Y ^ X € T » x wage ^^ le Am ie zx cut m - eer * site u Din an Lu 1 - " = 2 = - p Nod Jh af ae ee jn S Re T. She . 7. , . "m : . P er " "aep Mec ost Mtt ne rA Ra |n rere er SU ARTS a eh ll ct eua Bete SINT ea ey we rene ale mie net / " vo? r ‘ vg 5 “ d be FP RL Ne vw 4.5 . TIL m DE - ED Wi. c Dp Ded eie n tnn HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. "Wu se. (\ Boudi Yow aN us \ BUE * - x , mn er J ¢ ` .. e e >» w ' GEGENBAURS MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. — e=—_. EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON GEORG RUGE PROFESSOR IN ZÜRICH. EINUNDDREISSIGSTER BAND. MIT 24 TAFELN UND 92 FIGUREN IM TEXT. < LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1903. fb Rt elle gine pd a AE Inhalt des einunddreissigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben am 23. December 1902. Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen an der Wirbelsäule mit besonderer Berücksichtigung ihrer Lage zur Arteria vertebralis. Von G. Schöne. (Mit Taf. I u. 6 Fig. im Text) ... Beiträge zur Affen- Anatomie. IV. Das Kleinhirn der Neuweltaffen. Von Bote (Mit Ta IF u: 26 Fig. im Text) . 2... fo. . 0. Rückbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. Amphibien. Von A. Bühler. N E ee eng Uber die »intracellulären Fäden« der Ganglienzellen des elektrischen Lappens Eu eorpedo. Von Bernh. Solger. (Mit Ta£ V); . ......: Besprechung: Zur Entwicklungsgeschichte des Zahnsystems der Säugethiere. II. Theil. Phylogenie. I. Heft. Die Familie der Erinaceidae. Zoologica Heft 37. Von Wilhelm Leche. (M. Firbringer.) hee a. wae se! = e» ^» € $ Zweites und drittes Heft. Ausgegeben am 1. September 1903. Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens und des Truncus arteriosus der Wirbelthiere. Von Alfred een (Mit Tat VI-XI u: 35 Fig. im Text) .......... Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen und den Ductus naso-pharyngeus. Beobachtungen an Reptilien und Vögeln. Von E. Göppert. (Mit Taf. XII—XV u. 8 Fig. im Text). ...... Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. Von Karl Für- BEEN Att hate VIM VIIT) .. . ee ee a a Neue Beiträge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen, eines Rudi- mentes des Panniculus carnosus der Mammalier. Von K. Gehry. - (Mit 2 Figuren im Text.) nl ee Dat Fable Oe OO ea ee er a Ce te Seite 116 123 911 360 IV Viertes Heft. Ausgegeben am 13. Oktober 1903. Entstehn von Vorderfuß-Hyperdaetylie bei Cervus-Arten. Ein Beitrag zur Biotechnik. Von Gustav Tornier.. (Mit 11 Fig. und Figurengruppen im Text.) oj... 3. wur tue MUSTER Fer a FEN. KG ME Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. Von Gustav Kuhn. Mit Taf. XIX—EXI). - 2 00. GS oe E Das Kopfskelet der Amnioten. Morphogenetische Studien. Von A. Fleisch- mann ....-..- 21 0 0 ww PM N II. Vergleichende Stilistik der Nasenregion bei den Sauriern, Vógeln und Säugethieren. Von Adolf Beecker. (Mit Taf. XXII —XXIV.) te Nachtrag zu meiner Abhandlung »Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier«. Von Karl Furbringer "Sa A e Notiz über oberflächliche Knorpelelemente im Kiemenskelet der Rochen (Stumpffsche Knorpel, Extraseptalia. Von Max Fürbringer. (Mit 4 Fig. im Text). 2 e k . 0. Ser P Besprechung: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Wirbelthiere. ~ Von H. Schauinsland. [Max Firbringer) "1 f b } N ^" BOR TT IAN 82" 1903 eae GEGENBAURS MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH | EINE ZEITSCHRIFT FÜR ANATOMIE UND ENTWIGKELUNGSGESCHICHTE | | HERAUSGEGEBEN YON GEORG RUGE PROFESSOR IN ZÜRICH EINUNDDREISSIGSTER BAND ERSTES HEFT MIT “5 TAFELN UND 32 FIGUREN IM TEXT ` ; A JI LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN E 2 : 1902 ro 53 US -TOR | ERAO no : Ausgegeben am 23. December 1902. G. JAN Vergleichende Ünen n; zen über die Be S an der Wirbelsüule mit besonderer ‘Berioksichtigr Arteria vertebralis. (Mit Taf. I u. 6 Fig. im Text 5 Louis Bolk, Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. Das Kleinhirn | affen. (Mit Taf. II u., 26 Fig. im Beat.) i sm A. Bühle r, Rückbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. E Mound ae Mit Taf, UL u. IV). SAA : MEO RE IT Bernh. Solger, Über die Finträpellilären Penete PTR Ganglienzellen des . E elektrischen Lappens von IPEA (Mit Taf, V): rs S, T "cr ME Besprechung: SEM CTS A Wilhelm Leche, Zur Thitvickelanbaguooblehte des Zahnsystems der ae Säugethiere. II. Theil. Phylogenie. I. Heft. Die Familie delli * ise Erinaceidae. Zoologica Heft 37. (M. Fürbringer) . . . . thy u a p AM ` Mittheilung. Prof. "iE Ruge in Zürich- ern REC Im oh teresse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, dass die /— Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nach-. ay träglichen Einschüben und ausgedehnten Abiindermgen während KR TAM EE ^nt Blättern beizulegen. rechnet; eine größere Zahl auf Wunsch md gegen | Bestattung pee d ipi NOT um | aes ME Bor. Der Herausgeber 3 Die Verlisstuiihe ea d Georg Ruge. ‚Wilhelm Engelmann. wae Fa — , M c Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. . | Re Erinnerungen aus meinem Leben. — Dr. K. E. Hasse | N AE weiland Professor an den Universitäten Leipzig, Zürich, Heidelberg und Göttingen. rom X area Zweite Auflage. Re Mit 2 Bildnissen des Verfassers in Heliograviire. 2 gr. 8. 1902. 2 6.—; geb. in Leinen M 7,50, in Halbfranz M. jos F. | RE = are ade: d wu rd X y ap UNA 4- avy ad ? Vater: actis cubi Ue ca ires E v pe er EIN, x Mr Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen an der Wirbelsäule mit besonderer Berücksichtigung ihrer Lage zur Arteria vertebralis. Von G. Schone. (Aus dem anatomischen Institut zu Heidelberg.) Mit Tafel I und 6 Figuren im Text. Allgemein betrachtete man in früherer Zeit sämmtliche in der Reihe der Fische beobachteten Rippenbildungen als homolog. Es lag dies um so näher, als die ihnen allen gemeinsam bleibende Anheftung am unteren Bogensystem auf die Abgliederung aller dieser Rippen von Theilen des unteren Bogens hinwies, worin entschieden ein einleuchtendes Kriterium für ihre Verwandtschaft gegeben war. Erst in den Jahren 1878/79 trennte GoETTE (XIII !) in seinen Beiträgen zur vergleichenden Morphologie des Skelet- systems der Wirbelthiere die Rippen der Selachier von denen der Ganoiden, Dipnoer und Teleostier. Er erkannte in der Ver- schiedenheit ihrer Lage zum Septum horizontale und zur Musku- = ]atug ein wesentliches Kriterium für ihre Unterscheidung. Wäh- — rend nämlich allen Fischen die Lage der Rippen in den trans- - versalen Myosepten gemeinsam ist, finden sich Verschiedenheiten der Anordnung im Bereich dieser transversalen Septen selbst. Bei Selachiern bezeichnet die Kreuzungslinie des Septum transversum mit dem Septum horizontale die Bahn der Rippe, welche also sowohl 1 Die römischen Zahlen hinter den Autorennamen verweisen auf das Litte- J raturverzeichnis am Schlusse der Arbeit. l Morpholog. Jahrbuch. 31. 1 2 G. Schöne zur dorsalen wie zur ventralen Muskulatur Beziehungen hat; bei den meisten Teleostiern, Ganoiden und Dipnoern bleibt die Rippe unabhängig vom Septum horizontale und der dorsalen Muskulatur und hält sich vielmehr an den 'medialen Rand des Septum trans- versum, wo sie in unmittelbarer Nachbarschaft des Peritoneums ver- läuft und nur die ventrale Muskulatur stützt. GoETTE bezeichnete demgemäß die Selachierrippen als obere, die der übrigen Fische als untere Rippen oder Pleuralbögen. Entscheidend für die Richtigkeit der GoETTE’schen Unterschei- dung wurde der Nachweis des gleichzeitigen Vorkommens oberer und unterer Rippen in einem Segment bei ein und demselben Thiere. Schon GoETTE selbst fand bei dem Crossopterygier Polypterus ty- pische obere und untere Rippen in einem Segment vereinigt. Außer- dem gelang es ihm einerseits bei einem Teleostier, dem Plectogna- then Monacanthus penicilligerus, welehem allerdings Pleuralbógen fehlen, Homologa der Selachierrippen nachzuweisen; andererseits er- innerten ihn die abgegliederten Enden der Basalstümpfe am Sehwanz- rumpfübergang des Selachiers Carcharias an die Pleuralbógen der Teleostier. GÖPPERT (XI) vervollstándigte GoETTE's Untersuchungen dureh den entwicklungsgeschichtlichen Nachweis der Homologie der Crossopterygier- mit der Selachierrippe, und stellte ferner die Deu- tung der Seitengräte bei Monacanthus als eines Homologons der Selachierrippe sicher. Außerdem gelang es ihm auch bei Teleostiern, welche mit einigen Ausnahmen Pleuralbögen besitzen, daneben in den Brucu’schen Cartilagines intermusculares rudimentire Selachier- rippen nachzuweisen. GoETTE's Beobachtung bei dem Selachier Carcharias fügte er eine ähnliche bei Cestracion Philippi hinzu, wo er an einem Schwanzwirbel einen rudimentären Pleuralbogen zu er- kennen glaubte. So kam er zu dem Resultat, dass für Crossoptery- gier, Selachier und Teleostier das gleichzeitige Vorkommen beider Rippenarten als das Ursprüngliche zu gelten habe. Bei der Mehr- zahl der Ganoiden und Dipnoer seien jedoch Andeutungen von Resten oberer Rippen nicht vorhanden. | Die Rückbildung der unteren Rippen erklärte er aus einer Ab- nahme der Bedeutung der ventralen Muskulatur, in deren Dienst sie stehen. Das Schwinden der oberen Rippen konnte er aus dem Ver- halten der Muskulatur nicht begründen. Schon vor GóPPERT's Veröffentlichung hatten sich HATSCHEK (XVI), Rasy (XXIII), WiEDERSHEIM (XXVIII) Baur (IIa), DoLLo (VI und VII) den GoETTE'schen Anschauungen angeschlossen. Auch isdem perve. SP CC Vergleichende Untersuchungen iiber die Befestigung der Rippen ete. 3 GEGENBAUR (X) hat die Zweiheit der Fischrippen zugegeben. Neuer- dings hat auch CrLrGNvy (V) GoETTE's Resultate zur Grundlage seiner Untersuchungen bei Schlangen und fuBlosen Sauriern gemacht. Nachdem also die Verschiedenheit der Fischrippen gesichert ist, stellt sich für die höheren Wirbelthiere, zunächst die Amphibien, die Frage dahin, ob ihre Rippenbildungen überhaupt auf Fischrippen zu beziehen sind, und weiter, wenn dies möglich ist, ob sie den oberen Rippen oder den Pleuralbögen entsprechen. Wie GóPPERT (XII) nachwies, entstehen die Amphibienrippen eben so wie die Fischrippen durch Abgliederung von einem dem Basalstumpf der Fische homologen Skelettheil. Damit ist also auch bei Amphibien ein deutlicher Hinweis auf die genetische Beziehung der Rippe zum unteren Bogensystem gegeben, und somit die erste Vorbedingung für die Vergleichung der Rippen der Amphibien und Fische überhaupt erfüllt. Von den meisten Autoren sind: die Rippen der Amphibien als Homologa der oberen Rippen der Fische gedeutet worden. Beide liezen im Septum horizontale und zeigen Beziehungen sowohl zur dorsalen wie zur ventralen Muskulatur. Das Verhalten der Musku- latur selbst lässt sieh bei dem primitiven Urodelen Menobranchus anschließen an Zustände bei denjenigen Fischen, mit denen er das Vorhandensein oberer und das Fehlen unterer Rippen gemeinsam hat (GóPPERT) Denn bei beiden findet sich ein Tiefstand des hori- zontalen Myoseptums, welcher einer Schwäche der ventralen Musku- latur entspricht. Bei hóheren Urodelen gewinnt allerdings die ven- trale Muskulatur wieder an Stárke; das Septum horizontale wird dorsal verlagert; aber mit ihm auch die Rippe. Ähnlich folgt auch die Rippe bei Anuren dem Septum horizontale dorsalwärts. Es zeigt sich so auch bei den Urodelen, wie eng Rippe und Muskulatur zusammengehüren und wie sehr das Verhalten der Rippe dureh die- jenige Muskulatur bestimmt wird, in deren Dienst sie steht. Diese Beobachtung bestärkt uns in der Überzeugung, dass in dem Ver- hültnis der Rippe zur Muskulatur ein wesentliches Moment für die Beurtheilung der Rippe gegeben sei. Die Rippen sind im Dienst der Muskulatur entstanden und erhalten geblieben, demgemäß wird ihre Ausbildung und Rückbildung sowohl wie ihre Verlagerung von der Muskulatur beherrscht. Es erscheint aber nicht glaublich, dass die Rippe jede Beziehung zu demjenigen Theil der Muskulatur auf- giebt, als dessen Produkt sie entstanden ist. Es ist klar, dass dies Alles für die Homologie der Amphibienrippe 1* 4 G. Schöne mit der der Selachier spricht. Eine untere Rippe miisste, um die Lage der Selachierrippe zu erreichen, ihre urspriinglichen Beziehun- gen zur ventralen Muskulatur ganz verloren und sich eingedrängt haben in die Bahn der oberen Rippe. Denn die Lage der Amphibien- rippe im Septum horizontale entspricht durchaus den Zuständen bei Selachiern (GÖPPERT). Es ist auch meines Wissens nie der Versuch gemacht worden, die Amphibienrippe mit der unteren Fischrippe zu homologisiren, wohl aber sind die Rippen der Amphibien wegen ihrer Zweiköpfigkeit als Doppelbildungen aufgefasst worden, und zwar vornehmlich von GoETTE (XIII), Dotto (VI und VII) und CLisny (V). DoLLo und nach ihm Cuieny halten die Amphibien- rippe für ein Produkt der Verschmelzung je einer oberen und unteren Fischrippe. Gorrre dagegen sieht in der Rippe das Produkt der Ver- schmelzung der Rippen zweier benachbarter Segmente, entsprechend seiner Concrescenztheorie der Wirbelsäule. Im Gegensatz zu DoLLo und CLiGNY hat GÖPPERT nachgewiesen, dass die dorsale Rippenspange der Amphibien von der ventralen Hauptspange aus in dorsaler Rich- tung fortschreitend angelegt wird und dass sie derselben nicht als gleichwerthig zu erachten ist. Nach der Auffassung von DoLLo und CLIGNY müsste die untere Fischrippe den wesentlichen Theil der Amphibienrippe darstellen. Sie müsste demnach ihre primitive Beziehung zur ventralen Muskulatur aufgegeben haben, was ich, wie bereits erwühnt, nicht für annehmbar halte. Dass auch die periphere Gabelung der Amphibienrippe nicht für die Annahme einer Doppel- bildung verwerthet werden kann, hat bereits GÖPPERT nachgewiesen, indem er auch bei Selachiern und Clupeiden Gabelungen der distalen hippenenden beschrieb. . GoETTE's Theorie der proximalen Gabelung der Rippe berührt unsere Frage zunächst nicht. Es erscheint uns demnach die Homologie der Amphibien- und Selachierrippe und da- mit auch die aller Rippen hóherer Wirbelthiere mit den oberen Rippen der Fische gesichert. Bei der näheren Untersuchung der Rippenbefestigung in den verschiedenen Gruppen der Amphibien hat nun GÖPPERT Verschie- denheiten aufgedeckt, welche nicht nur an sich bedeutsam sind, sondern auch eine ‚bestimmte Fragestellung für die Untersuchung der Rippenbefestigung der höheren Wirbelthiere ergeben. Wie erwähnt, konnte GÖPPERT die Abgliederung der Amphibien- - rippe von einem dem Basalstumpf der Selachier homologen Skelet- theil nachweisen. Er wandte nun seine Aufmerksamkeit auf die Art und Weise, wie sich bei der erwähnten dorsalen Verlagerung Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen ete. 5 der Rippe in der Reihe der Amphibien die Verschiebung der Rippen- befestigung auf den oberen Bogen vollzieht. Die Untersuchung er- gab vor Allem, dass sich an diesem Wanderungsprocess außer der Rippe selbst auch ein Theil des Basalstumpfes betheiligt, an wel- chem die Rippe befestigt ist. Es ist demnach bei Amphibien zwischen Neuralbogen und Rippe ein dorsal verlagerter Theil des unteren Bogens eingeschaltet. | Bei Gymnophionen besteht eine doppelte Rippenverbindung: die ventrale, welche wir auch als Capitulumverbindung bezeichnen können, betrachtet GÖPPERT als die wesentliche, die dorsale, welche die Rippe mit dem vorderen Gelenkfortsatz eingeht, als eine se- kundüre. Das Capitulum artikulirt an einem einfachen stabför- migen Fortsatz des Neuralbogens. GÖPPERT konnte nachweisen, dass dieser Fortsatz am Sehwanztheil auf die unteren Bógen hinab- rückt, wo er dann einem Basalstumpf durchaus homolog erscheint. Weitere Komplikationen fanden sich nicht. Er schloss daraus, dass die dorsale Verlagerung des Basalstumpfes und der Rippe als ein einfaches Hinübergleiten des Basalstumpfes auf den oberen Bogen aufzufassen ist. Auch bei dem. primitiven Urodelen Menobranchus (s. Textfig. 1) hat der Basalstumpf bereits einen neuen Halt am Neuralbogen ge- Fig. 1. Menobranchus lateralis. Larve. 43 mm. Dritter Rumpfwirbel. Flachenprojektion 60:1. Z Ligamen; zwischen der dorsalen Rippenspange (r) und der knöchernen Verbreiterung K' des Rippenträgers. Sonstige Bezeichnungen siehe am Schluss der Arbeit. Nach Görrerr (XII). wonnen. Der Unterschied gegen die Gymnophionen liegt aber darin, dass er den Halt am Wirbelkórper nieht zugleich aufgegeben hat, Der Basalstumpf gleitet hier nicht wie bei Gymnophionen als ein Ganzes auf den oberen Bogen hinauf, sondern entsendet eine dor- 6 G. Schöne sale Spange, welche sich dem Neuralbogen anlegt und an ihm dor- salwiirts emporschiebt. Mit dieser dorsalen Spange des Basalstumpfes verbindet sich auch diejenige der Rippe. Die dorsale Basalstumpf- spange entspringt nun nicht an der Stelle, wo der den Basalstumpf darstellende Knorpelstab der Elastica chordae aufsitzt, sondern erst etwa in der Mitte seiner Lange; sie zieht lateral an der dorsal vom Basalstumpf zu beiden Seiten der Wirbelsäule vom Kopf zum Schwanz- ende verlaufenden Arteria vertebralis collateralis vorüber und legt sich erst dann seitlich an den Neuralbogen an. Auf diese Weise kommt die Arteria vertebralis in einen knorpeligen Kanal zu liegen, welcher später verknóchert. Für den ganzen die Verbindung der Rippe mit dem Wirbelkörper und Neuralbogen vermittelnden, aus Fig. 2. mig. aR B RT Salamandra maculosa. Neugeborene Larve. Vierter Rumpfwirbel. Flachenprojektion 60:1. B' dem primitiven Basalstumpf zugehöriges Knorpelstück. Sonstige Bezeichnungen siehe am Schluss der Arbeit. Nach GörPErT (XII). dem Basalstumpf entstehenden Apparat führte GÖPPERT den Namen Rippenträger ein. Es soll an dieser Stelle N werden, dass bei Meno- branchus die primitive Basalstumpfverbindung oder Capitulumverbin- dung” der Rippe ventral zur Arteria vertebralis gelagert ist. Bei Salamandrinen (s. Textfig. 2) findet sich das Septum horizon- tale und damit die Rippe viel weiter dorsal verlagert als bei Meno- branchus. Damit wird der Schwerpunkt der Rippenverbindung immer mehr auf den oberen Bogen verlegt. Die primitive, ventral von der Arteria vertebralis gelegene Basalstumpfverbindung verliert an Be- deutung, wird schwächer und schwächer und schließlich nicht mehr knorpelig, sondern nur noch als feiner Knochenstab angelegt. Es, Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen ete. 7 hat damit die Capitulumverbindung der Rippe eine wesentlich dor- sale Lage der Arteria vertebralis erreicht. Wir sehen also in der Reihe der Urodelen die Capitulumverbin- dung unter Bildung eines Rippentrigers die urspriingliche ventrale Lagerung zur Arteria vertebralis aufgeben und eine neue Befesti- gung am Neuralbogen gewinnen, welche nun dorsal zur Arterie ge- legen ist. Bei Anuren ist die Rippenverbindung eine einfache. Der die Rippe tragende Querfortsatz entspringt vom Neuralbogen und zwar entsprechend der starken dersalen Verlagerung des Septum horizon- tale dem dorsalen Ende des Bogens genähert. Der Versuch, wie bei Gymnophionen am Schwanz einen Ubergang des Querfortsatzes auf den unteren Bogen nachzuweisen und damit, wie bei Gymnophionen den Querfortsatz auf einen dorsal verlagerten Basalstumpf zuriick- zuführen, scheiterte daran, dass die unteren Bogen der Anuren nur rudimentär ausgebildet sind. Die Trennung des Hämalbogenknorpels vom Querfortsatz spricht aber nicht umgekehrt gegen die Deutung dieses Querfortsatzes als Basalstumpf. Denn GÖPPERT konnte eine solche Trennung auch am Schwanz von Menobranchus hier und da nachweisen. GÖPPERT glaubte aber ein neues Kriterium für die Be- urtheilung der Rippenverbindung bei Anuren zu finden in der Lage der Rippe zur Arteria vertebralis, welche bei Anuren und Gymno- phionen wie bei den Urodelen zu beiden Seiten der Wirbelsäule ver- läuft. Er fand sie bei den Anuren (eben so bei den Gymnophionen) dorsal an der Rippe vorüberziehen und führte desshalb die Rippenver- bindung bei Anuren auf die bei Menobranchus ventral von der Arteria vertebralis gelagerte primitive Basalstumpfverbindung zurück, welche nur wie bei Gymnophionen eine dorsale Verlagerung erfahren habe. Es ist bekannt, dass bei Sauriern, Krokodilen, Schildkröten, Vögeln umd Säugethieren Arterien vorkommen, welche ähnlich wie bei Amphibien zu beiden Seiten der ganzen Wirbelsäule oder nur eines Theiles derselben verlaufen und zum Theil als Arteriae verte- brales bezeichnet werden, zum Theil eine derartige Benennung wenig- stens verdienen. Eben so ist bekannt, dass sich in den genannten Thierklassen die Verbindung der Rippen mit der Wirbelsäule bald dorsal, bald ventral von dieser Arterie vollzieht. Es fragt sich nun, ob in den Fallen, wo sich eine Arteria vertebralis dorsal von der - Capitulumverbindung der Rippe findet (Schildkröten, Vögel, Säuge- » thiere, Halsrippen der Krokodile) hierin die alte, bei Menobranchus beobaehtete Lage gewahrt ist; und weiter, ob Zustünde einer dorsal 8 G. Schöne von der Arteria vertebralis sich vollziehenden Rippenverbindung (hintere Rippen der Krokodile, Saurier, Schlangen) eine ähnliche Er- klärung wie bei höheren Urodelen zu erfahren haben, d. h. ob auch bei ihnen die dorsale Lage zur Arteria vertebralis vermittels einer Rippenträgerbildung aus einer ventralen hervorgegangen ist; anderen- falls könnte es sich nur um eine einfache dorsale Verschiebung der Basalstumpfverbindung, wie bei Gymnophionen handeln, in welchem Falle allerdings die Arteria vertebralis eine Umbildung erfahren: haben müsste. Zur Entscheidung dieser Fragen ist es vor Allem nothwendig, die Arteriae vertebrales in den verschiedenen Klassen der höheren Wirbelthiere einer Untersuchung zu unterwerfen und festzustellen, wie weit dieselben als der Arteria vertebralis der Amphibien ho- molog zu betrachten sind. Amphibien. Vergegenwärtigen wir uns zuerst den Ursprung und Verlauf der Arteria vertebralis bei Urodelen, wie er wesentlich durch Hyrtt’s (XX) Untersuchung bekannt geworden ist. Bei Cryptobranchus ent- springt die Arterie beiderseits von der Aortenwurzel dicht vor der. Vereinigung derselben mit der anderseitigen und zwar unterhalb der Carotis und oberhalb der Subclavia, wendet sich beiderseits dorsal- wärts gegen die Gelenkverbindung von Atlas und Hinterhaupt und . theilt sich dort in zwei Aste. Der eine durchbohrt den Atlas, tritt durch den Riickenmarkskanal zur Schädelhöhle und anastomosirt dort mit der Carotis interna. Der andere wendet sich caudalwärts und ist zur Seite der Wirbelsäule bis in die Schwanzgegend zu ver- folgen. Während seines Verlaufes durchbohrt er die Basis des Quer- fortsatzes des zweiten Wirbels und aller folgenden und giebt Zweige zur Wirbelsäule, zum Rückenmark und zur umgebenden Muskulatur. Eben so verhält sich die Arteria vertebralis bei allen Urodelen. Für Proteus und Siren hebt HyRTL besonders hervor, dass die Arteria vertebralis in jedem Segment durch Vermittelung der Intereostal- arterien mit der Aorta anastomosirt. Diese Verbindungen werden bei Menopoma und Cryptobranchus auf wenige Segmente beschränkt; dasselbe fand GÖPPERT auch bei Larven von Salamander und Triton. Nach HYRTL fehlen sie ganz bei ausgewachsenen Salamandrinen. GÖPPERT fasst demgemäß die Arteria vertebralis auf als ein Sammel- gefäß, entstanden aus den Anastomosen der Intereostalarterien; in Vergleichende Untersuchungen iiber die Befestigung der Rippen ete. 9 der Reihe der Urodelen beschränkt sich der Ursprung mehr und mehr auf die Aortenwurzel. Auch bei Anuren (Ecker, VIII) entspringt von jeder der Aorten- wurzeln entweder oberhalb der Subclavia oder gemeinsam mit der- selben ein Gefäß, welches, wie bei Urodelen, zwischen Atlas und Hinterhaupt aufsteigt, einen Ramus oceipitalis abgiebt und sich dann über den Querfortsitzen nach hinten erstreckt. Es liegt dicht an den Gelenkfortsätzen zwischen den Musculi intertransversarii und dem sogenannten Longissimus dorsi und entsendet Zweige zu den Muskeln, dem Riickenmark, zur Haut und Rami intercostales. Regel- mäßig ist eine Anastomose mit der letzten A: lumbalis, einem direkten Ast der Aorta. Nach GÖPPERT ist die Arteria vertebralis der Anuren der der Urodelen homolog und nur mit dem Septum horizontale und der dorsal von ihr gelagerten Rippe dorsal verschoben worden. Die Untersuchung des Verhaltens der Arteria vertebralis der Anuren und Urodelen zu den Wurzeln der Spinalnerven hat mir nun aber er- geben, dass hier Verschiedenheiten vorliegen, welche die Identi- fieirung der beiden Arterien nicht ohne Weiteres gestatten. Bei Uro- delen liegt die Arterie ventral, bei Anuren dorsal vom Spinalganglion, dessen Wurzeln und Zweigen; der Ramus dorsalis zieht bei Anuren an der lateralea Seite der Arterie vorüber. Es ist einleuchtend, dass diese Thatsache die Homologisirung des intervertebralen Abschnittes der beiden Arterien unmöglich macht. Es fragt sich nun, ob es sich wirklich bei Anuren und Urodelen um zwei ganz verschiedene Arterien handelt, d. h. ob bei den Amphibien zwei Arteriae vertebrales ab- wechseln, von denen die eine unabhängig von der anderen dorsal, die andere ventral von den Spinalnerven zur Ausbildung gekommen ist. Gemeinsam bleibt den Arterien der Anuren und Urodelen der Ursprung von der Aortenwurzel; denn den bei vielen Anuren be- obachteten gemeinsamen Ursprung mit der Arteria subelavia darf man wohl kaum als eine wesentliche Verschiedenheit beurtheilen. Übrigens entspringt auch bei Bufo vulgaris die Arteria vertebralis von der Aortenwurzel selbst oberhalb der Arteria subclavia. Weiter ist den Arteriae vertebrales der Anuren und primitiven Urodelen = gemeinsam die dorsale Lage zur Rippenverbindung. Dass bei den Anuren im Gegensatz zu Menobranchus eine er- hebliche dorsale Verlagerung der Rippe und des Septum horizontale stattgefunden hat, ist zweifellos. Stellen wir uns nun vor, wie die in primitiver Weise dorsal von der Rippe gelegene Arteria ` 10 G. Sehöne vertebralis mit Rippe und Septum horizontale allmählich in dorsaler Richtung vorgeschoben wird, so sehen wir, wie nothwendig der intervertebrale Abschnitt der Arterie mit dem Spinalganglion und dessen centralen und peripheren Verbindungen in Konflikt kommt. Zieht man in Betracht, dass die Arterie gerade intervertebral ihre Hauptäste, insbesondere die schräg aufsteigenden Rami spinales und Zweige zu den Intervertebralganglien selbst abgiebt, so liegt es sehr nahe, anzunehmen, dass beim Vorrücken durch das Niveau der Ganglien und Nervenstimme die Kontinuität der Arterie durch Kol- lateralenbildung erhalten blieb, wozu die erwähnten intervertebralen Zweige reichlich Gelegenheit boten. Es würde dann immer noch der über der Rippe gelegene Abschnitt der Arterie das, was uns an ihm interessirt, nämlich die primitive Lage zur Rippe, bewahrt haben. Dass die eben gegebene Darstellung des Vorganges nur den Werth eines sinnfälligen Schemas beanspruchen soll, versteht sich wohl von selbst. Diese Deutung erscheint mir als die wahrscheinliche. Es ist klar, dass damit die Arteria vertebralis als ein variables Gefäß ge- kennzeichnet wird und so von ihrem Werth als Kriterium viel ver- liert, wie das auch bei der bekannten Variabilität der Gefäße im Allgemeinen vielleicht nicht anders erwartet werden durfte. Wenn nun GÖPPERT die dorsale Lage der Arterie zur Rippenverbindung bei Anuren dazu benutzte, um den die Rippe tragenden Fortsatz, ähnlich wie bei Gymnophionen als dorsal verlagerten Basalstumpf zu kennzeichnen, so kann nach dem eben Gesagten diese Deutung zwar nicht mehr als bewiesen aber doch noch als wahrscheinlich gelten. GÖPPERT hatte die Frage dahin gestellt, ob der Rippen tragende Fortsatz der Anuren dem primitiven Basalstumpf des Menobranchus oder der dorsalen Spange desselben zu vergleichen sei. Nehmen wir einmal an, die Verlegung der Rippenbefestigung auf den Neural- bogen wäre auch bei Anuren durch eine dorsale Spangenbildung des Basalstumpfes vermittelt worden. Nach den Erfahrungen bei höheren Urodelen ist nicht einzusehen, warum sich daun die Arteria vertebralis nicht ventral von der neuen Rippenverbindung und den Spinalwurzeln erhalten haben sollte. Statt dessen müsste sich bei Anuren eine neue Arteria vertebralis dorsal von der dorsalen Spange des Rippenträgers gebildet haben, ein Gefäß, für das wir bei Uro- delen keine Andeutung eines Analogons finden. Näher liegt jeden- falls die erste Deutung, dass sich die Arteria vertebralis der Anuren aus derjenigen der Urodelen herausgebildet hat, indem während der Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen ete. 11 dorsalen Verlagerung die Kontinuität an der Stelle der Spinalnerven durch Kollateralen erhalten blieb, und die primitive Lage zum Rippen- ansatz gewahrt wurde, dass es sich demnach auch bei den Anuren um eine einfache dorsale Verlagerung des Basalstumpfes auf den oberen Bogen handelt. Chelonier. Wenden wir uns nun zu denjenigen höheren Formen, bei denen ein der Arteria vertebralis ähnliches Gefäß dorsal von der Rippen- verbindung verläuft. Bei den Schildkröten kommen im Wesentlichen vier Arterien in Betracht, welche Bosanus (IV) in seiner Anatome testudinis europaeae beschreibt, von denen er aber nur eine als Arteria vertebralis bezeichnet. Es handelt sich um die sogenannte Arteria vertebralis communis, die Intercostalis communis descendens, die Intercostalis communis ascendens und die Cervicalis descendens. Nach BoJanus entspringt die Arteria vertebralis communis von dem gegen das Riickenschild aufsteigenden Theile der Arteria axillaris oder subelavia und verläuft ventral von den als Latissimus colli und Scalenus bezeichneten Muskeln neben dem Plexus brachialis dorsal- und kopfwärts. Sie sendet einen Zweig zu den erwähnten Muskeln, wendet sich dann zur Seite des Halses und löst sich pinselförmig in vier Äste auf, welche Boganus als Cerviealis septima, sexta, quinta und quarta bezeichnet. Sie alle verzweigen sich an den mannigfachen Muskeln der Umgebung und schicken durch das siebente resp. sechste, fünfte, vierte Foramen intervertebrale je einen Ramus spinalis zum Rückenmark. Der eine dieser Zweige, die Arteria cervicalis septima, entsendet einen als Cervicalis ascendens bezeichneten Ast, welcher longitudinal am Halse aufsteigend mit der ihm vom Kopf entgegen- kommenden Cervicalis descendens anastomosirt. Diese Arteria cervi- calis descendens ist der Ramus posterior der Carotis externa, aus welcher er in der Fossa temporalis unter dem Musculus temporalis entspringt. Er wendet sich caudalwärts, giebt Zweige zur Musku- latur und durch die ersten vier Foramina intervertebralia zum Rücken- mark und vereinigt sich mit der Cervicalis ascendens etwa in der Mitte des Halses. | Nachdem der Ramus ascendens der Arteria axillaris oder sub- elavia noch eine Cervicalis octava und nona abgegeben hat, welche ebenfalls noeh jede einen Ramus spinalis entsenden, folgt als letzter Seitenast die A. intercost. prima, worauf daun der Stamm des Ramus 12 G. Schöne ascendens der Axillaris sich als A. intercostalis communis descendens fortsetzt. Unter dem ersten Kopfe des Musculus longus colli steigt sie zwischen der ersten und zweiten Rippe dorsalwärts, wendet sich dann nach hinten und verläuft neben den Wirbeln dorsal von den Fig. 3. wee E Testudo graeca, erwachsenes Thier. Rückenschild mit Wirbelsäule (W.s), Rippen (R), Spinalnerven (s) und Arteria vertebralis (Art.vert) von der Ventralseite gesehen. Verlauf der Arteria vertebralis dor- sal von Ripper und Nerven. Gez. von Fräul. I. Schöne. Rippen zwischen Rückenschild und den Resten des M. longissimus dorsi caudalwärts. Sie entsendet Rami musculares, spinales und intercostales. Ihr Ende verbindet sich mit der A. intercostalis re- eurrens, welche aus der A. iliaca entspringt, zwischen neunter und zehnter Rippe gegen das Rückenschild aufsteigt und sich hier in OE aa en Vergleichende Untersuchungen iiber die Befestigung der Rippen ete. 13 einen vorderen und hinteren Ast theilt. Der vordere verbindet sich mit der A. intercostalis communis descendens, der hintere verläuft als A. eoecygea superior caudalwürts und ist bis weit auf den Schwanz zu verfolgen. Wie die A. intercost. descendens geben beide Aste der A. intercost. recurrens Zweige zur Muskulatur, zum Rückenmark und Rami intercostales ab. Diese Beschreibung und die Abbildungen, welche Bosanus von den über Rumpf und Schwanz zu beiden Seiten der Wirbelsäule verlaufenden A. intercostales communes (ascendens, descendens und eoeeygea) giebt, fordern die Vergleichung dieser Arterien mit der A. vertebralis der Amphibien heraus. | Was den Halstheil betrifft, so fehlt in der Beschreibung, welche BoyaNus von den anastomosirenden Cervicales ascendens und descen- dens giebt, eine genaue Schilderung ihrer Lage zur Muskulatur und den Rudimenten der Halsrippen. Ich konnte an einem, freilich nicht in vollkommener Weise injieirten Exemplar von Emys europaea er- kennen, dass der vorderste Theil der A. cervical. descendens aller- dings dorsal von den Rippenrudimenten gelagert war. Es trat aber bei diesem Exemplar die A. cervical. ascendens viel weiter kopf- warts von der Arteria vertebralis communis ab, als es Bosanus be- schrieben hat, so dass an der caudalen Halshälfte von einem hierher gehörigen Gefäße überhaupt nichts zu erkennen war. Daraus ergab sich ein variables Verhalten dieses cervicalen Arterienabschnittes. Wenn man außerdem das pinselfórmige Ausstrahlen des von BOJANUS als A. vertebr. communis bezeichneten Gefäßes gesehen hat, wird man dem aus A. cervical. ascendens und descendens bestehenden Gefäße keinen allzugroßen Werth beimessen, obwohl es sich ungefähr in der alten Bahn der Amphibienvertebralis bewegt. Die Möglichkeit, dass das alte Gefäß verschwunden sei und sich in seiner Bahn eine neue Arterie gebildet habe, liegt allzu nahe. | Dagegen scheint mir das als A. intercostalis communis bezeich- nete Gefäß eher auf die A. vertebralis der Amphibien zurückführ- bar. Allerdings ist der Ursprung nicht derselbe. Die A. verte- bralis der meisten Amphibien entspringt von der Aortenwurzel, die der Schildkröten von der Subclavia und zwar ziemlich weit entfernt von deren Ursprung aus dem Aortenbogen. Ferner müssen wir, wenn wir Intercostalis descendens und Recurrens der Schildkröten zusam- .— menfassen, für dieses Gefäß einen zweiten Ursprung von der A. iliaca zugeben. Nun aber besitzt, wie erwähnt, die A. vertebralis bei primi- tiven Urodelen durch Vermittelung der Intercostalarterien segmentale 14 G. Schine Verbindungen mit der Aorta, welche erst bei höheren Urodelen schwinden; bei Anuren besteht eine derartige Anastomose durch Ver- mittelung der letzten Arteria lumbalis. Diese "Anastomosen sind wohl bei allen primitiven Amphibien vorauszusetzen. Die Ver- bindung der Intereostalis recurrens der Schildkröten und der A. iliaca kann sehr wohl als Resultat starker Ausbildung einer primi- tiven Anastomose dieser Art verstanden werden. Was die Anderung im Verhalten des vorderen Ursprungs betrifft, so muss man sich vor Allem gegenwärtig halten, dass bei Schildkröten das Herz im Gegen- satz zu Amphibien eine starke, caudalwärts gerichtete Verlagerung erfahren hat. Dass sich beim Herabsteigen des Herzens nicht die zwischen Atlas und Hinterhaupt aufsteigende, bei Amphibien beson- ders ausgebildete Verbindung der Aorta mit dem Längsstamm der A. vertebralis erhielt, kann nicht überraschen. Es ist vielmehr leicht zu verstehen, dass in dem Maße, als die bei Amphibien gewóhn- liche Hauptverbindung zu schwinden begann, eine andere der primi- tiven Anastomosen, nämlich eine zwischen den Capitulis der ersten und zweiten Rippe durchtretende sich stärker ausbildete und schließ- lich gemeinsam mit der Anastomose zwischen Intercostalis recurrens und Iliaca die Hauptrolle bei der Blutversorgung des alten Arterien- stammes übernahm. Dass die vordere Anastomose nun nicht direkt mit der Aorta stattfindet, kann nicht Wunder nehmen, denn schon bei vielen Anuren beschränkt sich die Hauptverbindung der A. verte- bralis mit der Aorta nicht allein auf diese, sondern geht auch hier auf die Subelavia über; es sind also schon bei Amphibien die Ana- stomosen des Längsstammes der A. vertebralis nicht auf die Aorta beschränkt. Ich glaube daher sagen zu dürfen, dass die Ursprungs- verhältnisse nicht entscheidend gegen die Zurückführung des ge- schilderten Arterienstammes der Schildkröten auf den der Amphibien ins Gewicht fallen. Fragen wir weiter, ob sich die Schildkröten im Hinblick auf ihre A. vertebralis näher an eine bestimmte Amphibienklasse an- schließen lassen, so bedarf es zunächst einer Untersuchung der Lage der Art. intercostalis der Schildkröten zu den austretenden Spinal- nerven. Die Präparation ergab, dass dieselbe bei Testudo graeca und Emys europaea nicht nur dorsal von der Rippe, sondern auch dorsal von dem ventralen Hauptast des Spinalganglions liegt (siehe Textfiz. 3). Das Verhalten zum Ramus dorsalis wird dadureh undeut- lich, dass die Arterie gegen denselben im Vergleich zu Anuren er- heblich lateral verschoben ist. Im Wesentlichen dieselbe Lage zu Vergleichende Untersuchungen iiber die Befestigung der Rippen etc. 15 den Spinalnerven wie zu den Rippen hatten wir oben bei Anuren geschildert, deren Verwandtschaft mit den Schildkröten ja bereits vielfach behauptet worden ist. Nach der Beschreibung, welche Bosanus von der A. intercostalis communis der Schildkröten giebt, scheint sich nun aber schließ- lich die Lage der Arterie zur Muskulatur der Vergleichung mit der Anurenarterie zu widersetzen. Bei Anuren liegt die Arterie zwischen den Musculi intertransversarii und dem M. longissimus eingebettet, eher noch zwischen den Fasern der Intertransversarii als zwischen denen des Longissimus. BoJanus erklärt aber, die Arterie liege bei der Schildkröte »sub ipsa testa«, zwischen Schild und dem Longis- simus dorsi. Zuvörderst ist hervorzuheben, dass der Longissimus dorsi bei Sehildkröten überhaupt nur eine schwache, fast funktionslose Muskelmasse ist, dass also bei Schildkröten die Rückbildung des Longissimus dorsi noch erheblich weiter fortgeschritten ist als bei den Anuren. Diese Rückbildung erfolgt in verstärktem Maße am caudalen Rumpftheil. Dass aus der Lage der Arterie zu einem der- artig rudimentären Muskel nur mit besonderer Vorsicht Schlüsse ge- zogen werden dürfen, ist einleuchtend. Zudem kann ich die Angaben von Bosanus dahin ergänzen, dass die Arterie bei Emys europaea mehr am lateralen Rande des Muskels als zwischen ihm und dem Sehilde zu verlaufen scheint; die ventrale Seite der Arterie wird eigentlich nur an den Stellen von dem Muskel bedeckt, wo dieser sich an die Rippe anheftet. Außerdem konnte ich unter dem Prä- parirmikroskop zwischen Schild und Arterie eine zwar dünne, aber deutliche Schicht von längsverlaufenden, quergestreiften Muskelfasern erkennen. Die Arterie liegt also genau genommen nicht zwischen Schild und Muskel, sondern innerhalb des Muskels selbst. Da nun der Longissimus dorsi der Schildkröten augenscheinlich nicht nur den M. longissimus der Anuren repräsentirt, sondern auch deren Intertransversarii, so scheint mir auch die Lage der Schildkröten- arterie inmitten der verkümmerten dorsalen Muskulatur wohl überein- zustimmen mit der Einbettung der Anurenarterie zwischen die bei ^. ihnen erhaltenen beiden Portionen der dorsalen Muskulatur, die M. intertransversarii und den M. longissimus. Es wird damit die Móg- lichkeit der Vergieichung der Schildkrötenarterie mit einer A. cutanea der Amphibien ausgeschlossen. Auch die Vergleichung der Lage der in Betracht} kommenden Arterien zur Muskulatur spricht also für ihre Homologie. Die weitere Frage, ob auch die Rippenbefestigung bei Schild- 16 G. Schöne kröten an Zustände bei Anuren erinnert, ist bereits von anderer Seite, insbesondere von GEGENBAUR in seinem Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, bejaht worden. Exquisit einköpfige Rippen sind beiden Thierklassen gemeinsam. Die Verschiebung der Schildkrötenrippe auf den intervertebralen Abschnitt ist das einzige wesentlich Neue, aber nicht überraschend, da derselbe Vorgang am unteren Bogensystem wiederholt beobachtet wird. Auch beschränkt sich die Verschiebung nicht auf die Rippe, sondern betrifft eben so den ganzen Neuralbogen; da die Rippe also ihre alte Befestigung am Neuralbogen nicht aufgiebt, interessirt uns diese Besonderheit hier wenig; zum Überfluss finden sich die Rippenrudimente am Halse mit ihren Neuralbögen wieder in der gewöhnlichen Lage, worin ein primitiver Zustand erhalten ist. Die Rippe wird getragen von einem Querfortsatz, der bekannt- lich dem Wirbelbogen gegenüber keinerlei Selbständigkeit bewahrt, sondern als ein einfacher Fortsatz desselben erscheint, wovon auch ich mich an einer Serie durch Rücken- und Schwanzwirbel einer jungen Schildkröte überzeugen konnte. Die Hoffnung, auch bei Schildkröten ähnlich wie bei Gymnophionen den rippentragenden Fortsatz am Schwanz im Zusammenhang mit unteren Bögen zu finden und so als Basalstumpf kennzeichnen zu können, ging wie bei den Anuren nicht in Erfüllung. Rudimente der unteren Bögen konnte ich zwar am Schwanz erkennen, aber sie sind am interverte- bralen Abschnitt angeheftet, während die Querfortsätze mit den Neuralbögen wieder auf. einen Wirbel beschränkt sind. Allerdings rückt der Fortsatz, wie auch HorFMANN (XIX) sah, am Schwanz tiefer und tiefer gegen den Wirbelkörper; den Zusammenschluss mit dem unteren Bogen erreichte er aber an dem von mir mikroskopisch untersuchten Exemplare nicht, bei welchem freilich die Verknöche- rung schon weit vorgeschritten war. Lässt man den oben geführten Wahrscheinlichkeitsbeweis für die Beurteilung des rippentragenden Fortsatzes der Anuren als eines dorsal verlagerten Basalstumpfes gelten, so wird man auch derselben Deutung bei Schildkröten nicht widersprechen. Es wäre freilich falsch, die A. vertebralis als ein Kriterium für die Beurtheilung der Schildkrétenrippe zu benutzen. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass in ihrer charakteristischen Lagerung zur Rippe, zu den Spinalnerven und zur Muskulatur ein Zustand gegeben ist, welcher wesentliche Abweichungen von den Verhältnissen bei den Anuren nicht erkennen lässt und mit der von anderer Seite angeregten Vergleichung von Anuren- und Schildkrötenrippe im Einklange steht. \ Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen ete. 17 Krokodile. Eine dorsal zur Capitulumverbindung der Rippe gelegene A. vertebralis finden wir außer bei Schildkröten auch am Halse der Krokodile, doch treten bei diesen Komplikationen ein, indem am Rumpfe das Capitulum eine dorsale Lage zur A. vertebralis erreicht. Um den Verlauf der A. vertebralis von vorn herein richtig auf- fassen zu können, müssen wir uns erinnern, dass auch das Herz . der Krokodile tief herabgerückt ist, derart, dass die vordersten Theile der: Aortenbögen etwa in der Höhe des sechsten Rumpf- wirbels liegen und die beiden Aortenwurzeln sich erst unter dem zehnten, selten sogar erst unter dem elften Brustwirbel vereinigen (RATHKE, XXIV). Folgen wir nun der Beschreibung, welche RATHKE auf Grund ausgedehnter Untersuchungen von einem als Arteria vertebralis bezeichneten Gefäße giebt, so sehen wir dieses von der A. subelavia entspringen, kurz ehe sie die Rumpfhöhle verlässt. Vorher hatte die A. subelavia nur einen in der Bahn der A. mam- maria interna verlaufenden Ast abgegeben. Die A. vertebralis geht schräg über die innere Seite der dritten Brustrippe hinweg, steigt im — dritten Spatium intercostale dorsalwärts und theilt sich neben der Wirbelsäule in zwei Äste, von denen der eine sich gegen den Kopf, der andere gegen den Schwanz wendet. Der erste läuft neben der Wirbelsäule, zwischen Capitulum und Tuberculum der drei vordersten Brustrippen und der sechs hinteren Halsrippen hindurch, wird im proximalen Theile des Halses sehr dünn und endet in Halsmuskeln, ohne sich in die Schädelhöhle fortzusetzen. Der hintere Zweig der A. vertebralis dringt zwischen Capitulum und Tubereulum der vierten Brustrippe hindurch, läuft dann neben dem Körper des fünften bis neunten Brustwirbels vorüber und liegt ventral von den Querfort- sätzen, an welchen die Rippen hier ihren einzigen Halt finden. Schließlich geht er dicht hinter der Vereinigungsstelle der Aorten- wurzel in den Stamm der Aorta über. Dieser hintere Ast entsendet die dritte bis neunte A. intercostalis; die folgenden A. intercostales entspringen aus dem Stamm der Aorta. Auch der vordere Ast ent- . sendet einige A. intercostales, im Übrigen geben beide Äste A. spinales ab. Ich selbst hatte Gelegenheit, einen jungen Alligator lucius zu injieiren und präpariren und außerdem einen Embryo von Crocodilus biporeatus zu untersuchen, dessen Skelet auf der Höhe der knor- peligen Ausbildung stand. Ich kann die Beschreibung RATHKE'S im Großen und Ganzen bestätigen (s. Textfig. 4 und 5) und hinzufügen, Morpholog. Jahrbuch. 31. 9 18 G. Schöne dass die A. vertebralis bei dem Embryo, wie bei dem jungen Alli- gator in ihrer ganzen Länge ventral von den Spinalganglien, deren centralen und peripheren Verbindungen gelegen ist. Versuchen wir den Vergleich dieser Arterie mit der A. vertebralis Fig. 4. Ao.a-— --Rippe Ty en : PA | Art.intercost. Allgiator lucius. Schema des Ursprungs und Ver- laufs der Arteria vertebralis nach einem Praparat des Zoolog. Instituts zu Heidelberg. Ursprung der Art. vertebralis aus der Art. subclavia (A.s); Theilung in einen aufsteigenden (Art.vert.a) und in einen absteigenden (Art.vert.d) Ast. Ana- stomose des absteigenden Astes mit der Aorta des- cendens (Ao.d), Ursprung der Intercostalarterien (Art.intercost) aus der Aorta und der Arteria verte- bralis. Gez. von Fräul. I. SCHÖNE. der Amphibien, so wird uns der Ursprung aus den bei Bespre- chung der Schildkröten ange- führten Gründen keine wesent- lichen Sehwierigkeiten bereiten. Das Herz der Krokodile ist ja wie bei den Schildkróten sehr erheblich in eaudaler Richtung verlagert und wir dürfen hierin wohl den Anlass für die Rück- bildung der bei Amphibien zwi- sehen Atlas und Hinterhaupt durchtretenden Verbindung des Längsstammes der Arteria ver- tebralis mit der Aorta erkennen. Es ist nicht einmal mit Sicher- heit zu sagen, ob ein derartiger Verlauf der Hauptanastomose überhaupt bei den Vorfahren der Krokodile vorauszusetzen ist. Jedenfalls erklart sich, wie bei Sehildkróten, die Verbin- dung des Längsstammes mit der A. 'subelavia und der Aorta descendens aus der Ausbildung primitiver durch Intercostal- arterien vermittelter Verbin- dungen. Bei Krokodilen liegt ein deutlicher Hinweis auf diese Art der Verbindung in der Art und Weise, wie A. vertebralis und Aorta descendens sich in der Abgabe der Intereostalarterien abwechseln (siehe Textfig. 4). Führen wir nun den Vergleich zwischen Krokodilen und Am- phibien weiter durch, so werden wir von vorn herein geneigt sein, die Krokodile zu den primitiveren Formen der Amphibien in Be- Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen etc. 19 ziehung zu bringen. Im vorliegenden Fall veranlasst uns auch die Lage der Vertebralarterie ventral von den Wurzeln der Spinalnerven, von den Anuren abzusehen und den Vergleich auf die primitiven Urodelen zu beschränken. Es kann wohl ohne Weiteres zugegeben werden, dass im Bereich der Halswirbel und der vorderen Brust- -wirbel der Krokodile, sowohl hinsichtlich der Rippenanheftung als ` der Lage der A. vertebralis ein primitiver Zustand erhalten ist. An allen diesen Wirbeln finden wir eine doppelte Rippenverbindung; die ventrale bezeichnen wir als die durch das Capitulum, die dorsale als die durch das Tubereulum vermittelte. Nach den Erfahrungen _Art.vert. Matpartobr: Alligator lucius, erwachsenes Thier. Anfangstheil der Brustwirbelsaule mit Rippen und schematisch eingezeichneter Art. vert. Im Bereich der vorderen Wirbel (W) liegt die Art. vert. dorsal, im Be- reich der hinteren ventral von der ventralen „Rippenspange (v.R). Gez. von Fräul. I. SCHÖNE. i J vR. bei Amphibien, wo wir eine sekundäre dorsale Rippenspange in vielfach wechselnder Weise den dorsalen Theilen des Wirbels an- geschlossen fanden, werden wir auch die dorsale Tuberculumver- bindung der Crocodilierrippe nicht als Hinweis auf eine doppelte Anlage der Rippe im Sinne DoLLO’s auffassen. In der ventralen Capitulumverbindung dagegen erkennen wir die primitive Basal- stumpfverbindung der Selachier und Amphibien wieder. Charakte- ristisch ist die Anheftung tief unten am Wirbelkörper im Be- reich der vordersten Halswirbel. An den hinteren Brustwirbeln befestigt sich das Capitulum der Rippe an einem kurzen Fortsatz 2* 20 | G. Schöne des Processus transversus des oberen Bogens, worauf ich gleich zurückkommen ‚werde. Der große Querfortsatz enthält also hinten zwei Tubereulum und Capitulum stützende Komponenten, die auch am Thorax noch überall deutlich gesondert sind. Eine deutliche Scheidung derselben am Sacralwirbel oder am Schwanz und etwa einen Zusammenhang der unteren Komponente mit unteren Bogen des Schwanzes konnte ich weder an Skeleten größerer Thiere noch an dem Embryo von Crocodilus biporcatus nachweisen. Es lässt sich also nicht beweisen, dass der Basalstumpf die Rippe auf ihrer Wanderung begleitet hat. Jedenfalls hat er seine Selbständigkeit gegenüber dem Wirbel aufgegeben. Trotzdem wird es gerecht- fertigt sein, die Capitulumverbindung am Hals und vorderen Brust- theil der primitiven Basalstumpfverbindung der Selachier und pri- mitiven Urodelen zu homologisiren. Eben so werden wir darin, dass die Capitulumverbindung sich ventral von der A. vertebralis voll- zieht, ein Erbstück von den Amphibienzuständen her erkennen. Die Schwierigkeiten, auf welche ich Anfangs hinwies, entstehen erst im Bereich der hinteren Brustwirbel durch die hier eintretende Verschiebung des Capitulum gegen die Arteria vertebralis. Die Ver- gleichung der Rippenbefestigung am vierten und fünften Brustwirbel ergiebt ohne Weiteres, dass es sich um eine Verlegung der Capi- tulumverbindung auf den vom oberen Bogen ausgehenden Querfort satz handelt, und dass hier nicht etwa die Capitulumverbindung verloren gegangen und eine dritte neue Rippenanheftung dazu ge- kommen ist. Schon an den ersten Brustwirbeln wird der Sprung des Capitulums über die A. vertebralis langsam vorbereitet, indem es sich mit seinem besonderen dem Wirbel angehörigen kurzen Querfortsatz am Wirbelkörper allmählich in dorsaler Richtung vor- schiebt. Zwischen dem vierten und fünften Brustwirbel aber erfolgt ein Sprung, welcher deutlich wird, wenn man die Niveaudiffe- renzen je zweier Capitula an vorangehenden und folgenden Wir- beln zum Vergleich heranzieht. Am vierten Brustwirbel sitzt das Capitulum etwa in der Mitte des Wirbelkérpers. Am fünften ruht es bereits auf einem mit der Wurzel des großen Querfortsatzes in Verbindung stehenden kurzen Höcker. Nachdem es so die Arteria vertebralis übersprungen hat, schiebt es sich an den fol- genden Wirbeln allmählich am vorderen Rande des großen Quer- fortsatzes in lateraler Richtung entlang. An den letzten Wirbeln, die noch Rippen tragen, erreicht es die Spitze des Querfortsatzes. Überall sind Tuberculum- und Capitulumverbindung noch deutlich zu unter- n. — MA Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen ete. 21 scheiden. Uns interessirt hier Folgendes: Bis zur vierten Brustrippe liegt die A. vertebralis dorsal vom Capitulum costae, von der fünften ab ventral von demselben. Wie hat sich die Wanderung des Capi- tulums durch das Niveau der Arterie hindurch vollzogen? = Mir scheint, es giebt nur zwei Möglichkeiten. Entweder glitt das Capitulum ähnlich wie bei Gymnophionen und Anuren einfach auf den Neuralbogen, wobei dann die A. vertebralis nicht wie bei den genannten Formen mit verlagert wurde, sondern sich, während das Capitulum ihr Niveau passirte, ventral von ihm durch Ausbildung bestehender collateraler Zweige in ihrer alten Bahn erhielt. Die andere Möglichkeit ist die, dass das Capitulum mit einer Rippen- trägerbildung, ähnlich wie bei Urodelen, über die Arterie hinweg- wanderte und diese ungestört an der alten Stelle ließ. Trotz genauer Untersuchung konnte ich keine Spuren einer der- artigen Rippenträgerbildung finden, weder an den mir zur Verfügung stehenden Skeleten noch an dem Embryo von Crocodilus biporeatus. Mir erscheint daher die erste Deutung weit wahrscheinlicher. Dass bei Anuren und Gymnophionen die Arterie in gleicher Richtung wie die Rippe verlagert wurde, bei den Krokodilen aber an Ort und Stelle liegen blieb, erklärt sich vielleicht daraus, dass die beiden Vorgänge ihrem Wesen nach verschieden sind. Bei Anuren und Gymnophionen ist die dorsale Verlagerung der Rippe eine Theilerscheinung der dorsalen Verschiebung des Septum horizontale, welche selbst wieder durch die oben erwähnten Ver- änderungen der Muskulatur bedingt wird. Es geht hier nicht die Rippe in der dorsal gerichteten Wanderung voran, alles Andere, z. B. auch die A. vertebralis, vor sich herschiebend. Es ist nicht das Empor- rücken der Arterie eine Folge der Wanderung der Rippe, sondern wie diese eine Theilerscheinung der Verschiebung des Septum horizontale. Bei Krokodilen dagegen ist, wie es scheint, die Wanderung des Capi- tulums auf den Querfortsatz des Neuralbogens nicht als Folge einer _ Lageveründerung des Septum horizontale zu verstehen. Wie erwähnt, ist diese Verschiebung des Capitulums nicht durchweg eine allmäh- liche, vielmehr liegt zwischen dem vierten und fünften Brustwirbel ein Sprung. Wäre nun die Verlagerung des Capitulums nur eine Folge von Veränderungen in der Muskulatur ähnlich wie bei Am- phibien, so müsste sich im Bereich dieser beiden Wirbel auch an der Muskulatur eine sehr ausgesprochene Veränderung zeigen; dies ist aber nicht der Fall. Auch für die weitere Verschiebung des Capitulums, in der Richtung gegen die Spitze des Querfortsatzes, 22 G. Schöne habe ich eine Erklärung im Verhalten der Muskulatur nicht gefunden. Ein wichtiger Unterschied gegen die Vorgänge bei Amphibien ist, dass nicht die ganze Rippe, sondern wesentlich das Capitulum ver- lagert wird, während die Rippenspange vor Allem eine stärkere laterale Ausbiegung erfährt. Vielleicht ist das treibende Moment des Vorganges bei den Krokodilen in einer stärkeren Ausdehnung der Leibeshöhle zu suchen, welche wieder die Folge der mächtigen Ent- faltung der Lunge sein kann. Der wesentliche Unterschied dieses Vorganges gegen denjenigen bei den Amphibien wäre der, dass bei den Krokodilen das treibende Moment die proximalen Theile der Rippe beeinflusst hätte, ohne eine direkte Wirkung auf die Weich- theile der nächsten Umgebung des Wirbels auszuüben, während bei den Amphibien dieses treibende Moment Rippe und Weichtheile gleichmäßig beeinflusste. So würde sich erklären, dass bei Anuren ete. die Arteria verte- bralis in gleicher Riehtung wie die Rippe verschoben wurde, wäh- rend sie bei Krokodilen an Ort und Stelle blieb. Am Halse aber sind primitive Zustände erhalten. Vögel. Die Art und Weise der Anheftung der Vogelrippe am Wirbel entspricht etwa derjenigen am Hals und vorderen Brusttheil der Krokodile. Wie dort ist bei den Vögeln eine ventrale Capitulum- verbindung von einer durch ein Tuberculum vermittelten dorsalen zu unterscheiden. Nur artikulirt das Capitulum ziemlich hoch am Wirbelkörper ähnlich wie bei Sáugethieren. Zum Unterschied gegen diese bleibt die Rippenverbindung auf einen Wirbel beschränkt. Am Wirbelkörper ist ein deutlicher Fortsatz als Träger des Capi- tulums ausgebildet. Am Halse finden sich vom dritten Halswirbel an regelmäßig an ihren Spitzen mit den Querfortsätzen verschmolzene rudimentüre Rippen, so dass also zu beiden Seiten der Hals- und Brustwirbelsäule je ein von Rippenhälsen und Querfortsätzen be- grenzter Canalis transversarius besteht. In diesem liegt die Arteria vertebralis, welche, wie schon RATHKE hervorhob, große Ähnlichkeit mit derjenigen der Krokodile zeigt. Folgen wir einer von Gapow (IX) gegebenen Beschreibung dieser Arterie. Sie entspringt meist aus der Carotis communis, d. h. nicht aus dem den N. vagus begleitenden Ge- fäße, sondern aus der hinter der Speiseröhre an der Ventralfläche der Halswirbel zum Kopfe aufsteigenden Arterie, welche im Allgemeinen Vergleichende Untersuchungen iiber die Befestigung der Rippen ete. 23 als Carotis communis bezeichnet wird. In denjenigen Fallen aber, wo nur die linke Carotis ausgebildet ist, entspringt die Arterie aus dem Truncus brachiocephalicus dexter an der Stelle, wo sonst die Carotis abgehen würde. Die Arterie wendet sich sofort dorsalwärts und dringt in den durch Capitula und Querfortsätze begrenzten Canalis trans- versarius ein. Vorher giebt sie eine A. cervicalis ascendens und eine A. cervicalis transversa an die Muskeln des Halses und der Schulter. Im Canalis transversarius theilt sich die Arterie in einen aufstei- genden und einen absteigenden Ast. Dieser, die Arteria vertebralis . descendens, verläuft im Canalis transversarius bis zum fünften oder sechsten Brustwirbel und sendet Zweige zum Rückenmark und zur subcostalen Muskulatur. Bemerkenswerth ist, dass diese Muskel- zweige mit den Intercostalarterien aus der Aorta anastomosiren. Gapow erwähnt im Verlauf seiner Beschreibung, dass FILHOL bei einem Aptenodytes Pennanti den Ramus descendens der Art. vertebralis, welcher auch A. intercostalis suprema genannt wird, mit einem starken Stamm nicht aus der Arteria vertebralis, sondern aus der A. eruralis entspringen sah. Der Ramus ascendens ist bedeutend stärker; er steigt im Canalis transversarius zum Kopfe auf, schickt zwischen Atlas und Hinter- haupt einen starken Ast zum Ramus profundus der Arteria occipitalis, einem Zweige der Carotis und tritt nur als ein schwaches Gefäß durch das Foramen magnum in die Schädelhöhle, wo er sieh mit der A. cerebralis verbindet, ohne an der Bildung der A. basilaris Theil zu nehmen. Während ihres Verlaufes durch den Canalis trans- versarius giebt die Arterie für jeden Wirbel je einen dorsalen und ventralen Zweig ab, die Wirbelkörper, Rückenmark und Muskeln versorgen und gelegentlich mit der Carotis communis anastomosiren. Dieser Beschreibung füge ich als Ergebnis der Präparation hinzu, dass die A. vertebralis bei Phasanus Gallus und somit wohl bei allen Vögeln ventral von den Wurzeln der Spinalnerven liegt. Ich glaube, dass wir berechtigt sind auch die A. vertebralis der Vögel auf die der Amphibien zurückzuführen. Wie bei Schildkröten und Krokodilen wird uns der Ursprung nieht beirren. ‚Ob Gapow Recht hat, wenn er meint, der Ur- sprung der A. vertebralis aus dem Truncus brachiocephalieus im Falle des Fehlens einer Carotis weise auf einen früheren Ursprung . unserer Arterie aus der Subclavia hin, lasse ich dahingestellt. Wohl aber scheint mir die Verbindung des Längsstammes der A. verte- bralis, sei es mit der Carotis, sei es mit der A. subelavia, ähnlich 24 G. Schöne zu beurtheilen wie bei Schildkröten und Krokodilen. Nur ist es vielleicht nieht nöthig, auf die primitiven Anastomosen der Amphibien- arterie zurückzugreifen, um den Ursprung aus der Carotis zu er- klären; es kann sich sehr wohl um die Ausbildung von sekundären Verbindungen zwischen beiden Gefäßen handeln. In dem Ursprung des Ramus descendens, nicht aus der Arteria vertebralis, sondern aus der A. eruralis (FILHOL), dürfen wir wohl ein Analogon des Ursprungs der Intercostalis recurrens der Schildkröten und der Verbindung der A. vertebralis mit der Aorta descendens bei Krokodilen erkennen und hier dieselbe Erklärung wie dort geben, um so mehr, als auch bei Vögeln die Arteria vertebralis noch vielfach durch Vermittelung der Intercostalarterien mit der Aorta in Verbindung steht. Bei dem von mir präparirten Phasanus hatte sogar der Brusttheil der Arteria vertebralis deutlich den Charakter eines aus den Anastomosen der Intercostalarterien entstandenen Sam- melgefäßes. | ^ Über die Capitulumverbindung der Rippe bei Vógeln habe ich eigene Untersuchungen nicht anstellen kónnen. Es erscheint mir aber naeh dem bei Krokodilen Gesagten von vorn herein erlaubt, sie auf die primitive Basalstumpfverbindung der niederen Urodelen und Selachier zu beziehen. | Wir kommen also zu dem Schluss, dass auch bei Vögeln Arterie und Rippe die primitive Lage zu einander bewahrt haben. Säugethiere. Den gewöhnlichen Verlauf und Ursprung der Arteria vertebralis sowie den Modus der Rippenbefestigung bei Säugethieren kann ich als bekannt voraussetzen, wesentliche Abweichungen von dem Ver- halten beim Menschen sind mir nicht bekannt geworden. Es genügt hervorzuheben, dass die Arterie auch bei Säugethieren ventral von den Spinalnerven liegt. Die bei Cetaceen und Monotremen beobach- | tete einfache Verbindung eines Theiles der Rippen darf sehr wahr- scheinlich als sekundär betrachtet werden. Ob die Arteria verte- bralis wie beim Menschen in das Foramen intervertebrale des sechsten - oder wie bei Monotremen schon in das des siebenten eindringt (HOCHSTETTER, XVIII), interessirt wenig hinsichtlich des Vergleichs des Längsstammes der Arterie mit dem niederer Formen; wir haben Ja bereits vielfach gesehen, dass die Verbindungen der A. vertebralis collateralis mit der Aorta oder deren Hauptzweigen sehr variable Vergleichende Untersuchungen iiber die Befestigung der Rippen etc. 25 sind. Immerhin zeigen die höheren Wirbelthiere in dem regelmäßigen Ursprung der Arterie aus der A. subelavia (ein Ursprung, der ja nach Gapow vielleicht auch bei Vögeln als der ursprüngliche anzu- sehen ist) eine bemerkenswerthe Übereinstimmung. Dass auch die Arteria vertebralis der Säugethiere mit derjenigen der Amphibien in Verbindung gebracht werden kann, bedarf nach Allem was in den vorhergehenden Abschnitten gesagt wurde, kaum der näheren Be- sründung. Es könnte aber gegen die Vergleiehung der A. verte- bralis der Säuger mit der niederer Formen eingewendet werden, dass wir hier zum ersten Mal auf ein Gefäß treffen, welches sieh auf den Halstheil der Wirbelsäule beschränkt. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Denn es finden sich meines Erachtens Anhalts- punkte dafür, dass auch bei den Vorfahren der Säugethiere ein Ramus descendens der A. vertebralis, eine neben der Brustwirbel- säule verlaufende A. vertebralis vorauszusetzen ist. Während die Monotremen in diesem Falle keinen Aufschluss zu geben scheinen, bietet Mustela martes einen Befund, der mir von großer Bedeutung für unsere Frage erscheint. Bamgkow (II) beschreibt bei diesem Thier ein von der Aorta thoracica entspringendes 1!/, Linien langes Gefäß, welches sich sogleich in zwei Aste theilt, die nun sofort nach rechts und links aus einander streben und sich beiderseits symmetrisch verhalten. Jeder dieser Áste tritt zwischen der sechsten und siebenten Rippe in den von den Colla costarum und den Proces- sus transversi gebildeten Kanal. In diesem Canalis transversarius steigt die Arterie gegen den Kopf auf, entsendet die sechste bis zweite A. intercostalis (die erste war schlecht injicirt und nicht zu präpariren) und verbindet sich mit der in der gewöhnlichen Weise am Halse verlaufenden Arteria vertebralis.» Als Besonderheit be- schreibt Barkow, dass diese Arterie, welche er Arteria vertebralis dorsalis nennt, nicht vor den Querfortsätzen der Wirbel verläuft, sondern dieselben durchbohrt. Da er selbst angiebt, dass an mehre- ren Wirbeln der knöcherne Abschluss an der ventralen Seite der Arterie nieht vollstàndig war, so dürfen wir mit Wahrscheinlich- keit vermuthen, dass es sich nicht um eine Durchbohrung des Querfortsatzes, sondern um eine partielle Verknöcherung von Bändern handelt, wahrscheinlich der Ligamenta colli costae media; eine Be- sonderheit, die fiir unsere Fragen eine wesentliche Bedeutung kaum ‚beanspruchen kann. Von Interesse ist aber der Ursprung der auf die A. vertebralis dorsalis folgenden Intercostalarterien, welche von der Aorta ent- 26 G. Schöne springen. »Arteriae intercostales ceterae (im Gegensatz zu den aus der A. vertebralis dorsalis entspringenden) more solito oriuntur; pri- mae tamen quae originem trunci communis arteriarum vertebralium thoracicarum sequuntur, proxime sibi appositae sunt, ut arteriae laterum diversorum trunco brevissimo communi oriri videantur.« Aus dieser Beschreibung scheint mir hervorzugehen, dass die Ver- bindung des Liingsstammes der Arteria vertebralis thoracica mit der Aorta durch eine A. intercostalis vermittelt wurde, welche an der Stelle des Ursprungs aus der Aorta ein kurzes Stämmchen mit der A. intereostalis der anderen Seite gemeinsam hatte. Leider hat Barkow die Lage der Arterie zu den Wurzeln der Spinalnerven nicht untersucht. Ich selbst hatte nieht Gelegenheit ein Exemplar von Mustela zu präpariren. | Möglicherweise handelt es sich bei dem von Barkow unter- suchten Exemplar nur um eine Varietät. Ich glaube aus seiner Be- schreibung zu ersehen, dass er nicht mehr als ein Exemplar präparirt hat: bei einer Beschreibung der Arterien von Mustela putorius er- wähnt er eine Arteria thoracica dorsalis nicht. Allerdings stammt diese aus dem Jahre 1829, während Barkow den Mustela martes im Jahre 1843 beschrieben hat. In jedem Falle glaube ich, dass das Vorkommen einer derartigen Arteria vertebralis dorsalis als Hinweis auf einen primitiven Zustand angesehen werden darf. Es ist hier eine Arterie ausgebildet, die in allen wesentlichen Punkten dem Ramus descendens der A. vertebralis der Krokodile entspricht, sich ähnlich wie dieser mit der Aorta in die Abgabe der Intercostales theilt und in einer ganz primitiven Weise vermittels einer Inter- costalarterie aus der Aorta Blut erhält. Dass ich desshalb die Ar- teria vertebralis dorsalis von Mustela martes nicht direkt auf die Krokodilarterie beziehen will, ist wohl selbstverständlich. Auch beim Menschen ist eine Fortsetzung der Arteria vertebralis auf die Brustwirbelsäule wiederholt beschrieben worden. QuAarw (XXII) beschreibt und bildet folgende Varietät des Ur- sprungs und Verlaufs der A. intercostalis suprema ab: »The left intervertebral enters the last cervical vertebra on the right side; the superior intercostal artery is derived from the vertebral and passes downwards into the thorax through the foramen in the transverse process of the seventh cervical vertebra and afterwards between the necks of the ribs and the corresponding transverse processes of the dorsal vertebrae. It will be observed that the superior intercostal Vergleichénde Untersuchungen iiber die Befestigung der Rippen etc. 27 artery of the other side descends also between the ribs and the processes of the vertebrae; and that the first aortic intercostal branch occupies a similar position in reference to the bones.« Ich füge hinzu, dass in der Abbildung die rechte A. vertebralis die erste, zweite und dritte A. intercostalis abgiebt, dass die erste A. intercostalis, . welche von der Aorta kommt, zwischen Rippe und Proc. transversus des fünften Brustwirbels kopfwärts aufsteigt und die vierte, fünfte und sechste A. intercostalis abgiebt. Ob hinter der vierten Rippe die A. intercostalis suprema (oder vertebralis descendens) und die aus der Aorta kommende aufsteigende Intercostalis mit einander anasto- mosiren, geht weder aus dem Bild noch aus der Beschreibung mit Sicherheit hervor. Derselbe Verlauf ist nach HENLE (XVII) mehrfach beobachtet worden. Es liegt nahe, auch diese Varietät auf ein bei den Vor- fahren der Säugethiere vorauszusetzendes regelmäßiges Vorkommen eines Ramüs descendens der A. vertebralis zu beziehen. Besonders wichtig erscheint mir der Verlauf der beschriebenen Arterie dureh das Foramen transversarium des siebenten Halswirbels. Über die Verbindung der Säugethierrippe mit der Wirbelsäule fehlen mir eigene Untersuchungen. Immerhin wird es nach dem bei Krokodilen Gesagten erlaubt sein, auch die Capitulumverbindung der Säugethiere für identisch mit der primitiven Basalstumpfverbindung zu halten. So erkennen wir auch bei Säugethieren die primitive Lage von hippe und Arteria vertebralis zu einander. Saurier und Ophidier. Während wir bei primitiven Urodelen, Anuren, Gymnophionen, Schildkröten, Vögeln und Säugethieren überall den primitiven Zustand einer dorsal von der Basalstumpfverbindung der Rippe gelegenen A. vertebralis fanden, treffen wir bei Sauriern und Ophidiern auf ein durehaus entgegengesetztes Verhalten. Bei der mikroskopischen Untersuchung verschiedener Embryonen von Anguis fragilis und Coronella laevis fand ich am Halstheil ven- tral von der einköpfigen Rippenverbindung und den Wurzeln der Spinalnerven und dorsal von dem M. longus colli jederseits eine longitudinal verlaufende Arterie, die ich geneigt war als A. vertebralis anzusprechen (s. Taf. I Fig. 2). - Sie ist identisch mit dem von RATHKE (XXIV) unter dem Namen A. vertebralis ausführlich beschriebenen Gefäße, welches bei den 28 G. Schöne Schuppenechsen wie bei den Ringelechsen meist getrennt von dem anderseitigen aus der Arteria subclavia derselben Seite ganz nahe deren Anfang entspringt und zu beiden Seiten der Mittelebene des Leibes, getrennt durch die etwa ausgebildeten unteren Dornfortsätze, ventral von der Wirbelsäule und dorsal vom M. longus colli bis zum Atlas zu verfolgen ist. Nie konnten Äste zum Kopfe oder durch das Foramen magnum zur Schädelhöhle nachgewiesen werden. Aus dieser A. vertebralis entspringen die dem vorderen Theile des Rumpfes zukommenden A. intercostales, die ihrerseits Zweige zu den Muskeln und dem Rückenmark abgeben. Nicht selten entspringen diese A. vertebrales von der rechten Aortenwurzel selbst. Von den mannig- fachen Verschiedenheiten des Ursprungs interessiren uns besonders diejenigen bei den fußlosen Sauriern, bei welchen eine Umbildung der Arterie zu beobachten ist, die offenbar derjenigen parallel geht, welche zur Entstehung der sogenannten A. collaris der Schlangen geführt hat und die wohl mit der Ausbildung der Schlangenform und der Verlängerung des Rumpfes zusammenhängt. Das Wesentliche dieser Veränderung beruht in der Ausbildung eines gemeinsamen Ursprungs der beiderseitigen Arterien und in der Ausbildung eines mehr oder weniger langen cranialwärts verlaufenden gemeinsamen Stammes, der sich erst später in zwei in der Bahn der A. vertebralis der Saurier verlaufende Zweige theilt. Bei den fuflosen Sauriern giebt dieser gemeinsame Stamm auch die rudimentiren A. subelaviae ab. Vielleieht wire es richtiger zu sagen, dass die beiden A. sub- claviae einen gemeinsamen Stamm ausspinnen, von dem dann auch die A. vertebrales entspringen. Bei Pseudopus geht nämlich die Arteria vertebral. jeder Seite noch deutlich von der gleichseitigen rudimentären A. subelavia ab, so dass der gemeinsame Stamm wohl den A. subelaviae zuzumessen ist. Bei Anguis aber setzt sich die A. vertebralis bereits eine kurze Strecke als einheitlicher Stamm über die Stelle der Abzweigung der A. subelaviae fort und theilt sich erst weiter kopfwärts in je einen Zweig für die rechte und linke Seite des Halses. Während der gemeinsame Stamm bei Pseudopus nur über zwei Wirbel verläuft, erstreckt er sich bei Ophisaurus schon über drei, bei Aconthias meleagris (wo RATHkE allerdings die Endäste nicht mehr erkennen konnte) selbst über sechs Wirbel. Dieser gemeinsame Stamm der A. vertebralis liegt immer zwischen den M. longi colli. Für uns ist von besonderer Bedeutung, dass im Bereich des vorderen Halsabschnittes der Saurier ausnahmslos zwei Arterien vorhanden sind, welehe dorsal von den M. longi colli und Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen etc. 29 . ventral von der N. IRA und den Wurzeln der Spinal- nerven gelagert sind. Von der A. collaris der een hat SCHLEMM (XXVII) eine Beschreibung gegeben, welche von RATHKE vervollständigt wurde. Die Arterie entspringt aus der Aorta unterhalb der Carotis, geht dorsal vom Ösophagus und ventral von der subvertebralen Muskulatur nach vorn und dringt ungefähr acht bis zehn Wirbel vor dem Herzen in diese Muskelschicht ein. In einiger Entfernung vom Kopfe (an meinen Exemplaren von Coronella laevis und Tropidonotus natrix an der Stelle, wo sich die A. collaris in die Muskulatur versenkt) theilt sie sich in zwei dünne Äste, welche mit dem Präparirmikroskop und in Serienschnitten noch über mehrere Wirbel kopfwärts zu verfolgen sind. Die A. collaris giebt zahlreiche Intercostales ab, die ich wie SCHLEMM im Gegensatz zu RATHKE ausnahmslos mit einem gemein- samen Stämmchen entspringen sah. Dieses trat auf der linken Seite der Wirbelsäule durch die sub- vertebrale Muskulatur und theilte sich in zwei Zweige, deren einer zwischen den unteren Dornfortsätzen auf die linke Seite hinüberging, während der andere direkt den Weg einer A. intercostalis dextra ein- schlug. Auch von den beiden cranialen Endästen der A. collaris, die genau in der Bahn der A. vertebrales der Saurier verlaufen, sah ich Zweige abgehen, die sich wie A. intercostales zu verhalten schienen. Wir kommen also zu dem Resultat, dass auch am vorderen Halsabsehnitt der Schlangen, wie es scheint regelmäßig, jederseits ein dorsal von dem M. longus und ventral von der Rippenbefestigung und (wie mikroskopisch nachweisbar war) von den Wurzeln der Spinalnerven in longitudinaler Richtung verlaufender Arterienstamm gelegen ist. Dass die A. collaris der Schlangen mit RATHKE auf die A. vertebr. der Saurier zu beziehen ist, scheint mir aus der hier gegebenen Beschreibung der beiden Arterien hervorzugehen. Die Vergleichung der A. vertebr. der Schlangen mit der A. subvertebralis der Krokodile und der Carotis communis profunda der Vögel, welche RATHKE in früherer Zeit angeregt hatte, ist von ihm selbst. später - wohl mit Recht wieder aufgegeben worden. Bei der Vergleichung der Saurier und der Ophidier einerseits und der Amphibien andererseits kann es sich nur um den deut- lich dorsal von den M. longi gelegenen Halsabschnitt der be- schriebenen Reptilienarterie handeln, und im Folgenden werde ich unter der A. vertebralis der Saurier und Schlangen immer nur diesen verstehen. Zu einem sicheren Resultate bin ich aber in dieser 30 G. Schöne Vergleichung nicht gekommen. Für die Homologie spricht die Lage der Arterie dorsal von der durch die Longi colli dargestellten ven- tralen Muskulatur, welche homolog der bei Amphibien: in ähnlicher Weise angeordneten ist. Eben so die an Zustände bei Salaman- drinen erinnernde Lage ventral von Rippenbefestigung und Nerven neben dem Wirbelkörper. Die Ursprungsverhältnisse will ich nach dem in früheren Abschnitten Gesagten nicht weiter besprechen. Ich habe sie nicht verwerthen können. Bei einem Embryo von Hatteria war die Arteria vertebralis leider nicht mit genügender Sicher- heit zu verfolgen. Da mir ein erwachsenes injieirtes Exemplar nicht zur Verfügung stand, so musste ich auf die Bearbeitung der A. vertebralis von Hatteria leider verzichten. Der richtige Weg zur Ent- scheidung scheint mir die Untersuchung der Rippenbefestigung der Saurier. Sollte sich herausstellen, dass die Rippe bei ihnen in gleicher Weise wie bei Urodelen mittels eines Rippenträgers auf den Neuralbogen gewandert ist, so würde sich daraus allerdings auch mit großer Wahrscheinlichkeit die Homologie der A. vertebralis der Saurier und Amphibien ergeben. Befestigung der Rippe am Saurier- und Schlangenwirbel. Es standen mir zur Verfügung Embryonen von Platydactylus, Lacerta vivipara, Anguis fragilis und Coronella laevis, außerdem ein Embryo von Hatteria punctata. Letzteren verdanke ich der Güte des Herrn Prof. THILENIUS, welchem ich dafür zu besonderem Danke verpflichtet bin. Hatteria wurde auf Querschnitten, die übrigen Embryonen wurden auf Quer- und Horizontalschnitten untersucht. Bei allen war das Skelet der Wirbelsäule und ihrer Anhänge be- reits knorplig ausgebildet, bei einigen zeigte sich der Beginn der Verknöcherung. Die in der Reihe der Amphibien erworbene Befestigung der Rippe am oberen Bogen fand sich bei allen Embryonen wieder. Nirgends fand sich eine ausschließlich dem Wirbelkörper angeheftete Rippe. Wohl aber vertheilt sich in vielen Fällen der Rippenansatz auf Bogen und Körper. SCHAUINSLAND (XXV) giebt an, dass er die Anlagen der Rippen bei Hatteria vom ersten Augenblick an in kontinuirlichem Zusammen- hange mit den Anlagen der oberen Bogen gefunden habe. Auch nach der Verknorpelung bleibe zunächst der Zusammenhang zwischen Rippe und Wirbel ein vollständiger. Eine Trennungslinie im Knorpel Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen etc. 31 sei Anfangs nicht nachzuweisen, wenn sie auch bald auftrete. Nach SCHAUINSLAND sind die Rippen ferner einköpfig und stehen quer zu den Körperbogensuturen und zwar in der Weise, dass sie Anfangs dem Bogen zum größeren, dem Körper zum kleineren Theil aufsitzen, während sie sich später gleichmäßig auf Beide vertheilen. Er meint, dass sich vielleicht aus dieser Stellung der Rippe zur Körperbogen- naht die später angedeutete Zweiköpfigkeit der Rippe erkläre. Ich finde bei dem Hatteria-Embryo die Rippen am Schwanz der Körperbogengrenze angeheftet, dem Bogen zum größeren, dem Körper zum kleineren Theil. Dasselbe trifft zu für den hinteren Sacral- wirbel, am vorderen ist die Ansatzstelle der Rippe am Körper noch schmäler als am hinteren. Am Rumpf und Hals legt sich der in dorso-ventraler Richtung erheblich verbreiterte Rippenkopf zum größe- ren Theile dem oberen Bogen an, zum kleineren greift er auf Bogen- körpergrenze und Wirbelkörper über. Vielfach ist es nicht leicht festzustellen, wo der Bogen beginnt und wo der Körper aufhört. Die ersten drei Wirbel entbehren der knorpligen Rippen (der Pro- atlas wird nicht mitgezáhlt) Am Atlas finde ich ein Rippenrudiment nicht, dagegen ist ein solches am Epistropheus zu erkennen, in Ge- stalt eines dem linken oberen Bogen aufsitzenden Kmnópfehens, be- stehend aus dicht gedrängten Zellen, deren Kerne sich lebhaft mit Karmin gefärbt haben. Hyaline Knorpelgrundsubstanz konnte ich in diesem Zellhaufen nicht nachweisen. Rechts finde ich etwas Ent- sprechendes nicht. Dagegen wiederholt sich eine ähnliche Bildung beiderseits am dritten Wirbel. Nur ist der Zellhaufen hier etwas größer und noch schärfer umrissen. Zur Differenzirung hyalinen Knorpels ist es auch hier nicht gekommen. Die Anheftung geschieht wie am Epistropheus am oberen Bogen. Ich hebe hervor, dass diese Rippenrudimente keine Spur einer proximalen Gabelung erkennen lassen. Der vierte Wirbel trägt zwei ausgebildete, kurze knorpelige Rippen. | Auch bei den übrigen untersuchten Embryonen befestigt sich die Rippe wesentlich am oberen Bogen (s. Taf. I Fig. 1, 2 und 3), in- dem sie vielfach auch auf Kórperbogengrenze und Wirbelkörper über- greift. Ich hebe hervor, dass ich einen Zusammenhang der Rippe mit der Körperbogengrenze und dem Körper in vielen Fällen nicht er- kennen konnte, z. B. bei Lacerta vivipara an hinteren Rumpfwirbeln, dem vorderen Saeralwirbel und hinteren Schwanzwirbeln, bei Platy- dactylus an den Saeralwirbeln und vorderen Rumpfwirbeln. Bei 32 G. Schüne Anguis befestigen sich die Rippen ebenfalls wesentlich am oberen Bogen; im Allgemeinen reicht der Ansatz bis an die Körperbogen- grenze heran. Bei Coronella sitzen die Rippen vorderer Schwanz- wirbel genau der Körperbogengrenze auf. Am Halse ist das Über- greifen des Rippenansatzes auf den Wirbelkörper sehr ausgesprochen. Es finden sich also kleine Differenzen in der Lokalisation des Rippenansatzes am Wirbel und zwar sowohl zwischen den verschie- denen Körperregionen eines und desselben Thieres wie zwischen den verschiedenen Thierformen überhaupt. Diese Unterschiede haben mir aber für unsere Fragen wichtige Gesichtspunkte nicht ergeben. Die Stelle des Wirbels, in welcher die Rippe sich befestigt, ist fast regelmäßig ausgezeichnet durch eine Vorbuckelung, welche ein- mal klein und unbedeutend bleibt, in anderen Fällen aber zu einem großen, massigen Querfortsatz ausgebildet wird. Der Rippenkopf ist bei allen sacralen und präsacralen Rippen der untersuchten Embryonen einheitlich. (Auf die proximale Gabe- lung der Schwanzrippen komme ich später zurück.) Nie fanden sich am Rumpf proximal gegabelte Rippen. Dass die distale Gabelung, wie sie insbesondere an den Lymphapophysen der Schlangen und fuBlosen Saurier zu beobachten ist, mit einer echten Zweiköpfigkeit und etwa einer doppelten Rippenanlage niehts zu thun hat, scheint mir von CLriGNY (V) sichergestellt zu sein, wie ich an dieser Stelle kurz erwühnen móchte. Auch erinnere ich daran, dass bereits bei Fischen distale Gabelungen vorkommen, welche keinesfalls auf eine doppelte Rippenanlage zu beziehen sind. Nachdem im Vorhergehenden die Befestigung der Rippe an der Wirbelsáule der genannten Formen im Allgemeinen charakterisirt worden ist, gehen wir nun über zu einer genaueren Darstellung der einschlägigen Verhältnisse, indem wir mit Hatteria beginnen. In der Beschreibung der Rippenbefestigung am Hals und Rumpf des Hatteria-Embryos kann ich mich kurz fassen. Ich habe der Be- schreibung, die SCHAUINSLAND gegeben hat, nur wenig hinzuzufügen. Der Rippenkopf ist in dorsoventraler Riehtung sehr erheblich ver- breitert, in cranio-caudaler Richtung bleibt er schmal. Auf die von SCHAUINSLAND beobachtete seichte Furche, welche die Scheidung in Capitulum und Tuberculum andeutet, komme ich später zurück. Der Querfortsatz, welcher die Rippe tragt, ist entsprechend der Gestalt des Rippenkopfes hoch und schmal. Wie ScHAUINSLAND finde ich den Querfortsatz an den vorderen Rumpf- und den hinteren Hals- wirbeln mächtiger als an den hinteren Theilen des Rumpfes. Er ar NEWS n Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen ete. 33 springt nie sehr weit vor; am deutlichsten hebt er sich an vorderen Rumpfwirbeln ventral vom Körper ab. Die hyaline Knorpelsubstanz des Körpers und Bogens geht kontinuirlich in die des Querfortsatzes über. Auch sah ich nirgends die perichondrale Verknöcherung zwischen Bogen und Querfortsatz eingreifen, wie dies GOPPERT bei Amphibien mehrfaeh beobaehtet hat. Die Gelenkkapsel ist besonders an der Ventralseite durch Bandmassen verstürkt, welche sich aus dem die Rippe einhüllenden Perichondrium auf den Querfortsatz und von diesem, zenau dem Umriss des Wirbels angeschlossen, auf den Wirbel- kórper fortsetzen. Bei Platydaetylus ist der Rippenkopf am Rumpf nur wenig verbreitert; an den vorderen Rumpf- und den Halsrippen nimmt sein Durchmesser in dorsoventraler Richtung zu (s. Taf. I Fig. 3) Der Querfortsatz ist am Rumpf oft kaum ausgeprägt, vielfach bildet er nur einen niedrigen Gelenkkopf für die konkave Gelenkfläche des Rippenkopfes. Am Halse vergrößert er sich wie der Rippenkopf in dorsoventraler Richtung und setzt sich hier besonders auf der Ven- tralseite schärfer gegen den Wirbel ab. Der Knorpel des Querfort- satzes geht kontinuirlich in den des übrigen Wirbels über; eine Trennungslinie zwischen beiden ist nicht vorhanden. Am Rumpf sind Verstärkungsbänder der Kapsel kaum ausgeprägt, ain Hals sind derartige Züge auf der Ventralseite hier und da zu bemerken. Im Allgemeinen folgen sie wie bei Hatteria dem Umriss der Rippe einerseits, des Querfortsatzes und Wirbels andererseits. An einem Halswirbel folgt das Band, nachdem es die Rippe verlassen hat, nicht dem -Kontour des Wirbels, sondern schlägt frei einen selbstän- digen, geraden Weg zum Wirbelkörper ein (s. Figur). Ein Knorpel- kern ist in diesem Bande nicht vorhanden. Bei Lacerta ist der Rippenkopf am Rumpf höher als bei Platy- daetylus. Der Querfortsatz ist nur ein flacher Buckel, welcher nicht scharf gegen Bogen und Körper abgesetzt ist. Bei den von mir untersuchten Exemplaren hat sich der Rippenkopf in seinen cen- tralen Partien bereits vom Querfortsatz abgegliedert, in den peripheren ist der Zusammenhang noch erhalten; eine deutliche Trennungslinie ist auch hier bereits vorhanden. Besonders deutlich und regelmäßig hat sich die Kontinuität von Querfortsatz und: Rippe an der Ventral- seite erhalten. Kapselbänder sind vor Allem an der Ventralseite entwickelt. Sie lösen sich als kräftige Bandmassen aus dem Peri- ehondrium der Rippe und verlaufen zum Wirbelkörper, dessen Kon- tour sie streng folgen. Morpholog. Jahrbuch. 31. 3 34 G. Schöne Bei Anguis (s. Taf. I Fig. 2) ist der Rippenkopf am Rumpf etwa eben so hoch wie bei Lacerta, eher etwas höher. Er trägt einen schwanzwärts gerichteten starken Fortsatz, welcher besonders deutlich auf Horizontalschnitten zu erkennen ist. Dieser Fortsatz zeigt etwa auf das benachbarte Spinalganglion. Ich sah ihn nie den Anschluss an den Wirbel gewinnen; dagegen befestigen sich regelmäßig starke Muskelbündel an ihm, so dass ich ihn als Muskel- fortsatz bezeichne. Der Querfortsatz des Wirbels ist meist stärker entwickelt als bei Lacerta und, besonders ventral, schärfer gegen den Bogen abgesetzt. Je mehr man sich der Halsregion nähert, um so deutlicher prägt er sich aus, so dass er immer mehr den Namen: Querfortsatz verdient. Im Bereich der vorderen Rumpf- und Hals- gegend erhebt er sich stärker über das Niveau des Neuralbogens, vor Allem aber setzt er sich auch schärfer gegen ihn ab, indem er sich wie ein Pilz mit sehr niedrigem und breitem Stiel über ihn er- hebt. So entsteht sowohl an der dorsalen wie an der ventralen Grenze von Wirbel und Querfortsatz eine flache, longitudinal ver- laufende Rinne, welche allerdings dorsal meist nur angedeutet ist. Überall aber geht, am Rumpf wie am Hals, der Knorpel des Wirbels ohne Trennungslinie in die Substanz des Querfortsatzes über. Schon am Rumpf sind besonders dorsal kräftige Bänder entwickelt, die sich aus dem Perichondrium der Rippe auf den Wirbel fortsetzen. Im Bereich der vorderen Rumpf- und der Halswirbel gewinnen auch die ventralen Bänder an Stärke. Wie bei Hatteria, Platydactylus und Lacerta setzen sie sich aus dem ventralen Perichondrium der Rippe auf den Querfortsatz und den Wirbelkörper fort. Wo die ventrale Rinne an der Grenze von Querfortsatz und Wirbel noch nicht ausgeprägt ist, folgen diese ventralen Bänder dem Kontour des Wirbels; wo sie bereits deutlich ist, pflegen die Kapselbänder sich unabhängig vom Wirbel zu machen und diese Rinne zu überbrücken. Eben so thun dies die dorsalen Kapselbänder, falls eine dorsale Rinne angedeutet ist. Im Wesentlichen dasselbe Bild wie die Halswirbel von Anguis bietet nun der größte Theil der Rumpfwirbel von Coronella (s. Taf. I Fig. 1), abgesehen von den Verschiedenheiten in der Vertheilung des Rippenansatzes auf Bogen und Wirbelkörper. Die Stadien von Co- ronella, welche ich untersuchte, sind älter als diejenigen von Anguis. Sie zeigen bereits den Beginn der Verknöcherung, welche bei Anguis noch fehlt. Alle Umrisse sind schärfer, insbesondere die Bänder sind deutlicher ausgeprägt. Die Pilzform des sehr mächtigen Quer- Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen ete. 35 fortsatzes ist noch ausgesprochener als bei Anguis. Die im Quer- schnitt dorsal und ventral spitz auslaufenden Ränder des Pilzhutes sind gegen die Mittellinie des Körpers geneigt. Die Substanz des Wirbelbogens und Körpers, resp. der Grenzzone setzt sich meist kontinuirlich in die des Querfortsatzes fort. Am Hals behauptet er in manchen Fällen eine gewisse Eigenart gegenüber dem Wirbel, indem seine Zellen kleiner als die des Wirbels sind und eine be- sondere Anordnung in Reihen erkennen lassen. Die periostale Ver- knöcherung sah ich nie zwischen Wirbel und Fortsatz eingreifen. Der Rippenkopf hat wie bei Anguis eine etwa beilförmige Gestalt und lässt denselben schwanzwärts gerichteten kräftigen Muskelfortsatz erkennen. Die Kapselbänder sind sehr stark ausgebildet. Das ven- trale Band befestigt sich einerseits am Rippenkopf, andererseits am Rande der Gelenkfläche des Querfortsatzes und setzt sich von hier im Bereich des Rumpfes über die eigentliche Kapsel hinaus fort, überbrückt meist, am Rumpf regelmäßig, die Rinne am Fuße des Querfortsatzes und ist auf dem Wirbelkörper bis zur Medianlinie zu verfolgen. In der ventralen Rinne ist am Rumpf regelmäßig ein Spaltraum (Lymphgefäß?) entwickelt. In der Halsgegend, wo diese Gewebsspalte fehlt und die Rinne flacher ist, pflegt das Band sich an den Umriss des Wirbels zu halten. Auch am dorsalen Kapsel- theil ist ein starker Bandzug entwickelt, der die dorsale Rinne oft überbrückt, um auf den Neuralbogen auszustrahlen; nur kommt es hier nieht zur Ausbildung eines Spaltraumes. Wie ich mich an Horizontalschnitten durch den Rumpf von Coronella überzeugen konnte, ist auch an der ganzen cranialen Fläche der Gelenkkapsel eine dieselbe verstärkende Bandmasse entwickelt, welche sich hier überall am Rande der Gelenkflächen anheftet und sich nicht weiter fortsetzt. An der caudalen Seite sah ich erhebliche Verstärkungen der Kapsel nicht. Ich habe wiederholt erwähnt, dass ich bei den untersuchten Embryonen proximal gegabelte Rumpfrippen nicht gefunden habe. Nun erwähnt GEGENBAUR in seinem Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere (X), dass an den Hals- und vorderen Rumpfrippen der Lacertilier und Schlangen Bänder zu finden seien, welche vom Rippenhals zur Bogenbasis ziehen und wohl als der Rest einer ventralen Rippenspange aufzufassen seien, da öfter ein ‘Knochenfortsatz des Rippenhalses in sie hineinrage. Ich habe der- artige Bänder an zwei Skeleten von Lacerta viridis und agilis beob- achtet; den von GEGENBAUR erwähnten Knochenfortsatz sah ich nicht. 3* 36 G. Schöne Auch CrrGNY (V) beschreibt bei der Blindschleiche eine zwei- köpfige Rippe am letzten Lumbalwirbel, und bei Vipera aspis an dem dritten Halswirbel einen: gegen den unteren Dornfortsatz ge- richteten Fortsatz. Ein Skelet von Vipera aspis stand mir nicht zu Gebote, bei zahlreichen anderen Schlangen konnte ich einen der- artigen Fortsatz nirgends erkennen, auch die zweiköpfige Lumbal- rippe fand ich am Skelet von Anguis- nicht. Ciiany glaubt außer- dem bei Vipera aspis eine vorknorpelige Anlage einer zweiten, ventralen Rippenspange nachgewiesen zu haben, welche im weiteren Verlauf der Entwicklung nicht weitergebildet werden soll. Ich gebe seine Beschreibung hier wörtlich wieder: »A mesure qu'on approche de la vertébre on constate un épaissis- sement de la côte et en même temps une incurvation vers le bas. Chose remarquable, la côte n’aborde pas franchement le tubercule costal, elle arrive à son voisinage par en haut et si l'on prolonge la courbe que déerit la cöte on voit qu'elle passe devant la facette principale de.la pleurapophyse en s'en écartant quelque peu. Les connexions à cet égard sont notablement différentes de ce qu'elles. seront plus tard. Mais la particularité la plus intéressante de la cöte au ade où nous sommes, Cest que la ligne qui en prolonge la direction et que nous avons imaginée tout à l'heure existe réellement. Le tissu dense qui entoure la côte de toute part ne s'arrête point en même temps que le cartilage, c'est-à-dire au coin supérieur du tubercule costal; il continue bien au delà sous forme d'un cordon qui passe devant la facette principale de la pleurapophyse; il est à ce moment dirigé obliquement vers l'intérieur et vers le bas; puis on le voit se redresser et filer horizontalement sous le centre de la vertébre pour venir se terminer au voisinage du plan sagittal... . L'ébauche eartilagineuse de la côte est nettement circonscrite par suite de l'aplatissement des eellules les plus externes, par la distri- bution de la substance fondamentale; or à l'endroit où la côte se - continue par le cordon qui nous occupe, le contour perd toute sa netteté; il n'y a plus de cellules aplaties et méme la substance hya- line se rarifie progressivement au point que l'on a peine à limiter la côte dans cette direction . . . .« | Das Gewebe, aus welchem das siiphiediy Band besteht, bezeichnet Ciieny als Vorknorpel. Die Zeichnung, welche er ED ist leider nicht recht deutlich. | l Die Stadien von Coronella, olie A zu untersuchen Gelegen- Vergleichende Untersuchungen iiber die Befestigung der Rippen etc. 37 heit hatte, sind freilich älter als diejenigen von Vipera aspis, bei welchen COLIGNY den beschriebenen Befund erhoben hat. Erheblich jünger sind die Stadien von Anguis, allerdings sind auch hier die oberen Bögen bereits geschlossen, während sie dies bei CLIGNY’S Exemplaren noch nicht sind. Wie aus meiner oben gegebenen Be- schreibung hervorgeht, konnte ich weder bei Coronella noch bei Anguis etwas von einer in einem ventralen Bande versteckten zweiten proximalen Rippenspange entdecken. Die von CLIGNY erwähnte Rarifikation der hyalinen Knorpel- substanz in der Umgebung der Ansatzstelle des ventralen Bandes an der Rippe fand ich ebenfalls; genau dasselbe aber auch an der Insertionsstelle des dorsalen Kapselbandes. Die Zellen, welche diese Bänder zusammensetzen, sind vielfach schwer oder gar nicht von denen des Vorknorpels zu unterscheiden; dasselbe wiederholt sich aber an vielen Stellen des Kapselapparates. Da mir nun leider Embryonen von Coronella und Anguis in dem von CLiGnY geforderten Stadium nicht zur Verfügung standen, konnte ich seine Angaben nicht genauer kontrolliren. Dagegen konnte ich die primitiveren Formen Lacerta und Platydactylus, sowie Hatteria auf diese Frage hin prüfen. CLıenY selbst erwartet bei diesen ein deutlicheres Bild, selbst im knorpeligen Stadium. Ich habe zunächst die Embryonen von Lacerta und Platydactylus genau auf Andeutungen einer proximalen Zweiköpfigkeit der Rumpf- und Halsrippen durchgesehen. Die Embryonen von Lacerta stehen auf der Höhe der knorpeligen Ausbildung, die Verknöcherung fehlt noch; bei Platydactylus hat sie eben begonnen. Auch bei diesen Formen habe ich keinerlei Andeutung einer zweiten ventralen Spange gefunden, weder am Rumpf noch am Hals. Bei der Hatteria beschreibt Owen (cit. nach GÜNTHER, XV) am vierten Halswirbel eine kurze »Pleurapophyse« beiderseits, »with a bifureate proximal end articulated by a broad tubercle to the dia- pophysis and by a slender neck and head to a rudimental parapo- physis«. Am fünften Halswirbel beschreibt OwEN eine einköpfige Pleurapophyse. GÜNTHER bestätigt diese Beschreibung, giebt aber an, dass bei einem der drei von ihm untersuchten Skelete die Pleurapophyse der vierten Rippe nicht gegabelt war, dass vielmehr die untere Spange hier durch ein Band ersetzt wurde, während jede Spur einer Parapophyse fehlte. An der Vorderfläche des Kopfes der Rippen beschreibt er einen »Shallow longitudinal groove«. 38 G. Schöne Baur (IIb) untersuchte zwei Exemplare von Hatteria und fand bei beiden am Atlas einköpfige, am Epistropheus zweiköpfige, band- förmige Rippen. Der dritte Wirbel des einen Thieres trug zwei- köpfige knöcherne, der des anderen zweiköpfige bandförmige Rippen; der vierte in beiden Fällen zweiköpfige knöcherne Rippen, deren Capitulum am proximalen Ende bandförmig war. Der fünfte Wirbel trug wie alle folgenden einköpfige knöcherne Rippen. Osawa (XXI) beschreibt knöcherne Rippen vom vierten Hals- wirbel an; die erste Halsrippe sei an ihrem proximalen Ende in zwei Theile getheilt, welche ALBRECHT (I) als tubérosité und col ru- dimentaire bezeichnet habe. Die Arbeit ALBRECHT’s war mir leider nicht zugänglich. Ich selbst hatte Gelegen- heit, ein großes weiches Ske- let von Hatteria zu unter- suchen, für dessen Über- lassung ich Herrn Geheim- rath Mösıus in Berlin zu | grobem Danke verpflichtet Hatteria punctata; erwachsenes Thier. Halswirbelsäule : s £ von links gesehen. R.ı erste knöcherne Rippe mit einem bin. Die von BAUR erwähn- ventralwärts abzweigenden Ligament l. R.o zweite knö- ten und von SCHAUINSLAND ER. Ra ditte kuöcherne Rippe. Ry vierte knöcherne — (XXVI) bestätigten ligamen- Rippe. Nach cinom Präparat des Bornes Museums tären Rippen an den drei gez. von Fràul. I. SCHÖNE. ersten Wirbeln sind an diesem Exemplar nicht mit Sicherheit zu erkennen. Der vierte Wirbel trägt das erste knöcherne Rippenpaar (s. Textfig. 6). Beiderseits entsendet der Rippenhals ventralwärts ein Band, welches frei zum Wirbelkörper verläuft und sich an diesem befestigt. Der fünfte Wirbel trägt das zweite knöcherne Rippenpaar. Auf der linken Seite (s. Fig. 6) zweigt sich von der Ventralseite des Rippenhalses ein feiner knöcherner Fig. 6. Fortsatz ab, welcher den Wirbelkörper erreicht und durch fibröse Züge an ihm befestigt ist; dieser Fortsatz ist mit der ganzen Rippe gegen den Wirbel frei beweglich; ob eine gelenkige Verbindung mit dem Wirbelkörper ausgebildet ist, konnte ich nicht feststellen. Wäh- rend demnach die zweite knöcherne Rippe auf der linken Seite eine vollständige proximale Gabelung erkennen lässt, ist dies auf der rechten Seite nicht der Fall. Die Zweiköpfigkeit ist rechts nicht aus- gebildet, sondern nur angedeutet durch tiefe Furchen, welche auf der eranialen wie auf der caudalen Oberfläche des Rippenkopfes ein i d | 4 | ] | f Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen etc. 39 kleineres Capitulum von einem mächtigen Tuberculum abgrenzen. Die folgenden Rippen sind beiderseits einköpfig, zeigen aber zum Theil an ihrer Vorderfläche eine Längsfurche, welche eine Scheidung des Rippenkopfes in Tubereulum und Capitulum andeutet. Auch auf der Hinterseite konnte ich einige Male eine entsprechende Furche erkennen. Ob diese Furchen regelmäßig, wie SCHAUINSLAND an- giebt, der Bogen-Körpernaht entsprachen, konnte ich ohne Zerstö- rung des Skeletes nicht wahrnehmen. An den Rippen des hinteren Rumpfabschnittes werden sie undeutlich. Handelt es sich nun am Hals von Hatteria um die Reste einer früheren Zweiköpfigkeit oder um den ersten Beginn einer Scheidung des Rippenkopfes in ein Tuberculum und ein Capitulum? Die Unter- suchung des Embryos hat mir einen sicheren Aufschluss nicht ge- geben. Wie erwähnt, erscheinen hier die Rippen zunächst einheit- lich. Bei genauer Untersuchung fand ich aber, dass am Kopf der zweiten bis vierten knöchernen Rippe beiderseits auf der hinteren Fläche eine ziemlich tiefe Längsfurche ausgebildet ist, welche ent- sprechend den Zuständen am Skelet des erwachsenen Thieres die Scheidung des Kopfes in ein Capitulum und ein etwas kräftigeres Tubereulum andeutet. Auf einzelnen Schnitten fand sich demnach das Trugbild einer ausgebildeten Zweiköpfigkeit: das Tuberculum be- festigt sich am Bogen, das Capitulum am Körper und der Grenz- zone zwischen Körper und Bogen. Auf dem Plattenmodell war diese Längsfurche wohl zu erkennen. Auch die erste knöcherne Rippe weist Spuren davon auf. An der fünften Rippe und den folgenden fehlen derartige Furchen, so weit ich es erkennen konnte, vollständig. Ich vermuthe, dass in diesem embryonalen Zustande die An- deutung einer proximalen Gabelung gegeben ist, und dass die am erwachsenen Thiere meist nur angedeutete Trennungslinie zwischen Tubereulum und Capitulum der hinteren Langsfurche beim Embryo entspricht. Es liegt die Annahme nahe, dass sich die wahre Zwei- köpfigkeit der einen oder der anderen knöchernen Rippe aus diesem knorpeligen Zustande herausbildet, indem die dünne Knorpellage, welche beim Embryo Tubereulum und Capitulum an der Vorderfläche der Rippe vereinigt, späterhin in einzelnen Fällen nicht verknöchert und schwindet. | Ob es sieh aber bei der Hatteria um die letzten Reste einer ehemals deutlich ausgeprägten Zweiköpfigkeit handelt oder um den Beginn einer Trennung des breiten hippenkopfes in Tuberculum und Capitulum, das wage ich nicht zu entscheiden. 40 G. Schöne Da nach GÖPPERT bei Urodelen beide Rippenspangen Beziehungen zum Rippenträger besitzen, so musste diese Untersuchung der Rippen der Saurier und Schlangen auf eine eventuell bestehende proximale Gabelung vorausgehen, bevor die Frage der Existenz oder Nicht- existenz eines Rippenträgers an den sacralen und präsacralen Wirbeln dieser Formen zu beantworten war. Diese Antwort ergiebt sich aus allem Vorhergehenden von selbst. Am Rumpf und Hals der Saurier und Schlangen ist ein Rippenträger nicht zu erkennen. Auch fehlt dem die Rippe tragenden Querfortsatze jede Selbständigkeit gegen- über dem Wirbel. Es bleibt''die Frage, ob der Rippenträger nicht etwa in den von?*GoETTE'(XIV) und Anderen beschriebenen sogenannten rudimen- tären Bögen zu suchen ist. Denn an Schwanzwirbeln mit derartigen rudimentären Bögen findet man in der That zweiköpfige Rippen, deren horizontal gestellte Spangen mit dem vorderen ausgebildeten und dem hinteren rudimentären Bogen in Verbindung stehen. Die einschlägigen Verhältnisse sind von GoETTE so genau beschrieben worden, dass ich kaum etwas hinzufügen kann. Ich untersuchte Embryonen von Lacerta vivipara, Platydactylus und Anguis fragilis auf Horizontalschnitten. Für uns ist wichtig, dass der hintere rudimen- - tire Bogen in der That am Sehwanze vielfach völlig getrennt von dem vorderen ;Hauptbogen ist. Weiter vorn versehmilzt regelmäßig - der hintere rudimentäre Bogen mit dem vorderen ausgebildeten, ist aber noch an_einzelnen präsacralen Wirbeln von demselben zu unter. scheiden. Immer aber liegt er genau hinter dem Hauptbogen und bildet einen Theil?der Wand des Wirbelkanals. Die Rippen sah ich mit dem hinteren Bogen nur am Schwanz in Verbindung. An vorderen Wirbeln, an denen ich den rudimentären Bogen deutlich erkennen konnte, war der ‚Zusammenhang regelmäßig aufgehoben und von einer zweiten Rippenspange fehlte jede Spur. Schon diese wenigen Thatsachen scheinen 'mir,zu genügen, um die Homologie dieses rudimentären Bogens mit dem Rippenträger der Amphibien abzulehnen. Der Rippenträger. der Amphibien legt sich lateral an den Neuralbogen an, der rudimentäre Bogen der Saurier liegt hinter ihm, und zwar so exquisit in der Begrenzung des Wirbelkanals, dass mir diese Lage wesentlich erscheint, um so mehr, als von Andeu- tungen einer früheren; seitlichen "Anlehnung an den Neuralbogen niehts zu erkennen ist. Weiter verliert die Rippe am Rumpfe jede Beziehung zu dem fraglichen Skelettheil, obwohl dies an den hinteren Rumpfwirbeln noch deutlich erkennbar ‘ist. Dass aber der Rippen- > w—"—————— Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen etc. 41 ‚träger der Amphibien sieh von seiner Rippe. emancipirte, ist nicht bekannt und es wird nicht möglich sein, anzunehmen, dass der Rippenträger bei Sauriern gerade an denjenigen Wirbeln den. Zu- sammenhang mit der Rippe verloren haben sollte, an denen die Rippen ausgebildet sind und in Funktion stehen (GÖPPERT). Wir werden uns daher dahin aussprechen, dass der rudimentäre Bogen am Saurierschwanz nichts mit einem Rippenträger zu thun hat. Zur Deutung des rudimentären Bogens und der Gabelung des Rippen- kopfes am Schwanz der Saurier kann ich etwas Positives nicht hin- zufügen. Es ist mir also nicht gelungen, eine Rippenträgerbildung bei Sauriern und Schlangen nachzuweisen. Die Möglichkeit, dass trotz- dem den Vorfahren der Saurier ein Rippenträger zukam, kann ich nicht ausschließen, da ich auch für die Annahme einer einfachen dorsalen Verschiebung der Saurierrippen entscheidende Thatsachen nicht beibringen kann. Eine derartige entscheidende Thatsache war bei den Gymnophionen der Zusammenhang des rippentragenden Querfortsatzes mit den unteren Bögen des Schwanzes. Fasse ich Alles zusammen, so glaube ich doch, dass meine Untersuchungen, wenn auch nicht entscheidend, so doch mit Wahr- scheinliehkeit dafür sprechen, dass die Saurierrippe ühnlieh wie die Rippe der Anuren und Gymnophionen ohne Rippentrügerbildung dor- salwürts verschoben worden ist. Ob sich an dieser Wanderung der Basalstumpf betheiligt hat, ist ebenfalls nicht entschieden, nach den Erfahrungen bei Amphibien aber wahrscheinlich. Jedenfalls hat der Basalstumpf bei den Sauriern wie bei den Reptilien überhaupt seine Selbständigkeit gegenüber dem Wirbelkórper und dem Neuralbogen verloren. Für die Auffassung der Arteria vertebralis der .Saurier und Schlangen ergiebt sich aus diesen Untersuchungen etwas Sicheres nicht. | | Die Resultate dieser Arbeit fasse ich kurz folgendermaßen zu- sammen: 1) Die Arteria vertebralis der Urodelen liegt ventral von den Spinalnerven, die der Anuren dorsal von ihnen. Wahrscheinlich ist die Arteria vertebralis der Anuren von der der Urodelen abzuleiten. 2) Die Arteria vertebralis der Schildkréten, Krokodile, Vogel und Säugethiere ist wahrscheinlich von der der Amphibien abzu- leiten. Für die Arteria vertebralis der Saurier und Schlangen ist eine solehe Ableitung nicht gelungen. 42 G. Schöne 3) Bei Schildkröten, Krokodilen, Sauriern und Schlangen ist eine Rippenträgerbildung ähnlich deükigen bei Urodelen nicht nachge- wiesen worden. Für die Erlaubnis, das Institut und das Material der anatomi- schen Anstalt zu Heidelberg benutzen zu dürfen, sage ich Herrn Geheimrath GEGENBAUR meinen aufrichtigen Dank, eben so Herrn Professor GÖPPERT für die Anregung zu dieser Arbeit und für die vielfache Unterstützung, die er mir im Verlauf derselben hat zu Theil werden lassen. Verzeichnis der im Text angeführten Arbeiten. I. Il. ALBRECHT, Note sur la présence d’un rudiment de proatlas de Hat- téria punctata. Bull. Mus. Roy. Belg. 1883. BARKOW, Disquisitiones recentiores de Arteriis Mammalium et avium, Nova acta Academ. Leopold. Tome XX. 1843. IIIa. Baur, Uber Rippen und ähnliche Gebilde und deren Nomenklatur Anatom. Anzeiger. Bd. IX. 1894. IIb. —— On the rib-articulation in Sphenodon. Amer. Nat. 1886. Vol. XX. IV. XVII. BoJAnus, Anatome testudinis europeae. Vilnae 1819—1821. CLIGNY, Vertébres et cœurs lymphatiques des ophidiens. Bull. scient. de la France et de la Belgique. Tome XXXII. Dorro, Sur la morphologie des côtes. Ibidem. Tome XXIV. —— Sur la morphologie de la colonne vertébrale. Ibidem. Tome XXV. . ECKER’s und WIEDERSHEIM’s Anatomie des Frosches, neu bearbeitet von GAupp. Braunschweig 1899—1901. GADow, Vögel. in: BRoNN's Klassen und Ordnungen des Thierreichs. GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. Bd. I. Leipzig 1898. . GÖPPERT, Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. Morph. Jahrbuch. Bd. XXIII. 1895. . —— Die Morphologie der Amphibienrippen. Festschrift für GEGEN- BAUR. 1896. . GOETTE, Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skeletsystems der Wirbelthiere. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XV und XVI. . — Über den Wirbelbau bei den Reptilien und einigen anderen Wirbelthieren. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. LXII. 1897. GÜNTHER, Contributions to the Anatomy of Hatteria. Philos. Transact. 1867. HATSCHEK, Die Rippen der Wirbelthiere. Verhandlungen der anat. Gesellschaft auf der dritten Versammlung. Jena 1889. HENLE, Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen, Braun- schweig 1876. Vergleichende Untersuchungen über die Befestigung der Rippen etc. 43 XVIII. XXVII. XXVIII. HOCHSTETTER, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Monotremen. Aus Semon, Zool. Forschungsreisen im malayischen Archipel. 1896. . HOFFMANN, Reptilien. in: Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. HYRTL, Cryptobranchus japonicus. Schediasma anatomicum. Wien 1865. . Osawa, Beiträge zur Anatomie der Hatteria punctata. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. LI. 1898. . Quaın, The anatomy of arteries. London MDCCCXLIV. . RABL, Theorie des Mesoderms. Fortsetzung. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XIX. 1892. . RATHKE, Untersuchungen über die Aortenwurzeln der Saurier. Denk- schriften der Wiener Akademie. 1857. SCHAUINSLAND, Weitere Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hatteria. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. LVI. 1900. . —— Embryonen von Sphenodon etc. Demonstration. Verhandlungen der Deutschen Zoolog. Gesellschaft auf der 9. Jahresversammlung zu Hamburg. 1899. SCHLEMM, Anatomische Beschreibung des Blutgefäßsystems der Schlan- gen. TREVIRANUS Zeitschrift für Physiologie. 1826. WIEDERSHEIM, Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere. 3. Aufl. Jena 1893. Erklärung der Abbildungen. Mehrfach gebrauchte Bezeichnungen (auch für die Textfiguren geltend). a Verbindung zwischen Rippe und Rip- Ch Chorda dorsalis, penträger, C.v Neuralkanal, a’ Verbindung der dorsalen Rippen- K Knochengewebe, spange mit dem Rippenträger, M Rückenmark, Art.vert Arteria vertebralis, N Neuralbogen, B Basalstumpf, R Rippe, b dorsaler Fortsatz des Basalstumpfes, r dorsale Rippenspange, 8 dorsale Spange an Stelle des proxi- R.T Rippentrüger, - malen Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Theiles des Basalstumpfes, W.K Wirbelkörper. Tafel I. Coronella laevis (Embryo). Vorderer Rumpfwirbel. B.v ventrales Kapsel- band, B.d dorsales Kapselband, L Lymphgefäß. Anguis fragilis (Embryo). Vorderer Rumpfwirbel mit Musculus longus colli und Arteria vertebralis. B.v ventrales Kapselband, B.d dorsales Kapselband, M.l.e Musculus longus colli. Platydactylus (Embryo) Halswirbel. Bw ventrales Kapselband, B.d dorsales Kapselband. Beiträge zur Affen-Anatomie, Von | Prof. Dr. Louis Bolk. Mit Tafel II und 26 Figuren im Text. I Das Kleinhirn der Neuweltaffen. Anlass zur vorliegenden Abhandlung wurde gegeben durch die bei Orang gemachten Beobachtungen über die Beziehungen zwischen den Lamellen der Seitentheile des Cerebellum und jenen des so- genannten Wurmes, wie diese in dem zweiten Beitrag ausführlieh dargestellt worden sind!. Die Beobachtung, dass ein großer Theil der Lamellen der Seitentheile sich nicht in solche des Mittelstiickes fortsetzen, sondern am Sulcus paramedianus enden, so dass einem ansehnlichen Lamellenkomplex ein entsprechender Abschnitt im Mittel- stücke oder Wurm fehlt, erregte die Frage, ob hierin vielleicht ein Verhältnis zum Ausdruck kam, das phylogenetisch weiter verfolgt werden konnte und dem eine entwicklungsgeschichtliche Bedeutung zukam. Ich entschloss mich desshalb, diese Frage weiter zu ver- folgen und unterzog dazu zunächst die mir zur Verfügung stehenden Cerebellen der Neuweltaffen einer vergleichenden Untersuchung. Der Hauptzweck dieser Untersuchung wurde durch die Frage- stellung bestimmt; sie zielte darauf hin, die Beziehungen festzustellen zwischen den Marklamellen oder Gruppen von Marklamellen der Hemisphären und jene des sogenannten Wurmes. Es hatte sich je- doch dabei bald herausgestellt, dass für eine derartige vergleichend-ana- tomische Untersuchung die übliche Eintheilung des hochdifferenzirten 1 Über das Gehirn von Orang. Zweiter Beitrag zur Affen-Anatomie. in: PETRUS CAMPER. Nederlandsche Bijdragen tot de Anatomie. Ie Deel. Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 45 Menschen-Kleinhirns nicht als Ausgangsform zu verwenden war. Einst- weilen nicht, da die Lobi und Lobuli des menschlichen Cerebellum nicht genügend deutlich abzugrenzen sind und es eine fehlerhafte Methode ist, einfach die auf dem Medianschnitt des menschlichen Kleinhirns sichtbaren Läppchen a priori auch bei den Affen wieder- finden zu wollen. Überdies wurde es mir bald klar, dass die Ein- theilung des Cerebellum beim Menschen auch aus jenem Grunde : weniger als Ausgangsform fiir eine Vergleichung anwendbar ist, weil diese Eintheilung nicht auf die Entwicklung des Organs basirt ist, und desshalb eine bessere von genetischen Gesichtspunkten be- herrschte an die Stelle jener zu setzen sei’. Das Cerebellum der Neuweltaffen eignet sich weit besser für eine vergleichende Untersuchung der Entwicklung dieses Theiles des Nervensystems als jenes der altweltlichen Affen. Es bietet doch diese Affengruppe eine Reihe sich einander anschließender, allmäh- lich sich höher differenzirender Ausbildungsstadien des Cerebellum dar, wie man eine solche bei den Altweltaffen vergebens sucht. Die sehr einfachen Formen, wie sie uns z. B. bei den Arctopitheciden entgegentreten und die einen sehr willkommenen Ausgangspunkt bieten, sind bei den Altweltaffen gar nicht vertreten. Bei den Ka- tarrhinen trifft man nur Modifikationen eines schon sehr komplicirten Baues an, bei den Platyrrhinen dagegen eine natürliche Entwick- lungsreihe, deren niedrigste Stufe geliefert wird dureh das Geschlecht Hapale, wo es noch eine völlige Kongruenz giebt zwischen den La- mellen der Seitentheile und jenen des Mittelstiickes. Das höchst entwickelte Glied in dieser Reihe ist vom Geschlecht Ateles dar- gestellt, wo das Cerebellum nicht weniger komplieirt ist als bei den schmalnasigen Affen. Die von mir untersuchten Affen gruppiren sich in dieser Reihe in folgender Weise: Hapale, Midas, Chrysothrix, My- cetes, Cebus und Ateles. | Die diesem Aufsatz beigefügten Figuren sind, besonders was den Verlauf und die Anastomosirung der Sulei betrifft, dem Ziele dieser Untersuchung gemäß nit der größten Genauigkeit unter Lupen- vergrößerung nach dem Objekte angefertigt worden. Detaillirte Beschreibungen des Cerebellum von den verschiedenen Neuweltaffen sind selten. In der vergleichenden Anatomie von FLATAU 1 Man vergleiche meine inzwischen erschienene Abhandlung: »Hauptzüge der vergleichenden Anatomie des Cerebellum« ete. in: Monatsschrift für Psy- ehiatrie und. Neurologie.. 1902. . 46 Louis Bolk und JACOBSOHN sind die Cerebellen von Cebus und Hapale einer mehr eingehenden Beschreibung unterworfen. Wir werden unsere Untersuchung anfangen mit der vergleichen- den Betrachtung des Medianschnittes, denn auf diese Weise werden Fig. 1. L. sup. post. S. pr. L. sup. ant. Ben L. sup. ant. L. post. sup. === : f m L. ant. sup. L. post. inf. oe B L, ant. inf, inf. post. L. inf. ant. Medianschnitt durch das Cerebellum von Midas (Vergrößert.) Fig. 2. L. sup. ant. L. sup. post. S. pr. e La eae -.------ L. ant. sup. L. post. sup. =e E mL. ant. inf. L. post. inf. L. inf. post. L. inf. ant. Medianschnitt durch das Cerebellum von Chrysothrix. (Vergrößert.) wir uns über die Zusammensetzung des Cerebellum bei den ver- schiedenen Formen am schnellsten orientiren können und eine Über- sicht erlangen über den Entwicklungsgrad. des Organs. Die äußeren Formverhältnisse kommen später zur Sprache. Wir nehmen Ausgang von den Figg. 1—5. Diese Figuren sind Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 47 derart gezeichnet, dass die dem Hirnstamme aufliegende Fläche des Cerebellum nach unten schaut, die frontalwärts schauende Seite ist in den Figg: 1, 2 und 4 nach rechts, in den Figg. 3 und 5 nach links Fig. 3: L. sup. ant. E L. sup. post. L. ant. sup. 2----.