Liebesgedicht aus Leben und Traum. 4 ;

Von

Ich zeigte dich gern den Menſchen aner Und ſpräche: „Hier meine Poeſie!

Vergeßt meine Lieder, ſie waren ein galten: Dies wollten fie jagen und konnten 4 ee

Die Ewigkeit zum Augenblicke, Der Augenblick ward Ewigkeit.

Gedichte

Felix Dahn.

Zweite Sammlung.

Zweite Abtheilung:

Gedichte von Felix und Thereſe Dahn.

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8

ea Stuttgart, # L el Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung. 1873.

Von Felix und Thereſe Dahn. Hohe Wonne.“

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0 97 Fr * * .

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VI

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Mädchenlieder.

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Tiefes Mannesweh.

Jahrestag

November 2

Vom Rande des Abgrunds

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Rhein⸗ Uebergang. . ,,, > , ̃ -, ] o

Hoher Mannes-Friede.

Ew'ger Liebes himmel r ;

Troſt im Lies .

Troſt in der großen Liebe AR 3 ,,, a ee , . Du weißt es doch!

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Abihieds-Troft . FREE PR /// / „. Dein Weſen A PT ... , ER

457

458

Ganz und Ewig. Unausſprechbar Verlorene Liebesmüh Madonnen haft Myſterium 1 Der Gottesſtrahl. Sternen Ewig Liebes⸗Hymne. Widmung

*

VIII

Kleine Lieder, Sprüche

Lebens Sonnenwende.

Mannes- Eigenart . Wiegengaben .

Der geheime Hort A Holder Beſuch Scheue die Götter! .

Haben und Nichthaben . Die Philiſter und die Genie's

Einziges Mittel

iſer uch Schlimm gepaart Der Bann der Fee.

Meiſter und Meiſterin

.

.

Nicht laſſen noch haben

Unheilbaanr Das Traumbild .

Kluger Taufd . . Chriſtenpflicht ZurückgabtWe Meine Sünde

In der Kirche Das Lob im Lied Zweite Jugend Das Tröſtelein Dornröschen

Nothwendige Lieder. Unerſchöpflich

Gottesdienſt und Frauendienst .

Unterfdid . . .

*

.

*

Tagebuchblätter.

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IX

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Vaterland.

Wahl und Vorbereitung (18560))ie : 3519 Bundestag (1856) ee Deutſches Lied (1857) )õ²̃ ee ve de An Ludwig Steub I. II. (18589). 3 Frühling (1858) FF 523

XI

Deutſche Lieder I. II. (1889ᷣ 99ꝓĩ..

An Napoleon III. (1859) = LER

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Der faule Hanns. Eine deutſche Geſchichte (1862).

Die deutſche Wiſſenſchaft (1863)

An König Max den Zweiten (186)

Deutſches Siegeslied (1864) 5

An König Ludwig den Zweiten sen) . N Re che

„Main⸗Linie“ (1867) . . . . 3

Die Rheinmädchen und das Rheingold (1868)

Bei der Kriegserklärung Frankreichs (19. ee; 1870) , Deutſche Lieder I. il r

III. Gruß an den Rhein RRN

Deutſches Siegeslied (187 Aufbruch (Auguſt 1870)

Spruch bei Annahme des rothen Kreuzes dat 1870) Die Schlacht von Sedan } BEE: Heimkehr von Sedan (September 1870)

Zum Empfang der Sieger

Feſtſpruch bei dem Siegesfeſt zu Würzburg ana 1851)

Macte Imperator! Heil dem Kaifer! .

559

574

Hohe Wonne.

Die Elfenkönigin.

Hört ihr das Horn vom Waldesrande? Ihr hört es nicht? Mir träumt, ſagt ihr? Mir gilt's, es ruft vom Feeenlande

Die Königin der Elfen mir.

Sie ruft o horch, wie ſüß und leiſe,

Sie ruft wie mächtig zwingt der Ton!

Fahrt wohl, ihr weltbetretnen Gleiſe, Denn meine Seele ſchwebt davon.

Sie ſchwebt zu ihr, die ſo mich ladet, Und mich mit ihrem Reich belehnt:

Mit Allem werd' ich dort begnadet,

Was je des Herzens Wunſch erſehnt.

O ſieh, es ſteigt vom Buchenhügel Empor ein epheugrünes Schloß Mein Falke ſchlägt im Hof die Flügel, Am Burgthor ſcharrt mein ſchwarzes Roß.

Ihr harrt umſonſt! Ein weißer Kerker

Schließt euren Herrn auf ewig ein:

Es liegt mein Haupt im ſtillen Erker Im Schos der Königin der Fei'n.

412

Ein Waſſerfall von ferne gießet Im Abendgold die Halde ruht Und über meine Stirne fließet

All' ihrer Locken Ambra-Fluth.

Verſunken Welt und Weltgeſchicke In ſeliger Vergeſſenheit Die Ewigkeit zum Augenblicke,

Der Augenblick ward Ewigkeit.

Entſchluß.

Du warneſt mich, zu werben

Um deinen ſüßen Leib,

Du ahnſt, dann muß ich ſterben Ich aber will verderben

Um dich, du göttlich Weib.

Ohne Wahl.

Du haft gefiegt, du ſtarke Liebe! Hinweg, Beſinnung und Bedacht!

Und ob ſie ins Verderben triebe Nimm ganz mich auf in deine Macht!

Die Vorſicht ſprach: das wird nicht frommen, Die Sitte ſprach: vernimm mein Wort Da iſt der Strom der Liebe kommen Und ohne Wahl riß er mich fort.

413

So trage mich, du heil'ge Welle,

Und, wenn du dies Verlangen ſtillſt In Todesnacht, in Himmelshelle

Ich folge dir, wohin du willſt.

Mein!

Du biſt mein, biſt mein,

Mein ganz allein,

Mein ganz und gar,

Mein jede Locke, mein jedes Haar, Mein jeder Gedanke in deinem Haupt Und wehe dem, der mir Einen raubt!

Blitz und Flamme.

Wie das Hochgewitter in jäher Wuth Hereinbricht über die Heide,

Brach dieſer Liebe zündende Gluth Herein wild über uns beide.

Wir wollten uns wehren mit Menſchenwitz: Hui, brach er ſo mürbe zuſammen!

Vom Himmel zucket der raſche Blitz Und gen Himmel ſchlagen die Flammen.

Und hätt'ſt du mich nicht geliebt ſo heiß, Zu Haß wär' das Blut mir geworden

Und hätt'ſt du mich nicht geküßt Gott weiß! Ich hätte dich müſſen morden.

414

0 Stein und Stahl.

„Ihr ſeid beide ſo ſtolz, ſagt an einmal, Wie kamet ihr denn zuſammen?“

Wo harter Stein trifft härtern Stahl, Da zündet's in Funken und Flammen.

Feuer gegen Feuer.

Dein Gluthblick ſcheuchte der Feigen Gelüſt, Dein Reiz war nicht geheuer:

Ich habe dir lächelnd die Augen geküßt Und Feuer bezwungen mit Feuer!

Holde Scham.

O wende nicht, o berge nicht, Kind, dein holdſelig Angeſicht, Nein, laß mich trunknen Auges ſchauen, Wie dich Erröthen wunderſam Gleich jungen Roſen überkam Vom Buſen zu den Brauen.

Freimuth der Liebe. I.

Wozu noch länger ſorglich hehlen Das ſchöne Lodern unſrer Seelen? Sie wiſſen's doch; eſer Friſt,

415

Daß du mein Leben und mein Sterben, Daß du mein Heil und mein Verderben, Daß du mein Ein und Alles biſt!

II.

Laß ſie ergrimmen, laß ſie ertoben! Schwinge die große Seele nach Oben.

Laß ſie doch krächzen unten, die Tadler Hoch ob den Krähen kreiſet der Adler.

Roſenlos.

Wenn aus der Erde dunklem Schoſe Zur Schönheit aufgeknospt die Roſe Und wenn ſie dann in Maientagen, Indeß die Nachtigallen ſchlagen, Ihr ganzes ſüßes junges Leben Dem Kuß der Sonne hingegeben, Erfüllt hat auch die ſchönſte Roſe Die ſchönſten ihr beſtimmten Loſe.

„Und im Genuß verſchmacht' ich vor Begierde.“

1

Das läßt mich ſtets dem Schmerz zum Raube, Das bleibt der Liebe Sehnſucht⸗Qual, Daß du ein Andres, er mir:

416

O wärſt du eine ſüße Traube!

Ich preßte dich in den Pokal Und all' dein Sein entſchlürft' ich dir.

II. Auspreßt' ich all' dein Weſen gern, All' deiner Seele ſüßen Kern In goldnen Kelchpokal: Den ſchlürft' ich leer in Einem Zug, Daß ganz du lebteſt nur in mir: Denn das iſt meine bittre Qual Und darum wird mir nie genug, Daß du ein Andres, außer mir: Ganz möcht' ich gern in Gier und Geiz In mich aufſaugen deinen Reiz.

Sehnſucht und Erfüllung.

O Zeit, in der unübertroffen

Genuß und Sehnſucht ſich umſchlingt: Da mir der Tag ein heißes Hoffen, Die Nacht ein heiß Erfüllen bringt.

Mir iſt, entrückt aus Erdenräumen

Wandl' ich an Edens goldner Bucht Und pflückte dort von Wunderbäumen Zugleich die Blüthe mit der Frucht.

417

Der Minne Born.

Was keines Weiſen Sinn erſonnen, Was keines Dichters Traum erträumt,

Hab' ich entzückt in dir gewonnen:

Der Schönheit ew'gen Jugend Bronnen,

Der von der höchſten Minne Wonnen Allunerſchöpflich überſchäumt.

Dank.

Wenn nun in allen ſeinen Tiefen Dein heilig Herz ſich mir enthüllt

Und ob den Schätzen, die dort ſchliefen, Die trunknen Blicke Staunen füllt, —-

Die Güte, die da ohne Schwanken Das ganze Leben lächelnd giebt,

Und dieſe Liebe ſonder Schranken, Wie ſie noch nie ein Weib geliebt

Dann treibt mich Schauer der Verehrung, Daß ich lobpreiſe Gottes Macht, i Der in unendlicher Gewährung Dich, holdes Wunder, hat vollbracht.

Und ich erkenne: ſolche Güter Ertragen nicht ein herriſch: „Mein!“

Ich ſoll nur dieſes Kleinods Hüter, Die Muſchel dieſer Perle ſein.

Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 27

Ich wache nur ob dieſer Seele An Gottes Statt mit treuer Kraft Und einſt geb' ich für die Juwele, Die ich verwaltet, Rechenſchaft.

Seligkeit.

Nun trotz ich Allem, was mich quäle! Für immer iſt mein Schmerz geſtillt, Seit ich, du weiße Blume, hehle Im Allerheiligſten der Seele Dein wunderthätig Gnadenbild.

Seit du mir all' dein ſüßes Leben, All' deines Kelches Duft und Seim, Des jungen Herzens ſcheuſtes Beben Und Alles haſt dahingegeben, Was hold und heilig und geheim.

Seit deine Liebe, Schöne, Reine

Sich wie ein Himmel mir erſchloß, Schau' ich ein Bild nur noch, das deine, Und bin entrückt der Welt Gemeine

Und ward der Seligen Genoß.

419

Glück.

Sie können's nicht verſtehen, Die blöden Menſchen all', Was aus der Bruſt mir fluthet Mit ſel'gem Ueberſchwall. Sie ſtaunen, wie ich wandle,

Als trüg' mich Flügelkraft, Sie ſtaunen, wie es ſchimmert

Um's Haupt mir geiſterhaft. Was ich berühre, glänzet,

Es glückt, was nie gelang, Die Mühe wird zum Spiele

Und Alles wird Geſang. Mein Leben ward ein Tempel,

Mein Herz ſein goldner Herd Und alle guten Götter

Sind leuchtend eingekehrt!

Stiller Stolz.

Geheimer Liebe Schmerzen brennen, Doch keiner brennt wie der fo ſcharf, Daß ich mich nicht zu dir bekennen Und deine Liebe preiſen darf: Wer je von Liebe war getrieben, Mit Lob, was er geliebt, erhob: Denn Loben iſt ein lautes Lieben Und Lieben iſt ein ſtilles Lob.

420

Es ſtimmt in deines Ruhmes Reigen Ein Chor von fremden Zungen ein: Und ich, dem all' der Reiz zu eigen,

Ich muß ein ſtummer Hörer ſein, Und möchte doch ſo laut frohlocken:

„O ſchweige ſtill, du arm Geſchlecht, Die Süße mit den duft'gen Locken,

Wie kennt, wie lobt ihr ſie ſo ſchlecht!

Manch blödes Auge blickt nach Oben, Die Sterne ſtaunt es ſchweigend an: Doch recht mag nur den Himmel loben, Dem leuchtend er ſich aufgethan!

Ihr preiſet ſie ein Glanz⸗Juwele, Weil ihr nur ihren Schimmer ſeht,

Doch was wißt ihr von ihrer Seele, Der Roſe, die in Blüthen ſteht!

Seliges Wiſſen.

Was iſt das Beſte, das ich weiß? Das iſt ein Wiſſen ſelig heiß!

's iſt maienhold und elfenweiß,

's iſt fein und zart und lieb und leis Und aller Mädchen Ehrenpreis!

421

Das Urbild der Liebe.

Willſt du die Liebe malen?

Nimm keuſche Sternenſtrahlen, Nimm heiße Lavagluthen,

Nimm wilde Sehnſuchtfluthen Nimm Spiegelglanz vom Bergesſee Nimm Goldgelock der Waldesfee O nein, o nein!

Laß All' das ſein

Und komm' zu mir und bitt' mich fein: Ich ſag' dir Einen Namen,

Einen Namen auserleſen,

Der ſchließt, ein goldner Rahmen, Der Liebe ganzes Weſen,

Der Liebe Urbild ein.

Die Zeichen der Liebe.

„Was ſind der Liebe Zeichen?“ Erröthen und erbleichen, Erjauchzen und erbangen, Kömmt ſie von fern gegangen: Bei ihres Namens Klange

Ein Gluthſtrahl in die Wange, Still, mit geſchloßnen Augen An ihren Zügen ſaugen,

Das Licht, den Lenz, das Leben, Kurz, was da köſtlich eben Ihr Alles wollen geben,

422

In allen Erdenreichen

Nichts achten ihres Gleichen Und niemals von ihr weichen Das ſind der Liebe Zeichen.

Was heißt Lieben?

„Sag' an, was nennſt du lieben?“ Von Sehnſucht umgetrieben, Verſunken ganz im Andern,

Durch Stadt und Felder wandern, In langen, wachen Nächten

Mit Gott und Menſchen rechten, Vom Kiſſen, dem vielheißen,

Die naſſen Augen reißen,

In tobendem Verlangen

Die leere Luft umfangen,

Die Augen manchmal ſchließen,

Der Bilder zu genießen,

Die durch die Seele fließen,

In langen grauen Tagen

Stumm, ſtolz die Pein ertragen Und dennoch nie verzagen

Und dennoch nie entſagen,

Glück, Ehre, Leben wagen

Und lieber doch verbrennen,

Als dieſe Qual nicht kennen,

Die Mark und Kraft zerrieben Das, etwa, nenn' ich lieben!

423

Alles Dein! I.

Nimm Alles dahin! Ich acht' es Gewinn, Mein Beſtes an dich zu verſchwenden: Dies ſieghafte Erz, Dies glühende Herz Und die Harfe aus tönenden Händen.

II.

Für immerdar nimm du dahin

All' was ich habe, kann und bin:

Was nur mein Geiſt an Gold und Erz Und was an Liebe birgt mein Herz: Ja, was ich habe, kann und bin Nimm Alles ewig du dahin.

Schatz⸗Fund.

Wie wenn ein armer Bettelmann, Der ſich des Reichthums nie verſann, Zufällig an waldſtillem Platz

Fand einen großen, großen Schatz, All' ſeiner Lebtag zehrt daran, So leb' ich, ſeit ich dich gewann, Von einer Stunde Glück fortan.

424

In der Bibliothek.

Einmal hat mit leiſen Tritten Meine ſchöne junge Fei

Spähend, ſtaunend auch durchſchritten Meine ſtaub'ge Bücherei.

Und die ſtrengen weiſen Meiſter Merkten ſie im Anfang kaum, Denn ſie ſchwebet ſtill wie Geiſter, Mondenſchimmer oder Traum.

Doch als auf die Reih'n jetzunder Sie mit goldnen Augen ſah, Denket nur, welch' ſelig Wunder Da durch ihren Blick geſchah:

All' die ernſten, dunkeln Rücken, Todt, vertrocknet, dürr, gelehrt Hat ein ſeliges Entzücken, Hat ein goldner Streif verklärt:

Und es ſcholl wie Harfen-Pſalter, Als ſie auf den Schrank geſehn, Wo Herr Wolfram und Herr Walter Schweigend ſonſt beiſammen ſtehn.

Aber als die Blonde, Holde Nun auf Meiſter Gottfried ſah, Scholl's: „Willkommen, ſchön Iſolde, Biſt du endlich, endlich da?“

425

Bei'm Schlafengehen.

Jetzt greift ſie wohl mit lichten Händen Ins lange Goldhaar noch einmal:

Der Gürtel gleitet von den Lenden, Der kleine Schuh vom Fuße ſchmal.

Jetzt iſt ſie hart ans Pfühl getreten, Die Arme kreuzend auf der Bruſt:

Und was die ſchönen Lippen beten, Iſt Gott allein und mir bewußt!

Wer iſt wie du?

Wer iſt wie du?

Dir ſtreb' ich zu,

Quelle der Ruh'

In die ich tauche,

Vom qualmenden Rauche

Des Lebens beſtaubt.

Komm und umſpüle

Mit heiliger Kühle

Und Reine das ſchwüle, Das lechzende Haupt.

Wer iſt wie du,

Quelle der Ruh'?

Dir ſtreb' ich zu.

Mein Herz hob noch immer, So oft es den Schimmer

426

Der Weihe verlor, Den feligften Frieden, Der Menſchen hienieden Von Göttern beſchieden, Aus dir ſich hervor.

Dir ſtreb' ich zu! Quelle der Ruh', Wer iſt wie du, Wer iſt dir ähnlich, Du, die ich ſehnlich Geſucht ſonder Ruh’, Durſtend, vergebens! Am Ziele des Strebens Des ewigen Lebens Quell wardſt mir du: O, ſtröme zu!

Bitte.

O ſtehe feſt, mein Prachtgebäude Von Poeſie und Liebesglück, Du ſtolze, ſternen- nahe Freude, Sink' in den Staub mir nicht zurück.

Ihr kühn gewölbten Wonne-Hallen, O ſteht mir unerſchütterlich:

Und müßt ihr doch einſt donnernd fallen, In eurem Schutt begrabet mich.

Müdchenlieder.

Müdchenträume.

Im Winter.

Nun hat der Froſt das Land geſtreift, Erſtarrung hält die jungen Quellen, Die Bäume ſtehen dicht bereift,

Kein Lufthauch rührt die Aetherwellen.

Die Spur im Wege feſt und hart,

Die Felder ſchneeduft-überſchwommen, Nichts regt ſich, alles ſchweigt und ſtarrt, So wie der Froſt es überkommen.

Mir aber geht wie Andacht, tief

Dies Harren, fromm und ſtill, zu Herzen,

Als ob mir Gottes Stimme rief:

„Fromm harr' auch du auf Glück und Schmerzen.“

428

Vom Schneeglöckchen.

Was thuſt du, Glöckchen, auf der Welt, Da ja noch Schnee vom Himmel fällt?

„Ich träumte vom Frühlings - Sonnenfchein Und um ihn bin ich kommen allein.“

Weh! hier iſt tiefe Winterzeit, Schneeglöckchen, und der Lenz noch weit.

„Dann will ich harren und warten ſein, Denn ich lieb ihn, den goldnen Sonnenſchein.“

An den Büſchen glitzert Schnee und Eis, Schneeglöckchen ſenkt den Kelch ſo weiß.

Und in Froſt verdarb und ſchneidendem Wind Das arme, das erſte Frühlingskind.

Von der Roſe.

A.

Blau ruht die Nacht im Lande, Viel Sterne ſind erglüht,

An tiefen Brunnens Rande Die wilde Roſe blüht.

„O! daß ich unten ſchliefe In deiner Waſſerfluth,

Es kühlte deine Tiefe

Wohl meine Frühlingsgluth.“

a an

429

Sie neigt ſich voll Verlangen Und wiegt ſich durch die Luft Und ihre Blätter hangen Voll, übervoll von Duft.

Und ſinken ihr aus dem Schoſe Beſeligt in die Fluth:

Mit Duft und Gluth die Roſe In dunkler Tiefe ruht.

b.

Eine Roſe nickt an Zweigen Sehnend durch die Morgenluft: „Sonne, willſt du nicht dich zeigen? Will dein Strahl nicht niederſteigen, Aufzutrinken meinen Duft?

Willſt du nicht mit heißem Grüßen Zittern über meinem Blühn?

Komm und ſoll ich's ſterbend büßen Laß in meinen Schos den ſüßen,

Deinen Kuß herniederglühn.“

Vom Sturm.

8. Still iſt's im Stübchen im Dämmerſchein Und leiſe geht der Uhren Schlag Traurig bin ich und ſehr allein,

Wie geſtern ſo heute, ſo jeden Tag.

