, offenbar bloß um ſich der Zeit mehr gleich zu ſtellen; denn' ein ſpeculativer Verſtand war nicht dabei, indem er dieſes unmittel- bare Bernunftwiffen weder aud dem Wefen ver Vernunft noch aus ver Natur. Gottes, ſondern bloß aus dem äußern Umſtand ableitete, daß allein der Menſch von Gott wiſſe. Denn hatte es mit dieſem unmittel⸗ baren Vernunftwiſſen einen wahren Verſtand, jo war auch ſogleich ein- zufehen, daß der Gott, den der Menſch nur in einem foldhen Wiffen befiten kann „Jelbſt in die Vernunft eingeſchloſſen ſeyn mußte, und da⸗ her ſoweit nur das allgemeine Weſen, nicht der perfünliche ſeyn konnte. Rerfönlich nennen wir ein Wefen gerade nur, inwiefern es frei vom Allgemeinen und für fi ift, inwiefern ihm zufteht, außer ber Ber- nunft, nady eigenem Willen zu ſeyn. Nun blieb allerdings übrig zu jagen, was jenes unmittelbare Vernunftwiffen nicht gemähre, werde durch die Wifjenfchaft erreicht, deren Sache ſey es, den in den Ver⸗ nunftwiffen eingefchloffeneh Gott aus viefem heraus in das eigene Wefen, alfo in die Freiheit und Perfönlichkeit zu führen. Aber dem Reden vom. unmittelbaren Vernunftwiſſen folgt unmittelbar das alles nicberfchlagende Wort: „Aber zur Wiſſenſchaft kann dieſes Wiſſen ſich nicht geſtalten“. Denn daß es ſelbſt durch Wiſſenſchaft nicht ermittelt ſey, liegt ſchon in der Beſtimmuug des unmittelbaren. Begreiflich, wenn ein ſolches un⸗ klares und ſich ſelbſt widerſprechendes Reden ſich höchſtens eine epifo- diſche Bedeutung erwerben konnte. Vom höhern Standpunkt indeß war in allem feit Descartes Verſuchen eher Stillſtand als Fortſchritt. Descartes hatte die alte, wit den Mitteln der natürlichen Vernunft aufgebaute Metaphyſik nur eben erjchüttert, und auch dieß nur vorüber- gehend. Denn war ihm erft die wirkliche Eriftenz einer Sinnenmelt und die Güftigfeit der allgemeinen Grunbfäge durch Gott verbürgt, fo fonnte auf dem geficherten Boden die Metaphuflf ihr -altes Geſchäft wie: der von vorn anfangen, aufgehoben war ihr Stanbpimft nicht. Ueber

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das allgemeine Weſen iſt, fo exiſtirt er nicht ſo, daß das Seyn ma ihm auszuſagen iſt. Um es von ihm aus, d. h. ſo zu ſagen, daß a dabei Terminus a quo wäre, müßte er uoch etwas anderes als tes Seyende ſeyn. Nach Spinoza aber ift Gott nicht bloß das allgeme Weſen, fontern er ift niht8 anderes, erifi nur Das Seyende. Du wer alfo in gewiflem Einn allertings. Atheismus zu nennen. Ja ge willen Einn. Denn durch ihn war wenigftens die Subftanz ber Religien gerettet, während in dem Verhältniß, als auf ver einen Seite die früken Abhängigkeit von der Offenbarung ſich verloren hatte, auf ber ante das freie Denken wenigftens fo weit zu feinem-Recht gefommen war, bef es bis dahin begrifflofe und unverfiandene Vorftellungen, wie tie eine intelligenten Welturhebers nicht mehr durch Syllogismen als eine An bloß äußerer Autorität ſich aufbrängen ließ, es zuletzt nichts mehr koften konnte, eine Eriftenz vollends verfchwinven zu laſſen, tie alle Werth und alle Bereutung verloren hatte. So entfiand ver formelle Atheismus wir können ihn den Atheismus vulgaris nennen —, gegen ben ber materielle des Spinoza Religion war.

Dean muß viefen Unterſchied Tennen, um zu werftehen, mie em Beift mie Goethe bis zu feinem Ende an Spinoza fefthielt, aud Her vers Vorliebe erflärt fid) fo, aber zumal Leffinge Spinozismus, ten F. 9. Jacobi vor die Welt brachte, ein Mann, ver felbft ven tem Unvermögen ſyllogiſtiſcher Wiſſenſchaft ſo durchdrungen war, daß er ben Glauben an den Gott, mit dem man rede, und der einem antworte, mit dem man, in J. G. Hamann'ſcher Ausdrucksweiſe zu reden, gleich fan auf Tu und Du ſeyn könnte, kurz zu dem ein perfönliches Per: hältnig möglich wäre, nur auf fein inbivituelles Gefühl zu gründen wußte (denn, er habe das Gefühl zum Princip, alfo zu etwas Allgene- nem gemacht, ließ fich eigentlich nicht fagen). Tas mar alfo für. ibn, der fi) von einer andern Wiſſenſchaft als ver ver alten Metaphyſil oder einer in Spinozas Einn demonftrativen feine Borftellung maden konnte, ganz richtig geredet; und konnte freilich dieſe Berufung auf das Gefühl ter Willenfhaft nicht nügen, ſollte fie wenigftens zur Erllä— rung davon dienen, taß er fein überzengter Wolffiauer, mie Moſet

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aus fegenden, nur .fich felbft folgenden Vernunft gelangte. Dazu diente insbeſondere, daß Kant ben wir übrigens auch darum mit Recht preifen, weil er ben Muth und die Aufrichtigfeit hatte, auszufprechen, daß Gott als einzelner Gegenftanp gewollt werde, und nicht die bloße Idee, fondern das Ideal der Vernunft ſey daß eben dieſer der von feinem Vorgänger ganz vernadhläfligten Seite des Begriffs, wornady nämlich das volllommenfte Weſen zugleih den Stoff, die Materie alles möglichen und wirflihen Seyns enthalten follte, den elndringendften Scharfſinn und eine Sorgfalt widmete, durch welche bie ganze Bebeutung des, wie Kant ihn nennt, alles beftimmenden Begriffes offenbar wurbe '.

Carteſius hatte den Begriff des vollfommenften Wefens nie andere einzuleiten gewußt, als mit ven Worten: Wir alle haben die Vor— ſtel lung eines höchſt antelligenten, ſchlechthin vollkommenen Weſens, zu deſſen Begriff gehört, daß es exiſtire. Die hieraus folgende Nothwen⸗ tigkeit feiner Exiſtenz konnte aber bie urſprüngliche Zufälligkeit des

Goethe in ber belamnten Schrift Über Winckelmann äußert einmal: es habe fi in ber wifjenfchaftlichen Welt der von Kant ausgegangenen Bewegung unge- firaft niemand entziehen können, der Philolog allein etwa ausgenommen. Un- fireitig wer ben Namen des Philologen nach dem großen Mafftab genommen, ben. Fr. A. Wolf dafür aufgeftellt hatte. Es ift indeß nicht meine Abſicht, in ben möglichen Sinn bes vielleicht ſehr zufälligen Aueipruche einzubringen; wohl aber möchte ish daran bie Erwähnung einer unläugbaren Thatſache Inüpfen, dieſe - nämlich, daß feit Kants. Unternehmen unter ben verfchiedenen Berfuchen die Phi⸗ Iofophie weiter zu führen ober fortzubifben, keiner einer allgemeineren Theilnahme ſich zu erfreuen hatte, ber nicht in genetiſchem Zuſammenhang mit Kant geftanden hätte, indeß jeber,. der aus der Continuität biefer Entwidlung beraustreten zu tnnen glaubte, bamit zugleich fich ifolirte und feinem Stanbpunft höchſtens von einzelnen Anerlennung erwarb, ohne aufs Ganze oder Allgemeine bie geringfte Wirkung auszuüben. Es find aber die zahlreichen Geſchichtſchreiber, welche bie neueſte Philofophie feit einiger‘ Zeit gefunden, nichts weniger als im Klaren über ben eben erwähnten genetiichen Zuſammenhang, und, biejenigen nicht gerechnet, welche alles Epätere als ein bloß zufälliges, worllfürliches und unbegrünbetes Hinausgehen über Kant vorftellen, find auch die weniger abſchließend urtheilenden wenigftens nicht im Stande, im Gebäude bes Kantifchen Kriticismus ben be> ftimmten Punkt anzugeben, an ben bie fpätere Entwicklung fi als eine noth- wendige Folge anfchloß. Diefer Punkt findet fi) meines Erachtens in Kante Lehre von dem Ideal der Vernunft.

den ganzen Staudpunkt hinweg heben, bie Vernunft ans der Selbſten frembung tes bloß natürlichen, d. h. unfreien Erfennens zu ſich ſelbß zurückzubringen, war einer ins Innere dringenden, das ganze Syyſten der natürlichen Erfenntnig und veren Quellen von Grumd aus nterfuhe ven Kritif vorbehalten, und ver Daun, ter tiefes leiftete, war mm ftreitig mehr als bloß ein zmeiter Cartefius.

Wer in Kants Kritif ver reinen Bernunft eintritt, begegnet I gleih und in derſelben auffteigenven Folge den drei von uns bezeichneten Autoritäten der alten Metaphyſik: Erfahrung (bei Kant Sinnlichkei, Berftand und Vernunft. Tie lebte it ihm zwar nicht mehr das bie formelle Vermögen zu ſchließen, fie ift ihm probuctio, wie er fie nemt, been erzeugend, aber gleichwie fie als Vermögen zu ſchließen im Prämiffen theils in ver Erfahrung, theils im Verftand, ven allgemena Gruntfägen Hatte, ijt fie als Ideen erzeugend fo wenig reine Ver— nunft, wie fie Kant gleichwohl nennt, daß fie vielmehr Sinnlichkeit nut Verſtand zu Vorausfegungen hat, und e8 Daher natürlich mit tem, m! fen Kreis derſelben üiberfchreitet, nie weiter als zu bloßen Iteca bringen kann, welche zwar Lienen, ven Stoff ver Anfchauung unter te höchfte Einheit tes Deukens zu bringen, tem Berftante tie cher Regel für vie Erfahrung zu geben, aber ſelbſt feine Erkenntniß ge währen. E8 gibt anf tiefe Meife überhaupt nur Erfahrungs» und Ver⸗ ſtandes-, aber durchaus feine Vernunft: Erkenutnig. Die höchſte dieſer Ideen hatte Descartes zwar nur, damit ihm durch fie die natürlide Erkenntniß verbürgt ſey, aber er hatte fie ſoweit doch als Princiv gewollt. Die neuere, wie bemerkt eklektiſche Metaphyſik konnte Tet— cartes ontologiſchen Schluß nicht wohl übergehen, aber da ſie in ihn nur einen Beweis für das Daſeyn Gottes ſah, wußte fie ihm fein andere Stelle, als in der natürlichen Theologie, wodurch er anflatt an ren Anfang ans Ende ver Wiffenfchaft am. Eben dort fand ihn Kant, deſſen Kritif fi tem Gang dieſer Metaphufif aufs Engſte anfhlk Zulegt aber follte eben dieſer Begriff doch die Brücke werben, über welche Die Wiffenfchaft aus der Schranke der bloß dienenden, auch mb Kant nur inftrumentalen Vernunft in das Gebiet ver freien, ven fd

285 für fih feyn Könnendes Mb; nach Kants eigenem Ausbrud vie bloße Materie, der bloße Stoff aller befonderen Möglichkeit, ift er von der Art defien, was nad Ariftoteles nie für fih, fondern nur von einem Anderen zu fagen ift'. Sollte er feyn, jo müßte etwas ſeyn, von tem ex gefagt würde, und dieſes Etwas könnte nicht wieder bloße Mög- lichkeit, dieſes müßte feiner Natur nad Wirklichkeit, und könnte da ber auch, nur Einzelwefen feyn. Allein Kant macht gar nicht die Vor⸗ ausfegung, daß der Inbegriff aller Möglichkeiten ſey. Die urſprüng⸗ liche Abſicht der Vernunft, ſagt er, war bloß und allein, ſich die noth- wenbige durchgängige Beftimmung der Dinge vorftellen zu können; zu diefem Ende aber seicht der Begriff von aller Realität hin, ohne daß wir beredjtigt wären zu verlangen, daß alle dieſe Realität objectiv gegeben fey und felbft ein Ting ausmache; dieſes Lettere ſey eine bloße Er dichtung, durch welche wir das Mannichfaltige unferer Idee in einem Ideal als einem befonderen Wefen zufammenfaffen, ohne alle Befugniß, denn nicht einmal als Hypothefe em ſolches Wefen anzunehmen find wir bereditigt. Zwar ift der Fortgang von der Idee zum Ideal Fein’ ganz willfürlicher; denn bei näherer Unterfuchung findet fih, daß bie Hpee von felbft eine Menge Prädicate ausftößt, die als abgeleitete durch andere ſchon gegeben find, oder die neben andern nicht ftehen fönnen; und weil zu ben abgeleiteten vorzüglich alle gehören, die auf einer Einfchränkung beruhen und Soweit ein bloßes Nichtſeyn ausdrücken, fo wird in Folge der angenommenen Läuterung die Ioce in fich nichts behalten, als was Realität, reine Vollkommenheit, lautere Poſition ift, fie wird nicht weniger, aber auch nicht mehr begreifen als alles was zum Seyn-gebärt, und da was zum Seyn gehört, wenn es über- haupt fi beftimmen läßt, dem Seyn voraus, aljo-a priori beftimmt werben muß, ſo wird fich die Idee zu einem durchgängig a priori be- ftimmten Begriff zufammenzieben, der zufolge ber bekannten Definition, nach welcher das Individuum das allfeitig beftimmte Ding (res omnimode | determinata) ift, zum Begriff von einem einzelnen Gegenſtand

! To vlınov ovddnore nad avro Aerrdor. Metaph. VII, 10, p. 146, %.

Begriffs nicht aufheben. Kant dagegen zeigt, daß es eine ans ver Rakır ver Vernunft felbft folgenve und zu jever verftandesmäßigen Veltimumy ter Tinge unentbehrlihe Idee ift, die. fi) unwillkürlich zum Begif eines folhen Weſens fortbeftinmt, womit freilich nicht die Eriften de⸗ felben, aber wenigften® deſſen Borftellung zu einer nothwendigen uk ver Vernunft natürlichen wirb.

Tas Erfte für jedes Ting, fo fängt Kant feine Eutwidiung cn, ift, daß fein Begriff ein überhaupt möglicher, Fein in fich widerſprechen der iſt. Tiefe Möglichkeit beruht alſo auf dem bloß, logiſchen Princh, daß von je zwei contrabictorifch entgegengefeßten Präbdicaten jedem Ti nur eines zukommen kann, und ift ein lediglich formelle. Die matericke Möglichkeit eines Dings tagegen- beruht auf feiner durchgängigen Be ſtimmtheit, d. h. daß es durch ale möglichen Präbicate hindurch cin beſtimmtes iſt, indem von allen einander entgegenftehenten je eines ihm zufenmen muß. Ein jedes Ting wird entweder körperlich ſeyn eder unförperlid, wenn körperlih, entweber erganifch oder unorganiſch, wenn unorganiſch, ftarr oder flüfjig, wenn ftarr, der Grundgeſtalt nad regel: mäßig oder regelmäßig, wenn regelmäßig, wird es einer der fünf re gulären Körper ſeyn müſſen, ver ihm zu Grunde Tiegt, z. B. die Pyramide ober ber CEnbus; immer aber wird die ihm zugeſchriebene jede andere ausſchließen. Hier werten alfe nicht Begriffe unter fih Nef logiſch, ſondern es wird das Ding felbfi mit ter gefammten Möglichkeit, mit tem Inbegriff aller Präpicate verglichen, welder bie nothwendige Vorausfegung jeder Beſtimmung ift, und weil das &e ſtimmen Sache des Verftandes ift, nur als Idee in der Vernunft jenn kann, durch welche tiefe tem Verſtande tie Hegel feines vollſtändigen Gebrauchs vworfchreibt '.

Hier war es nun, wo, wenn es Kant überhaupt um das wirflice Seyn und nicht die bloße Vorftelung zu thun war, tie Bemerkung ihre Stelle finden mußte, dag ein folder Yubegriff aller Möglichkeit nichte

ar

Kritit Der veinen Vernunft S. 571 —73 der erften Ausgabe; die ipäteren zeigen bier feine Abweichung.

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von ihm Könnten fie nur durch Berneinungen fen, wie alle Figuren nur eben fo viele Arten find, ben unendlichen Raum einzufchränfen (das Leibniziſche Gleichniß). Doc nicht durch Einſchränkung des Urweſens ſel bſt dürfte die Marmicfaltigkeit entſtehen, nur das Materielle ver Idee ließe ſich als Subſtrat der Einſchränkung denken. Dieß würde eine Unterſcheidung vorausſetzen, wie wir ſie früher auch bei Malebranche angedeutet, aber nicht erklärt fanden. Allein auch für Kant iſt ja zwi⸗ ſchen dem Inbegriff aller Realität (der Materie der Einſchränkung) und Gott kein wirklicher Unterſchied, jener hat bloß für unſere Vorſtellung ſich zu einem durchgängig beſtimmten Ding, einem Individuum, zu⸗ ſammengezogen. Auch ſcheint Kant die mechaniſche Erklärung durch Ein⸗ ſchränkungen, ähnlich denen des unendlichen Raums dur) geometrifche Figuren, doch nicht als ausreichend anzufehen, da er in ber Folge äußert: das Urweſen (offenbar das Urwefen felhft) liege den Dingen doch nicht eigentlich als Inbegriff, d. h. wohl materiell, zu Grunde, die Mannich- faftigfeit der Tinge müſſe vielmehr als die vollftändige Folge aus ihm betrachtet werben, zu welcher die ganze Sinnenwelt zu rechnen feyn mürbe, bie zur bee des höchſten Weſens als ein Ingrediens nicht ges hören könne. Immer jedoch würde, wenn ber Stoff zu allen möglichen Prädicaten in ber Idee eines einzigen Dinges vereinigt feyn ſolle, durch die Identität des Grundes der durchgängigen Beſtimmung eine u ini tãt alles Möglihen und Wirklichen- beiviefen jeyn '.

Diejenigen unter Ihnen, welche mit den nadhlantifchen Entwit- lungen bekannt ſind, mögen hier leicht die Keime ſpäter wirklich hervor⸗ getretener Gedanken zu erbliden glauben. Indeß iſt bei. Kant dieß alles bloß hypothetiſch geſprochen, und gar vieles mußte vorhergehen, ehe ſich an eine wirkliche Ableitung denken ließ, der Stoff zu einer ſolchen ge⸗ geben war. Denn fo iſt ver bloße „Inbegriff aller Möglichkeiten“ noch immer ein viel zu weiter Begriff, als daß ſich mit ihm etwas anfangen, zu irgend etwas Beſtimmtem gelangen ließe. Das Nächſte wäre: als bie Correlate diefer Möglichkeiten die wirflid exiſtirenden Dinge nehmen

Kr. d. x. 8.6, 578. 579. 572 Anm.

wird, der, inbem er fo zu fagen dem ganzen Sorrath be Cafe für alle möglichen Prädicate der Dinge enthält, dieſe doch wicht Mh wie ein Allgemeinbegriff unter fi), fonbern als Imbieiuum in id begreift. Ein ſolches allein durch die Idee beſtimmtes Ding wind m Recht das Ideal der reinen Vernunft genannt werben, mb d bedarf feiner weiteren Erflärung, inwiefern ebenbaffelbe zugleich tat allerrealfte und vollfommenfte Wefen zu nennen ſeyn wärbe ı. So jäeet vie Fortbeftimmmmg zum Odeal wenigftens innerhalb ver Odee jelhft zw zugeben. Eigentlich aber iſt fie doch unfer Werk. Es iſt und rm turlich, die Borftellung eines Inbegrifjs aller Möglichkeit zu realen, d. h. dieſen Inbegriff als eriftirend uns worzuftellen, ihn ferner zu jr poſtaſtren, d. 5. zum einzelnen Ding „zuzufpigen®, endlich meil dar wirkliche Einheit der Erſcheinungen doch nur im eimem Verftanbe jr denken ift, durch Perfonification bis zur höchſten Intelligenz u m beben ?.

Diefer Fortgang ift ein natürlicher, aber der doch nichts Dh jective® an ſich hat, und ung in Anfehung der Exiſtenz eines Weiat von fo ausnehmendem Vorzug in völliger Unwiffenheit läßt

Kant laßt ſich durch diefen Ausgang dennoch nicht abhalten, a zeigen, was mit einem ſolchen Weſen zu erreichen ftände, wenn wir auch nur berechtigt wären, es „als Hypotheſe anzunehmen“, Das Nähe umftreitig, daß von ber unbetingten Totalität der durchgängigen Bell mung die bebingte ſich ableiten ließe, wie fie im eingefchränften Ba ſich findet. Das Wefen, das, weil alles als won ihm bebingt ur ihm fteht, das Urweſen, als alles’ begreifend das Wefen aller Wefen zu nennen wäre, verhielte fid) dabei als Urbild (Prototypan), die abgeleiteten Weſen als Abbilder (Eetypa), bie den Stoff zu ih Möglichkeit aus jenem nähmen, um ihm iu verſchiedenen Abftufunge immer näher zu kommen, ohne es je völlig anszubrüden. Unterdieen

2 Chendaf, S°583 Anm "br 9. & 58 * Gienbaf. ©. 579.

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wir. das bloße Subjekt beftimmmen, ift nicht Nichtfeyn '. Tas Seyente A geſetzt iſt das Subjelt, e8 nicht etwa + A (das im Außfaglichen, alfo affirmativen Sinn ſeyende), aber keineswegs Nicht A, fondern etwa A, wie wir e8.wohl in ver Folge auch bezeichnen werben. Es ift nicht was wir-wollen, es iſt das Seyende nur in einem Sinne Wir werben taber fagen müfjen, daß es das Seyende ift und nicht ift, ift in einem Sinn, nicht iſt im andern Sinn, daß es alfo eigentlich das Seyende nur ſeyn kann, eine Potenz des Seyenben ift, indem es ent⸗ hält, was zu ihm gehört, was nicht fehlen darf, aber nicht enthält, was außer ihm zum vollendeten Eeyn gehört. Es ift nicht was wir wollen,. denn wir wollen was in jedem Sinn das Seyende iſt, aber wir können jenes darum nicht wegwerfen, denn wir müßten immer wierer jo anfangen; es ift ihm im Denken überhaupt nichte vorzuſetzen, es ift ſchlechthin das erfte Denfbare (primum cogitabile); wir müſſen es alſo behalten, behalten als Stufe zum vollendet Seyenden, zunächſt zu dem Seyenden, in welchem nichts vom Subjekt iſt (+ A), das alſo für ſich auch nicht einmal ſeyn könnte (fo wenig ein Prädicat ſeyn kann ohne Subjekt, von dem es getragen wird), dem alſo jenes (das ſelbſt nicht ſeyende, nicht das ganz und gar Nichtſeyende, ſondern das in jenem Sim nicht feyende) Subjekt ift. Wir Können nicht fo zu ſagen in Einem Athen das bloße Subjelt und fein Gegentheil, das bloß d. h. ſubjektlos ſeyende jegen; wir können jenes (— A) nur zuerft, dieſes (+ A) hernach, d. h. wir können beide nur ald Momente des Seyenten feßen.

Aber was unmittelbar unmöglich, ift nun möglich geworven; denn benfen wir uns außer beiden ein Drittes, fo wirt dieſes nicht reines Sub⸗ jet feun Eönnen, denn deſſen Platz, daß ich fo fage, ift genommen, nicht bloßes Objekt (um den fürzeften Ausprud zu gebrauchen), denn auch an biefer Stelle ift ihm zuvorgekommen; da e8 aber dennoch gefegt ift, wirt es al8 aufer (praeter) jenem gefett nur Objekt, als außer tiefem nur Subjekt feyn können, eine andere Entgegenfegung in Beziehung auf das Seyn gibt e8 nicht, es bleibt alfo nur, daß es das eine und das andere

' Iuwdue: ov = un ov. Aristot. Metaplı. IV. 4 (73. 1--3). Schelling, fammtl. Werke. 2. Ubth. 1. 19

und als veren Möglichfeit die verfchiebenen Arten zw fehm erflren, Nr fie in ſich ausdrücken; denn eine andere Art zu ſeyn hat das Umorganiikt, eine anbere das Organifche, in deſſen Umkreis wieder eime anbere Ne | Pflanze, eine aubere das Thier. Wer fühlt aber nicht, -daf dieſe Artm zu fen unmöglich wefprängliche feyu Lönnien?. Auzunehmen iſt vice, daß biefe durch "Erfahrung gegebenen Arten, durch welche Mitteglite immer, aber doch zulett ſich ableiten von urſprünglichen, wicht mehr pe fölligen, ſondern zur Natur des Seyenden felbft gehörigen Unterfiicen beffelben. Dein ſolche Unterſchiede ftellen ſich ja gleich ber cinfahe Beobachtung bar. Wer könnte 5. B. ſagen, daß das biofe reine Sub jeft des Seyns micht das Seyenbe jey, und müte-micht wieknehr ze geben, daß eben biefes das erſte bem Seyenben Mögliche ſeh, nimih Subjelt zu ſeyn. Denn was immer Objekt, fett das voraus, dem d Dbjelt if. Zwar wenn Subjelt, fo lann e8 nicht in demfelhen Ge tanken, ober, wie man zu fagen pflegt, zugleich, das im ansfaglichen Eimt ſeyende feyn, es ift mit einer Beraubung gefegt, aber mur einer fe ſtimmten Art bes Seyns, nicht des Seyns überhaupt, denn wie löuut das ganz und gar Nichtſeyende auch nur Subjelt jeyn? Eine andert Art des Seyns ift die des Eubjelts, eine andere bie des Objekte; mam wir nicht gern ungewöhnliche Ausbräde vermieden, könnten wir ja a8 bloß wefenbe nennen; auch das wirb manchen ungewohnt fdheisen, wenn wir das eine als gegenſtändliches, das andere als urfländiice Seyn bezeichnen; das aber wird man verſtehen, wenn wir ſagen, mit ver einen Art ſey das Seyende das bloß Sich, mit ber andern tet außer Sic, ſeyende.

Eine Veraubung alfo ift mit dem bloßen Subjekt gefegt; Ber bung aber ift feine unbedingte Verneinung, und ſchließt im Gegenthel immer eine Bejahung nur anderer Art in fi, wie wir dieß, wenn Jet dazu ift, umftänblicher zeigen werden; nicht Seyn (ur adwez) it mt Nich tſeyn (odx adveı), denn die griechiſche Sprache hat den Berthel, vie contrabictorifche und bie bloß conträre Berneinung jebe durch ee eigene Partifel ausbrüden zu fönnen. Die bloße Beraubung bes Saas fließt fennfönnen nicht aus. Reines fännen, und als biejes mägen

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vir. das bloße Subjekt beftimmen, ift nicht Nichtfeyn '. Tas Seyende = A geſetzt iſt das Subjelt, es nicht etwa + A (das im Ausfaglichen, iljo affirmativen Sinn ſeyende), aber keineswegs Nicht A, fondern etwa A, wie wir es wohl in ber Folge auch bezeichnen werben. Es ift sicht was wir wollen, es iſt das Seyende nur in einem Sinne Wir werben daher fagen müſſen, daß ed das Seyende ift une nicht ift, ift m einem Sinn, nicht iſt im andern Sinn, daß es alfo eigentlich das Seyende nur feyn kann, eine Potenz des Seyenben ift, indem es 'ent- Kält, was zu ihm gehört, was nicht fehlen darf, aber nicht enthält, was außer ibm zum vollendeten Seyn gehört. Es ift nicht was wir wollen,. denn wir wollen was in jedem Sinn das Seyende ift,. aber worr können jenes darum nicht wegwerfen, denn wir müßten immer wierer fo anfangen; es ift ihm im Denken überhaupt nichts vorzufegen, es ift fchlechthin das erfte Denfbare (primum cogitabile); wir müffen es alfe behalten, behalten als Stufe zum vollendet Seyenden, zunächſt zu bem Seyenden, in welchem nichts vom Subjekt ift (+ A), das alfo für fich auch nmicht einmal fern könnte (fo wenig ein Prädicat ſeyn kann ohne Subjekt, von bem es getragen wird), dem alfe jenes (das felbft nicht feyende, nicht das ganz ımd gar Nichtſeyende, ſondern das in jenem Sim nicht ſeyende) Subjett it. Wir können nicht fo zu fagen-in Einem Athen das bloße Subjelt und fein Gegentheil, das bloß d. h. fubjektlos ſeyende feßen; wir könmen jenes (— A) nur zuerft, dieſes (+ A) hernach, d. h. wir können beive nur ald Momente des Seyenven feßen.

Aber mad unmittelbar unmöglich, ift nun möglich geworden; denn denken wir und außer beiven ein Drittes, fo wird dieſes nicht reines Sub- jet ſeyn können, denn deſſen Platz, daß ich fo fage, iſt genommen, nicht bloßes Objelt (um den kürzeften Ausbrud zu gebrauchen), denn aud an diefer Stelle ift ihm zuworgefommen; da e8 aber dennoch gefett ift, wirt e8 als außer (praeter) jenem gefett nur Objeft, als außer dieſem nur Subjekt feyn fünnen, eine andere Entgegenfeßung in Beziehung auf das Seyn gibt es nicht, e8 bleibt alfo nur, daß es das eine und das andere

" Awaue: ov = un ov. Aristot. Metaplı. IV. 4 (73. 1--3). Echclling, fammtl. Werke. 2. Abth. 1. 19

jey, aber jedes in anderer Beziehmg, und nicht einem Theil mad tes eine, einem anbern Theil nach daS andere, fonbern es wirb jedet m enbliher Weife, alfo ganz das eine unb ganz das anbere fee, aut fowohl zugleich als gleicherweife; denn wär’ e8 ein aus beiden Gemifäte und gleichſam Zufammengewacfenes (Concretes), fo Tönnte es um cin Seyendes ſeyn, alfo nicht mehr in biefen Kreis gehören, wo keine ein Seyendes, jedes, wenn and nur in Einem Sinn, aber vr u biefem Einn, das Seyende, alfo jedes in feiner Art unendlich iſt. Tieet alfo müßte ebenfo in dem Dritten ſeyn und feines ber Elemente in ihm dein anbern zur Einſchränkung gereihen. Diefes alfo, weldes, we ihm daB in-fich nicht das außer-fih, das auer-fich nicht tab in ſich⸗ Seyn aufhebt, nur das bei⸗ſich Seyeude zu nennen ſeyn wär, das fich felbft Beſitzende, feiner felbft Mächtige (eben dadurch auch id von ben beiten vorausgehenden unterſcheidend, deren jedes nur in vch fommener Selbftentihlagung zu denken iſt, das eine, indem es tal Können, das andere, intem cd das Seyn ſich nicht anzieht) tieieh, fage ih, wenn das bloße Eubjelt den erften, hätte ohne alle Frage ver höchften Anſpruch das Seyende zu fern. Aber ta es was es iſt mr it, wenn ihm ſowohl das eine (— A, als das anbere (+ A‘ ver gefegt ift, alfe nur als das ausgeſchloſſene Dritte feyn kann ‚ch bediene mich unbedenklich tiefes Ausdrucks, der bei contradictoriſch Ent gegengefegtem verneinend ift und fagt: daß ein Mittleres oder Tritte unmöglich ift ', aber bei bloß conträr Cntgegengefegten, wo and ihließen nur fo viel beveutet als außer fi fegen, pojitine Ita: tung hat; weil e8 alſo was es ift auch nicht für jich, ſondern mır m Gemeinſchaft mit den andern ſeyn fanı, läßt fi) auch von dem Tritte (wir wollen e8 durch + A bezeichnen), es läßt ſich auch von dieſem mr jagen, daß es ein Dioment oder eine Potenz des Seyenden ift; mit ihm aber ift alle Möglichkeit erſchöpft, und wir hätten demnach bie ie! nichts, von tem mir fagen könnten, daß ed das Seyende iſt.

' Arrıpadeo; und isrı neragv, 1or deramrior erdiyera. Art

Metaph. X, 4. XI. nit. (239. 6 es.) unb De interpr. C. 12.

293 compossibiles in fid) vereinige, vielmehr fordern fie fich gegenfeitig und find die wahren consentes (wirflih von con-sum, wie praesens von prae-sum), wie die Eiruöfer gewifje Götter nannten, von denen fie fagten, daß Ne ı nur miteinander ° entftehen und miteinander untergehen können!.

Die Möglichkeiten, deren Inbegriff nach Kant Gott ſeyn ſoll, ſo unbeſtimmt wie er fie gelaſſen, können wohl wur als tranſitive ge⸗ meint ſeyn, d. h. als foldye, die Aber Gott hinausgehen, die zu Wirk⸗ lichkeiten außer ihm werben ſollen over doch können. So aber iſt gleich im erſten Begriff Gott mit einer Beziehung auf die Welt und zwar mit einer ihm weſentlichen geſetzt. Es folgt daraus vielleicht nicht, daß es ſeine Natur mit ſich bringt, dieſe Möglichkeiten zu verwirklichen, aber es bleibt dem Gedanken kein Moment, in welchem. Gott frei von ver Welt und bloß in feinem Wefen ift. Die Unterſchiede aber, die wir in Gott fegen, fofern er das Seyende ift, find gegen ihm and) -zu bloßen Möglichkeiten herabgefegt, aber die dadurch erfüllt und befriedigt find, daß Er fie if. Wenn, dieſe Möglichkeiten eine Beziehung erhalten auf etwas außer Gott, fo kann dieß nur nad) der Hand (post actum) geichehen, und nicht eine ſchon mit dem weſentlichen Actus feines ewigen Eriftirens, d. b. feines da8- Seyende-Seynd, gefegte Beſtimmung feyn. Wie fie diefe Beſtimmung erhalten, davon wiſſen wir bier nichts, denn wir wiffen ja noch nicht, daß fie ihnen wird. Aber was uns bier wiähtig, ift, daß Gott, fofern er das-Geyende ift, alfo ‘in’ feinem ewigen Eziftiren, ohne alle Beziehung auf etwas außer ihm jift, das ganz in ſich Beſchloſſene, auch in viefem Sinn das Abfolute.

Nach der hergebrachten Darftellung, der auch Kant noch ſich ange: ſchloſſen, zur Vorftellung des allerrealften Weſens, wie man fagt, ge- hört auch dieß, daß in ihm nichts von einer Negation angetroffen werde. Allein es ift Mar, daß dieſes nicht die Negation felbft ausfchliekt, in- tem biefe je unendlich, d. h. fo frei von Negation, feyn kann als die Poſition. Im bloßen niht Seyn, im reinen Können, liegt fo menig

' Ueber die Gottheiten von Samothrace S. 115.

AM *

Scyhende, das ſchlehthin Mlgemeine, die Sdee ſelbſa forbert Enpis ar.

Eines, von bem es zu fagen, daB ihm Urſache des Geyms (msn zoo elvaı) und in-biefem Sinne es iſt, und das nur twirkiidh, mer bat Ge geutheil alles Allgemeinen, alfo ein ingefwefen, bas- allerbingt uf bie See beftimmt, aber nicht durch biefe, fonbern mabhaahig won ühe wib lich Ding ift, vom dem Kant ſpricht, das er aber. iridht. erreichen Ink.

Bir bleiben bier vorläufig fichen, nadjbem wir im Wilgemeinen po zeigt haben, wie bem Begriff des ſchlechthin volitsmmmenen Weſenn dr des Berumnftivenl6, wie es Kant-newut, ein Befimmterer Sahait'ju ge wirmen ift, als er’be den früheren Phileſophen zb amch bei Sat Il, wiewohl Iepterer in ber Behanblung biefes Begriffs feine Bergknger ui‘ hinter ſich zuräcgelaffen.- Zugleich follte biefe bis jet mod mce p ſchichtliche als felbftänbige Entwidlung ven Gegenfland, mit dem wir uns in ber ganzen Folge befthäftigen werben, vorerſt nur vorweilen wie and; ein denkwürdiges Naturobjeft dem, ber es nicht Tank, af

vorgewieſen werben muß, ehe er e& verſtehen, in beffen Gutfehuge

weife oder am Eude vielleicht doch unerſchöpfliche Einzelnheiten eingehen Tann. Nur einige, noch immer geſchichtliche und infofern verläufge Bemerkungen, und die ſich audy- auf die Botenzen beſchränlen werte, wollen wir noch beifügen.

Es wird angenommen, daß bie verfchienenen Poterizen bes Ge ben eines gemeiuſchaftlichen Seyns fähig fegen, deſſen Mögfichteit genke baranf beruht, daß das eine ber Elemente nicht das andere iR, vie wir fie darum and nur fo beftiimmen fonuten, bag wir von —A fagten, e8 fey reines Können ohne alles Seyn, vom A ebeufo, 4 fey reines Seyn ohne alles Können, von + A, 'es ſey nur als von beiden (jevem für. ſich) ausgeſchloſſenes, wobei ausſchließen im rer tiven Sinn genommen wurde. Sich ausſchließen im negativen Cor fönnten fie nur, wenn fie brei Seyende wären. Tas find fie aber nit, und vielmehr vermitteln fie ſich gegenfeitig, Momente des Seyenden ſeyn. Das erfte ift fihen nur gefegt in Hinausficht auf das Ichte, fr find nicht bloße zufammen-fih-Bertragenbe, wie bie vorlantiſche Mei phyſik von dem allervolltomnienften Wefen fagte, daß es alle renliies

Dreizehnte Yorlefung.

Die Wiſſenſchaft, vie über allen Wiſſenſchaften ift, und ehe fie für fich ſelbſt da ift, für tie andern da ift, denn Feine von biefen vedht- fertigt ſich wegen ihres Gegenftandes, die Phyſik 3. B., wenn man ver- Iangte, fie folle erft das Daſeyn der Materie beweifen, würde fich wenig daran lehren und den Fragenden aufforbern, die Antwort in einer andern Wiſſenſchaft zu fuchen, und ebenfo folgt jede andere gewiſſen allgemeinen und befondern Vorausfegungen, ohne über dieſelben Rede zu ftehen ober fie auf die Iegten Grüne zu verfolgen; wegen biefer ver- weifen fie einftimmig an eine Wiffenfchaft, vie ſich ausdrücklich mit ihnen befchäftige, und die, fie demnach nicht bloß. außer ſich, fondern über fich fegen: die Wiſſenſchaft alfo, die über allen Wiffenfchaften ift, ſucht auch ven Gegenſtand, ver über allen Gegenftänden ift, und biefer wieber kann nicht ein ſeyendes ſeyn (denn was immer ein ſolches, iſt ſchon von irgend einer der andern Wiſſenſchaften in Beſchlag genommen), kann nur ber ſeyn, von welchem zu ſagen ift, daß er das Seyende iſt!.

Nachdem das freigeworbene Denken auch hinfichtfich feine® Gegenſtandes Tebig- ih an ſich ſelbſt gewieſen iſt, was Tann es fuchen, was wollen? Offenbar nicht das ganz Nichtfegende, denn da hätte es auch ſelbſt nichts, aber auch nichts von all dem, was ein Seyenbes ift. Denn bag, jetem ſolchen zu Grunde Liegende it das Seyende, aber nicht in Teiner Reinheit, ſondern das mit einer Beſtimmung geſetzte Seyenbe, das alfo auch nicht Gegenftand bes reinen Denkens ſeyn fann. Alfo ift es mır das Seyende, was das reine Denken wollen fann, das une aber vorerft nicht weiter beftimmt ift, als durch feinen Unterſchied von allem, was bloß ein Seyendes ober das Nichtfeyende if. (Wenn man das Seyenbe im veinen Denken gefunden hat, dann kann es fich erſt zeigen, ob man bei biefem allein ftehen bleiben kann ober nicht).

eine Negation, als man von dem Willen, der nicht will und daher ii als wäre er nicht, fagen fann, er ſey durch Negation befchräntt, va er vielmehr unendliche Macht ift, und für den Menſchen gerade darım du heilig zu Bewahrente, ver Schatz, ber nicht vergenbet werben karl, wãhrend ter Wille, der mit dem Wollen fi in das Eeyn erhebt, ne wendig ein afficirter und beſchränkter iſt. Tas reine Kömmen mia fpricht nicht dem lautern Seyn, im Gegentheil, je reiner jenes, tee mächtiger feine Anziehungskraft tiefes. Eben durch dieſe Anzichume kraft ift er ter Anfang. Es war eine Zeit, wo ich dieſe Folge rVom Möglichkeiten eines vorerft noch zukünftigen Seyns nur bilblich in dam anbern, aber, wie mir ſchien und noch jetzt fcheint, völlig parallelen Folk barzuftellen wagte, und dabei den Sag aufftellte: aller Anfang liege ım Mangel, vie tieffte Potenz, an die alles geheftet, ſey das Nichtieven, und dieſes der Hunger nach Seyn. Ich fanıı nicht rühmen, daß tiekt Wort bei uns Eingang gefunden und nicht eher verhöhnt werten‘. Merkwürdig dagegen war mir, daß außer Teutfchland ein ſonderlich k: gabter Maun fich gefunden, ter tie Tragweite jenes Gedankens dm negativen Potenz als Anfang) fehr wohl eingefehen und faft noch mehr gefühlt hat. Tiefer Dann mar ver ſchon erwähnte Coleridge.

Es hatte freilich den Fehler an Ausſprüche zu erinnern, tie nicht für jede manns Geſchmed find, z. B. felig, bie hungern und bürften nach ber Gerectigkr

Ta bier das Chjeft bezeichnet ift, fo möchte dieß auch in dem andern: Eelig, die arn find dem Geiſt (rc arevuarı als Dativus attractionis, wie ich ihm nem mochte).

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Wie fie jedoch in ber Ableitung ſich verhält, Tiegt une noch ferne. Die erfte Frage ift, wie zum Princip gelangt werde. Dieß wurbe in ver letzten Borlefung gezeigt, aber keineswegs allgemein ausgeſprochen und erflärt. Es iſt 5.2. nicht gejagt, ob jenes Zeigen felbft ein wiſſen⸗ ſchaftliches ſey, und wenn nicht Wiffenfchaft, mas denn fonft. Daß’ aber auch der Weg zum Princip ſelbſt wieder Wiſſenſchaft ſey, ſcheint offenbar undenkbar. Man kann alles vom Princip ableiten, das Princip jelbft von nichts, denn über ihm ift nichts, und wenn alle andern Wiſſen⸗ ſchaften freiwillig an eine höchfte verweilen, bie nicht wierer eine Wiſſen⸗ haft wie fie, fondern nur die Wiffenfchaft fchledthin, pie Wiſſen ihaft ſelbſt jeyn kan, die darum auch nicht von einem Princip, fon- dern nur von dem, was ſchlechthin und gegen alles Princip ift, ausgehen fann: fo wäre wiberfinnig zu denken, daß biefe Wiflenfchaft ſelbſt wieder auf Wiſſenſchaft zurückweiſe, und vie Sache fo ins Unenbliche gehe; einmal alfo muß vie Wiffenfchaft fommen, ver nicht wieder Wiffenfcheft in glei- chem Sinn, ſelbſt ſchon von einem Princip abgeleitete, vorausgehen Tann '.

Wenn aber keine Wiffenfchaft, eine Methode menigftens muß es geben, die zum Princip führt. Außer der vebuctiven, - bie vom Princip als dem Allgemeinen zum Befondern geht, kann e8 aber nur eine zweite geben, die des umgelehrten. Wege, vom Befondern zum Allgemeinen, alfo die indgemein inductiv genannte. Wie follte num aber bie inbuctive bier anwendbar ſeyn? Denn moher fol uns das Beſondere, das der Weg zum Allgemeinen ift, kommen? |

Erinnern wir uns alfo an die Unterfchieve des Seyns, die wir in ber. legten Borlefung gefunden haben, dort zwar nur im Verlauf einer geſchichtlichen Entwidlung und nicht ohne von dem durch Kant gegebenen Begriff (eines Inbegriffs aller Möglichkeiten) anzugehen: fie zeigen, daß einiges nur in gewiſſem. Sinn das Seyende ift, alſo e8 nit unbe. dingt ift, fondern ift und nicht iſt, iſt in einem, nicht iſt in andrem Sinn, alſo nur bedingt, nur hypothetiſch ift, d. h. es eigentlich nur

Hier gilt das Ariſtoteliſche: amodeifeog ovn amodesız, as ord‘ πνα)Ñs— emornun- Anal. Post. II, 19. .

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Tiefer Segenftant fan ſchon um feiner ſelbſt willen vorzugeedik gefucht feyn, denn ta das menfchlihe Weſen überhaupt des Erkemen begehrend it, wire es natürlich am meiften deſſen begehren, in den ım meiſten zu erkennen iſt, und wenn wir nach Ariſtoteles auch vie dank pie bloßen Sinne ung kommenden Erkenntniſſe nicht KloR unferne Ler⸗ gnügens oder unſerer Bedürfniſſe halber, ſondern um ihrer ſelbſt rile lieben, und unter dieſen diejenigen am meiſten, durch welche wir ım meiſten erkennen (ſchon ein altes Buch ſagt: das Auge ſieht fich nimmer ſatt und das Ohr hört ſich nicht fatt‘, fo wird uns bie Erkenniniß tes Gegenſtandes, ver über allen Gegenſtänden ift und in dem alle be griffen find, tie am meiften um ihrer felbft willen begehreuswerthe je, unt ſchon tiefes Begehren möchte ven Namen Philoſophie verrienen; denn auch die bloße Erfenntniß jenes Gegenftandes für fi und ohre alle weitere Folge wäre ſchon bie höchſte mögliche Cogæce zu neunm, und wenn man tarauf fieht, taß fie erworben, in dieſem Sinn selent werben muß, an ſich das höchfte zu Yernende, das uejsortor ucdıne, wie Platon fid) austrüdt.

Aber allertings wirt tiefer Gegenftant nicht bloß um jeiner ſelbſt willen gefucht, jontern um ter Wiffenfhaft willen, nämlich in te Abſicht, daß fi uns alles antere von ihm ableite. In tiefer Bezichung wird er dem auch das Princip genannt. Gelingt tiefe Ableitung, je wirt die dadurch entſtandene Wiſſenſchaft die deductive im höchſten Zinne ſeyn. Tenn unter die deductiven im Allgemeinen gehören and) Die insbeſondere demonftrativ genannten (tie mathematifchen. Tiefe jedoch fegen ſich gewiſſe Grenzen, bie fie nicht überjchreiten; ihre And gangspunkte find Tefinitionen aud) in tem Sinn wie Begrenzung (og1owDe,, die fie ſich felbft geben, um nicht auf das zu gerathen, we von feine Deduction mehr möglich ift. Dafür haben tiefe Miffenihaften auch nicht den unbebingten Verſtand ver Sachen, fontern nur von dieſen Örenzpunften an, und cben darum geht auch tie entwickelnde Kraft rei Inhalts nicht vom Gegenſtande felbft anf, fontern fällt bloß in rat Subjekt und bewirft Ted nur bedingte Ueberzeugung. Ableitend alle und zwar vom höhern, vom unbekingten Princip ift Die höchſte Wiffenjceft.

S

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Wie fie jedoch in ber Ableitung fich- verhält, Tiegt une noch ferne. Die erfte Frage ift, wie zum Princip gelangt werde. Dieß wurde in der legten Borlefung gezeigt, aber keineswegs allgemein ausgeſprochen und erklärt. Es iſt z. B. nicht geſagt, ob jenes Zeigen ſelbſt ein wiſſen⸗ ſchaftliches ſey, und wenn nicht Wiſſenſchaft, was denn ſonſt. Daß’ aber auch der Weg zum Princip ſelbſt wieder Wiſſenſchaft ſey, ſcheint offenbar undenkbar. Ban kann alles vom Princip ableiten, das Princip felbft von nichts, denn über ihm ift nichts, und wenn alle andern Wiſſen⸗ ſchaften freiwillig an eine höchfte verweifen, vie nicht wieder eine Willen: ſchaft wie fie, fondern nur die Wiſſenſchaft fchlechthin, die Wiſſen ſchaft ſelbſt feyn kann, die darum auch nicht von einem Princip, ſon⸗ dern nur von bem, was fchlechthin und gegen alles Princip ift, ausgehen fann: fo wäre wiberfinnig zu denken, daß biefe Wiſſenſchaft felbft wieder auf Wiffenfchaft zurückweiſe, und bie Sache fo ind Unenbliche gehe; einmal alfo muß die Wiffenfchaft kommen, ver nicht wieder Wiffenfcheft in glei- dem Sinn, jelbft ſchon von einem Princip abgeleitete, vorausgehen kann '.

Wenn aber feine Wifjenfchaft, eine Methode wenigftend muß es geben, die zum Princip führt. Außer der debuctiven, die vom Princip als dem Allgemeinen zum Beſondern geht, kann e8 aber nur sine zweite geben, die des umgelehrten. Wege, vom Befonvern zum Allgemeinen, alfo die insgemein inductiv genannte. Wie follte nun aber die inbuctive bier anwendbar ſeyn? Denn woher fol uns das Beſondere, das ber Weg zum Allgemeinen ift, kommen? |

Erinnern wir uns alfo an die Unterfchieve des Seyns, die wir in ber. legten Vorlefung gefunden haben, bort zwar nur im Berlauf einer geichichtlichen Entwicklung und nicht ohne von dem durch Kant gegebenen Begriff (eines Imbegriffs aller Möglichkeiten) auszugehen: fie zeigen, daß einiges nur in gewiffem. Sinn das Seyende ift, alſo e8 nicht unbe dingt ift, fondern ift und nicht ift,.ift in einem, nicht ift in anbrem Sim, alſo nur bedingt, nur hypothetiſch ift, d. h. es eigentlich nur

Hier gilt das Ariſtoteliſche: amodeiksos ovn anodasız, as ord' daiariwung emörnun. Anal. Post. II, 19. .

jeyn fann, und daß von dem erft, das alle Arten des Seynt in Mi allein ift, fi) fagen läßt, daß es das Seyende ift. Gier ging bed der Weg von ten, was das Seyente nur auf befonbere Weile A nt es daher überhaupt nur feyn kann, zu tem, was allgemein, wei ſchlechthin es ift, und wäre nun ein folder Weg nicht eben auch Ya tion zu nennen? Gewiß; aber nad dem Begriff, ten man gewöluhh mit dieſem Wort verbindet, nnr aldtann, wenn tie Elemente vide Inductton aus Erfahrung geſchöpft wären.

Undenkbar im Allgemeinen wäre e8 nun gemiß nicht, daß te Wiffenfchaft zwar vom unbedingten Princip aus in fletiger Folge pm erfahrungsmäßig Gegebenen herabftiege unt in dieſem Sinn a pen entftünte, das Princip felbft aber nur durch Ausgehen von Crfan unb dem a posteriori Gegebenen erlangt würde. ‘Denn fo nie allgentein müßte dieß ausgedrückt werten, weil nieht davon die frax ſeyn kann, wie ver Einzelne zur Wifjenfhaft überhaupt Tomme, nat ir ſofern alio auch das ariftoteliihe Wort nicht anwendbar ift, daß tie arfa Begriffe uns durch Induction bekannt werben müjlen. Denn ide ohnetieg wird fi niemand vorftellen, tag die Seele, tie noch vollen: men einer tabula rasa gleicht, ſich zur Philofophie erhebe, und mit vielmehr derjenige erft, welcher die ganze Weite und Tiefe des zu ir greifenden durch Erfahrung kennen gelernt bat, ver zur Phileſorbie Berufenfte ſey. Und aud tem, welcher ji zum höchſten Stantpuck und zum Gedanken von tort herleitender Wiſſenſchaft erhoben, auch tielen wirt ja chen damit mur eine nene Schule von Erfahrung ji erüftne. Individuelle Erfahrungen aber lajjen fi. nur in Der Form von Bekenm niſſen mittheilen, und ich meine nicht zu irren, wenn ich glaube, mandt wären lehrreicher erfchienen, wenn fie fih auf Bekenntmiſſe beſchraͤrh hätten, anftatt Philofophen von Profeffion feyn zu wollen. Ten umen Fortgang des Individuums von den erften Eintrüden bis zu wirklicha Philöfophie hat ver arabifche Philoſoph Ion Joktan tarzuftellen gefnkt in der befannten Erzählung, tie Eduard Pocode unter tem Ind: Philosophus autodidactus herausgegeben. Was aber vom Intieituum, muß and von der Geſammtheit gelten, und am wenigften wohl werte

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wir, tie fo eben gezeigt haben, über welche Stufen vie neuere Philofo- phie, um vie ihr durch das Ehriftenthum gewordene Aufgabe zu erfüllen, bis jet aufgeftiegen ift, und ein gleiches Auffteigen, ein gleiches Berfuchen ver möglichen Standpunkte zwifchen dem Früheften, dem das Seyende in Gegenftänben ver Erfahrung, Luft, euer m. ſ. w. war, bis zu Platon, der zuerft- mit Bewußtſeyn zu dem ſeyend⸗Seyenden, dem Ösros Ö», wie er es nannte, als einem von aller Materie Abgefon- verten fich erhoben am wenigften gewiß werben wir, die eine eigent- liche Geſchichte der Philofophie annehmen, der Behauptung witerfprechen: in dieſem fubjectiven Sinn fey die Philofophie eine Wiflenfchaft der Er- fahrung. Aber die Frage, um bie e8 zu thnn ift, ift vielmehr bie objective: ob aus Erfahrung die Elemente jener Inbuction zu ſchöpfen fenen, die, wie und nun einmal feftftcht, die einzige zum Princip ſelbſt führende Methode feyn kann. Auch diefes aber könnten wir wenigftens nicht ımbebingt widerſprechen, nachdem wir gewiſſe nothwendige Elemente des Seyenden angenommen. Denn was immer ein Ceyendes tft, wird, wenn auch jeves in eigenthümlicher Form, und das eine mehr, das andere weniger, aͤusgeſprochen, aber ein jedes wird doch diefe Elemente enthalten, die, wenn auch nicht Principe im Bezug auf das Princip, doch Principe im Bezug auf das Abgeleitete find und wenigftens als Zutzänge und Hinleitangen zum Princip jelbft, dienen können. In biefem Sinn alſo wird nicht zu leugnen feyn, daß die auf das Princip gehende Unterſuchung von Erfahrung ausgehen könne, ja ich habe in andern öffentlichen Vorträgen felbft zum Theil dieſen Weg eingefchlagen,; wiewohl mehr in didaktiſcher als in wiflenfchaftlicher Abficht, in Erwägung, daß der Fort⸗ gang von dem uns Näheren und Erkannten (dem zpdG 7uds NooTE- E05 xal yrwpiuwrspors) zu dem an ſich Erfenntlicheren aber ung Ferneren, wie Ariftoteles ſich ausprüdt ', ver natürlichere iſt. Damit iM aber nicht gefagt, daß wir folchen beiftimmen, denen es bei ‘dem Ausgehen von Erfahrung gar nicht um Principe zu thun ift, fondern um gewiſſe oberfte Thatfachen, von welden fie durch Schlüſſe zum

' Anal. Post. 1. 2.

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allgemeinen Begriff einer höchften Urfache gelangen, ohne jagen zu frame, auf welche Weife fie Urfache fey, weßhalb fie ihnen denn and, nicht wirk lich Princip if. Da fie aber außerdem, weil mit bloßen Particuin fügen lein Schluß möglich ift, allgemeiner Grundſätze nicht entbehen fönnen, fo nehmen fie es entweder auch als bloße Thatſache an, va durch folhe Grundſätze unfer Bewußtſeyn beſtimmt ift; im tiefem Bei mögen fie ſehen, wie fie ter Argınnente 3. B. David Humes fh a wehren; meinen fie e8 aber anders, fo müſſen fie außer der Erfah eine andere Duelle der Erkenntniß annehmen, und es erfcheinen daher bie, welche feine allgemeine Wahrheiten, folglich feine Wiſſenſchaft, fm dern nur vereinzelte Thatfachen zugeben, mit fich felbft mehr in Ueber einftimmung, als vie auf folche Weife mit Thatfachen Philoſophie machen wollen. Denn nicht fyllegiftifch, mit unvermeidlichem Weberfpringen ia ein anderes Gebiet (usra Fuoız eds @4.Ao yEvos), ſondern durch reine Analyfis des in ver Erfahrung Vorliegenden, und ohne je aus dieſen herauszugeben, als tiefem felbft inwohnend, müßten tie Fri und durch dieſe das Princip gefunten werten. Yügen wir nun außerden hinzu, daß die auf ſolche Weife zu Wert Gehenden als für ihre Zwede geeignete Thatfahen nur pſychologiſche annehmen, fo zeigt ſich and darin, wie befchränft fie die Aufgabe fafien. Denn wenn e8 Frincie, alje das Allgemeinfte ift, was in der Thatfache gefucht wirt, jo müßte dieſe, auch wenn fie rein pſychologiſche iſt, gerate nicht als ſolche, ſondern nad) ihrer allgemeinen und objectiven Seite in Betracht kommen. Nicht fubjectiv genommen, fondern in ihren conftitutiven Frir- cipien unterfucht, wird Die pfychologiſche Thatſache an objectinem Gehalt feiner andern nachſtehen, aber es wird eben nur biefer, nicht was fe beſonders Bat, in Betracht gezogen werden. Pfychologie ift eine Wiſſen⸗ ſchaft für ſich und felbft eine philofophifche, die ihre eigne, nicht geringe Aufgabe hat, und daher nicht nebenbei noch zur Begründung ver Phi lofophie dienen kann.

Laſſen wir aber dieſe Mißverſtändniſſe bei Seite, und nehmen mir an, Die Induction, die wir verlangen, ſey auf der breiteften Gruntlagt ansgeführt, unt auf tem Weg der reinften und genaueften Analyfie

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wirklich. zu ben Principen und durch dieſe zum Princip gelangt, wird man alsdann nicht eben dieſes Auffteigen ſchon jelhft als Philöfophie anfehen mäfjen, und wird man noch zur Debuction übergehen wollen, sur um benfelden Weg zum zweiten Mal in umgelehrter Richtung zurüd- zulegen? Angenommen aljo, dieſe Inbuction wäre-bie ganze Philofopbie, wie vertrüge ſich dieſe Borftellung mit dem Begriff abfoluter Wifjenfchaft, ber fich uns unwillkürlich mit Philofophie verbindet und nicht erlaubt, waß fie ihr Anfehen von irgend einer bloß auf Glauben angenommenen mb felbft‘ zweifelhaften Autorität zu Lehn trage? Denn nicht anders ift wer Gedanke ver Philojophie entſtanden, als weil man die bloße Erfah: rımg für feine durch fich felbft geficherte Gruntlage anfehen konnte, ihre Wahrheit felbft der Begrimdung bebürftig glaubte. Im beften Falle une bei der forgfältigften Ausführung bliebe der Grund ſchwankend, der nicht mer als ein bloß zufällig Aufgenommenes, fondern als ein felbft Zufäl⸗ Gige®, weil ſeyn⸗ und nichtſeyn⸗Könnendes erfchierre, wie wir ja felbft von dem „Ich bin“ des Carteſius einſehen mußten, daß e8 doch nur ein, zwar nicht mir, der es außfpricht, aber an fich zmeifelhaftes Seyn ausdrũckt. Das philofophifche Bemußtfeyn iſt an Empfindlichkeit der des Auges zu. vergleichen, das nichts Fremdes in fi duldet. Alfo nicht ar dieſe Induction felbft wäre nicht Wiffenfchaft, fonvern andy, wenn man von dem fo gefundenen Princip zur Debuction übergehen zu köunen meinte, würbe nimmer etwas entftehen, das für Wiffenfchaft im fchlecht- hin abfehliegenden und ımbebingten Sinn gelten könnte, wie. wir uns doch einmal bie Bhilofophie denken, dergeſtalt denken, daß wir lieber ven Gedanken derſelben aufgeben, wenn wir fie nicht als völlig ſouveräne Wiffenſchaft denken dürfen.

‚Bis jet nun aber haben wir Induction nur in dem befondern Sim genommen, daß die Elemente, deren fie ſich bevient, aus der Er- fahrung gefchöpfte jenen. - Allein e8 fragt ſich, ob dieſe Beſchränkung im Begriff der Methode ſelbſt Liegt, welcher es vielmehr genug fcheint, daß man durch Einzelnes zum Allgemeinen ‚gehe, gleichviel wie dieſes Einzelne gegeben ſey. Denn daß e8 nur durch Erfahrumg gegeben ſeyn fönne, ift doch eine vorläufig unbegrünvete Annahme. Und follte der

Weg, den wir in ber legten Vorlefung freilich vorerft mehr verſuchtweije a entſcheidend eingefchlagen haben, follte dieſes Hindurchgehen durch die re⸗ ſchiedenen Arten des Seyns «AHA A find für ſich Einzeluaet tie xco æcor; fie find noch nicht das Allgemeine jelbſi), ticket Hindurchgehen durch DAS, was bloß möglicher und beſonderer Weile tes Seyende ift, zu dem, was e8 wirklich und allgemein ift, darum weniger Induction zu nennen feyn, weil die Momente veffelben nicht aus Erjab⸗ rung (im gewöhnliden Einn) gefchöpfte, fondern, wenn wir uns beffe aud) erft jet bemußt werben, im reinen Denken, und nur barız zugleich auf ſolche Weife gefimben find, daß man der Vollftänvigkeit ari eine Weife verfichert ſeyn Tann, wie bieß bei ber anbern Art um da⸗ buction niemal8 ebenjo der Fall it?

In ver That rufen wir und zurüd, wie wir zu ben (Elementen des Senenten gefommen, fo zeigt jih, daß wir dabei nur durch tat im Denken Möglihe und Unmögliche beftimmt werten. Ten wenn gefragt wirb: mas ift das Seyenbe? fo fteht es nicht in umerm Belieben, was wir zuerft, mas wir hernach jegen wollen, ven tem nämlich, was das Seyenbe jeyn kann. Um zu wiflen, was das Sexyente ift, müſſen wir verfuchen, es zu denken (wozu freilich niemand gezwungen werben kann, wie er genöthigt ift, das vorzuftellen, was jid jene Einnen aufbrängt). Wer es aber verfuht, wird alsbald inne werten, daß den erften Anſpruch, das Seyende zu feyn, nur das reine Subjet des Seyns bat, und das Denken ſich weigert, biefen irgend etwas ver zufegen. Das erſte Deufbare (primum cogitabile) ift nur dieſes. Cu anderer durch Spinoza Hafjifd) geworbener Ausdruck: id, cujus conceptus non eget conceptu alterius rei, ift ebenfalls nur wahr von tem, was nicht im gegenſtändlichen Zinn (denn alles Gegenſtändliche jegt etwa: voraus, wogegen es dieß ift), um fo mehr aljo im urftäntfichen Sim, ober wie wir aud) fagen können, nur an ſich das Seyende iſt. Hierin liegt eine Beraubung (or&oryaıs), die uns nicht ruhen läßt, fenden tiefes (das nur an ſich jeyenve) gejegt, müffen wir auch das andere fegen; denn zum ganzen und vollfommen Seyenden gehört ebenforwehl das nur gegenftänplich fubjeftlo8 ſeyende, alfo (mie wir es ebenialt

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ausprüden können) was außer fich das ſeyende ift; nur .nicht in Einem Athen, daß wir fo fagen, fönnen wir das Seyende als jenes und als diefes, wir können es als jenes nur zuerft, als biefes hernach fegen, fo daß wir nun beide auch al8 Momente des Seyenden beftunmen können. Offenbar aber ift auf biefe Weife Beraubung in beiden gefegt, und auch jo fein Stillftaud; was indeß numittelbar nicht zu benfen war, ift eben daburch möglich geworben, daß bie beiden entgegengefegten vorausgehen; venn fo bat das Seyende, das an erfter Stelle nur Subjelt, an zweiter Stelle nur Objekt fen konnte, das hat ſowohl das, wogegen e8 Sub: jet, als das, wogegen €8 Objekt, es "hat alfo, wodurch es beides ſeyn md doch in ſich Eines bleiben kann, womit ver Begriff des feiner ſelbſt Mächtigen, des bei fi) Seyenden entfteht (im bei-fich-feyn liegt: eben» ſowohl das in-fih, ala das außer⸗ ſich⸗ Seyn). Diefes alfo ift erft bie dritte Möglichkeit. Das Seyende in biefem Sinn (ald das bei-fidy Seyende) ift nur möglich als das ausgefchloffene Dritte, wenn wir ung wieder erlauben, dieſen Ausdruck, ver in Bezug auf das contradictorifch Entgegengefetste negativ ift und die Möglichkeit des Dritten verneint, wo bloß von Gegentheiligem die Rede ift, im bejahenden Sinn zu brauchen, fo nämlich, daß ausfchliegen außer ſich ſetzen beventet.

Der unwillkürliche Gebrauch von Ausprüden, die an befannte lo- gifche Grunbfäge erinnern, fagt, von felbft, in welchem Gebiet wir uns hier befinden, in dem nämlich, wo die Geſetze des Denkens Geſetze des Seyns find, und nicht, wie nach Kant fo allgemein geglaubt worden, bie bloße Form, fondern den Inhalt ber Erkenntniß beftimmen, im Borpebiet der Wiffenfchaft, die zum Princip nicht wieder die Wiffen- ſchaft, ſondern mad Ariſtoteles die Vernunft hat, nicht irgend ein Denken, ſondern das Denken ſelbſt, das ein Reich für ſich hat, ein Gebiet, Das es mit keiner andern Erkenntniß theilt; jenes ‘Denken, von welchen ebenverfelbe eben daſelbſt (tn dem berühmten Schluß des zweiten Buchs der Anal. Poster.) fagt, daß es an Wahrheit und an Schärfe über die Wiffenfchaft geht‘, wie wir tavon fo eben einen Beweis hatten;

"dc apyy own dmidenun, alla NOYZ. Ovdsv aAndEsrapov srösgeran

304

venn 3. B. daß im Denken nichts vor dem Subjelt fegn kaum, wit nicht gewußt, fonvern gefühlt, und übertrifft durch dieſe Uxmeittelberki jede vermittelte (erft verfchloffene oder durch Entwidlung gefunbeue) Bale

heit an Evidenz. UWebelberathener könnte nichts feyn, als bie Prime une das Princip auf dieſelbe Weife fuchen zu wollen, wie man alu der Wiſſenſchaft verfahren fann. Darauf wird fich jeboch beſſer in ker Folge zurüdtommen laffen. Tas Denken, jagten wir, bat einen Jahalt für fih. Tiefer Inhalt, den die Vernhnft allein von’ fi fe m von nichts anderem hat, if im Allgemeinen das Seyen de unb Kama im Befonderen nur jene Momente feyn, teren jedes für ſich mer tel Seyende ſeyn kann (nämlich) wenn die andern hinzulommen), alje um eine Möglichkeit ober Potenz des Seyenben if. Die ſe Möglichkeiten aber, die nicht bloß wie andere gedacht, fondern wie das Seyende zu nicht nicht gedacht werben können (denn das Seyende hinmeggenemme, ift auch alles Denken hinweggenommen), tiefe Möglichkeiten alic, welt die nicht bloß zu denkenden, ſondern die gar nicht nicht zu benfenten, alje nothwendig gedachte find, und daher auf ihre Weije und im Krb ver Vernunft ebenſo find, wie tie Wirklichfeiten ver Crfahrung ar ihre Weife und in ihrem Neiche find: dieſe Möglichkeiten find tie erfter und von tenen alle andern abgeleitet fint, vie alſo, welche uns my: licherweiſe zu Principen alles Seyns werben.

Und wenn wir nun das Gefühl, das uns nicht erlaubt, tiefe Möglicgkeiten eine andere Stellung als bie ausgeſprochene zu gehe. wenn wir dieſes als ein Geſetz ausiprechen wollen, welches andere fon bieß ſeyn außer dem, das mit allgemeiner Zuftimmung und zu allen Zeiten als das reine und eigentliche Vernunftgefeg gegelten, ven tem, wie Ariftoteles jagt, nicht eine bejontere Art des Seyenden, ſonden das Seyende als ſolches und wie es in der Vernunft ift, beftimmt mitt, deſſen voller ober pofitiver Sinn aber in der Folge verloren gegangen

eva &uiötiung h vor --- under dmörnuns arpı Besreoor aiko zei0 ! voog. BZuleßt! Nons ar ein Emiderung aeyr. Anal. Post. U, 19. ®%

will man biefe Etellen mit ben gewöhniichen Anſichten vom Empiriemus des Ar ſtoteles reimen

305 ift, indem es auf das contrabictorifch Entgegengefette befchränft und da⸗ mit zur Unfruchtbarkeit verdammt würde, wie es für Kant wirklich mır noch Grundſatz für analytifhe, wie er fie nennt, eigentlich aber tauto- logifhe Säte ift, währenn Ariftoteles es wenigſtens nicht minder auch für das bloß Entgegengefettte (nur als contrarium ſich Entgegenftehenve) Sefeß feyn läßt, das nämlich nur widerfprechend werde, alſo unter ven Grundſatz des Widerſpruchs folle, wenn e8 zugleich-gefeßt werde, nicht alfo, wenn das eine vorausgehe, das andere folge, wo Entgegengejettes allerdings eines und daſſelbe feyn können. Hiedurch erhält das fonft bloß negative Geſetz pofitive Bedeutung, und e8 begreift fi, wie es nad Ariftoteles das Geſetz alles Seyenven, aljo das fruchtbarfte und in- haltsreichfte aller Geſetze jeyn kann '. Bolftändig dieß einzufehen muß freilich der Folge vorbehalten bleiben, aber was fchon bier einleuchtet ft, daß ohne das fo verftandene nur nichtsfagende Sätze übrig bleiben, und emphatifche, d. 5. die wirklich etwas ausſprechen, unmöglich feyn würden. ‘Denn wovon läßt ſich fagen, daß es bel ift, als von dem an fih Dunkeln, wovon, e8 ſey frank, als von dem bloß kranl feyn Könnenden, an ſich alfo Gefunden. j

Es ift wohl der Mühe werth, wegen dieſer Ausdehnung des Grund» ſatzes ven Ariftoteles felhft zu hören, aus deſſen Worten auch noch ver- ſchiedenes anderes zu lernen ſeyn möchte. „Ta e8 ummdglich ift, fagt er, daß Widerſprechendes zugleich‘ von vemfelben mit Wahrheit gefagt werde, fo ift offenbar, daß auch Entgegengeſetztes nicht zugleich eines und daſſelbe feyn kann. Denn das eine der Entgegengefetten iſt Be⸗ raubung, Beraubung aber nicht weniger Verneinung, nämlich einer be- flimmten Urt (des Seyns 5. B. nicht des Seyns überhaupt). Wenu es alfo etwas Unmögliches ijt, mit Wahrheit zugleich bejahen und verneinen, fo wird auch unmöglich feyn, daß Entgegengefette zu- gleich eined und dafjelbe jeyn, man beichränfe denn jedes auf ein be ſonderes Wo, ober fage das eine vom beftimmten Theit (ſchwarz z. ©.

' Tod övrog döriv 7 0v Anadıy vndpyar rois ovdıv, AAA od yore rıvi zoplg Idig röv allow. Metaph. IV, 3 (66, 7. 5). Selling, ſammtl. Werke 2. Abth. 1.

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vom Auge), das andere (weiß) fehlechthin oder vom Ganzen“. Wal. würdig ift, wie hier dem „nicht zugleich" das „nicht an derſelben Stelle“ ſubſtituirt iſt, und leicht mag Ariſtoteles ſinnliche Beiſpele, wie tie von uns (ähnliche hat Alexander) beigefügten im Sime 5 habt haben. Tenn feine Rebe ift fo formell allgemein, daß tas Eim- liche nicht ausgeſchloſſen war. Aber auch in Bezug anf das reufe Intelligible läßt ſich das eine flatt des andern fagen, zumal wenn man fateinifch fih austrüdt, wo non eodem loco fo riel ift als nicht wa gleicher Geltung. Denn das Vorausgehende wirb gegen das Felgen zugleich zum Untergeorbneten (Unoxe/usvor), und vie Momente de Seyenten verhalten fi vollfommen wie Etufen, tie ebenfewenig jr gleich betreten als an derfelben Etelle feyn können.

VBeraubung fey auch Verneinung, ſagt Ariftoteles bier, nur mict, wie er anvermärts unterfcheivet, unletingte, tie das Verneinte tem Gegenſtand überhaupt abjpricht, 3. B. nicht weiß ift bie Stimme (ou Aevxov 7 gavı,,?, bd. h. das Präbicat: weiß paßt überkanp nicht zu Stimme, oder: weiß iſt auch Fein mögliches Prädicat ren Stimme. Tagegen cin fonnenverbranntes Geſicht, das feiner Natur nach weiß; ſeyn könnte, ift nur nicht weiß, es ift u, Aevxo», und mir

I 'Enei Öd adıvaror, rıy ayripadır alnderssda ana xara ro- arte, parepor, orı oids ravarria ana Undpgew höfyerau To ao’ tür [10 an dvarriov Jareoon greondiz &örır, org Error lorsias; de sreondt: rj du örlondıs uropadiz EöTır are rıvos Omdusvov zevors' 8 or adıyrara, ana raraparaı yai aroparaı airdös, adı'raror xai rararrıa vadoya aua, dAR 7 ar aupwm, 7 Üdreoor iv af, Üdreoor de ario;. Metaph. IV, 6 extr. Die von wir in [] eingeichleffenen Worte find offenbar turd m⸗ geſchickte Hand aus VII, 7 bieber gekommen und in jevem Zinn ftörene. Afıchen fie ftehen, fo müßte man zu bem alsdann mit -ory rrrov abſchließenden Su hinzubenlen: rn zo» ayrıyarı2öz jeyousrov, und ber Eat würde fo jagen: nm nicht weniger als im Widerſpruch, fey auch in ber Gritgegenfegung eines ven beiten Beraubung. Aber bie wäre ganz gegen Arifteteles Meinung und mus er bier jagen will, iſt vielmehr, taß in der rarriodız nicht weniger Bernemumg jey, als in ber arrigası,, nur eine andere Art, nämlih Greorsıs, die jew eher das Unterſcheidende der erasriocıs als dae ibr und ter arrigadız Gemen ichaftlihe feyn würde.

2 So Metaph. XII. 2 (240. 18).

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durch die Verneinung nur zu einer beſondern Art des weißen Geſichts; wie das nur nicht poſitiv Seyende nicht das Nicht ſeyende, ſondern durch die Verneinung nur zu einer beſondern Art des Seyenden, zum un öv wird. Das „nicht“, wie Ariftoteles an einer andern Stelle erflärt 2, beraubt entweber ganz (öAwg) ober nur auf gewiffe Weife, z. B. daß nur der Actus geleugnet wird, das gleich feyn, nicht auch das gleich ſeyn können. Was A nicht ift, ift entweder das ganz bes Aſeyns Unfähige (rô aöduveror. OAonc Eye), ‚over das es ſeyn kann aber nicht ift (TO mepvxog Eye un &yn). Iſt Beraubung eine Ber neinumg des Habens, fo ſetzt fie entweder ein abſolutes nicht haben- Können (dövsaula dıooısFeice), over fie fest das Subjeft, das haben» Kännenbe, voraus (ift auvscAnyuusvy To dextıxg), wo fie erft Beraubung im engern Sinn ift. Gleich oder nicht gleich (ovux Zoov) ift alles, glei over ungleich (dvecor) aber nicht alles, ſondern nur was der Größe fähig iſt

Ich unterbreche mich, um zu bemerken, daß auch im allgemeinen Sprachgebrauch vie beiden’ Verneinungspartifeln, welche vie griechiſche Sprache wahricheinlih vor allen andern voraus hat, auf verſchiedene Weiſe verneinen, und zwar, wie ich bieß fchon früher in einem andern Bortrag nachgewiefen, ganz analog ber philofophifchen Unterſcheidung, daß durch das eine nur vie Wirklichkeit geleugnet, durch das andere auch die Möglichkeit aufgehoben wird. Eine dritte Verneinungsmeife ift bie durch das © privativum, unfer beutfches un. In der zulegt angeführten

' Metaph. IV, 2 (63, 8 ss.). Die umbebingte Verneinung (7 aropadız 7 anıös Aeyoudvn) jagt einfach: orı ouy vrapyeı (dustvo) Ersırg (bie Einfchaltung be äxstvo, bas in einigen Handſchriften ftatt dus. zu ſtehen fcheint, rechtfertigt ih durch die Sache und wohl auch durch Alex. Aphr.), bie bedingte: örı ory indpzs: (ixsivo) rıvl yiver, fie ift orspnoıg, welche auch nad XI, 3 (217, 20) nicht Berneinung bes Begriffs überhaupt (rod 6Aov Aoyor), fondern bes be- fimmten (rod relevralov Aoyov) iſt.

2 Metaph. X, 4 (201. tot.). -

® Au) früher V, 22 (114, 10): avıcov ro un -syev idornra, mspıog (£yeıv) Asyara. Für die Sade ift es gleichgültig, ob man vorzicht ro um iyov zu lefen, ober ob man das 75 Zyarv durch das gleichfolgenbe aopurov idyeraı TS 0los un Kyewv ypoua fich vechtfertigen läßt.

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Stelle fegt Ariftotele8 dem 00x Zooy das &vıcon völlig wie m, icer entgegen '. Ueberall jetoch möchte biefe Gleichſtellung nicht anmwenther ſeyn. Es fen 3. B. das Mufter einer Wigur gegeben, wonach jeman eine andere zeichnen ober ausfchneiden foll, fo wirb im Fall des Mir lingens, wenn man nicht bloß das Factum ber Ungleichheit, ſonder tie verfehlte Abficht ausdrücken will, ungleich nicht ansreichen, mm wird Ingen müſſen, das Nachgebilvete fey dem Vorbild nicht wirklich glei, un 2oov. Bemerkungen viefer Art können kleinlich fcheinen; ba fr aber doch auf wirkliche NUancen des Gedankens fich beziehen, türfen fi nicht überjehen werben, wenn auch namentlich bie veutfche Sprache Mühe bat fie zu unterfcheiven, und faft nur durch den Accent fich helfen lam, wenn fie nicht wohl oder übel lateiniſch fih ausdrücken will; venn da 3. B. möchte über ten Unterſchied zwifchen est indoctus, est non doctus und non est doctus faum jeniand fi) täufchen. Weder das Em̃e noch das Zweite wird man von einem eben geborenen Kinde jagen, tet Erfte nicht, weil es noch nicht in der Möglichleit mar, das Zweite nid, weil es fi nicht in ber Unmöglichkeit befindet, das Tritte aber wird man zugeben, benn, intem e8 nur bie Wirflichfeit lengnet, fett es di Möglichkeit.

Kann nun aber meber in Anfehung des allgemein-griechifchen, net in Anſehung des ariftotelifhen Sprachgebrauchs über den Unterſchied ter beiden Partikeln ein Zweifel feyn, man müßte uns denn mas den erita betrifft eine Stelle des platonifchen Sophiften entgegenhalten, welche zu erörtern ich fpäter Gelegenheit nehmen werde: fo Tann und barf es nict unbemerkt bleiben, daß Ariftoteles, fo oft er den großen Grimbfag er wähnt (unmöglich ift, daß baffelbe zugleich fey und nicht fey), nur von elvaı xai un elvaı, nie von elvaı xal 00x eivaı ſpricht, wien müßte, wenn ver Grundſatz ihm bloß bie formelle Bereutung hätte, ven ver bie Neueren allein wiflen. Offenbar, da er eines won beiten ſagen mußte, bat er den Ausdruck vorgezogen, ver tem Grundſatz in der

' Gleiches gejchieht mit dem adınog. Metaph. XI, 3 (217). So viele & neinungen durch a, fo viele Beraubungen. V, 22 (114, 9).

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weiteren Ausdehnung gemäß ift und ihn nicht auf das contradictoriſch Entgegengefetste beſchränkt. Daffelbe wünfchte man von dem „nicht zu⸗ gleich” fagen zu fünnen, nämlich Ariftoteles habe, was ihm für ven einen und materiell beveutenden Fall unentbehrlih war, auf ven formellen nur miterſtreckt, wo er eigentlich unftatthaft ift, denn Sinn hat er nur für den Widerſpruch der entfteht, wenn Entgegengefetste von einem und demfelben zugleich gejagt werben. Formeller Widerſpruch aber ift nad) Ariftoteles im zwei Fällen '. Einmal wenn 3. B. dem allgemein be- jahenvden Sat: von Natur find alle Menſchen weiß, der particulär ver- neinenbe entgegenfteht: von Natur find einige Menfchen nicht weiß, ober umgelehrt: allgemein bejahend und allgemein verneinend find die Sätze bloß conträre ?, die beide falſch jeyn können, nicht wiverfprechenve, von denen einer nothwendig falſch, der andere aljo wahr ft. Bon eben ſolchen Sägen ift e8 ja aber ganz unmöglich zu denken, daß in verfchie- denen Zeiten beide wahr feyn können. Der andere Fall ift, wo ohne Unterſcheidung der Duantität einfach Bejahung und Verneinung ſich ent- gegenſtehen, z. B. die Sonne bewegt ſich um die Erbe, bie Sonne be⸗ wegt fich nicht um die Erbe. Hier ift e8 rein unmöglich zu fagen, fie bewege fi und bewege fich nicht, nur nicht in berfelben Zeit. ber 3. B. Petrus ſchreibt, Petrus fchreibt nicht. Hier find zwei Fälle möge lich. Er jchreibt nicht, kann gejagt werden von dem, der fehreiben gar nicht gelernt bat, mo auch das Können fehlt. Da alfo ift e8 unmög- Lich, alfo ein Wiverfpruch, daß er fohreibt. Er ſchreibt nicht, kann aber ebenfowohl von dem gejagt werben, ber fohreiben fann. Hier ift es nicht unmöglich, d. h. es ift Fein Widerſpruch, zu fagen, daß berfelbe auch fchreibt, nur in einer andern Zeit. Alfo gerade nur wo bloße Entgegenjegung, ift das Ariftotelifche „nicht zugleich” an feiner Stelle, und Kant, der den Grunbfag nur als formellen kennt, bat ganz Recht, wenn er die Einfchaltung verwirft, Unrecht jedoch, wenn er meint, wo fie unvermeiblih, ſey bloß Ungenanigfeit des Ausdrucks daran ſchuld.

! De Interpr. 6. ? De Interpr. 7.

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Sage man: ein Menjch, der ungelehrt iR, AR aicht gelehrt, fa mäfe hi Bebingung nicht zugleich dabei ſtehen, denn der, fo zu einer Zeit un fehrt, könne gar wohl in einer anbern gelehrt feier‘. Mein erſen fpriht niemand jo, denn niemand fagt gern envas von ſelbſt fh Ber ftehenbes, das als Say auögefprodhen ein-Lächerliches wirb, zack aber, wenn jemand fo ſpräche, ift eben barılın, weil mr bawen bie ce, was der Menſch, der ungelehrt ift, nicht if, nicht Davon, was er jew lann, das „zugleich“ überflüflig. Der correcte Ausdruck nad) Kants Die nung jpäre: fein ungelehrter Menſch ift gelehrt; hier fe Der Gap m Intifch, weil das Merknal (dev Ungelahrtheit) uunmehr ten Begriff vd Subjelts mit ausmache, und alebann erhelle der verneinente Eak zu mittelbar aus tem Sat des Wiberfpruchs, ohne daß die Cinfdiräntug „nicht zugleich“ hinzukommen birfe. Allein weil ver Unterſchied and fe bloß in Worten Liegt, wird auch fo niemand fagen, und fein Denlender wird fo fagen, weil feine Meinung nicht ſeyn kann, daß es zufällig mr fo ift, er wird fagen: daß Fein Ungelehrter gelehrt feyn Tann, wo dam aber fofort der Zufag „nicht zugleich“ als unerläßlich erſcheint. Ein Mei nämlich, der nur zufällig ein ungelehrter ift, kaun allerdings noch gelehrt ſeyn, nämlich in einer andern Zeit; hier ift bloße Entgegenſetzung, bat „nicht zugleich“ alfo von Nothwendigkeit. Dagegen für ven, ver nicht bloß nicht gelehrt ift, fondern nicht gelehrt, weil er über die Jahre des Ler⸗ nens hinaus ift, wird das Gelehrtfeyn zur Ummöglichkeit, d. h. zum Widerſpruch, hier ift ver Zuſatz ganz überflüffig.

Kant, der gelegenheitlih au tie Meinung ausgefprochen, feit Ariftoteles habe die Logik Feine Fortſchritte gemacht (vielleicht dürften die Neueren fehr zufrieden fen, wann man ihnen zugeftünbe, nur ven ab ftracten Inhalt der Ariftoteliihen Logik treu und vollſtändig bewahrt, und was die metaphufljchen Erörterungen der Iogifchen Berhältnifie be trifft, mit denen Ariftoteles ja auch voransgegangen, wenigftens keine Rückſchritte gemacht zu haben), Kant alfo macht gegen das „nicht zugleich” als Zufag zum Grundſatz des Witerfpruchs noch den beſondern Grund

Kritif ber reinen Vernunft, S. 153.

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geltend, daß fo ver apodiktiſch⸗gewiſſe (eigentlich der einer Apobiris weder fähige noch bedürftige) Grundſatz durch die Zeit afficirt werde: als ein bloß Logifcher Grundſatz müfje er feine Ausſprüche gar nicht auf Zeit verhältniffe einfchränfen, eine foldhe Formel ſey ver Abficht ganz zuwider‘. So wie Kant bieß gemeint, dem der. Grundſatz überhaupt nur formelle ‚Bedeutung bat, gibt man e8 ihm zu; nicht zuzugeben aber ift, daß im reinen Denken überhaupt Fein Bor und Nach zuläflig ſey. Denn bieß bieße das Denken allzu. fehr befchränten ober vielmehr aufheben. Es verfteht fich unftreitig von felbft, daß im bloßen Denken bie Folge auch eine bloß noetifche, als foldhe aber ift fie die ewige und darum unauf- hebliche. Wie die drei Elemente des Seyenven ſelbſt bloße Potenzen find (als auf die Wirklichfeit wartende find fie), fo ift auch das Vor und Nach eine bloße Potenz. Zeit liegt darin, die es jedoch erft als folche ift, wenn wirklich das bloße Denken überfchritten ift, ja vie Folge in ben, wirklichen Zeiten befteht nur darum, weil fie urjprünglid eine intelligible, noetifhe,. und aljo eine ewige ift, wie wir annehmen, daß in der Natur die Aufeinanperfolge zuvor ſchon in der Idee, wie man fagt beſtimmt fen mußte: dem VBorausgehenven mußte beftimmt fegn, daß es voraus gehe, dem Folgenden, daß es folge, bem Letzten, daß es der Zwed und das Ende ſey. Es iſt unvermeiblih, auf dad alles zugleich zu kommen, wie auch Ariftoteles zugibt, daß nach Einem Ge⸗ fihtspunft die Recht haben, welche nicht-Seyn und Seyn im Gegenftand präeriftiren laffen?. Bon jenen Momenten des Seyenden ift freilich feines ohne das andere, e& ift bier alles wie in einem organifchen Ganzen gegen ſich wechjelfeitig beftimmend und beitimmt; das nicht ſeyende ift dem rein feyenden der Grund (bie ratio sufliciens), aber hinwieder ift das rein jeyenbe die beftimmenve Urſache (ratio determinans) des bloßen Ansfich-feyns, und aud) das Dritte vermittelt ven vorausgehenden ebenfo Momente des Seyenbeh zu ſeyn, wie eben dieſes ihm durch fie vermit- telt iſt; es müffen deßhalb alle over es fann feines geſetzt ſeyn. Weil

Kritik der reinen Vernunft, S. 152. ? Metaph. IV, 4.

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jedes der Unterfchieenen für ſich und ohne das andere bat Geyenke ne fegn lann, fo ift zwiſchen ihmen eine natürliche Ungichumg,- ud u | nicht ander® möglich, als daß bie vollendete Ioee zumal entficht. Det iſt auch der Sinn von: „In ber Ioee fer alles zugleich”. Wber bir „zugleich“ hebt nicht auf, bafı das eine Moment moetifc; cher fey alt ta andere. Der Natur nad; (d. h. eben im Gevanfen) ift barım has Ei doch das Erſte, das Dritte das Dritte; was Eubjeft und Objekt in Cum iſt, fan nicht mit Einem Moment, es kann -mm mit verſchiedenen Me menten, und da unſere Gebanfen berjelben fueceſſiv find, amd nicht mit einer und derjelben Zeit‘ gejegt werben, wenn mämlich, was hier Hei noetiſch gemeint ift, zum venlen Proceß wird.

Aber fogar durch Zahlen haben wir die Momente bezeidhwet?, md wohl die Frage zu erwarten, wie hier im Anfang der Philoſephie jhm Zahlen angewendet werben. Wir werben hierauf fpäter am gelegenm | Stelle noch beſonders antworten, und begnügen uns jetst zu fagen, bat da, wo Unterfheidung von Momenten, auch etwas Zählbares if. Ci | Kant ven Typus von Thefis, Antirhefis und Syntheſis in allen Begrifn | hervorgehoben, ein Nachfolgender eben dieſen in ausgedehnteſter Amen dung geltend gemacht, ift bie fogenannte Trichotomie ober Dreitheilug gleichfarf zur ftehenden Form geworben, und es war feiner, ber nik die Philofophie mit drei Begriffen (wenn auch noch fo verfräppelin: anfangen zu müffen glaubte; ob fie mm biefe zählen und fagen: eb ft drei, ift für die Sache ganz gleichgültig, Wie manche überhaupt dab vorausfegungsfofe Anfangen ſich vorftellen, müßten fie aud das Deus ſelbſt nicht vorausfegen, und z. B. auch erſt die Sprache, im ber fir fi ausbrüden, bebuciren; ba dieß aber felbft nicht ohne Sprache geſcheher tönnte, bliebe nur das Verftummen, vem ſich einige durch Untehälilt feit und Kaumwernehmlichkeit der Sprache wirklich anzumähern face, und der Anfang müßte fogleidh andy das Ende fern.

Zur von diefen logiſchen Erörterungen zur Sache. Den höcſea

xard tövanrör yedvor. Metaph. XL,5. Eonfl ir ef aies zei. Gi S. die zwölfte Borlefung.

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Anſpruch, das Seyende zu feyn, bat, wie wir gefehen, bas Dritte. Über, da es das, was es ift, nicht für fich feyn kann, ſondern nur in Gemeinſchaft mit deu anbern, fo gilt von ihm, daß es fir fich eben auch unr das Seyende ſeyn Fann, eine Potenz des Seyenden ift. Aber das Ganze, das fi) im Gedanken mit Nothwendigkeit erzeugte, dieſes wird wohl das Seyende fen? Ja, aber im bloßen Entwurf, nur in ber Idee, nicht wirflih. Wie jedes einzelne Element das Seyende nur feyn kann, fo tft das Ganze zwar das Seyende, aber das Seyende, das ebenfalls nicht Fit, fondern nur ſeyn kann. Es iſt die Figur des Seyenden, nicht Es felbft, der Stoff ver wirklichen Idee, nicht fie ſelbſt, fie wirklich, wie Ariftoteles. von der Dynamis im Allgemeinen fagt: fie jey nur der Stoff des Allgemeinen‘. Zur Wirklichkeit wird ed erft dann erhoben, wenn Eines oder Etwas It, das biefe Möglich- keiten ift, die bie jeßt bloß in Gedanken reine Noemata find. Diefes aber, was biefe Möglichkeiten Iſt, Tann begreiflicherweife nicht felbft wieder eine Möglichkeit. fein. Denn in dem, was wir die Figur des Seyenden genannt, ift alle Möglichkeit beichloffen (fini), und es bleibt nur das übrig, was. nicht mehr Möglichkeit ift, fondern Wirklichkeit, und Das fi zu den Mlöglichleiten als das fie ſeyende verhält. Denn das Ganze der Möglichkeiten (die Figur des Seyenden) Tann -al8 das ſchlechthin Allgemeine nicht felbit ſeyn, es bedarf Eines, an dem es, als ein ſelbſtloſes, fein Selbſt hat, das ihm als nicht ſelbſt-ſeyen dem Urſache des Seyns ift, are Tov elveı, wie Ariftoteles ſich ausdrückt. Diefes Lettere, dad das⸗Seyende⸗ſeyende (ebenfalls ein ariftotelifcher Ausdruck, wie fi uns in der Folge zeigen wirb), ift, weil es dieſes ift, nicht felbft eine Art oder eine Stufe des Senenven, nicht ein Biertes, das ſich den drei Elementen oder Principen anreiht; es kann nicht auf gleicher Linie mit dem ſeyn, welchem es Urſache des Seyns ift, fonbern gehört einer ganz andern Orbnung an (weßhalb auch bier nicht wieder

! Sie find bie Dynamis (das Reich des Seynlönnenden), wovon Ariſtoteles ſagt: 7 duvauıs, O5 vn tod nayolov ovda xai aopısrog (rov xad0Aov xai dopisrov &öriv), 7 Ödvippsa opısudın nal apıdusvov ride vrda roids rırog. Metaph. XIII, (289, 5 ss.).

Zahl). Dene Elemente werben erft das Seyende, Indem es fie it; die eben darum Bar es in fich felbft micht wieder das Sehende ſehn, manfege denn, es ſey das Seyende felbft (eur 76 Öw), womit ange wird, daß das Sehn hier nicht Präbicat, fonbern bas Weſen ji (Einheit von Seyn und Wefen im entgegengefegten Sim). Dub) alles Allgemeine in dem hat, zu dem es das Berhältnif; des’ es jepaben Hat, fo iſt es felbft (im ſich felbft) nichts Allgemeines (Fein Was), ji bern alles Denken übertreffenbe- Wirklichkeit, fo fehr, daß gegen hide fein da8-Seyenbe-Seym nur als ein Späteres‘, ein ihm bloß; Auftnfentet (ouußaßrmebe), SHinzutonmenbes erſcheint. Es ift das, beffen Bea im Wirflichfegn befteht nad; dem energifchen Ausdruck bes Ariftetelk: 00 4 06ala iväpysıc), ben die weniger Geübten ſich wohl am been deutlich machen, wenn fie als Gegenſatz dazu benfen, daß z. Be Materie (im ariftotelifchen Sinn) der Actus (die Energie) ein Zufälige, | nur als Prävicat Zufommendes ift. 1 Das, was das Sehende Iſt, kann als das ſchlechthin Bela ober Ioee- Freie (nämlich für ſich und außer dem Seyenden betradte), nicht einmal das Eine feyn, fonbern nur Eines, "Es Tu, was den Ariftoteles mit dem was ein Diefes (ein r6da zu Öw)® und bem für ſich ſeyn Könnenden gleichbedeutend ift, dem zopsordn!. As add Allgemeine und damit alles Materielle von ſich ausſchließend, wird d fo wenig dem Wefen nad) ein Seyendes, als in fich felbft das Geyenie, es wird bloß feyend zu nennen ſeyn, wie Ariftoteles von ber Eu ſtanz (odade) fagt: od Ti dv, dRR dmag Öw>, nicht etwas (wei

' Gegen ſolche, bie in Anstrüden wie bie obigen das reine Denten (mes fe nämlich fo nennen) gefährbet ſehen wollten, genüge das mpsoßsia vwepiyer bi Vlaton, de Rep. VI, p. 509 B, wo er von bemſelben Gegenflanb rebet, we er a fonft biefe Ausbrudsmweife Tiebt. Vergl. das apsoßirarov de Le.

p. 966 D.

3 x0, 6. "

® Dan fefe Melaph. V, 13 (106, 21).

S. Meiaph. V, 8 (100, 8). Beides (ro zuopidrev nal röde ci) fühe fich zufammengeftellt Metaph. VIL, 3 (131, 20).

® Metaph. VII, 1 (128, 26 ss.)

=

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fonvdern einfach ſeyend Was weiter hinzukommt, hat es durch bäftnif zum Seyenden. . & wird Ihnen, wenn Sie dieß aufgefaßt, and nicht ſchwer ſeyn, von dem mir fagen, e8 fey rein ſeyend, von jenem feyenven, x unter den Elementen ober Potenzen als das rein (nämlich fub- ſeyende bezeichnet haben, zu unterfcheiven. Denn das Letzte ft den ein Allgemeines, ÖUvauıs ToV xad6oAov (wiewohl bes x Urt, wovon im Augenblid nicht die Rebe ſeyn kann), und es | feyende bloß materiell, und nicht als Wirkliches, ſondern weſent⸗ tentiell. agegen könnte eine Schwierigkeit darin geſucht werden, daß man agen kann, d. h. daß es feinen Begriff dafür gibt, was über⸗ Actus iſt. Ariſtoteles ſagt es zwar bloß bei Gelegenheit bes : daß man nicht alles zu definirer ſuchen müſſe, ſondern ſich wohl nit Analogien begnügen'!. Aber er meint es doch vorzüglich vom

den er nicht zu erflären gefteht indem er ihn durch Beiſpiele rt. Wenn es ſich aljo bloß darum handelt zu zeigen, was über Actus ift, fo hatte Fichte nicht jo Unrecht, deßhalb gleih an ns Nächſte, die fortgefegte That, oder, wie er ſich kräftiger aus- fen glaubte, -Thathbandlung unjeres Selbftbewußtfenns zu ver

Der Actus überhaupt ift doch eigentlid) nicht im Begriff, ſon⸗ in der Erfahrung. Der Actus wird auch nicht was bie Potenz Attribut. Als wirkliche Inſtanz aber das Gefagte brauchen zu könnte nur einem von denen einfallen, von benen wir oben daß fie verftummen müßten. Denn es ift feinem, ber irgend verfteht, je beigelommen zu behaupten, daß, wenn die Wiſſen⸗ nicht aus der Erfahrung zu ſchöpfen iſt, der Menſch darum ohne irgend einer Sache, am wenigſten aber, daß er zur Philoſophie h fen. in der That das, was das Seyende iſt und nur reine Wirklichkeit

del marroc ögor Cnretr, alla xai ro avdAoyov duvopäv. Metaph. (182, 4). -

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ſeya am, {R, fofern dieſs, mit einem Megeiff zu fallen Du Denen geht bodh nur bis zu biefem. Das was ir Mctes if, eutzch fich dem Begriff. Will fid vie Seele mit biefem befchäftigen web alle das was das Geyenbe ift aufer bem Sehenden nud au unb für fig

. fett haben, als ein zeyupioudvor nal aurd nad! abrö, we

Ariſtoteles fich ausbrüdt: basın it fie nicht mehr denlend, fonbern (weil alles Algemeine hinweg) fchanend‘.

Leicht möglich aber, daß und in Folge der leiten Grörterungen ea anberer Streit erregt werbe wegen ber früheren Beftimmungen in Betreff des ontologifchen Argumente. -Denn unftreitig flanben wohl viele, we nicht bie meiften, bie ſich mit ihm befaßten, in ber Mein, ba fe mit demſelben nur ben ariſtoteliſchen Begriff (00 7 odasa dndgyun) ausführten. Allein ‘ver große Unterſchied iſt biefer. Nach dem arifr telifchen Begriff ift von Wefen eigentlich gar nicht bie Rebe, ver Actu tritt ganz an feine Stelle, und es ift infofern völlig eliminirt. Dagegen wo bie allgemeine Formel: Einheit des Seyns und bes Wefeng (in Got angewenbet wird, gefchieht e8 bei den Neueren auf bie Weife, daß man fogt: Gott ſey burd) fein Weſen beftimmt zur Eriftenz, ober: Gottes Giſtenz fey darum eine notbwenbige, weil ber zureichende Grund ber- felben in feinem .Wefen liege, ein Ausbrud, deſſen Leibnig um fo mehr ſich bebient, weil er Ieugnet, daß ohne das Princip bes zureichenden Grundes Gottes Dafeyn erweislich ſey, alfo auch dem omtologifhen Argument ohne dieſes feine Beweiskraft zuſchreibt?. Im allen vieen Ausdrüden wird Weſen vor bie Eriftenz gefegt, ber Sinn bes ars ftotelifchen Begriffs aber ift, daß das Weſen felbft bloß im Actus be ſtehe. Jeder Beweis der nothwendigen Eriftenz Gottes fünnte auch nur

Auch Platon fagt von ihm zwar uoyıg opäsdhar, aber doch opäsdtar, mi vostö$as. De Rep. VII, p. 517B. Daß Platon hier von bemfelben vebet, zeigt bie folgende Borfefung. Zu vergl. de Rep. VI, p. 506 B. Tim. 28 A. Phaedr. p. 248 A. Cbenfo gehört hieher das: ade «} Yuyd Jeardov aurd rd ap ‚nara. Phaed. p. 66 D. und: {pra? arj nad" avriv ylpasdau (f rof pl Söpov yuyi) ibid. p. 65 C. Berl, Branbie Geich. der griech Um Bild. 1, p. 222, k.