---- -rben L. post. sup. L. ant. inf. ua L. inf. ant. L. inf. post. L. post. inf. Mediansehnitt durch das Cerebellum von Mycetes. (Vergrößert.) gewendet. Der Medianschnitt des Cerebellum von Hapale zeigt so große Übereinstimmung mit jenem von Midas, dass es überflüssig war, denselben abzubilden. Fig. 4. L. sup. ant. L. Suv. post S. pr. —Q— —— L. post. sup. BEE — NUR Y ff 7 — OE L. ant. sup. L. post. inf. iiis BL. ant. inf. y inf. ant. Medianschnitt durch das Cerebellum von Cebus. (Vergrößert.) L. inf. post. ) Denkt man sich, wie es in den Figuren gedacht worden ist, den Hirnstamm mit seiner Längsachse in eine horizontale Ebene 4s Louis Bolk gestellt, dann lassen sich am Medianschnitt des Cerebellum vier Flä chen unterscheiden, eine vordere, obere, hintere und untere. Letatere biegt sich in ihrer Mitte nach oben, schneidet in die ‚Hirnmasse. ein und bildet die Begrenzung des Zeltes. Und da diese Flächen mei- stentheils in ziemlich geraden Winkeln an einander stoßen, hat der Medianschnitt eine mehr oder weniger viereckige Gestalt. Am schärf- sten sind diese Flächen bei Midas und Hapale von einander abge- srenzt, namentlich biegt die hintere Fläche hier plötzlich ohne Wölbung in die obere und untere um. Der Übergang der vorderen Fläche in die obere und untere ist dagegen mehr abgerundet. Darin tritt bei den Aretopitheeiden schon ein Merkmal zu Tage, das wir bei Mycetes, Cebus und Ateles wiederfinden, denn auch bei diesen Fig. 5. L. sup. ant. S. pr. L. sup. post. L. sup. ant. Wi L.aut. sup.| L. ant. inf. L. infant. In inf. post. faz. z post. inf. Medianschnitt durch das Cerebellum von Ateles. (VergróDert.) drei Formen ist die Abgrenzung der hinteren gegen die anstoBende obere und untere Fläche‘ viel schärfer ausgeprägt, als es mit der vorderen Fläche der Fall ist. Bei Chrysothrix weicht der Median- schnitt des Cerebellum. ein wenig von den übrigen ab, indem hier die hintere Fläche eine nicht unansehnliche Einknickung zeigt. Bei den übrigen Affen zeichnete sich diese Fläche gerade durch ihre Flachheit aus und ist ziemlich genau senkrecht zur Achse des Hirn- stammes gestellt. Diese hintere Fläche liegt unmittelbar der Schuppe des Occipitale an, da ein Falx cerebelli bei den amerikanischen Affen nicht zur Entwicklung gelangt oder kaum angedeutet ist, wie aus den Figg. 6—9 ersichtlich ist. Diese Figuren sind den gehärteten und halbirten Köpfen eines Hapale, Chrysothrix, Cebus capucinus und Ateles ater entnommen und zeigen die Lagerung des Cerebellum Beitrige zur Affen-Anatomie. IV. 49 - zur Schädelwand und zur Hirnsichel in den natürlichen Verhältnissen. Unmittelbar fällt an diesen Medianschnitten die deutliche Abgrenzung des Planum occipitale des Hirnschädels von dessen konvexem Dach- theil auf. Der untere Rand des Falx setzt sich ungefähr in der Fig. 6. Medianschnitt durch den Kopf von Hapale. Medianschnitt durch den Kopf von Chrysothrix. Mitte des Planum an der Innenseite des Oceipitale fort, und wenn man in. Betracht zieht, dass das Tentorium ziemlich senkrecht zur medianen Ebene im Schädelraum ausgespannt ist, dann wird es Fig. 8. Medianschnitt durch den Kopf von Cebus capucinus. aus den Figg. 6—9 deutlich, dass die Oberfläche des Kleinhirns an keiner Stelle mit dem Dachtheil der Gehirnkapsel in Berührung tritt. Aus der Form des Falx ist es ersichtlich, dass bei den vier in den Figg. 6—9 abgebildeten Mediansehnitten die Großhirnhemi- Morpholog. Jahrbuch. 31. ; 4 50 ' Louis Bolk sphären den oberen Raum der Schädelkapsel vollkommen ausfüllen und nach oben das Kleinhirn vollständig vom Großhirn überlagert wird. Eine sehr besondere Form besitzt das Planum nuchae bei Chrysothrix. Auf dem Durchschnitt ist es S-fórmig gekrümmt, mit der Folge, dass der Occi- pitalpol des Großhirns sogar tiefer herabreicht als das Cerebellum. Es ist dann auch von die- AN sem Thiere bekannt, "L.]|dass das Cerebellum LJ theilweise versteckt = liegt in einer Nische, die in der Basalfläche der Großhirnhemisphä- ren ausgehöhlt ist. Auf diese eigenthümliche Gestalt des Planum nuchae ist wohl die Kniekung zurückzu- führen, die sich in der hinteren Fläche des Medianschnittes vom Cerebellum dieses Thieres findet. Bezüglich der Topographie des Cerebellum weiche ich ein wenig von der Vorstellung, die FLATAU und JAcOBSOHN! davon bei Hapale geben, ab. Besonders kann ich mich nicht mit jenen Autoren einverstanden erklären, wenn sie sagen, dass das Cerebellum sehon eine Spur über die hervorstehende Kante vorgerückt ist, mit welcher die konvexe Fläche des Schädeldaches auf die hintere übergeht. Kehren wir nach dieser topographischen Bemerkung zum Me- dianschnitt des Cerebellum zurück. Die obere Fläche war besonders bei Hapale und Mycetes ziemlich flach, bei Chrysothrix und Cebus mehr gewölbt, und geht hier mehr oder weniger abgerundet in die vordere Fläche über. Da letztere sich den Corpora quadrigemina anschmiegt, zeigt sie demgemäß eine mehr oder weniger ausgeprägte Konkavität, und setzt sich unter gleichmäßiger Wölbung in die untere Fläche fort. Diese Fläche des Kleinhirns wird durch das "Fig. 9. Medianschnitt durch den Kopf von Ateles ater. Die Schädel- knochen sind pathologisch verdickt. 1 FLATAU und JACOBSOHN, Handbuch der Anatomie und vergleichenden Anatomie des Centralnervensystems der Säugethiere. Berlin 1899. I. Theil. Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 51 Fastigium in einen vorderen und einen hinteren Abschnitt getheilt. Der hintere Theil ist gewöhnlich etwas länger als der vordere. Das Fastigium stellt auf dem Durchschnitt eine ziemlich schmale, tief eindringende Spalte dar, die lateralwärts sich erweitert und all- mählich niedriger wird. Diese Spalte steht bei Hapale, Midas, Chrysothrix, Cebus und Ateles senkrecht zum Boden des Sinus quartus, nur bei Mycetes ist sie nach hinten und oben gerichtet. Die Begrenzungsflächen des Zeltes sind meistentheils durch eine scharfe Kante von der unteren Seite des Cerebellum abgesetzt. Nach oben stößt das Fastigium an die untere Seite des Mark- kernes. Dieser hat eine unregelmäßig viereckige Gestalt. Wenn das antero-posterieure Maß des Cerebellum auf dem Medianschnitt das längere ist wie bei Midas, Cebus, Mycetes und Ateles, ist auch der Markkern in dieser Richtung am längsten. Hat das Kleinhirn auf diesem Durchschnitt eine mehr rundliche Gestalt, wie es bei Chry- sothrix der Fall ist, dann ist auch die mehr zusammengedrungene Form des Markkernes damit in Übereinstimmung. Denkt man sich den Markkern durch das verlängerte Fastigium in eine vordere und eine hintere Hälfte getrennt, dann sind beide Stücke einander bei Mycetes, Midas und auch nahezu bei Chrysothrix ziemlich ähn- lich in Form und Ausbreitung; bei Cebus ist das vordere Stück ein wenig voluminöser, während bei Ateles das in der vorderen Hälfte liegende Stück mehr abgerundet und etwas größer erscheint. Wir . werden später diese Verhältnisse in Verbindung mit anderen Er- seheinungen noch einmal hervorheben. Mit jenem des Menschen ver- glichen, erscheint der Medianschnitt des Markkernes der Neuweltaffen mehr als eine .voluminöse, centrale Masse, wovon nach allen Rich- tungen hin Strahlen ausgehen, und ähnelt weniger dem Bild eines verzweigten Blattes. Ehe wir zur Vergleichung der Form und der Oberflächenerschei- nungen der untersuchten Cerebellen übergehen, muss eine allgemeine: Bemerkung vorausgeschickt werden über die Eintheilung des Cere- bellum. Es ist von FLATAU und JACOBSOHN in ihrer oben eitirten ver- gleichend-anatomischen Arbeit über das Centralnervensystem nach- drüeklieh betont worden, dass die übliche Eintheilung des Cerebellum des Menschen für vergleiehend-anatomische Zwecke gänzlich unge- nügend ist!. Diese Eintheilung setzt stillschweigend die Anwesenheit ! Man vergleiche auch meinen auf pag. 2 citirten Aufsatz. 4* 52 Louis Bolk eines bis zur Mediauebene durchziehenden Sulcus horizontalis cere- — belli voraus, und dieser wurde, der sogenannte Wurm, in zwei Theile, einen Ober- und Unterwurm zerlegt. Wie unbestimmt diese Grenze ist, folgt daraus, dass sie von den Autoren nicht immer an identi- scher Stelle gedacht wird (vgl. z. B. die Angabe ScHWALBE's mit jener von HENLE) Dass dieser Eintheilungsmodus schon innerhalb der Reihe der Primaten nieht durchführbar ist, beweisen die Neu- weltaffen aufs deutlichste, denn hier fehlt ein Sulcus horizontalis, oder er ist kaum angedeutet. Wie später näher aus einander gesetzt werden wird, sind im vorderen seitlichen Theil der Hemisphären die Beziehungen der Marklamellen zu einander andere als beim Menschen, wiewohl man doch z. B. aus dem Zustand bei Ateles schon leicht schließen kann, durch welche Umbildungen der beim menschlichen Kleinhirne so deutlich entwickelte Sulcus horizontalis entstanden sein kann. Bezüglich des makroskopischen Baues des Cerebellum schließe ich mich jenen Autoren an, die die übliche Eintheilung des » Wurmes« in Ober- und Unterwurm, oder in Vermis superior, posterior und inferior (HENLE, SCHWALBE) verwerfen. Doch bin ich auf Grund meiner Untersuchungen gezwungen, noch weiter zu gehen, und es kommt mir für eine richtige rationelle Eintheilung des Cerebellum am zweckmäßigsten vor den Begriff »Wurm«, wie er jetzt wohl all- gemein verwendet wird, gänzlich fallen zu lassen, und das ganze Cerebellum aufzufassen als zusammengesetzt aus zwei Lobi, die ich als Lobus anterior und Lobus posterior anführen werde. Zu Gunsten dieser Eintheilung sind wichtige Motive beizubringen. Sie entspricht viel mehr als das ältere Eintheilungssystem dem thatsächlichen Zu- stand, und sie ist für alle Gruppen der Säugethiere durchführbar, da die Grenze zwischen beiden Lobi durch eine bei allen Mammalia wiederkehrende Furche gegeben wird. Weiter ist diese Eintheilung in Übereinstimmung mit der Faltenbildung der Cerebellarrinde wäh- rend der Ontogenese. | Was zunächst den letztgenannten Grund betrifft, sei daran£ hin- gewiesen, dass die embryonale Faltung der Kleinhirnrinde bei den Süugethieren bis jetzt noch mangelbaft bekannt ist. Zwar finden sich in den embryologischen Untersuchungen von KÖLLIKER, His, MIHALCOVICZ, weiter in der vergleichend-anatomischen Arbeit von LEURET et GRATIOLET vereinzelte Beobachtungen, aber Untersuchun- — gen mit dem Hauptzweck, die Faltungsweise des Cerebellum onto- genetisch kennen zu lernen, angestellt, sind bis jetzt sehr sparsam. Beitrige zur Affen-Anatomie. IV. 53 Es lässt sich nur namhaft machen die Untersuchung von W. KurrHAN !, eine Publikation, die bis jetzt wenig beachtet, auch von FLarau und JACOBSOHN übersehen worden ist. Der Autor hat an embryo- logischem Material des Menschen und des Schafes nachgewiesen, dass die erste Querfurche, die an der zu jener Zeit relativ dieken Kleinhirnrinde entsteht, eine ist, die das Kleinhirn in einen kleineren vorderen und einen größeren hinteren Lappen theilt. Für diese Furche schlägt der Autor den Namen »>Suleus primarius cerebelli« vor, und fährt dann fort: Den vor ihr gelegenen Theil des Klein- hirns will ich »Vorderlappen«, den hinter ihr gelegenen »Hinter- lappen« nennen. Hieraus geht hervor, dass KurrHAn der Erste war, der statt der üblichen Eintheilung des Cerebellum in einen oberen und unteren Lappen eine Eintheilung in vorderen und hinteren Lappen vorgeschlagen hat. Auf pag. 30 seiner Abhandlung macht er weiter aufmerksam auf die Thatsache, dass bis jetzt auf die sehr tiefe Primarfurche viel zu wenig Gewicht gelegt ist. Verfolgt man die Entwicklung dieser Furche beim Menschen weiter, dann sieht man, wie dieselbe allmählich sich vertieft und schließlich sich um- bildet zu der sehr tiefen Furche, die den Vermis superior der Autoren in einen vorderen und hinteren Theil spaltet, das ist zum Suleus superior anterior. Ich muss jedoch bemerken, dass die große Be- deutung dieser Furche von SCHWALBE in seinem Lehrbuche der Neurologie hervorgehoben ist, und dass gerade dieser Autor KOLLIKER gegenüber, diese den Lobus quadrangularis des Menschen in einen vorderen und hinteren Lappen zerlegende Furche, als eine primäre Furche auffasst und nieht wie KÖLLIKER als eine sekundäre. Ohne offenbar von der Untersuchung Kurruan’s Kenntnis zu haben, gelangen FLATAU und JACOBSOHN (l. c.) auf Grund ihrer ver- gleichend-anatomischen Untersuchungen zum gleichen Resultate wie jener Autor. Nachdem sie auf die Inkonstanz des Suleus horizon- talis hingewiesen haben, heben sie die hohe morphologische Bedeu- tung des Suleus superior anterior der Autoren hervor und schlagen vor, die Unterscheidung eines oberen und unteren Wurmes fallen zu lassen und dagegen einen Hinter- und Vorderwurm zu unterscheiden. Als Grenze zwischen beiden tritt der Suleus superior anterior = Sulcus primarius KurrHAw's auf. Sie kamen dadurch in Streit mit 1 W. KurrHAN, Die Entwicklung des Kleinhirns bei Säugethieren. Münch. medic. Abhandlungen. VII. Reihe. 6. Heft. München 1895. 54 Louis Bolk den Anschauungen ZIEHEN's!, der bei den Monotremen die bezüg- — liche Furehe mit dem Sulcus horizontalis magnus homologisirte. In seiner Monographie iiber das Gehirn der Edentaten stellt auch ELLIOT SwirH? die Bedeutung dieser von ihm als Sulcus prin- cipalis unterschiedene Furche ins rechte Licht. Das Zutreffende der Auffassung von KurrHAN, FLATAU und JACOBSOHN und ELLIOT SMITH fällt bei einer Betrachtung der in den Figg. 1—5 gegebenen Medianschnitte sofort ins Auge. Deutlicher selbst als beim Menschen tritt hier die Zweitheilung des Cerebellum auf dem Medianschnitt im Lobus posterior und Lobus anterior da- durch zu Tage, weil von unten her das Fastigium in der Form einer relativ schmalen Spalte mit parallelen Grenzflächen ziemlich tief ins Innere des Cerebellum einschneidet, beim Menschen und den Anthropoiden dagegen in der That mehr zeltartig gebaut ist. Es ist nun eine sehr charakteristische Erscheinung, dass, wenn man bei den Cerebellen der Neuweltaffen die Ebene des Zeltraumes nach oben durch den Markkern verlängert sich denkt, man ohne Aus- nahme in den Sulcus primarius hineingelangt. Der Sulcus primarius und das Zelt liegen in einer Ebene und sind durch den hier ver- hältnismäßig schmalen Markkern von einander getrennt. Indem beide Spalträume einander sehr sich nähern, ist die Trennung des Cerebellum in einen vorderen und hinteren Theil bei den amerikani- schen Affen sehr deutlich ausgeprägt. Bei Mycetes, wo das Zelt schräg nach hinten und oben einschneidet, weicht auch der Sulcus primarius in gleichem Sinne von der vertikalen Ebene ab. Auf dem Medianschnitt sind die beiden Lobi des Cerebellum unge- fähr gleich groß, nur bei Midas überwiegt der Lobus posterior ein wenig. Wir haben in der Zweitheilung des Cerebellum mittels des Sulcus primarius einen bequemen Leitfaden für die weitere verglei- ehende Betrachtung des Cerebellum, zumal diese Furche nicht nur auf dem Medianschnitt als eine der tiefsten gekennzeichnet, sondern auch in den Seitentheilen immer bis zu den Seitenrändern vordringt. Wir besprechen zunächst den Lobus anterior cerebelli. So wenig Mühe es kostet, am Medianschnitte auf den ersten Blick den Suleus primarius zu bestimmen, so schwierig erscheint 1 Tu. ZIEHEN, Das.Centralnervensystem der Monotremen und Marsupialier. Denkschr. der med.-naturw. Gesellschaft zu Jena. Bd. V. Jena 1897. 2 G. ELLIOT SMITH, The Brain of the Edentata. Transact. Linnean. soc. of London. Vol. VII. Part 7. London 1899. Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 55 ‚solches bei Betrachtung der oberen Fläche des Cerebellum. Denn diese Furche ist äußerlich durch nichts von den vorangehenden oder nachfolgenden zu unterscheiden, namentlich klafft sie nicht mehr als jene, die vor oder hinter ihr gelagert sind. In den Fig. 10—14 ist sie der Bequemlichkeit wegen ein wenig mehr hervorgehoben worden. Obere Seite des Cerebellum von Midas. Obere Seite des Cerebellum von Hapale. (Vergrößert.) (Vergrößert.) Man vermag an der oberen Fläche des Lobus anterior cerebelli vier Rän- der zu unterscheiden, einen vorderen, hinteren und zwei - seitliche. Der vordere Be- grenzungskontour wechselt bei den verschiedenen For- men in sehr regelmäßiger Weise. Bei den beiden Arctopitheciden stellt er eine wellenförmig gebogene Linie dar, deren meist vor- springender Theil in der Medianlinie sich findet. Diese Prominenz entspricht der Grube zwischen den vorderen und hinteren Cor- . pora quadrigemina, liegt e . i: .Cerebellum von Cebus capucinus. Etwas von oben und doch das hintere Vierhügel- hinten betrachtet. (Vergrößert.) paar gänzlich unter dem Cerebellum versteckt. Gleiches gilt auch noch für Chrysothrix; auch hier ist die Greuzlinie als Ganzes nach vorn konvex. Bei 56 Louis Bolk Mycetes dagegen, Cebus, und besonders bei Ateles ist die Vorder- grenze zu einer nach vorn konkaven umgestaltet, was dadurch erreicht wird, dass die seitlichen Ränder sich verlängert haben. Betrachtet man die Figg. 10—14 in dieser Reihenfolge: Hapale, Midas, Chrysothrix und Ate- Fig. 14. les, so sieht man, wie all- - mählich der Seitenkontour des Lobus anterior cerebelli länger wird und dass dem zufolge in der gegebenen Reihenfolge der Vorderlap- pen allmählich seine Ge- stalt wechselt. Besteht die- ser bei Hapale aus einem Obere Seite des Cerebellum von Ateles ater. (Vergrößert.) sehr breiten mittleren Theil, der lateralwärts sich spitzen- artig verjüngt, so ist er bei Ateles zu einem Lappen umgebildet, von dem die vordere. und hintere Grenze einander parallel und nach vorn konkav verlaufen. Von oben gesehen, stößt der Lobus anterior seitlich an einen oftmals sehr komplieirt gebauten Lamellen- komplex, den ich aus später zu erörternden Gründen als Formatio vermicularis cerebelli ss Sie gehört dem Lobus ires cerebelli an. Bezüglich der Reliefverhältnisse sei Hehe dass lateralwärts die Oberfläche mehr oder weniger abfällt, aber immer gleichmäßig. Niemals springt eine der Medianzone entsprechende Portion derart hervor, dass man von einem seitlich begrenzbaren Wurmtheil als selbständiger morphologischer Untertheil des Lobus anterior sprechen konnte. Denn bei keiner der von mir untersuchten Formen war im Bereiche des Lobus anterior auch nur die geringste Spur von Sulei paramediani zu sehen. Bei den Arctopitheciden ist es am deutlichsten, dass man die in der Rinde einschneidenden Furchen in zwei Kategorien einzu- theilen vermag, die als Total- und Partialfurchen zu unterscheiden sind. Dieser Eintheilung kommt ein besonderer Werth zu für das richtige Verständnis der Wachsthumscentra der Cerebellarrinde. Wir werden später sehen, dass das Auftreten der Partialfurchen an gewisse Stellen der Rinde gebunden ist, und die Lagerung dieser Stellen in hohem Grade zur Entstehung der äußeren Gestalt des Kleinhirns beitragen. Die Totalfurchen des Vorderlappens durch- Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 57 setzen die ganze Breite des Cerebellum. Bei Hapale, Midas, My- cetes und Chrysothrix trifft man eine streng durchgeführte Symmetrie der Furehen- und somit der Lamellenbildung an. Die Totalfurchen verlaufen regelmäßig in der vorgeschriebenen Weise und zerlegen die Rinde in eine geringe Zahl Markblattchen. Die Partialfurchen erstrecken sich seitlich von der Medianlinie, um schon in wechseln- der Entfernung der Seitenränder zu enden. Dadurch wird die von zwei Totalfurchen begrenzte Lamelle in ihrer mittleren Portion in zwei oder drei Blätter — Töchter- oder Sekundärlamellen könnte man sie nennen — zerlegt. Mitunter kommt es vor, dass Partialfurchen im Suleus primarius ausmünden. Inzwischen bleibt das Bild der Fur- chenbildung bei Hapale und den übrigen genannten Platyrrhinen noch ein rein symmetrisches, wiewohl die Zahl beider Furchenarten bei den genannten Species allmählich erheblicher wird. Bei Cebus treffen wir die erste Andeutung einer Asymmetrie an. Dieselbe wird her- vorgerufen durch den Umstand, dass eine Partialfurche mit dem einen Ende frei an der Oberfläche endet, mit dem anderen Ende jedoch in eine Totalfurche ausmündet. Dadurch werden Tochter- lamellen gebildet, die auf der einen Hemisphäre breit mit der Mutter- lamelle zusammenhängen, auf der anderen Seite durch die beiden zusammenfließenden Furehen abgegrenzt, spitz enden. Diese Er- scheinung, die auf die Symmetrie des Furchensystems störend ein- wirkt, ist im Lobus anterior von Cebus nur angedeutet, gewinnt aber bei Ateles einen höheren Entwicklungsgrad. In geringer Entfernung, links und rechts von der Medianlinie, fließen mehrfach Totalfurchen und Partialfurchen zusammen, so dass ein Sulcus, der auf der einen Hälfte als Partialfurche anfängt, auf die andere sich als Totalfurche fortsetzt. Es ist in der That bemerkenswerth, wie plötzlich so zu sagen das symmetrische Verhalten des Furchensystems bei Ateles gestört wird, die Expansion der Rinde ist hier den iibrigen Neuweltaffen gegenüber mächtig gesteigert. Es steht denn auch Ateles bezüglich der Entwicklung seines Gehirns an der Spitze der Neuweltaffen. Einsicht in die Gestaltung der vorderen und unteren Seite des . Lobus anterior und der Anordnung der Lamellen gestatten die Text- figg. 15 (Chrysothrix) und 16 (Cebus), sowie die Tafelfigg. 2 (Hapale), 3 (Midas), 4 (Mycetes) und 5 (Ateles) auf Taf. II. Sämmtliche Skizzen und Figuren sind senkrecht zur Eingangsebene des Zeltes angefertigt. Bei Midas ist der Vorderlappen dem Blick entzogen, weil zum Theil das Velum medullare anterius in situ eingezeichnet ist. 58 Louis Bolk Die Form der Vorder-Unterfliche des Vorderlappens wechselt sehr abhängig von der Weise, in welcher beide Theile dieser Fläche in einander übergehen, ob mehr scharf oder mehr abgerundet und nicht weniger von der Weise, wie sich dieser Theil der Cerebellar- oberfläche der Dorsalfläche des Mittelhirns anschmiegt. Ohne Hilfe der Medianschnitte ist somit eine Homologisirung der Furchen an der Hand der gegebenen Figuren nicht möglich. Zum Theil grenzt die Vorderfläche seitlich noch an den Pedunculi cerebelli. Bei Ateles fängt ungefähr in der Mitte der Vorderfläche der mediale Theil der Cerebellarrinde sich gleichmäßig zu erheben an, und diese Relief- erscheinung prägt sich in der Richtung des Zeltes — oder wie ich es nennen möchte — des Margo mesencephalis immer schärfer aus, so dass an der unteren Fläche des Vorderlappens von Ateles eine stark hervorgewölbte, abgerundete Leiste zur Ausbildung gelangt, seitlich Fig. 16. Das Cerebellum von Chrysothrix von unten be- Ceb ten betrachtet. trachtet. (VergróBert.) Das Cerebellum von Cebus von unten r von zwei grubenartig vertieften Hemisphärentheilen begrenzt. Diese Erscheinung tritt auch bei Cebus auf (Fig. 16), doch lange nicht so deutlich als bei Ateles; bei Mycetes zeigen die Seitenpartien der Vorder-Unterfläche nur zwei seichte Vertiefungen, den Corpora qua- drigemina posteriora entsprechend (Tafelfig. 4), bei Chrysothrix finden sich an identischer Stelle zwei scharf umrandete Impressionen (Fig. 15). Bei Hapale bohrt sich der Untertheil des Vorderlappens ziemlich tief im Boden des Sinus rhomboidalis ein und verursacht in der vorderen Hälfte dieses Bodens eine scharf begrenzte, halbmondförmige Ver- tiefung, wie aus Fig. 6 auf Taf. II ersichtlich. Durch tiefer einschneidende, bis zum Markkerne vordringende Furchen wird der Lobus anterior cerebelli in mehrere Untertheile - oder Läppehen zerlegt, während jedes Läppchen durch mehr oder weniger tief einschneidende Spalten, von der Oberfläche oder von Beitrige zur Affen-Anatomie. IV. 59 den Seitenflächen ausgehend, aufs Neue in Untertheile zerlegt wird. Auch von letzteren sind die Seitenflächen wieder mit Randwülsten "besetzt. Dadurch entsteht das oftmals sehr komplieirte Faltensystem der Hirnrinde, welches man am bequemsten bei den verschiedenen Objekten mit einander vergleichen kann, wenn man Ausgang nimmt von den vom Markkerne ausstrahlenden: Fortsätzen weißer Substanz. Es tritt bei einer Vergleichung der Figg. 1—5 sofort eine all- mähliche Komplieirung in dem Markästensystem zum Vorschein. Ziemlich einfach bei Midas, erreicht bei Ateles das System seine höchste Entfaltung. Versucht man, ausgehend von Midas, die hier bestehenden Markäste zum Zwecke einer Homologisirung der Lobuli bei den vier übrigen genannten Formen wieder aufzufinden, so ge- lingt dieses nur theilweise. Zwar hat bei sämmtlichen Affen das Ramifikationssystem der Markstrahlen einige allgemeine Charakter- züge gemein und weist dieses auf etwas Gesetzmäßiges in der Faltungsweise der Kleinhirnrinde hin, jedoch gelingt es nicht die bei Midas bestehenden Markstrahlen des Lobus anterior bei sämmt- lichen Formen in vollkommener Homologie wieder zu finden. Am meisten konstant erscheint der Ast, der unmittelbar vor dem Suleus primarius aufsteigt. Diesem Ast entspricht ein Lobulus, der nach hinten vom Suleus primarius begrenzt, nach vorn seine Ab- grenzung findet durch eine Furche, die an die Oberfläche tritt, etwa an der Stelle, wo die obere Flache des Cerebellum in die vordere umbiegt, oder, wie es bei Midas und Mycetes der Fall war, auf die vordere Fläche. Dieser Lobulus nimmt somit die vordere Hälfte der oberen Fläche ein, wesshalb ich denselben als das obere vordere Lápp- chen bezeiehnen werde (Lobulus sup. ant.), und ebenfalls den ihm zu Grunde liegenden Markstrahl als oberen vorderen. Nicht nur dureh dessen Auftreten, sondern auch durch dessen wenig variirende Ver- ästelungsweise zeichnet sich dieser Markstrahl aus und ohne Mühe ist das einfache Bild, das Midas uns bietet, auch bei den übrigen Affen, mit Ausnahme von Mycetes, wieder aufzudecken. Etwa in seiner Mitte spaltet sich bei Midas der Strahl diehotomisch, wobei der eine Ast vorwärts gerichtet ist, während der zweite dem Sulcus primarius parallel aufsteigt und als Fortsetzung des Hauptstrahles betrachtet werden kann. Noch einmal spaltet letzterer einen kürzeren Ast nach vorn ab, um dann unter dichotomischer Verzweigung mit zwei kurzen Astchen zu enden. Dorsalwärts, das ist in der Rich- tung des Sulcus primarius, gehen zwei kurze Seitenzweige ab, welche zur Grundlage dienen für Lamellen, die von der Vorderwand des 60 Louis Bolk Suleus primarius sich erheben. Durch die erste Verzweigung des oberen vorderen Markstrahles wird der entsprechende Lobnlus in zwei Theile zerlegt, eine Pars anterior und eine Pars posterior. Genau die gleiche Ramifikation wie bei Midas findet sieh bei Ateles, nur ist hier jeder der erwähnten Seitenüste mit tertiären Sprossen ver- sehen, die je zur Grundlage einer in der Tiefe der Sulei versteckt liegenden Rindenlamelle dienen. Die Homologie der Zweige ist bei Midas und Ateles eine fast vollkommene, man kónnte behaupten, dass ein erwachsener Midasaffe eine Verästelung dieses Markstrahles zeigt, wie Ateles einst in einer früheren Periode seiner Kleinhirnentwick- lung sie besaß. Auch Chrysothrix weicht nur darin von Midas ab, dass die beiden dorsal abgehenden zum Suleus primarius gerichteten Seitenzweige aus einem kurzen gemeinschaftlichen Stimmchen Ur- sprung nehmen. | Ein wenig mehr abweichend verhält sich Cebus. Der Ast näm- lich, der bei Midas, Ateles und Chrysothrix in der Mitte des Haupt strahles abgespaltet wird und der Pars anterior des oberen vorderen Lüppchens entspricht, löst sich hier schon am Fuße jenes Haupt- strahles fast unmittelbar aus dem Markkerne ab und gewinnt dadureh eine größere Selbständigkeit, jedoch ist er nur unvollkommen homolog mit dem entsprechenden Ast bei den drei genannten Affen, denn er liegt einem kleineren Hirnabschnitt zu Grunde und als Kompensation dazu ist der zweite mehr oberflächlich vom Hauptstrahle abgezweigte Ast relativ stárker entfaltet. Zwischen diesen beiden Nebenzweigen besteht in ihrer Entfaltung somit eine kompensatorisehe Beziehung. Derartige Erseheinungen werden wir mehrfach im Lobus anterior an- treffen. | Das Verhalten bei Cebus leitet zum Verstündnis jenes, das bei Mycetes gefunden wird. Hier hat sich der Hauptseitenzweig gänzlich vom Hauptstrahle zurückgezogen und macht sich als selb- ständiger Strahl aus dem Markkerne frei. Die zwei Portionen des oberen vorderen Läppchens sind in Folge dessen durch eine fast bis zum Markkerne einschneidende Furche von einander getrennt. Der zweite Markstrahl des Lobus anterior ist einfacher gestaltet und bildet die Grundlage eines Lippchens, das bei Midas etwa die mittlere Partie des Lobus anterior bildet. Dieses Läppchen und den ihm entsprechenden Strahl werde ich als vorderes oberes unterscheiden (Lobulus anterior superior), es besteht das ganze ihm entsprechende Läppchen bei Midas nur aus vier Rindenlamellen. Weiter nach unten folgen dann bei Midas noch zwei Markstrahlen, kurz und Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 61 unverzweigt, welche je einem sehr einfach gestalteten Lobulus des Vorderlappens vom Cerebellum entsprechen. Diese beiden Läpp- chen nehmen respektive den unteren Theil der Vorderfläche und den vorderen Theil der Unterfläche ein. Ich unterscheide dieselben desshalb als vorderes unteres, und als unteres vorderes Läppchen und werde die ihnen entsprechenden Strahlen in gleicher Weise unterscheiden (Lobulus anterior inferior, Lobulus inferior anterior). Versucht man bei den übrigen Affen die Homologien dieser drei Markäste festzustellen, so stößt man in Folge der Komplieirung der Ramifikation und der theilweisen Verschmelzung von Ästen auf einige Schwierigkeiten. Am leichtesten erscheint noch die Homologisirung bei Chrysothrix (Fig. 2). Zwar sind hier die Strahlen länger und haben Seitensprossen getrieben, aber ihr Verhalten stimmt noch der- art mit jenem bei Midas überein, dass hier eine vollkommene Ho- mologie zu verzeichnen ist. Cebus und Mycetes dagegen weichen in gleicher Richtung von Midas ab, und zwar in jenem Sinne, dass hier der vordere obere und vordere untere Markstrahl zusammen- geflossen sind. Es entsteht dadurch ein bei beiden Objekten über- einstimmendes Bild. Aus der vorderen Fläche des Markkernes ent- steht ein Markstrahl, der — bei Mycetes deutlicher als bei Cebus — sich etwa in seiner Mitte in zwei Äste theilt. Als eine Kom- pensationserscheinung muss der Umstand hervorgehoben werden, dass der untere vordere Strahl eine relativ stärkere Entfaltung zeigt als bei Chrysothrix. | Aus den Erscheinungen bei Midas, Chrysothrix, Cebus und Mycetes gewinnen wir die Ansicht, dass der Faltungsprocess der Kleinhirnrinde bei diesen Affen principiell in gleicher Weise sich vollzog, nämlich derart, dass der ganze Lobus anterior durch die am frühesten auftretenden Furchen in vier Läppchen zerlegt wird. Allerdings gesehah die Theilung nicht bei den versehiedenen Formen in einer streng mathematischen Gleichheit, bei dem einen Thiere kann einem der Läppchen ein größerer Theil der Rindenober- fläche zufallen als bei dem anderen auf Kosten des benachbarten Läppehens, wodurch letzteres theilweise mit dem ihm benachbarten Läppchen verschmelzen kann. Die Homologien der Läppchen sind also bisweilen nur unvollkommene. Eine Abweichung von dem Ver- halten bei Midas in entgegengesetzter Riehtung als bei Cebus und Ohrysothrix weist Ateles auf (Fig. 5) Hier machen sich aus der vorderen und unteren Flüche des Markkernes im Lobus anterior nieht drei, sondern vier Hauptstrahlen frei, und das Ganze deutet 62 Louis Bolk hin auf eine stirkere Entfaltung der Rinde des Lobus anterior in den Mediantheil. Die Aufstellung der Homologien kann bei diesem Thiere kaum etwas mehr sein als ein Versuch, wozu uns jedoch die Betrachtung der Fig. 5 auf Taf. II gute Dienste zu leisten vermag. Man sieht in dieser Figur, dass der untere hintere Theil des Lobus anterior, der unmittelbar vor dem Fastigium sich ausstreckt, aus zwei Lamellen besteht, die in transversaler Richtung verlaufen. Mehr nach vorn — in der Figur mehr nach oben — folgen dann einige Lamellen, die schräg zu beiden erstgenannten gestellt sind. Ich bin nun der Meinung, dass wir in den beiden erstgenannten Lamellen das Homologon des unteren vorderen Läppchens von Midas, Hapale und Chrysothrix zu erblicken haben, so dass der kurze nach unten ge- richtete Strahl in Textfig. 5 den unteren vorderen Strahl vorstellt. Und es würde somit der Lobulus anterior des Cerebellum von Ateles sich auszeichnen durch die mächtige Entfaltung des vorderen oberen und des vorderen unteren Láüppehens, wobei vielleicht das Haupt- gewicht auf den erstgenannten dieser beiden zu legen ist. Es kommt mir doch am wahrscheinlichsten vor, dass die Fünfzahl der Strahlen des Lobus anterior erreicht wird durch die Spaltung des vorderen oberen Strahles in zwei selbständig aus dem Markkerne Ursprung nehmende Äste. Es ist doch von Bedeutung, dass der meist obere der nach vorn ziehenden Strahlen nach oben reich mit Randwülsten besetzt ist, nach unten dagegen keinen einzigen trägt. Und dass die stärkere Entfaltung der Rinde hauptsächlich im Gebiet des oberen Láppehens gesucht werden muss, wird weiter wahrscheinlich gemacht durch die kammartige Erhebung, die die Hirnmasse, wie aus Tafelfig. 5 ersichtlich, hier zeigt. Eine Vergleichung mit anderen individuellen Zuständen bleibt hier indessen sehr erwünscht. Wir ersehen somit, dass die Rindenoberfläche des Lobus anterior bei Ateles sich-stark vergrößert, und zwar derart, dass in der Ent- wieklung dieses Hirntheiles Ateles an die Spitze der platyrrhinen Affen gestellt werden muss. Es wird uns jetzt begreiflich, warum der Markkern bei Ateles, so weit dieser sich im Lobus anterior findet, in Vergleich mit den übrigen Affen so stark angeschwollen erscheint; es muss doch mit einer Vergrößerung der Rindenmasse. eine Vermehrung der Marksubstanz verbunden sein. Aus einer Vergleichung der Faltungsgraden der Hirnrinde bei den beschriebenen Neuweltaffen kann auf eine allmähliche Kompli- cirung in Folge einer Oberflächenvergrößerung der Rinde geschlossen werden. Es erhebt sich nun die Frage, ob an dieser Oberflächenver- Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 63 größerung des Lobus anterior die Rinde gleichmäßig betheiligt ist, oder ob dabei vielleicht eine Partie der Rinde bevorzugt ist. Ich ver- meine, dass zur Beantwortung dieser Frage die Erscheinung maßgebend ist, dass die Tochterlamellen, wie ich sie oben nannte — das sind jene, die von partiellen Furchen begrenzt sind — in der medianen Zone des Lobus anterior auftreten. Schon eine einfache Betrachtung der Textfigg. 11 und 12 macht es sofort deutlich, dass die Rindenober- fläche in der medianen Zone des Lobus anterior schon bei den Arctopitheciden größer sein muss als in den seitlichen Partien. Denn dort ist die Zahl der Furchen und mithin der in der Tiefe versteckte Rindentheil größer als lateralwärts. Und diese Erscheinung ist eben- falls bei den übrigen Formen zu konstatiren. Neue, anfänglich in- komplete Furchen treten zuerst in der Medianlinie auf und dehnen sich bei Formen mit mehr voluminösem Cerebellum seitwärts aus, bis sie die Seitenränder erreichen. Dieses gilt sowohl für die an der Oberfläche sichtbaren, als für die in der Tiefe verborgenen Fur- chen. Diese Erscheinung leitet uns zu folgender Schlussfolgerung: Es besteht im Lobus anterior cerebelli der Neuweltaffen ein bestimmtes Wachsthumscentrum, welches in der Median- linie seine höchste Intensität besitzt, dessen Wirksamkeit lateralwärts allmählich schwächer wird. Folglich ist die Oberflichenzunahme der Rinde am meisten intensiv in der Medianlinie, am geringsten an den Seitenrändern des Lobus anterior. Gehen wir jetzt zur Besprechung des Lobus posterior über. In mehrerer Hinsicht weicht die äußere Form dieses Lappens von jener des Lobus anterior ab. Obgleich, wie aus den diesbezüglichen Fi- guren ersiehtlich, auf dem Medianschnitt jedem Lobus augenscheinlich die Hälfte des Cerebellum zufällt, kommt doch immer dem Lobus posterior der größte Theil der Gesammtmasse des Cerebellum zu in Folge der bisweilen sehr ansehnlichen Anschwellung der Seitentheile. Dadurch hebt sich dieser Lobus in seinem äußeren Aspekt schon erheblich vom vorderen ab, da in Folge dieser kräftigeren Entfal- tung der mediale Theil dieses Lobus bisweilen mehr oder weniger tief zwischen den Seitentheilen eingesunken erscheint. Gleichzeitig kommt durch diese Dreitheilung ein typischer Unterschied zwischen Lobus anterior und Lobus posterior zu Stande, denn es ist gerade das Hauptmerkmal des Lobus anterior cerebelli, dass er nur einen einfachen, nicht in transversaler Richtung differenzirten Abschnitt des Cerebellum darstellt. Und man hat desto weniger Recht, auch am 64 . Louis Bolk Lobus anterior einen sogenannten Wurmtheil zu unterscheiden, weil gerade die Differenz in der äußeren Form von Lobus anterior und Lobus posterior aufs engste verknüpft ist mit dem Wachsthumsmodus der Cerebellarrinde. Wie schon gesagt, bietet der Lobus posterior bei den verschie- denen untersuchten Affen zwar erhebliche Differenzen, aber es kehren doeh immer bestimmte Erscheinungen und Beziehungen dabei so konstant wieder, dass wir gerade dadurch über die allmähliche Differenzirung des Cerebellum bei diesen Thieren ziemlich genau unterrichtet werden. | Wir fangen die Beschreibung an mif dem Lobus posterior, des am einfachsten gestalteten Cerebellum, nämlich von Hapale. Man orientirt sich über die Form desselben am schnellsten an einer Profilansicht, wie sie in Textfig. 17 von Hapale und in den Figg. 18—21 für Midas, Chrysothrix, Cebus und Ateles gegeben ist, auch in Fig. 7 auf Taf. II für Mycetes. Damit die vordere Grenze . des Lobus posterior — der Sulcus primarius — besser hervortrete, ist er auch in den bezüglichen Textfiguren kräftiger angedeutet als Fig. 18. Seitenansicht des Cerebellum von Hapale. Seitenansicht des Cerebellum von Midas. (Vergrößert.) (Vergrößert.) die interlamellären Sulci. Es muss jedoch noch einmal bemerkt werden, dass solches in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Es lässt sich nun am genannten Lobus leicht eine obere und hintere Fläche unterscheiden, die längs einer ziemlich scharfen Kante an einander stoßen. Lateralwärts wird bei Hapale diese Kante be- sonders scharf. Der Seitenrand des Lobus posterior ist bei Hapale sehr kurz, wie aus Textfig. 11 hervorgeht. Es giebt jedoch außer Beitrige zur Affen-Anatomie. IV. 65 jenen Lamellen, die am Seitenrande enden, noch solche, die diesen Rand nicht erreichen und dazu beitragen, die transversale Dimension des Kleinhirns nicht unbeträchtlich zu vergrößern. Am besten ist Fig. 19. Seitenansicht des Cerebellum von Chrysothrix. Seitenansicht des Cerebellum von Cebus, (Vergro Bert.) (Vergrößert.) dieses, außer an der Textfig. 11, zu sehen an der Textfig. 22, wo die Basalfläche des ganzen Gehirns abgebildet ist. Die Medulla oblongata ist dabei ein wenig aufgehoben dargestellt. Die ein wenig abgeplatteten Seitentheile sehen dabei wie flügelartig aus und es besteht zwischen dem stielartigen seitlichen Appendix, der später als Fig. 21. Fig. 22. ‘Seitenansicht des Cerebellum von Ateles. Das Gehirn von Hapale jacchus von der Basal- (Vergrößert.) fläche gesehen. (Vergrößert.) Formatio vermicularis nähere Beschreibung finden wird, und der Hauptmasse des Lobus posterior eine nischenartige Vertiefung. Diese eigenthiimliche Form scheint für Hapale charakteristisch zu sein, - Morpholog. Jahrbuch. 31. 9 66 l Louis Bolk wenigstens besitzen die anderen Affen und besonders Midas eine ganz andere Form, wie z. B. am deutlichsten aus einer Vergleichung der Figg. 2 und 3 auf Taf. II zu ersehen ist. Die beschränkte nach oben schauende Fläche des Lobus poste- rior besteht aus Lamellen, die noch nicht durch zwei Sulci para- mediani in ein mediales und zwei laterale Stücke getrennt sind. Diese noch einheitliche Portion des Lobus posterior zeigt noch eine Zusammensetzung, die jener des Lobus anterior ähnlich ist. Auch bei den übrigen Platyrrhinen ist solches der Fall. Ich werde diesen Untertheil des Lobus posterior weiter als »Lobulus simplex« anführen. Wiewohl in seinem allgemeinen Bau dieser Lobulus simplex mit jenem des Lobus anterior übereinstimmt, tritt doeh schon eine Erscheinung auf, wodurch ein Gegensatz zum Lobus anterior gebildet wird. Wie nämlich aus Figg. 11 und 17 ersichtlich, erstrecken sich durch die obere Fläche zwei interlamelläre Furchen, von denen jedoch nur die vordere eine kom- plete ist, die hintere dehnt sich nur streckenweise in die beiden Seitenpartien aus, erreicht die Medianlinie nicht. Wir finden hier somit zum ersten Male in der seitlichen Region des Kleinhirns zwei hinter einander gelagerte Lamellen, die in der Medianzone durch eine einzige Lamelle zusammenhängen. Die Bedeutung dieser Er- scheinung muss darin gesucht werden, dass die bezügliche Lamelle in ihren Seitentheilen in sagittaler Richtung breiter ist als in ihrer medianen Zone. Hier treffen wir die erste Erscheinung an, welche auf die Hauptdifferenz hinweist zwischen dem Entwicklungsmodus des Lobus anterior und des Lobus posterior Würde man das totale Maß der Hirnrinde bestimmen können in mehreren sagittalen Niveaus des Cerebellum, dann würde man finden, dass dieses Maß beim Lobus anterior am größten ist in der Medianlinie und seitwärts all- mählich geringer wird, während beim Lobus posterior gerade das umgekehrte Verhalten besteht. Indem dort die Partialfurchen und die von diesen begrenzten Tochterlamellen von der Medianlinie aus- strahlen, treten dieselben im Lobus posterior in den Seitenpartien auf. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass das Furchen- und Lamellensystem auf der oberen Fläche des Lobus posterior bei Hapale noch ein symmetrisches ist. Die hintere Fläche des erwähnten Lobus zeigt einen ganz an- deren Charakter. In kurzer Entfernung der Medianlinie beginnt an der Grenze zwischen der oberen und hinteren Seite eine Furche, die - in leichter Krümmung der Medianlinie parallel nach unten verläuft Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 67 und sich auch auf die untere Fläche bis zum hinteren Begrenzungs- rand des Fastigium ausdehnt (siehe Fig. 2 Taf. II). Der ganze Lobus posterior zerfällt mithin in zwei Regionen; einen vorderen oberen Theil, den ieh oben schon als Lobulus simplex unterschieden habe, und einen hinteren unteren Theil, den ich als Lobulus complicatus anführen werde, der wieder durch die Sulei para- mediani in einen Lobulus medianus posterior und in zwei Lobuli laterales posteriores zerlegt wird. - Der Lobulus medianus posterior besitzt eine nach hinten und eine naeh unten schauende Flüche, beide sind bei Hapale sehr scharf von einander abgesetzt (Textfig. 17). Die hintere Seite stößt an die Innenfläche des Planum nuchae des Schädels (Textfig. 6), die untere ruht auf der Dorsalseite des Hirnstammes. Bei Hapale stellt de Lobulus medianus posterior den meist naeh hinten vorspringenden Theil der hinteren Cerebellarfläche dar, wiewohl seine Wólbung noch sehr gleichmäßig in jener der Lobuli laterales posteriores sich fort- setzt. Mit dem Auftreten der Sulei paramediani geht eine Inkon- gruenz in dem lamellósen Bau von Lobulus medianus posterior und Lobuli laterales posteriores gepaart, in jenem Sinne nämlich, dass eine Lamelle des ersteren beim Suleus paramedianus endet, und in den meisten Füllen nicht unmittelbar mit einer Lamelle der letzteren zusammenhängt, Vergleicht man die Reliefverhältnisse der oberen und hinteren Fläche des Lobus posterior mit einander, dann möchte man die Differenz zwischen beiden in folgender Weise zum Ausdruck bringen: An der oberen Fläche verläuft die Lamelle ununterbrochen von einem Seitenrande bis zum anderen, an der hinteren Fläche da- gegen giebt es mediale und laterale Randwülste. Entfernt man die Lamellen der Lobuli posteriores laterales, eine nach der anderen, so findet man, dass bei mehreren eine niedrige in der Tiefe der Sulci paramediani versteckte Leiste eine Verbindungsbrücke bildet mit Randwiilsten des Lobulus medianus posterior, und bei Hapale und Midas gelingt es noch, für die Mehrzahl der Lamellen der Lobuli laterales posteriores die zugehörige Lamelle des Lobulus medianus posterior zu bestimmen, bei den übrigen Neuweltaffen war solches jedoch nur sehr unvollkommen möglich. _ Der Umstand, dass bei Hapale und Midas die lateralen Partien der Lamellen mittels niedriger Leistehen in der Tiefe mit dem ihnen zugehörenden medialen Stück verbunden sind, lässt vermuthen, dass bei der ersten Faltung die Sulci auch auf der hinteren Fläche des Lobus posterior ununterbrochen von einem Rande zum anderen zogen, 5* 68 Louis Bolk und dass die Zerbrechung der Lamellen in drei Stücke nur die Folge einer sekundären Verschiebung sind. Dem zufolge muss auch die | Genese der Sulei paramediani als eine sekundäre betrachtet werden, und von ganz anderer Natur als jene der interlamellären Furchen sein. Wenn man, wie ich es bei allen von mir untersuchten Objekten gethan habe, mit Hilfe der Lupe regelmäßig die transversal ver- laufenden Seitenlamellen und die ihnen zugehörigen Lamellen -des Lobulus medianus posterior mit Schere oder Messer ‘entfernt, so findet man, dass bei Hapale schließlich die dem Margo myelencephalis am meisten genäherte Lamellengruppe, das ist jene, die das Fastigium nach hinten abgrenzt, übrig bleibt. Seitlich steht diese Gruppe nieht mit transversal verlaufenden Lamellen der Lobuli laterales posteriores in Verbindung. Diese Gruppe besteht, wie aus Fig. 2 auf Taf. II ersichtlich, aus drei hinter einander gelagerten Blättchen. Dieser - Überschuss der Lamellen des Lobulus medianus posterior ist eben- falls zu konstatiren, wenn man die Lamellenzahl des medianen und der seitlichen Lappen bei Hapale bestimmt. Ersterer nämlich ist aufgebaut aus neun Lamellen, letztere zählen dagegen nur sechs transversal verlaufende Randwiilste. Bei allen untersuchten Formen geht nun von dieser Lamellengruppe des Lobulus medianus posterior eine niedrige Markleiste aus, die, lateralwärts verlaufend, zu ver- folgen ist bis zum eigenthümlich gestalteten Lamellenkomplex, der dem Peduneuli cerebelli aufliegt und das ich oben schon als For- matio vermicularis a habe wel. ZB! Figg. 4 und $ = Taf. IT). | aman Die Haupterscheinungen, die wir bei Hapale im Bau des Lobus posterior kennen gelernt haben, kehren konstant bei den anderen Formen wieder. Doch treten besonders bei den Formen mit un. entwickeltem Cerebellum die Eigenthümlichkeiten schärfer hervor. So zeigt Midas nicht weniger deutlich als Hapale eine Zusam- mensetzung des Lobus posterior aus einem vorderen Theil und einem hinteren unteren Theil, in dem es zur Differenzirung eines Lobulus medianus und zweier Lobuli laterales gekommen ist. Doch ist die Gestalt des ganzen Lobus posterior bei Midas: verschieden ` "von jener bei Hapale. Der Lobulus medianus und die Lobuli laterales sind hier nämlich schon viel schärfer von einander abgesetzt, weil letztere mehr gedrungen und abgerundet erscheinen als bei 'Hapale. ` Eine einfache Vergleichung der übereinstimmenden Figuren bei beiden Formen zeigt diese Differenzen hinreichend und macht eine detaillirte Umschreibung überflüssig. Nur sei bemerkt, dass auch bei Midas Beitrige zur Affen-Anatomie. IV. 69 die Lamellenzahl des Lobulus medianus posterior jene der Lobuli laterales posteriores noch übertraf. Am ersteren zählte ich wieder neun Randwülste, von denen die zwei letzteren durch eine erhabene Leiste mit der Formatio vermicularis zusammenhingen. Als nächstfolgender Zustand, der sich am meisten. dem der Aretopitheciden anschließt, muss der bei Mycetes gefundene genannt werden. Der Lobus posterior zerfällt auch bei diesem Affen in zwei Regionen, eine vordere noch einfache und eine hintere untere, wo Seitenläppchen und Mittelläppchen deutlich differenzirt sind. Ersterer Theil — der Lobulus simplex — besteht aus etwa vier Lamellen, die ununterbrochen von einem Seitenrande zum. anderen verlaufen, und die, da der Sulcus primarius bei Betrachtung der oberen Fläche nicht deutlich von den Sulei interlamellares zu unterscheiden: ist, Fig. 23. I 51 Fig. 24. Das Cerebellum von Mycetes niger von hinten Das Cerebellum von Chrysothrix von hinten be- betrachtet. (VergróBert.) trachtet. (VergróBert.) den Eindruek machen, als gehörte auch dieser Abschnitt zum Lobus anterior Wiewohl die Sulci paramediani auch bei Mycetes deutlich entwickelt und besonders leicht zu erkennen sind durch den Umstand, dass die Inkongruenz in das Lamellengefüge von Lobulus medianus und Lobuli laterales erheblicher geworden ist, erscheint jedoch weder das mittlere noch die seitlichen Läppchen besonders hervorgebuchtet. Eben so wenig als bei den Arctópitheciden besteht bei Mycetes eine mit der Valleeula, Reilii oder selbst der Ineisura cerebelli posterior der Anthropotomie übereinstimmende Vertiefung. Nur an der dem Hirnstamme aufliegenden Fläche ist der Lobulus medianus posterior ziemlieh tief unter das Niveau der Seitenliippchen gesunken, wie aus Fig. 4 auf Taf. II hervorgeht. Die Aufblätterung der Randwiilste bei Mycetes ergab, dass dem letzten Theil des Lobulus medianus 70 Louis Bolk posterior keine Lamellen der Lobuli laterales entsprachen, sondern dass ein Zusammenhang ausgebildet war durch eine niedrige Leiste mit der Formatio vermicularis. Das Cerebellum von Chrysothrix weist mehrere Eigenthümlich- keiten im Bau des Lobus posterior auf, wodurch es sich entfernt von jenem der Arctopitheciden und von Mycetes, und eine Über- gangsform darstellt zu den Kleinhirnen von Cebus und Ateles. Auch bei Chrysothrix ist der Lobus posterior in zwei Theile ge- trennt, und hier ist die Trennung beider Theile selbst sehr deutlich und die Abgrenzung beider Strecken ungemein viel leichter als bei den anderen Affen. Bei Mycetes z. B. ist die Differenzirung nicht so scharf, da sowohl im Lobulus simplex als in den Lobuli laterales posteriores die Lamellen noch an einander parallel und transversal gestellt sind. Bei Chrysothrix dagegen verlaufen im Lobulus simplex die Lamellen noch transversal, Fig. 25. aber im Lobulus lateralis posterior Lobulus lateralis posterior an der ar meist hinteren Lamelle des Lobulus durch die Grenze zwischen den 4 == : mn | simplex zu enden (vgl. Fig. 24), wo- X beiden Abschnitten des Lobus po- 277 NS x cc . . . . sterior eine ungemein deutliche Das Cerebellum yon Ateles von hinten betrachtet. x " - : (VergróBert;) ist. Drüngt man von dieser Zwi- schenfurche die Wände aus ein- ander, dann sieht man, wie jene schrüg verlaufenden Lamellen in der Tiefe dieser Furche mittels einer schmalen, niedrigen Leiste mit der oberen Lamellengruppe des Lobulus medianus posterior in Ver- bindung stehen. Diese Leiste ist eine Kollektivleiste, man kann die Lamellen, die auf ihr enden, nicht mehr gesondert verfolgen, da jede Spur einer lamellósen Zusammensetzung auf ihr versehwindet. Bei Chrysothrix ist mithin der direkte Übergang oder Zusammenhang der einzigen Lamellen der Lobuli laterales posteriores mit solchen des Lobulus medianus posterior verloren gegangen. Die Furche, die bei Chrysothrix so deutlich zwischen Lobulus simplex und Lobulus lateralis posterior ausgebildet ist, ist nieht mehr eine einfache inter- lamelläre Furche, sondern hat schon den Werth eines Sulcus inter- lobularis. Ich werde denseiben als Suleus posterior cerebelli unterscheiden (s.pos:). Beitriige zur Affen-Anatomie. IV. 71 Der schräge Verlauf der Lamellen im Lobulus lateralis posterior geht mit einer Zahlvermehrung gepaart, was wieder hindeutet auf eine Vergrößerung der Rindenoberfläche in dieser Region des Cere- bellum. Diese lokalisirte Massezunahme tritt deutlich zu Tage bei Betrachtung des Cerebellum von oben (Textfig. 12). Es wölben sich die Lobuli laterales posteriores stark hinterwärts, wodurch die Diffe- renzirung in einen Mittellappen und zwei seitliche Lappen viel mehr als bei Mycetes ausgeprägt ist. Doch bleibt die Incisura cerebelli noch immer untief. | Das untersuchte Gehirn von Cebus zeigte in der äußeren Kon- figuration des Lobus posterior nichts wesentlich Neues. Nur waren die Erscheinungen, auf welche schon Chrysothrix die Aufmerksam- keit hinlenkte, hier in größerer Vollkommenheit zur Ausbildung ge- langt. Der Lobus posterior sondert sich wieder in zwei Abschnitte, durch den deutlich hervortretenden Sulcus posterior cerebelli von einander getrennt. Im Lobulus simplex tritt in Vergleich mit Chry- sothrix eine Komplikation auf. Denn bei Cebus sind die Lamellen dieses Lobulus nicht mehr alle rein transversal gestellt, sondern einige interlamelläre Furchen dieses Lobulus münden von oben her im Suleus posterior cerebelli aus. Dadurch tritt dieser interlobuläre Suleus noch mehr hervor. Aus der Zunahme der Lamellen im Lo- bulus simplex muss man schließen, dass jetzt auch in den Seiten- partien dieses Lobulus eine Zunahme der Rindenoberfläche eingetreten ist, denn je größer die Lamellenzahl, desto ausgedehnter ist die Oberfläche. Nicht ohne Einfluss bleibt diese mächtigere Entwick- lung auf die Form des Cerebellum. Denn wohl in Folge dieser Volumsentfaltung haben die Seitentheile dem mittleren Theil gegen- über so sehr an Mächtigkeit gewonnen, dass bei. Betrachtung von oben der Lobulus medianus posterior den Boden einer schon tieferen medianen Einsenkung bildet, es ist zur Entstehung einer Vallecula Reilii gekommen (Fig. 13). Auch bei Profilansicht des Cerebellum ist dies zu sehen, denn der Lobulus medianus posterior ist dabei gänzlich durch den Lobulus lateralis posterior verdeckt. Gleichzeitig hat sich das Cerebellum mehr um die Seitenflächen der Medulla oblongata entwickelt, so dass dieser Theil des Hirnstammes in einer ' Vertiefung der basalen Fläche des Kleinhirns aufgenommen erscheint. Der Boden dieser Vertiefung wird durch den unteren Theil des Lo- bulus medianus posterior gebildet. Das Cerebellum von Cebus nähert sich mithin in äußerer Gestalt und Beziehungen zum Hirnstamme 72 | . Louis Bolk . schon viel mehr der menschlichen Form als jener der vorher be- schriebenen Neuweltaffen. Als. bezüglich der Diane des ob RR an der Spitze der Reihe stehend erscheint wieder Ateles. Ohne Mühe ist auch hier der Suleus. posterior cerebelli unmittelbar zu erkennen. Der Lobulus simplex hat sich stark vergrößert (Fig. 25). Und ge- rade an diesem Objekt ist in Folge dieser kräftigen Entfaltung des Lobulus simplex zu zeigen, wie berechtigt es ist, am Lobus posterior zwei Abschnitte zu unterscheiden, einen einheitlichen, im Bau mit dem Lobus anterior übereinstimmend, und einen, der durch die Sulei paramediani in einen Mittellappen und zwei Seitenlappen ge- trennt ist. Die Lobuli laterales posteriores sind bei Ateles viel kräf- tiger entwickelt als bei irgend welchen anderen Neuweltaffen, und die Anordnung der Lamellen ist mehr komplieirt. Wie aus Fig. 25 zu ersehen ist, besteht eine mehr gruppenweise Anordnung der Mark- leisten und bildet jede Gruppe ein System, worin die Verlaufsrich- tung der Lamellen von jener der benachbarten abweicht. Besonders im oberen und hinteren Abschnitt der Lobuli laterales posteriores ist solches der Fall. Es sind hier drei Lamellengruppen zu unterschei- den. Durch diese Erscheinung nähert sich Ateles in der Entfaltung seines Randwiilsiensystems am meisten der menschlichen Form. Und selbst dieser Neuweltaffe steht in der Entwicklung seines Kleinhirns dem Menschen näher als mehrere, wenn nicht alle Geschlechter der Altweltaffen mit Ausnahme der Anthropoiden. In Folge der kräftigen Entwicklung der Seitentheile, während der Lobulus medianus poste- rior mit dieser Volumszunahme. nicht gleichen Schritt hält, erscheint die Vallecula Reilii tiefer als bei jenen der übrigen Neuweltaffen, wo er zur Entwicklung gelangt ist. Die höhere Differenzirung des Cerebellum von Ateles hat noch in einer anderen Region des Lobus posterior zur Entstehung einer mehr selbständigen Lamellengruppe geführt. Ich verweise dazu auf Fig. 5 der Taf. II. Man sieht in dieser Figur seitlich von den durehtrennten Pedunculi cerebelli das eigen- thümlich gestaltete Lamellengefüge, das ich bald näher als Formatio vermicularis beschreiben werde. Unterhalb dieser Formatio liegt nun ein Hemisphärenabschnitt, dessen Lamellen sich durch ihren trans- versalen Verlauf von der Umgebung abheben, und zwar desto mehr, da die übrigen Lamellen des Lobus lateralis posterior wie radiär um dieses Läppchen angeordnet sind. Ich habe bis jetzt dieser Lamellen- gruppe bei den anderen Formen keine Erwähnung gethan, da sie sich nirgends in solcher Selbständigkeit hervorthut als bei Ateles. Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 73 Ehe wir dazu übergehen können, den Lobus posterior auf dessen Medianschnitt zu untersuchen, sind wir gezwungen, zunächst die Formatio vermicularis näher zu betrachten. Denn wie schon ge- sagt, steht die Formatio vermicularis mit den meist hinteren Läpp- chen des Lobulus medianus posterior in Verbindung mittels einer schmalen und niedrigen Markleiste, wodurch sie sich als dem Lobus osterior zugehörig erweist, und nicht als ein dritter selbs¢andiger Lobus aufgefasst werden darf. Dieser Untertheil ist jedoch in sehr typiseher Weise differenzirt und bietet nebst allgemeinen und ge- meinschaftlichen Merkmalen bei jeder untersuchten Form individuelle Eigenthümlichkeiten dar. Ich möchte zunächst zur Erleichterung der topographischen Ein- sieht die Beziehung zum Markkerne hervorheben. Wenn man von einem beliebigen Cerebellum der Neuweltafien mit der Schere sämmtliche Randwülste an der Basis abtrennt, so dass von jeder Lamelle noch eine ganz niedrige Leiste zurückbleibt, dann bekommt man eine gute Übersicht von der Weise, in welcher die Rindenlamellen auf dem Markkerne implantirt sind. Es kommt dann deutlieh heraus, dass jene des Lobus anterior ein einheitliches System bilden; ohne grobe Abweichungen sind die Lamellen in transversale Richtung gestellt. Dieses System unterliegt wenig oder keiner Abünderung, ob die Lamellenzahl grófer oder kleiner ist. Im Lobus posterior liegen mehr verwickelte Zustände vor, die sich mit der Differenzirung des Cerebellum allmählich kompliciren. Im Bereiche des oben von mir unterschiedenen Lobulus simplex — das ist im vorderen Gebiete des Lobus posterior — erheben sich die Lamellen noch ziemlich regelmäßig hinter einander auf der Mark- masse und verlaufen wie im Lobus anterior überwiegend transversal. Im Lobulus medianus posterior sind die Lamellen immer sämmtlich rein transversal gestellt. Gleiches gilt noch für die Lobuli laterales der Aretopitheeiden. Je nachdem sich jedoch die Hemisphärentheile mehr auszubuchten anfangen, lenken sich die Lamellen von ihrer ursprünglichen Verlaufsrichtung ab, gehen in eine mehr schräge . Richtung über, um bei der meist differenzirten Form, nämlich Ateles, an der Unterseite sogar in einer sagittalen Richtung angeordnet zu Sein. Neben diesem Hauptsystem besteht nun noch im Lobus po- sterior ein Lamellensystem, das sich scharf von dem vorangehenden unterscheidet. Denn auf der lateralen Fläche jenes Theiles der Markmasse, der sich in den Pedunculi fortsetzt, erheben sich eine Anzahl sehr kurzer Rindenlamellen, in zwei Reihen angeordnet, die 74 Louis Bolk als eine mediale und laterale Reihe zu unterscheiden sind. Beide Reihen werden durch eine interlobuläre Furche von einander ge- schieden. Diese Furche wird von ZIEHEN bei den Beutlern, die im Baue dieses Untertheiles des Cerebellum sehr viel Übereinstimmung mit den Affen zeigen, als »Sulcus paralateralis« unterschieden !. Verfolgt man die überwiegend transversal gestellten Lamellen, dann findet man, dass die laterale Reihe sich in die mediale umbiegt, wiihrend die mediale unten frei endet. Den Bau dieses Lamellensystems kann man sich am leichtesten vorstellen, als würe es ein aus einer groflen Anzahl hinter einan- der geordneter kurzer Lamellen aufgebautes bandartiges Läppchen, welches schleifenartig zusammengekniekt ist. Die meist unteren La- mellen des lateralen Schenkels scheinen bisweilen die Fortsetzung zu bilden von den meist medialen Lamellen des Hauptsystems. Die morphologische Sonderung des ganzen Läppchens tritt, abgesehen von der eigenthümlichen Anordnung der Lamellen, durch zwei Be- sonderheiten deutlich hervor. Zunächst stoßen die Lamellen des Lobus anterior und jene des Lobus posterior mit ihren lateralen Enden am Rande dieses Läppchens an. Es macht den Eindruck, als hätte sich das Kleinhirn um dieses Läppchen gekrümmt, so dass die Lamellen der Hemisphären wie kranzartig um dasselbe geordnet sind. Entfernt man dieses als Formatio vermicularis unterschiedene Läppchen, dann entsteht eine seichte Grube, deren Boden von der Seitenfläche des Pedunculi cerebelli geformt ist. Diese Grube ist das Homologon des Suleus horizontalis cerebelli der Anthropo- tomie. Ich habe diese Grube in meinem. kurzen Aufsatz über die Hauptzüge der vergleichenden Anatomie des Cerebellum der Säuge- thiere als »Fossa lateralis« unterschieden. Die zweite Erscheinung, wodurch die Formatio vermicularis sich als gesonderter Theil des Cerecellum auszeichnet, ist jene, dass sie meistentheils ziemlich stark aus dem Niveau der übrigen Hirnmasse hervortritt, als eine Art Appendix des Cerebellum erscheint. Bei keiner einzigen Form, die von mir untersucht worden ist, besitzt die genannte Formatio die gleiche Gestalt. Jeder Affe der Neuwelt scheint seine eigenthümliche Form dieses Lobulus zu be- sitzen. Stellen wir kurz diese verschiedenartig gestaltete Bildung bei den einzelnen Formen ins Licht. 1 Tu. ZIEHEN, Das Centralnervensystem der Monotremen und Marsupialier. I Theil. Zool. Forbehunbsteisen in Australien und dem malayischen Archipel von R. Semon. III. Bd. 1. Lief. Fig. 51. Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 75 Bei Hapale zeigt das Läppchen die größte Selbständigkeit, wie aus den Textfigg. 11 und 22 und Fig. 2 auf Taf. II hervorgeht. Bei diesem Affen ist die Formatio vermicularis ein stielartiger Appendix des Cerebellum, der mit nur schmaler Basis den Pedunculi cerebelli aufsitzt. Wie besonders aus Textfig. 22 ersichtlich, bleibt zwischen dem Vorderrande des Cerebellum und dem Lobulus cuneiformis eine tief einschneidende Grube frei. Die schleifenartige Anordung der kurzen, an der Spitze des Lobulus keilförmigen Lamellen tritt hier nicht deutlich zum Vorschein. Diese Spitze steckt bei Hapale in einer ziemlich tiefen, blind endenden Grube im Petrosum, und es ist auf Grund dieser auch bei anderen Thieren vorkommenden topo- graphischen Beziehung dieses Läppchen in der Litteratur auch als Lobulus petrosus angeführt worden (WALDEYER, FLATAU und JACOBSOHN). Doch ist, wie ich unten ausführlicher zeigen werde, diese Bezeichnung nicht auf der ganzen Formatio vermicularis ver- wendbar, denn nur ein Theil der Formatio lässt sich als Lobulus petrosus unterscheiden. Bei Midas stellt sie eine kolbenartige An- schwellung seitlich vom Cerebellum dar und besitzt, wie bei Ha- pale, eine sehr große Selbständigkeit, da sie wie gänzlich aus dem Verband der übrigen Cerebellarmasse ausgeschaltet erscheint. Die schleifenförmige Anordnung der Lamellen ist hier, da das Gebilde nicht so stielartig gestaltet ist, deutlicher als bei Hapale. Die Fossa petrosa — die bekanntlich beim Menschen auch bei der Geburt noch als sogenannte Fossa subarcuata erscheint — muss bei Midas etwas andersartig geformt sein als bei Hapale, vermuthlich ist sie beim ersteren geräumiger. | Bei Mycetes besitzt die Formatio vermicularis weniger den Cha- rakter eines Appendix des Kleinhirns, sie ist hier mehr in die Ge- sammtmasse aufgenommen (Tafelfigg. 4 und 7). Die schleifenartige Anordnung der Lamellen ist dem zufolge viel deutlicher geworden, und hier sind in der That die beiden Schenkel als ein lateraler und ein medialer zu unterscheiden. Doch treffen wir hier eine Erscheinung, die wir bei den Arctopitheeiden vermissten. An der - Stelle nämlich, wo sich der eine Schenkel in den anderen umbiegt, erscheint ein hakenförmig umgebogenes, sehr kurzes Läppchen, nur aus zwei Lamellen bestehend, die nicht in der Kontinuität der übri- gen, die Formatio vermicularis darstellenden Lamellen eingeschoben liegen, sondern als einen seitlichen Anhang, einen Auswuchs dieses Läppchens sich hervorthun. Die Formatio selbst ist in solcher Weise gelagert, dass es nicht wahrscheinlich war, dass sie in die Fossa 76 35 2 Louis Bolk petrosa hineinragte, solehes scheint nur der Fall gewesen zu sein mit dem erwähnten seitlichen. Auswuchs. Als Untertheil der For- matio vermieularis darf dieser Anhang als »Lobulus petrosus« ange- führt werden. In seiner ausführlichen Arbeit über das Gehirn der Monotremen und Marsupialier giebt ZIEHEN in Fig. 51 eine sehema- tische Darstellung des mit der Formatio vermicularis übereinstim- menden Kleinhirntheils eines Macropus rufus, und bezeichnet den in vorliegender Abhandlung von mir als Formatio vermicularis ange- führten Cerebellarabschnitt als Lobus floceuli. Wie auch aus Fig. 39 der genannten Arbeit hervorgeht, macht sich vom Seitenrande dieses Lobus floceuli ein stielartig mit der übrigen Masse verbundenes Lamellenknótchen frei, das durch den Autor besonders als Floeke bezeichnet worden ist. Ich möchte für diesen seitlichen Anhang der Formatio vermicularis den Namen Lobulus petrosus reserviren. Es kommt mir vor, dass man diese Nebenbildung wohl von dem Haupt- lobulus trennen muss, besonders wenn man die Homologien dieser Bildungen mit dem Floceulus der Anthropotomie aufzustellen ver- sucht. 5% Bei Chrysothrix ist die Formatio vermieularis stattlich entwickelt, zur Entstehung eines besonderen Lobulus petrosus scheint es hier nieht gekommen zu sein (Textfig. 15).. Jedoch — wiewohl ich mit der Lupe, deren Anwendung bei dieser Untersuchung wohl unent- behrlieh ist, keine Spur davon auffinden konnte — besteht die Mög- lichkeit, dass beim Ausheben des Gehirns aus dem Schädel die diesen Lobulus aufbauenden Lamellen abgerissen und in der Fossa pe- trosa stecken geblieben sind. Es besteht doch bei Chrysothrix eine gut entwickelte Fossa petrosa. Wie bei Mycetes, ist auch bei Chrysothrix die die Formatio ver- - micularis durchziehende interlobu- - lire Furche, die durch ZIEHEN (l. e.) als Fossa paralateralis unter- i pria schieden worden ist, deutlich aus- Formatio vermicularis und Lobulus petrosus von T è Cebus. Untere Ansicht. (VergréBert.) geprägt. Ihr Zusammenhang mit . den Furchen des Lobulus medianus posterior (mihi) wird unten zur Sprache gebracht werden. Auch bei Cebus ist, wie aus Textfig. 16 hervorgeht, die Formatio vermicularis kraftig entwickelt und zeigt die schleifenartige Anordnnng seiner (A Form. verr, Beitriige zur Affen-Anatomie. IV. 77 "Lamellen besonders deutlich. In Fig. 26 habe ich diesen Kleinhirn- theil in vergrößertem Maßstabe wiedergegeben, besonders um den Zusammenhang mit dem hier wohl differenzirten Lobulus petrosus zu zeigen, der hier aus einer Anzahl kranzartig angeordneter kurzer Lamellen besteht, die wie eine seitliche Sprosse ausgewachsen er- scheinen aus den meist oberen Lamellen des lateralen Schenkels der Formatio vermieularis. Bei Ateles besteht, wie aus Fig. 5 der Taf. II zu ersehen ist, ein mehr differenzirter Zustand. Der Lobulus petrosus ist leicht zu erkennen als kleines gewundenes Läppchen, das ziemlich weit lateral- wärts von der übrigen Hirnmasse sich nach außen erstreckt. Die eigentliche Formatio vermicularis war hier ein weniger mehr zusam- mengesetzt, weil, wie aus der oben angedeuteten Figur folgt, deren Suleus interlobularis aus zwei senkrecht zu einander gestellten Stücken besteht; anfänglich sagittal verlaufend, biegt sich die Furche bald in transversaler Richtung um. Die schleifenartige Anordnung der Lamellen erscheint viel deutlicher, wenn man den Lobulus petrosus von der Formatio vermicularis abtrennt. Es kommt dann heraus, dass bei diesem Affen die beiden Schenkel ziemlich kurz sind, aber statt wie bei den anderen Affen, scharf und wie plötzlich in einander umzubiegen, durch ein Zwischenstück mit einander verbunden sind. Wir werden jetzt dazu übergeben, den Lobus posterior cerebelli auf dem Medianschnitt zu untersuchen. Dieser Schnitt durchzieht jenen Abschnitt des Lobus posterior, den wir oben als Lobulus medianus posterior unterschieden haben. Und was man auf diesem Sehnitt zu sehen bekommt, ist mithin die Läppchenbildung des letzt- genannten Lobulus, die, wie sich zeigen wird, unabhingig ist von jener in den Seitentheilen des Lobus posterior Die Mediansehnitte . des Lobus anterior zeigten eine Verüstelung der Arbor vitae, die bei den verschiedenen Affen nicht immer die gleiche war. Was bei dem einen Thiere als Sekundärast erschien, tritt bei einem anderen un- mittelbar als Primärast aus dem Markkerne heraus. Umgekehrt konnten zwei Primäräste sich bei einem anderen Thier streckenweise zu einem gemeinsamen Stamme verbinden und daher den Charakter von Sekundáürüsten erlangen. Durch diese Sehwankungen bietet die Ramifikation der Arbor vitae im Lobus anterior in Einzelheiten ziem- lich wechselnde Bilder, wiewohl der allgemeine Grundtypus doch immer wieder zu finden war. Der Lobus posterior des Cerebellum bildet in dieser Beziehung einen Gegensatz zum Lobus anterior, denn unschwer sind hier unmittelbar die Homologien der Markstrahlen 78 Louis Bolk aufzufinden. Ohne Ausnahme doch und mit strenger Konsequenz — : gehen im Lobus posterior der Neuweltaffen vier Markstrahlen vom Markkerne des Lobus posterior aus, wodurch dieser Lobus in seinem Mediansehnitt in vier Läppchen zerlegt wird. Wir werden diese Radien nach einander in ihrer Verästelungsweise näher untersuchen. Der erste Hauptstrahl, der unmittelbar hinter dem Suleus pri- marius aus dem Markkerne tritt, ist der mächtigste der vier; nur bei Ateles ist die Differenz, besonders mit dem dritten in der Reihe, nieht sehr groß. Dieser Markstrahl bildet die Grundlage eines Läpp- ehens, das ich als das obere hintere unterscheiden werde (Lobulus superior posterior. Nach vorn, in der Riehtung des Sulcus primarius, sendet der Hauptast entweder nur einen einzigen Zweig ab, wie bei Midas und Chrysothrix, oder zwei, wie bei Mycetes, Cebus und Ateles. Es spaltet der Hauptstamm sich in zwei Aste wie bei Cebus, Ateles und Mycetes, oder in drei wie bei Midas und Chrysothrix. Allmäh- lich wächst die Zahl der tertiären Aste; bei Midas nur an zwei Stellen angedeutet, sind sie bei Ateles ziemlich zahlreich geworden. Ubrigens bietet dieser Strahl eben so wenig Besonderheiten als der folgende. Dieser ist in der hinteren oberen Ecke des Markkernes implantirt und strahlt in ein Läppchen aus, das in der oberen Hälfte oder in dem mittleren Drittel der Hinterfläche an die Peripherie tritt. Dieses Läppchen werde ich als das hintere obere (Lob. posterior superior) unterscheiden. Schon bei Midas spaltet sich dieser Strahl ungefähr in seiner Mitte dichotomisch, und dieses Merkmal findet sich konstant bei den übrigen Affen wieder. Bei Ateles ist die Thei- lungsstelle bis nahe an den Markkern gerückt. Der dritte Strahl tritt an der hinteren unteren Ecke des Markkernes aus und bildet die Grundlage für ein Läppchen, das den hinteren unteren Theil des Lobus posterior auf dessen Medianschnitt einnimmt. Ich werde da- . her dieses Läppchen als das hintere untere unterscheiden (Lob. po- sterior inferior). Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass diese Bezeichnungen sich beziehen auf die topographische Lagerung des Làppehens auf dem Medianschnitte des Affen-Cerebellum, und dass daher die durch sie angedeuteten Theile keine Verwandtschaft besitzen mit gleichnamigen Cerebellarabschnitten des menschlichen Kleinhirns. Der hintere untere Ast ist bei Midas (Fig. 1) noch ein- fach, bei Chrysothrix ist er schon mit einigen wenigen Seitensprossen besetzt, von welchen einer sich ein wenig nach vorn und unten zurückbiegt. Letzteres Merkmal findet sich bei Cebus, Ateles und Mycetes viel stärker ausgeprägt. Bei Cebus und Ateles verästelt © Beitrige zur Affen-Anatomie. LV. 79 sich der Hauptstamm dichotomisch, und der untere der beiden Aste kriimmt sich ziemlich stark nach vorn um. Bei Mycetes ist die Zweitheilung nicht so deutlich und es scheint, als biege sich der Strahl selber nach unten und vorn um, während nur ein unterge- ordneter Zweig nach hinten gerichtet ist. Der vierte Strahl schließlich ist am geringsten entwickelt. Das ihm entsprechende Läppchen begrenzt das Fastigium nach hinten, ich werde es als unteres hinteres Läppchen unterscheiden (Lob. in- ferior posterior). Der Strahl ist kurz, entsteht aus der unteren Seite des Markkernes und ist nach unten gerichtet. Aus dem Obenstehenden geht hervor, wie große Übereinstim- mung bei den verschiedenen Formen das Furchensystem des Lobulus medianus posterior zeigt, eine Eigenthümlichkeit, wodurch gerade dieser Lobulus sich vom Lobus anterior unterscheidet. Diese Un- veränderlichkeit im Baue ist desto merkwürdiger, wenn man daneben stellt die ziemlich eingreifenden Umgestaltungen, die in den Seiten- theilen des Lobus posterior auftreten. Wir haben in dem oben hervorgehobenen differenten Betragen der beiden das Cerebellum aufbauenden Lobi die Äußerung einer principiellen Wachsthumserscheinung im Cerebellum zu. erblicken. Bei der Besprechung des Lobus anterior kamen wir zum Schlusse, dass die höhere Differenzirung und Vergrößerung dieses Lappens zu Stande kommt durch die Aktivität eines unpaaren, in der medianen Zone sich findenden Wachsthumscentrums, das in der Medianlinie seine erheblichste Energie entfaltet und lateralwärts allmählich ge- ringer wird. Mit anderen Worten will das sagen, dass die Ober- fláchenvergrüBerung, die Expansion der Rinde im Lobus anterior, am kräftigsten ist in der Medianlinie, und daher sind auf dem Median- Sehnitte hier größere Verschiedenheiten zu erwarten. Im Lobus po- sterior dagegen ist die Oberflächenzunahme an mehrere Centren ge- bunden. Eines findet sich in jedem Seitentheil, ist somit bilateral, diese funktioniren am kräftigsten, ein drittes findet sich in der Me- dianlinie; und es behält der hieraus entstehende Lobulus medianus ‘posterior eine übereinstimmende Beschaffenheit, da die bei der Ent- wicklung am frühesten auftretende Rindenfaltung durch transversal verlaufende Furchen die gleiche ist bei den verschiedenen Affen. Auf diesen differenten Wachsthums- und Differenzirungsprocess zwischen Lobus anterior und Lobus posterior muss besonderer Nach- druck gelegt werden, denn es folgt daraus, dass die Eintheilung des Kleinhirns in Lobus anterior und Lobus posterior und zugleich der S0 - Louis Bolk — diese beiden Lappen trennende Suleus primarius nieht nur topogra- phiseh Werth hat, sondern auch eine cesare o vielleieht siirykidlubictia Bedeutung besitzt. Auf dem Medianschnitt ist, wie erwähnt, der Lobus posterior in bei den verschiedenen Affen übereinstimmender Regelmäßigkeit durch tief einschneidende Furchen in Lobuli getheilt. Es ist in der An- thropotomie eine Gewohnheit, die einzelnen Äste der Arbor vitae in Zusammenhang zu bringen mit mehr oder weniger deutlich geson- derten Abschnitten der Hemisphären. In wie weit dieses Verfahren stichhaltend sich erweisen wird gegenüber einer genauen Bestimmung des Zusammenhangs von Hemisphärenlamellen und »Wurm«lamellen, möchte dahingestellt bleiben, doch bin ich bezüglich dieser Frage ein wenig skeptisch geworden auf Grund der Erfahrung, dass ein derartiger Zusammenhang bei den Neuweltaffen nicht besteht. Ich habe doch sämmtliche Lamellen der Seitentheile des Lobus posterior, eine nach der anderen, — also die Lobuli laterales posteriores — entfernt, damit ich eine möglichst genaue Einsicht bekommen konnte in den Zusammenhang zwischen den Lamellen der Seitentheile mit solehen des Lobulus medianus posterior (mihi). Das Hauptergebnis dieser Untersuchung sehe ich darin, dass eine Furche, die auf dem Medianschnitt tief eindringt und ein Läppchen des Lobulus medianus posterior abgrenzt, gar nicht als solche in die Lobuli laterales po- steriores sich fortsetzt, und umgekehrt, dass eine in den Hemispháren - tief einschneidende Furche nach dem Lobulus medianus posterior hin untiefer werden und auf diesem nur in der Form einer oberflächlichen Einkerbung bestehen kann. Ich bin auf Grund meiner Untersuchung zur Konklusion gezwungen, dass es eine Inkongruenz giebt in der Lappenbildung des Lobulus medianus posterior und der Lobuli la- terales posteriores. Die Bedeutung dieser Erscheinung erblicke ich darin, dass in dem Lobulus medianus posterior und in den Lobuli - laterales posteriores der Rindenfaltungsprocess unabhängig von ein- ander sich abspielt, dass diese Untertheile des Lobus posterior eine gewisse Independenz von einander besitzen. Zwar können in der ersten Phase der Entwicklung die das ganze embryonale Cerebellum in transversaler Richtung durchziehenden Totalfurchen auftreten, aber diese können bei der weiteren Entwicklung in ihren Seitentheilen und Mittelstücken eine ungleiche Dignität erlangen, während sie-z. B. in ihrem Mittelstück, allmählich tiefer einsehneidend, sieh zur Haut. furche ausbilden, besteht die Möglichkeit, dass ihre Seitenstücke sich nur zu einer interlamellären Rinne und nicht zu einer interlobulären Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 81 Furehe entwickeln. Dadurch tritt eine Inkongruenz in der defini- tiven Lappenbildung zwischen Lobulus medianus posterior und Lobuli laterales posteriores auf. Ein gutes Beispiel dazu liefert z. B. jene Furche, die im Lobus posterior den Theil, worin die Lamellen transversal verlaufen, von jenem trennt, wo die Lamellen mehr oder weniger schräg angeordnet sind, die hintere Begrenzung also des Lobulus simplex. Diese Furche ist bei den Neuweltaffen eine der tiefsten der Hemisphären, am leichtesten aufzufinden und als von selbst geeignet, den Lobus po- sterior in zwei Theile zu trennen. Diese. oben von mir als Sulcus posterior eerebelli angeführte Furche entspricht nun auf dem Median- schnitte gewöhnlich nur einer untiefen Einkerbung, und setzt sich nieht fort, wie bei oberflüchlieher Betrachtung zu erwarten war, in die tiefe Furche, die auf dem Medianschnitt des Lobulus medianus posterior den Lobulus superior posterior vom Lobulus posterior su- perior trennt. Das Verfahren der Anthropotomie, um die Aste des Arbor vitae als Grundlage einer Eintheilung auch der Hemisphüren zu verwerthen, und jeden Ast des Wurmes mit einem Läppchen der Hemisphären in Zusammenhang zu bringen, ist für die Cerebella der Neuweltaffen nieht verwendbar, wenigstens was den Lobus posterior betrifft. Und hierin tritt wieder eine Differenz zwischen den beiden Lobi des Cerebellum zu Tage. Denn im Lobus anterior, wo eine Differenzi- rung in Mittelstück und Seitenstücken unterbleibt, sind es gerade die den Medianschnitt in Läppchen zertheilenden Furchen, die sich als die tiefste auch seitwärts fortsetzen und die auch hier die ein- zelnen Läppchen abgrenzen. Diese Differenz ist wieder die natür- iche Folge des Umstandes, dass der Entfaltungsprocess der Hirnrinde im Lobulus anterior und Lobus posterior verschieden lokalisirt ist, im Lobus anterior ist die Rindenentfaltung am intensivsten in der Medianzone, nimmt nach den Seitenrändern allmählich ab, im Lobus posterior sind zwei Centra der Oberflichenzunahme bilateral lokalisirt, und durch ein weniger aktiv, unpaares von einander getrennt. Es kommt mir vor, dass eine unbefangene Beurtheilung der durch die vergleichend-anatomische Untersuchung konstatirten Bauverhiiltnisse des Cerebellum nur geschehen kann, wenn man sich nicht leiten lässt dureh die in der menschlichen Cerebellar- Anatomie einge- führten Unterseheidungen und übliche Eintheilungen. Das mensch- liehe Cerebellum ist gar nieht ein Grundtypus, sondern eine Form, die in mehrerer Hinsieht, wenn vergliehen mit dem Cerebellum Morpholog. Jahrbuch. 31. 6 82 Louis Bolk anderer Siugethiere, Specifisches aufweist. Überdies, wie schon in dieser Abhandlung hervorgehoben ist und in einer folgenden weiter ausgearbeitet werden soll, lehnt sich die übliehe Deskription und Eintheilung des menschlichen Cerebellum nicht an die natürliche Entwieklungsweise dieses Gebildes an. Die Unterscheidung des Wurmes in Vermis superior und inferior ist eine prineipiell fehler- - hafte, und der Begriff Wurm selber ist zu unbestimmt und fasst Theile in sich, die anatomiseh von ungleichem Werthe sind. Resumiren wir schließlich noch kurz die Ergebnisse der Unter- suchung des Lobus posterior eerebelli der Neuweltaffen. Der ganze Lobus posterior zerfällt in mehrere Abschnitte oder Lobuli, und zwar in folgender Weise: Zunächst ist ein vorderer oberer einheit- licher Abschnitt zu unterscheiden, der sich auszeichnet durch den ziemlich regelmäßig transversalen Verlauf der interlamellären Fur- chen, die ununterbrochen sich über die ganze Breite des Cerebellum ausdehnen oder zur medianen Zone beschränkt sind. In seinem höchst einfachen Bau ähnelt dieser Lobulus dem Lobus anterior cerebelli und kann als Lobulus simplex unterschieden werden. Nach vorn wird dieses Läppchen durch die Hauptfurche des Cerebellum, den Sulcus primarius begrenzt, nach hinten durch den interlobu- laren Suleus posterior cerebelli. Dieser ist mit dem Suleus horizon- talis cerebelli des Menschen nicht identisch. Es fehlt bei den Neuweltaffen letztere Furche fast ganz, nur kann man sich den seit- lichen Anfang desselben künstlich herstellen, wenn man die Formatio vermicularis entfernt. Sie erscheint dann als eine untiefe Grube, deren Boden theils vom Markkerne, theils von den Pedunculi cere- belli geformt wird. | Der hinter und unter dem Sulcus posterior cerebelli sich fin- dende Cerebellartheil zerfällt zunächst in einen medialen schmalen, seitlich durch die Sulei paramediani begrenzten Lobulus, der bei einigen Affen sich mehr oder weniger in die Tiefe senkt, besonders in dessen unteren, dem Hirnstamme aufliegenden Theil. Dieses Läppchen ist als Lobulus medianus posterior angeführt worden. Seine interlamellären Furchen sind sámmtlieh transversal gerichtet. Die Hauptmasse des Lobus posterior cerebelli wird von den beiden Lobuli laterales posteriores gebildet. Hierin kann man eine allmäh- liche Volumsentfaltung konstatiren, die mit einer auftretenden Un- regelmäßigkeit in den Verlauf der interlamellären Sulei verbunden ist. Diese Unregelmäßigkeit kann, wie bei Ateles, dahin führen, dass eine Untergruppirung von Lamellenkomplexen zu kleineren, immer Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. 83 noch wenig selbstiindigen Lappchen auftritt. Als weiterer, wohl ab- gegrenzter Untertheil des Lobus posterior tritt die Formatio vermi- eularis auf, die sich durch die eigenthümliche schleifenartige Anord- nung seiner kurzen Randwülste auszeichnet und lateral vom Lobulus . lateralis posterior den Peduneuli cerebelli aufsitzt. Bisweilen sondert sich von diesem Lobulus ein Lamellenknötchen, das als Lobulus petrosus unterschieden worden ist. Auf dem Medianschnitt waren schließlich am Lobulus medianus posterior in immer übereinstimmender Weise vier Lobuli zu unter- ‚scheiden, die als Lobuli superior posterior, posterior superior, posterior inferior und inferior posterior ihrer Lage nach zu unterscheiden waren. Den diese Lobuli trennenden, tief einschneidenden Furchen entsprechen nicht derartige in den Lobuli laterales posteriores. Ich unterlasse es, hier die bei den Neuweltaffen hervorgehobenen Erscheinungen mit dem Bau des Cerebellum beim Menschen zu ver- gleichen, da ich in einer nächstfolgenden Abhandlung dem Bau des Säugethiercerebellum im Allgemeinen eine vergleichende Betrach- tung widmen werde. Doch möchte ich an dieser Stelle, unter Hin- weis auf die einleitenden Bemerkungen, darauf hinweisen, dass das so eigenthümliche Baumerkmal am Kleinhirn des Orang, das zu vor- liegender Untersuchung Anregung gab, bei den Neuweltaffen nicht wiedergefunden wurde. Die Lockerheit in dem Gefüge des Median- sehnittes des Cerebellum bei Orang, wodurch dieser Hirntheil in so prägnantem Gegensatz steht zu dem menschlichen Cerebellum, be- steht bei den Neuweltaffen nicht. Gerade der Medianschnitt zeichnet sich hier durch seine kompakte Beschaffenheit aus. ‘Wenn somit in dieser Richtung diese Untersuchung ein nega- tives Resultat geliefert hat, so ist in anderer Richtung eine allge- meine Erscheinung zu Tage gekommen, die sich anreihen lässt an jene, welche in dem schon vorerwähnten nächstfolgenden Aufsatz über das Cerebellum der Säugethiere mitgetheilt werden soll. Es betrifft nämlich die Weise, in welcher die Cerebellarrinde sich all- mählich bei den höher differenzirten Formen ausbreitet. Es hat sich dabei doch herausgestellt, dass diese Expansion nicht eine diffuse ist, sondern dass es bestimmte Centren giebt, wo die Oberflächenver- größerung am intensivsten ist. Im Lobus anterior findet sich dieses Centrum in der Medianlinie, ist unpaar, im Lobus posterior dagegen giebt es zwei in den Seitentheilen bilateral gelagerte Wachsthums- centren, und ein drittes in der Medianlinie. Besonders dieses Ver- hältnis wird, wenn wir die anderen Säugethiercerebella in Vergleich 6* 84 Louis Bolk, Beiträge zur Affen-Anatomie. IV. ziehen, von besonderer Wichtigkeit erscheinen, und dabei wird eg gleichzeitig herauskommen, in welcher Richtung das Primäteneere- bellum von jenem anderer Säugethiere abweicht. Fig. Fig. ~ jd» OH Erklärung der Abbildungen. Tafel II. Das Cerebellum von Mycetes niger von oben gesehen. S.pr Sulcus primarius, S.dat Sulcus lateralis. Das Cerebellum von Hapale jacchus von "m Basalfläche N Lob.m.p Lobulus medianus posterior. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 1. Das Cerebellum von Midas von der Basalfliche gesehen. Das Velum medullare anterius ist zum Theil erhalten. Das Cerebellum von Mycetes niger von der Basalfläche gesehen. Das Cerebellum von Ateles ater von der Basalfläche gesehen. Der Boden des vierten Ventrikels von Hapale jacchus. Das Cerebellum von Mycetes niger. Profilansicht. (Sämmtliche Figuren sind vergrößert.) - Rüekbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. Amphibien. Von Dr. A. Bühler, ` Privatdocent und Assistent am anatomischen Institut zu Zürich. Mit Tafel III und IV. In der Beschreibung der physiologischen Degenerationsvorgänge an den Follikeln und Eiern der Amphibien kaun ich mich kürzer fassen, als mir dies bei den Fischen möglich war. Es ist der Pro- cess hier viel durchsichtiger und einheitlicher, und andererseits exi- stiren gerade auf diesem Gebiet schon eingehende Untersuchungen. Der geplatzte Follikel hat wenigstens für die ersten Stadien in E. GIACOMINI (3) bei Rana, die Follikelatresie in G. Ruce (7) für Sire- don und Salamandra gute Bearbeiter gefunden. immerhin haben mir neuerliehe Untersuchungen, besonders an Bufo cinerea und Triton taeniatus, manches Bemerkenswerthe ergeben, das zur Vervollständi- gung des Ganzen hier beschrieben werden soll. In Allem, was den Plan und die Technik meiner Untersuchungen anbetrifft, sei auf meine unten citirte erste Abhandlung auf diesem Gebiete verwiesen !. Die Degenerationsvorgünge zeigen bei Amphibien große Ähnlich- keit mit dem, was ich von Fischen beschrieben habe, wie denn auch der Bau des Ovariums dem gleiehen Grundprincipe folgt wie speciell bei Petromyzonten. | Der Bau des geschlechtsreifen Amphibienovariums ist dureh viele Autoren derart klar gestellt worden, dass er als bekannt voraus- 1 Morph. Jahrbuch. Bd. XXX. pag.377. 86 A. Biihler gesetzt werden kann. In Ubereinstimmung mit dem vom Fisch- ovarium Gesagten unterscheide ich auch hier eine Lamina ovarii superfieialis. Dieselbe ist in ihrer Dickenausdehnung abhängig von der Zahl der großen Eier, die in einem Eierstock enthalten sind, misst also bei Triton im Beginn der Eiablage kaum 4 u, und nicht mehr bei Bufo unter gleichen Umständen; dagegen ist sie bei einem abgelaichten Ovarium desselben Thieres durchschnittlich mehr als viermal so diek. Ihre Grundlage wird gebildet aus faserigem Binde- sewebe mit wenigen Zellen, von welchen einzelne dunkelbraunes Pigment einschließen. Die äußere und die innere Oberfläche dieser Ovarialplatte tragen ein sehr flaches Epithel. Unmittelbar unter bei- den Epithelflächen ist das Bindegewebe etwas membranartig ver- dichtet. Die Lamina ovarii umschließt den Hohlraum des Eierstockes. Derselbe enthält, wie ich mit O. SCHULTZE (8) finde, wenig Gerinnsel; darin finde ich vereinzelte Rundzellen, was mich berechtigt, dies Gerinnsel für den Rest einer lymphoiden Flüssigkeit anzusehen, wie dies auch SCHULTZE that. Demgemäß ist der Binnenraum des Ova- riums bei Amphibien wie beim Neunauge ein ausgedehnter Sinus lymphaticus. Dieser Ovarialsack entleert auch, im frischen Zu- stande aufgeschnitten, wenig wasserklare Fliissigkeit. Er wird bei Batrachiern durchzogen von ganz vereinzelten, blutgefäßführenden Balken. Dasselbe findet man bei Urodelen; zudem ist dort (Triton), wie schon RATHKE (6) berichtet, der Innenraum nicht einheitlich, sondern durch Septen in mehrere hinter einander liegende Abthei- lungen getrennt. Wie bei den Fischen trägt die Lamina ovarii superfieialis die Eier, und zwar liegen dieselben, ihrer Entwicklung gemäß, zwischen den beiden Epithellagen eingeschlossen. Bei fortschreitendem Wachs- thum wird das oberflächliche Eierstocksepithel nur wenig vorge- buckelt; die Ausdehnung des Eies fällt hauptsächlich in den Sinus lymphaticus des Inneren. Dabei dehnt das Ei seine Follikelhüllen so sehr aus, dass dieselben sammt dem Epithel des Lymphsinus oft kaum über 1 u in der Dicke messen. Nur wo vereinzelte Blutgefäße die Theca durchziehen, zeigen sich kleine Auftreibungen. Es ist daher begreiflich, wenn O. SCHULTZE diese Follikelwand als aus einer einzigen Zelllage bestehend ansah. In Wirklichkeit sind die Follikelhüllen ganz nach demselben Prineip gebaut wie bei den an- deren Wirbelthieren. Bei Bufo wie bei Triton liegt dicht auf dem reifen Ei eine ganz schmale Schicht stark abgeflachter Epithelzellen: Rückbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 87 bei ganz jungen Eiern sind dieselben etwas höher. Auch eine zarte Theca ist vorhanden; deren Feinheit erlaubt es aber hier nicht, . mehrere Schichten abzugrenzen. Ihr spärlicher Gehalt an Blutge- fäßen wurde schon erwähnt. Dazu kommen als sekundäre Beklei- ‚dungen des Follikels an der Stelle, wo derselbe an die Oberfläche des Organs grenzt, das Eierstocksepithel, wo er sich vorbuchtet in ‚den Innenraum, das flache Sinusepithel. Rückbildung des geplatzten Follikels. A. Bufo vulgaris. Wie die Eier aus dem Ovarium der Amphibien austreten, war lange Zeit eine Streitfrage. Verführt durch seine Beobachtungen an Knochenfischen mit hohlem Eierstock glaubte RATHKE (6) annehmen zu müssen, dass auch bei Fröschen und Tritonen die Eier aus den Follikeln in die centrale Höhlung des Ovariums entleert werden. Da die Eier später in der Bauchhöhle liegen, von wo aus sie in die Tuben gelangen, war RATHKE genöthigt, eine oder mehrere Kom- munikationen zwischen dem Hohlraum des Eierstockes und der Leibes- höhle anzunehmen. Letztere Annahme wurde von Leypi (5), WAL- DEYER (10) und Anderen als irrthümlich zurückgewiesen, und damit auch implieite bestritten, dass die Eier ins Innere des Ovariums entleert werden. Dies hatte übrigens schon SWAMMERDAM (9) be- hauptet, der direkt nachwies, dass sich die leeren Follikelsäckchen in die freie Leibeshöhle öffnen. Damit, dass dann BRANDT (2) den Vorgang der Eröffnung der Eifollikel nach der Bauchhöhle hin direkt beobachtete, wurde der Weg, auf welchem die reifen Eier das Ova- rium verlassen, definitiv festgestellt. Die Anfangsstadien der Corpora lutea von Amphibien, d. h. die leeren Hüllen der Eifollikel sind als dünne, eingefallene Säckchen mit relativ weiter Öffnung seit SwawwERDAM (und schon vor ihm) oft genug beobachtet und auch in der Litteratur erwähnt worden. Gegenstand speciellen Studiums indessen sind jene Gebilde selten geworden. Ganz kurz beschrieben werden sie als kleine Kelche von K. E. v. BAER (1). WALDEYER (10) berichtet, dass, wie bei Fisehen, die Corpora lutea der Batrachier wenig ansehnliche Ge- bilde sind, bei denen eine Wucherung des Epithels sehr in den Hinter- grund tritt. 88 A. Bühler Eingehender studirt wurden speciell die frisch geplatzten Fol- likel von Rana esculenta durch E. Giacomini (3). Ihm lag in erster Linie daran nachzuweisen, dass mit dem Follikelsprung das Epithel nieht verloren geht, und auf diesen Nachweis und die Schilderung der Veränderungen speciell des Epithels beziehen sich seine gut aus- geführten Figuren. Während: vier bis fünf Monaten erhalten sich so Theile des Follikelepithels, an dem sich allmählich körniger Zer- fall und Resorption geltend macht. Wenige Epithelzellen bleiben bestehen und beladen sich mit Pigmentkörnchen. Das Follikelbinde- gewebe wandelt sich mehr und mehr in Narbengewebe um und bildet als kleine Verdickung des Ovarialstromas mit einzelnen Pig- mentzellen das letzte Stadium des Corpus luteum. Ähnliche Beob- achtungen konnte derselbe Autor bei Triton cristatus machen. In keinem Fall kommt es zur Proliferation von Zellen und zur Neu- bildung von Gewebe, weder von Seiten des Epithels noch von der Theea aus. | Die Beschreibung, die GIACOMINI von diesen Vorgängen giebt, stimmt, wie sich im Folgenden zeigen wird, in allen wesentlichen Punkten mit meinen Befunden überein. Meine Aufgabe beschränkt sich also darauf, an Hand der beigefügten Abbildungen einige Detailpunkte ergänzend anzuführen und speciell den Process der Riickbildung weiter ins Auge zu fassen, da dessen Bearbeitung dureh GraAcowrNI etwas kurz ausfiel und durch keine Figuren illu- strirt wird. i9 Die Ovulation bei Bufo vulgaris, wie bei den Batrachiern über- haupt, geschieht fast gleichzeitig für sämmtliche reife Eier beider Ovarien. Bei Untersuchung zahlreicher Exemplare im Beginn der Laiehzeit (Ende März) stößt man gelegentlich auf halbgeleerte Eier- stócke, wobei aber an sämmtlichen Follikeln die schon von BRANDT (2) beschriebene, runde, glattrandige Austrittsstelle der Eier zu sehen ist, während die übrigen Eier frei in der Bauchhöhle liegen. Fig. 1 der Taf. III stammt von einem solehen Exemplar, bei wel- chem die Eierstöcke größtentheils leer von reifen Eiern waren, die Bauchhöhle aber dicht damit gefüllt erschien. Eine Aufnahme der Eier in die Tuben hatte noch nieht begonnen. Das abgebildete Prä- — parat stellt also einen frisch geplatzten Follikel dar, ihnlich wie er sich bei Giacomini (3) in dessen Figg. 1 und 2 findet. Das ganze Gebilde — hier in seiner größten Ausdehnung getroffen — misst 480/320 u. Bedenkt man, dass das reife Krötenei 1,2 mm Durch- Rückbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 80 . mésser hat, so wird die Diekenzunahme der Follikelwandung aus der eingetretenen Zusammenziehung leicht erklärlich. Die Verhültnisse des Lumens und des Epithels sind aus der Abbildung ohne Weiteres ersichtlich. Das letztere hat Formen an- genommen, wie sie auch GIACoMINnI ausführlich beschreibt. Seine Zellen liegen mehrschichtig, sind in Kern und Zellleib rundlieh ge- worden, ausgenommen wenige dem Lumen benachbarte Zellen, die flaeh geblieben sind. Das Protoplasma ist meist von dunkler Farbe und weniger scharf begrenzt als dies GIACOMINI (3) in seiner Fig. 8 abbildet. | Anzeichen für eine aktive Vergrößerung der Epithelzellen sind nicht vorhanden; die ganze Verdickung und übrige Formveränderung derselben erklärt sich zur Genüge aus dem Zusammendrängen auf einen relativ sehr beschränkten Raum. Der gleichen Ursache ist eine Faltung des Epithels zuzuschreiben, die zum Theil wohl auch an der streckenweisen Abhebung desselben vom Bindegewebe Schuld trägt. | Schon auf dieser Stufe beginnen Auflösungserscheinungen im Follikelepithel sich geltend zu machen. Einzelne Zellen lösen sich aus dem Verband der anderen und ihr Protoplasma geht über in feinkörniges Gerinnsel, das theilweise das schmale Lumen füllt. Da und dort (im Bild links oben dargestellt) ist auch eine Auflockerung des Epithels zu erkennen. Vereinzelt liegen im Epithel auch rothe Blutkörperchen. Leukocyten fehlen, außer etwa in kleinen Extra- vasaten, vollständig, so dass Auswanderung dieser Elemente im größe- ren Stil ausgeschlossen ist. ` Das spätere Verhalten des Epithels ist in den Figg. 2 und 3 illustrirt, die 6 bezw. 10 Tage nach Eiablage der Kröte entnommen worden sind. Das Objekt der Fig. 2 misst 400/180 u, ist also etwas kleiner als dasjenige von Fig. 1. Man findet allerdings auf der gleichen Stufe wie Fig. 2 Corpus lutea, die größer sind als dieses; doch bleibt der Durchschnitt merklich hinter dem früheren Stadium zurück. Die Epithelzellen sind an Zahl bedeutend vermindert, es müssen also seit dem Follikelsprung viele untergegangen sein. Der Degenera- tionsproeess ist in Fig. 2 noch deutlich zu erkennen. Zahlreich sind auf dieser Stufe die Chromatolysen der Kerne. Im Protoplasma treten Fettkügelchen und Vacuolen auf, die Zellkörper fließen in einander und zerfallen in feinkörnigen Detritus, in welehem die frei gewordenen Kerne noch einige Zeit fortexistiren können. Ein Theil dieser Zer- 90 A. Bühler fallsmasse mag durch die weite Öffnung nach der Bauchhöhle hin | abgestoßen worden sein; wenigstens findet man vor der Rissöffnung da und dort, wie in Fig. 3, die Detritusmassen aus der Follikel- höhle wieder. | Fig. 3 zeigt annähernd "en Doch enthält das Lumen des | Gebildes keine einzige Zelle, die noch den Anspruch auf Lebens- fähigkeit machen könnte. Protoplasma ist nur noch in Spuren vor- handen, die größtentheils freien Kerne zeigen ausschließlich ein ver- ändertes Aussehen, entweder das der Chromatolyse oder einer diffusen Auflösung. Auf der gleichen Stufe findet man auch schon geplatzte Follikel, die fast leer an Epithelzellen sind, oder wo diese letzteren jede Verbindung mit der übrigen Follikelwand verloren haben. Es folgt aus diesen wenigen Präparaten, dass Giacomini Recht hat mit seiner Behauptung, dass das Follikelepithel nach der Ovula- tion einige Zeit lang erhalten bleibt, dass aber auch der Untergang desselben ziemlich rasch vor sich geht, ja dass die Veränderungen — Wachsthum, besondere Färbungserscheinungen an den Epithel- zellen — lediglich Begleiterscheinungen dieser Degeneration sind, die gleich nach dem Follikelsprung einsetzt. Die wenigen beschrie- benen Präparate geben mir auch die Berechtigung, zu behaupten, dass bei Bufo das Epithel in toto zu Grunde geht und nicht, wie GIACOMINI vom Frosch annimmt, einzelne Zellen als Pigmentträger zurückbleiben. Die Zeit, die ich für den ee des Follikelepithels finde, ist kürzer als die von GIACOMINI angegebene. Das mag seinen Grund darin finden, dass auch manche andere vegetativen Processe — man denke an die Embryonalentwicklung — bei Bufo bedeutend rascher ablaufen als bei Rana. Bei beiden Thieren ist übrigens die Intensität der vitalen Processe sehr abhängig von der Außentempera- tur: meine Versuchsthiere wurden in meinem Arbeitszimmer bei ca. 15? C. gehalten. Parallel den Epithelveründerungen, doch weniger rasch, gehen nun auch Umwandlungen in der Theea vor sich. Schon in Fig. 1 zeigt sich außer einer bedeutenden Verdickung der Theca (im Abschnitt rechts ist sie dureh Schiefschnitt abnorm verbreitert) eine Schichtung hervorgerufen durch Struktureigenthüm- lichkeiten in ihren einzelnen Gebieten. Da sieht man als scharfe Abgrenzung gegen das Epithel eine ziemlich gleichmäßig gefaserte, 15—20 u dicke Lage mit wenigen meist schmalen Zellen. Auf sie folgt eine etwas breitere Schicht mit zahlreichen Zellen und relativ Riickbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 91 weniger Zwischensubstanz. Die Zellen sind auf dieser Stufe rund- lich-polygonal, 12—15 u groß mit dunkelm Kern, der den größten Theil der Zelle ausfüllt. Das Protoplasma ist theilweise dunkel ge- trübt, in anderen wieder heller mit gröberen Körnchen durchsetzt. In dieser Schicht liegen ziemlich reichliche Blutgefäße. Unter dem Sinusepithel liegt wieder eine feinfaserige, dichte Membran mit wenigen flachen Zellen, die mit feiner Fältelung vielfach in die mittlere Schicht sich vorbuchtet. Wie sich die beschriebenen Schichten weiter verhalten, ergiebt sich aus den Bildern 2 und 3. Die innerste Schicht wird derber, homogener, so dass sie besonders in Fig. 3 eine sklerotisch aus- sehende derbe Haut ohne Zellen darstellt. Ich habe sie in den Figuren als Membrana propria (Mödr.pr}) bezeichnet. Die Zellen der breiter gebliebenen mittleren Thecaschicht (Theca interna der Figuren) beginnen in Fig. 2 theilweise größer und heller zu werden und stellen in Fig. 3 eine einheitliche Lage rundlicher, 15—20 u großer Elemente dar, deren helles Protoplasma wenige Körnchen und Fäden enthält. Die Blutgefäße dieser Schicht, in ihren äußeren Partien gelegen, sind auch hier noch zahlreich und weit. Die oberflächlichste Lage der Theca (Theca externa) zeigt sich in den Figg. 2 und 3 ebenfalls wie die Membrana propria etwas derber, gröber in ihren Faltungen, sonst unverändert. Die Abbildungen Giacomini’ berücksichtigen frühe Entwicklungs- stadien, an welchen eine äußere und innere Thecalage nicht so scharf von einander zu unterscheiden sind; doch ist das, was ich als Membrana propria bezeichne, speciell in seinen Bildern 6 und 7, unschwer zu erkennen und, abgesehen vom oben Angeführten, der Charakter der bindegewebigen Follikelhüllen gut wiedergegeben. Erwähnung verdient noch, dass in allen Schichten der Theca, besonders in der mittleren Schicht, rundliche Pigmentzellen in ge- ringer Zahl angetroffen werden, wie sich solche in allen Theilen des Ovarialstromas, auch in der Theca eihaltiger Follikel, finden. Das Oberflächenepithel des Eierstockes reicht, wie sich aus den Abbildungen ergiebt, bis an die Rissstelle heran. Dasselbe ist in seinen Zellen gleichwie das Sinusepithel, so weit es den Follikel "iberkleidet, etwas höher geworden, zeigt aber sonst keine Verände- rungen, insbesondere keine Proliferation oder Degeneration. So viel konnte ich bei Bufo einerea sicherstellen. Das Verhalten älterer Corpora lutea ist leichter zu studiren bei Triton, der im nächsten Abschnitt Berücksichtigung findet. 92 A. Bühler B. Triton taeniatus. Triton bietet in so fern günstigere Verhältnisse gegenüber der Kröte, als bei riehtiger Wahl der Zeit eine große Zahl verschiedener Entwicklungsstadien yon Corpora lutea in einem Ovarium zu finden sind, während bei der Kröte bekanntlich alle gleichaltrig sind. Triton entleert nämlich, wie man weiß, seine Eier successive im Laufe mehrerer Monate. Gefangen gehaltene Exemplare legten durch- schnittlich pro Tag zehn bis zwölf Stück, wie ich beobachten konnte. Daraus ergiebt sich allerdings der Nachtheil, dass das absolute Alter der gefundenen Corpora lutea sich kaum feststellen lässt und auch die Bestimmung des relativen Alters der verschiedenen Stadien un- sicher ist, wenn man Triton allein zum Untersuchungsobjekt wählt. Da ich aber an genau bekannten Altersstufen von Bufo die Prineipien der Rückbildung feststellen konnte, gelingt, wie sich zeigen wird, auch bei Triton eine genaue Bestimmung der Reihenfolge der einzel- nen Stadien. Ich beginne mit der in Fig. 4 dargestellten Entwicklungsstufe, indem ich jüngere, die nichts Neues bieten, übergehe. Der dar- gestellte Schnitt misst 370/300 u. Der Follikel kommunieirt auf anderen Schnitten breit mit der Leibeshóhle, Wie man sieht enthält das Präparat noch deutliches Follikel- epithel. Gut erhaltene Zellen liegen da und dort in Gruppen am Bindegewebe. Andere haben sich davon losgelöst und liegen zer- streut im Lumen. Diese letzteren Zellen sind nun alle mehr oder weniger degenerirt. Die Kerne sind vielfach chromatolytisch zerfallen. Von den Zellkörpern sind manche noch gut umgrenzt, andere zer- bröckelt; in allen liegen größere und kleinere Tröpfehen osmirten Fettes. Wo Zelien zerfallen sind liegt das letztere untermischt mit Chromatinschollen auch wohl frei im Lumen; dazwischen findet sich feinkörnige blasse Detritusmasse. Fig. 5 zeigt diesen Process ohne das osmirte Fett bei stärkerer Vergrößerung. | Der hier in vollem Gange befindliche Epithelzerfall macht natür- lich auf dieser Stufe nicht Halt. Im Präparat von Fig. 6, das sich auch durch geringere Größe als älteres Corpus luteum dokumentirt, sind nur wenige Reste von Follikelepithelzellen vorhanden und in dem weiteren Stadium der Fig. 7 enthält das stark verengte Lumen nur noch Spuren von fettigem Detritus. Der Untergang des Epithels vollzieht sieh also bei Triton relativ etwas langsamer als bei Bufo, ist aber nichtsdestoweniger auch Riickbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 98 hier ein totaler, was durch Verfolgung der stets scharf bleibenden inneren Begrenzung des Bindegewebes sichergestellt wird. Die Veränderungen der Theca beginnen ganz ähnlich wie bei Bufo. Es bildet sich hier, wie auf Fig. 5 bei starker Vergrößerung deutlich wird, eine scharf gezeichnete, leicht gefaltete Membran diehten Fasergewebes als Abschluss gegen die Follikelhöhle. Sie ist weniger breit als bei der Kröte, enthält keine Zellen und färbt sich mit Eisenhämatoxylin tiefer als das lockere Stromagewebe. An nicht osmirten Präparaten zeigt sie auch eine Vorliebe für Safranin. Es. ist, wie sich aus Vergleichen ohne Weiteres ergiebt, die Membrana propria von Bufo. Eine ganz ähnliche Bindegewebslage bildet die äußere Begrenzung der Theca (7%.e). Zwischen beiden Grenz- lamellen liegt die als Theca interna zu bezeichnende lockere, gefäß- führende Schicht, die hier durchschnittlich 20 u dick ist. Sie ent- hält große, theils rundliche, theils längliche Zellen, deren Protoplasma mehr oder weniger dicht gekörnt ist. Aus letzterem Umstand resul- tirt eine verschiedene Intensität der Färbung. Zwischen den Zellen liegen zarte Bündel losen Bindegewebes. Das Beschriebene ist in seiner Analogie mit den Befunden bei Bufo leicht verständlich. Weiter entwickelt zeigt sich der Follikel von Fig. 6. Er misst in größter Ausdehnung 240 u und besitzt eine schmale Rissöffnung. Seine geringere Größe und das schon erwähnte Verhalten des Epithels charakterisiren ihn als ein älteres Corpus luteum, und damit stimmt auch der Befund an seiner Theca überein. Dieselbe ist stark gefaltet in all ihren Schichten, wodurch das Lumen eingeengt wird. Die Membrana propria wie die äußere Theca sind leicht erkennbar. Die Zwischenschicht enthält die gleichen rundlichen granulirten Zellen wie zuvor; ihr feines Faserwerk in- dessen ist, um mich so auszudrücken, kondensirter in Struktur und Färbung, ähnlich den beiden Grenzlamellen, mit welchen es in Ver- bindung steht. Es ist dadurch eine merkliche Raumverminderung dieser Theca interna eingetreten. Nicht selten hängen von der oberflächlichen Ovarialplatte Ge- bilde in den Hohlraum des Eierstockes, wie eines davon in Fig. 7 - dargestellt ist, bald größer, bald kleiner, aber alle unverkennbar weiter fortgeschrittene Rückbildungsstufen geplatzter Follikel. Eine offene Kommunikation nach der Leibeshöhle ist meist nieht mehr vorhanden, wohl aber häufig ein schmales Lumen, in welchem zu- weilen noch einzelne Epithelzellen, meist aber, wie in der Abbil- dung, nur noch Trümmer von solchen liegen. Die Membrana propria 94 A. Bühler als Begrenzung des Lumens ist gut ausgebildet, weniger scharf in- - dessen präsentirt sich die Theca externa, deren Kontouren durch ihre Verbindung mit den verdichteten Bindegewebsbündeln der In- terna verwischt sind. Die früher beschriebenen Zellen der letzteren Schicht sind recht wohl erkennbar, doch offenbar an Zahl reducirt; denn anders lässt sich die Verkleinerung dieser Schicht in allen Dimensionen nicht erklären. | Zur Volumsverminderung des ganzen Gebildes hat indessen noch | ein anderer Umstand beigetragen. Dem Corpus luteum der Fig. 7 schließt sich nach rechts hin an eine beträchtliche Verbreiterung der Lamina ovarii, die direkt in ersteres übergeht. Das ist so zu ver- stehen: Seit dem Sprunge dieses Follikels sind rechts und links davon weitere Eier ihrer Reife entgegengewachsen und haben das zwischen ihnen liegende Stück der Ovarialplatte gedehnt. Dieser Dehnung zufolge ist auch das Corpus luteum in die Breite aus- gezogen worden und mit seinen peripheren Theilen bereits in das Niveau der Lamina ovarii superficialis übergegangen. Auf diese Weise muss dieser entleerte Follikel allmählich ver- schwinden. Es spielen dabei aber auch noch Reduktionsvorgänge in seinem Gewebe eine Rolle, wie die folgenden Figuren zeigen werden. Nach Resorption der letzten Follikelepithelreste obliterirt das Lumen des Corpus luteum. Die Membrana propria legt sich zu einer homogenen dunklen Haut zusammen und wird successive mit weiterer Verkleinerung des Ganzen ebenfalls resorbirt. Ein gleiches Schicksal erleidet die Theca externa und das mehr und mehr hyalin aussehende Bindegewebe der inneren Theca. Auch die großen Zellen der letzteren verschwinden allmählich. Ein kleiner Theil derselben nimmt längliche Formen an mit fädigem Protoplasma: er wird zu gewöhnlichen Stromazellen. Die größere Zahl davon geht indessen unter und zwar kommt es hierbei zur Chromatolyse mit fettigem Zerfall des Protoplasmas oder zu hyaliner Umwandlung der Zelle mit Schrumpfung und schließlichem Verschwinden des Zellkernes. Beide Formen sind in dem Präparate, dem Fig. 8 entnommen ist, vertreten. Fig. 9 endlich stellt nur noch eine kleine nach innen vorsprin- gende Falte der Ovarialplatte dar, aus welcher fast Alles, was für ein Corpus luteum charakteristisch war, verschwunden ist. Epithel und Lumen sind längst nicht mehr vorhanden; im Inneren ist die Membrana propria noch angedeutet; das Übrige unterscheidet sieh - Rückbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 95 im Bau kaum vom gewöhnlichen Stroma ovarii. Eine geringe Deh- nung noch der Lamina ovarii ist nöthig und das Gebilde hat jede selbständige Existenz eingebüßt; es ist zu einem Bestandtheil der Lamina ovarii superfieialis geworden. Das ist es auch, was GIACOMINI vom Endschieksal der von ihm beobachteten Corpora lutea berichtet; nur ist seine Beschreibung, was die speciellen Vorgänge bei der Rückbildung anbetrifft, weniger detaillirt. Die Zeit der Rückbildung lässt sich bei Triton, wie schon ge- sagt, nicht mit voller Sicherheit bestimmen. Das Präparat der Fig. 9 gehört zu den ältesten — es finden sich übrigens noch weiter re- dueirte — des betreffenden Ovariums. Da das Thier Mitte Juni ge- tödtet wurde und der ungünstigen Witterung wegen nicht vor Mitte April zu laichen begonnen hatte, ist das Corpus luteum im höchsten Falle 2 Monate alt. Zusammenfassung. Die Wandung der geplatzten Follikel unterliegt auch bei Am- phibien einer vollständigen Rückbildung. Der Process verläuft beim Epithel rascher als beim Bindegewebe und besteht bei jenem im totalen Untergang. Im Bindegewebe kommt es in so fern zum Ansatz einer Art specifischer Gewebsbildung, als die Zellen der Theca interna während längerer Zeit nach Form, Größe und Färbung epitheloiden Charakter annehmen. Das Ende des Processes ist für das Binde- gewebe: Rückkehr zum Bau des Ovarialstromas und Aufgehen in der Lamina ovarii superficialis. In allen Stadien und Geweben fehlt jedes Anzeichen von aktiver Neubildung. Rückbildung des ungeplatzten Follikels. Bufo cinerea. Was die Follikelatresie anbetrifft, bleibt mir nicht viel Anderes zu thun übrig, als die bekannten ausführlichen Angaben von G. Rute (7) hierüber zu bestätigen. Um die Angaben dieses Autors kurz zu wiederholen, hat derselbe gefunden, dass bei diesem Vorgang der Eikörper durehwaehsen wird von Zellen des Follikelepithels im Verein mit Leukocyten, die zusammen eine Resorption des Dotters einleiten. Blutgefäße folgen und sorgen für Weiterschaffung des 96 A. Biihler zerlegten Dottermaterials. In den so allmählich sich verkleinernden Leib des untergegangenen Eies dringen Bindegewebsziige. Das End- produkt ist eine Narbe, die als letzte Reste des Eies noch Pigment- körner enthält, die, aus dem Dottermaterial hervorgegangen, in Zellen liegen geblieben sind. Aus der Litteratur ist noch zu erwähnen, dass SWAMMERDAM (9) der Erste war, der beim Frosch makroskopisch die physiologische Rüekbildung der Eierstockseier erkannte. Seit Ruce hat sich noch HENNEGUY (4) mit der gleichen Frage beschäftigt, doch weniger ausführlich. Seine Resultate stimmen im Wesentlichen mit denjenigen von RuGE überein. Mein Untersuchungsobjekt hierfür war die gemeine Króte. Zur Vervollständigung meiner Abhandlungen über diesen Punkt durch eigene Beobachtungen, wie zur theilweisen Ergänzung der Darstellung von RuGE und zu deren Bestätigung an einer anderen Species, soll das Gefundene an Hand der Figg. 10—19 hier in Kurzem beschrieben werden. i Die ersten deutlichen Zeichen von Degeneration im Ei zeigen sich am Kern. Normaler Weise besitzt derselbe eine sehr feine, ge- fältelte Kernmembran. Sein Inneres wird durchzogen von einem äußerst zarten dichten Liningerüst, das zahlreiche kleine Oxy- chromatinkörner und weniger aber größere Kügelchen von Basi- chromatin (nach HEIDENHAIN) enthält. Die letzteren liegen vertheilt im ganzen achromatischen Maschenwerk und sammeln sich zahl- reicher an der Kernmembran und bei großen Eiern außerdem in der centralen Partie des Kernes, wo sie Ketten bilden. Bei Anilinblau- Safraninfärbung kontrastiren sie durch ihre rothe Farbe schön gegen den blauen Grund des Kernes. Der Kern selbst ist rundlich und liegt in einer dotterarmen, pigmentirten Protoplasmaschicht excentrisch im Ei. Mit beginnender Degeneration büßt der Kern seine rundliche Form gegen eine unregelmäßig längliche ein und verliert an Volum. Dabei tritt offenbar Kernsaft in die Umgebung aus; denn die eben- genannte feinkörnige Protoplasmaschicht ist an manchen Stellen durch eine homogene Masse vom Aussehen des Kernsaftes vom Kern abgehoben. An anderen Stellen freilich dringt das reich- licher auftretende Pigment weit in die tieferen Falten der Kern- membran ein. | Dies ist beides zu sehen in Fig. 10, wo auch Form und Lage des Kernes erkennbar sind. Die leeren Lücken im unteren Theile Rückbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 97 zwischen Kern und Dotter miissen Risse in Folge der Fixation sein, wie sie besonders in atretischen Eiern häufig vorkommen. Der Kern desselben Eies ist bei stärkerer Vergrößerung iu Fig. 11 zur Hälfte abgebildet. Die Kernmembran ist sehr ungleich in ihrer Ausbildung. Manchenorts dieker als normal, scheint sie an vielen Stellen ganz zu fehlen, so- dass der stark pigmentirte Dotter ungehindert in den oberflächlichen Theilen des Kernes sich ausbreiten kann. Im Inneren des Kernes ist an Stelle des achromatischen Ge- rüstes mit den Oxychromatinkörnern eine homogene Masse getreten, die Vorliebe zeigt für basische Anilinfarben, sich also z. B. im Gegen- satz zu früher mit Safranin kräftig und gleichmäßig färbt. Am Basiebromatin macht sich die Chromatolyse bemerkbar. Die centrale Gruppe dieser Körperchen besteht nicht mehr aus regel- mäßigen Ketten relativ großer Kiigelchen, sondern aus mehr oder weniger dichten Häufchen kleinster dunkler Körnchen. Diese rühren, wie sieh in der Fig. !! deutlich erkennen lässt, her vom Zerfall der größeren Chromatinkiigelchen; der Process endigt mit Zerstreuung der Chromatintrümmer in der Grundsubstanz des Kernes und schließ- lichem Verschwinden durch Auflösung in letzterer. Dadurch erhält diese auch ihre Färbbarkeit mit Safranin und ähnlichen Stoffen. Ist das Chromatin zerfallen und die Kernmembran verschwunden, so bildet der Rest des Kernes noch längere Zeit eine homogenere, kräftig gefärbte Stelle im untergehenden Dotter, bis später seine Unterscheidung theils in Folge von Resorption, theils in Folge von Durehdringung mit anderen Stoffen zur Unmöglichkeit wird. Gleichzeitig mit dem Beginn der Kernveründerungen spielen sich an der Peripherie des Eies Vorgünge ab, die für die Atresie von Bedeutung sind. Das in Frage kommende Ei, von dem in Fig. 10 ein Theil abgebildet ist, misst im größten Durchmesser 1,9 mm und liegt in Follikelhüllen, die anscheinend unverändert sind. Auch sein Dotter zeigt, auBer dem schon beschriebenen Verhalten in der Um- gebung des Kernes, keine Abweichungen vom Normalen: Rundliche Dotterkórperehen von ziemlich gleichmäßiger Größe, mit Safranin roth gefärbt, liegen im feinkörnig pigmentirten Protoplasma, das in der Peripherie einen diehteren und darum dunkleren Saum bildet. Den Eikörper umgiebt das ca. 2 u breite homogene, helle Oolemma, die Abgrenzung gegen das Follikelepithel. Doch auch innerhalb des Oolemmas, in der peripheren Pigmentschicht des Eies liegen einzelne Zellen mit Kern und Protoplasma. In diesem Prüparat beschrünken sie sich ausschließlich auf die Nachbarschaft des Kernes; bei anderen Morpholog. Jahrbuch. 