430

Still iſt's im Stübchen, doch auf den Gaſſen, Horch! wie die Winde ſich jagen und faſſen; Es pocht der Sturm mir an die Scheiben

Und ruft: „wie lange noch willſt du bleiben? Und ſenken das Köpfchen und ſeufzen leis:

„Ach! hätt' ich Flügel zu fliegen weit!“ Thöricht Kind, geh' mit mir auf die Reif’ Ich habe Flügel ſtark und breit;

Sollſt nicht mehr ſitzen im Dämmerſcheinen Und ſehnen und harren und träumen und weinen. Komm mit! Komm mit, du junges Leben! Sollſt frei mit mir durch die Lüfte ſchweben Will hoch dich bis zu den Sternen heben.“ Horch! wie er rüttelt am alten Haus, Unwiderſtehlich zieht's mich hinaus

Klirrend ſtößt er die Scheiben ein

Weit ſpannt er die Flügel und ich bin ſein.

b.

Die Blätter tanzen im Wirbelwind,

Die letzten, die kaum gefallen ſind,

Hei, wie ſie fliegen und jagen und eilen,

Sie können nicht raſten, ſie dürfen nicht weilen. Im dürren Walde, da ächzt es und ſaust, Das iſt der Sturm, der vorüber braust,

Und was er umſchlingt und was er umfaßt, Das muß ihm folgen in ſchwindelnder Haſt. Mir wandern die Sinne, mir ſchwindet die Ruh, So zwingende Weiſen ſingt er dazu.

Und wild und wilder ſein dunkles Lied

Durch Seel' und Sinne mir lockend zieht.

ENG

431

Komm! dunkler Zauber, klingſt ſo bekannt, Woll'n ſingen und tanzen durch's öde Land! Da wirbelt und braust es und flüſtert und hallt Um Haupt und Herz mir mit Geiſtergewalt, An Schulter und Füßen ergreift es mich ſchon, Es hebt mich vom Boden, es trägt mich davon, Er ſchlägt ſeinen Mantel mir um den Leib,

Ich bin des Sturmes erkornes Weib.

432

Hohe Wonne. Traum-Erfüllung.

Selig!

O ich vor allen Weibern ſelig Weib!

In Vollbluſt meiner raſchen Jugend Dem höchſten Mann an Sang und Tugend Zu eigen ward ich, Seel' und Leib!

Seliger Tauſch. Ich hab' ihm nichts zu geben Als dieſen jungen Leib, Dies ſcheue Herz daneben, Er giebt mir all ſein Leben: Ich bin ein ſelig Weib!

Liebeszucht.

Niemals werd' ich dich verrathen, Freund, mit Worten oder Thaten: Nur mein Antlitz wirſt du müſſen Beſſer ziehen noch mit Küſſen: Ach es ſteht in hellem Brand, Wird dein Name nur genannt.

433

Liebeslohn. Ich will ihm ſeine Liebe lohnen, Viel reicher als mit Königskronen, Indem ſein ſelig Haupt ich bette Auf einer nie belegnen Stätte.

Seine Lieder.

Die Pſalter, die frommen Lieder, Ich legte ſie lange fort:

Ich leſe nur immer wieder Sein ſüßes Liebeswort.

Das weißt du nicht!

Was fängſt du nur, du reicher Mann, Mit dieſer Welt von Liebe an,

Die dir aus jeglichem Gemüth

So übervoll entgegen blüht?

Wie du allein, du ſtolzer Mann, Mein ganzes Leben biſt fortan, Ich hab' es nie dir ganz geſagt, Dir nie mein ganzes Weh geklagt.

Und ob ein Weiſer noch ſo ſehr, Das Eine weißt du nimmermehr, Wie man um dich, du ſüßer Mann, In Liebe ſich verzehren kann.

Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 28

434

Am Abend.

Die Sonne ſchwimmt in Abendguld: Nun ſegne Gott dich, liebſter Mann! Ach, daß in meine Liebeshuld Ich heut dein Haupt nicht betten kann!

Zur Nacht.

Nacht iſt's und öde Weg und Gaſſen, Zur Ruhe längſt ging Alles ein: Nur blitzend durch die Nebelmaſſen Seh ich noch deiner Ampel Schein.

Wie könnt' ich nun in Schlummer liegen, Da einſam ruhlos ich dich weiß:

Und mich in weiche Kiſſen ſchmiegen,

Da du dich mühſt in ſpätem Fleiß?

Ich ſchwebe wie im Zaubertanze Dem Strahle deines Lichtes nach Und im geſpenſt'gen Dämmerglanze Betret' ich leiſe dein Gemach.

Und ſiehſt du's nicht am ſcheuen Lichte, Wie's fein den friſchen Luftzug ſpürt? Und fühlſt du nicht dir am Geſichte, Daß es mein heißer Hauch berührt?

Die Feder nehm' ich dir aus Händen, Die weiſen Bücher ſchließ' ich zu, Und führe längs den Epheuwänden, Geliebter, dich zu ſüßer Ruh.

435

Dein Immergrün.

Ich ließ ihn einſt ſich hoch verſchwören, Zu ſingen nur zu meinem Ruhm: Ich ſchäme mich! ſoll ich zerſtören, Was aller Menſchheit Eigenthum? Nein, ſeinem Volk ſoll es gehören, Dies Harfenſpiel von Gold und Erz, Mir nur ſein Herz!

O ſinge, Freund, wie dir in Tönen Die reichgeſtimmte Seele ſchwillt: Du ſollſt im Heiligthum des Schönen Frei opfern jedem Götterbild, Und ſollſt mit jedem Kranz dich krönen: Ich ſei, wo ſtolz're Blumen blühn, Dein Immergrün.

Stets bei dir.

Gedenk, daß wo du gehſt und biſt Stets meine Seele bei dir iſt.

436

Botenlieder.

1

Wüßt' ich ein Ding, das kömmt von dem Süßen, Ei wie zärtlich wollt' ich es grüßen!

Geſtern ſah ich ein Vöglein fliegen

Dorther, wo ſeine Gärten liegen,

Heute ſah ich ein Schifflein ſchwimmen

Dorther, wo ſeine Fenſter glimmen:

War mir's doch, als flög' ein Bote

Zu mir aus Gottes Morgenrothe!

2.

Bote, du ſollſt ihm mehr nicht ſagen,

Als: „Sie kann's nicht länger tragen Sehnend nach dir auszuſpähn, Bis die Augen ihr übergehn.“

Sag' ihm das, dann, ſäumet er,

Ach dann liebt er mich nicht mehr.

437

3. Sag' ihm, Bote, daß ich ihm gönne Alles, was ihn erfreuen könne: Alles ſoll er thun auf Erden Nur nichts, daß wir geſchieden werden.

i 4. Sag' ihm, Bote, ich laß ihn grüßen, Doch weiter ſage nichts dem Süßen: Daß ich ihn ſähe viel mehr gerne Als den Himmel und alle Sterne, Daß ich zähle Tag' und Stunden, Bis ich völlig ihm verbunden, Daß mein ganzes Herz ſein eigen, Daß ich ihm trage viel ſehnlich Grämen, Bote, das ſollſt du ihm tief verſchweigen, Denn ich müßte zu ſehr mich ſchämen: Doch meinſt du, daß es ihm Freude macht, Geh' und ſag' es ihm noch vor Nacht.

5. O ſprich, daß ich dir's ewig lohne,

So ſahſt du den viellieben Mann? Iſt's wahr, daß er in Freuden wohne Und keinen Wunſch ſahſt du ihm an? Ich will ja, daß ihm wohl ergehe,

Und dennoch, barg er gar kein Wehe?

438

Fliegt noch fein Blick ſo kühn nach oben, Als ob er Falken ſteigen ließ'? Trägt er die Schärpe noch, gewoben Aus Seide blau o ſag' mir dies? Und trifft ſein Wort in Ernſt und Scherzen Noch ſtets ſo tief in Frauenherzen?

O ſage mir, mein treuer Bote,

Und fürſtlich lohnen will ich dir, O ſage, daß im Aug' ihm lohte

Der Sehnſucht Sucheblick nach mir: Ich will ja, daß ihm wohl ergehe, Und dennoch barg er gar kein Wehe?

439

Tiefes Weh und Sehnen.

Das engſte Band.

Was knüpfet feſter Liebende Herzen, Als Liebes-Freuden?

Liebes⸗Schmerzen!

Zuflucht. Wenn ſie mich zu hart bedrängen, Schließ' ich in mein Kämmerlein Mich mit deinen Liebesſängen Und mit meinen Thränen ein.

Leiden, Wonnen, die da kamen, Die da ſchieden, treu im Sinn

Flüſtr' ich deinen lieben Namen Selig lächelnd vor mich hin.

Und gemach die Schmerzen ſchwinden, Wie Gewölk vor Sonne fällt,

Und mit ſtolzem Ueberwinden Tret' ich wieder in die Welt.

440

Mein Geheimniß.

Wohl ruht auf mir manch forſchender Blick, Doch nicht ergründet ihr mein Geſchick!

Ihr ſchaut nur dies wehmuthbleiche Geſicht, Mein Glück und Leid ergrübelt ihr nicht.

Vom Ew'gen ſtammt mein „Arm und Reich,“ Auf Erden wohnt's und im Himmel zugleich.

Und der's mir gab, ach! Er nur kennt, Was mir im Herzen glüht und brennt.

Mit Dir! Durch die Länder über die Meere Möcht' ich ſchlafenden Auges gehn, Fern auf einer Inſel erwachen Und dich harrend vor mir ſehn.

Ueber uns und uns zur Seite Keine Feſſeln, alles frei, An das Herz dir wollt' ich ſinken

Und wir wären Eins ſtatt Zwei.

Troſt.

Will mich dies Erdenleid erdrücken, Sink' ich vor deine Seele betend hin:

Und bebend fühl' ich voll Entzücken,

Daß ich in deiner Liebe ſelig bin.

441

Mein Alles. An deinem Herzen wacht’ ich auf Zu göttergleichem Lebenslauf.

Aus deinen Händen ganz allein Hab' ich empfangen Luſt und Pein.

In deiner Bruſt unwandelbar Ruht mein Geſchick auf immerdar.

Anblick aus der Ferne.

Augen- Weide Herze-Leide.

Sehnſucht. 1.

Sehnſucht iſt ſüßeſte Pein: Wo ſie wohnt, herrſcht ſie allein, Iſt Weh, das niemals mehr vergeht, Iſt Leiden, das kein Sturm verweht: Süß weiß ſie von ſich ſelbſt zu klagen; Doch ſchwer iſt's: immer ſie ertragen!

442

2

Nicht kann ich der ew'gen Sehnſucht genefen, Nicht kann ich vergeſſen wie's all' geweſen Und kann dich nicht laſſen und kann dich nicht meiden, Mag lieber die ſüßen Qualen leiden

Will lieber dich lieben und drum verderben:

Für dich muß ich leben! für dich muß ich ſterben!

3.

Tiefer als in der tiefſten See Wohnt mir im Herzen ein ſüßes Weh.

4.

Und müßt' ich über die wilde See Ich folgt' ihm nach vor Wonn' und Weh.

Im Traum.

O! du zu dem ſich dränget all' mein Sehnen, Im Traumbild ſüß erſcheine mir!

Laß mich die Hände zu dir heben Und laß mich betend knien vor dir.

Laß meine bleichen Mienen klagen, Was ich gewaltig leiden muß

Und ſtammelnd meinen Mund dir ſagen, Wie ſtill er glüht nach deinem Kuß.

443

Im Traum nur ruhn an deinem Herzen, Das unentreißbar ewig mein Vergeſſend alle bittern Schmerzen Nur fühlend: daß ich ewig dein.

Gehorſam.

Rufe mich und ich will kommen, Selig an dein Herz genommen, Immerdar bei dir zu ſein: Heiß' mich in Verbannung gehen, Nie ſollſt du mich wieder ſehen: Glück iſt, dir gehorſam ſein,

Nah und fern dir bin ich dein.

Wolkenflug.

Am Himmel, einſam, abgeriſſen, Zieht eine Wolke weiß und grau: Woher? wohin? wer kann es wiſſen? Verloren ſchwimmt ſie durch das Blau.

So zieht vieltreues Lieb-Gedenken

Von meiner Seele nach dir aus: Ahnſt du es wohl? führt Götterlenken

Je meine Sehnſucht in dein Haus?

444

Allein! Die langen Tage ſuch' ich dich, Die einſamen Nächte ruf' ich dich, Im Schlummer träum' ich bei dir zu ſein, Und wenn ich erwache, bin ich allein.

Dein Leid mein Leiden.

Mein Wort kann nicht mehr zu dir dringen Mein Blick ſoll ſcheu den deinen meiden: Doch Tag und Nacht muß ich verbringen, Zu denken deiner großen Leiden.

Am Fenſter. Am Gitterfenſter ſitz' ich hier: Weit kann ins Land ich ſehen: Dort zieht ein Weg: er führt zu dir: Doch ich darf ihn nicht gehen. Gar viele Wandrer ziehn vorbei Mit Lachen und mit Scherzen: Und mir bricht ſtill das Herz entzwei Vor Sehnſucht und vor Schmerzen.

Sein Schritt. Tief zur Nachtzeit, einſam ſpät, Fahr' ich vom Schlummer empor: Er iſt's, der noch vorüber geht, Gut kennt den Tritt mein Ohr.

445

Er irrt die Wege raftlos hin

Da verbluten ihm Leben, Kraft und Herz Und ach! ich weiß, daß ich es bin, i

Die ihm gebracht den Todesſchmerz.

Seine Spur.

Schon iſt der Abendſtern entglommen, Mein thränenfeuchtes Auge wacht:

Ich hör' ihn fern die Straße kommen, Ich ſeh' ihn durch die blaue Nacht.

Horch, tiefe Seufzer aufwärts ſchweben

Hier traf fein Blick mich ſonſt jo gern

Ich bin fein Weh! und ich muß leben ! Vorüber, horch! ſchon geht er fern.

Nun dürfen meine Thränen fluthen Was hat ihn noch vorbei geführt?

Ich küſſ' am Weg in Schmerzesgluthen Die Stelle, die ſein Fuß berührt'.

Waldraſt.

Gieb, o gieb der Todesmatten, Nach des Schmerzes Allgewalt,

Stille Raſt in deinen Schatten, Tannenduft'ger, tiefer Wald.

446

Meinem Fuß, dem heißbeſtäubten, Breite ſanft dein ſchwellend Mos, Meinem Haupt, dem ſchmerzbetäubten,

Bette kühl in deinem Schos.

Ach, dies Herz iſt zum Erwerben, Zum Entſagen nicht, gemacht

Solches Glück und ſolch Verderben Bargſt du nie, o Waldesnacht.

Verbannt.

Im Erker in monddurchflutheter Nacht Mein einſam Herz und Auge wacht:

Fern, über den Bergen, im nächtigen Tann Irrfahrtet ein weltverlorner Mann.

Kehrt er wieder?

Die Straßen ſind vom Regen naß: Er zog auf böſe Reiſe

Die Blätter fallen ohn' Unterlaß, Der Herbſtwind klagt ſo leiſe.

Mein Herz iſt krank und voll Beſchwerd': Dem Liebſten heißt's Entſagen,

Und wenn er gar nie wiederkehrt Gott, das werd' ich nicht tragen.

447

Mein Stern, Das Ziel meiner Träume liegt fern und weit Durch leere Räume, durch öde Zeit Hinwandl' ich ins Weite mit mattem Schritt, Zur Seite die trüben Gedanken mit; Ueber dem Haupt mit leiſem Flug Weht ſüßer Erinnrung Athemzug Und aus den Wolken, Götter⸗fern, Leuchtet mir mein ew'ger Stern.

Im Mai. Der Tag entſchlief, blau fluthet die Nacht Der Abendſtern iſt kaum erwacht, Es birgt die erſte wilde Roſe Süß duftend ſich im Waldesſchoſe, Tief in Gebüſch und Blüthenweiß Der Nachtigallen Schlag ſo leis Und durch die Sehnſucht athmende Luft Haucht ſüß und lind des Maien Duft. So war's in Gottverſunkner Stunde: Wir ruhten beiſammen im Waldesgrunde. Die Stunde kam ’3 ift all’ wie eh, Nur: du biſt weit und ich voll Weh.

Siegesglocken Sterbeglocken. Fern im Lande hör' ich läuten

Und ich lauſche tief hinab: Mag's ein Siegesfeſt bedeuten

Oder trägt man dich zu Grab?

448

Hoher Friede.

Er lebt! Dort fern, am morgen-thauigen Tann, Verträumten Sinnes geht ein Mann Es fliegt ſein Haar, ſein Schritt erſchwebt So wandelt nur Einer Heil mir: Er lebt!

Ergebung. Was nun auch kommt, ich will es tragen: Dich lieben das iſt Seligkeit! Anbetend, ſegnend, ohne Klagen Bin ich auf ewig dir geweiht!

Mein Schickſal. Die Mondesſichel ſchwimmt im Aetherduft Und Frühlingsahnen fluthet durch die Luft: Weit dämmert heilige Nachteinſamkeit: Zu meinen Seiten ſtehen Glück und Leid: Ich blick empor zum Sternenreigen: Mein Schickſal grüßt mich aus dem Schweigen!

449

Sternenſchrift. Nun hab' ich unſer ſehnend Lieben f Mit Flammenzeichen in des Himmels Blau geſchrieben Dorthin blick auf aus Lebens Wirrgetriebe, Wenn Wort und Gruß von mir dir nicht mehr naht: In tiefer Nacht, wenn Taglaſt ausgemüdet hat, Grüßt dich aus Sterngefunkel meine Liebe.

Raſch und Ewig. Weisheit kömmt nicht über Nacht, Thorheit geht nicht an einem Tag: Liebe kömmt eh' du's gedacht Und niemals wieder gehen mag.

Nur Du weißt es. Ach, was ich muß an Sehnſucht tragen, Das weißt nur du allein zu ſagen. Und ſeufz' ich oft: „Es iſt ſo ſchwer! Verzehrend glüht mein Herzbegehr!“ Daß ich doch Alles tragen kann, Weißt auch nur du, geliebter Mann.

Fromm in Glück und Leid. 1

Höchſtes Glück und tiefſtes Leiden Heben zu Gott und machen beſcheiden.

Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 29

450

2.

Ich wandle hin im Deingedenken, Weltſtille, fromm und gut

Nun möge Gott dir einen Segen ſchenken, Der dir deßgleichen thut. |

3.

Alles ward ich Durch dich Alles ward mir Mit dir Ewig bleib ich In dir.

Das Beſte.

Was iſt von Weh und Wonnen mir unentrückt geblieben? Das Höchſte und das Beſte: ich darf dich ewig lieben!

451

Ciefes Mannesweh.

a Jahrestag.

Heut' iſt's ein Jahr. Wir ſchlürften die ſel'ge Maiennacht: Am Himmel ſtand Frau Venus bei Mars in heller Pracht.

Lang ſchauten wir die Sterne und ihren Treuverband: Wir ſprachen nicht, wir drückten verſchwiegen uns die Hand.

Heut liegen hundert Meilen wohl zwiſchen dir und mir: Beiſammen ſtehn die Sterne mein Herz verbrennt nach dir.

November. i Die Luft iſt grau, das Feld ſteht kahl, Die dumpfen Nebel ſpinnen: Kein Ton, kein Sang, kein Farbenſtrahl Glück zog und Glanz von hinnen.

Rings Stille: matt ſtarb ſelbſt der Wind Ein Rabe huſcht an den Steinen:

Mir iſt, ich hör' mein fernes Kind Bitter, bitter weinen.

452

Vom Rande des Abgrunds. I.

O du, der ich mit Todesqualen Vergolten höchſte, reinſte Luſt,

Könnt' ich mit meinem Herzblut zahlen Für jeden Seufzer deiner Bruſt.

Ich weiß dich ſehnend und verlaſſen, . Das ſcheucht mich auf vom Pult mit Macht, Das jagt mich ruhlos durch die Gaſſen,

Das treibt mich raſtlos durch die Nacht.

An deiner Thüre frierend ſteh' ich

Im Schneewind fliegt mir Haar und Bart: Am hellen Fenſter gierig ſpäh' ich

Nach ſchlankem Schatten deiner Art.

Dein Fuß ſchwebt über dieſe Schwelle Ich küſſe ſie mit heißem Kuß:

Mir iſt, hier liegt die dunkle Stelle, Wo Lieb' und Wahnſinn grenzen muß.

II.

Wer hat heut Nacht vor der Hahnenkraht Laut Felix, Felix! gerufen? 5

„Halt!“ ſchrie ich empor und erhaſchte ſie g'rad, Wie ſie glitt in die Fluth von den Stufen!

Sie hat heut Nacht vor der Hahnenkraht Laut, laut mich bei Namen gerufen.

453°

Die Löſung. N (19. Juli 1870.) Schlägt Verzweiflung wild die Fäuſte An des eh'rnen Himmels Thor Manchmal thut ſich's auf mit Krachen Und ein Wunder blitzt hervor.

Endlich ſchickt dir Gott die Löſung, Grenzenlos gemartert Herz:

Gottes Donner kracht in Frankreich, Und ſein Blitz löst allen Schmerz!

Rhein- Uebergang. (Anfang Auguſt 1870.) Gegrüßt, mein Strom! Ich ſteh' in Feindesland: Die Fahne Frankreichs weht von jenem Thurm: Nicht kehr' ich heim, bis ich den Kugeln ſtand, Dem Gottesurtheil in der Feldſchlacht Sturm. Ihr Wogen aber tragt mir Kuß und Gruß Der Lorelei an ihres Felſens Fuß.