2? Man fehe fein fünftes Schreiben an Clarle.

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babin führen, daß er das nothwenbig Exiſtirende ift (necessario- Exi- stens), aber um was es ſich zuletzt hanbelt ift, daß er die natura ne- cessaria ift. Gottes nothwenbiges Exiſtiren befteht nun in feinem not» wenbig, d. h. ohne fein Wollen oder Zuthun, da8-Seyende-Seyn. Die natura necessaria aber ift er vermöge bes von feinem das⸗Seyende⸗Seyn unabhängigen Seyns, wodurch er gegen jenes nothwenbige Eriftiren frei wird und in fich ſeyn Kann.

. Nun aber ift e8 Zeit, auf das Seyende zurüdzufehen und auf bie Elemente veffelben, mie dieſe fih verhalten, nachdem Eines Iſt das fie ift. Alſo diefe Unterſchiede find nun feine Unterfchiebe, dieſes beftimmten Einen, das in ihnen Anfang, Mittel und Ende feiner felbft, aus ſich ſelbſt (in feinem an⸗ſich-Seyn), durch ſich (als das außer⸗ſich⸗Seyende), in ſich (das ewige beisfih-Seyn) gehend. Das bei-ſich⸗Seyn iſt das Mitt- lere vom an ſich und außer ſich ſeyenden, bei ſich iſt nur was auch außer ſich iſt. Nicht das Subjelt, nicht das Objekt, nicht das Subjekt⸗Objekt Iſt, fondern da8. beftimmte Eine ift das Subjekt, ift das Objekt, und ift das Subjekt-Objekt, d. 5. viefe Elemente, die Principien zu ſeyn feinen konnten, find zu bloßen Attributen des Einen herabgefegt, das in ihnen das volllommen und ganz fi) Beſitzende ift, ohne daß daraus folgt, daß es nicht auch in feinem für fid)- Seyn bieß feyn würde. Denn was es in feinem das⸗Seyende⸗Seyn auf materielle Weiſe ift, pas ift es andy in ſich felbft, nur immaterieller Weife (dourdsrag, um das ariftotelifhe Wort zu brauchen): in-ben Elementen ift die Einheit nur auf die erfte Weife, in vem Einen felbft (denn fo können wir es auch nennen, wie wir e8 das Seyende ſelbſt genannt haben), in biefem alfo tft die Einheit auf bie andere Weife und ungerftörlich, weil in ihm gar nichts Mögliches ſeyn kann, weil es unüberwindliche und unauflösliche Einzelheit ift, Einzelwefen wie fein anderes; die Ein- zelheit allein hält Stand, alles andere ift viffolubel Die Einheit des Einen»felbft ift, die nicht mit ber in ver Allheit gefetten verfchwindet, fondern dieſe als alle Möglichkeit übertreffende Wirklichkeit überdauert. Die Elemente ftören ſich untereinander nicht; das wäre nur wenn eines in ſich was das andere ſeyn wollte (— A 3.8. + A), aber ihr

Unterfeleb und alſo auch ihr Sehn, das fie im ber Eicheit fafn, d gerade nur barauf, daß das eine nicht das ambere (wicht enden) iR, wir fle barım auch nur fo beſtimmen Tonnten, daß tvir A fogten, es fey reines Können ohne alles Seym, von FilR fe ebenfo reines Seyn ohne alles Können, von + AM als von beiden (jedem für fih) Ansgefäploffenes. De filed zmifißen ihnen iſt nicht wie zwiſchen Wiperfpreihenden; fe R6 durch bloße Beraubung, nur zer ardoyaen umterjcjieben, d.h. kh einfach dem einen fehlt, was das andere iſt. Bon Ausſchlehen ha wir zwar filiher geſprochen, aber bieß war nur im Gedanken gemeit; zum wirklichen Ansfchliehen gehörte, daß eines für ſich fein wollte; aber | hier ift vielmehr jedes von ſich abgewendet, A tas Können wicht da fich ſelbſt, fondern von + A, beide zufammen das Können von + A, alle zufommen von dem was allein das ſelbſt Seyende ift. (Sie fchlice ſich fo wenig aus als im mathematifhen Punkt, ben man als ben Andi in potentia anfehen fann ‘, Mittelpunkt, Umfreis und Durchmeſſet fh ausſchließen). Sie ſchließen fi nicht aus, weil fie nidt drei Seyende find, feines ein Seyn für ſich anfpridt, ins Sm vielmehr allein deſſen ift, zu deſſen Attribut fie werden, zu dem fie fd als bloße Průdicate verhalten, ihr eignes Seyn alfo in Blofer Potenz Het

Es fönnte uns hier, da wir uns bes Worts Prädicate betien leicht, beſonders von folchen, bie mit ben früheren Gntwidlungen de felben Gedankens nicht unbefannt find, bie Frage geftellt werben, ware wir da, was das Seyende ift, nicht einfach) das Eubjeft, umb zwar bes abſolute Subjekt genannt haben, das zu nichts anderem, und zu dem alles andere nur als Attribut ſich verhalten Tann. Freilich, wenn in tem Seyenden eine gewiſſe Succefjion liegt, daß je das Vorhergehende, del ein in höherem Sinn für ſich feyerives, in biefem Sinn Subjeft jdn, gegen das Folgende zum Präbicat wirb, fo ift das was über allem f, zulegt das was zuerſt A war, Subjekt, und wenn, was bier

! Beil die Größe bes Durqhmmeſſers gleihgültig, fo kann er auch uab id, Hein gedacht werten.

bloß noetiſch gemeint iſt, zum realen Proceß wird, ſo immer wird eine Succeſſion von Subjelten (immer höherer Ordnung) zuletzt zum abfo- luten Subjelt führen. ‘Der Sache und dem Begriff nad) alfo wird es fih fo verhalten. Aber was uns abhält, auch demgemäß uns auszu- drüden, ift, daß wir uns vorgefegt, in dieſer Darftellung (und in ber Weiſe der Darftellimg kann und foll ja ein immerwährenver Yortichritt ftattfinden bis zur Vollendung) durchaus die Ausdrücke foviel immer mög- fich in ihrer frengften Eigentlichleit zu brauchen. Uber A, wor von wir ausgingen, konnte recht eigentlich Subjekt heißen, es ift an erfter Stelle, das eigentliche sub-jectum (URoxe/usvov, VnoTsFEev), das Letzte aber könnte nur uneigentlich und gegen den wirklichen Verſtand fo genannt werben, da es nichts unterthan ift, und um jenem (dem A) feine große Bebeutung zu retten, möchten wir e8 gern allein das Subjekt nermen. Wir finden uns bier allervings durch die Spradye beengt, aber nicht wir erft; denn auch Ariftoteles, von deſſen Hypokeimenon fi das fcholaftifch-lateinifche Subjectum und unfer Subject herfchreibt, wenn diefer von der Subſtanz (der ovode) jagt, daß fie das fey, was nicht von einem Subjekt gejagt werbe, obgleih daraus eigentlich folgt, daß fie felbft das abfolute Subjekt ift, nennt er doch das erfte ver Wefen nie das erſte Hypokeimenon, wohl aber nennt er bie Hyle (das Unterfte) fo, da wo er zuerft feine vier Urfachen aufzählt‘; am meiſten fichtlich aber ift die Berlegenheit in dem befonvern Kapitel von der Subſtanz, wo die - Frage erörtert werben muß, ob die Materie Subſtanz ſey in dem vor⸗ beftimmten Sinn (daß nämlich Subftanz iſt was von nichts anderem gefagt wird), und faft zur Abweiſung eben dieſer Definition fteigert fich jenes Gefühl ?.,

Subjett, Objekt, Subjelt- Objelt: das find die Urftoffe des Seyenden. Aber nicht das Seyende, fondern das was das Seyende tft, it der Gegenftand, ift das Gewollte, der Zweck, ift das Princip,

' Metaph. I, 3 (9, 23 ss.).

? Ti elpnraı ri nor dsriv n ovdia, nämlich orı 70 un nad vmona- usvov, alld xa}' ov ra alla’ dei dd un uovov ovrog' ov yap Inavov. Metaph. VII, 3.

das es wirklich ift (vie andern find Bloß mögliche). Denn jenes Ex, in Kraft deffen es allein das Seyende ift, ift eim ven feinem hab Seyende-Seyu unabhängiges, durch das alfo auch es ſelbſt vom Em den wmebhängig üft; cd iſt das Sehu, das es in fich hat, alle mb bängig Bat von jenen Boransfegungen, bie mr im Denken voraägche, nur Aöyp woörepw find; es iſt das Seyn, vermöge beffen cd tul sodrmg dv, das erft ſeyende, bem Fein anderes vorausgeht, und dal ſchon darum ein Beſonderes ift; es ift das Seym, im dem das Drake fein Ziel at: wenn wir bei ihm ankommen, ift das Denten vente und bat feine völlige Befriebigung; was vermöge des Dentens mögih iſt, was fich denlen läßt, ift gedacht, alfo ift über biefes Seyn mil mehr zu denken, alfo auch nicht mehr zu zweifeln, es ift das ſchlect hin ungmweifelhafte Seyn; mit ihm alſo ift das, mopen man m fangen Tann, wenn man es nämlich erft für fich hat.

Diefeß demnad), das auf ſolche Weife feyend, ift ber ſeit Descarkt gefuchte, aber ‚nicht gefundene Gegenftand, das ganz durch bie Je beftimmte Ding, von dem Kant ſpricht, das eben darum auch im rim Denken nod vor aller Wiſſenſchaft gefunden ift, in dem daher bin mittelbare Denken fein Ziel, die Wiffenfchaft ihre VBorausfegung bt Nach diefem verlangt die Vernunft, nicht um bei ihm ftehem zu bleibe, fonbern zunächft, wie fich zeigen wird, um von ihm aus zu allem auden als einem ebenfalls durch das Denken Beſtimmten zu gelangen, u a dem großen Berhör oder VBernehmen, wovon die Vernunft den Namz hat und in das fie alles Denfbare und Wirkliche zu ziehen beabfidg, nichts frei zu ſprechen, d. h. gelten zu laffen, zu dent fie nicht von ihe aus im reinen Denken gelangt ift, damit fo nach Ausftoßung alles ru artigen (Heteronomifchen) die volllommene Durchſichtigkeit des Wie! | möglid und zu jener durchaus ſelbſtherrlichen Wiffenfchaft wenigftens de DBeg eröffnet jey.

Yierschnte Vorlefung.

Es muß wohl ein befonderer Weg ſeyn, der, ohne von Erfahrung anzugehen, gu feinem Ziel das Brincip bat; denn außer dem Princip fheint nur jene einen fihern Ausgangspunkt varzubieten. In der That wird man über die von uns bis jet befolgte Methode nur auf folgente Art fi ausprüden können. Sie ift nicht die deductive, benn dieſe ſetzt das Princip voraus. Ta nicht die debuctive, wird fie inbuctiv fen; und in der That das Hinpurchgehen durch die Vorausfegungeu, die als Bloße Möglichkeiten enthalten mas erft im Princip als Wirklichkeit ges feßt wird, dieſes Hindurchgehen ift wohl eine Induction zu nennen, aber doch nicht in dem’ gewöhnlich mit dieſem Wort verbunvenen Einn; und von bem insgemein fo genannten Verfahren unterſcheidet ſich ja das unfere dadurch, daß die Diöglichfeiten, deren es fih gleihjam als Brämiffen bevient, im reinen Denken, und darum zugleich auf foldhe Weile gefunven find, daß man der Vollſtändigkeit verfihert feyn kann,

was bei den von Erfahrung ausgehenden Intuctionen niemals ebenjo .

der Fall if. Beſtünde man alfo darauf, daß es nur zwei Methoden gebe, deductive (unter welche auch die demonſtrative fällt) und inbuctive, fo müßte man zugleich Induction in zweierlei Sinn denken (und in ber That ift in der allgemeinen Erklärung des Ariftoteles von Erfahrung nicht die Rebe), alfo ausfprechen, baß fie zweierlei Arten unter ſich begreife: bie eine Art ver Induction jchöpfe bie Elemente aus der Er- fahrung, bie andere aus dem Denken felbft, und biefe letzte ſey bie, durch welche die Philofophie zum Brincip gelange.

Wünfchenswerthb wird e8 aber immer feyn, daß siehe Art ver Shelling, fümmtl. Werke. 2. Nbtb. I.

inpuctiven Methode ihren eigenen Namen habe, wozu nicht bimreiät, fe vie philofophifche zu neımen. Denn philofophifch iſt auch die kebncie, zu welcher vie Phileſophie übergeht, nadibem ihr das Princip gehe,

Zunähft num aber, um ben rechten Ausdruck zu finden, werben kr |

uns unter ben Alten umfehen. Gewiſſe Bezeichnungen phlleſerhiſche Begriffe und Methoden, wie fie von den Alten erfunden poorben, hakı ſich leicht auf fpätere Zeiten fortgepflangt; wicht ebenfo leicht murte da wahre Einn überliefert; und fo ſtehen fie demm jebem zu Gebet, da die Hanb nach ihnen ansftredt, vielleicht um etwas, worin laum ud ein verbrehtes Abbild ver Sache wahrzunehmen ift,‘.mit fo berüfmtn "Ausorüden zu jcmlcen. Es Tiefe ſich leicht mehr als eine Ufurpafin diefer Art nambaft maden. Wenn wir aber jagen, daß ber von mi zur Ermittelung des Princips eingejchlagene Weg genau übereintrifft ui der Beichreibung Platons, wo er nämlich zeigt, -wie das Princip erlang werbe, unb wo er dieſer Methode zugleich; den ihr zukommenden Rama ertheilt: fo ift die feine Anmaßung, denn die Uebereinftimmung et am Tage, daß fie nicht zu verfeninen ift. Um jedoch dieſe Hafidk Stelle (fie findet fi am Ende des festen Buches der Republil) vr: ftändlid) zu machen, muß erft der Zufammenhang dargelegt werben, welchem fie vorlommt.

Platon unterfceidet alfo ein doppeltes Intelligibles (voyrör), int für welches ſich die Vernunft mod) gewiſſer ſinulich anſchaulicher Biber bebient, wie bie in ber Geometrie geſchieht, wobei es ihr jedoch mit um biefe, bie Bilder, fondern um das Vorbild zu thun ift, bem je gleichen, nicht z. B. um das Biereck oder Dreied, das am ber Tod verzeichnet ift, ſondern um bas Dreied ober-Biered ſelbſt, das mr mi ber Bernunft gefehen wird. Hier ift e8, mo Platon ben mathematiiher Disciplinen das ſchon früher Angeführte zuſchreibt, dag fie nämlich der Noefis ziehen, daß fie bie Seele zwingen, des reinen Dentent ſich zu bebienen, daß fie aber das wahrhaft Seyenve, das rein Inter gible nicht erreichen, fondern nur von ihm träumen !,

S. Die Sielle in ber eifften Vorleſung.

D

|

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Nachdem mın Platon Über dieſe Art von Vernunftwiffenfchaft ſich erflärt, geht er zu ver andern Über, wobei nichts Fremdartiges, Sinn⸗ fiche® dazmifchen kommt, fondern das reine Denken mit dem rein In⸗ telligiblen verkehrt, und bier fagt er dann Folgendes:

„Lerne nunmehr, was ich die andere Abtheilung des Intelligibfen nenne, jenes nämlich, das die Vernunft felbft berührt (od aurög 6 Äöyos Änteren), indem fie kraft des dialektiſchen Vermö— gens (77 roũ dunibyeodaı Övvaueı) Borausfegungen (UroFEoeıg), tie nicht Principien, fondern wahrhaft (T® Övr«) bloße Voraus- fegungen find, "wie Zugänge und Anläufe (ofov inıddasıs zul Öouds) fih bildet, um mittelft verfelben bi® zu dem was nicht mehr Voraus⸗ fegung (uéXxot roũ asunodtrov), zum Anfang von allem Brincip des Allfeyenren gehend (ER r7V ToV Ravrös aoynv doſv), und tiefes ergreifenb, und wieter fi anhängen dem mas dieſem (dem Anfang) anhängt (Eydusvos Twv Exeivng &yousvoov), fo zum Ende berabzufteigen, ohne ſich irgenpwie eines Sinnlichen zu bebienen, fonbern allein. von den reinen Begriffen ausgehend, durch die Begriffe fortfchreitend, in Begriffen envend“ ®.,

Mit den letzten diefer Worte geht Platon zu der Ableitung (von dem Princip) über; diefe mögen wir alfo vielleicht fpäter in Betrachtung ziehen, wenn wir felbft dorthin gekommen find; hier können wir fie über: geben. Biel Näthjelhaftes enthält auch fo vie Stelle gewiß für ven, der den Weg nicht aus Erfahrung Tennt; aber auch für uns, die ihn zu kennen glauben, bleibt Verſchiedenes zu erörtern übrig. Nur fo viel ft auf den erften Blick zu fehen, 1) daß bie befchriebene Methode über: haupt inpuctto (denn fie geht durch Borausfegungen hindurch), 2) daß fie in dem befondern Sinn inductiv ift, wo die Vernunft, d. b. das Denken felbft es ift, welches diefe Borausferungen bildet, 3) daß das in diefer Methode Thätige das vinlectifche Vermögen, vie Methode felbft alfo nad Platon die dialectifhe Methode zu nennen ift.

Tie erfte Trage möchte feyn, was dem Platon die Vorausſetzungen

' Rep. VI, p. 511, B.

!irodbang) überhaupt beveuten.. Die Antwort lann für und kin Schwierigkeit haben, Denn and wir haben ja das mas. das Copite | nur fegn Mann, oder was das Sehende nur auf gewiffe und bymah | bedingte Weife, nur hypothetiſch iſt, als Aulauf beuntt, um zu den, mas das Sehyende iſt, zu dem Seyenden ſelbſt. zu: gelangen. Auth wir find durch das Mögliche hindurchgegaugen. Das erfte Möglihe (kie prima hypothesis) war das. reine Subjeft, das zweite Möglihe das reine Objekt, das britte Mögliche das reine Sübjeft-Objelt. Beniger Leicht ift zu fagen, vorläufig wenigftens, wie fid Plain hie Voraueſetzuugen im Befonberu gedacht habe. Cinice fielen Id vor, er habe die Ideen gemeint. Aber zumal mach bem, mas vd Brandis entvedt und ans Stellen im Ganzen verlorener Bäder 1 Ariſtoteles hervorgehoben worben, daß auch an ber Bildung ber Item das Große und das Kleine, d. h. im ariftotelifchen _Ansornd ve Hyle, einen Theil habe, Täßt fi daran nicht mehr denken: unter va Borandfegungen müflen vielmehr ſchlechthin einfadye Elemente gemeit fegn ‘. Noch weniger zuläffig erſcheint, maß andere allerbings mit Leichter Mühe gefunden, es feyen Borausfegungen des unphiloſophiſchen Tentent, von benen bie dialectiſche Methode nad; Platon ausgehe. Denn da ank rütich gefagt iR, daß fie die Bernunftforfhung fetbſt fidh Kibe?, I Können fie nur ſelbſt philoſophiſch gefegt jeyn, umb am wenigften, we man vielleicht aus dem „fi machen oder bilben“ .zu fchliegen ober de beutigen Gebrauch bes Worta, Oypothefen gemäß anzunehmen geneigte willfürli angenommen; denn das Tenfen, das fie erreicht, My allem Zufälligen frei, in feinem eigenen Weſen, und nur ber egam Nothwendigleit unterworfen, baher unfehlbar, nicht, wie ſobald az Fremdes (Heteronomifche®) dabei ift, fehlber. Freilich gelangen ziht alle zum Denken felbft, und die am Lauteften, man dürfte mitusir fagen, aufs Unverfchämtefte vom Denken geredet, find nie über ef

S. Über ben Sinn bes Worte dmsdecıg bei Platon bie Etelle bei Knie teles Eth. Eudem. II, 11: öomsp yap raig Feopyrinalg ai imohisus aryu oũto nal ralg nomrmalg €ö rdAog dpyn nal imödesız.

3 alrög 6 Adyaz mororutavog.

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Zufällige, nämlich Aber das Künftliche und bloß fcheinbar Nothwenbige hinaus zum Denken ſelbſt gekommen, das, weil e8 einer inueren Noth- wenbigfeit folgt, wenig Aufwand madt, aber, wie wir aus .Ariftoteles angeführt, an Wahrheit und Schaͤrfe die Wiffenfchaft übertrifft. An Wahrheit, denn vie Wiſſenſchaft ift fehlbar, wenn fie ſich nicht mit. bloßen ungerechtfertigten Annahmen begnügt, und um ven Anfang un befümmert, bloß auf das 3 iel losgeht, wie Platon die mathentati- hen Disciplmen befchreibt; aber diefe find dann nur unter Bebingung, hypothetiſch, alſo zufällig, unfehlbar, das Deuken felbft aber ift durch feine Natur felbft dem’ Ferthum entnommen. Was aber vie Schärfe betrifft, fo ft as Denken, um Denken zu ſeyn, alſo durch ſich ſelbſt, zu dem Entſchluß gebrungen, was es nicht zumal fegen -Famı nacheinander zu -fegen, und auf jene ſchlechthin einfadhen Elemente zu gelangen, bei denen feine Yluctuation des «Denkens mehr mög—⸗ fi if, die entweder nicht oder ſcharf und’ richtig gedacht werben, - in Beziehung berer keine Täuſchung ift, ols 00x &orı webdog, Worte, auf bie -wir fpäfer zurlidfommen werben. (Die Schärfe ift nur da, wo feine ouunkor) VONULTWV, atio die reinen vo7- para find) '.

Ein Drittes, das fi zu fragen varbiett, ift: wie die Vernunft⸗ forfhung die Borausfegungen befhafft. Auch dieß vollbringt fie mit- telft des binlectifchen Vermögens. Hier müffen wir aber ‚daran ers Ükien), daß in dem Dialektiſchen das Logiſche begriffen tft, die Logifche M nach Platon die eine Seite der. bialectifchen Methode; mittelft des dialeetifchen Vermögens werden alfo die Borausfegungen gefunden, auch wenn fie bloß nach logiſcher Möglichkeit und Unmöglichkeit beftimmt werden, nach reinfter, wie man jest jagt, formaler Denknothwendig⸗ keit, über die niemand fich täuſchen kann. Wie dieſe zur ma—⸗ terialen (ten Inhalt beſtimmenden) werde, haben wir in ver legten Vor⸗ fefung gezeigt, aber eben darum aud), wie diejenige Evidenz ihnen zukomumi,

' Die Hvnaiorn von Potenz und Actus ift das ber Taãuſchnug Zugängliche.

Dem über das was reine drspyera iſt leine Täuſchung möglich. Die Prädicate aber ſind nur Potenzen.

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welche in dem logiſchen Ariom ſelbſt liegt, das, wie Ariſtoteles ausführlich zeigt‘, nur indirect, auf dem Wege ber Widerlegung (Eieyarımi) zu bemeifen if. Daß dem reinen Subjekt A) nichts woramdzufcken, wird nicht bewiefen, man muß es erfahren. - Erfahren, füge id. Es gibt viele und recht finige Menfchen, die gegen bie ausjclichlihe Macht des reinen Denkens im ver Philofophie eingenommen fire, die meiſten zwar, weil fie von jenem befepränkten Wegriff der Sutuctim, | der bie jetzt allein in ben Squlen gelehrt und gelernt worden ift, au gehen, manche aber auch, weil durch Uebertreißungen, bie. won Erf | bumgearmmtß, weift ungertreunlich find, ‚ganz Falfche Worftelungen ar regt werben. Denn, allerbings gibt es auch ſoiche, die won bem Dean wie einem Gegenfag aller Erfahrung reven, als ob das Denfen fir nicht eben anch eine ‚Erfahrung wäre. Mon-mußwirkfich beuien zu zu erfahren, daß das Widerſprechende nicht zu denfen ift. . Man mof den Berfuch machen, das Uneinbare zumal zu denken, um der Rother digfeit inne zu werben, e8 in verfhiebenen Momenten, nit m glei zu ſeben, und fo die ſchlechthin einfachen Begriffe zu gewire. Wie es zwei Arten von Inbuction gibt, fo auch zweierlei Erfah. Die eine fagt, was wirklich und was nicht wirklich ift: tiefe iſt bie ink gemein fo genannte; bie andere fagt, was möglich und mas umäglh iſt: diefe wird im Denken erworben. Als wir bie Elemente den fuchten, wurden wir nur buch das im Denken Mi Unmögliche beftimmt. Es flaud nicht in unferm Belieben, mente des Seyenden und is welcher Orbnung wir fie dern es galt, mit dem Denken beffen, was bes Sehende if, wi zu verfuchen, und alfo zu erfahren, was als das Seyende getacht me den Tann, insbefondere was das primum cogitabile iſt. Das Deaks ift alfo andy Erfahrung. Geradezu ift von dem fo im Denken Erner benen fein Beweis möglich, nur ad hominem’.. Man ventt fi dabe immer einen anbern gegenüber, tem man anheimſtellt zu finden wet

' Metaph. IV, 4 (68, 10 46.). 3 Ipl rör rororror daAög yir via dorıv anodenfıg, mpg eonde d Ir. Metaph. XI, 5 (219, 16 sa.).

327 er dem reimen Subjelt vorfegen Tönnte, fiher, daß er nichts dergleichen finden,. alfo nicht antworten werde. Man verfährt auch ohne vie äußer- liche Form, gefprädhsweife, wovon ja aud der Nanıc des bialecti- ſchen Willens herkommt, das Ariftoteles aufs Beftimmtefte ver apobifti- ſchen Wifjenfchaft entgegenfegt.

Aber das Beichaffen ever Segen ift nur das Borausgehende, alfo nur die eine Seite des bialectifchen Verfahrens; die folgende liegt deut⸗ lich auch in der bis jetzt allein gebrauchten platoniſchen Stelle. Bon Boransfegungen ift zwar gleich, aber offenbar bloß durch eine Art von Brolepfis die Rede, denn es wirb übrigens nur gefagt, daß fie in Wahrheit (70 Övzı) nur Vorausſetzungen und nicht Principien feyen, aber was fie in Wahrheit find, wird eben felbft erſt durch bie bialectifche Methode ermittelt; gefett aljo werben fie unmittelbar als Brincipien (und unmittelbar zu fegen ift ja Überhaupt nur, was und infofern e8 Princip feyn Tann), gefegt werben fie als mögliche Princi- pien ', aber nur, um durch die Macht der. Dialectil zu Nichtprincipien, zu. bloßen Boransfegungen begrabirt zu werben, zu Stufen, bie nur bienen zum allein Unbebingten zu geleiten. Ja, es bedürfte gar nicht, wie doch angenommen ift, mehrerer Stufen, wenn nicht das zuerft Ge ſetzte (und dieſes muß doch vorzugsweiſe und fo ar jagen mehr als jedes

Felgeitte von der Natur des Princips an fi haben) 518 Nichtprincip de 5 di 5. als Princip. verneint würde, und fo jedes Folgende, bis Be Aeußerſten gelangt ift, in dem nichts mehr voransgefegt, wur geſetzt wird (das wirklich Princip und nicht mehr zur bloßen mansſetzung zu machen ift). Die pofttive und die negative Seite des bialectifchen Verfahrens find alfo- unzgertrennlih, und wenn in Anfehung des erften Glieds dad Segen natürlich dem Verneinen vorausgeht, fo ift Dagegen das Setzen jedes folgenden durch das Verneinen des vorher- gehenden vermittelt.

Wir haben die negative Seite in der zuerft erwähnten Stelle nur indirect nachgewiefen, aber eine ausdrückliche Erflärung findet fich ſpäter,

' Bir haben auch ein erftes Dlögliches, ein zweites und ein brittes Mögliches.

wo nämlich Platon noch einmal anf bie Geometrie ud die mit ühe zufem menhängenden Disciplinen zurädtommt, von bemen er das früher (km Angeführte äufjert: daß fie von Borausfegungen Gebrand; madjen, de ſi unbewegl ich laſſen (deuwjrovg uni), indem fie Feine Redhenjdeit von ihnen ablegen; darauf fährt er fo fort: Wo mm ber Anfang cin mie tamuter bleibt Ende aber umb Mittel (Schluß amd Mittelfäge) anf belanutem Berahen, ift es wohl möglich, dafı eine ſolche Zufanımenfügun

je Wiſſenſchaft werde? Nimmer ift bieß möglich, antwortet der Gefragt. Hierauf denn fagt er: Die dialectiſche Methebe allein alfo wandelt Ya Beh, daß fie bie Vorausfegwigen aufpebend (dwepoüne), zn Anfang felbkt (ia eürjw rijv dexiw), d. h. zu dem was Princh nicht Bloß ſcheint, ſeudern iſt, fortſchreitet. . Nun dech wicht al | Boransfetungen werben fie aufgehoben, als ſolche bleiben fie vieme, | ſondern als Principien, wie fie demnach zuerft geſetzt worden. Zu viefen Aufheben alfo möchte das eigentlich Tialectifche beftchen, wenn man es nämlid; von dem Logifchen unterſcheiden will (dem das Sehen, we wir gefehen, erfolgt nach vein logiſchem Geſetz), aber andy jo erfäcm beide als unzertrennlich, und das Logiſche nur als das ſtets mitgeherte Werkzeug bes Tialectifchen ?.

Was nicht mehr Princip fegn Tann, wir Stufe, Stufe zu Princip, zum wahren bleibenden, in dem nichts Boransfeglickes mer iR®. Eigentlich war alfo jedes Element nur derſuchsweiſe gefeßt, thetifch, wie es der platonifche Ausorud (dzodsrers) mit fh definitiv gefegt wird jegliches nır mit dem Pech, wit dem, mei

! De Rep. VII, p. 533 C. = er Sn Die fr a wäh Rey. VII, p. 167.

* Bergl. Essai sur la Metaphysique. d’Aristoje par Felix Rural. Paris 1837. Tom. !, p. 247 unten, nebft Note 2, unb p. 248, Rote 1.

2 Das drımöderov bes Platon ift infofern nicht das Borausfegungeiefe, ' das Denken durch Borausfegumgen zu ihm gelangt. Man müßte fagen: tot ir ſich Beransfetungslofe. Allen grammatiſch if arvadderı» was feibp nicht mer Borausfegung (eines anbern) ſeyn Tann, wozu ſich vielmehr alles andere ala Be- ausfegung verhält. Dem Ariſtoteles, ber ben Auedruck nach Platon bat, fr ävıaoderov (nit ur: fonbern) 6 oy Unddasıg. Melaph. IV, 3 (67, 8).

“u

329 das Seyende nicht mehr bloß ſeyn kann, fonvern ift; an biefem hängt alles nach dem ariftoteliihen Ausdruck: 2E 00 ra did Yoryrar', deſſen er ſich auf einem fpäteren Standpunkt in ber fchmungvellen Stelle bebient, wo er fagt:. An einem folchen Princip alfo hangen ber Himmel und die Natur. Auch hieraus erhellt aljo wieder, daß vie dinlectifche Methobe, vie zur Erforſchung des Princips angewendet wird, mit ber inductiven unter eine Gattung gehört, ſowie umgelehrt dialec⸗ tifche Methode nicht bloß in jener Anwendung ſtatthat, ſondern ein allgemeines in jeder Art von Forſchung unentbehrliches Werkzeug iſt, > B. wo es ſich um bie Bedeutung hiftoriiher Thatfachen "handelt (ven ganzen erften Theil ver gegenwärtigen Unterfuchung haben wir Als ‚ven biftorifch » dinlectifchen bezeichnet), verſuchsweiſe werben. aud) bier alle Möglichkeiten aufgeftellt, wie fie ftufenweife auseinander hervorgehen and endlich alle in die ſich aufheben, weldye vie einzig wahre ift. Noch vdentlicher ift die Uebereinftimmung in den gewöhnlich allein fo genannten inductiven Wifjenfchaften, ver Phyſik und den ihr verwandten. Die die» lectiſche Methode befteht darin, daß die nicht willkürlichen, fondern vom Denken feldft victisten Annahmen gleityfam dem Verfuch unterworfen werten. Ebenſo nun aber fteht in der Phyſik zwifchen Denken und Erfahrung eimas in der Mitte, das Erperiment, das immer eine apriorifche Seite hat. Der denkende und finnreiche Experimentator ift der Dialectiler der Naturwiflenfchaft, der ebenfall® durch Hypotheſen, durch Wöglichteiten, vie vorerft bloß im Gedanken feyn können, und auf bie ee auch durch bloße logiſche Conſequenz geführt ift, hindurchgeht, eben- falls um fie aufzuheben, bis er zu verjenigen gelangt, welche ſich durch bie letzte entſcheidende Antwort der Natur felbft als Wirklichkeit erweist. Ein deutfcher Gelehrter, ber fi) unter die Phyſiker zählte, nannte feiner Zeit die Oerſted'ſche Entdeckung eine zufällige, d. b. feiner Meinung nad) eine folge, vie eigentlich nicht hätte gemacht werben follen, ‚weil ihr in feiner und der Gleichgefinnten Vorſtellung feine Möglicykeit vorausge- gangen war; für ihn war fie ein untoward event. Ohne von ver

' Metaph. XII, 7 (248, 30).

Möglichkeit großer Entdedungen überzengt zu ſeyn, Tamm man fe wit machen; wer nicht für möglich hält, eh’ ex finbet, wirb amd nicht fr ben; was einer nicht voraus zu benfen vermag, wirb er auch ſchuer für möglich halten, wenn er es mit Angen fieht '.

Auch in der höchſten Function demnach können wir von ber Die lectit das Ariftotelifche gelten laſſen, fie fey eine verfuchenbe Wiffenideft (mesgeozuni)?. Mufter und Meiferfiüde biefer verſuchenden Dee find die platonifchen Gefpräche, wo immer gewwiffe Annahmen (Geiungen, Theſen) vorauögehen, bie im Verlauf aufgehoben werben ; wo das Bel⸗ fommenfte in biefer Gattung erreicht iſt (wa® man freilich uicht im all platoniſchen Geſprächen fudjen-muß), verwanbeln dieſe Annahmen fig i ftetig zuſammenhangende Boransfegungen bes allein wahrhaft uud bi benb zu Setzenden, im das fie zujegt eingehen. Platon Kat ‚gefucht, bei Suspenſive der dialectiſchen Methode auch im Geſpräch nadhzubilten, von dem fie ja ben Namen bat?, und in welchem bie Unterfuchung fie zwifchen Bejahung und Berneinung ſchwebt, bis in ver letzten über alle fiegreihen Bejahung jeder Zweifel ſich hebt und das erfcheint, ‚meruf alles hinzielte und worauf alles gewartet bat (e quo omnia .suspense erant). Die dialectiſche Methode ift, wie die kinlogifche Methode, nict beweifenb ſondern erzeugend; fie ift die, in welcher vie Wahrheit erzeugt wird. Bon der bemonftrativen Wiffenfchaft ift ver Verfuch ausgefchlofies oder nur in fehr untergeorbneter Art zugelaffen. Aber um zu willen was das Seyende ift (und darum handelt es ſich zulegt allen), uf man, wie gejagt, wirklih verfuchen es zu veufen, fo wirb man er fahren, was es iſt. Tentandum et experiendum est.

Die nächte Frage nun aber ift, wie es mit dem angenommenen Aufheben zugehe, und worein fi Die zu Nichtprincipen herabgejegten Elemente, bie zuerft Principe hienen, verwandeln.

Halten wir uns forwährend an bie platonifche Stelle. Ta finde wir außer dem PBrincip felbft, das die Vernunft ergriffen hat un

' Berg. was Platon fagt de Rep. VII, p. 532 A. 2 IV, 2 (64, 31). 3 Diefe Methode heißt auch pornrun.

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berührt , dyouss@ avurys, ihm anhangende, von ihm untrenn- bare. Eleniente, und woher jollten dieſe fommen, wenn nicht eben von den Boransfegungen, die Principe fcheinen Tonnten, aber durch die Kraft der Dialectik ſich jegt in URozedevra des Principe, im ariftoteli- ihen Ausdruck 77 or za? aurTıv vunapyovra, d. h. in At” tribute des Princips verwandeln, an welde fi) anhaltend (ihrer als Mütel fich bedienend), nun die Vernunft zur Erzeugung’ der Wifjenfchaft felbft fortfchreitet,, ohne ſich irgend eines aus den Sinnen Herbeigezegenen zu bebienen . Weil das im Denken Erfle (— A) zwar nicht ein Seyenves, aber doch auch das Seyende nicht eigentlich ift, ſondern ift und nicht if, iſt auf die eine, nicht ift auf die andere Weiſe, jo wirb ed zu etwas, das das Seyende nur zufällig (ovudsdyxöTwc), nicht urjpränglih (npwzwg), d. h. als Subjekt iſt; e8 wird zu etwas von tem, was das Seyende ift, d. h. zum Attribut, und ebenjo verhält es ſich auch mit den andern. Es wird hier ganz angemefjen ſeyn, fich wieder an das zu erinnern, daß Sant von einem Inbegriff aller Präd icate fprict.

Auf ſolche Weife überkommen nun bie als Attribute Geſetzten das Ceyn von dem, defjen fie find. Alſo daß fie find, wie Attribute ieyn können, verdanken fie dem, das fie ift (dem Princip), aber (und bieß«.ift von großer Wichtigkeit) nicht ebenſo ift Was fie find, durch biefes beftimmt; dem Was nad) find fie unabhängige und felbitänbige Mächte. Jenes (das Princip) hat für ſich die Ewigkeit und aljo Noth⸗ wenbigleit des Seyns, fie haben für ſich die Ewigfeit und Nothwen- bigfeit des Weſens, des Gedankens, fie gehören dem Neid) der ewigen Möglichkeiten an, und find erſt wahrhaft das, mas man bie essentige oder veritates rerum aeternae genannt hat, und von dem jeit Yeibnig in der Philofophie fo viel die Nede war, wiewohl immer nur auf abftracte Weije?. . Unabhängig von dem, das fie ift, aljo a priori

' apduevog avris. 1. c.

: xOuevog rov &xeivns, dxoudvan 0:T0S dni telsvenv xaraßaivg, aisynTo aarranadıy ovödv aposypa@uevog. ibid.

3S. die Abhandlung liber bie Duelle der ewigen Wahrheiten am san bes Bandes. D. H.

mb gliche Principe, behalten fie and; nach ber Haud (post ach) ein Ausdrud, mit dem freilich fein zeitliches Bor ober Rad) verbunden werben barf auch als Attribute gefeist, behalten fie dieſe Wöyiätit, Vrincipe zu ſeyn, und bemmadh ud als ſolche herwörzutreten. De Unterfegieb ift nur: unabhängig von bem Princip waren fie Hof in | Denken, mit dem Princip werben fie, wie Platon jagt, ro dm swodtruis, wirklid; mögliche Principe

Wir konnten längft die Einrede erwarten: ivemm.jenen Elementn die ihnen zugeſchriebene Bedeutung zulonnne, hüten fie im der Pie fophie, oder doch im menſchlichen Bewußtſeyn überhaupt, da dech uk Entwiclung ftufenweije gefchieht, auch-gefchichtlich als "Principe hen getreten feyn. Es war indeß noch nicht Zeit Davon zu reden. Anh jegt wollen wir bloß bemerfett, daß mm eines der möglichen Prinie ſich ausſchließlich geltend machen kann, das erfte. Uber dieſes, a welchem Maß und mit welcher Macht auch hat es feine Selbſtändigtit behauptet! Dafür würde ſchon das Syſtem zeugen, das won der ältefer Zeit bis tief ins Mittelalter und felbft noch unter den Einfläffen wi | Chriſtenthums ſich behauptet hat, uud vielleicht zu feiner Zeit ohne alk Anhänger gewefen ift: ich meine das fogenännte Syftem ber jmei Brincipe, beruhend auf der unbeſtimimt dauernden Aequipotenz yet entgegengejegter Mächte, deren eine .mit dem bloß am ſich fepenien, darum eigentlich nur ſich wollen könnenden, die andere mit dem anjler ſich feyenben, darum überfliegenben, mittheilfamen,, unfelbftifchen Priach die meifte Aehnlichkeit hatte. Am ſchwerſten vergißt unter den möglche Principen das erfte, dieſes allein durch feine Natur dem höchſten at gegenzutreten befähigte (befugte), daß es unabhängig von dem eigentlihen und wahren Princip ewig feyn konnte. "Aber durch die Macht dr Odee (in diefem Sinu ewig) ift es dem nächſt Höheren untergentad, und noch fpät in Aegyhpten wird es ald das vor ber Zeit unter gangene beflagt. Was aber die Philofophie betrifft, fo hat Ariftetdes ſchon aufmerkjan gemacht‘ auf die ganz analoge Succeffion von Priv cipen in. ber Mythologie und der Philofophie. Bei ihm ſelbſt ab, dem von allem Mythifchen fo weit entfernten welche Antinomie in

333 dem berühmten Kapitel, wo er von ber Hyle, dem erften Unterwor⸗ fenen (dem zo@row Unoxelusvov oder VRorıdEr), fragt: wenn fie nicht Subftanz Selbſtſenendes) was es dann wohl ſey, und gleich hexrnach fagt: unmöglich ſey, daß fie Subſtanz ſey, denn dieſer komme ver allem zu, ein Abſonderliches (für ſich ſeyn Könnendes) zu ſeyn, ein ſolches aber ſeyj die Materie nicht.

In der That num audy ift Diefe fuccefjive Herabfegung ver mög- fihen Principe zu Attributen, die wir bis jet als rein .npetifchen Her- gang betrachtet biefer rein noetiſche Hergang ift vorbildlich für den wirflihen Hergang des ftufenmäßigen Entftehens, pas wir in ver Natur wahrnehmen; denn worauf anders könnte e8 wohl beruhen dieſes ftufen- mäßige Auffteigen, wenn nicht darauf, daß Mächte, die als Prineipe bervortreten können aber Principe nicht find, in ben Proceß geftürzt wieder zu bloßen Stufen herabgeſetzt werben, und in Attribute fich ver⸗ wandeln, zunäcft deſſen, was über ver Natur, zulett deſſen, was über allem ift. |

Schon eine bloße tiefere Erfaffung der Natur möchte aljo den ein- fachen Gedanken als glaublich erfcheinen laſſen, daß in dem ganzen wundervollen Schauſpiel derſelben nur auf reelle, wirkliche Weiſe der Proceß fid) wiederholt, den wir als Gedankenproceß kennen ge⸗ [lernt haben. Es wurde jo eben erwähnt, dem Ariftoteles ſey die Ma⸗ terie bie erfte Unterlage für alles, Alles nun, dem fie zur Unterlage geworben, und das daher Materie hat, ift ein Zufammengejegtes (o6v- derov), da aber die Hyle ſelbſt Teine Hyle hat, ſo iſt ſie in der That einfach, Princip. Als ſolches, als Princip erſcheint ſie nur noch in den Geſtirnen, die darum dem Ariſtoteles keine materiellen Weſen, ſon⸗ bern reine &vdoysaı, ja ſogar ywuyad find. Hier iſt alſo was zur künftigen Unterlage anderer Weſen beftimmt ift noch aufrecht, und als Princip Duell einer eben darum unabläffigen Bewegung. In der for- mirten Körperwelt ift es nicht mehr Prineip und trägt ſchon das Ge⸗ präge einer höheren Macht an fid), doch behauptet es noch jo weit feine Selbftändigfeit, daß die Beſtimmungen dieſer Macht an ihm noch als bloße Accidenzen erfcheinen (daß es die Wirkungen ver höhern Potenz,

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des Lichts, der Cleftricität u. |. w. mr als Mockbenzem im fh ah nimmt). Aber in ver organifchen Natıtr Hat die Materie alle Schäie | vigfeit verloren, und ganz in den Dienft einer hähern Markt geimie, iſt fle nur noch Accidens, im beflänbigen Gehen umd Kommen, & | fiehen und Vergehen begriffen, zivar noch Attribut (denn mir jagen um | dem Thier: es ift ein materielle® Weſen), aber nicht mehr Cufjt; das eigentlich Seyende im Thier, das Thier ſelb ſt ift mict m Materie, es ift ein Weſen völlig anderer Art, wie aus einer ann Belt. Bemerkenswert wirb es immer bleiben, daß die Methede, mike zum Gefeg ihres Fortſchreitens eben dieſes Hatte, bafı mas im em Anulauf als Subjett ober Princip erfheint, im folgenben Moment pn | Objekt geſchlagen Nichtprincip wirb, bafı biefe Methode, die fih mikt | auf die Natur befehränft, fenbern mad) gleichemm Gefet im bie gefir Belt fortfegte und fo alles umfaßte, und die in Platon mu kennen if, aber nicht ans ihm zu nehmen war, daß biefe dach eie Art von Nothwendigkeit faft eher angewendet als in ihren Ietsten Grkstn verftanben, unmittelbar hervortrat, ſowie dem philoſophiſchen Geif de neueren Zeit das’ Joch der mittelalterlichen Metaphyſfik, das ihm daher immer aufgelegt war, völlig und für immer abgenonmen va dadurch bie Möglichkeit gegeben war, wieder bie freien Bahnen ber Am zu betreten. In der That möchte dieſe Methode, der man wenigke das nicht wird abfpredien können, baß durch fe zuerſt Philoſophie db eine wirflihe Wiſſenſchaft möglich wurde, die Stoff und Iuhalt mh überall her zufommen zu ſuchen hatte, fonbern ſich ſelbſt ergngte mt die Gegenflände nicht Tapitelmeife abhandelte, fondern in fletiger uni brochener Folge, jeben folgenden als hervorgehend aus dem verheme | gangenen in natürlichem Zuſammenhang behanbelte, es möchte, faogih | biefe Methobe, fo fehr fie bald wieder von einzelnen, rüdwärte (mb der gemadhten Wiſſenſchaft) Zurüdftrebenden, verborben und mit m ächten Zufägen verbrämt worben, bis jet noch immer als ber eimigt eigentliche Fund der nachkantiſchen Philoſophie anzufehen ſeyn, und ei fruchtbare philoſophiſche Thätigfeit möchte ſich auf das tiefere Berflänteit und eine immer wichtigere und im Berhältuiß mit ber unanfhrib

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fortſchreitenden und erweiterten Erfahrung reichere und mächtigere An⸗ wendung derſelben beſchränken, da es kaum möglich ſcheint, von dieſem Standpunkt auf eine Philoſophie, die in einem bloßen Aufſtapeln von Thatſachen oder thatſächlichen Beſtimmungen beſtünde, oder eine bloße Kategorien⸗ d. h. Prädicatenlehre wäre, zurückzukommen. Denn, was das Letzte betrifft, wenn das wovon man ausgeht nur die erſte, oder wie man wohl ſagt ſchlechteſte, inhaltsärmſte, das womit man endet die höchſte, reichſte Kategorie iſt, ſo wird man nichts als Prädicate haben, ohne etwas von dem ſie geſagt würden, ein Subjekt. Es hieße denen, vie fo etwas ſagen, zu viel zugetraut, wenn man für möglich hielte, fie wollten damit die Philofophie ver Mathematik nähern, von welcher Ari- ftoteles fagt, fie fen wepd oVdsuıag ovolas, d. h. daß fie mit Din- gen fich beichäftige, bie fich zuleßt in bloße Prädicate auflöfen, ohne daß ein eigentlihes Subjekt zurüdbliebe, worauf allerdings großentheils die ihr @igenthümliche Evidenz "beruht. Aber die Ufia, die Subflanz, das Subjekt ift eben das Warum ver Philofophie, das Einzige, um deſſen willen fie ift, und das ihr ganz Eigne, und felbft- jene erften Setungen, die im Berfolg ſich aufheben, fegen nicht Attribute, denn fein foldhes läßt ſich unmittelbar -fegen; was unmittelbar und wiefern es fo gefegt wird, muß Subjekt, oder im ariftotelifchen Ausdruck xcco euro feyn ', wenn es auch in der Folge zum Attribut wird.

Alfo auch jene Attribute, von denen zulett die Rede war, find urfprünglich Subjefte? Aber wie follte. dieß ſeyn? Haben wir fie doch ſelbſt fo unterſchieden, daß das eine (— A) nur als Subjelt, das andere (+ A) als reines Objekt erfchien. Freilich; aber die Meinung war ‚nicht, daß das Letzte auf biefe Art fen, denn das Seyn kommt ihnen erft mit dem Princip, ſondern, es fey dad Subjekt, vie Potenz des fo feyenden. Wie fie rein a priori gedacht find (wir haben .fchon erflärt dieß heiße: vor dem Princip gedacht), find fie eben bloße Sub- iefte ober Potenzen, reine Ömondıusve rg Övrörntog; das letzte

'raun xaf Umoxeudvov (Aepsueva) 1a” avra Ayo. Anal. Post. I, (7, 8). |

Wort ift nicht eben rein helleniſchen Mangs,. aber es brädt aus ws wir wollen, und wir haben es vom bem ehrenwerthen lleganber (vum | Ariftoteles) entlehut, Als reine Cubjefte werten fe eben nur a und weder wird efiwad won ihnen, mech ierben fe ſelbſt autgeſagt. Wir.follten Namen für fie haben, fintt daf wir fagen: das au · ſichSeyende, das aufer-fic-Sehenbe, Dief ift ein lid ſtand, der Beranlaffung gegeben, eigne, Worte erfpatente Beige Ar AHA) zu erfinden, um jedes davon gleichſam als am einem Namen zu erfennen. Zugleich follten fie dienen, jeves ala ca eignes, ja einziges Wefen zu bezeichnen. Denn wohl fiellen bie Pete in ſich bie höchſten und allgemeinften Arten (bie summa genera) ti Seyns dar, find aber darum ſelbſt feine Arten (eiöm), feine zoms sul wAslooıw ündoyorra, fondern jede ift das beftimmte, dieſt Art des Seyns rein und aueſchließlich in ſich darſtellende Subjekt. Se | wenig Empedolles gemeint hat, daß Wafler, Heuer umb bie he 2 ihm angenommenen "Urftoffe ber Dinge Gattungen: ſeyen, bie Dinge begriffen feyen,. fo wenig find bie Potenzen ums Gattye Zwar alles Eoncrete entfteht ans ihrer Zuſammenwirkung; imfofem ij feines ber möglichen Principe ein Concretes,. alſo cher. Allgemeid, aber nicht Allgemeines wie irgend ein Gattungsbegriff, z. B. Mait, fondern wie bie Materie, das Licht, wie ſelbſt Gott in gewiſſen Em ein Allgemeines it. Sagte man: jedes fep eine Gattung, wenigkel wäre es nicht bie felbft nicht feyenbe Gattung von außer ihm feyenden, es wäre bie felbft feyente Gattung, freilich nicht ein Einzelweſen, aber wie ein Einzelwejen. (8 ift eine ber ariſtoteliſchen Aporien, oder Zmeifelefug, ob bie Principe von ber Natur bes Allgemeinen, ober wie bie Einzehnce feyen‘. Ins Genauere können wir jedoch wegen dieſer Frage hier md nicht eingehen und müffen uns eine fpätere Erörterung berfelben vorbehaln. Bis jebt nämlich Haben wir un eigentlich bloh mit Platon beihähit und auf ihn uns berufen, um dem Berfahren, durch welches wir zu

"= xadddor, 7 ds rd rad‘ inasra röv mpayudrav. Metaph. 1.1 (4222 0).

» | 337

Brincip gelangt waren, ben Namen des dialektifchen zu vinbiciren. Nach⸗ dem uns aber dieſes gelungen, möchte e8 ein zweideutiges Licht auf unfere Methode werfen, wenn wir uns ſcheuten, an fie u 1 Maßſtab des Ariſtoteles zu legen.

Hiebei bemerke ich jedoch vorläufig, daß Ariſetelo von Dialeint überhaupt mehr in jenem allgemeinen Sinn fpricht, inwiefern fie in einer jeven Wiſſenſchaft und jever Unterfuchung anzumenven ift, als in jener befondern: Beziehung, inwiefern fte nämlich zur Erreichung. des Princips dient. In biefer fcheint fie ihm weniger wichtig; denn bem Ariftoteles ift das Princip und das Erſte aller. Welen ', von dem er allerbings fpricht, nicht wirklich Princip, nämlid nicht wirklicher Anfang von Wiſſenſchaft, ihm vehnt fich jene Vorunterſuchung zım ganzen wear7 enıor7un over Ro0THy Yılocopia auß?, und in biefer. ift es nur Ende, und aud nur als ſolches bewegende Urſache (xıvei gs r&Aog); —— iſt das Princip auch wirklich Princip, und es- gehört

That zu ben unbegreiflichen Aeußerungen ſeines Schülers, penn dieſer in einer Stelle der Nikomachiſchen Ethik von ihm ſagt: Platon babe geſucht und gezweifelt (dyzre: zul nopeı), ob ver Weg nach ven Principien oder von ben Principien ausgehe. Platon ift aber darüber nichts weniger als zweifelhaft. . Denn in berfelben Stelle, wo Platon von dem Auffteigen zum Princip redet, fagt er, wie wir fchon gehört, dag die Vernunftforſchung das Princip ergreifend und an das, was an demſelben hängt, ſich haltend, zum Ende herabfteige®. Im Allgemeinen indeß fchreibt Ariftoteles ver Dialektik ven Beſitz oder die Erkenntniß des Weges zu. ben Brincipien fämmtlicher Methoden zu !dferaorıny 00% MOÖg Tas anaaov uedbdnv dpxas oööv äyeı. Top, 2 fin.); aber Dialektit und Philofophie bezieht fi ihm darum doch nicht auf Verſchiedenes, jene auf ‚bie Erforfhung der Prineipien, dieſe auf die Wiffenfchaft felbft, fonbern daſſelbe kann nad ihm.bialeftiih und

In dpyn xai ro nowrov röv oveav. Metaph. XII, 8 (250, 22)

2 Dieß erhellt aus Metaph. IV, 2 (64, 22). II, 1 (41, 25).

dyouevog röv dxeivng dyonivov, vurog ini valsuriv xaraßaivy. Rep. vi, p. 5l1, B.

Echelling. fammtl. Werke. 2. Abtb. 1. 22

philoſophiſch behaudelt werben: im erſten Fall bleibt es bei den Br | ſuch. Die Dialetit iR ver ſuchend (meupeoruej), wo bie | erkennend i ophiftit dieß zu ſehn feheint, aber nicht if? Auf ‚sem Platon‘ ie wir gefehen, bie Dinfektik verfuchend, aber md ihm bringt fie wirt zu bem vorausfegumgslofen Aufang, won mehr | die Bernunft die wahre Wiflenfheft erzeugt. Siewehl ji bamal eine gewiffe Analogie erfeunen IAft zifdelt bem, ‚mas -Dieleil mh ber hochſten Fuactien bem Platon unb was fie bem Wrifinteles if: K darſen weir-um8 doch nit verbergen, ben Bioßen Morten mach iR, muß den wiſſenſchafilichen Werth ber Dialektik betrifft, bie fehmeibenbfe Die many zwiſchen ven beiven Pfilefopfen. Dem Platon iſt bap biekliife Vermögen bie hoͤchſte Kraft der Wiſſenſchaft, durch welche fie des Feinde ſelbſt ſich bemaͤchtigt, des Gipfels, von dem allein mit Sicherheit Ignb zuſteigen iſt, dem Ariſtoteles erreicht Dialcktik fo wenig als vie Wahrheit, der Unterſchied beiber. ift nur: die Sophiſtil wicht (ihr iſt es blog mm Täufgung zu tun), bie Dinlettit Tann ſe nicht erreichen. Letztere unterſcheidet fich von der Philofophie zo reömy rne Öordwang, hinfihtlic des Vermögens, erflere Tod Alov ri sgonıpdaeı, durch das, mas fie ſich als Lebenszweck vorfett, nämlich Tänfhung*. Dieſes Unvermögen liegt darin, bag fich Soppifil md Dialektik in bloßen Subjeft- und Präbicatverfnüpfungen, d. h. im Ra des Scheins und der möglichen Täufcung, bewegen; denn Wahrhei und Jerthum ift nit in den Dingen, fondern nur im Berflane (in ver Subjelt und Präbicat entweber verfnüpfenben ober trennen Tätigkeit), - .

* Die Dialectiler verſuchen nur: mupevras Gnomelv. Wetsph, I, 4%

3 Metaph. IV, 2 (64, 81).

® Metaph. IV, 2 (64, 29): Arapipu j yıldsopia eig mir (eig duale rue) 1$ epdnp eis Surdnnag, eig 3 (eis dopuseng) cos Aion ei amer ptöu. Ebenſo fogt er: mpog ir yelosoplav nad Aljduav apayuacnrin, Sıalnrınög 54 mpg Sofa. Topic. I, 14 (91, 11).

"oo ydp dscı eo yodog nal ed dAmdig dv volg apdyuann li" Suavoig. VI, 1. 3 (127, 13 m).

ü 339°

Es ſcheint mir, daß dieſes fchlechthin verwerfende Urtheil des Ari- ftoteles um fo mehr einer Erklärung bebürfte, als er ja feinen Zweck, der vorzugsweife nur Erforfchung bes Priricips ift, Agefalls nur auf vialectifchem Wege erreicht. Der Unterfchieb ift nur der: für Platon, welchem ja übrigens aud das bialectiihe Verfahren im gemeineren Sinn nicht fremd ift, gibt e8 eine Spike beffelben, und bier gehf e8 ihm über in reine Bermmftforfchung, Ariftoteles aber wandelt den breiteren Weg einer fehr weit ausgreifenden, alles zu Hülfe nehmenden, nichts verſchmãhenden Induction, denn z.B. aud Fragen, die an fpätere ſcho⸗ laſtiſche Spitzfindigkeiten erinnern, wie die, ob Sokrates und der ſitzende Sokrates derſelbe ſey, rechnet er unter die, deren Unterſuchung nur dem Philoſophen zuſtehe . ..

Metoph. IV, 2 (64, 5). *

ir haben’ das verwerfüdhe Urtheit des Wriftotzieß Biber bie Dikäll gehört, au wollen jegt yur Erflärung deſſelbes auf ben Gespeecu] eingehen, ben er ihr madit, um zu fehen, ob biefer nicht vielleicht gese darauf hinauelãuft, daß fie nicht platsniſch if. Sein beffinbigen. Be warf gegeh Gophifäf ud Diaickut iR: fie Semäßen: ſich bles WAR ob getoiffen Subjekten gewiſſe Präbicate zufommen, "fie bewegen Mh alfe überhaupt in bloßen Subjelt- und Präbicntverfnüpfungen, db. }. in kr Region des Scheine und ber möglichen Täufcung, anflatt das Ensit felöft zu ſuchen und ſich um die Sachen und zwar bie Ur-fadhen zu bo möühen. Weil: fie alfo nicht zu dem an ſich Wahren auffleigen, de} nur in den &aAorg it, fo urtheilen fie über bie Gegenftänbe, mit nd Sein fie fich beſchäftigen, bloß nad; dem Schein und -wie es ſich de Meinung vorſtellt. Denn die möchte bie richtige Bedentung te} de av drööko fer, was gewöhnlich fo verflanben wird, als ct die Dialektik mit bloß Wahrſcheinlichem zu Werke gehe‘. Es fdent freilich diefe Beſtzmmung ſehr weit abzuftchen von jener, nach weider tẽ Borausfegungen vom Denten felbft gefegte find, eur vorae. Tas nichts ſteht nach Platon weiter von einander ab, als Foke und vöreu Mein jene Borausfetungen, welche die Methode zu Nichtpriacizen Berabfegt, mußten doch fo beſchaffen fen, daß fie Principe zu kn

Krifioteles ft ie Enge 4 inter zu ae, un des ber ua⸗ vellRänbigkeit wegen Ungenägenbe ber Jubuctien zu

_ 34

Iheinen konnten, eine doxovoe Fboıs waren; ale Principe waren fie alfo allerdings nur in der Meinung (xevog)!. Sie befüm- ‚mern · ſich dieß iſt ein anderer, fehr wichtiger Ausdruck für denſelben Borwurf vie Dialektiker befümmern fi weniger um Das Seyende ſelbſt, als um die auudehyxöre vefjelden?. Ich habe das griechiſche Wort beibehalten, weil es ſchwer ift, das dem Inhalt deſſelben voll⸗ kommen entfprechende deutſche zu finden; denn das Zufällige, Zuſtoßende, Zukommliche dieß alles erreicht das Prägnante. des ariſtoteliſchen Ansdruds nicht. Das Zufällige namentlich iſt etwas fo wenig Weſent⸗ liches an dem Begriff, daß auch die Eigenfchaft der brei Winkel, gleich zwei rechten zu ſeyn, im ariftotelifchen Sinn ein auu ds dnysöc des Dreiedis iſt. Der aligemeinfte Ausbrud ift-wohl, ouußeßnzöe ſey, was bloß au einem andern ift ober haftet, das nicht felbft Seyende, für fig ‚gu Setzende; dieſes aber ift dann nichts anderes als das Attribut. adlich jagt auch Wriftoteles, was immer von einem Subjeft ge “werbe (x Vroxssubvov), nenne er ein ouedsßnaöc’. AB ein ſolches bezeichnet er namentlich die ravarz/z, mit denen ſich bie Dialektiler abgeben und fie zu Einer Wifjenfchaft zu verbinden fuchen, ohne fi babei un das was Iſt zu befümmern (Ymels roũ z/darım)'. Doch ift hier noch ein Uuterſchied. Was von einem Subjekt gejagt wird, kann biefem . felbft wieder nur zufällig (æcrce avußsfsmöc) zufommen. Daß ein Menſch weiß von Farbe, ift ihm als Menſchen zufällig: er wäre nicht weniger Menſch, wenn ſchwarz von Yarbe: Daß

Top. 1, 14: was dialekuͤſch angenommen, iſt angenommen Sc apyı eine donovsa Husıc. MWlber nevö; vergl. Ravaisson, Tom. I, p. 284, not. 1. -

2 "AH ya unv dialsrrıyn xal n dopiörınn cöv Ovußeßnaorov nev aidı roig ovsıv, oux 5 Öovra, ovdä map! To 0v auto nad‘ ödov öv ddew. Metaph. XI, 3 (218, 13 ss.). In einer fpäteren Stelle fagt er bjeß von bes Sophiftif allein, p. 227, 18 ss., wie ihm denn in manden Aeußerungen ber Unterfchieb wwiſchen Dialektit und Sophiftil fat zu- verſchwinden ſcheint.

® Ta na) ıronsıudvov Ovußeßnrora. Anal. Post. 1, 4 (7. 8). 'Asi ro 6rußeßmwos za vaormufvov rıvog Inualva ı7v rarıyoolav. Metaph. IV, 4 (71,27 a8.).

advra ravarria za! vaoxarusvor, db. h. find bloße Präbicate, XIV, 1 (289, 31) und XIII. 4 (266, 15). Den Gegenfag bilden die apyai oıx dvavriar.

feine Winkel gleich zweien vedhten ift, ift bem gleichfcgenkligen Dein | ala ſolchem zufällig; denn nicht darum, Daß es gleichfchentlig, ſerden daß es Drei b feine Wintel.gleich zweien rechten. Dem Dreird aber iſt bi auf) ein Girzulemumenbes . . wie wie Ariftotele® fügt, dech nicht.fihen im .ber edeig.ift, de’ zip Adyp 2 ni daa Asyonnı. In ber Definition des .Dreiedis. Bomumt allen bing® nichts von einem vedhten Mintel vor, ein Dreieck ift möglich, fer daß in ihm ein. einziger weiter Wintel if. Denuadh iſt das imBuye wei vedhte Winkel Haben mich ein bem Drrieck zuflllig, c& if cin Am an ſich a⸗ aör6): Zufommenbes Lxt daher wicht darin, Def fe mit den Beflimmunmgen ver Dinge ſich abgeben, fehlen bie Cepkihem, und Dialeltiker; denn vielmehr bie Üccibengen-ober- Prübicate, nlnlih bie der Sache felbft an · ſchenden ‚ober anweieuber' man erlache mir biefen übrigene nicht jebe® Borgange entbehreuden Ansrud fir, det wag ber Grieche durch Undeyas zn) a0. euro anterädtir biefe weſentlichen Wecivengen? find unentbehelich zus Demonſtratien. 3a allen Demoufirationen (dwodeiseo:) bebient man fi der ouußaßr- x6ra, fie find bie Mittel und Häffen ber duddeufes‘. Benin Sie, wie unter andern. Ausbrüden hier baflelbe gefagt ift, mes wir in Bezug auf die Wiſſenſchaft als platoniſch Tennen gelernt: Haben. Di Syöpava des Platon und die ouußeßunöra des Ariftoteles find ur verfejiebene Ausbrüde beffelbigen, - jenes der weniger zweiventige Ink drud für biefes. Nicht darin alfe, baf bie Sophiſten und Dialekt mit den Zuftänbigfeiten der Dinge überhaupt ſich befchäftigen, Tann beider Fehler liegen?; ihr Fehler ift, daß fie nicht über biefe hinaus anf vie

* Die bem Menſchen inwohnende Sunde heißt bei Matter bie ihm amwejaie. ©. Mbelung umter Defem Bart. °

3 ‚nüda oirıvog ol imörjun röv dxalvp nad! aurd swapzir rov dörlv dnodaneınj. Alex, p. 194, 20.

S. Ariſtoteles ſelbſt IV, 1: ed cv aoxerye xci air. Unb br andern Austrad, IV, 2 An.: ed ündpgora aicp (eB dw) in

“U daodamrınn dopla 7 mapl ra dvußsßnnira, 7 di mopl ed mpöre t rar oisan Metaph. XI, 1012, 8). Zu vergl. Anal. Post. II, 3.

® ob ralry änaprdvordıv eg op gilodopoivres. Metaph. IV, 2 (6h 11)

343 Subftanz, auf die Sache gehen, die fie gar nicht beachten ', daß ſie die Dinge nicht als Ösre, nad) dem was in ihmen ift betrachten, nicht ſo⸗ ‚fern fie die Subjefte des von ihnen Ausgefagten find. Denn felbft nicht auf das Sen, inwiefern es eben auch nur ausgefagt iſt, ſoll die philo- fophifche Unterfuchung gehen, fondern auf das, moburd, jegliches ift und wodurch es mit dem erftlich und eigentlich Seyenden (dem now@rwg und xuo/ag Öv) zufammenhängt, mit dem, das felbft auf nichts an- deres mehr bezogen werben kann, aber auf das alles audere bezogen und zurädgeführt wird (noös 6 wuvre over noös d.aaoaı al dklaı xoernyoplaı too Önros avapsoorraı:). Denn das Iſt kommt allem, “aber nicht gleicherweiſe zu, ſondern dem einen erſtlich dem andern bloß folgendlich!. - Wenn fo lautet in eines, übrigens wie ich hoffe der Sache wie den Worten gemäßen Baraphrafe eine Aeußerung des Arifto- teles gleich im. Anfang des vierten Buchs‘ wenn auch die, welde bie bloß innteriellen Elemente der Dinge fuchten, wie bie fogenannten Phh⸗ fiologen oder Joniler, bie’ wirklichen Principe der Dinge fuchten (im angenommenen Tert heißt e8: sduras rag apyac dlrjrovs, da aber dieſes raedrag gar feine mögliche Beziehung hat, fo wird es wohl er- laubt feyn, eures Tas aoxdg zu lefen, was and) der ganze Zufam- menhang fordert), wenn alſo dieſe die Principe felbft (die reine awA@ find) gejucht haben, fo werben auch die von uns gefuchten intelfigiblen und bloß mit dem reinen Denken zu faflenden Elemente des Seyenden nicht zufällig, d. h. als feyn- oder nicht fein-fönnenve, ſondern als feyende ſeyn (nicht als Prädicate, fondern ald Sachen) , nur inwiefern fie ſeyen de und nichts anderes, alfo die erſten Unterjchiede und Gegen- füge des Seyenden ſeliſt (el aporaı diapopel zul dvanıı9saag

na

' aspl ns ou» dnalordın. ibid. (64, 13).

? jbid.

To Escıv vadpyaı rüsıy all’ our onoiwg, alla To usr aparwz Tois Ssrousvag. VI, 4 (134, 3).

Fe nal ol rd Groyeta, rov dvrov Sproövres radras tleg. avrac) ras

dpyas dorcow, arayın xai ra ro yela Tov ovrog eivae um xarad Ovude- Prros, all n oıra. Metaph. IV, 1.

z0o6 öprog)! find. Dem die Phileſophie hat nur mit dem Same,

fo weit es biefes, zu f6con dv dore, zu thun, fohpie-eime Befkkmmm | über die. bes bloßen Seyenben hinzufonumt, 3. U. des der Barum

unterworfemang+ geht. bie Philofephie in eine andere Wiſſeüſcheſt, sd

die Bopfit über”. Die; ift der Sum des fo “eft micherfelhn, ai

imwer verfanbenen dmorjun zoo Örog 5 dt, Ürifteteieh jr

zum Ueberfhuß hinzu: oux A Eragon!

Die Art, wie Ariftoteles der gemeinen Dinfektif twiberfpeift, kt orberumng, bie ex au fie oder vielmehr am bie Philofophie macht, zit, daß berfelbe mit Platon im Grunde, was das Höchſte, den Lig zm | Priacip, betrifft, einig ift: Platon freifich Hat ven Weg zw jenem Cipid der Wiſſenſchaft ſelbſt gekaunt. Dieß liegt umviverfprechlich vor in da Haren unb, wie immer bei ifem, durchfictgen Werten, mit wehken m von vemfelben fpricht. Was Platon in jener einen Stelle amafpriht konnte nur anf wirklicher Erfahrung beruhen. Richt fo Ariſteteles & lann wohl nicht geleugnet werden, daß er wiffeufchaftlich (theseiih) bie bialeftifche Methode ignorirt, wenn er fie amd) ſelbſt, ofme ea male zunehmen, anwendet! er weiß nur von Iubuction in Syllogiewen, di find ihm bie einzige wiſſenſchaftliche Erfohrumgsweife*. Für bie Eabfum Eljo auch das Princip) gibt «8 ihm gar feine Demouftration, wehl aber eine andere Art, fie figtbar gu mahen*. ‚Richtiede weniger finden fich bei Wriftoteles, wie wir ſchon im Biäperigen ge fehen, Begriffe und Beſtinmungen, vie confequent angewendet, zu em

' Metaph. XI, 3.

? Meiaph. XI, 3 (218, 10 sa).

Tijr di aparıv elpinanıav imarjunv colrav ailvan za öder orea ri ig ominmd docw, dAR ouy { irapöven X, 3.219, 700) 380 ben Dingen it Das fich Benegen als ein Dun Soßen Ca ber Dinge Sup lommendes ein Frapor. Ti ABudizov (das was geht), drspev cv (man d ein anderes if), Aadisor sariv. Anal. Post. I, 4 (7, 16).

S. Anal. Pr. II, 3.

> Oin Iscıv anödeısıg orsiag (Mrifteles jagt hier im befonberer Bepeiumg, was er fonft oft genug allgemein ausgefprodien, zuan vergl z. ©. AL, 1) alle rız ühkog rpömoz rüg Snidseog. VI, 1 (121, 23),

345

bialeftifchen Methode im Sinne Platons führen. In der Unterfcheibung zwifchen dem felbft Seyenben ober Subjelt, und dem nicht felbft Seyenden, dem ouußaßrxog ober Attribut, in der Unterſcheidung zwifchen ben unmefentlichen und wejentlichen Accivenzen, in dem, was er bie Urfachen und Principe alles Seyenben nennt, über deren Natur er ſich wenigftens an einer Stelle jehr entſchieden exflärt, und vie ihm baffelbe ſeyn möchten, was dem Platon die Unodsasıg', beſonders in ber Bezeichnung ber» felben ald ber erften linterjchieve und Gegenfäte des Seyenden: in biefem allem liegen Keime einer höheren, ber, von Platon beſchrie⸗ benen ähnlichen Dialeftif, welche aber auszubilden dem Ariftoteles ver- wehrt war, fowohl durch ven Standpunkt, auf dem er fand, als durch die, obgleich von Platon nicht entfernte, doch Über diefen bereits hinaus⸗ gefehrittene Zeit. Wollten wir übrigens bie Herabfegung der Subjelte zu Attributen- ver Subftanz (des allein felbft Seyenden, ver oVad, die wit bent vorausſetzungsloſen Princip des Platon daffelbe ift), wollten wir biefe, von weldyer.die Rede war, aus der erwähnten Unterfcheivung, bed Ariſtoteles· zwiſchen dent. felbft Seyenden und dem nicht felbft Seyen- ben wirklich ableiten, fo. wären dieſe Attribute der Subftanz nicht etwa auch gleich zu halten mit den griftotelifchen Kategorien, unter benen fonderbarerweife die erfte die ovod« ift, auf die, wie Ariftoteles jelbft fagt, alle andern (natürlich als Subjelt) bezogen werben, und die nur zufällig, nämlich als Ösuvrspe ovoia zum Präbicat wird, indem fie als genus (5. B. hier). ober als species (z.B. Menſch) vom Indivi⸗ dumm (vom Orig &vF0@Rog) ausgeſagt werben kann, während bie andern alle wirklich nur Prädicate find, aber weder urfprüngliche, noch die nothwendig und von allem präbicirt werben, daher fie eher praedi- cabilia als Präbicate zu nennen- wären. Jene Attribute aber werben wirflih und nicht von einzelnen umb zufälligen Dingen präbicirt, indem jie Attribute des Seyenden felbft? (die Kategorien find bloße

' Ariftoteles braucht die beiben Ausbrüde auch in Bezug auf ten Schlußſatz von den Prämiffen, griechiſch ebenfalls unodssess genamt: Apyal (V, 1), ai- rıa (V, 2), al vnodddeng Tod Suunspdduarog.

? Metaph. IV, 1: dvayım, xai ra draysla rov orrog elvaı un ara

Präpicate, d. h. die nie Subject waren und nicht des Seyenden af8 folden) md wohl jene erſten Unterſchiede und Gegenfähe des Seyenden, mm Begriff, von dem Ariftoteles fpricht, aber mit dem er zweifelhaft f wohin. Ihm ſelbſt haben die von ihm fo genannten Kategorien ich feine metaphufifche Bedeutung (fein Metaphyfifches liegt ganz wo het) bie Kategorien find ihm bloß von Iogifcher, ja faft nur grammatiider Bedeutung, wie er nicht der Mühe werth bäft fie nach einem Prixciy auch nur anzuordnen und nrit zufälliger Aufzählung fich begnügt. Pau bat ſich oft verwundert, daß bei Ariftoteleß jeder Zufammenhang ym- fhen den vier Principen und ben Kategorien fehle. Aber was find ie gegen jene? Wie gefagt, vie bloßen Gattungen ber Präbicate, die, weil fie weder von allem noch nothwendig gefagt werben, richtiger Pratv cabilien genannt werben. Jene aber, die Principe, müſſen bie Liter ſchiede nicht bloß einzelner Dinge, fondern des Seyenden jelbit je. Denn felbft ſeyende find fie doch wenigftens als Urfacdhen, und ein ar deres Seyn ift doch nothwendig bes tem bloßen Vermögen nıd Seven ben (Materie), ein anderes der wirkenden Urfadhe (ter zoy. ns zırı- E05), und wieder eine andere Art des Seyns als tiefer müfte er ver beiten andern Urfachen zufchreiben. Befolgte Ariftoteles das felh, was er an die Dialektifer geforbert, fo konnte e8 ihm nicht geicheben, bei jenen erften Unterfchieven und Gegenfäten des Seyns fo weg, ober wie es jcheint gar nicht, an die Principe zu denken. Darum mil e8 uns faft fcheinen, er felbft habe jenes trefflihe Wort von den Tu feftifern feiner Zeit entlehnt. Wir fließen dieß auch aus der zweidk haften und faft Heinlauten Art, womit er fi über dieſe erften Gegen füge und Unterfchiede äußert, indem er hinzufügt: ob fie num Bielheit und Einheit, Wehnlichleit oder Möglichleit ſeyen vielleidt barf man bier hinzubenfen: wie die Dialeftiler annehmen; hm früher hatte er gefragt: wem auders wohl als dem Philojophen vie Ir terfuchung zuftehe über das einerlei Echende (TO zaurör) un I svußesnxös, al r orra. In ben Schlußworten dieſes Kapitels if ra

falſch. S. oben ©, 343.

347 Anbere (79 Irepov), das Achnliche und das Unähnkiche und den Gegen- fat überhaupt, über das was vorausgeht ro aoöreoos) und was folgt (rò üorepor), und über alles vergleichen, worüber vie Dialektiker zu fpecnliren verfuchen ', alles nad bloßer Meinung behandelnd oder ob fie (jene erſten Differenzen) gewiffe andere feyen (man könnte denfen, die er anderwärts aufgeftellt hätte)2; umb auch fonft drüdt er fih über die Frage, auf welche erfte Entgegenfegung alle andern zurück⸗ fommen, ſchwankend und faft ablehnend aus*; fogar- wo es ausdrücklich ben verſchiedenen Bedeutungen bes Seyenden gilt (im V. Buch), begnügt er fih mit Zufammenftellungen wie folgende: das Seyende ift 1) das es nur zufällig (als Präbicat) und das es an ſich ift (als Subjelt), 2) das Seyenve als das? Wahre, das nicht Seyende, das doch auch eine Art des Seyns iſt, als das Falſche; mit dieſer Unterfcheidigeg aber iſt es nur im Berſtande; 3) das Seyende nach den Verſchiedenheiten, bie ſich in den Kategorien darſtellen; 4) außer dieſen allen: das dem Vermögen nach und das wirklich Seyende (man hat ſchon längſt mit Berwunberung bemerkt, wie dieſe wichtige Unterſcheidung fo ganz abge- ſondert ftehen geblieben)... Aber nad tem, was Xriftotelee an ben Tielektifern getavelt, daß fie nämlich mit bloßen Präbicaten ſich ab- geben, wie eben das Aehnliche und das Unähnliche (Aehnlichkeit und Un- ähnlichkeit find fogar mr abstracta von Prädicaten), ohne jene auf das, was It, und fo bis auf das Erſte was Iſt zurüdzuführen, mißte auch er nicht vom Gleichen und Ungleichen oder vom Seyenden und nicht Bryanben (denn auch ef biefe Entgegenfebung f ſollen alle andern

“II,-1 (41, 25 sa.).

3 Das Bnnte man aus beim isrudav yap avra . endoopuivaı, x1, 3 (217, 11), fchfießen.

Man f. IV, 2; nachdem e er bie von den andern Philofophen angenommenen Gegenſaͤtze aufgegäbft (da8 Kalte und das Warme, Gerade unb Ungerabe u. f. w.), fährt er fort: dmavra di rairu xal alla palvera. avaydusva eig To dv ai aAndog' ep yapn avayayn nulv, P. 65, 9. Cbenbaf. p. 62 25 58.: 6 ysddv di navra avayeraı Travangia eis tiv apynv (= nearyv ivayriadıy) rauınv redacpnudo Ö nulv ravra iv ei; Enloyi; vor dvar-

riov (mach Werander bas zweite Buch mepl "Ayaten). Wehnlich andermärts.

zurädfommen)', er müßte nicht von biefen allen überhaupt sem, fondern von dem Gleichen felbft, unb bem nicht Seyenven fehk, je fern diefe felbft auch fubftantiell find.

Wundern wir uns indeß nicht weder über dieſes noch über munde Achnliche, was fich binfichtlich der ariftotelifchen Metaphiuſtt erwäins liege. Einem großen Theile nad) befteht. biefelbe in AUuefprücen wei geſchehen fol, ohne daß er darum felbft dieſe Forberung imma e füllt. Er ift nur der Geſetzgeber, an deſſen Ton er fich in ten kp fchen Unterſuchungen gewöhnt hat und den ex auch in der Meike beibehält. Der Geſetzgeber aber fehreibt die Geſetze nicht, bumit e jelbft, fondern bamit andere ſie anwenden. Der Ariſtoteles, be de Geſchichte der Thiere und andere naturmwilfenfchaftliche Werke, ver die Geſchichte der Staatöverfaffungen, der die Rhetorik und Beil p ichrieben, vefjen Bereich geht weit über ven bes bloßen Philoſophe hinaus. Die Philofophie, oder wie er jie nennt, tie REWrN7 EXıoTien ift auch nur eines ter Gebiete, auf die ſich feine Aufmerfjamfet a ftredt bat. Die Stellung, die er in feiner Methaphyſik gegen tict nimmt, it feine andere, ald bie er fih in der Poetik und Rheterl gegen die Dichtfunft und Berebtfamfeit gibt. So wenig er hier fie verpflichtet glaubt, felbft als Tichter over als Redner aufzutreten, ie wenig im Grunde will er auch dort jelbft als Philoſoph, als melde das Enftem der erften Wiſſenſchaft felbit aufftellt, erfcheinen. Gr jan nur, was möglich, mas unmöglich. Indem er fich fo auf den Stantpmkt des Geſetzgebers ftellt, jieht er weiter, als indem er ſelbſt entwidch Seine Lynkeusaugen dringen in Tiefen, wohin feine Dialektik mdt reiht. Sein Genius fagt ihm mehr, als ter commentirenve Ariftotzlel verftand. Es gibt Stellen des Ariftoteles, welche vie Ausleger je m als möglich zu erflären juchen, ohne daß fie erffärt find. Tie rajche, autofchebiaftifche Art des Ariftoteles bringt e8 mit fih, daß er in ar zelnen und gelegenheitlichen Weußerungen gleichſam kligartig mande ſchärfer beleuchtet, als ihm dieß in feinen ansbrüdlichen und mei

' adrra arayeraı eig ro or nai To ur or. P. 65, 72 se.

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fuftematifchen Auseinanderſetzungen gelingt, ober auch daß er zu manchem fortgeriffen wirb, das er nicht weiter auseinanderfeßt. Man muß ihn in folhen Fällen beim Wort nehmen und nicht auslaffen, bis man meiter mit ibm kommt. Ehen bie gilt auch von denjenigen Begriffen, in welchen das Bofitive zu fuchen ift, das er feinerfeits ven Dialeltikern entgegen- feßt, und das auch feine Anklagen gegen fie erſt volllommen würbigen lãßt. 2a findet ſich denn Ein Begriff, der den virecteften Gegenfat gegen das den Dialektilern Borgeworfene bilvet. Es ift dieß der fchon erwähnte Begriff ver ani«, mit welchem wir uns nım näher befchäftigen. Bon den awioig, jagt Ariftoteles, daß fie nothwendig richtig, d. h. daß fie entweder gar nicht oder richtig erfaßt worden. Dieß weiter zu verfolgen, Inüpfen wir an bie ſchon erwähnte Stelle! an, in ber Ariſtoteles bemerft,- daß Wahrheit und Irrthum über haupt nicht in beim Dingen oder Gegenſtänden, ſondern allein- in dem Berftande, In Anfehung des Einfachen aber, fährt er fort, auch nicht im Berftande?. Der erfte Theil diefes Ausſpruches bezieht ſich num allerdings auf das Allgemeine, daß wo entweber ein bloßes Subjelt (wie Menſch) oder ein bloßes Prädicat (3. B. weiß) gefagt und weder eine Stmihefis noch Diärefis ausgeſprochen ift, weder Wahrheit noch) Irrtum fen kann. Denn fogar wenn ich als Subjelt das. Falfche felber fee (Ariftoteles hat ſtatt des Falſchen rd wuxöv als Subjelt), wenn ich aljo eines von biefen fee, aber ohne etwas von ihm auszu⸗ fagen, von dem ˖ Falſchen, daß e8 wahr, von dem andern, daß es das Gute fey, fo ift fein Irrthum. Der andere Theil aber: weg! ds ra anıa walra ri dorıw, 000 &v 17 dıavöıg dieſes bezieht ſich nicht mehr auf jenes bloß Logiſche und Allgemeine, ſondern auf die bejon- dern Elemente, welche Ariftotele® einfache nennt. Nicht jedes für ſich geſetzte Subjekt oder Prädicat wäre ihm eim einfaches in biefem Sinn, oder wenn er e8 fo nennt (er nennt e8 aber nicht fo), wäre das für fih ohne alle Verbindung geſprochene Subjekt nur zufällig ein

S. 338, Anm. 4. 3 neei di rd anlä nal ra ri dorıw, od dv dıavoia. VI, 4 (127, 15 ss.). oo.

—V

emdoör. Der Zuſannnenhaug Felbft aber zeigt; Bafin- fiefenben Werten von den am ſich einfachen Eiementen die Wnfeßung deren feine Shutheſis und dazu - Seitunb: ent wißt im Berande möglich ük. Rum

ſagen, in weidiem Sinn allein bei foldhen, Die feine. Syntheſis zulafeh in welchem Siun megl ra dodrdere von Wahrheit und Iran Die Rebe. fege Yönne. Die Autwort ite hier jep wicht Maheeit ae Ken, fondern einfach Denken ober nicht Denken (d vom 9 54)‘, Exgreifen oder nicht Exgreifen, Sehen oder nicht Sehen, we das Auge. (Ariſtoteles braucht das Gleichniß nicht hier, "wohl aber ander warts, hier hat es fein Ausleger Alerander), wie das Wnge ei Ta einfach die. Farbe fieht und nennt, ohne etwas won ihr cmszufagen‘, und in biefem Sinn wahr zu feyn, und wie bei Macht das Auge de Farbe einfach nicht fieht, ohne deßhalb im Irrthum zu ſehn.

> Rum aber entfteht bie Frage, in welcher Art von Begriffen tik aobsdera, dieſe ſchlechterdings weilam fich einfachen Begriffe m finden fegen. Ariſtoteles jegt in der angeführten Stelle zu ra dals hinzu: sed ze ri dorır. Die amie find aljo die z/Earıv, uber find diefe? Im folgenben Bud) finbet ſich die Erklärung. Wem me fragt: was irgend ein Objekt ift, fo antwortet man entweber: ent Pflanze, oder Thier, oder Menſch, d. h. man nennt bie Gattung, unter bie e8 gehört, man bezeichnet es als odade, oder man autworkt:; es if dieſes beſtiumte Thier, 5. ©. das Pferd, das ben- Ralfins-ab geworfen hat, ober: es ift biefer beftimumte Menſch, 3. B. es ift Kulliak, Außerdem aber antwortet man auf die Frage: was ein Ding ift, md | wit ngnb einem hu ben Autegerien antgebrhäten Palbit‘. Dan

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Metaph. IX, 10.

"gi air (03 zen) iqu, ax ei neräpasın Alex. Comm. p. 51

De decıv iva uiv epomov Onualsı ziv oiiav (bie jogenanuie dverin oieia, Die ein gunan (En) aber mpocien (ler) dan Suhl em

351 > B. auch in Bezug auf das fo ober fo Beſchaffenſeyn eines Gegen ftandes fragen wir, was er ift, ob weiß oder ſchwarz: fo, nicht wie es gewöhnlich verftanden wird, möchten die Worte (p. 134, 5) zu ver- fiehen ſeyn zul ydp ro mov Eodınef Av ri dorı: wenn man nämlich, bei der angenommenen Lesart ftehen bleibt; wahrſcheinlicher aber. umd der concijen Schreibart des Arifioteles yemäßer würbe feyn, wenn man anftatt: oSro zul To Ti dozıw Undoye dns ulv 7 0d0lg, ng Öl roig dkloıg‘ zul ydp ro noir doöıusd'dv zi dorı, wenn man mit Auslaffung ber dazwiſchen ftehenden Worten läfe: oũro al ri dorıw dnıdcg dv Undpysı ın oVol«, rg dd (auf gewiſſe Weife aber) zul ro #009 EpdıusF av ri dorıw. Die gegebene Erklärung, mit der bie in ben „Topicis ' ganz übereinftimumt, ift jedoch nicht ohne einen gewiſſen Mißftand, daß nämlich das töde rı, befien Natur jonft der des Prädicats ganz entgegengejegt wird, letzterem bier gleichgeftellt ift, auch hat Ariftoteles ſich deßhalb vorgeſehen durch die in Fällen folder Art nicht .feltene Unterfcheivung, daß nämlich das reine Was unmittelbar und geradezu. (ErAng) nur in dem, was Sub⸗ ftanz ift, in den andern Kategorieen aber nicht eigentlich, ſondern nur 05 (auf gewiffe Weile), ift. Nach biefer Einſchränkung bliebe alfo nur was Subftanz ift als eigentlich Einfaches ftehen. Aber auch bie Subſtanzen werben unterſchieden, und find entweder ausferad oder un owsdstel, e bleiben alſo nur bie legten, und von biefen fagt um Ariftoteles: Tänfchung ſey in Bezug auf fie unmöglich, benn fe fegen veine Wirklichleiten ohne vorausgehende Potenz, aacal eiow Wwspysig 0% Öwvaueı, d. h. ganz und gar nicht der Potenz nach; das Seyn iſt ihnen alſo nicht Prädicat, denn wo Subjekt und Prädicat, iſt auch Potenz und Actus; das Erſte verhält ſich zu Letzterem als ſeine Potenz; z. B. der Menſch ift die Potenz des Präbicnte gefund, nur die

örıg ärdpanos)- aucheſagt, Aridici werden kann, was der zparn nal. —— Asyoudvn ovdia unmöglich) nal ro röds (das beftimmte Individnum), dAlor di (rporos) -dıadrov rov narnyopovulvay, nodov, 0109 nal oda aila roavsa. Metaph. VII, 4 (133, 29 gs.).

' Topic. I, 9.

Botenz, denn er kann ebenfowohl frank fen: bier kann man ſich che täufchen, da heift es nicht wie bei dem ſchlechthin Einfachen: vone # un vociv!; damit man nicht fehle, muß etwas. hinzulonmen: hie muß man wiffen, daß ber Menſch gefund ober frank if. Wir Ham amd nım bier nicht darauf einlaffen, weldye beftimmten Exbkage Ariftoteles als die einfachen benkt; daß Gott im höchſten Sim oveis aouvderog, verfteht ſich von ſelbſt; daß aber auch die Geftirne, ergit ſich aus früher Angeführtem ?; denn es ift in ihnen feine dan yeneem, keine dem Werben unterworfene Materie, aber. eben barım aud im s2dos, fie find reine Subftanzen und Principe.

Allein was nun die aA der andern Art betrifft und zwei Aus muß es geben: die amd können mm entweber reine Subjecke ca reine Präbicate feyn®, und wir dürfen die legteren nie ganz aufgehen, für dicſe ftellen ſich aber tem Ariftotele® nur die Kategorien tur, di Kategorien, von tenen er felbft fagt, fie fenen nur fo, mu ai gemiffe Weife aaria hier kommt nun die Lüde zum Bericen, welche in tem ariftotelifhen Gedanken dadurch entſteht, daß a ix

' Reine Potenz läßt ebenfowenig Täufhung zu. Bergl. Dazu Die Anmerkex S. 325.

2 In ter vierzehnten Borlefung.

3 Erſtreckt fi tiefes „entweder Eubjelt ober Prübicat jeyn“ übe We gleich auf bie erften Begriffe? (gilt es bier nicht noch nur entichiebener Fri und Actus auseinanter zu Eringen?) tenn A ift ja reines Subjekt, + A bas feyende im vein ausfagliden Einn, infefern Präbicat, und beſtebt daber da erfte Alt, durch ben man fih auf den Standpunlt der Philoſophie fegt, mit E ber abfichtlihen Aufbekung der srurlorr, in Felge welcher man 1. dus Ursb jett (— A), 2. das Urprädicat (+ A), 3. bie Urfuntbefis von Subieh m Präbicat (+ A), bie nichts anders zu ibrem Präbicat Bat, ſondern fih iM (das ſich ſelbſt Prädicatſeyn, das fich felbft Präbicat scil. ausſprechend, von da aber felbft nichts wieder präbicirt wird) alle als reine Subjekte und wir uva rung orrornroz feßt, die erft in dem, mas fie Iſt (in A°) zum Cam aber bamit auch zu bloßen Attributen werden? Es fcheint zwar ſchwierig zu han. wie das Urpräbicat (+ A) als Subjelt gefeßt werde, aber es muß weil, de als Präbicat nichte unmittelbar gefett werben kann, das für ſich geſetzte Prahimt wie 3. B. auro ro naiov, auro ro ayador, wirtlich Subjelt wirt, Bel zu bem zuletzt Bemerkten oben S. 335 ff.

3533 Erepa nowre, anf die fein Blick wirklich einmal fällt und bie offenbar über den. Kategorien find, nicht feftgehalten. Es ift dieß die Stelle, wo er dem ſchlechthin Exften, das nämlich, wie er fagt, der That und der Wirklichkeit nah (dvrersyaie), alſo nicht bloß im Denken das Erfte ift, andere-Erfte, d. h. Principe (Ereom RoW@re) folgen läßt, bie alfo, weil fie Ereow find, nur dundue, nur bem Bermögen nad nowre, d. h. Principe find, und ber. potentiellen Natur halber nicht umhin können contraria zu feyn, doch wegen ber Eigenfhaft wenigſtens möglicher Prineipe, lauter ſolche comiraria, bie weder als Gattungen noch in mehr als Einem Sinn gefagt werben. Wir werben jevem dankbar jeyn, der und den yhilofophifchen Gedanken biefer Stelle anders zu efflären weiß; denn was ich darüber bei ben mir zugänglichen Auslegern von Alexander an- gefiinben, hat mir theils umficher gefchienen, theils ſchien e8 mir die ganze Stelle zu verflachen. Ich will mich nun nicht dieſer Stelle bedienen, um zu fragen, wie weit wohl dieſe Ersox Aocore von dem ÖGrodsaeıs des Platon ab- ftehen, die auch nur mögliche Principe find ', mögliche, weil bloß hypothetiſch geſetzte, denn ihre Wirklichkeit erwarten fie vom eigent- kichen- Princip (ver sverwrery dort), zu der fie hinleiten und zu ber fie fih, nicht als dwzeieyeiz, aber als Adyp oörsou verhalten. Ich will mich hierauf, wie gefagt, jett nicht einlaffen, aber das ift offehbar, daß jene Erepx npwre, die weber alg Gattungen noch ‚überhaupt vielfinnig geſagt werbeh, recht eigentlich jene einfachen Elemente, jene &rix fern müffen, von denen Ariftoteles fagt, daß fie notbwendig richtig, d. h. daß fie entweder ger nicht oder richtig er» fapt werben. Ariftoteles aber hat diefe &rspx nowr«.nicht feitgehalten, nicht zum vollen Bewußtſeyn ſich gebracht, was freilich nicht geſchehen lonnte ohne bedeutende Rückwirkung auf anderes, das ihm bereits feft-

fand. Hier alſo ahndet e8 fich, daß Ariftoteles nichts weiß oder nichts .

wiſſen will von jenem bialeftifhen Hergang, durch welchen die unmittel- baren Attribute der Subftanz ober des Princips als ſolche erſt geſetzt werden.

a iſeo os ylyn Adyoraı unre nollayäg Adyeraı. X, 5 extr. Schelling, fämmtl. Werke. 2. Abth. 1. 23

x

35

Können wir mun auch nach den bisher Borgetragenen nit ww

meiden, dem Ariſtoteles vie vollftändige Einfidht in das Syſten de awrow abzufprechen, fo bleibt fein großes Berdienſt der Begriff ſeller fo wie der Gebrauch, ben er von biefem Begriff gegen bie Georkiie und bie von ihm fo genannten Tialeftifer gemacht hat, denen er ze wirft, daß fie nicht zu ben «&wAoss auffteigen, im Unfehumg ben Tänſchung ober Irrthum unmöglih if, weil won ihnen nichts any fagt wird; benn entweber werben fie nr gejagt und einfah be griffen wir können mit den Worten des Wlerander fagen: wir fuchen in Unfehung ihrer das Was (was fie find), nicht daß wir we ihnen etwas ausfagen, jondern bloß fie benfen und gleichfam jehen' entweder alfo werben fie als reine Subjefte, von benen nichts aub gejagt wird, Bloß gedacht, oter wenn fie uns zu Attribute werten, werben fie ſelbſt bloß ausgeſagt. Es iſt aljo weder hier ncd tet eine Verfnäpfung oder Complication (ouunrAox7) von Subjekt mt Präpicat in ihnen felbft, alfo auch feine Möglichkeit des Irrthums (fe find reine Potenzen, reine A, 00x Erspo» sidos). ie ſind ren, was fie find, und es ift wegen diefer Einfinnigfeit im Anfehumg ihrer Zäufhung unmöglih?. Sie find das, worin nichts als ta} Seyende und auf das die Philoſophie zurüdgehen muß?. Das Sexyende aber ſind gewiſſe erſte Unterſchiede und Gegenſätze; jedes ſeyende, hei einen ſolchen Unterſchied ausdrückt jedes iſt nur Das, mas del Seyende iſt; man fügt nicht, daß es das Seyende iſt, ſondern mu ſagt nur; was das Seyende iſt jedes jo ſeyende wird ein ſchlech— hin einartiges und einſinniges, d. h. ein «nlous ſeyn (ein em tiges: denn jedes ber einfachen Elemente fann nur das ſeyn, tes d ift, nur an ber Stelle, die es hat), Der Beruf zum Philofopkra

'mepl @v ünrouuev zo ri dörıw ouY Ox narnyopoirres aurav rı, ala uovov voovvrag ai olorrl opövres. Alex. Aphrod. Comment. ed. Boni, p. 572, 28 (ad Metaph. IX, 10).

? "Dre To npörov nal xıpiog avaynalov ro anlovr deriv' rouro za w dvdiysraı nlsovayas iyaıv, aor ovds allag nai alla‘ nön yap nlsorayd av iyo. V, 5 (%, 3).

Bergl. S. 344.

355

zeigt fi in, dem Bedurfniß, das nicht ruhen läßt, ch’ man ſich bewußt ift, auf bie fchledhthin einfachen, umtrüglichen Elemente gekom⸗ men zu fen. „Die Schärfe liegt in der Einfachheit, ro axpı ds ro &rioür, fagt Ariftoteles, und je mehr mit dem Einfgchften und dem im Denken Erſten befchäftigt (neo! auoreoov ro Aöyp zul unkov- oréocov), deſto ſchärfer ift die Wiſſenſchaft. Das ſchlechthin Einfache aber lann eben nur berührt werben (Auyyaverau), fo daß im bloßen Sagen unb Berühren die Wahrheit befteht'. Das Princip ber Wifjen- ſchaft kann nicht wieder Wiſſenſchaft ſeyn, ſondern nur das Denken ſelbſt. Den meiſten iſt es freilich unerhört, daß es etwas über Die Wiſſen⸗ ſchaͤft gibt: fie wiſſen nur von Wiſſenſchaft; dieſe kann jedoch nicht ins Unendliche geben, von dem das Wahre unmittelbar berührenden Geiſt will fie nichts, Die Vernunft aber an fich gibt und unmittelbare Er⸗ kenntniß, erhalten durch directe Wahrnehmungen, nicht durch eine Kette von Schlüffen, und fogar die Principe, von welchen für Schlüffe felbft exft ihre Geſetze ſich ableiten. Was fo durch unmittelbare - Berührung von der Vernunft erkannt wird, verhält fih zur Vernunft wie Einzel- weien .fich zur Empfindung verhalten. Da ift aber noch feine Wiflen- (haft. Dieß macht, daß biefe Unterfuchung (über das Princip ımb bie Principe) nur für wenige jehn kann; denn die. meiften- wollen über⸗ zeugt, d. h. durch Beweiſe überwunben ober wenigftens- überrebet feyn. Auch das Letzte ift nicht möglich mit Sägen, die als Subjelt- und PBräpdicat-Berbindungen nicht anwendbar find, wo es auf einfache geiftige Wahrnehmung Ankommt. Die meiften wollen glauben,- wenn auch nur in dem Sinn wie Ariftoteles fagt: der Lernende muß glauben; und dieſen .erwedt das Einfache Diktrauen, indem fie für unmöglich halten, daß etwas fo viel und fo. lang Geſuchtes nicht verwidelter und künftlicher gefunden werde. Darin werben fie dann von’ folden be- flärkt, die bem,. was fie Philofophie nennen, eine unnatürliche Span- nung mit Recht vortheilhafter achten, als Gelaffenheit und deren ſind ' To uiv Seyotv nal yavaz alndis (ou ydp rauro zardpasız nal yasıs)

To S dyvostv un Iıyydrauv anerndivas ydp nepi ro ri darıv owm ddr, all 7 xara duußeßnnos: Metaph. IX, 10 £p. 191,5 se.).

