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Frohe Fracht

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Frohe Fracht

Neue Gedichte

von

Gustav Falke

Zweites Tausend

Hamburg » Alfred Janssen ° 1907

Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig

Germany

Fahre, Schifflein, fahre, Sterne über dir, Früchte mancher Jahre Trägt mein Schifflein mir.

War ein fröhlich Reifen In durchsonntem Raum, War ein fröhlich Greifen In den vollen Baum.

Lob ich meine Ware, Wer verdenkt es mir? Fahre, Schifflein, fahre, Sterne über dir.

Adolph Tormin

freundschaftlichst zugeeignet

September

Der Dornbusch prangt im Schmuck der roten Beeren, Die Dahlien in ihrer bunten Pracht, Und Sonnenblumen mit den Strahlenspeeren Stehn stolz wie goldne Ritter auf der Wacht.

Die Wespe nascht um gelbe Butterbirnen, Die Äpfel leuchten rot im Laub und glühn Den Wangen gleich der muntren Bauerdirnen, Die sich im Klee mit ihren Sicheln mühn.

Noch hauchen Rosen ihre süßen Düfte, Und freuen Falter sich im Sonnenschein, Und schießen Schwalben durch die lauen Lüfte, Als könnt des Sommerspiels kein Ende sein.

Nur ab und an, kaum daß der Wind die Äste Des Baumes rührt, löst leise sich ein Blatt, Wie sich ein stiller Gast vom späten Feste Heimlich nach Hause stiehlt, müde und satt.

Falke, Bilder und Klänge.

Die tote Mutter

Mütterlein, du hast dich ganz In die Erde nun verloren. Wenn dich meine Liebe ruft, Wo sind deine feinen Ohren?

Ach, was ist dir nun dein Kind, Seine Freuden, seine Klagen! Oder lockerst du den Grund, Weicher seinen Fuß zu tragen?

Oder schweifst mit Zärtlichkeit Durch die Wurzelgärtlein unten: Keimt, ihr Kräutlein, die er liebt, Grüßt ihn, Blümlein all, ihr bunten?

Oder atmest, süßer Hauch, Vor mir in der Rose Brennen, Schenkst mir wieder deinen Kuß, Und ich kann dich nicht erkennen?

Der Tulpenbaum

Der Tulpenbaum hat über Nacht All seine Blumen aufgemacht, Die weißen Sterne leuchten weit In ihrer keuschen Herrlichkeit.

Es ist, als hätts die Nacht bedacht. Was Liebes sie dem Tag vermacht, Damit von ihrem Märchenglanz Ein Schimmer leb in seinem Kranz.

Er aber, überreich an Licht, Bedarf der fremden Sterne nicht. Und bald entblättert, schnell und sacht, Das liebliche Geschenk der Nacht.

Kurzes Gewitter

Der Tag, ein Jüngling, schlank und braun,

Lehnte an meinem Gartenzaun.

Da kam ein Wetter schnell herbei.

Schlug aus der Hand ihm die Schalmei,

Fuhr hart ihn an mit Blitz und Krach:

Laß doch den Sonntagssingsang nach!

Und zauste Haar ihm, Kranz und Kleid.

Der arme Junge tat mir leid.

Doch pudelnaß noch, lachte schon

Der überraschte Sonnensohn.

Weit hinten schwamm der schwarze Graus;

Er schüttelte die Locken aus

Und pfiff, als ob er nichts erlitt,

Und alle Vögel pfiffen mit.

Der Angler

Des Himmels blasse Bläue, leicht betupft Mit Wolken, die geballter Watte gleichen, Und kleinsten, die wie weiße Dunen leicht Mit einem höhern Wind ins Weite streichen:

Bequem vor meine Füße hat der Teich, Der mittagsstille, mir dies Bild gebreitet, Durch das, ein wunderliches Himmelswild, Ein blankes Fischlein wie ein Vogel gleitet.

Ganz zaghaft werf ich meine Angel aus. Was wird sich heut an meinem Haken reißen? Ein Fisch? Ein Vogel? Oder wird gar ein Genäschig Englein auf den Köder beißen?

Schon hat es angebissen, zuckt die Schnur. Welch seltner Fang wird zappelnd nun erscheinen? Ach, nur ein simpler Barsch! Und trägt nicht mal Ein Märchenkrönlein, wie man sollte meinen.

Idyll

Maria, unterm Lindenbaum,

Lullt ihren Sohn in Schlaf und Traum.

Herr Joseph auch, der wackre Greis, Ist eingenickt und schnarcht ganz leis.

Vier Englein aber hocken dicht Auf einem Ast und schlafen nicht.

Sie schlafen nicht und singen sacht. Kein' Nachtigall es besser macht.

Groß überm Wald her, Himmelsruh, Hebt sich der Mond und guckt herzu.

Maria reißt die Augen auf,

Ihr fiel ein Schlummerkörnlein drauf.

Und ist erst in der halben Nacht, Daß sie bei ihrem Kind gewacht.

Sie sieht in all den Silberschein Mit großen Augen still hinein.

Hört kaum das Lied von obenher,

Ihr Herz ist bang, ihr Herz ist schwer.

Ein Tränlein fällt ihr auf die Hand Und blitzt im Mond wie ein Demant.

Der neidische Tag

Es läßt der Tag aus müder Hand Die letzten blassen Rosen fallen Und lauscht noch einmal, rückgewandt, Dem lautern Lied der Nachtigallen.

Die haben im versteckten Hain Schon seine Schwester froh empfangen, Die sanfte Nacht; sie stillt allein Der Liebe zärtliches Verlangen.

Er neidets ihr und achtets nicht,

Das zwitschernd aus den blauen Räumen

Noch eine Lerche fällt, um dicht

Ins Korn geschmiegt von ihm zu träumen.

Die Einsame

Ihr war ein großes Leid geschehn, Sie wollt es gern verschlossen tragen, Doch mußte jeder Blick es sagen Und jedes Lächeln es gestehn.

Sie hatte kleine Kinder gern Und mühte sich um ihre Liebe, Ob eines nicht getreu ihr bliebe. Doch alle standen fremd und fern.

Der Großen Mitleid wollt sie nicht, Und andres wurd ihr nicht geboten. Da sehnte sie sich nach den Toten Und war wie ein verlöschend Licht.

Das Märchenbeet

Die gelben Schwarzwurzblüten ragen hoch Und streuen durch die stille Mittagsluft Den leisen, lieblichen Vanillenduft.

Zwei kleine blaue Falter wiegen sich

Auf diesen süßen Wellen wie verhext

Um einen Kelchstern, der am höchsten wächst.

Ganz abseits, einsam liegt das gelbe Beet, Ein träumend Märcheneiland. Nur die Nacht, Der stumme Mond sehn es einmal erwacht:

Da drehen weiße Fräulein, ziergekrönt, Im Schleier ihrer schwarzen Haare sich In strengem Tanze, fremd und feierlich.

Und in der Mitte ein verliebtes Paar

Verirrter Ritter trägt der Königin

Die dunkle Schleppe mit verstörtem Sinn.

Der junge Morgen

Früh war der Morgen aufgewacht Und schüttelte die Locken, Drauf lag der Tau der Sommernacht Wie Funken und wie Flocken.

Dann rieb er sich die Augen aus Und weitete die Lunge, Und fröhlich sprang ins Feld hinaus Der schöne, große Junge.

Gleich ward vor seinem raschen Fuß Die erste Lerche munter Und trillerte ihm ihren Gruß Hoch aus der Luft herunter.

Er warf ihr beide Arme nach, Als wollte er sie greifen, Sie aber schien das blaue Dach Des Himmels schon zu streifen.

Da lockte ihn der Wiesenquell, Der durch die Blumen eilte. Das Wasser war so klar und hell, Daß er mit Lust verweilte.

10

Er freute sich des Angesichts, Das ihm entgegenblickte, Und kniete hin und wollte nichts, Als daß er eben nickte.

Lag lange so, ganz Glück und Traum, Und ließ die Locken hangen. Und kühlte aus dem Wellenschaum Sich Stirn und braune Wangen.

Ein schillerndes Libellenpaar, In seligen Liebestänzen, Umzirkelte sein blondes Haar, Und alles war ein Glänzen.

11

Der Reigen

Sechs Mägdlein schreiten streng hervor, Rundwandeln mit Gesänge, Um jede Stirn ein Rosenflor, Und blühend jede Wange.

Sie schreiten hin, sie schreiten her, Ein anmutsvoller Reigen, Und lassen dabei mehr und mehr Die holden Stimmen schweigen.

Und jetzt zu dritt, und jetzt zu zweit, Vertauschen sie die Rollen Und fangen wie zur Sommerzeit Die Hummeln an zu tollen.

Hier blitzt ein blütenweißer Saum, Hier flügeln weiße Glieder, So schwirren, wirbeln sie im Raum Wie zornig auf und nieder.

Doch nach und nach besänftigt ruht Dies aufgeregte Leben, Bis aus der halberloschnen Glut Sich neue Flammen heben.

12

Ein Ringen hebt, ein Haschen an: Die Locken greift, die losen! Und wer sich einen Raub gewann, Zerreißt die armen Rosen.

Die eben noch ein Haupt bedeckt. Verfallen nun den Füßen Und müssen, in den Staub gestreckt. Die Lust der Wilden büßen.

Zuletzt, welch Schauspiel ists, entzieht Sich dem Geschick noch eine. Wie die gehetzte Hindin flieht Fünffach verfolgt die feine.

Doch ach, wer hält sein Kränzlein ganz. Bestürmt von allen Seiten? Zerzaust muß auch der letzte Kranz Von seinem Scheitel gleiten.

Dann aber jäh, wie traumentrückt, Als ob ein Schreck sie bände, Bestarren sie, halb hingebückt, Die Untat ihrer Hände.

Eins nach dem andern hebt sich leis, Wie unter wehem Schauer, Und stiehlt sich aus der Schwestern Kreis, Ein rührend Bild der Trauer.

13

Der Sieger

Mitternacht. In matt erhelltem Zelt Prüft der Feldherr noch allein in stummer Arbeit seinen Plan und wehrt dem Schlummer. Morgen würfelt er um eine Welt.

Und aus seiner Siege stolzem Kreis Tritt der neue, göttergleich gebildet, Ihm entgegen, trotzig, erzgeschildet. Um den Helm ein blutig Lorbeerreis.

Ihn berückt die heldische Gestalt, Aus der eignen Seele traumgeboren: Morgen siegst du! Da, ins Zelt verloren. Trifft ihn jäh ein Windstoß, hart und kalt.

Nach dem Vorhang zürnt sein Blick zurück: Wer da ? Schweigen. Dumpf verhallende Schritte. Rondenruf. In seiner Wachen Mitte Ist er sicher. Und ihn schirmt sein Glück.

Doch die leuchtende Erscheinung schwand. Trüber scheint die Kerze ihm zu brennen. Und die Augen, die nichts mehr erkennen, Rührt der Schlaf jetzt an mit schwerer Hand.

14

Knisternd flackt das Licht und zuckt und zischt. Schatten lösen rings sich von den Wänden, Einer neigt sich mit Beschwörerhänden Uebers Feldbett, und das Licht erlischt.

Eine Stimme, fremd und feierlich. Raunt durchs Dunkel, wie aus weiter Ferne: Morgen siegst du, bau auf deine Sterne, Doch der deine Schläfen kränzt, bin ich.

15

Helden

Drei Reiter halten im Heidekraut.

Die Wolken jagen. Der Tag vergraut.

Ein alter Recke, weiß quillt ihm das Haar,

Erspäht vom Rappen die Türkenschar.

Rechts, auf dem Schimmel, krampft sein Sohn

Die Eisenfaust um den Schwertknauf schon.

Und der Enkel zur Linken, ein Milchgesicht,

Prüft seinen Pfeil: heut zittere nicht.

Weithin schweigt das düstere Land

Bis an die schwarze Wälderwand,

Wo ihre bangen Hütten stehn.

Und Weib und Kind und Schwester gehn.

Leis klirrt des Alten Eschenspeer,

Schiebt sich der Rappe hin und her.

Und über des Schimmels Sattelknauf

Zuckt hastig ein hungriger Schwertblitz auf.

Der Knabe hebt den Bogen sacht

Und brennt auf seine erste Schlacht.

16

Der zweite Kranz

Den ersten Lorbeer hat er sich errafft. Wie das ihm gleich die jungen Muskeln strafft. Der Jüngling glüht. Im raschen Siegeswagen Will er sich einen volleren Kranz erjagen.

Doch nicht wie sonst lenkt sicher seine Hand, Er weiß sich alle Augen zugewandt, Er fehlt die Bahn, er stürzt, er schleift im Staube Stumm harrt der Tod mit einem dunklen Laube.

17

Falke, Bilder und Klänge.

Der goldene Reiter

Der Tag, der edle Reitersmann, Hat ganz ein golden Prachtkleid an. Mit blauem Mantel drüber. Die Augen gehn einem über.

Sein Rotfuchs wirft den feinen Kopf,

Und kämmt der Wind durch Schweif und Schopf,

Ists wie ein Sprühn und Spritzen

Von lauter Sonnenblitzen.

Schon lange hält, ganz steif und stumm. Als ging was Schweres in ihm um. Der blanke Mann da oben, Den Hut zurückgeschoben.

Jetzt lenkt er hügelab ins Land Und tätschelt mit der braunen Hand Halb wie im Traum die Stute Ihm scheint nicht froh zu Mute.

Sieht aus, der schöne stolze Tag, Wie einer, der nicht scheiden mag. Und muß doch eben weiter. Wohin, du goldner Reiter?

18

Vorschmack

Früh auf der Bank in meinem Garten

In holder Stille hinzuwarten,

Bis sich ein feiner Traum anspinnt,

Der mählich sein klar Gesicht gewinnt:

Nichts Lieblicheres ist zu denken!

Mag anderen Gott ein anderes schenken.

Ich koste dies heimliche Glück, als seis

Ein Vorschmack schon vom Paradeis,

Allwo die guten Dichterknaben

Ein ganz besonderes Bänklein haben

Und ruhn durch all die ewige Zeit

In lauter Rausch und Seligkeit.

Sankt Peter mag wohl manchmal meinen, Sie wollten unnütz ihm erscheinen. Und Saitenzupf und Säuselsumm Ging schon zumal im Himmel um. Ist doch auch manchem Mann hienieden Die rechte Einsicht nicht beschieden, Sieht scheel und schilt: Der hat es gut! 'ne Sund, wie er den Tag vertut!

19

Ein Frühlingslied

Ein Vöglein fliegt im Winde Mit seinen bunten Flügeln Und kann sich gar nicht zügeln. Wie fliegt es so geschwinde, Das kleine Vöglein Hofften; Die Welt steht ihm ja offen.

Ein Mägdlein geht im Garten, Jungfräulein schon zu nennen. Die ersten Tulpen brennen, Die ersten Veilchen warten. Es lugt nach einem Kränzlein Und sehnt nach einem Tänzlein.