In den Argonnen. (Ende Auguſt 1870.) Wochenlang durch Sturm und Regen Zieh' ich nun dem Feind entgegen Und er ſtellt ſich nicht zur Schlacht. Ringsum Wald und ringsum Nacht,

454

Dede, drohend, finfter, ſtumm: Haß und Mordgier ſchleichen um Aus dem Dickicht Schüſſe knallen: Hier, vergeſſen, könnt' ich fallen, Und du würdeſt nie erkunden,

Wo und wie ich dir entſchwunden.

Autrecourt bei Sedan. (31. Auguſt 1870.)

Die rothen Feuer glimmen Rings ruhen Roß und Mann Nur windvertragne Stimmen Dorther vom dunkeln Tann Ein Hornruf durch die Halde Ein Schuß von ferner Wacht Die Nacht verrinnt wie balde! Und morgen in die Schlacht!

*

Sedan. (1. September. Mittag 1 Uhr.)

Noch einmal hier, wo regnet Um mich Verderben roth, Wo Grau'n und Sterbensnoth In Flammen um mich loht, Noch einmal ſei geſegnet In Leben mir und Tod.

Hoher Mannes Friede.

Ew’ger Liebeshimmel.

Alles ift, was kam gezogen Ueber unſern Liebesbund,

Nur Gewölk mit Regenbogen Auf dem ewig blauen Grund.

Segen.

Und trug mein Herz um dich an Leide Schwer, todes⸗ſtark: 3

Und traf ein Dolch mit ſcharfer Schneide Mir tief ins Mark,

Und mußt' ich opfernd für dich geben Was froh und klar,

Und viel was über Licht und Leben Mir theuer war:

Ich ſprech' es nicht im Wonnerauſche, Nein, ernſt und ſchlicht:

Daß ich den Schmerz um dich vertauſche Um Alles nicht!

456

Und bin ich, feit du mir begegnet, Dem Tod geweiht:

Du ſollſt mir dennoch ſein geſegnet In Ewigkeit.

Troſt im Lied. Ich weiß, der Schmerz um mich bog nieder Dich hart bis an des Abgrunds Bann: Laß ſehn, ob nicht empor dich wieder Der heil'ge Rhythmus meiner Lieder, Stark wie des Adlers Sturmgefieder, Hoch zu den Sternen tragen kann.

Troſt in der großen Liebe.

Biſt du für's Leben mir entriffen » Das Eine, Große mußt du wiſſen: Es wird nie mehr gleich dir auf Erden Von Manne Weib geliebet werden.

Unverwehrbar.

Ich will, trennt von der Holden Mich eine Welt von Weh', In Liedern ſie vergolden Vom Scheitel bis zur Zeh'.

457

Die weiße Fran.

Mein Leben liegt in Trümmern und Ruinen, Der Epheu flüſtert klagend durch den Bau:

Doch leis und lieblich wandelt zwiſchen ihnen Dein Bild du meines Herzens weiße Frau.

Du weißt es doch!

Und ob ſie mich in Feſſeln ſchlagen Und dich verbannen länderweit, Ob wir uns nie mehr können klagen Von Mund zu Mund das ſüße Leid: Des Himmels treue Sterne tragen Uns Botſchaft in Verſchwiegenheit: Fort tönt das ſcheuſte deiner Worte In meines Herzens Tiefe noch, Und was du denkſt am fernſten Orte: Ich weiß es doch, ich weiß es doch.

Und ob ſie Alles dir entwunden, Was deines Lebens Leben war, Und ob dein Tag in grauen Stunden Dahinſchleicht aller Hoffnung bar: -- Daß uns der ſchönſte Gott verbunden, Der höchſte Gott, auf immerdar, Daß ich für dich kann Alles leiden, Für dich ertragen jedes Joch, Und daß wir ewig nicht zu ſcheiden Du weißt es doch, du weißt es doch!

458

Nach dem Abſchied. Sei nun gegrüßt in weiter Ferne! Und aus dem ſtark ertragnen Leid Den höchſten Troſt der Liebe lerne: „Die Seele kennt nicht Raum noch Zeit.“

Feſt hält ſie, bis die Sterne ſanken,

Was ſie gewann von Seligkeit,

Sie dringt durch Meer-, durch Alpenſchranken: „Die Seele kennt nicht Raum noch Zeit.“

Kein Scheiden giebt's und kein Vergeſſen: Was einmal war, iſt Ewigkeit:

Dir nimmt kein Gott, was du beſeſſen: „Die Seele kennt nicht Raum noch Zeit.“

Abſchieds⸗Troſt.

Und wenn ich nun von dir geſchieden, Mir bangt um deine Seele nicht: Es bleibt bei dir ein ew'ger Frieden, Es glänzt in dir ein ew’ges Licht.

Es grüßt von mir dich Stern und Sonne Und Wald und Woge ſpricht von mir: Ja, in geheimer ſtolzer Wonne Von mir ſpricht jeder Herzſchlag dir.

Der Sonnenſtrahl, den aufgefangen Die Muſchel hat in ihrem Schos,

Als eine Perle bleibt er hangen Unendlich ſchön und wandellos.

459

Auf Wiederſehn.

„Auf Wiederſehn!“ melodiſch Wort, Du Hauch des Troſtes: Wiederſehn! Durch unſre Liebe fort und fort Still fühl' ich deine Zauber gehn.

Beim Abſchied, gleich das erſtemal,

Sagt’ ich dir leis „auf Wiederſehn:“ Da traf mich tief dein Augenſtrahl

Und da war Alles ſchon geſchehn!

Und mußt ich, ſtill und heiß gefof't, Nach kurzen Wonnen von dir gehen, Erklang der Liebe Scheidetroſt: „Ein letzter Kuß“ „auf Wiederſehn!“

Und als uns grimm getrennt die Noth, Als in verzweiflungsvollen Wehn

Ich ging von dir in Kampf und Tod Leis klang mir's nach: „Auf Wiederſehn!“

Und muß es einſt geſtorben ſein

Und kannſt du nicht am Pfühl mir ſtehn, Blick ich empor zum Sternenſchein

Und hauche noch: „Auf Wiederſehn!“

460

Bergeltung.

Oft hatt’ ich's feſt mir vorgenommen, Wußt' ich dich tief gebeugt vom Leid: „Geduld, mein Lieb, dir ſoll noch kommen, All⸗lohnend die Vergelte-Zeit.“

Wohl ſahn wir wechſeln Mond und Sonne Doch heut' drück' ich dich an die Bruſt, Bis du von Liebe, Luſt und Wonne Berauſcht die Augen ſchließen mußt.

Dein Weſen.

Immer, wenn ich dein gedenke, Und wann dächt' ich deiner nicht? Iſt's, als ob ich ſchlürfend tränke Silberduftig Sternenlicht.

Glück im Leiden.

Ich kann nichts thun für dich, als um dich klagen: Das aber will ich in ſo holden Weiſen, ö Daß Glückliche dir Neid drum ſollen tragen Und dich um deine Schmerzen ſelig preiſen.

Ganz und Ewig. Manch Weib wohl lockte leiſes Tönen Aus meiner Laute, liedgewohnt: Denn meine Seele folgt dem Schönen Nothwendig wie das Meer dem Mond.

461

Doch nur wie uns der Blumen Düfte Allunvermeidlich überwehn

Und raſch verhauchen in die Lüfte, Kam ſolcher Reiz um zu vergehn.

Du aber mit den Marmorwangen, Die mich geliebt mit Todespein,

Du hältſt auf immer mich umfangen Ganz iſt mein Herz und ewig dein.

Des Lebens tiefſten Hauch getrunken Vom ſüßen Munde hab' ich dir:

Verſchlürft, verſogen und verſunken Dein ganzes Weſen lebt in mir:

Und im geheimſten Heiligthume Der Seele, voller Duft und Glanz, Blühſt du mir ewig, weiße Blume, Und ſchmückeſt und erfüllſt mich ganz!

Unausſprechbar.

Oft hab' ich Frauenreiz empfunden

Und ſtets mich aus dem Bann befreit, Hatt' ich den Schlüſſel ausgefunden

Zu ihres Weſens Eigenheit.

Den Geiſtern iſt die Macht gebrochen, Haſt du bei Namen ſie genannt,

Und iſt ſein Räthſelwort geſprochen, So löst ſich jedes Zaubers Band.

462

Das aber ift dem Dichter eigen, Der jelbft lebend'ge Menſchen ſchafft: Ins Herz dem Menſchen muß er ſteigen, Enträthſelnd ſeine tiefſte Kraft.

Doch Jahre lang ſuch' ich vergebens Ich find' es nie in Ewigkeit

Das Reizgeheimniß deines Lebens,

Das Räthſel deiner Lieblichkeit!

Oft hielt die Formel ich gefunden Und ſprach ſie aus in Liedgeſtalt: Bald Meluſine ſchaumumwunden, Und holdverträumt Dornröschen bald

Aſpaſia nun und jetzt Miranden

Rief ich und bald die Waldesfei, Titania hoch aus Elfenlanden

Und tief vom Rhein die Lorelei

Maiglockenduft und Harfenklingen, Der Amſel Lied, den Abendſtern Bei allen wunderſchönſten Dingen Sucht' ich nach deines Weſens Kern.

Umſonſt! nie faſſ' ich ganz dies Weſen! Nie ſag' ich ganz, wie ſchön es ſei. Drum kann ich ewig nicht geneſen Von deiner Liebeszauberei.

463.

Drum kann von dir ich niemals laſſen, Wie von mir ſelbſt in Ewigkeit,

Kann deinen Reiz ſo wenig faſſen, Wie meine eigne Eigenheit.

Mir iſt: aus Einem Lichtesſtreifen Schied uns der Gott die Seelen zu:

Kann dich nicht laſſen noch begreifen: Denn du biſt ich und ich bin du.

Verlorne Liebesmüh.

Ob ich dich ſinge ſpät und früh In Weiſen jeden Bau's 's iſt all' verlorne Liebesmüh

Ich ſinge dich nicht aus!

Madonnenhaft.

Nun endlich hab' ich ausgeſonnen Den Reiz, der dich verklärt und weiht: Du gleichſt den umbriſchen Madonnen Aus Rafaels Epheben⸗Zeit.

Es hält ein Glanz von ew'ger Trauer Und ew'ger Wonne dich umſäumt, Es ruht auf dir in heil'gem Schauer Ein Gotteskuß, ſtill nachgeträumt.

464

Jungfräulich bift du Weib geworden, Ein'ſt Knospenreiz mit Blumengluth:

Um's goldne Haupt in Gold-Accorden Spült dir der Engel-Chöre Fluth.

Du haſt des höchſten Schmerzes Milde, Der tiefſten Rührung Majeſtät,

Und aufgelöst vor deinem Bilde Wird mein Verlangen zu Gebet.

Myſterium.

Du ſüß Geſchöpf, du holdes Mädchenweib, In mehr als hundert Liedern, laut und leis, Sing' ich ſeit Jahren nun von deinem Reiz, Und ſinge dich doch niemals aus!

Und immer, immer wieder drängt es mich, Mich in dein Wunderweſen zu vertiefen Ja, zu vertiefen, körperlich und geiſtig: Denn dieſes iſt ein hehr Myſterium:

Der ſtarke Drang, der niemals müde wird Dich zu erfaßen mit dem eignen Selbſt, Dich zu umſchließen und dich zu verſtehn Er gilt der Seele wie dem Leibe gleich: Denn Seel’ iſt Leib in dir und Leib iſt Seele: Darum ſo glühend deiner Seele Kraft, Darum ſo ſeeliſch deines Leibes Reiz:

Schön ſind wohl manche: aber du allein

Biſt meiner Schönheits-Träume Wirklichkeit! So zart und glühend, fein und ſtark zugleich,

465

Wie meine Dichtung trachtet nur zu werden, So, wonnevolles Weib, ſo biſt du ganz:

In dir erſchien leibhaftig und lebendig

Mir meine Muſe, und du wardſt nicht erſt, Du warſt ſchon mein: du biſt mein ewig Ich.

1

Der Gottesſtrahl. Mir kam einmal

Ein Gottesſtrahl: Das war ein Weib Von ſüßem Leib

Und einer Seele Sonder Fehle.

Ihr Haar war hold Gerolltes Gold,

Ihr Schritt war Tanz, Ihr Auge Glanz, Ihr Wuchs war zart Nach Elfenart,

Ihr Wort war leis, Ihr Kuß war heiß, Sie ſprach faſt nie: Doch blickte fie, War's Poeſie;

Und was ſie trieb, War reizgeweiht

Und ihre Lieb'

Iſt Ewigkeit.

Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 30

466

Sternen= Ewig.

Unter die goldnen Sterne des Himmels Hab' ich mit hundert Goldenen Liedern Deinen ſchönen Namen geſchrieben, Deinen Namen

Und unſere Liebe. Und bis die letzten Sterne da oben, Müde des Wanderns, Fallen und löſchen, Siehe, ſo lang währt Deines Namens

Und unſerer Liebe Schönes Gedächtniß: Aber noch länger Unſere Liebe:

Denn ſie iſt ewig.

Liebes-Hymne.

Heil dir im Siegeskranz, Heil dir im Liedesglanz, Glorreiches Weib:

Mitten durch Leid und Qual Segne dir tauſendmal

Gott und fein Sternenftrahl Seele und Leib.

Edelſter Liebe Ruhm, Lorber und Martyrthum Ward dir zu Theil:

Dulderin, Siegerin,

Allüberwinderin,

Nimm meine Seele hin, Mein ewig Heil.

Widmung.

Nimm dieſe Lieder hin dir ſind ſie eigen:

Nur du weißt, was ſie ſagen, was verſchweigen. O möchten ſie von höh'rem Werthe glänzen,

Mit ſchönrem Kranz dein ſchönes Haupt zu kränzen. Ob arme Blätter nur von kurzem Sein,

Das Beſte ſind ſie dennoch, was da mein. Nicht ward es mir, zu ſchildern dich, gegeben: Den Schwan von Avon ruf' ich auf ins Leben: Den größten Dichter, den die Welt gebar:

Der Imogen geſchaffen und Miranden,

Die Mädchenbilder aus den Märchenlanden,

Ihm ſtell' ich dich, du Wunderblüthe, dar:

Da nimmt er ſtill aus ſeiner Julie Haar

Den Brautkranz, an dem Weihaltar des Schönen, Zur Liebeshoheprieſt'rin dich zu krönen!

N tod A0 ech ee och sin,

Kleine Lieder, Sprüche

und

Tagebuchblätter.

Rebens- Sonnenwende.

Von meiner Tage Gipfel ſchau' ich nieder Und meine Sunwend acht' ich dieſe Lieder.

Mannes- Eigenart.

Zergliedre rechten Mann einmal: Findſt neunzig Theile drin von Stahl Und Theile neun von Golde licht: Doch Gott im Himmel ſelber nicht, Der alle Dinge weiß und kennt, Begreift das letzte Element.

Wiegengaben.

Um eines Knaben Wiege, unhörbar, unſichtbar Von Geiſtern und Dämonen flog eine wirre Schar.

Mit nächtig ſchwarzen Flügeln, mit Kronen flammend roth, Mit Augen grell wie Blitze, mit Schmerzen tief wie Tod.

Und ſie legten mit vollen Händen ihre Gaben um das Kind; Dann tanzten ſie um die Wiege wie hölliſcher Wirbelwind.

472

Sie faßten ſich an den Händen und tanzten und fangen dazu: „Verwirkt! verwünſcht! verloren! auf ewig ohne Ruh!

Im Haupt den ew'gen Zweifel, in den Adern Lavagluth, In der Bruſt den gefangnen Adler, das Sehnen, das nie⸗ mals ruht.“

So ſangen ſie und verſchwanden es verſcholl die Melodei; Da ſchwebt durch Nacht und Stille hernieder die ſchönſte Fei:

Auf ihrem Haupte leuchtet der allerhellſte Stern, Sie rührt dem Knaben die Lippen da tönt's wie Harfe fern:

„Nicht kann ich die Gaben ändern, die dir die Hölle beſchied; Doch leg' ich dir daneben mein Pathengold das Lied.

Nicht kann den Fluch ich wenden, den ſprach der finſtre Chor, Wohl trägt dich's ewig ruhlos doch ewig ſei's: Empor!“

Der geheime Hort.

In die Seele tief des Mannes,

Unergründlich wie die Meerfluth,

Hat ein Gott mit leiſen Händen Einen reichen Hort verſenkt.

Goldne Kronen liegen unten,

Schwerter, Spangen, Silberharfen

Und dabei der roſt'ge Schlüſſel Zum verlornen Paradies.

473

Drüber hin gehn hohe Wellen Brauſend bald, bald glatt und ſpiegelnd \ Und fie laden und ſie locken,

Den geheimen Schatz zu ſchaun.

Aber niemand wird ihn ſchauen, Wird ihn heben und gewinnen: Und am wenigſten er ſelber Weiß was in ihm ſchläft, der Mann.

Kaum daß durch die ſchwanke Welle

Manchmal ſieht das goldne Wunder

Glänzen, grüßen und verſchwinden Ahnungsvoll ein liebend Weib.

Viſion.

(1868.)

Von meinem Fenſter, wo mein Schreibtiſch ſteht, Sieht man die Sonne wundervoll verſinken,

Wenn ob dem Waldesſaum ſie niedergeht, Vergoldend Fluß und Land zu meiner Linken.

Und zu der Stunde, mir von Kind an heilig, Aufathm' ich von der Laſt des Tages gern,

Und träumeriſch an meinem Fenſter weil' ich Und ſchau' in Dämmerduft und Abendſtern.

So that ich heut: da ſchön, wie nie zuvor, Erglomm der Himmel rings von Gluth und Golde, Uud ſieh, es trat ein leuchtend Bild hervor, Ein Wolkenweib wohl kannt' ich ſie, die Holde.

474

Oft hatt! ich fie geſchaut in guten Stunden, Wenn freudig mir ein Lied geklungen war,

Und ſelig ſchauernd hatt' ich oft empfunden, Als rührte leiſe ihre Hand mein Haar.

Ach meine Jugend war's, voll Schwung und Glanz! Nie ſah ich ſie ſo klar, ſo nah wie heute;

Sie legt' noch einen Kuß, erglühend ganz, Auf meine Stirne, ſcheu, nach Art der Bräute.

Und plötzlich ſank ſie, ſchwand an Form und Schimmer, Ich griff nach ihr mit lautem Weheſchrei'n,

Sie aber winkt zurück, ich ſah ſie nimmer Und kalte Schatten fielen um mich ein.

*

Mich fror: mir war, es blieb mein Herzſchlag ſtocken: So, Jugend, lebe wohl auf immerdar!

Zum Lager geh' ich heut in braunen Locken Steh' ich wohl morgen auf in weißem Haar?

Holder Beſuch.

Einſam glaubſt du mich, Freund? ich erfreue mich holder

Geſellſchaft! Wenn ſich der Mond gemach über die Tannen erhebt,

Sieh, dann ſchweben zu mir, von den Abendwolken getragen,

Dort aus dem rauſchenden Wald Mädchengeſtalten heran:

Schimmernd, ein herrlicher Zug; und ſie grüßen mich alle f vertraulich,

Weil in der Dichtung Reich lang wir einander bekannt.

475

Allen ſchreitet voran im Hellenengewande Theano, Weiße Roſen im Haar, doch in der Rechten das Kreuz: Dann in buntem Gemiſch mit Haralda Herlindis, Jolanthe,

Eginharts Schülerin dort nahet und ſchön Roſamund,

Glücklich das Heidekind und Atala mit leuchtender Stirne, Hilde, walkürengleich, und mit dem Falken Edith.

Dort mit bezwungenem Blick und bezwungener Seele das

Nixlein,

Hier Magdalene, geſühnt, himmliſche Thränen im Aug'; Nicht mehr weinend Wallada, verſengten Gewands die f Veſtalin,

Mit Heloiſen im Arm ſchreitet Aspaſia dort, Floreſtans Schwanen-Fee und Ellida, den Stern auf dem

Haupte,

Und mit dem Glühwurmſchmuck ſchwebet Titania heran, Lächelnd, zum erſtenmal in der Trauer, die Wittwe von

i Sedan

Und aus des Erdgeiſts Nacht hebet ſich Mila zum Licht. Stolz trägt Edeltraut ſtatt des Schleiers die bräutliche

Myrthe,

Donna Bianca erglüht ſtets noch in reizender Scham. Noch iſt der Maikranz friſch auf dem Ambragelock Roſa—

lindens;

Doch hier nahet ein Weib, ſieh, von zwei Sängern ge⸗

führt,

Beide bekränzt und verſöhnt Herr Wolfram ſchreiten und

Heinrich:

Jeder, Eliſabeth, hält an der Hand dich gefaßt,

Und ſie gleichen ſich ſehr, wie ein älterer Bruder dem

jüngern,

Daß du von Einem verwirrt wieder zum Anderen ſchauſt.

476

Doch aus der Tiefe des Rheins, mit den ſelig ſchimmern⸗ den Augen, Hört ihr den Harfenton? tauchet die Lorelei auf, Die ich vom Fluche gelöst durch mein Lied und beglückt ! durch die Liebe: Sieh, aus den Locken den Kranz nimmt ſie und reichet ihn mir. Und ſie faſſen ſich all' an den Händen, die holden Geſtalten, Und ſie ſchlingen um mich grüßend und lächelnd den Reihn. Einſam glaubſt du mich, Freund? o, ich freue mich holder Geſellſchaft, Wenn ſich der Mond gemach über die Tannen erhebt.

Scheue die Götter!