356

nicht wenige gerade in einer Zeit, wo bie Philoſophie beſenden gi Denn gegen eine ber einfachen, zum Erfinben gefchaffenen Serien, gt es unzählige, die nur eine gemachten Denkens fähig fin. Dik beſonders auch fegen fich gegen alles unmittelbare Erkennen, wennglah gerate Ariftoteles, ver mehr als jever andere, ältere ober neuere Pide fopb über alles. Epecififche uud Individuelle ſich erhoben, eine Unmitkk barkeit des Denkens annimmt, wo bie Gegenſtände nur noch beräßtt‘ werben, Bei dem guten Alexander zwar, "welcher fagt, es könre fh folder Unmittelbarteit feiner entjchlagen, ver an dem Gipfel ver Die ſchaft angekommen und wohl geforiät- habe?, bei dieſem kennt ma wohl etwas Neuplatonijches wittern wollen. Aber z. B. and Tier phraſtos, ten man nicht auf diefe Weiſe verbächtigen wolle, jagt gegm das Ente feiner Metaphyſik, wenn man zum Aeußerſten unt Gria ſelbſt ER avra Ta axpe “ai npwra) übergehe, reife jeter a das finnlih Wahrnehmbare anzufnüpfente Caufalzufammenhang bebrit der Erforſchung der Principe; mit mehr Wahrheit mürte geſagt: I$ dem Denken felbft, tem berührenten und wie anfafjenten, tie Babe beit zu Theil werde?, do, fegt er hinzu, xl oUx dorım am Repl avrd (nämlid Repl ra axpa wel KourTa).

Wenn nun aber doch unvermeidlich zu jeder Art ven Veiftm mung eine Art von Glauben gehört,"jo wird dennoch auch ter, weder ben vorgetragenen Öruntjägen hulvigt, eine Art ven Glauben fertas müffen, und da fommt mir deun eben, intem ich dieſes zum Bertrag niederjchreibe, ein aus einem bis jegt ungebrudten Schreiben Grethel mir binterbrachte® Wort trefflih zu ftatten, ein Wort, deſſen nähe Beziehung und Bebentung ich nicht kenne, denn es iſt auf mehr alt

S. Die vorhergehende Anmerkung.

To 6 ravra olov opäv Eyyivarar Tols eis aneor imıdrruns &idere ai eu snensadıw. P. 572, 8.

° 6 von Yeopia Yizosrı nal olov ayandyp. Theophrast Metaph. p. 319, 2. ed. Brandis. "Arresda: ift bas platonifche Wert, ſteu deſſen Ariftoteles das Huyezv und Yuyyavengeiet. Zu aurs 176 vo das aur; ri yuyi bes Platen, in der dreizehnten Borlefung.

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ein Berhältniß anwenbbar, aber ganz vorzüglich auch auf das zu ber Wiſſenſchaft. Diefes Wort if: Man muß an die Einfalt glauben lernen. er

- Um ums nicht gu unterbredhen, haben wir da, wo wir die Vorwürfe des Ariftoteled gegen die Dialektik erörterten, die naheliegende Trage übergangen: wer benn wohl diejenigen find, denen Ariftoteles jene fub- ftanzlofe Dialektik zufchreibt, jene dialektiſche Virtuoſität doyüs dın- Asxrıa)), die, wie er felbft fagt, noch nicht 'war zu den Zeiten bes Sokrates. | on | Bergeblich würde es nun ſeyn, unter den dem Ariftoteles gleichzei- tigen ober zumächft vorhergegangenen Philofophen einen Namen fir dieſe Dialektik zu fuchen. Auch Ariftoteles nennt fie unbeftimmter Weife Dialeftifer, ohne einen berfelben mit Namen zu nennen, und doch gibt er geräbe durch fein Ankämpfen dieſer Dialektif eine folche Bedeutung, ja, genau: zugejehen, ſcheint fie fo ſehr eine Borausfegung feines eignen Berfahrens in der Metaphyſik zu feyn, daß man ihr wohl eine breitere Eriftenz und allgemeinere Geltung als bie in irgend einer befonberen Schule zufchreiben muß. Und in der That, was ift fie denn, dieſe Dialektik, nach Ariftoteles eigner Beſchreibung? Antwort: Sie ift, mas wir heutzutag ein Syſtem des gemeinen Menſchenverſtandes neunen würden, das ſich nicht über die Meinung (d6Ex) erhebt, und ſich mit dem Glaublichen (roͤ &vdofo») begnugt. Ein ſolches Syſtem . braucht aber leinen beſondern Urheber, und komm, wenn einmal das philoſophiſche Streben durch mächtigere Geifter erwadt ift, von felbft der Menge zum Bewußtſeyn als eine Art von Gemeinwifjenfchaft (#07 dmıorrun), als die ihr allein angemefjene Denkart. Und fo möchte, nachdem bie Beſchãftigung mit Philofophie längft ein Bedürfniß des griechifchen Geiftes geworben war, das nicht in irgend einer Schule, fondern allgemein Geltende eine ſolche Dialektik geworben ſeyn, wie fie Ariftoteles beſchreibt, bie im Allgemeinen durch Platen® Anſehn beglaubigt, übrigens mit ber platoniſchen nichts mehr al8 das Formelle und Allgemeine, das Induc⸗ tive und Verſuchende (TO rsıpeorızdv) gemein hatte, und es möchte fo, in Folge des ausgebehnten Gebrauch, ven Platon felbft von ber

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*.

Dieclektik gemacht hatte, ein Heer experimentirender Dialeküler! fi @ bilbet haben, vie ihre Ausgangspunkte und Beransfegungen and ix

bloßen Meinung bernahmen, ohne auf das nur dem reinen Dei |

Erreichbare zurüdzugehen, und ebenfo über alle fich darbietenden ray oder Aporien nach bloßer Meinung bin und ber bifputirten, ofme ie befontere Schule zu bilden, weil jeber feine eigne Weiſe hatte, jder Unterfchieb bloß ein individueller ſeyn konmte, in einem Wettfireit, we eigentlich jeder gleiches Recht und gleiches Unrecht hatte, umb mar tal Mai von Scharffinn und Uebung, das jebem zufam, ven Ansihlag gab, Eine ſolche Philefophie, die fi) über das bloß Discnrjive mit erhob es möchte dieſes aus bem Lateiniſchen dem Griechiſchen analıg gebilvete Wort das Drauchbarfte jeyn, um biefe untergeorbnete Urt we Tialektit zu bezeichnen, die, nachdem durch Platen die Sophiſtik übe wunden, entjtehen mußte? eine ſolche Art von Philoſophie iſt aha die den meijten zujagenve, wie unfere fo lang im ungeftörten Veñ allgemeiner Geltung gebliebene ehemalige Metaphyſik ein ſolches Mitd- mar Des ten meiften Zugängliben, Annehmlichen und Glaublichen a1 bielt. Und auch Tas hatte fie ja mit jener Dialektik gemein, daß be ihr feine Namen beſonders genannt wurden, wie von Spftemen abs beſondern Lehrganzen erſt in neuerer Zeit die Rede wur, und Namen nicht eher genannt wurden, als das Streben anfing, über jene Schein wifjenjchaft hinaus zur mahren und eigentlichen zu gelangen. Denn te Namen einer jcheinbaren Wiſſenſchaft konnte man auch ter bis anf Kant hergebrachten Metaphyſik nicht abjprehen. Man Lonnte nicht gerade jügen, daß jie das Falſche jey, fie war nur nicht das Rechte, mit das eigentlich zu Wellende und im Grunde Gewollte. Seibit Kart, wenige (zweifelhafte) Fälle ausgenommen, überweist fie eigentlich fand Irrthums. Niemand 3. B. ter ven ariitotelifchen Beweis, daß Mt Urfachen nicht ins Unentliche Fortgehen können, weder ber Zahl neh N

. n * . "ai odar vs diaiertıni nsıwörraı dnoaelv, dr rör Erdofor ur.

mmoruero tiv Oröpır. HI. 1 (41, 25 ss.). Diefe discurſive, fullegiftiiche, alfo verfucheweife demonſtrative Pbileicpbee ge} tem Ariftoteles auch Das Gefchäft feiner logiſchen Wiflenichaft.

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2 nach ', Tenmen gelernt, wird das tosmotheologifche Argument gi 9 finden, wenngleich es für ſich unzureichend iſt, weil es, wie das ontologiſche Argument herbeirufen muß, eigentlich aber, weil me bis zum Princip führt, die Natur des Principe felbft aber nicht durch folche vermittelte Erkenntniß, fondern nur durch unmittelbare Vernunft⸗ berührung zu erkennen iſt?.

Auch ſie, die ehemalige Metaphyſik, argumentirt aus dem, was in der Meinung ift (dx row Erödkov), und kommt nicht Über das Glaub» liche (bloße Probabilität) hinaus. Kant ftellt fi im Grunde nicht feind⸗ felig gegen diefe Metaphyſik, fir welche im Gegentheil bei ihm noch immer. eine gewifle Zuneigung buchblidt. . Er möchte fle wohl, wenn. fie nur ſich halten Liege. Ebenſo auf gewifje Weile Ariftoteles. Indem er das Ungulängliche der bloßen dialektiſchen Wiſſenſchaft feiner Zeit ansjpricht, entlehnt er ihr wahrſcheinlich weit mehr ald man gewöhnlich denkt, und es ift unftreitig der Umſtand, daß er fich gegen dieſes ge- meinverftänbige Berfahren weniger ausſchließend ald Platon verhält, die vorzüglichfte Urfache gewejen, daß er die Autorität wurde, unter ber in der Folge wieder eine ähnliche Gemeinwifjenfchaft entftand, die Jahr⸗ hunderte hindurch eine ununterbrochene und im Wefentlichen gleichför⸗ mige Herrfchaft behauptete, während Platon faft immer nur eine ftille Gemeinde. verwandter und gleichgefinnter Geifter um fi verfammelt hatte. In der That hatte ſich in der neueren Schulmetaphyſik nur jener Stoff einer discurfiven Wiſſenſchaft wieder herausgearbeitet, den Ari⸗ ftotele8 aufgenommen hatte, und es bedurfte einer neuen Krifis, die Philoſophie auf den Standpunkt wirklich zu erheben, zu dem Ariftoteles fie hingeleitet batte, auf den Standpunkt, wo nicht mehr bloße Dianoin, ſondern bie Vernunft ſelbſt, nicht Wiſſenſchaft, fondern das reine Deuken Princip ber Wifſenſchaft iſt.

II. (a) 2. 2 aydvevog auri; (aurög 0 Aoyos). Platon de Rep. |. cv.

—*

Sechzehnte Yorlefung.

Allen andern Wiſſenſchaften, fagt man, ift Ihr Gegenſtand, if im Stellung und Berechtigung im Gefommtiyftem des menſchlichen Bifes buch die höchfte Wiffenfchaft Beftiumt, diefo ſelbſt aber Kamm fih uf feine aubere und ‚höhere berufen; es gibt daher keinen Begriff die Wiſſenſchaft, d. h. ter Philofophie, als durch fie ſelbſt. Hieraus würde folgen, daß tie Philofophie eigentlich nie anfangen könne; denn anf ge rabewohl anfangen kann fie doch nicht. Es bebürfte alſo eines ik jelbft noch vorausgehenten Begriffs, zu tiefem aber eines Standpuuu außer ter Philoſophie. Iſt nun diefer fo ſchwer zu finden, unt md vielmehr in Yolge des zwijchen beiden angenommenen Berbältnifje chen in ben andern Wiffenfhaften gegeben? Tem unmöglich jcheint, vet die Philoſophie gegen alle beftinnnend ſich verhalte, ohne daß dieſe bar wieberum auf fie beftimmend zurüdwirten, ta es doch etwas Ganen- fchaftliches feyn muß, wodurch fi) alle von der Philoſophie untericheihen, und wovon in biefer fi) das Gegentheil findet. Auch dieſes Gemein Ihaftlihe ter audern Wiflenfchaften aber ift nicht ſchwer zu entveden: es beſteht darin, daß fie indgefammt nur mit eingeſchränkten, d. h. Er einen Theil des Seyns ausdrückenden Gegenſtänden zu thun haben, we von das Gegentheil, das in ver Philoſophie ſeyn ſoll, nur ver vellfems mene Gegenſtand (l’objet accompli)!, d. h. ter das ganze Zenn, tus Seyn ohne allen Abbruch enthaltente ſeyn kann das Ideal, um nit Kant zu iprehen. Daß aljo die Philejophie mit dieſem beichäftigt ien,

' Ter fuperlative Auetrud macht ſich bier von ſelbſt überflüflig.

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Mlbezringe niht ſelbſt fon eine phisfopffg gefundene, aber and feine bloß vorläufige Beftimmung in dem Sinn, daß man nach Umftän- den fie auch wieber ‚aufgeben Fünnte: .möge man fie eine Äußere nennen, weil fie nicht aus dem Innern der erft aufzuftellenden Philofophie, fon- bern aus ihrem Verhältniß zu ben andern Wiffenichaften abzuleiten ift. Aber ein anderes Mittel, zu dem Begriff zu gelangen, ohne welden alles Reven von Philofophie ein "wällig richtungslofes wäre, gibt es nicht; auch Ariftoteles weiß die Philoſophie umnmittelbar nicht anders als durch ihren Unterſchied von allen andern Wiſſenſchaften zu beſtimmen!.

Das aber haben gewiß einige als einen unberechtigten Vorgriff aupeiehen, daß gleich zu einem Gegenftande fortgegangen werde wicht in bloß logiſchem Sinn des Worts, fondern im realen, wo er ein wirkliches Ding beveutet. Dieſer Meinung werden diejenigen fen, welche zum Ueberdruß wieverholen: das allein Wirfliche fey die Ivee, dad an und für fi) Seyende, wie fie e8 nennen, fen das Allgemeine, alles Reale in ven Begriffen Die oee Bat durch Kant eine. hehe De deutung erhalten, aber der wahre Gedanke iſt ihm nicht die Idee, ſon⸗ dern das durch die Idee beſtimmte Ding. Der Ausdruck wäre ein leerer, tautologiſcher, wenn das durch die Idee, d. h. durch das reine Denken, Beſtimmie ſelbſt wieder nur ein Gedachtes wäre. Sinn bat er nur, wenn das durch die Nee beſtimmte Ding fa wirklich, ja im. Wahrheit wirklicher als irgend ein durch die Sinne beftätigtes ift, und etwas Beſonderes, fie von allen Wiflenfchaften Unterſcheidendes hat bie Philoſophie nur, wenn ihr Gegenftand durch das reine ‘Denken geſetzt, und doch nichts Allgemeines und Unbeftimmtes, fondern das Allerbes ftimmtefte, nichts Ummwirkliches, fondern das Wirklichfte ift.

Mon lann wohl im Gegenfag mit den andern Wiflenfchaften, beren jede zwar auch mit dem Seyenden (dem von dem ganz und gar Nicht- ſeyenden gibt es feine Erkenntniß), aber dem mit einer befondern Bes ſtimmung gefegten zu thun bat, im Gegenjag aljo mit diefen kann man

' Oideuia zör dallor (dnısrnusr) dnıononsi nadolov magl roẽ övrog 77 or, alla udpog aurou a’ orenyÖgevau pl vovrov Hsopoudı zo dvußednxog' olov ai uadnuarızai rör dnıdenuov. Metaph. IV. 1 (61, 1 es.) u. a.

wehl als erſte Erklärung gelten laſſen: die Philoſophie

mit dem Seyenden im Allgemeinen unb ohne beſondere Befuummug‘; aber man kaum dabei nicht ſtehen bleiben: man lan vom dem Seyene nicht reden, als wäre es felbft ein feyenbes (ag otalaz ak odong), für ſich if} es nur Wetrihut>, und Nichts. (bofer Bege) de das, deffen es iſt, und das ihm Gubjelt (ober Ufie) if. ish ohne das es ſeyende, lann es gar nicht ausgeſprochen werben‘; bee fogleich die Frage: Was, d. h. welcher Gegenſtand, es fey, rin ö9; bie Frage, bie, auch ohne fie auszuſprechen, vie altem jaiihe Philoſophen, welchen das feuer ober das Waſſer ober bie Luft bei Seyende war, fo gut als Fichte, ber biefes das Seyende⸗ſeyende in tab menſchliche Ich fest, am fich gerichtet Haben muften. Dieje Enge fu wie gezeigt, nicht das Attribut zum Subjelt, ſondern das Subjelt zum Attribut, das Öw zu dem Öv, daher die -VBeftimmung: dasarıng roũ Öwrog 3 Öv, daher das von je und immer Geſuchte md in Frage Seftellte, Was das Seyende ſey, nach Ariftoteles fo viel al was bie, Ufia fey“ Denn nicht für jeden, der dieß hört, wir di überflüffig feyn, wenn wir wieder baran erinnern, daß bie Uſia ki Miftoteles nicht Weſen (essentia) ift, wie bei Platon; die Scholaſtiler haben dieß richtig vermieden und dafür substantia gefett; fie ift mt das Seyende, fondern wovon das Seyende gejagt wird (ze ot Adyeraı TO öv), und biefen Urſache des Seyns (airia rov era, Wlgemein: wovon alles, aber mas ſelbſt von nichts gefagt wirt; de aber alles, was immer gejagt wird, ein Seyn ausdrückt, fo erhellt anf

' xaJolov xai ov xara usipos. Metaph. XI, 3 in. ? xarnyopnua uovov, X, 2 (196, 15), feine gusıg za auriv, Ir, 1 1,7).

® Ariftoteles ul, 4 (p. 55, 10 ss.) unterſcheidet zwei Fragen, bie er: norepör zore 70 ov nal ro dv owdiaı ovrov Sidi, al dudrepor auröı 00x Scapov ov To uöv dv ro dd or iörıv; bie andere: ri norier 10 ov nai ro dvag varonsıundvng daAAng YPudenz; bie erfte fey Platons Frage bie er verwirft, bie andere ift bie feine und bie rechte.

To nalaı res nal vu nal asi Snrouuevov xai asi AropovLLsvor, rim. toiro dorı, tig n ovdia. VII, 1 (129, 7).

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Haren, daß die ariftotelifche Uſia nicht das Seyende ift, ſondern des, was das Seyende ift, und. e8 möchte damit. auch diefer von und angenommene Ausprud binlänglich erklärt ſeyn.

Auf welche Weife mm vom Seyenden zu bem, mas das Seyende iſt, zum eigentlichen Brincip gelangt wird, hat uns bisher beichäftigt und war nothwenbig das Erfte. „Der Weile, fagt Ariftoteles, muß nicht bloß wiſſen, was ans ben Principen folgt, fondern auch in An⸗ ſehung der Principe ſelbſt in der Wahrheit ſeyn. Die Weisheit aljo ift nicht bloße Wiſſenſchaft, ſondern Wifjenfchaft und Nus, Wiſſenſchaft, bie das Haupt, d. b. das Princip des über alles Schätzenswerthen (ber Principe) Hat*-', die alfo von diefer Seite nicht mehr Wiſſenſchaft, ſon⸗ dern Nus, d. h. das Denken felbft ift, dem allein ein Verbältniß -zu ten Principen ift”., Das Denen geht über die Wiffenfchaft. Wir fühlen das Zufällige.unferes Wiſſens, nicht dieſes ober jenes, 3. B. des fogenannten empiriſchen, fondern unſeres Wiſſens überhaupt; denn z. B. auch das rein mathematiſche iſt ja Doch am Ende, wie wir geſehen, feinen Vorausſetzungen nach ein zufälliges. Dieſe Zufälligkeit des Wiſſens ſchreibt fi davon ber, daß es feinen Zuſammenhang mit den, was im Denken ift, verloren bat. Denn nur im Denken ift die urfprüngliche Rothwendigkeit. Das Berlangen, biefen Zuſammenhang wieder zu finden und foweit möglich herzuftellen, das ift vie Urſache, daß vas Denten vor ber Wiflenfchaft geht. Die Dinge in ihrer Wahrheit erfennen wir nur, wenn es uns möglich geworben, fie biß in den durch das reine Denken gejetten. Zufammenhang zu verfolgen, ihnen bort ihre Stelle an- zumeifen. “Die meiften zwar, wie fhon bemerkt, drängen fich zur Wifjen- ſchaft. Es ift leicht, die Erfahrung zu machen, daß bie Wiſſenſchaft im Allgemeinen mehr ah , als das reine Denken. Die Wiſſenſchaft

' Ethic. Nieom. VI, %: Ast ròr dogor un ra ix röv apysv eiöivaı, alla xal megi rag apyag alndeven' Gor ein av n dopia vou; al dmoenun, —RX iyovsa drıdenun ray rıufurdrov.

Tov rpıöv (dev Ypovnsig, sopia und dmisenun) undiv dvdeyousvov lsineraı, röv voöv alvaı növ apyöy». Ethic. Nicom. VI, 6. Vergl. biezu bie oben S. 803 angeführten Stellen aus Anal. Post. II.

jat eat ortefees, wie Die bl Der fi Erf bier zur Darftellung Eomntenben Wiſſenſchaft gezeigt Hut, für Miuden de Solgenden nicht aus und zieht audh den nicht Wellenden mit Fi ſca gter anch ums treibt eB zur Miffenfiheft.. Des das Feind ji ſtrebt aus bem reinen Denken hervor, in bein es Inie.geftmgein iR, ai ſich als Princip erweiſen zu Trmen. Es iſt wohl. Denken, dumm ‚materiell ober weſentlich, nicht aie ſelches; als foldhen-if es fchR mr in potentie, denn wir beſtben et, aber aur buy Das’ Saeide db fein logiſches prius, an baß es gebanden iR; alfo iſt hier wielmehe Ib Serende, das Gewalt at über das Princip, und es if wicht zu fagm, ba das Princip das Seyende hat, fonberu.umgelehtt, daß das Geyakı das Princip hat, in ber rictice Mnsirud, ‚wie er denn and, ver ie Keiftoteles it.

Das Princip für fi, es nicht bleß durch das Seyende, ſonden frei vom Seyenden zu haben, dieſes alfo wird nicht mehr Sache bei reinen Denkens, demnach nur Sadje bes über das ummittelbare Deal hinausgehenden, des wiſſenſchaftlichen Denkens ſeyn können. Das mer im reinen ‘Denken Gefundene wird nun ſelbſt Gegenſtand des Tenfent, und in biefem Sinne könnte das ‚über das einfache und unmittelbare Denen hinausgehende Denken wohl Denken ‘über das Denken genamt werben, aber nicht, wie es diejenigen mißverftanden haben, bie nicht mit dem Denken felbft, fondern mit dem Denken über das natild bann völlig Ieere Denken anfangen wollten, *

Mit dem Princip, wie es im reinen Denten ift, d. 5. feftgehalten von dem Seyenden, konnten wir nichts, wie man’ zu reden pflat,

Beweis bie auch in anderer Hinſicht lehrreiche Stelle, Metaph. VII, 16 (161, 1m: Ovderl iaapya n ovdia all 7 avr) re nal rS iyovcı arıın ov dörlv ovdia. Das Befonbere bes Ausbrude veranlaßt ten Alexander j# ber. Bemerkung: divaraı ro iysıv nal avei' roü Iy,0daı sipjeda: e⸗ re Iyı0daı uno rov xupiog ovrug ra xal dvog, Tour dirı vis ovsiag, me pi sivau dv ar! Alyscas oyra re xal dv dxadrov rov Svußeßrorev auf, & To nodov ra nal moıov' nal oda ousag rodeog dv en ovdia darir. L p. 212, 123, Auch fonft bat dem Ariſtoteles das Attribut das, von bean & gefagt wirb. Man f. u. a. IV, 2 (63, 38).

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anfangen, dem es iſt ums nicht als Princip. Die Anziehung aber, die das Seyende auf es ausübt, beruht auf dem gänzlichen Nichtſelbſt- ſeyn des letzteren (des Seyenden) ; bamit „wir alfo das Princip von ihm frei haben, muß das Senenbe aus dem bloß potentiellen, hyliſchen Seyn, das ein relatives Nichtſeyn ift', erhoben, bie bloße Potenz des Selbft- ſeyns, die in ihm ift, bis zu einer vom Princip unabhängigen Wirklich- feit in. Wirkung gejegt werben. Erſcheint das fo vom Princip unab- bängig geiworbene Wirkliche dennoch als ohnmächtig gegen das Princip (zuexft nur geger fein nächſt Höheres, zuletzt aber gegen das Princip), als deffen bebürftig und ihm am Ende unterworfen, fo erfcheint nun das Princip auch als das über alles andere Wirkliche fiegreihe, und darum an fich Wirklihe, ‚dv. b. als Princip. Auf diefe- Weife wäre das früher rein noetifch (dialektifch) Gefundene in einen Proceß umge feßt worden, und auf dem Wege des zur Wiffenfdaft auseinander: gezogenen Denkens erreicht, was das einfache unmittelbare Denken nicht gewähren konnte. Denn das im reinen Denken Gefundene war nicht Wiffenjchajt zu nennen, e8 war nur ber Keim der Wiffenfchaft, welche entftebt, wenn das im einfachen Denken Erlangte die Idee aus⸗ eimander gejegt wird. Als Wiſſenſchaft, die unmittelbar aus dem Denken beroorgeht, wird biefe mit Recht bie erfte Wiffenjchaft beißen, unb gleichwie fie jelbft nur: die auseinandergezogene Soee.ift, fo ift auch das, was fie erzeugt, daſſelbe Deuten, welches in ber dialektiſchen Begriin- bung thätig geweſen.

Die nächfte Frage wird ſeyn: ob biefe erfte Wiſſnſchaft ein Princip hat und, wenn ſie ohne ein ſolches nicht zu denken iſt, welches? Die Antwort ergibt ſich aus Folgendem. Jenes andere, an bie Stelle des Seyenden getretene Seyn wir können es das außergöttliche? nennen wer in dem Seyenden nur als Potenz, ale Möglichkeit. Aber daſſelbe müffen wir von dem Princip fagen, fofern e8 vom Seyenden frei ge worben und rein in fich felbft wir wollen jagen in feiner reinen

Das bloße vArnös ov iſt duvaue Sovdun 6 ov= un ö», Aristot. Metaph.

IV, 4(73:1s0) . - 2 Berftebt ſich, nım ideal außergotiliche

Gottheit ift, nämlich daß es als dieſes in dem Seyenden und mx als Potenz, als Möglichkeit war.. Wenn dem fo ift, wenn anf vn Standpunkt, zu dem wir im reinen Denfen gelangt find, beit al bloße Möglichkeiten fich verhalten, fo wirb, angenonmmen unb ver» geſetzt, daß auch die Wiſſenſchaft, welche wir Die erfte gemanıt hab, nicht ohne ein Princip (nämlich mm nicht ohne ein zu Grunde Inzate Princip) zu denken ift, es wird, fage ich, Princip biefer Wiffeniheit weber das eigentliche Princip, das als ſolches erft zu erfennen it, ud allerdings auch das bloße Seyende feyn können, wohl aber das Our als Gleichmöglichkeit (Inpifferenz) von beiden, als Gleichmẽglichleit de außer dem Princip gefegten Seyenden (des aufergöttlihen Senne, m des außer dem Seyenden geletten Principe der rein im fich feyenten Gottheit. Das Seyende, das wir die Fdee genammt haben, hört daran, daß e8 tie Gottheit, nicht tie als ſolche ſchon gejeßte, uber tod die als ſolche zu fegende hat, es hört damit nicht auf, die Idee zu im, es wird zur abfoluten Idee, in ter Gott und Welt gleicherweile alt Möglichkeiten begriffen find; tie jo entftehente Wiſſenſchaft erjcheint al; Syſtem eines alles, alſo auch Gott begreifenten Abioluten, das zu Unteriheitung von dem bloß im materiellen Sinn Wofolnten, te Seyenden, das fchlechthin Abfolute genannt wurde. Auf dieſe Tele geſchieht es, daß im Uebergang zur Wiffenihaft ala folcher dem übe das (unmittelbare, Teufen hinausgehenden Tenten das Ganze, I nämlich aud) das Princip oder Gott begreift, zur Materie ver Un widlung wird. Verwunderliches ift darin nichts, es iſt nur natürlid, daß das im uriprünglichen Denken Gejegte, indem es einem lid über es erhebenren Denten zum Gegenftand wird, eine andere Beratın) erhält.

In Bezug auf die erite Wiſſenſchaft aber, von der wir einen ver (äufigen Begriff zu geben gejucht haben, erhebt ſich folgendes Berenten Dem Begriff zufolge wäre das Eigenthümliche dieſer Wiſſenſchaft een dieß, daß fie das eigentliche Princip nur zum Rejultat, daß fie Get erft als Princip, aber nicht zum Princip bat. Es entſteht verhalt. ſobald der Begriff der erften Wiſſenſchaft da ift, auch fchen ber Gerastt

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einer zweiten, welche das Princip (Gott) nicht bloß als Princip, fondern zum Princip bat, und bie eriftiren muß, weil ihretwegen das Brincip als ſolches gejucht wird, eigentlich alſo fie felbft Die gejuchte, die Sntovussn nod in einem ganz andern Sinn ift, als in welchem Art ftoteles- ſchon die erfte Wiflenfchaft fo nennt. ALS die eigentlich gefuchte wird fie die legte ſeyn, zu welcher bie allgemeine erft gelangt, nach⸗ dem fie durch alles andere hindurchgegangen, al8 die legte aber zugleich die höchſte. Und wenn die, welche eigentlih nur fie fuchte, eben dieſes Suchens halber Philoſophie genannt wird, fo müßten wir fir fie (die geſuchte) ven ftolzen Namen der vopie in Anſpruch nehmen, wenn wir nicht überlegten, daß auch fie nur ein Ideal ift, das erft verwirklicht werben muß, und auch verwirklicht, ſtets nur ein menſch⸗ liches Werk, aljo mehr im Streben nad, der höchſten Wiffenjchaft feft- gehalten, als ganz erreicht feyn wird.. Vielmehr aber werben wir fagen, daß Philofophie der allgemeine Name ift- für bie .auf das Princkp gehende Wiſſenſchaft, ſey e8, daß fie e8 erft der Potentialität entreift, worin allein das reine Denken es hat, ſey es, baß fie von ihm als ſolchem ausgeht; bemerken werben wir ferner, daß, nachdem von einer legten Wiſſenſchaft gefprochen worden, der Ausdruck „bie erſte Wiſſen⸗ ſchaft“ unficher geworben; denn fie ift doch nicht: die erfte in dem Sinn, in welchem biefe die legte ift (d. h. als beſondere), und baß es daher gerathen feyn wird, . jene bie erfte Philofophie (7 Kodrny welo- oople wechſelt bei Ariftoteles mit 7 Kuory dmsorium), dieſe bie zweite PBhilofophie zu nennen, unter welcher Ariftoteles freilich nicht bafjelbe verfichen Eonnte, da er von der Wiſſenſchaft, die vom Princip (Gott) ausgeht, nicht weiß. Ihm fällt die Phyſik unter bie Ösurdon Yıhocopia '. Ueberhaupt beſchränkt ex die Philoſophie nicht wie wir anf das Princip, und ſpricht fogar von brei Philofophien, der mathematifchen, phyſikaliſchen und theologifchen ?; vie legte ift der Würbe nad bie erfle (7 sp@ry) und den andern gegenüber allervinge

' Metaph. VII, 11 (152, 6). 3 Metaph. VI, 1 (123, 8).

Tieslogie, weil jene anf das‘ eijentfiche Peimeip, Geu, wide yuis gehen, ober genauer: bis zum eigentlichen Princip, Gott; mit jub 7 gehen, ben dieſe als Leiste ober End · Utſache hat. (Der erſtes Piligfe | Weird aber immer das hleiben, bafı ſie · die allgemeine Wiffenfäeft; te Wiffenſchaft ſchlechthin ift, die Philofopie im zoeiten Sium aber wit | unter ben Befonkern zwar bie Icpte umb hächfte, aber Tell mu ie | beſondere fan). | Dieſe Erklärungen Anger, ne ale. Alfa un ir fopfie überhaupt jagen lzunen, was Platon von ber Sepfrefime, ah | der ganzen unb vollfonimenen Beflunung, bie ja mar im-ber Pilefnfe | ift, gleichſam vorbildlich für dieſe gejagt hat: alle audern Wiffenjdufn | lab Bifenfeaften von anberem, aber nicht üprer ſelbſt, fir allein Bife | ſchaft ſowohl der andern Wiſſenſchaften als auch ührer ſelbſt. Bm | aber dieſes ſo benutzt würde, wie von einigem, oft aber mad) Keim | Hörenfagen gefchehen ift, jo würde, wie guet, Berasf folgen, def man | die Philoſophie nie anfangen fönne. \ Nachdem wir nun aber in ein- neues Stadium unferer Emtredeiug getreten, fo möge zu näherer geſchichtlicher Drientirung Folgendes bis. Kant wir führen gern alles, was nach ihm Bedentung in der Pe loſophie erlangt hat, auf ihn- zurüd, beum ihm mar es gegeben, ie ſtimmend für ben ganzen ferneren Berlauf der philofophifchen Bewegumg zu werben, er hatte ben Anfang einer Sache gemacht, bie zu Cake geführt werden mußte Sant alfo fühlte zuerfi, daß eine befiine Metaphyſil nicht jo unmittelbar ſich aufftellen laſſe, als man für mög lich gehalten hatte, daß eine Beurtheilung ver Möglichkeit vous gehen mäffe, diefe Unterſuchung aber nicht möglich fey ohne eine ale meine Unterſuchung des menſchlichen Wiffens überhaupt und des bemfelhen Möglihen und Erreichbaren. Diefe Unterfugung, fireng wiffeufchaftich geführt, wurde aber ſelbſt zur Wiſſenſchaft zur Wiſſenſchat det Wiſſens. Fichte, Kante unmittelbarer Nachfolger, Hatte feine andere Abſicht, als eben diefe, Kants Kritik des Erkenntnißvermögent, de

" Charmid. p. 168 C.

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zunächſt von bloßen Wahrnehmungen ausgegangen, auch fonft noch viel Zufällige in ihren Entwicklungen tarbot, dieſe zur Wiffenfchaft zu erheben. Damit war denn wie von felbft auch. die Meinung verbunden, daß dieſe Wiſſenſchaft, wenn erlangt, die Philoſophie jelbft ſeyn werde, welche Hiinftig ven althergebradhten Namen aufgeben und Wiffenfchafts- Iehre heißen follte. Bei Kant war dieß keineswegs fo entjchieden, daß die Philofophie gleichſam gar nicht felbft Wiſſenſchaft, fondern nur Wiſſenſchaft der andern Wiffenfchaften ſeyn folle, er jchien außer ver Kritik noch immer eine, nur durch diefelbe auf den rechten Standpunkt umd Weg gebrachte Metaphyſik übrig zu laffen'. Anders fchon feine in allem andern ſklaviſch folgenden Schüler; für dieſe war die Philo⸗ fophie in ber Kritik felbft enthalten. Fichte, damit ihm die Kritik Wiffenfhaft werde, bedurfte eine Principe. Hauptinhalt aber und bleibenbes Reſultat ver Kritik wär ihm ber Idealismus, ven fie ſchon durch die Analyſe der allgemeinen Anfhauungsformen (Raum und Zeit) begründet Batte, daß nämlich die Welt fo wie wir fie vorftellen aufer und gar nicht eriftive ımb eine bloße Erfcheinung in uns ſey. ‘Darin nun hatte Fichte ganz richtig gefehen, daß das Princip dieſes Idealismus im menjchlichen Ich ſey, im menſchlichen, doch darum nicht im empi- riihen, fondern im transſcendentalen Ich, in jener dem Begriff ober der Natur nady ewigen „Ihathandlung”, die das Wejen jedes einzelnen Ichs, und über jeves empirifche Bewußtſeyn hinausgehen und ihm zu Grunde liegend, in der That, wie er fagte, das nur nod zu Denkende iſt?. Dafür aljo, daß er vom bloß natürkichen Erkennen , das Kant noch immer zur Grundlage behalten Hatte, zuerft fi ganz emancipirt umd ben Gedanken der frei durch das bloße Denken bervorzubrin- genden Wiffenfhaft gefaßt, foll Fichte billig immer und vorzüglich gefeiert, und ber fpäteren Verwirrung, in bie er durch übel verfuchte Selbftverbefjerung gerathen, nicht gedacht werben. Nächſtdem nun aber, und nachdem das Ic als Princip der gefammten Erſcheinung aufgeftellt

' Bergl. die Vorrede zur zweiten Ausgabe der Kritik d. r. V., Hartenftein’fche Sammlung, ©. 29,

2 Grundlage ber Wiſſenſchaftslehre ©. 4. Echelling, fümmti. Werke. 2. Abtb 1. 24

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war, ward es zur umerläßlichen Forderung, das Ich, durch Abläcca der geſanunten Erſcheinungewelt aus- ihm, amd; durch die Thet a Vrincip zu erweifen. Das Ich ift Fichte zwar nicht Klo; Princip de Erſcheinungewelt, fondern, weil er der Dinge am ſich, bie Maut | Hatte ftehen Lafien, und damit jever Borausſetzung feines Ireafisms fich entledigt hatte, war ihm das Ich Princip überhaupt, das fih ak, follte wirkliche Wiſſenſchaft eniftchen, theils zur äuferen Erfäeium Rat), theils zum menfälichen Ich und deſſen eigner Weit jede ſtimmen mußte, die im ber Vorſtellung Gottes als. auerweitihe Wefens ihren Abſchluß und ihre Iepte Muße.fenb, Fichte überfeh ii mittelft ber Beſtimmung als Cubjeft-Objet ins Ich gelegte inmerh bewegende Princip, das er zu-einer vällig objectiven Darftellung bauten konnte, wie dieß nad ifm ein anderer gethan ', während er. mm ha Gortgang, ohne den feine Wifſenſchaft it, durch bloßz fuhjective, ice liche, bei allem Anſchein von Nothwendigkeit, den er ühnen zu gehe fucht, doch nur zufällige Reflerionen vermitteln mußte. So verfant cm Unternefmen, mit beffen Princip noch immer eine objektive Berentug verbunden fen Eonnte, durch bie Ausführung in völlige Eubjektistät, und fiel dadurch der vollfommenen wiſſenſchaftlichen Unfruchtbarteit am heim. 8 finbet ſich im der ganzen fernern Entwicklung aufer ver it Princips nicht Ein inhaltsvoller Gedanke, der fi auf Fichte yrik führen Tieße.

Indem ſich Fichte des Eingehens in bie Eiſcheinmngewet io lonnte er auch das Ich in feine eigene Erſcheinung, zu der es fich nämfih fortbeftimmte, nicht verfolgen, und es entging ihm, daß zu ber Wet biefes empirifchen, ſelbſt der Erſcheinung angehörigen Ichs, der Beyril eines über die Erſcheinung erhabenen, jenfeits derſelben ſtehenden, aber zum Abſchluß einer außerdem ziel-.umb enblofen Welt fehlechtertingt erforberlichen Weſens, der Gebanfe Gottes gehört? Fichte Femnte de

* Im Syſtem bes transfcenbentalen Idealiamue (1800), bas übrigens ſet wieber nur ale Uebergang unb Borlbang biente.

3 Mög ydp loraı edfıs ei eivog öveog didlov nal J nal piree; (umveränberfichen); Arist. Metapn. XI, 2.

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Thatfache leugnen, dieß war nicht wiffenfchaftlicher aber factifcher Atheismus. Belanntlih mar dieß der Punkt, an dem Fichtes Lehre fcheiterte; denn die äußern Folgen, die dieſer wiffenfchaftliche Schiffbruch für feine Berfon hatte, waren höchſt zufällig mit dieſem verknüpft. Die Deutumg, die er dem religiöfen Glauben zu geben fuchte, empörte Durch ihre Flachheit den allgemeinen Berftand weit mehr, als bie ‚Kedheit feines - Idealismus ihn zurückgeſtoßen hatte; ich fage jeines Idealismus, denn nicht eigentlich den kantiſchen lehrte er, fondern den, zu dem nad feiner und Fr. H. Jacobis noch früher geäußerter Meinung ' Kant, wenn er fich gleidy blieb, fortgehen mußte. .

Wurde num aber das Ich als abfolutes Princip der gemeinjchaftliche Mittelpunkt der äußern wie der innern, bis zu Gott fortgehenden Welt, fo war damit au der Grund aufgehoben, jenes abfolute Princip noch Ich zu nennen, das ja aud anfänglich nım als menſchliches eingeführt wer; an bie Stelle deſſelben mufite der abftracte, aber buch das, was wir früher bemerkt, verftänbliche Ausdruck: Indifferenz des Subjeftiven und Objektiven, treten, womit fidh der Sinn verband, daß in Einem umb bemfelben mit völlig gleicher Möglichkeit das Objekt (die äußere Belt des materiellen Seyns) nnd das Subjeft als foldhes (bie innere, bis zum bleibenden Subjekt, zu Gott führenve Welt) geſetzt und be griffen fe. Ä

Bekanntlich war dieß die Ausprudsweile des fogenannten abſo— luten Identitätsſyſtems, ein Name, ven librigens ber Urheber ſelbſt nur einmal gebraucht hat, nur, um es überhaupt und indbe- fondere von dem Fichteſchen zu umterfcheiven, welches der Natur gar fein ſelbſteignes Seyn gelafjen, ſondern fie zum bloßen Accidens bes menfchlichen Ichs gemacht hatte. Dagegen follte der Name ausbrüden, dag in jenem Ganzen Subjekt und Objekt. mit gleicher Selbftänbigfeit einander gegenüberftehen, das eine nur das ins Objekt binübergetretene (denn die Potenzen find je Subjelte), das andere nur das als foldes

! Man f. bie befannte Beilige zu befien David Hume, auf bie ſich aud Fichte öfters berufen.

gefegte Cubjeft fer. Abgeſehen von biefer mächften geſchiccige & ziehung iſt der Name zu allgemein, um etwas zu fagen. fi eb ab ein Ungläd zu nennen, daß feine befonbere Bezeichnung zu finden mır für ein Ganges, das eben feine beſondere Lehre aber Wiffenfhait, du nur allgemeine Wiffenfchaft feyn jollte, umd wäre nicht foger cine gm willürliche Bezeichnung noch immer einer falſchen worzugichen, wie hr ift, welche ſelbſt jest noch einige fid erlauben, die es bequem finden, jene Biffenfhaft die Naturphilofophie zw neunen, obgleich mu oft'genng erklärt hat, daß dieſe uur eine Seite won ihr ſey? Biellikt aber geficht bie fogar aus Nechgiebigteit gegen diejenigen, welſe wi jener Beyeichnung zu verftehen geben wollten, was fie in ihrer Er wahrſcheinlich ſelbſt glaubten: es ſey mit dem Ganzen etwas dem ke fannten Systöme de la Nature Aehnliches bezeichnet.

Seftehen wir indeß, daß der Grundgedanke, in Folge deſſen gie liches und außergöttliches Seyn wie in einem gemeinjdhaftlichen Aiyrst zu verſchwinden ſchien, wohl im Stande war, jede Art von wwifjenicheit: licher, zumal aber religiöfer Beſchränktheit gegen ſich aufzurufen, wi geben wir ferner zu, daß im ber erften Begeiſterung ber Aufteilung nicht alles geſchehen war, was geſchehen konnte, gehäffige Berrät: gungen obgumehren. Zu Biefem zähle ich elf nicht dem fo allgemeine und fo populär geworbenen Vorwurf bes Pantheismus, im nur das zu Grunde liegende Princip gemeint war. {Für biefes, dat ſchlechthin Abfolute, acceptiren wir fogar den Ausbrud, und behampt, daß er ihm allein vwoirflic zufomme. Dem z. B. in Spinne Be griff, der auch viefen Namen erhält, fehen wir wohl das Pan, wei er das Seyende hat, können aber barin nichts von. Theibmus jche, da ihm Gott nur das Geyenbe ift, nicht das was das Sehende ii Sol aber das Wort auch auf die Wifſenſchaft ſelbſt gehen, ſe lönnten wir insbefonbere denjenigen unter ben Beutigen Theologen, denen reiner Theismus (wie man jegt ſtatt des eheinaligen Deihuzt fagt) als der Gegenjag des Pantheisnus gilt, entgegen behaupten, dez gerabe bie aus jenem Princip bervorgehenbe Wifenfchaft auf dices 3 eine veinen Theiomus, auf den von allem anbern abgefonberten Get

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binausführt. Es ift in dem erften Theil dieſer Vorträge gezeigt worden, was im alten Teflament der Name bebeutet, nämlich eben den Gott in ber Abfonberung, in ber existentia separata, wie auch zum Theil ältere Theologen fi) ausgebrüdt haben,. nur daß es an dem rechten Sinn fehlte, „weil. nad) den angenommenen Begriffen das Wovon ber Abfonberung wicht wohl anzugeben war. Heiligen num aber bebeutet im Hebräifchen urſprünglich durchaus nichts anderes als abfondern, -wie aus dem zweiten Gebot erfichtlic ift: Du follſt ven Sabbath heiligen, d. 5. diefen Tag als einen von allen andern abgefonderten, nichts mit ihnen gemein babenven halten. Die Wiffenfchaft alfo, welche um nichts anderes bemüht ift, als alles Materielle und Potentielle, dg8 mit dem erften Begriff Gottes als des allgemeinen Wefens im unmittelbaren Denken gefegt ift, rein ab- ober auszufcheiden, damit er in feinem reinen Selbft erfennbar werde biefe Wiſſenſchaft wäre wohl im Gebier des Denkens die wahre Ausführung ımb Erfüllung der zweiten Bitte: Geheiligt werde ayıaod7ra = yuaodırm dein Name, Und es wäre daher einleuchtend, daß ein wiflenfchaftlicher Theismus jelbft im Princip Pantheismus vorausſetzt.

Aber au damit, wär’ e8 geltend gemacht worben, ließ ſich dem eigentlihen Irrthum nicht vorbeugen; es kam barauf an, in weldhem Sinn jene ganze Berfahren verftanden wurde: ob als eigentliche mir wollen fagen, ob als wiffende oder als bloß denkende Wiſſenſchaft.

Die ganze große Zurüſtung der kantiſchen Kritik hatte Einen letzten Zweck, die Frage zu beantworten, ob ſich die Exiſtenz Gottes beweiſen laſſe. Zu dem Ende hatte Kant alle die verſchiedenen Facultäten, die im Ganzen die menſchliche Vernunft ausmachen, zuſammengerufen und ins Verhör genommen, d. h. bie Unterſuchung war ganz ins Subjekt eingeſchloſſen. Durch das fogenannte Dentitätsſyſtem erhielt fie bie Wenbung ins Objektive. Die Frage war nicht, wie wir Gott zu erfennen vermögsn, fondern wie Gott an fi vom reinen Denken aus Objeft einer möglichen Erkenntniß werde. Nun. verlangen wir aber alle und zwar unmittelbar nach ber eigentlichen Wiſſenſchaft. Selbft Kants

Kritik hatte dieß nicht zurüdbrängen keunen, unb einen voramdgehete quverfichtlichen Glauben berfelben nur erhöht. "Wräß gemmg menge hatte ein ganz friſch von derfelben Hergelonmener vorausgejagt, aus bar Trümmern des durch den Kriticiömus miebergewerfemen werbe, m mi } herrlicher unb mächtiger als jener rationale, eim mener. Dogmatitui ſich erheben‘. Hierans (da; eigentliche Wiffenfchaft immer vom ter Gerne gewollt ift) erklärt ſich, daß jenes ftufenmweife Ansfdjeiten da Botentiellen fo allgemein als ver ‚Hergang bes wirklichen Werdent go nommen wurbe, Dieß vorausgeſetzt, da im ber Iubifferenz Gott ten eignen oder abgejonberten Sey nad) übrigens. nur potentid war m die Bewegung nicht in Gott fonbern das Seyende gelegt wurde, mr die Borftelling eines Procefies, in dem Gott ewiger Weife vermirliht werbe, und alles, was übel berichtete und fonft vielleicht micht zum Beim bedachte Menſchen (homines male feriati) weiter daraus gemadk hal ober hinzugefügt haben, nicht abzuhalten.

Aber die Wiſſenſchaft, welche nur. die legte Steigerung m de jeltive Vollendung ber die Möglichkeit ver Metaphyſfik unterſuchende Kritik war, tie offenbar auch nur kritiſche, infofern verneinende Bin ſchaft war, als fie ihren Zweck nur durch Ausſcheidung deſſen, wei nicht wirklich Princip ſeyn konnte, erreichte; die fo beſchaffene leuur fo wenig die Wiſſenſchaft ſelbſt ſeyn, als Kants Kritik die Metspiekl ſelbſt feyn konnte. Das durch fie erſt wirklich ein Princip Werden, konnte nicht in ihr felbft Princip, Princip wirklicher, poſitiver, br bauptenber Wiſſenſchaft fepn. Was fle dagegen wirfich gemefen, ji ihr eine Bebentung, durch bie ſte über alle beſondern Wiſſenſchaftea erhoben wirb.

Es wird um fo nöthiger feyn, fr wir ihre wahre Ratur cak führlicher darlegen, je mehr biefe verfannt, fie felbft mißverſtanden mb übel angewendet worden.

Es war die legte nothwendige Wirkung ver durth Kant eingelistn

' Man . bie Briefe Über Dogmatismus und Rriticiemus, wie

abgebrudt in Schellinge philoſophiſchen Schriften, I. Band (m biefer Gefemut- ausgabe Abth. 1, Band 1).

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Krifis, daß dem menſchlichen Geift eublih und zum erften Mal die rein rationale Wiffenfhaft errungen war, in ber nichts der Vernunft Fremdes Zutritt hatte, wie man in der ehemaligen Metaphufif noch bis auf die Wolffifche Zeit ein Kapitel de miraculis, ein andere de re- velatione finben konnte. Diefe Metaphyſik wollte rationaler Dogmatis- mus feyn, ihr Nationales konnte daher immer nur ein fubjeftive8 und zufälliges jeyn. An ihte Stelle trat das innerlich durchaus nothwendige Syſtem eine objeltiven Rationalismus, ber nicht von fubjeltiver Bernunft, der von der Vernunft ſelbſt erzeugt war. - Reine Ver⸗ nunftwiſſenſchaft ift fie fowohl vermöge vefien, woraus fie fchöpft, ale was in ihr das Schaffende ift. Denn in das Seyende ift bie Bewegung gelegt, das Seyende aber nur das, worin bie Vernunft fich gefaßt und materialifirt bat, bie unmittelbare Idea, db. h. gleihfam Figur und Geftalt der Vernunft ſelbſt. Alfo ift auch die in das Seyende gelegte Bewegung eine Bewegung der Vernunft, es ift fein Wille noch irgend etwas Zufälliges, wodurch fie beftimmt ift; Gott, ober das was bas Seyende ift, ift das Ziel der Bewegung, aber nicht das in ihr Wirkende oder Wollende; und es wird vielmehr um fo volllommener diefe Wiffen- fchaft ihren Begriff erfüllen, je ferner fie ſich das Ziel, d. h. Gott hält, je mehr fie beftrebt ift, alles fo weit nur möglich ohne Gott, in dieſem Sim, wie man zu. fagen pflegt, bloß natürlich oder vielmehr nad, rein logiſcher Notwendigkeit, zu begreifen. Denn es liegt in dem Seyenden, d. h. in der Vernunft, nicht bloß der Stoff, es ift ebenjo- . wohl das Geſetz ver Bewegimg in ihm vorherbeftimmt. Die Principe, bie in der Idee in dem Seyenden als bloß mögliche oder Po- tenzen find, waren im reinen Denken vie Hypotheſes oder Boraus- fegungen des an fi Wirklichen, jedes aber die unmittelbare Hypotheſis des ihm Folgenden, A vie Hypotheſis von + A, beibe zufammen bie Hypotheſis von + A: alle zulegt von dem, mas allein eigentlich Princip ift, dem rein Wirklichen, in dem nichts mehr von Möglichkeit. Diefes Verhältnig der Potenzen bringt mit fih, daß hier das Umge- kehrte der fonft getwohnten Ordnung gilt, daß nämlich das Voraus- gehende im Folgenden feine Wirklichkeit a gegen die es demnach bloße

Botenz ft‘. Dafjelbe Geſetz wird mm aber auch das der Wiffenjteit fen, die ja nur als wirklich und nur anseinanbergezogen ‚enthält, mt im unmittelberen Denfeit potentiell und implicite wor. Das Gt, das Ariſtoteles gelegenheitlich, da wo er hom den drei Ctufen der Et, der ernährenben, der empfinbenben, ber denfenben Seele, Handelt, ae ſprochen, das Geſetz: Immer befteht in dem Folgenden der Potenz md das Boransgehende?, dieſes Geſetz hatte beſouders bie Naturphileſerhe in größter Musbechumg und Cteigfeit ausgeführt; für Biefe üt a np aumeifen; bie ganz analoge Derftellung der idealen Seite ift-zum gro Naqhtheil der Sache von bem Urheber ſelbſt nicht veröffentlicht werke

er micht Bloß woraus fie ſchöpft, auch das -Schaffene Ne Viffenfaft ift vie Vernunft, daS reine, mer Über bas im wmmitke baren Denken Geſetzte hinausgehende Denken, und fie iſt darum, wir ſchon angebeutet, wicht eigentlich wiſſende, fondern deukende Wie ſchaft. Sie ſagt nit: das außergöttliche Seyn eriſtirt, ſonder: nar fo if es möglich, wo alſo immer ſtillſchweigend das Hypothetiſthe p Grunde liegt: wenn es exiſtirt, fo wird es nur auf dieſe Weile, ut nur ein ſolches ober ſolches fern Können. Im weitern Sinn nerat ma auch dieß von einer Sache a priori fpredien, ober fie a priori (tem Ser voraus) beftimmen. Inſofern and rein apriorifige Wiſſen ſchaft, wird fle.feyn jene Wiflenfchaft, die wir bie erfte genamt, wei fich das Denken unmitielbar in fie aufſchließt. ö

In allen biefen Beziehungen wird unter den philofophifcen beim: tiven Wiffenfcheften biefe erfle bie den demonfkrativen am mein fd näßernbe feym. Gie it ber Matfematit gleichartig ſchon dund) das I gemeine, was von letzterer Ariftoteles jagt, daß fie, was in einer Giger, 3 8. dem rechtwinkeligen Dreieck blof potentiß if}, wie das Berfältif der Süpolenufe zu ben Katheten, daß fie bie finbet, indem bie Da thätigfeit (6 sog dvapyijows) es zum Actus erhebt®, und baf fk

" oin all ei mäfv äivauıg. Plat. Bophist. 247 R

3 Mel ydp dv cP dpabjg indpzyu duvdu co mpdrepor. De Anim. D.3

* Gaupör örı ed dovdug, dvra dis dnippuav dvapduma algisure Metaph. IX, 9 (190. 2).

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auf folche Weile das ihr Zuftändige erkennt. Darin alfo find fich beide glei. ES verfteht ſich dabei von felbft, daß jenes Weberführen in Wirklichkeit doch nur im Denken gejchieht, und das Wirkliche ſtets nur das durch die Möglichkeit Beftimmte ift; der Sinn feines Sages in ber Geometrie ift, daß dem wirklich fo fey, fondern daß es nicht anders feyn könne, und das Dreied 3. B. nur fo möglich ift, woraus freilich folgt, daß es auch ſo ſeyn wird, wenn es iſt, aber keineswegs daß es iſt, was dabei vielmehr als ganz gleichgültig betrachtet wird.

Aber eben bier, wo das Verhältniß der erſten Wiſſenſchaft zu ben mathematifchen zur Sprache kommt, wird es nun auch nöthig feyn zu fagen, wie weit biefe Gleichheit geht, wie weit nicht. Wenn es fich mit der Mathematik fo verhält, wie wir eben gezeigt, daß fich die Geometrie z. B. nur mit dem möglichen, nicht mit dem wirklichen Dreieck befchäftigt, fo hat Ariftoteles mit Recht zwiſchen bloß potentieller und actueller Wiffenfchaft unterfchieven ', und es wirb die Mathematif unftreitig ganz unter den Begriff der erften fallen; von ber Philofophie aber, auch fofern wir fie auf vie erfte Wiffenichaft befchränfen, wird dieß nicht ebenfo unbedingt gelten können. Wer dieß behauptete, müßte ihr zugleich nehmen, was allein fie von der Mathematik unterfcheibet, die Ufia 2, oder daß fie nicht mit dem bloßen Seyenden ſich beichäftigt, fondern mit dem,. was das Seyende if. Die Mathematil Bat feine Uſia?, weber im Allgemeinen noch im Einzelnen. Nicht im All gemeinen: denn fie hat überhaupt Fein Ziel, ein Letztes, und fcheint keine gefchloffene, fondern eine ihrer Natur nad) grenzenlofe Wiffenfchaft

IH yap dmdenun Gonep xal 70 imisrasdar dırrov, av 10 uiv dvvdus ro 63 ävepysia. XI, 10 (289, 2 s8.). Die Stelle wird freilich feit Alerander . anders gefaßt, aber fo, daß das Gefagte einer kahlen Ausflucht ähnlicher fieht, als einer beftimmten Erklärung. Außerdem folgt dieſe Unterfcheibung bes poten- tiellen unb bes actuellen Wiffen® (XIII, 3, p. 265) ber früheren bes bloß hyliſchen unb bes wirklichen Seyne (f. die Stelle in ber fechzehnten Borlefung), und letztere hatte Ariftotele® aufgeftellt, um zu zeigen, in welchem Sinn zu fagen fen, daß auch ber Geometer fih mit Seyendem befchäftige.

2 avampıda nv ovdiar. All, 10 (287, 26).

° f. ben Anfang ber breigehnten Vorleſung.

au ſeyn, ein Mangel, deu fehen Proffos eingefehen zu fake fit ab auf feine Weife zu Heben ſucht. Nicht im Gingelien: fie Kat kein Diefes (fein r6de rı), fie beſchäftigt ſich nicht mit iefem Dreit fonbern mit dem allgemeinen. Iſt alfo auch die erfte Wifjenfcaft Ni wit dem Möglichen befchäftigt, fo fan dieſe Gleichheit mur eine jermik ſeyn und nicht auf ben Inhalt ſich erfireden. Der Grund it, dej der Kreis des Möglichen für die erfte Wiſſenſchaft ein anderer und.m gleid, größerer ift als für die Mathematik; denn in dem, was ber ee zu Grunde liegt, ift nicht bloß das Seyende, Hyliſche (vie Matte matit ift ganz in diefem), ſoudern auch das was das Seyende ifi gehört mit zur Potenz. Die Subftanz im höchſten Sinne, bie, vel fle in nichts anderes übergehen Fan (bemm es iſt im ihr nichts ven Bloßen Vermögen), als die reine Wirflichfeit ſtehen bleibt, tritt demss aus ber Indifferenz nur als legte Möglichkeit hervor; und wenn ſerſ

> außer biefer im ber Indifferenz etwas war, das bie Natur ber Ufe teilt, wird and) dieſes aus der. Inifferenz erſt als Wirklichkeit ker vortreten, b. h. es war in ber Indifferenz als Blofe Möglichkeit. Un welchem Stoff vie Mathematik ſchöpfe, ift Bier nicht zu umterfade:; aber woraus die Philofophie, das war uns fon ‚unabhängig von ter gegenwärtigen Frage beftimmt.

Bäre die Wiſſenſchaft Wiffenfhaft des blohen Seyenben, & } des ſchlechthin Allgemeinen, oder der Idee, wie fie jetst ſagen, eier ſonderlich zu wifen, was fie fagen, fo könnte fie mie über das potentick Biffen hinausfommen, ‚um actwellen Wiſſen gelangen; dem dab zu Grund Liegende, bie Materie alles Allgemeinen ift Dynamis, Po tenz '. Dennoch fagt Ariſtoteles und bleibt dabei: die Wiſſenſchaft R im Allgemeinen, vom Imbivibuellen ift feine Wiffenſchaft. Es # diefer Grundſatz, durch den er ſich in große Schwierigkeiten vermiddt flieht. Diefen Grundſatz angenommen, wie könnte es eine Wille ſchaft der Principe geben, ohne daß diefe universalia ſeyn mäßte?

!M öivanıs ög üAn vov xaddäoo., KINN, 10. 3 H dmsejun cöv nadokov. Ibidem.

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Unmöglic aber iſt, daß irgend etwas, das allgemein geſagt wird, für fih Seyendes, Subftanz fey '; wie könnte man alfo noch ammehmen, - was Doc im Begriffe des Principe liegt, daß es felbftfenender Natur fey ? Entweder aljo find die Principe nicht Objelt der Wiſſenſchaft (oUx Erıornrd), over fie können nicht für fich beſtehende Subjelte fegn*?. In der That haben wir gefehen, daß fie die Natur des All gemeinen nur ald Attribute annehmen, wozu fie im reinen Denfen *, und wozu fie im Proceß ber erften Wiſſenſchaft ebenfo wieder, nur jet real, berabgejegt werben, nachdem fie behufs biefer wieder zu Sub- jeften (zu wirklichen Principen) erhoben worben. Wäre aber der Grund- fat, daß die Wiffenfchaft im Allgemeinen ift, unbebingt zu nehmen, fo müßte entweder nicht wahr ſeyn: meod ovolasn Yewola? (um das Selbſtſeyende ift e8 zu tbun), und würde vielmehr alles Selbſtſeyende ver- fhwinden *, ober wenn irgend ein Wiffen übrig bliebe, wenigftens wiffenfchaftlic könnte es nicht feyn; e8 wäre etwa wie das, was in Bezug auf das höchſte Selbftjenenve (Gott) einigen ber Unfern allein mõglich fchien, Gefühl, Ahndung oder dergleichen.

Auf diefe fchweren Bedenken antwortet Ariftoteles: auf eine Weiſe fey die Wiſſenſchaft im Allgemeinen, auf eine andere nicht ”; auf welde Weife fie aber im Allgemeinen fen, auf welche nicht, dieß überläßt ex feinen Leſern ſelbſt zu finben, läßt aber zugleich wenigſtens zu, daß es eine Wiſſenſchaft der Uſia gebe.

'Adiwarov oisiav alvam orıouv röv nadolov Asyondvan. Metaph. VII, 13 (155, 25).

2 Hape yeı & daroplav kal 70 zädav ydv dmoriun slvar röv nadolov xal cov raovdl, Tv Ö oidiav un röv radoAov elvar, pallov dd rode vi nal zapıdcov hbor si meol Tas apyas ddcıw dmıdenun, nösg dei ev apyıv wolaßstv ovdiay elvau; XI, 2 (216, 5).

To ds iv dmsanunv alas xad0lov näd av, ösre avaynalov elvaı nal rag röv ovrem dpyas xudolov alvar xal un ousias xeyopıdusvas, iya niv ualıöd anoplav. XIII, 10 (288, 28).

* in ber vierzehnten Borlefung.

® Anfang des XII. Buchs der Metaphyſik.

oin Äiöraı ywpıcrov ouFlv oud’ oidia. XII. extr.

? "Eorı niv ag dnıdenun nadolov, dorı d' ©; ov. Ibidem.

Es ift dieß einer der Fälle, wo man bertlich fleht, wie viel fh La ſtoteles vorbehalten, und wie wenig er in feiner Wietapbufll alles gig glaubte. Über gerade durch biefe oft endlos feheimen Elumenben Hp (Zweifel- oder Schwierigleit6-Erörterungen) iſt bie Meitaphaſtt das fan bud} aller Zeiten geworben, umb eb fall feiner je auf Erfolg ef, I nicht bie verborgenen Klippen ber metaphuftichen Forſchung durch Ariſtecia oder durch Selbftergrünbung kennen gelernt hat, denn ich glaube nicht, 1a} ohne eigene Erfahrung Ariftoteles burchgängig verftanben merben Kia.

Es hätte wohl wenig Anziehendes über bie moraliſchen Ede des Ariftoteles nur wieder einen Moraliften, over über feine Rhewi mr wieder einen Lehrer biefer Kunft reden zu hören; großes Suierek aber, über jene einen gewaltig praktiſchen Mann, über biefe ein mädhtigen Redner urtheilen zu hören. In der Philoſophie aber ſprich er felbft aus der reichten Erfahrung; darin vornämlich befteht fein viel beſprochener Empiriemus.

Ich. weiß nidt, ob er zur erften Srfinbung begeiſtem tote; aber wenn dem Trieb berfelben Genüge gefchehen, dann ift es Zei, ihn zu Rathe zu ziehen. Der befte Verlauf eines ver Philofophie ge weihten Lebens möchte jeyn, mit Platon anzufangen, mit Ariftoteles zu enden. Scheint e8 hiernach, daß ich mir wenig verfpreche won dem, ber das Umgekehrte verfucht: fo bin ich deſto entfchievener überzengt, vak derjenige nichts Dauerhaftes fchaffen wird, der ſich nicht mit Arie teles verftändigt und deſſen Erörterungen als Schleifftein feiner eigen Begriffe benugt bat. Platon und Ariftoteles find felbft erſt zuſammen ein Ganzes; die Metaphyſik ein Gewebe, deſſen Aufzugsfären tem Platon gehören: in ber That, was wäre fie ohne die platonifde Grund lage? Die Zeit ber: erften Begeifterung und ſchöpferiſchen Protuctien ift mit Ariſtoteles vorüber, wegen jeines Verhältniſſes zu Platon muß man bie Kluft in Betracht ziehen, die fi, des geringen Unterſchiedet ber Lebenszeit beiver Männer ohnerachtet, dennoch bereits zwiſchen dem Zeitalter des einen und des andern aufgethan hatte. Denn unglaublich ſchnell war ber Verlauf des griechifhen Lebens, In Platon erreicht reine hellenifche Wiffenfchaft ihren höchſten Blüthenſtand. So bed

zu Uleranders -Beit noch die Sonne der Kunſt über Griechenland fteht, Dennoch bat fie den Mittagspunkt überſchritten und neigt ſich dem Untergang zu. Mit ibm tritt deutlicher und entjchievener die ım- erbittliche Nothwendigkeit hervor, welche will, daß die Beſonderheit des griechifchen Volt feiner Weltbeftiimmung zum Opfer falle, und and Hriftoteles, jenem Zug folgend, mußte an der Zerſtörung bes Specifiſchen der griechiſchen Philofophie arbeiten. Eine Erfcheinung wie Platon konnte, wie das Höchſte in griechiſcher Kunft und Boefle, nur Moment feyn, wie er felbft auch jenen Gipfel der Wiffenfchaft, wie er begeiftert ihn nennt, nur an Einer Stelle und wie im Flug berührt bat.

May hat Platon oft den Dichter unter den Philofophen genannt, nicht mit Unrecht, denn die Poefie geht voraus, fie ſchafft die Sprache, die zuvor nur ein elementarifches.Seyn bat und gleichſam nur geftammelt wird, wie Ariftoteles von den erften Philofophen fagt, daß fie nur ftammelten;. die bloß menfchliher Nothburft diente, wird burd ben Dichter zum Werkzeug des freien Geiftes, zur Sprache der Götter, der über gemeines Bedürfniß erhabenen Weſen, er lehrt fie höhere Weiſen, fühneren Schwung; der Poeſie folgt die Grammatik, welche die goldene unter dem Sonnenſchein des Himmels und dem befruchtenden Einfluß der. Nacht herangewachfene Frucht in die Scheunen fammelt und zum allgemeinen Gebrauch verarbeitet. Es gejchieht dem Ariſtoteles, den Brandis mit treffendem Echarffinn den YeAoAoyıxorezov unter allen Bhilofophen, fo viel Diefer waren, genannt hat, gewiß Fein Unrecht, wenn man ihm zu Platon das Verhältniß des Grammatilerd zu dem Dichter gibt. Goethe fagt in einer Stelle feiner Barbenlehre: Platon erſcheint der Welt wie ein feliger Geift, ver fich herabläßt, einige Zeit bei ihr zu berbergen. Das Schönfte und Größte im Platon erjcheint wie eine be- feligende Viſion, bie ihm zu Theil geworben, wie denn das ihm felbft fo beventungsvolle Wort deEx auch Geficht beveutet. Aber fo natür⸗ lich es ift, daß gewiffe höhere Regionen zuerft beſonders dazu begabten Raturen fi aufjchließen, ebenfo ift e8 dem Gang der Gejchichte gemäß, daß diefe Abhängigkeit nicht fortvaure, daß Mittel und Wege

allgemeiner wub unbehingter Buplngfüdfeit. für . jene gefmben mh mäflen. Es ift (man kam es nicht verfeumen) im Vriſteteles ui Wibderwilliges gegen Platon, aber biefe Autipathie iſt ihm feine yafle liche, fie if} der Drang feiner Veflimmung, bie Ziffenfeft fie aller Eigenheit zur allgemeinverflänbfidien, zum Gemeingut zu male. Den Ariftoteles befriebigt nicht, was nur amögezeichuete Gelfter ish ober fich zueiguen konnten; er fucht was allen ober doch ben meihe einleucdhtet, was jebe Zeit, was Menfchen jedes Landes uub Belt annehmen und brauchen Eönnen. Wit Leivenfchaft verfolgt er jeen Auswuchs oder was ihm fo fcheint; befeelt von dent ihm eigenen Eier für Reinhaltung des Haufes, das ihm zur Verwaltung anvertraut #, führt er zerſtörend durch bie platoniſche Ideenlehre, als wäre fie Eye nenwebe. Mit ihm, den bie thrafifche Luft feines Geburtslandes fe griechifcher Weichheit eutwöhnt, während fie ihm den angebernen griech ſchen Geift geſcharft hat, geht bie frühere Zeit bes Schaffens ımb {m vorbringend in das Zeitalter der Kritil, der Literatur, ver Gelchriuw feit über, und wie Alerander für alle Zeiten den Ramen ihres Stiftert verfündet, jo hat die aleranprinifhe Epoche ven Ariftoteles zu ihrem erften, umfichtbaren Haupte. Groß war in allen Zeitaltern Platon Wirfung, der eigentliche Lehrer tes Morgen= wie des Abendlandes war Ariftoteles.

Man verfteht den Ariftoteles nicht, wenn man bei ihm ftehen bleitt Man muß auch wiffen, was er nicht fagt, und felbft muß mu te Wege gewandelt haben, die er wandelt, die Schwierigkeiten, wit denen er kämpft, ven ganzen Proceß, ben er durchlaufen, durchempfunden haben, um zu verftehen, was er fagt. Ein bloß Hiftorifches Wiffen ift in Bezez auf feinen Philofophen weniger als auf Ariftoteles möglich. Es erklärt fd wohl mit daraus, daß, was auch in neuerer Zeit in Deutſchland für Arr ſtoteles geſchehen (im Ganzen durch die Ausgabe der Berliner Aladene, dann durch ſchätzbare Arbeiten über einzelne feiner Werke), doch für te Philofophie felbft bei uns jo wenig Frucht zu fehen ift, umb z. B. nicht antiariftotelifcher fich denken läßt, als bie Lehre, die ſich nenerlih om meiften des Ariftoteles berühmte. Bei aller Anerlennung bes Geleifietes

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will ich jedoch bemerken, daß allerdings mehr als bis jetzt geſchehen Bunte, um das Hauptbuch, das ich natürlich hier immer vor Augen babe, dem Philoſophen von PBrofeffion zugänglicher zu machen, von dem man freilich wohl verlangen kann, daß er nicht Pythagoräer fchreibe, oder wenn er etwa für gut findet des Pallas-Tempeld in Athen zu erwähnen, nicht das Parthenon ſage (wiewohl ich dieſes grammatiſch rein Unmögliche felbft bei einigen namhaften Thilologen gefehen habe), aber dem doch nicht zuzumuthen ift, einem dem Inhalt nach fchwierigen Text gegenüber auch noch die Mühe des Grammatikers und Kritifers zu übernehmen. Selbft was man einen fortlaufenden Kommentar nennt würbe hier nicht genügen. Deun von dem vielen Ballaft, ven ein fol- her meift mit ſich führt und ver für ben Philofophen ganz überflüffig ift, nichts zu fagen: wer hätte nicht die Erfahrung gemacht, wie oft auch folde Commentare gerade da, wo ihre Hülfe am meiften erwänjcht wäre, uns verlafien, und felbft an Befchönigungen fehlt e8 dann nicht immer: man will ven Lejern, zumal ber lieben Jugend das eigene Denken nicht erjparen; aber die Welt liegt im Argen, und es gibt Autoren, bei denen fie von dem Ausleger jelbft zuerft ven Beweis er- wartet, daß ihm Gedankengang und Zufammenhang nicht unverftänlich geblieben '.

Es ſey mir erlaubt, bei diefer Veranlaffung erſt einen allgemeinen Wunſch auszuſprechen, ven man eine Schwachheit nennen mag, den ich aber, der großen Hochachtung, die ih für das Verdienſt ſoviel möglich gereinigter und mit biplomatifcher Sorgfalt berichtigter Texte griechifcher Autoren empfinde, unbeſchadet, doch nicht unterbrüden kann: e8 möchte nämlich die gute Sitte älterer Editoren, griechiſchen Originalen latei⸗ nifche (ver allgemeineren Brauchbarkeit halber auch jetzt vorzuziehende)

Es follte fi wohl von ſelbſt verftehen, doch wird es nicht ganz überflüffig ſeyn zu bemerken, Daß obige Stelle eine gute Zeit eher niebergefchrieben worden, als der Kommentar von Bonik erjchien, in. Bezug auf ben, foweit mir ihn zu bemigen möglich geweſen, von bem oben Geäußerten bloß gelten kann, was von der Unzulänglichkeit jedes Commentars bei dieſem beſondern Werl, ber Arifo- telifchen Metaphyſik, gefagt worden.

Ucberfegungen beizugeben, ‚nicht fo gamz in Wbnahme gekommen jem. 34 hege biefen Wunſch, weil ich mir vorftelle, daß ſcheu bei ber (eig | des Zertes die Nothiwenbigkeit der beizuflgenden Ueberſetzung zutecla einen heilſamen Einfluß ausüben dürfte. Die ältern Ausgaben hefa wohl noch jegt dazu, daß die Griechen allgemeiner geleſen werben, mb daß night eine Menge von Gelehrten, bie, ohne eigentliche Philelegea ſern, griechiſche Schriftfteller zu leſen veranlaßt find, durch zufülig, mit Hülfe einer beigegebenen Ueberfegung ſchuell überwindliche Schwierig keiten umnöthig aufgehalten werden. Denn es wird trotz alle dr fchläge, ſtatt des Lateiniſchen zuerft das Griechiſche lernen zu lafie, dabei bleiben, daß wir jo ziemlich alle leichter Lateiniſch als Griehüh leſen. Was aber nun zumal die Metaphyſik des Ariſtoteles betrifft, g nügend allein und alle erwähnte Uebelſtände beſeitigend wäre, mens Erachtens, - dem berichtigten und nur von ben nothwenbigften Fritücen und grammatiſchen Rechtfertigungen begleiteter Tert gegenüber eine vol⸗ fändige, ja id ſcheue mich nicht es zu fagen eine paraphrafiikt, zu vollfommener Darlegung des Sinns und Herausarbeitung des it verborgenen Zuſammenhangs unentbehrliche Ueberfegung in veutihe Sprade ', damit wir dem Griechiſchen nicht die wörtlich, fondern de dem Sinn nad) entſprechenden Ausprüde ber uns geläufigen philoſopbi ſchen Sprache gegenüberftellen, wie ich felbft in ver legten Borldun einige Proben folder Ueberfegung gegeben. Ob «8 mir gelungen, die Hauptbegriffe der ariftotelifchen Metaphyſik dem heutigen Berftäntnif näher zu bringen, mögen Kenner entſcheiden. Wünfchen aber mödtt man eine ſolche Bearbeitung für Philofophen, die es find, damit ihnen nicht zugemuthet ſey, was nicht ihres Amtes ift, für ſolche, die Phile fopgen ſeyn wollen, bamit ihnen Begriffe, die bei Ariftoteles vie ale zuſammenhaltenden find, wie Boten; und Actus, relativ nidt

* Eine paraphraſtiſche Ueberſetzung ins ateinifche ift befannt (Paraphrasis iv quatuor libros Aristotelis de prima Philosophie, Joh. Scayro auchre. Rom. 1587); doch möchten bie Annotationes mehr werth fen, als bie Fur phraſe.

Seyendes oder bloß materiell Seyendes, ober Unterſcheidungen wie die zwifchen dem Wa 8 und dem Daß ber Dinge, wo fie biefelben etwa bei einem Neueren antreffen, nicht wie böhmifche Dörfer vor- Jommen. Ein entfchievener Yortichritt der philöfophifchen Einficht wird freilich einer ſolchen Bearbeitung vorausgehen müfjen, ver e8 unmöglich macht, daß irgend eine oberflädhliche Anficht, wenn auch nur vorüber- gehend, dem Ariſtoteles ſich aufdringe.

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Schelling, fämmtl. Werte 2. Abtb. 1. 2

Siebzehnte vorleſung

Wir find jet weit genug vorgerädt, um auf das zurädjuiche, was und zu biefer, von Schritt zu Schritt immer weiter verpmeigtn Unterfuhung veranfaft und Bis zu dem Begriff der erften iffenjäet geführt Hat. Obliegen wird ums mum zu ermitteln, wie dieſe vein raie nale Philofophie (denn als eine ſolche ftellte fie fich ums dar) zu de philoſophiſchen Religion, zu jener Religion des Geiſtes ſich verhaik um die es uns zu thun war. Allein es wirb ımmöglich ſern, Dei A zeigen, ohne zuvor Ausgang, Berfauf und Ende jener Wiffenfäat weit ſtens in den Hauptumriffen bargeftellt zu haben. Denn wir kennen diit Wiſſenſchaft Bis jegt ſelbſt nur gleichſam ‘a priori, nicht durch Erf rung. Vieles aber zeigt ih erft in der Ausführung, mandyes eufüht fi nur dem wirklichen Berfud), wovon vorans fein Begriff zu gehe war. 8 muß verfucht und erfahren werben: gilt auch bei biefer, wan gleich aprioriſchen Wiſſenſchaft

Das Princip, das im reinen Denken nur fo If, daß ed ii Seyende ift, und inwiefern es dieſes if, fol uns von bemfeiben fri und für fid) ſeyn, zu dieſem Ende ſoli alle Möglichkeit, die in ven Seyenden verborgen ift, offenbar, ins Wirkliche geführt und baberh vom Princip ausgeſchieden werben. Dieß bie Forderung. Zuerſt ma werben wir genauer zufehen müffen, was uns als Materie til Proceffes gegeben ift. Tiefe Unterfuhung wird mur Vorbereitung, um das Borfpiel der Wiſſenſchaft felbft ſehn können. Die gegebene Materie nun ift im Allgemeinen das Seyende. Aber das Seyende ift wicht el foldhes das wirflic werben Röunende. Als ſolches If es bio in der

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göttlichen Einheit und ift reine Idee, e8 verſchwindet, fowie es außer dem Actus des göttlichen Seyns gedacht wird. Die Principe aber, die ſeine Materie ſind; bleiben.

Die Principe aber, deren innerſtes Weſen bloße Möglichkeit, er⸗ langen eben damit, daß zu dem Seyn erhoben, das nicht das ihrige, aber doch ein Seyn iſt, gerade dadurch erlangen ſie die Fähigkeit, außer viefen Seyn, das nicht das ihre iſt, geſetzt zu werden, und ein anderes anzunehmen, welches das ihre iſt.

. Da fie aber unter ſich in dem Verhältniß ſtehen, daß eines dem andern Stüge, Grund (nicht Urſache) feiner Möglichkeit ift, fo wird die ihnen gegebene Möglichkeit des andern Seyns (wir wollen bei bie fem hinlänglich erklärten Ausbrud bleiben): e8 wird dieſe Möglichkeit nicht für alle eine unmittelbare ſeyn, ſondern nur für das, welches allen andern zu Grunde liegt, allen andern Borausfegung und Subjelt (im. viefem Sinn) und an ſich Können ift (den andern ift das Können ge- geben von ihm) tiefes aljo wird das unmittelbar übergehen Kön- nenbe ſeyn und bie andern erft fich nadziehen in das andere Seyn.

Als wir zuerft von Diefer alles anfangenven Potenz fprachen, ge⸗ hörte fie zu der fünftigen, noch bloß in Gedanken vorhandenen Materie bes göttlichen Exriſtirens; nachdem fie des Seyns, nicht des eigenen, aber des- göttlichen, theilhaft geworben, ift ihr das eigene zur Möglichkeit geworben‘. Auf dem Standpunkt ber bloß hie Möglichkeit unterfuchen- den Wiſſenſchaft genügt dem Denken auch die bloße Möglichkeit, daß jene Potenz aus dem relativen Nichtfenn bervortrete; wir werben nicht

» eher ben Inhalt der legten Etelle findet fi im philofophifchen Tagebuch (Kalenb. 1853) des fel. Verfaffers noch folgende Erklärung:

—A+ALtrA find nur das nit Wirkliche, aber nicht das nicht Seyende; fie find nit own ovra, fondern bloß un ovra. Denn e8 ift eine paffive Möglichkeit in ihnen, oyra zu werden. Cie erhalten Wirklichkeit (durch AP), aber nur als theilnehmend an ber Wirklichkeit, an A°, nicht als ſelbſtwirlliche, während fie vor im bloßen Denken als felbfifeyend gebacht, freilich nur Botenzen waren. Damit aber (daf fie Wirklichteit durch erhalten) ift ihnen wieder eine Möglichleit gegeben, zu felbftwirklichen zu werben (eine eigne Wirk⸗ fichkeit anzunehmen). Eo ift ihnen aljo die Eelbftwirklichkeit vermittelt. D. 9.

in dem dall ſeyn amszufpreden, da fie ſich erhebe, ud bi ak wirft) heſchehen (im diefem Sim als Hypotßefe) anmepmu. Be allein Erffärung verlangt, ift das Wie, die Met ud Weife da Ike ange. - #

De bie Potenz gegen das eigene Sei ſich als reines Kinncı Hält, alles bloße Können aber nichts anderes ift ala eim ruhendes Bollen, fo wird es ein Wolle fe, im dem bie Pole fih m hebt, und ber Uebergaug Fein anderer, als dem eim jeber in fidh ji wahrnimmt, wenn er vom Nichtwollenzum Wollen übergeht, u d finbet der alte Sa‘ wieder feine Stelle: das Urfeym ift Wollen, Weln nicht Boß der Anfang, fordern auch ber Inhalt des exftem, ctjckr den Serus.

Im der That, betrachten wir jenes erfte aus der Gelbiterhehm der Potenz Hervorgegangene, wie wird es fich barftellen? Ws | &biordnesov im eigentlichften Sinn, als ein außer ſich Geiettd, das ſich felbft verloren hat, als ein feiner ſelbſt wicht mehr mägtige) Seyn, weil es der Macht (Potenz), die es war, entjegt ift, em me der Menfc in ımbändigem Wollen die Macht des Wollens, ven Bil ſelbſt verwirkt: erfcheinen alfo wird es als ein willenlofes Wollen, mi, weil ihm das Können als Schranle · des Sehus gejegt war, als rad aller Schranke Getretene, an ſich Orenz- und Beftimmungstofe, aljo gun gleich, dem pythagoriſchen und platoniſchen Unendlichen (dmepor), del freilich in der Erſcheinung nicht anzutreffen; denn alles Senn, tut u biefer ſich findet, ift ſchon wieder ein in Schranken gefaßte und be geiffliches; indeß enthält die Erſcheinung felbft Anzeichen, daß allm Seyn ein an ſich ſchrankenloſes, der Form und Regel wiverſtrebender zu Grunde liegt. Diefes feiner ſelbſt ohnmächtige, alſo für ſich eigen lich nicht ſeyn könnende Senn wird dennoch der Grund und Anfang for alles Wertens, ‚und in ariſtoteliſcher Ausdrucksweiſe die erſte, nämlıh materiale Urſache alles Entftehenden ?.

* Philofophijcge Unterfuhungen über das Weſen ber menfchlichen Freihei (PR

loſophiſche Schriften, Band I), S. 468. ? Daß nicht etwa bei bem obigen dirdueron ein eifriger Bejer bes Bas

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Denn vorerft auf das Kapitel ver Urſach en beſchränkt ſich unfere gegenwärtige Unterfuhung, womit allein freilich noch nichts Wirkliches gegeben ift. Aber die Principe in Wirklichkeit übergeführt, werben da⸗ mit erſt eigentlich zu Urfadyen, tie bis jet ‚erflärte ift aber nur bie erfte, alle andern nach ſich ziehende. Denn bie jetzt ſelbſt⸗ und macht⸗ fofe Potenz fie war auch in der Idee nicht für ſich, ſondern das Unterworfene (subjectum) und Untergeordnete einer höheren, des rein ſeyenden (+ A), und es war dieſes ihr ſelbſt die Stufe, alſo der Weg zum Princip, d. h. zum Seyn, wie fie umgefehrt dieſem Grund ber Möglichkeit - war. - Denn wir fagten, fie ſey tem reis jeyenden das Können. Aber das war von ihr nur geredet, fofern fie bloßes Können (reines A) ift. Indem fie alſo in das Senn fich erhebt, ift fie jenem vielmehr das Nichtfönnen, d. h. fie negirt es; das umverfehene Seyn wirkt aufbebend auf das rein ſeyende, aufhebenv in dem doppelten Sinn des beutjchen wie des Inteinifchen Worts (tollere). Das Seyn des rein feyenven ift ein rein aus-, nicht auf fich ſelbſt zurüdgehenves, auf dieſes wirft das Senn, das zuvor nicht war, hemmend, aber eben bamit wird jenes in ſich felbft zurückgetrieben; das rein feyende bekommt eine Negation, d. h. eine Potenz, ein Selbft in fi, das zuvor jelbftlofe wirn ſich jelbit gegeben, ex actu puro, das es war, in potentiam - gefegt, fo daß jet beide Elemente gleichſam vie Rollen getaujcht haben, was in ber Idee negativ war, pofitiv, was pofitiv, negativ ge⸗ worten ft.

Aber eben dieſe Erhöhung in Selbftheit. wird ‚dem feiner Natur nach felbftlofen unleidlih, und e8 wird darum, wenn e8 zum Proceß kommt, nicht frei ſeyn zu wirken oder nicht zu wirken, ſondern wirken müſſen, wirken, um fi in den reinen Actus wiederherzuftellen, und da bieß nicht gefchehen kann, ohne die entftehenve, gegen die urjprüngliche

hieher beziehe, was im Timaeus ſteht (p. 50 B.): ax yao rg days TOnapd- aav om £fidraraı Övvauso;. Denn wovon bier bie Rebe, ift bereits bie advra Seyousvn Ypisıg, und ihre duvamıs ift bie, fortwährend alles aufzu- nehmen, ohne je jelbft einer dieſer Formen zu verfallen und ausſchließend gegen die andern zu werben.

Natur wirkend geworbene Potenz zu Aberwinden um in ühe wie liches Nichts zurüczuführen, jo wird dieſes Princip als zwe ite lach mit Rotfiwenbigleit dahin wirken, das aufer’ ſich Gefete in fih iR yerätjubeingen, nicht anbers alß wie eine plöglidh erregte Begine à uns durch einen Höheren Willen wieber · unwirtfam gemacht, is Rift fen zurüchgeführt werben lauu.

Wir haben angenommen, das ins Seym erhobene wicht Seyeate (— A) wirle ausſchließend auf das rein feyende (4- A), dat feinerkit auch wicht bleiben lann was es ift, fondern eine Negation im ſich belemmt: fo aber (in ber gegenfeitigen Spanmumg) werben fie auch bem Dritten | (EA), von vem wir fagten, daß e8 das im Syn nicht feyenbe (Beten) und im wicht Senn feyenbe ift, auch biefem werben fie micht mehr &4 und Thron ſeyn, wie im ber bee, ſondern auch dieſes wird amp | ſchloſſen, und das am meiften in tie Ferne gerüdte, umb wenn eb zu Wieverherſtellung des urfprünglichen Seyns kommt, das fette wie a das Seyn, eintretenbe feyn. Denn es lann auch felbft nichts dazu ten und Überhaupt nicht eigentlich wirkende Urſache feyn; viefe iR m das rein ſeyende, welches durch Ueberwindung des ausſchließenden Semi ) dem Dritten die Wiederherſtellung in das Seyn vermittelt. Im Sc wirten wäre es das ebeufalls außer ſich gefegte; aber es ift chem de nie und nimmer ſich felbft verlieren Könnende, das ewig beſonnene ms bei fich ſelbſt Bleibende, und kann daher nur wirken, wie aud vie Erb urſache wirft.

Sie jehen: es ift auf ein Eeyn abgehen, das nicht wieder ein fach das erſte, daS in ber Free ift, fontern zwar dem Smhalt uah dieſes, aber das durch Zertrennung und Widerſpruch vermittelte un ad diefe Weife verwirklichte erſte. Insbefondere wird bie erſte Potenz, ım die ſich alles bewegt (denn fie ift Die ausgehende mb bie wiehereingehentt: eine andere ſeyn, als fie in der Idee war, nicht mehr blog das an ſich, fondern, al in ſich ſelbſt zurüdgebrachte, das für ſich ſcherde, das ſich ſelbſt Beſitende. Aber zwiſchen ben beiden Endpunkten br urſprunglichen und der wicherhergeſteltten Einheit liegt, eutfprefet den verſchiedenen möglichen Stegen ber Urſachen gegeneinanber, 3

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unerjchöpfliche Möglichkeit von Geftaltungen des reinen Seyenven, von denen wir boch nicht fagen können, ob fie wirklich ſeyn werben, aber die wir doch umferer Aufgabe gemäß als Möglichkeiten unterſcheiden müſſen.

Die drei Urſachen ſind die erſten, die reinen Möglichkeiten, von denen jene zwiſchen Anfang und Ende liegenden concreten Möglid;- feiten ſich ableiten. Auch fie jelbft unter fi verhalten fich als Anfang, Mittel und Ende. Der Anfang, das Nähfte an der Pforte in das Senn, ift das unmittelbar Seynkönnende, das feiner Natur nach reines Seynkönnen ift. Ihm folgt das von Natur rein ſeyende, dem bie Macht (Potenz) der Verwirklichung erft gegeben werben muß. Das Ende ift Das urfprünglich feiner felbft Mächtige, fich felbft Be⸗ figenve. Wegen dieſer natürlichen Orbnung haben wir auch von einer erften, zweiten, britten Potenz gefprochen, und ohne an eine Analogie mit den mathematifhen zu denken, fie auch als folche bezeichnet. Das Seynlönnende- überhaupt A gefegt, müßte das unmittelbar Seyn⸗ fönnende durch A! bezeichnet werben, aber als ſolches erfcheint es erft am Ende, im Proceß (denn mit dem Verhältniß der Urfachen iſt and ein Proceß in Ausficht geftellt) erfcheint es gleich als entfelbftetes, d. h jubjeftlojes Seyn, e8 wurde daher ald B bezeichnet, das erft wieder in A zurüdzubringen ift; das rein ſeyende, erft durch B in potentiam gejete, zum Subjekt erhöhte, wurde durch A?, das legte, das als Objekt Subjekt und umgekehrt ift, wurbe durch bezeichnet. Ich. ver- lange von biefen Bezeichnungen nichts, als daß fie zur Deutlichkeit, mit- unter zur Kürze dienen; aus. vemfelben Grunde werde id) auch jetzt nicht verfchmähen, das über aller Potenz Stehende, das dem Sehen- den Urfache des Seyns und ſelbſt ‚reine Wirklichkeit ift, wie früher, durch Ao zu bezeichnen, wobei an das arithmetijche 1 nidt ge dacht ift. |

Boraudgegangen, wenn nicht in der Begründung, doch in ber allge: meinen Erkenntniß biefer drei Urfachen find ung vie Philofophen, denen wir in diefer ganzen Unterfuhung als Leitfternen gefolgt find. Dem für fich ſchranken⸗ und faſſungslefen Seyn (B) haben wir gleich das

Unbegrenzte verglichen, welches dem Plate bie Miüntexie uub aisige nicht erſt der firnfih, wahruchmöeren Dinge, fenbern felh der Idike ober Speen if. Bei bein Zuſtand bes philefophifchen Deutens in Deut fand mußte dieſe Ausdehnung auf bie Idee großen Unftoß geben, uk fie als wirklich platoniſch zuerſt durch Braudis teils aus deu nah wm handenen, theild aus nur bruchſtücklich erhaltenen Werken des Nriksiii erwiefen wurde‘. Denn au das Einfache, bag bie wirklichen Ding fi von den Urbilbern nicht durch das Was, alfo nur durch bes Daß unterſcheiden Tönnen, umb demnach bie Elemente der Dinge feine ante ſeyn können, als bie auch Glemente ber Ideen find, war bem bamaligen Denken nicht Mar. Das Seyende ift im wörtlichen Berfland bie gib liche Idea, in viefer aber mit dem das göttliche Seyn überfchreiten fie nenden Princip eine Unendlichleit verſchiedener Stellungen ver Elemak gegeneinander gegeben, welche ebenfo viele Bilder (deze) der urfpräng lichen Einheit feyn werben; und e8 wird fonach das Brimcip bes Unbe⸗ grenzten, wie es Platon nennt, bie ideale Vorausſetzung aller tida Ideen ſeyn. Man hatte jenem für ſich Unbeflimmten und ber Belt mung Bebürftigen noch außerdem ben Namen der Materie beigelegt, veffen ſich Platon nicht bevient hatte; und weiter wollte man bam ki ihm gefimven haben, dieſe Materie fey vor der Weltſchöpfung in einen ungeorbneten, wilpbewegten Zuftand, und zwar als ein von Gott mab hängiges Princip geweſen. Ich weiß nicht, ob man dieſe Vorſtellunz nicht als platoniſch beftreiten könute, ohne zum Mythifchen der Dar⸗ ftellung Zuflucht zu nehmen, wohin mande alles werfen, was nicht leerer jubftanzlofer Begriff if. Denn in ber Hauptftelle fagt Platen nur: alles was fihtbar war (mis ö0os Öowrdr) habe Gott au genommen, und das unruhig, mißhellig (RArumeiog) und ungeorbuet Bewegte aus der Unorbnung in Ordnung verfegt?; da fpricht aber Platen offenbar nicht von einem befondern Princip und vielmehr von ver Ge ſammtheit des in bie Sichtbarleit treten Könnenden, und unmöglih

ı Brandis de perditis Aristotelis librie etc. 1823. Handbuch ber Sefchichte der griechifch- Eden Bhilofophie, I, 1, S. 807 fi. ? Tim. p. 30 A

wäre nicht, daß ihm vielmehr der noch ungefchiedene und chaotifche In⸗ begriff alles Möglichen vorgejchwebt hätte, den wir das Seyende nennen, und dieß um fo mehr, als ihm das bloße &rreıoov, welches in feiner Befonterheit allerdings das nowrov Vnoxel/uevov ift, die Materie im ariftotelifchen Sinn, das, aus weldhem alles wird, als ibm biefes weder vor noch nachher, aljo niemals je für fich zu fehen ift, und ihm alfo auch nicht mav Öoo» 7 Öoaro» je heißen konntet. Zu feben ift immer nur das Ganze, zo war, nie ein Princip für ſich.

Die Urſache der Erfennbarkeit, und alſo auch der Sichtbarkeit ift dem an ſich Grenzenlofen, aber eben darum ber Begrenzung Bebürf- tigen und Unterliegenven erft, was Platon ihm unmittelbar entgegenge- fett, die Grenze (nevag), oder wie wir es unftreitig nehmen bürfen, ras Vegrenzende, Grenze Seßenve. Diefe Urjache ift aber nicht eine dem Gewordenen äußerlich bleibende, fondern ihm fortwährend inwohnende. Ueber dieſes zweite nothivendige Element alfo wird Ihnen ver Phi— lebos vollflommenen Aufſchluß geben, bier ift der Kern platonifcher Weisheit, voraus aber gehe der Sophiftes, diejer wahre Weihegefang zu böherer Willenfchaft. Das Unbegrenzte, das an ſich weder groß. noch Heim, weder mehr noch weniger, werer ftärker noch ſchwächer tft, empfängt von dem DBegrenzenden alle diefe Beftinnmungen, jo daß es das Große und Kleine (usya xul wıxodv) von Platon genannt wird, wobei Das Unenbliche feiner Ratur innmer im Grunde bleibt, daß es in biefer Linie auf und abfteigen kaun, ohne irgendwo ftile zu ftehen?. Diefes andere Prineip aljo ift das, welches in das erfte Zahl und Maß fett, Zeiten und Bewegungen regelt, das für fich felbft feiner Ordnung und Einftimmigfeit fähige, ja ihr wiberftrebende zur Ordnung bringt und aus dem Widerfpruch mit fich jelbft ſetzt.

Damit ift nun aber tie Art und Weiſe, wie dem an fich Uner- tennbaren Erfennbarkeit und Vegreiflichkeit ertheilt wird, unerflärt, und

' toparov heißt es vielmehr durchaus, ſ. Tim. p. 51 A. und an vielen an» dem Etellen. Es beißt dort: enr zou yepororog uparud umräpa ai wrodoynv Aöyausr doparor eidus nal @uoopor.

? ysroudvns yap releurig xai auro rerelevurnne. Phileb. p. 24 B.

Platon ſelbſt ſagt, dieſes Wie fey ſchver und Aa zu erlüäs dr anszubräden!. Doc wird/ von bem Begwenzenbem gelten, tmas Plate anderwaͤris, mehr im Allgemeinen ſich ergehend, vom dem Nut jof, daß er die Rothwendigkeit dur Ueberredung zum Veſten Ink, und diefe ſelbſt weifer Bereduung nachgebend tiefes WE zu Sum bringe? Uebereinftinmen würde dießj mit dem Vergleich, durch ben nie bie Ueberwindung des. wiberftrebenden erften durch das andere Princh zu 'erlären verſucht; in bem gewählten Ausdruck Läge zugleich, mad wir denmãchſt ebenfalls zu beachten haben werben, daß bie Ueberiminun | wicht gewaltfem, fondern mit Maß alſo auch fin | weiſe geſchehe.

Bisher alſo konnten wir unſere beiden erſten Urſachen in den Pr wuiſchen erkennen Auch zum Dritten aber geht Platon far Dis ift ihm jedoch nicht ein Princip ober eine Urſache, ſondern das anl da beiben erften Erzeugte (70 roðro⸗ Exyosos); das ſchon eine gemidke und geworbene Natur (wxrn xal yeyaruzuden odaie) if. Gu u beres, beiden Gemeinjames ſcheint er nicht zu kennen. Bon dieſen Dritten geht er dann aber ſogleich zu dem Bierten fort, welchem allin * den · Namen ber Ur ſache“ vorbehält, zu ver alfa, die beiden erſta ein bloß werkzeugliches Verhältniß haben. Aber ein Drittes, das jcht aud Urſache und feiner Natur nad) einfach, nichts Zufaumengejegts (Eoncretes) ift, wird fon zum begrifflichen Vollſtändigkeit geforden welcher wir in allem nachzuſtreben gleihfam uns genäthigt fühlen. Data wir uns bie Folge fo. Die erfte bloß materiale Urſache iſt eigentih nicht Urſache, da fie als bie beftimmungslofe, darum ber Beſtinmmg bebürftige Natur eigentlich nur leidend iſt. Diefes der Beſtimmmz

abparov eldog nal dnoppov, mardexig, ueralaußdvov Si anop-

rardap rod vorreö, nal dvsalsrarov aurö Akyovrag ou yerdamde. Tim. p. 51 B. Toenov rırd Stsppasrov al Yayuasrov, war unmittelber zuvor gejagt, p. 50 C. ? Noo avayıns äpxoveos 15 aid adriv rar rıyropdvor rd aiisre ini Blkcısrov u J Und asıdeig Iuppem; $wvisraro toſ. näv. Tim. p. 48

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Unterliegenve ift reine Subftanz, und dieß ber erfte Begriff. Die zweite Beſtimmung gebende, zu ver Subftanz als beftimmende Urſache (ratio determinans) ſich verhaltende, dieſe ift reine Urſache, ba fie auch nichts für ſich will. Was kann nun noch über beiden gedacht werben, ober vielmehr was muß über beiden gedacht werben, um zu einem be- grifflichen Abſchluß zu gelangen? Offenbar was Subftanz und Urfadhe, Beitimmbares und Beftimmendes zugleih, alſo die ſich felbft be- ſtimmende Subftanz ift, als Unbeftimmtes ein Können in fid ſchließend, aber über deſſen Gefahr durch das Seyn erhoben, an das es ihr gebunden ift, erft das wahrhafte, nämlich das frei fern Kön- nende ift, weil Seyn und nicht Seyn ihr gleich, da fie im Seyn (in das Seyn ſich bewegend) nicht aufhört Können zu fen, und im nicht Sen feyend bleibt darum auch, wenn bie andern offenbar nicht um ihrer ſelbſt willen, das, um deffenwillen die andern find, das alfo nicht bloß Iſt, fondern dem gebührt zu ſeyn, unter den breien das eigentlich ſeyn Sollende, während das erfte im Grunde immer das bloß ſeyn Könnende bleibt, von dem wir zwar nicht gerade fagen werben, es ſey das nicht ſeyn-, aber doch audy nimmer, es fey das ſeyn Sol. (ende, das zweite aber, inwiefern es mit. Nothwenbigkeit in das Sem ſich berftellt, al8 das fenn Müffende erfceint.