Und wo willst du denn tanzen gehn,

Du junge Freude, du?

Soweit die weichen Winde wehn.

Soweit in hohem Bogen

Das Hoffen ist geflogen,

Das liebe schnelle Vögelein,

Soweit willst du mein Tänzer sein?

Trägt mich mein goldner Schuh.

20

An den Mai

Schäm dich Gesell! Kein Sonnenschein? Und du stellst dich als Mai hier ein? Du bist der rechte Tröster nicht! Wer mag dein garstig Angesicht Noch länger sehn? Geh reisen! Schon reift dein Bruder uns heran, Der Juni, der wird unser Mann, Und wird sich hold erweisen.

Sieh da! Ein blanker Sonnenstrahl! So bist du doch nicht ganz entherzt Und lächelst auch einmal? Doch lieber Freund, es ist verscherzt! Das ist kein Mai, der sich bedenkt Und tropfenweise sich verschenkt. Ein Mai muß aus dem Vollen fließen, Wir müssen ihn wie Wein genießen Und wie in seligem Rausche sein. Pack ein!

21

Ein Glück

Mir ging ein schöner Tag dahin, Ging mir so durch die Finger. Ja, die Tage, wie sie sind, Sind gar flüchtige Dinger.

Früh springen sie an:

Wie ists lieber Mann,

Nichts auszurichten, nicht draußen, nicht drinnen?

Und will man sich eben auf was besinnen

Alle Wetter, sind sie davon,

Über alle Berge schon!

Ein Glück, daß immer neue kommen,

Hab mir gleich für morgen was vorgenommen.

22

Pfingsten

Pfingsten, das heißt: das Neuste vom Schneider, Helle Hosen und weiße Kleider, Neue Sonnenschirme und neue Hüte Mit Bändern und Blumen, jeder Güte.

Pfingsten, das heißt: sich drängen und stoßen, Und quetschen und schieben, die Kleinen und

Großen, Besetzte Bahnen, Tramways und Breaks, Heißt: Schinken und Spargel und Rührei und Steaks, Maibowle, Bier, frohe Gesichter Und ab und zu ein lyrischer Dichter.

Pfingsten heißt auch: Fiedel und Flöte, Ein Zitat aus Reineke Fuchs von Goethe, Heißt Tanz und Predigt, heißt Kirche und Schenke. Was heißt Pfingsten nicht alles, wennichs bedenke.

Eins noch vor allem, vom ganzen Feste Ist das das Schönste, ist das Beste: Das junge lachende Maienlaub, Hell wimpelnd über Lärm und Staub, Des Lebens grüne Standarte. Hurra! Freue dich, Mensch! Pfingsten ist da!

23

Es ist am Ende einerlei

Von meinem Fenster aus zur Genüge

Seh ich alltäglich die Leichenzüge.

Ich wohne dem stillen Garten nicht fern,

Dessen Torspruch grüßt: Ruhe sanft im Herrn.

Da kommen sie nun daher gefahren, Aus allen Ständen und allen Jahren, Mit Blumen auf den engen Truhn, Darin sie wohlgeborgen ruhn.

In der großen Stadt, man sollt es nicht glauben, Fliegt es ein und aus wie die Tauben: Geboren. Gestorben. Das reißt nicht ab. Aber zuletzt kommt immer das Grab.

Sieht man so täglich die schwarzen Wagen,

Machts einem kaum noch Unbehagen.

Man freut sich über die Blumen dabei

Und zählt das Gefolge: Eins zwei drei

Es ist zuletzt doch alles Gewöhnung, Und schließlich bringt es doch auch Versöhnung Mit mancherlei, was einem nicht schmeckt, Wie alles sich wieder ins Gleiche reckt.

Vier Bretter und zwei, und vier Räder darunter; Ob etwas schlichter, ob etwas bunter. Wie viel Blumen und Flor und Kutschen dabei. Das ist am Ende einerlei.

24

Gleich

Der Kaiser, hungert ihn, fühlt wie der Bauer

Und geht zu Tisch und speist. Im Regenschauer

Wird die Prinzessin naß wie der Lakai,

Und kalt macht kalt, es sei auch wen es sei.

Wir leben all und sterben all und sind

In Leid und Freud all Einer Mutter Kind.

Uns alle eint, uns alle hält und bindet

Die Menschnatur, die Lust und Schmerz empfindet.

Und Tränen, die die Könige vergießen.

Sind bitter, wie die Tränen, die uns fließen.

25

Sicilianen

Vorstadtgärtchen

Ein wenig Raum für enge Bretterlauben, Ein wenig Feld für Kohl, Kartoffel, Rüben, Und ein paar Beete, die am Weg verstauben. Man muß sich in Genügsamkeit dort üben Und die paar Sommerfreuden mühsam rauben. Doch alles liegt so still und friedlich drüben Im Julisonnenschein man möchte glauben. Kein Wölkchen könnt die heitre Welt da trüben.

Begräbnis

Ein Trauermarsch. Sacht schwankt der Leichen- wagen, Den schwarzen Sarg verhüllt ein Blumendach. Ein Weißbart folgt zunächst. Die Hände tragen Auf samtnen Kissen kaum, so alt und schwach Sind sie, des Toten Orden. Eitler Rest aus Tagen Der Ehre und des Ruhms, dein Ritter, ach, Ist nun ein Toter, und beim Hörnerklagen Trägt dich ein Sterbender dem Leichnam nach.

26

Der Schiffer

Die Sterne steigen auf in allen Weiten, Die Rätselgrüße einer andern Welt. Stromabwärts seh ich still ein Segel gleiten, Wer ists, der einsam dort sein Steuer stellt? Wie dunkler sich die flachen Ufer breiten, Von keinem Scheine trauten Lichts erhellt, Von welchem Stern läßt sich der Schiffer leiten? Trau nicht den Sternen nur! Dein Schiff zerschellt!

Ruhm und Ehre

Der stolze Ruhm und alle lauten Ehren, Sie können nichts zu meinem Glücke fügen. Es trägt mein Herz ganz anderes Begehren; Es lernte früh, sich in sich selbst genügen Und leicht den Glanz der äußern Welt entbehren. Ruh in dir selbst! Die schönen Sterne trügen. Sie locken wohl, doch wandeln sie im Leeren, Und all ihr Leuchten ist ein eitles Lügen.

27

Kränze

Den lauten Schreiern mit den Fechterposen Hat Pöbelgunst den Lorbeer stets gebracht, Indessen lenkt mit selbstgepflückten Rosen Ein Ritter schweigend aus der Siegerschlacht.

28

Fritz Stavenhagen

zum Gedächtnis

Es sprach die Not: Ich quäle dich.

Es sprach der Mut: Ich stähle dich.

Es sprach der Sieg: Ruhm winkt und Licht.

Es sprach der Tod: Ich will es nicht.

O Tod, das hast du schlecht gemacht. So schöne Kraft für nichts geacht, Viel Kräuter stehen hundertweis, Was rauftest du dies Edelreis?

Spricht der Tod: Fühl nicht wie ihr, bin hart und schneid All Kraut und Gras ohn Lust, ohn Leid, Und schon auch nicht der Blumen. Hut Dein Röslein du, so lang es blüht.

29

An Liliencron

Sechzig Jahre! Ein junger Mann!

Sag, wann fängt dein Alter an?

Hast noch immer ein Gesicht

So kühn und frisch, wie dein erstes Gedicht.

Dein erstes Gedicht. Wie heißt es doch gleich? Unter flatternden Fahnen für Kaiser und Reich! Dein zweites dein zweites? Komm Mädel mir

nicht Auf die Stube. Ach ja! Ein köstlich Gedicht!

Das dritte ein holder Heimatlaut! Das vierte wieder: Mein ist die Braut! Das fünfte und sechste: Kampf! Gloria! Not! Tod! Und so weiter. Viktoria!

Viktoria! Reitermarsch! Fehrbellin! Der große Kurfürst! Kanntest du ihn? Nackt seh ich dich auf dem Pegasus, Der zittert dir unterm Schenkelschluß.

Dein Auge blitzt. Deine Nüster bebt. Wie sich dein Fuß im Bügel hebt Wohin? Komm, laß uns zu Pfordte gehn. Das Mädel kommt auch, so um halber zehn.

30

Sechzig Jahre? Den Taufschein her! Alle Wetter, nicht weniger und nicht mehr. Vierundvierzig, den dritten Juni in Kiel Dies Knäblein uns vom Himmel fiel.

Und singst noch heute in einem Ton, Als wärst du der Leutnant von Liliencron, Und bist doch schon Hauptmann, bist General, Der teutschen Lyrik Feldmarschall!

Sechzig Jahre! Noch zehn und noch zehn! Als Achtziger seh ich dich vor mir stehn. Und hast noch immer ein Gesicht So kühn und frisch wie dein erstes Gedicht.

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Liliencron, der edle Ritter

Liliencron, der edle Ritter, Fegte wie ein Lenzgewitter Durch die teutsche Litratur. Onkel, Tante, tieferschrocken, Zerrten zitternd alle Glocken: Herr, schütz unsere fromme Flur!

Blitz und Donner! Welch Geknatter! Eingeschlagen hats, Gevatter, Und die alte Scheune brennt. Seht den roten Hahn, da steht er Auf dem Strohdach, höhnisch kräht er Kikeriki! Potz Element!

Alles rennt mit Tassen, Töpfen, Kellen, Kübeln, Wasser schöpfen, Hannchen nimmt den Fingerhut. Doch sie löschen nicht die Flammen, Und das Alte stürzt zusammen In der Frühlingswetterglut.

Als der erste Schreck verflogen. Funkelte der Friedensbogen Herrlich über Land und See. Die erquickten Fluren dampften. Und die frommen Rinder stampften Friedlich wieder durch den Klee.

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Also brach der edle Ritter Feurig wie ein Lenzgewitter In die teutsche Lyrik ein. Wie das blitzte, wie das krachte, Wie das jauchzte, wie das lachte: Kinder, nur nicht ängstlich sein!

Doch man stand in Furcht verloren, Spitzte lang und längste Ohren: Hannchen, welch ein frecher Ton! Aber bald fiel man im Kreise Trunken in die neue Weise Ein: Viktoria! Liliencron!

Er, Apollos Adjutanten- Reiter, ritt die wohlbekannten Teutschen Kritikaster all In den Dreck, daß sie ihm fluchten, Ihre Kunstperücken suchten. Die entflogen bei dem Fall.

Unterdes aus dem Gespattel

Flog der Ritter, fest im Sattel,

Frei durchs Feld. Wer holt ihn ein?

Wie er seine Stute reitet!

Wo sich Wald und Heide weitet.

Winkt sein Schloß im Sonnenschein.

Und von Poggfreds stolzer Zinne Über Jagd und über Minne Läßt er seine Fahne wehn,

33

Falke, Bilder und Klänge. 3

Die Genossen seiner Stunden, Drunter manche Kunigunden, Nimmt er all in Pflicht und Lehn.

Denn er ist der Herr und Meister, Er, der freien Herren freister, Und die Erde nennt er sein. Ja, den Sirius verschenkt er, Gibt zuletzt, nicht lang bedenkt er, Noch den Mond als Trinkgeld drein.

Keiner ging aus Poggfreds Toren, Der nicht war wie neugeboren Und bereichert nebenbei. Und so flog sein Ruhm, ein Adler, Durch die Lande, und der Tadler Witz verkroch sich und Geschrei.

Der sich dieses Lied ersonnen.

Auch ein Reiter, hats begonnen

Mit gehörigem Bedacht,

Und er wählte ihm zum Preise

Diese ritterliche Weise,

Prinz Eugen in Feld und Schlacht.

Denn gleich diesem Türkensieger War auch unser Held ein Krieger, Mars auch nannt ihn seinen Sohn, Doch Apoll, im Vaterstreite, Riß den Sieg auf seine Seite: Mir gehört der Liliencron!

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Seine Kriegs- und Heldentaten Sind ihm baß zum Ruhm geraten, Kühn für Kaiser und für Reich. Doch im Donner der Kanonen Von Germaniens Baronen Tuts ihm jeder Junker gleich.

Aber wo die Lieder schmettern, In Apollos Flammenwettern, Blitzgleich stürmt er da voran. Wer sich da mit ihm will messen. Raus die Leier! Abgesessen! Kling und Klang! Da liegt der Mann.

Liliencron, du edler Ritter,

Flammend wie ein Lenzgewitter

Brachst du in die Lyrik ein

Und erquicktest unsre Auen.

Deutschlands Männer, Deutschlands Frauen,

Aller Herzen, sie sind dein!

35

Hans Haunerland

Hans Haunerland, ja, das war ein Mann!

Der griff sein Leben fröhlich an.

Kehrte man bei Hans Haunerland ein,

Hans Haunerland schenkte den besten Wein.

Der reichste Bauer weit herum,

Hans Haunerland fand das Darben dumm.

Einst war er zur Fastelabendzeit

Zu Schöneberg. Das war ein paar Stunden weit.

Hans Haunerland dacht nicht an Hof und Haus,

Hans Haunerland schenkte ein und trank aus,

Da kam die große Flut des Jahrs

Und schluckt ihm Haus und Hof weg wars.

Hans Haunerland lachte: Verschluckt ist verschluckt,

Da wird keine Kuh wieder ausgespuckt.

Eine Hufe sind und sieben Katen noch mein.

Wer rechnets mir um in roten Wein?

Jetzt bleib ich in Schöneberg und lach der Flut,

Weit davon lebt sichs noch einmal so gut.

Eine Hufe und sieben Katen noch.

Hans Haunerlands Hals war ein großes Loch.

Alle sieben hat er hinuntergespült

Und hat sie kaum einmal liegen gefühlt.

Schluckt die See, er schluckt auch,

Hans Haunerlandjder fröhliche Schelm und Schlauch.

36

Und als die letzte Kate verfloß,

Hans Haunerland die fröhlichen Augen schloß.

Hat alles verschluckt, was sein eigen im Raum,

Bis auf einen mächtigen Walnußbaum.

Der war ihm zu groß, den ließ er stehn.

Der wollte nicht durch die Kehle gehn.

Und immer, führt mich der Weg nach dem Ort, Vor zwei Jahren war ich das letzte Mal dort. Dann schlag ich mir ein paar Nüsse herab. Und setz mich vergnügt auf Hans Haunerlands Grab. Und jedesmal, wenn eine Walnuß kracht, Hör ich deutlich, wie unten Hans Haunerland lacht.

37

Was haben denn wir Schneider auch groß für ein Gewicht

Der Riese sitzt am Brückenhau& Und will den Zoll erheben, Der Meister Zwirn im Wanderflaus Will ihm den Zoll nicht geben:

Zoll hin, Zoll her! Den zahl ich nicht,

Ganz sicher nicht!

Was haben denn wir Schneider

Auch groß für ein Gewicht!

Der Riese fährt ihm ins Gesicht

Mit Augen groß wie Räder:

Hier gehts nach Maß nicht und Gewicht,

Zoll zahlen muß hier jeder.