Den Glücklichen, der dir giebt, Den Elenden, der dich liebt, Sollſt du in Ehren halten: Dabei iſt göttlich Walten.

Haben und Nichthaben.

Mein Unglück klagt ein kurzer Satz: Ich will es und ein Andrer hat's.

477

Die Philiſter und die Genie's.

Die Philiſter waren arge Tyrannen: Die Genies jagten ſie von dannen: Kaum waren die Genies Minifter, Trieben ſie's ärger als die Philiſter.

Einziges Mittel.

Haſt du ein höchſtes Heiligthum

Und willſt du nicht betrogen ſein,

So nimm ein Beil und hau' es um Und ſchlag's in tauſend Trümmer klein.

Trinkſpruch.

Wer gar nicht trinkt, ſei er noch ſo er Den laß ich fein:

Wer zu viel trinkt, das iſt ein Schwein:

Wer trinkt, was er vertragen kann

Und das recht viel ſtoßt mit an, Das iſt mein Mann!

Schlimm gepaart.

Ein alter Mann, ein junges Weib, Die Freude hat nicht lang Verbleib: Doch junger Mann und altes Weib Des Teufels liebſter Zeitvertreib!

478

Der Bann der Fee.

Das ift der Bann der Feen: Der Mann, der Eine gefehn, Muß ſie haben oder vergehn.

Meiſter und Meiſterin. Kein Meiſter trägt jo ſtolzen Sinn Er findet ſeine Meiſterin.

Nicht laſſen noch haben.

Gott helf mir armen Knaben, Kann ſie nicht laſſen noch haben.

Unheilbar. Sie iſt nicht ſchön, ſie iſt nicht klug, Und dennoch iſt ſie ſtark genug Zu bannen all mein Weſen Auf Nimmermehrgeneſen.

Das Traumbild.

Und mag ich gehn in Träumen Durch Welt und Menſchen hin Was iſt hier zu verſäumen An Glück und an Gewinn?

479

. Seit ich auf duft'ger Halde, Wo wilde Roſen wehn, Erſah ſchön Esmeralde, Die Königin der Fee'n,

Durch alle meine Tage, Wie trüb das Leben ſchwillt, Geſchloſſnen Auges trage Ich mit das ſel'ge Bild.

Kluger Tauſch. Lang lebt' ich nach der Leute Sagen, Da war ich elend Tag und Nacht Und hab's doch keinem recht gemacht: Jetzt leb' ich mir nur zum Behagen Sie ſchelten, doch mein Herz, das lacht.

Chriſtenpflicht. Mir will die Welt mein Lieb nicht gönnen, Das mir nicht Welt, nein, Himmel iſt: Die Welt dem Himmel opfern können Muß aber jeder brave Chriſt.

Zurückgabe.

Wenn mir mein guter Stern vergunnt Nur Einen Kuß von ihrem Mund, Will ich Gott danken alle Stund.

480

Wie aber ſchilt fie mich deßwegen? Dann freilich muß ich raſch ihn legen, Wo ich ihn hab genommen fort, Getreulich an denſelben Ort.

Meine Sünde. Soll ich ergründen Meine Sünden, Ich finde ſie kleine Bis auf Eine: Ich hab' ein Weib viel, viel mehr gern Als den Himmel und Gott den Herrn.

In der Kirche.

Der Liebe wollt' ich ledig werden:

Ich floh vor ihr ins Gotteshaus: Da trat mit lächelnden Geberden

Sie von dem Hochaltar heraus Und ſprach: „du ſuchſt in gradem Lauf Mich juſt in meiner Heimat auf.“

Das Lob im Lied.

So wahr in allen deutſchen Gauen Kein Weib wie du ſo ſchön zu ſchauen, So wahr in allen deutſchen Zungen Sei keins wie du ſo ſchön beſungen.

481

Zweite Jugend.

Kehrte mir die Jugend wieder Oder kam der Lenz zurück?

Jeder Tag bringt neue Lieder, Jeder Tag bringt neues Glück.

Kaum zu bänd'gen ſind die Ranken, Die mir jede Stunde flicht,

Und es werden die Gedanken Mir von ſelber zum Gedicht.

Das Tröſtelein.

Mir bleibt kein Troſt ein Tröſtelein: Was werden ſoll und muß, wird ſein.

Dornröschen.

Die Mühe ſoll die Liebe ſpornen: Dornröschen heißet von den Dornen.

Nothwendige Lieder.

Und ſtieg ein Engel Gottes nieder

Uud drohte mit dem Flammenſchwert: Ich muß ſie ſingen, dieſe Lieder,

Die mein entzücktes Herz begehrt.

Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 31

482

Unerſchöpflich.

Seh' ſcharf ich in des Himmels Rund, Stets find' ich neue Sternenlichte: Seh' ſcharf ich in meiner Seele Grund,

Stets find' ich neue Gedichte.

Gottesdienſt und Franendienit.

Ja, hätt' ich Gott gedient wie ihr, Der Himmel wäre ſicher mir.

Unterſchied. Vielleicht, daß ſie ſich ſehnen mag Nach mir wohl durch den blauen Tag: Doch lächelnd träumt ſie durch die Nacht, Die mich erſt vollends elend macht.

Verſchiedene Liebe.

Der Arme liebet ärmer,

Der Warme liebet wärmer,

Der Scheue liebet ſcheuer,

Der Treue liebet treuer:

Von allen Liebesgäſten

Der Dichter liebt am beſten,

Der jedes Pulſes Schlag und Fall Verewigt in des Lieds Kriſtall.

483

Dichterlos. 1.

Ihr preist des Dichters glücklich Los Zu ſingen Luſt und Schmerzen: Das Glück iſt aber nicht zu groß, Mehr als die andern Herzen An Luſt und Leid zu tragen; Und was am tiefſten ihn durchwühlt Und was am mächtigſten er fühlt, Das kann er doch nicht ſagen! Denn nicht in Flammen kann er ſprechen Und brauſen nicht in Lavabächen, Nicht jauchzen mit des Sturmes Stimme, Nicht dräuen mit des Löwen Grimme, Nicht ſein Verlangen laſſen ſchallen Im Lied der Frühlingsnachtigallen, Nicht hauchen ſeiner Sehnſucht Drängen In leiſen Aeolsharfenklängen: Und trägt doch alles dies beiſammen, Trägt Sturm und Leu und Lavaflammen Und Aeolsharf' und Nachtigall In ſeiner Seele kleinem All.

II.

Ihr ſollt ſein Lied dem Dichter gönnen, Denn auch das Schwerſte muß er können: Er muß durch Welt und Menſchen gehn Und darf kein Auge laſſen ſehn,

Wie höchſte Pein und höchſte Luſt

Ihm wogt in tief verſchwiegner Bruſt.

484

Bang um dich.

Denk' ich an dich, wie du ſo blumenrein,

So arglos in das Leben blühſt hinein,

Und denke dann der Welt und ihrer ſchmutz' gen Hände, So möcht' ich um dich weinen ſonder Ende.

Prüfung des Rivalen.

Der deine Hand davon ſoll tragen, Den wäg' ich in gerechten Wagen: Erfind' ich würd'ger ihn als mich, Dann weich' ich ſtill und ſegne dich: Jedoch find' ich ihn wen'ger werth Todt ſchlag ich ihn mit dieſem Schwert!

Aufbruch zur Lenzfahrt.

Geſegnet ihr Frühlingsſterne, Geſegnet du ſonniger März,

Ihr lockt in die duftige Ferne

Das pochende, wogende Herz.

Das war wohl ein trauriger Andrer, Dem ſo lange das Leben vergällt: Denn ich bin ein fröhlicher Wandrer Und mein iſt die lachende Welt.

485

Alſo lieb' ich dich. Magſt du mich mit Wonne tränken Oder tief in Qualen ſenken, Immer, immer ſegn' ich dich: Lieber viel durch dich verderben Als durch Andre Glück erwerben: Alſo, alſo lieb' ich dich.

Der ſichere Bote. Könnt' ich dir, Süße, meinen Muth Mit voller Freiheit ſagen, Ich ließe gern das Harfeſchlagen Und ſpräche nur mit Kuſſesgluth. Nun aber wird mir's nicht ſo gut: So muß ich dir denn klagen Verhüllt des Herzens Wagen. Doch wärſt du mehr gehütet noch, Ein Bote, Kind, erreicht dich doch, Denn jeder hört und jeder ſieht Und der doch nie ein Herz verrieth: Das Lied. i

Erſte Begegnung. Ich lobe den Tag und ich preiſe die Stunde, Da ich zuerſt der Süßen genaht; O Segen dem lauſchigen Waldesgrunde, O Heil dem knorrigen Wurzelpfad,

486

Und Heil den Vögelein, die da ſangen,

Und Heil den Blumen, die da entſproßt Nie ſollen die Vöglein werden gefangen,

Nie ſoll die Blumen tödten der Froſt.

Glückliche Stunde.

Ich mußte ſie laſſen mit lechzendem Munde, Vor Fremden, mit kühlem Drucke der Hand: Da fügte mir eine vielſelige Stunde, Daß ich ohne Hüter ſie endlich fand:

Da hat ſie gelohnt mir mit ſolchem Lohne, Wie er ward noch keines Mannes Gewinn, Daß ich unter den Liebenden trage Krone ;

Und aller Glüdlichen König bin.

Schadenfreude der Feinde.

Trägt Jemand mir recht tücht'gen Haß, Was der nun Freude dran erlebt, Seit mir das Herz ohn' Unterlaß In Frieren und Verbrennen ſchwebt.

Kammerſchlüſſel Tonſchlüſſel.

Ihr ſagt, ich könne nichts als jammern: Ei, ſolltet Ihr hören Melodei'n,

Hätt' ich zur kleinſten aller Kammern Das allerkleinſte Schlüſſelein.

487

Ihr „Ja“. Ich finde ſtets nur ihr „nicht“ und „nein“ Am Mittag, Abend und Morgen: O ſprecht, allwiſſende Vögelein, Wo hält ſie ihr Ja verborgen?

Mein Los.

Mein Los, das ich nicht wenden mag, Heißt: ſoll ich jemals frohen Tag

Soll jemals frohe Nacht erſehn Das muß durch dieſes Weib geſchehn.

Der Perlenkranz.

Ein Perlenkranz von Frauenthränen Den Schmuck ſoll ſich kein Mann erſehnen.

Gehen und bleiben.

Wer gehen muß, wo gern er bliebe, Den trifft der Schmerz mit ſchwerem Hiebe: Doch auch deß Schmerz iſt nicht geringe, Wer bleiben muß, wo gern er ginge.

Zweimal.

Zweimal fragen, ſchwer zu tragen, Zweimal bitten das Herz zerſchnitten.

488

Die Quälerin.

Sie will mich nicht entbehren,

Und doch, mir nichts gewähren,

Sie hat nicht Luſt mich frei zu laſſen,

Doch ſoll ich ja nicht feſt ſie faſſen:

Dem Käfer gleich an loſem Fädchen Regieret mich das loſe Mädchen,

Nicht löſen will ſie, noch vereinigen,

Das nennt ſie lieben ich nenn's peinigen!

Gluthgeſchmolzen. Weiß Gott, es iſt um dieſes Weib Kein leichtes Frei'n: Gleichwie des hürnen Siegfried Leib Muß ſie in Gluth geſchmolzen ſein.

Glück und glücklich.

Was mir an Glück die Erde lieh Glücklich werd' ich nur durch ſie.

Ungeduld des Verlangens.

Ach die Tage vergehn und die ſehnſuchtathmenden Nächte, Veilchen und Roſen verblühn ach und noch immer nicht mein!

489

Die Freude und die Sehnſucht.

Niemals wohnte bei mir als Hausgenoſſin die Freude, Manchmal nur in der Nacht nahte der himmliſche Gaſt:

Aber ſie hat, wie es ſcheint nun zu mir die Straße vergeſſen, Während die Sehnſucht treu Tafel und Lager mir theilt.

Juli Regen, Die Erde lechzt mit brennendem Verlangen, Im Schos den Strom des Himmels zu empfangen.

Wagniß um Wonne. So ſind beſtimmt des Menſchen Loſe: Nur höchſtem Muth wird höchſter Preis: Am Abgrund blüht die Alpenroſe Und hart beim Tod das Edelweiß.

Seltner Gaſt. Es kommt zu mir ſo mancher Gaſt, Der beſſer hielte zu Hauſe Raſt Und die ich erwarte zu allen Stunden, Wie ſelten wird ſie hier gefunden.

Verlodern. Du freuſt dich wohl der Kerze, Sie giebt ſo hellen Schein Doch daß ihr Licht dir leuchte, Verzehret muß ſie ſein.

490

Du freuft dich meiner Lieder, Jedoch zu deiner Luſt

Sing ich vor Lieb und Sehnſucht Das Herz mir aus der Bruſt.

Die Motte und die Kerze.

Fliege nur in dein Verderben, Das ſo ſchön, ſo lockend loht:

Selig iſt's, in Flammen ſterben Aus des Herzens Machtgebot.

Das Sonntagskind.

Gerne will ich ſonder klagen Wochenlang die Bürde tragen, Welche Proſa mir verlieh: Aber Sonntags muß ich dürfen Deinen ſüßen Athem ſchlürfen,

Sonntagstochter Poeſie.

Hoch am blauen Himmelsbogen

Kommſt du ſchweigend hergezogen, Winkeſt ſelig und vertraut:

Lächelnd mahnſt du mich der Stunden,

Da du ganz dich mir verbunden, Glüh'ndem Mann die glüh'nde Braut.

Und du drückeſt, wonnereiche, An die Bruſt mein Haupt, das bleiche, Daß dein Schauer mich durchzieht:

491

Roſen duften, Harfen klingen, Und aus ſeligem Umſchlingen Fliegt empor das junge Lied.

Winternacht. I. Winternacht, o laß dich grüßen! Deine Zeichen deut' ich gern: Harter Grund zu meinen Füßen Und ob meinem Haupt ein Stern.

II. Silberduft erfüllt die Thale: Leiſer Schnee liegt auf den Bäumen: Birke glänzt im Mondenſtrahle Und die dunkeln Tannen träumen.

Aufgeſcheucht von meinem Tritte Fliegt ein Vogel, groß und ſchwer,

Und es rauſcht bei jedem Schritte Wie Geheimniß um mich her.

Offen weit des Mantels Falten Athm' ich durſtig dieſe Kühle, Daß der Nachtluft heilig Walten Um die Bruſt wie Fluth mir ſpüle.

Silberduft erfüllt die Thale,

Leiſer Schnee liegt auf den Bäumen, Birke glänzt im Mondenſtrahle

Und die dunkeln Tannen träumen.

492

Mein holdes Schweigen. Will faſt das Haupt mir neigen Das Leben niederwärts, Denk' ich, mein holdes Schweigen, Wie du ſo ganz mein eigen Und hoch erjauchzt mein Herz!

Sel'ger Schmerz. Schlag fort mein Herz, bis daß du ſpringeſt, Im Takt, der dir gegeben iſt: Nothwendig iſt nur, daß du ſingeſt, Nicht aber, daß du glücklich biſt.

Verloren nenne nicht dein Leben, Tauſcht auch das Schickſal nichts zurück: Dir iſt ein heil'ger Schmerz gegeben, Der ſel'ger iſt als alles Glück.

Vom Biegen und Brechen. Wenn ſie zu dir ſprechen: „Biegen oder brechen!“ Ruf': „brechen eh' als biegen!“ Gieb Acht, ſo wirſt du ſiegen.

Im Winter. Will denn der graue Nebel auf immer Wirklich verſchlingen Alles was ſchön?

493

Haben denn niemals Lerchen gejubelt? Haben denn niemals Roſen geblüht? Bin ich denn nie auf Bewimpeltem Schiffe, Freudig im Lenzwind Flogen die Fahnen Hinuntergefahren Den blühenden Rhein? Hört' ich denn nie in Duftiger Mainacht Sehnend flöten die Nachtigall? Und hab' ich denn nicht in Melodiſchen Liedern Gebunden des Schönen Beflügelten Geiſt? Wahrlich, das hab' ich Und halt' ihn auf ewig! Blühende Roſen Hab' um die Schläfe Ich meiner Pſyche Opfernd gewunden Voll ewigen Dufts. Alles auf Erden Können die Menſchen, Kann dir die Proſa, Tauſendmal ſchlimmer Als Winter und Nebel, Alles entreißen, Alles zerſtören: Nur nicht des Herzens

494

Heiligen Rhythmus! Brechen das Herz dir Mögen ſie endlich: Aber ſo lang noch Zuckend es aushält, Schlägt es beharrlich In ſeiner Begeiſt'rung Geheiligtem Takt.

Ich laß dich nicht. Du, die aus ferner Sterne Schimmer Zu mir hernieder ſtiegſt auf's Neu: O Poeſie, ich weiß, für immer, Auf ewig bleibſt du nun mir treu.

Ich habe dich mit Todesſchmerzen Erkauft, mit meiner Seele mir:

Nichts reißt dich mehr aus meinem Herzen Eins biſt du ewig Eins mit mir.

Du, theurer als der Hauch des Lebens, Und theurer als das Augenlicht:

Das Schickſal rollt und grollt vergebens Ich laß dich nicht, ich laß dich nicht!

Und ob denn leicht bringt er Verderben Mein Haupt verbrennt dein Flammenkranz:

O wie viel ſel'ger durch dich ſterben Als leben ohne deinen Glanz.

495

Entſagen.

So ſoll denn wirklich Ein Accord Durch all mein Leben traurig klagen?

Verfolgt mein Fluch mich fort und fort, Der Unkenruf: „Du mußt entſagen!“

Nach ſchlafloſer Nacht.

Es dämmert kaum im Oſten leis:

Mein Aug' iſt wach, mein Kiſſen heiß, Mein Herz iſt wund, mein Mund iſt ſtumm, Und ach nur Eine weiß warum.

Die Hähne krähn bald wacht das Haus, Bald ruft das Leben mich hinaus:

Nur eines wünſch' ich: wär' es um:

Und ach nur Eine weiß warum.

Das zweite Herz.

Ich glaube, Niemand lebt, er hat einen Schmerz, Der pocht in ihm wie ein zweites Herz.

*

496

Blitzgefahr.

Je ſtolzer, Herz, dein Glück wird ragen, Je ſichrer wird der Blitz es ſchlagen.

Falkenart.

Wie ein wilder Falk bin ich geartet, Der verſchmäht der Erde Blumenflor

Und nach der Sonne pilgerfahrter: Du erfliegſt fie nie, dn armer Thor.

Die weiße Blume.

Mir legt das Thal mit tauſend Grüßen All' ſeine Roſenpracht zu Füßen, Ich acht' es kaum: Da droben auf höchſtem Bergesgrat, Wohin nicht führet Steg noch Pfad, Sah ich im Traum Eine kleine weiße Blume ſtehen: Um dieſe muß mein Herz vergehn. Und wenn ich nun geſtorben bin, Fliegt meine Seele drüber hin Und pflückt die Blume ſtill und bleich Und trägt ſie mit ins Himmelreich.

497

Der ſterbende Ritter. Hörſt du die Hörner? Reich' mir die Waffen,

Strahlendes Lieb,

Gieb ſie, o gieb. Lebend ſoll keiner Mir ſie entraffen:

Ob es zerfließet

Nach innen, dies Herz, Außen umſchließet

Es ſiebenfach Erz. Sterben? ach gerne,

Sterben um Liebe, Sterben um dich Gerne will ich:

Aber dem Feind noch

Grimmige Hiebe! Eh' ich es neige

Für immer, dies Haupt, Sei's noch vom Zweige

Des Sieges umlaubt.

Der letzte Dienſt.

O du mein ſiegerprobtes Schwert,

Was hilft nun all dein Ruhm und Werth? Den letzten Dienſt noch, treues Erz,

Triff ſcharf und tief mein eignes Herz.

Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 32

498

Sonett.

Du fragſt, woher ich lernte nie zu klagen? O Kind, es möge niemals dir gelingen, In jene Tiefe voller Grau'n zu dringen,

Draus dieſe Weisheit ich emporgetragen.

Beim Eintritt mußt dem Lächeln du entſagen, Kein Jubelruf wird dir ſich mehr entſchwingen, Mit Wehmuth hörſt du ſelbſt die Lerche fingen,

Matt rinnt dein Blut in allen künft'gen Tagen.

Und drangſt du ein wohl wagft du's nicht vergebens: Dein Herz ward frei auf immer des Erbebens Und Troſt für jeden Schmerz haſt du erworben.

Doch beſſer wäre dir, du wärſt geſtorben, Denn deinen Frühling hat der Reif verdorben, Und alles ſtarb, was da verlohnt des Lebens.

Zwei Freunde.

Die Uhr ſchlug Eins. Trüb brannten unſere Kerzen. Erloſchen war das Feuer im Kamin,

Längſt ungekoſtet vor uns ſtand der Wein.

Da ſchloß ich mein Erzählen: „und ſo ſteht's.“

Und in den Stuhl lehnt' ich das Haupt zurück.

Doch er ſtand auf, trat nah an mich heran

Und auf die Schulter legt er mir die Hand:

„Mein armer Freund,“ ſprach er und ſeufzte tief, „Regierten unſre Götter noch und die Homers:

499

Sie wüßten Rath: fie würden dich verwandeln

In eine ſehnſuchtſtimm'ge Nachtigall.

So aber bleibt dir nur dein alter Troſt:

Es braucht's nicht, daß die Menſchen glücklich ſind.“ „So iſt's, ſprach ich, jedoch es braucht's auch nicht, Daß ohne Glück ſie leben. Lebe wohl.“

Erloſchner Stern.