Es ift nicht eimer diefer Begriffe, es find die drei Begriffe, wie wir. fie aufgeftellt, nicht mur die zu jedem über das unmittelbare Denken hinausgehenden, fondern auch die zu jedem entftehenden Seyn, zum Be- griff des als möglich angenommenen Procefjes nothwendigen und unent- behrlichen. |

Wir fagten jo eben, das Erfte bleibe im Grunde immer das nur ſeyn Könnende, wir wollen num hinzufegen, daß ed, auch in das Seyn übergegangen, nur im umgelehrten Sinn wieder das ſeyn Könnende ift. Denn unmittelbar, ſowie es fich in das Seyn erhoben (=B ift), fällt es unter die Macht des andern, von dem es ins Können zurüdgebracht wird. Alles Seynlönnen im tranfitiven Sinn, um ben früher gebraud)- ten Ausdrud bier wieder anzuwenden, fteht zwifchen einem boppelten Seyn, dem, von weldem es herfommt, und dent, welchem es zugeht,

darum iſt co feiner Natur nach boppelfümig (natura anceps); Zechet (Brab) im pythagoriſchen und platonifchen Sinn, welche vom je ie unbeftiunmte ift, ) döpesros tes, fie fie aud genannt merke Und wenn wir das Schranfenlofe des erſten Princips auf das ans in Schranke geſetzte Se yn deſſelben bezogen (feine Schranke ift tas Min wen), fo werben wir dem Namen der Zweiheit auf feine Natur beiichen, - da es nämlich zwar A ift, aber das fein Gegentheil (B) fe kn, dieſes Gegentheil geworben aber B ift, das wieder A fern Kum, for es aus der Zweiheit nie herausfanmt, und mit Recht Platon von im ſagt, es fey das nie eigentlich jeyende, Tonberm immer mr werdeude

Diefer Zweideutigleit wegen iſt es nichts ohne die Keftimmete Urſache; das aber, welchem beftimmt iſt das Beſtiumende zu ſehn, kun nicht wieder, wie, das zu Beſtimmende, ein Bewegliches, zwiſchen Sen und nicht Seyn Schwebendes, diefes muß das firads vor ſich Gehente, von Natur ſich ſelbſt Gleiche, das Können Ausſchließende und bafer rin fegende ſeyn, und foweit ganz ähnlich dem, was der Dyas als Mom entgegengefegt wurde. Uber eben weil dieß Princip nur auf Eines gt (worauf wurde ſchon gefagt,, die Abficht des Werdens aber nicht iR, dej nur Eines fen, fondern daß alles Mögliche ſey: fe- wirb.biefe beſtimmende Macht felöft wieder einer maßgebenden bebürfen, bie fie hindert, blej diefes Eine hervorzubringen, und dieſes Maß Beſtimmende, vem je gehorcht, wird nur das zwiſchen Seyn unt nicht Seyn frei Schmebenie, beides wollen Könnende, ſich ſelbſt Beſtimmende, und nach Zwed und » ſicht Handelnde feyn können, alfo Bas Dritte. "

Hieraus ergellt, daß zum Begreifen eines Werdens ein Drita erforderlich ift, nicht ein felbft Geworbenes,. fonbern das felbft Urfade if. Denn in jedem ber beiben andern ift eim fir fich uneudlichet Wollen, das erfte will nım im Seyn fich behaupten, das zweite uur ei ins nicht Seyn zürüdführen, das britte allein, als das felbft, baf ih fo fage, affectlofe, kann beftimmen, in weldem Maß jeder Zeit, d. & gür jeden Doment des Procefies, das Seyn überwunden feyn ſoll; &

"8 piywönerov wir dal, ov d4 owötrore. Tim..p. 27 D.

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—-.

felbft .aber, durch das jedes Werdende allein zum Stehen, alfo zu Stande kommt, ift das von innen heraus alles Zweckgemäße wirkende und zu⸗ gleich ſelbſt Zweck. Denn weder dem blind Seyenden (B) iſt beſtimmt zu bleiben, noch auch iſt das Zweite eigentlich um ſeiner ſelbſt willen, ſondern in der Ueberwindung des Entgegenſtehenden, durch das es in potentiam, alſo für ſich geſetzt worden, hebt es fein für-fih-Seyn auf, alſo auch ihm iſt beſtimmt vom Schauplatz abzutreten, und es kann ſchon das außer ſich Seyende nicht als ſolches aufheben, ohne voraus eines zu haben, das es an die Stelle des ins nicht Seyn zurückgetretenen ſetzen kann, und dieſes eben iſt das Dritte, durch welches demnach alles Werden beſchloſſen und gleichſam beſiegelt wird.

Demgemäß müſſen wir dem Ariſtoteles einen Vorzug vor Platon darin zugeftehen, daß er dieſes Dritte al8 Urfadhe, und zwar als das, um deſſen willen (00 &vexe) alles andere werde, und demnach als Endurſache . aufgeftelt. Nur meil er dieſe Urfache bloß äußerlich be- ſtimmt und mehr aus Erfahrung als aus Gedankennothwendigkeit auf- genommen, ift ex |päter in Berlegenheit, fie von ber vierten Urfache zu unterjcheiden, zu welcher fortzugehen er ſich gebrungen fieht, und bie dann jebenfalls die legte Endurſache jeyn müßte, -und Gleiches begegnet ihm aud mit der zweiten umb vierten, daß fie ihm nämlich zufammen- fallen‘. Dadurch, daß er das erfte Prineip einfach die Materie nennt, wozu es doch erjt wird in der mwirflichen Unterwerfung, hat er fich vie jeltfamen Ausdrücke des weiter zurüdgreifenden Platon erſpart; der Ausdruck für die zweite Urſache „Anfang der Bewegung“ (&oyy T7s xıu7,08005) zeigt, wie ganz äußerlich die Auffaffung; doch Kat er auch ven Ausdruck Up’ 0%, die Urſache, von der alles ift, entſprechend dem für die erfte „das, aus welchem (£& 0%) alles if“, wonach dann die dritte von ſelbſt als „das, wozu oder in welches (eis 6) alles ift“, ſich beſtimmen würde, eine Art der Unterſcheidung, die ſich lange Zeit erhalten?.

' Phys. I, 7 u.a.

2 Bei Barıo findet fie fih als Trias des de quo, des a quo und bes secunlum quod aliyuid fiat, f. die Abh. über bie Gottbeiten von Samothrace, ©. 106.

Das Mächte für ums fey, die Tragweite ber drei Urſechen zo forfgen, umb Bis wohin mit ihnen zu Eommen, woraus bad, ab.ki ihnen fiohen zu bleiben, von ſelbſt ſich ergeben mir.

Der Anfang alfo ift in dem alleim aus fidh felbft ein anberet werte Könnenden und barım urjprünglic dem Werben Untertoorfenen. ke nicht fich ſelbſt überlaffen iſt biefes, fonbern ein Hüter ift ihm beige, der es vor feiner eignen Gvenzeufofigfeit bewahrt und in biefer une angehen verhindert. ‚Im reinen an-fih-Seyu Liegt es ſchen gleihfen unter dem Bann ober Berfchlufi eines Höheren, dem es fofert heyaad | wie es ſich erhebt, und das ihm micht umbebingt, und micht ohne 8 hen Mehr over Weniger und dadurch der Theilung zu unterwerfen, here jutreten. erlaubt, unb aud) biejes iu geflattet, inwiefern es als wit | um fegenbe (weil aus der Potenz herdorgetreteue) ſich zu ige ice a das Berfältiß des nicht Seenben ſebt. Auf biefe Weiſe nämlich ct allein die höhere Art des ſchon concreten nicht Geyenben, beffen elle meine Eigenſchaft nur diefe ift, das alles in fich aufnehmen Können, aber eben darum felöft nit ſeyend wie wir es fonft ansgebrält haben, Grund von Erifteng zu fern, ohne ſelbſt zu eriſtiren, ote was fein Eriftiren bloß darin hat, daß es anderem zum Eriſtiren, ale zum Werben dient (dovledor als yiracıw airig)', fo nid eigenſchaftslos in jedem Betracht feine andern Unterfchieve als die der Quantität zuläßt. Der Preis alfo, um ven es fein äuferes Sem gleihfam erfauft, ift, daß es dem, welchem es im Innern unterworfen ober Subjelt war, daß es dieſem ſich im Aeußern ebenfo unterwift, und einmal wirffich geworden zum Gtoff ſich hingibt. Dieſen Mraat können wir demnad; auch als ben Moment bes Diaterie Werdens oder aud ber Grunblegung bezeichnen, und es wird auch nicht zweifelhaft feyn, welche Wiſſenſchaft in dieſem Reich ber reinen Duantitätsbeftim- mungen fid) bewegen unb das zur Materie berausgemenbete Cine oder Uni-versum zum Gegenftand haben wirb. "

Diefes Unterwerfen bewirkt ober bewerfftelligt die eigentlich ned

* Phileb. p. 27 A.

nicht ſeyende, durch das unbegrenzte Seyn (B) negirte zweite: Urfache, fie bewirkt e8 burdh den Drud, den jeves Folgende (Kommende) auf das Borausgehende ausübt, Nachdem bie Diaterie bereit fteht, vie An- muthungen ber höheren, jetzt ſeyenden Urfache aufzunehmen, kann die wirkliche Ueberwindung anfangen, bie das außer fi Gefegte in fidh ſelbſt zurückbringt, im bisher Gleichartigen Unterfchiede und Abſonde⸗ rungen fegt, jedem fo Gewordenen feine Eigenheit, Eigenſchaft ertheilend, durch die es jedes andere ausfchlieft, und fo das Reich der Qualitä— ten und ber verjchieben gearteten Körper bervorbringt, bis die Materie zum völligen Aufgeben ihrer Selbftändigfeit gebracht, fähig wir, bie dritte Potenz, ohne deren Leitung und Obhut auch pas bisher Gewordene nicht geworben wäre, bis bie Materie fähig wird, bie britte Potenz an⸗ zuziehen und als die num herrſchende einer neuen ſtufenweiſe zum Selbft= befig, zur freiheit und Abfichtlichfeit der Bewegung erhobnen Welt, ber organiſchen, einznfegen.

Indeß ift nody ein Weiteres in Ueberlegung zu nehmen. Unfere Aufgabe war zu finden, was alles aus dem Zufammenwirfen der in Spannung gebachten Urfachen als Erzeugniß verjelben entſtehe. An bie Stelle der einfachen Urſachen oder reinen Potenzen treten zufammtenge- fegte Subftanzen (ovodaı ovv sea), eigentlihe Dinge, und zwar eine Welt von Dingen. Aber um eine Zuſammenwirkung verfelben und alfo ein Zuſammengeſetztes zu begreifen, mußten wir ftillfehweigenb eine Einheit vorausjegen, durch welche bie drei Urfachen zufammengehalten und zu gemeinfchaftlicher Wirkung vereinigt werden. Daß dieje Einheit erſt jet zur Sprache kommt, ift der Natur diefer Wilfenfchaft gemäß, die gleihfam von außen nach innen geht, von dem Seyenden zu bem was das Senende if. Diefe Einheit kann als eine wirffame nur in enter Urfache liegen. Es ſqheint alſo, daß wir Lu einer vierten Urjade fortgehen müſſen.

Diefe vierte Urſache denn wir werden uns dieſer Bezeichnung um jo unbedenklicher bedienen, als fie uns ſchon von Ariftoteles her befannt ift diefe Urfache kann nicht Gott ſeyn. Denn theild wäre dieß ganz gegen die Vorſchrift, die wir ums jelbft für diefe Wiſſenſchaft gegeben,

in ber Gott mur Ziel, abſolut leiste Embarrfache fer lauu (dem ca # kein Widerſpruch, eine Mehrheit vom Endurſachen zu deuten, de jüe Solgenbe zum Borhergepenben ſich jo verhält). Mod; aber find wir mit vom Ziel, dem nicht einmal die beſeelte Natur ift_ums. erreicht; Dice bat ihren Gipfel im Meufcfen; aber auch da it micht ſuu Aha: der Menſch iſt nicht bloß das Ende der Natur, er ift- chemforohl da Anfang einer völlig andern und neuen über ber Natur ſich erheben und über fie hinausgehenven Welt, der Welt des Wiſſens, ber Ge ſchichte und des menfhlihen Geſchlechts. Theils aber ift and de nicht zw leugnen, daß wir eine matitrliche Abneigumg empfinden, Get als eine der Urſachen zu beftimmen, ba wir vielmehr geneigt find, ie als abfolnte Urſache, d. h. die auch Urſache der Urfachen ift, zur beuken. Unftreitig zwar werben wir bie vierte Urſache, zu ber ſich die drei ch Werkzeuge und demnach als relativ nicht ſeyende zu verhalten jcheimn, als diejenige beftimmen, bie jene ift, wie wir von Gott fagten, daf ea das Seyende iſt. Aber eben hier ift auch der Umterfchieb. Gott if tem Seyenden Urſache feiner Einheit: anderes ift für uns in dem Borken gehenden nicht begründet; jene Urſache dagegen fegt das zertremste, a feine Elemente auseinanbergetretene Seyende voraus; ihr Berhältuiß p den Urſachen wird aud) das Verhältniß des fie feyenden ſeyn, abe des fie in ihrem Audeinandergehen feyenden. Diefe Urfade wit alſo wohl ein Abkömmling der Einheit ſeyn, die ihnen im Gott wer, aber fie wird nicht Gott feyn, obwohl für das zertrennte Seyende en das, was Gott für das unzertrennte war.

Um uns dieß zu volllommener Deutlickeit zu erheben, erwägen wir Folgendes. Das Seyende im Seyenben waren nicht bie brei Ur ſachen als ſolche, d. h. in ihrer Unterſcheidung und GEntgegenfeiung; da war feine etwas für fid und in ihrem nicht · für · ſich · Serm waren fie das Seyende; in ihrem Hervortreten aber, ba jebe aufer ber ande, find fie nicht mehr das Seyenbe, fondern nur noch die Materie, ber Stoff deſſelben. Diefes Seyende, daS fie.maren, kann jedoch nicht vr loren gehen, denn gerabe dieß war das auch im Gedauken einzige Birl- liche, die drei Potenzen aber in ihrem Audeinandergehen das Hof

a0 ‚Mögliche: die Einheit war, ehe am bie Zertrennmg gedacht wurde, das prius, das durch die nachfolgende nicht aufgehoben werden Tann. Alles, was aus der Zertrennung folgen kann, ift, daß das Seyende bie brei Urfachen nicht mehr auch materiell ift (materiell hat es fie jegt außer fi); aber’es folgt nicht, ‚daß e8 biefelben nicht noch immer, nım im⸗ materiell if, und nicht das Eine Seyende jett auf zwei Weiſen eri- firt, einmal als bloß materiell gefegtes (der Materie nad), das andre Mal als immateriell geſetztes (dem Actus nad), wobei denn übrigens von ſelbſt einleuchtet, daß das als immateriell Geſetzte nicht eher erfcheinen fann, als das Materielle (das in der Foee felbft noch immateriell) ale Materielles hervorgetreten iſt. Darum wurde das jegt als immateriel Geſetzte in der Idee auch nicht empfunden, aljo auch nicht mit- Unter ſcheidung genannt; e& war, ale ob es nicht wäre, wie ja auch das Materielle als ſolches nicht war: aus dieſem Grunde war in der Idee feine andere Unterfcheibung, al8 vie auch wir allein Tannten, bie Unter ſcheidung zwiſchen dem Seyenben, das, wenn fchon, wie wir es früher, beſtimmten, die Materie des göttlichen Actus, darum nicht al8 Materie war, und zwiſchen Gott, der dieſes Seyende ift, d. h. ihm Urſache des Seyns (dıria roũ elvaı) if.

Aber nichts, was in ber Idee, wenn auch ſtillſchweigend und un⸗ unterſchieden, geſetzt iſt, darf verloren gehen; was ihm geſchehen kann, iſt vielmehr, daß es aus der Verborgenheit geſetzt wird und erſcheint; und fo kann auch das, was an dem Seyenden das eigentlich und allein feyende war, im’ Auseinanderweichen ber Idee nicht untergehen, fon- bern ausgeſchieden und ausgefthloffen von dem, was in ber Idee das nicht ſeyende war, jest aber (auf feine Weife) fenend geworben ift, er⸗ ſcheint es in eigener Geſtalt, ſo daß es nicht mehr, wie in der Mee, bloß dem Weſen nach und potentiell Das Seyende iſt, ſondern auch als ſolches und demnach als Actus hervortritt, doch nicht ſo, daß es von dem, welchem es Actus (Urſache des Seyns) iſt, ſich trennen lann, ſondern eben nur iſt, um dieſes zu ſeyn. Darin liegt auch ſein ewiger Unterſchied von Gott. Denn auf die Frage, was Gott iſt, antworten wir zwar: er iſt dad Seyende. Aber Er Selbſt iſt nicht

© helling, fammtl. Werke. 2. Abth. 1. U

das Seyende, und weil alles Allgemeine ober Was ür dem Saat enthalten, iR von ihm, wie er in Sich (im feinem reinem Schih ü, nicht mehr zu jagen, was er ift, fondern mm, baf er I-(etiit de dieſes ‚von allem Was umabhängige und tremmbare Geya, iehin die Wiffenſchaft wi). Ienes aber, won bem-iir eben eben, it detech

von Gott unterſchieden, daß es zwar- auch Wetmsift, amd gegen he |

Bloß materiellen Urfachen, wie wir fie jegt in höherem Fortfärit is

gefammıt nennen Fünnen, als ihr Daß ſich verhält, aber aud mr ah 7

ihr Daß, nicht al fein eigenes, alſo auch wicht als von ihnen team bares und im biefem Sinn für ſich ſeyn könnendes, fonbern als an je gebundenes, auch jet, nachdem es and der Berborgenheit herwergetrd, nur ſie feyn könmendes, fie begreifendes Daf.

Wr diefen Begrif au eineh Wefens, das Meint if, eirae |

um felbft zu ſeyn, fondern um ein Anderes zu fegn, d. h. um bien Urſache des Seyns zu feyn, für biefen Begriff hat tie Spude den treffenden Ausbrud in dem Worte Seele, deſſen Bereutung ax von ber bed Worts Geiſt ganz verſchiedene if. Denn Geift it mb mehr das von tem Seyenden (Materiellen) ſich Iosreigen Künmaie oder wirklich Loegeriſſene. Geift ift, was frei gegen das Seyenbe, d auch zertrennen Tann; die Wiſſenſchaft z. B. iſt nicht ein Wal der Seele, fondern des Geiſtes. Bon Ariftoteles, auf den wir wegen pe Begrifsbeflimmung immer gern zurüdgehen, iſt zwar wicht auf bien Bege das war bei feiner Abwendung von allem Dialektifcen zit wohl möglich —, aber er ift auf feinem‘ Wege zu bemfelben Begrij gelangt, wenn er die Seele zwar als Entelechie erflärt, aber wicht ab Eutelechie überhaupt, fonbern eines beftimmten Geworbenen, eines bet Lebens nur fähigen Dinge , dem fie Urſache / des wirklichen Lebent, ale des ihm zulommenden Seyns if. Allein es ift bei ihm ein audre Ausbrud für bie vierte Urſache, deſſen völlige Uebereinftimmung mi unferer Ableitung aus folgender kurzer Betrachtung erhellen wird. Wir unterſchieden das Sehende und das was das Sehende ik

" sönareg Svrdnn to iyevrog. De An. II, 1.

403

Sedes Gewordene nun ift nichts anderes als eine beftimmte Geftalt des Seyenden, ımb je mehr e8 feinem Materiellen nach dem ganzen Seyen⸗ den gleihlommt, befto mehr wird e8 Das anziehen was das Seyende ift, und diefes wird in ihm feyn als das es feyende, d. h. mas ihm Urfache des Senne ift. Tiefes, das Senende gleichviel ob das ſchlechthin Seyende oder das Seyende in einer beftimmten Geftalt biefes das Seyende überhaupt ſe yende bezeichnet num Ariftoteles, indem er fagt: feine Natur fen x’ eva, und mit demſelben Ausbrud unterfcheibet er auch die vierte Urfache, die ihm ber Würbe nach die erfte ', der Erkenntniß nach die legte ift, denn er nennt fie des Er⸗ kennens Grenze an jeglichem?. Auch uds Bat fie ſich als ſolche dar⸗ geftellt, zunächſt weil ums bie brei Urjachen zu ihr geleitet; aber ich weiß nicht, ob es dem Ariftotele® zu viel zugetraut heiße, wenn wir für möglich halten, er habe auch das gewußt, daß fie, im bloßen Denken noch nicht wahrgenommen, erſt der auseinanderjegenden Wiſſenſchaft fich enthält. Sey dem wie e8 wolle, waren wir mit Uriftoteles in An- ſehmig der vorausgehenden Urſachen in Webereinftimmung, wir find es nicht minder in Anjehung ber vierten. Wie verjchieden die Auslegungen namentlich jener dem Ariſtoteles eigenen Formel von jeher waren, ihre Zuſammenſetzzung zeigt, daß wir das Rechte getroffen, wenn wir fagen: fie fol ausbrüden, was nicht mehr bloß dem Seyenden angehört, fon- dern von ber Natur defien ift, mas das Seyende Ifl.

Da e8 das Grammatifche der Formel ift, was Schwierigleit macht, bie Erörterung deſſelben jedoch zu einer umfänglichern Erläuterung ber Sache führen wirb, fo wollen auch wir zuerft von der wörtlichen Be⸗ dentung fpredhen ’.

' Metaph. I, 3.

2 Tig yrdseog ydp nipag eo ri m alvaı kiddrp. V, 17 (111, 29 s8.).

Wir Bnmten mit Ariſtoteles ſagen: npörov almayav iva nepl aurou Aoyınöc. VII, 4 (182, 11); denn ganz in diefem Einn braucht er das Wort gleich nachher (134, 7): somıp dal voö un orwog Aoyınaz (dem Wort nadh) yasl rıya; alvar ro un ov. Bu vergl. IV, 5, wo mpos rov Aöyov Gegen- Rp von apos riv dıavorav, und gleich nachher Asyor yapıy fo viel ift ale: tantum ut ita loquantur.

404

Dean über den Inhalt ober fachlichen Sum Tennte. im Ep meinen wie ein Zweifel feym. Man hat ſich hiebei immer ven ir Stelle feiten laſſen, wo gejagt ift: auf geiwiffe Weiſe Föunte min fagm, das Hans entfiche aus dem Haus, das materielle, aus Ballen md Steinen befteheube, aus bem immateriellen, bloß im Wegriff verfanteem,

das im Geifte des Baumeifters vor jenem war Ex rög drev dig |

row iyovoas ührze —, und wo Üriftoteles dann. beifügt, er um Die immaterielle Uſia bes Geiftes bas-r/ He edwere deſſelben. Hit indeß war das Grammatifche des Ausdrucs, mämlich das Imperfecum noch nicht erledigt. Da Ing e8 denn mahe zu jagen, das war (in) beziehe fich amf das Borhauden-gewejen-feyn ber Form (die Form mr früher als die Bildſäule im Geiſt des Bilduers), das fehn akr darauf, daß bie Form ür der Bülbfänle iſt vas fie jches Dorier mer:

Wie nah’ es uns gelegen hätte fo zu erklären, fickt, wer mi bisher gefolgt if. Es muß doch vor dem Auseinandergehen ber fi Potenzen, von benen Feine für ſich das Seyende war, eine Einheit g weſen ſeyn: biefe ift das, mas war und mas nach Maßgabe der Bir bereinung ber Potenzen in das hiedurch Gewordene eintritt mb «ib Seele veflelben. if. Verlegenheit alfo, das Imperfectum mit wer Vorausſetzungen in Uebereinftimmung zu bringen, ift es nicht, man wir anders erflären. Schon zunãchſt iviberfirebt ums das einigermafen, daß das war auf bie beſſere, das feym, daß ich fo fage, auf die ſchlechtere Seite fallen fell. Denn z. B. Fleiſch und Kunden mi alles, woraus ber materielle Menſch beſteht, ann zerrieben, zeit und dernichtet werben, aber das was dieſes Materielle (dieſes für fh

* Man f. Forchhammer in den Bpilologen-Berhanblungen, ſechete Berfesuniun, ©. 87.— Cs ift aud für möglich gehalten worben, bie Sache ſey in ben le ansgebrüdt, und zu überfeen fen bemnad: das mas war bas Seya; te follte heißen: das was baß jet ober hier feyenbe, z. B. bas Gans, war: ob der Infinitiv feyn, noch bazu ohne Artikel, für das feyenbe genommen Grichih wäre, muß ich Kundigeren zu beurtheilen überfaflen. Wußerbem iR bes ti gr elvas feineswege bloß was war, fonbern wos fortwährend in bem Dig # als inmohnende Form, eldug dvov, jals Form, bie nicht bloß im ber Gel eldog iv ei yuxi (Metaph. VII, 7 (139, 24), geblichen iR.

405

wicht Seyende) ift, dieſes kann von keiner Zerftörung erreicht werben; dieſes Iſt in einem ganz andern Sinn, als jenes war, und ift das feiner Natur nach Ewige.

Aber das Imperfectum? Nun and) diefes fol uns ftehen bleiben, und num erflärt werben aus einer ungemeinen Feinheit des Sprachge⸗ fühls, das den Hellenen auch fonft beftimmt in gleichem ober ähnlichem Gall das Imperfectum zu fegen. Denn auch ba 5. B., wo wir fagen wärben: wei alle begehren, viefes ift das Gute, fagt Ariftoteles: . diefes war das Gute!. Es war das Gute, ch’ es alle begehrten, und wird nicht dadurch gut, daß fie es begehren, fondern begehrt wurde es, weil es das Gute war. ber als das was das Gute war erfcheint es erft durch das Begehren und gegen bafjelbe gehalten. So wird das Seyende, das r/ dorıv eines jeden, over was jegliches ift gegen das es feyende (wodurch es Hft), zum z’/- (zugleich die bisher wie es ſcheint nicht gefundene Antwort auf. bie Frage, wie fih das z’/ dorıy zum ri elvaı verhalte). Das Was ift für uns immer das Erſte um Erkennen und voraußgehend. Der Maler, ver ben Kallias abbilbet, fieht zuerſt was er ift, ob braun von Farbe oder weiß, ſtark behaart oder kahl u. f. w., aber dieß alles ift ver Kalliag nicht, es ift nichts darumter was er nicht mit mehreren gemein hätte, zuſammengeſtellt würbe es eine bloß materielle Aehnlichkeit hervorbringen; aber der Künſtler geht zu dem fort, was dieſes alles iſt, und wogegen jenes alles fi bloß als Borausfegung, als das was eigentlich bloß war, ver⸗ hält, und fo erft ftellt er ven Kallias felbft var. Denn wo fi Ariftoteles auf das Einfachfte erklärt, fagt er: das z/ zu edvaı ſey jeglihe® nah dem, was Es felbft ift?, frei von allem Zufälligen, . Hyliſchen, Anderen. Wir werben alſo dem ariftoteliihen Ausdruck ganz gerecht werben, wenn wir fagen: er bedeute das, was das jedes⸗ mal Seyende ift. In der That brüdt der Philofoph dieſes jedesmal

! ou mdveeg dgievrar, roiro ayador nv. Rhetor. I, 24 (p. 24, 24 ed. Sylb.) auch citirt, aber neben anderm Unähnfichen, von Waitz zum Organon Comment. T. I, p. 400.

? Juadrov 6 Alysraı nad auro. Metaph. VII, 4 (132, 13).

(worin bie Antentung des Zufälligen) faft jebe&mal mod; befsnten ans, wie in ber oben erwähnten Stelle und enbermärtt, ; & ro ni Tv elvmı Aiyeraı h indarov odaie, eter aldog.dl Ira ro ri jw alvar ixdorov (fonft Bedarep) werd wie were vücien \.

Es wird nicht ohne Nugen fern, bei diefer Stelle einen Augeriie zu verweilen. Was fit berfelben «Zdog genamt und dem zu de el gleichgefegt wird, haben die Scholaftiler durch Form überfegt, 14 paſſend als Gegenfag des allgemeinſten, weil alles aufnchmenten, me von allem, was ein Diefe# ft, entfernteften Weſens, ber Materic, Neuerer Zeit überfegen es mande durch Begriff, der Begriff air bat ihnen das bloße Was (da8 z/ Zaren) zum Duhalt, obwehl fe nachher jagen: der Begriff ſey das allein Wirkl iche. Daſſellbe m fichern fie aber auch von dem Allgemeinen, und möchten biefe Baik heit, auf bie fie ſich wicht wenig zu gute thun, germ auch dem Ürifbotcet aufbringen. Aber biefem ift das Eivos Actus*, alfo kein Blofes- Wal, vielmehr das Daß des in bem Gegenden gefepten Was, baffelle mit der Uſia, inwiefern biefe dem jebesmal Seyenden Urfacde bes Sams in unferm -Ausbrud: das es ſeyende if”. Auf bie Frage: wei ft Lallias? Tann ic; mit eigem Gattungäbegrifi antworten, zB. er # lebendes Weſen; aber was ihm Urſache des Geyus (bier alſo bes Lehel) iR, das iſt nichts Allgemeines mehr, nicht Ufle im zweiten, fen im erften uud höchſten Sinne, apory odo/e *, und dieſe if kim

iv, 8 (100, 6). VII, 7139, 4 m).

? To eldos dreitzua. De An. H, 1 (23, 10 Bylb.).

® Aicıov 105 alvar näsıw 1, oisia. De An. U,4 Oisia (diyea), se g alrıov rob elvar drum, dv rols toolrorg, äda un Ayers xad vr nuutvov (oiov- Yuzr eo (de). Meaph. V,8 (99, 27).

Wie oisia dem Mriftoteles zweierlei Eim hat, fo Aterfheibet ex and a toppelteß na dued. "Er wäv ydp, fügt ©, nad‘ abed dd ei fr die Auisep, olov Kalliaz nad airov kalllas, nal ed ri dv alvm Kalle (e feteßt in fich feihR das ei iv % ösa iv 7 Ki darır

olov o 6 Kallia; xaf' airov' dv ydp 15 Acyp duumdeyu ro (ar Metaph.

* 46.

407

eigen und keines andern, während das Allgemeine mehreren gemein '; fie iſt Zegliches ſelbſt, im Beſeelten alſo was wir bie Seele nennen, welche als vie Uſia, die Energie eines werlzeuglich gebilveten Körpers erklärt wird, aber auch als deſſen r/ 7v elvcei, und auch fie tft eines jeden eigne und nicht mehreren gemein. Als Energie nun ift bie Seele das Daß eben dieſes beftimmten Körpers, aber nidyt das von ihm trenmbare Daß. Unfofern ift das Was in bem Daß enthalten und begriffen. Nur in biefem Sinn ift im Eidos auch der Begriff, Tann Ariftoteles dog und Adyoı Tau nowyud- ro» zufammenftellen ®,. von der Seele fagen: fie fey ber Aöyog eines natürlichen, fich felbft zu Bewegung oder Ruhe beftimmen könnenden Körpers *.

Das was Iſt, oder inwiefern man: fi) biefes als vorausgehend denkt, das was war ſeyn, dieſes ift der Grundbegriff, die Natur der vierten Urfache, das wodurch fie ſich über das bloße Seyende erhebt, woburd allein fie aljo auch vermögend ift das zertrennte Seyende zufammenzubalten, damit etwas entftehe. Nichts alfo, wozu biefe Urſache nicht mitwickt, wenn, fie glei in da8 Gewordene nur in dem Berhältnig eintritt, als dieſes ihr durchfichtig geworben. Denn e8 felbft, biefes Bierte, ift nicht einem Theil des Seyenven, fonbern dem ganzen Seyenven gleih, und kann daher in die Dinge als Seele, als fie ſeyend, nur in vem Maß eintreten, als biefe das ganze Seyende in fih ausdrücken, Das auf ben tieferen Stufen des Werdens noch ale

' aeorn oidia Idiog dribrp, N ouy inapyeı allp' ro da nadolov nomvor. Vu, 13 (155, 27 ss.). Bergl. Theophr. Metaph. p. 317: 7 oidia xal ro ri nv elvan nad dxaszov idıor.

2 Aristot. Metaph. VIII, 3 (168, 18).

2.8. Phys. IV, p. 62 Sylb.

(H A) 10 ri nv elvaı nal 6 207 05 danaroz Yıdırov roordi Iyorto; apyıy uvndews nal dradeos dv aurp. De An. I, 1 23, 13). Zu dere gleichen - mit bey unmittelbar folgenden Etelle: Ei yap nv 0 opıraluos Son, - vvxij av ir aurou 7 oyıs (offenbar ber Actus bes Sehens), aurn yao owsin opdaluou n xara rov Aoyov, 0 S’opdaluos uAn open; (im Schlaf z. B., denn das wachenbe ift in befländigem Etreben zu fehen, auch im Duntel).

zertreuut und zerriffen erſcheint. Daher man wohl auf gewife Bar

. fügen kann: alles fey beſeelt, weil vermöge bes Materiellen allein ma | haft nichts iſt; aber eigentlich gejagt wird es doch mum ven organide Befen, weil die Seele hier auch erſcheint. Aber in jeglichen Din, fomeit in ihm das ganze Seyende (alfo insbeſondere and bie zu fegende Urfache) ift, wird nicht das Materielle, fonbern das Immi- rielle, e& jelbft, das 08 eigen ehende jeyn.

Achtzehnte vorleſung.

Es beſteht Bein weſentlicher Unterſchied zwiſchen den von uns abge⸗ leiteten Principen und den allbekannten ebenfalls vier Principen des Ariſtoteles, von denen Cicero im erſten Buch der Tusculaniſchen Unter⸗ fuchungen (cap. X) fagt: Aristoteles longe omnibus (Platonem sem- per excipio) praestans et ingenio et diligentia, quum quatuor nota illa genera principiorum esset complexus, e quibus omnia oriren- tur u. f. w. Es ift ſchon durch die Sache dafür geforgt, daß kein Nachfolgender, ver die Principe alles Entſtehens unterfucht, fich weit von dem DBorgänger entfernen kann. Ariſtoteles freilich bat biefelben nicht erjt im reinen Denken gefunden, er nimmt fie gleich nur aus ber Erfahrung. Berfegen wir und auf denfelben Standpunft, nehmen wir an, es handle fih nur um die Principe alles Entftehens, fo ift aud unmittelbar, d. h. a priori, Folgendes einleuchtenn. Da noch von nichts Entftandenem, alfo Seyendem, die Rede, das Princip aber doch nicht Nichts ſeyn kann, fo bleibt für das erfte, d. 5. das unmittelbar zu jegende nichts übrig, als daß es reine Potenz (Öunauec) ſey. Mit diefer Potenz ift aber gemeint, daß fie unmittelbar in Actus fich erheben könne (die Hyle, welche Ariftoteles an diefer Stelle hat, ift bloß paſſive Botenz, welche die Beſtimmung, d. 5. das Sen, nur erwartet, nicht ihm entgegengebt). Das Erfte zum Entftehen ift Uebergang von Potenz zum Actus, das erfte Vorauszuſetzende alfo reine Potenz. Diefes Princip aber wäre für nichts, und gleichſam ein verlorenes, fünnte es nicht auch wieder aus dem Actus in bie Potenz, d. 5. in fi felbft, zurückkehren, wie mir wenig damit gebient wäre, wenn ich meinen Arm aueftreden,

aber nicht wieber zurüduchmen, ben ober bie SöEmtlel, mitich male ich ihn jetzt aubſtrede, nicht and wieber in Stube feen. Eiunie. Ih aber daſſelbe Printip, deſſen Natur es ift, wumusitielbar in Us überzugehen, Tann auch ſich ſelbſt in bie Potenz zurädiegen; be is ber Frage nach den Principen wirb fejon.voramägefeigt, daß jeved Fendt ein einfaches jey und das nur Eine Function ausüben kann. mi alfo ein zweites Princip fen, bem es zufommt, und bem ſeget mu dieſes zuficht, das erſte wieber iR bie Potenz zuiätubringen. & 8 ein zweites Princip, d. h. das nur erſt an ber zweiten Stelle ſeyu ix, weil feine Thaͤtigkeit das erſte vorausſetzt. Aber es Tamm audi zsı dieſet, und e8 ift infofern, wie wir anch früher ſchon geſehen, zu ben beiden ein durch fie felhft unldäbarer Streit, indem das em mn | nach außen, das andere nur nad) innen wirken will, weil jebeö nur be Gine kann. Es würde aljo nichts zu Stande fonımen, wenn nicht ca drittes, gleichſam affectloſes und unbetheiligtes wie ein Schiedsrichtet i bie Mitte träte, das keinen andern Willen mehr Haben kann, als baf etwas entitehe, ober vielmehr daß fo viel entftehe als möglich, aljo allet Mögliche, -und das biefem Zweck gemäß für jedes Moment des Ext ftehen8 jedem ber beiden Principe dad Maß und die Grenze. feineh Wirkens beftimmt. Auch dieſes Maßgebenve iſt einfach, dem es hat nur biefe Eine Function, die e8, obwohl - Zweck und zwedgemäpet Wirken in ihm ift, doch nur feiner Natur gemäß und mit berielbes Nothwendigleit ausübt, mit welder der menfchliche Geift, wenn die Prämiffen gegeben find, bie durch fie vermittelte, d. h. möglich geworben Concluſion ausſpricht. Da mit biefem britten Princip alles erreidt ſcheint, was zum Entftehen nöthig ift, und fi damit eine Abjchliekung zeigt, jo werben wir auch berechtigt jeyn, nunmehr etwas Gemeinſchaft liches in den drei Principen anzunehmen und auszujprechen, wm N wird fi) denn bald herausftellen, daß fie zufammen nur bie allgeme Materie, der Stoff alles Entftehenven find, der Zeug, aus bem ale bereitet wird. Unter den breien bat aber wieder das erfte am meiſten ſtoffliche Natur (es entjpricht, wie gejagt, ber ariftotelifchen Hyle), ut e8 ſcheinen dagegen die beiden andern weniger materieller und menigften

ai

beziehumgsweiſe immaterieller Natur zu feyn; da fie aber beftummt find, im das urfprünglich Dlaterielle einzugehen, fich in diefem zu verwirklichen, alfo felbft zu materinlifiren, fo wird in dem Verhältniß, als fie auf die Seite tes Materiellen, d. 5. des nicht ſeyenden nicht bes 00% öy, fondern des u7 dv getreten find, das Bebürfniß eines bie drei Principe feyenden, alfo die Nothwendigkeit jenes vierten Princips entftehen, das Ariftoteles fo treffend mit dem z/ 79 edvaı bezeichnet, womit fo unverkennbar das doppelte Seyn ausgebrüdt ift, und das er andy © Adyog nennt. Es ift ihm alfo gleihfam die Denomination, der Erponent des bloß Materiellen, vorzüglich aber heit es ihm Seele, in dem Sinn, wie wir fagen, daß ber Feldherr die Seele des Kriegs⸗ beeres, das es eigentlich feyende ift, da e8 ohne ihn etwas blog Ma- terielles, eine namen= und begrifflofe Menge wäre, die erft durd ihn zu etwas, nämlich zum Heer wird !.

Mit diefem vierten Princip find demnach von felbft die beiden Ab⸗ theilungen ber befeelten und unbefeelten Welt, mit den vier Principen überhaupt bie ganze Ideenwelt gegeben. Die Principe felbft find ein- fach, causae purae et ab omni concretione liberae, aus ihrer Zu- ſammenwirkung aber entitehen concreta, und nad den verfchiedenen möglichen Stellungen der Principe zueinander verfchiedene concreta. Diefe concreta werben die Ideen genannt, denn fie werben in einem nothwendigen Denken zwar, aber doch im reinen ‘Denken gebilvet.

In diefer ganzen Stufenfolge ift e8 die Natur jeder Idee, ihre Erfüllung in der nächſt höhern, und was in diefer als Wirklichkeit ift, in ſich als bloße Möglichkeit zu haben, womit fi) ja auch der umgekehrte. ariftotelifche Ausdruck erflärt, daß je das folgende das Vorhergehende

"Am Kürzeften find die vier Urfachen bezeichnet De somno et vigil. c. 2 (p- 40): rponoı srlelovg eis arria;' xal rip 70 rivos dvera, nal oder n aoyj rüs nuundeos, nal ev vAnv nal rov Aoyov alrıorv elval yauev. Ueber eine Folge der vier Urſachen wirft Ariftotele® nur de Part. Anim. I, 1 (p. 2, 18 88.) eine Frage auf: nota nporn nai devripa adyıner, und dann: yaireraz nporn 7 Ivera wıvog‘ Aöyog yap orros, apyn dd 0 Aayos (nad biefem Etanbpunft allerdinge).

als Moeglichkeit in fi hat‘. Im ber ganzem amfikeiguben Bey

alfo bekennt fich ein jebes als nicht um feier ſelbſt tillen kanal

eben dadurch, baß eb fh, b. 5. fein Gelbffeye, im. einem Giferm ah - bebt, wie ums dieß ein sicht eimmal befsubers tiefer WG fen in iz

Grfcpeinung zeigt, indem wir fehen, wie bes, reine Münterielle, bie Eid

und Elemente, zum Körper ſich zufanmenmehen zn wermadiien, feb

Körperliche wieder zum Orgauijcen in ber Pflanze, bie Pflacx fi

wieber zum Animaliſchen, das Animaliſche ‚zum Menſchüche fh ap hebt. Man kann fagen: es ift jedem in biefer Wolge eim Gefühl ve Citelteit feines fürfid-Geyns eingeprögt, und mit biefem ein Belange, das um feiner felbft willen Seyende, das allein auch das tur fh felbſt Wirkliche ift, zu erreichen, in biefem ‚felbft zum Wirkichlel m gelangen, eines ewigen Beſtandes theilhaftig zu werben >. Dieſer bank ſich felbft Ewige ift jedoch nicht die Seele; denn dieſe obgleich immair riellee Natur behält ihr -Verhältnig zum Materiellen, und ift mr in Bezug zu diefem, dem nicht für fich ſeyenden, fie ift nur als Entelehe deſſelben etwas, daher auch ihr nicht beftimmt ift für- fich zu fen Alles Werbende verlangt vielmehr nach tem, was weder ale Möglichkeit noch wie bie Seele ald Wirklichkeit von etwas andrem und ſchon baram ſchlechthin für fi und von allem andren abgefondert Iſt, das berm auch nicht mehr Princip in dem Sinn, wie bie bisher fogenannten, d. 5. Allgemeines, ſondern abfolutes Einzelwefen iſt, und als foldel reine, ungemifchte, alles Potentielle ausfchliegende Wirklichkeit, nicht Enteledyie, fondern reine Energie, und nicht mehr bloß das Immmaterick wie die Seele, fondern das Uebermaterielle. Nach dieſem alfo, weidel für fi) felber des Wervenden nicht bedarf, weder um wirklich oder anf nur um wirklicher (Compar.) zu feyn, das demnach gleichgültig mb felber unbewegt gegen baffelbe fich verhält, nach dieſem bewegt ſcch alles Werdende nicht wiffend oder wollend, fondern feiner Natur nad, alle ewiger Weife. Wenn nım aber allen Dingen und felbft allen Seelen

' Man ſ. oben S. 376 die ariſtoteliſche Stelle ſelbſt. ? Vergl. das Ariftoteliihe: "Mus ds Yairerar ro yırousvov qareli; zai ia apynv ion. Phys Ause. VI, 7.

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ver Zuſammenhang mit dem Ewigen nım ein vermittelter ift, Eine wird doch unter dieſen feyn bie volllommenfte von allen, d. b. in der ganz if, was in ben andern nur theilmeife,- der das Verhältniß zu dem durch fich ſelbſt Ewigen nicht mehr durch andres vermittelt ift, bie dieſes Ueberſchwengliche unmittelbar berührt und ohne Zweifel das Mittelglied iſt, durch welches das Materielle fi) ins Uebermaterielle, die Welt des Wervens (das aus dem relativ nicht Seyenben bervorehende) ins Ewige aufzuheben beſtimmt iſt.

Damit find wir denn erſt zum vollkommenen Begriff ber Ideen⸗ welt gelangt, bie ein nothwendiges Ziel der Vernunftwiflenfchaft ift. Denn auch Ariftoteles, welche Schwierigkeiten er ver Ideenlehre in den Weg legt, hat fie Doch, wie es ſcheint, für fich felbft nicht ganz über- wvunden; benn- mancher Anzeigen von Unmuth nicht zu gebenken ', follte man dieß aus feinem beftändigen Zurüdtommen auf diefe Lehre fchließen, wie er nad) dem offenbaren Schluß feiner Metaphyſik die doch jedenfalls nur als Zuthat zu betrachtende Zahlenlehre. herbeizieht, um ſich noch durch zwei ganze Bücher in feiner Meinung über die Hauptfadhe zu beftärten. Aber doch nie als letztes Ziel auch ſelbſt der Vernunftwiſſen⸗ ſchaft laͤßt die Ideenlehre ſich auſehen. Sie iſt für die Philoſophie, was die Jugend für das Leben; und als Vorſpiele? "ver eigentlichen Wiſſenſchaft, nur nicht als willlürliche, könnten wir foweit mit Ariſto⸗ tele8 die Ideen gelten laſſen. Denn das lette Ziel der Vernunftwiſſen⸗ ſchaft ift, den Gott frei vom Seyenven, in völliger Abgefchievenheit und für fi) zu haben, Nun fteht ihm mit der Ideenwelt freilich nicht mehr das bloße von ihm ununterfcheibbare Seyn gegenüber: wir find an dem Punkt, wo außer Gott ift die Idee; aber die Welt, zu der wir fortgefchritten find, ift num eine von Gott verfchiebene, nicht gefchiebene, anßergöttlic im ibeellen, nicht im reellen Sinn, existentia praeter- divina, nicht extradivina. Nun wird reine Vernunftwiſſenſchaft wohl

' Ta sid: xapiro lönnte für einen folhen Ausbrud gelten, wenn es auch übrigens in ber gleich anzuführenden Stelle bloß in Bezug auf die Demonftration

gejagt if. reperisuara, Anal. Post. I, 22.

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Die Frage der Wirklichkeit, aber. nisumer- bie- ber-Miishäht im aufergättlichen. Welt vom ſich altweifen Uiumer, mir wie fallen fit, wird auch bier im zuletzt Gefuubenen das Mittel bei meiteren Baikiab tens ſich entdelen. -Euthielt daS im Denen Erſte (— A) vie His feit der ivenlmaußergöttlichen Welt, jo wirb das img Denken Lepte ik Potenz des real-aufßergöttlihen Geyus enthalten mäffen. TDiekt in Denfen Leiste Eonmte Gott ſcheinen. Aber es ift ums jept zwilden Ge und bem Seyenben das Immaterielle bes Seyenden getreten, bad will eher ericheinen konnte, che das Materielle, das in ber ned zuperkem ten Ioee felbft noch immateriell war, als materielles hervorgetreien mer. Darum wurde das jetzt als das Immiaterielle Geſetzte in ber Hafı Mee noch nicht empfunden ober mit Unterſcheidung genaunt; es mx als ob es nicht wäre, wie ja auch das Materielle nicht als ſolches mer. Mit ihm aber ift dem Untelligiblen (der Idee) für fi ein Aldi gegeben, und Gott über dieſes und aljo auch über das bloße Deu binausgerüdt. Auch abgejehen aber Davon, wäre ja dic Möglichkeit eines wahrhaft außergöttlichen, d. h. Gott von fich ausſchließenden Semi nimmer zu benfen, noch weniger freilich (wenn davon hier überhamt bie Rede ſeyn könnte) Gott als Urfahe Urheber des Auſer oder Wider-göttlihen an den Dingen. Ein folder kann er nicht jew, auch - übrigens als Echöpfer angenommen und erfannt'. Wir haha aber bereits gefehen, daß es der Idee voch ein Letztes gibt, das allem

"une. or 0 Veog Yavarov ova dmoinder, ovdd wipreca de‘ auelae Gorrav' Inrıde yap sig ro slyaı rd ndvra xal Gurripios ai yarisıı roũ nösuov (in dem Schaffen ſelbſt liegt feine Urfache bes Verderbens md ba Bergänglichkeit), wie das Buch ber Weisheit 1, 18. 14 fich aushrüdt. Nest in einer Stelle feiner Kritik ber praftifhen Bernunft (S. 182 ff.) fagt: „Dem bie Zeit den Dingen an fi und nothwendig anhängt, fo ift Bott als Urker biefes Daſeyns im feiner Cauſalität felbft bei Zeit umterthan, ex müßte ber Zer als nothwendiger Form ſich ſelbſt unterwerfen, um bie Dinge zu ſchaffen“. „Es wäre ein Widerfpruch, zu fagen: Gott fey ein Schöpfer von Erſcheinungen „Die Schöpfung“, ſetzt er hinzu, „if eine Schöpfung ber Dinge an ſich fait“. Dieß kann nichts anders heißen als: Gott will in ber Gchöpfung bie Dig nur an fih, d. h. ihrem ewigen Beftenb nach, nicht aber will er fie, wonach je bloß Erſcheinungen fint.

415 andern das in⸗Gott⸗Seyn vermittelt. Bon dieſem alſo hängt es ab, ob alles zum ewigen Seyn gelangen, vorausgeſetzt, es ſey ein ſolches, das der Vermittlung ſich entziehen oder verſagen kann.

- Yebenfalld nun haben wir uns dieſes Letzte jeufeits des Materiellen zu denken, und alſo zwiſchen dem theilbaren, wie es Platon nennt, wie wir ſagen würden dem zertrennbaren Weſen und der abſolut ſich ſelbſt gleichen Subſtanz (45) in der Mitte. Im diefer Mitte iſt ven Platon die Weltſeele, die er in ſeiner Weiſe von Demiurgen durch eine Miſchung des ſchlechthin untheilbaren und des theilbaren Weſens hervorbringen läßt‘, und das Immaterielle des Seyenden, das im Verhältuiß der eintretenden Zertrennung ausgeſchloſſen vom Mate riellen und beſonders gejegt wird. Weltjeele kann es heißen, weil es dem gefammten zertrennten Seyn felbft unzertreunbar gegenüber ſteht, als eutſtanden vorgeftellt werben, weil mit der Zertrennung erft ge⸗ fegt und vor diefer gar nicht wahrzunehmen; Seele jebody ift es nicht in ber Ausſchließung vom Materiellen, ſondern in dem Verhältniß, als legteres ihm wieder glei und damit burdfichtig geworden if. Ta aber es felbit (jenes Immaterielle), wie gezeigt, nicht einem Theil des Seyenden, fondern dem Ganzen gleich ift, jo wird es auch in das Gewordene nur in dem Verhältniß eintreten können, als in biefem das ganze Seyende wiedergebracht iſt. Wiederhergeſtellt aber iſt das Seyende nur, wenn’ das aus der Potenz ganz hervorgetretene, die andern aus⸗ ſchließende Princip wieder in fich jelbft zurüdgebracht iſt. Allein jenes Princip, von dem wir fagten, daß es in dem Kampf wie eine Art von Borfehung ift, und nicht zugibt, daß irgend etwas, das möglich, nicht fey, fäßt die Ueberwindung nur flufenweife zu, und das Unbefeelte hat ein gleiches, ja ein früheres Recht zu ſeyn, als das Beſeelte. Dort nun ift das Immaterielle zwar ausgefchloffen vom Einzelnen als ſolchem, aber es iſt darum nicht gar nicht. Denn immer fteht es hinter dem Materiellen als das, dem beitimmt ift es zu ſeyn, und nichts verhindert, daß eb,

' Tim. p. 35 A: T7S aueplörov xai, del zard Favra iyovang ovdiag xal cig av mapl rd öauara yıyvoudyng Hapıdras, tpirov dE aupolv dv uldo duvenspadaro ovdia;. eldog (v sog).

wo nicht Geele eines Einzelnen, als bie allgemieime erfäein: O6 Klang, Lit, Wärme folde Erſcheinungen ber bis dahin Klof du wirfenben wab in biefem Sinn allgemeinen Seele fin, Kun fier fügt wicht umterfucht werben, Wenigfiens ber Wärme, bie jebem am nie eigenthumlich inwohnt, gibt Ariſteteles ein ummittelbares Berhäftif u der Seele; beim je. mehr, fagt-er, lebenden Wefen natürliche Wine inwohne, eime befto eblere Seele ſey ihnen zu Theil geworben, Das waterielle Element, an weldes die Seele zumächft gebunden it, m | wittelſt deſſen fie ſich auch fortpflanzt, ift bie Lebenswärme, ber da lebenden Weſen inwohnende ätheriſche Stoff. Bar Allgemeinen fpiät Ariſtoteles von einem uatürlichen Weſen, einer Peois, die aller Seelen Potenz (Dymamis) fey, dem fogenammten Waren, weil er jedoch vom Feuer als Element unterfcheivet?. Thiere und Plan entftehen in der Erde und im Feuchten, weil feelifhe Wärme (Hspuörns yuyı) im Ganen (dv rG ware) feg, ſo daß uf gewiffe Weife (in diefem Sinn) alles vol Seele fer ®.

Aber aud) die nım ins Einzelwefen eintretende Seele tritt riht gleich ganz ein; baher wieberhofen ſich aud in ber befeelten Natur de Stufen, bie zwifchen dem tiefften Materiellen und dem Uebermatericke Rattfinden. Wriftoteles fpricht bekanntlich von Abtheilungen (op) der Seele, die wie Stufen fi verhalten, indem bie niedere alme we höhere, nimmer aber die höhere ohne bie nievere fen kann. Girl, fogt er, entftehen die Unterſchiede der lebenden Wefen. Nur in ib Letzte, in das Materielle, von dem wir fagten, daß es wieder iR we das Sehende in ber Ibee, in dieſes wirb das urfprüngfich Immmaterice nicht theilweife, fonbern ganz eintreten, und es fo ſeyn, wie Gott ie

! De Respir. c. 6: Foyig seruyguim eupuordpas.

3 mdang udv obv Yozis Öürauıs dripov Göparog doms wuxorurhe, "nal Yaocipov cör naloyulvor srayslar De Gen. Anim. II, 3. Di ⸗toic ſey ro aaloiuavov Yepuov, roiro Hou müp, odds rosadrz dr (fein Element) ib. p. 209, 7. 9.

® De Gener. Anim. II, 11 (p. 265, 25): og epdmor rund mare ywoyli alvau maden-

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urſprunglich Seyende in der Idee war, und nicht als bloßes Abbild, ſondern als ein Gleich⸗ oder Ebenbild wird es ſich darum zu Gott ver- halten. Unter dieſem nun, in dem wiedergebrachten Seyenden, alſo in der Seele deſſelben, in der Seele, die erſt eigentlich ſo zu nennen, die auch allein Princip iſt die vorausgehenden ſind es nicht in diefer Seele alſo Kat alles Vorausgewordene fein Ziel, erſt eigentlich das Seyn, und demnach wird ſie zu dem geſammten Seyenden ſich ver⸗ halten wie Gott zu dem urſprünglich Seyenden ſich verhielt, fie wird jenem ſtatt Gottes (instar Dei) ſeyn. Ariſtoteles nennt in einer Stelle Gott das erfte ri’ zu eva! (zu dem Sehyenden ſich als das es ſeyende zu verhalten, iſt Gottes ewiges Verhältniß, und das Seyende logiſch fein 79 oder Prius); die Seele, die weſentlich gegen das Seyende vaffelbe Berhältniß hat, wilrden mir dem 'gemäß das zweyte z/.7% eivaı nennen dürfen. Würde was erfter Weile das Senenbe ift es ift in dem bereits hinlänglich erflärten prägnamten Sinn durch ausgebrüdt, fo werben wir was abgeleiteter Weife ſich ebenjo zu dem Seyenden verhält, zur Unterfcheidung von jenem durch be- zeichnen dürfen.

Doch nur materiell, nm e wefentlid wirb bieje. Gleichheit feyn, d. 5. daß die Seele nur ift was Gott iſt. Die Synonymie von weſentlich und materiell, deren wir uns bier wie ſchon öfter in dieſem Bortrag bedienten, ift ganz ſprachgemäß; dem fo nennen wir den Stell- vertreter auch Verweſer, weil er zwar wejentlich oder materiell, aber wicht wirklid) der Inhaber des Amtes ift; auch aus andrem hier nicht zu Erwãhnendem, 3. B. dem „geweſen“, „verweſen“ (vom Organifchen, das wieder zur bloßen Materie wirb, gebraucht) läßt fich leicht zeigen, daß das deutſche Weſen, pas ald Hauptwort mit mehr Vorſicht gebraucht werben follte, als von denen gejchieht, die e8 überall für die arifto- telifhe Uſia fegen, urſprünglich und eigentlich das materielle Seyn be zeichnet, wie auch Ariftoteles bie bloßen, das Weſen eines. Dinge, bie

' Metaph. XII, 8 (p. 254, 2). Grammatifch-parallel ift der Ausdruck ro dia vi apörov, 1, 2-.(p. 9, 23). TO ode 7 xivndıg npörev, Phys. II, 7. Schelling, fämmtl. Werke 2. Abth. 1. 27

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odola im yweyten Sinn, enthaltenden Gattungäbegriffe als das Guik anſieht, bie Differenzen dem Actus gleichftellt. s

Die Seele nicht die Gele überhaupt, fonbern bie befiimui, die wir jet allein fo nennen ift mr was Gott iſt, aber nift wi Gott. Denn Gott ift das Seyende, aber er hat gegen bafcke mi ein eignes Seyn, ein Seyn, das er hat Auch obme dad Emalı | Barum er das Seyende dennoch ift, dieſe Frage ift ſchen Früher ab vorzeitig abgetviefen worden; deun im reinen Denker, alfe aud in ke Biffenfhaft, die nur in dieſem ſich bewegt, wiſſen wir won Gott gr nicht anders als durch das Sehende, das .er iſt. Mir milen ke Gott, den wir jet blof als das Schende haben; erft für ſih Kim, um jene Frage anfwerfen und beantiworten zu können. Dennoch, wi .| ex feinem reinen Selbft nad) mnabhärtgig von dem Seyenden Fit, wie wir, ımb es beruht foger diefe ganze Wiſſenſchaft baranf, bah te Segenbe ein von ihm trennbares iſt. Aber nicht ebenfo hat die Sch, bie das Seyende ift, ein eignes Seym; ihr Seyn befteht nur chen bern, das Senenbe zu feyn. Nur fo ift fie Seele; ihr urſprüngliches Ber Hältmiß ift, das Seyenbe zu ſeyn ohne Rudkehr auf fih fein; wii felbft zu ſeyn, fonbern nur das Seyende zu fer.

Allein das Berhältniß der Seele‘ zu dem Sehenden, das fe il, iſt nicht ihr einziges, fie hat noch ein-anbres, nämlich zu Gott. Bir jenes ihr einziges Verhältniß und alfo bie Seele nur reiner Adel, fo wäre bamit jeder Fortgang ganz ummöglid; denn wo keine Pat, ift feine Bewegung. Über gegen die nicht bloß als immaterd, fondern als übermateriell zu beftinmende Subſtanz gehört bie Exk felbft wieder auf: die Seite des Materiellen oder- Potentiellen.. De Seele ift mır was Gott, aber eben dadurch hat fie ein Berhältug p Gott. Denn „fie ift mas Gott“ heißt: fie ift potentia Gott, alie auch im Berhältniß zu Gott bloße Potenz (potentia pura) za, weil biefe nichts Aueſchließendes hat, fähig ihn zu berühren und fo alea andren das Seyn in ihm zu vermitteln. Wäre die Ddeenwelt, daß ib fo fage, das legte Wort in der Philofophie, jo müßte diefes Bermi- telnde felbft- unbeweglich feyn. Aber für die Geele, bie an-ike

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Verhältniß zu dent Seyenden zugleich einen von Gott unabhängigen Standpunkt hat; Tiegt eben in dem gegen Gott Potenz feyn die Möglich feit, in biefem durch die Natur Gottes ihr auferlegten Gefe der Anlaß, gegen Gott Actus zu feyn, fich über das Materielle zu erheben, um ihm gleih, abgefondert und fir fih, alfo wie Goft: zu ſeyn. Wir folgen dieſer Möglichfeit, denn es ift in biefer ganzen. Wiffenfchaft eben bie Aufgabe, das Mögliche zu erfennen und in die Wirklichkeit zu führen.

Rennen wir die Seele, von welcher e8 noch unentſchieden ift, ob fie auch im höhern Sinn Seele, d. h. gegen Gott Potenz ſeyn wird oder “nicht, (denn fo bezeichneten wir überhaupt das, was zweiter Weiſe das Seyende ift), fo ift alfo in ein doppelter Wille (zwei Menſchen); nach dem einen Willen hält ſich gegen Gott als Potenz, die Seele wird bie Seele, bie fie ſeyn fol, d. h. die das Göttliche berührt und allem andern den Eingang in das göttliche Seyn vermittelt; nad) dem andern Willen verfagt ſich die Seele Gott, entzieht fi) der Vermittlung, - und ift nicht nur felbft die ihr Ziel verfehlenve Seele, ſondern macht, dag auch alles andre Hinter dem Ziel zurückbleibt. Wir nehmen num an, es geichehe diefer Schritt aus der Ideenwelt hinaus‘. Der Weber: gang wirb alfo auch bier ein Wollen fen, gleich jenem erften, mit dem uns Natur (eine Folge von Dingen) überhaupt anfing ?, aber ein Wollen, das von jenem: ganz verfchieben zu denken; denn weil hier nicht ein an fih nicht Seyendes, dem es nur natürlich ift in das Sen. fih zu erheben, fonvern etwas das an ſich Actus und dem vielmehr Potentialität angemuthet ift, aus: der Potenz hervortritt, Tann das Wollen nur That, reine That feyn; im Verhältniß zu ber Seele aber, ‚die das lette nur noch gegen. Gott Materielle, an ſich aber Immaterielle ift, demnad als das Immaterielle des Immateriellen wird biefes Wollen nicht wieder Seele, fondern nur Geift zu nennen

' Die andere Seite des (abfallenden) Menſchen kann in biefer Entwidlung nun feine Stelle finden: fie ift die ausgeſchloſſene; wohl aber ift auch auf dem gegen- wärtigen Standpunkt der Vernunftwiſſenſchaft einzufehen, daß diefer andere Menſch ein zufünftig mögliger iſt: uslov audponog (im. 5, 14).

2 &. bie vorhergehende Borlefung.

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ſeyn. Dem mit dieſem Wort brädien wir allein das von aller Maik Sreie ans, das nicht eine chose qui pense; wie Descaried Die Cake genannt hat, in dem vielmehr Aberfanpt midhts wen einem Mas, iu weine Daß ift, ofme alle Podenz, das ſomit im der Thet vie du iſt; ein völlig Neues, eiwas das zuvor ſchlechehin midt war, ci wir Entſtandenes, das doch eiwigen Urſprungs iſt, weil es Teinen Aaly Hat, fondern fein fehft Anfang it, feine eigne That, Urfade kin felbR in einem ganz andern Sinn, als es Spinoza von feiner abfeinin Gubftan geiagt Hat, jenes rein fich felsſt Sebende, mit dem File einft einen größeren Griff getfan, ala ex ff wußte

Es Bleibt Immer merfwärbig, wenn ich auch wicht ehem weiß, If es bemerkt worben, über eb-verbient hervorgehoben zu werben, bafmmh der im Anfange biefer Borlefung theilweiſe erwähnten Stelle bes Ex bereit in ben ariftotelifchen Schulen die Ueberlieferung von einer quinis quaedam natura, e qua sit mens, einem quintum genus fih verg: funden haben muß”. Es fehlt zwar wohl auf Geiten bes hodadhtluren Cicero nicht an allem Mifverflänbniß, aber es find durch if gene hier ächt ariftotelifche Traditionen bewahrt, wäre es auch nur bie de befannten Erflärung des Worts Entelehie, denn eine beſſere it I#

* Man wirb vieleicht unmittelbar dazu übergehen wollen zu jagen, bee Geiſt ſey ber unrechte, weil ber Gott ſich entiehenbe. Wber teile wäre ih nicht ber Gtanbpunft ber gegenwärtigen Wiſſenſchaft, bie ja vielmehr bie Bit außer Gott will und jene® Wollen ale ta® Princip feiert, vermäge beffen ſe de bloße Ideenwelt überteinbet, wie hie finnliche Natur ſelbſt, wäre fe iu ie wußt, einestheils es feiern würbe, weil fie ihm verdaukt, aus bem Heid dei Allgemeinen in vie Belt des freien und eignen Lebens verfegt, anberrafill freifich dadurch ber Vergänglichkeit unterworfen zu ſeyn. Xpeils aber iR jea Wollen nur ber Anfang, nicht das Enbe, mit bem firh erfl jebeß Urthei befimmt. Und bieß Hier um fo mehr, als biefes Wollen nick etwas außer fh, > B dieſe vergängfiche Zelt, fonbern eigentfich mm ſich, d. & fein eigues Tel Will, wie, wir biefes in ber Folge ausführlicher zeigen werben. Denn verantje fehen ift, baß biefer ber bee entgegenftehenbe, in Bezug anf fe zufääige, & & von ie umabhängige Geiſt fünftig ber einzige eigentfiche Gegenftanb je wih

? Die ganze Gtelle lautet: Aristoteles quum quatuor nota illa gemes prineipiorum esset complexus, e quibus omnia orirentar, quintam gu dam naturam censet esse, e qua sit mens. Tusc. Dispat. I, 10.

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heute nicht erfunden. . Greilih, daß bie hier gemeinte Urfache als eine quinta natura bejtimmt wird, ift ein grober und geiftlofer Ausdruck, wie fie in langwährenden Schulen von bequemen Lehrern zum Beften geiftesträger Schüler gebilvet zu werben pflegen; denn dieſe Urfache kann auf feine Weiſe mit den vier Principen zufammengezählt werben; aber die Sache bleibt uud hängt wohl mit dem zufammen, was fi) bei Ariftoteles felbft von dem Theil der Seele findet, den er 6 vous, bei Cicero mens, ben. er ein öreoov yEvog wuyas und allein göttlich nennt, woraus erhellen würde, wovon in der Yolge noch aus⸗ fübrlich die Rede feyn wird, daß nach Ariftoteles dieſer voug mit den vier Principen nichts gemein und überhaupt nichts fich Gleiches Haben konnte, als nur noch Gott!. Princip des außergöttlihen Seyns kann ‚in der That nur ſeyn, was Gott, etwas das außer Gott (praeter Deum) ein zweites Princip ift wie Er Princip ift.

_ Mit diefem Schritt nun aber ändert fih auch der Charakter der Wiſſenſchaft, indem außer bem, was noch immter durch reines Denken als Möglichkeit gefunden wird, eine Wirklichkeit da ift, die außer dem Denken ift und dieſem von nun an parallel geht und ihm zur Probe und Beftätigung dient. Doch verlaffen wir darum nicht die Linie, welche der Bernunftwiffenfchaft vorgezeichnet ift, obgleich wir es weder mehr mit ben veinen Principen, dem „Inbegriff der Idee, noch mit dem zu

' ! Später Tuscal. Disputationum 1, 26) fpricht Cicero wieberholt von einer yuinta quaedam nature. Dort heißt e: Sin autem est quinta quaedam natura, ab Aristotele inducta primum: haec et deorumi est et animoram. Diefes Sin ift zu bemerfen, denn vorher gebt die Stelle: ergo animus, ut ego dico, divinus est, ut Euripides Aicere audet, deus est; et quidem si deus aut anima aut ignis est, idem est animus hominis. Jetzt folgt bie chen ansgezogene Stelle: Sin autem etc., woraus erhellt, daß dieje quinta natura weder mit ter anima noch mit dem ignis etwas gemein bat. Was anima bier fagen will, erhellt aus 1, 29: Quae est ei (animo) natura? Propria, puto, et sua. Sed fac igneam, fac spirabilem: nihil ad id, de quo agi- mus. Dagegen Acad. Poster. I, 7 werben erft bie Elemente (primae quali- tates) aufgezählt, kann folgt: quintum genus, e quo essent astra mentesqur, singulare, eorumque quatuor, quae supra dixi, dissimile, Aristoteles quid- dam rebatur.

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thum Haben, was ans den Principe allein entſtehen fon, wind der intelligibeln Welt, ſondern mit dem, warin bie Ibeameit Ber | fhritten und eine (real) außergöttliche Welt erreicht if. Dam nem ' die Vernunftwiffenichaft vie Möglichkeit ber letzteren im ber intelligiiee Welt entdedt, belommt fie die Aufgabe, auch viefer aubergätlche Welt durch ihre Stufen hindurch zu’ folgen; womit «fie nur ie Geidät fortfegt, welches darin beiteht, alles hervorzuziehen, was im Seyende als Möglichkeit verborgen iſt, um nach Erfchöpfung aller Möglicici zu dem zu kommen, was das durch fich felbft Wirkliche ift. Unterfuiken wir alfo, was bie Folge ſeyn wird, wenn Die das Göttliche berübeebe Seele fid) der Vermittlung entzieht, zunächft,. was bie Folge ‚für bat Materielle, hernach was für das Immaterile. -- _ -

Wir haben gefehen, wie alle Dinge von Natur .in einer Bene gegen tas Höchſte, und wie infofern nun jedes gleichſam anfer ſich gejegt if. Allem bloß Materiellen, tas eines es ſeyenden betaij um zum Seyn zu gelangen, ift e8 durch feine Natur auferlegt, ſich u bem ihm Senjeitigen aufzuheben, um des wahren Seyns theilhaitig zu werben. ber eben hierin liegt aud tie Möglichkeit einer Heuunm; wenn nänilich die zwiſchen das Materielle und das durch ſich fehl ſeyende Uebermatericlie geftellte Seele fi) ihm verfagt, d. h. wenn u ver Stelle, wo tie Seele ift, das ſich felbft Segenve, aljo jelbft: eder für-ſich-Seyende fih erhebt; denn dem Seyenven das e8 feyentey ſeyn, ift für die Seele an ihre Eigenſchaft als Seele gebunden, ji kann wohl tie Seele, aber nicht ter Geift ber Dinge feyn (mie m- gekehrt Gott nicht Weltfeele feyn kann). Mit Erhebung ver Sede zum jelbft- Seyn aljo it das allgemeine Zeichen zum für-ſich-Seyn gegeben Tenfen wir nun’ diefe Möglichfeit als Wirflichleit, was wirb der Erfelg ſeyn? Unftreitig, daß das aufer fid) Gefegte nun vielmehr in ſich zurüd: trete, alſo eine rückgängige Bewegung überhaupt, für jene Stufe ein Zurückſinken eines jeden in fich ſelbſt und ins Materielle, über ie? es erhoben werben jollte und gewijjermaßen ſchon durch vie Bewegung erhoben war und dieſe Materialität wird nicht mehr wie vie frühere die bloß metaphyſiſche, dieſe wird eine zufällige, zugezogene, alfe die

phyſiſche ſeyn, die nicht niehr mit dem Verſtande begriffen, fondern nur empfunden wird, oder auch nicht einmal empfunden, wenn man für die Empfindung einen pofitiven Inhalt verlangt, bie darum auch fo ſchwer faßlich erſcheint und bis jetzt die Schwierigkeit gebildet hat, welche weder alte noch neue Philoſophie auf genügende Weiſe hinweggeräumt haben.

Ariſtoteles, ſo ſcheint es, glaubte auch die zufällige Materialität aus der an ſich unbeſtimmbaren Natur der Materie als Principe aus der metaphyſiſchen Materialitit ableiten zu können, vermöge der fie Urſache alles Zufälligen. ſeyn müſſe. Aber die Materie als Princip ift gar nichts für fih, fondern wozu fie durch die höhern Ur- fachen beftimmt wird, und wenn fie auch, damit nicht ein einfürmiges, ionbern jo viel‘ möglich mannichfaltiges Seyn entftehe, ber Begrenzung durch jene widerfteht, fo ift doch dieſes Widerftreben vorübergehend, und es find ihm durch eine ber höhern Mächte felbft beftimmte Grenzen gefeßt, und wenn nichts Fremdes dazwifchentrat, mußte im legten Ent: ftehenben jenes an ſich Schranfenloje und das Zufällige Begünftigende der Materie völlig überwunden feyn.

Nah den Borftelungen, die man ſich früher von platonifcher Lehre gemacht hatte, mußte es nicht wenig überrafchen, in Brandis berühmter Diatribe durch Zeugniffe von höchſter Glaubwürdigkeit und unverwerf⸗ licher Autorität belehrt zu werben, daß das Wefen, das Platon ſelbſt nicht Materie nennt, aber das ganz dem entjpricht, was feit Ariftoteles Materie genannt wird, daß aljo die Materie nad Platon nicht allein ven ſinnlich wahrnehinbaren Dingen, fondern ſchon den Ideen zu Grunde liege. Belehrt wurde man dadurch zugleih, daß nicht ſchon die Zufammengefeptheit im Allgemeinen das Materielle vom Immaterlellen unterſcheide. Es gab composita auch in ber intelligibfen Welt, und wer die platonifchen Ideen noch für einfahe Wahrheiten oder gar einfache Qualitäten ausgeben konnte, zeigte nur, daß er. nichts von ihnen wußte‘. Allerdings, aber‘ wie dieſe intelligiblen concreta

! Wer einwenden wollte, daß dennoch gerade Branbis dergleichen Ausdrücke zu billigen gefchienen (bein. Muſeum, Jahrgang 2, S. 559 und 566) hätte erft zu beweifen, baß keine Ironie im Spiel war. -

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die composita ber reinen Urſachen ober Pwimcipe waren, wie ie fi in materiell concrete Dinge verwandeln, pber ah zur in wien Berhältuig Platon die Materie, welche Element der Soceu iR, in, welche den finnenfälligen Dingen zu Grunde Liegt, ſich gehadk bei, mavon ift uns nichts überliefert, noch Habe ich bei meneren Kalle barüber einen Aufſchluß gebenden Gebanten finben Eüunen,

Die bloße Materialität ift noch nicht Körperlichkeit, und wem fr auf einer Hemmung ober Stodung beruht, fo Tamm fie bloh emyfuhe werben. Daher bie Gchwierigfeit, fi über fie autzuſprechen. Is Yahr 1801 geſchah es, daß zu Paris zwei beräßmte bemtfche Gelee bei einer allgemeinen Aubienz des damaligen erflen Confuls aufm trafen. Der eine war ber ehrinärbige Berner aus Freiberg, valr ber neueren Mineralogie und Geologie, der aubere der Philoſoph Fricuif Heinrich Jacobi, damals in Holftein wohnhaft. Werner wurde np rebet: Vous &tes clıymiste, worauf er autwortete: mineralogiste, mb der erfte Conſul replicirte: ainsi chymiste. Das kurze Zuwiegefipeid (Werner felbft hat es auf der Küdreife in Weimar erzählt) hat feine Bezug hieher, doch mochte es mit erwähnt werben für die, tem befannt ift, welde Wichtigkeit Werner auf feine Lehre von ven äuken Kennzeichen gelegt, durch bie Er ver Mineralogie. ihre Unabhängigkeit von der Chemie gejichert zu haben glaubte. An den Philoſophen richter ber gewaltige Mann ohne weitere Bevorwortung und in etwas herriſchen Zone die Frage: qu’est ce que la matiere? Da Feine Antwort © folgte, ging er fofort zum Nächſtfolgenden in ver Reihe fort. Daß ber Philoſoph von der Frage einigermaßen verblüfft war, wird niemard beſonders merkwürdig finden, daß aber bie Frage fo genan den Punkt traf, den man das oxawdalor, nämlich die Falle der Philoſophie nennen könnte, Tann aud nicht Wunder nehmen an einem Monat, bem die Heben uub vermeintlichen Unterfuchungem der vamaligen fras- zöſiſchen Ideologen fo verächtlich und gering vorfamen, mu ber balb nach der Landung in Aegypten, als er in einer gefprächigen Stunk geäußert hatte: Da bin ih nun au ber Spige eines Heeres auf dem Wege nach Indien wie Alerander, aber mir hätte eine andere Laufbahn

43 des Ruhms ebenfowohl angeftanden, und als die Begleiter ihn fragten: welche ? einfach geantwortet hatte: Newton‘! Bedauern könnte man dennoch, daß dem genannten Philofophen nicht wenigftens das Wort feines Freundes Franz Hemfterhuis beigefallen, ver nämlich gejagt haben foll: die Materie ſey der geronnene Geift; ich ſelbſt habe dieſes Dictum zwar in feiner feiner Schriften gefehen, und kann daher auch nicht fagen, wie es franzöſiſch lautete, ob der geronnene Geift durch esprit caille .oder esprit coagul& oder wie fonft auögebrüdt war. Ich glaube indeß, der Ausdruck gehört einem Deutjchen an und ift älteren Urfprungs. Ich fchliehe dieß aus dem Eitat eines zum erften Mal 1725 erſchienenen Werks, den Dilncidationen des bekannten Georg Bernhard Bilfinger, den Friedrich d. Gr. in jeiner Abhandlung über beutjche Lite⸗ ratur als Philofophen auszeichnet. Da heißt es nämlich: „Ich kannte einen Metaphyſiker, deſſen Witzrede war: Ein Körper iſt nur ein zu⸗ ſammengeronnenes geiſtiges Weſen“. Der Ausdruck bezog ſich wahr⸗ ſcheinlich auf die leibniziſche Lehre, nach welcher nicht platoniſche Ioeen, ſondern einfache Subſtanzen, Monaden lebendige Vorſtell⸗ Träfte, die indeß ſelbſt nichts anderes vorzuſtellen haben als wieder Vorftellfräfte ver intelligible Stoff der körperlichen Dinge find. Die . Monade um, fagt Leibniz, die fi im Mittelpunkt befunden, würde nichts als einfache Weſen ſehen, aber die außer dem Mittelpunkt, die einen näher, bie andern entfernter von ihm ſtehen (und in dieſem Fall befinden ſich außer der Urmonas, Gott, alle andern); jeder von dieſen verſchieben und durchkreuzen ſich die andern Monaden dergeſtalt, daß eine verworrene Vorſtellung damit entſtehe, und dieſe Verwirrung er⸗ zeugt das Bild des ausgedehnten Weſens, der Maſſe, der Materie als bloßen Aggregats. Es gab eine Zeit, wo dieſe Theorie Gegenſtand unenblicher Für⸗ und Widerreden mar. Der menſchliche Geiſt iſt ein Weſen von: langſamem Wachsthum, aber er wächst doch und erſtarkt zuletzt ſo weit, daß er Hypotheſen, die ihm alles Materielle zu bloßem

So erzählen bie von Napoleon- mitgenommenen Naturforſcher, u. a. Geoffrey ©. Hilaire.

A

Schein oder Phänomenen, wie ber Negenbegen, mndjen (Beitai, IHR hat tiefe Bergleihung), daß er ſolche Erliäzungen und lieber leine als eine ſolche well.

Wie abſtechend gegen foldie Mänflichleiten if Sofamet Anl tiefer Naturſinn, der allein zum Weſen der Materie als feldier vw gebrungen, wenn er als ben Grunbcharalter berfelben bes Sun, als ihre Grundkraft bie vis inertise beſtimmte! Deum-wie jekfichher Unmuth über das nicht erreichte Ziel anders amtfpredien, als ku Unluft und Berbroffenheit, ja. darch Widerſtreben gegen jebe anker Bewegung? Und fo bürfen wir wohl auf allgemeine Zufimg rechnen, wenn wir fagen: "ein jebes Ding feh fo weit ein matericke ale wir in ihm ein Stehengebliebenes, Stodenbes, vom Zul Eiy baltenes und darum aller Bewegung Abgeneigtes empfinden; was jur Unluſt im Thier überwindet, ift nicht mehr materiell.- Aber das Be terielle ift nur eine Beſtimmung an der Idee, eine Affection bereite. Was werben wir alfo von der Idee felbft jagen? Gewiß, daß fie a dem zufällig Materiellen nicht untergebt, fonvern bleibt und fih fe bauptet, amı jichtbarften freilich in ber befeelten Natur, wo nicht Bei bie materielle Seite der Idee, ſondern was an der Ivee die Pre fi (Das eigentliche addog) ſich findet. Doch fteht ja die Seele auch kan jenem. Die Idee bleibt alfo unter dem Drud ver rüdgängigen Be wegung, und ift durch Diefen nur um jo mehr an fich felbft gewicſes und zur Selbftbethätigung aufgefordert. Nur fo begreift ſich das mm- nente Schaffen ver Idee, bie nicht aufer ben organischen Weſen, jendern in ihnen felbft, nicht mit Bewuntfeyn und Abſicht, fondern lediglich ven ihrer Natur getrieben, das diefer Gemäße, foweit es die Macht des Zu fälligen verftatten will, hervorbringt und das Hervorgebrachte gegen cher dieſes befchügt. Es ift die Idee, welde der Schnee ober einem anten auf gleicher Stufe -ftehenden Thier das Organ wieder erſetzt, das if entzogen wurbe, bie Idee, die im höher geftellten Thier, wenn durch innere Urſachen fein Leben bebroht ift, zur eng deſſelben bie heftigiten Bewegungen aufbietet. Ä

Aber wir müffen Schritt vor Schritt gehen, und noch nichte vom

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Befondern vorausnehmen und im Allgemeinen bleiben. Was nicht vor⸗ wärts kann, geht zurüd, gilt als Ariom. Was in einer ihm natürlichen Bewegung aufgehalten wird, tritt in ſich ſelbſt zurück, ohne daß die vorausgegangene Bewegung dadurch vernichtet wird. Die natürliche Mitte biefer beiden Bewegungen, bes Vor⸗ (dem Ziele zu) un bes Zurüd- gehen, ift die Ausdehnung, die nächte Stufe nach der reinen Ma- terialität, was indeß nicht verhindert, daß es Stellen gebe, vielleicht wäre es fogar möglich zn beweifen,*- daß foldhe Stellen vorkommen müſſen, namentlich wo fi die Natur erſt ten Stoff zu neuen Schö- pfungen bereiten muß Stellen, wo fiatt der wirklichen Ausdehnung zwar nicht jogenannte Atome, aber bloße PBotenzen der Auspehnung übrig bleiben. Ja wer könnte als unmöglich ermeifen, daß durch fort⸗ geſetzte Negation der wirklichen Ausdehnung Weſen von Weſen entſtehen, die nur noch Ausdehnung verſuchen? Man hat die eigenthümlichen Bewegungen möglich kleinſter Theile von übrigens unorganiſchen Kör⸗ pern, wie fie zuerft der ſinnreiche R. Brown beobachtet, wie es fcheint iallen lajjen, weil man mit ihnen nicht8 anzufangen wußte, gerade fo, wie man nad) den zahlreichen und mit gerechtem Antheil aufgenommenen Beobachtungen der Infuforien vergebens bis jet die Antwort auf noth- wendige und unabweisdiche ragen erwartet hat. Es ift eine ſchöne Sache um das fogenannte deufende Betrachten, wenn. bie Phänomene jo weit entwidelf find, daß Tie felbft ſchon Gedanken ausſprechen, aber e8 bevarf unabhängiger Gedanken, neue Verſuche zu erfinden und diefe auf. Gebiete auszudehnen, wohin fie fich bis jetzt nicht erſtreckt haben.

Ausdehnung im Actus gefehen, ift, was bei lebendigen Weſen als turgor exrfcheint, aber fie ift nichts für ſich, nicht ohne etwas das jich ausdehnt, was alfo an fich Negation, bloße Potenz der Aus- dehnung ift. Aber auch bei der Ausbehnung im Allgemeinen ift nicht jtehen zu bleiben. Was nicht in eim anderes aufgehen kann, indem ihm das wahre Seyn ift, muß fuchen für ſich zu ſeyn. Alſo nicht bloß ſeyend will das mit Nichtfeyn Bedrohte ſeyn, ſondern für ſich ſeyend. Wir ſprechen von einem Wollen, dieſes Wollen in den Dingen iſt was

das urfprängliche ift, aber nicht das mrfpränglidhe, feuern bus Mi erregte. Bär fid fern heißt mit: Ansichliefung alles ander jr Im der Ipeeniwelt, wie wir fie bargeftellt, war Feime gegemjeitige Is | föliehwng, ab in anderm Cimm- wahr, als in welchen ein Ike es von ben .erfcheinenden Dingen gejagt, jenes heratleitijche Wert, 1a nichts bleibt (für ſich nämlich), alles weicht (öre Obödr- nöre; are zopsi). Ya der intelligibeln Welt war jedem boramsgehenben Meat beſtimmt, einem folgenden Naum zu geben (das heißt zwgeze) mb ihen aufgenommen zu werben bis zum letzten, worein alles aufge folkte. „Hier war alſo fein Raum, den jedes für-jid, mtb | fließung alles andern hatte, ſondern mm ein umtheilbares San, je zu fogen nur Ein» Butt, aber in bem doch intelligibler Weile ld | begriffen und au jeiner Stelle war. Deulen wir mum aber biefen derh das Ganze hindurchgehenden Zug unterbrodyen umb eim jebes in ham alle entweder ganz ins Nichtſeyn zurüdzntreten oder ſich fe m behaupten, fo wirb jedes auch feinen Raum für fich nehmen, v. f dit andere tavon auejcliegen, und der Raum, in bem jebes mit Ink ſchließung alles andern ift, biefer ift nicht der Raum überhaupt, fonden nur der finnlihe Raum Man hat es fi) mit Raum md Zain neuefter Zeit allzu bequem gemacht, indem mean jenen als bie dem tes Aufereinanberfeyns, dieſe als bie Form bes Nacheinanderfeyes Kker haupt erflärte. Denn wenn dem räumlichen Aufeinanderſeyn ud ten zeitlichen Nacheinanber in ber intelligibeln Welt nicht vorgeſehen iR, fe müßte, wenn diejes eintritt, ein finnlojes Durcheinander entftchen u alles drunter, unb drüber gehen: ganz im Gegenteil zeigen die un einander folgenden Erdſchichten eine fo gefegliche, der Ratur oder Ser eines jeven Geſchlechts fo weit entſprechende Folge, daß wir ul ea ignen gleihfam eine Erinnerung der Ideenwelt erhalten denlen Fame Aber vielmehr, wenn das finnlihe Außereinander ohne Borherbefim mung ift, muß ſchon in ber intelligibeln Welt ein volfonmenes Dur einander feyn, voransgefegt, bag man ihr überfaupt etwas Weſenhaft⸗ umb nicht völlig wefenlofe, abſtracte Begriffe zum Inhalt gibt. Wet fol aber in dieſem Hall dad Anseinandergehen, und wozu lau d

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helfen, da ans Wefenlofem unter allen Umftänden nur wieder Wefen- loſes entftehen Tann?

Bei den Erörterungen über den Grunbfag des Widerſpruchs ift bereits gezeigt worden, daß ſchon unter ven Principen ein folcher Unter: ſchied ift, daß 3. B. das rein nicht ſeyende mit dem rein jeyenden, aud) dem Denken, nicht an berfelben Stelle jeyn kann, infofern im Denken jevem fein eigner Ort zufommt. Dafjelbe gilt aber von der ganzen intelligibeln Orbnung ter Dinge, daß jedes nur an einem beftimmten Drt feyn Tann, und umgefehrt diefe beftinmte Stelle nur diefem und feinem andern Weſen zufommen Tann. |

In der intelligibeln Welt, fagten wir, hat jedes Wefen feinen ihm mit Nothwendigkeit zukommenden Ort, aber es ift nicht der Raum, ber ihm feine Stelle beftimmt, ſondern bie Zeit. Jener intelligible Raum ift eit Organismus von Zeiten, und dieſe innere,” durch und durch orga- nifche Zeit ift die wahre Zeit; die äufre, welche dadurch entfteht, daß ein Ding außer feinem wahren Wo und nicht an der Stelle ift da es bleiben Tann, hat man mit Redt vie Nacheiferin ber wahren (semula 'aeternitatis), nämlid jenes intelligiblen Organismus ber Zeiten genannt, den man fi ja auch allein unter ber Ewigkeit denken fann. Denn fie führt alles und jedes wieder an feine Stelle und ben in gebührenden Ort.

Mit dem zufühigen Seyn ift das zufällige Wo, mit biefem noth⸗ wendig Unruhe, d. 5. Bewegimg verbunden, und der intelligible Zu- ſammenhang verwandelt fidy in den finnlichen Raum, deſſen Natur die vollfonimene Gleichgültigkeit gegen feinen Inhalt ft. Nicht alle Wefen aber haben. ein gleiches Verhältniß zum Raum. Es ſcheint natürlich, daß diejenigen unter ihnen, die ſchon an ſich oder metaphufifch ver Materialität mehr entrüdt find, weniger von der rückgängigen Bewegung leiden, als bei denen das Gegentheil der Fall ift, und daß jene darum ihr intelligibles Verhältniß mehr bewahrt zu haben fcheinen, weniger jener zufälligen Bewegung unterworfen find, die damit gefeßt ift, daß ein Ding aufer feinem wahren Wo fich befindet, wie e8 jchon bei den Plaueten nur ein kleiner Rud ſcheint, der fie ihrem Ort enthebt und

haupten. Auf ſolche Weije an den Ort gebumben, immer in gleicher Entfernung ven andern, im Genen bewegt, feinen fie üßer bie Unruhe ber beſeelten Welt erheben, im Thierreich wenigftens von dem allem as Gegenteil fiatifuhe, So, wie durch jelige Anſchauung feftgehalten, Fonmten fie der Gotik näher erfcheinen, wie Ariftoteles ſelbſt hierin noch altorientafifcher Bw fiellung nahe ift, welche die Sterne für willenloje Diener bed Ur hochſten anfieht, deſſen Thron .fie- umwandeln ımb deſſen Mille in Himmel geſchieht, während auf- Erden ein anderer fich vollzieht. In der That, umter allem Sichtbaren find die Sterne der Form ver & ſtenz nach noch am meiften den Ideen gleich, und wenn fie paid betrachtet and Förperlichen Dingen zu beftehen ſcheinen: was fie tik, das eigentliche Geſtirn in ihnen ſtellt ſich als ein rein Iuteligiie dar. Ein andres ift alfo das Verhältniß zum Raum bei dieſen Bee, ein andres bei denen, welche ſich bein Allgemeinen ganz entrifien, fh zu einer Welt für ſich gemacht haben ımb den Kaum in fid in. Das bejeelte Weſen ift nur dur das, mas an ihm Materie iſt, a den Planeten gebumben, feinem eigenen Selbſt nach frei vom Di, jedes Pflanzenindividuum zwar an einen beſtimmten Ort geheftet, deh daß ihm als ſolchem diefer gleichgättig ift. Noch mabhängiger von Raum als ſolchem ift das Thier, in welchem mit dem Uebergewigt der Seele jenes Wollen, das Princip der Selbſtheit, des für-fih-Scwh alfo der Unabhängigfeit vom Allgemeinen, zu voller Energie gelangt Rt Nur für die Zwede der Fortpflanzung, in welcher bie Eigenheit gl ſam ficbt ', das Individuum ter Gattung, d. h. dem Ewigen fast Weſens, dienſtbar wirb?, kennt das Thier eine Heimath, einen Ort is Bleibens, der Zugvogel fehrt zu dieſem Ende aus größter Ferne zu demjelbe Ort zuräd, felbft der Meufch, foweit er eine Heimath keunt, at fie um durch feine Geburt, ober-inwiefern ſelbſt Gründer eines nenen Gefclentt.

* Morimisento (das befannte Suariniſche) Oruro res eG (de rodro ddvaror, 7 xündıg xal ı yanydız. Pl Sympoe. p. 206 C. ®gl. Aristot. de Gener. Anim. II, 1; de Anim. I, 4

. Is E

431 Es liegt Thon in dem zulegt Verhandelten, daß auch bei. der bloßen Ausdehnung nicht ſtehen zu bleiben if. Denn nicht bloß feyend ver- langt jedes zu ſeyn, ſondern für ſich ſeyend, für ſich ein Ganzes und gegen alles andere ſich abſchließend. Alſo auch nicht bloß Ausdehnung verlangt es, ſondern nach allen Seiten abgeſchloſſene Ausdehnung, d. h. Körper zu ſeyn. Nur die Idee aber iſt das Ganze, auch das Erſcheinende alſo wird nur ein Ganzes feyn, inwiefern Bild ver Idee fetbft, der vier Principe.

- Dagegen ift num einzırwenden, daß dieß von der ımbefeelten Welt nicht zu denken. Hier fehlt allerdings, was jedes erft zum Ganzen macht, das e/dog, was an der Idee eigentlich die Idee iſt. In ihnen ſelbſt (den unbeſeelten Dingen) iſt e8 nicht, ber Yorfcher ſucht es für ſie, aber in ihm unerreichbarer Ferne.

Je mehr in einem Weſen das Stoffliche überwiegt, deſto weniger lebhaft feine Bewegung zum Ziel, deſto unerkennbarer fein Wohin !. Gegen ſolche Dinge, die von ver Idee nur die materielle Seite in ſich haben, verhalten yir und wie ein Menſch, der einzelne Töne vernehmen, aber in einer Folge und Verkettung berfelben die Harmonie nicht em- pfinden Fönnte (einem foldyen wären bie Töne bloße Materie), oder der in einem: Gemälde nur Farben und eine bunte Fläche jehen könnte wegen linvermögens zur Ioee des Bildes ſich zu erheben. Eine Eigen- fchaft des bloß Materiellen ift darum, gegen alle Theilung gleichgültig zu ſeyn (was man gewöhnlich als unendliche Theilbarkeit ausfpricht), während fein Organiſches als ſolches theilbar iſt, ja überhaupt nichts, worin nur überhaupt eine Idee ift, auch nicht 3. B. eine geometrifche Figur, die nur entweder ‘ganz ober gar nicht, alfo etwas Untheilbares it, wenn man unter Theilung bie wirkliche Abfonderung eines Theile vom anbern ober vom Ganzen verfteht.

Dieß alles fey zugegeben, und nur erwänfcht fünnte es ſeyn, noch einmal auf das Unorganifche und Unbefeelte zurückzukommen, zu beffen

' 16 00 dvma juıdra dıravda Önlon Omov mlsisrov dis ding. Aristot. Meteorol. IV,. 12.

Ustterfejiede vom Befeelten wir noch dieſen fügen wolle; deh je näfe . dem Menſchen, deſto zufälliger und wechſelnder bie (Energie, mit da ein jebes ſich behauptet und die feine Iudividualität Keftimmt, möhret daſſelbe Metall immer mit gleicher Energie befteht, fo daß, im del

hier etwas Subivibuelles geſucht wälrde, ein gemmeinfchaftlicher Urfprm | aller Metalle anzunehmen, und die Arten, Eifen, Gold u. f. m.,ı# Inrioiduen zu betrachten wären. Aber allen Dingen, aljo auf du

unbeſeelten, ift das Wohin gemein‘, eimem jevem im ber Bang | zur Seele das, wodurch es zum -Gangen gehört und ſelbſt ein Guns iR. Alſo, wenn es auch, daß ich fa fage, im feinem Materichen di Seele nicht erreicht, in feiner Bewegung ift fie ihm und als-Zil, & ſelbſt daher doch eine Darftellung oder Bild ber vier Principe Ihr fo iR es Körper. Ich halte für überfläffig, auf das Bereutlam diefes an ung aus bem Jateinifcen gekommenen Wortes zu erimmem

Das griechiſche anne, wenn als Zufammenziehung von owane (m | oLsFeı) genommen, faun entweder als das Ueber» oder Zuridie bliebene erklärt werben, wo aber daun allerdings uux yie umterile Sit bes Körpers ausgedrüct wäre, angemeſſener aber gewiß dem fhaffake Genius der helleniſchen Sprache wäre zu fagen: es bebeute bab ari de Ideenwelt Errettete, in bie Welt ber Freiheit und ber Berämberfichleit (er tommene, Was aber feinem Zweifel unterworfen, ift, daß das Wort mi 0öos (ooüs), ccõc. ganz, vollfommen, dem nichts abgeht, zufaumenhäng. Zum Schluffe dieſes Vortrags halte ich nicht für undienlich, mel ſich uns über bas Berhäftniß des Meteriellen und Körperlichen ca, in einem kurzen Sage auszuſprechen, und fage zu dem Ende: Dur del Materielle Hat bas Körperliche mm einen Bezug zur Gimpfinbung, bar das Körperliche das Materielle ein Berhälmig zum Denten ober zus Geifte. Das Körperliche ſchreibt ſich nicht vom Materiellen als folden ber, fondern von den Principen und ber im Materiellen fortwiriada

ee, die ſelbſt nur eine: Verbindung ber Principe if.

Töv ureab) (eig üügg nal eig oisiag) nal touren rei dech In

cov. Ariat, "Meter. I. —æe— Dieh Ivand cow Een weil unbeierk. Bi ihnen bie Orc, Ye ni In innen IR, aber im Bez dv ddp ei pin

Neunzehnte Vorlefung.

In der legten Borlefung haben wir den intelligibeln und ben finn- lichen Raum unterfchieven.- Nimmt man indeß aus dem Ießten alles finnlich Empfindbare hinweg, fo entfteht der abftracte oder mathematifche Raum, der wieder intelligibel, aber doch bloße Hyle ift intelli- gible Hyle, wie ihn Wriftoteles bezeichnet ', Hyle, weil er alle Be ſtimmungen aufnimmt, ohne felbft das Beſtimmende zu feyn, intelligible, weil die Beſtimmungen Beftimmungen des reinen “Denkens find. Im ihm ſelbſt alſo iſt nichts Principhaftes, inſofern hat alles bloß räumlich Vorgeſtelite nur materielle Bedeutung, und es haben darum die Pytha⸗ goreer und nach ihnen Platon alles, was an der Linie oder geometriſchen Figuren Ausdehnung iſt, bloß zum Stofflichen gerechnet und das Be- griffliche (rO sddntexdv) derſelben mit Recht in die Zahlen geſetzt (denn: die Folgerung, durch welche Ariftoteles vie Lehre von den agıd- poig slöntıxois zu beftreiten fucht, trifft nicht die Sache an fi). Die Linie ift ihnen dem Begriff nach nur die erfte Zweiheit, die Fläche wie erfte Dreiheit, die Vierzahl ift die Zahl bes Körpers, venn mehr als vier Punkte find zu dem Körper N der einfachften Geftalt, der breifeitigen Pyramide, nicht erforberlich ?.

l ‚Metaph. VII, 10 149, 9 se): van 7 nv —W isew, n dd vonen' vonen ö3 N dv rols —* urdpyovda, un 7 alsdnrd, olov cd nadnnarınd.

2 Sext. Empir. adv. Logicos I, sect. 100: Ja» rap rpıcl Snualoig rirap- coy daampjsayaı Önuslov, mvpaulc ylveraı, önsp dn npörov ddr: drspsov dauaros dyäna. Derſ. adv. Arithm, 5. Bergl. auch Philopon. ad Aristot. de An. bei Brandis Diatr. cit. p. 54.