Sein breiter Rücken sperrt den Steg,

Den ganzen Steg:

Dann mußt du eben schwimmen.

Sonst kommst du hier nicht weg.

Stromabwärts treibt ein Lindenblatt, Der Meister sieht es segeln Und denkt: das Ding kommt dir zustatt. Wer zankte sich mit Flegeln.

Zoll hin, Zoll her! Den zahl ich nicht,

Ganz sicher nicht!

Was haben denn wir Schneider

Auch groß für ein Gewicht!

38

Ein Sprung so sah ich all mein Tag Noch keinen Menschen springen. Ein Heuschreck, wenn er Mut hat, mag Es auf die Hälfte bringen.

Das Blättlein schwankt ein wenig kaum,

Ganz wenig kaum.

Der Schneider hats ersprungen

So eben noch am Saum.

Der Meister auf dem Blättlein steht Und rudert mit der Elle, Die stolzeste Fregatte geht Nicht sichrer durch die "Welle.

Zoll hin, Zoll her! Den zahl ich nicht,

Ganz sicher nicht!

Was haben denn wir Schneider

Auch groß für ein Gewicht!

Der Riese sieht vom Brückensteg

Die lustige Gondel schwimmen.

Da schwimmt ein Gröschlein Zoll ihm weg,

Das mag ihn baß ergrimmen.

Und dann der kecke Schneidermut,

Der Schneidermut,

Der also sich erdreistet.

Wie bringt ihn der in Wut.

39

Er schleudert einen großen Stein, Das Schifflein zu zerschellen, Der aber fliegt ins Feld hinein, Weit drüben, achtzig Ellen.

Der Schneider denkt: Herrjemine !

Herrjemine!

Wenn der mich hätt getroffen,

Das tat noch lange weh.

Das Lindenblättlein stößt zu Strand, Das Schifferlein hupft über Und winkt dem Riesen mit der Hand: Adjö! Ich bin hinüber!

Zoll hin, Zoll her! Den zahl ich nicht,

Ganz sicher nicht!

Was haben denn wir Schneider

Auch groß für ein Gewicht!

40

Die Heiratseiche

Die schönste Eiche,weitbekannt, stand vor Jenas Tor,

Der tat es keine zweite gleich an vollem Wuchs und grünem Flor.

Und oben in den Zweigen, wars auch kein Nach- tigallensang,

Bewohnten diese Äste

Doch viele Sommergäste,

Darunter ein paar Krähn von Rang.

Das war kein Baum wie andere, eben nur von Holz, Er diente einem alten Brauch und stand wohl

darum auch so stolz. Wenn wo ein Mädchen meinte, es war doch auch

ein süßer Schatz, Sich von der Mutter sehnte. Und sich ihr Busen dehnte »

Voll junger Wünsche unterm Latz:

Dann suchte wohl ihr töricht Herz dieses grüne Ziel, Und halb im Ernst begann und halb im Scherz

ein wunderliches Spiel. Mit einer Nadel heftete ein Zettelchen sie an den

Stamm, Wenn das ein Bursch entdeckte, Las er, was sie bezweckte: Die Woll ist reif, wer schert das Lamm?

41

Wars einer nun, der gleichfalls gern von der

Mutter wollt, So dacht er wohl, riskier den Hals, und tat danach

was er gesollt: Schrieb Sprüchlein unter Sprüchlein, bestimmte

auch gleich Tag und Zeit. Wunsch wurd an Wünschen munter, Man traf sich, und mitunter Gabs eine Hochzeitsfestlichkeit.

Doch war der alte Eichenknorrn morsch und

mürb zuletzt, Stand an drei hundert Jahre schon, da wurde denn

die Axt gewetzt. Hing an der rissigen Borke ein Zettelchen noch

lose an, Wer weiß von welchem Kinde, Das schwamm nun mit dem Winde Und rief nach einem Freiersmann.

Was aber wohl die scheue Schar blöder Dirnen

macht. Wenn jetzt in ihrer Märzenbrust ein heimlich

Wünschen auferwacht? Es sehen wohl die Guten sich ratlos um im weiten

Raum. Ich kenn der Schelmlein sieben. Die Zettelchen geschrieben. Doch ach, sie wissen keinen Baum.

42

Das rechte Paar

Hans Husch aus dem Busch, O je, ists ein Schelm! Sein schwarz kraus Haar Ist Hut ihm und Helm. Schwarzaugen piffpafFen, Schießen Löcher, o weh! Doch die schrecklichste Waffen Ist sein Mundwerk, o je!

Grete Springinsfeld, Ist das eine Dirn! Ihr fuchsrot Haar Fegt ihr frech um die Stirn. Sie pfeift wie die Buben, Schlägt Rad und steht Kopf, Und schafft in der Stuben Nicht Stich und nicht Stopf.

Hans Husch aus dem Busch Ist ihr Himmel und Held, Im Herzen die Gret Und im Beutel ein Geld: Zwei kupferne Dreier, Einen Sechser auch noch, Solchen nobelen Freier Den nimmt man denn doch.

43

Hans Sporck

Trabt ein Regiment durch "Westfalen,

Bayrische Dragoner. Die prahlen.

Wie Hans Sporck der Glanz in die Augen sticht.

Hans Sporck war Kuhjung. Das paßte ihm nicht.

Handschlag, und Hans Sporck vertauscht

Die Kuh mit dem Pferd.

Die Fahne rauscht. Hin und her wogt die Kriegsflut. Hans Sporck Schwimmt lustig oben wie ein Kork. Wo Tilly siegt, ist er auch dabei Und avanciert in der Reiterei. Zehn Jahre ziehn durch Bellonas Tor, Hans Sporck ist Generalmajor.

Kaiser Leopoldus hat

Die Türken vorm Tor. Wackelt der Staat?

An dreimalhunderttausend Heiden

Gedenken bis Wien ihre Rosse zu weiden.

Montecuccoli läßt die Fahnen wehn,

Und Hans Sporck läßt Becher und Würfel stehn.

Seit Ulm, wo Waffenruh dekretiert,

Wurd nicht geritten und scharmütziert.

Da freut sich ein ehrlicher Reitersmann,

Wenn er wieder mal in den Sattel kann.

Heidenhund lauf,

Hans Sporck sitzt auf!

44

Bei Sankt Gotthardt an der Raab Setzt Hans Sporck sich in Trab. Alle seine Regimenter Wirft er auf die türkischen Sakramenter. Wie ein Besen aus blanken Blitzen Weiß er dem Feind im Nacken zu sitzen. Montecuccoli reibt sich die Hände: Der Sporck bringts zu Ende!

Hans Sporck reitet vor des Kaisers Haus Und schüttet seine Lorbeern aus: Zweimalhunderttausend und mehr Stoben wie Kehricht vor uns her, Und diesen schmierigen Turban hier Verlor auf der Flucht der Großvezier.

Leopoldus mit frommem Bedacht

Dankt Gott: „Ja, Sporck: hätte ders nicht gemacht!"

Blitz,

Springt Hans Sporck da vom Sitz

Und schlägt auf den Degen und bricht sich Bahn:

„Den Duiwel ook, Majestät, de hatt dat dahn!"

45

Der Trommelgraf

Dem Markgrafen Ludwig von Hessenland

Ging nichts über Trommeln und Pfeifen,

Wers Trommeln und Pfeifen am besten verstand,

Den schmückte dieDurchlaucht höchst eigenerHand

Mit ihrem farbigsten Ordensband,

Und rings am Gewand

Prunkten silberne Schnüre und Streifen.

Doch tatens nicht Trommeln und Pfeifen allein,

Herr Ludwig hatt kräftige Ohren,

Und schmetterten noch die Trompeten darein,

Es durften nicht unter fünfzig sein,

Dann rief er: „Wie herrlich! Wie klingt das doch fein!

So hell und so rein!"

Und fühlte wie neu sich geboren.

Doch wehe, wenn einer piano blies!

pianissimo machte ihn rasen Herr Ludwig den Sünder kommen ließ

Und nahm ihn sich vor und knuffte und stieß Und ranzte ihn an „Er Esel!" und hieß

„Nun merk er sich dies!" Ihn ein Stündchen fortissimo blasen.

46

„Was soll mir Musik die nicht klingt und nicht kracht,

Daß die Seele im Leibe erzittert!"

Herr Ludwig liebte nicht sanft und nicht sacht,

Sein Leiblied war eine lärmende Schlacht,

Von hundert Trommeln und Pfeifen vollbracht.

Wie hat er gelacht.

Wenn es klang, wie vom Himmel gewittert.

Schon morgens zum Kaffee gings Schnetterenteng,

Zum Lunch ein Bumbumstück mit Picceln.

Die gräflichen Nerven bracht nicht ins Gedräng,

Zu mittag zehn Märsche, Posaunengepräng,

Natürlich mit Trommeln die schwere Meng,

So mußt aus der Eng

Jeder Tag sich ins Weite entwickeln.

Und ging es des Abends ins gräfliche Bett,

Acht Tamburn traten zur Kammer.

Und paukten der Durchlaucht ein Nachtoktett,

Als war jedes Kalbfell ein eichenes Brett.

Es schlugen die Braven den Bettmarsch als hätt

Drum klangs auch so nett

Ein jeder als Schlägel zwei Hammer.

Und eh unterm letzten Fortissimo-Krach

Noch ein schwächliches Fellchen zersprungen.

Da war schon Herr Ludwig längst nicht mehr wach

Und lag unterm seidenen Himmelsdach

Und schnarchte, das machte kein Tambur ihm nach,

Es wäre mit Schmach

Dem kecken Rivalen mißlungen.

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Herr Markgraf Ludwig von Hessenland,

Laut sei ihm getrommt und gepfiffen,

Als endlich vorm seligen Ende er stand.

Da hat er noch mal nach den Trommeln gesandt,

Nach den Trommeln allein, und mit zitternder Hand

Und im Nachtgewand,

Nach dem Tamburmajorstab gegriffen.

„Nun Kinder noch einmal. Das Ohr wird schon

schwach. Drum forte fortissimo alle!

Beim Wirbeln der Trommeln, ein brausender Bach, Durchbreche die Seele das irdische Dach Und stürme den glorreichen Ahnen nach. Mit Kling und mit Krach, Hinauf in die himmlische Halle!"

Da standen sie alle, wohl fünfzig Mann,

Und ließen die Schlägel sausen.

Nie kams auf ein elendes Kalbfell an.

Heut setzt ein jeder das seine daran.

Das war ein herrliches Pauken dann.

Viel Schweiß verrann.

Das war ein Donnern und Brausen.

Herr Ludwig sank in die Kissen zurück

Und röchelte: forte doch! forte!

Da barsten die Trommeln Stück für Stück,

Da verklärte sein Antlitz ein leuchtendes Glück,

Wie ein Sieger betrat im Triumph er die Brück,

Die himmlische Brück,

Unter wirbelnder Trommeleskorte.

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Und als sie ihn legten ins Grab hinein,

Noch einmal ein Schmettern und Drommen,

Trompeter und Pfeifer und Trommler in Reihn,

Sie zogen voraus, der Sarg hinterdrein,

Und jeder Tambur hatt, ein bei ein,

Stolz warf er das Bein,

Eine neue Trommel bekommen.

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Falke, Bilder und Klänge.

Das Wunder

Das Gräflein saß auf seinem Schloß

So recht in vollem Fett,

Nur eins blieb ihm versagt: Ein Sproß

Aus ehelichem Bett.

Es tat, was man in solchem Fall

Mit Inbrunst pflegt zu tun.

Doch lassen Heilige überall

Die Hände einmal ruhn.

An hundert Messen, all umsunst,

Und Kerzen ohne Zahl

Da wird Vertrauen schwere Kunst

Und Hoffen schwere Qual.

„Herr Bischof, sagt, was bleibt mir noch?

Wißt ihr noch einen Rat?

Der Himmel zürnt, wiewohl ich doch

Die frömmsten Werke tat?"

Der Bischof lächelt fein und still

Und streicht den blonden Bart:

„Mich dünkt, Herr Graf, der Himmel will,

Daß Ihr zum Kreuze fahrt.

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Das war noch immer letztes Heil Aus aller Not heraus, Fahrt hin, Herr Graf, ich bin derweil Ein Hirte Eurem Haus."

Der Ritter rüstet Roß und Troß

Zum letzten, was ihm blieb:

„Herr Bischof, hütet Frau und Schloß

Mit Eurer frommen Lieb.

Find ich im heiligen Land die Gnad,

Ein Kirchlein will ich baun

Mit einem Türmlein schlank und grad,

Für unsre liebe Fraun."

Des Bischofs Segen nahm er mit,

Des Weibes letzten Kuß,

Und ritt betrübt davon, im Schritt,

Denn Scheiden schafft Verdruß.

Zwei Jahre gehn gewiß darauf,

Und ob die Reise nützt?

Sein Herz doch stärkt sich mählich auf,

Einfältig Glauben stützt.

Zwei Jahre gingen drauf, trotzdem

Er keine Zeit verlor.

Er kniete in Jerusalem

Und trug sein Wünschen vor.

Und als er lag am heiligen Grab,

Wars ihm, als seis gewährt.

Noch fragt sich: Mädel oder Knab?

Ich nehm, was mir beschert.

51

4*

Gestärkten Glaubens zog er heim, Sein liebes Weib im Sinn, Summt einen alten Wiegenreim Im Sattel vor sich hin. Sein Schildknapp knurrte in den Bart Und hielt die Hand ans Ohr: „Das ist mir schöne Ritterart, Der tuts der Amm zuvor."

Der Graf doch sang noch manchesmal Verträumt die süße Weis, Bis daß im Abendsonnenstrahl Zu Ende ging die Reis. Und, frommer Schrecken, rotumglüht, Was grüßt ihn weit ins Land? „Hat sich der Herr so bald bemüht, Noch eh ich heimwärts fand?"

„Herr Bischof, ja, ich habs erprobt,

Ihr ratet keinem schlecht.

Das Kirchlein, das ich ausgelobt.

Es steht schon, seh ich recht."

Weit riß der Graf die Augen auf,

Kein Blendwerk war dabei:

Das Kirchlein stand, und obendrauf

Der schlanken Türmlein zwei.

52

Kaiser Karl und der Spielmann

Ein Longobarde wars, der mußt

Majestät was blasen,

Er stieß ins Hörn mit Kraft und Lust,

Ei, klang das über den Rasen!

Kaiser Karolus Magnus rief:

Einen Bessern hört ich nie!

Ich glaube, wenn ich im Grabe schlief.

Ich böge noch einmal die steifen Knie

Und höbe mich sacht

Aus der ewigen Nacht

Und lauschte dem herrlichen Klange,

Still und lange.

Du auserwähltes Heldenhorn,

Darfst nach Wunsch dich stellen,

Und laß aus dem gewundenen Born

Noch einmal es rauschen und quellen.

Kaiser Karolus Magnus schreibt

Dir mit siegelnder Hand,

So weit der Wind deinen Hornstoß treibt

Zu Lehen alles blühende Land.