Wohl hatt' ich einen Stern von Jugend an,

Der treu und licht geſegnet meine Bahn:

Der Stern erloſch. Ich ſteh' allein, in Nacht. Sei's. Auch im Dunkel wird zu End' gebracht, Was mir zu thun noch bleibt auf Erden,

Um ganz in Nacht gehüllt zu werden.

Der weiſe Narr.

Ein Mann, der plötzlich ſah den Abendſtern,

Den faßte deß ſo tödtlich Wohlgefallen,

Den holden Glanz, er wollt' ihn faſſen gern Abſagt er drum den Erdenfreuden allen,

Nur dieſen Glanz, nichts andres wollt' er haben: Man hat ihn bald, als einen Narr'n, begraben Mich dünkt, er war der Weiſeſte von Allen!

500

Der kluge Ochs.

Willſt ohne Schmerz du ſchreiten durch die Erden, Dem biedern Pflugthier lerne gleich zu werden:

Ins Joch das Haupt, zu Boden mit dem Blick

Und wirſt du ſatt, ſo ſegne dein Geſchick:

Doch träume nicht von dämmerblauen Fernen

Und hörſt du! ſchaue niemals nach den Sternen.

Allein ſtehend.

Haſt du zum Trotze dich der Welt

Auf deines Weſens Recht geſtellt

Und ſtehſt, den Rücken an der Wand, Gefahr und Haß ringsum entbrannt Gieb Acht, gieb Acht, wie deine Lieben Sich da gemach zur Seite ſchieben! Ein achſelzuckend Seufzerziehn:

„Ich hab's geahnt oft warnt' ich ihn.“ So ſprechen ſie, die feigen Wichte,

Die ſich geſonnt an deinem Lichte: Zuletzt verſagt die ganze Sippe, Verachtung ſchürzet dir die Lippe,

Und du erkennſt, du trägſt allein

Des Lebens wie des Todes Pein Doch nein, ach nein!

Du weißt, daß es ein Weſen giebt, Das für dein Glück die zarte Bruſt Dem Tode böte dar mit Luſt:

Das iſt das Weib, das voll dich liebt.

501

Elfe oder Here.

Tanzen im Herbſtwind wirbelnd die Blätter, Iſt's ein Elfen⸗ oder ein Hexen⸗Wetter: Greifſt du hinein mit der Hand geſchwind, Wenn du Glück haſt, fängſt du ein Elfenkind: Wirſt du aber die Hexe faſſen,

Freund, dann mußt du das Leben laſſen.

Bom Vergeſſen.

Alles vergeſſen die Frau'n auf Erden, Nur nicht das Vergeſſen⸗Werden.

Vom Haß.

Nun kenn' ich beide Triebe Und ſag' euch's mit Verlaß:

So ſüß faſt als die Liebe Und heißer iſt der Haß.

Vom Troſt.

O bleibt mit eurem Troſt mir fern: Ein tröſtbar Weh iſt klein:

Der Schmerz im tiefſten Lebenskern Kann nicht getröſtet ſein.

502

Bon böſen Nächten. *

„Wer nie die kummervollen Nächte Mit Weinen ſaß auf ſeinem Bette“ Ich weiß, wer dieſes Lied erdächte, Wenn's nicht erdacht ſchon Einer hätte.

2. Die mich mit Recht und Unrecht haſſen, Könnt' ich ſie leiſe ſchauen laſſen

Ach nur in Eine meiner Nächte Wie das von ihrem Haß ſie brächte!

Von „linden Lüften.“

Ein Lied von Meiſter Uhland, Das hat mein froher Mund Dereinſt ſo gern geſungen Zu mancher guten Stund!

Das Lied von linden Lüften, Die wieder ſind erwacht,

Wie Alles ſich muß wenden, Was Winters Weh gebracht.

Jetzt hör' ich jemand ſummen Die liebe Melodie,

Mein' ich, mein Herz will ſpringen: Mein Weh das wendet nie.

503

Verborgnes Weh. I:

Ihr meint: „der ift noch wohlbehalten,

Dem Vers und Reim klingt hell wie Erz“: O wüßtet ihr, was in den Falten

Des Liedes birgt des Sängers Herz.

Wie ſich das Haupt einſt die Hellenen Verhüllt, wenn tiefſt von Weh' erfüllt,

So wein' ich heimlich meine Thränen, In meiner Lieder Flor gehüllt.

2.

Sie ſprechen: „nun ward er geſund! Hört, wie er lacht und ſcherzt!“ Sie wiſſen nicht, wie weh, wie wund

Mich jedes Lachen ſchmerzt.

Sie ſprechen: „was er ſeufzend trug, Nun warf er's hinter ſich.“

Ach Gott, iſt jeder Athemzug Ein Seufzer doch um dich.

3. Im Kampf der Zeit, im Tagesſtreit Voll ſteh' ich meinen Mann: Wer ſieht mein Leid, ſo tief und weit, Am Zechertiſch mir an?

504

Dem Freund den Rath, dem Feind die That, Nicht ſchuldig bleib' ich ſie,

Bin früh und ſpat an Ernt' und Sat Vor Menſchen klag' ich nie.

Doch in der Nacht bricht aus mit Macht Mein tödtlich Wehgefühl:

Das Hirn zerdacht, das Aug' verwacht Und heiß und naß mein Pfühl.

Weltaus, weltein ſuch' ich allein Sie, die ſo lieb ich hab':

Zu Ende ſein wird meine Pein Bei ihr nur oder im Grab.

4.

Ihr fragt, wie ich's verbergen mag, Was mich ſo elend macht?

Ich lache durch den lauten Tag Und weine durch die Nacht.

Sieg der Proſa.

Du haſt geſiegt, Erbfeindin Proſa, lache! Durchſchnitten iſt das freud'ge Schwunggefieder, Das mir ſo kräftig war gewachſen wieder:

Du haſt geſiegt: ſo ſätt'ge dich der Rache.

505

Und fürchte nicht, daß nochmal ich erwache: Zu mächtig zieht dein Bleigewicht mich nieder. So lebt denn wohl, ihr meine armen Lieder: Singvöglein zart, euch würgt der grimme Drache.

Lebt wohl für jetzt: doch weiß ich einen Stern, Dort gilt für Frevel nicht der Dienſt des Schönen Und keine Fauſt zerreißt die zarten Saiten.

Aufblühen dort wird meiner Seele Kern, Was hier begann, dort wird es weiter tönen Und ſiegreich klingen durch die Ewigkeiten.

Todesſehnſucht.

Sie winkt aus Abendwolken nieder

Und grüßt mich aus den Sternen wieder, O warum je verließ ich ſie, Mein traut Geſpiel, Melancholie.

O dieſe ſeelenvollen Augen,

Die aus der Bruſt das Herz mir ſaugen, Sie wußten ſtets, was bergetief In meiner Seele ſchläft und schlief. - .

Sie wiſſen wohl, welch' tödtlich Sehnen Zum Springen mir die Bruſt will dehnen, Sie kennen ganz die rege Fluth Von Schmerz und Wonne, Nacht und Gluth.

506

O komm und hole meine Seele!

Mag, was des Todes Pforte hehle, Vergeſſen, mag's Gedenken ſein Weil ewig ſoll's willkommen ſein!

Todeswonne.

Es ſei! ihr ſollt gewonnen haben! Der Sieg ſei euer mein die Pein: Doch einmal, eh' ſie mich begraben, Noch einmal will ich glücklich ſein.

Ich miſche mir den tiefen Becher Mit Gift und Rüdesheimer Saft,

Und trink', ein todesmuth'ger Zecher, Auf Sehnſucht ihn und Leidenſchaft.

Und dann ſoll nur Ein Lied noch ſagen, Was lavaheiß in mir geloht,

Und eh' die Welt kann weiter fragen, Schließt ſchon die Lippe mir der Tod.

Halali.

Ihr habt's erreicht ich bin zu Ende! Zu Tod habt ihr den Hirſch gehetzt: „Halali!“ reichet euch die Hände! Ja, das Gemeine ſiegt zuletzt.

507

Aus den Wogen.

Der du niemals bliebeſt fern, Wenn ich aus den Wogen tief Mächtig ringend nach dir rief,

Komm auch jetzt, mein guter Stern.

Ringsum ſchwillt die ſchwarze Fluth: Landfern ſchwimm' ich, ſchwer von Harm: Matt wird Hoffnung, Haupt und Arm:

Stark blieb nur der Todesmuth.

Laß mich, ſchnödem Feind zum Spott, Nicht nach ſo viel Siegesehr' Untergehn in dunklem Meer:

Hilf, du heller Strahlengott.

Ha, mir iſt, aus Wolkenrand Glänzt der Stern ſchon geiſterhaft: Vorwärts denn mit letzter Kraft Endlich, endlich fühl' ich Land.

Errettung.

Ich ſaß zu dunkler Stund am See, Die Wellen brachen ſich mit Schweigen, Wie aus der Bruſt mein altes Weh Stumm ſeufzend nur empor kann ſteigen.

508

Ich ſaß am See zu dunkler Stund,

Nicht Mond, nicht Sternlein war zu ſchauen: Es deckte Welt und Himmelsrund

Ein hoffnungsloſes, dunkles Grauen. Es rauſchte geiſterhaft durch's Schilf

Mir war, als ob mich's abwärts riefe: „O komm, mein guter Stern und hilf, 8

Denn mächtig zieht mich's in die Tiefe!“ Da, unverhofft, mit lichter Pracht

Brach durch's Gewölk der Mond hervor: Welch' heller Geiſt hat mein gedacht,

Eh' ich mich ganz in Nacht verlor?

Erſatz. Ich kann nicht leben, unbekränzt das Haupt! Riß von der Stirn der Sturmwind mir die Roſen,

So werde von Cypreſſen ſie umlaubt, Die wie der kühle Kuß des Todes koſen.

Ich kann nicht leben ohne Königthum!

Und brach des Glückes goldner Reif in e. So will ich um des tiefſten Leides Ruhm,

Will um der Trauer Königskrone werben.

Ich kann nicht leben ohne Liedesklang!

Ward mir der Freude Harfenſpiel zerſchlagen, Anſtimmen will ich einen Trauerſang, Der leben ſoll, ſo lange Herzen klagen.

509

Lebe, für fie!

Auf, du mußt tragen fie und ſtützen, Biſt du auch ſelbſt zum Tode matt,

Und mußt ſie ſchirmen und beſchützen, Die dir das Herz gebrochen hat.

Unzerſtörbar.

Ob man die Harfe mir zerſchlage, Die da beflügelt meinen Sang: Es ſchwingt ſich fort in ew'ge Tage

Der Silberton, der draus erklang.

Die Martyrin.

Aus tiefſten Schmerzen ſtieg empor Dein Bild noch edler als zuvor, Gekrönt zu reinſten Hochſinns Lohne Mit einer goldnen Martyrkrone.

Die ſchwerſte Stunde deines Lebens, Du haſt ſie nicht gekämpft vergebens, Denn dieſem Bild madonnenrein

Will Harfe, Herz und Hand ich weihn.

510

Zuſammen.

Durch Donner des Himmels, durch hölliſche Flammen Tönt all' übertäubend das Eine Wort:

Trotz Allem, Geliebte, wir ſtehen zuſammen, Du meine Zier und ich dein Hort.

Los des Edeln.

Klage nicht, daß du geboren

Biſt zu Schmerz und Thränen bloß: Ewig iſt das Glück der Thoren,

Doch der Schmerz des Edeln Los.

Letzte Hoffnung.

Auf Erden haſt du Joch getragen: 8 Doch, Herz, du ſollſt darob nicht klagen: Dir wird dafür in ew'gen Tagen 5 Ein ſchöner Engel Harfe ſchlagen.

Ewig Glück und flücht'ge Schmerzen.

Trägſt du ein ewig Glück im Herzen, So klage nicht um Erdenſchmerzen.

511

Das zweite Glück. Durch Liebe glücklich ſein Iſt höchſtes Menſchenheil, Durch Liebe leiden Pein Des Glücks zweitbeſter Theil.

Maßſtab. Mißt du die Leidenſchaft, Frag ſie: „was deine Kraft?“ Willſt du die Liebe meſſen, Frag' ſie: „kannſt du vergeſſen?“

Unergründlich. Und mögt ihr noch ſo lang ihn ſtrecken, Der Neugier unverſchämten Stecken, Ihr mögt den Grund von Krötenteichen, Nicht einer Seele Grund erreichen, Die ſtill, von Träumen eingewiegt, Ein dunkelgrüner Bergſee liegt, Und der kein frecher Fin ger nimmt Die weiße Blume, die drauf ſchwimmt.

Unentreißbar. I. Siehft du den Abendftern am Himmel? Nimm ihn herunter, wenn du kannſt: So wenig nimmt man dir die Seele, Die du in Liebe dir gewannſt.

'512

Il.

Roſen welken, Völker ſchwinden, Sterne löſchen: Aber ewig, Unvergänglich, Unentreißbar

Iſt die Liebe, Welche einmal Völlig dein war.

III.

Tief ſollſt du, Kind, den Troſt erfaſſen, Den ſchönſten, den die Weisheit fand: Was einmal ganz du dein genannt, Das müſſen ewig unentwandt Die Götter dir und Menſchen laſſen.

IV.

Was einmal wirklich du genoſſen,

Das hältſt auf ewig du umſchloſſen. Was einmal glorreich ſich vollendet, Wird nun und nimmer rückgewendet: Aus deiner Seele den Demant

Bricht Götter- nicht noch Menſchenhand.

Tod im Kranze.

Haſt du erreicht den Kranz des Lebens, Stirb froh: du lebteſt nicht vergebens.

513

®

Liedeswort.

Liedeswort mit ſüßem Klange

Stiehlt ſich in das Herz durchs Ohr: Spät dann oft im Lebensdrange

Steigt es tröſtend dir empor.

Und der Schmerz, der dich gebunden, Fließt in ſanfte Wehmuth fort, Haſt du glücklich es gefunden, Das ihn nennt, das Liedeswort.

Alſo hab' ich, dich zu tröſten, Lied um Lied hier angereiht: Wollte Gott, daß ſie dich lösten

Aller deiner Traurigkeit.

Meduſa Rondanini.

„Auf deinem Pulte die Meduſe, So ſprach der Freund, behagt mir nicht; Unheimlich dieſe grimme Muſe

Schaut dir in Leben und Gedicht.“

Ich aber ſprach: „du ſiehſt ſie ſchweigend:

Doch mir, in mondbeglänzter Stund,

Das Haupt voll Schlangenlocken neigend, Dämoniſch redet dieſer Mund.“ 8

Er ſpricht: „ob ich des Lebens darben, Mit offnen Lippen ſtarren muß: Feſt halten ſie, den ſie erwarben,

Auf ewig ihres Gottes Kuß:

Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 33

514

9

Kein Schickſal kann es mehr verneinen, Mein war der Gott und ich war fein: Verew'gen kann es und verſteinen, Nicht mir entreißen, was da mein.“

Auf! Hebe deine weißen Schwingen, Auf, mein Geiſt, empor, empor! Hörſt du nicht die Harfen klingen Oben in der Sterne Chor?

Auf, nichts kann die Seele halten, Welche rein nach oben flammt: Allen irdiſchen Gewalten Obſiegt was von oben ſtammt.

Laß die Erde, laß ſie ſinken, Ihren Schmerz und ihren Tand:

Wo des Genius Sterne winken, Iſt dein leuchtend Heimatland.

Von der Stirn die Roſenkränze, Schleudre, die ſie dicht umlaubt: In der Hand das Schwert dir glänze Und der Helm auf deinem Haupt.

Nicht den Flöten darfſt du lauſchen, Nicht der Blumen Flüſterwort:

Wo des Geiſtes Speere rauſchen, Bannerträger, iſt dein Ort.

515

Wirf in deines Volkes Kämpfe Brauſend dich mit Schild und Schaft, Daß der Sturm der Schlacht ſie dämpfe, Die Vulkane deiner Kraft.

Wer in ſolchem Kampf gefallen, Unbefleckt, im Heldenlauf,

Geht in Deutſchlands Siegeshallen Als ein leuchtend Sternbild auf.

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Wahl und Vorbereitung.

(18567

Viel Stimmen gehen durch die Welt, Verworren ſind die Zeiten:

Ein Ruf vor allen mir gefällt, Der ſoll mein Leben leiten:

Heil dem, der ſeinem Volk ſich giebt,

Dem Deutſchen Heil, der Deutſchland liebt.

Gar viele trachten Tag und Nacht, In Eiferſucht geſchäftig:

Hat Keiner was zu Stand gebracht, Was groß und dauerkräftig:

Nur Eitelkeit lieh ihnen Kraft

Und eitel iſt, was ſie geſchafft.

Wann einer von den Stürmen weht, Wie ſie ein Volk durchwittern Was, glaubt ihr, daß alsdann beſteht Von dieſen bunten Flittern? „Fort wird es donnern Tand und Spiel, Jetzt gilt es That und ernſtes Ziel.“

Dann Heil dem Mann, der ſprechen kann: „Mein Volk, lang harr' ich deiner!

Gieb jedem ſeinen Poſten an, Sprich ſchnelle, wo iſt meiner?

Und ſei's das Wort und ſei's das Schwert Ich will es führen, deiner werth!“

Der Bundestag.

(1856.)

Zu Frankfurt in der alten Stadt am Maine, Da liegt ein wirrer Knäul von vielen Schlangen, Auf ihren Häuptern goldne Krönlein prangen: Sie hüten einen Hort, um den ich weine.

Denn dort, vergraben unter grauem Steine, Ein Kleinod liegt, zu dem wir nie gelangen: Der deutſchen Stämme Hoffen und Verlangen, Daß Recht und Freiheit endlich ſie vereine.

Mit gift'gem Biß zerfleiſchen ſich die Drachen, Treulos und falſch, in ihrem eignen Blute So lang kein Ritter naht, den Schatz zu retten.

Dann aber einen ſich die gift'gen Rachen!

Wann kommt der Held von echtem Siegfriedsmuthe, Der auseinander ſchlägt die Schlangenketten?

521

Deutſches Lied.

(1857.)

Ich weiß ein Lied ſo voller Trauer

Wer dieſes Lied zu Ende ſingt,

Dem iſt, als ob vor Schmerzenſchauer Ihm in der Bruſt das Herz zerſpringt.

Ein Lied voll ſchwerſter Gramgedanken Es färbt des Sängers Wange bleich, Ein Lied voll Wehe ſonder Schranken:

Das iſt das Lied vom deutſchen Reich!

O ſoviel Macht und Muth und Treue Und ſoviel Thorheit, Schimpf und Schmach! O ſoviel Hoffnung ſtets aufs Neue Und ſoviel Unheil, das ſie brach!

O ſoviel Hinterliſt und Tücke

Und immer wieder neu Vertrau'n —: Noch niemals mit ſo wenig Glücke

War ſoviel Recht und Kraft zu ſchau'n.

Es muß in Sternen ſtehn geſchrieben, Daß Deutſchland nicht darf untergehn,

Der Gott der Völker muß uns lieben, Sonſt war es längſt um uns geſchehn.

Mein Volk, nicht rückwärts darfſt du ſchauen, Daß Gram dir nicht das Herz verzehrt: Nein, vorwärts und auf Gott vertrauen Und auf dein Recht und auf dein Schwert.

An Ludwig Steub.

(Auf die „Deutſchen Träume “.)

1858.

I.

Und würde mir jedweder ſchönſte Kranz, Der Mannesſtirne jemals hat umlaubt Das echte Glück, es bleibt ja doch geraubt: Ein freies Vaterland voll Macht und Glanz!

Denn nie fühlt ſich die Seele heil und ganz, Wird ihr das Höchſte nicht, daran ſie glaubt: Der Eichkranz nur befriedet dieſes Haupt,

Der Lorber nicht und nicht die Myrthe kann's.

Kunſt, Wiſſenſchaft und Liebesglück und Leben, Ich würfe raſch ſie, ohne Klagewort, Ein freudig Opfer in den Rheinſtrom gleich,

Könnt' ich dadurch aus ſeinen Fluthen heben Den langverſunknen Nibelungenhort: Die deutſche Freiheit und das deutſche Reich.

II.

Die Flöten klingen lieblich in mein Leben Und ein Portal von Roſen ſteht bereitet: Es ſchlingen ſich der Freude grüne Reben Um dieſes Haupt, das Schimmer um ſich breitet;

523

Im Mittagsglanz ob meinem Haupte ſchweben Seh' ich die Sonne, die mein Los begleitet

Und ſieh, ſchon winkt, geſchmückt mit Kranz und Schleier, Die holde Braut zur wonniglichſten Feier.

Ich aber höre keine Flötentöne! Der Hohenſtaufen Harfen hör' ich klingen, Die klagen um das Reich und ſeine Söhne Nicht Sonnenſtrahlen fühl' ich zu mir dringen: In dunkler Sturmnacht trauervoller Schöne Seh' ich zum Himmel dich die Hände ringen, In Wittwenkracht gehüllt den edlen Leib, Germania, du unglückſelig Weib.

Frühling. (1888. a Komm, holder Frühling, Segenſpender, Aus deinem blauen Wunderhaus, Und auf das traurigſte der Länder Geuß deine reichen Gaben aus.

Gleich dem verſtoßnen Königskinde Germania frierend ſitzt im Wald,

Das Haar zerzaust: ein Spiel der Winde Iſt ihre rührende Geſtalt.

Vom Haupt ihr rißen böſe Schächer Den Schleier und die Kronenzier, Und ach, auf Erden lebt kein Rächer, Zu Ehr' und Recht zu helfen ihr.