Schelling, fammtl. Werke 2 Abt. 1. 28

Sie fehen: diefe Auflheung hat einen malen Bezug auf tn der letzten Borlefung Behauptete. Denn wie mach biefer Bee ie Figur des Körperlichen aus vwier wutereimaufber werbunbenen Yaalln entfteht, fo, fagten wir, eutfiche das Körperliche felbi darth bie En binbfing der vier Principe. Es ift umabtneifich bie zu verfalgen, im and) dieß gehört zu bem Abfchluß mit ber Wergnmgesheit, der ui ef erlaubt, in die neue, bis jet bloß voramßgefchene Welt fertupien. Außerdem ift zu erwarten, daß dieſe Unterjuckung -auf eine pricchih Ableitung der brei Dimenfionen bes Körperlichen führen wird, mi das bis jet in ber Pfilofopfie vermißt wirb; be fühen mit Bye bung ber Dreizahl berfelben if fie bis jeit im Wichfanb geilen Selbſt Ariſtoteles, dem das Prineiphafte im ben Dimeufiouen im Ib gemeinen nicht verborgen geblieben, fucht nicht ans ihrer innern Reim, fonvern gegen feine Gewohnheit aus ganz außerhalb ver Suche liegend Allgemeinheiten die Treiheit abzuleiten. Denn im Anfang feiner Bade vom Himmel beweist er diefe, over daß es aufer Linie, Fläche m Körper feine Größe gebe, nur baraus, daß brei überall bie Zahl de Vollendung jey, weßhalb die Pothagoreer, auf die er fonft nicht let in dieſer Weile fi beruft, jagen: fie ſey bie Zahl des Allt, den durch Anfang Mittel und Ende ſey alles beſchloſſen; von ver Linie ja ein Fortgang zur Fläche, von ber Fläche zum Körper, aber vor is Körper ſey feine weitere Ekbaſis, denn ber Uebergang gefchehe in delt von Mangel, nicht aber könne das Bolllonmene mangelhaft je. Dide fo ungenügenden Ableitung ' ſetzte fpäter, in ber Zeit, als bie biche von Ariftoteles bezauberte Welt fi) von ihm zu befreien firebte, Gabi den geometrifchen Beweis entgegen, daß in bemfelben Punkt nicht mc als drei gegeneinander fenkrechte Linien fich durchſchneiden Esmem’.

' Man müßte fih darüber wundern, daß ſchon Arifioteles nur das Allgeme. nicht das Beftimmte von ben Pythagoreern genommen, das unſtreitig von dent an tie platonifche Schule gekommen war, wenn man nicht annehmen türfte, du in ber untergegangenen Schrift ep pılosopiaz, aus welcher im erien Bud von ber Seele hieher Bezügliches, leiter flüchtiger als ein heutiger Leer wüniket angeführt if, jenes Pythagorifh-Platonifche ausführlicher erwähnt war.

? Galilaei Systema cosmicum Dial. L

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un

Weiter hat ſich die ältere Philoſophie mit der Frage nicht beſchäftigt; denn auch Leibniz, ver fo viele Aufforderung dazn hatte, ſpricht, auf GSaliläi fi) berufend, nur von der genmetrifchen Nothwendigkeit ‘, welche wohl jagt, daß nicht mehr als drei Abmeffungen fern können, nicht aber daß drei nothiwenbig fine.

Erft einer ſpätern Philoſophie gab Kants Conftruction der Materie ans zwei Grunbfräften, eine Eonftruction, der man den Vorwurf machen feunte, daß fie fein Mittel barbiete bie ſpecifiſche Mannichfaltigfeit der Materie zu erflären, Beranlaffung auf die Dimenfionen zurüdzulommen. Indem fie nämlich bie Qualitäten der Stoffe und Körper beftimmt glaubte durch deren verſchiedenes Verhältnig zu den brei Hauptformen, eber wie fie fih ausprüdte?, Kategorien des dynamiſchen Proceſſes, Magunetismus, Electricität, Chemismus eine Anficht, die den. fpä: teren Ergebnifien der Voltaſchen Säule und der ſinnreichen Davyſchen Berfucyen eine überraſchende Beftätigumg verdankte —, indem fie ferner, wie fich gebührte überzeugt, daß die Anzahl und bie "Aufeinanderfolge biefer Formen in der Natur keine zufällige feyn könne, biefelben auf bie brei Abmefjungen des Körperlichen zurüdführte, mußte in letzter Folge bie Frage nach dem Grund der Dimenfionen ſelbſt am bie Reihe kom⸗ men. Um fo mehr mußte dieß geichehen, wenn man bemerkt hatte, wie die reelle, principielle Bedentung der Dimenfionen erft in der orge- niſchen Natur ganz offen liegt. "Der unorganifche Körper hat sın ſich weder rechts und links, noch oben oder unten, noch vorm und hinten, fonbern wir beftimmen biefe Unterſchiede bloß nach feinen Beziehungen zu und®. Entweder nämlich nennen wir recht, was unjerer Rechten entfpricht, oder wenn wir fie in- umgelehrfer Stellung uns benfen, rechts was unferdt Linken, links was unferer Rechten, vorn was unferm Vor⸗ bern gegenüber, hinten was von biefem abgewendet fteht, ohne daß in ven Gegenſtänden felbft ein folcher Unterfie wäre; denn wenden wir

‘.Theod. $. 851 extr. 2 Allg. Debuction bes bynamiſchen Proceſſes oder der Kategorien ber Phyſik,

in der Zeitfehrift für ſpekulative Phyſik, Bd. I, Heft 1 und 2. ? apog nnäg &rarapsoovres. Aristot. de Coelo II, 2.

flo um, fo iſt mas rechts Linie, mas hinten morm gemorben ‘; Ai den tiefften Gtufen alfo find bie drei Abmeſſumgen mn gleitſan te

Form, oder wie wir frühen Erklärungen zu folge jagen’ fünnen, ie |

Sutentiom nach, ohne ifren ‚eigentlichen uhaltz ſelbſe Sei den ngf mäßigen Zryftallen, wenn and) einige im Berhäftmif; zur Clecteicität ar gas fogenannten Licht· Polariſation die ſchwache Spur eines Unterfäiht der. Geiten zeigen, hängt es von mE -ab, was wir rechts ober ini, oben oder. unten nennen wollen; umb zu wirklicher Bedeutung gelangm dieſe Unterfehieve im Organiſchen eigentlich nur im beſeelten güchen unter benen wieder. der menjchliche am-wenigften ein Bloß formel, wielmmche der ausgejprochenfte von allen ift, wie er bie ganze- Ice uf wirklich enthält. Das- Stufenmäßige der orgamifchen Bildungen fiht im genauften Verhaͤltuiß zur Auseinanderſezung und wirllichen Uni ſcheidung der Dimenfionen. Die leiſeſte Veränderung ihrer Berhälsike verändert den ganzen Tppus. Diefelben Muskeln, die den Kepf da Thieres zur Erde ziehen, richten, nad, hinten gebracht, gleichfum ch Vergangenheit geſebt, das menſchliche Doupt in bie Höhe. Dark ie ganze auffteigende Linie bes Thierreichs kann man bemerten, wie te Herz immer mehr von ber rediten Seite oder ber Witte nach der ini vorrüdt. Diefen Leitfaden in her Hand wirb es Leichter ſeyn, bie ff artige Ummanblung einer unb berfelben Urform durch bie game Tale organischer Weſen aufzuzeigen, und ben Gebanfen auszuführen, ber dem bloß außerlichen Claflificationg- Beſtreben gegenüber einen fo herein Anwalt in Geoffroy St. Hilaire gefunden, einem Manune, ber mir deßhalb eines bleibenden Andenkens werth ſcheiut.

So viel Aufforderung zu einer allgemeinen Grörterung vum primeipiellen Wbleitung der Dimenfionen bot ſchon die Beobätktung ınb Erfahrung. Vorausgehen aber mußte eine Rücktehr auf bie Prinche und eine Ergrünbung berfelben,.weldhe ſelbſt mu flufenweife zu ercifen war (denn in feiner Sache ift das Letzte fprumgmweife zu erreichen). Dei halb war für biefe Erörterung auch von nachfolgenden Berfucen mich

' Ibid, p. 38, 3—10.

437 zu erwarten, deren angebliche formelle Verbeſſerungen mehr von ber Sade ab, als, wie fie meinten, zuführten, und überhaupt zu der un⸗ mittelbar vorausgegangenen Philoſophie nichts Binzufügten, als Allotria, d. h. zur Sache gar nicht Gehöriges, obwohl gerade die Bedeutung und das Verhältniß der Dimenfionen eine Seite barboten, an der einer zeigen konnte, daß er bie immanente Dialektik befige und auf wirkliche Dinge anzuwenden verſtehe, bie ſich nicht wie leere Begriffe nach Be- lieben bin» und. herwenben laſſen. Denn ſchon das Amphibolifche viefer Beitimmungen, das im gemeinen. Gebrauch fich zeigt und fchon hier obne principielle Entfcheivung nicht ablommen läßt, würbe auf eine dia⸗ leltiſche Erörterung führen. Um. nur einiges biefer Art anzuführen, jo wirb, wer an dem einen. Ende einer Tafel figt, fich nicht befinnen, - bie Ausdehnung derſelben von feinem bis zum entgegengejegten Ende bie * Länge gu nennen, bie Erftredung von feiner Rechten zur Linken bie Breite, die Erhöhung der Tafel über den Boden die Höhe; es -fcheint alſo, daß ihm Länge nur bie größere, längere Ausbehnung bebeutet, nicht was nad, wifjenfchaftlicher Beſtimmung Länge - ift, wenn, wie Ariftoteled behauptet, da8 Oben Brincip der Länge ift. Für die Dide wirb ihm nur bie Höhe übrig. bleiben, . wie denn im -Pateinifchen Höhe (altitudo) fogar gewöhnlich für Tiefe gebraucht, und für Dicke allgemein auch Tiefe gejett wird. Bei einem Strom wird Ränge infofern richtig gebraucht, als die Gegend, von wo er herkommt, zu der, nach welcher er hingeht, in der That ſich wie oben zu unten verhält, Tiefe inſo—⸗ fern, als in weiterer Bedeutung vorn iſt, was wir von einem Gegen⸗ ſtand ſehen, hinten, was uns verborgen iſt. Nehmen wir aber wieder - bie Tafel vor, fo wird, im Widerſpruch mit dem Erſten, der, welcher an ber langen Seite figt, etwa um zu jchreiben, was er vorhin Länge nantite nnd ihm jett rechtd und links ift, die Breite nennen; ftatt von Länge, was ein zu allgemeiner Ausdruck jcheint, wird er nur, von Höhe ſprechen, die Tiefe wird ihm übereinſtimmend mit dem gewöhnlichen Spradigebraud der Abftand feyn von der Seite, wo er fidh befindet, zur entgegengejegten. Hieraus erhellt, daß nad gemeinem Gebrauch nichts Feſtes und Sicheres in den Beſtimmungen iſt, indem ſie je nach

der Stellung Des Redenden wechfeln, und gleiche Verlegenheit, we akt größere, verurjacht bie Unterſcheidung namentlich bei vierfüßigen Tas; denn nienand wird, mad) der Länge eines Pferbs gefragt, amftchen, tet Maß derjelben von vorn nad) hinten zu nehmen; aber nad Arifetild iſt diefe Entfernung bie Dide, und wen man deſſen Beftimmunz fir die Länge annimmit, jo müßte man entweder zwei Längen zulaſſen, der Höhe um Länge unterſcheiden, daun aber noch Breite und Dide kant gubringen ſuchen, wounach dann ftatt drei vier Abmeffungen heraustinn.

Über wenn wir nun zurückgehen auf das, mas unabhängig vn ver gegenwärtigen Unterſuchung ein und Feftftehenbes ift, buf der Kine ein Ganzes, it ſich Vollendetes, die vier Principe Zufanmenfclichete ſey, fo wird ſich zwar ber Uebergang zu den Dimenfionen ohne Mik finden, indem es jhon bie ben Principen gegebene Folge ud tl gegeneinander mit ſich bringt, daß das erfte durch jeine Verbin mit dem zeiten nicht bloß diefem verbunden, fonber auch bem britin und durch biefes bem vierten vermittelt ift, was ebenſo and, umgeht oder im abfteigenber Ordnung gelten muß, wodurch alſo brei Bei bumgen entftehen, die im Materiellen, alfo Ränlichen, nur als cherfe viele Abmeffungen erſcheinen köunen; gleichwie demm and) im ber Tei jede Abmeſfung ſich 0lB eine Berbinbung (vonjugatio oder avfeyia)' von zwei terminis erweist, oben unb unten, rechts und Iinfs,. vom und hinten, womit ber ganze Körper gegeben if. Wenn es mm aba an bie wirkliche Wbleitung geht, wird ſich der Anfang nicht ohne vorank

gehende dialeltiſche Erörterung finden laſſen.

Dem e& wird mar jeber geneigt fein zu antworten: bie ek Dimenfion fey bie Länge. ber, wie ſchon bemerkt, ift dieß gan = beftimint. “Denn-die reine Linie iſt dad Maß jeder Entfermmng, alle auch jeder Abmeffung. Der Sinn der frage ift, welche termini bie der erften Berbinbung find, ob oben unb unten, ober rechts und links, ober vorm und hinten. Nun fommt aber hier noch ein anderes in Betracht, daß nämlich in jeder Verbindung. bad eine gegen das anbere als det

* De Anim. Inc. c. 2, p. 128, 12.

Borzügliche, ja wie Wriftoteles jagt als das Beſſere: geachtet ift, das Obere gegen das Untere, das Rechte gegen das Tinfe, das Vordere gegen das Hintere. Ariftoteles verfchärft dieß noch, indem er nur eben dieſes, was in jeder als das Edlere gilt, als Brincip beftimmt?, gegen welches das andere fih dann nur als Materie, beziehungsweife nicht Seyenbes ober Leidendes verhalten kann?. Nun möchte aber leicht auch zwifchen ven Verbindungen felbft ein ähnliches Verhältniß feyn, und je bie folgende dadurch entftehen, daß in ihr bie vorhergehende zur Ma- terie, zum relativ nicht Seyenden wird. Das Kennzeichen dei erften Dimenfion wäre demnach, daß hier beide Verbundene Principe wären, wenn auch nicht gleichgeltende, fondern das eine dem anbern unterthait. Fragen wir aber, in welchen von den Berbundenen am meiften Princip- haftes ſey, jo werden wir nicht vermeiden fünnen zu fagen, daß am meiften rechts und links das Anfehen von Prineipen haben. Denn bie Pythagoreer 3. B., welche ven Urgegenſatz auf fo verſchiedene Weile aus- zudrücken verfucht haben, als Grenze und Unbegrenztes, als Gerabes und Krummes, als ungeräbe und. gerade Zahl‘, haben das minder Gute dem Beſſeren nie als Unteres dem Oberen, ober ale Hinteres dem Vorderen, wohl aber als Linkes dem Rechten entgegengefegt. Ari⸗ ftoteles tadelt fie zwar, daß fie allein dieſe beiden (Rechtes und Linkes) Brincipe genannt, bie vier andern aber, bie um nicht8 weniger principe ähnlich ſeyen (weiterhin meint er fogar, fie jenen noch eigentlicher als jene fo zu nennen), daß fie dieſe ausgelaffen. Allein er ſelbſt

"zo Bllrıov xal zo Tuuorapor. De Part. Anim. IT, 3 extr. 2 Inadrov (rav zpıöv) olov apyn rıs ‚deriv, To uiv dvo Tod UN-

xovg ar ro ds Ösfiwv rov aAarovs, ro ds noüodev zou Auhovg. De "Coelo II,

® dei ydo , eunudrapov To moroiv dob madyorrog, nal n doyın rüg var.

De Anim. UI, 5.

* Metaph. I, p. 17.

® Auo xal röv Ivdayopsiov av Ts vapudios (weiterhin heißt 8: Sinauor, aurols immuan), örı duo uovag raurag rag aoyds 3Aeyov, ro desıov al ro apıszepov taz d3 cörrasag naoslızov —* nrrov xugiucç oudag (weiter-

bin: rag zupiordpa;). De Coelo II, 2 (p. 38, 11 ss. 25 s8.).

hätet ſich ſonſt, das Untere oder das Ginfere Primcip zu nenn, ut gewiß haben dicſe beiben weniger Mufpeuih fo zw beißen, alt hai, weil dieſes weniger als fie. materiell ‚bebingt iſt. mb ick anf le Autorität der Phthagereer, anf’eine weit ältere, die bea Safih der in der Bildung der Sprache gewaltet, grümndet es ſich, mem ni behaupten, bafı ber Gegenſatz peifdhen Unis ib reits ber fühl, und fchärfer fey, al® der von oben und unten, vorm mub hinten. Def beweist die allgemeinere Anwendung befielben. Deun ber fchärfie Gr genſatz ift doch zwiſchen bem was wir wollen und was wir wicht mein, nicht zwiſchen dem was wir mehr und dem was wir weniger weils; wir nennen aber unbedingt dad was wir wollen das Rechte in ker Nedensart: das ift mir recht, was wir nicht wollen das Unrechte yah felbft das Linke, wie in der Nebensart: er bat es links, d. b. gm unfern Willen, genommen. Und ganz das gleiche Verhältniß ift ja mm zwiſchen den beiden Principen, welche allein, wie es fchliehlich von jet ſich verfteht, den erften Gegenfat wie bie erjte Berbindung bilden füunen. Denn das erfte Princip verhält fih nach unferer Beftimmung zu vem zweiten al® Objelt der Negation durch daſſelbe, aber eben um negit, um als das nit feyende in bie Potenz zurüdgefett zu werben, mal es ſeyn, es ift alfo nicht an fi das Linke, fonbern wirb als foldes erft geſetzt, und daher an fich nicht weniger Brincip als das zweite. Daß alſo aud das Finke gegen das Rechte das Zurückgeſetzte, Geringer, weniger Edle ſey, braucht nicht geleugnet zu werben. Aber daß es um Uebrigen nicht ebenfo zum echten ſich verhalten könne, wie fi da# Untere zu dem Oberen, das Hintere zu dem Vorderen, würde ſchon aus der materiellen Differenz erhellen, vie zwifchen oben und unten in ber Pflanze ift (hier Wurzel, dort Blüthe), oder zwifchen Vorderem und Hinterem im Menſchen, während 5.3. das Iinfe Auge ganz genau was das rechte ift, bei einzelnen oft fogar fchärfer fieht.

Aber eben dieſe vollkommene materielle Inbifferenz, die wenigftend im Aeußeren des Thiers zwifchen der rechten und linken Seite wahr: genommen wird, drängt und num zu einem weiteren Schritt: eben dieſe

Gleichheit fordert ein höheres Princip, das zwiſchen gleichen Anſprüche

441

entſcheidet, und da im Gegenftand felbft nichts ift, das einen Ausſchlag gäbe, wie aus abfoluter Macht pas Rechte zum Rechten, das Linke zum Linken beftimmte; und wir können nad, diefer Wendung wahrhaft gleich fam froh jeyn, daß uns unabhängig von berfelben und zum voraus ein impartiales, fi) gegen beide Principe gleich verhaltendes Princip ſich als nothwendig ergeben hat, das, nachdem es in einer völligen Ausgleihung beider feinen Zweck erreicht, ſich in feiner Erhabenheit über beiden durch zwei parallele Bildungen verwirklicht, woburd bei volllommener materieller Gleichheit das formelle Recht eines jeden, fein Recht als Princip, jedem erhalten und bewahrt ift, indem, wo fein materieller Unterfchied mehr ift, doch noch der principhafte bleibt, wenn auch als ein bloß formeller. Oder wie anders könnten wir benfen jenes Wunder zu begreifen, das Wunder der burchgängigen ſymnie⸗ trifhen Bildung, zumal der höheren, nicht mehr bloß materiellen Zwecken dienenden Organe, der Bewegungs» und Sinneswerkzenge, gleichwie des Gehirns; wobei jelbft Arijtoteles ung verläßt; denn „beides (das Rechte und Linke) ſuche das fich Gleiche” ' (jo lautet die Erklärung) beißt doch in Wahrheit nichts jagen. Jedoch einzujehen, daß es Fein Rechtes und Linkes ohne ein Höheres gäbe, bevarf es dieſes Ab» firuferen nicht einmal; benn ſchon bloß räumlih, z. B. in der vorhin verzeichneten Figur (die wir als das abftracte Schema alles Körperlichen wohl gu Grunde legen können) ift in ver Linie a b rechts und Linke bloß potentia oder, wenn man will, für uns vorhanden; daß es wirk⸗ ih und im Gegenftand jelbft ſey, muß in dieſem ein Beſtimmendes angenommen werben, gegen welches das Rechte dns Rechte, das Tinte das Linke ift. Dieſes Beitimmende muß außer a b liegen, und Tann nur das Höhere in c ſeyn, und fo ſehen wir un® denn dahin geführt, dem Ariſtoteles beizuftimmen, ‚wenn er fagt: das Princip der Länge, das Oben fey eher als das Rechte, nämlich, wie er wohlbedacht hinzufegt,

! Tod uiv ow env pucıw röv Onldyyvar (wovon er gerabe geſprochen hatte und zu benen auch das Gehirn gehört) Iuyen alva, alrıov ro dio alvan ro dafıov nal TO dpıdrepov' dudrepov yap Gneel ro ouoov. De Part. Anim. 1ll. 7 (pag. 68, 21 ss.).

dem Werben ', d. h. doch unfreitig ver Wirklichkeit nad, m mi demnach wicht ensgefifoffen iR, ba bie Vreite pobantia (dunkel voransgehe, und auf ſolche Weiſe ſeyend, das Unten fen, weit Berbindung mit dem Obern nur gelangt, tubem es ben GBegedfeh, ie erfte Zweiheit, hervortreten TAßt, fi zur wirllichen Breite mat, us fih mit dem Dritten (dem Oberen) zu verbinden nud im ihm, wie wie gefehen, zwar nicht bie Biweiheit, aber den (materiellen) Gegeniet

Somit hat un ber: bicher Kofi dialcküſche Zöeg cf ci I wahren Anfang geführt, -auf den Aufang ver Entwidlung feld, deren Boransfegung das Unten ift, nub fragt man, wobu bil Element vorauögegeben fey, fo ruft uns vie Frage nun ſchon Erlemkt zurüd, jenen Schlag, ber die Idee in Materialität verfenkte, weike nun erft aus biefer aufftrebt und fich wieder aufbaut zum Gaumen, dei erft Bild der NRee ift, zum Körper zunächſt indem. fie die beder allein eigentlich entgegengefegten Principe auseinander treten Täßt. Dieſel Unten ift alfo eins mit der fogenannten erften Materie, dem in alen Körperlichen verborgenen und ihm fortwährend zu Grunde liegende primum subjectum (#0®@ro» Uxoxe/usvor), eins mit jenem ve tiven nichts oder nicht Seyenden, aus dem alle® wird, jenem Zufälliger das allem aus ihm Geworvenen den Charakter der Bergänglichleit ertheilt, dem fchwer Faßlichen allerbings, weil eben nur als Ausgangepunit za faffen, aber darum nicht Uubegreiflichen, denn ein Unbegreifliches it es nur denen, bie e8 als ein Urfprüngliches anfehen, während es und em Begriffenes, weil Abgeleitetes ifl. Im Verlauf diefer ganzen Entwitlug bat an verfchievenen Stellen die Materie verſchiedene Bedentungen, die felbft Platon und Ariftoteles nicht auseinander halten, und bie barım ihre Lehre verdunkeln. An der gegenwärtigen Stelle ift nur von be zufälligen Materie die Rebe; bier ift fie nicht Princip, fondern nur Re ment, Moment, das nur der erfte Anfag zur körperlichen Erfcheinung i.

| gporspov av ein ro avo rov defıad nard yivadıy, änel nollay& Adysraı co nporepor. De Coelo II, 2 (p. 88, 21). Im naͤchſt (19) unbefimmt: ro unxog rou midrovs mporepor.

443

Die erſte natürliche Bewegung des zur Materialität Herabgejegten ft die Wiederanfrichtung zu Principen, wodurch eben bie Dimenflonen entftehen. Weberlegen wir hiebei, daß jenes Unten nichts ift als Res gation aller Erhebung, daß es feiner Natur nach das Liegende, was ja au ſchon in den von ihm gebrauchten Ausdrücken (subjectum, vroxelusvor) enthalten ift, und daß ebenfo bie horizontale Dimenfion, die Breite, nichts anderes ift als das Gegentheil alle Verticalen, Aufgerichteten, fo faun es nicht auffallen, wenn wir jagen: jenes Untere ſey nichts anderes al8 die Breite jelbft, die Materie der Breite, die Breite alſo in ihrer Unbegrenztheit, wo fie noch nicht wirk⸗ liche und begrenzte, d. 5. Dimenfion ift. In diefem potentiellen Sinn aljo ift die Breite das Erſte, allem Vorausgehende. Die erfte Be wegung aber ift vie nach oben, aber das Oben ift dem. Unten nicht erreihbar, ohne daß bie entgegengefegten Principe -fih trennen ober . zweien; die Bewegung nach oben alfo ift das Wefentliche, vie Ziwei- heit, mit ihr die Breite, die wirkliche Breite, das Mitentftehenbe, Accidentelle, das nur im Obern fein Beſtimmendes und Begrenzendes bat, wie denn Üriftotele® deßwegen fagt: da8.Oben fey von der Natur des Beitimmten, zev Hpıousvov, des Eidos, das Unten von ber Natur ver Hyle, alfo des Unbeftimmten, Dyabifchen'. Was nad) ber Seite gebt, ift nur um das Oben und Unten ?, aljo von ihm getragen. Die verticale Richtung allein hat active, geiftige Bedeutung, bie Breite bloß paffive, materielle. Die Bereutung eines menfchlihen Körpers beftimmt fich mehr nach feiner Höhe als nach der Breite. Die erſte Dimenſion (die Höhe) iſt bie der Differenz, die zweite die ber In⸗

biffereng und ber ©leichgültigleit, d. b. der Materie. : Die materielle Natur der Breite ift ſelbſt im uneigentlichen Ge⸗ braudy des Worts noch erhalten. Wir nennen einen Vortrag breit, wenn das Materielle überwiegt; tiefer fteht, was ns in feiner Weife

Bund —cvo ev ava rob @oLıdudvov, To di xdro TnS vAns (voraus

geht: pauiv ds To uöv nepıdyov ala rov sldovs, To dd Topıa yolevov ri öAng). De Coelo IV, 4 extr.

? To yag eis ro Aayıdv ddrı To zepi ro dva naleo naro. DeC. 11.2.

4

baräiber-erhebt:- platt nennen teir, worin feim neumen, feine Se flach, worin Feine Tiefe ift. Im ben Bildungen der umergeide Rater herrſht im Gangen die Breite wor. Entſtehen fir ale tat eine in wie Höhe ſtrebende Kraft, bie ſich aber im der Nagel mm ts dech Sefrtebigt, dafı ihr Flache über Flache, Schichte über Säit p ſeden verflattet iſt, und ſind biejenigen, in welchen bie werticafe Wide Aber die horizontale fiegt, nur als Ausnahmen zu betrachten? Dei Fb Fragen, deren Beantwortung wir ber Zufunft überlaffen de ta orgauiſchen Naturen werben wir umten meinen, nicht was tümdc, fonkern was feiner Natur mach es ift, mämlich was Nechtes und Haid nur noch pobentiü oder doch weniger ausgefprochen enthält. riietde fon bemerkt, wie das Doppelgeftultige (FO Öupuss), das hi ta Sehirn- iend den Sinnesorganen offenbar iſt, bei bem tiefer lingenten Eingeweiben zweifelhaft und dunkel ſey, wenn es gleich im Grunde alles zulomme. Er beruft fid) auf die rechte und linke Kammer des Heren auf die Zungen, deren Lappen bei den cierlegenben Thieren jo weit vom einander abſtehen, daß fie für zwei Lungen gelten. Tönen; vie Fam feyen entfehieben boppelt;. wegen Leber mb Milz Förtne man puaide: wo letztere vorfomme, könne man fie als eine umcedyte ober mid Leber anfehen *; wo fie bie Natur entbehrlich finde, fen bermmh cut ganz Meine, gleichſam nur des Zeichens wegen; aber bie Leber für ih fen augenſcheinlich boppelt, ber größere Teil reits, der Heine ah Ariftoteles Tommt hier gewiſſermaßen in Widerſpruch mit fh fi, wenn er auch in bloß. unfreimilliger Bewegungen fähigen Organen ven Gegenſatz anerlennt, von ben. Pflanzen aber behanptet, daß in ümm nur oben und unten, nicht rechts und links; was einer gewiffen Eis fpränfung bedürfen‘ möchte, indem das muftreitig. fpiralfärmige Wad- thum der Pflanzen wie das in neueſter Zeit beobachtete Geſetz der Blattſtellung zeigen möchten, daß rechts und links im den Gemädhlen für die Natur allerdings vorhanden find, wenn auch nicht für uk

! Ada dv olov wider Trap alvas ö drljn De Part. Anim. III, 1. ? De Part. Anim. JI, 7.

Die freiwillige Bewegung aber kommt nicht mit rechts und linfs über: haupt, fonft müßte fie auch da feyn, wo biefer Gegenfag, wie in ben vorhin bezeicmeten Organen, nur gleichſam figürliche Bebeutung bat. Hreiwillige Bewegung ift nur mit dem Eintritt der höhern Potenz, die über die beiden Principe, das nach aufen und das nach innen wirkende, frei verfügt, und nach feinem Gefallen Bewegungen hervorbringt. Zur Freiheit der Bewegung gehört auch die Freiheit in Beziehumg auf die Richtungen derfelben, welche 3. B. im Schwindel, den man fich zuzieht durch ‚anhaltende Bewegung um feine Are in Einer Richtung, verloren geht. Wie im Princip der freien Bewegung felbft, fcheinen auch im Gehirn die verſchiedenen Richtungen jo gleich gewogen, daß angeblich, wenn ber Pons Varolii nad; einer Seite verlegt wird, das Thier nach biefer Seite in drehende Bewegung geräth, bie nicht eher aufhört, als bi8 bie andere Seite gleicherweije verlegt it’. Eine völlige Berwir- rung der Richtungen foll entftehen, wenn ein kleinerer oder größerer Theil des Heinen Gehirns hinweggenommen wird, etwas ganz Wider» natürliches aber fich ereignen, wenn das verlängerte Mark, veffen völlige Zerftörung volllommene Lähmung zur Folge bat, verlegt wird. Denn in dieſem Falle ſollen Thiere ſich rüdwärts bewegen, Vögel fogar rüd- wärts zu fliegen verſuchen, eine Bewegung, die nach Ariſtoteles gegen bie Ratur ift ?. Denn zu ben verſchiedenen Abmefjungen gibt Ariftoteles der freien Bewegung folgende Berhältniffe: von oben leitet fie fich ab, bie rechte Seite hat bie: Shtitiative und darin ihren Borzug vor ber Iinfen, vie mehr bewegt wird, als bewegt’; nad dem Wovon umb Woher kommt das Wohin in Betracht, und naturgemäß geht alle freiwillige Bewegung: nad) vorn.

Wir jehen uns bier auf den britten Unterfchieb, und damit dem Gang dieſer Entwidlung gemäß auf das vierte Princip, vie Seele

NMan vergl. biezu Balentin, Grundriß ber Phnfiologie bes Dienfchen. Braunſchweig 1850. 8 2019, und zu bem gleichfolgenben ben $. 2021. 3 Madei yusan unapya xlvmdıs als ro onıcdev. De Anim. Inc. c. 6. ® doriv aven (n ovsia) nal ag n nıvovda nal eg ro rölog. De Part. An. I, 1(6, 7 8s.).

geführt. Wie biefer Unterfcieb auch im. dem ambefeckten Siücyern bene der Form nad fep, ſcheint im Berhengefenben binfängfih ei fallen kann aber, wie er in befoubern Bezug mit ber Gere gejeht wiA, ba zu ben Befeelten Weſen doch auch bie Pflanzen gereijeit med, I denen bie Unterfcheibung wie die von rechts mb [mis ur eime pi (ige if. Tieß Bedenken führt baranf, daß bie Seele nit m dem Organiſchen cher überhaupt Beſeelten gleicherweiſe erſcheint. Sa di Organifchen ift die Seele ſelbſt, aber fie ift eine aubre im af eine anbre im Ende. Sie iR das Treibende, aber ebenſowohl dab Fi, die Urſache ber Bewegung, wie der Zwei‘. Allem Orgauiſches de wohnend gelangt fle doch wicht fofort :baze, auch als Seele geſeht u ſeyn. Diefes. ift erſt im Ende. Fragen wir, wann fie am weile Seele feyn wird. Nach allem Borbergegangenen offenbar, wenz ei Materielle ganz dem Seyenden db. b. dem eigentlich Intelligibeln, ven Urfprünglicden vorrö» gleich geworven, zu dem fie dann nothwendi felbft als intelligent ſich verhält. Die mtelligente Seele alfo ift das Ziel. In andrer vielleicht näher treffender Wendung: die Seele wirt um fo mehr Seele ſeyn, je mehr das, dem fie das Weſen ift, zu dem fie das Verhaͤltniß des es feyenben hat, dem Seyenben glei iR. Det Seyende aber ift die Materie aller Dinge imb infofern gleich all Dingen. Um fo mehr Seele alfo wird bie Seele feyn, je mehr f, wie Ariftoteles fagt, auf gewijfe Weife alle Dinge ift!. Au gewiſſe Weife, nämlich durch das, zu dem fie ſich als das es fegene verhält. In dieſem Sinne alle Dinge ift fie ſchon überhaupt, indem fie eine Welt außer fich weiß, und dieß gehört ſchon zu ber freien Bewegung, in ber fie etwas aufer fih zum Ziel hat. Dagegen am wenigften Seele, und daher nur gleichfam Seele in potentiä wird fe da ſeyn, wo fie bloß mit fich beichäftigt, erft fich felbft als Seele bervorzubringen bat, indem fie der Seele als folder erfi tie Bat zeuge und Site bereitet, wobei dieſe alfo wohl als Endurſache, nicht aber als wirkende fich verhält, und bie wirkende bloß als werkzengliche

In yvyn ra övra mög dorı aavra. De Anim. III, 8 inc.

(organifche) Seele erfcheint, die ausjchlieglih mit dem Materiellen und Körperlichen beichäftigt, ebenfowohl in den Pflanzen als in den Thieren ifl. So erfcheint demnach die Seele auf verfchievenen Stufen als eine verſchiedene. Dieſe Unterſchiede der Seele machen die Unterſchiede der lebenden Wefen, je nachdem ihnen nur bie eine Seele, bie unterſte, oder alle einwohnen'. “Die erfte Seele if die bloß werkzeugliche, vie - Ariftoteles die wachsthümliche oder ernährende nennt ?. Welche die nächſt böhere fey, kann zweifelhaft fcheinen. Ariftotele® jagt: die empfindenbe, weil mande Thiere fich nicht frei bewegen (mit fihtbarer Ortsver⸗ änderung nämlich), denen doch Empfindung (die dumpfſte freilich) nicht -abzufprecden ſey. Allein man muß auch hier potentia und actus unter: ſcheiden. Potentiä ift die bewegende Seele eher als vie empfindende, fhon darum weil fie von biefer beſtimmt wird, biefe aber bie beftim- mende iſt. Auch darım könnten wir bie empfindende Seele nicht unter bie beivegenve herabjegen, weil fie bie unmittelbare Stufe zur intelli- genten, ja richtiger würden wir fagen, weil die intelligente von ihr gar nicht auszuſchließen iſt. Das wahre Berhältnig zeigt fich aber auch darin, daß bei dem Thier alle die Bewegung beftimmenven Organe, wie Rückenmark, verlängertes Mark, Kleines Gehirn der NRüdfeite, die Sinneswerkzeuge der Vorberfeite angehören, jene alſo gegen biefe wie in die Vergangenheit zurüdgefettt erfcheinen, was mm möglih, wenn die bewegende wie bie wachsthümliche Seele bie vorausgehende, bie fenfitive aber die folgende und höhere ifl. Gleichwie aljo der Eintritt ber bewegenben Seele durch die vollfommene Gleichheit von rechts und lints vermittelt ift, fo ber Eintritt der als ſolchen gejegten d. h. ber fenfitinen und intellectiven Seele durch den Unterſchied von vorn und hinten. Die brei Principe, zu denen auch das zur Ruhe und Be— wegung beftimmenbe gehört, bilven zufammen nur wieder das Seyende in materiellem Sinn; damit die ganze Idee erreicht jey, muß dieſes

' örı ivloıg uiv Tv (dov Anavd! inapya ravra, ridı dd ziva rouror, iripoıs di dv uovov,_ roöro moısi dıapopag röy (oe». De Anim. Il, 2 (p. 25, 25 88.).

? Tu nv rodpov dariv f aparn yuyı, De An. II, 4.

>

Materielle (ie unferm abftracten Schema abe) gegen das immahide Seyende (d=d1) zurücktreten, zum posterius werden, techn die bie wud ledte Dimenfion des Körperlichen ihre eigehtfiche Bebeutung erlangt et

Ben fo die drei Abmeſſungen erft im ben Thier zu willigen Inhalt gelangen, fo erflärt ſich hieraus ein belaunies Wert Plated, das Ariſtoteles aur aus’ feinen eignen map? epelomospders benmin Bädern, bruchſtüclicher als wir wünfchten, anführt. Denn sfakr iſt in demfelben, nicht tie meitere Deuter gewollt, vom Weltgune, fondern wirllich nur vom Thier bie Rebe. - Das Thier feldft br Platon aus der Ioce des Einen was wir früher die ganze Ir genannt haben · und der erften Länge uud aus Breite mb Zi, | die andern Körper aber entjpredjenber over hnlicher Weife eutfichen. Nur entſprechender WBeife, weil in ifmen allee, mas bas Thier ab zeichnet, nur uneigentlicher Weife ifl. Das Thier ſelbſt wird gegen ie andern Körper gleichfam als Urbild angefehen; daher ver Yuttrad, a welch em ſich die gelehrte Ginbilbungsfraft jener Ausleger ein neuplah- niſches Selbſtlebendes (Ur-Bebendes), aurdL@mo», vorſpiegelt, bergen allerdings nur die Welt feyn könnte. Die Art der Berbindum (rd nv za Öe) weist auf einen gemeinfhaftlichen Begriff hin, weder bier nur der des Körpers feyn kann’.

Zu ihrem vollfommenen Ausdruck indeß gelangt bie britte Unter ſcheidung erft im Menſchen, weil in ben vierfüßigen, vielfäßigen uıh fußlofen Thieren vorn und hinten mit der Länge zufammenfält, oben und vorn alfo nicht voneinander abgefegt, fonbern in berfelben Linie

fnb®, wodurch bie aufänglich erwähnte Schwierigkeit emtfich. fd

. S. 486.

3 Die gießen Bere (de Ani. I, 2) ten: Sulas 54 mal ick gl pıhodoplas Aayouivors duaplsdn, alrd wir rd Lam in eis ca avos Idtag xal rod Aparov uinovg nal mldroug nal Bdders, dd alle Suororgömug. Weil nicht zu fehen, was es außer ber Zeit anderes gehen

® ini avrd. De Anim. Inc. c. 6.

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kommt aber in Orduung, ſowie man ſich das Thier aufgerichtet, bie horizontale Wirbelfäule als vertical denkt. Wenn wir daher bie Ab- meſſungen im Widerſpruch mit der gegebenen Lage benennen, als Länge 3 B. was dieſer zufolge die Dicke heißen ſollte, fo geſchieht dieß nur, indem wir das Rechte vorausnehmen und ſchon bei der Benennung das, was ſeyn ſoll, zn Grunde legen; denn der Intention nad) verhält es fi allerdings jo, daß, was wir die Dide nennen nrüßten, bie Länge iR, und ebenfo mit dem Uebrigen.

Auch bloß. als Körper angefehen ift alfo ber menfchliche ver aus⸗ gefprochenfte, ver vollendete Körper, der in allen gewollte, dem alle als ihrem Ziel zuftreben.

„Oben und unten, fo brüdt ſich Ariſtoteles aus, hat alles, was lebt, denn es iſt auch in den Gewächſen. Alles aber, was nicht bloß lebt, ſondern auch Thier iſt, alles dieſes hat das Vorn und das Hinten. Denn Empfindung hat alles der Art, nach dieſer aber beſtininn ſich das Vorn und das Hinten. Denn da, wo von Natur die Empfindung iſt und woher fie jedem kommt, das ift- vorn, was

jenem entgegengefet, hinten“ ',

Im Allgemeinen weiß man, daß den Thieren das Borbere, d. h. das Untere, empfindlicher iſt, als das. Hintere, ſcheiibar Obere. Im Borbern ſelbſt aber iſt wieder oben und unten, das Oberſte deſſelben das Haupt, Sammelplag der evelften Sinne, unter welchen dem, welcher die meifte und beftimmtefte Erkenntniß verichafft, dem Geſicht?, bie oberfte Stelle angewiefen ift, doch treten die Augen nody in Höhlen zurück, mehr nach hinten, währen das Werkzeug des Geruchs, wie durch das ganze Thierreich der entjprechende Nerv, am meiften nach vorn geht. Soll man in dieſer befondern Stellung etwa einen Bezug auf Zeitunterfchieve annehmen? Dürfte man fagen, das Geficht fey ber eigentliche Sinn für die Gegenwart (Seher heißt, wen bie Zukunft Gegenwart), der Geruch für die Zukunft, nämlich die Verdunſtung und

ı Ibid. c. 5. 2 Metaph. 1, 1. Schelling, ſammtl. Werke. 2 tb 1. 29

Potenz und Actus verhalten Könmen ', indefi der Sim, ber dyaiih immer nur Vergangenes verninmmt und derrch bem fir zuileist all wi ver Vergangenheit zujammenhangen, am meiften mad; hinten it? Sk laſſen dieß bahingeftellt, dieſe Unterſchiede Tömmen im ber Hufe nichts ändern. Dudeß ift ber ariftotelifche Sat zu emg audgridt Denn der principiellen Bedeutung nach hat das Bordere Bezug ai ie Seele, und Hauptfig der Empfintungen hat es zugleich die Befimum, eis mesfälihes age von Gele um, Gein ————

* Opngefähr in tem Sinn, wie Ariſteteles fagt: rar Fa ösop, Metcorol. 1, 3 (p. 6, 11).

2°, Dem en die Cimnesempfinbung iR ja och wicht des Hädfe, ie ariſtdteliſche Eah offenbar’ zu eng ausgehrädt. Das Border kam ai ie Seele, und iR nicht ber bloße Sitz der Einmesorgane, fenbern ber Seele m damit des Geiſtea. Was if bes Ginterhaupt, fo Bebemtenb fon, gegra Il feelenvolle, für alle Bewegungen durchſichtige Geficht? Wie in ber egim, ie Über bie Empfinbung Finausreiht, bie Gunctionen fich verteilen, woiffen wir uk, unb werben uns aud graufame Berſuche, am benen men ſich fm akım tonnte, ſelbſt wenn ihre Ergebniſſe bie glängenbften wären, kaum Ice Eu Etufenfolge iſt indeß aud hier, ber Empfindung am nãchſten wohl he Ber Reifung, und wenn bie Macht, weldhe bie großen Ginmeneinhräde in Be kungen erhebt, in biefen, wie Ariſtoteles fagt, die reinen. Wilder, Ideen da Segenflänte ohne deren Materie, zurüdläßt 1, fo fiegt darin fen cin Be fiel teß Berfehnt ber Eeele mit ben reinen Princpen, unb daß an ber Gag tes organiſchen Lebens das Materitfle pum Summaterieflen fidh aufheben kaz Zum Werhzeug ber reinen, freien Betrachtung (dem Nachſten über ber Ser Pelung) ſcheint nur geeignet, was ſelbſt ohne alle Cupfindung if, wie im üeem äuferften Umtreis bie oberſten unb vorberfien Theile bes Gehirns, mern aimih gewiffen Verjuchen zu trauen. Aber eben biefe feinen auch ber Sit bes pin Ken Prcfee m fan, ben man A mi dem Denken notfocutig * denlen muß, fon darum, weil, wie Arifioteles fagt, ber Act bes bexiaben Schauens (der Heopia), der bei Gott ein beflänbiger, für ums um cin Zufnb

Tpeil werben kann ?, Denn offenbar feht bieß ein Princip vorans, , das Pe * Do anim. I, 42 ir dv ala9nals barı 10 der. Hodyrir ibür . vie bare al 2 med ran Yard Tre a —— *

oneior. Cbenfe in, 2 mit dem Zufagı or ——úù rer —— or ai (elo9naeı; zai) yarraslaı ir Tois alusnrnglog 3 nie ir döiveror (16 dei eörms elvaı). Metaph. KH, 7.

451

Wir ſehen und biemit auf die erfcheinende Seele überhaupt ge fährt, und zugleich auf die Folge, welche für die Seele mit dem Ber- fehlen ihres Zieles verbunden ift. Denn, wenn die Seele nicht unab- bängig von dem, zu. dem fie fih als Seele, ald das e8 ſeyende verhält, zu denken, dieſes aber in das phyſiſch Materielle herabgeſetzt ift, jo wird bie Seele, ohne darum das Verhältniß des es feyenden, aljo gegen e8 Immateriellen aufzugeben, ihm in das (zufällig) Materielle zu folgen nicht umhin kömen. Statt Gott anzuziehen und gegen ihn Potenz zu ſeyn, wird fie nun dem Princip der Selbftheit unterworfen, gegen dieſes im Potenz gefegt. Sie ſehen: es ift eine rein formelle Folge unferer ganzen Entwiclung, daß die Seele, die gegen das Materielle oder Seyende reiner Actus ift, gegen das neue unverſehene Princip, den Geift, jelbft materielle Natur annimmt, und es ift gerave hier, daß der Grundſatz des Widerſpruchs vie pofitive Seite, vermöge welder. erft er Grundſatz der Wiſſenſchaft heißen Fünnte, am meiſten und angenjcheinlichiten hervorkehrt. Bon jener Seite hat er eben ven Sim,

nach gewifler Zeit der Wieberherftellung bebarf. Erinnern wir uns biebei, bafj ber letzte Grund alles Materiellen ein Princip ift (B), das feiner Natur nad ber Umwendung ins nicht. Seyende, aljo ins Immaterielle fähig ift, fo wirb es biefe Fähigkeit jeyn, bie fih im Schlaf wieberherftellen muß im Schlaf, mit dem, zwar nicht die Empfindung ', aber das Denken völlig erliſcht —, wie es unftreitig eben dieſe Fähigleit ift, deren Mangel oder Schwäche den Blöbfinn ver- urſacht. "Die Spuren gleichfam dieſes das Denken begleitenden, bie Materie völlig aufhebenden Procefjes möchten auf der oberften Fläche bes Gehirns bie Linien ſeyn, welche nicht won ber ſymmietriſch bildenden Hand der Natur, fonbern von einer freieren Hand gezogen zu ſeyn fcheinen, tie Winbungen, beren Mannich- faltigfeit und Berwidlung im Thier zunimmt mit der Annäherung zum Menfchen, im Menſchen größer ift nach dem Vorzug der Race, nad dem Alter und bes größeren Arbeit feines Geiftes. In ber That feine ber verſchiedenen Tünftlichen Hypotheſen, weder ber Dccafionalismus, noch die vorherbeftimmte Harmonie, find noch für uns, fo wenig als ber Unfinn, baf die Materie benlen könne“. (Diefe Fortſetzung ſtaud auf einem vom Tert ausgeſchloſſenen, jedoch dem Manuſcript beigelegten Blatt. Wahrſcheinlich wollte der ſel. Verf. bei der Herausgabe ſelbſt, die ihm nicht mehr vergönnt war, das hier Geſagte noch in Ueberlegung nehmen; ein Definitives war es ihm alſo nicht; es iſt aber fo merkwürdigen Inhalts, daß ich es nicht weglaſſen zu dürfen glaubte. D. . I De generat. Anım«l. V, 4 (p. 303, 17).

Gimme m

daß, was gegen ein Boramgegangenes pofitiv uuh als cs fh ur hielt, gegen ein Nachfolgendes negätio ober bio potentiell fi week kann. Jenes Berhälmiß der Seele zum Geift aber wirb fh mich völlig auffchliegen, wenn wir bis zu biefem vorgebrungen fi erft haben wir das Gebiet ver ins Materielle herabgeſetzien Eck anszumefien. Daß alfo vie Seele, imwiefern ſie dieſen vergingide Körper aufbaut und erhält, ober ihn bewegt, ober durch im an pfindet, kurz, daß bie wachſthümliche, die beivegenbe unb bie fur lich empfindende Seele ganz ber phufifchen Betrachtungsweile auhen falle, wird man wohl zugeben‘. Aber Ariftoteles ſetzt über dieje md bie noetifche oder intellectine Seele, bei welcher es nöthiger ſein weh zu verweilen. '

Man würde fehr irren, unter ber noetifchen Seele zu verfichen, was in ter gemeinen Rede, wenn man den unterfcheidenven ‚Charake des Menſchen vom Thier ausdrüden will, die vernünftige Seele (anima rationalis) genannt wird. Dem Ariftoteles wenigftens ift die woetijche jo wenig unabhängig von der Materie ald die ernährende, und mm Thier, das tod nichts weniger als finnlos, fondern im feiner Wak meift vernünftiger handelt ald der Menſch, nicht weniger wirhſam al im Menſchen, dem man oft genug in dem Fall ift, im Widerſpruqh mit der gewöhnlichen Rebe, eher einen vernünftigen Leib als eine wr nünftige Seele zuzugeftehen. Wernühftig, wenn man von dem Austruf nicht laffen wollte, könnte die Seele dieſem Theil nach mur imjofern heißen, als fie gleich der Vernunft das Intelligible (rd »vorzör) be greift, nicht das ſchlechthin Intelligible (das Ueberſinnliche), das tr Bernunft felbft berührt, aber doch das Intelligible, das in den finnlicen Dingen if. Die Seele ift intelligent, weil das Seyente ihr Angeborue ift, von dem fie nicht Inffen Tann, und das fie Darum, wie es veräntat feyn möge, auch im Beränderten immer fieht und wieberherftellt; tem

IIepi puxns, 06n un avev eng Ane ddriv, Jeopidaı, vor yıdızor. Me taph. VI, 2 (p. 122, 23). Dem Bhilofophen freilich kommt es zu, zu zeige: 1) wodurch die Eeele zum Phyſiſchen herabgeſetzt iſt, und 2) wie weit Diele ven der Materie Abhängige geht, und wo es feine Grenze bat.

une fo verwandelt fie dieſes, das ein Materielles if, für ſich (für ihre Borftellung) in ein Geiftiged und Immaterielles. Weil vie intellective Seele an das Sinnlihe gebunden, könnte man fie einem neuern Sprach⸗ gebraud, gemäß etwa bie 'verfländige nennen, nur nicht ben Berftand (wenigftens nicht ohne einſchränkendes Beiwort); denn den Berfland koönnen wir uns nur als freithätig denken, während die intellective Seele blinblings wirft. Cie ift derjenige Theil der Seele, der wohl am meiften Enteledie zu nennen ift, wenn man das Wort in dem ge- nauen Sinn verfteht, den fein Urheber damit verbindet.

Bekanntlich ift dieſes Wort des Ariftoteles, der zwar zuerft bie Sede im Allgemeinen als Entelechie eines natürlichen, des Lebeus fähigen und werkgeuglichen Körpers erklärt ', aber ſodann eine nähere Beſtimmung nöthig findet, wozu er Durch die Frage gelangt: in-weldem Sinn die Seele Entelechie ſey. Er fucht den Unterſchied, den er im Auge hat, durch ein Gleichniß zu erffären, a8 weit hergeholt ſcheinen kann, das er aber doch, wie in der Folge erhellen wird, nicht ohne beſtimmte Abſicht gemählt hat. Er fragt, wie die Seele Entelechie ift, ob fo wie Wiſſenſchaft oder wie bie Biffenfhaft- » erzengende Thätigfeit Entelechie ift (os dmiarijum 7) os To Fempeiv?).. Weil mm in Wiſſenſchaft⸗ erzeugenver Thätigfeit unftreitig die Wiflenfchaft actu ift, fo Tann dort (unter &xıorzun) nur Wiſſenſchaft in potentid gemeint ſeyn. Diefe könnte Aber wieder in zweierlei Sinn verftanden werben. Denn auch der Unwiffende aber Lernende ift dem Vermögen nad, ein Wiſſender, anders aber ift der, welcher vie Wiffenfchaft befigt und fi) nicht mit ihr befchäftigt, etwa im Schlaf oder weil er mit andern

% De Anim. II, 1. Er ſucht ben xorworarog Auyos (ens Yuyns), ben für alle Abtheilungen derſelben gültigen Begriff (p. 22, 6) und wie er erſt (23, 8) fagt: si Ö4 nowov dal madıng yuzis dst Abyeıy, ein av n' nourn dvreli era sauaros roixoũ, vpyavınov, ſo ſagt er ſpaͤter: uäv ovv sionraı, ei dev pvuxij ebenſo am Ende des Kapitels: euro ovr ravın dıopisdeo mepl is, ein Ausbrud, beffen Vebeutung wohl am beftimmtelten erhellt

Histor. Anim. I, 1 (p. 3, 5): epi av Tiap usv elrzonev aporov, vorepov

Si aepl Enadrov yivog inidendavres Bpoduen. ?L. c. p.22, 21 ss.

Dingen umgehe, ein bem Beimögen made Wiffenber ‘, hund) Hojt Haben, nicht durch Wirken (r® Eyum: zw} zu dvepyein), Bir eine ſolche gleichfam fchlafente >, im Potenticfität werfeukte, der Em | gung bebürftige Wifjeufchaft wird alfo in der Seele fe, cin Bin ſchaft, die wir nur als eine veramsgehenbe (moordpu ri yarlaj! benfen konnen, wie amd gleichem Grumbe die Seele nicht als Entdaie überhaupt, fonbern mır als erfte Entelechie (moasry ärreltzue) 5 beftimmen if. Denn ſelbſt der Sprachweiſe bes Ariſteteles · mir a entgegen, wellte man darunter etwas ber „bominirenden" Monate bil Leibuig Mehaliches- verfichen. ‚And; fo ift Emteledhie Actus, aker im | gegen einen höhern und nachgelommenen zur Potenz mb daderth ja Ruhe und Beftänbigfeit herabgeſett ft; bemm auch das ift mit zu m ſchmãhen, was Cicero’ (ſchwerlich won fich jelbft) Hat: Ariftotdes um | die Seele Entelechie quasi quandam continuatam motionem et perer nem*. Auf biefe Weiſe alfo ift die Seele Actus, aber nicht als Adel; intelligent, aber der Sache nach; materiell, ohne ſich als intelligent p wiſſen. Der Pflanze genügt bie wachsthünlidhe Seele, das Ther ee Könnte ohne bie Intellective- Seele fo wenig beſtehen, als af ir empfinbenbe, bewegende und wachsthümliche.

Bis hieher alfo geht das Phyſiſche der Seele, ober wie wir nid leicht bald fagen werden, das Gebiet der Seele überhaupt. Aber um trete Ariftoteles felbft hervor mit der Frage: ob bie ganze Seele Phyſis und die ganze Gegenſtand der Phufit? Denn, fügt er him, wenn bie ganze, alſo 3. ®. and; der Berftand ober Rus, zum Piyiide gehörte, gäbe es außer ber auf bie Natar - Wiſſenſchaft fidh begicheste feine antere Philofophie. Der Intelligenz mäßte and) ie oorrelatun

"Ber di durdum allog 6 uiv uarddror dmseguöv, zai 6 iya üön, zal ur Yuapeı Phys. Ausc. VIII, 4 @ 155,7.

3 Ardloyov di 7 iv ringe 1p duapalv' 6 8 ümvog 15 iur mim Awpyets. De Anim. 1. c. p. 2, 4.

% Ibid..p. 22, 4 m.

“@. oben ©. 4U8. ® Tasc. Dispatat. 1, 10.

455

folgen, das Intelligible, jo daß von allem nur phyſikaliſche Erkenntniß wäre‘.

Der Nus alſo ift es, welcher bem Ariftoteles über dem Phyſiſchen ſteht. Aber welcher Nus? Denn vovs ift auch in ber noetiffhen Seele. Diefer jedoch, der in der Seele (der noetifchen) ift, bat zu feinem Inhalt ein bloß. paffives Verhältniß, und ift daher nur der leidende Berftand (voüg nadnrıxdg), und mit den Thieren gemein, alfo nur wneigentlich Verſtand zu nennen. Ueber dem Phnfifchen. fteht nur ver menſchliche, ber nichts mit der Materie gemein hat ?, der felbftwir- kende, thätige (Mosnrexös), Wiſſenſchaft erzeugenve, und darum eigent- lihe voüg.* Ariſtoteles nennt nun wohl Auch dieſen mitunter den Berftand ver Seele‘; denn er bat allerdings dieſe zur Vorausfegung und fo zu fagen zur Materie, aber Ariftoteles fpricht gleichfam nur fo. Dem in genauer Begehung auf das vorhin Erwähnte, daß die Seele wie Wiſſenſchaft, aber nicht wie Wiffenfchaft- Erzeugen (Yewpeiv) fen, nennt er dieſen Verſtand den Wiſſenſchaft erzeugenven (theorefijchen), und fragt ſodann, ob er, wie das Gefühl von Angenehmem und Unans genehmem, eine nothwendige Folge der Empfindung fey. Hierauf gibt er die Antwort: dem fcheine nicht fo und das Wiffenfchaft-erzeugenve Bermögen vielmehr eine andere Art von Seele zu feyn‘. Noch

4 Anopndsıe Ö av rıs, norepov neol addng yuyns rüs using döti co elsselv, 7 sceog Tıvog’ ↄi ‚räp reol dans, ovdeuia Aslrreraı raod env ‚Pusınjv dmdensinv Yılodopia‘ 0 Ydo vous röv vonröv" ööre rreol advravn un] yrödıg av sin. Später folgt dann: bür, Ws ov repl nadnz Yr 3 iexriov, ovöd yao näda vor pvdıs. De Part. Anim. I, 1 (p. 6 12 8.).

0 Avdpdmıvog vodg, 0 um ixov dAnv. Metaph. XII, 9. (p. 255, 27).

® De Anim. III, 5.

‘II, 4: 0 apa nadoruevog ris yes voig’ Abyo da vodv @ dravosiraı va Vaolanßäver 7 Yuyn.

® meol di Tod vov nal res, $ewontirng diwansoz, order parsoov (orı &5 avayıng maoanolordel Ti) al6s$ndeı), ail Eve Burns jdvoz Erenov slvar. De Anim. II, 2 (p. 25, 19 ss.). Später (c. 3 extr.), wo er anseinanber- fegt, wie es mit ben verfchiebenein Seelen ebenfo fey wie mit ben verfchiebenen Figuren, daß nämlich jede vorhergehende in ber folgenden als Potenz beftehe (wie im Biereck das Dreiech), ſetzt er hinzu: ep! da rov Heoperızod Erepog Aoyog.

-

beftimmter ift, wenn er den Anaragoras und bem Demekritet uich baß fie gefagt, der Rus ſey dafjelbe mit der Seele‘. Rod; eutiäiheer Folgendes. Rad) ber Beugung lebe alles Empfangene zuerſt ein Plane leben: vaffelbe fen auch von der empfindegben und ber verflänbigen Erde zu ſagen, daß fie erſt potentin ba fey ch’ motu; bie gelte von am was mit einer Törperlichen Energie zufammenbhange; das Thier Tim nicht geben ohne Yüße zu haben, das Gehen fey alfo mit viele af dem Vermögen nach vorhanden; vom Nus aber, beffen Energie mi feiner korperlichen Thaͤtigkeit etwas gemein habe, fey nichts Kchafihe zu fagen, er ſey. ganz außer dem organifchen Zuſammenhang der andern Theile der Seele, von ihm bleibe nur übrig zu fagen, ba er von außen, demnach als etwas ber Seele Fremdes, hinzu und hineintoume’.

Run folgen von felbft fich verſtehend bie übrigen Praricate, dej biefem Nus allein eine jeparable Eriftenz ®, eine ewige und umer berbliche Natur zufommt, während ter leivende Verſtand vergänglic if‘, daß er umvermifcht®, weil ganz für fih und in feiner Gattung tft, daß ex leivenslos, weil feinem Weſen nad Actus®, und endlich, um alles Höchſte in Einem Worte zufammenzufaflen, daß er allem göttlih ff".

' De Anim. I, 2: vor vorr erraı ror aıror rd vıyi.

2 De gener. Anim. II. 3 (p. 208 ss.): wootor ner ;co ararı lo „iv ra roraira (ra xuiuara) pıroi Biov' inoutvos ds Inkovirı zai aesi tı5 aiddntınng Aenrior Yuyns xal neol Chs vonrung‘' gadas yüp ara; xaloy Ötwanes moorteoor dyen, n srsoysia. Hieburch ift alfo tie noetifche Sek von ben Nus aufs Beſtimmteſte unterſchieden. Für dieſen (ode zuo arrer ri dveoydıg nomorel donarıny &ripyea) umb für biefen allein bleibe nn übrig daß er von außen komme (deineras Tov vorv Kövor Yıpadır irudısra).

® yai orro; 0 vors (0 ndrra moon) zopıöoro;. De Anim. 1.5. Kei roiro (ro Erepov Yyıryas ;4vos) uörov drösygeru yooisesyaı (zaddreo ro aldıov rot ylaprov. ll, 2 (p. W. 20).

* o aadırınösvovspYaoroslll,5. Der eigentliche ov @Fsıperaı 1.4 (p.15,11)

> III, 4.

‘6 1. 5: (xopıdrog xai auıynz nai) daadız, «u ordin | Sr äriozera (MR ireoyeia, wie in ber Sylburgfchen und aud in der Bellerichen Auszake ſtebt Die gleiche Verbeſſerung wäre duch anderwärts nothig, z. B. Metaph. VI exır. (p. 174, 25): TU ds (ro ivoaonv darin) iveprsia).

leizera, tov vodv Falov sirar novor. De Gener. Ani. l. c.

Bwanzigfie Yorlefung.

Im ganzen Verlauf der lebten Erörterung haben wir uns fo eng als moglich an Ariftoteles angefchloffen, mitunter auf ihn als Autorität geradezu uns bezogen. Denn wo fo viel zu thun übrig, wär’ es Ber. fhwenbung an Zeit und Kraft, was durch einen großen Vorgänger ber Wiſſenſchaft gewonnen, nicht einfach von ihm anzunehmen. Am meiften wird dieß einem Vortrag geftattet feyn, welcher nur auf Einen beftimm- ten Zweck geht, und daher nicht bei jebem einzelnen Punkt verweilen faun, der zwar au feiner Stelle hochwichtig, aber auf den Verlauf des Ganzen ohne beftimmenven Einfluß if. So einzelnes von Ariftoteles ganz ind Klare Geftellte ohne Weiteres aufnehmend, gewannen wir Zeit, bei mehr in das Ganze gehenten und weniger verftandenen oder, "wie uns fchien, ganz unverftanbenen Ausfprüchen eher zu verweilen; und ein nicht zu verfhmähender Preis wäre ja auch fchon dem gewonnen, dem man zugeſtehen müßte, ein neues Verſtändniß bes Ariftoteles eröffnet zu haben. Im Bezug auf die Fragen, mit denen wir ung zulett be häftigten, fommt hinzu, daß alles, was Wahmehmung und Beobad- tung über die Bebeutung der Dimenfionen im Organifchen lehren Tann, ſchon Bei Ariftoteles fich findet, daß jelbft durch Erperimente, mit denen man zumal neuerer Zeit in tiefes Heiligthum zum Theil mehr einzu- brechen als einzubringen geſucht hat, ihm nichts Wefentliches hinzugefügt worben.

Hier aber an dem Punkt, wo wir jeßt ftehen, hat uns der Name des Ariftoteles noch eine ganz andere Autorität. Wenn feine Ausiprüche über ven thätigen Berftand gegründet find, wenn biefer fein mit

den ährigen im organifchen Bufammenhang flchenber, joubern ca m außen umb unverjehen® zu ihnen hinzugefommmener Theil der Cal g fo weißt Hier der daden ab, ber bieher von Stufe zu Stufe lt, Beraunft und Erjcheinung, bie bisher aufammenftinmten ', dreien an, es bleibt bie blofe Thatfache.

So iſt es in der That bei Ariſtoteles; denn auf die Frage: wem ber Berſtand von aufen, woher kommt er bemm? Kat Ariftoteles Kine Antwort. Dennody beftcht er mit bewundernswerther Entfclofiakit auf dem Dafı, barauf, daß ber thätige oder wiſſenſchaftliche Bert ein Neues ſey und mit bem Vorhergehenben duch Feine Notkmenbigkit zuſammenhange. Unbeftinmte Andentangen gehen voraus ?, bie in dritten Buch von ber. Seele bie ganze Erhabenheit des Nus mit übe | raſcheuder und überwältigenber Klarheit hervortritt.

Dir verüßen darauf; mit Gülfe bes Mrifteles [LSA zu Sepee was er ausgeſprochen. Uns genügt, daß er und daß Er’ es gefogt It.

Wie befannt haben vie auferorbentlihen Präbicate, welde Arie teles dem eigentlichen Nus erteilt, den eifrigften Nachfolgern des Pr loſophen große Schwierigfeiten bereitet, fo daß Alexander v. A va eigentlichen Berftand nur in Gott finden, ber menſchlichen Sede mm den uneigentlichen (dem leidenden) laſſen wollte. Einen andern Anteg fuchten die arabiſchen Peripatetifer, denen, ober vielmehr ven hehräilde Ueberfegern derſelben, die Scholaſtik ven Ausdruck intelligentia segd- sita verbanft, der urſprunglich offenbar nur auf bie natura adveniiis

5 ra Aöyog rolg pawoulvorg uaprıyel nal rd paröuava «5 Asp De Cosi 1,3 (p. 6, 3).

3 Bieber gehört de Anim. II, 1 exir.t Ana zu (usen eis yezid) oe aolteı (elvas yapısra rov senarog) dia undewig alvaı Sdnaro; hruir zeiaz. Er ſpricht noch zweifelhaft von einigen, aber ber Rus allein hat Ir Brperliches Organ, beffen Entelechie er wäre, wie bie Seele bie ber Eimer wertzeuge III, 4, p. 57, 15). Ebenſo die. abfihtice Unsepimmthct 8 7 nehmen 0,3 @ 27, 15): 'Ersoors Si (röv Sc imrapyeı) al ro dur tırav re nal vor; (beibes noch .als einerlei genommen) xal elrı raotror ira drapov, 7 nal eıussreoov (nämlich der veine Aus; der Nus ſelbſt). Anh de ſchöne Gtefle gehört hicher: 7% npeireov nal dpyor, ühtrere

advvarsrapov drı, coö vor. 1,5 (p. 19, 7).

des wiſſenſchaftlichen ober eigentlichen Verſtandes Bezug hatte, denn das Sinzugelommene ift dem Hebräer „das Erworbene” '. Ein Hauptanliegen war biefen Philofophen die Lehre -von der Conjunction ?, d. h. ber Ber- Bindung des Nus mit der menfchlihen Seele, und es bat u. a. Abu Bekr Yon Alfayegi einen eigenen Tractat darüber gefchrieben *. Uebri⸗ gens fcheinen die Araber von dem ariftotelifchen Nus nicht geradezu ge lehrt zu haben, daß er der göttliche, ſondern nur daß er nicht der Geiſt des einzelnen Menſchen, ſondern ver aller zufammen jet.

Aber auch diefe Auslegung ift ganz ebenfo wie jene dem Sinn des Ariftoteles völlig entgegen. Denn gerade das Gegentheil des Allgemei- nen und das Individuellſte ift durch alle jene Prädicate angezeigt, welche er dem Nus beilegt. Die dvepysız, worin nad) Ariftoteles das Weſen des Nus befteht, ift ihm das alles Potentielle, Hyliſche und demnach Allgemeine von fi Ausſchließende. Das Griechiiche feiner Zeit bet ihm biefür fein anderes Wort als vovg. Uns gab eine in diefer Ric’ tung erweiterte Sprache das Wort Geift, und was jenem ber Nus, ganz daſſelbe war uns, was wir Geift nannten. Denn auch uns war biefer in jedem Betracht ein Neues. Ein Neues, das außer den vier Principen ift und mit keinem berfelben etwas gemein hat. Ein Nents, weil er ebenjo wenig etwas hat, aus dem er mit Nothwenbig. feit folgte, alfo, wenn er ift, rein aus fich ſelbſt ift, und darum aud) nur fi, d. h. nichts Allgemeines in ſich Kat, fondern wo er ift, nur für fi und einzeln ift, wie Gott einzeln ift. Wenn und ber Geiſt ‚von der. einen. Seite nicht bloß das Immaterielle, ſondern das Ueber» materielle ift, von ber andern Geite Ariftoteles ven Nus zuweilen von der Leidenſchaft, von Krankheit oder dem Schlaf: zugebedt, verhüllt werben läßt‘, fo ift darin fein Widerſpruch: denn es iſ hier überall

ap nun iſt ber pebräifche Ausdrud. Man opt bazu (mit ber dbrkens fich verftehenben Unterfeibung) das 33) mim Prov. 8, 22. > (aletiesal) \a3ı)j 2S. Ibn Tophail Epist. de Hai Ibn Yokdan, ed. Pococke, p. 4. * iamalvnresya:, de Anim. II, 5 extr.

zur von ber Natur bes Geiſtes bie Siehe, midht weni feinem Exil zu irgend eiwas, z.B. zum Röryer. Dem, gelegeneitfich ed zu hym, ver Geiſt hat nur Beziehung zum: Sörper, die Secke zum Beh, Im Leib wird enıpfunben, ber Körper begriffen. Wienienb jagt: Seck mb aurper, wohl aber: Eeele und Seit, wnb. nicht Teidht: GR mb Di wohl aber wer wiffenfchaftlich fpricht: Geiſt umb Abryver. Un Kin iR uinfere Sprache begänftigter. Ebenſo zum if ber Geif ber Katar nad} ewig, wie ber Muß; beam wenn von biefem Kriſtoteles jagt, def er nicht jet wirke jet wicht wide *, fo will er nicht fagen, bei er der innmerwähtend, in aller Zeit (rdv daasra adame), wirkake, d.h: ber göttfiche fe 5 der Siun ift: Jeit Sirken ſey eim. ber Rat md zeitloſes, aljo immer ewiges, und, weil von feinem Vorher abhingg immer abfolut anfangenbes, Daſſelbe ‘gilt, wenn wir alles im Södfien zufammentreffenb jagen, daß der Geift nichtY fich Gleiches hat als zur Gott, oder mit Ariftoteles, daß er allein göttlich iſt, alſo allerringt nicht Gott, aber wie Gott, als die allein ganz felbft ſeyende Naur, in deren Seyn nichts ift, das fie nicht von ſich felbft hätte, bie eben darum auch durch nichts- verberblich if. Wenn güttlich, da doch mid Gott, ift der Geift zugleich ald das Gegengöttliche "bezeichnet, als bat avrt3sov im Sinne Homers, der feine herrlichſten Helden, aber zit weniger. ven Kyflopen fo benennt, der von ſich felbft fagt: Nichts ja gilt den Kyllopen ber Donnerer, Zeus Kronion, . Noch bie ſeligen Götter; denn weit vortrefflicher ſind wir ®;

und allerdings ift Das Öegengöttlice auch das an Gottes Stelle ſich ſetzen Könnende.

Offenbar iſt Ariſtoteles mit ſeiner Lehre vom thätigen Berfland

eine Grenze gekommen, welche ex nicht mehr überfchreiten jollk. Bon Materiellen auffteigenn, langt er bei verfelben Kluft an, bie Platon, von der Ideen⸗ zur Sinnenwelt herabfteigenp, ebenſo wenig zu überbrüden vermochte. Das Ueberrafchende dieſes Zufammentreffet

“ovy or uav voet, ord da ou von. U, 4. 2 Metaph. XII, 9 extr.

a Odyss. IX, 275. 76.

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zeigt und, daß wir bier an ber Grenze bed Vermögens ver antilen Philofophie felbft angelommen find. Denn dem Verftehenben ift es fein Geheimniß, daß diefe mit Platon und Ariftoteles abgefchloffen ift, und alle weiteren Beftrebungen, die fih außer biefen geltend zu machen fuchten, nur Abfchweifungen und im Grunde bloß ebenfo viel Verſuche waren, fidh über das ticht erreichte Ziel zu zerſtreuen. Zu jenem Zu- fammentreffen gehört auch der äußere Umftand, daß Ariftoteles gerade da, wo er fein letztes Wort über bie Seele fagt und zum thätigen Ver⸗ ſtaud fortgeht, von einem ungewohnten Anhauch faft platonifcher Begei⸗ fterung ergriffen iſt. Die Dunkelheiten hinſichtlich feiner Unterſcheidung zwiſchen dem leivenden und bem-thätigen Berftand, und ber parallelen zwiſchen der Willenfchaft, die es bloß potentia und bie es actu ifl, Duntelpeiten, die einer fo Iangen Folgezeit unüberwindlich gebkieben, verlangen zu ihrer Auflöfung einen von Ariftoteles unabhängigen Stand⸗ punft, Für den Begriff „Geil“ ift der Ausprud, ver ihm allein zu Gebot ftand, ein völlig unzulänglicder, mit dem es unmöglich war-, das wahre Weien jenes Princips zu erreihen. Urſprünglich .ift auch im weiteften Sinn der Geift nicht etwas Theoretifches, woran doch bei Nus immer zuerſt gedacht wird; urfprünglich ift er vielmehr Wollen, und zwar das nur Wollen ift um des Wollens willen, das nicht etwas will, fondern nur fich ſelbſt will (obgleich das Wollende und Gewollte daſſelbe, fo ift es doch zu unterfcheiden). Der Sinn”ver erften Aufrichtung bes Geiftes ift num, daß er der Wille ift, der fein Wollen frei haben, ſich vorbehalten will, ftatt es gefangen zu nehmen, als bloße Potenz zu fegen. Den femitifhen Sprachen, welche Seele und Geift aufs Be ſtimmteſte unterſcheiden es ift in dieſer Hinficht beſonders merkwür⸗ big, daß bie moſaiſche Schöpfungsgeſchichte Gott dem Menſchen vie bes lebende Seele, aber nicht den Gxift ', einhauchen läßt dieſen Sprathen alfo leitet fich das Geift bedeutende Wort von einem Verbum ber, das

weitwerben, aus der Enge, kommen bebentet. In der That, der Geift {ft urſprünglich nur das Wollen der Seele, die in die Weite und im

1 dem Sebräer 5, cor.

de dechen verlangt. Anh) im Act Tateinifen Cprachgehuand ft im |

Bert Geift nur Bezug auf Wollen: vir ingentis spiritus if zift dr | Dorn von mäctigem Berftand, ſeudern von mächtigen Wellen Din |

Bunte num von und, bie wir das Wollen vorausgehen Iaffen, mit Reit forkern, dieſes urfprängliche Wellen zum ariftotefifchen Berfiante jeh zuführen, und id habe die Gewißheit, bag fd tich lien Ui, als nicht ohne eine gange unh vollfänbige Pfdhologie. -..

Dem einen oder bem anbern Hunte das Wellen, Das fi mi, de etwas Myſtiſches vorlommn. Bielleicht hat er zufällig mie ben, wie viele Menſchen gern wollten, aber bey Wöillen bes iiices mil

finden konnen, und wie eß:bagegen bem auders gearteten won Zub a-

au um feines. Willen zu thun if; der Suabe foll ‚rechts, fo mild feine Begleterin, aber er geft Til, wicht Daß "ihm ‚ort chuas Life deres anzöge, fonbern nur baß er feinen Willen habe.

Nun aber bringt id) von febft eine für bie game Bofge wihie Unterfdeivung auf des Wollens, das eigentlich gegenftantlos in das nur ſich will (= Sucht), und-des Wollens, das nun ſich hat mb als Erzeugniß jenes erften Wollens ſtehen bleibt und erft der wirfüce Geiſt iſt, der-Geift, der fi hat, ber bewußte Geift, der fein Wen nur im Eih-Wiffen, im Ich bin hat, während der Act, das Bel, in Folge deffen er iſt, ihm ſich entzieht und ihm gegenüber vie Ratır eines verhängnißvollen, unergrünblihen Willens amimmt, ver Gein. der nicht mehr will, einzeln nämlich und vorübergehend, ver ewiger m bleibender Weife will, und num in dem bewußten, dem, ber-fih hat, ned} da ift, als der unzerftörlice, innere Grump alles freien Willest. Denn in dem bewußten Geift iſt nun bie Freiheit und das Wollen, chen das Wollen, welches das erfte Wollen fid "bewahren wollte, u es ihm (dem beionften Geift) ift nun das Wollen, und nur um tiefeh Wollens willen ift er ba. Alles Wollen aber „um etwas mollen; ds entfteht demnach die Frage wegen des Was. Hier möchte man ten,

Er fann aud der nachgelommene, gewollte Wille genannt werben, ber erfe Dagegen ber Urwille

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2 2— u

das verſtehe ſich von ſelbſt und mache keine Schwierigkeit. Anzunehmen ſey nicht, daß die Seele, die das abſolut Begehrungswerthe, um pla⸗ toniſch zu reden, in überweltlihem Ort gefchaut, von dieſem fich ent« fernt habe, um fich jenem zu entziehen, ſondern nur um ſich ihm mit Freiheit und eigenem Willen zuzuwenden. Dabei ift jedoch überfehen, Daß wenn von dem Ueberweltlichen in ven Ziefen, im bloß potentiell Gewordenen der Seele ein Einbrud zurüdbleibt, das wirkliche Be wußtſeyn von etwas ganz anderem erfüllt ift, das dazwiſchen tritt, ber Welt, welche die Folge jenes erften Wollens und ſich herſchreibend ans einer dem gegenwärtigen Bewußtſeyn nicht mehr zugänglichen Res gion, zum bewußten Geift als ein nicht Gewolltes, ihm Fremdes fich verhält, das zwiſchen ihm und ſeinem Wollen ſteht und ihn an ſeinem Wollen hindert, etwas alſo, durch das er hindurch, das er durch⸗ bringen muß, um zu feinem freien Wollen zu gelangen. Wie aber’ e8 baschbringen und feiner Herr werden? Eine reale Macht über daſſelbe ſteht ihm nicht mehr zu; was allein bleibt, iſt: es durch und durch erkennen, es im Erkennen überwinden. Alſo muß ſich der Geiſt ins Erkennen begeben, er iſt nicht, er wird Verſtand, wie im Grunde auch’ Ariſtoteles andeutet, wenn er ſagt: Erkenntniß ſucht den Verſtand (yewopl&sı), nur damit er des Entgegenftehenben oder Dazwiſchengetre⸗ tenen Herr werbe, d. h. daß er-an Im feinen Gegenſab mehr ſeines Willens habe!.

Die Sicle, auf melde Dbiges anfpiet, in de Anjm. 1, 4: Avdyan apa inel navra vol, auıpa olvaı (rov vovv), coaes pnoiv Avasapopag, iva xparn, rorro d dariv, iva Prapise' Tapslıpasvölevov yap xaAve To dlerpıiov xal ayrıyparra. Koareiv ift der eigene Ausbrud bes Anara- goras, wie man aus Simplicius weiß. Ulle. mir belannt gewordenen Ans leger verſtehen bie letten Worte fo, als jey es ter Verſtand, ber als mapsu- yarvouevov das Fremde von ſich abhalte, wie einer dieſer Ausleger ſich ausbrüdt, gegen das Fremde fich verſchanze. Jeder nach feinem Geſchmack und nach feiner Einfiht! Widerſpräche nicht aber fchon die Grammatik? Und wie follte ber Berftand, ber repellirt gegen das Fremde und es nach ber an tem Wort avrı- poarre baftenden Bebeutung (Ariftoteles braucht es nie anders als von Eonnen- oder Monbsfinfternifien, |. u. a. Anal. Post. II, 2) fogar verbunfeln- milßte, tefielben Herr werben, oter e8 erkennend durchdringen?

⸗—

„Wenige Schritte nech uud wir find Bei Dem Ergebeiß, niet N lange, feit dem Alterthum andanernde Krifis der philoſophiſcha Bike ſchaft Sefhfieft

Das Wollen, das für nu6 ber Anfang einer anbern, auf in Mee geſetzten Welt ift, ift ein rein ſich ſelbſt eutfirringenbeh, fein ſelbſt Urſache in einem ganz anbern Einu, als Gpinsze kick um ver allgemeinen Subflanz gejagt hat; beun man kann von im ie fagen, daß es Sf, nicht- daß es nothwenbig If; -in biefem Ein ij es dad Urzufällige, der Urzufall jelbft, wobei ein großer. Unterſchicd p machen zwifchen dem Zufälligen, dad es durch eim- auberes ift, uab ten durch ſich felbft Bufälligen, welches Feine Urſache hat aufer ih felbft und’ von dem erft alles andere Zufällige fich ableitet. Died Wollen erhebt fi) in der Seele, bie allein ein Verhältniß zu-Gett jet und zwijchen dieſem und dem Seyenden eine ſolche Stellung, vag.d von Gott ſich nicht abwenden kann, ohne dem Seyenben, und zwar ei zufällig materiellem, anheimzufallen. Diefe Seele, in welcher tas Wollen ſich erhoben, ift num nicht mehr der Seele. in der Dee gleich, fie wıt durch jened Wollen zur individuellen, denn dieſes Wollen eben ift dat Individuelle in ihr; mit biefer erften zufällig wirklichen aber ift ein unendlihe Möglichkeit anderer, gleichberedhtigter, ebenfalls indivitnelle Seelen gefegt, an welche je nach vorbeftimmter Orbnung und nad te jeder zufommenven Stelle die Reihe des Wollens, d. b. des Adeb fommt, durch den jede fich felbft und mit fich bie Welt aus der Pe fett, fo daß zur Wahrheit wird, daß eines Jeden Ich zwar mit bie abfolute Subftanz ift, denn biefer voreilige Ausprud Tann nicht für correct gelten‘, wohl aber, daß der unergründliche Act ver Ichheit eines jeden zugleich der Act ift, durch ben für ihn dieſe Welt die Welt aufer ver Idee gefegt iſt.

Diefes Ergebniß ift ſubjektiver ADealismus zu nema fubjeftiver, weil er, wie Sie fehen, die Welt in der Idee, vie Bet

eo, audanmtüih hate ih Rice befielben bediem, Grundlage der ifjenihel,

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als intelligible vorausfett, gerade wie Kants Ipenlismus eine Welt der Dinge au fich, freilih als nicht bloß menfchlicher Erkenntniß, fondern auch menſchlichem Denken unzugänglid, voransjegte nicht Idealismus im Sinn von Fichte, ter das Ich zum abfoluten, fchlechter- dings nichts vorausfegenden Princip machte, womit in der That aller Bernunft- oder intelligible Zufanımenhang der Dinge anfgehoben war; man erinnere ober- überzeuge fid) aus Fichtes Naturrecht, wie er z. D. dem Licht, ver Luft, der Materie, überhaupt allem, was ihm von ber Natur nöthig war, nur eine äußere Bernünftigfeit zu geben wußte, nämliä, eine Nothwendigkeit für die Zwecke der angenommenen Bernunft- weien, die ihm ber Luft bebärfen, damit fie einander hören, des Fichte, damit fie einander während ber Unterhaltung zugleich ſehen können. Das Erfte, was nad einem ſolchen bobvenlofen Idealismus gefchehen konnte, nur um wieber auf ben Weg ter PBhilofophie zu kommen, war offenbar, die immanente, vie ihnen felbft inwohnende Vernunft ver Dinge ans Licht zu bringen, den intelligiblen Zufammenhang ver- jelben zu finden . Man konnte alsdann dieſen Theil des Syſtems ven

ı Die Beränberung, bie Yichte ſelbſt fpäter an feiner Lehre vornahm, follte eben die dem fubjeltiven Idealiomus nothwendige Vorausſetzung herbeifchaffen, die er vorher unnöthig gefunden hatte. Für Gefchichtichreiber der neueren Philo- fophie wirb es beinerfenswerth ſeyn, daß biefe Sinnesveränberung Fichtes erſt der Edhrift: Bhilofophie und Religion folgte, aus ber ihm auch ber Titel „Unweifung zum feligen Leben“ im Gebächtnii geblieben war (S. 3, wo es heißt: „Außer der Lehre vom Wbfoluten haben bie wahren Myſterien ber Philofophie die von ber ewigen Geburt ber Dinge und ihrem Verhältniß zu Gott zum vor- nehmften, ja einzigen Inhalt; denn auf biefe ift bie ganze Ethik als die Anwei⸗ fung zu einem feligen Leben erſt gegründet, umb eine Folge von ihr“). Alſo erſt diefer Schrift gelang es, die Starrheit feines Gewißſeyns, daß es außer dem Ich keiner Borausjeßung bebürfe, zu liberwinden. Ihre offenbare Wirkung auf ihn hatte fie gewiß weniger ihrer populären Haltung, als ber gerechten Aner- fennung, ja Bewunderung zu banlen, welche barin ber Energie, mit welder Fichte im Ich das allgemeine Princip ber Einblichkeit erfannt und ausgefprochen hatte, gezollt war, wie wenn ©. AO f. gejagt wurde: „Die Selbſtändigkeit bes andern Abfoluten (des Seyenden unſrer jegigen Darftelung) reicht nur bis zur Möglichkeit des realen in⸗ſich⸗ſelbſt⸗Seyns; über dieſe Grenze hinaus liegt die Strafe, welche in ber Berwidlung mit bem Enblichen benen Klarer hat

Schelling, ſammtl. Werke. 2. Abth. 1.

objeftiven Ipealismns nennen. Dabei mußte es aber um wirklid Ideen (been der Dinge), nit um abfirecte Begriffe zu fen ion Einem Syſtem bloß abftracter Begriffe Föeuete beerdh Anwendemg ber für die Ipeen gefundenen Methode boch nie ein wirklich fpeculativer Ya gegeben werben; von ehemaliger Ontslogie (im beſter Che. Welke Zeit) oder franzöfifcher Sreologte (diefen Namen Fäunte man ie dien falls laſſen flatt: Idealismus) würbe es ſich eben nur durch dei de zwungene ımb Fratzenhafte der Einfleivung unterfcheiben.

Seit den Zeiten des Alterthums bat ber philofophifche Geiſt feine Er oberung gemacht, bie fi} ber des Iealibmus wergleichen Lehe, wie vie von Kant zuerft eingeleitet wurde. ber zu beren Ausführung geht nothiwenbig Fichtes Wert: „Dasjenige, beffen Weſen unb Gem He barin beſteht, daß es ſich ſelbſt fet, iſt das Ich; fo mie es ſiqh fehl ift es, und fo wie es ift, ſetzt es ſich“!; und es ſcheint ums ZFicket Bedeutung in der Gefchichte der Philofophie wäre groß gemig, wen fi feine Miffion auch bloß darauf befchränft Hätte dieß auszuſprechen wenn, was er binzugethan, zwar immer bie fubjektive Energie fee ©eiftes bezeugt, aber zu der Sache nichts hinzugethan hätte. Cs ii nicht zu verwunbern, baß ber deutſche Geiſt, dem viefe Wiffenseriweite rung vorbehalten war, ſich nicht fogleih in fie zu finden wußte, deß feit Kant mehr als Ein Menſchenalter vergehen mußte, ehe fie zu ihr befinitiven Herftellung gelangte.

Es liegt in dem Idealismus felbft etwas Weltveränderndes, mb feine Wirkungen werben ſich noch über die unmittelbare Aufgabe der PHilofophie hinaus erftreden. Für die Begründung und wifſenſchafiliche Herleitung glauben wir durch den biöherigen Vortrag genug geihen;

wohl auf biefes Verhättniß von allen neneren Philoſophen Teiner gebentet, dB Fichte, wenn er das Princip bes enblichen Bewußtſeyns nicht in einer Thatjehe, jonbern in einer Thathandlung gefet will". Am wirffamften aber war wohl be Beweis, ba bie Ichheit nur der höchſte ımb allgemeinfte Ausdruck für das Priact bes Eüinbenfalls, und bie Bebeutung einer Philofophie, bie, wenn auch unbenußt, biefes Princip zu ihrem eigenen made, nicht hoch genug anzufchlagen fen. Eher daſelbſt ©. 42, * Srunblage ber Wiffenfchaftelehre, &. 11.

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aber ihre legte Beftimmung hat die nene Weltanficht erft erreicht, wenn fie ihre Stelle au im allgemeinen Bewußtfem eingenommen, und wir glanben daher unfere Aufgabe nicht erfüllt, ehe wir fie in den mög-

lichen Beziehungen zu biefem betrachtet haben.

Ale Menſchen, Gelehrte wie Ungelehrte, ſprechen mit gleicher Emphaſe von der Welt. Sie unterfcheiden nicht bie wahre und bie erfcheinenbe; denn eigentlid; und im gewöhnlichen Lauf des Lebens wiffen fie nur von diefer. Aber das allgemeine Bewußtſeyn widerſetzt ſich dieſer Unterfheidung nicht, im Gegentheil neigt es fi) gern zu bem Gedanlen und wie viele erheben fih an ihm! daß biefe Welt nur das unvolllonmene Abbild eines volllommenen und weit berrliheren Urbilves ſey. Zufolge diefer allgemeinen Unterfcheidung wird man bie finnenfällige Welt vielleicht nicht mehr die Welt, fondern eher dieſe Welt nennen, d. b. die Welt, auf bie man zeigen Tann '; aber biefe Unterfcheibung reicht nicht hin zum eigentlichen Idealismus; fie ift wohl nirgends ausgeſprochener als bei Platon, und e8 ift ihm in der fidhtbaren Belt viel Zufälliges, das fi) von der erften Grundlage herfihreibt; aber einmal in Orbnung gebracht und völlig ausgefehmüdt, ift fie ihm zwar nicht von Natur ewig, aber von unvergänglicher Dauer, nie alternd, ein glüdfeliger Gott ?. Das ift antite Denkart. Der Idealismus ge- hört ganz der neuen Welt an, und braucht es keinen Hehl zu haben, daß ihm das Chriftentbum die zuvor verfchloffene Pforte aufgethan. Lag nicht eine gefchichtliche Nothwendigkeit in ver Mitte, was Tonnte ben Ariſtoteles aufhalten, der nur einen Schritt zu thun "hatte bie Grenze zu überfchreiten, und doch jenfeitS ftehen blieb? Das Chriften- thum bat. uns von biefer Welt befreit, daß wir fie nicht mehr anfehen als etwas ıms unbedingt Entgegenftehendes und wovon keine Erlöſung wäre, daß fie ung nicht mehr ein Seyn, fonvern nur noch em Zu- fand if. „Die Figur diefer Welt (bemerken Sie wohl: die Figur; aljo diefe Welt ift überhaupt nur eine Figur, eine Geftalt), die Yigur

"Wie bei Platon ods 0 nösuog (Tim. p. 30 C) ober 0 vor ndsuog, Mur m @egenfa ber mdlaı yidıs, ohne Gedanken an eine Zunft. ? dynpag dnavsrog Biog dufalsev Yeog. Tim. p. 33 A. 36 E. etc.

dieſer Welt vergeht"! die Welt geht vorbei (wie ein Schachhicl da wie ein voräberziehendes Heer) ſammt ihrer Begierke?, b. 5 ver ds gierbe, der Sucht, in ver fie allein ie Geipe hat; üfe genges Hi ift Begierde, nichts aubereh, „Das finb Mutfprädhe ves Feua Te ments, und wenn ebenbaffelbe bie ſichtbare Welt dieſe Wick nem, fo liegt deutlich die Meinung zu Grunde, daß fle bie wit dem gegm wärtigen menſchlichen Bewußtſeyn geſetzte und wie biefe voräbergehenbe i

Anh unabhängig aber vom Chriſtenthum umb wie non Ratur vs Menfchen eingepflanzt, ift es allgemeine Rebensart von dem Giterkabe zu fagen: er verlaffe biefe Welt und gehe im eine anbere äber; mie um bie erſte wicht eine bloße Form ober Geftalt, ſondern bie Bit felbft, fo wäre ber ans biefer Welt Geſchiedene von ber Weit ſch b. h. von allem Seyn, amsgeihieven. Es fehlt dieſer Weisheit nicht un Berbundenen, die nebenbei fi als Bollsfreunde ausgeben, vermuthid wegen der Achtung, die fie durch ihre Lehren für die vox populi as ven Tag legen. Die andern aber, die auf biefe vox Dei wirlüh a hören gewehnt find, mögen bebenlen, daß fie von dieſer Welt un mx andern Welt, von dieſem Leben und einem andern Leben nicht weh werben reden können, ohne ſich als Mealiſten zu befennen in dem Siem, ben wir dem Wort gegeben. Wenn fie eine Fortdauer annehmen, ſolle fie zuerft erflären, wer Subjelt biefer Fortdauer if. Nun ik be länglich gezeigt, daß das einzige von ber Materie Unabhängige und ſie Uebertreffende im Menſchen ver Geift ift, und daß dieſer feiner Watır nach unverberblih und ungerftörlih ift. Denn er ift nur feine eigme That, und kann nur fich ſelbſt aufheben, wie nur fich felbft jenen; a ift das einzige Unbezwingliche in der Natur, über das, fo es ſelbſt nicht will, auch Gott nichts vermag, er „ber Wurm ber nicht fickt

' aapayaı 10 dynua rov noduov rovrov, 1. Cor. 7, 81. Ungenan Puthe: das Weſen dieſer Welt vergeht.

20 x0duo; napaysraı nal n dnıdınia aurov, 1. Joh. 2, 17. Ben bemfelden Zufammenhang in n —RX vis dapxog md 7 daedumia or opdaluov ber Genitiv nicht das DObjelt, fondern das Subjekt ber Begierde un drückt, fo auch in aurov.

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und das Feuer, das nicht erlöfchet“. Nun ift es vielleicht bie ältefte ‘, gewiß die allgemeinfte Redensart, für ftechen zu fagen: den Geift aufgeben. Zuerſt fchrieb ih die Rede unftreitig davon her, daß für Geift und Athem zumal in den alten Sprachen baffelbe Wort ift, und den Geift aufgeben beteutete nur den Athem aufgeben (deavderr, exspirare, spiritum reddere). Aber 3. B. in der Rebe des fterbenven Chriſtus iſt gewiß nicht der Athem gemeint. Bunächft fragt es ſich auch bier um das Subjelt, das den Geift aufgibt oder entläßt?. Unftreitig num ifl e8 die Seele, die im das Sterben ſich ergibt; denn, wie wir gefehen, ift fie felbft materiell geworden. Mit ihr ftirbt aber nicht der Geift, denn er ift der Seele Urfache ihres zufälligen (vergänglichen) Seyns, nicht ihm ift die Seele irgendwie Urſache. Dem entlafienen Geift nun aber ſteht ein verfchievenes Roos bevor: er wird entweder ſelig ober nicht ſelig, waxdprog oder nicht uexdprog. Um bieß weiter zu verfolgen, wenben wir uns zunächft einer etymologifchen Unter: ſuchung zu, deren Zwed ift, uns über die Bebeutung bes griechiſchen Adjectivs Aciæceo oder uex&pıog zu verſtändigen.

Etymologiſche Unterſuchungen ſind ein ſchwieriges und nicht feten ſchlüpfriges Gefchäft, und dennoch gerade von einem höheren wiſſen⸗ fchaftliden Standpunkt nicht zu vermeiden, wie denn faum em Phi lofoph des Alterthums zu finden ſeyn wird, ber fi) damit nicht, bald ausdrücklich, bald wenigftens gelegenheitlich, beſchäftigt. Es ift dieß nur natürlich. Denn Wörter aud von tieffter Bedeutung werben im gemeinen Gebrauch allınählich abgeigt umd nur noch faft gedankenlos angewendet, fo daß oft die erforfchte Abſtammung des Worts wieder anf den urfprünglichen Gedanken zurüdführt.

Indem ich nun, um die Herkunft des griechifchen Worts uxxap ober ucæcẽgeoc zu erfahren oder fie felbft zu ergründen, zunächlt vie gewöhn- lichen Quellen nachſchlug, nannten biefe unter den erften, bie eine Her⸗ leitung ves Worts verfucht, den Ariftoteles. Der habe das Wort amd

' Auch das A. T. kennt fie bereits, Thren. II, 12. ? apissda: ro avevua, Matih. 27, 50. napsdons, Ich. 19, W.

ber ſeinigen wirklich zu vertjeibigen gemeint enferben, daß das mide cin Bufat ÜR, won ‚beim heibe Eifiin sie wiffen (Ariſtoteles ſelbſt fagt einfach: Bed mer} rd memchpen auepd z00ı9 GRO ToU xalpeıw) wab von bem, wie ich wermuiße, and kin Gasbfärift eines weiß, ‚Dem id fand fpkter, daß Diefe mil M waheſcheinlich uur. aus dem Inder der Gylburgfchen Unsgabe heridrei, wo es aber in Parenthefe, denmach als Zuſatz bes Herantgehert, I zeichnet if. Ich wandte mich um einer Erklärung zu, welthe an Euflathios angeführt zu werben pflegt, meimenp fen ber ber sig, kn Todesloos, nicht Unterworfene, sap TO ug Unoxsicdus auel er jo genannt. Daft ſcheint der beftänbige Gebrauch von ben Glen, zumal im Gegenfag der fterblichen Menſchen wie das fo oft wide: holte: wpög re Hewy uexapmy Rod Te Ionra ardonnem!— zu |prechen, wiewohl doch auch Menſchen felig genannt werben, wie in dem befannten: uaxepo» dE iccı roxzam?. Cine Hauptfrage jdn mir jedoch, ob die dabei angenommene verneinende Wirkung des aa us folden Zufammenfegungen erweislich ſey. Zum Glüd gibt es ber ſo p⸗ . fammengefegten Wörter nur wenige, die Induction ift alfo ſehr left. So wurde id auf eine Unterfuchung über die mit sr zufanmengefehten griechifchen Aofective geführt. Wer fi num diefer Adjective im Alge meinen erinnert, wirb bald wahrnehmen, baß keines barımter ik, in dem fich nicht fogleich eine verneinende oder einfchränfende, mildernde Beſtimmung zu erfeunen gibt. Was alfo fpecieller Rachweifung .berarl, wird nur ſeyn, was in jebem berfelben verneint ſey.

In narasog ftellt ſich das Leere, Nichtige, von felbft var, mus braucht es nicht zur ſuchen; aber wie läßt fi im Wort felbft das Mav- gelnde erfennen? Nun ich meine, was ausgefchloffen wird, ift das Pal: pable, Greifliche. Maracrog bebeutet das Impalpable, Subftanzloje, nt

' Eth. Eudem. VI, 11.

2 Jliad. I, 339. ° ib, XXIV, 377.

1 ]

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kommt darum deutlich genug daher, woher der epiſche Imperativ 7, nimm, greif zu, und das bekannte homeriſche Particip zereyor, nämlich von Two, von dem r&yw und, wie e8 fcheint, das lateiniſche tango nur vollere Formen find. Mit uxraıuog hängt uernzv zufammen, ohne Erfolg, ins Leere z. B. ſprechen, und das ausdrudsvolle uerdw, zögern, bie Zeit verlieren, nicht zugreifen, wofür es im Deutfchen nur land⸗ ſchaftliche Ausprüde zu geben fcheint, wie dröſeln foviel ich weiß in Thüringen —, einen |prechenberen in Schwaben: thäteln, wovon auch ein Subſtautiv Thätler gebildet wird für einen Menſchen, ver nie fertig wird, an einer Sache immer nur herumſpielt ohne ſie tüchtig anzugreifen. Die griechiſche Sprache hat ſehr entſchiedene Ausdrücke für die unmittelbare und augenblickliche Folge, wenn dem Gedanken, dem Wort oder Überhaupt der gegebenen Möglichkeit unmittelbar die Wirk⸗ lichkeit, die That folgt, wie Eyap, alıye, deſſen Gegentheil offenbar das beſonders homerifhe ua, 3. B. na oudonı (I. XV, 40), umfonft ſchwören, ohne daß dem Gelöbniß die That folgt ober an die Erfüllung auch nur gedacht wird; von biefem kommen erft die Ad⸗ jective uaw/dıog (bei Homer nur als Adverbium) und uaıy/Aoyos + DB. odawol, Bögel, deren Geſchrei Feine Yolge hat, nichts bebeutet; es ſelbſt aber ift offenbar zufammengefegt aus ux und alıwa.