Erblase nun fein

Rings Lorbeer und Wein,

Oliven und Mandeln und Feigen

Dir zu eigen.

53

Der Longobarde prüft sein Stück,

Läßt den Speichel fließen

Und denkt: das nenn ich Spielmanns Glück,

Herrn Karl wirds noch verdrießen.

Kaiser Karolus Magnus du.

Dein Hörn erfüllt die Welt,

Fiel manches Königreich dir zu

Von Mailand bis zum blauen Belt.

Mein Stimmlein schwach

Tuts dir nicht nach:

Eine Grafschaft oder dergleichen

Muß hier reichen.

Den höchsten Berg im Abendschein

Hat der Schelm erstiegen

Und sieht die künftige Herrschaft sein

So recht im Golde liegen.

Kaiser Karolus Magnus lauscht.

Da zittert rings die Luft,

Bei Gott, als ob ein Adler rauscht!

Das dröhnt und schüttert von Kluft zu Kluft

Und springt und klingt

Vom Wind beschwingt.

Als trüg es nach Adrias Küste

Keck Gelüste.

Der heimst ja sieben Dörfer ein.

Und noch knapp gemessen!

Manch Herr und Graf sieht scheel darein

Hätts selber gern besessen.

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Kaiser Karolus Magnus lacht:

Einmal und nicht mehr.

Und kostet so was Sturm und Schlacht,

Er kriegt es ohne Wurf und Wehr.

Ich fürchtete schon,

Er hätt mit dem Ton

Mir das ganze Reich vor der Nasen

Weggeblasen.

Da neigt sich jener tief dem Herrn:

Majestät, zu Gnaden,

Den Vorteil, ich gesteh ihn gern:

Der Wind blies Euch zum Schaden.

Kaiser Karolus Magnus spricht:

Der Wind kann viel verwehn.

Aber ein Kaiserwort doch nicht,

Das bleibt für und für bestehn.

Halt fest, was du hast,

Und komm ich zu Gast,

Will des herrlichsten Hornrufs Rauschen

Froh ich lauschen.

55

Likendeelers

„Vitalienbrüder! Ahoi! Unser Glück!"

Gluck gluck. Leer war der Humpen.

Störtebecker lehnt sich schmunzelnd zurück,

Klaus Störtebecker läßt sich nicht lumpen.

Beim Wein nicht und nicht beim Blut,

Schlägt eine Klinge gut,

Kann sich ihm niemand vergleichen

In den nordischen Reichen.

„Prost, Brüder! Wir singen mal eins!"

Sie singen, daß es den Strand längs schallt,

Seeüber und bis in die Elbe.

Störtebeckers wilder Langbart wallt

Auf den Tisch fast, der feuergelbe.

Er kämmt ihn mit krummer Hand,

Sucht dann des Bechers Rand:

„Ahoi! Hamburg soll leben!

Die bunte Kuh soll Milch uns geben!

Prost, Brüder! Wir melken sie fein!"

Bei Helgoland lagen sie, Hulk an Hulk.

Doch der Wind hats den Hansen verraten.

„Die lungern da nicht aus Uz und Ulk,

Der Klaus sinnt wieder auf Taten.

Rauchwaren, edle Fracht,

Nahm er gern über Nacht.

Gut! Mit unsern Hulken und Koggen

Wolln wir ihn locken.

Da soll er wohl empfangen sein."

56

Die Westersee rauscht um den roten Stein,

Schäumt wild um Strand und Klippen.

„Herr Hauptmann, das müssen die Hamburger sein.*

„Auf! und der Kuh in die Rippen!

Stellt sie! Packt sie beim Hörn!

Bunte Kuh, jetzt bist du verlorn!

Die Likendeelers melken dich heute.

Ahoi, Leute!

Schlagt die Hamburger Kähne kurz und klein."

Alle Wetter! Was führen die Hansen für Fracht?

Steinbüchsen und blanke Beile?

Das ist ja die ganze Hamburger Macht!

Die wollen Krieg und Keile.

Keine Kogge läuft quer,

Rauschen alle gradher.

Und die Kuh, welch Erbosen,

Das Biest will stoßen!

Krach! Da fährt ihr Hörn schon herein.

„Gottes Freund und aller Welt Feind! Entert sie! Holt euch den Speck jetzt!" Doch Simon von Utrecht hats gut gemeint. Verdammt! Die Schute wird leck jetzt. Übergesegelt. Nur Planken und Trumm. Die bunte Kuh rennt alles um. Hansischer Hornstoß, kracht der! Herr Klaus stürzt kopfüber vom Achter. Störtebecker, fallt euch nichts kurz und klein!

57

Aber Herr Störtebecker hört nichts mehr,

Alle Sinne vergingen dem Ritter.

Der halbe Fockmast fiel hinter ihm her,

Wanten und Spanten und Splitter.

Die Hansen herauf

Und heben ihn auf:

„Guten Tag, Herr Klaus, seid willkommen!

Habt ihr Schaden genommen?

In Hamburg sollt ihr kurieret sein."

Die Hamburger recken die Hälse sich aus:

Seeräuber, über zweihundert.

Sie steigen aus den Schuten heraus,

Gefesselt, zerzaust und zerzundert.

Wilde Gesellen, Prachtkerle dabei,

Ritterbürtige, stolz und frei.

Einer schreitet noch stolzer und kecker.

Das ist der Störtebecker.

Sein Rotbart flimmert wie Flammenschein.

„Vitalienbrüder! Unser Glück! Ahoi!

Mal mußt es der Wind verwehen.

Aber wir wollen nun ohne Reu

In den sichern Tod eingehen.

Likendeelers, gleich und gleich,

Teilen wir uns in das himmlische Reich.

Für all unser Schröpfen

Tut man uns köpfen.

Das kann nun nicht wohl anders sein."

58

Ko-ai

Von dem Glockenturm in Peking Klingt das herrlichste Geläute, Eine schönre Glockenstimme Hört man nicht im ganzen Reiche; Alle Leute stehn und horchen, Wenn die große Glocke anhebt, Bis der letzte Ton verklungen. Und dann gehn sie sinnend weiter, Ernster, als sie vordem waren. Denn der letzte Ton der Glocke Ist gleich einem wehen Wimmern, Eines Weibes Todesschrei.

Ko-ai weint aus dieser Glocke, Ko-ai, die geliebte Tochter Kuan-yus, des Mandarinen, Dem der edle Kaiser Yung-lo Dieser Glocke Guß befohlen: Groß und edel sei die Glocke, Und ihr Mund sei lauter Wohllaut, Rein und keusch wie Himmelsklänge Und doch voll und weithin tönend, Alle guten Herzen rührend. Und die bösen und die harten Mach sie auf ein Stündchen weich.

59

Kuan-yu verneigte dreimal Sich in Ehrfurcht vor dem Kaiser, Wählte sich die besten Leute, Wählte sich die höchst geschickten; Doch der Guß mißlang ihm zehnmal. Zehnmal fragte Kaiser Yung-lo Ihn vergeblich nach der Glocke, Runzelte die Stirne finster Und befahl beim elften Male, Wenn es wiederum mißlänge. Würde Kuan-yu geköpft.

Kuan-yu ging tief in Ängsten, Ging im Mandarinengarten Schweren Herzens auf und nieder, Ratlos tags und ratlos nächtens. Betete zu allen Göttern, Wagte nicht, zum zwölften Male Mit dem Gusse zu beginnen, Mit den allerbesten Leuten, Mit den wirklich höchst geschickten; Doch der edle Kaiser Yung-lo Wollt nicht warten, ungeduldig Wollt er Glocke oder Kopf.

Also sah in tiefsten Ängsten Ko-ai ihren armen Vater, Ko-ai, die geliebte Tochter Kuan-yus. Die Kirschenblüte

60

Hatte sechzehnmal die Jungfrau Ihre zarten, keuschen Kelche Öffnen sehn im warmen Frühling Bei dem Lied der kleinen Vogel; Selber war sie wie die weiße, Zarte keusche Kirschenblüte, Sechzehnmal geküßt vom Frühling, Lieblicher nach jedem Kuß.

Aber weißer wie die Blüte, Weißer wie das Licht des Mondes, Das auf diesen zarten, weichen Blumenkissen nächtens schlummert, Färbte jetzt der große Kummer Um den Vater ihre Wangen; Und im Mandarinengarten Ging sie ratlos auf und nieder, Ratlos tags und ratlos nächtens. Betete zu allen Göttern Bis zum kühlen Morgenhauche; Doch die Götter blieben stumm.

Ko-ai zürnte nicht den Göttern, Aber war betrübt im Herzen, Daß die Götter sie nicht liebten; Und sie ging zu einem Zaubrer, Ging zu einem Sternendeuter. Heimlich ging sie, spät am Abend, Warf sich hin auf ihre Knie, Klagte ihres Herzens Jammer,

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Weinte um den guten Vater Und begehrte Rat und Auskunft Aus den Büchern, aus den Sternen, Über Leben, über Tod.

Als sie aus des Weisen Pforte, Aus den ernsten Zauberkreisen Endlich wieder in den Garten, In den fremden, stillen Garten Trat mit schnellen, scheuen Schritten, Da war weißer als der erste Junge Schnee der Kirschenblüte, Weißer als das Licht des Mondes, Das auf diesem zarten, weichen, Weißen Kissen nächtens schlummert, Ko-ai, die geliebte Tochter, Junge Tochter Kuan-yus.

Kuan-yu ging tief in Ängsten, Ging im Mandarinengarten Schweren Herzens auf und nieder, Ratlos Tag und ratlos nächtens, Betete zu allen Göttern; Heute sollt zum zwölftenmal er Mit dem Glockenguß beginnen. Mit den allerbesten Leuten, Mit den wirklich höchst geschickten, Denn der edle Kaiser Yung-lo Wollt nicht warten, ungeduldig Wollt er Glocke oder Kopf.

62

Als die Stunde nun gekommen, Stand an ihres Vaters Seite Ko-ai, die geliebte Tochter Kuan-yus. Die Kirschenblüte Hatte sechzehnmal die Jungfrau Ihre zarten, keuschen Kelche Öffnen sehn im warmen Frühling, Bei dem Lied der kleinen Vögel; Selber war sie wie die weiße Zarte, keusche Kirschenblüte, Sechzehnmal geküßt vom Frühling, Lieblicher nach jedem Kuß.

Und nun sollt der Guß beginnen. Mit den allerbesten Leuten, Mit den wirklich höchst geschickten; Sorgsam war die edle Speise Treu und meisterlich bereitet. Kuan-yu erhob die Hände, Betete zu allen Göttern: Schützt den edlen Kaiser Yung-lo, Seufzte tief und gab das Zeichen, Daß der Zapfen ausgestoßen Und die Flut des roten Erzes Flösse in die feste Form.

Und es hob zu allen Göttern Ko-ai ihre weißen Hände, Betete zu allen Göttern, Seufzte tief und rief mit lauter

63

Stimme, als das Erz entzischte, Rief: „Um meines Vaters willen!" Hob die lieben, weißen Hände, Sprang mit ihrem weißen Kleide In die rote Glockenspeise; Wie die kleine windverwehte Kirschenblüte fiel sie nieder In den roten Feuertod.

Kuan-yu könnt sie nicht halten, Kuan-yu könnt sie nicht retten. Konnte Ko-ai nimmer retten, Fiel vornüber auf die Erde, Mit dem alten, grauen Kopfe Fiel er auf die harte Erde, Daß sein Blut die Erde netzte, Schrie laut auf, als er so hinfiel, Schrie nicht wieder, lag da lautlos, Mit dem alten, grauen Kopfe Auf der harten Erde lag er. Netzte sie mit seinem Blut,

Also um die vielgeliebte Tochter Ko-ai starb der Vater Kuan-yu, der Mandarine, Dem der edle Kaiser Yung-lo Dieser Glocke Guß befohlen: Groß und edel sei die Glocke, Und ihr Mund sei lauter Wohllaut, Rein und keusch wie Himmelsklänge,

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Und doch voll nud weithintönend, Alle guten Herzen rührend, Und die bösen und die harten Mach sie auf ein Stündchen weich.

Von dem Glockenturm in Peking Klingt das herrlichste Geläute, Eine schönre Glockenstimme Hört man nicht im ganzen Reiche; Alle Leute stehn und horchen. Wenn die große Glocke anhebt. Bis der letzte Ton verklungen, Und dann gehn sie sinnend weiter. Ernster als sie vordem waren. Denn der letzte Ton der Glocke Ist gleich einem wehen Wimmern, Eines Weibes Todesschrei.

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Falke, Bilder und Klänge.

Die Brüder

Zwei Brüder schnitten, Schlag auf Schlag, Des Vaters Feld an heißem Tag.

Ein jeder tats dem andern gleich

Mit rechtem Schwung und sichrem Streich.

Nun trinken sie in Schattenruh Beim Mittagsmahl sich freundlich zu.

Sie haben mit vereinter Kraft

Ein tüchtig Tagwerk halb geschafft.

„Man sieht nicht, wers am besten kann," Hebt scherzend da der Jüngste an.

„So Mäht an Mäht gemessen, schau Ich wett, die Halmzahl stimmt genau."

Worauf der Ältere lacht: „Ganz recht, Vaters Söhne mähen nicht schlecht.

Und doch, kam es drauf an, ich mein. Ich müßt von uns der schnellere sein."

„Es gilt!" klingts frohgemut zurück. „Ich halts! Versuchen wir das Glück."

Und wie dem kecken Wort zum Sporn Fegt jäh ein Windstoß durch das Korn.

Ein letzter Schluck, ein letzter Scherz, Und wieder senst und sirrt das Erz.

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Die Schwaden fallen Schlag auf Schlag, Wers wohl am schnellsten zwingen mag?

Erst wird noch mancher Blick getauscht, Manch neckend Wort der Roggen rauscht.

Das Wort verstummt, die Augen sehn Nur noch aufs Ziel. Wer wird bestehn?

So schaffen sie in stummer Hast, Der Tag verrinnt mit Glut und Glast.

Es tropft der Schweiß, die Sense fliegt, Der Ältere sieht, er unterliegt.

Zehn Schläge nur, doch sind es zehn.

Er siehts und grollt, und wills nicht sehn.

Könnt er nur scherzen. Doch mißlingts. Könnt er nur lachen. Höhnisch klingts.

Wort reizt Wort. Zorn reizt Zorn. Verschüttet schweigt der Liebe Born.

Und eh die Sonne ganz erlischt.

Blitzt noch einmal der Stahl und zischt.

Und eh die letzte Glut verloht. Färbt sich die Erde blutigrot.

Und Abel liegt am Boden, bleich. Gefällt von Bruder Kains Streich.

67

Der Bauer und sein Hund

Ein Bauer hatt, ein braver Mann,

Einst seinen besten Hund verloren.

Betrübt sah er den toten Karo an,

Kraute noch einmal ihm die braunen Ohren

Und strich das blanke Fell ihm sacht.

Wie mans bei etwas Liebem macht.