524

Da naheſt der Verlaſſnen Schlummer, Erbarmungsreicher Frühling, du, Und ihre Schmach und ihren Kummer Deckſt du mit grünem Mantel zu.

Und ſchlingſt ihr ſtatt der Kron' von Golde Den weißen Blüthenkranz ins Haar, a Reichſt lächelnd ihr die Liliendolde Statt des entfallnen Scepters dar.

Und läßt fie grünend ihre Wälder ® Und ihre ſtolzen Berge ſehn, N Und zeigſt ihr lachend ihre Felder Und ihre dunkelblauen See'n,

Zeigſt ihr, wie kräftig prangt ihr Bauer, Wie blühend ihre Winzerin:

Und durch die Königin der Trauer

Zieht heller ein Gedanke hin.

Sie träumet hold, die Kummerreiche, Von Frühlingshoffnung ſanft gewiegt, Ein ſüßer Glanz das ſchmerzenbleiche, Das edle Angeſicht durchfliegt.

Sie träumet wohl von einem Lenze, Da herrlich ſie vom Boden ſpringt, Und wieder Kronen trägt ſtatt Kränze Und wieder hoch das Scepter ſchwingt.

525

; Deutſche Lieder.

1859.

* dem Gerücht der Kriegserklärung Rußlands, Frankreichs und Italiens an Deutſchland.)

I.

Mein Volk, ja du haſt dir in jeglicher Kunſt, In jeglichem Wiſſen errungen den Preis: Es gönnte die Palme der Himmliſchen Gunſt Der innigen Kraft und dem dauernden Fleiß: Du haſt an dem Himmel die Sterne gezählet, Haſt tief in den Gründen durchforſchet den Schacht, Haſt Steine zu athmendem Leben beſeelet, Haſt Lieder von ewiger Schönheit erdacht, Du haſt dir die Pforten des Geiſtes entriegelt, Die heiligſten Rollen des Ahnens entſiegelt: Leg Alles dahin, ſei zu Anderm bereit, Nach Eiſen verlanget die eiſerne Zeit:

Zu den Waffen, mein Volk!

Es hat die Olive kein Haupt noch geſchützt,

Dem ruchlos das Schwert ſich des Feindes genaht: Hat Hellas die Liebe der Muſen genützt,

Als Rom mit dem Fuß auf den Nacken ihm trat? Vorüber die Tage für friedliches Trachten,

Für Denken und Dichten vorüber die Zeit:

Jetzt ſollſt du dich gürten zu brüllenden Schlachten, Für Freiheit und Leben zum grimmigen Streit:

526

Fort Becher und Liebe, du freudige Jugend,

Jetzt iſt der Haß die oberſte Tugend:

Ihr führtet den Griffel, den Meißel genug,

Legt nieder die Feder, den Hammer, den Pflug: Zu den Waffen, mein Volk!

Schon gilt es nicht mehr für den Ruhm und die Macht, Zerfetzt iſt ſchon lange dein Ehrengewand: Die Sterne, die ewigen, hieltſt du in Acht, Da ſtahlen die Schächer dein Gut und dein Land: Sie haben zu lange den Speer nicht gekoſtet, Der den Slaven den Schild und Romanen zerſpellt: Sie glauben das Schwert in die Scheide geroſtet, Das blitzend die Kaiſer geſchwenkt durch die Welt, Sie wähnen dich alt, und ſie wollen dich erben, Sie wollen dich würgen, dieweil du im Sterben, Auf ſchütze dein Leben, dein Gut und dein Recht, Zu den Waffen, du reiſiges Heldengeſchlecht,

Zu den Waffen, mein Volk!

II.

Und wenn's beſchloſſen iſt da droben, daß unſer Reich ver⸗ ſink' in Nacht-

Noch einmal ſoll die Welt erproben des deutſchen Schwertes alte Macht:

Soll nicht mehr deutſches Wort erſchallen, nicht deutſche Sitte mehr beſtehn,

So laßt uns ſtolz und herrlich fallen, nicht thatenlos in Schmach vergehn.

n

527

Zieht einſt ein Tag die Schuld der Ahnen, die eigne Schuld vor's Weltgericht:

Ihr ſeid die Schergen, ihr Romanen und Slaven, doch die Richter nicht!

Wir beugen uns den Schickſalsmächten: ſie ſtrafen furchtbar und gerecht:

Ihr aber ſeid, mit uns zu rechten, kein ebenbürtiges Ge⸗ ſchlecht!

Den Schlag der deutſchen Bärenpfote ihr kennt ihn, ihr Romanen, wohl, Seit Alarich, der junge Gothe, das Thor zerſchlug am Kapitol, Und euch, ihr Slaven und Polacken, iſt deutſche Kraft be- kannt ſeit lang, Seit dröhnend trat auf eure Nacken der Heineriche Sieger—

gang.

Nein, eh' ihr herrſcht in dieſen Landen, draus oft bach wilde Flucht entrollt,

Sei noch einmal ein Kampf beſtanden, deß ewig ihr ge— denken ſollt:

Und wimmeln zahllos eure Horden, erfüllt von tauſend⸗ jähr'gem Neid

Erſt gilt es noch ein furchtbar Morden, eh' ihr die Herrn der Erde ſeid.

Schon einmal ward ſo ſtolz gerungen von deutſchen Helden kühn im Tod:

Ein zweiter Kampf der Nibelungen ſei unſern Feinden an— gedroht:

528

Prophetiſch war die alte Sage und grauenhaft wird fie erfüllt,

Wenn an dem letzten deutſchen Tage der Schlachtruf dreier Völker brüllt.

Von Blute ſchäumend ziehn mit Stöhnen empört die Donau und der Rhein:

Es wollen brauſend ihren Söhnen die deutſchen Ströme Helfer ſein;

Auf! ſchleudert Feuer in die Felder, von jedem Berg werft Gluth ins Land,

Entflammt die alten Eichenwälder zum ungeheuren Leichen⸗ brand.

Dann ſiegt der Feind doch mit Entſetzen, und trium⸗ phiren ſoll er nicht!

Kämpft bis die letzte Fahn' in Fetzen, kämpft bis die letzte Klinge bricht,

Kämpft bis der letzte Streich geſchlagen ins letzte deutſche Herzblut roth,

Und lachend, wie der grimme Hagen, ſpringt in die Schwerter und den Tod. 5

Wir ſtiegen auf in Kampfgewittern, der Heldentod iſt unſer Recht:

Die Erde ſoll im Kern erzittern, wann fällt ihr tapferſtes Geſchlecht:

Brach Etzels Haus in Gluth zuſammen, als er die Nibe⸗ lungen zwang,

So ſoll Europa ſtehn in Flammen bei der Germanen Unter⸗ gang!

529

——

An Napoleon III.

(1859.)

Er war ein Dämon, Welchem du nachahmſt, Biſt das auch du?

Er war des Weltgotts Erkorenes Rüſtzeug: Jenem entſetzlichen

Attila gleich,

Welcher die Völker

Scheu vor ſich hertrieb, Scheu wie die Geißel Den zitternden Knecht.

Doch als der grimme

Hunne vermeinte,

Solches vollführ' er

Aus eigener Kraft,

Und es drehe die Erde | Für ihn ſich zum Spielball Siehe, da ließ ihn

Die haltende Hand,

Und die hundertſträngige Geißel zerbrach

Auf dem Feld von Chalons Die germaniſche Fauſt.

Und als die Zeiten Wieder im Schlamme Müßiger Feigheit Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 34

530

Lagen verſumpft,

Wählte die Gottheit

Ihn ſich zum Schwerte, Den corſiſchen Mann: Ihn, der aus härteſtem Erz war gegoſſen,

Aus dunkelgewaltigem Heldenmetall. Rieſengedanken

Auf finſterer Stirne,

Und das nimmer bezwungene Schwert in der Hand, Alſo durchſchritt er

Den ſtöhnenden Welttheil, Jedes Wort eine That, Jeder Tritt ein Triumph, Und wie zu gottge⸗ Sendetem Unheil

Schauten zu ihm

Die Völker empor:

Ihn haßte der Gute,

Ihm fluchte das Recht, Doch ſie zollten ihm ſtaunend Grauſende Ehrfurcht, Denn Er war gewaltig, Ein Heros der Nacht.

Doch als er für immer, Ein Henker der Freiheit, Schwang über die Häupter Der Völker den Stahl,

531

Siehe, da ließ ihn

Die haltende Hand

Und das nimmer bezwungne Corſiſche Schwert,

In Stücke zerbrach's

Auf dem flandriſchen Feld Die germaniſche Fauſt.

Er war ein Dämon, Welchem du nachahmſt, Biſt das auch du?

Biſt du des Weltgotts Erkorenes Rüſtzeug, Daß du dich ſolchen Erkühnens vermißt?

Seh' ich die Häupter

Mit Grau'n ſich dir beugen Wie vor geahnetem

Rächer des Herrn?

Mit Zorn und mit Abſcheu Schaut dir ins Auge

Und mit heiligem Stolz Jeder wackere Mann!

Wo ſind die Zeichen Göttlicher Sendung? Sprich, wo des Heros Erhabene Spur?

Nein, du verſchmitzter Tyrann von Paris, Nächt'ger Gewaltthat Tückiſcher Held,

532

Du biſt kein Bote Des ewigen Gottes!

Oder iſt's dennoch Himmliſche Schickung? Kamſt du den Meinen Zu Frommen und Heil? Darum die Gluthen Heil'ger Begeiſt'rung, Wie rings ſie entbrannt ſind In Süd und in Nord? Sind ſie die Feuer⸗ Zeichen der Eintracht? Schaaret mein Volk ſich Um Einen Altar, Endlich den alten, Flucherblichen Hader Opfernd in Flammen Des edelſten Zorns?

O dann wird raſch Dein Geſchick ſich erfüllen! Heil uns, dann wandern Die Völker aufs Neu! Ueber die Alpen,

Ueber das Rheinthal Fluthet der Deutſchen Verſammelter Strom: Wieder für alle Stämme der Erde Ringet und blutet

533

Und fieget mein Volk, Uebet ſein altes,

Sein ritterlich Amt, Vorfechter zu ſein

Für die Völker zumal, Vorfechter der Freiheit, Der Zucht und des Rechts, Und wiedereinmal

Vor dem Thor von Paris Zertrümmert die Kette Der blut'gen Gewalt

Die Rechte des Herrn, Die germaniſche Fauſt.

Das deutſche Lied.

(1862.)

Wann tönt das Lied aus deutſcher Leier, Darauf ſchon lange harrt mein Herz, Für unſern Stolz zu voller Feier, Zu vollem Echo unſerm Schmerz?

Ein Lied von deutſcher Treu und Güte, Von deutſchem Ernſt und deutſcher Kraft, Von deutſchen Sehnens Wunderblüte Und deutſchen Denkens Heldenſchaft.

Ein Lied von tauſend deutſchen Siegen Hoch in des Geiſtes Lichtgefild

Ein Lied von ſchmählichem Erliegen, So oft es um die Erde gilt.

534

Ein Lied von einem Volk von Weiſen, Deß Thorheit durch die Lande tönt, Von einem Heldenvolk von Eiſen Das ſtraflos jeder Bube höhnt.

Ein ſolches Lied verlangt die Seele, Doch meine Kraft erlahmt daran!

Und wenn ich unſre Sänger zähle, Wo iſt er, der es ſingen kann?

Der Eine ſinget ſüß vom Weine, Von Liebe ſingt der Andre hold: Doch Keiner ſingt ſo wie ich meine, Daß man von Deutſchland ſingen ſollt'!

Wo hat ſo viele Saiten klangen Sich echter deutſcher Ton gezeigt, Seit Schenkendorf dahingegangen Und Meiſter Uhlands Harfe ſchweigt?

Ach, jenes Lied wird nie gelingen, Weil ſolches Weh die Laute bricht: Wer's nicht empfindet, kann's nicht ſingen, Und wer's empfindet, ſinget nicht.

Der faule Hanns. Eine deutſche Geſchichte.

(1862. 1

„Pfui, ſchäme dich vom Kopf zur Zeh'! Mich brennt das Herz, wenn ich dich ſeh',

Du Faulſter aller Faulen!

Kannſt nichts als ſtehn und maulen! Liegt er den langen Sommertag Wohl unterm Baum am Lindenhag, Und rollt die jungen Glieder Im Raſen auf und nieder, Und will er ſich erholen, Wettläuft er mit den Fohlen. Im Winter flakt er wie ein Bär Am Herdgeſimſe dumpf und ſchwer, Rührt wochenlang nicht Hand noch Fuß Und ſtarrt von Schmutz und Kohlenruß, Sieht aus gleich einem Köhlerknecht Und iſt von fürſtlichem Geſchlecht. Sieh deine wackern Brüder an, Wie die ſich tummeln Mann für Mann, Ihr Name wird mit Ruhm genannt, Weithin durch alles deutſche Land: Am Hof, im Feld und im Turnei, Graf Hartungs Söhne ſind dabei: Mein Ralf, der kann die Harfe ſchlagen, Mein Erich ſpitze Räthſel fragen,

536

Mein Philipp bricht das ſchlimmſte Roß, Mein Kurt iſt Meiſter im Geſchoß, Mein Paulus wie ein Buch gelehrt, Mein Rudolf iſt den Frauen werth, Wer weiß, ihn trägt geheim im Sinn Vielleicht die junge Königin, Er ſteigt noch hoch durch ihre Gunſt Und du, Hanns, was iſt deine Kunſt? Im Sommer bei den Fohlen, Im Winter bei den Kohlen, Der Teufel ſoll dich holen! Und ehrt' ich deine Mutter nicht, Ich dächte gar, du ſchnöder Wicht, Ein Kukuk hätte dich geheckt, Und dich dem Aar ins Neſt geſteckt.“

So ſprach Graf Hartung von Brabant, Sein Auge blitzte zornentbrannt;

Den faulen Hanns, den kümmert's nicht: Er ſah ihm lachend ins Geſicht,

Er war kein bischen nicht erſchrocken, Strich aus der Stirn die langen Locken Und ſah den zorn'gen alten Mann

Mit hellen Augen freundlich an:

„Euch ſind der Söhne ſechs beſchieden Wie ihr ſie wünſcht ſo ſeid zufrieden! Und iſt der ſiebte anders eben

Gott ſchuf auch ihn ſo laßt ihn leben! Was Hof und Feſt und Ritterthum,

Und Frauengunſt und Heldenruhm, Ich find' das alles herzlich dumm

Ze NE

\ 537

Und rühre keinen Finger drum. Ich hab', Gott weiß, noch nichts geſehn, Der Mühe werth, drum aufzuſtehn. Gewiß, mein Vater, wüßtet ihr, Wie ſich's ſo wohlig träumet hier, Umſpielt von Sommerwinden, Im Schatten breiter Linden, Zu dichten eine ſchön're Welt, Drin Alles beſſer iſt beſtellt, Zu ſchauen, wie die Schwalben ziehn Und hoch im Blau die Wolken fliehn, Und rings in Feld und Halde weit Des Sommers milde Herrlichkeit Verſucht's einmal, ſteigt ab vom Gaul, Und legt euch zu mir, breit und faul, Glaubt mir, ich mein' es gut mit Euch,

Ich rücke, kommt, hier ans Geſträuch“

„Ha, Faulpelz, treibſt du auch noch Hohn? Wir ſind nicht Vater mehr und Sohn! N Auf, Knappen, bindet ihn aufs Roß, Schleppt ihn gefangen auf mein Schloß, Dort reißt ihm ab den bunten Rock, Und keilt ihn an den Eichenblock,

Am Brunnen bei dem Haufen Kohlen, Wo alle Knechte Waſſer holen:

Der Ehre rang er niemals nach, So ſei ſein ewig Theil die Schmach.“

Die Knappen ſprangen auf ihn zu, Doch er ſchwang ſich empor im Nu

538

Und warf mit feiner nadten Hand

Sie alle fieben in den Sand:

„Ich thue, wie mein Herr gebot,

Doch, wer mich anfaßt, der iſt todt. Zum Schloſſe wend' ich flugs den Schritt Und rufe ſelbſt herbei den Schmid,

Ihr aber laßt mich gehn, ihr Tröpfe, Sind nicht von Eiſen eure Köpfe.“

II.

Und mancher Mond ging ſo ins Land: Der Froſt der Nacht, des Mittags Brand Fiel ſchwer auf Hanns im offnen Hofe, Und jeder Page, jede Zofe, Die Waſſer von dem Brunnen trug, That ſich des Spotts an ihm genug. Er aber lag, verdeckt von Ruß, Die linke Hand, der rechte Fuß War an den Eichenblock gekettet, Auf Heu und Stroh war ihm gebettet. 5 So lag er denn in Schimpf und Schmach, Kein Wort Graf Hartung zu ihm ſprach: Er wandte ſich, ging er vorbei, Als ob er nicht ſein Vater ſei. Und auch den Brüdern war geboten, Zu halten ihn als einen Todten:

„Wer wagt mit ihm zu ſprechen

Und dies Gebot zu brechen,

Verwirket all ſein Erbe,

Daß er in Noth verderbe.“

Und Erich zuckt die Achſeln nur,

Und Philipp ſcheut des Vaters Schwur, Und Paulus wünſcht ihm Reu und Buße, Und Rudolf höhnt ob ſeinem Ruße,

Und Kurt frohlockt: „Laßt ihn verderben, So werden ſechs ſtatt ſieben erben.“

Und alle folgten jener Pflicht,

Nur Ralf, der Bruder Sänger, nicht; Der kam zu Hanns im Schutz der Nacht, Hielt treulich bei dem Bruder Wacht, 5 Und hieß ihn der von dannen gehn

Und auch auf ſeinen Vortheil ſehn,

Da lacht' er nur: „Mein Vortheil iſt, Daß du mein lieber Bruder biſt.

Nimmt man mir Land und Lehenſaſſen, Muß man mir doch den Bruder laſſen. Mich ſchmerzt, daß ſie dich ſo verkennen Und immer nur den Faulen nennen:

Ich weiß, du biſt von tiefer Art,

Die ihren Werth geheim bewahrt. Gewiß, es kömmt einmal die Zeit,

Da wirfſt die Hülle du beiſeit,

Und zeigſt in dir den Edelſtein.“

Hanns aber lachte: „Bruder, nein!

Ich ſpiele nicht in Maskenſcherzen:

Die Faulheit kömmt mir ganz von Herzen. Ich ſah noch nichts in meinen Tagen, Der Mühe werth, um drein zu ſchlagen, In einem Eiſenkleid zu ſchwitzen,

Und ſich mit Fechten zu erhitzen.

Du ſprichſt bei mir zu tauben Ohren, Gieb, wie die Andern, mich verloren.“

Doch kam alsbald der Treue wieder Und warf ſich bei dem Bruder nieder, Und rief: „Hanns auf, jetzt folge mir! Jetzt kam der Tag der Ehre dir!

Wir reiten alle in drei Tagen,

Die Dänen aus dem Land zu jagen; Der König Harald Hildetand

Fiel heerend ein ins deutſche Land, Sechs Rieſen ſchreiten vor ihm her, Der größte Rieſe doch iſt Er;

Sie tragen Keulen wie die Eichen,

Die Erde dröhnt bei ihren Streichen, Noch hielt kein Heer vor ihnen Stand, Er will der Kön'gin Reich und Hand, Sonſt wird ſo hat er hoch geſchworen Das lange Goldhaar ihr geſchoren, Ihr angethan ein Nonnenkleid,

Wenn ſie nicht ihn, den Rieſen, freit. O denk! o denke dir Auroren,

Die holde Königin, geſchoren!

Die ſchönſte Maid der Chriſtenheit, Ihr Antlitz ſtrahlt wie Maienzeit,

In ihrem Haare goldenfahl

Hat ſich verirrt ein Sonnenſtrahl!

Sie, aller Helden Wunſch und Sehnen, Sie liegt jetzt Tag und Nacht in Thränen! Auf, Hanns, für ſo viel Lieblichkeit Zieh' mit uns allen in den Streit:

541

Wie ſtark und dick die Kette ſei,

Drei Nächte feilen ſie entzwei.

Der Vater wird dir gern vergeben, Sieht er dich kühn nach Ehre ſtreben.“ „Mein Bruder, was dein Herz begehrt, Mir ſcheint es nicht der Mühe werth: Die Königin, du preiſeſt ſie,

Ich aber, Ralf, ich ſah ſie nie.

Zieh aus zu Kampf und Siegen froh, Mich aber laß auf meinem Stroh.“

III.

Der Graf und ſeine Söhn' und Mannen, Sie zogen alleſammt von dannen,

Nur Ralph winkt ſcheidend ihm vom Roß, Und Hanns blieb faſt allein im Schloß. Ein Bote kam in wenig Tagen ö Und rief: „Macht auf, wir ſind geſchlagen! Zerſprengt die Ritter und Vaſallen,

Die Städt' und Burgen ſind gefallen, Graf Hartung und das Heer verſchwand Vor König Harald Hildetand

Die Rieſen, ſchrecklich anzuſehn,

Vor ihnen kann kein Held beſtehn

Die Kön'gin flieht mit kleinem Troß Hieher nach ihrem letzten Schloß,

Und grimmig jagt der Feind ihr nach.“ Und wie er noch die Worte ſprach, Erſcholl vom Wald verworrner Ton:

Die Kön'gin kam in Haſt geflohn,

542

Graf Hartung ritt an ihrer Seiten;

Im Nachzug hob ſich grimmig Streiten Und kaum ſtand in des Schloſſes Thoren Graf Hartung glücklich mit Auroren,

Sah man vom Wald her auf die Wieſen Vordringen ſchon die ſieben Rieſen.