31. 1 98 A. Biihler Eiern mit stirker degenerirtem Kern finden sie sich in der ganzen Oberfläche derselben. Es sind dies die gleichen Zellen, wie sie auch Ruce bei Siredon und Salamander gesehen hat, und von welchen er annimmt, dass sie vom Follikelepithel abstammen (s. besonders seine Fig. 93). Diese Annahme wird durch meine Fig. 12, vom. gleichen Ei wie Fig. 11 bei stärkerer Vergrößerung entworfen, bestätigt. Im Follikelepithel liegen bei E zwei Zellen über einander, von denen die innere das Oolemm verdünnt hat. Diese Zelle ist im Begriff die Eihaut zu durchbrechen. und sich den schon im Ei befindlichen Zellen zu- zugesellen. Andere Präparate zeigen gleiche Zellen, die halb durch die Zona durchgedrungen ins Innere des Eies vorspringen, genau wie ich dies a. a. O. für Petromyzon beschrieben und abgebildet habe (a. a. O. Fig. 15). Hinter den eingedrungenen Zellen schließt sich das Oolemm wieder zusammen. Solche einmal in das Ei gelangte Zellen beladen sich rasch mit Pigmentkörnehen und weiter im Inneren mit Dottermaterial, das sie in der von Ruce ausführlich beschriebenen Art und Weise zerlegen. Während so der Eikörper schwindet, nehmen diese Zellen, die ich in Übereinstimmung mit den Fischen als Dotterzellen bezeichne, an GróBe zu. Weitere folgen den zuerst eingedrungenen, was nach dem frühzeitigen Schwund der Eihaut mit Leichtigkeit geschehen kann, so dass bald das ganze Follikelepithel sich mit Dotter und Pigment vollfrisst. Dadurch entsteht eine kontinuirliche Lage pigmentirter Zellen in der Peripherie des Eies, ein Dotterepithel, das mit der Verkleinerung des Eies höher und vielschichtig wird. Dasselbe ist von RucE in vielen seiner Figuren, u. A. in Fig. 1 und 2 von Siredon, abgebildet worden. In meiner Fig. 13 ist ein Theil eines Eies von ca. 600 u größtem Durehmesser abgebildet, wodurch das Gesagte illustrirt wird. Die großen Dotterzellkörper, in welchen der Kern oft durch die Menge des zu Schollen gehäuften Pigmentes verdeckt wird, sind locker an einander gereiht in einer óder mehreren Lagen. Dazwischen finden sich Lücken, ausgefüllt von freien Dotterkörnern, wie sie auch den ganzen centralen Abschnitt des Gebildes noch einnehmen. In den letzteren sind ebenfalls schon Zellen eingedrungen, meist Leukocyten, kenntlich am dunkeln, gelappten oder mehrfachen Kern, dann aber auch Epithelzellen mit hellerem ovalem Kern und größerem Zellleib, die sich aus dem Verband der übrigen losgelöst haben. Die Auf- nahmsfähigkeit der ersteren für Dotterbestandtheile scheint geringer Riickbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 99 zu sein; wenigstens fehlen unter den großen pigmentirten Zellen solche, die sich sicher von Leukocyten ableiten lassen. Dies Dotterepithel also besorgt, wie ich mit Ruce übereinstim- mend behaupten kann, die Zerlegung der Dotterkörner, deren Reste darauf an die Gefäße weiter gegeben werden. Die widerstands- fühigeren Pigmentkörner des Eiprotoplasmas indessen speichern sich in den Epithelzellen für längere Zeit auf. Je mehr Dotter weg- geschafft wird, um so mehr verkleinert sich der Eikürper, um so mehr rückt das Dotterepithel centralwärts vor, bis es schließlich den ganzen Raum des ehemaligen Eies einnimmt (Fig. 13). = [Ist dies geschehen, so dringen von der Theca aus Blutgefäße mit zarten Bindegewebssepten zwischen die Epithelzellen ein. Die- selben etabliren sich naturgemäß erst in den peripheren Schichten desselben, so dass diese atretischen Körper zu einer gewissen Zeit eine koneentrische Schichtung aufweisen. | Am Objekt der Fig. 14 konnte ich zwar reichlich Blutgefäße in der Theca, indessen trotz eifrigem Suchen keine zwischen den Dotter- epithelzellen entdecken. Die Einwanderung derselben beginnt also bei Bufo später als bei Siredon, wovon RugE eine sehr frühe Vas- eularisation des untergehenden Eikörpers berichtet. In Fig. 15 zeigen sich, allerdings spärlich, Gefäße (Vas) und Bindegewebszüge im Inneren des ehemaligen Eies; dadurch wird das Objekt als späteres Stadium der Atresie charakterisirt. Am Prä- parat sind dazu noch andere Eigenthümlichkeiten wahrzunehmen. Der betreffende Körper ist erheblich kleiner als der von Fig. 14 (370 u gegen 480 u im größten Durchmesser). Das könnte auch zurückzuführen sein auf eine geringere Größe im Beginne der Atresie. Indessen die Dickenverhältnisse der Theca in beiden Präparaten lassen sich nur erklären durch die Annahme, dass das Gebilde von Fig. 15 durch Schrumpfung aus einem von ähnlicher Größe wie Fig. 14 entstanden ist. | Im Inneren von Fig. 15 ist eine Rückbildung des Dotterepithels vor sich gegangen. Dessen Zellen sind durchweg kleiner als in Fig. 14 und von ziemlich gleichmäßiger Größe, was in letzterer Figur nicht der Fall ist. In diesem Umstand ist eine weiter fortgeschrittene Resorption der durch die Epithelien aus dem Eiinhalt aufgenommenen Substanzen zu erkennen. Dass dies auch speciell das Pigment be- trifft, zeigt sich im geringeren Gehalt der Zellen an diesem Stoff, wo- durch die Kerne und Zellformen deutlicher hervortreten. Diese Pigmentzellen sind auch in den folgenden Figuren, die | ty 100 A. Biihler weitere Riickbildungsstufen von Follikeln darstellen, zu sehen. Sie sind dort an Zahl vermindert, wie auch die atretischen Körper im Ganzen kleiner sind. Sic bilden hier, wie an den Objekten RuGE's, ein Kriterium, dass wir es mit Resten untergegangener Eier zu thun haben, was bei der Króte um so werthvoller ist, weil bei ihr der Dotter relativ viel früher verschwindet, als dies nach Ruge’s An- gaben bei Axolotl und Salamander der Fall ist. Ob die Gebilde, wie sie in den Figg. 16—19 dargestellt sind, alle von ausgewachsenen Eiern stammen, ist im einzelnen Fall schwer zu entscheiden, ist auch von keiner prineipiellen Bedeutung. Eine anständige Größe müssen die betreffenden Eier immerhin gehabt haben; denn solche unter !/ mm Durchmesser enthalten bei der Kröte noch kein Pigment. Die geringere Größe der Objekte der genannten Figuren muss also ihren Grund haben in weiterer Re- sorption des Pigmentes, die sich schon in Fig. 15 zeigt, und die in Fig. 18 bei stärkerer Vergrößerung veranschaulicht wird. Dort finden sich Zellen von ähnlicher Form und Größe wie die Pigmentzellen der Fig. 16, einzelne ziemlich dicht mit dem Farbstoff gefüllt, einzelne mit ganz wenigen Körnchen beladen. Gerade an solchen Zellen, . aber auch an stark pigmentirten, wie im Präparat der Fig. 16, kommt es nun öfter zur Chromatolyse des Kernes und damit zum Untergang der Zellen. Auf diese Weise wird das darin eingeschlossene Pigment frei und wird zum Theil durch die Gefäßbahnen entfernt — auch bei ähnlichen Objekten, wie Fig. 16, sieht man in Gefäßen pigmen- tirte Leukocyten — oder bleibt noch einige Zeit im Bindegewebe oder dessen Zellen liegen. Schon in Fig. 16 sind einzelne Haufen von Pigment zu sehen, in welchen die Form noch diejenige einer Zelle ist, in denen aber an Stelle des Kernes nur ein leerer Fleck liegt. So sind die in Fig. 16 an Zahl stark reducirten Zellen des Dotter- epithels in den Figg. 17 und 18 bis auf wenige Reste verschwunden, die voraussichtlich sich auch nicht mehr lange halten werden. Einfacher sind die Vorgänge, die sich ‚unterdessen im Follikel- bindegewebe abspielen, dessen Betheiligung an der Atresie gering ist. Sie besteht im Grunde genommen lediglich darin, dass das Anfangs stark blutreiche Thecagewebe in späteren Stadien den atre- tischen Eikörper mit gefäßführenden Sprossen durchwächst, sich mit der Verkleinerung des ganzen Gebildes verdichtet und schließlich im Stromagewebe der Lamina ovarii superficialis aufgeht. An die Verhältnisse beim Corpus luteum erinnert etwas die Theca der Fig. 15, indem auch hier deren mittlere Zellen zum Theil Rückbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 101 einen ähnlichen Bau annehmen wie bei der Theca interna des ge- platzten Follikels, doch in viel geringerem Maße. Eine besondere Theca externa kommt kaum zur Ausbildung, eine Membrana propria, die gerade beim Corpus luteum sich kräftig entwickelt, fehlt in jedem Stadium der Atresie. In den Endstadien der Atresie, wie sie in den Figg. 17 und 18 dargestellt wird, kommt es vorübergehend zu einer Verdichtung der- jenigen Bindegewebslamelle, welche an den Lymphsinus des Ovariums grenzt; dieselbe macht indessen bald einem loseren Gefüge Platz, so dass schließlich nur noch eine kleine Verbreiterung der Ovarialplatte mit einzelnen Pigmenthüufehen als Rest eines atretischen Follikels zu erkennen ist. Die beiden Epithelien, welche oberflächlich den Follikel be- kleiden, das Eierstocksepithel und das Sinusepithel, verhalten sich der ganzen Atresie gegenüber indifferent. Durch Reduktion der Zahl ihrer Elemente passen sie sich langsam der fortschreitenden Ver- kleinerung der untergehenden Follikel an. Das Alter der betreffenden Stadien der Atresie ist kaum fest- zustellen. Das Ei der Figg. 10—12 liegt im gleichen Ovarium wie der geplatzte Follikel der Fig. 1, ist also ungefähr gleichalterig. Die Präparate der Figg. 13 und 14 stammen aus ein und demselben Ovarium wie das Corpus luteum der Fig. 2; doch halte ich es für verkehrt, daraus auf gleiches Alter zu schließen, weil beide von un- gleicher Entwicklung sind. Zusammenfassung. Der Untergang eihaltiger -Follikel bei Amphibien beginnt fast gleichzeitig mit einer chromatolytischen Auflösung des Keimbläschens und dem Eindringen von Follikelepithel mit einzelnen Leukocyten in das Ei. Vor Allem die ersteren sorgen für Resorption der Eibestand- _theile, speciell des Dotters und des widerstandsfühigeren Pigmentes, durch Zerlegung mit nachfolgender Auflösung dieser Substanzen, die auf dem Wege der Gefäßbahnen entfernt werden. Mit der auf diese Weise sich vollziehenden Reduktion des Ganzen tritt von der Theca aus eine Durchwachsung des atretischen Follikels durch Bindegewebe ein, das endlich, selbst der Schrumpfung anheimfallend, das unter- gehende Follikelepithel ersetzt. Das Ende ist auch hier ein schließ- liches Aufgehen im Stroma ovarii. 102 A. Bühler Litteraturverzeichnis. 1) v. BAER, K. E., Uber Entwieklungsgeschiehte der Thiere. II. Theil. Königs- berg 1837. 2) BRANDT, ALEX., Fragmentarische Bemerkungen über das Ovarium des Frosches. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XXVIII. 1877. 3) GIACoMINI, E., Sui corpi lutei veri degli Anfibi con una breve appendice | sui corpi lutei veri degli uccelli: »Gallus domesticus<. Monit. zool. ital. A. 7. 1896. 9s | : 4) HExNEGUY, Recherches sur l'atrésie des follicules DE GRAAF chez les mam- miféres et quelques autres vertébrés. Journ. de l'Anat. et de la phys. A. 30. 1894. 5) LEYDIG, Lehrbuch der Histologie. Frankfurt 1857. 6) RATHKE, Entwicklung der Geschlechtstheile bei den Urodelen. Neueste Schr. der naturf. Ges. Danzig 1820—24. : 7) Ruce, G., Vorgänge am Eifollikel der Wirbelthiere. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XV. 1889. 8) SCHULTZE, O., Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Am- phibieneies. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XLV. 1887. 9) SWAMMERDAM, Bibel der Natur. (Deutsche Ausgabe.) Leipzig 1752. 10) WALDEYER, Eierstock und Ei. Leipzig 1870. ‚Erklärung der Abbildungen. (Bezüglich Technik und Bezeichnungen gelten die gleichen allgemeinen Bemerkungen wie im ersten Theil dieser Arbeit.) Tafel III. Rückbildung des geplatzten Follikels. Bufo vulgaris. Fig. 1—3. Fig. 1. Geplatzter Follikel; frühes Stadium mit gut erhaltenem Epithel. For- malin. Eisen-Hämatoxylin-Safranin. ZEISS’'Apochr. Obj. 16 mm. Oc. VI. 124: 1. Fig. 2. Dasselbe; sechs Tage nach Eiablage. Formalin. EH = Sf; gleiche Vergrößerung. Fig. 3. Dasselbe; zehn Tage nach Eiablage. Fl. Hansen’s Hämatoxylin. Kongoroth; gleiche Vergr. : Triton taeniatus. Fig. 4—9. Fig. 4. Geplatzter Follikel; ähnliches Stadium wie Fig. 2. (Die Rissöffnung ist nicht im Schnitt getroffen. Fl; EH = Sf. Obj. 16 mm. Oc. VI. 124 : 1. | Riickbildung der Eifollikel bei Wirbelthieren. II. 103 Fig. 5. Theil eines geplatzten Follikels; ähnliches Stadium. Fl; EH = Sf Obj. 4mm. Oc. IV. 315:1. Fig. 6. Riickbildung des geplatzten Follikels; Theile des Follikelepithels er- halten. Fl; EH. Obj. 16 mm. Oc. VI. 124:1. Fig. 7. Dasselbe; späteres Stadium mit Lumen. Fl; EH; gleiche Vergr. . 8 und 9. Dasselbe; Endstadien. Fl; EH (Sf); gleiche Vergr. ie? ku CO Tafel IV. Riickbildung des ungeplatzten Follikels. Bufo vulgaris. Fig. 10. Theil eines Eies mit Follikelhiillen im Beginn der Atresie. Kern- veränderungen; Eindringen von Follikelepithelzellen. Fl; EH = Sf. Obj. 16mm. Oc. VI. 124:1. Fig. 11. Kern des gleichen Eies; Chromatolyse. Obj. 4 mm. Oc. IV. 315:1. Fig. 12. Theil der Oberfläche des gleichen Follikels. Obj. 4 mm. Oc. VIII. 700:1. Fig. 13. Hälfte eines atretischen Follikels; in der Peripherie des Eies pigmen- tirtes Dotterepithel, im Centrum freier Dotter mit eingewanderten. Zellen. Fl; EH — Sf. Ob. 16 mm. Oc. VI. 124:1. Fig. 14. Atretischer Follikel; weiteres Stadium; gleiche Technik, gleiche Ver- größerung. | Fig. 15. Dasselbe; späteres Stadium: im früheren Eikörper Gefäße und Binde- gewebe Fl; EH = Sf; gleiche Vergr. Fig. 16. Dasselbe; Rückbildung. des Dotterepithels; gleiche Technik, gleiche Vergr. Fig. 17. Dasselbe; weitere Reduktion, bindegewebige Vernarbung. Fig. 18. Dasselbe; Endstadium; gleiche Technik. Obj. 4 mm. Oc. IV. 315:1. Über die »intracellulären Fäden« der Ganglien- zellen des elektrischen Lappens von Torpedo. Von Bernh. Solger. (Aus dem anatomischen Institut zu Greifswald.) Mit Tafel V. Wer die Überschrift dieses Artikels liest und sich zunächst nur auf die Betrachtung der beigegebenen Abbildungen beschränkt, mag zu der Vorstellung gelangen, dass er aus ihm nicht viel Neues lernen wird. Es handelt sich auch um viel besprochene Bildungen, nur dass die Originale dieser anspruchslosen Figuren (und Präparate werden in der Histologie, die noch lange nicht das letzte Wort ge- sprochen hat, wohl immer das Entscheidende bleiben, und nicht die Leistungen des Zeichners und des Lithographen) vollkommen kom- petenten Beurtheilern an verschiedenen Orten, in Greifswald und Braunschweig (später in Kiel, Stockholm und Brünn), schon zu einer Zeit vorgelegen haben, als derartige Bilder im Bereiche von Gan- glienzellen noch neu waren oder nur wenige Vorgänger hatten. Ich erlaube mir auf das Zeugnis einer Autorität wie HOLMGREN (Litt.- Verz. Nr. 8, pag. 52) zu verweisen und darf hier wohl auch daran erinnern, dass mir gesprächsweise zu einer Zeit, als nur eine kurze Beschreibung der hier zu schildernden Faden vorlag, der Einwand gemacht wurde, es könne sich wohl um parasitäre Bildungen han- deln. Seitdem hat die Eisenhämatoxylinmethode noch eine ganze Reihe weiterer Strukturen in Nervenzellen aufgedeckt, solide oder röhrenförmige Gebilde verschiedener Form und Größe, mannigfach angeordnete Hohlräume u. dergl., über deren Deutung die Meinungen Über die »intracellulären Fäden« der Ganglienzellen etc. 105 gegenwärtig noch weit aus einander gehen. Daher hielt ich mich nicht nur für berechtigt, sondern sogar für verpflichtet, unter Bei- gabe von Abbildungen mich ausführlicher über meine Erfahrungen zu äußern, als es bisher (Litt.-Verz. Nr. 2) geschehen war. Die folgenden Zeilen beschäftigen sich also mit den von. mir im Jahre 1897 als »intracelluläre Fäden« bezeichneten Gebilden, die im Inneren von Ganglienzellen des elektrischen Lappens von Tor- pedo ocellata mit Hilfe der Eisenhämatoxylinfärbung nachweisbar waren. Das Material erhielt ich in der Zoologischen Station zu Neapel; die Wahl der Bezeichnung der fraglichen Gebilde geschah unbeeinflusst durch Henn (Litt.-Verz. Nr. 3), denn die Arbeit des genannten Autors, in welcher er von »intracellulären Fäden« in Ganglienzellen von Säugethieren und vom Hechte Kunde giebt, wurde mir erst am 11. August 1897 bekannt, also einige Monate nach meiner ersten Demonstration. Über die Abbildungen, zu deren Betrachtung wir uns sofort wenden, bemerke ich, dass nur die Figg. 4—7 ein etwas genauer ausgeführtes Gesammtbild der Zelle sammt der Kernstruktur wieder- geben; die übrigen sind nur dazu bestimmt, eine Vorstellung von den Befunden zu geben, auf die es in erster Linie ankommt, und zu erneuten Untersuchungen über den Gegenstand anzuregen. Ge- . lingt ihnen dies, so haben sie ihren Zweck erfüllt und mögen mit so manchen anderen ephemeren Erscheinungen der Vergessenheit anheimfallen. — Sämmtlichen Figuren liegen Schnitte durch den Lobus electricus zu Grunde, der in Pikrinschwefelsäure fixirt war. Mit Sublimat erzielte ich bei einem zweiten Exemplar ähnliche . Bilder. In beiden Untersuchungsreihen folgte darauf Färbung nach PERS dem HeıpexHaAmm’schen Hämatoxylin-Eisenlackverfahren. Die Ver- wendung von Ölimmersionen ist unerlässlich, doch kann man sie, einmal darauf aufmerksam geworden, auch bei Verwendung schwä- cherer Systeme eben noch erkennen. Da begegnen wir denn ver- "Sehiedenen Formen solcher innerhalb der Zelle (manchmal auch theilweise außerhalb derselben, Fig. 4) gelegener Fäden, die auch durch einen hellen Zwischenraum (Fig. 4) von der übrigen Substanz 4 des Zellkórpers getrennt sein kónnen. Diese Bildungen, die übrigens in ihrem Verlaufe nieht durchweg dieselbe Dicke bewahren, sondern streckenweise spindelfórmig aufgetrieben und zuweilen nach den Enden zugespitzt erscheinen, treten uns,. wie man sieht, als mehr oder weniger gekrümmte oder wellig verlaufende, meist derbe Stäb- chen (in der Einzahl oder zu zweien, Fig. 2) entgegen, die meist 106 Bernh. Solger homogen sich darstellen, manchmal aber auch in eine Reihe von Körnchen (Fig. 5) aufgelöst sind. Die beiden Körnchenreihen, aus denen dann die homogenen Strecken hervorgehen, sind erst bei tieferer Einstellung sichtbar, sie liegen etwas tiefer als der Kern, von dessen Membran sie daher nur scheinbar ausgehen. Aber auch bezüglich der übrigen Fäden ist gar nicht daran zu zweifeln, dass sie mit ihrer Hauptmasse wirklich im Iuneren des Zell- körpers liegen und nur gelegentlich, vom Messer gestreift, in das Niveau der Schnittoberfläche treten. Das ist wohl zu beachten, da- mit man nicht dem Verdacht Raum gäbe, es handle sich nur um Verunreinigungen des Schnittes. f Noch eines anderen Befundes habe ich hier zu gedenken (Fig. 6. und 7) den ich der brieflichen Anregung HoLwGREN's, nach intra- cellulären Kanälchen auch bei den Ganglienzellen von Torpedo Um- - Schau zu halten, zu verdanken habe.. Ich lasse den Wortlaut meiner Antwort (d. d. 9. April 1900) hier folgen, weil ich auch heute noch keine wesentlich neuen Thatsachen hinzuzufügen habe. »In der That,« . schrieb ich, »kommt etwas Derartiges vor und man sieht solche ver- ästelte Lücken, wenn man erst einmal darauf aufmerksam wurde, schon bei schwacher Vergrößerung. Ich hatte sie bisher für Arte- fakte gehalten, und die damit behafteten Zellen daher sorgfältig von der Berücksichtigung ausgeschlossen. Aber seitdem ich ganz ähn- liehe Beziehungen soleher Lücken zur Kernmembran bemerkte, wie Sie mehrfach sie schildern, muss ich bedauern, nicht noch einmal das reiche Material von Neapel zur Verfügung zu haben« (s. Fig. 7). Diese Kanälchen schienen mir auch bei Durchmusterung mit starken Systemen einer eigenen Wandung zu entbehren. Von Fortsützen einer Kapsel (hier kónnte nur ein Gliakorb in Betracht kommen), die allein oder fárbbare Fäden umschließend in das Innere anderer Zellen eindringen, bemerkte ich an meinen Objekten nichts. Ich bin nun geneigt, diese Kanälchen und die manchmal (Fig. 4) sichtbaren Spatia in der Umgebung der Faden als zusammengehörig anzusehen. Es würde sich dann um ein Sy- stem oder um eine regellose Masse von Lücken handeln, die innerhalb des Zellenleibes der betreffenden Ganglienzellen ausgespart, hier und da nach außen in den pericellulären Raum münden und die manchmal in Eisenhämatoxylin stark firbbare, fadenartige Gebilde umschlieBen, so zwar, dass sie nicht vollkommen von ihnen erfillt werden. Gelegentlich ragen diese Fäden noch etwas über die Oberfläche der Zelle hervor | | | Uber die »intracellulären Fäden« der Ganglienzellen etc. 107 (Fig. 4). Da man aber bei dem gleichartigen Aussehen der Faden (abgesehen von unwesentlichen Formverschiedenheiten) diejenigen, welche durch einen Spaltraum vom Zellenleib getrennt sind, von den übrigen, bei denen ein solcher sich nicht nachweisen lässt, un- möglich von einander trennen kann, so folgt daraus, dass in diesen Fällen die Lücken oder langgestreckten Vacuolen durch einen Ausguss jener färbbaren Substanz vollkommen er- füllt sind. Bevor wir nun ein wissenschaftliches Urtheil über die Bedeutung der eben geschilderten Lücken und Fäden abgeben, ist noch das Aussehen des frischen Materials zu Rathe zu ziehen. Leider wurde ich erst beim Studium meiner Dauerpräparate, fern von der Mittelmeerküste, auf diese Strukturen aufmerksam, so dass ich bei der Untersuchung des frisch gefrorenen Materials, die ich an Ort und Stelle nicht versäumte, sie als bewusste Ziele nicht ins Auge fasste. Bei dem geringen Procentsatz, zu dem die Fäden mir wenig- stens vorkamen, wird nicht allzuviel Aussicht sein, sie in ungefärbtem Zustand wahrzunehmen, meiner Schätzung nach kam auf etwa 100 Ganglienzellen eine einzige solche Einlagerung; immerhin halte ich es für angebracht, das, was ich am frischen Material wahrnehmen konnte, hier mitzutheilen. Das blass chamoisgelbe Aussehen des frischen elektrischen Lappens von Torpedo, den REICHENHEIM (1873) geradezu den »oliven- farbigen« nennt, hängt wohl von zwei verschiedenen Faktoren ab, einmal von dem Reichthum an Blutgefäßen, sodann aber von Ein- lagerungen in den Körper der Ganglienzellen selbst. Ich benutzte, wie schon bemerkt, zum Studium derselben auch Gefrierschnitte aus frischem Material, die ohne Zusatzflüssigkeit mit einer guten SEIBERT- sehen Ölimmersion 1:12 (ein Zeıss’scher Apochromat stand mir in Neapel nieht zur Verfügung) untersucht wurden. Es fanden sich da 1) große Massen kleiner Granula, 2) hier und da Gruppen von stärker liehtbrechenden Kórnehen oder Tröpfehen, die sich von jenen deut- lieh abhoben, 3) einzelne lebhaft gelb pigmentirte Granula, von etwas _ geringerer Größe als die vorigen. Sie finden sich nach Romano - (Litt.-Verz. 6 und 7) auch in den Neurogliazellen und sehr reichlich in den Spaltráumen zwischen den Zellen und bestehen aus einer - fettigen Substanz, gemischt mit Lipochromen und anderen fürbenden Substanzen. Max SCHULTZE hat also doch recht gesehen, und was _ er Pigment nennt, ist keineswegs, wie STUDNIČKA (1901) vermuthet, .. durchweg als »tigroide Substanz« zu bezeichnen. — Nach v. LENHOSSÉK 108 Bernh. Solger (Litt.-Verz. Nr. 1) kommt den Ganglienzellen des Lobus electricus von Torpedo eine ausgesprochen granuläre Struktur zu. Diese chro- mophilen Körnchen von ungefähr gleicher elliptischer Form sind in koncentrisch den Kern umziehenden Kreisen angeordnet. Aus den Tinktionsbildern dieser Zellen folgert er, »dass sie, frisch unter- sucht, eine sehr ausgeprägte koncentrische Streifung aufweisen müssen«. Von einer solchen regelmäßigen Anordnung habe ich nichts wahrgenommen. Keine dieser Kategorien interfilarer Einlage- rungen zeigte irgend welche regelmäßige Anordnung. Von faden- förmigen Gebilden oder gar von intracellulären Kanälchen oder Lücken melden meine Aufzeichnungen nichts. — Wollte man übrigens Kochsalzlösung als indifferente Zusatzflüssigkeit zu Schnitt- oder Zupfpräparaten aus Nervengewebe.von Torpedo wählen, so müsste man nach Borr eine solche von der Koncentration von 3,5% hierzu nehmen, also eine immer noch erheblieh weniger koncentrirte Lösung, als sie das Seewasser des Mittelmeeres darstellt. Dem Werthe frischer, mit oder ohne Zusatz sog. indifferenter Flüssigkeiten untersuchter Präparate, deren Bilder sich mit denen aus fixirtem Material bei Weitem nicht decken, wird man wohl am ehesten gerecht, wenn man Folgendes im Auge behält: Waren am frischen Präparat Bildungen wahrnehmbar, die irgendwie durch ihr Lichtbrechungsvermögen, ihre Färbung oder andere Merkmale von ihrer Umgebung sich abheben, so sind sie sorgfältig zu registriren, denn es könnte leicht sein, dass ihnen eine bestimmte Dignität zu- käme, dass sie aber am Dauerpräparat sich nicht erhalten hätten. So sehen wir in unserem Fall in den Ganglienzellen des elektri- schen Lappens von Torpedo statt der dreierlei Arten von Granulis des frischen Materials (schwach lichtbrechende, solehe von stärkerem Lichtbrechungsvermégen und gelb pigmentirte) an dem mit Sublimat oder Pikrinschwefelsäure fixirten Material nur eine einzige, gleich- mäßig färbbare Form von Körnchen. Bemerkt man dagegen nach Anwendung von Reagentien eine Differenzirung, die am frischen Objekt nicht zu erkennen war, so dürfen wir nicht ohne Weiteres schließen, es läge ein durch jene Mittel hervorgerufenes Kunstpro- dukt, ein Artefakt vor, das vordem nicht vorhanden gewesen wäre. — Die Möglichkeit, dass die in Rede stehenden Fäden präformirte Bil- dungen sind, lässt sich also einstweilen noch nicht von der Hand weisen. | | Da die Fäden, die ich also erst nach Anwendung einer Färbungs- methode hervortreten sah, stellenweise auch außerhalb des Zellen- Über die »intracellulären Fäden« der Gauglienzellen etc. 109 leibes naehweisbar sind, kónnen alle diejenigen Bildungen, die ihm bei Nervenzellen allein angehören, außerhalb der Diskussion bleiben. Ieh werde daher weder von der Filar- noch Interfilarmasse! zu sprechen haben, weder die Centrospháre noch die eehten »Krystal- loide« zu berücksichtigen haben. Leukocyten (MENcL) Blutge- fäße (RoHDE?) mit ihrem Inhalt, Neuriten (MENCL) und Den- driten, schließlich Gliafasern blieben von geformten Gebilden für die Diskussion allein übrig. Da Leukocyten oder Blutgefäße niemals unter dem Bilde homogener oder körniger Fäden erscheinen können, engt sich der Kreis noch mehr ein. Könnten es Neuriten oder Dendriten sein, also Fortsätze anderer Nervenzellen, die aus Neurofibrillen bestehen und, wenn es sich um Dendriten handelt, auch färbbare Schollen in bei Torpedo wenigstens variabler Masse enthalten ? An der Möglichkeit einer im postembryonalen Leben auftreten- den Konkrescenz benachbarter Neurone (HELD), die zu einer funk- tionellen Einheit gehören, zweifle ich nicht. Aber sie wird kaum unter dem hier dargestellten Bilde erscheinen, das allerdings, wie ich schon bei Gelegenheit meiner Demonstration in Braunschweig andeutete, die größte Ähnlichkeit mit gewissen von Hep (Litt.-Verz. Nr. 3, pag. 265) beschriebenen Befunden darbot. Http fand nach Alkoholfixirung und Färbung in Eisenhämatoxylin in einigen Fällen (bei drei erwachsenen Kaninchen und einer Katze) »eigenthümliche Gebilde im Zellenleib der Trapezzellen«, die mannigfach gestaltete, feine bis stärkere Fasern von bogenförmigem Verlauf darstellen und die. im Inneren der Zelle entweder mit breitem und gezacktem Fuß oder zugespitzt enden. Er konnte zuweilen feststellen, dass diese intracellulären Fasern sich in solche, die außerhalb der Zelle ver- laufen, fortsetzen. Letztere zeigen dann mitunter das längsvacuoli- sirte Bild des Achsencylinderprotoplasmas, während die intracellu- laren Fasern vollkommen strukturlos? erscheinen. Solche Befunde -deutet er als Achsencylinder*, die von außen her in die 1 Hiermit nehme ich die von mir früher, ohne Kenntnis der Originalarbeit, yon Levi (Riv. patol. nerv. e ment.) geäußerte Vermuthung, dass die derben - Fäden von Torpedo den von ihm beschriebenen fuchsinophilen Fädchen oder Körnchenreihen der Säugethierganglienzelle an die Seite zu stellen wären, zurück, — 2? E. ROHDE, Ganglienzelle, Achsencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XLV. pag. 409, Holzschnitt C. 3 Im Original nicht gesperrt hervorgehoben. * Auch NANSEN hat (1886) Gebilde innerhalb von Ganglienzellen beschrieben 110 Bernh. Solger Zelle hereingewachsen sind, während da, wo eine »völlig homogen aussehende Faser auch außerhalb zu beobachten ist«, wohl Neuroglia- fasern vorliegen, welche den Zellenleib durchsetzten. Bemerkens- werth ist, dass die Substanz des Zellenleibes diesen Fasern nicht unmittelbar anliegt, sondern dass sie durch einen Zwischenraum von ihr getrennt! ist. »Mitunter erhält man auch den Eindruck, als wenn eine feine, röhrenartige Hülle? diese Fasern begleite.« Gleiche Verhältnisse fand HELD auch »bei zwei Zellen der Formatio reticularis des Kaninchens und bei mehreren solcher lixetupiohe vom Hecht«. HOLMGREN ist in einer seiner letzten Publikationen (Litt.-Verz. Nr. 8, pag. 53) der Meinung, dass die von ihm bei Lophius gesehenen undulirten Fäden (nach Behandlung mit Sublimat und Eisenhäma- - toxylin), die ihm mit den von mir vorher dargestellten identisch zu sein schienen, nervöser Natur seien. Der färberische Unterschied dieser derben Fäden einerseits und der eigentlichen Neurofibrillen des Zellenleibes entgeht ihm natürlich nicht, aber er hilft sich über diese Bedenken mit der Annahme hinweg, dass bei der gewählten Vorbehandlung »eben die distalen Theile der Neuriten sich leicht färben, während die proximalen ungefärbt bleiben«. Danach hätten wir es also mit dem eingedrungenen Neuriten eines zweiten Neuron zu thun. Ich kann dieser Deduktion des bekannten schwe- dischen Forschers nicht beistimmen, die Differenz zwischen den ho- mogenen, stark färbbaren, derben Fäden und den fast farblosen, zarten Neurofibrillen lässt sich damit nicht aus der Welt schaffen. MENCL (Litt.-Verz. Nr. 7) bildet das Eindringen eines fast ganz ent-. färbten Neuriten in eine Ganglienzelle von Torpedo ab, das Bild, das mir übrigens nieht ganz verständlich ist, zeigt ein ganz abweichendes, tinktorielles Verhalten des fraglichen Neuriten. — Über die von Firsr beschriebenen Ringe, Ringreihen, Fäden und Knäuel, die er in den Kopf- und Spinalganglienzellen des Lachses antraf, und eben so über die von SJOVALL in den Spinalganglienzellen des Igels (nach Formol- und Alkoholbehandlung) gefundenen intracellulären Bildungen, die allerdings große Ähnlichkeit mit den von mir gesehenen Torpedo- fäden haben, die aber niemals die äußere Zellgrenze überschreiten, die vielleicht »bundles of primitive tubes< darstellen; das Material stammte von Myxine (citirt nach STUDNIGKA). 1 Im Original nicht gesperrt hervorgehoben. 2 S. vorhergehende Anmerkung. ——— DOt—-—————— — M ————Á—— Über die »intracellulären Fiden< der Ganglienzellen etc. 111 erlaube ich mir kein Urtheil. Sie sollen übrigens nach dem ge- nannten Autor mit dem HorwGREN'schen Kanälchensystem nichts zu thun haben und sind möglicherweise als krystalloide Bildungen (ich spreche hier nur von den intracellulären Einschlüssen) zu deuten. Da sieh, wie schon bemerkt, an den eigentliehen Faden eine Struktur nicht nachweisen lässt, so könnte man daran denken, sie für Gliafortsätze zu halten, wenn nur der Befund einer deutlich ‚granulären Beschaffenheit, wie er in Fig. 4 wiedergegeben ist, dieser Deutung nieht im Wege stiinde. Einen Zusammenhang dieser Faden. mit nervösen oder nieht nervósen Zellen der Umgebung habe ich niemals wahrgenommen. Es scheint mir daher kein anderer Ausweg übrig zu bleiben, als die homogenen und strecken- | weise körnigen Fäden mit den intracellulären Lücken und dem pericellulären Raume in Zusammenhang zu bringen. Meist sind die Kanälchen, die, wie manche der HOLMGREN’schen (STUDNICKA), der eigenen Wandung entbehren, nur mit einer sich nicht tingirenden Flüssigkeit erfüllt, die wohl mit der die Zellen umspülenden identisch ist. Manchmal aber scheinen sich in diesem Fluidum Konkretionen oder Niederschläge zu bilden, entweder schon intra vitam oder erst durch Einwirkung der fixirenden Reagentien. Was das Richtige ist, darüber werden spätere Untersucher zu entscheiden haben, die auch auf die Jahres- zeit und den Ernährungszustand der Objekte Rücksicht zu nehmen haben werden. Auch der Umstand, ob die Thiere längere Zeit in Gefangenschaft gehalten wurden, wird zu beachten sein. Hier mag noch eingeschaltet werden, dass LUGARO, wie ich einer Angabe von . HOLMGREN entnehme, die Vermuthung aussprach, es michten die eystósen Alterationen der spinalen Nervenzellen (wohl des Menschen) dureh Obliteration der »Saftkanülehen« zu Stande kommen. Zur.Stütze meiner Deutung möchte ich noch auf Beobachtungen - von LEYDIG, STUDNIČKA und MENCL hinweisen. Der von LEYDIG ge- - machte Fund betrifft freilich Ganglienzellen einer Form, die einem ganz anderen Thierkreis angehört, nämlich die eines Wurmes (Anneliden). In seiner Arbeit über Piscicola geometrica und andere einheimische - Hirudineen macht er (Zeitschr. für wiss. Zoologie. Bd. II. pag. 130) — auf »zwei ganz verschiedene Formen« von Nervenzellen aufmerksam. "Die eine Art überwiegt und umschließt einen feinkórnigen Inhalt. Die andere Art ist nur in geringerer Zahl vorhanden, aber bedeu- tend gróBer als jene, und soll zum Untersehied von den zuerst — genannten der Fortsätze entbehren. Als Zelleninhalt findet sich hier 112 Bernh. Solger eine großbröckelige, wie geronnene, leicht gelbliche Masse. LEYDIG — fügt noch ausdrücklich hinzu, es sei hierbei nicht eine Einwirkung des Wassers im Spiele, sondern man sehe sie so im lebenden, unverletzten Thiere. Außerdem beschreibt er noch ein Häufchen pigmentumsponnener Ganglienzellen, die wohl den Eingeweidenerven angehören. | Eine Umschau unter den Autoren, denen dasselbe Objekt vor- lag wie mir, nämlich Zellen des elektrischen Lappens oder wenig- stens solche der Medulla oblongata von Torpedo, hat nun aber Thatsachen an die Hand gegeben, die sich noch weit besser bei der Deutung meines Befundes verwerthen lassen. Ich meine die An- gaben von GARTEN (Litt.-Verz. Nr. 9) und die von Menci (Litt.-Verz. Nr. 11), die sich auf das Vorkommen von Vacuolen oder Lücken im Zellenleib und von pericellulären Kórnehen oder Netzen beziehen. Nachdem HELD (citirt nach GARTEN) gezeigt hatte, dass man durch bestimmte Fixirungsmittel, besonders wasserreiche, in normalen Gan- glienzellen von Säugethieren größere Vacuolen erzeugen kann, dass bestimmte Reagentien erst vacuolisiren und dann fixiren, konnte GARTEN (l. e. pag. 143) nachweisen, dass nach Durchschneidung des zugehörigen Nerven in der Ganglienzelle des Lobus electricus, ab- gesehen von Veränderungen an den NissL-Kórperchen, die wir hier bei Seite lassen, »in der Grundsubstanz größere spaltförmige oder rundliehe Lücken (,Vacuolen‘) auftreten, wie sie im Gefolge einer Reihe pathologischer Zustände bei Warmblütern schon beobachtet worden waren«. — Mencu fand in einem Falle besonders reichliche . Vacuolen, wie ich sie aus eigener Anschauung kenne, und zwar nach Fixirung mit Sublimat sowohl in den Ganglienzellen des elek- trischen Lappens, wo sie klein waren, als in solchen der Medulla oblongata, wo sie manchmal »ein Coagulum von hyaliner, stark lichtbrechender Substanz«! enthielten. Er ist allerdings geneigt, diese Inhaltsmasse als eine fettartige Substanz zu deuten, den direkten Nachweis durch die bekannten Methoden führte er jedoch nicht. Es könnten also immerhin auch in unseren Fällen patho- logische Veräuderungen mit im Spiele sein. Nun konnte aber auch von mir festgestellt werden, dass die Fäden z. Th. außerhalb des Zellenleibes lagen und in den peri- 1 In fixirten (PERENYI’sche Lösung) Ganglienzellen von Petromyzon Planeri fand STUDNIČKA (Anatom. Anzeiger. Bd. XVI. pag. 399. 1899) Alveolen, die eine homogene, mit Eosin stürker fürbbare Substanz enthielten, die er für eine be- sondere Ablagerung anspricht. eee aA ae en Se Se Uber die »intracellulären Fäden« der Ganglienzellen ete. 113 cellularen Raum! hineinragten. Vielleicht erlauben folgende Erfah- rungen der zuletzt genannten Autoren eine Ankniipfung an das eben erwähnte Verhalten. Bei Fixirung in FLemming’scher Lösung und Färbung durch eine Kombination der Heıpen#ain’schen Hämatoxylin- und der Methylenblaufärbung konnte GARTEN (l. c. pag. 143) aller- dings nur in »äußerst seltenen Fällen« beobachten, wie eine feine Körnchenreihe aus der Umgebung an die Zelle herantrat, um schein- bar in die äußerste Körnchenreihe des Zellenleibes überzugehen (vgl. dessen Figg. 10 und 11). Vielleicht gehört auch das von Mencit be- schriebene und abgebildete intercelluläre Netz von varicösen Fasern hierher, die sich mit Eisenhämatoxylin stark färbten. Auf die Färbbarkeit der fraglichen Fäden mit Eisenhümatoxylin kann ieh kein besonderes Gewicht legen. Was hält nicht Alles diesen Farbstoff fest, d. h. fester als die Umgebung! In dem so eben ausgegebenen zweiten Heft der Encyklopädie der mikroskopi- schen Technik (URBAN und SCHWARZENBERG) lesen wir auf pag. 517 und 518 folgenden aus der Feder M. HEIDEnHAIN’s stammenden Passus: »Durch diese Methode werden dargestellt: In erster Linie Centralkörper, Kerne (Chromatin), Schlussleisten; ferner auch die Centralkapseln, die Basalstiicke der Cilien und Darmstäbehen, ge- wisse faserige Differenzirungen des Zellleibes (Wimperwurzeln, Pseudo- chromosomen ete.), verschiedene Formen der Sekretgranula (in den Speicheldriisen, Pankreas, überhaupt in Eiweißdrüsen) und Pigment- körner (genuines Pigment der Nieren), Nıssr’sche Granula und schließ- lich nieht zum Wenigsten die Streifen Q (auch Z) der Muskelsub- stanz.<« Hierzu kämen noch nach BarrowirZz (Archiv für Anatomie und Phys. Jahrg. 1900. Anatom. Abth. pag. 262) die meisten thieri- schen Krystalloide, die HEIDENHAIN in seiner Liste nicht aufführt. Aber »Launenhaftigkeit« möchte ich der Methode mit BALLOWITZ (l. c. pag. 256) nicht vorwerfen, eher Unfähigkeit, in chemischer oder morphologischer Hinsicht für sich allein zu charakterisiren, allein diesen Mangel theilt sie leider mit den meisten Färbeverfahren, ob- wohl ich sie am allerwenigsten missen möchte. ‚Bei einer Umschau in der Litteratur neuesten Datums begegnete 1 HOLMGREN hat sich dafür ausgesprochen, dass der GoLai’sche »Apparato reticolare« einem Lymphspaltennetz entspreche, das mit extracapsulären Bahnen zusammenhinge, was GOLGI bestritt. Mir selbst stehen hierüber keine eigenen Erfahrungen zur Seite. BatLowirz (Anatom. Anzeiger. Bd. XVIII. pag. 178. 1900) erhielt nach Gorar's Vorschriften bei Torpedo nur ein negatives Er- gebnis. Morpholog. Jahrbuch. 31. 114 Bernh. Solger ich noch Angaben von v. SmMnrrnow (Litt.-Verz. Nr. 12) und von HOLMGREN (Nr. 13), die Berücksichtigung verlangen. v. SMNIRNOW beschreibt in Spinalganglienzellen eines viermonatlichen menschlichen Embryo konform mit HorwGREN's früherer Anschauung ein >» Netz lymphatischer Saftkanälchen oder Spalten«, die wahrscheinlich mit den Lymphräumen des Zwischengewebes der Ganglien in offener Verbindung stehen (l. c., Fig. 10) HOLMGREN dagegen bringt die bisher von ihm als Saftkanálchen gedeuteten Räume neuerdings mit einem intracellulären Netzwerk in Zusammenhang, das von Fort- sätzen intracapsulärer Zellen (es handelt sich um Spinalganglien) abzuleiten sei. Die netzförmig angeordneten Fortsätze, die stellen- weise durch Verflüssigung zu Kanülchen werden können, und die er als »Trophospongium« bezeichnet, weil sie im Dienste des Stoff- wechsels der. von ihnen durchsetzten Nervenzellen stehen, gehóren also niemals dem Protoplasma der eben genannten Elemente an, sondern intracapsulären Zellen. Nun finden sich aber in der Umgebung der Nervenzellen des Lobus electricus: von Torpedo wohl pericelluläre Spalträume, aber keine »intracapsulären Zellen.« Die Anschauung v. SMNIRNOW’s stimmt, wie man sieht, sehr wohl zu der von mir oben gegebenen Deutung der »intracellulären Fäden«, während kein Befund dafür spricht, sie als Theile eines »Trophospongiums« im Sinne von HOLM- GREN aufzufassen. - Litteraturverzeichnis. 1) LENHOSSEK, M. v., Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen. 2. Aufl. Berlin 1895. 2) SOLGER, B., Ganglienzellen des Lobus electricus von Torpedo. Sitzungsber. des med. Vereins, Greifswald (Sitzung vom 1. Mai 1897). Tageblatt der Naturforscher-Versammlung zu Braunschweig (Sitzung vom 22. Sept. 1897). 3) HELD, H., Beiträge zur Struktur der Nervenzellen und ihrer Fortsätze. Archiv für Anatomie und Physiologie. Jahrg. 1897. Anatom. Abth. pag. 204—294. 4 Taf. 4) HOLMGREN, E., Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius pisca- torius Lin. Anatom. Hefte. 38. Heft (XII. Bd.). pag. 71—154. Taf. 9 —18, 2 Textfig. (1899). 5) STUDNIČKA, F. K., Über das Vorkommen von Kanülehen und Alveolen im - Körper der Ganglienzellen und in dem Achseneylinder einiger Nerven- fasern der Wirbelthiere. Anatom. Anzeiger. Bd. XVI. pag. 397—401. . Uber die »intracellulären Fäden« der Ganglienzellen etc. 115 6) Romano, A., Sopra i centri nervosi elettrici dei Selacei. Monitore zool. . ital. Suppl. Anno X. pag. III—XXXIX. 2 Tafeln. 7) —— Intorno alla natura ed alle ragioni del colorito giallo dei centri ner- vosi elettrici. Anatom. Anzeiger. Bd. XVII. pag. 177—183. 1 Abb. 8) HOLMGREN, E., Studien in der feineren Anatomie der Nervenzellen. Anatom. Hefte. Bd. XV. Heft 47. pag. 1—89. Taf. I—XIV. 1 Textfig. 1900, 9) GARTEN, S., Die Veränderungen in den Ganglienzellen des elektrischen Lappens der Zitterrochen nach Durchschneidung der aus ihm entsprin- genden Nerven. Archiv für Anatomie und Phys. Jahrg. 1900. Anat. Abth. pag. 133—154. 2 Taf. 10) STUDNIČKA, F. K., Beiträge zur Kenntnis der Ganglienzellen. II. Einige Bemerkungen über die feinere Struktur der Ganglienzellen aus dem Lobus electricus von Torpedo marmorata. Sitzungsberichte der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, Prag. Math.-naturw. Klasse. Nr. 33. 1901. 15 Seiten. 1 Doppeltafel. | 11) MENCL, E., Einige Bemerkungen zur Histologie des elektrischen Lappens bei Torpedo marmorata. Archiv für mikr. Anat. Bd. LX. pag. 181 —189. 1 Tafel. 12) v. SMNIRNOW, AE, Einige Beobachtungen über den Bau der Spinalgan- glienzellen bei einem viermonatlichen menschlichen Embryo. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. LIX. pag. 459—470. 1 Tafel. 13) HOLMGREN, E., Weiteres über das »Trophospongium« he Nervenzellen und der Dsisenzellen des Salamander-Pankreas. Archiv für mikr. Anat. Bd. LX. pag. 669—680. 1 Tafel. Erklarung der Abbildungen. Tafel V. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf Ganglienzellen aus dem Lobus - electricus von Torpedo ocellata nach Fixirung in Pikrinschwefelsäure oder Subli- mat und M. HeıpenHain’scher Hämatoxylin-Eisenlackfärbung. Die Figg. 1—6 zeigen die verschiedenen Formen der »intracelluliren Füden«, die manchmal - dureh einen hellen Zwischenraum von der Substanz des Zellkörpers abgesetzt - sind. Einfache Ölimmers. oder ZEISS'sche apochromat. Olimmers. LS f Fig. 3. Seltener Befund, Faden im Polkegel. Fig. 4. Der Faden erstreckt sich über die Grenze des Zellenleibes hinaus in NW den pericelluliiren Raum. $ Fig. 5. Zwei Fäden, die zum Theil aus Körnchen bestehen, reichen scheinbar E. bis zur Kernmembran. 3 Fig. 6. Außer einem kleinen »intracelluliren Faden« mehrere Saftkanälchen. _ Fig. 7. Drei Saftkanülchen, die von der Kernmembran aus in den Zellkörper EU sich erstrecken, schon bei schwacher Vergrößerung, z. B. LEITZ, Objekt.- i Syst. III, Ocul. 3, deutlich sichtbar; rechts davon (etwas undeutlich) : ein viertes ohne Beziehungen zu jener Membran. Besprechung. Leche, Wilhelm, Zur Entwicklungsgeschichte des Zahnsystems der Süugethiere. II. Theil Phylogenie. 1. Heft. Die Familie der Erinaceidae. Zoologica, Heft 37. Stuttgart, Verlag von Erwin Nägele, 1902. Gr. 4%. 1048. Mit 4 Tafeln (77 Figuren) und 59 Textfiguren. Mit dem vorliegenden stattlichen Hefte beginnt die phylogenetische Reihe der Untersuchungen des zu unseren führenden Forschern auf dem Gebiete der Odontologie und Morphologie der Mammalia gehörenden Verfassers über die Entwicklungsgeschichte des Zahnsystems der Säugethiere. Bereits das Erscheinen des ersten, die Ontogenie behandelnden Theiles (1895) gab uns Gelegenheit, auf das Fundamentale und Großangelegte dieser Forschungen hinzuweisen und unseren auf das Erscheinen des phylogenetischen Theiles gesetzten hohen Erwartungen Ausdruck zu geben (Morph. Jahrbuch. Bd. XXIII. 1895. pag. 592—598). Inzwischen hat LECHE eine Anzahl weiterer hierher gehöriger Abhandlungen veröffentlicht (Bemerkungen zur Genealogie der Erinaceidae. Festschrift für LILLJEBORG. Upsala 1896; Zur Morphologie des Zahnsystems der Insectivora. I, II. Anatom. Anzeiger. Bd. XIII. 1897; Unter- suchungen über das Zahnsystem lebender und fossiler Halbaffen. Festschrift für GEGENBAUR. III. 1897); diese und namentlich die eingehende jetzt erschienene Untersuchung rechtfertigen vollauf die damals ausgesprochenen Hoffnungen und Erwartungen. Das hier zur Untersuchung kommende Gebiet erscheint zunächst als ein eng begrenztes; es behandelt nur eine insectivore Familie, die der Erinaceidae. Aber das hier zusammengebrachte Material ist von einem Reichthum, wie es nie zuvor der Untersuchung dieser schon vielfach und eingehend beschriebenen Abtheilung diente; die Behandlung verlässt nie den festen Boden der gesicherten Beobachtungen; sie vertieft sich zu einer bewunderungswürdigen Forschung über den natürlichen Zusammenhang aller einzelnen Funde und erhebt sich zugleich mit freiem und kritischem Blicke zu weittragenden Ergebnissen in morphologischer, biologischer, systematischer und methodologischer Hinsicht. LECHE ist überzeugter Anhänger der Descendenztheorie und des genealo- gischen Zusammenhanges der Lebewesen; alle die Methoden, deren sich die dahin gehende Forschung bedient und die sich in der Kombination der ver- gleichend-anatomischen, ontogenetischen, paläontologischen, zoographischen und zoogeographischen Momente verbinden, sind ihm geläufig. Und er arbeitet hierbei mit einer seltenen Vorsicht und Gewissenhaftigkeit. Die sicheren, auch den reservirtesten Gegner überzeugenden Beweise und Fundamente herbeizu- Besprechung. 117 bringen, verschmäht er keine Mühen der eingehendsten Detailuntersuchung, und mit sicherer Hand führt er von da aus den Leser in immer höhere und weitere Kreise der Forschung. »Die stammesgeschichtliche Forschung hat nicht von den höheren Kategorien des Systems, sondern von den Individuen, den einzigen Realitäten der lebenden Natur auszugehen. Für Fragen der Descendenz sind wir, da das Experiment wenigstens zur Zeit noch versagt, auf die systematische Untersuchung von Formwandlungen angewiesen, wie sie bei Individuen auf- treten, über deren genetischen Zusammenhang kein Zweifel bestehen kann, — also bei Individuen einer ‚Art‘. Durch methodische Untersuchung möglichst vieler, einander nahe stehender ‚Arten‘ gewinnen wir Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Modifikationen von Art zu Art, um allmählich immer höhere Kategorien in den Bereich der genealogischen Forschung zu ziehen. Die hier- bei anzuwendende historische Methode fordert unweigerlich, dass das fragliche Objekt, so weit möglich, nach allen Richtungen der biologischen Forschung geprüft werde.« Als der am besten motivirte Ausgangspunkt für die Untersuchung der Stammesgeschichte einer Säugethiergruppe dient ihm das Zahnsystem, >da sich auf dasselbe in ausgiebiegerer Weise als auf irgend ein anderes Organsystem die drei Instanzen der historischen Methode, vergleichende Anatomie, Embryo- logie und Paläontologie, anwenden lassen. Denn bei ihm sind wir im Stande, die individuell frühere Entwicklungsstufe (d. h. das Milchgebiss) mit der histo- risch früheren (fossile Formen) direkt zu vergleichen, ganz abgesehen davon, dass selbst bei fossilen Thieren nicht selten das Milchgebiss der Untersuchung zugänglich ist. Wir haben somit im Zahnsysten einen vorzüglichen Prüfstein für die Tragweite des biogenetischen Satzes. Außerdem ist das Gebiss ganz besonders zum Studium der individuellen Variationen geeignet, da es äußerst plastisch ist, gefügiger und vollständiger als die meisten anderen Organe, auch den leisesten Impulsen von außen nachgiebt«. Damit verbindet LECHE zugleich die anatomische Untersuchung des Skeletes, der Muskulatur, des Integumentes und der wichtigeren inneren Weichtheile, und lässt fernerhin eine entsprechend ausführliche Behandlung und Würdigung den embryologischen und namentlich den palüontologischen und zoogeographi- schen Verhältnissen zu Theil werden. Mehrere Gründe haben den Verfasser bestimmt, mit der Familie der Eri- naceidae die phylogenetische Bearbeitung zu beginnen. Abgesehen von den äußeren Umständen, dass ihm von dieser Familie ein großes Untersuchungs- material zur Verfügung stand! und dass die ontogenetischen Grundlagen 1 Das für die eigene Untersuchung von LECHE verwandte Material umfasst 263 Schädel, Kiefer und Kieferfragmente, worunter mehrere embryonale, viele — mit Milebgebiss und zahlreiche fossile, 21 Skelete und verschiedene Skelet- theile und mindestens 12 Exemplare zur Bearbeitung der Weichtheile, welche sich auf die fossilen Arten Necrogymnurus cayluxi (1 Schädel, 13 Kiefer und Kieferstiicke), N. minor (2 Kieferstiicke), Galerix exilis (mehrfache Kieferhilften . und Kieferstücke), Palaeoerinaceus edwardsi (1 Kieferstiick) und die lebenden Hylomys suillus (13 Schiidel, wovon 1 embryonaler und 2 mit Milchgebiss, 3 Skelete und 5 Exemplare für Untersuchung der Weichtheile), Gymnura rafflesii (20 Sehüdel, worunter 1 embryonaler, 2 junge, 4 mit Milehgebiss, 2 Skelete und einzelne Skelettheile eines dritten, 2 Exemplare) Erinaceus jerdoni (1 Schädel 118 Max Fiirbringer ihres Zahnsystems Dank den Arbeiten LECHE’s und WoODWARD’s durchaus ge- sichert sind, sprach für seine Wahl die vergleichsweise tiefe und indifferente Stellung der Erinaceidae unter den Inseetivoren, der die anderen noch lebenden Insectivorenfamilien übertreffende Reichthum bekannter palüontologischer Reste, das Vorkommen sehr verschiedener Formen in der Familie und der das Studium der Artenbildung besonders begünstigende Artenreichthum in einer der hierher gehörenden Gattungen (Erinaceus). »Eine Thiergruppe mit sowohl ausgestorbenen als lebenden Vertretern bietet bei stammesgeschichtlichen Untersuchungen augen- scheinliche Vortheile solchen Gruppen gegenüber, welche nur ausgestorbene oder nur lebende Formen umschließen, denn im ersteren Falle fehlt uns der voll- stindige Einbliek in die Gesammtorganisation, welcher nur am recenten Ma- terial zu erlangen ist, und im letzteren die Leitung. und historische Kontrolle der Paläontologie. Also auch von diesem Gesichtspunkte sind die Erinaceidae ein günstiges Objekt für unsere Zwecke.« Die specielle Darstellung des Zahnsystems (pag. 10—47) beginnt mit der ausführlichen Mittheilung des Thatsachenmaterials, woran sich die ein- gehende Behandlung der historischen Entwicklung des Zahnsystems und ein- zelner Zühne der Erinaceidae, sowie weitere Erürterungen über die stammes- geschichtliche Bedeutung des Milchgebisses anschlieBen, die allgemeineren Fragen über die physiologische Entwerthung und Rückbildung, sowie die pro- gressive Entwicklung des Zahnsystems, über atavistische Erscheinungen, über das Verhültnis zwischen Krone und Wurzel bei den Umbildungen des Zahnes eine weitere Fürderung finden, und endlich die graphische Zusammenfassung der bezüglichen phylogenetischen Verhältnisse bei den Erinaceidae gegeben wird. Doch beschrünkt sieh die Behandlung aller dieser Fragen keineswegs nur auf diese Familie, sondern gewinnt durch vergleichende Rückblicke auf die Verhültnisse bei anderen Insectivoren, sowie Plagiaulacidae, Marsupialia, Artiodactyla, Amblypoda, Tillodontia, Carnivora, Prosimiae und Simiae allge- meinere Geltung und Festigung. - mit Milchgebiss), E. collaris (4 Schädel, 1 Skelet), E. albulus (8 Schädel, davon 3 mit Milchgebiss, 8 Skelete), E. auritus (26 Schädel, wovon 4 mit Milchgebiss, 1 Skelet), E. pictus (2 Schädel, 1 Exemplar) E. micropus (1 Schädel, 1 Skelet), E. senaarensis (25 Schädel, wovon 7 mit Milchgebiss), E. deserti (5 Schädel, worunter 1 mit Milchgebiss), E. frontalis (1 Schädel), E. albiventris (15 Schädel, wovon 3 mit Milchgebiss), E. algirus (34 Schädel, wovon 3 mit Milchgebiss, 1 Skelet, 1 Exemplar), E. europaeus (82 Schädel, wovon 24 mit Milchgebiss, 4 Skelete und diverse Skelettheile, mehrere Exemplare), E. (europaeus) deal- batus (2 Schädel) und E. (europaeus) chefoo (1 Schädel). Es spricht zur Genüge für die Vorsicht und Gewissenhaftigkeit des Untersuchers, dass er dieses reiche Material wohl für ausreichend erachtet, um ein ziemlich vollständiges Bild von den Formwandlungen und der Variationsbreite des Gebisses bei einigen Arten zu geben, aber für statistische Feststellungen als durchaus ungenügend ansieht. — Für die LECHE nicht zur eigenen Untersuchung verfügbaren fossilen Tetracus nanus, Lanthanotherium sansariense, Palaeoerinaceus cayluxi, P. intermedius, Erinaceus priscus, E. arvernensis, E. sansaniensis und E. oeningensis, sowie die lebenden Erinaceus macracanthus, E. megalotis und E. sclateri wurden die Be- schreibungen und Abbildungen von FILHOL, GAILLARD, SCHLOSSER, GERVAIS, DEPERET, LYDEKKER, BLANFORD, DOBSON und ANDERSON benutzt. Besprechung. 119 Aus der Fülle der Ergebnisse betreffend die zuerst behandelten Fragen sei hervorgehoben: das primitive Verhalten des Zahnsystems von Necrogymnu- rus; die Entwicklung der oberen Eckzähne der Erinaceidae aus Zähnen mit ursprünglich zwei getrennten Wurzeln und prämolarenartiger Krone, wofür individuelle Variationen förmlich die einzelnen Etappen dieser Umbildung wie- derholen; die von den Gymnurini zu den Erinaceini fortschreitende Reduktion der mittleren Antemolaren in Folge ihrer physiologischen Entlastung durch die höhere Ausbildung der vorderen Ineisivi; die zufolge der Rückbildung gewisser Zähne des Ersatzgebisses sich vollziehende Verkümmerung der entsprechenden Milchzähne; die Ausbildung zweier Kraftpunkte bei den Erinaceini, wozu bei dem höchsten Vertreter derselben (Erinaceus europaeus) noch ein dritter kommt; eigenthiimliche relative Beziehungen zwischen den beiden Generationen der Ineisivi superiores 2 und 3 und anderen Zähnen von Erinaceus, die nicht von diesem erworben sind, sondern nur als von Hylomis-artigen Vorfahren ererbt verstanden werden können; das phylogenetische Verhalten des vierten unteren Prämolaris; die relativ bessere Erhaltung des ursprünglichen Gepräges bei manchen Milchzähnen gegenüber den entsprechenden Ersatzzähnen. In der bedeutungsvollen Frage der progressiven Entwicklung des Zahn- systems steht LECHE bekanntlich zahlreichen maßgebenden Forschern (z. B. KOWALEVSKY, SCHLOSSER, SCOTT, E. ROSENBERG, WORTMANN u. A.) gegenüber. Während nach Diesen die höhere Ausbildung einzelner Zähne mit einer Rück- bildung anderer sich verbindet, somit die Zahl der Zähne (wie der Skelettheile) mit der höheren Differenzirung des Gebisses (wie des Skeletes) sich vermindert, - haben sich LECHE und seine Schule bereits früher (1891, 1895) gegen die all- 22 PL gemeine und durchgreifende Geltung dieser Sätze ausgesprochen. Auch danach (Zahnsystem der Halbaffen. 