Bon einem andern Adjectiv ueAuxög, das unftreitig eher war als das von ihm gebildete Zeitwort u@Adooo, ift die negative Bebeu- tung ebenfowenig zu verfeunen, der Ausdruck aber feheint von einer ganz befondern Eigenfchaft des.Weichen hergenommen, daß es nämlich) beim Serreißen ‚oder Zerbrechen keinen Ton von fich gibt, wie das Harte, deffen Eontinuität nicht ohne Wiberftand oder ohne Krachen ober

: Suaden aufgehoben wird; es käme demnach von Ackoxco, Accxéd (wo- von die Formen Auxsiv, Üiuxsv u. |. w. noch übrig finb), was eben biefen eigenthümlichen Ton ausbrüdt, womit etwas · Starres zerbricht oder zerfradht, wie die Knochen: Aue Ö’ oore« ift häufig bei Homer.

Nach diefen Proben glaubte ih, ohne mich bei Adjectiven mie nersoos aufzuhalten, das gewiß fo wenig als etwa uayınog zu den mit ua zufammengefegten und überhanpt zu den bis jegt unklaren

gehört, ſofort zu Acxco, memipeos fortgefen zu dürfen nd je aber, die verneinende Webentung ber. Borfylbe voramtgeiegt, fdim us Todesloos, mit zapdie, ia, ro (Gircumflez), und cheufe wi #705 , 1/01, zufanmenzuhangen, das gebraucht wirD, zum ba6 cigeafk, inmerfte, jedem liebſte Wollen’ zu bezeichnen, wie beun als feR zer wenbiges Beiwort immer @/Aon babeifteht, 3. U. od mos rare ds} orjdeccı plAov sp, nit iſt mir ein ſolches Tiebeh eg der Bruft, duov Ö’ dyiiuccs plAow ao, auch bei britten Perfen, ; ®. olov 'Odvoonog raluoiypovos kous pi/Aow sp, cher wu ver Here dnıyvdumpaoe pllov ao. Wie es alſo bedentet, ws in jedem das eigentliche Selbſt ift, fo ift es im Allgemeinen be Sig der Leidenfchaften, unter biefen zwar beſonders auch ber Liche (wie das häufige wdpe x706 plAog, auch anodde = "dem deutſchen herr lich, oder von Herzen lieb‘, vorzüglich aber des verzehrenden Graut und Schmerzens (wie in PRevbOúCGXsS PLAoy xp von Adhilleus, ra dartonaı xEap von Prometheus bei Aefchylos), Des Zorns (mie in dem häufigen ywouevog xro), der Schadenfreude wie in dem Arifie phanifchen gleich Anfangs der Acharner, ®. 5: Eypd' ig gye ro niap sippardıny idıov, Totę adırs ralaıroıs, olg Kitdorv eönneder).

Aber es ift nicht etwa bloß zufällig, 3. DB. nur im Gram ober ka Sorge, verzehrend, es ift das immerwährende Wollen und Begehren felbit, das an fich verzehrende, das nie fterbende Teuer, das in jerel Menſchen Bruft, und das eigentlich) der Geift, das Bewegende, Treibente ift, das Princip feines Lebens, wie denn deßhalb, wer tes Pebens beraubt, dem Homer ax7jgeog heißt (mande wollen auch sexoos bieberheziehen)'. Darauf deutet auch das Herfommen des Worte, da adap gewiß eher don xdpeıs, xulpsım, verzehren, absumere, al8 ven xio, xdıo,-xedLo, |palten, weil Heſychios xiep durch wur

' Bei Homer finket fi auch Junos flatt ziap. Iliad. VI, 302: 60 druor

—XX

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denompdonv erlärt babe, aud cher, al8 von xdn, ul, ardeo, weil das Herz fons ardoris vitalis. ſey.

Daß weioeın aud von ſittlich Verzehrendem gebraucht wirb, zeigen die Yvıoxopoı ueledwves des Hefiobos, ftatt deren ich in neuem - Untgaben Yusofopovs uslsdwves als vermeintliche Berbefierung an- getroffen, gewiß weil man entweber nur an xopdn (xopersuu.) satio, gedacht, und abgeſchmackt genug die Glieder⸗verzehrenden Sorgen durch usque ad satietatem membra depascentes erflärt hatte, ober zur an xoo6o, putzen, was ebenfo wenig Sinn hätte. ALS natürlich erfcheint es gewiß auch, wenn zwei weientlich ganz gleichlantende Wörter wie 7 xp die Tobesgättin und ro #70 ſich von bemfelben Urbegriff herleiten laſſen.

Erimern wir uns, daß dem Ariftoteles der vous das Erspor ydsvos wuzrns ift, eine anbere, erſt nachher binzugelommene Art von Seele. Jenes Wollen, für fi oder felbft etwas zu feyn, durch das bie Seele ans dem Zuſtand des Seeleſeyns geſetzt wird, iſt ber Sede ein Fremdes, etwas durch das AZwiefpalt in fie kommt und das ihr Urſache der Unfeligfeit if. (E8 möchte damit ein unerwar« teted Licht auf die „gefpaltene Seele" in ber Glofie des Heſychios fallen). Wie nım dieſe Unruhe des unabläfligen Wollens und Begeh—⸗ rens, von der jedes Geſchoͤpf getrieben wird, an fich felbft die Unſelig⸗ keit ift, fo wird das zur Ruhe gehrachte zExo auch von felbft Seligkeit ſeyn. Hiemit ſtimmt aud überein, was fi von der Grunbbebeu- tung diefes deutſchen Worte erfennen läßt. Denn obwohl die Fülle des Beſitzes darin das Erfte und Vorherrſchende ſcheint, fo macht doch nicht jeder Beſitz ſelig, ſondern nur ein folder, in dem man fich felbft vergißt; ein uaxap, ein vir beatus, auch im vömifchen Sinn tft nicht, wer bloß reich, ſondern wer fo reich, daß er wller Sorge für ſich felbft entlebigt iſt; wie auch nicht jeber glädfelig ift, ver glücklich ift, fon- bern der in feinem Glück fich jelbft vergißt. Bezeichnend für die Zeit und den Mann ift es, wenn Adelung fagt: glüdfelig werde für glücklich vielleicht nur darum gebraudt, weil ed um eine Sylbe länger fey, weßhalb e8 denn aud im Oberdeutſchen am häufigften vorkomme.

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Ferner: im Hochdentſchen jſange das Wort au zus veralten, man begix fi wit giädüh. Man Tann biefe Deguigfamleit midt tebda mb m wünfcden, daß nicht in mauchen Begaten bad sad bes Hin AA zu ben veralteten zählen möge.

Die Frage it alfo, wie das minp zur Buche gehend mehr. Ra hat ber Geifl, wenn er vom Leib abgeſchieden, von der Seele alle it, zweierlei Wege vor ſich, oder vielmehr aur eimerfei Weg, je ah dem er fich im vorbergegangenen Leben für bem eimem ober ben ande entſchieden kat. Denn entwever beharrte ex im. für-fich-, alfe ui unabhängig von Gott⸗Seyn une, um fi) Gott mit Sreiheit zu gie, ober um bie Welt an fich zu reißen, und im Lauf bes Lebens dech aueſchließlichen Umgang und beflänbige Gemeinſchaft jo mit ihr zu w wachſen, daß ex, wie Sokrates bei Platon fi ausrädt, zuicgt ii Slaubens if, es fey in Wahrheit nichts andres als das Körperlie was man betaftet und fieht, ißt und trinkt, ober zur Liebe gebrundt, und daß er fidh gewöhnt hat, das den Augen Dunkle und Unſichtbat, der Vernunft aber Faßliche und mit Philofophie zu Ergreifende, zu hafle, zu ſcheuen und zu fürchten. Gin foldher alfo und fo mit ver Belt vr: wachjener wird, nun auch wirklich frei und losgeriſſen von ihr, nicht ven ihr laſſen können, und beftänbig, obwohl umfonft, in fie zurüdverlangen. In diefem Fall alfo wird nur Unfeligkeit, Unruhe und ein immerwäh: render Verluft des Lebens, das er nicht wieder erlangen faun, b. } ein immerwährender Tod und verzehrende, durch das bloße geifüge Seyn nur gefhärfte Selbſtſucht das 2008 des außer feiner Fore mad gleihfam nadt ' Gebliebenen feyn, daß aljo die gemeine Bollsſprache und Volksmeinung ſich nicht getäufcht hat, wenn fie auf folde Weiſe Beruhigte nicht Seelen, fondern Geifter nennt, und an ſchattenartige Erſcheinungen verfelben glaubt, weil fie, wie Sokrates die erflärt”, ſich nicht rein abgelöst haben, fondern noch Theil fuchen an dem Sicht baren und Moteriellen. Das volllommene Gegentheil von dem allem

"yuuvos, 2. Cor.-5, 3. 2 Phaedon p. 81 C. D.

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wird aber bem wiberfahren, ber, wie ebenfalld Sokrates jagt, ſchon während dieſes Lebens foviel möglich als ein Abgeſchiedener gelebt hat; dem ihm wird es nicht ſchwer fallen, ſich bort zu behaupten, fonbern aum wirklich abgefchieven und jedes Bezugs anf das Außergöttliche frei und ledig und ganz bloß Er felbit, wird er auch fi) ganz dem Göttlichen zuwenden und mit bem ganzen Reichthum bes erworbenen Bewußtſeyns ih gegen Gott zur bloßen Potenz maden, in diefem Act felbft wird er zur Seele, und es ift auf biefe Art bie Seele gerettet, wenn aud) bie den vergänglichen Leib befeelende mit dieſem vergangen iſt. Unftreitig ans biefem Grunde und mit tiefem Sinn wird im Neuen Xeflament der göttliche Geift, inmiefern er ſchon jest in uns ift, das Unter- yfanp (addafor, 2 Cor. 5, 5) des künftigen Zuſtands genannt, wo das Sterbliche nicht mehr feyn, fonvern vom Leben verfchlungen ſeyn wird. Der in feine Potenz zurüdgegangene Geift wird mm wicht mehr bloß Seele, fondern die Seele ſelbſt, aury 7 wuxm fegu, die, wie Platon fagt, fon in dieſem Leben allein das Göttliche erkennt, und am Ende auch das ift, was er die Vernunft nennt. Der auf ſolche Art wieder zur Seele gewordene Geift (ih geftehe, daß dieſer Ausbrud nicht gerade ein gewöhnlicher ift, will aber bemerken, daß was immer Kunſt oder Wiſſenſchaft von befeligenden Wirkungen in fi) ſchließt, auf dieſem zum Seele werdenden Geift beruht; es gibt manche Gebildete, in denen viel Geift ift, aber biefer gelangt nicht zum Reife, wirb nicht zur Seele; andere, in denen bloß Seele iſt, aber der Geift fehlt, ber allein alles wagende) der aljo auf ſolche Art wieder zur Seele ge worbene Geift wird mit Recht ein feliger genannt werben, udxap oder umxeoprog, ben in ihm ift das xdaxo, dieſes ewig begehrenbe Wollen, viejes Feuer, das nicht ſtirbt, wieder zur Ruhe gebracht".

ı Der natikrliche Menſch, der Menſch des gegenwärtigen Lebens ift dem Apoftel Paulus der avdpanog Yuyınog; bie Seele ift bie Subſtanz, der Geiſt nur bus Hinzugelommene und Fremde (das Fupadev dneısßeßnnog bed Ariftoteles) für biefes Leben; in bem nachfolgenden ift jeber in bie Nothwenbigfeit geſetzt, Geiſt zu feyn, was für ben ganz mit bem Materiellen Verwachſenen ein Zuftand äu- Berfter Beraubung und Entbehrung ſeyn muß. Auf biefe Anficht gründete fich bie

Es ſchien mir mertwärbig, in einer griedhlichen Zuſcheiſt dab zing ausorädlich als den unfterblichen Thell ber Seele genamt u fe. Die Grabfährift fickt im IIL Baub bes C. Inser. im teilten GER Nro. 6199 und fagt: Peinem Bofm Üeliunns Jabe ber Baker Wi Denkmal errichtet:

Iymeov undevsaz döna, worauf fe fortfäßkt

- - - - - ro 5 d)avarıı

Es uarapav (netktih yapsı; sber Scnera)

= dpi ndap' Yozı) ydp del Läx. Ich finde weder in biefen Worten noch in ben folgenbem einen bring ben Grund, bie Grabicrift für eine chriſtuiche zu Kalten, med weniger aber konnte ich ivegen eines mit dem neue zıra puxũjc ine ie Schrift angeblich gleidjlautenben Ausſpruchs bes Epiftet, der am ie bie individuelle Fort dauer der Seele, worauf e8 ben Stoikern geya- über allein anfommt, nichts enthält, der Imfchrift einen Gteiler alt Urheber anmweifen, auch nicht einen fpäteren al® ven genannten, über deſſen Meinung man wohl nicht zweifelhaft feyn kamm, wenn mean ie Worte von ihm hört: „der Tob eine Metabole nicht in das nicht

Berftellung,, durch welche ich zuerft die fogenannte Unfterblichkeitelehre ber abfiranen Behanblungsweife zu entreißen fuchte, bie man ihr in ben philofopiichen Edula bis dahin allein hatte angebeiben lafjen, bie Borftellung „von brei ſucceſſiren Zuftänben ober Potenzen bes menſchlichen Geſammtlebens, deſſen erſte Etzk das gegenwärtige, einfeitig natürſiche, beffen zweite das zunãchſt auf biete iel⸗ genbe, ebenfo einfeitig geiflige Leben ſeyn follte, tie tritte aber ımb höchſte (nad der legten Weltfrifis eintretende) natürliches und geiftiges Leben vereinigen, bei natürliche ins geiftige erhöhen, bas geiftige wieder zum natürlichen machen (uni 1 Cor. 15, 44), das döua Bıyıröv dieſes Lebens als “öua mevmarnit wieberbringen follte”. Diefe Iette Beſtimmung geht über ben obigen Tert et die gegenwärtige Entwidlung überhaupt hinaus, unb far alfo bier auch zu ermähnt, nicht meiter verfolgt werben. Bereits im Jahr 1829 von mir in Ber lefungen öffentlich vorgetragen, wurbe biefe Lehre „von ben brei Zuſtänden“ zer in einem weiteren Kreife belannt durch einen meiner einfichtsoofiften Suhl, jetzt felbft o. 8. Lehrer ter Philofophie an ber Univerſität München, Herm Pre fefior Beders, ber fie in feinen „Mittheilungen aus B. E. Löſchers Gammiım von Schriften Über ben Zuſtand nach dem Tode", S. 175, nicht obme unin Vorwifſen, veröffentlichte.

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Seyende, ſondern in das für jetzt nicht ſeyende. Ich werde alſo ferner nicht ſeyn? Du wirſt nicht ſeyn, aber ein anderer, deſſen die Welt jet bedarf, 00 sur ö xöanog zolıav Era“. Dantbar aber wäre es aufzunehmen, ‚wenn der Scharffinn gelehrterer Männer etwas Be⸗ grünbetes über den Vorſtellungskreis ausmitteln könnte, in welchen ber, wie e8 ſcheint, ungewöhnliche Ausbrud gehört. Das Näcfte wäre wohl an Pindar zu benfen, dem xcceo oder vielmehr die zufammengezogene Form #70, die auch Homer allein kennt, nicht ungebraäuchlich ift.

So viel mag für .jegt und in dem gegenwärtigen Zufammenhang genügen, zu zeigen, wie unerläßlich für die Annahme eines andern Les bend, in dem wir nach biefem fortbanern follen, die Ueberzeugung ift, daß bie Welt, in ber wir uns gegenwärtig befinden, nicht die Welt, fondern nur eine Form oder Geftalt verfelben fen.

Cicero -in den Tuceculaniſchen Unterfuhungen erwähnt eines Ge ſprächs in drei Büchern, in welchen Dikäarchos einen phtiotifchen Greis wit Ramen Pherefrates, ver fein Geſchlecht von Deukalion herleitete, zwei Büdyer hindurch beweifen ließ, daß die Seele nichts und ein durch⸗ ans leerer Name fey'. Wer heutzutag ein Geſpräch ähnlichen Inhalts verfaßte,. würde zeitgemäß handeln, ven Bertreter einer foldyen abge [echten Weisheit aus ben jüngeren Kreis frühzeitig abgeftandener und fon in der Jugend greifenhafter Leute zu wählen, an.benen die Zeit feinen Mangel bat?. Dikäarch gilt fonft für einen Peripatetifer; es

Tusc. Disput. 1, 10: Nihil esse amnino animum. et hoc esse nomen totum inane.

2 Wir finb weit entfernt, biefen zuzumutben, daß fie ben in biefen Vorträgen geführten Beweis verſtehen, daß das Materielle als organifch gar nicht zu denlen M ohne ein es ſeyendes, bas natürlich nicht wieber materiell ſeyn kann. Berkenuen wollen wir ebenfowenig, daß unter den Materiefeligen auch ernftliche Forſcher feyn Bunen, bie fürchten, daß fie in materiellen Entbedungen, bie wir ſelbſt mr mit Dank von ihnen annehmen würden, gehindert ſeyn Könnten durch Aunahme eines immateriellen Principe, wiewohl bemjenigeu, ber bie erfte Thier- geiäjäite geſchrieben (umb welche h, weber babei noch bei den zahlreichen und tiefen Beobachtungen, durch bie er ben erflen Grund einer Wiffenfchaft bes organifchen Lebens gelegt, die hohe Lehre von ber Seele im Weg geweſen. Das Princip aber wollen wir zugeben, daß von reiner Naturforichung alles Hyperphyjfiſche fern

wiärde feine Schwierigkeit medien, def ein ſolcher fo fühlst vu ie Seele geſprochen, wenn es mit Uriſteteles feibft fldh fe verfiee, ie ehiige Geſchichtſchreiber der. Phllofephle im menerer Beit gem de lang umb zu viel aber haben wir in biefer ganzem Teigten Unterfudum mit Ariſtoteles verkehrt und gleichſam gelebt, sm. fofort Den ul Wort zu glauben, welche verſichern, daß im feiner Lehre won einer y> ſonlichen Forwaner nicht bie Mebe fey mb micht einmal fen Mm, und vielmehr, da wir gefunden, baß immer in dem Berbältuig, ei wir ſelbſt tiefer in eine Sache eingebrungen waren, eim nenes Pit ei Uriftoteles fiel, wollen wir verfuchen, ob es nicht möglich if, gerke von biefer Seite der Bedentung bet Ps bei Ariſtoteles näher zu Im, als es bis jetzt möglich geweſen.

Nachdrücklich genug zwar haben wir bereits alle Worte bene hoben, in benen er bie Unvergänglichleit des Nus ausſpricht. ax Tann fagen, dieſe Ausprüde beziehen fi) auf bie Unverberblichfeit feiner Natur und ſchließen eine Ewigkeit a parte post fo wenig ein «als früher erwähnte und erflärte Ausdrücke eine Ewigkeit a parte ante. Allein wo Ariftoteles nur die Natur des Nus ausdrücken will, hat er durchaus bloß das Wort: abjonderlih, ZoproTrög, und foweit iR feiner eigenen Erflärumg zufolge ter Nus nur, was vom SMateriellen abge fondert, für fih feyn Tann (70 dvdsyöuevos zwolLscdaı)', tage gen ſpricht er auch vom wirklich abgefchiebenen (YoopsoFsi;), und da, jagt er, ſey der Geift nur was Er if, wie wir ums ausgebrüdt, rein Er felbft?. Hiegegen Fönnte man fagen, der Geift fen für fih mi

zu halten fey, mm barin irren fie, baf fie meinen, bie Seele mäffe berdamt als hpperphnflicpee Princip angefehen werben. Dem Wrifioteles merigfens geht bie Seele, foweit fie nicht unabhängig von ber Materie if, in das Gebiet br reinen Naturforſchung (fj. oben &. 451) und ift ihm etwas rein Phyfiſches.

ſ. oben ©. 456.

* gapıddeig ds darı uovov önsp dor!, nal Toüro uwov adarer xal aldıov. De Anim. III, 5; über önep dsl vergl. man bie legten Berk bon Metaph. VII: ösa un iyu vum, nara anlös ra rı, ı@ Bonitz Comment. zu IV, 2 (p. 178): „excludit pronomen ömsp quascar que rei aecidunt“.

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von allem abgefchieven auch in ver eigentlichen Fswoia, in der un⸗ mittelbaren Anſchauung vefien, worin fein Irrthum, alſo vorzäglich in ver Beſchäftigung mit den Principien der Philofophie: das habe wie Platon ebenfowohl auch Ariftoteles gedacht. Wir können dem nicht wiberfprechen, und müffen zugeben, daß er andy wohl bloß diefe Abſon⸗ berung im Sinn haben lonnte, wiewohl uns der Gebrauch des Wortes mferblih, Adcvarog, wo bo an den iwirkliden Thanatos gar nicht gedacht wäre, nicht in feiner Art feheinen will. Es haben auch anbere Stellen etwas Auffallennes, wenn nad dem Tode, da wo er am meiften Er felbft feyn würde, der Geift aufhören follte zu fehn ‘. ber wit dem allem ift zumal gegen neuefter Philofophie Kundige nicht aufzufommen. Diefe find ganz ſicher; benn es begegnet ihnen ind gefammmt, in dem Rus nicht einmal den Berftand, fondern die Ber nunft zu fehen, und bann ergibt ſich das Uebrige .von felbft; denn die Bernunft (nad, ariftotelifher Auſicht das allein Uufterbliche und Ewige) iR nicht das Berfönliche, fondern gerade das abſolut Unperfönliche im Venſchen. Da habe ich denn geforfcht, ob dem alfo fey, und zu meiner Berwunderung gefunden, nicht daß Ariftoteles der Nus das im Tobe ſich Auflöſende ift, fondern daß er mit folder Deutlichkeit das Gegentheil davon fagt, vielleicht au anderwärts, aber am meiften im der Stelle. ver Nikomachiſchen Ethik, wo er fi fo ausbrüdt: „Wenn denn ber Rus gegen ven Menfchen gehalten göttlich ift, wird aud das dem Rus gemäße Leben göttlich fen, gegen das menſchliche gehalten, Nicht aber muß man denen folgen, bie und ermahnen, Menſchliches zu veufen als Menſchen, Sterbliches als Sterbliche, vielmehr fo weit möglich verunfterbligen (euadavariLur) fol man ſich und all fein Than, um dem Theil gemäß zu-leben, der von uns das Beſte iſt; denn korperlich nicht ins Gewicht fallend, ift er an Macht und Würde über alles, und fcheinen möchte e8 doch, daß ein jeder eben biefes

30 de Anim. II, 2 (p. 24. 25) ſcheint ber Bufah dv Irproig, ebenfo c. 3 (p. 28 8) da6 röv göagröv Überflüffig, wenn nicht im Ointergeumb fiegt, De im mit Abe ober re mie erden Bien ver Aus gan Mi fh ſeyn 36

iR (alfo da, mas in ein je Er feLbR dB, -cam if, ie GER, iR); uud fo fühet Krifinieles fort mmgefigit Inder m

wenn einer nicht fein eigenes Leben, faubern ba6 cinek bez | wählte, weil jedem mas ikm wen Natur cigen auch das Befe ab fe

gencheuſte ift, .umb fo wirb es dem Menſchen Ins Leben za dan Geiſt fen, wenn anders am meiſten biefer Theil jeglider Ball iR°®, Es gehdet hicher noch eime andere Stelle, we Sirifisiele fg: „Geiner ſelbſt mächtig aber ofumichtig wirb einer bazmadı gem, Daß der Fe in Üyn Herr iR ober nid, mei Diefer (dr Bat) der licher iR”

Hier ficht es alſs worilich, daß dem Ariſtoteles das, was er hm Nus nennt, weit‘ entfernt des Allgemeine und Unpexfänficfie za kin vielmehr das Perſdulichſte von allem, das eigentliche Gelbft bei Bin fhen, ober wenn wir mit Fichte reven wollen, wahrhaft eines jeder Ich ift, und nebenbei erhellt aus diefen Worten, daß wir nicht gegen den Sinn bes Hriftoteles an die Stelle des Nus gleich das Prix

der Selbftheit gefept haben. Unb fo wird uns denn bie Berfidermg

eines neueren Geſchichtſchreibers ber Philofophie, daß. bei rißeiih von perfönlicher Fortdauer nicht die Rebe feyn Fönne (denn baf bare nicht bie Rede ſey, ließe fih allenfalls noch hören), im gebäßrensen Licht erfcheinen, wenn wir bie Stelle in der Metaphyſik hinzunchmer, wo er auf bie Frage, ob von dem Zuſammengeſetzten (dem auserde) nach der Auflöſung etwas übrig bleibe, antwortet: bei gewiſſen Dingen ſtehe nicht® entgegen dieß anzunehmen. Man begegnet biefer ur beftimmten Revensart „bei einigen“ auch fonft, we Ariſtoteles eigentlich nur Eines im Auge bat, wie er hier auch gleich, obwohl um wie ker ſpielsweiſe, auf die Frage übergeht, ob vie Seele ein ſolches ſey; we

er denn gleich hinzuſetzt: micht bie ganze, aber ber Nus, denn baf be

! Aödfaı & av nal Inadcov slvas couro' em wäyrev Undeyorv, vor vor) XI, 8 (p. 185, 9). 3 Fo» avrod Plov, ibid. 11. ® sinsp udlısra coöro Avdgenos (lt o avdemwog), ib. (14 15). * a; rovrov inddrov oveog, Eth. Nicom. IX, 8 (p. 165, 14 se.).

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‚ganze, ſey wielleicht unmöglich. Das. wäre nun eine ſchlechte Antwort anf die Frage, wenn ver Nus nur das Allerunperfünlichfte, die Ber- nunft wäre. Aber allerdings nur gehindert ift er durd nichts, eine Fortdauer des Edelſten der Seele anzunehmen, eine Aufforderung aber, fi damit befonvers zu beichäftigen und in die Weiſe biefer Fort- bauer tiefer einzubringen, hat er nicht, und fein Beruf ift für die gegen- wärtige Welt; ihm, deſſen Geiſt fich dieſe Welt nach innen und nach außen ſo zu erweitern wußte, war dieß keine Schranke. Eine Schranke war ihm jedoch geſetzt, zuerſt daran, daß ihm das Princip, das er . Nus nemt, nur Bedeutung hat für die Seele, nicht zugleich für bie Welt; ſodann, daß er in dem Nus tas Göttliche, aber nicht ebenfo das Gegengöttliche erfannt, wiewohl beides nicht zu trennen ift, wie wir vas an einer Geftalt von ewiger Bebeutung jehen, tie und das grie- chiſche Alterthum überliefert hat. Ich rede nämlich von Prometheus, der von ber einen Seite nur das Princip des Zeus felbft und gegen „ven Menfchen ein Göttliches ift, ein Göttliches, das ihm Urſache des verſtandes wird, ihm etwas ertheift, das durch bie vorhergegangene Welktordnung ihm nicht verlichen war, wie nad) Ariſtoteles der menfch- Te Rus ein in Feiner ver früheren Stufen Vorgeſehenes, ſondern ein von Außen Hinzugelommenes if. Aber dem Göttlichen gegenüber ift Promethens Wille, unüberwindlicher, für Zeus felbft -untöbtlicher ?, der darum dem Gott zu wiberftehen vermag. | Herabſchleudre er auf mich den zweifchneibigen, gefchlängelten Bliitsz; den Luftkreis erfchüttre Donner und ftoßweis ſtürmende Winde- braut; die Erbe wühle der Sturm aus ben Wurzeln auf, das wilb- empörte Meer durchkreuze die himmlischen Bahnen, mich felbft entrüde von ihm verhängter, unwiberftehliher Wirbel zum ſchwarzen Tartaros,

Er Öd nal ü6repov vrondra Anearbov' a ärior ydp or dar xo- Avaı, olov el n Puxj ToLoürov, un näda, aid 0 vos’ nädar „ae aövvarov idws. Metaph. XIl,-3 (p. 242, 19). Vergl. hiezu die Etelle aus de Anim. (S. 457), welche biefer ganz ähnlich iſt.

2 Oro Yavalv udv Eörin ov merpmusvov. Aeschyl. Prometh. ed Schoe- mann 735. 8 Javelv ov uöpsınor, 913. Selling, fämmtl. Werke. 2. Abtb. 1. 31

todten wirb er mid doch nimmermiehr*‘, „Se fpricht ter Int feiudliche bei Aeſcheloe. Deus „geflägefier Gute” Zefet Immr mike am ver Leber, bie nit Rirbt*, au weibet jeden walten Sog immer wieder wach ſeunde aufs Rene ab

Prometiens I fein Gedanke, ben ein Mienf ef, af einer, der Urgäubeliit, bie ſich felhR ias Dafeyn Drängen α entwideln, weun fie, wie. Promeifens in Wefdepfos, im einem tcanign Geiſt die Stätte dazu finden. Promeihens if der Gebanie, in km das Menſchengeſchlecht, madioem eb bie ganze Götterweit aus finm Sanern hervorgebracht, auf fi felbft zuräckfiheend, feiner jehR mb des eigenen Sqhicſale bmiaht wurde (das Unfelige des ——— gefüßtt Hat). ·

Promeijens if jeeh Prindp der Merſchhen, Das wir dm Grih * genannt haben; ben zuvor Geiſtesſchwachen gab er Verſtaud un Be wußtfegn in die Serle*. „Sie fahen vordem, allein fie fahen unje', d. h. fie mußten nicht, baß fie fahen, „fie hörten, aber fie vernafmn nicht· · Er bußt für bie ganze Menſchheit, und iſt im feinen Las mm das erhabene Vorbild des Menſchen Ichs, das? aus ber Rilke Gemeinſchaft mit Gott fi) ſetzend, daſſelbe Schickſal, erduldet, wi Mammern eiſerner Nothwendigleit an ben ſtarren Felſen einer zufälign aber unentfliehbaren Wirklichteit augeſchmiedet, und boffnumgtles va unheilbaren, unmittelbar wenigften® nicht aufzuhebenden Riß betradte, welcher durch die dem gegenwärtigen Dafeyn vorausgegangene, dırım nimmer zurüdzunehmenbe, untoiverruflihe That entftanden if. Anh

Undvrog dus z ol davardası, 1083. ? Ausbrud bes Geflobos Theog. 525. Nach Ciceros Uebertragung aus tem gelösten Prometheus, Tusc. DispuL 1, 10, v. 24. Was uns (Sbealifen) bie Natur, iR bem Griechen bie eigue Götter, wußtlos ihnen entflanben, wie uns Die Ratur. Anoisad', eg oyãc, vpaimg üvrag co apiv "Ewors Ira nal ppevöy demßeiong. Prom. 435. 436. * Ol.apöra iv Pldnoveıg Iflanon pie, Kitoweg or nuovov ... 489. 40.

see -

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im Promethens des Aeſchylos ift dieſes Unwieberbringliche ausgedrückt. Er ſelbſt verwirft jeden Gedanken an Umkehr, und will die Jahrtauſende lange Zeit vurdjlämpfen ', die Zeit, vie nicht anders als mit dem Ende des gegenwärtigen Weltalters aufhören wird, wenn auch die von Ur zeiten verftoßenen Zitanen wieder aus dem Tartaros befreit ſeyn werben (denn darauf müflen wir fchließen, wenn bie befannten Verſe des Cicero eine Ueberſetzung aus bem befreiten Prometheus des Aeſchylos find), und ein’ neues Geſchlecht Gott und Menſch vermittelnder, weil von Zeus mit fterblihen Müttern erzeugter Götterjöhne entftanven ſeyn wird ?, deren größter, Herafles, erft auch dem Prometheus zum Be- freier beftimmt ıft.

"Gehen wir von bier nicht hinweg, ohne Kants Andenken zu feiern, dem wir es verdanken, ‚mit foldyer Beftimmtheit zu fprechen von einer nicht in das ‚gegenwärtige Bewußtſeyn hereinfallenven, ihm vorant- gehenden, noch der Ideenwelt angehörigen Handlung, ohne weldye es feine Perfönlichfeit, nichts Ewiges im Menſchen, fondern nur. zufällige, im ihm felbft zufammenhangloje Handlungen geben würde. Dieſe Lehre Kants war ſelbß eine That feines Geiftes, durch die er ebenfomohl die Schärfe feines Erkennens, als den moralifchen Muth einer durch nichts zu erſchreckenden Aufrichtigfeit an ver Tag gelegt hat. Denn befannt genug ift, wie er burd) bieje Lehre und die damit zuſammen⸗ bangente von dem rabicalen Böſen der menjchlichen Natur fi fofort die Menge entfrembete, teren Zuftimmung eine Zeit lang feinen Namen ju einem populären gemacht hatte.

Nun kommen wir aber auf das Räthſelhafteſte und Bedenklichſte ver Sadye, das Verhältnig zum Göttlihen, Wenn die Welt bis zu Zens fortgefchritten, entiteht au für das unabhängig von ihm vor- handene, aljo urfpränglich einer anderen Weltorbnung angehörige Men⸗ fchengefchlecht eine neue Möglichkeit, die durch den vorausſchauenden

I rov uıpıern Aporor adeleıco. 9. 9.

2 Hierauf hat vorzüglih Schämann aufmerkſam gemacht. Dan ſ. deſſen, Aeſchylos gefeflelter Prometheus, griechifch und deutſch, ©. 68. -

484 Prrmeijent zur Wirtlhleit wich. Zee ſain Dasanf güah, an vie Stelle des vorhandenen Mienfipengefihleiits aim meues za Inu. Ee war alfo dech eiwas in Zenb, wenadh ex, zun6 Pesmeiienb üen, Mächte Hat ex felbf aur darch Die Macht Des Geißes gef, mi Häffe des das mene Weil) ſih eingerichtet '. Ua van) ſtraft ex fo wub iR fein Bora fo groß. (Deus if zuhe voüs, ber vous Auoılmös des Platon, Prometheus cher #4, ber bie befiefben noch midht (actie) theilhaft gemorbene Menſchheu dp erhebt; das himmliſche, Gott emiwanbte Üener (ber ignis aeiham domo subduotus) iſt der freie Wille).

Unter ben neweren Alterthemntforſchern hat fich befonbers der tr liche Schoͤmann bemüht; die Schuld des Prometheus ins Am fegen, um ben Vorwurf tyranniſcher Grauſamkeit von Zeus ci wehren‘, Weit entfernt, ſagt er, "daß Prometheus das Meufhep ſchlecht wahrhaft verebelt hätte, hat er es vielmehr von bem Buy dazu abgelenkt, und bie Menfchen Mug gemacht, bevor fie gut mar, ihnen die Mittel zur Befriedigung ifrer niebern Bapfpfelffe gehe, ee fie hößere ahndeten; er habe fo, fügt Schämmemm Yiazu, all ir Sinnen und Trachten auf die finnliche Welt eingeſchränkt mb der höhern Beftimmung vergeffen laſſen. Mit einigen lnterfceibuge tönnten wir, wenn dom bloßen unmittelbaren Erfolg die Raei, das Geſagte zugeben, aber nidht zugeben, daß im bem allein Promeikeed Schuld Habe; denn alles das, was ber gelehrte Forſcher angfäkt, ift notwendiger Durchgang. Der bloße Wille des Menſchen if Kb und muß in Verſtand umgewandelt werden. Das Erſte ift, def de Geift die Welt durchdringe Prometfens eröffnet den Sterblichen ve Behandlung bes Feuers, die dem- blöden Geſchlecht, wie jener ei funden, Zeus verborgen hat (fein Thiergeſchlecht weiß das feuer un fachen oder das zufällig entftanbene zu unterhalten), eröffnet ihnen damit den Weg zu allen Künften, lehrt fie den Gebrauch heilfamer Kräuter ut

! riv Suyuarasejsarra eiv rupamida. v. 306.

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alle Mittel, ſich vor der Unbill der Witterung zu ſchützen; er lehrt ſie, die Thiere fich dienſtbar zu machen, erklärt ihnen der Geſtirne Lauf und bie folge Kunft ver Zahlen, die Zufammenfegung ver Buchftaben und bie Erhalterin "jeglicher Bildung, die Schrift. Alfo allerbings, das erfte Nothwendige ift Weltverftand, davor, aber die That, welche dem Menſchen das Verhältniß zu ber Welt gibt, fle nicht Bloß zu fühlen oder zu fürchten, ſondern fie zu verftehen, biefelbe That wird ihm auch Urfache aller höhern, ja des höchſten Verhältniffes. Aller- dings zur vollen Meenfchlichket genügen fie nicht, die Gaben, die Prometheus den Menſchen zuerft verleiht, dazu gehört Größeres und Göttlicheres ?, aber auch diefes follte ihnen durdy Prometheus: werben, und wenn wir Kunft in dem meiten.Sinn ber Griechen nehmen, das Wort ſich erfüllen:

Bon Prometheus kommt den Eterblichen jede Wiffenfchaft ®, Erkennen möüffen wir aljo,. daß Promethens in feinem Hecht iſt; wie er ift, konnte er nicht anders; mas er gethan, er mußte es thun; denn er war durch eime fittliche Nothwenbigfeit dazu getrieben. Nehmen wir biefes hinweg, de nehmen wir ihm nad ben altbemährten Grundſätzen des Ariſtoteles zugleich alle tragiihe Würde; denn nicht das ift ein wahrhaft tragifches Unglüd, das willführlich verlibter Unthat, fondern das einer Handlung folgt, zu der eine ſittliche Nothwendigkeit ſelbſt getrieben. oder mitgewirkt hat. Prometheus ift aljo in feinem Hecht, und doch wirb er von Zeus für feine That durch unfägliche Qualen, auf mnabfehliche Zeit verhängt, heimgeſucht. Aber auch Zeus ift in ſeinem Hecht, denn nur um. folhen Preis erfauft ſich -die Freiheit und Unabhängigkeit von Gott. Es ift nicht anders: es ift ein Widerſpruch, den wir hicht aufzuheben, den wir im Gegentheil zu erkennen haben, dem wir nur ben rerhten Ausdruck fuchen müfjen.

Er ift im Vorhergehenden ſchon angedeutet diefer Ausbrud. Das .

In dieſer Beziehung Plutarch richtig: O Heoundei's, ruresrıv 0 Aoyıduos, de Font. p. 98 C. 23 rov Sopıörrr, rebet ihn Hermes bei Aeſchylos an, v. 924.

? Schoemann, Vindiciae Jovis Aeschylei, p. 11.

TTädaı tiyvaı Bporolsıw iX Hpoundiu;, V. 498. Cr jagt es jelbft.

——

2008 ber Welt und ber Dieufhheit iſt von KRaftur ein tugiiet, ir alles was im Lauf der Welt Tragiſches fidh eveiguet, iR zur ’Barhln des Einen großen Themas, das ſich Tortmährenb exmenert; bie Gab (ung, von weldper alles Leib ih hoſcheeibt, iR zidkt eiummel sehe, fondern das inmer unb ewig Geſchehendez dem nit ne am umferer Dichter glatt, „mes ſich nie uub: nimmer Kat Kagkm‘, fondern was ſich immer begeben uub.cwig begibt vas alkin ur altet nie”. Diefem ewig Trogiſchen hat der große Geil des Mahl fid) zuerſt zugewendet unb fo das Trogiſche in feiner Quele aife Us. vollfoumen begriff er, was ihm zu thum oblag. Es Lefuie mut ver Mühe, Promelheus barzufellen ohne. unbengfamen Trot u © Härte Feindſchaft gegen ben Gott ebenfowenig hat ber. Dicher dal volle Maß ver Schmerzen und Leiden über Bromethens amözngiehen Ih gejchent aus Furcht dadurch dem Gott im Gefühl feines Bells nik zu treten. Denn ihm, dem RJeſchylos, galt noch,. was fpätere Zeiten verlernt, daß bie Furcht Öottes ver Weisheit Anfang ?; ſelbſt an den Staat will er nicht alles Furchtbare verbannt, weil ver Maik, der nichts fürchtet, nimmer gerecht ſeyn wirde, und zuidht zu. ertragen wäre Prometheus, wenn es ihm ganz nah Willen ging *. Die Folge für Prometheus find nur im Verhältniß zu dem unüberwindlichen Wile, der in ihm dem Gott gegenüberfteht, Zeus Granſamkeit im Berfälti zu bes Gottes unergründlichem echt, ſich herſchreibend von dem Ir anfpruch auf das Seyn, ber von den früheren Göttern auf ihn, bei legten, vererbt ift, vernüge deſſen dieſes Seyn in ihm felbft dor alen, aljo auch über allem Verſtand, das blinde, nicht Gutes nicht Bäld kennende, gegen den nad ihm kommenden Berfland nur Stärke mt

' Jo; dydoo;, v. 10. . ? Wer Zeus bes Obfiegere Macht Iobpreifenb ertennt —. Terferaı Ypsrör To nar. Agam. 183. j " Kai un ru dewor nav nolso; ifo Balelr Ti; yap, dsdornug undav, Ivdıno; dporav; * Eins Yopnrog ov2 ar, si apaddar; nalö;:. Prom. 959.

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Gewalt (Kratos und Bin) ift; denn nach nicht weniger alter, wenn auch von Aeſchylos nicht erwähnter, Sage bat, bereit® im Beſitz ber Goͤtterherrſchaft, Zeus erft die Metis in rc gezogen, daß fe ihn fage, was gut umb was nicht gut ſey!.

Doch wie fi Aeſchylos das Verhältniß vor Prometheus nnd Zeus gedacht, und. ob auch andere anders ben Dichter verftehen, es hat auf unfere eigentliche Entwidlung keinen Einfluß. Dagegen ift uns während diejer, wie es mandyen vielleicht gejchienen, abſchweifenden Erörterung die Frage näher getreten, die unabmeislich der letzten Auf⸗ ftellung folgen zu müſſen feint, die Frage nämlich, wie ſich der Gott, den wir (aber noch immer in ber Idee) vorausgefegt, verhalte zu der Handlung, durch welche der Menſch fich felbft und mit fich die Welt ans der Nee gejett. ‘Denn bier fcheint nichts zu bleiben, als eine von beiven, daß der Gott die Handlung gewollt, oder daß er fie ſchlechthin nicht gewollt? Wer nun aber dürfte fagen, daß er fie fhlechthin nicht gewollt. Denn mie füllte Er Perfönlihem gegenüber ich felbft als umperfönlich erzeigen und ermweifen? Und wie könnte Perfönliches ihm gegenüberftehen, ohne einen von ihm unabhängigen Willen? Ober was wäre ohne jene Handlung die Ideenwelt, auf vie fich anwenden Jäßt, was das Evangelium vom Himmel gefagt, daß in ihm mehr freude ſey über Einen Wiedergebornen, als über neun- undneunzig Gerechte; die der Umfehr nicht bedürfen? Wer aber bürfte von ber andern Seite fagen, daß Gott jene Handlung fchledhthin ge wollt habe? Wenigftens aljo müßte, da feines von beiden unbebingt zu fagen, eine Unterſcheidung verfucht "werden: um ihrer felbft willen oder unmittelber könne Gott tie Handlung nicht wollen, aber finaliter ober um des Zwecks willen könne er ebenföwenig fie nicht wollen. Allein die wahre Antwort, die wir zu gebe haben, ift, daß wir an ben Kreis erinnern, worein wir die Wiflenfchaft, in deren Schranfen wir laufen,

' Leis de Yeov Badılsız aparıv aloyov Hiro Mirır, IMesisra Yeov sidrıar Idä Yırrar ardoaawv, "25 oPsvuppassarro Yea dyadov re zaxor te. Verſe der Theogonie nach Gruppes Anordnung.

We aber zur Beautwortung jener Trage hier die Zeit uab ie Dr nicht iR, fe ſqein e8 um fo mehr jept Beit zu-fem, denk weiter gehen, einen Ruckblick guf bie uns im dieſer. Wiffenfihaft gehe Aufgabe zu werfen. Denn mit dem gegengöttlichen Princip ſind we bei einem in Bezug auf das Ziel, das wir uns vorgefett, emticheibesen Bunkte angelangt. Die Su, wie Sie ſich erinnern, das Prag frei vom Seyenden, für fih, fa feiner Abgefchiebenheit, zu haben, me es die auf das Princip gehende Wiſſenſchaft haben will. Um ze Wiſſenſchaft überhanpt zu kommen, hatten wir das Seyenbe und bei was das Seyende Iſt im reinen, aller Wiffenfchaft vorangehexten Denken geſucht; es erzeugten fi und nämlich zwörderſt die Arten bei Seyenden in innerer Nothivendigleit des Denkens; von diefen Glemenien bes Seyenden aber, als einer bloß abftracten Allheit von Mrögfichleiten, bie nur find, wenn eines ift das fie It, gingen wir unmittelbar zu biefem fort, zum Ideal, durch welches jene Allheit, bie nur der Gteff der Idee ift, zur Dee felbft werben lann. Diefes nım, was bei Seyenbe Ift, der wirkliche Inbegriff aller Möglichkeiten, mat zwar bed Prineip, ohne jevoch ein ywpeoron zu ſeyn, ſondern vom Sehenden feftgehalten und nur durch die Abftraction zu erfennen. Um das Princip frei und für fi zu haben, wurde daher dad Seyende in Wirklichkeit übergeführt (damit zur Wiffenfchaft übergegangen) '. Die Folge hieven

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S. 886.

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war, daß die Möglichkeiten (die Arten des Seyenden) zu Urſachen wurden und weiterhin ein Proceß, in welchem die Ideenwelt entſtand. Auf dieſe Weiſe war das Princip, real zwar nicht, aber doch ideal, von dem Seyenden abgeſchieden, und nicht mehr bloß durch die Abſtraction, fondern von felbft als ein vom Seyenden verfchiebenes erkennbar, um jo mehr, als ſich durch den Proceß zugleich ein Mittleres (a °) zwifchen dem Seyenden (dem Materiellen) und zwifchen dem was das Seyende IR (Gott) ergeben hatte, ein Mittleres, welches als felhft nur nicht für fidh ſeyender Actus (als Actus nur gegen die Welt bes Werdens) Gott in Seinem "(abfoluten) Actus ausſonderte. Diefe Ausfonderung aber wurde fofort zu einer wirklichen Tremmung bes Principg vom Seyenden (Gottes von der Welt). "Denn in jenem Mittleren war ein doppelter Wille, und bamit das Dilemma einer umergöttlichen, in Gott verwirflichten, oder einer außergöttlich verwirk⸗ lichten Welt gegeben; im legtern Falle, den wir als eintreten an⸗ nahmen, geſchah eine förmliche Separcitta des Principe, ſowie ſich auch nun die bis dahin durch keine Kriſis unterbrochene reine Vernunft⸗ wiſſenſchaft änderte. Auch jenes Mittlere (a°) nämlich ſollte als Nichtprincip gefeist werben, aber es ſetzt ſich dagegen (ex hypothesi), wird ſelbſt Princip, womit im Ich ein Princip außer dem Princip (A®) gegeben ift, letzteres verbrängt, zugleich aber feparirt wird. Nicht auszuſchließen enblich ift die, wenn auch noch fo ferne Möglichkeit, daß das Sch, woburd immer, dahin gebracht wird, ſich felbft wieder zur Potenz, zum Nichtprincip zu machen, fi alfo unterzuorbnen und dieſes als Princip wieder einzuſetzen, womit, wie Sie ſehen, erreicht wäre, was die Aufgabe dieſer Wiſſenſchaft iſt, das Princip frei vom Seyenden und über Alles fiegreih, kurz ala Princip zu haben. Zwiſchen diefem Ziele jedoch Liegt noch ein weiter Weg, und ausharren müſſen wir bei dem, was uns jeßt zum einzigen Princip geworden, dem Ich, und ihm folgen durch bie felbftzugezogene Mühſal des langen Weges, ob e8, wie ber gebundene Prometheus, einen Ausgang aus demſelben finde und welchen.

Einunbzwerzigfte vorieſung

VSohannes Kepler zähmıt von ber Gopermicamifchen Lehre, def ſe bie Welt von ver insana "et ineflabilis oeleritas ber Pisiemliiien Bewegung befreie '. Sant vergleicht den Ibenlisus mit bem Gene . des Eopernicne. Diefer habe, ba bie Erflärung der Ginmelsbenugugen nicht gut von Stetten ging, wenn man annahın, das Sternenheer deche fih um ven Zuſchauer, den Serfuch gemacht, ob es nicht beffer gelng, wenn man ben Zuſchauer FÜR deehen und Dagegen bie Sterne in Ik ließ. Der Ioealismns fey eine gleiche Umkehrung des Staubpuuih, von ber man fich ähnlichen Erfolg verfpredhen dürfe, Wirklich der Ibealiemus nicht jeder freilih; denn auch Berkeleys Dem ift fo genannt worben, felbft nicht der kantiſche, der es zu feiner Ink führung gebracht, noch weniger freilih, wa® man im neuefter Zeit derh biefe Benennung zu empfehlen gefucht, aber ber Ioealisnuis in ben Sinn, den ich durch die legten Vorträge hinlänglich erflärt anche famı: biefer alfo ſcheint allerbings das Mittel, das viele Gremenleit, das bis jegt noch in ben Naturwiſſenſchaften ſich findet, Hinwegzufcefle, und die ausſchweifenden Gebanfen, in deuen ganz befonbers bie Meagt fich gefällt, im bie dem Philoſophen erwünſchte Enge zu bringen. Den je weiter von aller Schranke, defto weiter iſt jedes vom Denken, uud darum ber Gebanfenlofigteit willfommen, dem Philoſophen aber zuwider.

Epitome Astronomise Copernicanse P. 1. Epist. Dedic. p. IV.

? Borrebe zum Kritil ber veinen Bermunft, zweite Auflage, S. XVI.

* 8i qua finiri non possunt, extra sepientiam sunt, sapientia rerum terminos novit. Senec. Epist. XLIV.

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m 1

So ift, um glei ins Einzelne zu gehen, der Menſch, der zuerft.vie Meenwelt burchbrach, materielle und intelligible Welt ſchied, Fein anbrer, als der noch in jebem von uns ift, nicht einer ‚von denen, weldye bie fo weit von uns entfernten Sterne bewohnen follen. Der Menfch ſteht wicht dem Theil (dem einzelnen Weltkörper) fondern dem Ganzen gegen- über, als deſſen Aoyos, als das es eigentlich ſeyende, er fi ver hält. Er ift das univerjelle Wefen, eine Eigenfchaft, die durch feine gegenwärtige Localifirung over Beſchränkung auf Einen Weltlörper fo wenig aufgehoben wird, als feine Verbreitung über alle, die noch von fo vielen angenommen wird,. ihn zum allgemeinen Weſen machen würde, wenn er es nicht von Natur wäre. Die wahre Heimath bes Menſchen ift im Himmel, d. b. in der Ideenwelt, wo er auch. wieder bingelangen und feine bleibende Stätte finden fol. Kants berühmte Zufammenftellung des geftirnten Himmels_über uns und des moralifchen Geſetzes in uns und ber Wirkung, bie fie zufammen auf unfer Gefühl ausüben, wurde zu ihrer Zeit nicht wenig bewundert, vielleicht nicht anı -wenigften wegen bes falſch Erhabenen, das darin aus feiner Theorie des Himmels nachklingt. So fern gerüdte Gegenftänbe, bie in ihrer Gefammtheit ſich weder dem Calcul unterwerfen, noch von fich etwas anberes erfennen Infjen,. als eben nur daß fie da find, jcheinen aller dings jaft allein zum Gefühl ein Berhältniß haben zu können; aber. bie erſte Empfindung des jener Welt jo fremd und fo fern ſich fühlenven, aber dabei, wenn auch noch fo dunkel, noch immer feiner urjprünglichen Beftimmung bewußten Menſchen möchte doch die ber verlornen centralen Stellung ſeyn, welcher erft das erhebende Gefühl folgt, daß dieſes ge- genwärtige Berhältuig nur ein Zuftand ift, und eine neue Umkehrung bevorfteht, eine -Drbnung ber Dinge, in der Gerechtigkeit, d. 5. das verhte-und wahre Berhältniß, bleibend jeyn und wohnen wird, wie eines der Bücher fi) ausprüdt, für deren Ideen ſich heutzutag viele zu ge- jcheidt denken, während vielmehr das Gegentheil' der Fall ſeyn möchte '.

' Die Stellen, auf bie oben angejpielt wird, find: Philipp. 3, 20: hatv yap ru

wolirevua dv ovpavolg vaapya. br. 10, 34: apsirrova inapfıv dv oupa- vols nai udvordav. 2. Petr. 3, 13: zavovg oupavoig xai yijv naıynv, dv olg

. Die Wiſſenſchaft, in der wir und Beiwogen, Test Bein aubered Ge, als daß alle Möglichkeit fi exfülle, Beine umterbeikt werde; des cap Gelabbe, das fie ablegt, iR, daß zun6 bie Drbuaug ber Eicfen Sail} alles versunftmäfig zugefe; bie Mermeneft aber if imtersffeht, fm | alles gleithgefiunt (omnihas neue), fie mil baifer, va niit geb ſam, nichts durch Unterbrädtung geichehe. Der Ewerſtreit zelfjen im exften, Teineswegs ſchon an ſich materitllen Princip, und dem hie, dem es ſich als Materie "pingeben fell, iſt nicht daburch zw Serben, deß des eine ſchlechthin unterliegt, DRS audere ambebingt ft, jahe unz darch einen Vergleich, wobei ‚jeveme feim Bedpt-wiberfährt Dick Geredhtigfeit, vie ſich die Wiſſenſchaft zum Geſetz macht, if zuldh das höchfte Weltgeſet. Alle Ctimmtn,; audy-griechifcher Dichter, keygen, was der hebräifche Dichter auf feinem Gtaubpuuft von Gott fagt: Ge rechtigfeit und Gericht (hier fo viel al$ Auseinanderfegung und Sci ſpruch) find feines Thrones Beſte. Dieſem höchſten Geſetz zufolge, vol jedem Princip eine eigene Sphäresder- Wirkſamleit bewahrt wiſſen wi, wäre alfo anzımehmen, daß das erſte Princip vorzugsweiſe das der Stärke und Kraft und bei dem ber Anfang des Seyns iſt, daß ie zum Theil denn wo immer Wiverftreit ift, ift Theilung das Ente daß diefes zum Theil in der Abweifung bes höheren bebarre, pam Theil ſich ihm füge und zur Veberwindung hingebe. Tpeilung aber # nicht möglich ohne eine Berfchievenheit der Subjekte. Denmach wäre ein

Stufenfolge, an deren einem Ende bie no am wenigften der Materie liſirung unterworfenen Subjefte wären, felbft noch gleichfam als Principe und relativ immaterielle Weſen, mit mehr aber weniger Unterortumg allerdings, und infofern mit verfchiebener Herrlichkeit, aber im Game doch mit tem reinen feuer des innen noch ungebrochnen Willens lud tend, am andern Ende wären diejenigen, bie der angefonnenen Materie liſirung fi hingegeben, in denen das erft ausſchließliche Princip den hößern nicht Bloß äußerlich, ſondern innerlich fidh zugänglich gemuft

dunasosovn dvomet (nach Cod. Alex., gewöhnlich naromal) Dazu bie berriie Stelle vom Menſchen, Ebr. 2, 6—8.

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hätte, in demen daher auch der Grund zur Hinausführung des Procefies 648 zur völligen Wieverbringung, bis zum Menſchen gelegt wäre. Es iR früher gezeigt worden, daß bie phufifche Materialität die metaphyſiſche zu ihrer Borausfegung hat ': nach biefer Abftufung alfo, bie ſchon in der Ipeenwelt gedacht ift, ift auch das Mehr oder Weniger der phufifchen Materialiſirung und alles defjen beftimmt was daran hängt, des Aus- einanderſeyns, der gegenfeitigen Außsfchliegung im Raum, der Körper⸗ Ißleit-u. ſ. w. Es wurde ſchon von den Geſtirnen bemerkt, daß fie ige intelligible8 Verhältniß am meiften bewahrt haben ?, un wer möchte fogar fchlechterbings widerfprechen, wenn jemand für möglich erachtete, daß ein Theil dieſer Weſen feinen intelligiblen Ort völlig bewahrte, im Stande der bloßen metaphufifchen Materialität geblieben fey und gegen die der zufälligen und vergänglichen Materialität anheimgefallene eine Art von immaterieller Welt. vorftelle, in ber Feine gegenfeitige Ausfchließung, und die nur ‚gegen jene, zu ber fie, ſchon alſo ausgeſchloſſen von ihr, eine Beziehung behält, im Raum erjchiene, ohne in ihm (als finnlichem) wirklich zu ſeyn, wobei benn auch nichts verhindern würbe, daß ſie Unterfchieve und Beſtimmungen von. bloß intelligibler‘ Bedeutung als rämmliche erkennen ließe. Wäre dieß vielleicht das einfachte Mittel, den Streit wegen Unbegrenztheit oder Begrenztheit des Weltalls, den Kant als einen Widerftreit ver Vernunft mit fich felbft darzuſtellen fuchte, zu erlebigen, wie ver gleiche Widerſpruch in Anfehung ber Zeit nur apf analoge Weife zu fchlichten ift? Denn da Vergangenheit, noch nicht Zeit ift, eh’ ihr die Gegenwart folgt, jo wird feine Zeit entftehen fönnen, als indem etwas, das an ſich noch nicht Zeit, vielmehr alfo Ewigfeit ift, von der anfangenden Zeit als Vergangenheit, d. h. als eine Zeit, geſetzt wird, wornach alſo die Zeit durch eine Nicht Zeit begränzt wäre, wie bort der Raum durch einen Nicht⸗Raum, den man ben Himmel im engern Sinn nennen könnte.

Daraus alfo, daß jene Weſen ſich kaum oder noch nicht der intelligiblen

in ber achtzehnten Borlefung. 2 Ebendaſelbſi.

erbaulichen iſt es nicht gebeten ‘anzunehmen, daß übenl der Proceß zu dem gleichen Ende hinausgeführt, übexrall menſchliche eder menfchenähnliche Weſen verbreitet ſeyn müflen. Allerdings iſt ver Meih das’ Ziel und in biefem Sinn alles bed Menſchen wegen. Ein Lehel fol erreicht werden, aber dieß fchließt nidyt ans, daß es anderen Kam laſſe; vielmehr, je breiter vie Baſis, über die es fich erhebt, befle mehr leuchtet feine Sinzigfeit hervor. Die Wege der Schöpfung gehen zit vom Engen ins Weite, fendern vom Weiten ins Enge. Bögen wir, je mehr fich alles dem Menſchlichen nähert, alfo am meiften auf ve Erde, defto mehr Spuren ber göttlichen Weisheit und Güte zu erkenne⸗ glauben, aber jene heroifhen Echöpfungen, bie nichts vom Mexſche wiſſen und in ber eignen Größe fich felbft genug find, verkünben darım nicht weniger die Macht und bie Größe des Schöpfere, als dieſe Erde, bie dem Menihen Raum gegeben, voll feiner Weisheit und GBäte iR. So demnach felbft vom Standpunkt der reinen Frömmigkeit. Ben äfthetifchen Stanbpimft muß man jevem zugeben, umter ben homeriſchen Gedichten die Odyſſee vorzuziehen, aber es muß ebenfowohl verfiatiet jeyn, das größere und mächtigere Werk in ver Ilias zu erfennen. Man war längft gewohnt, unfer Planetenjyftem gegen das mer meßliche Ganze als verſchwindenden Punkt zu denken; das verhinderte

wicht, mit Hülfe eines Analogiefchluffes, der, bei. fo großem Mißver⸗ Hältuig zwifchen dem wovon und dem worauf. gefchloffen wird, fonft überall als ein höchſt gewagter und unficherer gegolten hätte, die Dr- ganifation des uns befannten Syſtems über den ganzen Himmel zu verbreiten und auf das Weltſyſtem auszubehnen, worin: bejonbers Kant in einer feiner früheren Schriften vorausgegangen war, über beffen Theorie des Himmels ich ſchon im Yahr 1804 bald nad Kants Tode wich ganz auf ähnliche Weife ausgefprochen '. Um fo mehr haben wir uns ber erweiterten Beobachtungsmittel zu erfreuen, die den Erfolg hatten, die geifttöbtende und zu nichts führende Einförmigfeit des Weltſyſtems wenigftend einigermaßen zu brechen,. durch Entdeckung ber Doppelfterne, wo nämlich wahrzunehmen ift, wie um einen ruhenden Eentralftern ein anderer, nicht ein relativ bunfler ever an Maſſe geringerer, ſondern ein ibm gleichlommenber (wo ich nicht irre in einem Fall fogar ‘ein größerer) ſich bewegt, und daß in diefen, von unferm Stanbpunft ent⸗ fernteren Regionen bie Diftanzen vielmehr abzunehmen fcheinen, indem nach Herichel und Struve bei niehreren ‘Doppelfternen der Abftand des beweglichen von dem Gentralftern kaum einen Durchmeſſer des letzten, bei anderen wenige Durchmefler vefjelben beträgt. Und ba auch ber umlaufende Stern zuweilen wieder in mehrere ſich auflöst, fo fieht man wenigfiens, daß hier BVerhältniffe walten, die von ben früher allein angenommenen beveutend abweichen.

Das Grenzenlofe im Raum wirb ſich demnach allenfalls über- winben laſſen, und wie dem materiellen Univerfum eine Grenze gefetst ſeyn könne, ift vorhin gezeigt worben. Aber. werben wir-und von dem Grenzenloſen der. Zeit, von ber unbeftimmbaren, durch feine Zahl anszufprechenden Zeitlänge ebenjo befreien, welche die ſogenannte Pald- ontologie bedarf, um die Erbe von ihren früheſten Zuftänben in ben gegenwärtigen gelangen zu laſſen? Belanntlich zeigt das ältefte Gebirg feine Spur von organiſchem Leben, von da an folgen Schichten auf

t Der Aufſatz, in einer wenig verbreiteten Zeitfchrift erichienen, blieb ziemlich ımbelannt, foll aber in einer Gefammtausgabe meiner Werte eine Statt finden.

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Schichten mit Wboräiden und Ueberbleibſeln ovganifdher Welen, aber je jüngere Schichte bringt mene Formen mit, inbeh ein Theil ber frühe dageweſenen Pflanzen und Thiere verfdwintet, von Schhichte zur Schiche iR der Inhalt ein auberer bis zur jepigen Melt, "weidher zu Biken beſtimmt war, die aber andere Arten und Familien enthält, als fehR jegt, jede dieſer offenbar voneinauber abgeſetten Beiten habe eine Berlauf für ſich, für fich eine wirkliche Dawer gehabt, fo enificht bie Frage, welche Zeit die ganze Folge = AH-BHCHDHE (fe wir es erlaubt fein fie zu bezeichnen) in Aſpench gekommen habe, um zu verlaufet. Da if es denn fein Wunder, von nichte ale Millionen Jahren zu hören; felbft einem Mann, wie ber übrigens höchſt ehren werthe Buckland, ift biefer Ausdruck ein ganz ygeläufiger. Scheu bie Unbeftimmtheit, bie bier unvermeidlich ift, mußte zeigen, daß man fid bier auf dem Holzweg * befindet. Die Natur (um das in jener Folge fih Bewegende fo zu benennen) könnte bis zu B allein oder bi8 zu C, D, over E eine Million Jahre brauchen, aber warım nicht zehn, nicht hundert, nicht tauſend? Das eine hätte gerade fo viel für fi alt das antere. Auch menfchliche Werke werben oft nur durch eine Folge von Ürbeiten zu Stande gebracht, deren jede eine eigne Zeit forbert. Aber man bat hier mit einer ibentifchen Zeit zu thun; biefe Zeiten fint nur Momente Einer Zeit; wogegen für vie Folge durch ihren Smbalt verfchiedener Zeiten, wie fie in ber Gefchichte der Erde angenoumen werben, eine Succeflion völlig gleicher Momente, wie bie ber jebigen Zeit, wo im Ganzen immer baflelbe auf daſſelbe folgt, fein Maß ak- geben kann. Die Folge von A+-B.... + E kann mit ver Folge E-+E-+-Enidt von gleicher Art ſeyn; mau fann nicht fragen, wie oft bat E+ E gefeßt werben müſſen, ehe die Natur von A zu B, von der noch völlig unorganifchen Zeit zur anfangenden organifchen, ‚von biefer, von ber Zeit der unvollkommenſten Organifationen bis zur Zeit

ı „Holgweg, ein Weg, ber in eineu Wald von Holzfuhren gemacht werben und an keinen beflimmten Ort geht.” Wbelung.

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ver volllommenften, des Dienfchen, gelangte. Da wir nun überhaupt von feiner wirflichen Zeit wiffen, als der mit ber Jetztwelt gejetten, als E-E-+E gefetten, jo werben wir bem Ungereimten am ge- wiffeften uns entziehen, wenn wir fügen: In ber Wirklichkeit ift bie letzte Zeit. die erft gejeßte, der bie früheren (A .... D) nur folgen, indem fie in jener (in E) nur al8 vergangen erfcdheinen, jebe nad) dem Maß ihres Vorausgehens, ihrer Entfernung von E.

Wenn man. hiegegen einwenben wollte, baß gleichwohl innerhalb. diefer begrabenen und untergegangenen Welt ſich unwiderſprechliche An- zeigen finden eines längeren wirklichen Dageweſenſeyns ber jetzt als vergangen erfcheinenden. Bildungen: fo. würbe ich antworten: In ber Ideenwelt ift nichts unbeftimmt, ver Möglichleit nach einem jeben nach ber höheren ober tieferen Stelle, die es in berfelben einnimmt, ein weiterer oder engerer Kreis des eigenen Daſeyns gezogen, der aud in ber Erjcheinung, alfo auch in dem als vergangen Geſetzten ſich ausbrüdt, weil er zu feinem Weſen gehört, und deſſen eigentliche Dauer, weil fie nicht dazu kommt ſich explicite darzulegen, wenigften® implicite erhalten und auch angezeigt ift, z. B. durch die Jahresringe, Die gar nicht oder wenig bemerflich in den früheren Perioden an Baumftämmen der tertiären Braunfohlenformation ſich zählen laffen, mit welcher allein ſchon, wenn man bie Zeit berechnet, die das Heranwachſen und vie Mineralifirung fo erſtaunlicher Maffen erfordert hätte, leicht die beliebte Zahl von Yahrtaufenden zu erreichen wäre. Je näher dem legten, zu bleiben beftimmten Syſtem, deſto, daß ich fo fage, jelbftgefchichtlicher, d. h. eines eigenen, gefcjichtlichen Lebens fähiger, erſcheint jeves, und indeß ben früheften Gliedern der Zhierwelt nur ein ununterjchieenes Dafeyn, ein Daſeyn in Mafje zukommt, finden fid) unter den fpäteren ältere und jüngere Individuen derſelben Art. Es ann a priori beftimmt feyn, wie jebed erfcheinen werde, wenn es erfcheint, ver fibirifche Mammuth von ftarrendem Eis umgeben, die reißenden XThiere ber legten, vormenfchlichen Zeit nur noch in Höhlen die legten Zufluchts⸗ örter findend. Denn natürlich ift, daß jedes nur erfcheine, wie es

am Ende der ihm beftimmten Daner feyn kann, daß Ales in der Schelling, fämmtl. Werke 2. Abtb. 1.

Idee hypothetiſch Geſetzte im ber eimtretenben Wirklichkeit ala wirlih erſcheine.

I weiß, welche Zunmthung für viele ſelbſt im Derlen at | Umgebte in biefen Andeutungen Liegt, Aber jo wohlfeil, ala die make weinen, wir dem Menſchen bie Wahrheit überhaupt mict: gem, | und mau ergibt ſich dem Deuten nicht, wm feitonch, fanden um fed au fegn, nicht um bloß das mit Oauden zu Greifenbe auf fh au men, das Wunderliche ımb Verborgene aber als eime für ben Berhat vn fünere Saft akyumerfen. Meuigfens wußte, wer da en nik Gen geidiclichen Berlanf glunkt, und) wirkliche fucceffine Chägjmge aunehenen. ande finden hierin feine Sqhwierigkeit, weil Hef ie Immogination damit befehäftigt in und fi fh ganz in Hllgemeine je Wenn aber ein fo Muger Raturforfcher Wie] Euvier- vom vwirflidhen, ko ceffiven Schöpfungen nichts iniffen wil, ja fle für ummögfih ek, fo fann man dieß wohl als ein Zeichen anfehen, daß er bei der wab lien, d. h. ins Beſtimmte und Einzelne gehenden, Ansführug ei ‚materielle Unmögligjleiten geftoßen ift. Guvier hat nicht für gut gr fanden, biefe Unmöglicleiten namhaft zu machen. Eine Geſchiche m gewiſſem Sim, nämlich eine Folge von bloß äußeren Greigife, nimmt er aber dennoch an. Wenn unter ben Ueberreften orgaiide Weſen fogar' bis in das fogenannte Diluvium nicht bloß feine ya von Menfchen, fondern auch feine aller, mit bem Menſchen Ichenten Arten angetroffen wird, fo hat dieß nad; Cuvier feinen innern Grit, die Thatfache beweiſt nicht, daß der Menſch und biefe Arten damals nicht eifirten, fie befanben ſich zur Zeit der jebesmafigen Qusıfrpfe nur in einer andern, von biefer nicht betroffenen Gegend ber Ede von ber aus fie erft in ber folge fi) weiter verbreiteten '. Daß alfe die im Diluvium begrabenen Thiere nicht mehr egifticen, dagegen andere exiſtiren, darin ift feine Vernunft, fondern bloßer Zufall. Nahen

' Discours sur les revolutions de la surface du globe, p. 0. Dat # ‚aur vom Menſchen bie Rebe; wegen der Thiere fehe man bie ſchon angeführte Vie de Geoffroy 8t. Hilaire, bie fh auf dem Guvier zugeſchriebenen Artikl Nature im Dictionaire des Bcienoes naturelles beruft.

499 jo die geologifchen Thatjachen allen Werth für die Vernunft verloren, ift e8 wenig -Ichrreih zuhören, „wie oft das Leben auf der Erde durch ſchreckliche Ereigniffe zerftört worden, wie lebende Wefen ohne Zahl vie Opfer diefer Kataftrophen geworben find, bie einen, Bewohner des trodnen Landes, durch Meereseinbrüche verſchlungen, vie andern, Ein- wohner der Gewäſſer, durch plößliche Erhebung bes Meeresbovens aufs Trockne geſetzt““. Für diefe Ereigniſſe gibt es Feine Rechtfertigung, fie find finn- und zwecklos, wenn fie keine Beziehung auf’ den Menfchen haben Wir wollen diefe äußere Gejchichte nicht, uns genügt bie innere, deren vielfacdy zerrifjene, aber den vereinten Bemühumgen. des Natur- forjcher8 und bes Philofophen doch wohl verftänblihe, Blätter ung allerdings in den aufeinander folgenden Erdſchichten vorliegen. Der Katurforfcher hat befchränte Zwede, da walte er, auch dem Philojophen zu Dank; der Philofoph bat allgemeine und höhere Intereſſen, dieſe laſſe ihn jener ebenfall8 ohne Neid verfolgen. Um aller Metaphufit entrathen zu können, müßte alles aus der bloßen Materie erflärbar ſeyn, und boch bleibt ſchon an dem einzelnen Mineral z. B. der doppelte ober dreifache Durchgang der Blätter, wenn man ‚nichts als Materie vorauss fegt, völlig unbegreiflih. Aus ver bloßen Materie läßt ſich nicht jenes Unfichtbare ableiten, das unermüdet und gleichfem fein andres Princip fennend, als daß nichts Mögliches zurüchleibe, an die Stelle des unter- gegangenen anbre ben: jet lebenden immer ähnlidyeve Arten fegt (bie doch nicht auf dem natürlichen Wege der Zeugung, noch, was Cuvier mit rühmlicher Stanphaftigkeit fortwährend geleugnet, durch ftufenmäßige Abartung der erften Art entitanden feyn können); nicht die Gleichſam⸗ Borfehung, die in den legten Perioden ver vorhergehenden formation bie erften folgenden worbereitet, nicht die von den äußern Bedingungen unabhängige Macht, weldhe vorweltliche Elephanten im Eis Sibiriens beftattet. Cuvier meint: um zu leben beburften dieſe graßen Quadrupeden einer tropifchen Wärme; um mit Fleifh, Haut und Haar unverjehrt erhalten zu werben und nicht wie andre als bloße Stelette zurüdzubleiben,

' Discours, p. 11.

bedurfte «8 einer in Mggenblid ihres Todes einfallenden Eiefälte, int ploͤtlichen, durch feine Zwiſchenſtufen vorbereiteten Ereigniffes '. Ynter aun würden fagen: ein foldes Ereigiiß fen feibft nam ein abentem ches, auf gut Olüd und aus bloßer Mothdurft angenommens, in it wöllig unbegründetes. Eigentlich aber wire Damit zugeflanden, def ma ſich wicht denlen une, wie biefer Mammnth je unter andern Umflänte dageweſen als in. denen er ſich jetzt findet, umd-cben dieß möchte ad won ben andern Weſen, ben monftröfen Eidechſen, den Pterobachim

‚and- andern nun entweder als Stelette ober‘ verfteinert auf uns gdım

wienen Arten gelten, bie jhon in der Ideenwelt zur Bergangenkit be Kinmt, natürlich einen uns fo fremden, fabelhaften, ja gefpenftide Charakter au ſich tragen,

Bu biefer gängen legen Berjaniluig war dor Meujg u geſett, der Eine, der auch ſchon in ber Ideenwelt worgefehen ober m ſehen, auf ven alles gerichtet war (omnia ex homine suspense), kr Eine, von dem fid bie große Krifis, die Scheidung bes menfdühe von bem göttlichen, der materiellen von der intelligiblen Welt herleikt, der Menſch, der nicht Gottes, der fein ſelbſt ſeyn wollte (mit vefie Erſcheinung, wie man zu fagen pflegt, das Wusfterben der frühen Sormen aufhört, oder, wie wir fagen wärben,. mit dem alle bie frähern Abftufungen, Formationen, in welcher es bie ſchaffende Idee nicht bu zum Menſchen gebracht Hatte, .alB- vergangen gefegt und allein die, v welher der Schluß erreicht ift, in bie Gegenwart tritt). Aber walk Stellung wir biefem zum geſammten Menſchengeſchlecht geben follen, R eine große und nicht eben leicht zu beantiworfende Frage. Dam mi ſehen das Menjchengeſchlecht keineswegs als ein einziges Ganzes, ſorden gleich; in zwei große Maffen gefieben, und zwar fo, daß bus Wesit liche nur auf der einen Seite zu feyn ſcheint. Wit fehen einen um zer den größeren Theil ausgefhlofien von allen gemeinfamen Weberlieferungen des Geſchlechts, ausgeftoßen von ber Geſchichte, in fortwährenber, ft dem Anfang ber Gelchichte andauernber Unfähigkeit, in Staaten cer

* Gbendafeltft

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501 anch nur in Völker ſich auszubilden, oder an ber fortſchreitenden Arbeit des mienfihlichen Geiftes, ber regelmäßigen” und folgerechten Erweiterung des nienſchlichen Wiffens theilzunehnen, fern von aller über bloß inftink- tige Fertigkeiten hinausgehenden Kunft, zumal aber jedes Antheils an dem religiöjen Proceß, von dem bie übrige Menfchheit ergriffen ift, fo entänfert, und, unter den günftigften äußeren Umftänben, fo Gott ent- frembet, daß es ſchwer fällt, ja unmöglich ift, hier auch die Seele zu erfennen, bie in urfpränglicher Berührung mit dem Göttlichen war. Denn nicht bloß von ben wilden amerilanifchen Urſtämmen, die der erſte Theil unferer. Vorträge in biefer Beziehung bereits ermähnt hat, gilt dieß; der chriftlihe Miſſionar, der in neueften Zeiten am weiteften über den Nil bis zum vierten Grad nördlicher Breite vorgeprungen, berichtet von ben dort gefundenen reinen Negerftämmen, vie, mie er fagt, feit fo vielen Jahrtauſenden in ihren prächtigen Tropenwildniſſen ungeftört vegetirten, ohne mit der Ölaubenspropaganda alter oder neuer Völler Aliens oder Europas in irgend eine Berührung gefommen zu feyn; dieſe, berichtet er wörtlich, obgleich von den fogenannten Wundern ber Natur in den großartigften Zügen umgeben obgleich fie Sonne, Mond und Sterne in ungleich hellerem Glanz bewundern können, find von jeder Vorftellung Gottes baar, und felbft auf eine dunkle nebel⸗ hafte Ahndung läßt ſich bei ihnen mit feiner Art von Sicherheit ſchließen. Tagegen fehen wir ben andern Theil des Menſchengeſchlechts von An- beginn in die größten Unternehmungen verwidelt, in ber moſaiſchen Er- zählung durch die Rede: „Pafjet uns einen Thurm bauen, deß Spige bis in den Himmel reihe, daß wir uns einen Namen machen“, ſich ale ein himmelftürmendes Geſchlecht bezeichnend, das zugleich nach Ruhm und dauerndem Audeuken auf der Erde trachtet; wir finden dieſes Ge— ſchlecht früh mit Staatenbildung beſchäftigt, in Kunſt und Wiſſenſchaft ſeinen Beruf erkennend, in einem Verhältniß zu dem Gott, den es nicht laſſen kann und nicht aufhört zu ſuchen!, an den es durch unwillkürliche und mit Nothwendigkeit ſich erzeugende Borftellungen dennoch gebunden

.. Sutatv zör Heov, ei dpa ya Önlapndsav avror, n euporer. Act, 17, 27.

ft, umermäbet im Portfchreiten une fähig ‚bes Fefwerfe Beh meh ' tiefen Sqmerzen zu tregei, die jenem anberm Gefäeiit md Rab, dom be ein Rudlant in „den mufträffihen Meike‘ ju beren Mahl nad; Gomeros Baus femmt alle Ginrmefifen, nie io facjeweife, fich begibt:'; und and man ber @itnmumznuter jeneh eilt’ wagen, und zu leiben bereiten, japetiſchen, prometheiſchen, um I viefer Hinficht Taufafifchen Geſchlechts⸗, nur biefer, ſcheint e&, Tune auch der Eine Menſch fegm, veffen That die Ieemmelt durchbecch, ie Menſchen von“ Gott fchieb®, und Üpm bie Welt eröffnete, werin a fe von Gott und für fi war.

Diefer Eine Merſch Iarın uns nur entweber das Fette uud Die fen, wozu fi da Menſchengeſchlecht erhebt, umb wozu es burd; we ſchiedene Abſtufungen auffteigt, ober wir werben ihn als Unfang mb Erftes aufehen müffen, von dem bie Menſchheit zu dem tiefer ſtehenden Formen und Geftaltungen durch allmähliches Aus- und Abarten kemk finkt. Aber diefes Herabfinten, (wir wollen e8 offen geftehen, hat imma etwas Betrübentes für uns, die auffteigente Folge ift vie unferer Ser nunft zufagende unb natürliche; und fehen wir auf den Gang ber früheren vormenſchlichen Entwidlungen zurück, jo werben wir dem Gefep, daß die Schöpfung vom mehr Materiellen ſtufenweiſe zum Geiftigeren, over me man fonft zu fagen pflegt, vom Unvollkommneren zum Bolltonmmeren fortfchreitet, feine Ausnahme finden; denn eine Ausnahme oder ci Widerſpruch dagegen ift es nicht, wenn bie ſchaffende Thätigkeit in ben erften Glievern des höhern Syſtems gegen die leßten des vorangegangenen

' Diad. I, 422. ? Audax Omnia perpeti . Gens humana ruit per vetitum nefas. Audax Japeti genus, Ignem fraude mala gentibus intulit. Horat. Carm. I, Ode Ill, 3. Das deñodiche:

zal yap or dapivovro devi xro⸗ Fardpone, an ber jebigen Gtelle nicht erklärbar, ſtammt offenbar aus einem andern 30 ſammenhauge.

503

wieder zurüdzufchreiten fcheint, nicht, wenn jie von Kombinationen, durch die nur ein ſcheinbar Volllommenes entfteht, wieder auf das Einfache zurückkehrt. Noch in anderer Beziehung aber fcheint der vormenjchliche Inhalt ver Schöpfung vorbildlich für den menfchliden. Denn wir fehen im jener nicht die einzelnen Arten der organifchen Weſen, ſondern ganze, biefe unter ſich begreifende Syfteme aufeinander folgen, beren jebes eine Welt, eine Schöpfung für fi if. Uub fo fehen wir, daß jebe der fogenannten Racen jelbft Abftufungen und Unterjchieve enthält, die man mit diefem Namen belegen könnte, fie ſelbſt alfo Feine Race oder Abart, fondern in der That ein ganzes Menfchengefcjleht verfteht fig. in einer früheren Schöpfungsepode ift.

Es würde. fogar vielleicht nicht eimmal fonderliche Mahe koſten, zu beweiſen, daß die ſchwarze fogeuannte Race in ſich alle Abſtufungen des Menſchengeſchlechts durchläuft, und von der dem Thier nächſten Stufe, dem eigentlichen Neger!, alle Zwiſchenglieder, z. B. der mou⸗ goliſche Typus, bis in die Nähe der kaukaſiſchen Race in ihr ſich auf⸗ weiſen laſſen. Denn es iſt bekannt, welche große Unterſchiede und wirllich verſchiedene Racen zwiſchen den Schwarzen ſelbſt fich finden, weun man z. B. was Geſichtsbildung und Geſtalt betrifft die übrigens tiefſchwarzen Jaloffen oder die Eingebornen von Congo oder die Fullahs mit den mißbildetſten und affenähnlichſten, oder was geiſtige Fahigkeiten betrifft vie Mandingos oder Aſhautees mit den geiſtig ver⸗ ſunkenſten Negerſtämmen jenſeits des Senegal vergleicht. In den Kaffern und Abyſſiniern iſt der Kreis der rein Schwarzen bereits überſchritten, aber der Schlußſtein dieſer ganzen Formation iſt über ihnen; unter den Neueren hat bereits Denon, ein Mann, dem man hierüber ein Urtheil zutrauen kaun, es ausgeſprochen, daß dem ägyptiſchen Typus, wie er in den alten Sculpturen, und lebendig noch jetzt in den heutigen Kopten,

! La plus. degrade des races humaines, celle des Negres, dont les formes s’approchent le plus de la brute, et dont l’intelligence ne s’est, &lev&e nulle part au point d’arriver & un gouvernement rögulier, ni & la moindre apparence de connaissance suivie, n'a couserve& nulle part d’an- nales, ni de traditions anciennes. Cuvier, Discours, p. 140.

Wetöuunlingen der alten Wegyptes, füdh huzflt, ber Sleguäges p runbe liegt, und letterer eigentlich aur bie Sarrilnien bes cfın ja Unter den Alten ſtand bis jegt Gersbotoß megem der felifer als aifjk haft erſchienenen Yeuferung ' ungereditfextigt Ga ; das Uxtpeil der Fam jeigt, dafı ihr eine Thatjeche zu Gruube Brgk, bir, wen fe anf ale dings noch zu weiteren Gröcerungen Unia gibt, wenigfiens im = meinen eine richtige if. Und wenn dieſes Berbältuiß erſt von der ip ſiſchen Geite außer Zweifel geſtellt, werben wmeber Eitten mb (e beäsuhe noch ſelbſt bie teligiäfen Berficikimgen ber Wegypter bie Se wandiſchaſt verfeugm, mach weidher ber Meghpter zu biefem, ie Natur, ober, wos hier Dafflbe ik, der Soee mac) Aefen Baife geſchlecht gehört.

Ganz ebenſo fehen wir and im ber vormenfhlidien Zeit in um legten Gliedern einer Formation die erſten Glieder der folgenben potenth vorhanden, wenn fie auch erft in dieſer zur vollen Wirklichkeit gelangen; und wie die Ratur eben an einem ſolchen Punkt abbricht, um in cmem folgenden von vorn anzufangen, jo folgt and ein Menſchengeſchlecht au das audre, auf das ſchwarze das mengolifche, jenem am nächften karl Schaãdelbildung und phufifche Stärke, und dem es auch in fich ſelbſt wicht an Wbftufungen fehlt, noch felbft. an Eytremen, went man bie teil Eißmeer ummohnenden Meufchen, deren einziger Reichtfum das Ra tbier, oder bie in mermeßlichen Steppen von Roßmilch lebenden Stäsme mit den Einwohnern des großen Reiche im fernen Oſten Ajiens ver gleicht, das den Aderbau zur Grundlage bat, und mit feſten Bee figen Künfte und Wiffenfchaft, Gewerbe jeder Art und eine wie von Ewigleit beftehende und vom Himmel kommende Berfaflung fen.

Dem mongolifchen folgt das amerifanijcye Gefchlecht ; denn daß bie Ureinwohner Amerilas ein durchaus gleichartiges Geſchlecht find, haben Dr. Mortons Crania Americana (aus allen Gegenden, auch Grabhöhlen Perus und Merilos zuſammengebracht) zur Thatſache erheben, weit ‚beweist, daß von Canada bis zum Feuerland, vom atlantifchen bi8 zum

Vergl. S. WM.

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ſtillen Meer derfelbe Typus der Schädelbildung herrſcht. Und mie viele Zwiſchenglieder verſchwunden ſeyn mögen (wie von den Baumeiſtern der großen Umwallungen im Norden Amerikas keine andere Spur zurückge⸗ blieben), nengeſchärfte Aufmerffamfeit wird doch noch einen Theil der Abſtufungen entdecken, die zwiſchen ven Ertremen ganz zum XThierifchen zurũckgehender, durch Hautfarbe ungewöhnlicher Stämme (wie ber „erb> feeffenden Otomacken“ am Orinoco) und jener alten, zu förmlicher Staatenbilvung fortgegangenen Bevöllerung von Peru und Merico in der Mitte liegen müffen, und beweifen würden, daß auch das amerifanifche Geſchlecht ein in ſich abgeſchloſſenes und ganzes war. Man könnte ver⸗ fucht ſeyn als unwiderlegliche Einwendung gegen dieſe durchgängige Ein⸗ heit des amerikaniſchen Menſchengeſchlechts die Unzahl der Sprachen anzuführen, bie, wie fchen im erſten Theil dieſer Vorträge bemerkt worden, oft nicht bloß zwiſchen Stämmen, ſondern von Familie zu Familie verſchieden ſind. Vielmehr aber möchte dieſe Erſcheinung ein Zeugniß dafür ablegen, daß dem amerikaniſchen Geſchlecht die richtige Stelle angewwiefen worden. Diefe Menge von Sprachen möchte nur auf den erften rohen und mißlungenen Berjuch einer höhern Sprachbil⸗ dung beuten, zu bem dieſes Geſchlecht berufen war, das auch phyſiſch dem Mongolen am nächſten fieht. In den mongolifchen Idiomen bes bauptet, wie befannt, der einzelne Laut eine ſolche Selbftänbigfeit, daß ibm alle organifche Berbinbungsfähigkeit abgeht, und man in gewiflem Sim fagen kann, dieſe Idiome feyen ohne alle Grammatif. Im Gegen- fag biemit mußte die nächft höhere Stufe der. Verſuch feyn, die Selb fländigfeit der Elemente ganz aufzuheben, die verſchiedenen Theile umd Beſtimmungen jeder einen vollftändigen Sat ausbrüdenden Rebe in Ein Wort zufammenzuziehen und zu verfchmelzen. Dieſes Einverleibungs- Suftem, wie es W. von Humbolpt genannt hat, bildet, wie man ver- fihert, den gemeinfchaftlichen Charakter der fo zahlreichen amerifanifchen Hoiome. Aber eben mit dieſem erften Verfuh einer grammatifchen Sprachbildung war der Anlaß zum Auseinanvergehen auch in materieller Hinficht gegeben. Denn das Grammatijche ift ein relativ Künftliches und Willlürliches, und die ſich formell nicht mehr verftchen, werben

Mi Bncamg 2 Mtericlen antenaner gehn md Me fetig unberfläahli werben.

Rt weniger mm aber alt das amerifatfege" erweist ad mlaviche als ein zufammengehöciges, gleichartige, durch weit Einfeit der Sprache, wie durch übereinftimmmenbe Schäbelbilung, id es hatte daher Blumenbach, deſſen Unterfcpeivungen umb Benenuuge cp 588 jegt zum Wunder bewähren (denn auch den Namen der kur fichen möchten wir uns nicht gern verleiben laſſen) biefer teefük Ralurforſcher hatte ganz Met, alle über die Iufekn des Cihmnt verbreiteten Stämme wenigſtens als zu Einer Nace gehörig aumfce, wenn wir glei diefes Wort jurächweifen mäffen; beun menigins u dem Siun, wie man bei Pferden von atabiſcher, englifdher, fdmchide Race fpricht, karn man vom dem ſchwarzen Papua und bem heilferfign Auſtralier gewiß nicht fagen, fie feyen von Einer Race, wenn fr ud zu Einem Geſchlecht gehören. Denn als wollte bie Natur, melde jr mr bie Idee ift, ch’ fie das Letzte erreicht, noch einmal das Ga wiederholen, geht fie auf ber einen Seite zu den Negern zurüd in da Vapuas und Alfurus, von der andern Seite ‚grenzt bas heile Ge ihlecht hhyfiſch und fprachlich am das indiſche Wir haben (con bemalt: was in ben legten Gliedern einer voransgehenben Formation noch zit zum Actus gelangen Tann, ift wenigſtens der Potenz nach vorhasbe. Denn weiter wird bie neuerlich behanptete Berwanbtjchaft zwifden da malayifc-polynefiichen Idiomen und dem inbö-germanifchen-Spradfleum ſchwerlich nachzuweiſen feyn, als zwiſchen Alt- Wegyptifchem und Cam ' tiſchem, von weldem allerdings man fagen fönnte, es jap in jeen potentiß enthalten. Anders wird man ſich auch nicht. erflären Tome, werm ein, auch nad Salt und Bitter, urſprünglich africauiſches ınb unleugbar dem ſchwarzen Geſchlecht angehöriges Bolt, bie Monffair, der Sprache nad} zu den ſemitiſchen Völlern gehört; bei dem Mbrffuien, ſcheint es, reicht die Berührung mit arabiſchen Stämmen hin, fein ſchlummerndes Sprachvermögen zu einer wirklichen ſemitiſchen peace zu erwedten, währenb bie einft von biefem Stamm wirklich geiprodhet ihm jest wenigften® noch die heilige ifl. Der vage Beniff vr

., .r.

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Berwandtichaft der Sprachen reicht für diefe Unterſuchung nicht ans: über- rafchende Ergebniffe würden vielleicht fi) zeigen, wenn man aud auf die verſchiedenen Sprachftämme jenes große Geſetz anwenden lernte, auf welchen vie urſprüngliche Berfnüpfung alles von Stufe zu Stufe fi Aufbauenden beruht. Dean kann nicht alles mit Begriffen erfaffen, wie fie die bloßen Sinne barbieten. Gewiß ohne Erfahrung ift in biefen wie in verwandten Forſchungen nichts auszurichten; es fcheint überflüffig, dieß irgend einem halbweg Unterrichteten und Verftändigen zu Semüth führen -zu wollen. Lehrer folder. Art überfehen meift, daß bie Berhältnifie in der Wirklichkeit felbft von der Art find, daß fie nur durch philofophifche Begriffe auszufprecdhen find; man kann ohne fie wohl von den Dingen der Erfahrung reven, aber fo, wie Menfchen tie Steine eines Gebäudes fehen könnten, ohne eine Borftellung vom Gebäude zu haben.

Es ift hier nun der Ort zu bemerken, daß fo wenig als bie Haupt⸗ fofteme, ebenjowenig bie einzelnen Glieder derſelben durch Degeneration zu erllären find; denn auch biefen (Ölievern jeder Yormation) ift ein folder Charakter von Urfprünglichkeit aufgebrüdt, daß man feines von dem andern ableiten kann. Unterfchieve, wie die von Kaffer, Abyf⸗ finier, Aegypter, gehen bis in bie Ideenwelt zurüd. Aber wie fommen wir nun von den einzelnen, verſchiedenen Gefchlechtern zu dem großen, dem Einen Menſchengeſchlecht, deſſen Idee wir nicht aufgeben können ? Wir haben uns bisher mit dem Unterjchieb befchäftigt; wie gelangen wir zu der Einheit ? Diefe Einheit kann offenbar nicht wieder in einem Gefchlecht, aljo fie fann nur in einem Individuum liegen, in Einen Menſchen, von dem alle Gefchlechter ihren Namen erft erhalten, der - felbft ' Kein Geſchlecht ift (als erſt in der Folge, durch Zeugung), ber feiner Natur nad) der einzige ift, als der wahre, der eigentliche Menſch, von dem erft alle andern fo genannt werben, bie in ber Ideenwelt nur als Stufen zn ihm vorhanden waren, und in bie Erſcheinung erft ein» traten, nachdem durch jenen bie Pforte zur Wirklichkeit aufgethan ift, ber darum auch in der älteften Erzählung, auf die wir biemit zurüdtehren',

Bergl. die fiebente Borfefung.

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feinen andern Namen bat, als den bes Menſchen (haadam mit dem Artitelı. Gegen alle vorausgehende Gefchlechter verhält ſich aljo jener Menſch allein als Actus; in allem andern verfchienen und unter. fih wieder abgeftuft, find. fie nur im Hinficht auf ben Einen fich glei; viefer Bezug ift ihr Gemeinfchaftlihes, und es begründet fi dadurch eine ganz audere und hühere Einheit des Mienfchengejchlechtes, als jene bleß phufiihe, tie man aus ber behaupteten unbedingten Zeugunge fähigfeit aller Racen miteinander ableitet, wobei man ſich übrigens ter Trage nicht entichlagen kann, .ob Beobachter in der Lage geweſen, Ver⸗ bindungen von Mulatten mit Mulatten oder von Meftizzen mit Me ftiggen fo ununterbrochen und anhaltend zu verfolgen, als nöfhig wäre, um mit Eicherheit zu behaupten, daß zwifchen biefen Die Zeugungd fähigkeit eine unbefchränkte ſey, und nicht ebenfalls ihre Grenze habe, wie fie bei Bleudlingen, wie fie aus der Paarung z. B. von Schaf und Ziege, Wolf und Hund, entjtchen, höchſtens auf einige Generationen ſich eritredt '.

Mit dieſer Einheit ift nun aber unmittelbar audy der einbeit liche Urſprung des Menjchengejchlechts gegeben. Denn in Anjebung der Wirklichkeit find die in der Idee vorausgehenten Geſchlechter an den Einen gewiejen, welcher dann der durch ſich ſelbſt wirklich jeyn könnende iſt; mit Diefem und durch ihn treten auch fie erjt aud der Ideenwelt heraus und in das materielle Dajeyn, ein jedes in jeiner Art, nad) feiner Stufe und an den ihm beftinumten Ort; denn aud darin fonnte feine bloße Zufälligkeit walten, im Gegentheil fine fie je gar urjprünglid) auseinander gehalten, und der römiſche Lichter, der nichts von Amerifa und nichts won Auftralien wußte, bat wahrſagenden Geift bewährt, wenn er ausſpricht, Daß durch göttliche Fürſorge unein— bare vänder (dissociabiles terras), d. h. uneinbare Geſchlechter, durch den Oceanus abgeſchieden. Deun wenn auch antere Forſcher ſich mit dieſer Unterfuhung ausdrücklicher, als es und bier geſtattet iſt,

Daß cs mit Fortzeugungen wenigſtens unter Meſtizzen nicht anders ſich ver⸗ halte, iſt mir ſpäter von Kundigen verſichert worden.

FR | - Fi *

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beſchãftigen können, wollen wir wenigſtens dieſe eine Erſcheinung nicht übergehen, welche anders Denkende auf ihre Weiſe zu erflären verfuchen mögen, bie Erſcheinung, daß die beiven, von uns für höher dem eigent- ſichen Menfchen näher ſtehend angenommenen, aber eben darum ſchon im Berbältniß ihrer weiteren Entfernung von dem Thier weniger, als Neger und. Mongolen jelbftändig, weniger um ihrer felbft willen ſeyende Geſchlechter, daß eben biefe, zur Coeriftenz mit dem japetifchen Ge ſchlecht genöthigt, in .biefem Zufammenfeyn nicht beftehen können, ſondern mmabwendlichem Untergang zueilen. Schon ift von den amerifanifchen Ureinwohnern vorauszufehen, daß fie, nicht durch die, Gemwaltthaten der Europäer, fondern durch die fortwährende Berührung mit dem fremben Geſchlecht, früher oder fpäter ganz verfchwinden. Aber auch von den Sandwich⸗ Infeln wird berichtet: fortwährend zeigt fi das Phänomen der großen Sterblichkeit unter den Ureinwohnern, bie mit der Ankunft ber Europäer angefangen bat. Dieſe Erfcheinung folgt überall fogar bei der .erften Berührung, ohne daß das wüſte Leben des europuiſchen Schiffsſvolks Einfluß darauf zu üben’ Zeit gehabt hätte. Cs ſind neue großartige Krankheiten, die unter den Wilden ausbrechen und mehr Men⸗ ſchen hinraffen, als fräher die blutigen und oft graufamen Kriege, die fie unter. fi, führten, bahingerafft haben.

Wer ſich einigermaßen vergegenwärtigt, welche unüberwindliche Schwierigkeiten der phyſiſchen Abſtammung von Einem Menſchenpaar und ver Verbreitung bes Menſchengeſchlechts pon Einer Gegend über die ganze Erde, ja oft nur über Einen Welttheil ſich entgegenſtellen ich erinnere nur an die ſehr ins Einzelne gehenden Bemerkungen des ſchon im erſten Theil dieſer Vorträge mit gerechter Anerkennung erwähn⸗ ten Don Felix Azara; ich erinnere auch an die Frage: welche Urſachen mächtig genug ſeyn konnten, aus milderen Himmelsſtrichen kommende Menſchenſtämme in die Bolarländer zu treiben, ja in ben dahin ver- ſchlagenen ſogar eine durch nichts überwindliche Anhänglichfeit an eine ſolche unwirthliche Heimath hervorzubringen wem alſo dieſe Schwie⸗ rigkeiten bekannt, der ſollte, ſcheint es, eine Anſicht willkommen heißen, die dieſer Schwierigkeiten überhebt, ohne darum gegen höher beglaubigte

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und mit Recht, weil ohne fie, wie fi gezeigt, am eine Einheit und einen einheitlichen Urfprung des Meuſchengeſchlechts gar nicht zu denten wäre, ängftlich gehütete Wahrheiten anguftogen. Mit der von Ioralis mus hergeleiteten Anficht hat es eine folde Bewanbtnig. Dem aud je gibt es Einen erften Menjhen, von dem aus aller Menſchen Geſchlech ter auf bem ganzen Erbboben wohnen t, Einen erſten Menſchen, durch ben der Tod mb bie Sünde in bie Welt gefommen“ *, aber von bem auch der göttliche Funke, der Geift der Freiheit und Selbftbeftimmung auf alle Geſchlechter, je nach ihrer Empfänglichleit, ſich fortleitete. Dem das ift das Wefentliche; und was fonft damit verbunden wird, insbe fondere die Vorftellung, daß der erſte Menſch eine völlig menſcheuleere, erſt durch feine Ablöumlinge zu bevölfernde Welt vor ſich gefunden, damit flinmt wenigftens die moſaiſche Erzählung, nicht überein, dent: diefe läßt bie unmittelbaren Ablömmlinge des erften, Menden zwar nicht mehr im urfprünglichen Ort ber Zonne, aber noch immer in ber Nähe deſſelben und im Angeficht Gottes wohnen, ber erfte-aber von biefem noch immer feligen und umhegten Bezirk Ausgeftoßene, ins Land ber Ber- bannung, ins Weite und Grenzenloſe Gehende fürchtet nicht, dort einſan au feyn, fonbern ein anderes Geſchlecht zu finden, das ihn tobtfchlage *

Schon biefe Erzählung, zumal wenn hinzugenommen wird, ba den Nachkommen des Kain zugleich bie erſte Erfindung her Künfte, ihm ſelbſt nad; Geht feines erſten Sohnes die Gründung der erſten, nad beffen Ramen genannten Stadt zugefihrieben wird, läßt den Anfang tes geſchichtlichen Lebens der Menfchheit darin erfennen, daß das göttliche, dem erften, dem durch ſich felbft wirklich geworbenen Menſchen ent ſtaumende Geſchlecht mit den anbern unfelbftänbigen Geſchlechtern fi

' Act. 17, 26: dndıngav ivdg (aluarog if pmeielhaft, „weil e& Cod. Alex. nicht hat) mäv idvog uröpdnuv naromslv iml maveög mpodcnov eis yi- In bemfelben Zuſammenhang ſpricht der Mpoflel von voransbefimmnten Seiten (mporsrayusvors xaıpolz) und Grenzen bee Bohuent ber Böller und Ctämme,

At ing avöpemov j dnapria al; eov adanov isAdev, Wi. 5, 12 Al avdpsmov (buch einen Menfchen, wie 1. Cor. 15, 21) 6 Ycyarss,

- 1. &or. 5, 21.