„Du treues Vieh,

Ich finde nie

So einen guten Karo wieder.

Ach, mancher Mensch ist nicht so gut wie du

Und sieht doch stolz auf seinen Hund hernieder.

Ja, du verdientest wahrlich dir die Ruh

Und mehr ein Grab dir in geweihter Erde,

Als Kunz, der sich mit frömmelnder Geberde

Den besten Platz nah bei der Kirch erschlich.

Doch ihm zum Tort will ich noch heute dich

In seiner nächsten Näh begraben.

So gut als er sollst du es auch noch haben.

Und weckt euch dann der jüngste Tag,

Ei, wie sich Kunz entsetzen mag,

Wenn du ihn stellst

Und munter bellst.

Schnapp, Karo, dann, kanns ihm auch nicht mehr

schaden, Zum Spaß noch mal nach seinen seligen Waden."

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Gesagt, getan. Der Bauer senkte Den Karo dicht bei Kunzen ein, Und gings nach ihm, bei Gott, er schenkte Ihm auch noch einen Leichenstein. Doch dieses Stück dürft er nicht wagen. Der Pfarrer nahm ihn schön beim Kragen. Doch ohne Stein auch sprach sichs aus; Der Bauer wurd zum Pfarr befohlen, Er soll den Hund sich wiederholen. Sonst zog der Teufel Vorteil draus.

„Ehrwürden", sprach der biedere Landmann da.

„Die Kirchhofsordnung hat, ich weiß es ja,

Auf solchen Fall nicht vorgesehen.

Doch mein ich, müßt es dennoch gehen.

Denn diesen Hund, vielleicht ist er schon oben,

Ihn wird selbst unser Herrgott loben.

Er war nicht treu allein, er war auch fromm.

Ja, wirklich fromm, wies Kunz kaum je gewesen.

Denn als er fühlte, daß er sterben mußt.

Nahm er beim Rockschoß mich und zerrte: Komm!

Ich konnts ihm aus den Augen lesen,

Er war sich seines Tuns bewußt.

Und wohin, glaubt Ihr wohl, daß mich der Karo zog?

Zum Kassenschrank! So wahr ich niemals log.

Zum Kassenschrank. Dann auf das Pfarrhaus hier,

Dann auf den Kirchhof sah das gute Tier,

Sank um und starb. Was meint Ihr, was er wollte?

Es war sein letzter Wunsch, ich sollte

69

Die Stollgebühr

Fürs christliche Begräbnis nicht vergessen.

Ganz deutlich war sein Wunsch: Sorg ja dafür.

Indessen

Vergaß ichs doch der Mensch ist schwach

Und hols drum heute doppelt nach.

Hier, zählt und bucht es nun für Karos Grab,

Es ist wohl mehr als man für Kunzens gab."

Der Pfarrer sah die blanken Rollen,

Zwei Türmchen, auf dem Tische stehn.

Und muß dem Ding, bei Licht besehn,

In seinem Herzen Beifall zollen.

Jedoch ein Hund! Indes ein frommer Hund!

Denn wirklich scheint er fromm gewesen.

Man hat schon ähnliches von Hunden wohl gelesen.

So stopft der Pfarr sich den Gewissensmund

Und nebenbei die Taler in die Tasche.

„Der Fall, mein Freund, ist ein verzwickter, und

Man muß ja sagen, Hund bleibt immer Hund.

Indes die Frömmigkeit entscheidet hier.

Der Eure war gewiß ein gottgefällig Tier,

Sanft ruhe seine Asche."

70

Frau Anne

Es strich ein Schelm die Geige fein

Landum vor allen Schenken,

Da hob sich groß und kleines Bein

Und alles war im Schwenken.

Die braune Ann

Mit ihrem Mann,

Wie zierlich sie es machte.

Sie lachte ihm über die Schulter schlau.

Es wußte der Schelm, warum die Frau

So lachte so lachte.

Es ging ein Bauer vom Tanz nach Haus,

Voller als seine Scheune,

Fiel gleich ins Bett und schlief sich aus

Bis achte oder neune.

Sein Weib, doch nein.

Ein Schelm soll sein.

Wer sagt, was Frau Anne machte.

Früh stand sie am Herd und machte sich nütz

Und kochte dem Mann die Morgengrütz

Und lachte und lachte.

71

Die Riesen

Die Riesen, ja, die Riesen,

Die sind ein faules Volk

Von alters her erwiesen.

Doch sind sie einmal auch dabei.

So machen sies gern mit viel Geschrei,

Man hört es der Meilen wohl dreißig, Kind,

Und weiter noch, wenn sie recht fleißig sind,

Jawohl,

Die Riesen, die Riesen,

Die lieben, guten Riesen.

Die klügsten sind sie auch nicht.

Wies aller Welt bekannt,

Sie sehn das Feur vor Rauch nicht.

Doch sind sie einmal aufgewacht,

Ihr Schlauheit sich ins Fäustchen lacht,

Das heißt es kommen meist hinterher

Welche, die lachen noch viel mehr.

Einst mußten sie vor Zeiten,

Als es noch Götter gab,

Nach vielem Zank und Streiten

Den Allgewaltigen dienstbar sein.

Die spannten sie auch gewaltig ein,

Sie mußten ihnen die Burgen baun.

Aus den Felsen die Stufen und Steine haun.

72

Sie mußten Bäume raufen

Zum Bau, ein schweres Stück,

Wie Sturmwind klang ihr Schnaufen.

Und setzten sie die Säge an,

Das war, als schnarchten wohl tausend Mann,

Und schwangen sie gar den Hammer, nein.

Der Nagelkopf mochte da keiner sein,

Jawohl,

Sie schlugen fest, die Riesen,

Die lieben, guten Riesen.

Und stand die Burg in Mauern,

Dann gabs ein großes Fest,

Das tat acht Tage dauern.

Sie tranken das Bier gleich aus dem Faß,

Und kochten und schmorten, ich weiß nicht was;

Das Salz allein, wenn ich sagen soll,

Betrug gut anderthalb Wagen voll.

Doch gings nicht nur ums Essen,

Sie kriegten auch einen Lohn

Nach Ausbeding bemessen.

Das erste Zweibein, also hieß

Es im Kontrakt, das sich sehen ließ

Im Burgring, bekamen sie ganz und gar.

Mit allem, was dran, mit Haut und mit Haar.

73

Sie freuten sich unbändig

Des feinen Bauvertrags,

Wie war er so verständig:

Zweibeinig läuft der Mensch daher,

Sie aber liebten die Menschen gar sehr

Und stopften sich gern ihre Taschen, mein Kind,

Recht voll damit, zum Naschen, mein Kind,

Jawohl,

Sie naschten auch, die Riesen,

Die lieben, guten Riesen.

Als sie nun ihrer Burgen

Die erste hingestellt,

Sie wollten schier erwürgen.

Vor Ärger schier erwürgen, ja.

Das erste Zweibein kam, ha ha,

Pütt, putt durchs Tor und grüßte sie

Mit einem fröhlichen Kikeriki.

Das gab ein Schrein und Schelten,

Jedoch nach dem Kontrakt

Mußt auch der Gockel gelten.

Sie bauten Burg auf Burg, und nun

Wars bald ein Hahn und bald ein Huhn.

Der Hahn kam gleich in den Suppentopf,

Die Henne legte ein Ei pro Kopf.

74

Nur einmal kam ein Schneider

In ihre Burg daher,

Den Weg verlor er leider.

Als er die Riesen ersah, o Schreck!

Vor Ängsten machte er: „Meck, meck, meck".

Da wußten sie nicht, ob es Huhn oder Hahn

Und haben dem Schneiderlein nichts getan,

Gar nichts.

Die Riesen, die Riesen,

Die lieben, guten Riesen.

75

Der Ritter

Der Ritter zieht durchs Land allein. Will keiner mit ihm streiten? Im Morgen- und im Abendschein Blitzt ihm sein Schwert zur Seiten. Ein hoher Mut schwellt ihm die Brust, Kühn wie einst Alexandern, Hätt auch auf beide Indien Lust, Doch trabt er jetzt durch Flandern.

In Flandern liegt ein Dunkelforst, Zehn Meilen in der Länge, So recht ein Raub- und Bärenhorst, Voll Höhlen, Schlich und Gänge. Der Ritter lenkt sein Roß hinan Und wittert Ruhm und Ehre, Packt seinen Flamberg fester an Zum Angriff und zur Wehre.

Kaum streift das erste Laub den Helm,

Und rührt sein Panzereisen,

Springt hinterm Busch her schon ein Schelm,

Ihm seinen Spieß zu weisen.

Ein schöner Anfang! Hieb und Stich!

Daß rings die Blätter fliegen.

Den Schelm zerbläut er jämmerlich

Und läßt am Weg ihn liegen.

76

Ein zweiter noch, ein dritter noch, Doch tief in Waldesschauern Gerät er erst ins rechte Loch, Wo Tod und Hölle lauern. Gleich sieben dringen auf ihn ein. Des Hauptmanns gelbe Feder Schwankt schreklich her im Mondenschein Und teuflisch grinst ein jeder.

Der Ritter tobt, als sähen ihn

Bereite Barden raufen,

Ihm gleich in vollen Melodien

Unsterblichkeit zu kaufen.

Vier büßen ihre Hälse ein,

Zwei andre Nas und Ohren,

Der letzte läuft davon mit Schrein,

Sonst war er auch verloren.

Ihr Heiligen, keucht der Ritter, dank! Das bleibt euch unvergessen. Er kniet auf blutiger Rasenbank, Gelobt zehn fromme Messen. Drauf steigt er wieder frisch zu Roß Und reitet stracks von dannen. Des Morgens rote Glorie floß Schon leuchtend durch die Tannen.

Und als er kommt ins flache Land, Sein Schimmel steigt vor Schrecken, Ein Häslein setzt vom Grabenrand Querein durch Feld und Hecken.

77

Ein ganz klein Häslein ist es nur, Doch machts die Stute grauen, Sie bäumt vor Angst steilauf und stur, Die Vorderfüße hauen.

Der Ritter liegt am staubigen Knick, Sein gutes Schwert im Graben, Sein Eisen brach ihm das Genick Und schenkte ihn den Raben. Was nützt uns alle Kühnheit denn Und Mut gleich Alexandern, Fällt unsern Traum von Indien Und uns ein Has in Flandern.

78

Schelmkönig

Er ist ein Schelm, wer ist es nicht?

Der Schelme gibts die Menge.

Dem einen liest mans am Gesicht,

Stellt er sich noch so strenge,

Dem andern läuft ein Wörtchen quer,

Er kanns nicht mehr verstecken.

Ach je, der Schelme gibt es mehr

Als zehn in jedem Flecken.

Und ich und du,

Auf leichtem Schuh,

Wir zählen beide auch dazu.

Von allen Schelmen, die da sind.

Mehr kann ich keinen lieben.

Er war seines Vaters schlimmstes Kind,

Der auch ein Schelm geblieben.

Früh lief er aus des Alten Zucht

Und ließ sein Glöckchen klingen;

Wers nicht auf eigne Hand versucht

Wirds nie zu etwas bringen.

Und ich und du.

Auf leichtem Schuh,

Wir stimmen diesem Schelmen zu.

79

So lief er denn landaus landein,

Und triebs auf seine Weise,

Fing sich im Sturm die Herzen ein,

Denn Schelmen stehn im Preise,

Gott hielt ihn stets bei leichtem Blut,

Verzieh ihm oft in Gnaden,

Der Teufel blieb ihm gleichfalls gut.

So kam er nicht zu Schaden.

Und ich und du.

Auf leichtem Schuh,

Wir gönnens ihm und mehr dazu.

In einer Nacht, die Schelmen all,

Sie gaben sich Parole,

Draus wurd ein lustger Mondscheinball

Und auf verschlißner Sohle.

Der Galgen schlug mit seinem Arm

Den Takt zu ihrem Reigen,

Da sprangen sie sich müd und warm.

Und ohne Flöt und Geigen.

Und ich und du,

Auf leichtem Schuh,

Wir sprängen gerne auch dazu.

Und als es war zu End gehüpft. Wer es am besten machte. Der wurde jubelnd aufgeknüpft. Hing zappelnd da und lachte. Doch eh er könnt am letzten sein, Sie holten ihn herunter:

80

Du sollst nun unser König sein,

Regiere lang und munter.

Und ich und du.

Auf leichtem Schuh,

Wir Schrein ihm auch ein Vivat zu.

Jüngst hat er sich, ich weiß nicht wo,

Wie mir ein Schelm vertraute.

Ein Haus erbaut aus grünem Stroh,

Wies noch kein König baute.

Ein Wässerlein aus rotem Wein

Rauscht dicht vor seinem Türchen,

Gebratne Fische gleich darein.

Die sitzen schon am Schnürchen.

Und ich und du.

Auf leichtem Schuh,

Wir fehlen noch als Gast dazu.

Wo aber wird sein Schlößchen sein?

Wir gingen gern zu Hofe,

Und dienten ihm bei Fisch und Wein

Mit mancher Schelmenstrophe.

Vielleicht die nächste Schelmennacht,

Wir lustigen Barone,

Wir habens auch so weit gebracht

Und springen um die Krone.

Denn ich und du,

Auf leichtem Schuh,

Sind beide Schelm genug dazu.

81

Falke, Bilder und Klänge.

Der Wilderer

Der Abend schob in grauem Flaus Sich schläfrig durch die Winterflur, Ich langte meinen Pelz heraus Und stapfte auch durch die Natur.

Mein Dörfchen lag schon halb im Traum, Ein frühes Bett nach kurzem Tag Die Krähen horsteten im Baum, Der Marder schlich zum Taubenschlag.

Kein Laut. Selbst vor die Hunde warf Der Schlaf, so schiens, sein Körnlein Mohn. Die Luft war bitterkalt und scharf. Der Schnee pfiff aus dem höchsten Ton.

Von Busch umheckt, vom Weg seitab, Hebt sich ein Hügel aus dem Feld. Ich nenn ihn gern des Frühlings Grab, Und Ostern sprengts der junge Held.

Wenns dann ringsum von Veilchen blaut, Winkt hier ein warmes Liebesnest, Und Bräutigam und junge Braut, Sie feiern hier ein Opferfest.

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Doch jetzt was wars? Rührte sich was? Ein zärtlich Zwitscherpaar im Schnee? Die Liebe fühlt nicht kalt und naß Und rechnet nicht mit Gliederweh.

Und schon fuhr es mich knurrend an, Ein struppiger Hund, ein knochig Tier, Und hinter ihm, dem Jägersmann, Sah man durch alle Rippen schier.

Vier leere Augen grausten her Und bannten mich auf meinen Fleck, Dazu das drohende Gewehr, Ausreißen hatte keinen Zweck.

Und dann, mir blieb das Herz fast stehn, Klangs mir entgegen, hart wie Stahl: „Wie freut es mich, dich mal zu sehn, Du sangst mir manchen Lobchoral."