1897) und jetzt führt LECHE Fälle einer höheren Ausbildung von Krone und Wurzel gewisser Zähne ohne gleichzeitige Rück- bildung anderer Theile des Zahnsystems (Erinaceus, Sorex, Felis, Halichoerus), sowie auf Grund eigener und fremder Beobachtungen Vorkommnisse einer pro- - gressiven Entstehung neuer Zahnindividuen im Laufe der phylogenetischen Ent- wicklung (Odontoceti, Prosimiae, Semnopithecus, Anthropomorphae) an. — Von Neuerwerbungen durch Atavismus konnte er zwei einigermaßen unanfechtbare Fälle (bei Erinaceus europaeus oder E. senaarensis) feststellen. — Das Voran- schreiten der (progressiven und regressiven) Differenzirungsprocesse an der Krone gegenüber der Wurzel wurde bei Erinaceus algirus und E. europaeus konstatirt. Hinsichtlich der anatomischen Untersuchung des Skeletes (pag. 48— 61) und der Weichtheile (pag. 62—75) der Erinaceidae verweise ich auf das Original. Eine mehr oder minder eingehende Behandlung wird verschiedenen als systematisch bedeutsam erkannten Merkmalen des Schädels, des Rumpf- skeletes und der Gliedmaßen, sowie gewissen Muskeln, Integumentgebilden, einzelnen Theilen der Verdauungs- und Athmungsorgane, dem Gehirn im Großen und Ganzen. und den Genitalorganen zu Theil. Die gewonnenen Er- gebnisse vermehren nicht nur unsere anatomische Kenntnis dieser Familie, sondern gewähren zugleich im Anschluss an die taxonomische Verwerthung des Zahnsystems wichtige Direktiven für das genealogische System der Erinaceidae. Daran schließt sich die genauere Untersuchung der Verwandtschafts- verhältnisse der einzelnen Vertreter der Erinaceidae an (pag. 76—91), wobei — in Kombination mit den odontologischen und sonstigen morphologischen 120 Max Fiirbringer Verhältnissen derselben — das paläontologische Vorkommen und die geo- graphische Verbreitung derselben eine eingehende Würdigung zur Erkenntnis der phylogenetischen und genealogischen Beziehungen dieser Familie erfahren. Der obereocine Necrogymnurus erweist sich als der primitivste be- kannte Erinaceide und hat vorläufig als Stammvater dieser Familie zu gelten. Von da aus hat die Entwicklung nach zwei Richtungen stattgefunden: 1) über — die mittelmiocänen Genera Galerix und Lanthanotherium zu der lebenden Gym- nura, 2) über die noch in einem lebenden Vertreter vorhandene Gattung Hylo- mys und vielleicht den durch einen oligociinen Rest bekannten Tetracus zu Palaeoerinaceus (Obereociin und Miocän) und Erinaceus (Miocän und Jetztzeit). Galerix, welche bisher allgemein zu den Monotyphla gerechnet wurde, ist ein typischer, zwischen Necrogymnurus und Gymnura stehender Gymnurine. Hylomys steht Gymnura nicht so nahe, wie Dosson will; er reprüsentirt den ursprünglichsten, am wenigsten differenzirten unter den lebenden Erinaceidae und füllt gleichzeitig die Kluft zwischen Gymnura und Erinaceus aus. Die gegenseitige Abwägung der Charaktere dieser drei Gattungen zeigt in der Mehrzahl und in den wichtigeren Theilen ihrer Organisation eine Übereinstim- mung von Hylomys und Gymnura, in anderen, physiologisch minderwerthigen eine vermittelnde Position zwischen Gymnura und Erinaceus oder selbst An- näherung an letzteren. LECHE verbindet Hylomys mit Necrogymnurus, Galerix, Lanthanotherium und Gymnura zu der Subfamilie Gymnurini, wobei aueh der primitiveren Organisation dieser Gattungen ein entscheidendes Gewicht gegeben wird; die auf pag.47 gegebene graphische Darstellung lässt ihn, abseits von dem gymnurinen Zweige, in der Reihe zwischen Necrogymnurus, Tetracus? und Erinaceus stehen, und auch der Text weist die Ausbildung mancher Züge des Erinaceus von Hylomys-artigen Vorfahren naeh, so dass man geneigt sein kónnte, Hylomys von den Gymnurini noch weiter abzutrennen, als LECHE thut, und als Vertreter einer primitiven, nach den Erinaceini tendirenden Subfamilie Hylomyini anzusprechen. Palaeoerinaceus und Erinaceus bilden, wohl im Verein mit der oligocänen Zwergform Tetracus, die Subfamilie Erinaceini, wobei unter Berücksichtigung der fossilen Vertreter zwischen den beiden ersteren eine scharfe Grenze nicht existirt; die alttertiären Erinaceini haben viele primitive Organisationsvorzüge der Gymnurini (insbesondere von Hylomys) gewahrt, welche bei den recenten Species von Erinaceus einer hóheren Diffe- renzirung Platz gemacht haben. Die heute lebenden Erinaceus-Arten bilden 4 (resp. 5) nicht durch Zwischenglieder verbundene Stümme, deren Mitglieder (»Arten« oder »Varie- täten«), wie die morphologischen Thatsachen in Kombination mit den geo- graphischen lehren, durch topographische Isolation entstanden sind und von 4 (resp. 5) alten Formen abstammen. Diese Stümme sind: 1) Der Jerdoni- Stamm (mit Erinaceus jerdoni, macracanthus und niger, 2) der Collaris- Stamm (mit E. collaris, albulus, megalotis und auritus), 3) der Pictus-Stamm (mit E. pictus, micropus, senaarensis, deserti und dorsalis), 4) der Frontalis- Stamm (mit E. frontalis, sclateri, albiventris, algirus) und 5) der vielleicht von 4) ableitbare oder dazu gehörige Europaeus-Stamm (mit E. europaeus). Inner- halb dieser verschiedenen Stämme können Parallelformen, gleichartige Produkte, durch gleichartige Ursachen hervorgerufen, auftreten, welche also Konvergenz- bildungen, nicht unmittelbar verwandte Formen bezeichnen. Die beiden ersten Stämme enthalten die am wenigsten differenzirten und auch räumlich auf ein Besprechung. 121 engeres Gebiet (Westasien, Agypten) beschriinkten Arten; die 2 (resp. 3) anderen stehen höher und zeigen eine weitere Verbreitung über Afrika, Südeuropa und (bei dem am höchsten stehenden E. europaeus) über den größeren Theil des paläarktischen Gebietes. Gymnurini und Erinaceini bewohnten im Tertiär die gleichen Gebiete, schließen aber in ihrer heutigen Verbreitung einander aus, indem die ersteren (wie so manche anderen Säugethiere) sich auf die wärmer gebliebene malayische und birmanische Gegend lokalisirt haben, während die letzteren in ihren weniger differenzirten Formen (Stamm 1 und 2) sich vorwiegend in Nordwestindien und Iran finden, in ihren höher entwickelten Arten (Stamm 3—5) aber die oben an- gegebene weitere Verbreitung über das afrikanische und paläarktische Gebiet gewonnen haben. Schlusssätze bezüglich der geographischen Verbreitung und der Genealogie der Erinaceidae und die Zusammenstellung einiger Resultate der vorliegenden ren "S r — Ap" yn yr poy Untersuchung (pag. 92—100), sowie das Verzeichnis der citirten Litteratur, be- schließen das Werk, das zugleich durch zahlreiche Text- und Tafelfiguren eine ausgezeichnete Ausstattung und Erläuterung gewonnen hat. — LecHe’s Buch gehört zu den Werken, die jeder Morpholog und Zoolog lesen, mit großem Gewinn und dankbar lesen wird. In mancher Hinsicht an die Art gewisser HuxrLEv'scher Monographien gemahnend, dabei von einer un- gemein sicher und sorgfältig fundirten Basis ausgehend, bietet es eine außer- ordentliche Fülle zuverlässiger Schlüsse und feiner, weit über das direkt be- handelte Gebiet hinausgehender Erwägungen dar, welche dem Leser nicht nur einen großen wissenschaftlichen Genuss gewähren, sondern auch für seine eigene - Arbeitsmethode, mag diese sich auch mit ganz anderen Stoffen als dem hier vorliegenden befassen, in hohem Grade lehrreich, fördernd und vorbildlich werden. Dazu die reichen thatsächlichen Errungenschaften, denen man nach dem ganzen Charakter dieser vornehmen und gediegenen Forschung eine bleibende Bedeutung in sichere Prognose stellen darf. Wir wünschen dem Verfasser und uns, dass die weiteren Hefte des phylo- genetischen Theiles bald folgen und dass sie dem hier besprochenen gleichen mögen. | Max Fiirbringer. EU itr reichen N Antonis der Haut arbeitet von E Prof, W. Eilohhekger und Prof. H. Baum. = Zehnte Auflage. 1902. gr. 8. Mit 565 To M- 25.—. Soeben erschien: f Felix Hoppe-Seyler's Handbuch der shysiolovisch- und. patholorisc-oheniseht lus ~ für Ärzte und Studirende bearbeitet von ia) Prof, Dr, H. Thierfelder. | a Siebente Auflage. 1903. gr. 8. Mit 18 Textfiguren und 1 Spektraltafel. 16.—. k E Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Elemente der Geologie von Dr. Hermann Credner ord. Professor an der Universität Leipzig und Direktor der k. sächs. geologischen Landesuntersuchung; k. s. Geheimen Bergrath. ` Neunte, neubearbeitete Auflage. Mit 624 Figuren im Text. gr. 8. -1902. E -. # 15.—; in Halbfranz gebunden # 17.50.. Soeben erschien: ES o Physikalische Chemie E: der Zelle und der Gewebe er von Dr. Rudolf Höber * | Privatdocent der Physiologie an der Universitat Zürich. Mit 21 Abbildungen im Text. gr. 8. 1902. .# 9.—; in Leinen geb. # 10.—. —— Diesem Heft liegt eine Ankündigung von Wilhelm Engelmann in Leipzig über Weber-Baldamus, Lehr- und Handbuch der Weltgeschichte, - 91. Auflage, bei. — Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. > As. $ \ ee N U, % tr 1 SP LDNE ON TR T Peut -D Jor ^ CENE ORA MY E Fi O, ee |: TAE Mice, eA 3 x4 "NI "wy. i ; - E . M e NI A- es u rA E A x". J = " | m 7 -a a er "m J a , A EN i 24 č EE ic. ORPHOLOGISCHES. JAH RRUCH EINE ZEITSCHRIFT ANATOME, UND ENTWICKHLONGSGESCHICETE HERAUSGEGEBEN VON GEORG RUGE PROFESSOR IN ZURICH. EINUNDDREISSIGSTER BAND. ZWEITES UND DRITTES HEFT A MIT 13 TAFELN UND 45 FIGUREN IM TEXT Hr LEIPZIG © VERLAG VON WILHELM ENGELMANN E 1903. a E Ausgegeben am 1. September 1903. yin”, FR ug -~ Alfred Greil, Beiträge zur vergleichenden Anatomie . hd. Entwickl [a geschichte des Herzens und des Truncus arteriosus der Wirbelthiere : (Mit Taf. VI-—XT u. 95 Fig. im Text)... .. . . . . EH E. Göppert, Die Bedeutung der Zunge für den sekundären OR und den y Ductus naso- : phazyugeus. .Beobachtungen an Reptilien pnd Vögeln. BR (Mit Taf. XIL—XV u. S Fig. Im Texte. ig 3. 5. Des eee Ee Karl Fürbringer, Beiträge zur. Kenntnis des Visceralskelets der Selastiies dere (Mit Tate ZN IV LINE uA Re ee " K. Gehry, Neue Beiträge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen, eines Rudimentes des Panniculus carnosus der Mammalier. os Es 2 Figuren im Text). . .. Vp, DE o e TUAM EAR RENE i Mc 446 | Mittheilung. Beiträge für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an nim Prof. Georg Ruge in Zürich-Oberstrass einzusenden. Im In- - teresse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nach- träglichen Einschüben und ausgedehnten Abänderungen während der 1 Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzutrüglichkeiten verbunden sind. — Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der — Es Raum des im Morph. Jahrbuch üblichen Tafelformates nicht über- . schritten wird. Als Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind. auf — besonderen Blättern beizulegen. DERE neos oou S TA Die Herren Mitarbeiter des »Morphologischen Jahrbuchs« erhalten | von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonderabdrücke unbe- ; 3 rechnet, eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung. der ee, Fe. * ES Latinsckosten! be oA an : Der Herausgeber ` Die a... id Georg Ruge. . Wilhelm Engelmann. I Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Über die Bedeutung des | Darwin’schen Selectionsprincips | und Probleme der Artbildung. Von Prof. Dr. Ludwig Plate, Privatdozent a. d. Univ. Berlin. == Zweite, vermehrte Auflage. — gr. 8. 1908. M 5.—. I. A Veh OS Ache i CIA Nach längerm Kranksein verschied in Heidel- berg am 14. Juni der Begründer dieser Zeitschrift Herr Geheimer Rath Prof. Dr. Carl Gegenbaur, unter dessen Leitung fast 29 Bände erschienen sind, bis zunehmende Kränklichkeit ihn im Jahre 1902 veranlasste, die Weiterführung dem Mitunter- zeichneten zu übertragen. Eine Schilderung seines Lebens und seiner unvergünglichen Verdienste um die Anatomie, ins- besondere die vergleichende Anatomie, wird in einem der nächsten Hefte des Morphologischen Jahrbuchs erscheinen. Der Herausgeber Die Verlagsbuchhandlung Prof. Dr. Georg Ruge, Wilhelm Engelmann, Zürieh. Leipzig. 14 ' 3 si 3 iN J ¢ 2 — ang — — Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte des Herzens und des Truncus arteriosus der Wirbelthiere. Von Alfred Greil. (Aus dem k. k. anatomischen Institute der Universität Innsbruck.) Mit Tafel VI—XI und 35 Figuren im Text. Den Untersuchungen, deren erste Ergebnisse im Folgenden niedergelegt sind, diente ursprünglich als Ausgangspunkt die Frage nach der Entwicklung des Bulbus cordis und des Truncus arteriosus der Reptilien. Insbesondere handelte es sich um die Klarstellung der morphologischen Bedeutung des sogenannten Foramen Panizzae, jener Durchbrechung im Septum aorticum der Crocodilier, welche sich am Übergange des Herzens in den Truncus arteriosus dieser Formen vorfindet. Bei der Untersuchung des embryonalen Bulbus cordis fiel es auf, dass die Muskelwand dieses, am ausgewachsenen Thiere nur mehr in Rudimenten nachweisbaren Herzabschnittes zu jener des Canalis auricularis, sowie zum Trabekelgefüge der Kammer innige Beziehungen eingeht. Dies führte dann weiterhin zur Unter- ‚suchung der Entwicklung und Ausgestaltung dieser beiden letzteren Herzabschnitte, wobei insbesondere die Anlage der Scheidewände Berücksichtigung fand. Da in dem bearbeiteten Embryonenmateriale nur niedere Reptilien vertreten waren, so konnte das Verständnis für die am Herzen höherer Reptilien, speeiell der Crocodilier in ihrem definitiven Zustande, und namentlich auf ihren feineren Morpholog. Jahrbuch. 31. 9 124 Alfred Greil histologischen Bau untersuchten Bildungen nur durch vergleichend- anatomische Forschung gewonnen werden. — Zugleich wurde danach gestrebt, in den Bau und die Ontogenese des Herzens und Truncus arteriosus verschiedener Anamnierformen Einblick zu erhalten, um die so gewonnenen Erfahrungen bei der Deutung einiger bei Rep- tilien gemachter Befunde zu verwerthen. Dann erst konnte daran gegangen werden, das Herz der Vögel und Säuger auf das Verhalten des Bulbis cordis, des Ventrikels und Canalis auricularis neuerdings zu untersuchen, wobei wiederum den Beziehungen des ersteren zum Truneus arteriosus einerseits, der Kammerscheidewand und dem Klappenapparate der beiden venösen Ostien andererseits besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Nachdem das Herz bereits ven seinen frühesten Entwicklungs- stadien an, also gleichsam schon in statu nascendi, propulsatorisch arbeitet und prägnant wie kein anderes Organ auch den unmittel- baren Einfluss der Funktion auf seine Entwicklung und Ausgestal- tung erkennen lässt, so würde eine rein morphologische Untersuchung desselben sehr einseitig erscheinen. Es wurde daher stets einerseits die funktionelle Bedeutung der verschiedenen Einrichtungen dieses Organs im Auge behalten und insbesondere, so weit lebendes Ma- terial zur Untersuchung gelangte, auch die Aktion des embryonalen, nur von einer zarten Gewebsschicht bedeckten und daher ohne jeden störenden Eingriff sichtbaren Herzens möglichst genau verfolgt. Ge- legenheit hierzu bot sich an Keimen bezw. Embryonen der Forelle, der Eidechse und des Hiihnchens. An den ausgebildeten Organen einiger Reptilienformen wurde auf experimentellem Wege die Lösung speciell interessirender Fragen der Physiologie versucht. Anderer- seits wurde danach gestrebt, den entwicklungsmechanischen Einfluss der Blutbewegung auf die Gestaltung des Herzens, insbesondere seiner endocardialen Bildungen zu ermitteln. Vielfach wird an eine reichhaltige Litteratur anzuknüpfen sein, welche jedoch das Thema hauptsächlich von rein deskriptiven oder von vergleichend-anatomischen Gesichtspunkten aus behandelt. Die zur Ausbildung der definitiven Verhältnisse führenden ontogenetischen Processe haben hierbei eine viel zu geringe Beachtung gefunden. So kommt es, dass sich in manchen Fällen die Einseitigkeit dieser Art der Forschung in gewagten Spekulationen äußert, welchen die entwicklungsgeschichtliche Untersuchung die Bestätigung versagen muss. Die bisher vorliegenden entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten wiederum sind in so fern einseitig zu nennen, als sie in erster Linie Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 125 die Ontogenese des Herzens höherer Amniotenformen behandeln, ohne entsprechende Rücksichtnahme auf jene niedriger Vertebraten, welch letztere bisher nur in vereinzelten Fällen zur Untersuchung gelangten. Diesen embryologischen Arbeiten mangeln also jene vergleichenden Gesichtspunkte, welche allein die richtige Deutung und das morphologische Verständnis der auf andere Weise nur sub- jektiv einwandsfrei zu schildernden thatsächlichen Befunde ermög- lichen. — Es sind also die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen noch zu lückenhaft, als dass sie eine exakte vergleichende Bearbei- tung des Themas gestatten könnten. Die zahlreichen niedergelegten Befunde werden erst dann verwerthet werden dürfen, wenn es ge- lungen sein wird, die Entwicklung des Herzens und des Truncus arteriosus bei Vertretern aller Wirbelthierklassen festzustellen. Die- sem Ziele etwas näher zu kommen, ist der Zweck der vorliegenden Arbeit, welche die bedeutsamen Worte KARL Ernst von BAER’s aufs Neue bestätigen soll: »Die Entwieklungsgeschichte ist der wahre Liehtträger für die Untersuchung organischer Formen, bei jedem Schritte findet sie ihre Anwendung und alle Vorstellungen, welche wir von den gegenseitigen Beziehungen der organischen Körper haben, werden den Einfluss unserer Kenntnis ihrer Entwicklung er- fahren.« Untersuchungstechnik. Die Herzen der ausgebildeten Formen wurden — so weit sie von frisch getödteten Thieren stammten — nach Durchspülung mit physiologischer Kochsalzlösung und entsprechender Unterbindung der ein- und austretenden Gefäße zunächst prall injicirt. Die Injektion wurde mit Talg oder fixirenden Flüssigkeiten vorgenommen. Die nach der ersteren, von HuNTER angegebenen Methode behandelten Organe wurden dann getrocknet, worauf der Talg aus dem durch entsprechende Ausschnitte der Wandung freigelegten Herzinnern her- ausgeschmolzen und mittels Benzin gänzlich entfernt wurde. — Die Fixirungsflüssigkeit wurde unter konstantem Drucke injicirt. Als solche dienten eine 4%ige Lösung von Formalin, eine 2%ige Chrom- säure- und eine gesättigte Sublimatlösung. Für makroskopische Zwecke verdient die Chromsäure empfohlen zu werden, welche eine sehr exakte Differenzirung der Gewebe ergiebt. Nach vollendeter Fixirung und Härtung wurde entweder das Herzinnere durch Tan- gentialschnitte freigelegt, oder die Objekte wurden in Celloidin ein- gebettet und dann auf dem Mikrotome in Schnittserien zerlegt. g* 126 Alfred Greil Das histologisch zu bearbeitende Material wurde meist mit Sublimat- oder Formollésung, auch mit Alcohol absol. injicirt und fixirt. Bei der Tinktion desselben wurden Kernfärbungen mit Hä- matoxylin (DELAFIELD), Hämalaun (Mayer) oder Alaunkarmin (MAYER) und entsprechend gewählte Färbungen des Protoplasmas und der Zwischensubstanz kombinirt. Bindegewebe und Muskulatur wurden nach VAN GIEson (Modifikation von MÖRNER) und Hansen, elastische Fasern nach WEIGERT (Resorein-Fuchsin), sowie mit TANZER’s Orcein- lösung (mit Vortheil auf !/; mit koncentrirter Pikrinsäurelösung ver- dünnt), Schleimgewebe mit Thionin, Mucikarmin (letzteres gleichfalls in Kombination mit Pikrinsäure) dargestellt, die Knorpelgrundsub- stanz mit Hämatoxylin, Fuchsin, Anilinroth, Methylviolett, Tropäolin behandelt. Die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen wurden meist an Quer- und Längsschnittserien vorgenommen. Womöglich wurde das Herz herauspräparirt und nach entsprechender Freilegung des Herzinneren! bei Lupenvergrößerung untersucht. Um wichtige De- tails der Herzwand in starker Vergrößerung darzustellen, wurden Wachsplatten- und Kartonmodelle angefertigt; erstere nach Born’s Methode, letztere in der Weise, dass die einzelnen Schnitte der Serie in bestimmter Vergrößerung auf Kartons von entsprechender Dicke gezeichnet und dann die Schnittbilder mittels einer Laubsägemaschine ausgesägt wurden, worauf die Zusammenstellung der so gewonnenen vergrößerten Schnitte zum Modell erfolgte. Der zunächst vorliegende Abschnitt der Arbeit behandelt den expulsiven Theil des Herzens, sowie den Truncus arteriosus der Reptilien. Da die diesbezüglichen Untersuchungen der übrigen Wirbelthiere ihrem Abschlusse entgegengehen, so werden die wei- teren Abschnitte hoffentlich in Bälde folgen können. — Ich habe vorerst noch meinem verehrten Lehrer und Chef, Prof. Dr. FERDINAND HocHsTETTER für die erste Anregung zu dieser Arbeit, das stete, warme Interesse, mit dem er dem Fortgange derselben folgte, die bereitwillige Unterstützung in Rath und That, und die liberale Über- lassung des Untersuchungsmaterials meinen aufrichtigen Dank zu 1 Zu diesem Behufe wurde das Herz in Paraffin eingebettet und, nachdem auf dem Mikrotome ein entsprechender Theil der Wand abge >pDt worden war, in Chloroform und Alkohol übergeführt. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 127 sagen. Auch Herrn Prof. Dr. SCHAFFER in Wien bin ich für man- chen Rath verbunden. Die Herren Hofrath RABL in Prag, Hofrath STEINDACHNER in Wien, Prof. Cort in Triest verpflichteten mich durch Überlassung wichtiger Untersuchungsobjekte zum Danke. 3; Reptilien. Den Darlegungen dieses Abschnittes der Arbeit ist die Be- schreibung der Entwicklungsgeschichte des Canalis auricularis, des Ventrikels und Bulbus cordis, sowie des Truncus arteriosus einer primitiven Saurierform, der gewöhnlichen Zauneidechse (Lacerta agilis), von welcher mir eine vollständige Entwicklungsreihe vorlag, zu Grunde gelegt. An einer Reihe von Entwicklungsstadien der Blindschleiche (Anguis fragilis) und Ringelnatter (Tropidonotus na- trix) konnte festgestellt werden, dass auch bei diesen Formen die Entwicklung der genannten Herzabschnitte, sowie des Truncus arteriosus in ganz ähnlicher Weise vor sich geht wie bei Lacerta; mithin haben die zunächst auf die letztere Species beziiglichen An- gaben im Wesentlichen auch für die beiden ersteren Geltung. Von Hy- drosauriern war leider trotz vielfacher Bemühungen kein Embryonen- material zu beschaffen, so dass die morphologische Erklärung der bei denselben im ausgebildeten Zustande zu beobachtenden Verhält- nisse nur von vergleichend-anatomischen Gesichtspunkten aus ge- geben werden kann. Das gesammte untersuchte Reptilienmaterial ist nachstehend zu- sammengestellt: Sauria: Hatteria punctata, Sauria: Chamaeleo basiliscus *, Lacerta agilis * 1, Tarentola mauritanica *, Lacerta muralis *, Varanus griseus, Lacerta ocellata *, Varanus varius, Lacerta viridis *, Varanus bengalensis, Scincus officinalis, Hydrosaurus salvator. Anguis fragilis*, Gongylus ocellatus*, Ophidia: Boa constrictor, Uromastix spinipes, Coluber Aesculapii *, 1 Die Herzen der mit einem * bezeichneten Formen wurden auch mikro- Skopisch untersucht. 128 Alfred Greil Ophidia: Coronella laevis, Chelonia: Testudo graeca*. Tropidonotus natrix * !. Crocodilia: Alligator lucius *, Chelonia: Belia crassicollis, Crocodilus catafraetus *, Emys europaea*, Crocodilus niloticus*. A. Entwicklungsgeschichte. a. Lacerta agilis. I. Periode. Embryonen bis zu (inel. 1,2 mm Kopflänge. Als Ausgangspunkt der Untersuchung wurden Embryonen mit 0,3 mm Kopflänge gewählt. Auf dieser Entwicklungsstufe stellt die Herzanlage ein in der Längsrichtung des Körpers verlaufendes, ventral vom Darme gelegenes Rohr dar, welches mit dem letzteren durch ein dorsales Gekröse verbunden ist. In das caudale Ende dieses Rohres münden die beiden Venae omphalomesentericae ein, am cranialen Ende desselben entspringen die beiden ersten Arterienbogen, die Gefäße der Mandibularbogen. Das rasche Längenwachsthum des primitiven Herzschlauches bedingt alsbald das Auftreten einer seitlichen Ausbiegung seiner Achse nach rechts hin, welche bereits bei Embryonen mit 0,4 mm Kopflänge (vgl. Taf. VI Fig. 1) nach- weisbar ist. Caudal von dieser Krümmung bemerkt man am Herz- schlauche von Embryonen mit 0,6 mm Kopflänge (vgl. Taf. VI Fig. 2) eine zweite Biegung des Rohres, deren Konvexität nach links und eranialwürts sieht. Bei Embryonen mit 0,9 mm Kopflänge ist die erste dieser beiden Krümmungen noch deutlicher ausgepragt (vgl. Taf. VI Fig. 4) und geht unmittelbar in die zweite über. Der Herzschlauch hat sich in eine Schleife gelegt, welche vom venósen Ende desselben zuerst nach links (venóses Endstück) (vgl. Taf. VI Fig. 5) hierauf caudal- und ventralwärts (Mittelstück) und schließ- lich nach rechts hin (arterielles Endstück) ausbiegt, um dann unter nochmaliger leichter Krümmung median- und cranialwärts zu ver- laufen und am Ursprunge der beiden ersten Arterienbogen (Gefäße des Mandibular- und Hyoidbogens) sein Ende zu finden. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung (bei Embryonen mit 1,2mm Kopflänge) beginnt sich das Mittelstück des Herzschlauches 1 S. Anm. pag. 127. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 129 in eaudaler Richtung erheblich auszudehnen, während der demselben benachbarte Abschnitt des caudalen Endstücks sich eranialwärts kuppelförmig aussackt (vgl. Taf. VI Fig. 6, 7). Letzterer Abschnitt, der spätere Vorhofsack (.44.) erscheint vom übrigen caudalen Theile dieses Endstücks, dem durch den Zusammenfluss der Vv. omphalo- mesentericae, umbilicales und Ductus Cuvieri gebildeten Sinus venosus (Fig. 7 S.v.) dureh eine seichte, nahezu ringförmige Einfurchung der Herzwand abgegrenzt. Vergleicht man die linke Seitenansicht des Herzens dieses Embryos mit der des zuletzt Besprochenen (Fig. 7 und 5 der Taf. VI), so bemerkt man, dass der Übergang des caudalen Endstücks der Schleife in das Mittelstück derselben, die Anlage des Ventrikels (V.), nicht mehr wie früher in ventraler, sondern in ventro- caudaler Richtung erfolgt. Dieses Verhalten wird dadurch bedingt, dass das Mittelstiick der Herzschleife und die demselben benach- barte Anlage des Vorhofsackes in eine der ventralen Körperwand fast parallele Ebene zu rücken beginnen, wobei sie jedoch ihre gegenseitige Lagebeziehungen unverändert beibehalten. Die Stellung des Sinus venosus wird durch diesen Vorgang nicht beeinflusst. Das querverlaufende Mittelstück der Herzschleife setzt sich rechterseits, im Bereiche jener bereits bei Embryonen mit 0,6 mm Kopflänge aufgetretenen Krümmung (vgl. Taf. VI Fig. 4, 6), in das craniale Endstück derselben (ibid. B.) fort, aus welchem im Laufe der weiteren Entwicklung der Bulbus cordis hervorgeht. Dieses Endstück beginnt sich nach links und ventralwärts etwas auszu- biegen und reicht distal! bis an eine seichte, quere, an der ven- tralen und den seitlichen Wänden einspringende Furche, die sich ganz nahe der in den Abbildungen punktirt angegebenen Umschlags- linie des visceralen Mesoblasts (der Splanchnopleura) befindet. Im Bereiche dieser Einschnürung geht der Herzschlauch in den ganz kurzen Truncus arteriosus über. Dieser wird von einer Erweiterung des Epithelrohres gebildet, welches sich nach den beiden Seiten hin in je vier Aortenbogen fortsetzt (vgl. Taf. VI Fig. 6 7.art.) Von den letzteren entspringen die beiden ersteren Paare unmittelbar, die dritten und vierten Paare mittels kurzer, gemeinschaftlicher Wurzel- gefäße. | Eben so wenig wie bei der Betrachtung der äußeren Gestalt des Herzschlauches, lassen sich nach der Untersuchung des Auf- 1 Im Folgenden werden die Ausdrücke »proximal« und »distal« in dem Sinne gebraucht, dass die Kammer als Centralabschnitt des Herzens gilt. 130 Alfred Greil baues der Wandung desselben jene Abschnitte schärfer von ein- ander sondern, die später so deutlich von einander abgegrenzt er- scheinen. Die Wand des Herzrohres weist vielmehr im Allgemeinen einen noch ganz einheitlichen Bau auf und lässt allenthalben zwei Schichten unterscheiden, die durch einen, vermuthlich mit seröser Flüssigkeit erfüllten Spaltraum von einander getrennt sind. Die innere dieser Schichten, das Endocardium, wird von einer Lage platter Epithelzellen gebildet, welche distalwärts unmittelbar in das Epithelrohr der in das Herz einmündenden, bezw. aus demselben entspringenden Gefäße übergeht. Die äußere Schicht wird in ganz frühen Stadien von dem Cölomepithel des visceralen Mesoblasts ge- bildet, aus welchem zunächst die Muskelzellen des Herzens hervor- ehen. Dieser Differenzirungsvorgang beginnt an den mittleren Ab- schnitten des Herzschlauches und schreitet von da nach dessen beiden Enden fort. Dabei zeigen die an der Differenzirungsgrenze gelegenen Zellen Charaktere, die erkennen lassen, dass der Übergang der einen Zellform in die andere ganz allmählich erfolgt. — Bemerkenswerth erscheint, dass sich proximal von jener Ein- furchung der ventralen und seitlichen Wand des Rohres, welche, wie oben vorausgreifend angegeben wurde, die Grenze zwischen dem Herzen und dem Truncus arteriosus bildet, in dem Zwischenraume zwischen den beiden Schichten ventral und dorsal verzweigte, embryonale Bindegewebszellen anzusammeln beginnen, die von der endocardialen Epithel- schicht abstammen und die allerersten An- Sagittalschnitt durch den Bulbus lagen der distalen Bulbuswülste ZV und IT ons arteriosus a lterer Embryonen darstellen (vgl. beistehende eines Lacerta-Embryos von1,5mm Kopflänge. Vergr. 50: 1. Abbildung; d.B.W.II., IV.) Ferner ist zu B.c. Bulbus cordis, m - - 4.B.W.IL(IV.) distaler Bulbus. erwähnen, dass sich am Schlusse der in vind dde Rede stehenden Entwicklungsperiode im Be- T.art. Truncus arteriosus, r : Es Th.E. Thyreoidea-Einstülpung. reiche jener caudalwärts sehenden Aus- sackung des Mittelstiicks der Schleife an der Innenseite der Herzmuskelschicht niedrige, plumpe Muskelbälk- chen erheben, die in spitzen Winkeln mit einander anastomosirend — im Allgemeinen — in Ebenen verlaufen, welche normal auf die gekrümmte Achse des ‚Rohres gerichtet, also radiär angeordnet sind. — Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 131 II. Periode. Embryonen von 1,2 bis 2 mm Kopflänge. In dieser Entwicklungsperiode macht namentlich die innere Aus- gestaltung des Herzens rege Fortschritte und bedingt allmählich die Gliederung des ursprünglich einheitlichen Schlauches in die bekannten Abschnitte des embryonalen Wirbelthierherzens, den Vorhof, Canalis auricularis, Ventrikel und Bulbus cordis, welche sich bereits bei Em- bryonen mit 2 mm Kopflänge deutlich von einander abgrenzen lassen. In der äußeren Gestalt des Herzens (vgl. Taf. VI Fig. 8) kommt diese Sonderung nur in einer, dem Canalis auricularis (C.aur.) entsprechenden, ringfürmigen Einschniirung der Wandung zum Aus- drucke, welche als Sulcus atrioventrieularis (S.a.v.) zur groben Ab-. grenzung des Ventrikels vom Vorhofe dienen kann. Diese Furche, deren Ebene etwas von der linken und dorsalen Seite nach rechts, ventral- und eranialwürts ansteigt, kommt dadurch zu Stande, dass die entsprechende Zone der Herzwand in ihrer Ausdehnung hinter der der beiden benachbarten Herzabschnitte zurückbleibt. Es nimmt daher die Furche in dem Maße an Tiefe zu, als der Umfang der letzteren sich vergrößert. Eine scharfe Abgrenzung der einzelnen Herzabschnitte gegen einander ist jedoch nur unter Berücksichtigung der an der Innenseite der Herzwand sich entwickelnden Bildungen durchführbar. Am besten orientirt man sich über dieselben an Längsschnitten und nach solchen sind auch die in der Abbildung 8 der Taf. VI punktirt angegebenen Grenzlinien der einzelnen Herzabschnitte bestimmt worden. Aus dem Verlaufe dieser Linien ist zu ersehen, dass keine von den an der Oberfläche des Herzens auftretenden Furchen oder Krümmungen zur Grenzbestimmung verwendet werden kann. Die Krümmungen, welche das Rohr in dieser Entwicklungsperiode zeigt, entsprechen den Aus- biegungen der Herzschleife jüngerer Embryonen, deren Anordnung im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Aus dem Mittelstücke der Schleife hat sich der Ventrikel, aus dem cranialen (arteriellen) Endstücke der Bulbus cordis entwickelt. Der Übergang dieser beiden Herzabschnitte erfolgt ohne jede äußerlich wahrnehmbare Grenze. Der Bulbus ist in seinem proximalsten Abschnitte dem Canalis auri- cularis benachbart und wird von diesem nur durch eine schmale Zone der Ventrikelwand getrennt. Diese Zone bildet den Grund einer sagittalen, zwischen dem Bulbus und Canalis auricularis ein- greifenden Furche, die ich als Bulboaurieularfurche (S.d.aur. der 132 Alfred Greil Fig. 8 Taf. VI) zu bezeichnen vorschlage. Die beiden Kriimmungen ~ des cranialen Endstückes der Herzschleife von Embryonen mit 1,2 mm : Kopflinge werden zu scharfen Knickungen, die nahezu in einer Ebene liegen. Die Konvexität der proximalen dieser Krümmungen wendet sich nach rechts, dorsal und eranialwärts (vgl. Taf. VI Fig. 8), die der zweiten nach links, ventral und etwas caudalwirts. Die Konkavität der ersten Krümmung bildet an der ventralen und linken proximalen Bulbuswand eine tief einspringende Furche, die ich als proximale Kniekungsfurehe des Bulbus bezeichnen will. Die nicht so tief eingreifende, der Konkavität der distalen, zweiten Bulbus- krümmung entsprechende Furche an der dorsalen linken Bulbuswand wäre dann als distale Knickungsfurche anzusprechen. Durch das Auftreten dieser beiden Krümmungen nimmt die Achse des Bulbus- rohres einen bajonettfórmigen Verlauf an, so dass sich an diesem Herzabschnitte ein kurzes Anfangs- und Endstück von einem quer verlaufenden Mittelstiick unterscheiden lassen, welch letzteres sich beträchtlich ausweitet. Distalwärts verjüngt sich der Bulbus cordis etwas und setzt sich bei Embryonen mit 1,2 mm Kopflänge im Bereiche einer an den ventralen und den seitlichen Wänden des Rohres befindlichen, seichten Querfurche in den Truncus arteriosus fort (vgl. Taf. VI Fig. 8 7'a.). Dieser Übergang vollzieht sich dorsal an der Umschlagstelle der Splanchnopleura in die Somatopleura, ventral und zu beiden Seiten dagegen etwas proximal von derselben. Es befindet sich daher noch eine schmale Zone der Truncuswand innerhalb der Perikardialhöhle . und wird vom Cólomepithel der Splanchnopleura umscheidet. Im Bereiche des Truneus arteriosus haben sich in dieser Ent- wicklungsperiode des Embryos interessante Veränderungen vollzogen. Zieht man die früheren Entwicklungsstufen zum Vergleich heran (vgl. Taf. VI Fig. 2, 4, 6), so fällt zunächst auf, dass der Truncus bei Embryonen mit 2 mm Kopflänge cranialwärts nur bis in die Höhe des Ursprunges der Carotidenbogen reicht, während zur Zeit seiner ersten Anlage die Theilung des Rohres in der Höhe der Ur- : sprünge der Gefäße der Mandibularbógen erfolgte. Es hat somit von der cranialen Seite her eine Verkürzung der Längenausdehnung des Truneus stattgefunden. Dieser Vorgang scheint mit der medianen Thyreoideaeinstülpung in einem gewissen Zusammenhange zu stehen. Diese Bildung liegt nämlich der ventralen, noch epithelialen Wand des Truncus stets innig an und drängt diese bei ihrer weiteren Größen- — zunahme geradezu in das Lumen des Truncus vor. Auf diese Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 133 Weise kommt es gewissermaßen zu einer Spaltung des cranialen Truncusabschnittes in zwei seitliche Wurzelgefäße für die bereits in Obliteration begriffenen Gefäße des Mandibular- und Hyoidbogens. Diese ziemlich rasch in die Länge gewachsenen Wurzelstämme stellen also sekundär entstandene Bildungen dar und sind als Derivate des Truneus arteriosus aufzufassen. Gleichzeitig mit der Rückbildung der cranialen zuerst aufge- tretenen Arterienbogen sind caudal von den vierten (Aorten-)Bogen zwei weitere, die fünften und sechsten (Pulmonalis-)Arterienbogen aufgetreten, von denen die letzteren ein größeres Kaliber besitzen als die nur kurz bestehenden ersteren. Diese beiden Bogen ent- springen aus kurzen Wurzelge- fäßen («o' der beistehenden, etwas schematisirten Abbildung), welche gemeinsam mit dem vierten Bogen mittels kurzer mächtiger Stamm- gefáBe (88') aus dem Truncus her- vorgehen. Diese beiden Gefäß- stämme erscheinen somit als seit- liche Ausladungen des letzteren und bilden mit einander einen caudalwärts offenen Winkel, so dass ihre medialen Wände, indem sie in der Mittelebene in ein- ander übergehen, an der dorsalen Wand des Truncus gegenüber der Schilddrüsenanlage einen sporn- Flachschnitt durch den Truncus arteriosus und die Anfangsstücke der Arterienbogen eines La- certa-Embryos von 2mm Kopflänge. I—VI Arterienbogen I —VI, Thy.A. Thyreoideaanlage, B.Ö. Bulbusóffnung (projicirt), P.A. Pulmonalarterie. förmigen Vorsprung bilden (vgl. Fig. 2 bei 8. Die Längenausdehnung des Truncus arteriosus ist somit eine sehr geringe und überschreitet nicht wesentlich das Ur- sprungsgebiet der dritten und vierten Arterienbogen (Carotiden- und Aortenbogen). — Bezüglich der Ursprünge der Arterienbogen ist noch anzugeben, dass sieh dieselbe insgesammt in einer der ventralen Körperwand parallelen Ebene befinden, durch welche der vorhin abgebildete Sehnitt (Fig. 2) geführt wurde; sie folgen einander sue- cessive und zwar in der Weise, dass die drei eaudalen und die beiden eranialen Bogen merklieh weiter lateral entspringen als die dritten (Carotiden-)Bogen. Wir wenden uns nun der Untersuchung des Aufbaues und der inneren Oberflàche der Herzwand zu, welch letztere wie 134 Alfred Greil im vorhergehenden Stadium im Wesentlichen aus zwei Schichten besteht, einer inneren endokardialen und einer äußeren myokardialen Gewebslage. Eine epikardiale Zellschicht ist noch nicht allenthalben zur Entwicklung gekommen und nur im Bereiche der Kammerbasis, sowie der benachbarten Wandabschnitte als distinkte, dem Myokard auflagernde Epithellage nachweisbar. Das die Herzhóhle begrenzende Endocardium bildet ein Stratum platter Epithelzellen, des- Fig. 9, sen Beziehungen zur Muskel- schicht sich in den einzelnen Herzabsehnitten verschieden ge- stalten. Im Ventrikel, sowie auch im Vorhofe — abgesehen von einer sogleich zu erwähnenden Wandzone des letzteren — sind beide Schichten einander un- mittelbar angelagert, im Bulbus cordis und Canalis auricularis da- gegen bleiben sie, wie im vorher- gehenden Stadium durch einen — vermuthlich mit seröser Flüssig- Medianer Sagittalschnitt durch das Herz eines keit erfüllten hain Spaltraum you Lacerta-Embryos von 2mm Kopf lange. Vergr. 50: 1. einander gesondert. In diesem At. Atrium, C.aur, Canalis auricularis, Spaltraume treten nun an be- ee (dorsales) Endokardkissen, stimmten Stellen der Wandung . Ventrikel, 5 zu r.T.Z. radiàrer Trabekelzug, Anhäufungen von locker gefüg- ucc oes ten, verzweigten Bindegewebs- d.B.W.II.(IV.) distaler Bulbuswulst ZI (IV), z É T.a. Truncus arteriosus, zellen auf, welche die Epithel- SUL. lanqula Ihrze sites: lage, ihren Mutterboden, wulst- S.M. Mündung des Sinus venosus in das Atrium. bezw. kissenfürmig gegen das Lumen zu vorwölben. So kommt es zur Bildung circumscripter Ver- dickungen des Endocardiums, die gemäß der bei anderen Wirbelthieren gebrauchlichen Nomenklatur entsprechend ihrer Lokalisation als Bul- buswülste bezw. Endokardkissen (Canalis auricularis) zu bezeich- nen sind. Erstere finden sich an der ventralen und dorsalen Wand des proximalen und distalen Bulbusdrittels, proximaler Bulbuswulst 4 am Firste der Knickungsleiste, und B (vgl. die Schnittflachen des auf Taf. VI Fig. 9 abgebildeten Herzens), bezw. distaler Bulbuswulst ZV und ZI! 1 Nach der Nomenklatur LANGER's (24). Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 135 N (vgl. vorstehenden Sagittalschnitt). Die distalen Bulbuswiilste verlaufen in der Längsrichtung des Rohres, die proximalen dagegen sind quer gestellt. Eben so wie die letzteren verhalten sich auch die an der ventralen und dorsalen Wand des Canalis auricularis vorspringenden Endokardkissen (vgl. vorstehende Figur). Dieser Abbildung ist ferner zu entnehmen, dass mit den Endokardkissen des Canalis auricularis eine Endokardverdickung im Zusammenhange steht, welche an der ventralen, cranialen und dorsalen Vorhofswand — entsprechend dem Verlaufe der Insertionslinie des später entstehenden Septum atriorum — ihre Lage hat. Beziiglich der distalen Bulbuswiilste ist zu bemerken, dass sie im vorliegenden Stadium an der Grenze des vierten und fünften distalen Fünftels des Bulbus am mächtigsten gegen das Lumen zu vorspringen und von da sowohl proximal- wie distalwärts an Höhe abnehmen. In ihrer ursprünglichen Anlage jedoch, bei Embryonen mit 1,5 mm Kopflänge (vgl. Fig. 1) waren dieselben auf das distalste Bulbusfünftel beschränkt und zwar traten die ersten subepithelialen Zellen hart an der distalen Bulbusgrenze auf. Die Abgrenzung des aus locker angeordneten, verzweigten Binde- sewebszellen bestehenden Gewebes der Bulbuswülste von der distal unmittelbar an dasselbe anschließenden embryonalen Gefäßwand des Truneus arteriosus fällt nicht schwer, da die zelligen Elemente der letzteren viel dichter gefügt sind (vgl. Fig. 3) und eine spindelige Gestalt besitzen. Das Epithel der Bulbuswülste unterscheidet sich von dem der Truneuswand durch seine rege Proliferationsthätigkeit, welche auch in der dichten Aneinanderreihung seiner Zellen ihren Ausdruck findet. . Bei Berücksichtigung dieser Verhältnisse lässt sich nun die Grenze zwischen dem Bulbus cordis und Truneus arteriosus unschwer bestimmen; dieselbe entspricht, wie oben vorausgreifend bemerkt wurde, dem Grunde einer seichten, an den ventralen und den seitlichen Wänden des Rohres einspringenden Querfurche (vgl. Taf. VI Fig. 8), welche bereits in früheren Entwicklungsstadien an- gedeutet war. Das Verhalten des Endocardiums ist demnach bei der Abgrenzung des Ventrikels vom Canalis aurieularis und Bulbus cordis, sowie des letzteren vom Truncus arteriosus von ausschlaggebender Bedeutung. Sowohl der Bulbus als auch der Canalis aurieularis sind nämlich durch die an ihrer Innenwand auftretenden endokardialen Bildungen wohl charakterisirt. Die Muskelschicht der Herzwand kann in dieser Hinsicht erst in zweiter Linie in Betracht kommen, da dieselbe keine Bildungen aufweist, die nur auf bestimmte Herzabschnitte lokalisirt 136 Alfred Greil sind. Dies gilt insbesondere fiir die Trabekelbildungen der Muskelwand. Bereits im vorigen Stadium war an einer dem Fundus ventrieuli entsprechenden Stelle des Herzschlauches das Auftreten niedriger, mit einander anastomosirender Leistehen zu beobachten. — Die Ausbildung dieser Muskelleistchen hat nun vom Fundus aus in der Weise um sich gegriffen, dass sich dieselben einerseits ventral und dorsal gegen die Basis der Kammer (bezw. des Bulbus cordis und Canalis auricularis) hin verlängerten, während andererseits an den beiden seitlichen Kammerwänden selbständige, gleichgeformte Gebilde entstanden, die alle in Ebenen verlaufen, welche auf die Achse des Rohres annähernd senkrecht stehen. So hat sich nun ein System von 10—12 mit einander spitzwinklig anastomosirenden Muskelzügen gebildet (vgl. Taf. VI; Innenansicht Fig. 9), deren Ebenen in Folge des Umstandes, dass die Achse des Ventrikels caudalwárts konvex ist, eine radiäre Anordnung besitzen und gegen die Basis zu konver- giren. Aus diesem Grunde mag dieses System als das radiäre Trabekelsystem der Kammer bezeichnet werden. Die einzelnen — die Elemente dieses Systems bildenden — Muskelzüge begrenzen mit ihren konkaven Rändern den geräumigen freien Binnenraum der Kammer (vgl. auch Fig. 3, welehe einen derartigen Muskelzug auf seinem ganzen Verlaufe zur Anschauung bringt) und laufen ventral und dorsal an der Wand des Bulbus cordis und Canalis aurieularis, sowie des zwischen beiden gelegenen schmalen basalen Abschnittes der Ventrikelwand aus. Am weitesten springen dieselben im Bereiche des Fundus ventrieuli in das Lumen vor, woselbst sie mit der konti- nuirlichen äußeren Schicht der Ventrikelwand durch ein zartes Trabekel- gefüge in Verbindung stehen (vgl. Schnitt ZZZ und ZV der umstehenden Fig. 4). Gegen die Basis der Kammer zu nehmen diese Muskelzüge an Höhe ab (Schnitt ZI) und werden zu niedrigen, plumpen, unmittel- bar an der Corticalis vorspringenden Leisten (Schnitt J). Es weisen demnach die dem Fundus angehörigen Abschnitte der Muskelzüge einen bei Weitem höheren Grad der Ausbildung auf, als deren ventrale und dorsale Ausläufer und seitliche Nachbarn. Letztere befinden sich in der in Rede stehenden Periode auf einer ähnlichen Ent- wicklungsstufe, wie jene Muskelbalken am Fundus ventriculi des vorigen Stadiums. — In Folge des Umstandes, dass die Bildung der Trabekel vom Ventrikel auf den Canalis auricularis und, wie nament- — lieh an späteren Stadien noch zu zeigen sein wird, auch auf das ` Gebiet des Bulbus cordis übergreift, kann bei dem Versuche einer priicisen Abgrenzung der Kammer von diesen beiden letztgenannten Beitriige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 137 Herzabschnitten nur das Verhalten des Endocardiums beriicksichtigt werden. Im Allgemeinen ist somit tiber den Process der Trabekel- bildung angegeben, dass derselbe vom Fundus des Ventrikels gegen die Basis desselben zu fortschreitet. Zugleich riicken die zuerst im Bereiche des Fundus aufgetretenen Muskelbalken immer weiter in die — Kammerhóhle hinein und bleiben mit der äußeren kontinuirlichen Schicht der Muskelwand, der Corticalis, an welcher sie ursprünglich unmittelbar vortraten, durch ein neugebildetes, zar- tes Trabekelgefüge in Verbindung. Die- ses Verhalten wird jedoch nicht durch ein aktives Vorwachsen jener Muskel- balken bezw. Leisten gegen die Kam- merhöhle zu bedingt; es kommt viel- mehr dadurch zu Stande, dass die letztere an Umfang zunimmt und in dem Maße als dies geschieht, ein zartes peripheres Trabekelwerk ent- steht, welches jene Muskelleisten mit der Kammerwand in Verbindung er- hält. Diese kommen also gewisser- maßen passiv weiter in das Innere der Kammer zu liegen und begrenzen mit ihren konkaven Rändern den geräu- migen, freien Kammerraum, welcher in seiner relativen Ausdehnung der - Kammerhóhle früherer Stadien ent- ^ Quersehnitte? durch den Ventrikel eines spricht. Es erfolgt somit der Ausbau nor He Se ge ge des Trabekelwerkes nicht in koncen- C4" Canalis auricularis, ^ r.T.Z. radiäre Trabekelzüge, trischer, sondern in excentrischer v.(d.)E.K. ventrales (dorsales) Endokard- Richtung und geht parallel mit der is Gesammtausdehnung der Kammerhóhle. Als jüngste Abschnitte des Trabekelwerkes sind daher dessen peri- pherste, als älteste dessen centrale Abschnitte aufzufassen. Fig. 4. UN. IV. 4 Die Abbildungen von Querschnitten sind stets so orientirt, dass die dorsale Wand des Herzens dem Beschauer zugewendet ist. 138 Alfred Greil Die Muskelwand der nicht unmittelbar an den Ventrikel an- grenzenden Abschnitte des Bulbus cordis und Canalis auricularis entbehrt trabekulärer Erhebungen, bleibt glatt und beginnt sich namentlich im Bereiche des Canalis auricularis beträchtlich zu ver- dicken. Im distalsten Bereich des Bulbus cordis, ganz nahe der Bulbus-Truncusgrenze, geht dieselbe in eine schmale Zone noch un- differenzirter Splanchnopleura über, welche auch die der Perikardial- höhle zugekehrte Wand des Truncus arteriosus bedeckt. Mit der Beschreibung eines gleichalterigen Entwicklungsstadiums beginnt LANGER (24) seine Darstellung der Entwicklung des Bulbus cordis. Er be- zeichnet die der proximalen Krümmung desselben entsprechende Knickungs- furche als untere, die Konkavität der distalen, zweiten Krümmung desselben als obere Knickungsfurche und bestimmt die proximale Bulbusgrenze wie folgt: Diese beiden Knickungsfurchen geben nun an der oberen und unteren Wand die Grenze zwischen Ventrikel und Bulbus cordis an. Ihnen entsprechen im Inneren zwei scharf vorspringende Falten des Endothelrohres, die demnach die untere und obere Cirkumferenz des Ostium bulbi umsäumen!. Ich glaube, diese letztere, irrige Angabe LANGER’s auf die ausschlieBliche Untersuchung von Quer- schnittserien zurückführen zu dürfen, die auch offenbar die Ursache dafür war, — dass LANGER das Vorhandensein der proximalen Bulbuswülste in diesem frühen Entwicklungsstadium entging. Nicht einwandsfrei erscheint mir ferner seine im Folgenden wörtlich citirte Angabe: »Wenn man davon absieht, dass in diesem Stadium die Anfangsstücke der Pulmonalisbogen in die Perikardialhóhle einbezogen zu werden beginnen, so kann man sagen, dass im Beginn der Ent- wicklung der Bulbus cordis durch das Vorhandensein von Bulbuswülsten. ge- kennzeichnet, bis an die Grenze der Perikardialhóhle heranreicht?. Dem gegen- über ist unter Verweis auf das oben Gesagte zu betonen, dass die Bulbuswand ventral und zu beiden Seiten die Umschlagstelle der Splanchno- in die Somato- pleura — worunter LANGER doch die »Grenze der Perikardialhóhle« versteht — nicht erreicht, vielmehr von vorn herein ein angrenzender proximaler Abschnitt der Wand des Truncus, von Splanchnopleura überkleidet, an der cranialen Seite der Perikardialhóhle vorspringt. Bezüglich der Einbeziehung der proximalen Abschnitte der Pulmonalisbogen in die Perikardialhöhle ist zu bemerken, dass dieser Process die Wurzelgefäße der fünften und sechsten Arterienbogen be- — trifft, welche erst sekundär, nach erfolgter Obliteration der fünften Bogen, zu den proximalen Verlängerungen der sechsten (Pulmonalis-) Bögen werden. Es ist daran festzuhalten, dass die Arterienbogen (s. st.) vorläufig noch extra- perikardial liegen und, wie wir noch sehen werden, erst im Laufe der wei- teren Entwicklung in ihren proximalsten Abschnitten zur Perikardialhóhle in Beziehung treten. Bei der Untersuchung der Herzen aus dieser Entwicklungsperiode haben wir verschiedene Einrichtungen kennen gelernt, die, wenngleich — erst in Ausbildung begriffen und daher noch nicht vollkommen 1 pag. 51. 2 pag. 93. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 139 funktionsfähig, dennoch durch ihre morphologische und künftige physiologische Bedeutung unser Interesse vollends in Anspruch nehmen. In letzterer Beziehung involvirt ihre Entstehung eine bedeutsame Veränderung der Aktion des Herzens, welche bis dahin rein peri- staltisch war und in der Weise erfolgte, dass die Kontraktionswelle am caudalen Ende des Herzschlauches begann und von da sich über die ganze Länge des Rohres bis zu dessen cranialem Ende fortsetzte, . woselbst eine ringförmige Kontraktion der Muskelwand ein Zurück- strömen des Blutes zu verhindern hatte. Inzwischen war der er- schlaffte caudale Abschnitt des Herzschlauches mit nachströmendem Blute erfüllt worden, welches durch eine folgende, wieder am caudalen Herzende einsetzende Kontraktionswelle in der angegebenen Weise fortbewegt wurde. Diese, primitiven Organisationsverhältnissen ge- nügende Art der Herz- bezw. Blutbewegung wird nun bei der weiteren Entwicklung des Embryos und seines Gefäßsystems durch Einrich- tungen vervollkommt, welche das Herz zu einer viel ausgiebigeren Aktion befähigen. Bestimmte Abschnitte des Herzens (Sinus venosus, ‘Vorhof, Ventrikel, Bulbusmitte) erweitern sich, um eine größere Menge Blutes auf einmal fassen und entleeren zu können, während andere, zwischen ihnen gelegene Herzabschnitte (Sinus-Vorhofsenge, Canalis auricularis, proximaler, distaler Bulbustheil) in ihrer Ausdehnung zurückbleiben, Verengungen des Herzschlauches bilden, und außer- dem mit Gebilden ausgestattet werden, welche sie zu Ventilapparaten gestalten. Als derartige Einrichtungen fungiren die Endocard- verdickungen. Diese werden durch die Kontraktion der dieselben ringförmig umgebenden Muskelschicht (Canalis auricularis, Bulbus cordis) fest an einander gepresst und sind so im Stande, in gewissen Phasen der Herzaktion einen vollkommenen Abschluss des Rohr- ‘lumens zu bewirken, wodurch ein Entweichen des Blutes in einer der Kontraktionsbewegung entgegengesetzten Richtung verhindert wird. E Die auf diese Weise gesonderten Abschnitte des Herzens sind, was das Maß ihrer Arbeitsleistung anbelangt, einander offenbar nicht Beim denn es gehört ein bedeutend geringerer Kraftaufwand u, das Blut aus dem Sinus in den Vorhof, bezw. aus dem Vorhof in den Ventrikel zu befördern, als dasselbe aus dem Ventrikel resp. dem Bulbus cordis in den Kreislauf zu treiben. Es steigert sich demnach die Arbeitsleistung vom Sinus zum Vorhofe und vom letzteren zum Ventrikel, der als der Hauptmotor des Kreislaufes funktionirt. Im B rlaiche zum Ventrikel erscheinen Sinus und Vorhof nur als Hilfsabschnitte, welche demselben das Blut zuführen. Dieses Ver- Morpholog. Jahrbuch. 31. 10 140 Alfred Greil halten kommt auch im Baue der Muskelwandung der einzelnen Herz- abschnitte in prägnanter Weise zum Ausdrucke. Im Vorhofe und Sinus venosus ist dieselbe dünn und entbehrt vorläufig noch trabe- kulärer Bildungen, während sie im Ventrikel mit einem gesetzmäßig angeordneten Trabekelgefüge ausgestattet wird, welches mit einem Minimum von Materialaufwand erbaut, den Anforderungen, die an diesen beträchtlich erweiterten Herzabschnitt gestellt werden, vollauf zu genügen im Stande ist. Es ist bemerkenswerth, dass gleichzeitig. mit der Ausbildung des Trabekelwerkes der Kammer, welche ihrer- seits mit der Zunahme des Ventrikelumfanges gleichen Schritt hält, auch die Entwicklung der Endocardverdickungen im Bulbus und Canalis auricularis, sowie die Verstärkung der Muskelwandung dieser Herzabschnitte in entsprechender Weise fortschreitet. Diese Wechsel- beziehungen haben darin ihren Grund, dass eine ergiebige und óko- nomische Aktion des Ventrikels nur dann möglich ist, wenn die Ventilapparate, welche ein Entweichen des während der Systole komprimirten Blutes gegen den Vorhof hin, bezw. ein Zurückströmen des bereits in den Kreislauf geworfenen Blutes in das Herz zu ver- hindern haben, entsprechend ausgebaut sind. Der Bulbus cordis erscheint demnach in erster Linie als Ventilapparat — analog dem Canalis auricularis — und erst in zweiter Linie kommt seine den Ventrikel unterstützende propulsatorische Thätigkeit in Betracht. Das leitende Moment bei der Sonderung des Herz- schlauches in einzelne Abschnitte ist also das Princip der | Arbeitstheilung. Während anfänglich jede Zone des Herzschlauches in gleicher Weise an der Expulsion des Blutes Theil nahm, wird diese nunmehr von bestimmten Abschnitten des ersteren (Ventrikel, Bulbus cordis) besorgt, während die übrigen (Vorhof, Sinus) so zu sagen als aktiv sich entleerende Reservoirs fungiren. Dementsprechend hat sich auch der Modus der Propulsation verändert. Dieselbe erfolgt nämlich nicht mehr so rein peristaltisch wie früher, sondern nimmt mehr den Charakter des Saceadirten an, indem die Kontraktionen der einzelnen Herzabschnitte mehr oder weniger selbständig werden, obgleich sie stets nur Phasen einer einheitlichen Kontraktionswelle bleiben, welche sich vom venösen zum arteriellen Ende des Herzens fortpflanzt. | Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 141 Ill. Periode. Embryonen von 2—2,8 mm Kopflänge. In dieser Phase der Embryonalentwicklung treten zunächst in der äußeren Gestaltung des Herzens, sowie des Truncus arte- riosus folgende Veränderungen ein. Der Ventrikel und Vorhof, sowie auch der Sinus venosus vergrößern sich beträchtlich, wogegen der Canalis auricularis und Bulbus cordis in ihrem Wachsthum bezw. ihrer Ausweitung mit diesen Herzabschnitten nicht gleichen Schritt halten und ihnen gegenüber daher relativ eng erscheinen. Damit steht es im Zusammenhange, dass sich der Suleus atrioventricularis, in dessen Grunde sich der Canalis auricularis befindet, immer mehr vertieft und bei Embryonen mit 2,8 mm Kopflänge (vgl. Taf. VI Fig. 10 S.a.v.) linkerseits eine schmale, zwischen dem Ventrikel und dem Vorhofe eingreifende Spalte bildet. Die relativ also geringgradige Erweiterung des Canalis auricularis erfolgt hauptsächlich nach rechts hin, woselbst diesem Herzabschnitte der Bulbus cordis vorgelagert ist, an dessen rechter Seite sich der rechte Vorhofsack vorwölbt. Von den beiden Knickungen des Bulbusrohres bleibt nur die proximale erhalten. Die derselben entsprechende Furche, welche scheinbar den Bulbus vom Ventrikel abgrenzt, setzt sich nach links hin (vgl. Taf. VI Fig. 10) unmittelbar in die sagittal gestellte Bulboauricularfurche fort, deren Grund den Sinus transversus Pericardii proximal begrenzt. Das Verstreichen der distalen Knickung des Bulbusrohres bedingt, dass die Achse desselben nicht mehr bajonettförmig verläuft wie früher, sondern von der proximalen Knickung weg in einer halben - Spiralwindung gegen den Truncus arteriosus hin ansteigt. Die Stelle, wo der Übergang des Bulbus in den Truncus erfolgt, ist in der Abbildung 10 der Taf. VI mit B.T.G. bezeichnet. Diese Ebene lässt sich bereits in vivo feststellen, weil daselbst die Kontraktionswelle des Herzens endigt. Der Truncus arteriosus verlängert sich proximalwärts gegen den Bulbus cordis hin und befindet sich bei Embryonen mit 2,8 mm Kopflünge zum größten Theil innerhalb der Perikardialhóhle. Nur sein distales Ende, das ursprüngliche Wurzelgefäß der Arterienbogen, liegt noch theilweise in der cranialen Wand dieser Hóhle und ist Somit wandständig (retroperikardial. An der Umschlagstelle des -viseeralen Pericardiums setzt sich der Truncus arteriosus seitwärts ‘in die Arterienbogen fort, welche auf drei Paare, die ursprünglichen - dritten (Carotiden-), vierten (Aorten-) und sechsten (Pulmonal-)Bogen b 10* 142 Alfred Greil reducirt erscheinen (vgl. Taf. VI Fig. 10). Die beiden ursprünglichen - ersten, sowie die fünften Paare sind obliterirt. Doch bleiben die Wurzelgefäße der beiden ersten Aortenbogen nach RaATHKE (14) und Mackay! erhalten und lassen im Laufe der weiteren Entwicklung die Stämme der Kehlzungeniiste des ausgebildeten Thieres hervorgehen. Die ursprünglichen Wurzelgefäße der fünften und sechsten Bogen werden zu den Anfangsstücken der letzteren. Aber auch die gegen- seitigen Lagebeziehungen der proximalen Abschnitte der Arterien- bogen ändern sich in dieser Periode, denn am Schlusse derselben sehen wir die vierten Arterienbogen nicht mehr in einer Ebene mit den dritten und sechsten Bogen, sondern an der Ventralseite der letzteren aus dem Truncus hervorgehen. An der Truneuswand treten nun seichte Furchen auf Vies zwischen den einzelnen Arterienbogen beginnend, sich verschieden weit proximalwürts erstrecken. An der perikardialen Oberfläche des Truncus greifen die zwischen den Pulmonalis- und Aortenbogen beginnenden Furchen schon in dieser Periode am weitesten proximal- | warts vor und erreichen fast das Niveau der Bulbustruncusgrenze. Sie befinden sich an den beiden lateralen Seiten des Truncus und sind daher in der Ventralansicht (Taf. VI Fig. 10) nicht zu sehen. Wohl aber lassen sich in dieser die ventralen der zwischen den Ursprüngen der Carotiden- und Aortenbogen vorgreifenden Furchen verfolgen, von denen die rechtseitige (mit einem * bezeichnete) eine geringere Ausdehnung besitzt, als jene der Gegenseite (** der Ab- bildung). Letztere läuft etwas distal vom Ende der beiden erst- erwähnten Furchen aus. — Die dorsale, dem Darmrohre zugekehrte Wand des Truneus wird von einer queren Furche durchzogen, welche beiderseits zwischen den Urspriingen der Aorten- und Pulmonalis- bogen beginnt, und eine mediane Längsfurche kreuzt. Mit dieser ° Querfurche konvergiren beiderseits die zwischen den Ursprüngen | der Carotiden- und Aortenbogen ausgehenden Furchen, und erreichen © sie nahe der Medianebene. | | Die Untersuchung des feineren Baues der Herzwand - ergiebt zunächst, dass diese nunmehr allenthalben die bekannten drei ` mit einander in innigem Kontakte stehenden Schichten aufweist: das Epi-, Myo- und Endocardium. Ersteres besteht aus einer einfachen . 