® Genes. 4, 14. 16.

.'r na! 5 .

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beräßrte und vermifchte; in feinem ber beiden für fidh lag die Nothwen- digkeit einer gejchichtlichen Bewegung, denn weder der reine Actus noch bie bloße Potenz find dazu ausreichend. Gegen ben erften, ben eigent- Gichen Menſchen find die verſchiedenen Geſchlechter nur Stoff, allerdings fo, daß fie potentid näher und ferner von ihm feyn können, nur ihre Spitzen ſich unmittelbar mit ihm berühren, ohne daß fie darum für ſich zur geiftigen Thätigkeit übergehen Tonnten, fowie mit der Yolge, baf Die von dem höhern Geſchlecht ausgehende Wirkung dem einen Theil der ander zur wirflihen Erhöhung ins Göttliche, dem andern ‚zum Gericht (zur Kriſis), zur Herabſetzung unter das Menfchliche gereicht. Merkwürdig und ein Zeugniß für das hohe Alter diefer Erzählung ift, wie der Uebergang vermittelt wird; im Sinn einer fpätern Zeit, wohin manche gern biefe früheften Kunden verweifen möchten, lag es nicht mehr, die Vermiſchung des göttlichen mit dem an fich bloß materiellen Geſchlecht als Folge einer Unthat, und eines im jenem Geſchlecht ein- getretenen, bis zum Mord gehenden Zwieſpalts vorzuftellen.

Deutlicher tritt der Gegenfag und ver Zuſammenhang zwifchen dem göttlichen und ven bloß natürlichen Geſchlechtern in der fpäteren Erzäh- lung von ben Söhnen Gottes und den Töchtern der Menfchen hervor, die ſich miteinander verbanden und zuerft „bie Rieſen, bie von Urzeiten ber Gewaltigen und Berühmten“, die erften Heroen der Gefchichte, er- zeugten '. Hier ift nicht, wie man wohl gemeint, von Berehrern bes wahren Gottes, es ift von dem felbftgöttlichen Gefchlecht die Rebe, das im ber Verbindung mit dem materiellen die Initiative der Geſchichte bat, von dem fich alles herfchreibt, was in ber Gefchichte Großes, Mächtiges, Göttliches nicht bloß in äußern Thaten, ſondern auch in Thaten des Geiftes und des Erkennens, ſich berfchreibt. Denn wenn Gleiches nur von Gleichem, entweber urfprünglic ihm Gleichen over ibm Gleichgewordenen erkannt wird, fo ift auch alles Erkennen bes Böttlihen nur dem Selbftgöttlihen des Menſchen gegeben, ohne das nur ein Seyn, aber ein erfenntniglofes, in Gott möglich war. |

' Genes. 6, 1 ss.

Die mofeifdie Erzählung bringt dicſe gefiflcdhiäkte Deckung pi ſchen ven Sohnen Gotieß und den TAchtern ber. Döcnfihen in Die haug it der Eandflathe, von welcher ax mar Ein‘ Heritage iR, alle Geſchlechter uud‘ Böller vom be. @äfuen bes cujigm Bel hergeleitet werben mittelſt einer Genealogie, hie ASrigent mei ar Nathſel darbietet, 5 B. wenn Blifcalm (ber Begyptir) mu fagır De moan (der Phönifier, befien griechiſcher Warme inbep Diet Hi = enie farbige Interfeheituug Kinbentet), „wenn biefe GBeliber bei Seil (alfo des Athiopifhen Geſchlechte) uub Sohne Gamıs gemaunt nahn', wofäz ſchwerlich eine Qeflärung füh finben möchte, wenn midt in ia früher freilich mehr angebeuteten alg entwickelten .Gnficten; tem e8 liegt noch ein weiter Weg vor uns, ber zu laugea Beucila kin Qingelnen verbicht. udeß ſicd wir nicht beforgt, daß dicſe "Hufen nicht noch ihre Würdigung unb vielleicht eine glänzenvere Ansfkieum finden, al8 wir ihnen zu geben im Stande gewefen wären. Bon Ki fter Merkwürdigkeit ift, daß nad) diefer Genealogie das ſtärkſte Geſchlecht den Stoff hergegeben zu den eriten in ber Geſchichte mächtig geimortenen Böllern. Denn „Chus zeugete den Nimrod, der fing am ein gemak tiger Herr zu fen,“ d. h. er -war ber erfte viefer Art auf Era, und „der Anfang feines Reichs war Babel —“, und nach ikm wit erft der Semite Aſſur (wenn anders biefer gemeint ift) als Seine von Niniveh genannt. |

Auf die mofaifchen Ueberlieferungen wird man ſich alfo ſchwerlih gegen ums berufen; auch Laffen fi zumal Waturforfcher, - die mob beutzutag die Abflammung des Menſchengeſchlechts von Ginem erſten Paar vertheibigen, am wenigften durch theologifche, eher durch gewifk philanthropiſche Rückfichten beftimmen, bie in dem falfchen (Eifer, ha fie erweden, mit gehäffigen Anſchuldigungen gegen ihnen entgegengeieit fcheinende nicht immer unverträglich find. Da iſt es denn beſſer, fir den Fall z. B., daß man umferer Unterfcheibung voriwerfen jollte, fe

" Das Buch ber Weisheit (10, 3. 4) ſetzt ſchon bie That des Kain in wieh

liche Berbindung mit ber Sünbfluth. 2 Genes. 10, 6.

513 leite am Ende auf ‚eine wifienfchaftliche Rechtfertigung ver Sflaverei und des Negerhandels und aller Gränel, vie fich das höhere Gefchlecht gegen bie untergeorbneten erlaube: es ift befier, fage ich, gleich offen zu befeunen, baß es unferer Ueberzeugung nad) unmöglich ein böfer, menfchenfeindlicher Geift ſeyn Tonnte, mit welchem ber eble Las Caſas den "Gedanken ins Werk ſetzte, ſtatt des ſchwachen amerilanijchen das ſtarke africaniſche Geſchlecht zunächſt zur Ausbeutung der entdeckten Silber- und Goldminen zu verwenden ', ein Gedanke, der allerdingg nicht die Regerfflaverei, denn dieſe hatten die Unglüdlichen und zwar in der ſcheußlichſten Geſtalt ſchon zu Haufe, wohl aber bie Negerausfuhr zur Folge hatte, in ber ein wohlwollenver Geift zugleich das einzige Mittel fehen konnte, jenes aufgegebene Menſchengeſchlecht ver jhredlichfteu Bar⸗ barei und viele ver faft ohne Rettung verloren Seelen dem ewigen Tod zu entreißen. Dem and in dem Thier ift ein felbftifcher Wille, eine Begierbe, mit ber es auf fich felbft (dem eigenen Dafeyn) befteht; aber dieſer Wille ift, wie feiner Zeit bemerkt worten, ein bloß erreg- ter, in Anfehung bes Thiers alſo zujälliger, an dem es Fein eigentliches Selbſt hat, nichts Uebermaterielles, das materielle Seyn tes Thiers aberdauern Könnendes?. Und wohl könnte man bie Frage aufwerfen,

Sas Caſas mar zwar nicht Urheber ber Idee, in ber Bearbeitung ber Mi⸗ nen an bie Stelle ver Eingeborenen Neger zu ſetzen, aber 1517 brüdte er eben dieß ans, und von ba an ift ber Negerhandel förmlich‘ organifirt worden. Siehe ler. v. Humbolbte Examen critique de l’Histoire de la Geographie du Nouveau Continent. III, p. 305—307.

2 Das Schichſal ber Thierfeelen war von ie für bie alte lirchliche Theologie unb bie mit biefer in Verbindung ſtehende Phychologie feine geringe Verlegenheit. Ein neuerer franzoͤſiſcher Schriftfieller, dem bie Aufnahme, welche feine Etudes sur le Timet de Platon in Deutfchland gefunten, als Beweis bienen konnte, wie- neiblos hier jedes Verbienft eines Auslaͤnders anerlannt, wie leicht ſelbſt Über- ſchetzt wird, Hält fich jet für berufen, in einer Philosophie de la nature spi- ritualiste bie deutſche Philofophie zu befpätteln und fein Urtheil über fie anszu- prechen. Das Erfie wollten wir uns rubig gefallen laſſen, das Andere Bunten wir ihm jeboch erſt dann zugeben, wenn er uns überzeugt hätte, im ber eigenen Wiloſophie einen Standpunkt erreicht zu haben, der ihn zu einem Urtheil über bie deutſche Philoſophie berechtigt. Den eigenen Standpunkt nun bat er, wenigſtens für Dentſche, hinlänglich durch zwei Ausiprüche ‚bezeichnet: 1) daß bie en Atome,

Schelling, fammtl. Werke 2. Abtb. 1.

ah in der blinden Deth, wit ‚ber mumdhe Büngerfiäsume fidh fi} yo ſleiſchen, in der unfinnigen, Glutoieftägen Gesufemleit Mer Siuing etwas anderes als ein folder biuberrugier Kölle eriuukee fm, mb welche Unsfit der Foribaner bemmadg cin ſolcher Bei Abcrheupt (dm der eine# Höuigs von Dahemey) haben Idune, De serfuiims al mb ierählicher, deſto Seimmier ind folhe Stämme as ben Ziel in Menſchheit gewieſen, ver ſich ſelbſt zum geiftigem Beben echeben ja! Ee handelt fi nicht darum, was wirflich, feubern mas möglicher Bak is ihnen iR. Hätte ber Singer im Sligemeines für. ſich ſellß weh und cm maihenmtiide Mifienfgoft efunben? Demand wen ur, Wi

alipen en mbeflennieet Bein ua abfkaier Ciehgik of ak Bueitipentiusme, dech ansgebehut, wur unmittelbar vom Gett eriehaflen wekes konnten; 2) daß Gott die Seelen ber Thiere, „bie benfen, ohne vwerwänfig p ſeyn“, mır verrichten lann, wie er fie unmittelbar erfchaffen, umb ba er fe ah wirklich unb ohne weiteres vernichtet. Wir geben bem gelehrten Mann a ı tennen, daß eben, um dergleichen Unbenfbarleiten zu entgehen, bie deutiche Phdcie- phie erfunten worden. Wer vergleichen Dirge verbauen fan, werten bie Dartigen fagen, bat noch gar fein Bebürfniß ber Philofophie und karın alio and kim be⸗ urtbeilen; der ihm getviefene Weg ift, fih blindlings ter Autorität zu umterwerken, und wir bergen nicht, daß wir in’ biefer Dinficht noch bie Keften Goffmmgen von dem Genannten begen. Um zu zeigen, daß wir mit Kenntniß ver Sache md befonbers ber Quelle folder Weisheit urtheilen,- fügen wir aus einem mit ale firligden Approbationen verfehenen Lehrbuch urkundlich unb wie fie in ber m ſprünglichen Wbfaffung lauten, bie entipreddenten Süße bei: „In bruts ee animas spirituales, humanis inferiores, non corruptibiles, sed annikle- biles et a Deo, postquam corruptum fuerit eorpus, annihilandas. Ali, wird ohne Mißbilligung Kinzugefilgt, non dubitant dioere, Daemones insidere brute, operationesque humanis similes exhibere, otii fallendi graüs, donec ad locum infernalis ignis detorqueantur“. Wir geben es nicht eıl, Herru 9. Martin in einer Philosophie de la Nature nicht mehr bloß spi ritualiste, fonbern religieuse ober cgtholique zu biefer legten Meinung fr» ſchreiten zu ſehen, bie uns vor ber exften, bis jetzt von ibm aboptirten, lennubare Vortheile barzubieten ſcheint.

Anm Rand bes Dic. find, ale noch nähere Bezeichnung bes Unterjchiebs priſhe dem unfelbfifchen, bloß erregten Willen im Thier unb dem Willen des hinter bes Idee zurldigebliebenen, gleichjam vormenichlichen, aber nach ©. 512 ter Erb bung ins Gdttlihe fähigen bie Worte beigefchrieben: „Bei ben Thieren ersegter, bei ben Racen bebingter Wille D.$.

915 unter Einwirkung von Europäern einige dieſes Geſchlechts, unftreitig der befiern Stämme, vorzügliche Mathematiker geworben find. Aber freilich alles verberbt fi unter ver Hand des Menfhen, und Veran⸗ ftaltungen felbft, wie jene ver Ueberführung africanifcher Ureinwohner nah Amerila, in denen man eine göttliche Fügung au fehen glauben Founte, fchlagen theilweis zum Gegentheil um.

Auf weiteres einzugehen, namentlich auf bie Trage: was menſch⸗ licher war, die Mittel einer großen weltbeherrſchenden Macht anzuwen⸗ ben, um der Regerausfuhr- ihre wahre Beftinnmang zu geben, ober fie mit Gewalt zu verhindern, nicht ohne größere Grauſamkeiten zu veran« laffen und felbft Graufamleiten zu verüben, zumal aber Taufenven wenigftens der Anlage nach menfchlicher Wefen den einzigen Rettunge- weg abzuſchneiden, auf dieſe Frage, alſo überhaupt auf die praftifche und politifche Seite ver Sache einzugehen, ift weder unferes Amtes noch dieſes Ortes.

Mir kehren m wieber in ben allgemeinen Sufeumenbang jurhl umb fragen: was Shut der Geiſt in der Welt? Das Exfe ig, ne wie. bei Gelegenheit des Prowetheus fagten, daß er, bie Weit Tune bringenb, erfennenber Geift iſt. Der Geift ift als dieſer nicht eher frei und hat nicht eher feinen Willen, al8 wenn ihm das „Dazwildenge tretene” nicht mehr als ein rembes gegenüberficht. Worauf ſich alle zuerft unfere Betrachtung zu richten bat, ift dieſe Ertenntnif, bie fh auf bie Welt bezieht.

Schon viele haben, und zwar als von Leibniz fich herfcreibent, den Say aufgeftellt, ver einzige unmittelbare Gegenſtand der Gele (derjenige alfo, ber ihr alle andern vermittle) fey Gott. Für die ned in ihrem Urverhältniß und als überweltlich gebachte Seele haben wir Gleiches behauptet, wenn auch in anderem Ausdruck; aber für ve aus jenem Verhältniß gefegte ımb ſelbſt mit ins Weich bes Bigfiik materiellen gezogene Seele könnten wir dem Worte nicht beipflichten, das vielleicht nur ein Beweis mehr ift, wie allgemein in neuerer Zeit „Bott” und das „Seyende* für völlig ibentifch genonmen worben; bem in Bezug auf bie ber Welt zugelehrte Seite ber Seele würden wir vielmehr fagen: ber einzige unmittelbare Gegenftand der Seele ſey bat Seyende, das Seyende in dem Sinn genommen, ver durch bit ganze Folge dieſer Vorträge hinlänglich erflärt und feftgeftellt worden Deun der ganze Begriff der Seele ift nicht das Seyende, aber tab e8 ſeyende zu ſeyn (erinnern Sie fi) der Grörterungen über bet

17 ti 79 edv des Üriftoteles); die Seele ift gar nichts anderes; wird ihr ˖ alfo das Seyende, fo wird fie fich ſelbſt entriffen; darum fagten wir, fie könne -von ihm nicht laffen ', nämlich folange fie ſelbſt Iſt. An diefem Seyenden aljo, das fie ift, hat jeve Seele ihren unmittel- baren Gegenſtand, d. b. den welcher ihr alle andern vermittelt. Der äußere Gegenſtand, mit welchem bie Seele mittelft der Sinne in Be rährung fteht, verändert da8 Seyende ber Seele; indem aber die Seele das Seyende, das fie ift, auch im veränderten fefthält mb wiederher⸗ Rellt, wird ihr dieſes entſprechend dem Gegenſtand veränderte felbft gegenſtändlich, und erhebt ſich ihr zur Borftellung des ihr Fremden und Aeußeren. Ohne eine ſolche Wieberherftellung, durch welche das in der Seele geſetzte Fremde ausgeſchloſſen wird, läßt fich was Ari⸗ ſtoteles ſagt nicht erklären: daß in der Sinneswahrnehmung die reinen Bilder der Dinge ohne ihre Materie find," Bilder, die in ber Sinneswertzeugen auch nady Entfernung der Gegenftände haften ?; noch weniger begreiflich wäre ohne dieß, was ebenfalls Ariftoteles jagt, daß wir in den finnlichen Dingen eigentlich ihr Intelligibles fehen®, die Empfindung (Wahrnehmung) zwar Empfindung (Wahrnehmung) des Einzelnen als ſolchen, 7. B. dieſes Menſchen (des Kallias) fer, die Borftellung aber nicht biefer, fondern das Allgemeine deſſelben als Als gemeinbilb oder parraayıa beffelben! ſey. Hieran ſchließt ſich bei Arifto- teles zunächft: das Wahrnehmen für ſich eitfpreche dem bloßen Sagen und-Denten welche Bebeutung dieſe Ausvrücke bei ihm haben, ift früher gezeigt worden ® —; da8 binzufommenve Gefühl des Angenehmen

©. 41.

2 De Anim. I, 12 in: n udv aisdndis darı To denrızöv rov aicdneärv . sidev avev vis vAns. Ebenſo III, 2 mit dem Zufag: dio al aneıldorrav röv alöInröv ivadıy di yarraslaı iv rols aldInrnplois. Vergl. das über das Bhnfifche im Dentproceh Geſagte in der Anın. &. 450.

sl, 8: 'Ev roic eldedı ruls aisdnrot; ra vonrd dsrw. II, 7: rd usv elön vonrinou (rüs Yoris, nicht ò voũc) dv rolg yarrdauadı vosl.

* Aisdavsrar usv ro nad dnasrov, ij SolsSnoi r@v nadolov, olov ar Upuzov, all ov Kalllov. Anal. Post. 2, 19 exir.

5 in ber > funſzehnten Borlefung.

mb Uuangenchmen aber habe Beiahung. wub Derneinun 7 Golge ', und auch die Gedie des Thiere urigeile", Es Iaun nad Dem nicht auffallen, A daß bie Seele des Thiers auch ſchließt; bemm diß IR ia Dei mad) dem Urteilen. Die brei geiſtigen Wunckionen unten fuß.fe unterjjieben: simplex spprehensie, judieium, discursus; Yale ng fogt max: Begriff, Urteil, Cfuf. Sum i es leict mb m mittelbar einzuiehen, daß bie brei Siaffen won Kategorien; wie Kant unter deu Titeln Omaniität, Oneiiiät, Nelation auffelt, fh

J ir | | j r

Iäßt fich zeigen, daß bie Ganbfungen bes Thiers ganz ben Beprffe gemäß find, die bem Berftand ben Schluß vermitteln; es ſieht 5 8.

Accidens eine Subſtanz zu Gruude liege; ehenfo, aller Grfakrum voraus, fucht es zu der Wirkung die Urſache. Das mäßig fchene Pferd fieht fi nach der Urfade eines ihm unerwarteten Geraͤnſches um; ber ſchüchterne Bogel, das ſchene Wild entflicht Bei jeder umge wöhnlichen Kegung ber Blätter in feiner Nähe nad. ber entgegenge ſetzten Seite; nicht ber. Berftand jagt es ihm, fondern bie Seele, von der es allem und infofern noch mehr beherrſcht wird als der Med.

' To niv orv alsdarecyau oͤuoio⸗ rP paar uovov nal voriv' üras di nöu n Ausnpov, olov xarapäda n dnopäda, —X n (n yo) De An. II, 7.

2 JII, 2(p. 52, 2 s8.): indoen alsdndiz <ou vronsuudvov alsdqros ieh, Undpyovda dv es aisInrnplp 7 alsdnenpuov, nal zalves rdg 100 wwomr- udvov als prev rag Jıayopüs, olov Asunov uiv nal udlav ovi⸗ M, 9m: jſPpuxij nard dio dpidrar Öuvdusg 7 rüv [der, ed re xperın, 6 dıavoia: ipyov scrL (beim Menſchen nämlidy) nal aldIndteg, nal dr 75 zelv ara tomov alundıv. Das voög npırınög, P- 67, 12, Tann bert wohl bloß vom Menfchen gemeint fein, ober es iſt bequemer Ausbrud,; wie 0 eng yoyic vorn, jo ſcharf er biefe beiden unterſcheidet. &. oben &. 45% ff.

519

Hätte der berühmte David Hume nur einmal das Kind in der Wiege beobachtet, das noch ohne alle Erfahrung, außer Stande den Kopf zu bewegen, wenigftens die Augen nad ber Seite wendet, von welcher eim ihm unbelannter Ton, 3. B. der eines mufilalifchen Inſtruments, fommt, unftreitig hätte er dann feine Erklärung der Entftehung bes Ganfalbegriffs in ums fi erfpart. „Zwei Ericheinungen, bie wir oft und lange Zeit aufeinander folgen fehen, gewöhnen wir uns enblich in einer nothwendigen Verknüpfung, und zwar bie vorhergehende als Urfache, die folgende als Wirkung zu denken“. Das erwähnte Kind hatte Feine Zeit, ſich auf ſolche Weife zu gewöhnen, ober andy num zwei Erſcheinungen mwieberholt als "aufeinander folgende zu be⸗ obachten, und volllommen Recht hatte Kant, wenn er behauptet, daß der Menſch (nnd er hätte es mit ber nöthigen Unterſcheidung ebenfo gut vom hier jagen können) zur Erfahrung eben nur gelangt, weil es ihm natikrlich ift, wo er die Wirkung gewahr wird, die Urſache zu jnchen.

Erklärt und im Einzelnen gezeigt ift hiemit, was von der noetifchen, intellectiven Seele früher im Allgemeinen behauptet worben '. Erklart, wenigftens von. Einer Seite, das bei anderer Gelegenheit und unab- hangig von Hriftoteles geſprochene Wort: die Seele weiß nicht, fondern fie ift die Wiffenfhaft? Sie ift die unausgefprochene, vie bloß materiell vorhandene, nicht zur Wirklichkeit erhobene Wiſſen⸗ fhaft. Setzt man in dem befannten, fir ariftotelifch geltenden Aus- fprudy an bie Stelle des unbeftimmten Ausbruds sensus das Wort Seele, fo ift es die gewiſſeſte Wahrheit, daß nichts im Berftande ift, was nicht zuvor in der Seele war, wo bie bekannte Leibniz'ſche Ein⸗ fhräntung: excepto ipso intellectu, ganz unpaſſend ift, ba vielmehr bie Meinung ift, daß der Verftand bloß materiell genommen ſchon ganz in ber Seele ift. Diefe bloß weſentliche Wiffenfchaft ift die unermorbene, voraus (a priori) da feyende, bie jeder erworbenen, aljo wirklichen,

! in ber neunzehnten Vorleſung. 2 Rebe Über das Berhältnig ber bildenden Künfte zu ber Natur 1807. Erfter

Band philoſophiſcher Schriften, &. 369.

vorauögehen muß‘. Sier aber iR. es cha mun.bir Wiifieciheft ze Am, bie der Geiſt fich zu ermerben hat, fell ex Der Miet mädlig make Dem er ſelbſt i-sime Löifieufdhaft unb,. wie. Bizifeteled fagl, dam Tafel gleich, auf der noch midts würdichgefffrichen if. Min m ywar fo zu fagen tägfich hören aber Icfen, Urifietsles Gerle eine unbeichriehene Tafel genaunt, mährene er bie antbciläh un Berſtande? fagt. In Bezug auf die Seele if das Wiſſen alt eh etwas BZufälliges, zu ie nur Dinzulsumenbes, wie mac Sriiekit der Gein felbft ein Oinguloumenpes if. Sm Geit if sidts Mh In Materie ober Potenz madh;er iR Daher nicht Wiffenfchaft, fonheen zu wiffenp: wiſſend aber um bucdh ſein Berbältuiß zu ber Gerk. v

⏑⏑ Denut, van, erfiens: bahn m

Seele fon Begriffe, wen aller. Materie befreite, alſo die Kefe Sec enthaltende Borftellungen ver einzelnen finplichen Dinge finb, aber de daß biefe Begriffe ihr felbft gegenſtändlich wären; fie find in it de Materie nach, für einen Dritten, wie man jonft zu fagen pflegt, u ausgeſprochen und bloß potentiell; wie auch Ariftoteles fagt: wohl ja die Seele der Sig der Begriffe, nur daß es nicht Die ganze fey, fordern nur bie intellective, und daß bie Begriffe in ihr nicht actuelle, enter bloß potentielle feyen®. Zur Zirklichleit erhebt fie erſt der Gef, a weldyem aber eben barınn nicht mehr bloß Begriffe der einzelnen fund empfundenen Dinge, fondern die Begriffe diefer Begriffe‘, d. F die Allgemeinbegriffe find, durch welche ber Geiſt der Dinge wäh und wiflenb wird; denn mächtig einer Sache fanı nur heißen, was über fie hinausgeht und nicht mit ihr conlescirt, fonbern frei von ihr Habt. Der Name, mit dem ber Geift ein einzelnes Ding, z. B. als Baum,

nädu dıdasxalia nal näsa yadndız Öıavonrın) din npoimaeyendı; siveraı „vodeog. Anal. Post. I, in. 2 De An. III, 4 (p. 58, 17— 20). MBeiteres, wozu bie Stelle anfſecdecn um, im Bolgenben. : ya ν ön oi Atyoyrag, env —* avros ronor dor, lv orı ern on, ar n vonrumg, ovre ivrale zig, alld Svvdue rd eidn. De An. I, 4 " nalsdndız sldog aisInröv, 0.vou; dd eldog dor. Id, 8 (p. 62, 14.151

521

bezeichuet, enthält nicht bloß" den Begriff dieſes Baums, und felbft nicht bloß den Begriff aller wirflichen, fonbern -aller möglichen Bäume. Diefes Allgemeine ift das reine Erzeugniß des Geiftes felhft, weil er, wie ſchon Anaragoras gefagt, um alles zu begreifen, unvermiſcht ſeyn und mit nichts etwas gemein haben darf‘, alfo gegen jedes felbft ſich ale das Allgemeine, aller glei) Mächtige verhält. Was aber ven Begriffen, das wiberfährt auch ben Urtbeilen und Schlüffen; denn wir haben ge fehen, daß bie Seele nicht bloß "begreift, fondern andy urtheilt umb ſchließt. Auch die Urtheile und Schlüffe alfo, die in der Seele unaus⸗ geiprocden find und ſtets nur auf das Einzelne ſich beziehen, werben zu wirllichen allgemeinen, z. B. daß nicht dieſes A fondern A im Allgemeinen B zur Folge hat, erhoben.

"Zweitens nun aber ift zu bemerken, daß ber Geiſt dieſe Wir⸗ Iumgen zunächſt nicht durch einen beſonderen Act, ſondern durch feine Gegenwart, durch ſein bloßes Daſeyn ausübt; es iſt nicht eine zufällige umb vorübergehende, es iſt eine bleibende und von ſeinem Willen umab⸗ hängige Wirkung, die er nicht etwa vermöge eines Zuſtandes (einer dsadsaıg),. jondern ‚vermöge feiner Natur ausübt, wie es bie Natur (HEı5) des Lichts ift, die Farben ber Körper, bie eigentlich auch nur potentiß find, zu wirklichen zu machen; denn ich beziehe hieher, was Hriftoteles vom wirkenden Berftande, freilich nur im Allgemeinen jagt ?. Dem wo-wir uns von ihm durch nichts Neues in ber Sache unter- ſcheiden können, müflen wir um fo mehr an ber Methobe fefthalten, die uns das Betrachten‘ der Uebergänge unb ein mehr fürmliches Aus- eiuanderhalten ver Momente zum Gefege macht. Der legte Schritt bat uns alfo nicht weiter als bis zum natürlichen Verftande und bis

"Avayın aoa, ine zavra vosl, auıyn olvaı , Gocep ypnolv "Avafayooag

(p- 57, 7 se. ) nal- undovt undiv Iyav xowvov (58, 12). De An. III, 4.

3 yal äsrıv 0 rowvrog (6 momeındg) voos il aavra yiyvaddas, o ds

16 nadıra nomlv, os Ks rıs, olov £o ps’ rponov yap rıyva nal nor ra

dwaus övra ypouara ävapyeig xpauara. De An. III, 5. Ueber ben

Unterfchieb zwiſchen dıdIadıs und dös vergl. man Categor. VI. Metaph. VIN, 5 (p. 172, 19 ss.) if ber 285 entgegengefeht, was sand yidır iſt.

pie. gemeiı« b. h. allgemein verfülubiges: Geluienuiß da -Minge gilt ** an nach

ſtehende ſchon füt actuelle Biſſenſchaft gelten... Aber zu ber [sei ange MBifjenjceft verhält fi wicher (npeümdezeum und als potentielle Wiſſenſchaft.

Wir werben alſo umih mad Diefer Ib Aber fe bie erwreien Wiſſenfchaft feper, au weder ber Wille Teil Kat, mir Hm daraus erhellen ‚wärbe, daß dieſe Möiffenichuft ſtets nur im: Beck a0 die menfälkhen Zwede, d. I. ie Gegenflönbe das menjfähe Wollens, fich erweiterten, zugenommen bat ımb gewachſen ft. Und and diefe erworbene Wiffenfchaft, vie zu ihrer Borausfegung bie natärluie Erkenntniß bat, wird fih nur auf die ſinnliche Welt beziehen; dem nur des Tazwilchengetretenen, wie wir es nach Wriftoteles nennen tönmen, will fie ſich bemächtigen, umb nur bianvetifch, denlend wird ber Geift in ihr ſeyn, aber nicht das Denken felbft, dazu wird er a mit dem rem und ſchlechthin Intelligibeln; da jeboch in der Natur wicht Abfolutes, alles nur relativ if, wird auch "ie ariſtoteliſche Unter ſcheidung des leidenden und bes wirkenden Verſtandes kein ſchlechthin trennender Gegenſatz ſeyn können, fondern es werben Stufen umb Ber mittlungen ſeyn. Gehen wir von dem Verſtande aus, ber im tieffte⸗ Sinne der leidende und in ber intellectiven Seele ift, fo wird ber jener Natur nach wirkende Berftand im Berkältui zu bemfelben actus fen; aber inwiefern er nicht frei ober wollend, feiner Thätigkeit ſich bewuft, ſondern bloß feiner Natur gemäß wirkt, ift 'er auch nur leidender Ber: ftand, wiewohl einer höheren Stufe oder Potenz, und wieber gegen biefen verhält fi der Wiffenfchaft erwedende, frei hervorbringende «ld actus; aber foweit er an ben natürlichen gebunden ift und dieſen zu Borausfegung hat, werben wir auch ihn nicht von bem Leiden vällig freifprecden können, und ber ſchlechthin und bloß wirkende, ver fchaffende,

wird erſt der von aller Borausſetzung, alſo von aller Materie wirklich geſch iedene (zamadels) fern können, ver, wie Ariſtoteles fagt, rein ex felbft ift‘. Aber wo wir jegt find, da ift beffen Stelle noch nicht; denn es hanbelt ſich ja hier zunächft nım um ben Berflanb, - ber Das Fremde, Dazwiſchengetretene ſich unterwirft, ſoweit aljo noch mit benz Materiellen zufanmenhängt (Tor ouri2sremw if, wie dieß an berwärts ansgebrädt wird 2); dennoch, wenn wicht wirklich geſchieden, iſt berfelbe wenigftens frei gegen alles Materielle und vom ihm geſchieden feiner Ratur nah (zuerorög, ein ariftotelifcher Ausprud), und da⸗ rum fähig, nicht wur das Materielle aller empfinblichen Eigenſchaften eutlleivet nach der bloßen Quantität aufzufaffen, aljo. es mathematiſch zu begteifen?, fähig, nicht allein von dem bloß Erſcheinenden zur Sache felbft (zum Weſen) fich zu erheben‘, ſondern, weil er hier als frei wir⸗ kend im feinem Weſen (reiner Aue) ift, auch ſich ſelbſt mit dem Denken zu ergreifen‘.

Es lam darauf an, für alle eingefnen Ausfprüche des Krifoteee den Zuſammenhang zu zeigen,. in bem fich ihre Wahrheit erweist. Eines jedoch fcheint noch Erläuterung zu fordern; einmal, daß Ariftoteles fagt: es bleibe dem dazwiſchen getretenen Fremden gegenliber der Verſtand nut als die ‚mächtige Natur zu beftinnmen *, und ebenfo, daß ver Berftaub dem Bermögen nach das Intelligible ift , wirflih aber oder ber That nad, nichts, ch’ er es begriffen”. Allein was das Erſte betrifft, ſo

ı&. die Stelle in Ber zwanzigften Borlefung.

Metaph. XI, 9 (Peg. 255, 27).

I ra iv apapkdas övra, de Anim, II, 4 (p. 58, 7), belannter ariftote- fer Ausbrud fir das Mathematiſche.

® ro saml slvaı zul ddpna (ebenfalls belannter Ausdruck für den oben bezeich⸗

weten Unteridieb), Alp (7 co Asse) N nor gopıdrö zplve. Ibid.{p. 58, 5).

® xal aurug di aveov rors (örav ‚dvynras ivepyalv di aveoö) dyvaraı vestv. Ibid. 4 (p. 57, 27 coll. 26).

wapsugyasmögor rüp xuve TO aldorpıov nal drrippdrrai) oöre und airod aba pic rd undsulav, all N raveys, örı dvvara». Ib. 4 (p. 57, 10 s8.).

? PR Suvdusı wog d6ri rd voned 0 vovg' AAL ivrsleyaia ovdiv, npiv av un von. Ib. 4 (p. 58, 17 se.).

verhält fi in Eehrheit, folznge tab Bürsnbe:mälit win Men busftrunge iR, der Berſtand gegen dieſes 8 bie Nehe Wöndit des Begieikel, tie das Licht, wenn / der dagwiſchen Jelreteue Wäcuib eB verhängt, ul te blohe Macht iſt, bie Erbe zu beleuchaen, aber bazum wicht uufjkt ie ſich purus actus zu fe, und was bes Vinbere, ſo nkr neigen Hier wid eine Deigfihleit zu-verfichen, Die. Meint anfäit Wi Tihteit zu feyn, fondern eine WRadit, Die amdh im Hetnb uub mad Ip felben mit aufpärt Markt zu fegm, wie Brifiotefes"fagt, daß ber Be ſtiaub, wenn er frei wirt uns wirklich wiffenb gemorben if, ach kam auf gewoiffe Weiſe Macht’ iR‘, nämlich im feiner Eerperiorität über be Hof zufällige Wirklichkeit fi behauptet, in ber . Berlikrung mit ven Objelt ſelbſt nicht bis zum Objeft herabfiult, in her Werlifeung mi dem Matetiellen frei von if «ld reosardn. wib über In di Subjelt (im. früher erflärten Sim) ftchen bleibt. Es iſt alle hier überall nicht von ber Möglichkeit bie Rebe, in welcher 5. B. das Sum forn ift, umter beftimmten Umftänden fi zur Pflanze zu entwiden, fondern von ‘der, in welcher fich befindet, mer bie Macht hat eimei hervorzubringen?. Zum Ueberfluß hat Ariftoteles anderweitig erfüäktt, in weldem Sinn er ſich des Wortes mächtig bevient. Wer vie Mad bat ſich zu fegen, wird nicht immer fiten, er hat auch vie Macht mu fiehen. Die Macht für das eine fchließt die für das andere em. Es kaun einer bie Macht haben zu reden, und nicht reden, unb bie Mad nicht zu reden, und bocd reden, Das eine wenn es zur Wirklichkeit

'Ibid. 4: örav d'ourds daadra yımca, ag dmsenuov Adyera 6 zur ivdpyaav (roiro di srußalve, ör örav Suras ivepyelv di avroö), ir ab ouowg nal röre durdusı nör' ov umv omdreg al mplv uadelv 1 supelv (bier nämlich iſt er bie Macht vor allem ictus, bort bie-Mlacht, bie ben Actus über dauert), Was das „alles Werben“ im Anfang ber Gtelle Betrifft, fo ik bei ariftotelifche Ausbrudsweife, daß das Erkennende im Erbennen das Etkamtte if, jo de An. III, 8 in.: ori d'n dmısejun niv cd dnisenra weuc, m dalsdaeız rd aisdnrd; und überhaupt lehrt ex: To aueo d’dsriv 7 nar' Irseyasar duıseiar r& apaynarı, III. 7 in.

To oinodsup alvar ro duvarg elval isrır oixodomst,. Metaph. IX.3 (p. 178, 3 88.).

325

. ——

tonnnt (ey vᷣaco 7 Endoyam!), macht nicht das andere unmög- lich, d. h. aud dann bleibt, was bie Macht de einen war, die Macht auch des Gegentheils. Anders weiß ich wenigftens den Ariftoteles nicht zm verſtehen, dem ich unmöglich eine Tautologie zufchreiben tann, wie die, welche nach der andern Erklärung herauskommt ?, -

So viel alſo gelegenheitlich zur Erklärung eines ariſioteliſchen Aus- drucks. Tas zulegt Vorgetiagene int Allgemeinen aber enthält in Kürze die vollftändige Theorie des natürlichen Erfennene. Denn aud die er- werbene Wiſſenſchaft muß zu diefem gerechnet werben, weil fie ganz von ihm fich herleitet. Der Menſch, indem ber Geift nicht frei von ber ewmpfindenven, natürlich urtheilenden, ſchließenden Seele, aljo nicht im feinem eigenen. esse ift? der natürliche Menſch, wie ver Augbrud dedpmmog wuxızög, defien ſich das Neue Teftament bedient, richtig überfegt worben, weiß nichts von Gott; angenommen aber, es jey ihm von aufen irgenbiwie eine Kenntniß Gottes geworden, jo könnte es wohl burch eine analoge Anwenbung der für das Natirliche gegebenen Er- kenntnigmittel, exr-önnte mit denſelben Prämiffen und berfelben Art zu ſchließen, bie für die finnliche Welt Gültigkeit hat, auch das Ueberfinnliche zu erreichen ſuchen. Dieß war in ber Chat die Verfahrungsweiſe ver ehemaligen Metaphyfik, oder des Theils berjelben, der die natürliche Theologie genannt wurde, . wie dieß ein: billiger Beurtheiler der älteren fowohl als ber kritiſchen Philoſophie, der ehremwerthe Gare * richtig

' Metaph. ibid.

‚7 Escı 53 dwvariv roſßto 8, dav vnapfy 7 dvipyaa, ov Adyeraı ya riv Svvayıv ovdiv Ira aduvarov' Ayo Ö' olov, ei dwarov nadzsdau nal nötyerar nadjedaı rovrp, dav unapfy ro nadtnsdaı, ovFiv idraı adi- varov. Ibid..p. 179, 2 as. Das ovFär im erflen Cage fo allgemein geiet, wie es gejeht iſt, wenn man es nicht durch das or Adyeraz x. r. A. beichräntt,

auf dieſes bezogen benft, wäre finnlos. Der zweite Sat ift bier beigefligt, Fr) ihm das dedszrousvov unb das duvarov nadjcdaı unterfehieben find. Bu erfierem, ber bloßen Möglichkeit des Sitzens, gehört auch ein Sitz, ſowie

Die aufrechte Geftalt, da das Thier entweber nur liegen, ober nur liegen und ſtehen Taım.

B om dar Onsp ädriv.

© Zu der von ihın überſetzten Ethik bes Arifotees I, ©. 214.

+

wach nei zugleich antgerät hat, io ar fagt: „Aekechaupt MR du⸗ Weteyinfit die überfinnliche Welt von der finnlichen, mern am ein, doch anf keine andere Weiſe getrennt, als ber mE infldhäbere Ziel Diefer flnnfichen Welt von dem uns- filjibaren getrennt if. Der Big durch, den ich von ber .Kenutui unferer Grblingel zur Renuinif de &o turnu8 übergebe, ift fein anderer, als ber, derch welchen ich von een, was ich je in ber Welt gefehen, erfahren mb gelerut Habe, anf bar jeuigg fommıe, was vor berfefben vorherging, was mach ihr fen mic türliche Crlennmaiß fich ſelbſt Aiefcte, inbem fie fich ins Ucbermticife fortfeßen wollte, ober wie Kant fagt, überfliegend, trauſeendent nurke. Was I. &. Hamam in Bezug anf Sokrates, aber sffeubar fm ge feitet von kantiſchen Mitteilungen gefagt bat, brüft das wahre Re fultat von Kants Kritik des natürlichen Erfennens auf eme Weile anl, wie biefe ſelbſt es nicht vermochte: „Das Samenkorn unſerer natärlichen Weisheit muß verweſen, in Unmifjenheit vergehen, damit aus dieſen Tode, aus dieſem Nichte das Leben und Weſen einer höheren Erlemnt niß bervorfeime und neugefchaffen werde“.

Wir haben im Anfang gegenwärtiger Vorträge viefe Meiaphaſi erft zum Ausgangspunkt genommen ?, fofort aber fie für eine künfllhe und gemachte Wiflenfchaft (disciplina spuria et factitia) erklärt. Daris fonnte ein Widerfpruch zu liegen ſcheinen. Allein es war mit dieſen Urtheil die Metaphyſik darum nicht für ein bloß zufälliges Erzengnij erflärt. Denn auf dem Standpunkt des natürlichen Erkennens ift und fie ſelbſt ein natürliches Erzeugniß, und. dieſer Verſuch, wittelt der bloß natürlichen Facnltäten, Sinnlichleit, Verſtand, Vernunft (als Ber mögen zw fchließen) ins Ueberfinnliche fih zu erheben, war und if anf noch jegt ber unvermeiblich erſte; und ba fein Lehrer der Philoſophie den, welchen er in ber Bernumftwiffenichaft umtermeifen will, ander

Sobkratiſche Dentwürbigfeiten, &. 51. ? in ber eilften Borlefung.

als auf dem Standpunkt ver natürlichen Bernmft- aufnehmen und vor⸗ ausjegen kann, -und außerbem jede Borbereitung zur wahren Wiſſen⸗ haft mr im Entfernen und Hinwegſchaffen des .unächten Willens be ftehen kann: fo wird bie natürliche Einleitung zur Bhilofophie, über bie ſich manche den Kopf zerbrechen, nicht im Aufftellen ivgend einer wahren Theorie, 3. B. wie noch immer einige fich einzubilvden fcheinen, einer Theorie des Erkennens (als wäre vor und außer aller Philoſophie eine folche möglich), fie wird nur in ber Kritif jener dem natürlichen Menſchen allein möglihen Wiffenjchaft beftehen können, und es hat in⸗ fofern Kante Werl auch von diefer Seite (der bibaltifchen) bleibende Bebentung.

Für den weiteren Verlauf nun aber ift durch bie vorgetragene Er⸗ tenntnißtheorie Folgendes gewonnen. Das Ih, in das wir und jegt ganz einſchließen (es tft das einzige Priucip unferer ferneren Entwicklung), das Ih, das in jedem Menſchen ift, und an beffen Stelle jeber fein eignes benfen mag, wir haben dieſes jegt frei gegen das „bazwifchengetretene Fremde“, und beffelben mächtig durch die Erlenntniß. Der Wille, der ſich ſeübſt hat, findet.er ſich auch von ver Natur befchränft in Anfe- bung der ‘Mittel (denn nicht jeves dient zu jedem), fo ift er Dagegen frei in Anfehung der Zwecke, oder, ba vieles felbft wieder nur als Mittel erftrebt wird, frei in Hinficht des legten und eigentlichen Zweds, welcher dem einmal fich felbft befigenven fein anderer ſeyn kann, als fi in feinem Sem, und da diefes, wenn nur in Leiven und Entbehrungen beftehend, vor-dem Nichtsfeyn nichts voraus hätte, im Wohlfeyn, d. h. im Boll genuß feines Seyns, zu erhalten (denn darüber, daß Wohlſeyn ihm ber Iegte Zweck, verlohnt es fich nicht der Mühe umftändlic zu ſeyn). Zu⸗ gleich wifien wir ‚aber nun ben Menjchen von Seiten des natürlichen Berſtandes hinlänglich ausgerüftet, um alles, was näheren „over ent- fernteren Bezug hat auf ven legten Zweck, als ſolches zu exfenuen und zu unterfcheiven, dieſer. Einficht gemäß zu benugen und feinem Willen dienftbar zu machen, d. h. ala Materie veffelben zu behanben. .

Hiebei begegnet aber das Ich alsbald gewiſſen Schranken, von denen nicht gleich zu fagen ift, wo fie herkommen. Nur bieß leuchtet

ſofort ein, daß fie nicht von der Sinneuwelt herfommen leuuen, ih nicht von Gott; denn von dieſem iſt das Ich Ios, nach ver Brad degung; auch wicht von den Menfchen, ſofern fie finmliche Wehe; & bleibt alfo nur, daß fie von den’ Menſchen kommen, foferm ſie ce iutelligible Seite Haben und intelligißfe Wefen find. Der Menfh, zit dem wir uns bis jegt befchäftigten, ift der einzelne; als einzelner hat er feine Stelle in der ſinnlichen Weitz allein wir Können nicht utet als annehmen, daß jever Menfd außer ver Stelle, die er in der fim lichen Welt einnimmt, auch eine Stelle in der inteligibelm habe. Der Menſch liegt als Möglichfeit, d. h. als Idee, im ver Seele, von melher wir fagten, daß fie dem ganzem Seyenden ‘gleich ift. Aber nicht die ganze Meöglichfeit iſt durch dem einzelnen “erfüllt. Er laßt alſo ne ſtimmbat viele Dögliceiten als durch ſich ſelbſt umerfüllt aufer je. Diefe Mögliceiten, da in allen mur die eine ber ift, Hafen mir fich ein ſolches Beräitnig, daß je eine zur Ergäitzung ber ante ge reicht, und fo bie eine nicht fen Memte ohne bie andere, uab man biefe nicht‘ zum Senn zugelaffen wäre, amd jebe andere (alſo jie eingelne, durch ben biefe erfüßt iſt) feinen Auſpruch auf baffelde Alt. Die ift alfo eine intelligible Orbmng, bie älter iſt als bie wirliden Menſchen, uud nicht erft von ber Wirklichleit fich herſchreibt, alle unh in’diefer fortdauert und bem felhft- und eigeuthätig gemorbenen Wille fich ols Geſetz auferlegt, keinem verfiattet das BRaf des ihm zufchen den Rechts zu überfchreiten, und dadurch jevem erft möglich macht p wollen. Someit ift völlig gleicher Aufpruch anf Seyn umb Wohlen; aber wo wäre überhaupt Dibnung, und wie follten -bie SRägfschkrin ſich gegenfeitig ergänzen. ohne Unterfchiebe, alſo ohne Ungleichheit? Es fragt fich alfo zunähft, vom welchem Belang biefe Umgteieit ſa und worauf fie deruhe.

Hier müffen wir uns abermals einen, daß Das, woran ber Menſch geſchöpft und genommen ift (a*), nicht einer einzelnen Art von Dingen, fondern dem ganzen Seyenden glei iſt, alſo and ale vefmöge deſſelben mögliche Stufen und Unterſchiede im fich, 1m in am “mente Potentialität enthält, fo daß, wenn es zur Werwirkiichunig deſer

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—⸗ ö—— nom

Möglichkeiten kommt, bier, wie in einer zweiten und allerdings höhern Belt, alle Stufen des Seyns, von der niebrigften bis zur höchſten, erſcheinen müſſen, alſo eine Gtufenfolge entfteht, deren Glieder von verfchievenem Werth find, je nachdem fie von dem Letzten, das Zweck ft, näher ober weiter abftehen. Im der Natur gilt der Menſch als Zwed, aber der Menſch ift bier nicht ver einzelne, es iſt ver Menſch in der Idee, welchem nicht der einzelne, fondern nur die Gefammtbeit völlig entipriht. Zwed alfo fann auch nur noch viefe, die Gefammt- beit, feyn, für die nicht alle von gleichem, fondern nur von höherem ober geringerem Werth feyn ‚können, je nachdem der Stoff zu ihnen näher oder entfernter vom Mittelpunkt genommen, db. 5. je mehr in ihnen das Gemeinfame lebt, oder je mehr fie bloß für ſich, für ihre inbivibuellen Zwede, für vie eigene Erhaltung thätig find. Gehoben und genbelt ift jeder in dem Verhältniß als er der Gefammtheit dient. Der gemeine Krieger, in gleicher Reihe mit den: andern ftehend, tft ſtolz in diefem Gefühl der Gemeinfchaft, als deren Glied er ſich weiß; er dient, ber Feldherr herricht, aber auch diefer ift nur Mittel, nicht Zwed, und im Allgemeinen kann man fagen: derjenige herrfcht am meiften, der am meiften dient. Im natürlichen Lauf der Dinge dienen die früher Lebenden den nachfolgenden Geſchlechtern; die Nachkommen genießen des Schattens ter Bäume, welche die Bäter nicht ohne Mühe gepflanzt und herangezogen haben; die jpätere Zeit erfreut ſich ber Wahrheit, vie eine frühere unter Kämpfen, Mühen und felbft Schmer- zen aller Art errungen. Niemand beflagt fich darüber, daß fein Thun fpäter Lebenden zu gut kommt, und nicht erniebrigt fürwahr würde ſich fühlen, fonbern erhöht, wer berechtigt wäre, nicht fich ſelbſt, ſondern dem Ganzen ſich geboren zu achten (non sibi sed toti natum se cre- dere mundo).

Man kann es als ein menſchliches Gefühl anerkennen den Wunſch, daß alle Menſchen auf gleicher Höhe ftünden; aber es ift ein vergeb- liches Bemühen, diefe Unterfchiede aufzuheben, die fich nicht erft aus der Welt ver Freiheit herjchreiben, die ſchon in der intelligibeln Welt

vorgefehen und hypothetiſch durdy die Free vorherbeftimmt waren, biefe Selling. fammtl. Werke. 2. Abb. 1. 34

330

Ungleichheit zu tilgen, bie nicht von Menſchen gemacht, die vom eimer Ordnung berlommt, weldye über dieſe Welt hinansreicht, und die Folge jenes großen Geſetzes alles Seyenden ift, nach welchem nicht nur fein Staat, wie Ariftoteles fagt ', fondern keine Art von Gemeinſchaft ans lauter Gleichen (dE omodan) beſtehen kann, fondern nur ans Weſen, die der Idee, alfo dem imern Werth nach voneinander ver ſchieden find (EE eides deapapdszor), es keine Urt von Ordmung möglicher oder wirklicher Dinge geben kann, in der nicht von Geburt an eines von dem andern auf bie Weife abfteht, daß das eine herrſcht, das andere beherrfcht wird . Diefes Geſetz, das Ariftoteles als ein all: gemeines, ald ein Raturgefeg ausgefprochen, ift die Macht, bie jever empfindet und auch nicht wollend verehrt, die Macht, bie jedem das Seine (suum cuique) zutheilt, jedem die Stelle anweist, welche in diefer Welt zu erfüllen fein angebornes, natürliches Recht ift, das zu über ſchreiten ihm jelbft verderblich ift, und welches zu achten oder nicht zu achten ebenjowenig in des antern Belieben ſteht; geboten ift ihm viel: mehr, jeden an der Stelle, für die er beſtimmt? und für welche ex daher Zweck iſt, auch als Gelbftzwed, für dieſe Stelle auch ven Willen gelten zu laſſen, wermöge deſſen er fich ſelbſt will: geboten, denn nidt vom Menſchen ftammt jenes Geſetz, und nicht entzieht er ſich ihm, in⸗ dem er fih ven Gott unabhängig macht, im Gegentheil eben dadurch, daß er auf die Seite des andern (des Seyenden) getreten, macht er dem Gefeg fih unterthban, das dem von Gott nicht

' Polit. II, 2. Die Kapitel der Bolitif find nad ten am Kante tee Sol—⸗ burgſchen Textes ſtehenden römiſchen Zahlen bezeichnet, bie fich, ſcheint es, auf die Zwingerſche Ausgabe beziehen.

?” To ;do aoyeır vai apyıodaı ou novor Tor urayzaioı, aiiq ai ToL, drupeposror &öri rai rd; En zererns Ira Öiörnne, ra ner Eai ro äpyeddaı, ra Sini ro aoyem. Polit. I, 5. Wie Ariftoteles bier fagt, jenes Verhaltniß gehöre zu dem Wohlthätigen, ebenfo fagt er: tem einen frommt EfMave, dem andern Herr zu ſeyn. Polit. I, 2. Bgl. I, 5. Ueber das ur ſprüngliche Organifche ter Geſellſchaft vgl. 1. Cor. 12, 12. 14. 15—26.

5 _- humana qua parte locatus es in re (disce), ber belannte Anstnud

des Perfine.

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wiſſenden eine ſelbſtaͤndige, ſelbſt thronende, von Gott unabhängige, gleich ihm (eigentlich ſtatt feiner) über den Menſchen erhabene Macht erſcheint und die Quelle. des natürlichen, „allen gemeinen Rechts“ ift, des Rechts, das „ver wirklichen Gemeinfchaft und jever Uebereinfanft zwiſchen Menjchen voraus“, nicht erjchloffen und nicht eingefehen durch den Verſtand, von ſelbſt allen ſich empfindlich macht, des Rechts, Das nicht von heut’ noch geftern, fondern allezeit Da ift und lebt, und niemand weiß, von wann es kommt,

belanntlich Worte. ver Sophofleifchen Antigone, die auch Ariftoteles nicht unerwähnt gelaffen .an ver Stelle, wo er von einer allgemeinen Ahn- bung bes Menjchengefchlechtes fpricht, der Ahndung einer Macht, bie vor und unabhängig von jedem Vertrag zwifhen Menfchen Hecht und Unrecht beftimmt '. Dieſe felbe Macht aber, inwiefern fie thatſächlich fih offenbart, war dem griechiichen Alterthum als Dile gefeiert, die nad) dem alten Spruch, deſſen Platon in den Geſetzen erwähnt, ftets im Gefolge bes Zeus erfcheint, an deren Unverleglichleit vie reine, aber nun bem Tod geweihte Antigone, die früher das ewige Recht angerufen hatte, vom tragifchen Chor erinnert wird ?, und deren plöß« liches Hervortreten in ungewöhnlichen menfchlihen Geſchicken auch bie gemeine Vollsmeinung mit Schreden wahrzunehmen glaubt ®.

! Rhetor. 1, 13: Zörı yuo, ö naveetovrai ri ——— pics noıov di- xcuov nal ddınov, xav undeuia rowovia npos aAAnAovs T, unds Surdien, olov nal n Joporldorg yaivsraz Adyorsa x. r. A. M dem uarrevorraı Tiegt,, daß es nicht von biefer Welt ift und nicht im Verſtande Liegt.

2 Im Troß fortichreitend bie zum Ziel

Biſt bu an Diles hohem Thron

Gewaltig angeſtoßen, Kind! Demoſthenes in ber Rebe gegen Ariſtogiton fagt von ber Dike: 0 rag ayio- raras nulv relerag naradsifag Oppsis napa ro Aug Yoovov pndl nadmudvıp. I, p. 69 (Bekterſ. Hesiod. Op. et Dies v. 248 (ed. v. Lennep): 8 Pasılets, vusis dh narapod,ss)aı ral avroi rivö⸗ öiznv. Sophokles Oed. Col. v. 1384: Aian Stvedpog Znvog apyaioız vouorz.

Man vergl. bie von ber Apoſtelgeſchichte 28, 4) aufbehaltene Rebe der Ein- wohner von Malta: os ds sldov npsudumor 70’ dnpiov in uns xupos rod Harkov, disyov mpög allılovg: adıros yovavs iörıv 0 avöporog ovrog, ov dıadodsvra En ıns Salddonzs n Sinn .ijv ovx eier.

Hier if e6, wo and Mani bie Der Spenzetiftien Grenze überfcreitet; als ſittliches Weſen if der Menſch ber nu gibeln Welt nicht entlafien, mu was für jeme (Ike theoretiſche) cn nf halb ihres Gebietes Liegendes iR, iR eB aicht cbeufe für bie pa Beruuuft: Bernunft ift dieſe; denn amch fie Kat zum legten Ahch das rein Iutelligible, das Segeube; praktiſch if fie, weil chen keit Imtelligible dem felbft- "ober eigenthätig geworbenen Willen fh «di Geſet aufgelegt und Unterwerfung von ihm heiſcht. I biefem Eame alfo if das Sittengeſetz auch Berunnftgefeg zum nennen; weil es nicq das Geſetz ift, das fi won der intelligibeln Orduung bexichreikt, bush das alfo Bas Yutelligible auch in der Welt il. Wenn inbeh an ame Stelle feiner Kritif der praktiſchen Beruunft Sant vom Gewiſſen fee: „wir werben durch bafielbe eines von nus ſelbſt umterfihiebenen, aber doch uns innigft gegenwärtigen Weſens inne”, unb nach „Weiens* a Erläuterung beijegt: „ver moralifchen geſetzgebenden Vernunft“, fo küsmen wir zwar dieſem Zufag nicht entgegen feyn, wenn er den Gebanien, jenes Weſen ſey Gott, abmehren foll (denn in Kants wiſſenſchaftlichen und fittlihem Charakter ift die -behanptete Autonomie ver Bermmit, d. 5. die Unabhängigkeit des moraliidhen Gejeges von Gott, eimer ver tiefften, und was auch feichte Halbwifjer dagegen vorbringen möge, verehrungswertheften Züge '); dagegen aber müßten wir uns verwahren, daß jenes Weſen die menfchliche Vernunft fey, wie der unglädih gewählte Ausdruck Autonomie zu fagen ſcheint: es ift nicht biefe, eb ift die in dem Seyenden felbft wohnende Bernmft, die (afkr dings ald autonomifche, d. h. die ihr Geſetz nicht von Gott erhält: fi den Willen untesthan macht; und was in der theoretijchen Vernu nur als Ruhendes (als Objekt reiner Contemplation) ift, ift gegen ven Willen, ver ſich ſelbſt Zwed ift, praktiſch, d. h. wirffam, gemerbe: auch nicht an vie menfchliche Vernunft, jondern lediglich an ven Wille

Wie wichtig es if, daß Kant bie Moral „jecularifirt“ hat, wird bie fpien Ausführung zeigen. Ein Franzoſe rühmt es von Pascals Provinciales: „elle ont besucoup fait, pour seculariser l'honn@te, comme Descartes l’esprit philoeophiqne,“

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wendet fich diefe intelligible Macht, und nicht Vernunft, fondern Ge- wiffen wird das Bewußtſeyn verfelben genannt, Gewiſſen, um das Beftänbige, immer Wiederkehrende dieſes Wiflene, das nimmer Ablaf- fende, noch Ermüdende ver Macht, mit ver e8 wirkt, auszubrüden.

Es geht alfo (dieß ift das Endergebniß unferer letzten Betrachtun⸗ gen), es geht der wirklichen oder äußern Gemeinſchaft zwiſchen Menfchen- eine intelligible Ordnung vorher; deren bloßer Inhalt jedoch würde in einer Welt von thatſächlichem Seyn alle Bedeutung verlieren, wenn nicht mit dem Inhalt and) das Geſetz überginge, d. h. ebenfall® that- fächliche- Eriften; exhielte, und als eine Macht erfchiene, nicht bloß im Menſchen, d. h. in feinem Gewiffen, fondern auch außer ihm, wenn nicht alſo in diefe Welt eine mit thatfächlicher Gewalt bewaffnete Ver⸗ faffung einträte, d. b. eine folhe, in ver Herrfchaft und Unterwerfung Ratifinnet. Diefe äufere mit zwingender Gewalt ausgerüftete Ver⸗ nunftorbuung ift der Staat", der materiell genommen eine bloße That⸗ ſache ift und auch nur eine thatfächliche Eriftenz hat, aber geheiligt durch das in ihm lebende Geſetz, das nicht von biefer Welt, noch von Menſchen ift, ſondern ſich unmittelbar von der intelligibein Welt her⸗ ſchreibt?. Das zur thatfächlihen Macht gewordene Geſetz ift die Ant- wort auf jene That, durch welche der Menfch fi) außer der Vernunft gefeßt bat; bieh d bie Gernunft in ber Geſchichte

An Staat lebt man zara rıya voõv xcu opdnv, iyovdav loy vr Ausbräde des Arifioteles Ethic. Nic. X, 9 (p. 189, 28). Letzterem gleich im entiprechenb: duvanız avaynasrınn.

Gleichwie dieſe intelligible Ordnung unabhängig vom Individuum und ohne befien Willen in ber Welt if, fo ift fe auch die von felbft fi) einführenbe dadurch, baf ihr natürliches Dafeyn in ber Familie gegeben ift (bie vüterliche Gewalt). -

Preiundzwanzigfie Yerlefung.

Tas Gebiet affo, das wir jeht betreten, iſt das ber prafäifhen Bhiloſophie, und ich befinde mich in dem Theil meines Vortrags, weile leicht: der bebenklichfte fcheinen Könnte; ſchon weil er busjenige betri, was andy mabhängig von aller Wiffenfchaft jedem das Nächſte mb Angelegenfte fcheint, und worüber darum jever ohne Bedenken ſich m Urtheil zufchreibt, zumal aber weil wenige begreifen werben, daß hide Gegenftand, ver fo vielen der höchſte iſt und ber ven ganzen Umtas eines menſchlichen Geiftes allein ausfüllen zu können fcheint, daß demod auch diefer im Zufammenhang gegenwärtiger Vorträge nicht um jener felbft willen erfcheinen- und vemgemäß behandelt werben kann, vielmehr an ihm allein oder doch vorzugsweife hervorgehoben wirt nicht wat an ihm fefthält, jondern was über ihn binanstreibt.

In der That nun aber fehen wir das Ich wie bemerkt, das cm zige Ueberbliebene, woran ſich eine, fernere Entwidlung anfırüpfen läft wir fehen das Ich in Folge des Geſetzes verluftig alles deſſen unt vl abgelommen (dechd) von dem, was ed gewollt, vom für⸗ſich-, ven nur Er felbft, vom wirklichen abfolut, d. h. von allem frei Sem, worin es nichts mit irgend etwas anderem gemein hätte (ein duy& im Sinn des Arifteteles) und nur fi) felbft Geſetz wäre, wogegen d fi) nun umfangen fühlt vom Gefeg, das fi feinem Willen als ci nicht gewolltes auferlegt, umfangen vom Allgemeinen, und nicht mer fein felbft, fondern einer andern und fremden Gewalt, wovon vie Felt im Ich feine anbre ſeyn kann, als Unluft und Widerwillen gegen ta? Geſetz und Streben ſich vom Gefeg zu befreien und den eignen Bila

.Nı „Am. .

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zu haben. Einer gelüſtet wider den audern. Der «oxousvog will ber «px» ſeyn. Dieſes ift die nothwendig andere Seite der Sache, die ebenfowohl beachtet und erkannt ſeyn will, als von der andern bie Heiligfeit des Geſetzes.

Die Befreiung vom Geſetz könnte zunächſt eine bloß thatfächliche feyn, einfache Uebertretung, der, weil auch nad dem Gefek das Ich ambebingt Herr feines Thuns bleibt, nichts wiberftände, wäre nicht, diefer Welt von bloß thatfächlicher Eriftenz- gegenüber, das Gefeg felbft aud zum thatjächlihen Macht geworden, durch welche deſſen Erfüllung auch unabhängig vom Willen verbürgt ift, die innerlich auferlegte Ver⸗ pflichtung als äußerlich zwingende Gewalt, (Öuraws awayxaotızı) erſcheint. Diefe der bloß thatſächlichen Posfagung vom Gefeß gewachfene, wenn nicht immer fie verhindernde, doch fie rächende, und dadurch ein- ſchränkende, felbft als thatfächliche Gewalt vorhandene Macht der Ber- nunft ift, wie wir bereits geſehen, der Staat.

- Ich zweifle zwar nicht, e8 werde eben diefe thatfählihe Macht den meiften Anftoß gewähren, weil fie die inbivibuelle Freiheit zum voraus unterbrüde, noch eh’ fie ſich äußern könne. Denn das ftehet den weiften feft, und ift eine auch durch Kant begünftigte Meinung, daß das, Geſetz für ſich den Menſchen frei made, weil es allerdings nur an ein moraliſches Wefen fich richten kann; aber indem es jeden an feinem Theile verantwortlich macht für die Verwirklihung ber Ge⸗ meinfchaft, während für diefe Feiner etwas thun kann; es fey denn, daß alle fie wollen, und zwar nicht Einmal wollen, fondern immer wollen und gar nicht anders al8 wollen können, infofern hat der Ein- zelne feine Freiheit weder für noch gegen das Geſetz zu handeln, wenn es nicht allen unmöglich gemacht ift dagegen zu thun; nicht für, dem da wäre er das Opfer feiner gejeglichen Gefinnung, nicht gegen, denn wäßte er, baß alle andern ihm fpäter wie er ihnen thut, fo wäre feine Handlung finnlos. Und gleichwie ich das Geſetz zu beobachten gehindert bin, wenn es nicht alle beobachten, ebenſo kann ich aud nicht ausüben, was mir zufteht, 3. B. mid von etwas zum Herrn zu machen, wenn nicht alle e8 anerfennen. Es ift aljo offenbar, daß

vermöge des blohen rfeges der Menfdy vielmehr uufrei jn air, und das Judividuum überhaupt erſt frei ift, wenn mmabbängg m Villen des Einzelnen und demfelben zuworfommend “bie Gemeinjdeh ſchon befteht. Diefes thatſächliche, d. h. von der Vernuuft und alles dem Gefeg unabhängige Vorhaudenſeyn per Gemeinfcaft it ale is praftifches Poftulat‘der Vernunft ſelbſt, eine Boruuejegung, ohmemiik | das Geſetz gar Fein Berhäftniß zum Eingelmen als ſolchen bite, u " wöburd dem Inbivibumm eine Gefinmumg erft möglich gemacht mir Man pflegt zu fagen, der Staat, oder, wie Kant mäher beſtimmt, tie juribifche Gefeggebung fer gleichgültig gegen Die Gefinnung: mas wäre richtiger jagen, fie betrachtet ſich als die Boransjegung, ofme meld Gefinnung unmäglid) wäre, fie ann nicht fordern, was durch fie ef möglich wird. Hierin, ebenfo wie darin, Daß er das Berbreihen u prien als unmöglich annimmt unb nur bem angenfcheinlichen Beweis zug, daß e8 begangen worben, zeigt der Staat das richtige Gefühl eine Bedeutung, ebenfo wie der Einzelne, wenn er von ber bloßen Gdck lichteit der Handlungen nicht fofert auf bie Geſinnung fclicht, mb keinen als befonbere Tugend aurechnet, wenn er weber an ber Perie no am Cigenthum eines anbern ſich vergreift: wie, fage id, and da Einzelne dadurch eine Ahndung des wahren Verhältniſſes zu .erfamn gibt. Denn das iſt die erfte Wirkung ber thatſächlichen Vernmuſten⸗ nung und weiterhin bes Staats; daß er das Individuum zur Berjon erhebt. Bor und außer biefer Orbnung gäbe es Inbivinuen, aber feis Perfon. Perſon ift das Subjekt, defien Handlungen eine Zurechuum gulaffen. Außer ber tfatfäclic)-beftehenben, rechtlichen Ordenng ehe gäbe es feine Zurechnung, und wäre ber (Einzelne umerautwortäh Krieg aller gegen alle ift und Hobbes der natürliche, dem Staat vorausgehende Zuftand; daß er nicht in der Wirklichkeit voransgegungen, dafür war geforgt. Aber daß in einem- foldhen Zuſtand weber ftihe Freiheit noch Zurechnung ober Berantwortung ift, bedarf des Beweiſci nicht. * Daß der Einzelne fütlich frei und Perfon erft durch den Che iR, bafllr zeugt biefer fe auch dadurch, baß wer ümmer gegen in Geſetz ſich vergangen, am meiſten wer gegen ihn ſelbſt füch empört mb

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fo. außer dem Staat gefetst hat, daß jeder ſolcher ihm aufhört Perſon zu fer, der Ausübung feiner Freiheit, nach Umftänden feiner per- fönlichen Eriftenz (für diefe Welt) ganz beraubt wird.

„Der Menſch, der in den Staat eintrete, opfre feine uatürliche Freiheit auf“, fo fagt man; aber das Gegentheil vielmehr gefchieht, nur im Staat findet und erlangt er die wirkliche Freiheit. Damit fchwindet zugleich ein anderer Wahn; denn wie follten ohne Freiheit Die Individuen fig bereven, eine freiwillige Uebereinktunft, einen Vertrag fließen, der den Staat zur Folge hätte? Diefe Lehre vom wurfprünglichen Vertrag bietet freilich auch von andern Seiten zu viele, unter anderm ſchon von David Hume bargelegte Unvenkbarkeiten bar, als daß ein Mann. von einigem Scharffinn auf einen ſolchen Vorgang die Erflärung des Staats bauen Tönnte. Aber man findet dennoch nützlich, den Staat zu betrach⸗ ten, als ob er auf eine ſolche Weife entftanden wäre, und z. B. fein beftehenves Recht gelten zu laſſen, von dem nicht anzunehmen fey, daß jeder barein gewilligt haben würde, vollends aber fein nenes Geſetz und feine Einrichtung entftehen zu laſſen, wozu nicht, wie fie jagen, bie Gefanmtheit, eigentlich aber jeder einzelne feine Zuftimmung ges geben habe. Da das Letzte unmöglich ift, fo führt dieß geraden Wegs zu der Einrichtung, bie ven Einzelnen vielmehr der drlickendſten Tyrannei, dem Willen einer zufälligen Mehrheit unterwirft, einem Despotismuß, weicher dadurch fchlecht verhüllt ift, daß der Einzelne nicht als verpflichtet wie ehmals, ſondern als bereditigt erklärt wird. Einen folden: Staat nennen fie den Vernunftſtaat, wo aber unter Bermunft nicht bie objeftine, in den Dingen felbft wohnenbe, bie z. B. natürliche Ungleichheit fordert, ſondern offenbav vie Vernunft des Einzelnen gemeint ift, was nämlid dieſem zufagt und genehm ift. Daß fie ven Staat von biefer menſchlichen, fubjektiven Vernunft herleiten, fieht man ja daraus, daß fie Staaten und Berfafiungen machen zu können glauben und zu dieſem Ende felbft Ber- faffung gebende Berfammlungen zuſammenrufen. Schlecht genug freilich find die Verſuche abgelaufen, und die volllommene Vergeblichkeit aller ſeit mehr als einem halben Jahrhundert in diefer-Richtung angeftellten mußte endlich die Entfchlofjneren dahin bringen, die ſcheinbare Allgemeinheit,

dieſen Schein von Beruunft, völlig abgunnerfes, die reine umnechäßie Ihr virmalität und beren einzige und abfolute Bereiftigung any, 7 dieſem Ende über das bloß: Geſchicheliche hirano and ind Ueli liche greifen, alle Unterfchiebe, auch vie, weiche bie uuction der Acua für fich hatte, wie Eigentium und Befig, woberch zuerfl ber Bicufl lie das bloß Materielle zur Herrlichkeit fich erhebt, bie aber, weil Untiäik Gehteit zu üheer Ratır gehört, Ungleichheit einführen, alle ice, wrucli aber „alle Obrigkeit und Gewalt" aufzuheben, um damit jeist gleich, ıfm ben Herrn zu erwarten, auf deſſen Ankunft pas Chriſtenthum die arme iii finnige Menfchheit vertröftet, ven Himmel anf Erden eimuriıkken‘.

Bernunft ja, aber nicht bie ſchlechte des Iubivibunme, fenbern die Vernunft, weiche die Natur ſelbſt, das-Aber ben: bloß erfcheinenken und zufälligen Seyn ſtehen bleibende Seyende iſt, bie Bernmuft in vie Sinne beftimmt den Inhalt des Staats, aber ver Staat felbf iſ noch mehr, er ift der Act der ewigen, biefer thatfächlichen Welt gegen über wirffamen, d. b. eben praktiſch gewordenen Bernunft, ein Ad, ber wohl erkennbar, aber nicht erforfchlich ift, d. h. nicht durch Rad forſchen fi in den Kreis der Erfahrung hereinziehen läßt. Der Etast bat injofern jelbft eine thatſächliche Exiſtenz. Bon nichts fo Seyenden aber ift ver Zufall auszufchließen, ver ja felbft in ver Ratur die nie Ordnung durchkreuzt, ohne fie brechen zu können, ver 3. B. pas Samer korn, das zu völliger Entwidlung kräftiger Sonne bebarf, an as fonnenlofe Stelle. wirft, und dagegen das befler im Schatten geveihen würbe, ber Sonne ausfegt; der Zufall, der auf ähnliche Weiſe weh auch über Menſchen verfügt, damit durch Ueberwindung bes Zufılt eine wirkliche (nicht bloß eingebildete) ewige Beſtimmung ſich bethäti. Indem alfo die Vernunft tbatfächlih Macht geworben, kaum fie toi Zufällige nicht ausfchliegen, und dieſes von ihr umzertrennliche Zufühige ift der Preis, um welchen das Wefentlihe, d. b. fie felbft, gewonnen f:

' Im Befit erhebt ſich der Menſch Über das Materielle, als bas mit fir fich ſeyn kann, und mir ba zu ſeyn fcheint, um Theil eines andern Sevri ja feyn (man erinnere fi hiebei an bie Erläuterungen über das ri ea I 5

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und wenig Berftand der Sache fcheint inſofern in Ausfprüchen zu liegen wie vie befannten: es müßte das thatfächliche Necht immer mehr dem Bernunftrecht weichen, und bamit fortgefahren werden, bis ein reines Bernunftreich. daftehe, das, ſowie es gememt ift, in der That alle Berfönlichleiten überflüffig machen, dieſen Dorn im Auge des -Neives binwegfchaffen würbe, welcher zu .gewifien - Zeiten bis im Regionen berab fich verbreitet, wo‘ man ihn nicht vermutben follte.e Denn nur dem Thatfächlichen gegenüber bat auch menfchliche Thatkraft Maum, umb die Zeit, die es dahin gebracht, jenes völlig abgethan und entfernt hätte, Könnte, wie es für bie unſre von vermeinten Sprechern berjelben veraudverfünbigt wurde, großer Männer. entbehren; mit dem reinen Bernunftreih wäre das Paradies aller Mittelmäßigkeiten eröffnet. Meine Sache ift es nicht, irgend einer Partei des Tages gefallen zu wollen, ich wandle hier überhaupt einen einfamen Weg, und der immer einfanıer werben muß, je näher er ſolchen Dingen führt, über bie beutzutag jeder urtheilen, jeber mitreben zu können glaubt, wie Staat und Verfaſſung. Emmen allem menſchlichen Denken zuvorkommenden Act der intelligiblen Welt aus bloßer Denknothwendigkeit (auf Treu und Glauben des Denkens) anzunehmen, wäre nur folchen zuzumuthen, bie biefer ganzen Entwidlung gefolgt find.

Uebrigens läßt eben jene thatfächliche Seite des Staats erwarten, daß dieſer Act eine gefhichtlihe Seite bat, durch welche er ben weniger Geübten zugänglich if. Das Gefeß der Gemeinjchaft nämlich ift, wie wir gefehen, ein Gefeg für das Geſchlecht. Das Individuum {ft unvermögend, für fich allein der Gemeinfchaft zu dienen. Es muß alſo erwarten und felbft darauf dringen, daß das Gefeg wirklich ein Geſetz für das Gefchlecht werde, daß es eine vom Individuum unab- hängige Macht fey, wodurch erft. jedem einzelnen möglich wird, es im feinem Xheile zu erfüllen. Denn auch ver Begänftigte (der zu ven &pzxovoe gehört, und beren gibt es viele Arten, wie Ariftoteles fagt '), iſt darum nicht frei von den Unterworfenen, fie müſſen ihm auch Zwed

'"Bıön mollä nal apyovrav xai apyoudvav dsrlv. Polit. I, 5 (p. 6, 20).

feyn, und ex iR für bie Wenlifirung ber Gemeinfiheft verautuuiäl, Die Frage iſt demnach, wie das Beleg vom Sublvikum Tugp bringen fen, wie es als ein dem Geſchlecht aufgelogtes uub beffal db Macht erſcheine, ‚die vom Gubtolkuum wuabhlingig if. Oien au ügn bie Mittel chen in jenem unabhängig - von ihen ſchen gefehken, uw Weenwelt - fi herfchreibenben Unterfgieb zwifdgen Gerriägeubes wb Beherrfäjten ‘, inbem unter biefen leicht Einer mit Macht Kalle antgerüftet fidh finden wir, ber bie aubern thatſächlich ſich umieruih Dieß wird nicht mit Weberfegung ober burdh Uebereinkuuft, es wir inftinftmäfig geſchehen. Die Gerrichaft eines Einzelnen erſt üker We Samilie, dann über den ganzen Stanm, daun über mehrere Clium, weburd ein Boll entficht, iR die erfle-umd äftefle, bie matärfihe Bi marchie. Soweit alſo laßt fi jener Act, durch den fich bie Bermu- ordnung verwirklicht, gefchichtlich erflären und nachweiſen. Bon dieſe natürlichen (bemußtlofen) Monarchie geht der Weg und zwar, wie d das 2008 der Menfchheit ift, durch den Gegenfag (durch republilariſt ‚Ipeen) hindurch zur felbfibemußten Monarchie, bie al® Grundlage ver Zwang, als Product die Freiheit hat, nicht umgelehrt, und fo amb ver entwideltften Gefellfchaft gewachfen ift. Jene erfte Monarchie fan wid bie fich ſelbſt verſtehende ſeyn. Denn da der Staat zu den Tiaga gehört, die von Natur find, und mnabhängig von menfchlicher Inte figenz entfleht, fo wird ſchon darin liegen, daß er für alle ven im Befaßten und Betroffenen (die Herrſchenden ſelbſt nicht andgenemmei blindfing®, unerfannter Weife, bloß thatſächlich beginnt, ter Ber fand aber erft nachkommt, ver volllommen begriffene und ſich je begreifende Staat nur fortfchreitender Weiſe erreicht wird, wobei affe früher Momente ver Staateivee da feyn werben, che ter Sia in feine wahre Bedeutung tritt. In dieſer Folge felbft aber mitt fein Zufall walten. Der Staat wirb zur Idee, die über den aufn ander folgenden Formen ſchwebt, bie fie philofophifch (a priori) at- hält, fo daß fie nicht, wie es fid trifft, ſondern in verberbeftinuster

©. oben ©. 529 fi.

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Folge hervortreten, aber die nun auch philofophifch zu erfennen, Sache der Philofophie, und wohl insbeſondre der Philofophie der Gefchichte feyn wird. ' '

Der Staat ift e8, fagten wir, der dem Individuum eine Geſinnung erſt möglich macht; er ſelbſt aber fordert fie nicht. Gerade indem er fie nicht fordert, ſondern ſie nur möglich macht, ſich ſelbſt aber mit bes äußeren Gerechtigkeit begnügt und die Sorge dafür auf ſich nimmt, macht er das Individuum frei "und läßt ihm Raum für die freiwilli» gen, darım auch erft perjönlihen Tugenden, z. B. daß einer billig if, d. h. fein Recht nicht zum Schaden anderer auf die Spige treibt (aupıhodtauıog ul To zeigos ift, wie Ariftoteles ? ſagt), fanbern fi lieber felbft etwas entzieht, wenn’ er gleich das Geſetz zu feinem Beiſtand hätte; ober daß er tapfer ift (denn Ariftoteles erwähnt zwar auch die Tapferkeit unter den vom Staat gebotenen, weil das Geſetz jedem verbiete, feinen Poſten in der Schladhtorbnung zu verlaffen, fich auf die Flucht zu begeben, und die Waffen wegzuwerfen’; Tapferkeit jedoch ift nicht bloß eine Tugend des Schlachtfeldes, und dieſe gebotene Zapferleit, die, wie bei- ben älteren Römern,’ keine Wahl bat ale auszuhalten oder zu Haus am Leben geftraft zu merben, ift nicht nothwendig eine perfänliche); oder daß er wahrhaft ift, feinem Ver⸗ ſprechen tren, auch wo er es zu halten nicht gezwungen werben fann, ober mittheilfam, wohlwollend, liebevoll: Tugenden, welde bie bloße Vernunft nicht verfchreiben ober zumwegebringen kann, In genden, die rein perfönlich find und benen wir auch ben Namen ver gefellfchnftlichen geben können; denn mit ihnen erhebt ſich über der un⸗ freiwilligen die freiwillige und darum höhere Gemeinjchaft, welche wir bie Gefellfchaft nennen werben. Inſofern ift der Etaot der Träger ber Geſellſchaft; denn mas Kant fagt: bie Freiheit müſſe Princip

' Der negativen Seite berfelben; vergl. unten &. 569, Anm. 1. Es ift be mit nicht gefagt ober gemeint, baß fich Die Idee des volllommenen Staats jemals in Wirklichkeit barftelle.

2 Ethic. Nicom. V, 10 extr.

® Ibid. cap. 1.

Morgenland ſeyn follte, und ferner wahr ift, was Ariftoteles jagt, daß die aflatifchen Völker von Natur zur Knechtſchaſt geneigter als die europätfchen find ?, fo war e8 nicht Zufall, Daß bie erften Reiche Me narchien defpotifcher Art waren, Ebenſowenig war es zufällig, wem die Aufgewedteften und Geiſtvollſten der Hellenen nach dem erften, ach väterliden Regiment erblicher Könige durch verfchienene Zwilchenflrfen (Auch auf kurze Zeit eigenmächtig aufgeworfene Herrſcher) endlich, pr mal nach dem glorreichen Ende der Perferkriege, durch welche fie nicht nur ſich felbft des perfifchen Jochs erwehrt, fondern auch die Stumm: genofjen in Kleinafien davon ‚befreit hatten, zu jener Form entfdhiehener Bollsherrichaft oder Demokratie fortgingen, bei welcher, wie man fagen kann, der Staat völlig von der Gefellichaft überwältigt, die &e ſellſchaft ſich zum Träger (Grundlage) des Staats macht, dieſer dan Bluctuationen berfelben preiögegeben und im Grunde und recht betrachte fo wenig mehr Staat ift, ald das deſpotiſch regierte Reich ein Stat beißen Tann. Deun weder dem befpotifchen Herrſcher ift es um dm Staat zu thun (der ſucht nur ſich), nody der Demokratie, wo der Stat nur noch Werkzeng von Berfönlichkeiten ift, worauf alle Demakratie

Metaphyſ. Anfangsgründe ber Rechtslehre, &. 242. 2 Polit. III, 14 (p. 86, 22). VII, 7.

543 hinausläuft; um fo unvermeidlicher, je größer der Reiz einer fo er⸗ worbenen und beftrittenen Herrſchaft, der freilich in Bauern-‘Demofratien nicht groß ſeyn kann, je mehr fie nur der Preis eines mächtigen Wollend und eines großen Talents if. ‘Denn in dem Verhältniß, als die Perſön⸗ kichleit, wird nothwendig auch das Talent befreit und ihm nach allen Richtungen freier Lauf und Bahn eröffnet, daß es nicht an der Spitze des Heeres oder der Volksverſammlungen allein ſich geltend macht, ſondern auch über Kunſt und Wiſſenſchaft ſich verbreitet. Denn wo Deſpotismus herrſcht, iſt auch Wahrheit und Schönheit einem unüber⸗ ſchreitbaren Typus unterworfen; wo die Geſellſchaft frei geworden, ſtreben beide den Kanon zu finden, den nicht Vorſchrift, ſondern all⸗ gemeine und freiwillige Zuſtimmung zum Geſetz erhebt. Wenn in Aſien deſpotiſche Einzelherrſchaft, in Athen unbeſchränkte Volksherrſchaft ven Staat als ſolchen nicht zur Geltung kommen ließ, ſo 'iſt es ein er⸗ hebendes Schauſpiel zu ſehen, wie Rom ſeine Beſtimmung erfüllt, die ganze Majeftäb des Staats zur Erſcheinung zu bringen. Denn nie iſt der Staat mehr um jener felbit willen gewollt worden, als in Rom, wo von ber einen Seite alles ihm untergeorbnet war, felbft das Priefter- thum eine Staatswärbde, Augur und pontifex maximus obrigfeitlicye Berfonen, die mit viefen Würden Belleiveten Mitglieder des Senats waren, felbft nach Vertreibung der Könige für gewifje von dieſen ver⸗ rishtete heilige Geremonien ein rex sacrorum beitellt blieb '; von ber andern Seite die Berfon nicht bie, welche über ven Staat hinaus⸗ geht, aber die. im Staat ift das höchfte Augenmerk einer wie mit Nothwendigkeit von den erften Anfängen bis zur vollftändigften Aus führung in für alle Zeiten meiftergültiger Form fortgebilveten Geje- gebung geworben if. Es iſt im römijchen Weſen etwas, das weder mit der Vertreibung der Könige, noch mit dein ſpäteren Uebergang zu Einzelherrfchern anderer Art verloren ging, und irren würde ſich, wer die mit jener Aenderung eingetretene Verfaſſung republifanifch nennen wollte: Republif war die Form, monarchiſch im höchſten Sinn der Geift

' Montesquieu, Politique des Romains dans la Religion, p. 189. W.

bes Etaats felbft; denn ex Tonne nicht fo geivellt, unb nie u iin haupt Taun der Einst Zwed fee, ofme vom Gebanfen ber eifıin Ein» d. b. der Weltherrfhaft erfüllt "unb getrieben u fm mb sicht an ben innern Bwiftigleiten, au den Säuspfer: ber Plcieir gm bie Patricier, die Durch Dugefühsbuiffe - Sefejewichtigt snechen kml, ohme ta an: bem grofen Gang des Staats babamdz eines zaihei wurde, nicht felbft an den nad) ben puniſchen Siegen, am weiſten ale feit der Unterwerfung Griechenlanbs immer mächtiger einbringenben Laftern ver Gefellfipeft, nick durch Theilnahme am Wiffenjcafien ui unſten, mit denen fräßer Seine freien Märger, fonbern zur Grip Infiene ſich befchäftigten, und in ber bie. MWitgeflmmten allein ſchen in anguftiiäes Zeitalter vomnsfühlten nicht darch alles Dich gi W Nepublik zu Grunde, fonbern allein durch bie erlangte Größe mb tm erreichten Zwed'. Denn was Ariftoteles von den Lacerämoniern fogt, ift wie von den Römern gerebet: fie erhielten ſich, folange fie Kr führten, und waren verloren, weil fie mit ber Muße nichts anzujanges wußten?; denn das Letzte jagt im Sinn bes Wriftoteles nichts andere, als daß ihnen der Staat nur Zwed feyn, nicht Mittel zugleich werben konnte zu anderen ‚höheren Gütern. Der Drang zu unbefdränker derrſchaft, nach anfen befriedigt und ohne Gegenftand, mußte fd nach innen, zurück auf bie Duelle, auf Rem felbft wenden. Was ik Welt erobert hatte, war nicht auch mächtig fie zu beberrichen. Be bie Welt Ein Reich geworden war, mußte ver Beherrſcher auch Eis, ja er fonnte nur ein Gott, ein Princip feyn, Das nicht von biefer, d. 5. der römiſchen Welt war. Durch das dunkle Sudyen ımb Taſte nad dieſem Nothiwendigen und doch ihre Unmöglichen wurde bie t& mifche Welt aufer ſich gefeßt. Aus biefem erfärt fi, menſchöcer und natürlicher Weije, allein das Unheimliche, Grauenhafte ver Kaiſer⸗ geichichte, Die bereitwillige Bergötterung der Herrſcher anf der einen, der

. Daffelbe fagt eigentli auch Montesquieu, Grandeur et Dicadence de Romains, Chap. 6.

® Polit. II, 9(p. 51, 3 ss.): amollırro apfayrec did vo un dniscasde ‚syoldken.

religiöfe- Unglaube felbft des Volls auf der andern Seite, der audge- fprochene Atheismus, wozu ficy viele Römer befannten, und dagegen die. Borliebe für die morgenländifchen Religionen, in denen mehr Ges heimniß, weil mehr Einheit war, und beren Gebräuche am meilten in der Stabt felbft ſich verbreiteten, wohin, wie Tacitus '. bei Erwähnung des im Rom eingebrungenen Chriſtenthums Tlagt, alles Grauenvolle und Scheuerregende zujfammenftrömt und gefeiert wird, bie Berzweif- lung, die auch die beffern Herricher befallen mußte darüber, daß fein Zwed, aljo in allem, ‘auch in ihrem .eigenen Thun keine Wahrheit mehr zu erfennen war, die Schwermuth der gejammten Weltanficht, vie im den Schriften einee Marcus Antoninus ansgebrädt ift, wie der Wahn. fiın eines SHeliogabalus, der wollte, dag der ſyriſche Gott, deſſen Namen er trug und für beffen Peiefter er ſich geb, ber einzige im Rom verehrte ſey, und alles, was nicht bloß die römiſche Religion von Seiligthümern hatte (da8 Teuer der Veſta, das Pallapium u. f. w.), fondern auch was -Die Religionen der Juden, Samaritaner unb ber Chriften Ehrmürbiges enthielten, in deſſen einzigen Tempel zufammen- gebracht und verehrt werben follte?, und leicht mochte damit, ba er. ſelbſt fiy den Namen des Gottes beigelegt hatte, der Gedanke, fich jelbft, wie es Montesquien barftellt *, zum einzigen Gott zu machen, verbunden ſeyn. Die Römer juchten die Monarchie, aber in einem Sinne, wie fie auf weltliche Weife nicht zu erreichen ſteht. Sie gingen über den Staat hinaus, fuchten ein Weltreih, welches nur dem Ehriften- thum möglich, Weil fie piefen Mangel fühlten, wurden fie irreligiös. Sie verjuchten e8 zwar mit einer weltlichen Monarchie, aber umjonft, weil ein anderes Brincip kommen mußte. Das römische Reich batte nur einem andern, dem wahren Weltreich gebient,. viefem ben Grund gelegt ‘.

' Annal, XV, 44. 2 Ael. Lamprid. c. 3, 2], c. p. 114. * Ein fpäter Römer fagt: Atque utinam nunquam Judaea aubacia fuisset Pompeji bellis imperioque Titi! Schelling, fümmtl. Werke 2. Rth. 1. 35

Gonantin mußte die Unabhängigkeit ber Religion vom Sit m Me, wodurch in ber That der Staat- fid als Mitkel rt Yet. Dit dem Chriſtenthum erhielt biefer einen anderem ud-bift, WKrliber ihm hinausliegenden Zweck. Wermn dans fpäter dieſe gel Be Macht ſich als Stantsmacht zeigen wollte, fe war diet Pie Ma And Irrtum, und über dem, daf jette ſich um weltfihen Wind Verunterfepte,; feinen (iin) MER Yoga, deß ni Verſanth, wicdas -Güpent (dub: nagn bern ai8 Teig verielien an: ber ν der Gin * ler anf . dier- bamit ver Wlscrfpiihlf: yogen ven Ginet,- Die Empäuung Zub ir Wedbekilcr Peinchy®. jetivegerefen werde. - Die Before che yeoteüizte gegen DIE felfife Sertonte. :iefes wir Die eigeie Biel Dee dentfen Boltes. Icberuami weh, derch welche Witte ie

wahre der Deutfche Die Mufgebe, au deſſen Seelle die wahre Theokait ma ſeden, bie nicht eine Stellverteeter · um Priefterherrfcheft em Tom, die eine Derrſchaſt bes erlanuten göttlichen Geiſtes ſelbſt feyn wäh . Kehren wir jebodh zu dem geil, wovon wir antßgingen. (Es ig und baren zu geigem, baß- ber Staat (freifich nicht jeder), anfnit De inbiotömelle Freiheit zu unterbrüäden, biefe vielmehr erſt wmägfih mh vaß ex es iſt, ber das Indiriduum zur Petfon erhebt: Darams fait jech nicht, daß der Staat wicht dennoch vom Ich als Drink empfunden werbe: es kann fogar wicht anders feun; baher das Beſtreben, ſich diem

Latius excitae pestis contagia serpunt Yieloresque ruos nat vice premit - Batil. Iiner. Li. Ir x. vu, Dergl. Meauber, Mgem. Gefdhichte der Mciffihen ARelcien mb Ste Kufl. II, Sr Ah. ©. 3.

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Drud zu entziehen, nur natürlich, und nichts gegen bafjelbe einzuwenden iR, wenn es auf bie rechte Weile verfucht wird. Ja unter berijenigen ſelbſt, welchen bie oberfte Leitung ber Staatsangelegenheiten vertraut MR, find .immer biejenigen für die weileften gehalten worben, weldye fidy zum Geſetz machten, die Einzelnen ſoviel. möglich frei zu Iaffen, . dagegen für das Allgemeine ein fcharfes Auge und wo nöthig ein ſcharfes Schwert, zu ‚haben, und die Weisheit unſerer Vorfahren hat gewußt, innerhalb bes Staats einzelne autonome Kreiſe zu bilden, innerhalb welcher fich der Einzelne frei wußte vom Staat, und bie Ehre, die fein Stand jedem (au dem Bauer und Handwerler) ge währte, ibn über bie’ Demüthigung ber völligen Unterwerfung unter den Staat erhob.

Anders, wenn das Veſtreben ſich vom Staat unabhängig zu machen zu dem Verſuch greift, ven Staat jelbft, d. h. den Staat im feiner Grundlage aufzuheben, praktiſch durch Staataumwälzung, bie, wenn benbfichtet, ein Verbrechen ift, dem feines gleichlommt und von allen. andern nur etwa Elternmord (parricidium)- gleichgenchtet wird; theo retiſch durch Doctrinen, bie den Staat fo viel möglich dem dp gerecht und genehm machen möchten-— ganz ber Wahrheit entgegen; bean fürwahr ber Staat it nicht eingejegt, dem Ich zu ſchmeicheln ober ihm zum Lohn, ſondern eher zur. Strafe: was er fordert, ‚find wir ihm ſchaldig, d. h. es ift eine Schuld, bie wir dadurch büßen ober ab» tragen. Mau kann fagen: die intelligible Ordnung der Dinge, von des ber Menſch ſich losgeſagt, ift diefer dem Staat ſchuldig geworben. Die Hllgemeinheit jedoch des Beifalls, den jene Doctrinen gefunden, und, die Unmwiberftehlichleit, mit der fie ſich verbreitet (denn eine Zahl für fie geleheiger Staatsmänner, wie bie nächſt vergangene Zeit fie berausgeftellt, hätte niemand vermuthen können) nöthigt uns allein ſchon anzuerkennen, daß fie von etwas herfommen, das in jedem Menſchen für fie ſpricht und in lehter Inſtang nur jenes Brincip ſeyn Tann, das, nachdem es einmal. fich gewollt, nun auch ganz fein felbft feyn will, und ſich mächtiger als die Vernunft fühlenn, ſich auch eine Vernunft für ſich erſchafft. Es iſt diefe im Dienft des Ich ſtehende Vernunft,

welche erbaulichen Nednern ber neueſten Zeit für die Bermunft fett gilt und als Vorwand dient, alles Unheil, auch das pelitifce, ver in Vernunft herʒuleiten, und zu verffnbigen, daß es jetst, d.h: nad ümm, mit der Vernunft gar aus fe. Es iſt biefe, mie gefägt, im Dienft da Ich ſtehende Vernunft, bie hier, Ivo nicht eim wein theoretiftie, fonten ein prakt iſ ches Ontereſſe Borat“ nur zugleich fopbiftifch fern, ut

Anigte Bett: —— Bye Wepahit, weiche Sant ungern bad ficht man wußl'aen in Eimal ungerumtnen. Gruntifäten gemäß Wis Sie "ciagige-veuuäfs die auch vehtinäfige Berfaflung erfennen muß, Tamm Deimmmndh mer bie de mokratiſche feyn, von der er jedoch ſelbſt fagt: fie ſey bie allerzuiem mengejegtefte, verwideltfte, d. h. wenn man mit ber Sprache jerantei, wiberfpruchEvollfte aller „Berfaflungen ’; wie deum Meint überhaupt, wel dieſe Fragen betrifft; vom den Nadhlommenben, Fichte mu aubern, fh gar ſehe unterfipeinet durch feinen großen praktiſchen Verſtaud und bie R> licteit der Erteögung, Eigenfcheften, von benen die Wiberſpruche, bie fine Nechtelehre nicht immer vermeiben konnte, nur Bolgen und Zenguiffe fat.

Bir haben als berechtigt und notiiwenbig amerkumt ein Etrker des Menſchen, den Druck bes Staato zu überwinden. Aber bi Ueberwinbung muß als in ner l iche derſtanden werden. Trachtet, Tim wir mit Anwendung eines alten Wortes ſagen, trachtet zuerſt mad bien imern Reich, fo wird ber ınmermeibfiche Druck amch-ber zudktmägigen äußeren Drbmung für ench nicht mehr vorhanden fer: sundh merbet ihr „pen Uebermunih ver Aemter“, ven Hamlet als eine ber Unerträgih keiten anführt, die une aus biefem Leben forttreiben köunten, fonberich empfinden, Iunerih über den Etnnt- finams fezm das barf mit

* Detepipfiice Hnfangsgrlände der Rechtelehre, Ciss q. ad, v mit S. 288 (5. 51).

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bloß, das foll jeder, jeder felbit Beiſpiel der unabhängigen Gefinnung ſeyn, die, wenn Gefinnung des ganzen Volls geworben, mächtiger gegen Berrädung fhüst, als das gepriefene Idol einer Verfaffung, vie felbft im Lane ihres Urfprungs in. manchem Betracht zur ‚fable convenue geworben '. Beneidet England um eine Berfafjung, bie allein ihrem Urfprung nicht durch Vertrag, fondern durch Zwang und Gewalt- that einen Zufag von Nichtvernunft, ja Unvernunft (im liberalen Sinne) verbankt, der ihr bis jetzt Dauer und -Haltbarkeit verfichert, beneibet England um biefe Berfafiung fo wenig,. al® um feine zahlreichen, rohen Maffen, ‚oder die infulare Lage, die auf der einen Seite für feine Berfaffung, wie einft für bie von Kreta?, manches zuläßt, was ihre Lage anderen Staaten unzuläffig macht, auf ber andern Seite eine menig gewiffenhafte Regierung verleiten Tan, fich gegen fremde Staaten durch Unzettelung ober Begünftigung von Aufftäuden, deren Werkzeuge nachher leicht im Stiche gelaffen werben, in den Stand eines Kriegs zu ver- feßen, ver nicht erwiedert werden kann, ober den wenigftens ſchwache Kegierimgen nicht zu eriwiebern wiſſen. Laßt‘ Euch dagegen ein unpo- (tifches Boll, weil die meiften unter euch mehr verlangen regiert zn werden (wiewohl auch biefes ihnen oft nicht oder ſchlecht genug zu Theil wird) aͤls zu regieren, weil ihr vie Muße (0x0A7), die Geift und Gemüth für andere Dinge frei läßt, für ein größeres Glück achtet, als ein jährlich wiederkehrendes, nır zu Parteiungen führendes politifches Gezanke, zu- Barteiungen, deren Schlimmftes ift, daß durch fie auch der Unfähigfte Kamen und Bedeutung gewinnt ;-Iaft politifchen Geift euch abſprechen, weil ihr, wie Ariſtoteles, für die erſte vom Staat zu erfüllende Forderung die anſehet, daß ven Beſten Muße gegönnt ſey, und nicht bloß die Herrſchenden, ſondern andy vie ohne Antheil am Staat Leben⸗ den,-aricht in unwürdiger Lage ſich befinden", Endlich möge der Lehrer

ı Gerade in England ift bie Zeit nahe, wo fich bie Bffentlichen politifchen Kämpfe nicht mehr um bie Rechte gefchloffener Stände, fonbern um bie Intereffen und ehrgeisigen Plane einzelner beivegen werben.