Ich dienerte, doch schlecht gelangs. Ich fühlte, ich war steif wie Stein, Und stotterte, ganz heiser klangs: „Ich fing dich oft im Liede ein."

„Du fingst mich?" krähte er mich an. „Das Fangen, Freund, kommt mir wohl zu. Und hab ich meinen Fang getan. Mach ich nicht viel Geplärr wie du?

83

6*

Doch sag, woher nimmst du den Mut Zu deinen kecken Reimereien? Und tust, als kennten wir uns gut. Als ob auf du und du wir sein?

Was hast du für ein Jammerbild Von mir den Menschen aufgeschwatzt! Bald war ich wie ein Nönnchen mild. Das ihren Abt zu Tode schmatzt.

Bald salbungsvoll wie ein Pastor, Bald kindisch wie ein Großpapa, So führtest du mich täglich vor, Als war ich zur Belustigung da.

Heut war ich dir ein Trainhusar, Und morgen ein Baron im Frack, Und einmal schobst du mir sogar Die Pfeif ins Maul. Und der Tabak!"

„Verzeiht! Verschwieg ich doch auch nicht, Daß ihr ein großer Jäger seid. Daß ihr den Sperling nicht gekriegt, War dumm von mir. Es tut mir leid."

Wie ich so schlotternd vor ihm stand. Beschnupperte sein Köter keck Mit kalter Nase mir die Hand, Bis in die Zeh zog mir der Schreck.

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Er aber dolchte mit dem Blick Halb war ich schon ein toter Mann, Ein Frösteln lief mir durchs Genick Und spöttisch hub er wieder an:

„Dein erstes Buch, Mynheer der Tod: Der Titel hat mir Spaß gemacht. Indes der Inhalt kein Stück Brot Hats dir als Honorar gebracht.

Obs mehr verdient? Ich gab mich nie

Als Kritiker. Dein Spatzenflug

Doch, scheint mir, ging nicht hoch. Und sieh,

Mir fliegt kein Vogel hoch genug."

Und kaum gesagt, so reißt er schon Die Büchse hoch, zielt nicht, drückt ab. Und holt den schwarzen Wolkensohn, Den Raben, dicht vor mir herab.

Dann schlug er eine Lache auf. So höhnisch, hämisch hört Ichs nie: „Guck mal in meinen Flintenlauf, Siehst du drin was von Poesie?

Nur dreist heran, ich schieß nicht los. Wenn auch der Hahn ein wenig knackt. Der Finger klimpert spielend bloß Die Melodie dir vor und Takt."

85

Und taumelnd trat ich vor sein Rohr,

Was siehst du?" „Nichts!" mußt ich gestehn.

„So lauf, und lüg den Leuten vor,

Du hättest wunderwas gesehn!

Ich paß dir auf die Finger jetzt Und auf dein flottes Reimgeschäft!" Er hob sein Rohr, ich sprang entsetzt Zurück, fiel hin und war geäfft.

Weg war er! Wo? Mir graust. Ich seh Nach links, nach rechts. Das Feld ist leer, Verschneit. Nicht eine Spur im Schnee. Ein kalter Windstoß fegte her.

Gespenster hab ich stets verlacht. Wer schleppte solchen Ballast mit. Hier aber hab ich Kehrt gemacht Und etwas schleunig war mein Schritt.

Doch jetzt ins Bett und schlafen? Nein! Das gäbe einen wüsten Traum, Die Nerven müssen ruhiger sein. Erst noch ein Glas im „Goldnen Baum."

Da winkte noch ein freundlich Licht, Da saß der Förster noch beim Krug Und lachte hell mir ins Gesicht: Ei, Doktor, noch nicht müd genug?

86

Sein Flintenlauf hing an der Wand, Sein Hund lag blinzelnd unterm Tisch. Als ich die drei beisammen fand, Ergriff michs Gruseln wieder frisch.

Der Förster ist ein braver Mann, Ein rot Gesicht mit weißem Bart, Mit grünem Hut, Spielfedern dran. Und gar nicht von Gespensterart.

Ich aber starrt ihn an, bis er Mich lachend anließ: Schwerenot! Sie schaun ja mit zwei Augen her. Als war ich Teufel oder Tod.

Kein Wunder, dacht ich, aber schweig. Hier hilft dir doch nicht Fluch noch Schwur. Der geht zu oft den Lügensteig Und denkt, auch andre lügen nur.

Doch als er nach dem fünften Glas Sich schwer erhob, er müßt nun gehn. Im Felde wilderte heut was, Er müßt mal nach dem Rechten sehn.

Da schlug mirs wieder durchs Gebein. Ein Wilderer? Mir stand das Haar. Und zitternd zahlt ich meinen Wein Und schlich nach Haus, im Kopf nicht klar.

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Die Sühneglocke

Graf Wilhelm ja, es war schon so,

Ich hab es selbst gelesen.

In einer Chronik irgendwo

Fromm ist er nicht gewesen.

Er spielte, trank und raufte gern,

Und man ließ ihn gewähren!

Wer will auch solchen großen Herrn

Am Ende Mores lehren.

Doch jeder treibt sein Rad so lang,

Wies ihm der Himmel stundet.

Dann rollts hinab den letzten Hang,

Das wird auch hier bekundet.

Der alten Chronik Lob und Preis

Für treuliches Berichten.

Die Hauptsach steht da schwarz auf weiß,

Das andere muß ich dichten.

Graf Wilhelm reißt das Wams vom Leib, Heut wards ihm schier zu enge. Beim Festbankett ein Feuerweib, Schaumwein die schwere Menge, Zank, Würfelspiel und Tanz das macht Den stärksten Mann marode. Und ists auch noch vor Mitternacht, Ist er doch müd zum Tode.

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Doch wühlt er auf den Kissen hin,

Wühlt her und kann nicht schlafen,

Und findet sein verwirrter Sinn

Mal einen Ruhehafen,

Gleich jagt ein böser Traum ihn auf.

Zwei stiere Augen bohren. ^

Ein Totschlag wars. Rasch Erde drauf!

Die Spur ist längst verloren.

Ein Fluch! Er wirft die Decke ab Und tritt im Hemd ans Fenster. Das Mondlicht fällt ganz weiß herab. Sieht alles wie Gespenster. Dem Grafen schauderts durchs Gebein. Da plötzlich welch ein Klagen? Die Totenglocke? Kann es sein? Ist das ihr banges Schlagen?

Ein Ahn hat sie, dem Sterben nah,

Zur Sühne aufgehangen;

Ein Mord, den nur der Himmel sah,

An einem Freund begangen.

Der Ahn wurd fromm, und als er starb,

Die Glock hub an zu läuten.

Ob er die Seligkeit erwarb?

Man wollts nicht anders deuten.

Und immer, wenn ein sündiger Mann Aus seiner Sipp sollt sterben, Fing erst die Sühneglocke an, Klingklang um ihn zu werben.

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Dann gabs nur eine kurze Rast, Kein Stündchen ließ sich borgen, Und der Gerufne mußt in Hast Sein Testament besorgen.

Graf Wilhelm war kein feiger Mann, Trotz seiner Tat im Dunkeln. Man hilft sich eben, wie man kann. Und läßt dem Mob das Munkeln. Ein armer Schelm ist leicht bestraft, Schwer wird ihm das Verstecken, Jedoch die edle Ritterschaft Hat Schild und Helm zum Decken.

Heut aber, da das Glöcklein ruft.

Was hilft ihm Wehr und Wappen?

Er weiß, er ist ein Schelm und Schuft,

Das läßt sich nicht Verkappen.

Die Glocke ruft mit Recht. Doch nein!

Ein Trug äfft ihm die Ohren.

Es spukt im Schädel noch der Wein

Mit Brummen und Rumoren.

Doch ob er sich die Ohren stopft.

Die Glocke will nicht schweigen.

Der wunderliche Klöpfel klopft

Den Takt zum letzten Reigen.

Ihm schauderts. Doch zum Teufel! Drauf!

Den Spuk will er bestehen.

Den Degen! Und zum Turm hinauf!

Den Glöckner muß er sehen.

90

„Wenn der erst zwei Zoll Eisen schmeckt,

Läßt er den Strick schon fahren;

Dies Stückchen hat er ausgeheckt,

Das nächste kann er sparen.

Und wenns der Pfaffe selber war,

Ich kitzel ihn verteufelt.

Bis seinem Wanst kein Tröpflein mehr

Vom frommen Fett entträufelt !"

Dem Grafen fieberts, doch er nimmt

Mit jedem Sprung zwei Stufen,

Sieht, wie ein Lichtlein oben schwimmt,

Und hört die Glocke rufen.

Eiskalt wehts durch das Schalloch ein

Die alten Stiegen knarren.

Gespenstisch flackt der Lichterschein

An Mauerwerk und Sparren.

Ein Schatten schwankt groß an der Wand, Schwankt vor, schwankt hin und wieder. Es schwankt das Seil, doch keine Hand Ziehts läutend auf und nieder. Das Lichtlein glimmt und zuckt und flackt. Ihm schleierts vor den Blicken, Er fühlt sich eiskalt angepackt. Will schreien, und muß sticken.

Er fühlt den Degen in der Hand Und kann den Arm nicht regen, Er sieht den Schatten an der Wand Sich gegen ihn bewegen;

Er weicht, tritt fehl Gepolter, Krach! Und alles ist zerbrochen, Ein Stück vom morschen Treppenfach, Der Degen und die Knochen.

Am Fuß der Treppe lag er still. Zwei Hälften war der Schädel, Der Amtmann kam mit Buch und Brill, Der Pfaff mit Spruch und Wedel. Der arme Herr, was hat er nur? Ganz den Verstand verloren? Der Pfaffe kratzte die Tonsur, Der Amtmann sich die Ohren.

Die taube Gret vom Armenhaus, Mit Stottern und mit Zagen, Die kam zuletzt damit heraus: Die Glocke hätt geschlagen. Sie hätts gehört, die ganze Nacht, 's müßt was zu sagen haben. Die taube Gret ward ausgelacht, Der arme Graf begraben.

Und da er ledig war, kein Sohn Die Sippschaft mehr verlängert. So wurd hinfort vom Glockenton Kein Herz mehr furchtgeschwängert. Die Glocke freilich hängt noch da, Mußt sie auch längst verstummen. Nur einmal, als ich selbst sie sah. Fing leis sie an zu brummen.

92

Die Wahrsagerin

Abgesessen, ausgespannt, Schmutziger Karren, magere Pferde, Bunte Sippschaft, sonnverbrannt, Freies Volk der freien Erde. Bei der Brücke vor dem Dorf, Grabenlängs bei Dorn und Nessel Lagern sie, und überm Torf Brodelt schon der alte Kessel.

Die Zigeuner! Alles rennt. Groß und klein, das Pack zu sehen. Wenn man auch die Schelme kennt, Kann man doch nicht widerstehen. Und kaum ist das Dorf zur Stell, Wird auch schon die Schar lebendig, Halb Geschnatter, halb Gebell, Schmierige Weiber, bettelhändig.

Eine, vor den andern laut. Trägt ein Kind auf ihren Armen, Das aus lauter Lumpen schaut. Blaß und mager zum Erbarmen. Und der reichen Bauerfrau, Die im Haufen sich vergessen. Zeigt das Kind sie: „Mutter schau Nix zu wärmen, nix zu essen!"

93

Kurz weist sie die Bäuerin ab, Hart in jungen Mutterschmerzen, Denn ihr Kleines liegt im Grab Und die andre kann eins herzen. Doch das braune Hungerweib Futter, Futter in die Raufen! Rückt ihr näher auf den Leib. Hei, wie kann die Zunge laufen!

„Sag ich wahr! Aus Hand! Viel Guts!"

Fingert sie mit Frechgeberden,

Und die andre, üblen Muts,

Duldets, um sie los zu werden.

Und nun stehen Hand in Hand,

Blick in Blick die beiden Frauen.

In der Zukunft dunkles Land

Sieht man nur mit leisem Grauen.

Doch jetzt flackt ein Schelmenlicht Aus den schwarzen Inderaugen, Und die schnelle Zunge spricht: „Ei, das mag der Frau schon taugen! Kleines Kindchen übers Jahr, Rote Bäckchen, blonde Löckchen, Blaue Äuglein, hell und klar, Und ein warmes Wollenröckchen."

Und sie zeigt den eigenen Wurm, Seine Lumpen von ihm deckend. Ungewollt den Herzenssturm In der andern Brust erweckend:

94

Blonde Löckchen, Augen blau, Weiß und rot die runden Wangen Weinend trägt die Bauerfrau Nach dem toten Kind Verlangen.

Und durch Tränen sieht sie jetzt Sich den Bettelbalg verschönen, Fühlt ihr Mutterherz zuletzt Mit dem Weib sich auch versöhnen. In die Tasche langt sie, schenkt, Reicher hat sie nie gegeben. Jene, die den Blick gesenkt, Kann ihn nur beschämt erheben.

Wortlos dankt sie, kehrt zurück, Bei den Männern hinzuliegen, Und ihr lebend Mutterglück Zärtlicher im Arm zu wiegen. Doch der eine, dem das Tier Kräftiger auf der Stirn geschrieben, Fragt mit stummer Augengier; Hat das Feld heut Frucht getrieben?

Ob sies hingibt, ob versteckt? Wie das blanke Geldstück flimmert! Wenn er ihren Schatz entdeckt, Hat sie nur ihr Los verschlimmert. Da! so ruft sie rauh und hart. Doch bevor ers aufgefangen. Lacht sie schon nach Schelmenart; „Gans ist doch auf Leim gegangen!"

95

Die verhexte Mühle

Der Müller will gern mahlen,

Die Mühle will nicht gehn.

Was soll der Müller machen?

Die Flügel bleiben stehn,

So sehr der Wind auch ächzt und keucht

Und ärgerlich von dannen fleucht.

Die Mühle will nicht mahlen, Der Müller hat kein Mehl. Was soll der Müller machen? Verschwört sein Leib und Seel: Sie sollen gern des Teufels sein, Wenn der nur hilft aus Not und Pein.

Der Teufel will nicht kommen.

Die Mühle will nicht gehn.

Was soll der Müller machen?

Er kanns nicht länger sehn.

Wozu ist ihm die Mühle nütz?

Sie mahlt nicht Mehl, sie mahlt nicht Grütz.

Der Müller nimmt ein Feuer,

Er nimmt es in die Hand.

Was soll der Müller machen?

Er steckt die Mühl in Brand.

Und als sie ganz in Flammen steht.

In Glut und Rauch die Mühle geht.

96

Die langen Flügel kreisen,

Die Steine mahlen laut.

Was soll der Müller machen?

Kalt gehts ihm durch die Haut,

Die Mühle mahlt, wer hätts gedacht.

Bis alles dumpf zusammenkracht.

Und als die Funken stieben.

Was springt da aus dem Haus?

Was soll der Müller machen?

Den Müller packt ein Graus.

Halb Katz, halb Kobold, Mißgestalt,

Fauchts wild ihn an und kratzt und krallt.