1 J. Y. Mackay, The Development of the branchial arterial arches in birds, with special reference of the origin of the subelavians and carotids. | Phil. Trans. of the Royal Soc. of London. Vol CLXXIX. 1888. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 143 Lage platter Epithelzellen und einem unter dieser ausgebreiteten Stratum verzweigter Bindegewebszellen, welches Stratum an den konvexen Partien der Herzwand geringer, im Bereiche der Furchen hingegen mächtiger entwickelt ist und als Füllmaterial dient. Dem Epicardium ähnelt in seinem histologischen Aufbaue das Endocardium, welches die Innenseite des Myocardiums bedeckt, dessen Muskelzellen zum Theil noch in Differenzirung begriffen sind. Nur ist die Vertheilung der subepithelialen Zellanhäufungen in dieser Schicht eine ganz be- stimmte, so dass es zur Bildung eirkumskripter Verdickungen des Endocardiums kommt, wie solche bereits bei der Besprechung des vorhergehenden Entwicklungssta- diums als proximale und distale Bulbuswülste, sowie als Endo- kardkissen des Canalis auricu- laris beschrieben wurden. Diese Gebilde vermehren und vergrößern sich durch die Entstehung von sub- epithelialen Zellanhäufungen in ihrer mittelbaren bezw. unmittel- baren Nachbarschaft. So werden die Endokardkissen des Canalis auricularis zu mächtigen polster- -artigen Vorsprüngen der ventralen und dorsalen Wand dieses Herz- abschnittes, welche der pag. 139 angegebenen Funktion vollauf zu genügen im Stande sind. — Die bereits bei Embryonen mit 2 mm Kopflänge vorhandene, an der Medianer Sagittalschnitt durch das Herz eines La- certa-Embryos von 2,3 mm Kopflänge. Vergr. 50:1. At. Atrium, S.at. Septum atriorum, C.aur. Canalis auricularis, v.(d.)E.K. ventrales (dorsales) Endokardkissen, Y. Ventrikel, B.c. Bulbus cordis, d.B.W.II.(IV.) distaler Bulbuswulst 77 (IV), T.arí. Truncus arteriosus, S.ao.p. Septum aorticopulmonale, P.R. Pulmonalisrohr, Th.A. mittlere Thyreoideaanlage, r.T.Z. radiärer Trabekelzug, M.W. Muskelwand des Herzens, T.W. embryonale Gefäßwand des Truncus arteriosus. Vorhofswand vortretende Endokardverdickung (vgl. Fig. 3) befindet sich bei Embryonen mit 2 mm Kopflänge mit ihrem cranialen, mitt- leren Abschnitte am freien Rande des bis zur halben Vorhofshöhe ‚herabgewachsenen Septum atriorum (vgl. vorstehende Abbildung S.at.) und zieht von diesem an der ventralen und dorsalen Vorhofswand — an letzterer zwischen der Mündung des Sinus venosus und der 144 Alfred Greil Pulmonalvene — zu den beiden Endokardkissen herab. Diese Endo- kardverdickung begrenzt somit bogenförmig die noch ziemlich aus- gedehnte Kommunikation zwischen den beiden Vorhofsäcken. Fig. 6. /. uL 0 B WU. a BWM. ER: $ ABW M Vh WML, Se > at Ro < S > (SE B ^ ABW. d. BY II. //f. Querschnitte durch das mittlere Gebiet des Bul- bus cordis eines Lacerta-Embryos von 2,8 mm Kopflànge. Vergr. 60 : 1. d.B.W.I—IV distaler Bulbuswulst J—IV, p.B.W.A.(B.) proximaler Bulbuswulst A (B). Der Verlauf der beiden Bulbuswülste A und J ist in der Abb. 3 durch gestricheite Linien ge- kennzeichnet, welche auf die Ebene des Schnit- tes projicirt sind. Die mit »A« und »I« bezeich- neten Enden dieser Linien entsprechen dem proximalen bezw. distalen Ende der beiden Bul- buswülste; die Pfeile deuten die Richtungen an, in welchen sich dieselben gegen die Bulbusmitte zu verlàngern. übersehen. Die proximalen Bulbuswülste vergrößern sich distalwärts und zwar der Bulbuswulst A nach links hin, woselbst er etwa an der Grenze des ursprünglichen Anfangs- und Mittelstückes des Bulbus als niedrige, leistenförmige Endokardverdickung emporsteigt, während der ihm gegenüberlie- gende Bulbuswulst B sich an der dorsalen Bulbuswand der Fläche nach ausdehnt (vgl. Taf. VI Fig. 11 und 12). Diesen beiden Wülsten wachsen von der distalen Seite her die distalen Bulbuswülste ent- gegen. Dieselben erscheinen bei Embryonen mit 2,8 mm Kopf- länge um zwei vermehrt, da auch an den seitlichen Wänden des Bulbusrohres, zwischen den bei- den Bulbuswülsten ZZ und IV Endokardverdiekungen aufgetre- ten sind. Es sind dies die di- stalen Bulbuswülste J (rechts) und ZII (links)! (Nach der No- menklatur LANGER’s.) Die Lage- rung dieser Wiilste ist an der obe- ren Schnittfläche des auf Taf. VI Fig. 11 abgebildeten Modelles zu Dieser Schnitt ist durch das Gebiet des vierten distalen Fünftels des Bulbus geführt, in welchem die distalen Bulbuswülste am mächtigsten entwickelt sind. Gegen das distale und mittlere Bulbusfünftel werden die letzteren immer niedriger und verflachen 1 Gelegentlich sind auch noch zwischen diesen vier Bulbuswülsten kleine supplementäre Wülste zu beobachten, welehe jedoch nur temporär auftreten und im Laufe der weiteren Entwicklung als solche verschwinden. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 145 sich allmählich (vgl. Fig. 5). Die Bulbuswülste 77, ZII und IV gehen proximalwärts in flache, bald verstreichende Endokardverdickungen über, während der Bulbuswulst I bis an das distale Ende des proxi- malen Bulbuswulstes A (vgl. Schnitt II, III der beistehenden Serie) heranreicht und mit demselben verschmilzt. Sämmtliche distalen Bulbuswiilste weichen bei ihrem proximalen Vorwachsen etwas von der Längsrichtung des Bulbusrohres im Sinne des Zeigerlaufes einer Uhr ab, so dass sich z. B. der Bulbuswulst 77, welcher ursprünglich, distal ganz dorsal gelagert war, in seinem proximalen Abschnitte etwas nach links hin, der im distalen Bulbusgebiete an der ventralen Wand vortretende Bulbuswulst ZV proximalwürts an die rechte Seite windet. Dasselbe gilt mutatis mutandis von den Bulbuswülsten / und 2/7. Der Umstand, dass der proximale Bulbuswulst A in ent- gegengesetzter Richtung von der ventralen Seite nach links und dorsalwürts auswächst, ermöglicht die Vereinigung desselben mit dem Wulste 7 (vgl. die Richtung der Pfeile im Schnittbild III der bei- stehenden Fig. 6). Eben so wie das Endokard hat sich inzwischen auch das Myokard - den gesteigerten funktionellen Anforderungen angepasst. Dies kommt yr Lu 4 vor Allem im Ventrikel zum Ausdruck, dessen Trabekelwerk in Folge der beträchtlichen Volumsvergrößerung dieses Herzabschnittes in ent- sprechend erhöhtem Maße in Anspruch genommen wird. Die weitere Ausgestaltung des Trabekelwerkes erfolgt dabei in ganz ähnlicher Weise wie während der zweiten Entwicklungsperiode. Der Anbau neuer Trabekel vollzieht sich fast ausschließlich an der Innenfläche der Corticalis der Kammerwand, woselbst das Trabekelgefüge eng- maschiger wird, als in seinem älteren centralen, dem freien Kammer- raume zugekehrten Abschnitten. Letztere werden durch jene radiär angeordneten Muskelzüge repräsentirt, welche schon in der zweiten Entwicklungsperiode angelegt wurden und an der ventralen und dorsalen Wand des Bulbus und Canalis auricularis auslaufen und den freien Kammerraum begrenzen. Das periphere Trabekelnetz er- scheint gewissermaßen als eine Ausstrahlung dieser Muskelzüge gegen die dünne corticale Schicht der Muskelwand des Ventrikels. Die Ver- laufsrichtung dieser Trabekel wird bei der Besprechung eines älteren - Stadiums erörtert werden. Dagegen soll hier auf das Verhalten der Ausläufer jener radiür angeordneten centralen Muskelzüge náher eingegangen werden, welche an der ventralen und dorsalen Wand des Canalis auricularis vor- treten. Dieselben waren bereits bei Embryonen mit 2 mm Kopflänge 146 Alfred Greil als plumpe leistenförmige Erhebungen der Muskelwand nachweisbar (vgl. Fig. 4). In dieser Periode werden sie allmählich höher und bilden an ihren Firsten quere, einander entgegenstrebende Fortsätze, durch welche sie in gegenseitige Verbindung treten (vgl. Schnitt A, B der beistehenden Abbildung). Indem sich diese Fortsätze ver- mehren und verbreitern, kommt es zur Bildung plattenartiger Forma- tionen, an welchen die proximalen Abschnitte der beiden Endokard- kissen haften. Diesen Vorgang veranschaulicht die Serie C—G derselben Figur, welche nach Sagittalschnitten durch einander ent- sprechende, etwas lateral gelegene Stellen der Wand des Canalis A, B Querschnitte, C—G sagittale Längsschnitte durch den Canalis auricularis von Lacerta-Em- bryonen mit 2,3 mm (A—C), 2,4 mm (D), 2,6 mm (E), 2,8 mm (F) und 3 mm (6) Kopflänge. Vergr. 90: 1. v.E.K. ventrales Endokardkissen, A.v.F. Atrioventricularfurche. auricularis von Embryonen verschiedener Entwicklungsstufen ange- fertigt ist. Die Schnittbilder D und Z zeigen die allmähliche Ent- wicklung der Leistchen, das Schnittbild F deren gegenseitige Ver- einigung zu Muskelplatten. — Durch die Bildung dieser Platten werden nun die ursprünglich zwischen den Balken befindlichen Rillen der Muskelwand in kleine Hohlräume umgewandelt, die sich gegen den Ventrikel hin öffnen und von dieser Seite her auch mit Epithel ausgekleidet werden, wodurch sie dann mit der Ventrikelhéhle in freie Kommunikation gesetzt werden. Die ursprünglich solide Muskelwand des Canalis auricularis erscheint somit in ihrem proximalen Abschnitte ventral und dorsal gewissermaßen in zwei Lamellen gespalten, zwischen welchen Trabekel ausgespart sind. Als Wand des Canalis auricularis im wor A a Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 147 engeren Sinne kann nun in diesem Gebiete nur noch die innere dieser beiden Lamellen nebst den an derselben haftenden Abschnitten der Endokardkissen gelten, nachdem die äußere Lamelle, sowie das inter- lamelläre Trabekelwerk bereits als dem Ventrikel zugehörig erscheinen und die interlamellären sich alsbald erweiternden (vgl. Fig. 7 Schnitt- bild G) Hohlräume Ausbuchtungen der Kammerhöhle darstellen. Es hat demnach der Canalis auricularis in diesem Bereiche seine ursprüngliche Selbständigkeit verloren und ist in den Ventrikel einbezogen’worden. In seinem übrigen, bei Weitem größeren, distalen Abschnitte hat er dieselbe jedoch noch beibehalten und weist eine beträchtliche, gleichmäßige Verdickung seiner Muskelwand auf. Was das Verhalten des Bulbus cordis anbelangt, so ist hervor- zuheben, dass diesem Herzabschnitte sein ursprünglicher, selbständiger Charakter noch gewahrt geblieben ist. Doch ist im Bereiche des lateralen Drittels der Knickungsleiste bereits das Auftreten einiger plumper Muskelleisten zu beobachten, die als ventrale Ausläufer rechtsseitiger Muskelzüge des radiären Trabekelsystems der Kammer erscheinen. Als seitliche selbständige Ausläufer dieses Systems sind ‚einige kurze an der lateralen Bulbuswand vortretende Muskelbalken (vgl. Taf. VI Fig. 12) anzusehen, welche normal auf die Achse des Rohres verlaufen. Es verdient beachtet zu werden, dass das Ubergreifen des Processes der Trabekelbildung vom Ventrikel auf das Gebiet des Canalis auricularis und Bulbus cordis, durch welches die Einbeziehung dieser beiden Herzabschnitte in die Kammer gewissermaßen vorbereitet wird, ein sekundärer Vorgang ist, der erst eintritt, nachdem jene Herzabschnitte durch die Ausbildung von ‘Endokardverdickungen als solche gekennzeichnet sind. — Aus einem später zu erörternden Grunde sehe ich mich genöthigt, nachdrücklich zu betonen, dass eine sekundäre Vergrößerung der Endokardverdickungen des Bulbus und Ca- nalis auricularis gegen den Ventrikel hin niemals stattfindet, diese Bildungen daher stets und ausschließlich auf die genannten Herzabschnitte lokalisirt bleiben. Schließlich sind noch die Vorgänge, welche sich in dieser Entwicklungsperiode am Ubergange des Bulbus cordis in den Truncus arteriosus, sowie im Gebiete des letzteren selbst ab- ‚spielen, genauer zu beschreiben. Untersucht man Längsschnitte durch das eraniale Ende der Bulbuswülste, welche ursprünglich im distalsten Gebiete des Bulbus cordis zur Entwicklung kamen, so ergiebt sich (vgl. die umstehende Fig. 8), dass die Muskelwand des Herzens (B.M.) bei Embryonen mit 2,8 mm Kopflinge bereits eine erhebliche Strecke proximal yom Ende der Bulbuswülste aufhört, und die letzteren in ihren distalsten Abschnitten von einem Gewebe eingescheidet 148 Alfred Greil werden, welches mit der Gefäßwand des Truncus arteriosus (7. W.) in seinem histologischen Aufbaue vollkommen übereinstimmt und mit demselben auch in unmittelbaren Zusammenhange steht. Namentlich bei Anwendung von entsprechenden Protoplasmafärbungen gelingt es unschwer, die dichtgefügten spindeligen, in steter Proliferation be- findlichen Zellen dieser Gewebsschicht von den locker angeordneten verästelten, embryonalen Bindegewebszellen der Bulbuswülste zu unterscheiden. Bei der Untersuchung von Zwi- schenstadien lässt sich ferner nachweisen, dass dieses Gewebe nicht autochthon- entstan- den ist, sondern sich allmählich vom Trun- cus arteriosus aus proximalwärts an der Außenseite der be- nachbarten distalen schoben hat, während im Wachsthum . zu- oo rückblieb. Letztere ver- Sagittalschnitt durch das distale Bulbusende und den Truncus Pla h PEE d arteriosus eines Lacerta-Embryos von 2,8 mm Kopflänge. liert aue allmáhlieh ihren ers Ceca Zusammenhang mit dem B.M. Bulbusmuskulatur, f C.E. Cölomepithel, die angrenzende Truncus- T.W. Truncuswand, 1 ri d.B.W.II.(IV.) distaler Bulbuswulst JI (IV), wand umscheidenden C6 S.ao.p. Septum aorticopulmonale, lomepithel , welches an- S.c.ao.s. Septum carotico-aorticum sinistrum, TIERE : D 1.0.(P.)R. link, Carotiden- (Pulmonalis-)rohr des Trunc. arterios. fänglich die unmittelbare | distale Fortsetzung des Myokards bildete. An einigen Stellen, z. B. an der dorsalen Seite des in Fig. 8 abgebildeten Sehnittes bleibt dieser Zusammenhang auch noch bei Embryonen mit 2,8 mm Kopflänge erhalten. An der Ventralseite dieses Schnittes hingegen setzt sich das Cölomepithel proximalwärts in das Epikard des Bulbusrohres fort. Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass die Zunahme der Linge ] des Truncus arteriosus auf Kosten des Bulbus cordis er- folgt und demnach an ersterem entwicklungsgeschichtlich zwei Ab- | Bulbuswülste vorge- — die Muskelschicht des | Bulbus immer mehr. H A d i | i X 1t | | 2, Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 149 schnitte zu unterscheiden sind, ein distaler, das ursprüngliche Wurzel- gefäß der Arterienbogen und ein proximaler, welcher in der eben geschilderten Weise entstanden ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine reine Substitution der Bulbus- durch die Truncuswand, weil das Gewebe der Bulbuswülste nach dem Verstreichen derselben an Ort und Stelle bleibt und sich am Aufbaue der Wand des Truncus betheiligt. . P Eine weitere Veründerung erfáhrt der Truncus arteriosus in dieser Entwicklungsperiode dadurch, dass die Sporne, welche bei Embryonen mit 2 mm Kopflänge die Ursprünge der dritten und vierten Arterien- bogen sowie jene der letzteren und der gemeinschaftlichen Wurzelge- faBe der fünften und sechsten Bogen auf beiden Seiten von einander scheiden (vgl. Fig. 2, bei «, 3) als solide Scheidewände median- und proximalwärts, gegen die Bulbustruneusgrenze hin vorwachsen. Da- durch wird eine Septirung des urspriinglich ein einheitliches Lumen besitzenden Truncus arteriosus bedingt, welche dann im Laufe der weiteren Entwicklung auch auf das Gebiet des Bulbus eordis übergreift. Die hierbei sich abspielenden Processe werden wir am besten an Hand der umstehenden Abbildungen verfolgen kónnen, welche nach Plattenmodellen einer Reihe auf einander folgen- der Entwicklungsstufen des Truncus arteriosus hergestellt sind (Fig. 9 und 10). Wir wollen dabei von einem Zustande ausgehen, wie er am Ende der zweiten Entwicklungsperiode, bei Embryonen mit 2 mm - Kopflünge bestand. Fig. 9 7 stellt die Innenansicht der linken Hälfte » des Truneus arteriosus eines solehen Embryos dar, der genau in der Medianebene durchschnitten worden war. Im Grunde der Hóhlung simd die Ursprünge der dritten und vierten Arterienbogen, sowie des Wurzelgefäßes des fünften und sechsten Bogen sichtbar, zwischen welchen die oben erwähnten Sporne vortreten, deren Ränder dorsal- warts etwas konvergiren. Diese Konvergenz ist am Truncus von Embryonen mit 2,1 mm Kopflänge (vgl. Abb. 77) schon viel auf- r falliger. Die vierten Arterienbogen, die Aortenbogen s. st. entspringen — nämlich bei solehen Embryonen etwas proximal von den dritten (Caro- d tiden) und sechsten! (Pulmonalis-) Bogen aus dem noeh einheitlichen ion PA ie: Truncus arteriosus. So bildet sich allmählich ein Verhalten aus, - welches bei älteren Embryonen aus dieser Entwicklungsperiode sehr 1 Die fünften Arterienbogen sind bereits obliterirt, die Wurzelgefäße der fünften und sechsten Bogen zu den proximalen Verlängerungen der letzteren geworden. 150 Alfred Greil deutlich in die Erscheinung tritt (vgl. Taf. VI Fig. 10 und 8). Man gewinnt dabei den Eindruck, als ob die proximalsten Abschnitte der Aortenbogen, indem ihr Kaliber zunimmt, aus der Ebene der gleich- falls sich erweiternden Carotiden- und Pulmonalisbogen seitwärts, Fig. 9. /. UA W W MAB,. Innenansichten der linken Hälfte des Truncus arteriosus und des angrenzenden Abschnittes des Bulbus cordis von Embryonen mit 2 mm (J), 2,1 mm (ZZ), 2,3 mm (III) und 2,6 (IV) mm Kopflänge, « Vergr. 88: 1. U.d.III.(IV,V-4-VI)A.B. Ursprünge der III. (IV, V + VI) Arterienbogen, d.B.W.II.(IV) distaler Bulbus- wulst JJ (IV), Gld.thyr. Glandula thyreoidea, S.c.a0.s.(d.) Septum carotico-aorticum sinistrum (dextrum), S.ao.p. Septum aorticopulmonale, 1.0.(Ao.,P.)R. linkes Carotiden-, Aorten-, Pulmonalisrohr. gegen die Perikardialhóhle zu abgedrängt würden. — Die Abb. 9 ZIT stellt die Innenansicht der linken Hälfte des Truncus arteriosus eines Embryos mit 2,9 mm Kopflànge dar. Wir konstatiren beim Ver- gleiche mit der Abb. 9 JZ zunächst, dass die Sporne zwischen den drei Arterienbogen bereits etwas gegen die Medianebene zu vorge- *pdi S m nt ve Beitrige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 151 wachsen sind. Insbesondere tritt der Sporn zwischen den Urspriingen des Carotiden- und Aortenbogens betrichtlich vor. Dieser Sporn hat indess schon von vorn herein, bei Embryonen mit 2 mm Kopflänge vor den übrigen Spornen einen kleinen Vorsprung, weil die vierten Arterienbogen, sowie die Wurzelgefäße der fünften und sechsten Bogen anfänglich gemeinschaftlich (vgl. Fig. 2 8-8’) aus dem Truncus hervorgehen. — Noch bei Embryonen mit 2,3 mm Kopflänge bietet die linke Truneushälfte das Spiegelbild der rechten dar. Die beiden zwischen den Ursprüngen der Carotiden- und Aortenbogen ausgewachsenen Sporne verbindet ein frontaler, an der cranialen Truneuswand entstandener Sporn (f.Sp.). Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wachsen nun die Sporne zu beiden Seiten sehr rasch proximalwärts vor und werden zu soliden Scheidewänden, welche das Lumen des Truncus arteriosus, des ge- meinsamen unpaaren Wurzelgefäßes der Arterienbogen in einzelne Abtheilungen zerlegen. Bei Embryonen mit 2,6 mm Kopflänge sind diese Scheidewände nahezu bis an das distale Ende der Bulbuswülste vorgewachsen (vgl. Fig. 9 ZV). Die zwischen den Ursprüngen der Aorten- und Pulmonalisbogen vordringenden Sporne haben sich mit dem frontalen Sporne zu einer einheitlichen Scheidewand vereinigt, welche den Truncus in frontaler Richtung durchzieht und daher am Medianschnitt der Länge nach getroffen erscheint. Wir wollen diese Scheidewand als Septum aorticopulmonale (S.ao.p.) bezeichnen. Der zwischen den Urspriingen des Carotiden- und Aortenbogens be- findliche Sporn ist zu einer sagittal eingestellten Scheidewand aus- gewachsen, dem Septum caroticoaorticum sinistrum (S.c.ao.s.), dessen konkaver freier Rand sich etwas proximal vom Ende des Septum aorticopulmonale befindet. Diese Scheidewand steht eben so wie jene der rechten Seite, das Septum caroticoaorticum dextrum, senkrecht auf dem Septum aorticopulmonale. Beide Septen begrenzen eine mittlere Truncusabtheilung, welche in die beiden Carotidenbogen führt. Doch ist nur das Septum caroticoaorticum sinistrum so weit proximalwärts vorgewachsen, das Septum caroticoaorticum dextrum endigt nahezu in derselben Querschnittsebene wie das Septum aortico- pulmonale. — Gleichzeitig mit diesen Scheidewänden sind an der dorso-cranialen Truncuswand ventral und dorsal vom frontalen Sporne in der Medianebene zwei sagittal eingestellte Sporne entstanden, deren freie Ränder in der Schnittfläche des abgebildeten Modells liegen (+, ++). Durch das Vorwachsen dieser Sporne wird eine Theilung des distalen Truneusabschnittes in zwei seitliche Aste eingeleitet. 152 Alfred Greil Das Verhalten des Truncus arteriosus von Embryonen mit 2,8 mm Kopflange soll die Innenansicht eines Modells veranschaulichen, an welchem die rechte Wand des Truncus entfernt (vgl. Fig. 10) und dabei auch das Septum aorticopulmonale (S.ao.p.) theilweise abgetragen wurde. Dieses Septum hat in der letzten Entwicklungsphase das Septum caroticoaorticum überholt und ist bis ans Niveau der Bulbus- truncusgrenze vorgewachsen, woselbst es mit konkavem Rande endigt. Es scheidet den Binnenraum des Truncus in eine größere ventrale und eine kleinere dorsale Abtheilung. In die erstere springen die beiden Septa caroticoaortica vor, num von denen das linke (S.ao.) nur LAOR. LER wenig distal vom freien Rande SIS des Septum aorticopulmonale en- p^ = ) v aii digt. Die gleichfalls konkave, proximale Begrenzung des Septum w 8 caroticoaorticum dextrum (S.c.ao.d.} inmi Scao» befindet sich annähernd in dem- selben Querschnittsniveau wie der Rand des zwischen den beiden Pulmonalisbogen vorgewachsenen medianen Sporns. Letzterer schei- det die Pulmonalrohre der beiden Truncusäste (r.[7.)P.R.), welche aus der dorsalen Abtheilung des Trun- cusstammes hervorgehen. Der Innenansicht des Truneus arteriosus eines Em- . L bryos von Lacerta agilis mit 2,8 mm Kopflange. freie Rand des zwischen den i t i I l ABWH. d B'WU g BWW. Vergr. 88 : 1. Carotidenbogen, also ventral vom l.(r.)C.(40, P.)R. linkes (rechtes) Carotiden- (Aor- frontalen Sporne an der eranialen ten-, Pulmonalis-)Rohr, p g.C.R. gemeinschaftliches Carotidenrohr, Truneuswand vorgewachsenen S.ao.p. Septum aorticopulmonale, : x lu fran atte medianen Spornes befindet sich S.c.ao.d. Septum caroticoaorticum dextrum, noch weiter distal, nahe der Quer- d.B.W.IL{III, IV) distaler Bulbuswulst II (II, IY). , 5 s schnittsfläche, welche die distale Begrenzung des abgebildeten Modelles bildet. — Aus der ventralen Abtheilung des Truncus arteriosus gehen somit vier Rohre hervor, welche nach den Arterienbogen, in die sie führen, als Carotiden- und Aortenrohre des Truneus bezeichnet werden sollen. Linker- seits vom freien Rande des zwischen den Ursprüngen der linken Carotiden- und Aortenbogen ausgewachsenen Septums gelangt die Sonde durch das linke Aortenrohr in den linken Aortenbogen (in der Richtung des mit einem Häkchen versehenen Pfeiles der Abb, 10). Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 153 Rechterseits von diesem Septum befindet sich das rechte Aortenrohr des Truncus, welches an dem abgebildeten Modelle in seiner ganzen Ausdehnung eröffnet wurde. Aus diesem Rohre entspringt in der Höhe des freien Randes des Septum caroticoaorticum dextrum das unpaare Carotidenrohr des Truncus, welches sich distalwärts in die Carotidenrohre der beiden Truncusäste gabelt (vgl. Fig. 10 zwei- _hakiger Pfeil). Es scheidet somit der proximal von dem Niveau des freien Randes des Septum caroticoaorticum dextrum befindliche Ab- schnitt der zwischen den Ursprüngen der linken Carotiden- und Aortenbogen ausgewachsenen Scheidewand die beiden Aortenröhren des Truncus und ist daher als Septum aorticum (S.ao.) zu bezeichnen. Wir wollen jedoch in der Folge, der Einfachheit halber, die ganze, ‚durch das Auswachsen des Spornes zwischen dem linken Carotiden- und Aortenbogen entstandene Scheidewand als Septum aorticum bezeichnen, weil dieselbe innerhalb des Truncus thatsächlich die rechte Aorta, aus der die beiden Carotiden entspringen, von der linken Aorta scheidet. Anbei (vgl. Fig. 11) sind noch einige Querschnitte durch den Truncus arteriosus eines Embryos mit 2,8 mm Kopflänge abgebildet, deren Ebenen in der unten beigefiigten Skizze angegeben sind. Diese Querschnittsbilder werden die gegenseitigen Beziehungen der Gefäß- rohre des Truncus noch besser veranschaulichen als die Abb. 10. Wir wollen diese Serie vom Schnitte V aus verfolgen, welcher ganz einfache Verhältnisse darbietet. Dieser Schnitt ist so weit proximal geführt, dass er nur die beiden Truncusscheidewände trifft, die wir als Septum aorticopulmonale und Septum aorticum bezeichnet haben (S:ao.p.; S.ao.). Letzteres erscheint im Bereiche seines freien Randes durchschnitten. Der nur wenig weiter distal geführte Schnitt IV geht durch den proximalen Abschnitt dieser Scheidewand, welcher die beiden Aortenrohre (r.|7.]Ao.R.) des Truncus von einander trennt. Das Septum aortieum steht hier senkrecht auf dem frontal einge- stellten Septum aorticopulmonale, das die beiden Aortenrohre von dem dorsal gelegenen Pulmonalisrohr (g9.P.R.) scheidet. In der Höhe des Sehnittes 777 besteht der Truncus arteriosus bereits aus fünf Róhren, von denen sich drei an dessen Ventralseite, zwei an der Dorsalseite befinden. Nur das linke Aortenrohr ist ungetheilt ge- blieben. Das rechte Aortenrohr wird durch eine sagittal eingestellte Scheidewand, das Septum caroticoaorticum (dextrum) (S.c.ao.[d.] in eine rechte Abtheilung, die Fortsetzung dieses Rohres, und das in der Kórpermitte gelegene gemeinschaftliche Carotidenrohr (g.C.R.) 154 Alfred Greil geschieden. Das dorsal gelegene, auf dem vorhergehenden Schnitte noch einfache Pulmonalisrohr erscheint an diesem Schnitte in zwei Rohre getheilt. Die Scheidewand, Fig. 11. welche die beiden Pulmonalisrohre des / distalen Truneusabschnittes von allen übrigen Arterienrohren scheidet, wollen wir auch hier noch der Einfachheit halber als Septum aorticopulmonale be- zeichnen (S.ao.p.). Diese Bezeichnung "A HI rino c Ee rechtfertigt sich in so fern, als die "sana" Scheidewand die direkte Fortsetzung : < der im proximalen Gebiete des Trun- cus die beiden Aortenrohre von dem Pulmonalisrohre trennenden Septum aorticopulmonale ist und auch noch im distalsten Abschnitte des Truncus das Gebiet der beiden Aorten von dem der Pulmonalis trennt. — Der Schnitt 77 ist durch den freien Rand jenes Spornes geführt, welcher die Carotidenrohre der beiden Truneusäste von einander schei- det. Zwischen den beiden Ästen des Pulmonalisstammes greift an der Dor- salseite des Truncus eine Furche ein, so dass die Carotidenrohre daselbst zum Theil vom Epikard bedeckt er- scheinen. Die Aortenrohre verlaufen an Querschritte durch den Truncus arteriosus und das an- grenzende Bulbusgebiet eines Lacerta-Embryos von 2,8 mm Kopflànge. Vergr. 45:1. S.ao. Septum aorticum, S.c.ao. Septum caroticoaorticum (dextrum), S.aop. Septum aorticopulmonale, r.(l., g.)C.R. rechtes (linkes, gemeinschaftl.) Carotidenrohr, r.(1.)Ao.R. rechtes (linkes) Aortenrohr, r.(1.,9.)P.R. rechtes (linkes, gemeinschaftl.) Pulmonalisrohr, d.B.W.I.(JI,IIL,IV) distaler Bulbuswulst 7 (IZ, III, IV), xX endokardiale Ausläufer des Septum aorticopulmonale. den beiden Seiten des Truncus neben den Carotidenrohren. — Die Ebene des Schnittes J befindet sich etwas distal von der oberen Be- erenzungsflüche des in Fig. 10 abgebildeten Modells. Der Schnitt trifft TJ Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete. 155 die beiden divergirenden Äste des Truncus, insbesondere aber die Caro- tidenrohre derselben in schiefer Richtung. Beiderseits sind die drei Gefäßrohre zu einem Bündel vereint und in der Weise angeordnet, dass die Carotidenrohre ventral von den Aorten- und Pulmonalisrohren zu liegen kommen, von denen die letzteren medial von den ersteren verlaufen. Diese Rohre werden durch Scheidewände von einander getrennt, welche wie die Schenkel eines Y zusammentreten, dessen spitzer Winkel median- und dorsalwärts offen ist. An der distalen Grenze des Truncus, woselbst dessen beide Äste in die Arterienbogen übergehen, sind die Septen genau so eingestellt, wie die Sporne ein- gestellt waren, durch deren Auswachsen sie entstanden sind. So entspricht dem mit einem * bezeichneten medialen Septumschenkel der frontale Sporn, dem lateralen (unpaaren Schenkel des Y) der zwischen den Ursprüngen der Carotiden- und Aortenbogen auswachsende Sporn, dem dorsalen Schenkel die Fortsetzung des Spornes zwischen den Aorten- und Pulmonalisbogen bezw. der Wurzelgefäße der fünften und sechsten Bogen. Man erkennt noch ganz deutlich, dass der frontale Sporn Anfangs in der unmittelbaren Verlängerung der zwischen den Ursprüngen der Carotiden- und Aortenbogen auswachsenden Sporne gelegen ist (vgl. Fig. 9 777). Verfolgt man nun das Septum aorticopulmonale proximal- wärts (vgl. Fig. 11, VI, VII) so ergiebt sich, dass sich dasselbe nahe der proximalen Grenze des Truncus arteriosus in zwei endokardiale Ausläufer fortsetzt, welche an den dem Bulbuswulste 77 zugekehrten Abhängen der Bulbuswülste Z und 7/7 endigen (x, x). Diese Vor- sprünge entstehen durch eine lokale Proliferation des Endocardiums der Bulbuswand, in welche das Gewebe der Truncuswand einstrahlt. Àn den abgebildeten Querschnitten erweist sich, dass die an der Oberfläche des Truncus einspringenden Furchen den Insertionen der Scheidewände entsprechen. Die zwischen den Carotiden- und Aortenbogen beginnenden Furchen lassen sich bis zum proximalen Ende des Septum aorticum und des Septum caroticoaorticum dextrum verfolgen. Auch an der dorso-cranialen Wand des Truneus entsprieht die Anordnung der Furchen genau jener der Septen. | Das Verhalten des Bulbus cordis und Truncus arteriosus eines gleich- : alterigen Stadiums findet sich auch in der Arbeit von LANGER (24) beschrieben. . Hierbei erwähnt dieser Autor zum ersten Male das Vorhandensein der proxi- malen Bulbuswülste, die er als Ostiumwülste A und B bezeichnet, da er sie als Grenzmarken des Bulbus gegen den Ventrikel hin auffasst. Den Ostium- wulst A (proximaler Bulbuswulst 4, mihi) lisst der Genannte in Form einer Leiste an der medialen Wand des Bulbus die untere (proximale) mit der oberen Morpholog. Jahrbuch. 31. 11 156 Alfred Greil Knickungsfalte des letzteren verbinden und an dieser die Grenze zwischen Bulbus und Ventrikel markiren. Der andere Ostiumwulst B (proximaler Bulbus- wulst B, mihi) scheint ihm zum größeren Theile dem Ventrikel anzugehören. Dem gegenüber ist zu bemerken, dass die proximalen Bulbuswülste lediglich dem proximalen Abschnitt der Bulbuswand angehören, und daher als für die Bulbuswand charakteristische Endokardbildungen aufzufassen sind. Die er- wähnten Angaben machen es verständlich, warum LANGER in der Gestalt und Anordnung der Ostiumwülste von Lacerta keine Ähnlichkeit mit den proxi- malen Bulbuswülsten der Amphibien findet. Seine Erwartung, dass in späteren Entwicklungsstadien von Lacerta einige Übereinstimmung zu entdecken sein wird, ist unberechtigt, da diese homologen Beziehungen nur in frühen Stadien bei Embryonen mit ca. 2 mm Kopflänge deutlich hervortreten. Hinsichtlich der Beziehungen der proximalen zu den distalen Bulbuswülsten und der Lage- verhültnisse der letzteren konnte ich die LANGER’schen Angaben bestätigen. Da LANGER nirgends vom Vorhandensein einer Muskelwand des Bulbus spricht, so muss es erklärlich erscheinen, warum demselben die Vorgänge im Gebiete der Bulbus-Truncusgrenze entgangen sind. — LANGER lässt den Bulbus distal- warts im Bereiche einer leichten Einschnürung in den »Arterienbogenantheil« übergehen, worunter er den Truncus arteriosus und die Anfangsstücke der Ar- terienbogen versteht. Diesen Arterienbogenantheil findet er durch zwei Scheide- winde, das Septum I (Septum aortico-pulmonale mihi).und Septum II (Septum aorticum bezw. carotico-aorticum sinistrum mihi) in drei Abtheilungen, die Pulmonalarterie, linke und rechte Aorta getheilt. Die Gabelung des Truncus, sowie das Vorwachsen des Septum carotico-aorticum dextrum bleiben in seinen Ausführungen unerwähnt. — Schließlich muss ich noch, um Missverständnissen beim Vergleiche unserer Abbildungen vorzubeugen, bemerken, dass in der Ventralansicht, die LANGER in seiner Abbildung 12 giebt, der Bulbus cordis vom rechten Vorhofsacke nicht deutlich genug abgesetzt erscheint. IV. Periode. Embryonen von 2,8—3,6 mm Kopflänge. Auch in dieser Entwicklungsperiode betreffen die Veränderungen, welche das Herz zunächst hinsichtlich seiner äußeren Gestalt erfährt (vgl. Taf. VI Fig. 10 und 13), hauptsächlich das Gebiet des Bulbus cordis und der Bulbustruneusgrenze, weniger den Ventrikel, Canalis aurieularis und die Vorhófe. Von diesen letzteren Herz- abschnitten zeichnen sich der Ventrikel und die Vorhófe durch die ansehnliche, zum Theil auch relative VergróBerung ihres Umfanges aus, so dass der zwischen ihnen gelegene Canalis auricularis immer mehr von der Oberfläche zurücktritt und der Sulcus atrioventricularis, dessen Grund von demselben gebildet wird, an Tiefe zunimmt. Im auffallenden Gegensatze zum Ventrikel erscheint der Bulbus cordis relativ noch mehr verkleinert als bei Embryonen mit 2,8 mm Kopf- linge. Die anfänglich so beträchtliche Erweiterung seines mittleren u Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 157 Theiles ist völlig zurückgegangen und seine Längenausdehnung der- art reduzirt worden, dass er nunmehr einen verhältnismäßig kurzen Rohrabschnitt darstellt, welcher durch den Ventrikel und rechten = Vorhofsack ganz vom rechten Herzrande abgedrängt wurde. = Der Ursprung des Bulbus aus dem Ventrikel gehört der rechten Körperhälfte an. und ist, wie ich vorausgreifend bemerken will, an der ventralen Wand durch eine nach rechts hin ansteigende und in dieser Richtung verstreichende Furche gekennzeichnet, welche der proximalen Knickungsfurche früherer Stadien entspricht und nunmehr die proximale Grenze des Bulbusrohres bildet (vgl. Taf. VI Fig. 13 *). Vom Canalis aurieularis grenzt sich der Bulbus dureh eine sagittal gestellte Spalte ab, die Bulboauricularfurche (S.d.aur.), welche sich ventralwärts unmittelbar in die eben erwähnte Grenzfurche fortsetzt. An seinem Ursprunge also rechts vom Canalis auricularis gelegen, wendet sich das Bulbusrohr zunächst in leichtem Bogen an der Ventralseite dieses Herzabschnittes der Medianebene zu und krümmt sich dann, in einer Furche der ventralen Vorhofswand eingebettet, cranialwärts, um nach kurzem Verlaufe, noch in erheblicher Ent- . fernung von der cranialen Wand der Pericardialhöhle, in den Truncus arteriosus überzugehen, dessen Gefäßwand durch ihr weißliches Kolorit deutlich von der Muskelwand des Herzens absticht. Der Truncus arteriosus hat sich — augenscheinlich auf Kosten der Längenausdehnung des Bulbus cordis — proximalwärts erheblich _ verlängert und bildet bei Embryonen mit 3,6 mm Kopflänge einen gurt dq ] T unpaaren Stamm, welcher sich distalwärts in zwei ganz kurze Aste gabelt, aus denen die Arterienbogen der beiden Seiten hervorgehen (vgl. Taf. VI Fig. 13). Entsprechend der Längenzunahme des Truncus haben an der Wand desselben die zwischen den Ursprüngen der Gefäßbogen beginnenden Furchen weiter proximalwürts vorgegriffen, woraus auf ein weiteres Fortschreiten des Processes der Scheide- : wandbildung im Innern des Truncus zu schließen ist. Das Vorgreifen dieser Furchen vollzieht sich jedoch nicht geradlinig, sondern in spiraligen Richtungen und folgt dem Laufe des Zeigers einer Uhr. ‘So wenden sich die ursprünglich, im distalen Gebiete des Truncus — an der rechten und linken Wand des letzteren einspringenden Furchen, = ur < welche den beiden Insertionen des Septum aorticopulmoyale ent- sprechen, proximalwärts auf die dorsale und ventrale Seite des Rohres, so dass die Verbindungslinien einander gegenüberliegender Stellen - dieser Furchen am proximalen Ende derselben, d. h. im Bereiche der DBulbustruneusgrenze sagittal, am distalen Ende des Truneusstammes ir” 158 Alfred Greil hingegen frontal eingestellt smd. Es beschrieben demnach die zwischen den Urspriingen der Aorten- und Pulmonalisbogen ausgehenden Furchen auf ihrer gesammten Verlaufsstrecke den vierten Theil einer vollen Spiraltour. Knapp vor dem Niveau der Bulbustruncusgrenze endigt an der ventralen Truncuswand (vgl. Taf. VI Fig. 13) die der wand- ständigen Insertion des Septum aorticum bezw. 'earoticoaortieum sinistrum entsprechende Längsfurche und etwas weiter distal die korrespondirende Furche der Gegenseite. Zwischen diesen beiden Furchen greift distal eine mediane Längsfurche von der cranialen auf die ventrale Truncuswand über. Die Beziehungen des Truncus arteriosus zur Perikardial- höhle gestalten sich derart, dass bereits bei Embryonen mit 3,6 mm Kopflänge der gesammte Truncusstamm intraperikardial zu liegen kommt (vgl. die in der Abb. 13 Taf. VI gestrichelt angegebene Um- schlagslinie des Perikards). Die beiden Aste des Truncus, sowie die proximalsten Abschnitte der Arterien- insbesondere der Pulmonalis- und Aortenbogen springen an der cranialen Wand der Perikardial- höhle etwas vor, wodurch es an der letzteren zur Bildung dreier Nischen, einer medianen und zweier lateralen kommt. In der ersteren ist eine Ausladung des rechten Vorhofssackes eingelagert, dessen Kuppel in der rechten Nische Platz findet, während die linke Nische von einem der dem Spatium interseptovalvulare (RósE, 23) entsprechen- den Wandpartie des rechten Vorhofes und der Kuppel des linken Vorhofssackes eingenommen wird. — Bemerkenswerth ist noch, dass sich sowohl an der erst in Bildung begriffenen Herzspitze, als an dem der letzteren gegenüberliegenden Ursprunge des Mesohepaticum anterius zapfenfórmige Erhebungen des Epithels und des subepithe- lialen Bindegewebes des Pericardiums entwickeln, welche einander entgegenwachsen (vgl. Taf. VI Fig. 13, 14 x). Verhalten der Wandung des Herzens. Führt man nun einen Sagittalschnitt durch die Mitte der rechten Längshälfte des Herzens und vergleicht die Innenansiehten der so gewonnenen beiden Ab- schnitte desselben (vgl. Taf. VI Fig. 14, 15) mit den Bildern, die das in analoger Weise getheilte Herz eines Embryos mit 2,8 mm Kopf- lànge darbot (vgl. Taf. VI Fig. 11, 14), so fallen im Bereiche der Kammer und des Bulbus eordis folgende Veránderungen ins Auge: Die Kammerhóhle erscheint entsprechend der Zunahme des äußeren Umfanges des Ventrikels beträchtlich vergrößert und zwar vorwiegend in ihren peripheren Partien, welehe von den intertrabe- kulären Hohlráumen gebildet wird. Das Trabekelwerk, welches Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 159 diese Räume einschließt und den centralen Kammerraum freilässt, hat sich gegen die Corticalis der Kammerwand zu verdichtet. Anderer- seits aber koncentrirt es sich wieder gewissermaßen centralwärts, gegen den centralen Kammerraum hin, indem es in eine Anzahl von etwa 10—12 lamellenartig gestellten Muskelzügen übergeht, welche ihre ursprüngliche Anordnung beibehalten haben und als älteste Elemente des gesammten Trabekelgefüges die centralen Abschnitte des radiären Trabekelsystems repräsentiren. Einige dieser Muskel- züge, welche an der rechten Kammerwand vorspringen, und zum rechten Drittel der ursprünglichen Knickungsleiste des Bulbus ziehen, zeichnen sich durch ihre besonders mächtige Entwicklung aus (vgl. Taf. VI Fig. 15. x). In der Mitte der Basis der Kammer, dem Grunde des Sulcus bulboauricularis der äußeren Oberfläche des Herzens entsprechend, ragt gegen den trabekelfreien centralen Kammerraum zu ein scharfer Sporn vor, welcher aus der plumpen Bulboauricularfalte früherer Stadien hervorgegangen ist. Dieser Bulboauricularsporn (B.aur.Sp. der Abbildung) besitzt nunmehr einen ausgesprochen konkaven freien Rand, der sich in seinem mittleren Abschnitte jenseits des Niveaus der ursprünglichen Knickungsleiste des Bulbus befindet, während die flachbogenférmige Begrenzung der Bulboauricularfalte bei Embryonen mit 2 mm Kopflänge diesseits dieses Niveaus erfolgte (vgl. Taf. VI Fig. 9). Es ist somit die Bulboauricularfalte von ihrem ursprüng- lichen Niveau etwas in distaler Richtung zurückgewichen und gleich- zeitig zu einem scharfen Sporn verschmälert worden. Dieser letztere Vorgang ist auf zwei Momente zurückzuführen: einerseits auf die Ausdehnung des Canalis aurieularis nach rechts hin, andererseits auf die Bildung einer Rinne an der linken proximalen Bulbuswand. Diese Rinne wird ventral durch eine niedrige Leiste begrenzt, die von der Knickungsfalte früherer Stadien aus an der Grenze des proximalen und mittleren Drittels des ursprünglichen Bulbus cordis - distalwärts emporsteigt. Diese Bildung, welche ich als Bulbusleiste zu bezeichnen vorsehlage (B.L. der Abbildung), geht über distalwärts in eine sagittal gestellte, etwas verdickte Scheidewand fort, welche das proximale Ende des Septum aorticopulmonale des Truneus bildet. Es erscheint somit die Bulbusleiste gewissermaßen als ein Aus- lüufer dieses Septums, und setzt die Scheidung des Bulbusrohres in unvollkommener Weise proximalwärts fort. Diese Verhältnisse bedingen daher, dass der aus der Kammer aufsteigende Blutstrom sieh am freien Rande der Bulbusleiste und des Septum aorticopul- 160 Alfred Greil monale in zwei Stréme bricht, von denen der eine an der linken Seite dieser beiden Gebilde in das Pulmonalisrohr des Truncus ge- langt, während der andere an der rechten Seite derselben entlang jener vorerwähnten Rinne in den Aortenraum eintritt. Untersucht man nun an den beiden Abschnitten des Herzens die Schnittfläche genauer, so fällt zunächst die eigenartige Be- schaffenheit der proximalen Bulbuswand auf, deren Muskelschicht in zwei Lamellen gespalten erscheint, zwischen welchen Trabekel ausgespart sind. Namentlich an der dorsalen Bulbuswand ist dieses — Verhalten in charakteristischer Weise ausgeprägt. Die innere dieser beiden Lamellen ist etwas verdickt, tritt frei gegen die Herzhöhle vor, wird von einem Endokardpolster, dem proximalen Bulbus- wulste B bedeckt und steht mit den ventralen Muskelzügen des radiären Trabekelsystems der Kammer in unmittelbarem Zusammen- hange. Die äußere, dünnere Lamelle bildet die kontinuirliche Fort- setzung der Corticalis der Ventrikelmuskelwand und vereinigt sich an der distalen Grenze des so veränderten Gebietes der Bulbuswand mit der inneren Lamelle zur solid erhalten gebliebenen Muskelwand des Bulbus. Das geschilderte Verhalten ähnelt demjenigen, welches die Muskel- wand des Canalis auricularis im vorhergehenden Entwicklungsstadium aufwies, obgleich es einem ganz anderen Process seine Entstehung verdankt. Die Spaltung der proximalen Bulbuswand in zwei Lamellen ist nimlich der Effekt eines Unterminirungs- processes, welcher mit der Entstehung kleiner, mit Epithel aus- gekleideter Exkavationen an der proximalen Grenze der urspriinglich soliden, etwas verdickten Muskelschicht des Bulbus einsetzt, was be- reits am Herzen von Embryonen mit 2,8 mm Kopflänge zu beob- achten ist (vgl. Taf. VI Fig. 11, 12, dorsale Bulbuswand). Diese Exkavationen vergrößern sich, indem sie tiefer in das Gewebe der Muskelwand vordringen, wobei sie z. Th. den in der letzteren be- stehenden Intercellularspalten folgen. So bilden sich in der Bulbus- wand zahlreiche, mit einander konfluirende Hohlräume, die im Laufe der weiteren Entwicklung an Umfang immer mehr zunehmen und mit der Kammerhöhle stets in offener Kommunikation stehen. Dieser Process hat nun eine immer weiter um sich greifende Ein- beziehung des proximalen Bulbusgebietes in den Ventrikel zur Folge, so dass als Muskelwand des Bulbus sensu strietiori nur die von Endokardverdickungen besetzte innere Lamelle (B.La. [Bulbus- ` lamelle] der Abbildung) betrachtet werden kann, die äußere Lamelle - Beitrige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 161 jedoch als Corticalis der Ventrikelwand aufzufassen ist. Hierdurch ist nun bereits im vorliegenden Entwicklungsstadium eine ansehn- liche Zone der Bulbuswand ihrer ursprünglichen Selbständigkeit ver- lustig geworden. — Ventral hat sich der Unterminirungsprocess fast über das ganze Gebiet der proximalen Knickungsfurche des Bulbus erstreckt, welche dadurch seichter wurde und, wie schon bei der Schilderung der äußeren Gestalt des Herzens vorausgreifend bemerkt worden ist, nunmehr eine Grenzfurche (vgl. Taf. VI Fig. 13—15 *) zwischen dem Bulbus und der Kammer darstellt. Dem zufolge er- scheint auch im Inneren die dieser Furche entsprechende ursprüng- liche Kniekungsfalte in eine die beiden Herzabschnitte trennende Grenzleiste umgewandelt. Gleichzeitig und in continuo mit der Mus- kelschieht der ventralen und dorsalen Wand wurde auch jene der rechten Bulbuswand vom Ventrikel her unterminirt, so dass die so im Bereiehe dieser Wandpartien gebildete Innenlamelle eine ein- heitliehe Bildung darstellt. Ventral und dorsal trágt diese Innenlamelle die entsprechenden proximalen Abschnitte der Bulbuswülste A und 5. Von diesen beiden Wülsten greift der erstere an der linken Bulbuswand distal- würts vor, bildet den First der Bulbusleiste und steht wie im vorigen Stadium mit dem distalen Bulbuswulste Z in Verbindung, dessen Beziehungen zum Septum aortico-pulmonale an späterer Stelle zu besprechen sind. Der dorsal gelegene proximale Wulst B hat sich gleichfalls distalwärts verlängert und mit dem proximalen Ende des Bulbuswulstes ZV vereinigt (vgl. Taf. VI Schnittfläche der Fig. 14, 15 p.B. W.B., d. B. W.IV.). Zwischen den beiden Bulbuswülsten A und B ist an der rechten Wand des proximalen Bulbusgebietes noch ein ganz unansehnlicher und nur temporár auftretender Bulbuswulst C zur Entwicklung gekommen (vgl. Fig. 12 7.p. B. W.C.). Die Untersuchung von sagittalen Längsschnitten durch den Canalis auricularis ergiebt beim Vergleiche derselben mit solchen - des vorigen Stadiums (vgl. die Textfig. 5 und 12) sowie der ent- - sprechenden Zwischenstufen, dass auch die Wand dieses Herzab- = schnittes vom Ventrikel her unterminirt worden ist. Nur sind in diesem Gebiete die Verhältnisse dadurch etwas komplieirt, dass sich bereits im vorigen Stadium eine proximale Zone der Muskelwand in Folge der pag. 146 näher beschriebenen Vorgänge ganz ähnlich - gestaltet und ihre Selbständigkeit verloren hatte; nunmehr ist durch einen Unterminirungsprocess neuerlich eine Zone dieses Herzab- schnittes in den Ventrikel einbezogen worden. Dieser Process voll- 162 Alfred Greil zieht sich im Gebiete des Canalis auricularis in derselben Weise wie in der Wand des Bulbus cordis. Indem sich aber die in der Wand des Canalis auricularis entstandenen Hohlräume Hand in Hand mit der Ausdehnung der Kammer rasch beträchtlich erweitern, wölbt sich die in der Fortsetzung der Corticalis der Kammerwand befindliche Außenlamelle der Wand des Auricularkanals gegen den Sulcus atrioventrieularis zu immer mehr vor. Diese Vorwölbung reicht bis an die kompakt erhalten gebliebene Zone des Canalis auricularis heran. Auf diese Weise bildet sich im Grunde der Atrio- ventrieularfurche an der Unter- minirungsgrenze zwischen der Corticalis der Kammer und der kompakten Wand des Canalis auricularis eine spitzwinkelige Rinne, welche von epikardialem Bindegewebe ausgefüllt wird und daher bei der Betrachtung der ) äußeren Gestalt des Herzens nicht bemerkbar ist. i Im Bereiche des Canalis auricularis beschränkt sich der Unterminirungsprocess auf dessen ventrale und dorsale Wand, welche Sagittalschnitt durch den Canalis auricularis und in ihrer EMEN Breite "m den die Vorhofsabtheilung des Herzens eines Lacerta- beiden Endokardkissen besetzt ist Embryos von 3,4 mm Kopflànge. Vergr. 50:1. und bei Embryonen mit 3,6 mm C.aur. Canalis auricularis, Fig. 12. —ÀÓÀ a; v.(d.)E.K. ventrales (dorsales) Endokardkissen, Kopflänge etwa mit ihrer proxi- S.at. Septum atriorum, : S.a.v. Suleus atrioventricularis, malen Hälfte bereits dem Ven- xx sekund. Perforationen des Septum atriorum, trikel angehört. T An der Vor- r.T.Z. radiärer Trabekelzug, E x oe Aur.L. Auricularlamelle, hofsmündung des Canalis auricu- ue sor laris stehen die beiden Endokard- kissen durch eine den freien Rand des Septum atriorum einneh- mende Endokardbrücke mit einander in Verbindung (vgl. Fig. 12 $.at.). Das Septum atriorum ist nämlich bei Embryonen mit 3,6 mm Kopf- lange schon bis zum Ostium atrioventriculare herabgewachsen, als welches der Hohlraum des Canalis aurieularis gelten kann. Gleichzeitig sind jedoch in dem mittleren Abschnitte dieser Scheidewand sekundàr Perforationsöffnungen aufgetreten (vgl. Fig. 12 x), dureh welche die beiden Vorhófe mit einander in Kommunikation gesetzt werden. Beitrage zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 163 Die Entstehung sekundirer Perforationen im Septum atriorum konnte be- reits HOCHSTETTER beobachten, welcher Autor auch auf deren Analogie mit den entsprechenden Bildungen am Septum atriorum des Vogelherzens hinwies. Als Causalmoment für das Eintreten der Durchbrechungen am Septum des Vogelherzens hält RósE (23) den bei Vögeln stattfindenden »Ausfall des linken Aortenbogens, sowie die Entstehung eines einheitlichen, einseitigen, nur aus dem linken Ventrikel entspringenden Aortenstammes<1t. Diese Annahme er- scheint in Folge des Umstandes, dass ganz analoge Bildungen auch am Rep- tilienherzen vorkommen, bei welchem die von ROsE angeführten Bedingungen nicht zutreffen, als unbegründet. Die Ursache für die Entstehung se- kundärer Perforationen im Septum atriorum scheint mir vielmehr darin zu liegen, dass diese Scheidewand bereits zu einer Zeit bis in das Gebiet des Canalis auricularis herabwächst, in welcher der linke Vorhofsack aus den Lungen noch eine geringe Menge Blutes empfängt. Wäre nun schon in dieser Zeit die Trennung der beiden Vorhófe eine durchgreifende, so würde die linke Vorkammer im Laufe der weiteren Entwicklung einen Umfang annehmen, der sich spüter für die Aufnahme des aus den entfalteten, respirirenden Lungen in sie einströmenden Blutes als zu klein erweisen würde. Umgekehrt verhielte es sich in der rechten Vorkammer, welche eine relativ zu große Ausdehnung erfahren würde. Indem nun im Septum atriorum sekundäre Perforationsöffnungen auftreten, kann ein guter Theil des in die rechte Vorkammer gelangenden Blutes nach der linken Vorkammer hin abstrémen und diese sich entsprechend ent- falten, während die rechte Vorkammer entlastet wird. — Zweifelios handelt es sich also bei dem Auftreten dieser Lücken im Septum atriorum um eine An- passung des Herzens an die Verhiltnisse des embryonalen Kreislaufes. Die naehbarlichen Beziehungen des Bulbus cordis zum Canalis aurieularis sollen die beiden umstehend abgebildeten Querschnitte veranschaulichen. Der eine derselben (A) ist gerade durch den freien Rand des Bulbo-auricularsporns geführt, dessen rechter Abhang von der (in der Figur längsgestrichelten) Bulbuswand, dessen linker von der (in der Figur punktirt angegebenen) Wand des Canalis auricularis gebildet wird. Diese beiden Wandzonen sind gemäß dem Verhalten früherer Stadien durch eine am Firste der Leiste befindliche schmale Zone basaler Ventrikelwand von ein- ander getrennt. Dieselbe ist jedoch als solche eigentlich nicht mehr unterscheidbar, da die einander benachbarten Abschnitte der Bulbus- und Canalis-aurieulariswand nicht durch Endokardverdickungen be- d sonders gekennzeichnet sind. Die Muskelschicht des Bulbus ist —yentral und dorsal von den Bulbuswülsten A und B, rechterseits yon einer niedrigen Endokardverdickung besetzt, welche den nur temporär auftretenden proximalen Bulbuswulst C reprüsentirt. Der - Canalis auricularis ist sowohl in seinem solid gebliebenen, wie unter- minirten Abschnitte, mit seinem Endokardkissen der Länge nach ge- 1 1. e. pag. 71. 164 Alfred Greil troffen. Der zweite Schnitt B geht dorsal bereits durch das untermi- — nirte Gebiet der Wand des Bulbus- und Canalis auricularis und er- — reicht den Bulboauricularsporn nur mehr in seinen beiden Ausläufern (xx der Abbildung). Auch bezüglich dieses Schnittes ist wiederum zu beachten, dass die Innenlamelle der Wand des Canalis auricu- laris und des Bulbus cordis ursprünglich nicht unmittelbar in ein- . ander übergingen, son- dern durch eine, jetzt freilich an der Ventral- und Dorsalseite gleichfalls unterminirte, vorher aber kompakte Zone der ba- salen Ventrikelwand von einander getrennt wur- den, welche sich im Ge- biete des Bulboaurieular- sporns befindet (xx der Abbild... Ein ganz ähn- liches Bild, wie das vor- hin beschriebene, bietet sieh in entsprechenden Querschnittsebenen an der ventralen Wand dar. Der in Betracht kommende Streifen der zwischen Ca- nalis auricularis und Bul- Querschnitte durch das basale Ventrikelgebiet eines Lacerta- Embryos von 3,6 mm Kopflänge. Vergr. 50:1. bus eordis eingeschalteten B.c. Bulbus cordis, E k . k B.L. Bulbusleiste, Ventrikelwand ist aber p.B.W.A.(B,C.) proximaler Bulbuswulst A (B, C), so schmal, dass er wei- B.aur.Sp. Bulboauricularsporn, : me 2 : x x Ausläufer des letzteren, terhin unberücksiehtigt C.aur. Canalis auricularis, bleiben kann. Man kann v.(d.)E.K. ventrales (dorsales) Endokardkissen, _ B.aur.L. Bulboauricularlamelle. i also sagen, dass der Un- terminirungsprocess in dem ganzen, von ihm betroffenen Wandbezirke des Bulbus und Canalis auricularis einheitlich erfolgt, zu gleicher Zeit einsetzt und stets gleichmäßig fortschreitet. Es bildet demgemäß die durch den- selben an der ventralen und rechten dorsalen Wand dieser Herzab- schnitte wenigstens theilweise isolirte Innenlamelle eine kontinuir- liche, in den Hohlraum der so vergrößerten Kammer vorragende Muskelplatte, welche ich als Bulboauricularlamelle zu bezeichnen ' Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 165 vorschlage (vgl. Fig. 13 B, B.aur.L.). Proximalwärts steht diese Lamelle in wichtigen Beziehungen zum Trabekelgefüge des Ventrikels, distal- wärts vereinigt sie sich mit der Corticalis des letzteren und geht mit dieser in die unmittelbar angrenzende, kompakt erhalten geblie- bene Wandzone des Bulbus cordis und Canalis auricu- laris über. Ein Blick auf Fig. 13 B lehrt ferner, dass die interlamellären Hohl- räume im Gebiete der be- nachbarten, unterminirten Wandabschnitte des Bulbus und des Aurieularkanals mit einander kommuniciren und daher an der äußeren Ober- fläche des Herzens in die- sem Gebiete die ursprüng- liche Grenze zwischen die- sen beiden Abschnitten desselben vollkommen ver- wischt wird. Vom Unterminirungs- process ist bei Embryonen mit 3,6 mm Kopflänge im gesammten Bereiche der Kammerbasis nur das Ge- biet des Bulboaurieularspor- nes, sowie die linke Wand des Canalis auricularis unberührt geblieben. Letz- tere wird jedoch auch in gleicher Ausdehnung wie die ventrale und dorsale Baia dieses Herzabschnit- ———— ———— Fig. 14. A medianer, B frontaler Langsschnitt durch die Herz- kammer eines Lacerta-Embryos von 3,8 mm Kopflànge. Vergr. 