2 Bergl. Aristot. Polit. II, 10. -

® Polit." II, 10: ömoc} oi Plirdra duvoyraı 6yoldyav aai undav

Aleyander des Großen euch fügen: möglich, daß and bie, je nidt über Fond und Meere gebieten, Schönes und Treffliches wolbringn‘, " Der Staat iſt bie ber thatfächlichen Welt gegenüber jeibft thatjädtd gewordene intelligible Orbmung. Er Hat daher eime Wurzd in de Evigleit, und ift die bleibende, nie aufzuhebende, weiterhin and wiht mehr zu erforfhenbe Grumt‘-- 4 ganzen menfchheitlichen Lehen und aller ferneren Entwidmg, Borbedingung, welde zu erhallm we der Ent Bucd in. Dan Ffein Brunblage ER Bit, sine Anige, 3:4, milk multi Yange pe finde itgingepnilt: ya Ylazn Zutselleh geifligen: Debut: Mi rind Bid: Geruch ;; ur Bereböfeyung: eilt: Beutfiäriie; fer a Vemgemäf; ya Tejambeln; un (wie vid‘beffer falle <B;" vormr able in ficht eine allgemeine wäre, der Fortſchritt nicht im Staat gefickt wärte'. Um fo mehr wollen baher wir, was ben Grub des Gtante kill, den ganzen Ernſt der Bernunft ımb bie Nothwendigkeit der ode wein laſſen, bamit nicht durch falſche Weichlichteit im Anſchung der Priaciie bie höhern Güter gefährdet werben, zu denen ber Staat Borbebingug

deynuowiv ui uivov dpyoveis dd und‘ iduwrsdovesg. Bergl, Poli VII, 14 15.

—S dezawa; yis xal Yalderng mpdrran ed nald. Bh Nie. X, 8 (p. 187, 13 02.).

Bon bem Orirchengefähleck jagt Krifiteleb, e8 ey DOuer nel Summer detum frei geblieben xal durdpeer änzen mdran, nis egbe molsesiag. Polit. VII, 7,

3 Die Borunbfeung fan wicht wieder in Grage geſtellt werben. PTR im unergrünbficher Vergangenheit begrabenes Thatfäcfiche, umb if, wie feihR Aut jagt (@ 0. D., S. 207), in pealticher Ginficht umerferfhärh. Ge iR aber, Be: berben angueichten, nicht nöthig biefe lerie Thatfache angutapen. Berberbish gem in fhon der Borfag, im Stact alles Tpatfächlihe zu befämpfen, zumal wi + sufehen ft, imo dieſes Veſtreben MIN fiehen und ih aufhalten Laffe, währen a

551

if. Die fortichreitende Entwidlung wird auch ihm zu gut fommen, er nimmt an ihr Theil, aber obne ihr Brincip zu ſeyn!. Er felbft ift das Stabile (Abgethanes), das was in der Stille ſeyn fol, was nur Reform (nicht Revolution) zuläßt, wie die Natur, die wohl verſchönert, aber nicht anders gemacht werben Tann, als fie ift, die bleiben muß, felange dieſe Welt befteht.. Stich unfühlbar machen, wie ‚vie Natur unfühlber ift, dem Individuum Ruhe und Muße gewähren, ihm Mittel und Antrieb ſeyn zur Erreichung des höhern Ziels, das foll der Staat; darin allein liegt die Perfectibilität deſſelben. Die Aufgabe ift alſo: dem Individuum bie größte mögliche Freiheit (Autarkie) zu verſchaffen, Freiheit, nämlich über deu Staat hinaus und gleichſam jenſeits des Staats, nicht aber rüdwärts auf den Staat wirkende oder im Staat. Denn damit ‚gejchieht das gerade Gegentheil von dem, was gejchehen follte, wie unfere conftitutionellen Einrichtungen zeigen, indem der Staat alles abforbirt, und anftatt dem Individuum Muße zu gewähren, es vielmehr zu allem herbeizieht, jeden für fish in Anfpruch nimmt, jeden die Paft des Stagts tragen läßt, während bie wahre Monarchie in denen, welchen per thätige Antheil am Staat geblihrt, nicht bevorreditete, ſondern verpflichtete fieht, die andern aber nur bie Vortheile ge- nießen läßt. |

Als bloß änfere, ver thatfächlihen Welt gegenüber tbatjächliche Gemeinſchaft kann der Staat nicht Zwei ſeyn, wie eben deßhalb ver volltommenfte Staat niet Ziel der Geſchichte if. Es gibt fo wenig einen’ vollkommenen Staat, ala es -(in diefer Linie) einen legten Men⸗ ſchen ‚gibt. Der vollfommenfte Stant bat ziyar feine Stelle in ber Philöfophie der. Gefchichte, aber bloß auf der negativen Seite”. Es

ı Man befindet fich daher im Irrthum über die Urfachen der Revolution, wenn man glanbt, der Staat jey daran fchuldig, wührenb es boch mit dem zuſammen⸗ hängt, was über ihn binausliegt.

2 ©. oben ©. 542, ‚Hier bei ber negativen Seite frag? bloß bie Ber- nunft: Was enthält die Idee des Staats (dev Gemeinfchaft)? welche Möglich keiten? welches Ziel? Die pofitive Seite iſt die, welche bie göttliche Providenz als das Wirlkende in ber Geſchichte begreift.

658

gab eine Zeit, wo es natürlich und vwerzeiflich war, als Biel der Ge ſchichte Ein Ioeal zu denfen und biefes im vollfomemenfien Gtast, in Staat des vollendeten Rechte, zu fuchen. Wber es if überhant cu falſche Boransfegung, daß es innerhalb biefer Welt einen Zufkaut gehe, ber, weım er das SIpenl, nothwendig auch Danerub und ewig fen wäh, während wir geſehen, daß biefe Welt als ein Kicker Zuſtand wikt bleiben Irine; bie gegenwärtige Orbmung' ift ‚nicht Zweck, fie if mm um aufgehoben zu werben; Zweck alfo nicht fie ſelbſt, ſondern bie On. ung, welche an ihre Stelle zu treten beſtimmt ifl. Selbſt die ‚ge mäßigte" Donardie, wo ber Staat fih nur als Grundlage wei, if, wenn auch bie beft mögliche Ginrichtung, nicht das Ideal einer ber Bertiunft volllommen entfprechenden Staatsverfaffung *. Wenn men cm vollfommenen Staat in biefer Welt mil, fo iſt das Ende (apokaleptiſche Schmwärmerei ?.

Semäßigt ift Übrigens bie Monarchie ſchon dadurch, baß es mr noch partie Etaaten gibt.

* Qualemeunque formam gubernationis animo finxeris, nunyuam in eommodis et periculis cavebis. Hugo Grotius de Jure B. et P. Lid. I.

dierundzwanzigſte Yorlefung.'

In Bezug auf die höhere Entwidlung alfo ift der Staat nur Unterlage, Hypotheſis, Durchgangspunkt, und auch nur in dieſem Sinne M er in diefen Vorträgen berührt worden. Das Yortfchreitenve liegt in dem, mas Aber ten Staat hinausgeht. Das über ihn Hinausgehende aber iſt das Individuum. Mit dieſem, mit ſeinem innerlichen Ver— hältniß zum Geſetz haben wir es nun wieder zu thun. Denn fo wohl⸗ thätig die von außen (vom Staat) verlangte Beobachtung des Geſetzes ift, wenn man bevenft, wie bie meiften Menſchen eine fo ſchwache An⸗ hänglichkeit an vie Pflicht haben, fo wenig genügt fie; denn das Gefeg ſelbſt geht aufs Innre, und weil der Staat gegen bie Gefinnung gleich- gültig: ift, fo ift die Prüfung megen berfelben um fo mehr dem Judi⸗ viduum überlaffen. Dem Staat ift niemand verfallen, ‚aber dem Mo⸗ ralgefeß jeder unbedingt. Der Staat ’ift etwas, mit dem man ſich abfindet,; wogegen man ſich ganz paſſiv verhalten kann, nicht ebenfo das Gittengefet. Der Staat, wie mädtig er fey, Tann nur. zur äußern d. 5. ebenfalls thatfächlichen Gerechtigkeit führen, umgelehrt, wie un- mächtig der Staat auch fen, ja wenn er ſich ganz auflöste, jenes innre,

Dieſe Borlefung ift in der vorliegenben Geftalt im Nachlaß bes Berfafiere nicht vorhanden geweſen. Das ausgearbeitete Manufcript endet mit ber gegen ben Schluß der vorigen Vorleſung ſtehenden Anrede an das beutiche Boll. - Bon da bio zum Ende biefer Borlefung aber finb bie folgenden Aneführungen in einzelnen Conceptbfättern vollftändig vorhanden, fo daß e8 mm ber Aneinanderreihung ber- ſelben nach Mafigabe der vom Verfaffer ſelbſt hinterkaffenen Anbentungen beburfte, um die Borlefung in ihrer gegenwärtigen Form berzuftellen. D. H.

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ins Herz geſchriebene Geſetz bleibt und iſt nur um fo bringenver. Das äußere (Staats) Geſctz ift ja felbft nur bie Folge jenes innren Zwangs, und kommt daher nicht mehr in Betracht, wenn von tiefem bie Rebe if.

Hier nım aber kommt es völlig zu Tag, worein das Ich gerathen ift, indem es ſich Gott entzogen hat. Bon Gott getrennt, iſt es unter dem Geje gefangen, als einer von Gott unterfchievenen Macht '; über biefe kann es weber hinaus, denn es ift ganz ımter fie gebeugt, noch kann e8 fich derfelben erwehren, deun das Geſetz ift im feinen Willen gleichfam eingewebt und eingeftochen. Ebenfowenig wird das Ich feiner felbft froh unter dem Geſetz. Unluft und Widerwillen gegen das Geſetz ift feine erſte und natürliche Empfindung, eine um jo natürlichere, je härter umb unbarmberziger e8 ihm erſcheint?. Denn als Allgemeines und Unperfönlidhes Tann es nicht anders denn hart ſeyn, als eine Vernunftmacht, vie jo wenig von Perfönlichfeit weiß, daß fie um ber Perfon willen fein Jota nadläßt, und felbft wenn ihrer Forderung völlig Genüge geſchieht, Leinen Dank dazu gibt (wenn aud alles gethan, doch unnüge Knechte). Auch das Gebotenſeyn wäre dem JA nicht fo empfindlich, wenn es nur von einer Perfon ausginge, aber unter eine unperfönlide Macht niebergeworfen zu feyn, iſt ihm uner- träglibd. Er, ver fein felbft feyn will, fol ſich dem Allgemeinen unterworfen fehen ?.

Verkehrt ift es, fih das Moralgefeg gleich wieber als göttlich vorzuftellen, oder gar Gott in bas Naturredht einmifchen zu wollen. Gott ift durch das Geſetz vielmehr verborgen, und muß davon bleiben, damit das Geſetz Zuchtmeifter ſey. Wenn man alles der Religion unterorbnen will, fo gibt es gar keine rationelle Moral oder Rechtslehre mehr; es wäre eben, als wenn man die Vernunfwiſſen⸗ haft überhaupt Teugnen wollte. Wenn freilich Gott nicht wäre, fo würde aud bie Vernunft nicht ſeyn (die Bernunft keine Macht ſeyn). Daraus darf aber nicht gefolgert werben, daß das Sittengeieh bloß als göttliches Geſetz für uns Bebeutung babe (die Moral ganz auf die Theologie zurüdzuführen ey).

? „Darum, daß ihm ber Menfch mur feinder wird, je mehr es forkert, daß er feines kann“, jagt Luther in der VBorrete zum Römerbrief.

* Auf biefer Unperfönlichleit des Geſetzes beruht die Unvollkommenheit, bie im Geſetz ſelbſt ift, welde man aber zu leugnen verfucht ift, wenn man es gleich als göttlich verftelt. ALS unperfönlich und allgemein if das Geſetz 1) blof für

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Wird aber auch dieſer Widerwillen befämpft, ver, wie fchon ange beutet worben, noch mehr der Form gilt, als dem Inhalt (dev Form, weil es ein Gebotenes ift, während. das Ich ſchlechthin frei fern will); oder. gewwumt ber Muſch ſogar vermöge des Beſſern in ihm (vermöge der intelligiblen, wenn gleich in die Potentialität geſetzten, Seite ſeines Weſens) Gefallen am Geſetz, fo konimt es doch nicht zum Frieden!; ja gerade dann erkennt er, daß das Geſetz ihm zum Tode gereicht, in⸗ dem er es nicht erfüllen kann, weil es ihm an ber Geſinnung fehlt *, die das Geſetz .nicht zu geben vermag. Das Geſetz ift ımver- mögend ihm ein Herz zu Heben, das ihm (dem Gefege) „gleich“ it ®, im Gegentheil es fleigert der Sünde Kraft, und anftatt die Ungleichheit zwifchen ihm und dem Menſchen aufzuheben, bewirkt es, daß dieſe immer Rärker und .auf alle Weife hervortritt, fo ſehr, daß zuletzt alles fitt- Gche Handeln als verwerflih, das ganze Leben als brüchig erjcheint. Die freiwilligen Tugenden verfchönern und veredeln zwar bas eben, aber im Grunde bleibt immer der Exrnft des Geſetzes, welcher es zu

die Gemeinheit beforgt, dem Individnum gibt es nichts. Es fpricht zwar zum Inbividnum, aber die Abficht des Geſetzes gebt nicht auf ben Einzelnen, fonbern anf das Geſchlecht; 2) fagt es nicht, was zu thun, und if alfo bloß negativ (was es im Grunde ‚auch jchon nach Punkt 1) if); 8) hat die Moral infofern feinen Zweck, als, wenn ih anch alles erfüllt, boch nichts erreicht if. Das Geſetz ift daher auch nur ein Nebeneingelommenes (0 vouos napasjA Ns, Röm. 5, 20), bat fein Ende in einem andern, und hört, wenn biefes ba, in ber Ge⸗ Malt dieſes unvolllommenen Geſetzes auf (edlog rev vouov Xpisros, Am. 10, 4). Kant ſieht die Unvollfonmenheit bes Geſetzes nicht ein unb beraubt fidh dadurch des wahren Wege dahinzukemmen, wohin er will oe vefäßt ihn bie fein kritiſcher Sinn.

t Man vergl. Über ben ungleihen Kampf des das Gute Wollenben mit ber Uebermacht bes Fleiſches das. 7. Kapitel des Römerbriefe.

2 Moral in Kants Gin aus bloßer Achtung gibt es nicht; bazı gehört, wie Luther fagt a. a. D., „ein frehwillig luſtig Herz.’ Selbſtachtung bewahrt uns vor Unglüd, aber macht uns nicht glücklich. Dieß gefteht Kant ſelbſt zu, inbem er die Gluͤchſeligkeit als etwas Fremdes hinzulommen Täßt.

2 „Wber ein folch Gerz gibt niemand, denn Gottes Geiſt, ber macht ben Men⸗ ſchen bem Geſetz gleich, daß ex Luſt zum Geſetz gewinnet von Herzen”. Luther

a. a. O.

feiner Freudigkeit der Eriftenz Tommen TE Wie Grfaleungen, weiche das Ih im Kampfe mit dem’ Gefege windht, find viekmehe von ber Urt, vaß es je länger je mehr den Druck des Gefehes nis ce thin umüberwindlichen, b. h. af Mindh, emmpflxbet, Tut fo, Dllig micher- wbeugt, anfängt, das Ridt®, deu tnwert feinh gungen Defeyas de sufehen '.

Doch ‚eben hier, wo der Zwei det Geſetzes, die Regation des Ich, ſchon fo gut wie erreicht iR, tritt ein MBenbepmft ein, Für va 8 wämfich. ft die Möglichkeit da, nicht zwar ſich aufmıheben is’ feinem aufergöttliien ib unheifoollen Zuftanbe, über doch fi als Wirte» des aufzugeben, fich im fh feBfR Auräkäugiehen, ſich feiner Gefäffe zu begeben. Indem es dieſes thut, Hat es feine andere Abſicht, als - ber Unfeligfeit des Handelns ſich zu entzichen, vor bem Drungen bes Geſetes ins beſchauliche Leben fi zu flüchten; wozu es inſoweit vom Gewiſſen ſelbſt follicitirt wird, al8 das Gewiffen (der potentielle Gett) es ift, das ihn vom fich ſelbſt Wollen abzieht. Mit tiefem Schritt ans bein thätigen ins contemplative Leben, tritt es aber zugleich auf Gottes Seite hinüber: ohne von Gott zu wiſſen, fucht e8 ein göttliches Leben in biefer ungöttlichen Welt, und weil dieſes Suchen im Aufgeben der Selbftheit geſchieht, durch bie es fich von Gott gefchieren Bat, gelangt es dazu, mit tem Göttfichen felbft ſich wieder zu berühren. Der Geift nämlich, ver ſich im fich ſelbſt zurüdzieht, gibt ver Seele Raum, die Seele aber ift ihrer Natur nad das was Gott berühren kann. Es iſt das eigentliche Faior in feiner Natur?, das bier herr vortritt, was aber nicht in ber Gattung, fondern nur im Indivi—⸗ duum gefchieht®. Jene Möglichkeit des Geiftes, ſich in fich felbft

" Man vergleiche bie Stellen Über menfchliches Elend bei den griedhifchen Did tern, Iliad. XV, 446. Odyss. XVIII, 130. Oed. Col. v. 1225: un goras rov dnarvra vına Aoyov (uicht geboren, das Belle).

® To Bdlrıörov dv Yuyy. De Rep. VU, 52 C. -

Die Gattung ober das Gefäleiit bat mır ein inbireftes Berbältniß zn Get nämlich eben im Geſetz, worin ihm Gott potentiell, d. 5. eingefchloffen if, nur das Individuum hat ein bireftes Verbältniß zu Bott, kann ihn ſuchen mt ihn, wenn ex ſich offenbart, aufnehmen.

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jurüdzuziehben, erweist ſich als die in ihm liegende Potenz des ſich Zurückwendens zu ©ott, die aljo jenes Wirkende, indem. e8 ſich von Gott abgewenbet, in ſich behalten bat; es iſt a°’8 Wefen, das her- vortritt, nachdem das Zufällige in ihn (das von Gott Abtrünnige) ge brochen und zur Nichtigkeit gebracht if. Das Eingehen des Ich ins eontemplative Leben - wird alſo zu eimem Wiederfinden (ihm wieder Objektivwerden) Gottes, heil, wie wir ſehen werben, Gottes nur als Idee.

Dieſes Wiederfinden Gottes. ober bat verſchiedene Stufen, welche als ebenfo viele Stationen der Wiederkehr zu Gott anzufehen find. Die erfte ift die, in’welcher das Ich ven Act der Selbfivergeflenheit, ver Abnegatien feiner felbft zu vollziehen fucht; fie ftellt fi) dar in jener myſtiſchen Frömmigkeit, deren Sinn wir am fchärfften bei Fenelon ansgebräct finden!, und welche darin beſteht, daß der Menſch ſich ſelbſt und alles andre mit ihm zuſammenhängende bloß zufällige Seyn mög⸗ lichſt zu vernichtigen (micht: zu vernichten) ſucht. Die zweite Stufe ift die Kunft, durch welche ſich das Ich dem Göttlichen ähnlich macht (opolooıs) , göttliche Perſönlichkeit hervorzubringen, und ſo zu biefer felbft durchzudringen fucht, die Kunft, die das Entzüdende fchafft, wenn der Geiſt Seele wirb (in völlig felbftlofer Probuction), was nur ven Künftlern höchfter Urt geſchieht, nicht daß fie es wüßten ober

ı Senelon in feiner Demonstration de l’Existence-de Dieu rüdt jenes Auf- geben der Selbſtheit mit nous desapproprier notre volonte aus (dem Gigenthum unferes Willens entfagen), und ſchildert biefe myſtiſche Frömmigkleit mit be Worten: „Nous avons rien & nous que notre volonts, tout le reste 27 pas & vous. La maladie enlève la santé et la vie: "Ies richesges talens de l’esprit dependent du corps. L’unique chose, qui est —— ment- à vous, c’est votre volont& Aussi -est-ce elle, dont Dieu est jaloux. Car il nons l’a donnee non afın que nous la gardions et que nous en demeurions proprietaires; mais afin que nous la lui rendions toute entiere, telle que_nous l’avons regue et sans en rien rötenir. Qui- eonque reserve le moindre desir ou la moindre repugnance en propriete, fait un larcin & Dieu. Combien d’ames proprietsires d’elles-memes? Fen&lon nennt fogar jene Selblentegung GSelbſtenteignung) ontière indiſſerenoe mtme pour le salut.

- -

su _ verfläuben, ‚fondern durch mahre Gefimnung. ührer- Hatur'. Mer Rus reift ſich als dritte Stufe die contempiatine Wiſſenfchaft m. . Im ihr erhebt fi} das Ich Aber Ins proltiſche um das Kicß: mutäclihe - (Oiansätifche) Wiffen*, und beräiet das zum feiner feibft willen Eieyanbe der zn vpuxũ, dura zo mp". Der Geiß, ver Dh in fu ja

tentiell zu machen füht, fo verhäft ex füh peer infofern Ieiieb, 77 mit aber ſich ſelbſt befigenb, ud Kommt wicber zu dem Gottfehancuben

.(theoretiichen) Leben, das dem’ n* anfangs beftimukt war’ unb bas nun der Geiſt nach Zurädiegung feines ganzen Liegt als hachſtes Ziel auſtcht. Dieſes alſo iſt es, was das Ich, daS der Unfeligkeit zu eutlomunen und fih in feiner Welt felig zu machen ſucht, erreichen Tau; e# ſcheint auch wirklich fein Genüge zu baben in bem durch bie Cou⸗ templation erlangten Gut; denn e8 bat Gott, von dem es ſtch praitid (osgefagt hat, nun wieder in der Erkenntniß, un im ihm eim Meal, * Darüber, baß ber Kunft ihre Stelle in ber ıntionalen Philoſophie arzaweiſen, vergl. Arist. Ethic. Nicom. VI, 4.

2 Hier ericheint ber Nus auf feiner höchften Stufe als der Wifſenſchaft erwedende, frei hervorbringende; vergl. oben S. 455. Zu bemerfen iſt, da die rationale Phi⸗ loſophie als contempiative Wiſſenſchaft bier ſelbſt als Moment ber Gintroickiung eimtritt.

©, die Anm. ©. 816 imd ©. 856. Es iR ber verc, ber im ber hichken Wiffenfchaft die Seele wieber befreit, aus ber Botenz, wech ex fr eiet, echeht

“De Anima a 3 73 Paz Dos Far er De Anima II, 4.

Seele, ift dem Ariſtoteles das asavariiee: Eth. Nicom. X, 7; vergl übrigens das ganze T. Kapitel, in welchem das beichaufiche Leben als bas göttliche be ſchrieben wird. Ebenfo ift zu bemerlen die Stelle bei Platon, Theaet, 176 A: dio nal nupäsda: zei indinde (das dis Inpriis yisca;) duslda pay orı rayısra: yuyı di ousımdız ro dep nard vo dvvarie. Bl. Phileb. 62.

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durch das es ſich über fich ſelbſt erhebt, von ſich los wird. Allein nur ein ideelles Verhältniß hat es zu dieſem Gott; es kann auch kein andres zu ihm haben. Denn die contemplative Wiſſenſchaft führt nur zu dem Gott, der Ende, daher nicht der wirkliche iſt, nur zu dem, was feinem Weſen nach Gott ift, nicht zu dem actuellen . Bei viefem

» Hier ift zugleich geichichtlich der Punkt, Bis zu welchem bie alte Philoſophie gekommen if, nämlich bis zu Gott ale Binalurfache, bis zu im reinen Selbſt⸗ ſeyn. Es ift früher ſchon unterfchieben worden zwifchen bem das „Seyenbe ſeyn“ und dem „Selbftieyn Gottes“. Durch Ausicheibung vom Seyenden wirb in ber vahlnalen Philoſophie in das reine Selbſtſeyn geſetzt. Im diefer Abfon-

berung it ee, wie ihn Ariftoteles hat, als bloße® Javroo ix, als ber ſtehen ewig fich gleiche, paſſive, alrıov r4lınov, moınrınov, ober wie es in ber Nilom. Ethil. X, 8 heißt: od nparreıw apampovusvos, iri ds uällov rod noelv, er if ber, welcher alles bewegt, jedoch nur als Ziel, ſo daß er ſich ſelbſt nicht bewegt (o navra var og T4log, aurög axlvnros), als nach außen unwirkſam, benft umb ſchaut er nur immer fich ſelbſt, iſt vondeas vöndsg, was freilich won bem Denken Über das Denken, wofür es fi fo oft anführen Iaffen mußte, etivas höchſt Verſchiedenes if. Gott ift dieß will: der Unsbrud eigentlich jagen nur umenblicher, b. h. fich immer wieder (keinen be» Segenſtand außer ſich benfenber Actus des Denkens. Bergl. Ethic. Eudem. VII, 12: 03 yap oirw 0 Hedg ev äysı, dAAd Bdirıov n Gors allo yostv nap aurov. Welche Schwierigkeiten übrigens boch dem Ariftoteles bie nähere Beſtimmung biefes Selbſtſchanens Gottes macht, fieht man Magna Moral. II, 15. Die gleiche Schwierigkeit ift fühlbar Ethic. Nicom. VI, 14 (Ethic. eudem. VI, 14) Gott iſt alfe hier, wie e8 bie beutfche Philofophie ausgebrüdt hat, das ſeyende, bleibende, nicht mehr von ſich weglönnende Subjelt-Objelt. Die in ber Philoſophie überall nur Willkür fehen, wiflen nicht, wie Übrigens ganz verſchie⸗ denen Individuen in ganz verfchiebenen Zeiten unter völlig verfchiebenen Kormen doch wieber dieſelben Begriffe entſtanden finb, bie fo ihre Nothwenbigleit erweiſen; die, welche jene Bhilofophie gefunden, in ber Gott als Subjelt-Objelt ftehen , wußten bamals weniger, ale man ihnen vielleicht zugetraut, von Ariſto⸗ letzterem Gott nur das Enbe und anpaxrog rdg ifo mpusag, Gott doch nicht mehr, ale wenn er blofer Begriff wäre, ker Pat —— tebte als eriftivendes bat, ift e8 als erifiirte es nicht, ba tum kann, mit ibm nichts anzufangen ifl. Unbegreiflich könnte man wie man das Negative biefer Beſtimmung bei Wriftoteles ebenfowohl, als neuern Phitofophie überſehen. Als bas zwar fi ſelbſt Habende, aber fi weg Könnende ift es nur feinem Weſen nach, nur ideeller ift ein Mißbrauch, bier von abfolutem Geift zu veben. Gott in feinem Selbftfeyn bei Arifioteles das fich jelbft Habende (äyov

I sch Ä a

die Wirtlichteit ihe Necht wicher geftenb mundit, zeidht auıh der baik

(paffive) Gott nicht mehr zu, unb bie vorige Werpmeiftung Iiet zul Den der Zwieſpalt iR wicht aufgehoben. Desumadh fragt ei’fih, mi dem Sch noch weiter möglich IR und wohin es fidh wenben wir.

Sujwiigen aber iR hier, wenn gleich nicht bes (inbe Grtwifiung, fo dod das Biel Difer"Eiffexfeft, "ver wiſſenſchaſt, bereits erreicht, uch wir ımälfen zum zwerſt weilen, che wir zu jenem fortgehen. Die Uufgabe der Beruunftwifienfdeft wer, das Princip (A') ie feinem fürfih-Seyn und frei vom Seyenden, es als Princip zu hebe d. h. als legten und höchſten Gegenftand (rd uddssra dusoryrh) Diefes ift nun erreicht. Denn e8 kam nur baranf an, baf ſich ui I als Nicht Princip erfärte, unter Gott (weichen es allerbings yeah wieber erkennen mußte) ſich umterorbnete. . Sobald dieſes gefchah, ich eben bamit als das eigentliche, einzige und wahre Princip fiehen, ut zwar in völliger Abgeſchiedenheit; denn in dieſe war es fchon geſetzt werken, ald das Ich ſich aufgerihtet Hatte und Anfang einer aufergättnhen,

kei if 5 dem Pt in Die Mnerung Ds um inc willen Begehrentwerthe, wobei man Platon Unrecht that, wenn man men, & fpredye bloß von ber bee bes Guten. Es iR ihm vielmehr 20 dyadıe del Gute ſelbſt (bieß liegt deutlich in dem usa rg orsiac [Rep. VL, 5098] und erhellt aus bem Erſtaunen bes Mitunterredners) freilich in ber Wet, mm als Gebanfe, aber doch das Gute ſelbſt, wie es vor Bett am Eute it rationalen Philoſophie zu Tagen. ‚Man vergl. Rep. VII, 518 C, fewie va 617B: av 6 yracrh (nidk dv co vorrh) relsursa 5 dor ayaden Ibie nal uöyıg opäsdaı. Def Platon nh che, i natürlich (3 ®. Rep. VI, 505 A), aber co dyadiı| (airö dyadie) jet iym nur Idda ros dyadov in Bezug auf bi eyatd woö öyadeh (7 Aurirt. Tith. Bude, box be Fnften Supitel), ober be ZU iſt ihm mur 0 700 ayadou Anyero; (VI, 508B), wie aus bem ganzen Zul menbang erhellt.

d. b. Gott ansfchliegenten Welt geworden war '. Ebenſo aber wie das felbftifche Princip tem höhern und allein wahren meicht, weicht nun auch bie bisher allein geltende Wiffenfchaft einer zweiten, der, von welcher wir früher? fagten, fie fey die, um deren willen das Princiy geſucht werbe, die eigentlich gewolltee Die erfte erfcheint nun im Wirklichkeit ald das was fie ift, als die auf das Princip (zu) gehende Philoſophie. Als ſolche ift fie nun zwar nicht die legte und höchſte, aber fie bleibt die allgemeine (nniverfelle) Wiffenfchaft, vie Wifjenfchaft aller Wiffenfchaften ?, ta fie, wie für alle befondern Wiſſenſchaften, jo and) für bie höchfte das Objekt fucht. Denn, mic Cie ſich erinnern, entstand bie erfte Wiſſenſchaft (7, roar7 ensoriun) dadurch, daß wir die bloß möglichen Principe in Wirkung treten ließen. Mit dieſem Her- vortreien wurden fie Urfachen eines getheilten, wie fie jelbft abgeftuften Seyns, einer Folge von Gegeuftänden, deren jeder Objekt einer Wiſſen⸗ fhaft werden kann. Demnach war mit biefer Folge eine Reihe von. befondern Wiflenfchaften gegeben, melde von viefer einen, darum mit Recht Wiſſenſchaft ver Wiflenfchaften genannten, fich herfchreiben. Auf diefelbe Weiſe aber ift fie auch Urheberin berjenigen Wiflenfchaft, hie

vom Princip ausgeht und von diefem alles andre ableitet, und bie als mit diefem höchften Gegenftand, der am Ente ver erften Wifjenfchaft als: Aufgabe ftehen bleibt, beichäftigt, felbft nun auch eine befondere Wiſſenſchaft ft, nicht die Wiffenfchaft, ſondern eine wie alle andern. Hätte die Bhilofophie Feinen befondern Gegenſtand, fo könnte fie nicht ſelbſt eine Wiflenfchaft, ſondern nur die Wiffenfchaft, d. 5. die univerfelle fegn. Diefer befonvere Gegenftand kann nur der feyn, für ven ſich feine andre Wifjenfchaft findet, der alfo entwerer von aller Wiſſenſchaft ausgefchloffen oder der ihr (der Philofophie) eigene; ihr insbeſondere zukommende Gegenftand feyn muß, und welcher als ver zuletzt ‚gefundene ver höchſte und ber am meiften wiſſenswerthe ift; denn gegen tiefen hat fie alle »oranögegangene für nichts, ale für fie nicht ſevende geachtet.

26G. den Schluß der zwanzigſten Vorleſuns.

©, S. 367.

Bgl. S. 868.

Schelling, ſammtl. Werke. 2. Abtb 1. 36

ru, „mn . UM

hat, hat fie ihr Eude erreicht; denn fie laun bas Prfimcip- zur ergugen, nicht auch vealifiren, daher fie and bie wegatide Prüfe

nidts weiß; bean fie fept-bas Peincip mei-bucch a

negativ, fie hat es zwar als das allein Wirkliche, aber ur De griff, als Bloße Idee. De fie als: das Primcip ſucherd, ek ve Mögfichleit einer Philofophie unterfucht, ift fie die Eritifche, bie In gabe Kants.

Die rationale oder, wie wir fie nun auch nennen, negative Wil⸗ fopbie habe, fagten wir, das Princip eben nur ermöglicht. Dean meri war es im.reinen Denken gefunden worben, fobann ging die Abſch dahin es der Potentialität zu entreißen. Nachdem viefes geſchehes, # das fo erzeugte Princip eben auch nur das im Denfen gefundene; ei hat ſich hierin (was die Eriſterz betrifft) gegen dem Eiännbpuit ii reinen Dentens nichts geändert. Wohl aber bat ſich bie Natur dei Princips durch ben Proceß der Vernunftwiſſenſchaft erwieſen ater be⸗ ſtaͤtigt, nämlich als vie natura 'necessaria. al® Dad was essenlä Actus iſt (oU 1 data dudpyum). Gott if jetzt aufer ber abſeoluer Spee, in welder er wie verloren war, unb in feiner Speer, abe baram boch nur Dee, bloß im Begriff, nicht im actuellen Sem". Denn alles iſt in biefer Wiffenfcheft in bie Beruunft eingefchloflen und fo auch Gott, obwohl er nım als ber ‚begriffen, ver an fih ia

In ber abfoluten Idee ift nicht ‚Bloß das Geyenbe, fonbern auch des, mob das Seyende ift, gehört bort mit zur Potenz; die Subſtanz im höchften Sinn, die, weil fie im nichts andres übergehen kann (benn es if in ihr richte von bloſen Bermögen), als die reine Wirklichkeit ſtehen bleibt, tritt dennoch aus ber Jahr venz mr als letzte Möglichkeit bevor. "

563

bie Vernunft, d. h. in die ewigen Ideen, nicht eingefhlofien if. Und wenn au, wie Kant fagt, jever Eriftentialfag ein ſynthetiſcher ift, d. h. ein folder, durch welchen ich über ven Begriff hbinausgehe ', fo findet dieß doch auf das reine (von allem Allgemeinen befreite) Daß, wie e8 am Ende der Vernunfiwifienfchaft als Lettes ftehen bleibt, keine Anwendung, denn das reine, abftracte Daß ift Fein ſyn⸗ thetiſcher Satz Wird nun aber das, was essentia Actus iſt, auch aus ſeinem Begriff geſetzt, jo daß es nicht bloß das eesentiü ober natur&, fon dern das aetu Actus Seyende iſt, dann iſt das Princip nicht mehr in dem Sinne als Princip geſetzt, wie wir es für das Ziel der ratio⸗ nalen Wiſſenſchaft verlangt haben, wo wir es nur vom Seyenden frei haben wollten, wo es als Reſultat gefucht wurbe, und wobei es nur um das (abftracte) Princip zu thun war, vielmehr iſt e8 dann wirklich als Brincip gefegt, nämlich als Anfang, als Anfang ver Wiffen- ſchaft, die das, was das Seyende Ift, das Seyende ſelbſt (wuro ro do) zum Princip bat, d. h. zu dem, von welchem fie alles andre ab⸗ leitet ?: wir bezeichneten fie bisher als diejenige, um deren willen das Princip (mittelft der erften Wiffenfchaft) gefucht wurbe, und nennen fie jet im Gegenſatz von ber erſten, ber negativen,“ bie pofitine Philo- fophie. Denn negativ ift jene, weil es ihr nur um bie Möglichkeit (das Was) zu thun ift, weil fie alles erkennt, wie es unabhängig von aller Eriftenz in reinen Gedanken ift; zwar werben in ihr eriftivenbe Dinge deducirt (fonft wäre ſie nicht Vernunft», d. h. apriorifche Wiſſen⸗ haft, denn das a priori iſt dieß nicht ohne ein a posteriori), aber- et wird in ihr darum nicht bebucirt, daß bie Dinge efiftiren *; negativ ift jene, weil fie auch das Letzte, das an ſich Actus (daher gegenüber von den erifticenden Dingen übereriftivend) iſt, nır im Begriff bet. Poſitiv dagegen ift diefe; denn fie geht von der ‚Eriftenz am, von’ ber

ı Kit db. pralt. Bern, dartenſteinſthe Ausgabe IV, S. 262.

2 G. S. 361 ff.

3 Durch den Idealismus ertlärt fih nicht die Wirklichleit, ſondern die Art ber Wirklichleit. Man vergl. hiezu S. 376.

. . ..

Eriftenz d. 5. dem actu Actus- Geyer des im ber erſten Wiffenfheit als nothwendig erifiivend im Begriff (als maiurß Actes feyenb) Ge fundenen. Diefes bat fie zuerſt mur af reine Daß (Me Ti), von welchem zum Begriff, bem Was (dem Gegexten) forigegangen wirt, um das fo Eiſtirende bis au den Punkt zu führen, wo · es fih als wirflühen (eriftenten) Deren des Gens (ver Melt), „als perfänfihen, wirflichen Gott erweist, womit zugfeich auch alles andere Gem, als - vom jenem erften Daß abgeleitet, in feiner Eriftenz erflärt, und affo ein pofitiveß, d. h. bie Wirklichleit erklärendes Stzſtem bergeflellt wird Da ſich umb hier der Umterfchieb jener ſchen im Hufang. biefer philoſophiſchen Entwicklung in Aisficht geftellten zwei Wiſſenſchaften als Gegenſatz der negativen und pofitiven Philofophie gezeigt hat, fo wäre eigentlich hier ber Drt, dieſen Gegenfag vollſtändig zu erörtern. Zeil jedoch diefe Erörterung eine umfangreiche ift (fie ganze Geſchichte der Bhilofophie zeigt einen Kampf der negativen und pofitiven Philofophie) umb eine eigene Reihe von Borlefungen bilvet, fo befchränfe ich wich bier nur noch auf folgende kurze Bemerkung. Die erſte Wiflenfchaft war in ihrem Ende auf etwas gelommen, das ſich mit. ihrer Methode nicht mehr erkennbar machen ließ; fie hatte fib damit erfchöpft, und überliefert, was ihr als Unerfanntes und für fie Unerkennbares zuletzt ſtehen bleibt, als Aufgabe ver zweiten Wiflenfchaft, was aber für. dieſe nm eine äußere, nicht eine innere Abhängigfeit begründet. Letzteres wäre mır bann ber Tall, wenn die negative Philofophie der pofitiven ihren Gegenſtand als einen fchon erfannten überlieferte. Die poſitive Philoſophie könnte möglichermweife rein für ſich anfangen, mit dem bloßen Ausfpruch: „Ich will das, was über dem Seyn ift“, umb wir werben feben, wie ber wirkliche Uebergang in fie in der That durch ein ſolches Wollen gefchieht. It aber gleich die pofitine Philofophie eine von ver negativen abgefegte und andere, fo ift bemungenchtet der Zufammen- bang, ja bie Einheit beiver zu behaupten. Die Philoſophie iſt doch nur Eine, nämlich die Philofophie, die fowohl ihren Gegenſtand fucht, ale ihren Gegenftand hat und ihn zur Erkenntniß bringt. Die pofitive fi es, die auch in der negativen eigentlich ift, nur noch nicht als wirkliche,

365 fondern erft als ſich ſuchende: mie dieß diefe ganze nun zu Ende gefommene Enwicklung gezeigt hat.

Wenn das Princip zum Anfang gemacht wird, zum Anfang einer andern Wiſſenſchaft, die nicht mehr Vernunftwiſſenſchaft iſt (denn dieſe konnte nichts mehr mit ihm anfangen), ſo hört daſſelbe auch auf bloße See oder in der Mee zu ſeyn: es wird aus feinem Begriff geſetzt, aus der Vernunft, in der es eingefchloffen war, befreit, aus der Idee audgeftoßen. Zugleich gefhieht eine Umkehrung tes bisherigen Ber- hältniffes zwifchen dem was das Seyende ift (A°) und dem Seyenden (-A+A+A) Tenn da jenes Anfang. (prius) wird, kann dieſes, übrigens nicht von ihm zu Trennende, nicht mehr ihm vworausgehen, es muß ihm alfo nachfolgen, und das erfte Problent wird ſeyn, zu zeigen, wie Letzteres möglich iſt. Indeß ſind wir noch nicht fo weit. ‘Denn es bleibt uns jegt vor allem die Hauptfrage zu beantworten: von wem jene Ausftogung A“'s aus der Vernunft und die damit zufammenhan- gende Umfehrung worin der Hebergang zur pofltiven Philofophie be- ſteht ausgeht. Hier iſt nun zu ſagen, daß ſie nicht vom Denken ausgehen fan. Das, was zur zweiten Wiflenfchaft forttreibt, liegt - jwar im legten Begriff der erften; benn mit dem reinen Daß, dem Letzten der rationalen Philofophie, ift nichts anzufangen: damit es zur Wiffenfhaft werde, muß das Allgemeine, das Was hinzukommen, das jegt nur Confequens, nicht mehr Antecevens feyn kann. Die Ver⸗ nunftwiflenfchaft führt alfo wirflih über fi hinaus und treibt zur Um⸗ kehr; diefe felbft aber kann doch nicht vom Denken ausgehen. ‘Dazu be darf es vielmehr eines praktiſchen Antriebs; im Denken aber ift nichts Praktiſches, der Begriff ift mır contemplativ, und bat e8 nur mit bem Nothivendigen zu thun, während es ſich hier um etwas anfer ber Nothwendigkeit Liegendes, um etwas Gewolltes handelt. Ein Wille muß es ſeyn, von dem die Ausftoßung A°’8 aus ber Vernunft, biefe legte Krifis der Bernunftwiffenfhaft, ausgeht, ein Wille, der mit innrer Nothwendigkeit verlangt, daß Gott nicht bloße Idee fen. Wir fprechen von einer letsten. Krifis der Vernunftwiffenfchaft: die erfte nämlich war die, daß das Ich aus der Idee ausgeftoßen wurde, womit

566 zwar der Charakter der Bermunftwiffenfchaft fich änderte, fie ſelbſt aber Elieh '; tie große, lebte und eigentliche Krifis beſteht nun darin, daß Gott, das zuletzt Gefundene, aus der Idee ausgeftoßen, die Ver⸗ aunftwiiienfbaft ſelbſt damit verlaflen (verworfen) wird. Die negatin* Vhiloſophie geht fomit auf vie Zerftörung ber Idee (wie Kants Kritif eigentlich) auf Temütbigung ver Vernunft) oder auf das Refultat, daß das wahrhaft Seyende erft das ift, was außer ter Iee, nicht tie Idee if, fondern mehr ift als tie Ivee, zoeirrow rov Aöyov?. Welches aber der Wille ift, der das Signal zur Umkehrung unt damit zur pofiticen Philefophie gibt, Tann nicht zweifelhaft fern. Ce iſt das Ich, welches wir verlafien haben in vem Moment, wo es dem beihaulichen Leben Atfchieb geben muß und tie legte Verzweiflung ſich feiner bemädhtigt; denn es ift ihm doch nicht geholfen, wiewohl es durch bie noetifche Erkenntniß bis zu durchgedrungen; noch ift es nict befreit von ter Eitelfeit des Daſeyns, tie e8 fich zugezogen, und tie ee jest, nachtem es tie Erkenntniß Gotte® wieder gejchmedt hatte, nur um fo tiefer empfinten muß. Denn nun erkennt e8 erft tie Kluft, welde zwijcben ibm unt Gott, erfennt, wie allem fittlihen Santeln ter Ab fall von Gott, das außer» Gott» Scan zn Grunde liegt und es zweifelhaft macht, jo tar feine Ruhe unt fein Friede, ehe tiefer Bruch verföhnt ift, und ibm mit feiner Zeligfeit geholfen, als mit ter, welche ihn zu gleih erlöet. Tarum verlangt es nun nach Gott fell. Ihn, Ibn will es haben, ven Gett, ter hautelt, bei tem eine Vorſehung ift, ver als ein jelbft thatſächlicher tem Thatſächlichen tes Abralle entgegentreten fann, furz der ter Herr des Seyns iſt ‚nicht transmundan nur, wie e8 ter Gott als Finalurſache tft, ſondern ſupra— mundan). In dieſem ſieht es allein das wirklich höchſte Gut. Schon der Sinn des contemplativen Lebens war kein andrer, als über das Allgemeine zur Perfönlichkeit durchzudringen. Denn Perſon ſucht Perſon. Mittelſt der Contemplation jedoch konnte das Ich im beſten Falle nur S. oben S. 421. 2 Ariftetelee Eth. Eudem. VII. 14: Aösor 8 den mi Adyos. däid

zoslrror.

367 bie Mee wieder finden, und alfo auch nım den Gott, ber in ber Idee, der in die Vernunft eingefchloffen, in welcher er fich nicht bewegen kann, nicht aber den, der außer und über der Vernunft ift, dem alſo mög- Ich, was ber Vernunft unmöglich, ber dem Geſetz gleih, d. h. von ihm frei machen Tann. Diefen will es nun; zwar kann das Ich ſich nicht felbft den Beruf zufchreiben ihn zu gewinnen Gott muß mit feiner Hülfe entgegentommen ', aber es kann ihn mollen, und hoffen, turd ihn einer Seligkeit theilhaftig zu werden, die, ba weder das fittliche Handeln noch das befchauliche Leben die M luft aufzuheben vermochte, Feine verdiente, alfo auch Feine proportionirte, wie Kant will, fondern nur eine unverbiente, eben darum incakculable, überfchwäng- liche ſeyn kann. Bei Kant, der auch über das Gefeg hinaus will, iſt es nicht das Ich, fondern bloß die Philoſophie und die Proportion, bie über das Gefeg hinaus verlangt, nad einer aljo verbienten Slüdfeligkeit, die nicht in der Einheit mit Gott befteht, ſondern etwas relativ Aeußres ift und eigentlich bloß ſinnliche?. Ich verlange aber viel- mehr eine. Seligfeit, worin ich aller Eigenheit, alfo auch ber Sittlichfeit als eigner. enthoben werbe; die erwartete Seligfeit würde mir getrübt, wenn ich fie noch als (wenigftens mittelbares) Erzeugnig meines Thuns - betrachten müßte”. Wenn immer nur pröportionirte Seligfeit, fo wäre bieß ein Grund ewiger Unzufrievenheit, und e8 wird alſo doch nichts anbres bleiben. und Fein philofophifch ſich dünkender Hochmuth uns ab» halten, dankbar anzunehmen, daß unverbient und aus Önaben und zu Theil were, was wir anders nie erlangen können

' „Und dieſes Elends Ende hoffe nicht zu fehn, Bevor ber Götter Einer abzuldfen bich erſcheint·

(molv av Hsöv rıs dıadoy ös röv Söv novav „Yanvi;) fagt Hermes zu Pro- metheus. v. 1006. 1007.

% S, Kritik d. prakt. Vern. Harten einſche Ausg. IV, S. 234 unten. 2 Nah Kant a. a. O., S. 229, ift Glüdfeligleit nur das zweite Element bes höchſten Guts, was richtig iſt, wenn das zweite bas höhere. Richt als Lohn ber Sittlichleit, ſondern als das Höhere wird fie geſucht, jene befriebigt nicht.

* Die negative Philofophie fagt uns wohl auch, worin bie Seligkeit liegt, aber ſie hilft uns nicht dazu.

Das Verlangen nad dem wirklichen Gott und mad Exkefung terh ihm iſt, wie Sie fehen, micht® anderes, als das lautwerdeade Berürhif, der Religion. Mit biefem endet bie wen Dem. Ich werke Bahn. Zu der Freubigfeit- bes Dafeyns, Die es anf Dem eignen Bayn wicht gefunden, hofft es zu gelangen, wenn es ven Gott im ber Mil fichfeit hat und mit diefem vereinigt (verföhnt) wird, de &. Bund de Religion. Ohne einen activen Gott (ber nicht nur Objekt ver Em tempfation iſt) fan es feine Neligion geben denn dieſe jegt ein wir Bios, sealeh. Beihlipeiß des Menfäien zu: Gou voruns -— fenie a Bei. Sefchihe,. im ‚wer Geti Borfchuing AR \. Daher 6 inch m Versunftwifienjijet feine Weigien, clio überhaupt. leise Bernusie veligion iR? Km Eube ver ——— Bri⸗vhie item welche Dieligion, wit. icq⸗, nz Religion „inmenheih der Bene der reinen Vermanft⸗ Sieht man im Eide ber Berumefhoiffeiiieh: Vernunftreligion, fo liegt hierin eine Täuſchung. Die Vernunſt führt nicht zur Religion," wie denn auch Kants theoretifches Kefultat iR, def es teine Vernunftrefigion gibt. -. Daß man von Gott nichts wiſſe, # das Rejultat des ädhten, jedes ſich ſelbſt verſtehenden Rationakitmek. Mit dem Uebertritt in bie poſitive Philofophie kommen wir erft in des Gebiet ter Religion und ber Religionen, und können auch jegt af m warten, baf uns bie philofophifche Religion entfteht, um welche eh bei dieſer ganzen Darftellung zu thun ift, d. b. bie Religion, melde

* Dit der Vernunftwiſſenſchaft if eine Pfilojophie dev wirklichen Gefchichte u möglich obgleich wir zugegeben haben, daß auch big Philoſophie ber Geſqhichte ie negative Seite hat; |. oben &. 542.

? Dan wird nicht einwenben, baß wir ja bei nach bem Bothergeherden be Religion ſelbſt ols ein Moment ber Vernunftwiſſenſchaft ſetzten; allerbings, aber feiner von benen, welche eine Bernunftreligion wöllen, wird jene ganz ine Gab jett zuridgehenbe, von Aſteſe nicht zu trennenbe Religion, bie ein Gegenja aller Wiſſenſchaft, für Beruunftreligion nehmen gber gelten laſſen. Bon .einer Bar nunftreligion (auf bie alle Rationaliften ſich berufen, see befänben fie Rh {m unzweifelhaften Befige einer folchen, während in ber That mid zwei unen- An benennen When, cn man Re Smash nelte, fie wixtisch kufae Rellen, fi) micht immer Bloß auf fie zu Berufen), zumal bie Wiſſenſcheſt wol, weiß Fie rationelle Philoſophie nichts.

969 die wirkliche Religionen, die mythologiſche und bie ‚geoffenbarte, reeil zu begreifen hat‘, wobei nun auch am beften einzufehen, daß was uns philofophifche Religion heift mit der fogenannten Vernunftreligion nichts gemein bat. Denn geſetzt es gäbe eine folche, ſo gehörte ſie einer ganz andern Sphäre an, wicht ber, in welcher ſich uns die philoſophiſche verwirklicht.

Es hat ſich alſo gezeigt, wie dem Ich das Bedürfniß, Gott außer der Vernunft (Gott nicht bloß im Denken oder in ſeiner Idee) zu haben, durchaus praltiſch entficht. Dieſes Wollen iſt Fein zufälliges, es iſt ein Wollen des Geiſtes, der vermöge innrer Nothwendigkeit und im Sehnen nach eigner Befreiung bei dem im Denken eingeſchloſſenen nicht ſtehen bleiben kann. Wie dieſe Forderung vom Denken nicht aus-· geben kann, fo iſt ‘fie auch nicht Poſtulat der praltiſchen Vernunft. Nicht diefe, wie Kant will, fondern nur das Individuum führt zu Gott. Denn nicht das Allgemeine im Menſchen verlangt nach Gtüdfeligteit, fondern das Individuum. Wenn ber Menſch angehalten ift (durchs Gewiſſen oder durch die praftifche Vernunft), fein Berhältniß zu ben andern Individuen darnach -zu bemefien, wie e8 in ber Meenwelt wer, jo Tann das ntır das Allgemeine, bie Bernunft in ihm befriedigen, nicht ihn, das. Individuum. Des Individuum fir fih Tann nichts: anders verlangen, als Glüdfeligkeit. Damit trat von Anfang, d. h. ſowie das Gejchlecht dem Gefeg unterworfen war, ber Unterfhieb ein, daß was

‘in der Folge nur poftulirt wird, das Individuum (nicht die Bermunft) poftulirt, umd fo ift e8 auch das Ich, welches als jelbft Perſönlich- keit Perfönlichkeit- verlangt, eine Berfon forbert, die außer der Welt und über dem Allgemeinen, bie ihn vernehme, ein Herz, das ihm gleich Tey?.

S. oben ©. 243 fi. und ben Anfang ber eilften Vorl. Vgl. auch S. 886. 2 Diefes Suchen nach Perſon ift baffelbe, was den Staat zum Konigthum führt. Die Monarchie macht möglich, was vermöge bes Geſetzes unmöglich. Denn da 3. B. bie Geſetze, bie im Staat, nicht auch für den Staat gelten, fo uiuß, da boch Berantwortung feyn muß, eine Berfon ba feyn, bie verantwortlich

(vor einem hoͤhern Nichterftuhl, ale dem bes Geſetzes), ber König, ber ſich gleich⸗ ſam zum Opfer tarbietet für fein Boll. Ferner: bie Vernunft und das Geſetz

870

Das Ich demmach ift es, welches fagt: Ich will Gott außer der Ioer, und damit bie oben erwähnte Umlehrung verlangt, bie wir un uud ihren Folgen näher beftinunen werben. |

Ienes Wollen bezieht fi aux auf den Uebergang Worit vie pefitive Philoſophie ſelbſt beginnt, iſt das don feiner Boramtfehung ab- * gelöste, zum prius erffärte A*; als das ganz Ipeesffreie ift es reines Daß (Wo ve), wie e6 in ber vorigen Wiſſenſchaft zeriidhfieh, nur iſt 68 jet zum Unfang gemacht. Diefes aber if} die Stellung, vie es im ber Birlichleit haben muß. Denn ift nicht, weil —A+ArAM, fonbern umgelehet, A + A + A ift, weil iſt (wiewohl biefes wicht Iſt, ohne das Seyende zu ſeyn)“; daher es auch das ift, mas über dem Seyehben, und jenes Ich will Gott außer ber See“ fo viel befagt, ale: Ich will, was über dem -Gehenben if. In feinem Tyrı- Senn (nicht Mee⸗Seyn) aber befteht fein Unaufldsliches, In biffolubles, wodurch e8 auch allein der unzweifelhafte Anfang ſeyn fann, wie wir dieß früher gefehen . Nun ift aber nicht ohne das Senente. Ohne etwas, woran es ſich als eriftirend erweist, wäre es fo gut als nicht vorhanden, e8 gäbe keine Wiſſenſchaft deſſelben (alfo auch feine pofitive Philofophie). Denn es gibt keine Wiſſenſchaft wo nichts Allge meines. Es ift demnach von dem Fo zu zuerft zit zeigen, wie. es bas Seyende ift, und ba es biefes jet nur als das posterius und con- sequens von ihm feyn kann, fo ift bie Brage Die: Wie ift es möglich, daß A+A + A Folge von feyn kann? Iſt diefe Frage gelöst, fo ift Gott wieder in feinem Verhältniß zur Idee begriffen, begriffen als Herr des Seyenden, vorerft aber nur des Eeyenben, das in ber Idee ift (noch nicht des Seyenden, das außer ber Idee iſt). Hierauf erft

fiebt nicht, nur die Perſon kann lieben, biefe Perfänfichkeit aber kann im Etaat mr der König ſeyn, vor dem alle gleich fin.

ı Diefer Stellung Gottes entſpricht im Staat bie Stellung bes Könige; für die Stellung des Könige, für bie Majeftät iſt das Urbilt, ohne welches fie nicht begrüünbet werben kann. gl. Arist. Eth. Nicom. VIII, 12: ovᷣ rap darı Basıleus o un aurdpang nal nädı vol; racs unspiyav' o da ruor rog owdsrog srpogdelrar.

2 in ber breisehnten Borlefung.

571.

Handelt es fich in zweiter Linie darum, daß er fi} auch als Herrn des Seyenden, das außer ver Mee, d. h. des exiſtirenden, empirifchen er- weiſe; wodurch Gott erſt in die Erfahrung und in dieſem Sinne (dem eigentlich gewollten) in die Eriftenz geführt, in dieſer erkannt wäre. Denn wenn Gott ein Berbältnig nicht nım zum Seyenden in der ee, fondern auch zum Seyenden, das außer der Idee ift, d. h. dem exiſti⸗ renden hat (denn was eriftirt, iſt außer ber Jbee), wenn er dieſem ebenso. Urfadhe ift und dem alterirten Seyn inwohnend erfcheint, wie er Urſache des Seyenden in der. See ift: fo zeigt er feine von ber Hoee’ unabhängige, alfo auch mit Aufhebung derſelben beſtehende Wirk: lichkeit und offenbart ſich alfo als wirkfihen Herrn des Seyns.

Hiemit ift jedoch der Beweis, um den es ber pofitiven Philofophie zu thun iſt, nicht gefchloffen, wenn er gleich in ver Hauptfache geführt ift. Es geht diefer Bemeis (der Eriftenz des perfönlichen Gottes) keines⸗ wegs bloß bis zur einem beftimmten Punlt, nicht alfo etwa bloß bis zu der Welt, die Gegenftand unferer Erfahrung ift; ſondern, wie ih, felbft bei menſchlichen Individuen, die mir wichtig find, nicht genügend finde, nur überhaupt zu wiflen, daß fie find, ſondern fortdauernde Erweife ihrer Eriftenz verlange, fo tft e8 aud) bier; wir fordern, daß die Gott« heit dem Bewußtfeyn ver Menſchheit immer näher tritt; wir verlangen, daß fie nicht mehr bloß im ihrer Folge, fondern felbft ein Gegenftand des Bewußtſeyns wird; aber auch dahin ift nur ftufenweife zu gelangen, zumal bie Forderung ift, daß die Gottheit nicht in das Bewußtſeyn einzelner, fonvern in das Bewußtſeyn ver Menfchheit eingebe, und fo fehen wir wohl, daß jener Erweis ein durch die geſammte Wirklichkeit und durch die ganze Zeit des Menſchengeſchlechts hindurchgehender ift, ver infofern nicht ein abgefchloffener, ſondern ein immer fortgehenber ift, und ebenfo in die Zukunft unferes Geſchlechts hinausreicht, als in die Vergangenheit vefjelben zurückgeht. In diefem Sinne vorzüglich auch ift bie pofitive Philofophie gefchichtliche Philoſophie.

Diefes alfo ift die Aufgabe der zweiten Philofophie; der Uebergang zu ihr ift gleich dem Webergang vom alten zum neuen Bunde, vom Gefeß zum Evangelium, von der Natur zum Geift.

572

Was aber jene erſie Frage betrifft, bie Frage-nämfid: wie il möglid, daß, wenn A* prius, das Seyende dat ‚vermäge hähfer Bernuuftnothwendigleit mitgefegte ift? fo iſt dieſe noch auf ralie nalem Wege zu loſen; infoferm gehört fie aud noch in dieſe Vorträg, und ift fie and in diefer Form nen, fo iſt fie doch im anbrer Form ſchen im früherer Zeit dageweſen in ter Unferfuchung über bie Quelle der ewigen Wahrheiten *.

* Diefe Unterfuchung if in ihrer geihichtfichen Entsvidtung zufannmengepelt

gebrndten den Schiufftein diefer Dasfellung ber rationalen Bhilofopgie Bilder. D. &

Br |

Abhandlung

fiber

die Onelle der ewigen Wahrheiten.

Ueber die Quelle der ewigen Wahrheiten. Geleſen in der &efammtfigimg der Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin am 17. Jannar 1850.

Die Frage, über weldye ich heute zu fprechen beabfichfige, hat ſchon die Philofophie des Mittelalters befchäftigt, wie fie rüdwärts zufammen- hängt mit den größten Unterfucdhungen des philofophirenden Alterthums. Wieder aufgenommen von Descartes und von Leibniz, ift fie durch bie neue von Kant eingeleitete, aller Unterbrechungen und augenbliclichen Berfölihungen ohngeachtet, von ihrem wahren Ziel noch nicht abge brachte philofophifche Bewegung ebenfall® in ein neues Stabium getreten und vielleicht der Entſcheidung näher gebracht worden. Die Frage, bie ich meine, bezieht fich auf die fogenannten ewigen over nothwendigen Wahrheiten, insbefonvere auf die Duelle derſelben; doch war dieß ber einfachfte Ausdruck; im vollſtändigeren handelte es fi de origine essentiarum, idearum, possibilium, veritatum aeter- nerum; bieß. alles wurde als daſſelbe betrachtet. Denn 1) was bie Weſenheiten betrifft, fo galt e8 als unwiderſprochener Grundſatz: essen- tias rerum esse aeternas. Zufälligteit (contingentia) bezieht fih ſtets nur auf die Eriftenz der Dinge, zufällig iſt die bier, an dieſem Ort, oder jet, in dieſem Augenblid, exiſtirende Pflanze, nothwendig aber und ewig ift die Wefenheit ver Pflanze, nicht anders ſeyn könnend, fondern nur fo oder gar nicht. Hieraus erhellt von felbft, daß bie essentiae rerum auch bafjelbe find mit den mehr ober weniger pla- tonifch gedachten Ideen. Da ferner bei der Weſenheit die Wirklich⸗ keit nicht in Betracht kommt, indem bie Wejenheit viefelbe bleibt, vie Sache mag. wirklich vorhanden feyn ober nicht, wie ſich die Wejenheit

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eines Kreiſes nicht im Geringſten dadurch äubert, daß ich einen Exil wirklich beſchreibe: fo ift hieraus begrei das Reich der Dicke keiten auch das Reid ter Möglichkeiten, uub was nur jo möd, nothwendig fo if. Dieß führt von ſelbſt auf bew wierten Nnthenl ber notfänenbigen ober ewigen Wahrheiten. (Bemäfudich wich N m auf die mathematifchen bezogen. Über ber Begriff if viel weiter. Da fen wir uns, wie Rat, bie hochſte Beruunftibee als Inbegriff aller Mi lichkeiten, fo wird es and eine Wiſſenſchaft geben, bie biefe Mögik keiten unterfheivet und erlennbor macht, indem fie bemfthätig dieſelle aus ber Potentialität heranstreten und im Gedanken wirklich werte

Ußt, wie die Mathematik that, wenn fie das was in einer Figur, ; ®. dem rechtwinllichten Dreied, bloß -potentik (dem Bermögen nad) #, wie das Berhältuiß der Oypotenuſe zu ben Katheten, wenn fie, fg ich, dieſes findet, indem vie Denkthätigleit (0 vovg dvapyıjous) e8 m Aus erhebt. Burspor, fagt Ariftoteles, üre ra dvndueı: na als ivdpysıay avaybussa svoloxsras (Offenbar ift, daß das bef der Potenz .nach ſeyende durch Ueberführung in Actus gefunden wird Dieß ift der Weg aller reinen ober bloßen Bernunftweflenfchaft. Ya der höchſten Vernunftidee wirb nun unftreitig auch bie Pflanze prü- beterminirt, und es wird nicht abfolut unmöglich ſeyn, von den erfien Möglichkeiten aus, die fi) noch als Principe barftellen, zu ber fchen vielfach bebingten und zufammengefeßten Möglichkeit ver Pflanze fortzu⸗ ſchreiten. Es wird, fage ich, nicht abfolnt unmöglich fern. Tem e8 handelt ſich bier überhaupt nicht um das uns, fonbern um tat an fih Mögliche; das ums Mögliche iſt überall von vielen ſeht zufälligen Bedingungen abhängig; für ſolche Ableitungen ift uns die Beihülfe der Erfahrung unentbehrlich (ein höherer Geift könnte fie viel: Leicht entbehren); die Erfahrung aber ift eine immer fortfchreitende, wie abgejchloffene,, und aud das Maß der Anwendung unferer an fih be ſchränkten geiftigen Facultäten gar fehr von Zufällen bedingt. Ange nommen nun aber, was im Allgemeinen als möglich anzunehmen if und nie aufgegeben werben barf, Daß von ber höchſten Vernunftidee bib zur Pflanze als nothwenbigem Moment derſelben ein ſtetiger Fortſchein

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zu finden fey: fo ift vie Pflanze in dieſem Zuſammenhang nichts Zu-

fälliges mehr, fondern felb eine ewige Wahrheit, und ich will nicht ausfpredhen, wie man über den Naturforfcher urtheilen müßte, tem dieß gleichgültig wäre und deſſen Forſchungen nicht von dem beftänbigen Bewußtſeyn begleitet wären, daß er, womit immer befchäftigt, nicht mit einer bloß zufälligen und für tie Vernunft nichts werthen Sache, fontern mit einer foldyen zu thun babe, tie in dem großen, wenn auch ihn unüberfehbaren Zufammenhang eine nothwendige Stelle und damit eine ewige Wahrheit hat.

Nachdem ich auf diefe Weife die Ausdehnung des Gegenſtandes der Trage gezeigt zu haben glaube, komme ich auf den Anlaß, und werde zunächft anführen, wodurch tie Scholaftiler beftimmt worten, fich nad) der Quelle der ewigen Wahrheiten umzufehen.

Diefer Anlaß alfo war, daß ewige, d. h. nothwendige Wahrheiten ihre Sanction nit von dem göttlichen Willen haben konnten; bloß durch göttlihes Gefallen feftgeftellt, waren fie zufällige Wahrheiten, vie ebenfo gut auch Nichtmahrheiten ſeyn konnten; es mußte alfo eine vom göttlichen Willen unabhängige Quelle derfelben anerkannt werben, und ebenjo mußte e8 etwas vom göttlihen Willen Unabhängiges ſeyn, worin die Möglichkeiten der Dinge ihren Grund hatten. Zwar für Thomas von Aguino war die Möglichfeit noch in ber essentia divina felbft, nämlich in ver als participabilis s. imitabilis gedachten; eine Borftellung, wovon fih die Spur noch bei Malebrandhe findet. Im den Ausdrücken erfennt man leicht die platonifhe zetefıs und tie mehr den Pothagoreern gebrändliche uiunyaıs. Aber wer fieht nicht zugleih, daß bier ver Fähigkeit ver Dinge, an dem göttlichen Wefen theilzunehmen ober es nacdhzuahmen worin die Möglichkeit ber Dinge beftehen würde daß dieſer eine Fähigkeit des göttlihen Weſens, an fi theilnehmen oder fi nadhahmen zu laflen, unterge- [hoben wird, womit die Möglichfeit auf Seiten der Dinge nicht erflärt wäre. Unausbleiblih alfo war die Anerkennung einer urfprünglichen, nicht bloß vom göttlichen Willen fondern aud vom göttlichen Wefen un⸗ abhängigen Möglichfeit ver Dinge. Eine ſolche behaupteten die Scotiften,

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Schelling, fämmtl. Werte. 2. Abtb. 1.

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gezwungen dadurch, wie ein Anhänger von Leibniz fich austrüdt, eoacti admittere prineipium realitatis @ssentiarum nescio quod a Deo distinctum eique coaeternum et COnnecessarium, ex g00 essentiarum pendeat necessitas et aeternitas. Dieſes nescio quod hätte fich übrigen® felbft nach ten von Ecotn® gebrauchten Anstrüden bi@ zu einem gewifien Punkt wohl überwinden laſſen. Scotus ſprach von einem ente diminuto, in quo possibile constitutum sit. Ens diminutum foll in ven Latein des Ecotus unftreitig nichts anderes bezeichnen, als was nur in nutergeortnetem Sime dad Seyende zu uennen it, wie auch Arijtotelee Tas noWrwg 6w, das erftlich Seyende, von dem bloß Exouevans öp, von tem was bloß als Folge und Mit- geietteß eines anteren ift, dad dvapyaig OÖ» von dem bloß YAxwcg ür unterjcbeitet und legtered dem Övaduer O9 ober tem un Ö» gleichſetzt (wohl zu unterfdeiten von ten 0Öx öw, tem ganz und gar nict fenenten.. Ueber tie materielle Natur alje jenes Mitgeſetzten blieb wohl fein Zweite. Das Ungelöste und bis in unfre Zeit ungelöst Ge bliebene lag nicht in ter Beſchaffenheit, fentern darin, Taf jenes der eignen Natur nad bloß Seynkönnende tod irgent ein Verbältniß zu Gott baben muſtte. Es fam mm aber Tescartes, ter den Knete zerbauent auf feine Weile, nämlich haftig, das Gegentheil ausiprac: die mathematiichen wie die andern fogenannten ewigen Wahrheiten jenen von Gott feftgefegt und vom göttlihen Willen nicht anders abhängig als alle andern Greaturen. (Die eignen Worte des Descartes ſind in einem ſeiner Schreiben folgende: Metaphysicas quaestiones in Physica mea altingam, praesertim vero hanc: veritates mathematicas. quas aeternas appellas, fuisse a Deo stabilitas et ab illo pendere non sccux quam reliquas creaturas)., Man fünnte verjuden, tie Worte fo auszulegen, als folle nur vie Unabhängigfeit ter ewigen Wahrheiten von der göttlihen Erkenntniß witerlegt werten, ent: gegen denjenigen Scotiſten, welche lehrten: tie ewigen Wahrheiten würden bejtehen, auch wenn gar fein Berftanb wäre, nicht einmal ter göttlibe. Allen dieſer Auslegung widerſpricht eine antere Aeukerung des Philoſophen, felgente: In Deo unum idemque est velle et

537) cognoseere, ita ut hoc ipso quod aliquid velit ideo cognoscat. et ideo tantum (nämlich weil er e8 will) res est. vera.

Tie nächfte Folge, die ſich aus dieſer Behauptung ergeben würde, wäre für die Mathematik, daß fie eine bloße Erfahrungswiſſenſchaft ſey; denn was vie folge cine Willens, und demnach zmiällig iſt, ta es ebenjo gut nicht ſeyn könnte, kann bloß erfahren, nicht wie man fagt a priori gewußt werben. Tem wiberfpricht aber ſchon, daß es in ber Erfahrung feinen Punkt gibt, in ver Wirklichkeit feine Linie, bie vollfommen gerade, oder ohne alle Breite wäre, woraus auf jeden Ball folgen würde, daß bei den erften Begriffen oder Vorausſetzungen der Geometrie etwas anderes in Spiel ift als bloße Erfahrung. Ich fage auf jeven Ball; denn mit tem Allgemeinen, daß die Mathematik eine apriorifche Wiſſenſchaft fen, ift vie Sache auch nicht abgethan, ich fann mid aber bier auf bie fpecielle Unterſuchung ber Geneſis ber mathematifhen Wahrheiten nicht einlafien und muß dieſelbe für eine andere Gelegenheit vorbehalten. Am meiften aber miberfpricht ter Be⸗ bauptung (daß Die mathematischen Pehren nur wahr ſeyn follen in Folge des göttlichen Willens) die ganze Natur der Mathematil. Denn wo immer Wille dazwiſchen kommt, ift von Wirflihem bie Rebe; aber offenbar ift, daß die Geometrie z. B. nit um das wirkliche, fon- dern nur um das mögliche Dreied fi) bemüht, und ver Sinn feines ihrer Säge ift, daß dem wirklich fo fen, ſondern daß es nicht anders jeyn könne, und das Dreied z. B. nur fo möglid ift, daß feine intel zufammengenenmen zweien rechten gleich find, wo bann freilich folgt, daß das Dreied auch fo ſeyn wird, wenn es Iſt, aber daß es Iſt, als ganz gleichgültig betrachtet wird. Die Folge in Bezug auf bie Mathematik würde nun freilich wohl Descartes am wenigften zugegeben haben; aber e8 iſt darum nicht weniger wahr, taß fie aus feiner Ab- leitung der ewigen: Wahrheiten von dem göttlichen Willen unabwendlich folgt, und daß mit tiefer Annahme den Wiſſenſchaften überhaupt alle ewig gültige Wahrheit entzogen wäre. Man könnte, wie Peter Bayle, aus Descartes Ausſpruch den Schluß ziehen, taß 3 + 3=6 nur wahr it wo und fo lang e8 Gott gefällt, daß es vielleicht unwahr ift in

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antern Regionen des Weltalld und im nädften Jahr auch für une anf- bört wahr zu fenn. Bon ernfteren folgen aber würde die Sache Iren, wenn die Pehre auf das fittliche und religiäfe Gebiet übergetragen würte, wie dieß durch einige. Theologen ber reformirten Kirche gefchah, tie fih turd vie Pehre vom decretum abeolutum bis zu ter Meinung fortreißen ließen, daß auch ter Unterfchied won Gut und Bös fein objeftiver, fontern allein durch ten göttlihen Willen feftgefeßter fen. Bon tiefer Seite befonders bat Descartes ber oben ermähnte Baple angegriffen, deſſen Worte, die Leibniz einer Stelle in ſeiner Theodicee nicht unwürdig gefunten, ich auch bier wiererholen darf. „Cine Menge der erufteften Autoren, fagt er, erklären ſich dafür, daß es jedem gött⸗ lichen Gebot vorausgehend und unabhängig von einem jeldhen in der Natur der Tinge felbft ein Gutes und ein Böfes gibt. Zum Erweis tiefer Behauptung gelten ihnen befonder® die abfcheulichen Fol⸗ gen ter entgenengefegten Pehre, aber es gibt ein direkt treffendes, and ter Metaphyſik bergenemmenes Argument. Es ift eine gewiſſe Sache, dar Gottes Exiſtenz nicht eine Folge feines Willens ift: er eriltirt nicht weil er will, nnd wenn er ebenfo wenig almächtig oder allwiſſend ift, weil er es ſeyn will, fo kann fich fein Wille überhaupt nur auf außer ibm Sevendes erftreden, doch auch fe nur tarauf daß es Iſt, nicht aber auf das was zum Weſen deſſelben gehört. Geott, wenn er wollte, konnte die Materie, den Menſchen, den Kreis nicht wirklich machen, aber unmöglich war ihm, ſie wirklich zu machen, ohne ihnen ihre weſentlichen Eigenſchaften mitzutheilen, tie demnach nicht ven ſeinem Wollen abhangen” '. Man tarf es mit geiftreihen Reden nit zu ftrenge nehmen; fonft könnte man in Bayles Worten tie Meinung turdfcinmern fehen, daß die Eriftenz Gottes eine ewige Wahrheit in temfelben Einne fey, in melbem ihm 3 +3 =6 eine folde ift; eine Meinung, der man fi doch vieleicht ebenſowohl verfucht finden könnte zu widerſprechen, mie jener Abt eines Kloſters, der den allzu eifrigen vehrer, welcher ſich hatte hinreißen laſſen, zu fagen, Gottes Daſeyn

Erdmann'ſche Auéegabe von Leibniz, S. [.60, 8. 188.

fey fo gewiß, als daß 2 mal 2 vier fey, wegen biefes Ausſpruchs zu- rechtwies, indem er binzufettte, Gottes Dafeyn fey weit gewiſſer als va 2xX2=4 fen. Sch begreife vollfommen, wenn, wie ferner erzählt wird, die Zuhörenden über eine foldye Aeußerung lachten, wie ich be greife, daß es auch jetzt noch Menſchen genug gibt, vie nicht begreifen können, wie etwas -gewifler ſeyn könne ald daß 2xX2=4 ift. Ohne den Ausdrud unterfuchen zu wollen, ift gewiß, daß e8 Wahrheiten von verfhiedener Ordnung gibt, und daß den Wahrheiten ver Arith- metif und der Mathematit überhaupt ſchon darum nicht unbedingte Gewißheit beimehnen Tanı, weil diefe Wiflenfchaften, wie ich in meiner frühern Borlefung aus Platon angeführt, mit Boransjegungen zu Wert geben, die jie felbft nicht rechtfertigen, und damit, was teren Werth und Geltung betrifft, einen höheren Gerichtshof anerkennen; ferner weil fie vieles nur erfahrungemäßkg wiſſen, 3. B. von geraden uud ungera- ven, abgeleiteten und Primzahlen, für welche fie noch nicht einmal ein Geſetz des gegenfeitigen Abftandes gefunden.

Mit Bayle erklärt ſich nun Leibniz, was die Unabhängigkeit der ewigen Wahrheiten vom göttlichen Willen betrifft, einverſtanden, nicht aber ebenjo mit den äußerften unter ven Scotijten, oder überhaupt mit denen, bie ein von Gott in jedem Sinue unabhängiges Reid) ewiger Wahrheiten, oder eine für fih und außer allem Zufammenhang mit "Gott beſtehende Natur der Dinge aufftellen. Wenn der Wille Gottes nur die Urſache der Wirklichkeit der Dinge zu feyn vermag, fo Tann die Duelle ihrer Möglichkeit nicht auch in diefem Willen, fie kann aber ebenfowenig eine von Gott unbedingt und in jedem Betracht unabhärigige ſeyn. „Meines Erachtens“, fagt Leibniz (in der Theobicee), „ist ber göttliche Wille die Urſache der Wirklichfeit, ver göttlihe Berftand aber die Onelle ver Möglichfeit der Dinge, dieſer iſt es, ber bie Wahrheit der ewigen Wahrheiten macht, ohne daß ver Wille daran Theil bat. Alle Realität, alfo, will er fagen, auch die, welche wir ben ewigen Wahrheiten zufchreiben müſſen alle Realität muß auf etwas gegränbet ſeyn, das eriftirt. Freilich ift wahr was jhon ein Theil der Scholaftiter geltend gemacht hat daß auch der Gottesleugner ein

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vellfomminer Geemeter jeon fann. Aber wenn fein Gott wäre, gäbe es kein Objekt Der Geometrie, und ohne Gott gäbe es nicht nur nichts Pas eritirt, ſondern auch nichts Mögliches. Das verhindert nicht, daß Pie, melde von ter Verbindung aller Dinge unter fi und mit Gott feine Kenntniß baben, gewiſſe Wiltenichaften verſtehen können, ebne ihre erjte Quelle zu milden, vie im Gott ift“!. Ta Leibniz dieß nur von gemwiiicn Wiſſenſchaiten jaat, fo bat er offenbar die Philoſophie aus— genommen. Ultima ratio tamı essentiarum quam cxistentiarum in Uno. itt Yeibnizens allgemeiner Ausſpruch in der Abhandlung de rerum orieinutione radieali. Zwiſchen „ganz unabhängig feyn von Gott“ mut kejtimmt ſeyn durch göttliche Willkür iſt etwas ın ter Mitte. Dieſes Mittlere iſt im der Unabhängigkeit vom göttlichen Verſtande. Leibniz bedient ſich dieſer Unterſcheidung namentlich um wegen Des Uebels und der Böſen in ter Welt jeden Vorwurf vom göttlichen Willen zu entiernen. Die Uriache des Uebels, ſagt er, iſt in Der idealen Natur ter Tine begründet, welche vom göttlichen Willen nicht abhängt, fen dern nur im göttlichen Verſtande iſt.

Aber dieſer Verſtand nun wie verhält er ſich zu den ewigen Wahrheiten? Entweder beſtimnit er von ſich aus und ohne an etwas gebunden zu ſeyn, was in Den Dingen nothwendig und ewig fonn Tell; in dieſem Fall iſt nicht einzuſehen, wie er ſich von dem Willen unter ſcheide, es beißt auch hier: stat pro ratione voluntas. Iſt es ter Verſtand Gottes, der, ohne durch irgend etwas beſtimmt oder einge Ichränte zu Ten, die Möoglichkeiten der Dinge, Die in der Wirklichkeit zu Nothwendigkeiten werden, ſich ausdentt, fo wird man and fe ter Willkür nicht entgehen. Oder iſt der Zinn Diefer: Der Verſtand ſchaiit dieſe Meglichkeiten nicht, er findet fie vor, er entdeckt fie als ſchon da ſevende, dann muß es etwas von dieſem Verſtand Verſchiedenes und von ihm ſelbſt Vorausgeſetztes jeun, worin dieſe Möglichkeiten begrüudet fine nud worin er dieſelben erblickt. Tiejes aber ſomit von göttlichen Verſtande Unabhängige, und woran wir dieſen ſelbſt gebunden zu denken

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hätten, wie follen wir e8 benennen? Duelle des Allgemeinen und Nothwendigen in den Dingen fann es felbft nichts Individuelles mehr ſeyn, wie wir den Berftand venfen müſſen; denn auch. der Leib: nizſche Ausbrud l'entendement divin fann nur von einer göttlichen Facultät verftanden werben. Unabhängig aber von allem Individuellen, ja dieſem entgegengejegt, ſelbſt das Allgemeine und Sig der allgemeinen und nothwendigen Wahrheiten, das alles läßt fih nur von der Ber- nunft fagen. Wir wären aljo auf eine vom göttlihen Willen unab- hängig exiftirende ewige Bernunft gewiefen, deren Schranken oder Gefeße der göttlidye Berftand in feinen eignen Hervorbringungen oder Entwürfen nicht überjchreiten Fönnte. Aber einmal auf diefem Punft, und bezaubert von bem über alles Individuelle uns hinweghebenden Allgemeinen jollten wir auf biefem Punkt ftehen bleiben, und nicht vielmehr des Inbdividuellen uns ganz zu entledigen ſuchen? Und dieß un jo mehr, al8 wenn man zwifchen biefer Vernunft und Gott unterfcheidet, zwei von einander Unabhängige angenommen werden müffen, deren feines von dem andern abzuleiten ift, während die Wijjenjchaft vor allem und zuerft auf Einheit des Princips dringt. Warum aljo nicht fagen, daß Gott ſelbſt nichts anderes ıft ale dieſe ewige Vernunft, eine Meinung, die, einmal als unwiderſprechlich und unter geſcheidten Leuten ſich von ſelbſt verſtehend adoptirt, unendlicher Beſchwerden überhebt und alles Schwerbegreifliche mit einemmal entfernt?

Man wird vielleicht gegen dieſen Fortgang einwenden, daß er viel mehr ein Sprung ſey und uns von der Leibuizſchen Zeit unmittelbar in die Öegenwart verjege. Denn das Syſtem, in dem die Vernunft ° alles ift, fe ja eben das neuejte. Allein es würde Daraus nicht folgen, was man folgern will, In dem Zeitraum von Leibniz bis auf Kant war Rationalismus die allgemeine Denfart der Zeit und nur durch fein philoſophiſches Syſtem repräſentirt (denn damals fehlte es bekaunt⸗ lich daran), alſo genöthigt, auf mehr populäre Weiſe ſich geltend zu machen und ſich auf die Theologie zu werfen. Tiefer theologiſche Ratio— nalismus, der freilich jelbft noch nicht wirkte, was er in legter Inſtanz wollte, ging (es läßt jich vier genan geſchichtlich nachweiſen unmittelbar

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ver Wolfffchen Schule hervor. Wenu aber dieſer Ratienulisuns «& in der ueneften Zeit dazu gelangt ift, fih als philofophifces Safıım aufzuteilen, fo dankt er dief freilich ber fpäteren Eutwidlung, aber fen dgenlicen Wurzeln hat er darum nicht in dieſer, ſoudern im ber ihr von wögegungenen Zeit. Denn eine einmal allgemein geworbene amd einem ganzen Zeitalter gleichjam zur andern Natur geworbene Denlart wird nır wor wenigen überwunden, bie ſich als Ausnahmen dar ſtellen, und läßt fih at ſofort durch ein philofophiſches Suſtem aufheben, vielmehr begikt V dot Gegenteil, bafı bie angenommene Denlert jench anfieit, ie Me.cO A dienfibex mad unb uuc das fa gefuchefte fh gefallen ft 1. "ine große und unautwehäläte. Ünbegurmlileit Jaftst jene u Mille das Motiwenbige und Mälgemeine der Dinge nidht exfiäst: fo zu: möglich ift es, aus reiner bloßer Beruumft das Zufällige und die Birt- fihleit ver Dinge zu erflären. Es bliebe zu tem Ende nichts übrig als anzunehmen, daß die Vernunft ſich feloft untren werbe, von fih felbſt abfalle, dieſelbe Idee, welche erſt als das vollfommenfte, und dem tkeine Dialcktit etwas weiteres anhaben könne, dargeſtellt worden, deß dieſe Ioee, ohne irgend einen Grund dazu in ſich ſelbſt zu haben, recht eigentlich, wie tie Franzoſen ſagen, sans rime ni raison, fid im dieſe Belt zufäliger, der Vernunft undurchſichtiger, dem Begriff wiberftreben- ter Dinge zerſchlage. Diefer Verſuch, wenn er gemacht würde, wäre ein merhwürbiges Beiſpiel, was man einer befangenen Zeit bieten darf; ihn beurtheilen? ja etwa mit den terentianifhen Worten: haec si ta po- " stules (ein ſolches ſich jelbft Berrüden ver Bernunft) certa ratione facere, nibilo plus agas, quam si des operam, ut cum ratione insanias. Bieter an Leibniz anzufnüpfen —, fo ift offenbar: Um bat gleich Unmöglihe einer volllommenen Wbhängigfeit und einer fa: Una hängigfeit zu vermeiden, nimmt Leibniz zwei verfhie ten in Gott an; aber wäre es nicht einfacher und natürlicher, die Urſache des verfchiebenen Verhälmiſſes zu. Gett in der Natur jenes nescio quod feleft zu ſuchen, das ten Grund aller Möglichkeit umd gleichfam ben Stoff, tie Materie zu allen Möglichkeiten enthalten fell, bemgemif

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aber jelbft nur Möglichkeit, alfo nur bie potentia universalis ſeyn fann, die als foldye toto coelo von Gott verfchieden, foweit auch ihrem Weſen nah, aljo bloß logiſch betrachtet, unabhängig von dem ſeyn muß, von dem alle Lehren übereinfiimmend fagen, daß er reine Wirklichkeit it, Wirklichkeit, in der nichts von Potenz if. Soweit ift das Verhältnig noch ein bloß logisches. Aber wie wird fi nun das reale Verhältniß darftelen? Einfach fo: Jenes alle Möglichkeit be greifenve, felbft bloß Mögliche wird des [elbft-Seyns unfähig, nur auf die MWeife ſeyn können, daß es fi als bloße Materie eines andern verhält, das ihm das Seyn ift, und gegen das es als das felbft nicht Seyente erfcheint. Ich gebe diefe Beftimmungen ohne weitere Motivi- rung, weil fie ſich alle auf bekannte ariſtoteliſche Sätze gründen. To vhixovu oVdEzore af aUrov Aexısov, „das Hyliſche, das bloß eines materiellen Seyns Fähige, kann nicht von ſich felbft, es kann nur von einen andern gejagt werden”, welches andere demnach es ift. Denn wen id B von A fage ipräbicire), jo fage ih, daß A Biift. Diefes andere aber, das dieſes, des ſelbſt⸗Seyns Unfähige, ift, dieſes müßte das ſelbſt-Seyende und zwar das im höchſten Siam felbit- Seyende ſeyn Gott. Das reale Verhälmiß alfo wäre, daß Gott jenes für fich felbft nicht Seyende ift, das nun, inwiefern es ift

nämlich auf die Weife Iſt, wie es allein ſeyn kann als das ens universale, al8 das Weſen, in dem alle Weien, vd. h. alle Möglich⸗ keiten find, erſcheinen wird.

Mit diefer Entwidlung find wir auf dem von Kant zuerft gleidy jam eroberten Standpunkt angelommen, ver ihm als der höchſte Preis jeines ebenfo unermüdlichen wie reblichen Forſchens zu Theil geworben, wenn er auch diefen Standpunkt nur eben erreicht bat, ohne von ihm aus felbft weiter ſortzuſchreiten. Ich kann mich über Kants Lehre vom Ideal der Bermmft kurz faflen, va ich fie früher, in ver Abficht, ſpäter Darauf zu verweilen, zum Gegenftand einer ausführlichen Abhandlung gemacht habe, die ich tie Ehre hatte ebenfalls hier worzulefen '. Kant

ı Enthalten in der zwölften Vorleſung.

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xiet alſo, bak jur verfuneimäßigen. Beflimumung ber Dinge bie Sir ver gefammten IRäglichkeit uber eines Subegrüffs aller Paicaie 1 Wirt. Die verficht die madlantifhe. Phiiefopfie, wenn fie vun Ice ſchlechthin, ohne weitere Beftimumung. fpeidht; biefe Ser [HR um ober eriffiet nicht, fie.iß chen, wie zum zu fagem pflegt, Soße Dec; es eriſtirt überhaupt nichts Wilgemeines, fenberm mur Ginzeines, uub bei allgemeine Wefen eriſtirt um, wenn das abfolute Einzelmelen es if. Nicht die Ioee ift dem Seal, fonbern das Soeal iſt der Se Unfäie des Eeyab, wie man umih inigemein zu fagen pflegt, af buch das Meal die Idee verwirklicht if. In dem Gap: bas Ioeal ik die rec, hat alſo das if micht die Bedentung ber bloßen Logiicen copula. PIE Er dem: er iſt ber Idee (der Bee Ür jenem hohen Gimm, wo fie de Mögligpkeit nach alles ift), er ift der Ihee Urſache des Seyus, Urjache daß fie IM, airia roũ alveaı, im ariftoteliihen Ausbrud.

Es if alfo nım wohl das Verhältniß fo beftimmt, daß Gott tat allgemeine Wefen ift, aber noch weder wie, noch in Folge welcher Rott wenbigfeit ex es if. Was nun das Wie betrifft, fo verftcht fih anfer dem ſchon Geſagten, daß Gott das AU der Möglichkeit ewiger Beilt, alfo vor allem Thun, daher auch vor allem Wollen ift. Und bo ik nicht Er ſelbſt diefes AU. In ihm ſelbſt if fein Was, er it dat reine Daß aetus purus. Aber um jo mehr, wenn in ihm jelht fein Was und nichts Allgemeines ift, durch welche Nothiwentigfeit ge: ſchieht es, daß was felbft oder in ſich ohne alles Was ift, daß tie das allgemeine Wejen, das alles begreiiende Bas ift?

Es kann nichts helfen zu fagen: vom bloß Individuellen ohne vb Algemeine würde es feine Wiffenfhaft geben. ‘'H emorıjun roũ xa- H6Aov. Denn warum eben foll Wiſſenſchaft feyn? und minmer fan die Möglichfeit unfres Willens die Urſache bavon feym, Da der in welchem ſchlechterdings nichts Allgemeine®, und der eben baburd über alles, was wir fonft Einzelnes uennen, weit erhaben ift (denn diejer trägt immer noch fehr viel Allgemeines in fih) daß dieſer, welder das abfolute Einzelwefen ift, das allgemeine Weſen if. Da er es miht

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wollend, und auch nicht in Folge feines Weſens oder Selbftes iſt denn dieſes, als das Abſonderlichſte (TO ualıora zworor6v), d. h. ald das Individuellfte, ift e8 vielmehr das, aus bem nichts Allgemeines folgen kaun —, fo kann er das Alles Begreifende mur feyn in Folge einer über ihn ſelbſt binausreichenden Nothwendigfeit, Aber welcher Nothwendigkeit? Berjuchen wir es auf diefe Weiſe. Sagen wir, diefe Nothwendigkeit jey vie des Eins-fenns von Denfen und Eeyn diefe ſey das höchfte Geieß, und teilen Zinn biefer, daß was immer Iſt auch ein Berhältnig zum Begriff haben muß, was Nichts ift, d. 5. was fein Verhältniß zum Denten hat, auch nit wahrhaft Iſt. Gott enthält in ſich nichts al8 das reine Daß res eigenen Seyns; aber dieſes, tag er It, wäre feme Wahrheit, wenn er nicht Etwas wäre - Etmas freilich nicht im Einn eines Seyenden, aber tes alles Seyenden —, wenn er nicht ein Verhäliniß zum Denken hätte, ein Verhältniß nicht zu einem Begriff, aber zum Begriff aller Be griffe, zur Idee. Hier ift die wahre Etelle für jene Einheit bes Seyns und Des Denkens, vie einmal ansgefprodhen auf fehr verfchiedene Weile angewendet worten. Denn es ift leicht von einem Syſtem, das man nicht überficht und das vielleicht übrigens auch noch weit entrernt it von ber nöthigen Ausführung, einzelne Feten abzureißen, aber es ift ſchwer, mit folden Feten feine Blöße zu deden und ſie darum nicht an ber unrechten Stelle anzuwenden. Es iſt ein weiter Weg bis zum böchften Gegenſatz, und jeber, ter von dieſem ſprechen will, jellte ſich zweimal fragen, ob er dieſen Weg zurüdicgt. Die Einheit, die bier gemeint ift, reicht bis zum höchſten Gegenjaß; das ift aljo aud Die legte Grenze, ift das, worüber man nit hinauskann. Ju dieſer Einheit aber iſt die Priorität nicht auf Seiten des Denkens, das Seyn ift das Grfte, tas Denken erſt das Zmeite oder Folgende. Es ift dieſer Gegenfag zugleich ter des Allgemeinen und des ſchlechthin Einzelnen. Aber nicht vom Allgemeinen zum Cinzelnen geht ter Weg, wie man heutzutag allgemein tafür zu halten ſcheint. Selbſt ein Tran: zofe, ter ji) übrigens um Ariftoteles Verdienſte erworben, ſchließt ſich dieſer allgemeinen Meinung an, indem er fagt: le general se realise

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en »s'individualisaunt. Es möchte fchwer jeyn zu jagen, woher vem Allgemeinen die Mittel und die Macht komme, ſich zu realiſiren. u fogen ift vielmehr: dag das Individuelle, und zwar am meiſten das es im höchſten Zinne ift, daß das Individuelle ſich realifirt, d. b. ſich intelligibel macht, in ten Kreis ver Bernunft und tes Erfennens ein⸗ tritt, indem es fich generalijirt, d. b. indem es das allgemeine, tas alles begreifende Wefen zu Sic macht, fi mit ihm beffeivet. Könnte man heutzutage noch über irgend etwas verwundert jeyn, fo müßte man es tarüber feyn, auch ven Platon, ten Ariftoteles auf jener Seite ge nannt zu hören, wo das Denken über das Seyn gejeßt wirt. Platon? nun ja, wenn man jene cinfame Stelle im jechsten Bud der Re publik überfieht, wo er von dem ayaı?o», d. h. von dem Hödhften in feinen Gedanken, jagt: oLx ovadas Ovros; tov ayadov dk in EXEXLUIE Tis OVUCIdz AVEOFEll Xu Övrause VRevEyoVToS, alſo, daß Das Höchſte nicht mehr ovara, Weſen, Was ijt, jentern noch jenfeits Des Welens, das an Würde und Macht ihm Vorangebente. Selbſt das Wort zueosdJeie, das in eriter Bedeutung Alter, erit in zweiter Anfehen, Vorrecht, Würde bezeichnet, iſt nicht umſouſt gerählt, jendern um jelbit tie Priorität vor dem Weſen auszudrüden. Wenn man alle dieſe Ztelle überficht, könnte es jcheinen, als gebe Platen dem Tenfen Den Vorrang über dag Seyn. Aber Ariſtoteles? Ariſto— teles, Tem Die Welt vorzüglich die Einſicht vertanft, Tap nur Tas In: dividuelle exiſtirt, daß das Allgemeine, Das Seyende nur Atrribut tt KAT J VOLLE Uoror , nicht ſelbſt Sevendes, wie das, was allein Zoorwg, zuerſt ſich fegen läßt Ariſtoteles, denen Austrud: ov 7, Oroia@ Ereoyeca allein alen Zweifel niederichlagen würde: Tenn bier it orocc, war ſonſt Dem Ariſtoteles das Tel doter, Tas eier, das Was, und Der Zimt iſt, daß ın Gott fein Was, fein Mecien ver: auogebt, an die Stelle des Weſens der Actus mitt, tie Wirklichkeit dem Vegrifi, ten Denken zuvorkommt. Dieſem abſeluten Daß in Gr lann dann aber nur das abſelute Was cntipreden. Wie aber Seit an emanter gekettet find, dafür betarf ed ned Bes beſtimmteren Ard trade. Wort iſt das allacıneine Weſen, Die Indifferenz aller Mögtıchteer.

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er ift dieß nicht zufälliger, fondern nothwendiger und ewiger Weile, er bat e8 an ſich, dieſe Inbifferenz zu ſeyn, an fidh in dem Sinn, wie man wohl ven einem Menjchen fagt, daß er etmas an ſich babe, um auszubrüden, daß er e8 nicht gewollt, ja zuweilen fogar, daß er nicht darum wiſſe. Aber eben darum, weil Gott jenes andere ohne fein Zuthun, nicht gewollter, alfo in Anfehung feiner felbft zufälliger Weife ift, ift es ein zu ihm Hinzugekommenes, ein ovußeßnxog im ariftotelifhen Sinn, zwar ein nothwendiges, ein aUTO X GUTOV UREOXoV, aber das ihm doch nicht im Weſen ift [un !v 17 oVoie öv), wogegen ihm aljo (mas zwar nicht hierher ge- bört, aber der Folge wegen wichtig ift) auch das Weſen frei bleibt. Ariftoteles erläutert ein folches nick im Weſen und doch an fich Haben durch ein aus der Geometrie hergenommenes Gleichniß. Daß die Winkel eines Dreiedd zufammen zwei Rechten, ift zwar ein dem Dreied za ccorò URaEoYov, ein ihm in Folge nothwendiger Ableitung Zu⸗ fommentes, aber es ift ihm tod) nicht in ber vVvo/a, denn der Begriff des rechten Winkels felbft kommt in ver Wefensbeftimmung ober Definition des Dreieds gar nicht vor; es kann ein Treied geben ohne rechten Winkel.

Die Erörterungen, denen ich mich hier überlaſſen, ſcheinen weit abzuliegen von allem, was jetzt vorzugsweiſe die Geiſter beſchäftigt, und democh haben fie eine ſehr nahe Beziehung auf die Gegenwart. Denn jenes dem ‘Denken über das Seyn, tem Was über das Daß ertheilte Uebergewicht fcheint mir nicht ein befonderes, jondern ein allgemeines Leiden der gefammten, glüdlicher Weife von Gott mit nnerjchütterlicher Gelbftzufriedenheit ansgerüfteten deutſchen Nation zu feyn, die fi im Stande zeigt, eine fo lange lange Zeit, unbelümmert um das Daß, mit dem Was einer Berfaffung fi) zu befchäftigen Wodurch alfo in der legten Zeit vie beutfche Philofophie mit umfeliger Improbuctivität gefehlagen worben, baffelbe fcheint mir auch die Urfache der politiichen Improductivität Deutſchlands, am ſchmerzlichſten zu empfinden in einem

Staat, der, von Kleinen und zweifelhaften Pinfängen durch umermäblk Thatkraft zu großer Bebeutung erheben, um fo mehr Urſache hat, Bat jenes Worte des großen Italiener® eingeben zu fee, daß bie Eis nıre durch dieſelben Urſachen erhalten werben, darch weldhe fie groß ge worben find. Wenn anf eine über jebe Anfechtung und allen Aweid erhabene Weiſe erft das Geyn fegeftellt if, mag man, wie es an von ſelbſt immer geſchehen ift, den Inhalt biefes Seyas dem Dafı und ber Berunnft gerechter zu machen fuchen. Fängt mau aber mit dem Iuhalt an, der für fih und von allen Griftenzbebingungen Inge trennt nur: ein allgemeiner feyn ann: fo wird man das eine Weile fortiegen können, aber mit Sheufeuiamı Ende gewahr werben, baf eh an dem Gefäß fehlt, dieſen Kuchen von fich felbft ind Weite, in DEWEEBeEIt, und alſo andy natürlich zu BVielherrichaft, denn das Was iR in jedem Ting ein antres, das Tar feiner Natur nach und daher in allen Dingen nur Eines; in dem großen Gemeinweſen, das wir Natur und Welt nennen, berrjcht ein einziget, jede Vielheit von jich ausſchließendes Daß; wenn aber auch mit Platen anzunehmen ift, daß weder bie Ungebilveten und aller Wahrkeit Un— fundigen den Staat gut verwalten werden, noch auch vie, melde chu Unterlaß und ausjchlieglih in der Wiffenfchaft gelebt haben, jene nidt, weil fie nicht Einen Zwed im Leben zu verfolgen gemohnt find, fentern vielerlei und zufällige Zwede, biefe nicht, weil fie nicht freiwillig auf menfchlihe Geſchäfte fi einlafien, ſondern jest fchon in den Inſeln ber Geligen zu wohnen ſich dünken werbeu: jo fann daraus nicht felgen, Daß der Philofoph, wenn auch die zufällige politiiche Strömung nah der entgegengefettten Seite gehen follte, nicht nur um jo mehr in ter Biffenfgaft feſthalte an jenem Homeriſchen, das ſchon durch Ari ftotele® die Metaphyſik fich als legten Grundſatz angeeignet hat: sig xoloavog ioro.

Drudiehler.

Seite 290 Zelle 8 von unten jeblt die Schlußklammer vor „weil“.

oben flatt würte lies: wurde

unten Ginen»felbft lies: Cinen ielbıt. ”» Neranter lies: Nlerantria.

oben flatt das; ließ: Suas.

unten verfdesiben lied: vorichreiben.

» meiſtecgaltig lies: muftergültig. fehlt Yinteg „Well: fcheiten.

Di urn Ar EL 5662