Die Mühle ist verschwunden. Den Müller fand man tot. Wer euch den Platz soll zeigen. Der kommt in große Not. Der Teufel treibts allorten bös. Von seiner Macht uns Gott erlös.

97

Falke, Bilder und Klänge.

Die Mordeiche

„Du trägst nach lachenden Lippen Lust

Und blühendem Leib Begehr?

Ich still dirs!" Sein Dolch küßt des Junkers

Brust. Ein Schrei und keiner mehr.

Kein Vogel sah es, kein Stern überm Sumpf, Der Abend war frostig und fahl. Die alte Eiche nur rauschte dumpf. Als träfe sie selber der Stahl.

Ein Gurgeln und Quirlen. Der schwarze Morast Schließt sich, ein schweigender Schoß. Was zerrt ihn am Rock? Nichts. Nur ein Ast. Auftaumelnd reißt er sich los.

Der Weg zu Bett und Braut war frei. Die süßeste Buhle lacht. Doch immer gellt ihm der Todesschrei Hinein in die holdeste Nacht.

Und ein Rauschen summt ums gefolterte Ohr, Wie ums faulende Aas das Geschmeiß. Das ist die alte Eiche am Moor, Die alles sah und weiß.

98

Und ob er an der Liebsten Mund Sich noch so fest gehängt, Es reißt ihn weg zu jeder Stund, Wenn ihn der Schrei bedrängt.

Und ob ihr Busen noch so warm. Wenn die Eiche rauscht und ruft. Ihn hielte nicht der Frau Venus Arm, Ihn hielte nicht Grab und Gruft.

Den schlimmen Weg zum schlimmen Ort Zwingts ihn hin mit Höllenfaust. Wohin? Was solls? Was suchst du dort? Er geht, wie sehrs ihm graust.

„Es gellt der Schrei, es rauscht der Baum. Nicht länger ertrag ich es mehr. Es macht mir meinen Tag und Traum Und jeden Kuß mir schwer."

Hell blinkt der Mond, die Axt blinkt hell, Laut schallt es durch Moor und Haag. „Das war ein Hieb! Sput dich Gesell! Ich wart auf den letzten Schlag."

Es blinkt die Axt, es bebt das Moor,

Die Eiche ächzt und knarrt.

Da gellts ihm ans Ohr, da gurgelts im Moor,

Das fiebernde Blut erstarrt.

99

Da steigts aus dem Schlamm, steigt steigt, Wächst weiß ins weiße Licht. Er sieht nicht, wie der Baum sich neigt, Stiert bleich in ein bleiches Gesicht.

„Zur Seite, Herr! gebt acht! sie fällt!"

Ein Rauschen dumpf und schwer.

Zwei brechende Knie, zerschmettert, zerschellt.

Ein Schrei und keiner mehr.

100

Schön Anna und jung Detlef

Schön Anna war noch halb ein Kind, Jung Detlef war es auch, Ihr Haar war flimmerndes Gold im Wind, Ihre Augen waren wie Sterne sind, Jung Detlefs Augen auch.

Sie ritten durchs lachende Sommerland, Und die Rüden tollten im Grund, Sie ritten zusammen Hand in Hand Und Sattel an Sattel. Im Eichenforst fand Heimlich Mund zu Mund.

Die Zeit ein Traum und das Glück ein Traum, Die Jugend tollt und lacht. Jetzt grünt der Baum, jetzt blüht der Baum, Jetzt trägt er Frucht, sie färbt sich kaum, Da stürzt ihn der Sturm einer Nacht.

Schön Anna, du bist König Christians Kind!

Ist es Liebe, die sich bedenkt?

Um Schloß und Turm jetzt pfeift es der Wind,

Es weiß es im Land jedes Katenkind,

Schön Anna hat sich verschenkt.

101

Die Knechte im Feld, die Fischer im Kahn, Drehen am gleichen Seil;

Was schwoll auch der Kamm dem jungen Hahn Nach dem Königskind. Nun hat ers vertan, Und morgen frißt ihn das Beil.

Sie starben zusammen an einem Tag, Wie treue Liebe will. Schön Anna auf ihrem Bettlein lag. Kein Stündlein ich mehr leben mag. Und war für immer still.

Zwei weiße Tauben flogen empor Aus Nacht und bitterem Schmerz, Sie flogen bis vor das himmlische Tor, Da trat Maria selber hervor. Und nahm sie an ihr Herz.

102

Der schönste Kranz

Es war ein Trauertag. Der Himmel selbst Hatt schwarze Fahnen ausgesteckt. Wir trugen Den Freund zu Grabe, den aus reichem Glück Der Tod mit einem raschen Griff sich holte.

Ich schritt als Nächster mit dem Töchterchen,

Dem einzigen Kind des Toten, hinterm Sarg,

Der unter einer üppigen Rosenpracht

Und weißen Atlasschleifen fast verschwand.

Ich hielt das kleine, blasse, schmächtige Wesen,

Acht Jahre oder neun wars eben alt.

An seinen kalten Händchen. Fröstelnd gings,

Vom kühlen Hauch des feuchten Tags durchweht.

Vor der Kapelle setzten ganz behutsam Die Träger ihre schwere Last zu Boden, Daß nicht ein Blättchen einem Kranz entfiel. Wir mußten warten, denn da drinnen sprach Man einer Leiche grad den letzten Segen. Wir hörten es durch die verschlossene Pforte, Eintönige Worte tropften kalt herunter Und einmal quoll ein heißes Weinen auf.

103

Wie wir so standen und auf Einlaß harrten, Bracht einen dritten Schläfer man herbei. Ganz schlicht und schmucklos war sein dürftig Bett, Und keine Freundschaft gab ihm das Geleit. Vier Träger trugen ihn. Man sah, es war Ihr Amt, ihr Brot, Geschäft. Hart setzten sie Die Bahre nieder.

Ganz erschrocken ließ Das Kind mich los und sah sich nach dem Sarg, Der nackt und schwarz im nassen Kies stand, um. Und wie entsetzt rief es: „Nicht einen Kranz!" Und nochmal leise wie in tiefstem Mitleid: „Nicht einen Kranz." Die dunklen Augen fliegen Von Sarg zu Sarg. „So viele hat Papa." Und ohne Fragen, nur ein kurzer Blick: „Darf ich?" nimmt es den ersten, besten Kranz, Der schönste war es, schwere Marschall Niel, Und legt ihn leise auf die leere Truhe.

Die Träger stehn verblüfft, die Onkeln, Tanten Beschämt, gerührt. Und ein paar Frauen schluchzen. Und nicht gewahrend, daß der Pförtner schon, Die Störung nicht begreifend, ärgerlich Am offnen Tore der Kapelle mahnte. Umringten sie das Kind und küßten es. Der kleine Engel des Erbarmens stand Ganz steif, ganz ratlos da und wußte nicht Wie ihm geschah. Was wollten denn die Leute?

104

Ein Mädchenlachen

Ein stiller Park. Ein ganz verträumtes Schloß, So tief im Schatten, daß das Lichtgeschoß Des Tags wohl niemals diese Fenster streift. Das Dunkellaub uralter Ulmen greift Bis auf die weiße Ruhbank fast herunter. Drauf liegt ein leichter Mädchenhut mit bunter Schottischer Schleife, die ein Schmetterling, Scheint es, für Blumen hält. Das dumme Ding! Ein Bläuling ists. In wahrer Taumelglut Zickzackt er um den duftigen Sommerhut. Was bleibt ihm auch in diesem Meer von Grün, Drin weiter keine Farbeninseln blühn! Kein blasses Blümchen leuchtet aus dem Rasen, Wo in das Gras zwei imitierte Hasen Aus Ton sich ducken. Einem fehlt das Ohr, Das er, Gott weiß, bei welcher Jagd verlor.

Ganz still ists hier und etwas dumpf und feucht. Nur einmal wird die Stille aufgescheucht: Ein Mädchenlachen aus dem Park, so rein Und hell und leicht und warm wie Sonnenschein. Gewiß, dort hinten, wo dies Lachen funkelt. Sind nicht die Wege schattenüberdunkelt. Da muß es blitzen, leuchten, lauter Licht, Und mitten drin ein lieb und jung Gesicht.

105

Noch einmal lachts hell aus des Parkes Tiefen. Die alten Ulmen, die zu Mittag schliefen, Erwachen plötzlich. Durch die Zweige schwirrt Ein Rauschen. Und der Bläuling, wie verwirrt, Zickzackt wie toll, besinnt sich, stürzt, ein Blitz, Hinüber von dem weißen Ruhesitz Zum Hasenpaar. Die blauen Flügel wandern Ganz aufgeregt von einem zu dem andern, Als gäbe es sehr Wichtiges zu künden. Ob sies verstünden? Ob sies nicht verstünden? Nein, sie verstandens nicht, die dummen Hasen, Stumm hocken sie und regungslos im Rasen.

106

Das Frühlingsfest

Der Frühling hat zu seinem Fest

Frau Sonne herbefohlen,

Jetzt schickt er Boten aus und läßt

Die lieben Gäste holen,

Nicht lange, und aus Tür und Tor

Tritt ein geputzter Mensch hervor.

Trägt jeder einen Maienstrauß

Und seine neusten Kleider,

Frau Sekretär sieht reizend aus,

Und alles lobt den Schneider.

Ein rosa Band schmückt Hannchens Hut,

Der Berta steht ein blaues gut.

Die Musikanten treten an.

Es ordnet sich die Menge.

Ei, wies die stumme Fiedel kanni

Das sind ja Jubelklänge!

Selbst das Fagott, das sonst so trag,

Bringt einen Triller heut zuweg.

Festgeber Frühling aber thront Auf schwankendem Altane, Er ist des Umzugs schon gewohnt Und kennt die Freudenfahne. Rittlings auf einem Blütenast Grüßt er von oben jeden Gast.

107

Am liebsten sieht er Arm in Arm

Die kleinen Mädchen schreiten,

Mit roten Wangen, weich und warm.

Den Blick in alle Weiten,

Als würden dort, im Fernen, Blaun,

Sie erst das wahre Wunder schaun.

Die Buben auch, die frisch und frei. Die Mützen aus den Stirnen, Daherspazieren mit groß Geschrei, Der Schrecken scheuer Dirnen, Sie sind ihm nicht zuwider, nein. Am liebsten möcht er auch mit schrein.

Indessen hat ein grüner Platz

Die Gäste aufgenommen.

Ein blanker Bursch mit schmuckem Schatz

War fast zu spät gekommen.

Zur Seite unterm Lindenzelt

Hat die Musik sich aufgestellt.

Nun geht ein Drehn und Schleifen an. Ein Wiegen und ein Schmiegen, Sogar der steife Lehrer kann Sich vor der Bäuerin biegen. Der dicke Back, die Postmamsell, Ein jedes kommt heut von der Stell.

108

Der Bürgermeister, rund und schier, Wie nur ein Bürgermeister, Entsagt allein und trinkt sein Bier, Das macht ihn zwar noch feister. Doch läßt sichs prächtig dabei ruhn. Und etwas soll er auch doch tun.

So sieht er denn von seiner Bank

Vergnügt aufs bunte Treiben.

Aufs neu gewählt, das Herz voll Dank,

Darf er am Ruder bleiben,

Und fühlt so recht bei seinem Bier

Als Vater seines Volks sich hier.

Als sich nun alles müd gedreht, Will auch Frau Sonne schlafen. Ein schönster Tag zu Ende geht, Lustschifflein schwimmt zu Hafen, Trägt alt und jung und groß und klein Nach Hause und ins Bett hinein.

Der Frühling aber lauscht noch lang

Den wachen Nachtigallen,

Gar lieblich will ihm ihr Gesang

Nach all dem Lärm gefallen;

Ein Elfchen sitzt ihm auf dem Schoß

Und staunt, wie doch der Mond so groß.

109

Malönchen

Elfchen hat ein Flügelpaar, Elfchen hat ein Krönchen, Elfchen hat ein Ringelhaar, Elfchen heißt Malönchen.

Elfchen schlürft vom Rosenwein, Elfchen schleckt vom Honig, Schlüpft ins Mauseloch hinein. Guckt heraus: Hier wohn ich.

Kommt heraus und lacht mich an; Ätsch! er großer Peter! Wenn er mich jetzt haschen kann, Heirat ich ihn später.

110

Zwei Pärchen

Zwei Pärchen treiben im Garten ihr Spiel, Zwei Pärchen bunt und klein, Das eine um einen Blumenstiel, Das andere um einen Stein.

Sitzt auf dem Stiel ein Federhut, Weiß, und schaukelt leis; Jagt sich das Pärchen voll Übermut Mit blauen Flügeln im Kreis.

Sitzt auf dem Stein eine Puppenmamsell, Stocksteif und stumm; Spielts andere Pärchen Karussell, Immer rund herum.

Werden dem einen die Flügel lahm. Was wohl das Pärchen tut? Setzt sich leis und liebesam Auf den weißen Hut.

Tun dem andern die Beinchen weh. Was spielt es jetzt wohl, was? Setzt sich in den grünen Klee Und wirft das Püppchen mit Gras.

Zuletzt: wer schläft im Sonnenschein, Wen wiegt der warme Wind? Zwei müde Pärchen, bunt und klein. Zwei Schmetterling und zwei Kind.

111

stolze Gesellschaft

Die Astern und die Dahlien Stehn gar zu stur im Garten, Als ob sie auf den ersten Gruß Von ihrem Diener warten.

Der Mohn allein neigt tief den Kopf, Als war er noch beim Schlafen. Die Sonnenblumen aber stehn Wie lauter goldne Grafen.

Doch steifer noch als alle sind Die langen Bohnenstangen, Die tragen ihren Kopf so hoch, Die Leiter kann nicht langen.

Die allerstolzeste jedoch

Ist unsers Nachbars Kläre,

Sie stelzt vorbei und grüßt mich nicht,

Als ob ich Luft nur wäre.

Ich denk an unsre Bohnen, Kind, Die auch vor Hochmut platzen, Doch um die Schoten zanken sich Die Spatzen nur, die Spatzen.

U2

Großes Scheuerfest

Der Himmel hat die ganze Nacht

Viel Wasser ausgegossen,

Auch schwang der Sturm mit aller Macht

Den Besen unverdrossen.

Seht nur, wie alles blitzt und lacht!

Das nenn ich gründlich reingemacht!

Doch gab es in der blanken Welt Noch nasse Schuh und Socken, War nicht Frau Sonne schon bestellt, Die macht nun alles trocken. Seht nur, wie sich die Alte müht Und rot in schönem Eifer glüht.

113

Falke, Bilder und Klänge.

Hauskonzert

Wenn Mütterchen am Flügel sitzt Und läßt die Finger springen, Wies Bübchen da die Ohren spitzt, Und wie die Schwestern singen.

Die Trudel singt schon frisch und rein, Die Ursel noch mit Zagen, Auf einmal setzt mein Bübchen ein: Ach, was, man muß nur wagen!