Die Brüder woll'n den Rücken decken, Doch ſie erliegen vor den Recken:

Umſonſt! daß ſie mit Schwert und Speeren, Nach aller Ritterkunſt, ſich wehren:

Kein Fechten frommt und kein Turnieren, Eichbäume kann man nicht pariren.

Wie Glas die Lanze Kurts zerſpringt, Aus Erichs Hand das Banner ſinkt,

Und Rudolfs Helm und Paulus' Schild Zertrümmert ſauſen ins Gefild,

An Haralds Kopf bricht Philipps Schwert, Der Letzte ſtürzt auch Ralf vom Pferd, Sie ſind beſiegt und überwunden,

Sie ſind gefangen und gebunden,

Und mit ſich ſchleppt der Feinde Trotz

Sie ſiegfrohlockend nach dem Schloß;

Da fliehn mit Schrecken von der Zinn' Graf Hartung und die Königin.

Ein Donnerſchlag betäubt ihr Ohr:

Der Dänenkönig ſchlägt ans Thor

Und ruft: „Macht auf, laßt mich hinein, Sonſt ſchlag' ich Alles kurz und klein. He, alter Graf, wo iſt dein Schwert?“ Da hebt ſich Hanns ſacht von der Erd'

543

Und ſpricht: „Du biſt ein grober Gaſt, Iſt's wahr, daß du's ſo eilig haſt?“ Da wandte ſich die Königin

Und ſah mit Staunen nach ihm hin:

„Was hat der Mann verbrochen, Graf, Daß ihn ſo ſchwere Buße traf?“

„Ich kenn' ihn nicht, ein Bauernkind.“ „Doch adlig ſeine Züge ſind,

Es ſtehn ihm gut die langen Locken, Auch ſcheint er gar nicht ſehr erſchrocken, Vor dieſem Feind, der Alle ſchlug,

Er hat noch immer Muths genug.“

Da that es einen lauten Schlag,

Das Thor in hundert Stücken lag,

Schon ſtand mit einem Rieſenſchritte

Der König in des Hofes Mitte.

Umſonſt ſprang Hartung ihm entgegen,

In ſeiner Hand zerbrach ſein Degen,

Er weicht, ſchon blitzt des Rieſen Schwert

„Jetzt aber wird's der Mühe werth,“ Rief Hanns und riß mit einem Stoß Den Block heraus, die Kette los, Gab mit der Fauſt ihm einen Schlag, Daß er halb todt am Boden lag: Nur noch die Hände thät er ringen, Und alle Engel hört er ſingen.

544

Die Rieſen, die ihn fallen ſahn,

Mit Brüllen liefen ſie heran.

Da war der faule Hanns nicht faul: Dem erſten ſchlug er eins aufs Maul, Dem zweiten ſchlug er auf den Kopf Und auf den Bauch dem dritten Tropf; Den vierten, der ſich gern empfohlen, Warf er kopfüber in die Kohlen,

Den fünften aber und den letzten,

Die ſchon zur Flucht die Beine ſetzten, Fing er behende bei den Schöpfen

Und ſtieß ſie weidlich mit den Köpfen, Bis ſie ihn baten himmelhoch:

„Laßt, lieber Herr, die Poſſen doch Und bringt uns lieber einfach um, Das Stoßen macht im Kopf ſo dumm.“ Da bindet er ſie alle ſieben,

Die Andern ſehens und zerſtieben.

Da ſprach Graf Hartung: „Lieber Hanns, Du höchſter Stolz des alten Manns, Was haſt du dich ſo lang verſtellt? Komm an mein Herz, du großer Held.

„Da ſehn' ich mich ſchon lange hin, Wenn ich nur nicht zu rußig bin.“

Die Kön'gin ſah ihn ſtaunend an

Und rief: „Hab' Dank, du treuer Mann! Graf Hartung, ei, mir war nicht kund, Auch lügen kann dein treuer Mund?

545

Der unſre Feinde hat gefällt,

Dein Sohn iſt dieſer junge Held?

Ich hab' ihm zuerkannt ſein Recht, Als er mir nichts war als ein Knecht: So werde ſein mein halbes Reich.“

„Nein, rief der faule Hanns ſogleich, Es iſt das ſchönſte Land der Erd', Doch nimmer iſt's der Mühe werth, Die ſchwere Krone drin zu tragen

Und mit Regieren ſich zu plagen,

Iſt dieſe ſchwere Bürde nicht

Zugleich des Herzens ſchönſte Pflicht. Ein halbes Reich ſteht mir nicht an: Ich, Kön'gin, bin ein ganzer Mann. Doch willſt du Gnade mir erzeigen, So gieb dich ſelber mir zu eigen.

Ich will in allen deinen Tagen

Dich treu auf dieſen Händen tragen, Ich will dich führen und dich ſtützen, Gen alle Feinde dich beſchützen,

Und all mein Lohn ſei dann und wann, Daß du mir ſagſt: „Dank, treuer Mann!“ Es iſt bei deines Anblids Pracht

Ein neues Leben mir erwacht:

Mich drängt's, daß ich um deine Minne Die Welt im Waffenkampf gewinne, Mit Adlerflügeln hebt mein Herz

Die ſtarke Liebe himmelwärts,

Und willſt du, holdeſte der Frauen,

Dich meiner ſchlichten Kraft vertrauen, Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 35

Mein höchſtes Kleinod ſollſt du werden, Kein Zweiter liebt dich ſo auf Erden.“

Er ſank vor ihr ins Knie und rings

In ſtaunendem Gemurmel ging's:

„Iſt das der faule Hanns? o Wunder! Nichts iſt unmöglich mehr jetzunder.“

Da neigte ſich die Königin

Und ſprach: „Steh auf und nimm mich 12 Dir ganz und gar gehör' ich an,

Du ſtarker, treuer, lieber Mann.“

Er zog an ſich die zarte Frau:

Wie eine Blume, ſchwer von Thau,

Voll ſüßer Scham und ſüßer Luſt,

Barg fie das Haupt an ſeiner Bruſt. Die Brüder ſtaunten da nicht ſchlecht,

Nur Ralf frohlockte: „So iſt's recht!

Ich hab' es immer ſo geſagt,

Als alle Welt ihn noch verklagt.

Jetzt, Hörner und Trompeten friſch, ö Zum Krönungsmahl, zum Feſt, zu Tiſch!“

„Geduld, ſprach Hanns, ſtill alleſammt, Die Luſt nachher, zuvor das Amt.“

Zum Dänenfönig trat er hin:

„Halt dieſen Tag dir recht im Sinn Und laß es nimmer dich gelüſten,

Dich gegen deutſche Kraft zu brüſten. Sie iſt geduldig, ſtill und träge,

Spät wird ihr Zorn und zögernd rege,

547

Hat fie ſich aber aufgerafft Doch ſtill, du kennſt jetzt dieſe Kraft Und deutſche Ehr' und deutſches Land, Sie ſchirmet künftig dieſe Hand.

So, bindet ihm die Stricke los,

Und jetzt, wohlauf, Trompetenſtoß! Herbei, ihr Ritter und Vaſallen,

Laßt uns in ſtolzem Zuge wallen, Und bei des Sieges Jubeltönen

Soll meine Königin mich krönen.“

Die deutſche Wiſſenſchaft.

(Ein akademiſcher Feſtſpruch.)

7 1863.

Wo vereint zu froher Stunde Eine Geiſtes⸗Tafelrunde Weihevoll begeht ein Feſt, Ziemt, daß ſich aus Aller Munde Als ein Zeugniß ſolchem Bunde Ein Wort laut vernehmen läßt:

Jenes Wort, das theure, hehre,

Von dem letzten Kranz der Ehre, Der noch Deutſchland nicht entrafft:

Ach, der Britte hat die Meere

Und der Cäſar Siegesheere, Deutſchland nur die Wiſſenſchaft.

548

Euch, als dieſes Kleinods Hüter, Dieſes letzten unſrer Güter, Grüß' ich, tapfre Herrn, zumal: O daß immer reich erblühter, O daß immer licht⸗durchſprühter Glänze dieſer heil'ge Gral!

Nur die Reinen, Makelbaren, Mögen ritterlich ſein wahren:

In der Reinheit liegt die Kraft: Preist ſie laut in Siegsfanfaren, Ruft mit mir: ein Hoch der wahren,

Freien, deutſchen Wiſſenſchaft!

An König Mar.

(Schleswig - Holftein 1864.)

Im Etſchthal war's; rings Fels und Fluß rings Schrecken und Gefahren

Die deutſche Fahne ſchwer beſchimpft von frechen Räuber⸗ ſcharen ö

Die Noth war groß —, die Hoffnung ſchwach, Ver⸗ zagtheit aller Enden —:

Da ſcholl's: „An Euch iſt's, Wittelsbach, die Schmach von uns zu wenden!“

549

Und Pfalzgraf Otto ſäumte nicht, nie pflag er lang zu

: feiern, .

Er zog das Schwert und rief: „Wohlan, ſo folgt mir, meine Bayern!“ f

Und aller deutſchen Macht voran drang er mit blanker Wehre: Ein Weg war frei, den wählt' er kühn, das war der ö Weg der Ehre!

Die Andern zagten noch im Thal da war's ihm ſchon gelungen:

Der Pfad war frei, die Schmach gerächt, der freche Feind bezwungen.

O König Max, o hör' in Huld, wie wir in Treu Dich mahnen: |

Rings dräut Gefahr: auf, Wittelsbach, Du ſollſt den Weg uns bahnen.

Vor einem Engpaß ſtehn wir all, den Schmach und Noth umthürmen,

Ein Weg iſt frei, der Ehre Weg wohlan, führ' uns zum Stürmen!

550

Deutſches Siegeslied.

1864.

Und ſollten ſie, die ſtets ſo thaten,

Auch jetzt des Sieges Frucht verrathen Der Kampf war dennoch kämpfenswerth.

Denn wieder einmal hat nach Jahren

Mit Furcht und Schreck die Welt erfahren, Wie ſcharf es ſchlägt, das deutſche Schwert!

Das war ein Sieg, nicht lau und leidig,

Nein, raſch und ganz und voll und ſchneidig, Daß ſelbſt der Neid nicht mäkeln mag.

Das kam daher wie Wetterſtürme

Und brach durch Schanzen, Thor und Thürme Wie Gottes Blitz und Donnerſchlag.

Und als, verſcheucht vom letzten Riffe, Der Däne floh auf ſeine Schiffe, Folgt ihm die Rache bis ins Meer Und weiter trugen ſchwanke Barken Des deutſchen Sieges ſtolze Marken Als weiland Kaiſer Otto's Speer.

Vernehmt's ihr deutſchen Namens Haſſer! Zu Lande Sieger und zu Waſſer Frohlockt die deutſche Heldenſchaft: Und doch iſt tief dies Volk zerſpalten Nun ſagt, wer mag dawider halten, Verſammelt einſt es ſeine Kraft?

551

An König Ludwig den Zweiten. Fränkiſcher Markenritt.

1867.

Zu Wirzburg hart am Dome da ſchläft ein . gut, In deſſen Harfe rauſchte viel edler Mannesmuth; Dieweil von Lenz und Liebe ſein ganz Jahrhundert ſang, Von Roſen, Luſt und Minne ganz Deutſchland wiederklang, Sang er von Recht und Freiheit, vom Kaiſer und vom Reich, Und wie kein Volk an Ehren dem deutſchen Volke gleich. Vertraut iſt mir ſein Schatte: denn jedes deutſche Leid Still trag' ich's zu Herrn Walther, dem von der Vogelweid. Doch als in dieſer Mittnacht ich ſchritt zu ſeinem Grab, Sprach ich: „Heia, Herr Walther, heut heiſch ich Botengab'! Hört Ihr die Glocken läuten, ſeht Ihr die Banner wehn? Hört Ihr den Main, den alten, in ſtolzern Wogen gehn? Seht Ihr die Feuer glaſten von jedem Hügelrand? Der junge Frankenherzog hält Umritt durch ſein Land!“ Da ſprach der edle Schatte: „Scharf hab' ich ihn beſchaut: Er blickt die hellen Blicke, drauf gern ein Volk vertraut. Mich mahnt's an meine Tage, da pflag man Umritts auch; Doch, wollt ihr denn ihn üben: übt ganz den alten Brauch! Wir boten Feſt und Freude dem edeln Gaſte gern: Doch auch die ganze Wahrheit erboten wir dem Herrn. Wir ſprachen: „„Hilf, Herr Herzog, deß Haft du reiches Feld, Denn alles nicht im Land hier iſt, wie du willt, beſtellt. Dir bergen bunte Kränze mauch morſchen Stein des Baus, Doch kömmt der Sturm der findet raſch jeden Riß im Haus.

Drum ſchlichte, richte, ſichte und hilf, wie gern du willt, Daß ſieg⸗getroſt wir ſtehen, wenn's Stürmen ſtehen gilt.“ So ſprecht zu eurem Herzog zu euer aller Heil: Denn immer iſt die Wahrheit der Treue erſter Theil!“

„Main- Linie.“

1867.

Die raſchen Schiffe gleiten Wohl hin und her den Main:

Hie deutſch zu beiden Seiten Soll das geſchieden ſein?

Zwei Amſeln hör' ich ſingen Wohl links und rechts vom Main Und Ton in Ton ſich ſchlingen Soll das geſchieden ſein?

Zwei Liebſte ſeh ich gehen Wohl links und rechts vom Main, Ihr Gruß kann ſich verſtehen Soll das geſchieden ſein?

Zwei Banner ſeh' ich fliegen,

Wohl links und rechts vom Main, Vereint ſie müſſen ſiegen

Soll das geſchieden ſein?

Die Rheinmädchen und das Rheingold. 1868. „Rheingold, Rheingold, Leuchtende Luſt.“ Richard Wagner.

Floßhilde.

Wir wogen und wallen in ſeliger Luſt,

Wie ſpült es ſo wonnig um Nacken und Bruſt:

Im Silber des Stroms, in der Dämmerung Gold, Wie ſchwimmet, wie ſchwanket, wie ſchwebet ſich's hold.

Wir ſchöpfen vom Grunde die Perlen ſo reich, Wir pflücken vom Schilfe die Roſen ſo bleich, Wir jagen die ſchiller⸗beſchwingte Libelle

Und haſchen mit Händen die raſche Forelle.

Woglinde.

Wir ſteigen empor in den ſilbernen Nächten,

Den Schimmer des Monds in das Haar uns zu flechten, Wir ſingen vom Fels die bezwingenden Lieder

Und Herzen und Sterne, wir ziehn ſie hernieder.

„Wir ſingen die Wunder der ewigen Tiefen, Drin Götter und Menſchen als werdende ſchliefen, Wie Alles aus feuchtem Gewoge geworden, Wir wiſſen's und ſingen's in heil'gen Accorden.

554

Rheinfriede. Wir wahren des Rheingolds köſtlichen Hort! Den häßlichen Gnom, ſeht ihr lauern ihn dort? Die Zwerge des Zwiſtes zertheilten ihn gern Doch wir hüten den Hort dem verheißenen Herrn.

Denn einſt kommt ein anderer Siegfried geritten, Der alle die Drachen hat nieder geſtritten:

Der ſenket herunter die ſiegende Lanze

Und hebet den Hort von unſterblichem Glanze.

Ihm ründet von ſelbſt ſich zur Krone das Gold, Ihm jubeln die Brüder, die lang ſich gegrollt:

Ein Reich wird er gründen wie Keines hienieden, Voll Recht und voll Freiheit, voll Macht und voll Frieden.

Die drei Schweſtern im Chor.

Wir halten im Rheingold die Krone bereit Für die kommende deutſche Herrlichkeit.

Bei der Kriegserklärung Frankreichs.

19. Juli 1870.

I. Deutſche Lieder. Und ob zerklüftet und zergliedert Des deutſchen Volkes Herrlichkeit, So tief iſt's, Wälſcher, nicht erniedert, Daß es dem Schlag die Wange leiht.

555

Wohl ging uns Unglück und Bethörung, Ein böſer Schatte, lange nach,

Doch nun genug der Selbſtzerſtörung, Genug des Zwiſtes und der Schmach.

Wohl fiel dein kaiſerlich Geſchmeide, Germania, dir von Bruſt und Haupt, Wohl hat von deinem reichen Kleide Manch' edel Stück der Feind geraubt, Wohl hadern rings noch deine Söhne, Stark iſt das Unrecht, ſchwach das Recht, Fern von des Friedens heil'ger Schöne, Schwer ringend ſchafft noch dies Geſchlecht:

Doch hebt der Erbfeind frech die Hände Nach unſrer Brüder Wappenſchild,

Dann iſt der Hader all' zu Ende,

Der Streit im Elternhaus geſtillt,

Und Nord und Süd im heil'gen Grimme Vereint der Ruf der Ehre ſie,

Und donnernd tönt's aus Einer Stimme: „Hie deutſches Schwert und Deutſchland hie.“

II.

Das iſt kein Krieg um die Chimäre Von Thronenglanz und Fürſtenruhm: Das iſt der Kampf um Deutſchlands Ehre Und jedes deutſche Heiligthum.

Es tritt vor feines Hauſes Pforte, Das frecher Uebermuth bedroht,

Das deutſche Volk mit zorn'gem Worte Zum Kampf auf Leben und auf Tod.

Er zwingt das Schwert uns in die Hände, Wohlan, ſo ſei's nicht mehr geſenkt, Bis ſich das Schickſal ganz vollende, Dem ſich der Feind entgegen drängt.

Auf! werft den Friedebrecher nieder, Daß er uns nie mehr ſchaden kann,

Die edeln Marken nehmt ihm wieder, Die er in böſer Zeit gewann.

Laßt ſehen, ob nicht zum Vaterlande Das Herz des Elſaß wieder neigt, Wenn ihr ihm, ſtatt der alten Schande, Den Spiegel deutſcher Ehre zeigt.

Mit Einem Zeichen nur gewinnen Das alte Reichsland werdet ihr: Pflanzt auf des freien Straßburg Zinnen Des neuen deutſchen Reichs Panier!

III. Gruß an den Rhein.

Getroſt, ihr Wächter dort am Rheine, Nicht einſam mehr iſt euer Stand: Schon braust's heran im Waffenſcheine Vom Alpenſchnee, vom Küſtenſand.

e

9

557 Der Schwabe ſtürmt von ſeinen Wieſen, Vom hohen Berg der Bayer her: Die Dünen ſenden ihre Frieſen Und ſeine Sachſen ſchickt das Meer.

Und zorn'gen Schwungs, des Räubers Schrecken,

Eh' er die edle Brut gewann, Schwarzflüglig, ſeinen Horſt zu decken, Der Adler Preußens rauſcht heran.

Deutſches Sieges Lied.

(Weißenburg, 4. Auguſt 1870.)

Nun laßt die Siegsfanfaren ſchmettern Und fallet ein im Jubelchor:

Denn hell aus dunkeln Schlachtenwettern Stieg Deutſchlands goldner Stern empor.

Der falſche Zauber brach in Stücke An unſres Speeres Eichenſchaft,

Dort wälſcher Trug und wälſche Tücke, Hier deutſche Treu und deutſche Kraft.

Scharf habt den Adler ihr getroffen, Ihr Schützen meines Alpenlands, Und raſch, wie eurer Felſen Schroffen,

Erklommt ihr Wall und Mauerkranz.

558

Gefällt die Wehr’, den Schuß verhalten, Drang an der Preuße ſiegesfroh:

Sie haben ihm nicht Stand gehalten, Dem Bajonett von Waterloo!

Nein, als ſie auf der Höhen Krone Des deutſchen Auges Blitz gewahrt, Da hat des Cäſars Bataillone Den Berg hinab die Flucht entſchart.

Jetzt nach, Ulanen und Huſaren,

Den Todtenkopf am ſchwarzen Helm, Wie Wetter Gottes drein gefahren

Auf Turco⸗Hund und Zuaven⸗Schelm!

Das Lager brennt, die Adler fallen, Das Mordgeſchütz, ſtumm liegt es da, Und durch die Lüfte braust's mit Schallen: Victoria! Victoria!

Aufbruch. (Anfang Auguſt 1870.)

Daheim in Muße ſollt' ich liegen, Indeß die Brüder ſterbend ſiegen? Das Traumbild ſtiege meiner Lieder Lebendig glorreich endlich nieder, Und bei den Büchern blieb’ ich ſitzen?

Nein, bei der ſchönſten der Walküren! Hinein, wo Stahl und Feuer blitzen!

Und darf ich nicht die Waffen führen,

559

Gefahr und Schrecken kann ich theilen, Kann rathen, tröſten, helfen, heilen. Ich will, wo unſre Fahnen wallen, Sie ſiegen ſehen oder fallen:

In dieſes Schickſal rieſengroß

Flecht' ich des eignen Lebens Los!

Spruch bei Aunahme des rothen Kreuzes.

(Anfang Auguſt 1870.)

Vergiß dich ſelbſt, dein Glück, dein Leid, Sei gegen Grau'n und Furcht gefeit,

In Kampf und Schreck ein Held von Erz, Dem Schmerz ein Balſam ſei dein Herz Sei ſtill und ſtark im Schlachtgedröhn Und ſtirbſt du ſo, ſo ſtirbſt du ſchön.

Die Schlacht von Sedan.

(Dem deutſchen Heere zu eigen.)