Trifft man nicht gleich den rechten Ton, Was kümmert das den Sänger, Den nächsten nimmt man besser schon Und hält ihn desto länger.

Das gibt dann einen Kunstgenuß,

Wer kann es schöner machen?

Nur leider kommt man nicht zum Schluß,

Man kann nicht mehr vor Lachen.

114

W eihnachtssperlinge

Vor meinem Fenster die kahlen Buchen Sind über und über mit Schnee behangen. Die Vögel, die da im Sommer sangen, Wo die wohl jetzt ihr Futter suchen? Im ferneren Süden sitzen sie warm Und wissen nichts von Hunger und Harm.

Ihre ärmlichen Vettern, die Spatzen und Krähen, Müssen sich durch den Winter schlagen. Müssen oft mit leerem Magen Vergebens nach einem Frühstück spähen. Da kommen sie dann auf mein Fensterbrett: Gesegnete Mahlzeit, wie sitzt du im Fett!

Eine unverschämte Bemerkung I Aber was will man von Spatzen verlangen? Sind nie in die Anstandsstunde gegangen. Und Not gibt ihrer Frechheit Stärkung. Und schließlich, hungern ist nicht gesund Und für manches ein Milderungsgrund.

Da laß ichs dann gelten und kann mich gar freuen,

Wenn meine beiden Mädel leise,

Leise ist sonst nicht ihre Weise

Den kleinen Bettlern Brotkrümlein streuen.

Ich belausch sie da gern, es ist ihnen mehr

Als ein Spaß, es kommt vom Herzen her.

115

8*

Ja, sie geben beide gerne,

Gütige Hände sind ihnen eigen.

Doch will ich mich nicht in Lob versteigen.

Und daß ich mich nicht von der Wahrheit entferne:

Untereinander gönnt oft keins

Dem andern ein größeres Stück als seins.

Oft sind sie auch selbst wie die Spatzen und Raben, Das Brüderchen ist dann im Bunde der dritte. Da zwitschern sie auch ihr bitte! bitte! Reißen den Hals auf und wollen was haben. Sommers und Winters, Winters zumeist, Und gar um Advent herum werden sie dreist.

Dann fangen sie an zu bitten und betteln: Papa, zu Weihnacht, du hast mirs versprochen. Ich möcht einen Herd, so richtig zum Kochen, Und ich ein Zweirad. Auf Weihnachtswunschzetteln Wachsen die stolzesten Träume sich aus. Knecht Ruprecht schleppt das schon alles ins Haus.

Und morgens, da steht von den zierlichsten Schuhen Je einer, ganz heimlich hingestellt. An dem allersichtbarsten Platz der Welt. Die Schelme können des Nachts kaum ruhen: Ob wohl der Weihnachtsmann sie entdeckt? Ob er wohl was in den Schuh uns steckt?

116

Der Weihnachtsmann! Er muß bald kommen.

Schon stapft er durch die beschneiten Felder,

Hat vom Rand der weißen Wälder

Ein grünes Tännlein mitgenommen.

Von unseren Buchen die Spatzen und Krähn

Können ihn sicher schon erspähn.

Gewiß, sie haben den guten Alten

Schon gesehen! Sie lärmen und kreischen.

Als wollten sie doppelte Brocken erheischen,

Und hätten sie Schühlein vom Herrgott erhalten,

Ich fände sie morgens alle, ich wett,

Eine zierliche Reih, auf dem Fensterbrett.

Das war eine Wonne für meine Kleinen!

Die gütigen Hände würden sich regen

Und jedem was in sein Schühlein legen.

Ein Bfötchen, ein Krümchen, vergäßen nicht einen,

Und ihr rosiges Kindergesicht

Strahlte dabei wie ein Weihnachtslicht.

Ich aber will doch morgen sehen

Wir haben ja schon Advent geschrieben

Ob es beim alten Brauch geblieben

Und wohl irgendwo Schühlein stehn.

Rechte SpatzenpantofFel mögen es sein,

Und geht gewiß nicht viel hinein.

117

Aus bangem Traum

Ein tiefes Ängsten trübte dein Gesicht, Ich wollt dich wecken, aber wagt es nicht.

Bedarfst du doch des Schlafes, liebes Weib, Für deinen müden und zermürbten Leib.

Da fuhrst mit wehem Laut du jäh empor, O sag, wohin die Seele sich verlor.

„Auf kaltem Lager lag, ein Bild aus Stein, Dein toter Leib, nicht dein mehr und nicht mein.

Streng starrten deine Züge, und ich stand Wie fremd, mit unserm Knaben an der Hand.

Zwei arme Kerzen flackerten im Raum, Und irre war ich, obs ein Traum im Traum.

Da sprach dein Söhnchen, fest an mich geschmiegt. Mit scheuem Mund: „Wie still der Vater liegt.

Ist er nun tot Mama?" O, wie das traf! Vor diesen Worten flohen Tod und Schlaf.

Komm, guter Mann, bett mich an deine Brust, Daß ich des süßen Lebens werd bewußt."

118

November

Verloren friert der Mond im fahlen Blau

Des dämmernden Novemberhimmels ganz allein.

Kein Sternlein tröstet ihn. Irr flacktein fahler Schein

Durchs traurige Gewirr der fast entlaubten Äste:

Der alten Eiche falln die Abendgäste,

Die grauen Krähn, ins ausgestorbne Haus.

Erzählen sich vom letzten Leichenschmaus

Und ziehn dann krächzend in ihr Nachtquartier

In langen Flügen durchs Revier.

Fern grenzt der Wald, ein schwarzer Strich, das

Land, Verschwimmend, bis sich Erd- und Himmelswand Gespensterhaft im Schattenschoß verbinden. Kein Hauch bewegt die Luft. Nur leise nahen,

schwinden. Verworrene Laute, Klagen der Natur, Die auf des Sommers toter Spur Ihr Witwenkleid mit müden Schritten schleift, Vom weißen Licht schwermütigen Monds bereift. Zu ihren Füßen unterm Nebel springt Der bange Bach wie auf der Flucht und weint. Weil bis zu ihm der stille Freund nicht dringt. Mit dem er nächtens gern im Liebesspiel sich eint. Ach, gestern fand ich dort, Wo er durch Wiesen biegt

119

Und unterm Weidenbusch sich wie ein Schlänglein

schmiegt,

Noch eine Blume am versteckten Ort

Und fand ein ausgebleichtes Endchen Band,

Womit ich Sommers dort ein zärtlich Kränzchen

wand.

Für wen? Es schwamm hinab auf ungewisser Welle.

Schlecht träumt sichs heut von Licht und Helle.

Der kalte Nebel steigt und spinnt das Herz in Trauer.

Novemberschauer.

120

Abendstimmung

Die Blumen, die im Grase stehn,

Die weichen Halme, die im Winde wehn.

Ein später Falter irrt durch diese Wildnis

Sieh, Seele, träumende, dein schwankend Bildnis.

Fehlt auch die Distel nicht, die sticht.

Fehlt auch der giftige Schierling nicht.

Da blinkt die Sichel noch, die über Tag erklang

Und morgen wieder klingt. Der sie im Feld vergessen.

Ruht nun wie ich indessen

Und denkt der zarten Gräser kaum.

Die Sichel schläft. Wer weiß der Sichel Traum?

Und was die Nacht dort sinnt am fernen Waldeshang?

121

Das Fenster

Rotes Auge glutet durch die Nacht: Einsam Fenster, wo ein Mensch noch wacht. Durch die dunkeln Eichen seh ichs glühen, Welche Seele mag sich da noch mühen?

Wenn die Tage unter Arbeit gehn, Soll der Abend milden Frieden wehn. Heiliger Schlaf auf kummerlosen Kissen, Müssen Menschen dein Erbarmen missen?

Bange Nächte, wenn das Auge brennt Und das Blut durch alle Adern rennt, Schuld und Jammer aus dem Schlaf dich klopfen Und die Stunden hin wie Tränen tropfen.

Schlummert alle, böse oder gut.

Wiege einmal, sanfte Friedensflut,

Alle armen, müden Menschenseelen,

Die sich wund im Kampf des Lebens quälen.

Jäh erlischt das rote Auge dort. In den Eichen rauscht der Nachtwind fort. Zwischen ihren schwanken, schwarzen Zweigen Seh ich freundlich stille Sterne steigen.

122

Gebet

Sieh, ich hab mich tief erniedrigt, Willst du mich nicht wieder heben, Mir noch einmal wieder Flügel Nach der hellen Heimat geben?

Wenn ich meines Kindes Scheitel Je in Schmach versunken wüßte, Griff ich weinend seine Locken, Daß ich sie verzeihend küßte.

Willst du nicht ein gleiches tun

Und mich als dein Kind erkennen?

Willst du?

Ach, schon fühl durch meine Scham ich

Deine Liebe brennen.

123

Weihnacht

In diesen Wochen heimlich aufgeblüht,

Des Kinderglaubens zarte Wunderblume

Der keusche Kelch, wie lieblich er erglüht.

Ich knie vor dem vergeßnen Heiligtume

In holder Scheu, wie einst der Knabe, nieder

Und atme solche Segensdüfte wieder

Mit durstendem Gemüt

Und allen süßen Schauern ein.

Kein Laut von außen soll mich stören

Und kein Gedanke fremder Scham,

Dir reinen Herzens, kindlich zu gehören.

Ich lausch, durchs Wolkentor, den heiligen

Himmelschören, Dem Engelsgruß, der zu den Hirten kam, Ich seh das Kreuz, vernehm des Heilands Stimme, Und seh sein Blut, das auf die schlimme. Die arge Welt wie lauter Rosen taut: Ich sterb für dich, du meine süße Braut.

124

Kniet, Stolz und Trotz, die Stirne tief geneigt.

All euer Prahlen thront auf toten Grüften,

Daraus kein Hauch des ewigen Lebens steigt.

Hier badet euch in diesen holden Düften:

Dies zarte Blümlein, weiß und schlicht.

Es birgt in seinem Kelch das Licht,

Das alles Leuchten dieser Welt

Mit seinem Glänzen überhellt.

So hoch ihr steigt, von Schein zu Schein,

Das letzte Licht, es wird ein Wunder sein.

125

Unerreichbar

Ich kannt ein schönes stilles Land, Jetzt liegt es wie in Märchendämmer, Da weidete im Lichtgewand Der Friede seine weißen Lämmer.

Ich weiß den Weg, bin ich ihn doch, Und nicht im Traum nur, hergegangen. Und spür in meinen Kleidern noch Den Duft von seinen Blumen hangen.

Doch wend ich mich zurück, und breit Die Arme aus nach jener Ferne O Jugendland, wie liegst du weit Und unerreichbar wie die Sterne.

126

An eine junge Freundin

Herein I Willkommen! Tritt immer ein, Gib deine liebe Hand. Du füllst mein Herz mit Sonnenschein Und Frühling bis an den Rand.

Tritt immer ein, trag Freude ins Haus, Stell Rosen auf meinen Tisch, Die strömen den Duft der Jugend aus Und machen mich jung und frisch.

127

Was will ich mehr!

Noch halt mit beiden Händen ich Des Lebens schöne Schale fest, Noch trink und kann nicht enden ich Und denk nicht an den letzten Rest.

„Doch einmal wird die Schale leer, Die letzte Neige schlürftest du." So trank ich doch, was will ich mehr, Dem Tod ein volles Leben zu.

128

Inhalt.

Seite

September 1

Die tote Mutter 2

Der Tulpenbaum .... 3 Kurzes Gewitter .... 4

Der Angler 5

Idyll 6

Der neidische Tag. . . 7

Die Einsame 8

Das Märchenbeet. ... 9 Der junge Morgen ... 10

Der Reigen 12

Der Sieger 14

Helden 16

Der zweite Kranz ... 17 Der goldene Reiter . . 18

Vorschmack 19

Ein Frühlingslied. ... 20

An den Mai 21

Ein Glück 22

Pfingsten 23

Es ist am Ende einerlei 24

Gleich 25

Sicilianen 26

Kränze 28

Stavenhagen 29

An Liliencron 30

Seite

Liliencron , der edle

Ritter 32

Hans Haunerland. ... 36 Was haben denn wir Schneider auch groß für ein Gewicht ... 38 Die Heiratseiche .... 41 Das rechte Paar .... 43

Hans Sporck 44

Der Trommelgraf. ... 46

Das Wunder 50

Kaiser Karl und der

Spielmann 53

Likendeelers 56

Ko-ai 59

Die Brüder 66

Der Bauer und sein

Hund 68

Frau Anne 71

Die Riesen 72

Der Ritter 76

Schelmkönig 79

Der Wilderer 82

Die Sühneglocke .... 88 Die Wahrsagerin .... 93 Die verhexte Mühle. . 96

129

Seite

Die Mordeiche. .... 98 Schön Anna und jung

Detlef 101

Der schönste Kranz . 103 Ein Mädchenlachen. . 105 Das Frühlingsfest. . . 107

Malönchen 110

Zwei Pärchen 111

Stolze Gesellschaft. . 112 Großes Scheuerfest. . 113 Hauskonzert 114

Seite

Weihnachtssperlinge . 115 Aus bangem Traum . 118

November 119

Abendstimmung. ... 121

Das Fenster 122

Gebet 123

Weihnacht 124

Unerreichbar 126

AneinejungeFreundin 127 Was will ich mehr? . 128

130

Gustav Falkes Werke

Gedichtbücher:

Mynheer der Tod. 2. Auflage. Geb. 4 M.

Tanz und Andacht. 2. Auflage. Geb. 4 M.

Zwischen zwei Nächten. 2. Aufl. Geb. 3 M.

Neue Fahrt. 2. Auflage. Geb. 4 M.

Mit dem Leben. 2. Auflage. Geb. 3 M.

Hohe Sommertage. 2. Auflage. Geb. 3 M. Jeder Band in Leder gebunden 1 M. 50 Pf. mehr.

Ausgewählte Gedichte. (Ausgabe der Ham- burgischen Hausbibliothek.) Geb. 1 M.

Der gestiefelte Kater. Dichtung in elf Ge- sängen. Geb. 3 M.

En Handvull Appeln.^ Plattdütsche Rimels vor unse Görn. Geb. 2 M.

Otto Speckters Katzenbuch. Mit Gedich- ten von Gustav Falke. 16. bis 20. Tausend. Geb. 50 Pf.

Otto Speckters Vogelbuch. Mit Gedichten V.Gustav Falke. 1 l.bis 1 S.Tausend. Geb. 1 M.

Alfred Janssen, Hamburg

Gustav Falkes Werke

Prosabücher:

Aus dem Durchschnitt. Roman. 2. Auflage. Geb. 3 M.

Der Mann im Nebel. Roman. 2. Auflage. Geb. 3 M. 50 Pf.

Potts. Harmlose Humoresken. Brosch. 1 M,

Aus Muckimacks Reich. Märchen und Satiren. Mit reichem Bilderschmuck von M. Dasio. Geb. 4M.

Timm Kroger. Eine Einführung. Kart. 60 Pf.

Alfred Janssen, Hamburg

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