Endlich erreich' ich dich,

Endlich ergreifſt du mich,

Lange geſuchte,

Wochenlang durch die Nächte erſehnte, Dröhnende, heilige,

Männer mordende Feldſchlacht.

560

Hoch in den Lüften Die weißlichen Wölklein, Nicht ſind's des Septembers Nebelgeſpinnſte: Siehe, ſie berſten: Das ſind des Feindes Todesgeſchoſſe! Und das Getöſe Nicht von Gewittern Hell iſt der Himmel: Das iſt der Donner, Der herrliche Schlachtruf Der deutſchen Geſchütze.

Erjauchze, mein Herz, nun: Dein Sehnen von Kind auf, Dein Wunſch in den heißen Schmerzen des Mannes, Alles erfüllt ſich:

Denn es umtoſet dich Schrecklich und herrlich, Vom Heer Alldeutſchlands Sieghaft geſchlagen,

Die heilige Schlacht!

Auf und hinein!

Dort, von den Höh'n des Ragenden Hügels,

Muß ſich das ganze Kampfesgefild den Blicken erſchließen.

561

O Deutſchland!

Welch' Schauſpiel!

Rings mir zu Füßen,

Zur Rechten, zur Linken,

Da wallet und woget

In ſchimmernden Scharen Ringend die Streitmacht Deutſchlands und Frankreichs!

Vor mir im Thalgrund Windet der Fluß ſich,

Die Maas, durch die Nied'rung: Dort an den Ufern,

In glitzernden Gliedern,

Das ſind Franzoſen: N Fußvolk und Reiter

Und brüllend Geſchütz.

Und aus der Mitte

Hebt ſich die Veſte,

Mit Thoren und Thürmen, Mit Zinnen und Zacken Stachlich zu ſchauen:

Ein feuerſpeiender Kauernder Wurm.

Aber umher auf Waldigen Höhen Rings in dem Halbkreis Von Süden, von Oſten

Und fern her von Weſten Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 36

562

Die dunkelnden Maſſen Das ſind die Unſern,

Das ſind die Deutſchen! Siehe, ſie ſtoßen

Herab von den Höhen, Gleichwie ein Adler

Mit rauſchenden, ſchwarzen Schwingen und Fängen, Zu würgen im Thale

Den gleißenden Wurm.

Da, hart mir zur Rechten, Auf raſſelnden Rädern Rollt's an den Höh'nrand: „Halt! Halt, Batterie!“ Das ſind meine Bayern: Den Führer erkenn' ich: Oft ſah ich ſie ziehen Durchs friedliche Mainthal: Jetzt find' ich ſie wieder In toſender Schlacht.

„Zielt dort auf das Dorf mir, Dort, dicht vor der Feſtung: Da ſeht ihr in Maſſe

Geſchart die Franzoſen:

Dort droh'n ſie den Durchbruch: Doch ſie dürfen nicht durch!“

Und neben mir Blitz und Knall aus dem Rohre: Wie gellt mir das Ohr!

563

„Seht nur, wir müſſen fie Mächtig erzürnen:

Sie richten auf uns nun Ergrimmt die Geſchütze: Recht ſo! da werden

Dort unten die Unſern, Die wackeren Jäger,

Links von der Straße Granatenfrei.“

Horch, da erziſcht es Sauſend und ſchwirrend Hoch mir zu Häupten: Aber unſchädlich Zerſchellt das Geſchoß, Dort nur die Spitze Der Tanne zerſpellend. Horch, wieder! und wieder! Das fehlte nur wenig: Deutlich den Windſtoß Fühlt' ich der ſauſenden Schwirregewalt:

Sei mir geſegnet

Ob meinem Haupte, Weihender, heilender,

Heiliger Hauch!

Da rechts in der Ferne, Da flammt's aus dem Flecken Flackernd empor:

Rauch, Feuer und Lohe

564

Und glühender Qualm:

„Da brennet Bazeilles!

Da brennet auch Balan! Dort fechten die Unſern Schwerringend ſeit Stunden, Bergbayern zumal.“

Horch auf, was da knarret Und ſchnarret und raſſelt! Das ſind nicht Gewehre! Nie hört' ich's zuvor!

„Mitrailleuſen ſind's, Wohl viele Batt'rieen. Nun, endet das nicht?“ Vier lange Minuten!

Der Braven gedenkend, Erbleicht' ich mit Fröſteln: Es erlag wohl da unten Der Mordmaſchine

Manch freudiger Schütze, Dem einſt auf dem Bergpfad Im heimiſchen Chiemgau Die Hand ich gedrückt.

Doch herab jetzt vom Hügel: Denn links nun entlodert Noch wilder und wüth'ger Die wogende Schlacht.

Sieh, verſtört aus der Stille Der friedlichen Dörfer

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565

Weißer Tauben Verſchüchterte Schwärme! Sieh, wie ſie rathlos Flattern und flüchten Von Links nach Rechts Weit über das Thal hin Hoch durch den Himmel!

Dort, jenſeit des Fluſſes, An ſteilem Gelände Aufſteigen drei Dörfer Mit ſteinernen Mauern: Ige und Illy ö Und das bergige Floing: Da wimmelt und wogt es Von rothen Hoſen;

Sie ſchützen, noch uner⸗ Schüttert, die rechte,

Die weſtliche Flanke:

Sie halten die Höh'n

Und die Häuſer und Höfe: Sie liegen in Gärten

Und Gräben gedeckt.

Da ſammelt ſich unten

Am Fuße des Bergs

Beim Schlage der Trommel Die ſchwärzliche Schar: Siehſt du die Fahne Schwarzweiß flattern?

Das ſind die Preußen!

566

Sie trommeln zum Sturm! Wie? empor diefen Berghang? Den ſteinigen, ſteilen?

Den nackten, den kahlen? Kein Baum, kein Buſch! Entgegen dem taufend- Schlündigen Tode?

Mir gerinnet vor Grauen

In den Adern das Blut!

Sie ſtürmen, bei Gott! Gradauf! gradan!

Entſetzen! wie rollt das

In Knattern und Raſſeln! Rings Feuer und Blitze

Und Pulverdampf.

Gott, wie bang, wie lang! Da verzieht ſich der Rauch: O Jammer und Wehe!

Wie beſät liegt der Berg nun, Der nackt war und leer war, Mit ſchwarzen Geſtalten: Das ſind die Gefall'nen, Die tapferen Stürmer!

Wie viele! o wehe!

Ich ſeh' ſie ſich winden

In zuckender Qual.

Und die Fahne? Zurück? O wehe, ſie weichen Den Hügel herunter!

567

Geſcheitert der Sturm!

Und ſieh, o Verderben,

Aus Häuſern und Höfen, Aus Gräben und Gärten Brechen verfolgend, Nacheilend, nachſchießend,

Die Halde herab

Die Feinde hervor:

In wenig Secunden

Können ſie hier ſtehn

Und durchbrochen wäre

Das deutſche Heer! Und zum erſtenmal mir

Kam der Gedanke:

Wenn heute der Sieg uns Urplötzlich verſagte?

Dann doch nein! o Triumph! ſieh, Wie hurtig ſie haſten,

Wie raſch ſie da rennen,

Die rothen Hofen,

Zurück und den Hügel Wieder hinan!

Sie löſen die Glieder!

Sie werfen die Waffen

Weit hinweg:

Umgangen, gefangen!

Denn von links aus dem Walde Mit hellem Hurrah,

Mit mächtigem Marſch! Marſch! Mit fliegenden Fahnen,

Da brechen in Scharen

568 >

Die Preußen hervor!

Sieg! Heil euch, ihr Helden! Durch Ige und durch Illy In das flammende Floing! Schon halten ſie hoch

Auf dem Kamme des Hügels, Schon droh'n ſie Geſchütze Zu faſſen und Fußvolk, Geſpann und Geſchirre, Bevor ſie entrinnen —:

Kein Ende! Welch' neues, Gewaltiges Schauſpiel!

Lange gezogener Reiterfanfaren Freudiger Ruf Erklinget von fern:

Und herab dort vom Hügel Und aufwärts den zweiten, Wo halten die Unſern,

Welch raſend Beginnen! Jagen, den Rückzug

Der Ihren zu retten, Franzöſiſche Reiter⸗ Geſchwader heran!

Hei, glitzernder Küraß! Hei, ragende Lanzen!

Und bunte Huſaren

Und Jäger zu Pferd, Wohl fünf Regimenter.

569

Kaum ſeh' ich die Preußen Im Pulverdampf.

Doch horch! welche Stille! Auf wenige Schritt noch Laſſen ſie raſen

Die Reiter heran: Da, Salve nach Salve! Salve nach Salve!

Und niedergeſchmettert Wie Aehren vom Hagel, Wie Garben vom Schnitter, Bevor Bajonnet ſich

Und Säbel gekreuzt, Stürzen ſie nieder,

Die Reiter, die Roſſe, In Scharen, in Reihen, Dicht, wie ſie geritten, Und abwärts den Hügel Zurück mit Entſetzen

Jagt was ſich gerettet Von fünf Regimentern!

Und nun unaufhaltſam

Wogt das Gewirre

Von Geſchützen und Fußvolk, Dahinter die Reiter,

Den rettenden Thoren

Der Feſtung zu.

Nicht lange mehr rettend! Denn ſchon aus den Dächern

570

Bricht flackernder Brand Und in den Straßen

Des Stiädtleins ſtaut ſich Chaotiſch Gedräng

Und die deutſchen Granaten Schlagen hinein.

Und fern auf den Hügeln Im Norden auch endlich Fahren, wo lang Mitrailleuſen geknarret, Deutſche Geſchütze Donnernd nun auf:

Dort, wo die Wälder Belgiens dunkeln,

Reichen ſich Preußen, Reichen ſich Sachſen, Allumklafternd

Den Feind, die Hände: Dort bei Givonne

Schließt ſich der Ring: Siehe, da ſtürzen

Die letzten Franzoſen Verzweifelnd ins Thal ſich, Verfolgt von dem Sturmſchritt Der preußiſchen Garde!

Jetzt ununterbrochen Rollet der Donner Von tauſend Kanonen Aus allen Wäldern,

571

Bon Hügeln und Höhn: Auf allen Seiten

Des Thales zugleich

Blitzt es und kracht es Und dröhnet und ſchlägt: Wie wenn ſich im felſigen Keſſel des Hochlands

Zwei Wetter verfingen Und unaufhörlich

Gegen einander

Rollen und grollen

Und Felſen und Berge Hallen es nach: f So donnert und dröhnt es Von allen Seiten:

Es bebet die Erde,

Es zittert die Luft:

So ward er geſchmiedet Mit Blitz und mit Donner, Der Schickſalsring.

Es neigt ſich die Sonne. Ich ſuche die Freunde.

Dort, hoch auf dem Hügel, Der auf Frénois ſchaut,

Da halten verſammelt

Viel Führer und Fürſten: Auf ſcharrendem Rappen

Ein hoher Greis:

570

Bricht flackernder Brand Und in den Straßen

Des Städtleins ſtaut ſich Chaotiſch Gedräng

Und die deutſchen Granaten Schlagen hinein.

Und fern auf den Hügeln Im Norden auch endlich Fahren, wo lang Mitrailleuſen geknarret, Deutſche Geſchütze Donnernd nun auf:

Dort, wo die Wälder Belgiens dunkeln,

Reichen ſich Preußen, Reichen ſich Sachſen, Allumklafternd

Den Feind, die Hände: Dort bei Givonne

Schließt ſich der Ring: Siehe, da ſtürzen

Die letzten Franzoſen Verzweifelnd ins Thal ſich, Verfolgt von dem Sturmſchritt Der preußiſchen Garde!

Jetzt ununterbrochen Rollet der Donner Von tauſend Kanonen Aus allen Wäldern,

571

Von Hügeln und Höhn: Auf allen Seiten

Des Thales zugleich

Blitzt es und kracht es Und dröhnet und ſchlägt: Wie wenn ſich im felſigen Keſſel des Hochlands

Zwei Wetter verfingen Und unaufhörlich

Gegen einander

Rollen und grollen

Und Felſen und Berge Hallen es nach: ; So donnert und dröhnt es Von allen Seiten:

Es bebet die Erde,

Es zittert die Luft:

So ward er geſchmiedet Mit Blitz und mit Donner, Der Schickſalsring.

Es neigt ſich die Sonne. Ich ſuche die Freunde.

Dort, hoch auf dem Hügel, Der auf Frénois ſchaut,

Da halten verſammelt

Viel Führer und Fürſten: Auf ſcharrendem Rappen

Ein hoher Greis:

574

Schweigend und ſchauernd, Feſt auf das pochende Herz die Hand mir

Und ich dachte:

„Nun magft getroften Muthes du fterben,

Da du geſchaut haft Dieſen Schlachttag,

Da du erlebt haſt

Dieſe Stunde.

Heil, mein Deutſchland.“

Heimkehr von Sedan.

(Mitte September 1870.)

Ritt ich voran dem langen Zug, Der das rothe Kreuz im Banner trug.

Kamen wir über Belgiens Grenzen, Wo Bouillons Thürme niederglänzen;

Empfing uns dort ein dicht Spalier, Trat vor mich hin der Officier: „Mein Herr, was Leute bringen Sie hier?“

„Deutſche Verwundete, hundert und mehr.“ „Achtung! Präſentirt das Gewehr!“

575

So kommandirte der Kapitän „Habe bei Sedan ſie fechten ſehn

Jeder Mann darunter ein Held Sind die erſten Soldaten der Welt!“

Zum Empfang der Sieger.

(Einzug der heimkehrenden Bayern in München und Würzburg.)

Heil euch im Siegerkranz,

Schirmer des Vaterlands, Glorreiche Schar!

Hoch von des Bergſee's Rand

Bis an des Rheines Strand

Nahmt ihr die Wehr zur Hand, Kühn, treu und wahr. a

Die er ſich hold vermeint, Ihr zuerſt ſchlugt den Feind Grimmig aufs Haupt: Weißenburg, Wörth, Sedan,

Chatillon, Orleans Siegeslauf, Ruhmesbahn, Lorberumlaubt.

Preußiſche Heldenſchaft, Bayriſche Bergeslraft Fanden ſich gleich:

576

Ihr habt in Gluth der Schlacht

Ehern den Ring gemacht,

Ihr habt uns heim gebracht Kaiſer und Reich.

Feſtſpruch bei dem Siegesfeſt zu 1 8

(Januar 1871.)

All' unſrer beſten Männer Sehnen, Das ſie gepflegt manch bittres Jahr,

Verhöhnt, verfolgt, mit Gram, mit Thränen Das ward nun alles glorreich wahr!

Das Wort vom Reich, das einſt verhohlen Der Freund dem Freunde kaum vertraut:

Heut braust es mit beſchwingten Sohlen Durch alle Gaſſen ſtolz und laut.

Beſiegt der Erbfeind und die Raben, Die ihn umſchwirrt in ſchwarzem Chor, Der Adler Deutſchlands ſchwebt erhaben Zur Sonne ſeines Siegs empor.

Und blick ich auf die Völker alle: Heut' iſt kein Volk dem deutſchen gleich:

So thut Beſcheid und ruft mit Schalle: „Der Kaiſer hoch und hoch das Reich!“

577

Macte Imperator! Heil dem Kaiſer!

Macte senex imperator,

Barbablanca, triumphator, Qui vieisti Galliam

Et coronae Germanorum

Post viduvium saeculorum Reddidisti gloriam!

Heil dir, greiſer Imperator, Barbablanca, Triumphator,

Der du Frankreich niederzwangſt Und der Krone der Germanen, Wittwe längſt des Ruhms der Ahnen,

Glanz und Schimmer neu errangſt!

Petulanter lacessitus Justo elypeo munitus Heribannum excitas: Eece surgunt quotquot gentes Oras incolunt stridentes Alpes usque niveas.

Frech vom Uebermuth beleidigt,

Mit dem Schild des Rechts vertheidigt, Rufſt den Heerbann du ins Feld: Sieh, da greift vom Fels zum Meere Klirrend alles Volk zur Wehre, Eine deutſche Waffenwelt.

Dahn, Gedichte. 2. Sammlung. 37

578

Primus vocat Bajuvaros, Venatores teli gnaros, Pulcher rex et juvenis: Memor foederis recentis Et honoris priscae gentis Et Germani sanguinis.

Du zuerſt riefft deine Scharen,

Flinke Jäger, ſchußerfahren, Bayernfürſt voll Jugendſchwung:

Treu dem neuen Bund und alten

Folgt dein deutſches Herz dem Walten Edelſter Begeiſterung.

Nec recusat Philalethes, Semper fidei athletes, Verae causae Saxones: Jugo hostis liberati Solvunt debita Holsati, Angli et Frisiones.

Der in Treue grau gewachſen,

Schickt, „der Wahrheit Freund“, die Sachſen Gern zum Streit mit Lügenquark:

Und mit ihrem Blute wollen

Dank die wackern Holſten zollen, Daß ſie los von Dänemark.

579

Mittit Rhenum eustodientes

Equos suos hinnientes Acris Alamannia,

Et laurifera vexilla

Vibrat propulsatrix illa Aquilina Prussia

Aus des Schwarzwalds dunklen Tannen Braust das Roß des Alamannen Raſch zur Wacht am Rhein dahin, Und voran auf unſern Bahnen Rauſchen, lorberſchwer, die Fahnen Pruſſia's, der Adlerin.

Quas diviserant spoliandas Ante pugnam et praedandas Ripas saneti fluminis Nemo hostium conspexit Nisi qui captivus flexit Poplites in vinculis.

Wie fie doch zu plündern eilten,

Vor dem Kampf den Raub ſchon theilten, Unſres heil'gen Stroms Geſtad':

Doch es ſah ihn kein Franzoſe,

Der nicht fluchend ſeinem Loſe, Ein Gefangner, ihn betrat.

580

Perpugnaces, perfallaces, Superbissimos, mendaces Quantis pugnis fudimus, Quo per castra Montalbana Tot portenta turcicana Princeps stravit regius!

Volk der Kriegsluſt, Volk des Trügens, Volk des Hochmuths und des Lügens, Wie oft ſchlugen wir dich ſchon, Seit die ſchwarzen Mordgeſellen Hingemäht dort auf den Wällen Weißenburgs der Königsſohn!

Campum taceo woerthensem,

Silvam spissam spicherensem, Et, qua nihil clarius,

Interruptam obsidionem

Qua Bazenum, ut faleonem, Longa fame fregimus.

Sei von all' den ſtolzen Siegen, Wörth und Spichern ſelbſt geſchwiegen Und, was Frankreichs Arm gelähmt, Wie Bazaine und Metz geendigt, Die durch Hunger wir gebändigt, Wie man wilde Falken zähmt.

581

At me praedico felicem, Qui testatus sim ultricem Prope Belgas aciem: Arctum atque arctiorem

Cireulum fulminatorem Includentem Caesarem!

Doch mich darf ich glücklich preiſen,

Der gefügt aus Blitz und Eiſen Dort bei Sedan ſah den Ring,

Der in immer engrem Bogen,

Wie von Schickſalshand gezogen, Marſchall, Heer und Kaiſer fing.

Aquilas ereptas multas, Fractas vidi catapultas Collem per Sedanicum, Turmas equitum prostratas, Portas castri conerematas Et Tyrannum deditum!

Sah entſchart die Bataillone,

Sah, wie Adler und Kanone Schwert und Bajonett gewann:

Hingeſtreckt die Stahlgeſchwader,

Schußgeſprengt der Veſte Quader, Und gefangen der Tyrann!

582

Dolo filias surreptas Salutamus vi receptas Reduces in laribus: Regum veterum palatia, Lotharingia, Alsatia Decor redit pristinus!

Töchter, einſt uns ſchnöd' entriſſen,

Grüß' euch Gott nach ſchwerem Miſſen An der Väter Heimathherd:

Erwins Elſaß, Lotharingen,

Kann euch nicht zum Herzen dringen Deutſches Wort und deutſcher Werth?

Quantas urbes, quot castella Mosa munit ac mosella, Sequana cum Ligeri: Omnes cepit forte pectus, Taciturni intelleetus Atque chalybs Krupp.

Wie viel Burgen und Caſtelle

Schirmt der Maas, der Moſel Welle, Loire und Seine deckt zumal

Jede Schanze brach und Schranke,

Großer Schweiger, dein Gedanke, Deutſcher Muth und Krupp'ſcher Stahl.

583

Petunt mare Goeben turget: _ Seandunt alpes Werder urget: Undique perieulum: Perque montes perque valles Terror sequitur per calles Et Ulani spiculum!

Fleucht zur Küſte Göben drängt euch,

Kreucht in Klüfte Werder zwängt euch; Noth und Tod dräut rings umher,

Und euch folgt durch Thal und Hügel,

Und euch jagt mit ſchwarzem Flügel Schreck und des Ulanen Speer.

Et quae probra tot jactabat, Tot triumphos enarrabat, Delirans superbia Panem petens a victore, Pacem a debellatore Ceeidit Lutetia!

Und die Sieg auf Sieg gelogen

Laſterprahlend, luſtverzogen, Aeffin halb, halb Tigerin,

Gnade flehend von dem Sieger,

Brod vom ſchlichtſten deutſchen Krieger, Sank Paris, die ſtolze, hin.

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Qui eoronae Germanorum Post viduvium saeculorum Reddidisti gloriam ... Macte senex triumphator Barbablanca, Imperator, Qui salvasti patriam!

Der der Krone der Germanen, Wittwe lang des Ruhms der Ahnen, Du erkämpft haſt neuen Glanz: Heil dir, greiſer Imperator, Barbablanca, Triumphator,

Retter du des Vaterlands.