50 : 1. V. Ventrikel, r.T.S. radiares Trabekelsystem, 1.4.8. longitudinales (peripheres) Anastomosensystem, ».B.W.B.(C.) proximaler Bulbuswulst B (C), v.(d.)E. K. ventrales (dorsales) Endokardkissen, B.aur.L. Bulboauricularleiste. Die übrigen Bezeichnungen wie früher. i Pia . . * Li - tes in den Ventrikel einbezogen, und nimmt dureh die Ausbildung — yon Trabekeln das Aussehen der Ventrikelwand an. Diese Tra- - bekel treten als niedrige, unmittelbar an der Wand vorspringende 166 Alfred Greil Muskelleisten auf (vgl. Fig. 14 B), welche die Innenlamelle der ventralen und dorsalen Canalisauriculariswand mit einander ver- binden und normal auf die Achse des Kammerrohres verlaufen. Dadurch erwiesen sie ihre Zugehörigkeit zum radiären Trabekel- system der Kammer, als dessen äußerste linksseitige Elemente sie erscheinen. An dem Schnittbilde 3 der Fig. 14 tritt auch die radiäre Anordnung der bei der Betrachtung des Ventrikelinnern (vgl. Taf. VI Fig. 14) zunächst in die Augen fallenden centralen Muskelzüge dieses Systems, deren weitere Verlaufsrichtung in dieser Figur punktirt angegeben ist, deutlich zu Tage. Die an diese Muskelzüge herantretenden und von ihnen ausgehenden peripheren Trabekel sind in ihrem Verlaufe an Schnitten zu verfolgen, die normal auf die Achse des Rohres geführt sind. Hierzu eignen sich daher mediane, oder der Medianebene benachbarte Längsschnitte durch den Embryo. Einen derartigen Schnitt, bezw. eine einem etwa 50 u dicken Einzelschnitte entsprechende Kombination solcher Schnitte stellt das Schnittbild A der Fig. 14 dar. Dasselbe weist zunächst eine große Zahl von Trabekeln auf, welche unter einander vielfach anastomosirend, in bogenförmigem Verlaufe einander benachbarte oder entferntere Stellen der kontinuirlichen corticalen Schicht der Muskel- wand des Ventrikels mit einander verbinden, demgemäß kürzer oder länger sind und verschieden weit gegen das Innere der Kammer zu vorspringen. Die längsten, am weitesten vortretenden Trabekel ver- binden sich in ihren mittleren Abschnitten, um jene centralen Muskel- züge zu bilden, in welche sowohl von der Innenlamelle als auch dem interlamellären Trabekelwerke der Wand des Canalis auricularis zahlreiche Faserzüge einstrahlen. — Diese innige Verbindung der Muskelziige mit der Wand des Canalis auricularis besteht seit der Zeit, in welcher dieselben als niedrige Muskelleistchen an der noch soliden, dünnen Muskelwand dieses Herzabschnittes ausliefen (Em- bryonen mit 2 mm Kopflänge) und durch die Entwicklung querer Fortsätze (bei Embryonen mit 2,8 mm Kopflänge, vgl. Fig. 7) die proximalsten Abschnitte ihrer Innenlamelle entstehen ließen. — Ganz ähnliche Bilder bieten Schnitte durch die rechte Kammerwand, deren Muskelzüge mit der unterminirten Bulbuswand in unmittelbarem Zusammenhange stehen. Dieser Zusammenhang ist bereits bei Em- bryonen mit 2 mm Kopflänge nachweisbar, bei welchen die Muskel- leistehen der Ventrikelwand an der noch soliden Muskelwand des Bulbus endigen. In dem Maße, als die Unterminirung der Bulbus- wand fortschreitet und der Ventrikel so an Umfang zunimmt, kommen | Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 167 diese Muskelzüge gemeinsam mit der unterwühlten Bulbuswand immer weiter ins Innere der Kammer zu liegen. Am abgebildeten Sagittalschnitte ist somit ganz deutlich zu erkennen, dass der centrale Muskelzug mit dem an die Corticalis tretenden Trabekelgefiige ein einheitliches Ganzes bildet, welches gewissermaßen ein Element des radiären Trabekelsystems darstellt. Die übrigen centralen Muskelzüge verhalten sich in analoger Weise. Ihre Entstehung wurde bereits oben, pag. 136, beschrieben. — Die von den centralen Muskelzügen peripherwärts ausstrahlenden Trabekel werden durch zahlreiche kurze Muskelbalken unter einander ver- bunden, welche in bogenförmigem Verlaufe annähernd parallel der Achse der Kammer ziehen und so ein longitudinal verlaufendes peripheres Anastomosensystem bilden. Dieses System kommt am besten an Schnitten zur Ansicht, welche, wie der Fig. 14 B ab- gebildete, in frontaler Ebene durch den Ventrikel geführt sind. Das Trabekelgefüge der unterminirten Wandabschnitte des Bulbus und Canalis auricularis zeigt einen ähnlichen Aufbau wie das der Kammer (s. st.). Linkerseits verliert sich allmählich das periphere (longitudinale) Anastomosensystem, da in diesem Gebiete die Aus- läufer der centralen Muskelzüge, wie bereits erwähnt, unmittelbar an der Muskelwand vortreten (vgl. Fig. 14 B). Es erübrigt noch die oben bei Besprechung der äußeren Gestalt des Herzens gemachten Angaben über das Verhalten des Truncus arteriosus, sowie der Bulbustruncusgrenze durch die Unter- suchung einiger umstehend (Fig. 15) abgebildeter Langs- und Quer- schnitte, welche von einem Embryo mit 3,6 mm Kopflänge stammen, zu vervollständigen. Vergleicht man die durch das distale Truncus- gebiet geführten Schnitte 7—777 mit den ihnen entsprechenden Schnitten JJ—JV der Fig. 11, so ergiebt sich, dass in der dritten Entwicklungsperiode die mediane Lingstheilung des Truncus arteriosus _bezw. seines Carotiden- und Pulmonalisrohres weitere Fortschritte ge- macht hat. So erscheint nun das Pulmonalisrohr bis in die Höhe des - Schnittes 777 gespalten und in das Carotidenrohr ragt proximalwärts -eine kurze, median gestellte Scheidewand vor, das Septum inter- caroticum (vgl. Fig. 15 A und 7 S.ic.), welche sich aus dem zwischen den beiden Carotidenbogen an der cranialen Truncuswand vorspringen- den medianen Sporn entwickelt hat. Die Insertion dieses Septums ist an der ventralen Truneuswand durch eine seichte Furche gekenn- zeichnet (vgl. Taf. VI Fig. 14). Unweit vom Niveau des proximalen Randes dieses Septums (vgl. Schnitt /7) endigt das Septum carotico- E 168 Alfred Greil A frontaler, B sagittaler Längsschnitt. Vergr. 50:1. I—VIII Querschnitte durch den Truncus arteriosus und Bulbus cordis von Lacerta-Embryonen mit 3,6 mm Kopflànge. g.(r.,L.)0.R. gemeinschaftliches (rechtes, linkes) Carotidenrohr, T.(l.)Ao.R. rechtes (linkes) Aortenrohr, 9.(r.,1.)P.R. gemeinschaftliches (rechtes, linkes) Pulmonalisrohr, S.i.c. Septum intercaroticum, S.c.a0.(s.d.) Septum caroticoaorticum (sinistrum, dextrum), S.ao. Septum aorticum, S.ao.p. Septum aortico-pulmonale, J—IV distale Bulbuswilste I—IY, G. embryonale GefáB wand, JM. Myokard. (Die Ebenen der Schnitte 7 — VIII sind am Sagittalschnitte B angegeben.) aortieum dextrum, wüh- rend die demselben ent- sprechende Scheidewand der Gegenseite, das Sep- tum caroticoaorticum si- nistrum bezw. aorticum, sowie das Septum aortico- pulmonale sich eine er- hebliche Strecke weiter proximalwärts fortsetzen. Verfolgt man diese bei- den Scheidewände vom Niveau des Schnittes 777 an in dieser Richtung, so fällt die spiralige, dem Zeigerlaufe einer Uhr folgende Drehung derselben auf, welche an der äußeren Oberfläche des Truncus durch den Verlauf der den Inser- tionen dieser Septen ent- sprechenden Längsfur- chen zum Ausdruck kommt. In der Höhe des Schnittes JV, wel- cher dem proximalen Drittel des Truncus an- gehört, sind die beiden genannten Scheidewände bereits um 45? aus ihrer ursprüngliehen Stellung am distalen Ende des Truncusstammes abge- wichen, so dass sich das Septum aortico-pulmonale einerseits an der linken - undventralen,andererseits an der reehten und dor- salen Wand inserirt und Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 169 die marginale Insertion des Septum aorticum an der rechten ven- tralen Truncuswand erfolgt. Diese spiralige Drehung der beiden Septen setzt sich in gleichem Sinne bis an ihr proximales Ende fort, dessen Verhalten die Sagittal- schnitte A und B, sowie die Querschnitte V—VII veranschaulichen sollen. Das Septum aorticopulmonale reicht bis in das Niveau des Schnittes VIZ, welcher durch das Gebiet der Bulbustruncusgrenze gelegt ist. Hier endigt es mit einem endokardialen freien Rande, welcher die beiden distalen Bulbuswülste Z und 7/7 mit einander ver- bindet. Dieser endokardiale Endabschnitt des im Übrigen in seinem feineren Baue mit der Truneuswand übereinstimmenden Septums ist verhältnismäßig kurz (Schnitt A) und nahezu sagittal eingestellt. Proximalwärts setzt sich derselbe einerseits, an der dorsalen Wand, in den von den vereinigten Bulbuswülsten Z und A gebildeten First der Bulbusleiste fort (vgl. Taf. VI Fig. 14, p. B. W.A.; B.L.; S.ao.p.), andererseits, ventral, läuft er an dem einen, dem Bulbuswulste ZI zugekehrten Abhange des Bulbuswulstes ZZZ aus (vgl. Schnitt VIII x). Das proximale Ende des Septum aorticopulmonale ist somit im Ver- laufe der dritten Entwicklungsperiode vollkommen endokardial ge- worden, während es noch bei Embryonen mit 2,8 mm Kopflänge nur erst im Bereiche der Ausläufer seines freien Randes aus endo- kardialem Gewebe bestand (vgl. Fig. 11 V und VI). Ein ähnliches Verhalten wie das Septum aorticopulmonale von Embryonen mit 2,8 mm Kopflänge weist nun das Septum aorticum von Embryonen mit 3,6 mm Kopflänge auf, welches nicht so weit vorragt wie das Septum aortieopulmonale und noch jenseits der Bulbustruncusgrenze endigt (vgl. Fig. 15 B und V $S.ao.). Der Schnitt B trifft die Mitte des freien Randes dieses Septums, in dessen Bereiche es ausschließ- lich aus dem Gewebe der Gefäßwand des Truncus besteht. Es besitzt eine konkave Begrenzung und taucht mit zwei Ausläufern in das Endokardgewebe des Bulbuswulstes ZV und des vom Bulbuswulste 7 gebildeten Abschnittes des Septum aorticopulmonale ein. Von diesen Wülsten aus sind dem freien Rande des Septums Vorsprünge ent- -gegengewachsen, welche als dessen proximale Ausläufer efscheinen "vgl Fig. 15 V xx). Im Laufe der weiteren Entwicklung vereinigen sich dann diese beiden endokardialen Vorsprünge am freien Rande des noch weiter proximalwürts vorwachsenden Septum aorticum des Truncus. So wiederholt sich nun auch am Rande dieses Septums ein Vorgang, welcher sich am Beginne der vierten Entwicklungs- periode am FREE Rande des Septum aorticopulmonale abgespielt hat. 170 Alfred Greil Beide Septen endigen dann mit aus endokardialem Gewebe bestehen- den Rändern, das Septum aorticum etwas distal vom freien Rande des Septum aorticopulmonale. Der letzte Schnitt VIII der in Fig. 15 abgebildeten Querschnitts- serie ist durch das distale Gebiet des Bulbus cordis geführt und soll — iiber die gegenseitigen Lagebeziehungen der Bulbuswiilste orientiren. Letztere sind in der Weise angeordnet, dass die Bulbus- wiilste Z und 777 an der dorsalen bezw. ventralen, die Wülste 77 und IV an der linken bezw. rechten Bulbuswand vorspringen. ı Vergegen- wärtigt man sich, dass die beiden letztbezeichneten Wülste ursprüng- lich im distalsten Bereiche des Bulbus an der dorsalen bezw. ventralen, hierauf die Wülste Z und 7/77 an den beiden seitlichen Wänden an- gelegt wurden, so erscheinen bei Embryonen mit 3,6 mm Kopflänge | sämmtliche distale Bulbuswülste aus ihrer anfänglichen Stellung um 90° im Sinne des Zeigerlaufes einer Uhr abgewichen. An den Längs- schnitten bemerkt man ferner, dass sich die distalen Enden der Bulbuswülste vom ursprünglichen. Niveau der Bulbustruneusgrenze, welche etwa der Höhe des Schnittes 777 entsprechen dürfte, eine | erhebliche Strecke weit proximalwärts entfernt haben, so dass sie nunmehr in einer Höhe gefunden werden, welche etwa der Grenze . zwischen dem mittleren und dem distalen Drittel der Länge des © Bulbus cordis von Embryonen mit 2 mm Kopflänge entspricht. An - diesen Schnitten erkennt man ferner, dass die distalen Bulbuswülste, ` welche in der zweiten Periode auf das distale Drittel des Bulbus ` beschränkt waren, nun viel weiter proximalwärts herabreichen und dass sie distal bereits von der noch nicht differenzirten Wand des — Truncus umscheidet werden. Die Processe, welche dazu führen, dass sich die im Obigen | geschilderten Verhältnisse des Truncus arteriosus herstellen, begannen ~ sich schon während der dritten Entwicklungsperiode bemerkbar zu ` machen, und wurde bei Besprechung der dieser Periode angehörigen ~ Herzen bereits auf sie aufmerksam gemacht (vgl. pag. 148). Es wurde © dortselbst bereits mitgetheilt, dass sich der Truncus arteriosus auf i Kosten des Bulbus cordis verlängert und wie dabei das Truncus- | gewebe sich allmählich immer weiter proximalwärts vorschiebt, - MAR während die Bulbusmuskulatur immer mehr zurückweicht. Es wurde : ferner aus einander gesetzt, dass parallel mit diesen Veränderungen : ein Vorwaehsen der distalen Bulbuswülste in proximaler Richtung und zwar in der Weise erfolgt, dass sich diese Wülste entlang : spiraliger Linien verlängern. Sie erscheinen daher in Spiraltouren Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 171 = angeordnet, deren Drehungssinn dem Laufe des Zeigers einer Uhr entspricht. — Gleichzeitig mit dem Vorwachsen der Truncuswand und der dadurch bedingten Verlängerung des Truncus wachsen auch das Septum aorticopulmonale und das Septum aorticum proximalwärts vor und finden im Bereiche des Bulbus zunächst ihre Fortsetzung in endokardialen Leisten, welche ihnen von den distalen Bulbuswülsten Z und III bezw. IV entgegenwachsen und als ihre Ausläufer erscheinen. Wenn dann die Septen noch weiter proximalwärts vordringen, wachsen diese endokardialen Ausläufer längs der freien Ränder der Septen einander entgegen und vereinigen sich daselbst. So entstehen die allerdings immer nur ganz kurzen, aus endokardialem Gewebe ge- bildeten proximalen Abschnitte dieser beiden Septen. Kurz bleiben diese Endabschnitte auch während des weiteren Vordringens der Septen, weil die Verwachsung der ihre Fortsetzung bildenden Bulbus- wülste in dem Maße weiter fortschreitet als das Gewebe der Truncus- wand in der endokardialen Randzone der Septen proximalwärts vor- dringt. — Die Scheidung des Bulbusrohres wird also aller- dings mit der Verwachsung der Bulbuswülste eingeleitet. Das Wesentliche und Primäre an diesem Vorgange scheint jedoch das Vorwachsen der Gefäßwandsepten zu sein; denn diese Gebilde bilden zuerst gewissermaßen die Brücke, längs welcher die endokardialen Ausläufer der Septen zur gegenseitigen Vereinigung gelangen und dringen sodann unter der so entstehenden Kappe proximalwärts vor. | Während sich der Truncus arteriosus in proximaler Richtung verlängert, kommt es zu einer Rückbildung der an seiner Wand haftenden distalen Enden der Bulbuswiilste. Untersucht man näm- lich diese Wülste an Längsschnitten (vgl. Fig. 15 A, B), so erscheinen sie distalwärts scharf abgesetzt, während sie sich in früheren Ent- _ wicklungsstadien ganz allmählich in dieser Richtung verflachten (vgl. b] Fig. 5, 3. Diese den Process der Klappenentwicklung ein- leitende Formveränderung der Bulbuswülste wird offenbar - dureh die Druckwirkung der an das noch plastische Endokardgewebe 2o rückläufigen Blutwelle bewirkt und hat eine ziemlich beträchtliche Verkürzung der Bulbuswülste zur Folge. So kommt . es, dass die Längsausdehnung der Bulbuswülste bei den einzelnen f Embryonen stets geringer ist als die Längenausdehnung der von ~ ihnen während der Gesammtzeit der Entwicklung durchwachsenen “Strecke des Bulbus. Es ist daher auch nur durch den Vergleich einer Reihe von Entwicklungsstufen des Herzens möglich, den Nach- Morpholog. Jahrbuch. 31. 12 172 Alfred Greil weis zu fiihren, dass die Bulbuswiilste in der That in spiraligem Verlaufe vorwachsen und die Strecke zu bemessen, die sie bei ihrem Vorwachsen zurücklegen. — Da, wie wir gezeigt haben, das Septum aortico-pulmonale und das Septum aorticum lings bestimmter Bulbus- wiilste vorwachsen und also den Bahnen dieser Wiilste folgen, miissen diese Septen entsprechend der spiraligen Anordnung der Bulbuswiilste einen spiraligen Verlauf annehmen. Etwas abweichend von den im Vorstehenden gemachten Angaben stellt Lan- GER bei der Besprechung seines »Stadiums III und IV« die Entwicklungsvorgänge im Bereiche der Bulbustruncusgrenze dar, Hierbei berücksichtigt LANGER zu wenig, dass die Bildung der endokardialen Scheidewände stets im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vorwachsen der aus Truncusgewebe bestehenden Ab- ` schnitte der Septen erfolgt und sich vorläufig noch auf ein Gebiet beschränkt, welches zwar ursprünglich dem Bulbus cordis angehörte, dann aber durch das Vordringen der Truncuswand und das Zurückweichen der Muskelschicht die Zugehörigkeit zum Herzen einbüßte. LANGER hält die Bildung der endokar- dialen Abschnitte der Septen im Bereiche des Bulbus für das Primäre und findet, dass sich die Scheidung des Bulbus >in ganz anderer Weise vollzieht, wie jene der Arterienbogenwurzel<. Gewiss leitet in diesem Gebiete die theil- weise Vereinigung der Bulbuswülste zunächst die Scheidung des Bulbusrohres ein, doch spielt beim Zustandekommen dieser Vereinigung das Vordringen der Truncussepten eine nicht zu unterschätzende Rolle. LANGER gegen- übermussich besonders hervorheben, dass diese beiden Processe stets gleichzeitig erfolgen und mit einander HandinHand gehen. LANGER erwähnt erst an späterer Stelle, bei Besprechung des Stadiums IV, »dass die Bulbuswülste, nachdem sie die beschriebenen Verbindungen mit ein- ander eingegangen sind, zu Grunde zu gehen beginnen und durch faserige Septa von derselben Beschaffenheit, wie sie die Wand des Bulbus aufweist, ersetzt wer- den2.< Dieser — wie wir noch sehen werden nur theilweise — Ersatz durch »faserige Septen« erfolgt rasch nach Vereinigung der Bulbuswülste, so dass die endokardialen Endabschnitte des Septum aortico-pulmonale und des Septum aor- ticum — insbesondere des letzteren — stets sehr kurz sind. An der Bildung dieser Endabschnitte des Septum aortico-pulmonale und des Septum aorticum lässt LANGER ausschließlich den Bulbuswulst Z betheiligt sein, während wir gesehen haben, dass daran auch Abschnitte der Bulbuswülste 777 und IV theil- nehmen-. Nach LANGER soll sich der Bulbuswulst Z an die ihm gegenüber- liegenden, den Bulbuswülsten JZ und ZII zugekehrten Abhänge der Bulbus- wülste 777 und IV anlegen und mit ihnen verschmelzen. Eine derartige An- lagerung konnte ich nun an keiner der von mir untersuchten Serien bemerken. Damit soll jedoch nicht in Abrede gestellt werden, dass ein solches Verhalten bestehen könne; gewiss werden die Bulbuswülste in gewissen Phasen der Herz- aktion während der Systole der sie umscheidenden Muskelwand auf einander gepresst sein und sich dann mit einander in innigem Kontakt befinden. Aber eine morphologische Bedeutung kann diesem physiologischen Verhalten nicht beigemessen werden, da die Aneinanderlagerung der Bulbuswülste eben nicht konstant nachweisbar ist. 1 1. c. pag. 58. ? ]. e. pag. 51. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 173 Über die Art und Weise, wie sich der Truncus arteriosus proximalwärts verlängert, sowie über die histologischen Beziehungen der Bulbus- zur Truncus- wand überhaupt vermissen wir in der LANGER’schen Darstellung nähere Angaben, V. Periode. Embryonen von 3,6 bis 5mm Kopflänge. Am Schlusse dieser Periode, bei Thieren, die schon dem Aus- schlüpfen nahe sind, weist das Herz schon in mancher Beziehung Ver- hältnisse auf, die dem definitiven Zustande entsprechen. Schon seine _ äußere Gestalt (vgl. Taf. VI Fig. 16) gleicht der Form, welche das - ausgebildete Organ darbietet. Sowohl die Vorhöfe wie der Ventrikel haben sich — wohl in Anpassung an das geringe Breitenmaß des Kör- _ pers — während dieser Periode vorwiegend in der Längsrichtung aus- gedehnt, wobei die Kammer ihre charakteristische, langgestreckte — Kegelform annahm. Zwischen der Kammer und den Vorhöfen greift eine ringförmige, transversal eingestellte Furche ein, der Sulcus atrio- ventrieularis, dessen Grund vom Canalis auricularis gebildet wird. Ein als Bulbus cordis anzusprechender Herzabschnitt ist bei der "Untersuchung der äußeren Gestalt des Herzens nieht nachweisbar. An seiner Stelle findet sich vielmehr. nur eine konusartige Aus- ladung des Ventrikels, die sich nach links hin von der übrigen Wand dieses Herzabschnittes durch eine gegen dessen Basis zu an- steigende Furche abgrenzen lässt, welche im Bereiche der letzteren zwischen den arteriellen und venösen Ostien nach rechts und dorsal- wärts weiterlàuft. Diese Furche entspricht dem Sulcus bulboauri- eularis früherer Stadien und soll auch jetzt noch so bezeichnet wer- den (vgl. Taf. VI Fig. 16 S.b.aur.). Aus dieser konusartigen Ausladung des Ventrikels, welche aus- schlieBlich der rechten Körperhälfte angehört, entspringt in einer nach rechts und dorsalwärts etwas ansteigenden Ebene der Truncus arteriosus, welcher in dieser Periode erheblich in die Länge ge- . wachsen ist. Er verläuft von seinem Ursprunge aus schief cranial- und medianwärts und gabelt sich noch innerhalb der Perikardial- | in zwei kurze Aste. In seinem unpaaren Abschnitte besteht Truncus arteriosus aus drei innig mit einander verbundenen GefüBrohren, — dem Pulmonalis- und den beiden Aortenrohren — welche spiralig um einander gewunden sind. Der Umfang dieser -spiraliren Windung beträgt etwa ein Drittel einer vollen Spiraltour. Es erscheint somit die bereits in der vierten Entwicklungsperiode naehweisbare spiralige Septirung des Truncus gleichzeitig mit dessen 12* 174 Alfred Greil Längenwachsthum noch weiter proximalwärts fortgeschritten, so dass das Pulmonalrohr nicht mehr, wie bei Embryonen mit 2,8 mm Kopf- länge dorsal, sondern links und ventral von den Aortenrohren aus dem Herzen hervorgeht. Eben so liegen auch die Ursprünge der beiden letzteren Gefäße nicht mehr in einer frontalen Ebene wie in der zweiten Entwicklungsperiode, sondern hinter einander, und zwar derart, dass sich der Ursprung der rechten Aorta, wie am ausge- bildeten Herzen (vgl. Taf. VII, 1', 4, 3), etwas links und dorsal von jenem des linken Aortenrohres befindet. Am distalen Ende des Truneusstammes hat sich an den schon in den vorhergehenden Ent- wicklungsperioden festgestellten Lagebeziehungen der drei Gefäßrohre nichts mehr geändert. Hier spaltet sich das dorsal von den beiden Aorten gelegene Pulmonalisrohr in seine beiden Äste, welche sodann in die in den beiden Truneusästen befindlichen Anfangsstücke der Pulmonalisbogen übergehen. Von den beiden Aortenrohren verläuft das linke im linken Truncusaste weiter, während sich das rechte vorerst noch im Bereiche des Truncusstammes in zwei Gefäßrohre theilt (vgl. Taf. VI Fig. 17). Das eine, lateral gelegene ist die rechte Aorta bezw. das Anfangsstück des rechten Aortenbogens, während das andere, in der Körpermitte befindliche als das Carotidenrohr des Truncus zu bezeichnen ist. Letzteres gabelt sich am Ende des Truncusstammes in die Carotidenrohre der Truncusäste, welche die Anfangsstücke der Arteriae carotides communes darstellen. In den beiden kurzen Truncusästen verlaufen somit, dicht an einander ge- drängt, die Anfangsstücke der Carotiden-, Aorten- und Pulmonalis- bögen, über deren gegenseitiges Lageverhältnis die Fig. 17 auf Taf. VI Aufschluss giebt. Unmittelbar, nachdem die beiden Truneusáste die Perikardialhöhle verlassen haben, trennen sich die in ihnen verlau- fenden Arterienrohre von einander und werden vollends selbständig. Der gesammte Truncus arteriosus — der Stamm sowohl wie seine an der cranialen Wand der Perikardialhöhle vorspringenden beiden Aste — sind in einer Y-férmig verlaufenden Furche der ventralen und cranialen Vorhofswand eingebettet. Zwischen den Truncusästen spannt sich dabei eine frontal gestellte Duplikatur des Peri- cardiums aus, hinter welcher eine fingerförmige Ausstülpung des rechten Vorhofssackes emporragt (vgl. Taf. VI Fig. 17 © sowie Fig. 20 des Textes x). Diese Ausstülpung ist aus der mittleren Vorhofskuppel 1 Die groß und fett gedruckten Ziffern beziehen sich auf die Nummern der Schnittbilder, die kleiner gedruckten Ziffern auf die Details derselben. PEPE ee An Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 175 des Herzens aus der vierten Entwicklungsperiode entstanden. Sie liegt rechterseits von einem dem Limbus Vieussenii entsprechenden Vorsprunge der cranialen Vorhofswand. Auch das Herzspitzenband (vgl. Taf. VI Fig. 17 L.ap.) ist bei Embryonen mit 5 mm Kopflänge bereits gebildet. Es ist durch die Verschmelzung jener Vorsprünge entstanden, die wir bei Besprechung der Herzen der vierten Entwicklungsperiode an der Herzspitze und an dem ihr gegenüberliegenden Ursprunge des Mesohepaticum an- teriüs kennen gelernt haben. Dieses Band verbindet am ausgebil- deten Thiere die Herzspitze mit dem caudalen Ende des tütenförmig ausgezogenen Herzbeutels, welches mit dem periostalen Uberzuge ‘der Innenfliiche des caudalen Endes der Sternalplatte verwachsen ist. Es erscheint dadurch die Herzspitze unmittelbar an die ventrale Rumpfwand fixirt. Das Ligamentum apicis cordis ist in so fern auch fiir den Physio- logen von Interesse, als seine Entwicklung und sein Bestehen geradezu be- weisen, dass die Herzspitze während der einzelnen Phasen der Herzbewegung ‚ihre Stellung zur Brustwand nicht wesentlich veränderte. Diese Thatsache lässt . sich auch am lebenden Thiere leicht feststellen. Entfernt man nämlich die Brustwand ohne den Herzbeutel zu verletzen, so bemerkt man, wie gleichzeitig mit der Systole und Diastole der Kammer die Ebene des Sulcus atrioventricu- laris in caudaler und cranialer (bezw. proximaler und distaler) Richtung ver- schoben wird, während die Herzspitze keinerlei Lageveränderung erfährt. Die Veränderungen, welche sich während der fünften Entwick- lungsperiode an der Innenwand des Herzens abspielen, werden zum großen Theile durch das Fortschreiten jener Processe bedingt, welche wir bereits bei der Besprechung der vorhergehenden Ent- - wieklungsperiode kennen gelernt haben. Es setzen aber auch neue - Proeesse ein, die schließlich im Vereine mit den schon von früher her thätigen zur definitiven Ausgestaltung des Herzens führen. So wird also im Folgenden auch der Aufbau der uns interessirenden . Herzabsehnitte der ausgebildeten Form eingehend zu beschreiben sein. | Im. Gebiete des Canalis auricularis ist zunächst zu konsta- tiren, dass die mittleren Abschnitte des ventralen und dorsalen Endo- - kardkissens längs des freien, mit einer Endokardverdickung besetzten Randes des Septum atriorum, welches bereits bei Embryonen mit 3,4 mm Kopflänge (vgl. Fig. 12) bis zum Ohrkanale vorgedrungen ‚ist, einander entgegenwachsen, um sich bei Embryonen mit 4 mm Kopflünge mit einander zu vereinigen. Diese Verwachsung schreitet dann von der Mitte der beiden Endokardkissen aus (vgl. Fig. 16 77) lateralwärts fort (vgl. ibidem 7), ohne jedoch ihre seitlichen Enden 176 Alfred Greil zu erreichen. So kommt es zur Bildung einer massiven, beiderseits konkav begrenzten Endokardplatte, welche das urspriinglich ein- heitliche Ostium atrioventriculare sagittal durchsetzt und in eine V. esufi 2j Dans. P7 Sa Penser aug (— Zmarhl VISAVAS g, l Aurl. Làngsschnitte durch das Gebiet des Canalis auricularis von Lacerta-Embryonen mit 5 mm (J, 1I) bezw. 7 mm (III—Y) Kopflänge und einer ausgewachsenen Lacerta viridis (VI). Vergr. 45:1. Die Schnitte I—IF sind in sagittaler Ebene, und zwar I und JII nahe dem rechten seitlichen Rande der vereinigten Endokardkissen, JJ und IV durch die Verbindung derselben mit dem Septum atriorum, die Schnitte V und VJ in frontaler Ebene geführt. In der Abbildung V ist nur die linke, in der Abb. VI auch die rechte Wand des Auricularkanals gezeichnet. Die punktirte Linie (VI) giebt die ursprünglichen Dimensionen der Endokardkissen an. A.a.v. Annulus atrioventricularis, At. Atrium (Wand), Aur.L. Auricularlamelle, A.v.Kl.s.(m.) Atrioven- tricularklappen, septale (marginale), B.aur.Sp. Bulboauricularsporn, B.R. Bulbusring, C.aur. Canalis auricularis, m3 marginale Klappe der rechten Aorta, Ost.a.v.d. Ostium atrioventriculare dextrum, r.T.Z. radiarer Trabekelzug, v.(l.)E.K. Endokardkissen, vereinigte (laterales), S.at.(p.m.[e.j) Septum atriorum (Pars musculare [endocardialis]), S.a.v. Sulcus atrioventricularis, V. Ventrikel. grüBere rechte und etwas kleinere linke Atrioventricularöffnung scheidet. Diese aus plastischem Material bestehende Platte wird nun alsbald durch das während der Kammersystole an sie andrängende "t NM V yr pw Lm u pe, Beitriige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 177 Blut an ihrer dem Ventrikel zugekehrten Unterfläche ausgehöhlt. Gleichzeitig übt aber auch der während der Vorkammersystole die Ostien passirende Blutstrom einen Druck auf die Vorkammerfläche der Platte aus. Diese wird daher sehr rasch dünner und erscheint nun namentlich während der Kammersystole wie ein gegen die Vor- kammern hin geschwelltes viereckiges Segel (vgl. Fig. 15 Z und ZH, II und IV, VI). In letzterem Schnittbilde ist die ursprüngliche Dickendimension der Platte durch eine punktirte Linie angegeben. Dieses Segel besitzt zwei gegen die Atrioventrieularüffnungen, also lateralwärts gerichtete, konkav begrenzte freie Ränder, während es dorsal und ventral an der Muskelwand des Canalis aurieularis fest- gewachsen ist (vgl. Taf. VI Fig. 17). Die Insertion des Segels er- folgt hier entlang bogenförmiger Linien, die ihre Konkavität der Herzspitze zuwenden. — Die Verbindung des Segels mit dem Sep- tum atriorum erfolgt annähernd in der (sagittalen) Mitte desselben und ist als eine »septale« Insertion aufzufassen. Durch diese Ver- bindung erscheint das Segel in zwei seitliche Hälften getheilt, die als septale Atrioventricularklappen der beiden venösen Ostien fungiren (vgl. Taf. VIL 5—7, 15, 18, 35, 36). — Die Endokardschicht, welche noch bei Embryonen mit 3,6 mm Kopflänge den freien Rand des Vorhofseptums bildet, wird in die durch die Vereinigung der Endokardkissen entstehende Endokardplatte einbezogen. Bei der Verdünnung der letzteren (vgl. Fig. 16 VI) kommt dann ein endo- kardialer proximaler Abschnitt des Septum atriorum zur Ausbildung, welcher namentlich ventral und dorsal eine erhebliche Ausdehnung besitz. An dieser Pars endocardialis Septi atriorum (vgl. Fig. 16 VT.P.e.s.a.) erfolgen somit die »septalen« Insertionen der bei- den: medialen (septalen) Atrioventrieularklappen (r.l.s.a.v.Xl.). Untersucht man diese Klappen am ausgebildeten Herzen, so kann man schon bei makroskopischer Betrachtung eine ventrale und dorsale sehnige Randzone von einer breiten, den ganzen frontalen Durchmesser des Segels einnehmenden mittleren Zone unterscheiden, welch letztere auffallend rigid erscheint. Über den histologischen . Aufbau des Segels werden noch genauere Angaben folgen. — Während sich diese Vorgänge am Endokard des Canalis auri- - eularis abspielen, greift an der Muskelwand dieses Herzabschnittes der bereits aus der Schilderung jüngerer Entwicklungsstadien be- kannte Unterminirungsprocess so weit distalwärts vor, dass schließ- lich die beiden proximalen Dritttheile des Ohrkanals in den Ventrikel einbezogen erscheinen. Die Muskelwand des distalen Drittels (approxi- 178 Alfred Greil mativ angegeben) bleibt solid und bildet eine schmale, ringförmig die beiden venösen Ostien umfassende Zone des Myokards, welche nur um Weniges dicker ist als die Muskelwand der Vorhöfe. Diese Zone repräsentirt den letzten, selbständig erhalten gebliebenen Rest der Wand des Canalis auricularis und wird dadurch besonders gekenn- zeichnet, dass sich an ihr entsprechend der lateralen Begrenzung der beiden Ostia atrioventricularia kleine Endokardverdickungen, die lateralen Endokardkissen entwickeln (vgl. Fig. 16 V, sowie Taf. VI Fig. 16 E.K.) In der Folgezeit werden dann bei Lacerta viridis diese lateralen Kissen von der Ventrikelseite her eben so ausgehöhlt, wie die mit einander verschmolzenen großen Endokardkissen und bilden dann die kleinen lateralen (marginalen) Atrioventricu- larklappen (vgl. Fig. 16 V7.r.(l.\m. A.v.kl.). Bei Lacerta agilis hin- gegen wird nur das rechte Endokardkissen ausgehöhlt. Auch am Herzen der ausgebildeten Form geht somit die Vor- hofswand nicht unmittelbar in die Ventrikelwand über, sondern wird von dieser durch eine schmale Zone der Herzwand getrennt, die wir in Rücksicht auf ihre Genese als Auricular- oder Atrioventri- cularring bezeichnen wollen (vgl. Fig. 16 7, II, V, VI.A.a.v.). Diese Zone ist als ein besonderer Herzabschnitt aufzufassen. An der äußeren Oberfläche des Herzens ist der Aurieularring nicht sichtbar, da er durch die sich mächtig vorwölbende Ventrikelwand verdeckt wird. Beide Wände bilden zusammen eine tiefe, z. Th. von Bindegewebe ausgefüllte Spalte, an deren Eingange, im Grunde des Sulcus atrio- ventricularis, sich das Epikard von der Vorhofswand direkt auf die Ventrikelwand überschlägt (vgl. Fig. 16 J—VJI.S.a.v.). Die Kontraktion des Auricularringes sichert den systolischen Verschluss der beiden venösen Ostien in so fern, als hierdurch eine innige An- lagerung der in die Ebene des Ringes emporgeschlagenen septalen Klappen an die gleichfalls gespannten lateralen Klappen bewirkt wird. Hand in Hand mit der Unterminirung der Muskelwand des Canalis aurieularis greift auch im Gebiete des Bulbus cordis der Unter- minirungsprocess immer weiter distalwärts vor, so dass die Bulbo- auricularlamelle (vgl. das pag. 165 Gesagte) eine erhebliche Ver- breiterung erfährt. Am breitesten wird dieselbe an der ventralen und dorsalen Wand des Canalis auricularis, woselbst an ihr die proximalen Abschnitte der septalen Atrioventricularklappen haften. Die linke Wand des Auricularkanals wird dagegen nur in geringer Ausdehnung unterminirt. Auf welche Weise der größte Theil dieser linken Wand seine Selbstindigkeit verliert und in den Bereich der Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 179 Kammer einbezogen wird, wurde bereits auf pag. 165 geschildert. — Über die Beziehungen der dabei entstehenden Muskelzüge zur Bulbo- auricularlamelle folgen noch später nähere Angaben. Der durch die Unterminirung der linken Wand des Canalis auri- eularis entstandene Abschnitt der Bulboauricularlamelle erscheint als schmaler Saum einer Falte (vgl. Fig. 16 V, Aur.L.), welche vom Auri- cularringe (a.a.v.) einerseits und der sich beträchtlich vorwölbenden Corticalis der Kammer andererseits gebildet wird. Wahrscheinlich wirkt dieser Saum bei Lacerta agilis wie eine laterale Atrioventri- eularklappe und lagert sich beim Verschlusse des linken venösen Ostiums an die geschwellte septale Klappe an. Wie weit der Unterminirungsprocess während der fünften Entwicklungsperiode an der Wand des Bulbus cordis vordringt, ergiebt sich aus dem Vergleiche der Abb. 14 und 17 der Taf. VI. An der Ventralseite greift derselbe bis an die Wurzel der Knickungs- falte vor, wodurch die Knickungsfurche vollständig zum Verstreichen gebracht wird. Aus der Knickungsfalte wird so eine gegen das Herzinnere zu vorspringende Muskelplatte, welche der Bulboauricular- lamelle angehört und sich nach links hin in die unterminirte ventrale Wand des Canalis ‘auricularis, nach rechts in die unterminirte rechte Bulbuswand fortsetzt. An der Grenze des unterminirten Gebietes geht die Muskelplatte in den kompakt gebliebenen Abschnitt der linken und ventralen Bulbuswand über (vgl. auch Fig. 17 III, B.La.), Dem Firste der Knickungsfalte (vgl. Taf. VI Fig. 7 A. Fa.) entspricht eine Kante dieser Platte, welche in den Abb. 17 und 18 der Taf. VI mit den Buchstaben M.L. bezeichnet und in dem auf Fig. 17 III abgebildeten Querschnitte in schiefer Richtung getroffen ist. Die Kante setzt sieh nach links hin in die an der linken Bulbuswand vortretende Bulbusleiste fort (vgl. Taf. VI Fig. 17, sowie Fig. 17 IT, B.La.). Sie ist von einer Endokardverdickung besetzt, dem proxi- . malen Bulbuswulste A, welcher längs dem Firste der Bulbusleiste zum Septum aorticopulmonale (vgl. Taf. VI Fig. 17 und Fig. 17 J, : S.ao.p.) emporzieht. — Schließlich greift der Unterminirungsprocess auch noch auf jenes schmale Gebiet der Bulbuswand über, welches zwischen der Knickungs- bezw. der mit dieser im Zusammenhange stehenden Bulbusleiste und dem ventralen Ausläufer des Bulboauricularspornes gelegen ist. Die Beziehungen des Bulboauricularspornes zur Bulbusleiste treten zwar an der Abb. 17 der Taf. VI ziemlich deutlich hervor; volle Klarheit über diese Verhältnisse erhält man jedoch erst bei 180 Alfred Greil Aur.R, PA O.aV.S. //. B.aur. ^E í y A) m, ^ 1 M i "Ba aur Sp. Ü a.«s. BRE (8. A.) duo BR. Baur LA) B.aurF — TL. KR B.aur Ad.K.- ( OB. pBWwA s.awKL Baur. La.laA,) Querschnitte durch die Kammerbasis eines Lacerta-Embryos von 5 mm Kopflange. Vergr. 44:1. Aur.R. Auricularring, B.aur.A.d.K. Bulboauricularabschnitt der Kammer, B.aur.F. Bulboauricularfurche, B.aur.L.v.(d.)A. Bulboauricularlamelle, ventraler (dorsal.) Abschnitt, B.aur Sp. Bulboauricularsporn, B.La. Bulbuslamelle, B.R. Bulbusring, B.L. Bulbusleiste, mi(s1) marginale (septale) Klappe des Ostiums der Pulmonalis, 0.a.v.d.(s. Ostium atrioventriculare dextrum ande p.B.W.A.(B.C.) proximaler Bulbuswulst A (B, €. P.0. Pulmonalisostium, s.a.v.Kl. septale Atrioventricularklappe, S.a0.p. Septum aorticopulmonale, T.W. Truncuswand, v.(r, L)E. K. vereinigte (rechtes, linkes) Endokardkissen, v.K.R. ventraler Kammerraum, x Durehbruchstelle der Bulbuslamelle. Die Muskelwand des Bulbus ist gestrichelt, jene des Canalis auricularis punktirt. Die Anordnung des Trabekelgefügesist schematisch wiedergegeben. emporzieht. — der Untersuchung von Querschnitten, wie solche in der Textfig. 17 abgebildet sind. Der Schnitt 77 der letzteren ist so geführt, dass er sowohl den Ausläufer des Bulboauricular- spornes als auch die Bulbusleiste trifft. Die zwischen diesen bei- den Leisten befindliche | Wandpartie gehört na- - tiirlich noch dem Bul- bus cordis an und trägt - einerinnenförmige Ver- _ tiefung, welche distal- wärts gegen das Osti- - um der rechten Aorta | Aus diesem - Schnittbilde erkennt man nun deut- lieh, wie auch diese schmale Wandpartie gleichzeitig mit der Wand des Canalis auri- cularis vom Ventrikel her unterminirt wurde, während in jüngeren | Entwieklungsstadien — (vgl. Fig. 13 D) die | Muskelwand in diesem | Gebiete noch kompakt war. Die Bulbusleiste selbst aber erscheint auch bei Embryonen mit 5 mm Kopflänge . im Niveau dieses Schnittes vom Unter- minirungsprocess nicht * 4 Beitriige zür vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 181 mehr betroffen. — Der Schnitt 7/7 ist etwas weiter herzspitzenwärts geführt und trifft, wie bereits bemerkt, das Gebiet der Knickungsfalte. Die Ausläufer des Bulboauricularspornes, der in jüngeren Stadien noch in ein diesem Schnitte entsprechendes Niveau herabreieht, sind bereits verstrichen, und es geht daher die unterminirte Bulbuswand ohne Grenze in die unterminirte Wand des Canalis auricularis über. — Der Grund der Bulboauricularfurche aber befindet sich in einiger Entfer- nung von der Bulboauricularlamelle. Der die Wand des Bulbus und des Canalis auricularis in gleicher Weise spaltende Unterminirungspro- cess hat eben auch im Gebiete der Bulboauricularfurche seine Wirk- samkeit entfaltet, was auch noch an dem Schnitte ZZ zu erkennen ist. Er greift aber dann nicht mehr weiter distalwärts vor. Dies zeigt der Schnitt Z, welcher durch das Gebiet des Bulboauricularspornes gelegt ist, und einerseits den geschlossenen kompakten Aurieularring, anderer- seits die Bulbuswand erkennen lässt, die in diesem Niveau nur an der dorsalen und rechten Seite unterminirt erscheint. Dieser Schnitt geht bereits durch das Septum aorticopulmonale, in welches die Bulbusleiste übergeht. — Alle drei Schnitte! zeigen aber, wie ein nicht unbetrüchtlieher Abschnitt der ventralen Bulbuswand von dem Unterminirungsprocesse unberührt bleibt und seine ursprüngliche kompakte Beschaffenheit beibehált. Auf dieses Verhalten wird indess später noeh zurückzukommen sein. Die Grenzlinie, bis zu welcher sich der Unterminirungsprocess in der Wand des Bulbus distalwärts erstreckt, ist in Fig. 14 der Taf. VI gestrichelt eingezeichnet worden. Gleichzeitig mit dem Fortschreiten der Unterminirung der Wand des Bulbus und des Canalis aurieularis weicht auch der Bulbo- auricularsporn immer weiter distalwürts zurück, so zwar, dass — der höchste Punkt seines konkaven Randes sich stets annähernd im Niveau der. Unterminirungsgrenze der Wand des Canalis auricularis befindet (vgl. Taf. VI Fig. 17, sowie Fig. 20 des Textes, B.aur.Sp.), ferner ist zu bemerken, dass dieser, ursprünglich sagittal eingestellte Sporn allmählich etwas aus Biker: Stellung abweicht und am aus- E: . gebildeten Herzen schief von links und ventral nach rechts und - dorsal verläuft (vgl. Taf. VII, 3, 4, 51). Diese Stellungsveründerung wird dadurch bedingt, dass in distaleren Querschnittsebenen nicht ! Das Herz, dureh welches diese Schnitte geführt wurden, zeigt bereits bezüglich derjenigen Befunde, die uns hier interessiren, annähernd definitive - Werhültnisse. Es wird daher dem Leser nicht schwer fallen, sich auch an den - entsprechenden, in verkleinertem Maßstabe auf Taf. VII reproducirten Schnitten durch das Herz der ausgebildeten Form zurechtzufinden. 182 Alfred Greil mehr die linke, sondern die linke dorsale Wand des Bulbus dem — Canalis auricularis benachbart ist. Weicht dann der Bulboauricular- sporn distalwärts zurück, so muss er natürlich auch eine der Schief- lage der linken Bulbuswand entsprechende Stellung einnehmen. Dazu kommt noch, dass sich das rechte venöse Ostium nach rechts und dorsalwärts beträchtlich erweitert. Wie in der vierten Entwicklungsperiode erfolgt die Unterminirung der Muskelwand im Gebiete des Bulbus und Canalis auricularis vollkommen einheitlich, so dass die auf diese Weise gebildete Bulboauricularlamelle an der Kammerbasis ringförmig geschlossen erscheint (vgl. Fig. 17 JZ). Das Zurückweichen des Bulboaurieular- spornes hält wiederum mit dem Fortschreiten des Unterminirungs- processes gleichen Schritt. Beide Vorgänge ergänzen sich so zu sagen; sie gehen mit einander Hand in Hand und führen zur Bildung eines . einheitlichen basalen Kammerabschnittes, welcher durch die Ver- einigung der proximalen Hälfte des Bulbus und der proximalen zwei Dritttheile des Canalis auricularis jüngerer Embryonen entstanden ist (approximativ angegeben) und daher als Bulboaurieularabschnitt der Kammer bezeichnet werden kann. Mit Rücksicht auf das Wachsthum des Auricularkanals ist noch darauf hinzuweisen, dass dieser Herzabschnitt in dem Maße als er in die Länge wächst, auch unterminirt wird. Es imponirt daher stets nur eine verhältnismäßig schmale Zone desselben als selbständiger Herztheil (Auricularring), der übrige Antheil desselben wird durch den Unterminirungsprocess in die Kammerabtheilung des Herzens einbezogen. Die Bulboauricularlamelle ist nicht allenthalben von der- selben Breite. Wie schon pag. 179 erwähnt worden ist, wird die linke Wand des Canalis auricularis nur in geringer Ausdehnung unter- - minirt, so dass die Lamelle hier ganz schmal ist. Ventral und dorsal ` jedoch, im Bereiche der Insertionen der septalen Atrioventricular- klappen, sowie unterhalb des Bulboauricularspornes ragt diese Muskel- platte sehr weit in das Ventrikelgebiet vor. Auch der rechte, aus der Wand des Bulbus hervorgegangene Abschnitt der Lamelle ist von ansehnlicher Breite. Der Theil der Lamelle, welcher aus der Knickungsfalte entstanden ist, wird nun sekundär an einer, auf Taf. VI Fig. 18 mit einem x bezeichneten Stelle durchbrochen, wobei die an der Unterseite der Lamelle haftenden Trabekel aus einander weichen. (Dureh diese Stelle wurde in sagittaler Richtung ein Längs- sehnitt geführt, welcher beistehend [Fig. 18 A] abgebildet ist. Die Diskontinuität der Lamelle ist durch ein eingefügtes x gekennzeichnet.) gl zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 183 — Zugleich wird auch der freie Rand der Lamelle rechterseits vom Ansatze jener Muskelzüge des radiären Trabekelsystems, welche bereits in der vierten Entwicklungsperiode durch ihre mächtige Ent- wicklung” auffielen (vgl. Taf. VI Fig. 15 x), dehiscent, so dass bei Embryonen mit 5 mm Kopflänge an der Lamelle zwischen diesen beiden Durchbruchsstellen nur noch eine schmale Brücke besteht. Letztere ist auf Taf. VI Fig. 18 mit einem * bezeichnet und im bei- stehend abgebildeten, et- was rechts vom Schnitte A geführten Schnitte B der Länge nach getroffen (B.La.). In der Folge ver- srößern sich die beiden = Durchbrüche, in deren, ‘Umgebung auch noch kleinere, isolirte Dehis- cenzen entstehen, immer mehr, um schließlich mit einander zu konfluiren. Dann erscheint die durch die Unterminirung der Knickungsfalte und eines angrenzenden Abschnittes der Bulbusleiste (vgl. das pag. 180 Gesagte) ent- ' standene Lamelle von der Innenlamelle der unter- minirten rechten und dor- Langsschnitte durch das rechte Drittel der Herzkammer eines Lacerta-Embryos von 5 mm Kopflànge. Vergr. 45: 1. B.La. Bulbuslamelle, B.R. Bulbusring, M.L. Muskelleiste, bezw. die an die unterminirte Knickungs- falte herantretenden Muskelzüge des radiàren Trabekel- systems, m2(m3) Fundus der marginalen Klappe der linken (rechten) Aorta, p.B.W.B. proximaler Bulbuswulst B, v.(d.)K.R. ventraler (dorsaler) Kammerraum, x Durchbruchsstelle der Innenlamelle der unterminirten Knickungsfalte. salen Bulbuswand isolirt. Im Bereiche der unterminirten Knickungsfalte erstreckt sieh der Durchbruch schließlich etwa bis in die Ebene der - Sehnittflàche des in der Fig. 17 und 18 der Taf. VI abgebildeten, - entzwei getheilten Herzens. — Wie bereits erwähnt, setzt sich die - unterminirte Bulbuswand sowohl ventral als dorsal nach links hin unmittelbar in die Innenlamelle der unterminirten Wand des Canalis E aurieularis fort und bildet mit dieser eine einheitliche Muskelplatte, die Bulboauricularlamelle. Die Kontinuität der letzteren er- - schgint nun an jener Durchbruchsstelle, im Bereiche der früher vorhandenen Kniekungsfalte unterbrochen. Da auch der aus der linken Wand des Canalis aurieularis entstandene 184 Alfred Greil Abschnitt der Lamelle sehr schmal ist, so lässt sich an ihr ein kleinerer ventraler von einem größeren rechten dorsalen Abschnitt unterscheiden (vgl. Taf. VII, 5—8, 50, 49). Der erstere läuft nach rechts hin in jenen Vorsprung aus (Taf. VII, 7, 54), der dem freien Rande der unterminirten Knickungsfalte und Bulbusleiste entspricht (vgl. Taf. VI Fig. 17, 14, 11), welch letztere sich distalwärts in das Septum aortico- pulmonale fortsetzt. Dieser, nunmehr in Folge der früher beschriebenen Durchbrechung von der ventralen Kammerwand getrennte Vorsprung bildet mit der von der rechten Ventrikelwand an ihn herantretenden Muskelzügen des radiären Trabekelsystems (vgl. Taf. VI Fig. 18 7.7.Z.) und den zwischen ihm und der Corticalis der ventralen Kammerwand aus- gesparten, zum Theil noch dem unterminirten Bulbusgebiete ange- hörigen Trabekeln (vgl. Fig. 17 A; M.L.) einerseits, dem nach links hin unmittelbar anschließenden, solid gebliebenen Abschnitt der Bulbusleiste (vgl. Taf. VI Fig. 17 B.L.) andererseits, eine kontinuir- liche Scheidewandanlage, welche von der rechten Kammerwand zum Septum aorticopulmonale emporzieht (vgl. auch Taf. VII, 10—4, 15, 18, 19—21, 54). An diesem Gebilde, dessen Homologon die älteren Anatomen bei anderen Reptilien als Muskelleiste bezeichneten, sind auch im ausgebildeten Zustande noch zwei, in ihrer Struktur differente Abschnitte zu unterscheiden: ein trabekulär gebauter proxi- maler, im Gebiete des Ventrikels entstandener Kammerabschnitt und ein durch seine glatte Oberfläche auffälliger distaler Bulbus- abschnitt. Die Zone der Kammerwand, an welcher diese allerdings recht unvollkommene Scheidewand festsitzt, ist in der Abb. 16 der Taf. VI durch eine punktirt-gestrichelte Linie bezeichnet worden, und trifft den rechten Herzrand an der mit einem x bezeichneten Stelle. Die von dieser Linie ausgehende gestrichelte Linie, welche im Bogen gegen die Kammerbasis emporzieht, bezeichnet, wie bereits erwähnt wurde, die proximale Grenze des kompakt erhalten gebliebenen Be- zirkes der Bulbuswand, bis zu welcher der Unterminirungsprocess von der Kammer aus vordringt. — Mit M-N ist in dieser Abbildung die Höhe eines Schnittes angegeben, durch welchen an einem aus- gebildeten Herzen die in Fig. 19 Taf. VI dargestellte Innenansicht der Kammerbasis vom Ventrikel her freigelegt wurde. Der Quer- schnitt bietet ganz ähnliche Verhältnisse dar, wie der bereits be- sprochene Schnitt 7. der Taf. VII, als dessen Spiegelbild er erscheint. Man erkennt deutlich den ventralen und dorsalen Abschnitt der Bulbo- auricularlamelle, von denen der erstere nach rechts (bezw. links) hin _ Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 185 jenen Vorsprung bildet, welcher aus der unterminirten Knickungs- und Bulbusfalte hervorgegangen ist und der Muskelleiste angehört. Dieser Vorsprung setzt sich in den mit M.L. bezeichneten kompakten Abschnitt der Leiste fort, welcher in das Septum aorticopulmonale (S.ao.p.) übergeht. Der rechte dorsale Abschnitt der Bulboauricularlamelle erscheint als eine breite Muskelplatte (vgl. auch Taf. VII, 4—7, 49), welche dem centralen freien Kammerraume eine konkave glatte Ober- fläche zuwendet. Der Bulbus- und der Auricularantheil dieser Lamelle ist in der Abb. 19 Taf. VI mit B.L. und Awr.L. bezeichnet. Beide Antheile gehen unterhalb des Bulboauricularspornes (B.aur.sp.) in einander über. Der Bulbusantheil wird von einem mächtigen Muskel- zuge gebildet, weleher an der rechten Seite der Kammerbasis von einer kompakt erhalten gebliebenen Zone der Bulbuswand, die, wie wir noch sehen werden, ringförmig die arteriellen Ostien umgiebt, entspringt und in schiefer Richtung, die Muskelleiste überkreuzend, dorsal- und apiealwürts verläuft. Dieser Muskelzug löst sich, bevor er noch in die Ebene des Schnittes M-N gelangt, in einzelne Muskel- - bündel auf, welche von diesem Schnitte (vgl. Taf. VI Fig. 19 zwischen den Verweisstrichen m, und s;) quer getroffen werden. Weiterhin setzen sich diese Muskelbündel in Elemente des radiären Trabekel- systems fort, welche auf Taf. VII, 9, 10 mit »56« bezeichnet sind (vgl. auch Taf. VII, 10, 49; 21, 56). Analoge Beziehungen weist auch der unmittelbar an den Bulbusantheil anschließende Auricularantheil der Bulboauricularlamelle zum radiären Trabekelsystem der Kammer auf (vgl. Taf. VII, 16, 49, 52). Diese Beziehungen bestehen bereits bei Embryonen mit 2 mm Kopflänge (vgl. Taf. VI Fig. 9, sowie Fig. 4 7), bei welchen radiäre, unmittelbar an der Muskelwand der Kammer vortretende Muskelleistehen an der Wand des Bulbus cordis und des Canalis auricularis auslaufen. Durch die Muskelleiste einerseits, die gegenüberliegende Bulbus- N (bezw. den Bulbusantheil des rechten-dorsalen Abschnittes der d boaurieularlamelle) andererseits wird nun von der geräumigen "Kammerhóhle eine kleine ventrale Abtheilung unvollkommen abge- "schieden (vgl. Taf. VII, 7—9, 15, 18, 11). Dieser ventrale Kammer- raum erhält das Blut durch die zwischen den beiden bezeichneten -Bildungen befindliche Spalte (vgl. Taf. VII, 5—8, 15, 18, 55), sowie du h die im trabekuliren Theile der Muskelleiste vorhandenen Lücken aus dem bei Weitem größeren dorsalen Kammerraume (d.K.R. bezw. 8) der vorbezeichneten Abbildungen, welchem die beiden Ostia atrio- € Po 186 Alfred Greil ventrieularia (o.a.v. bezw. 17, 18), sowie die Aortenostien (O.ao. bezw. 3, 4) angehören. Diese Kommunikationen zwischen den beiden: Kammerräumen sind jedoch nur am diastolisch erweiterten Ventrikel von besonderer Ausdehnung. An Herzen, welche in kontrahirtem Zustande untersucht werden, findet man die Bulbuslamelle und die mit derselben (dorsal) in Verbindung stehenden Trabekelziige, der Muskelleiste anliegend und die intertrabekulären Lücken der letzteren ganz verengt. Diese Anlagerung der Bulbuslamelle an die Muskelleiste wird nur durch die zwingenfürmige. Anordnung der in der ersteren verlaufenden Muskelzüge ermóglieht, weleh letztere einerseits (ventralwärts) in die eirkulären Fasern des Bulbusringes (s. dann) einstrahlen, andererseits (dorsal) sich in die Muskelzüge des radiiren Trabekelgefüges der Kammer fortsetzen und daher brücken- artig über den freien Rand der Muskelleiste spannen (vgl. Taf. VI Fig. 19 B.La.. Kontrahirt sich nun dieses System von Muskelzügen, so wird die Bulbuslamelle an die Muskelleiste angepresst und die zwischen diesen beiden Gebilden befindliche Spalte verschlossen werden. Wir wollen daher die in die Bulbuslamelle einstrahlenden Elemente des radiären Trabekelsystems (vgl. Taf. VII, 21, 56) als Spannmuskel dieser Lamelle bezeichnen. Dieser wührend der Kammersystole sich herstellende, also periodische Abschluss der beiden Kammerräume gegen einander ist in so fern von Interesse, als er gewissermaßen ein Septum interventriculare ersetzt. Aus den anatomischen Verhältnissen ist nämlich zu deduciren, dass das aus dem rechten Vorhofe durch das Ostium atrioventriculare dextrum in den dorsalen Kammer- raum eintretende venöse Blut z. Th. — in Folge der schiefen Stellung der sep- talen rechten Atrioventricularklappe — um den freien Rand der Muskelleiste her- um in den ventralen Kammerraum geleitet wird. Der Rest des venösen Blutes verbleibt im dorsalen Kammerraume, in welchen gleichzeitig durch das Ostium atrioventriculare sinistrum das aus den Lungen abströmende arterialisirte Blut gelangt. Diese beiden Blutmengen vermischen sich nun allerdings dort, wo sie unterhalb der septalen Atrioventrieularklappen mit einander in Berührung kommen. Eine Vermischung des arterialisirten Blutes mit dem in den ventralen Kammerraum eingetretenen venösen Blute scheint jedoch nicht zu erfolgen, weil dieser Kammerraum während der Kammersystole — durch die Verdichtung der Muskelleiste und die Anlageruug der Bulbuslamelle und der an dieselbe herantretenden Elemente des radiären Trabekelsystems an die letztere — fast vollständig vom dorsalen Kammerraume abgeschlossen werden dürfte. Es ist daher anzunehmen, dass durch das Ostium pulmonale aus dem ventralen Kammerraume nur venöses Blut in die Lungenarterie eintritt. Es ist noch hervorzuheben, dass diejenigen Muskelzüge des radiären Trabekelsystems, welche sich, wie oben erwähnt wurde, an dem Aufbaue der Muskelleiste betheiligen, und deren Kammer- Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 187 abschnitt bilden, in Folge der Durchbrechung der Bulboauricular- lamelle eine Stellungsveränderung erfahren. Sie stellen sich nämlich in die Richtung des freien Randes der Muskelleiste ein, zu deren Ausbildung jene Durchbrechung die Veranlassung abgiebt und ver- laufen daher im ausgebildeten Herzen in schiefer Richtung von der rechten Kammerwand ventral- und distalwürts (vgl. Taf. VII, 9—11, I5, 18, 20; 54, 52). ` Auch die übrigen Elemente des radiären Trabekelsystems gehen während der fünften Entwicklungsperiode ihrem definitiven Ausbaue entgegen. In ihren centralen Abschnitten erweisen sie sich bei Embryonen mit 5 mm Kopflänge noch kompakt, lamellenfórmig gestaltet; am ausgebildeten Organe jedoch in einzelne, sich mit ein- ander innig verflechtende Muskelzüge gesondert, deren Verlauf an senkrecht auf den Kammerrand geführten Schnitten deutlich zu ver- folgen ist (vgl. Abb. 19 [etwas schematisirt] und Taf. VII, 16, 17; 52). Die Gesammtanordnung dieses Systems hat sich wenig verändert (vgl. das pag. 166 Gesagte). Dadurch, dass sich einige der schon in früheren Entwicklungsstadien unter spitzen Winkeln mit einander anastomosirenden Elemente zu zweien mit einander vereinigen, wird ihre ursprüngliehe Zahl auf etwa 6—8 reducirt. Von den centralen Muskelzügen springen diejenigen, welche unterhalb der rechten Atrio- ventrieularklappe gelegen sind, etwas gegen den freien Kammerraum zu vor (vgl. Taf. VII, 15, 18, 19, 20; 58), in welchem hierdurch eine Sonderung in zwei seitliche Abschnitte angebahnt wird (ibid. 11, 12). In dem diehten peripheren Trabekelgefüge wird die Abgrenzung der einzelnen Elemente des radiären Trabekelsystems dadurch erschwert, dass dieselben hier unter einander mittels zahlreicher Fasern anasto- mosiren, welche aus den radiären Ebenen ausbiegen und eine longi- tudinale Verlaufsrichtung (parallel zur Achse des Rohres) annehmen. Diese Züge kreuzen und verflechten sich mit solchen, welche in transversalen Ebenen, sowie parallel dem Herzrande verlaufen und - — wie Secanten — benachbarte und entferntere Stellen der Corticalis mit einander verbinden (vgl. Taf. VII, 18, 10—14, 15, 19—21; 53). — [m Gebiete der in den Ventrikel einbezogenen Wandabschnitte des Bulbus und Canalis auricularis findet sich im Wesentlichen die- selbe Anordnung des Trabekelgefüges (vgl. Taf. VII, 4—8; 5, 53). - Gegen die Corticalis zu divergirende Fasern des radiären Trabekel- — Systems kreuzen und verflechten sich mit transversal verlaufenden — Trabekeln, welche bogenförmig den centralen Kammerraum umziehen - (vgl auch Fig. 16, in welcher nur das letztere System schematisch Morpholog. Jahrbuch. 31. 13 188 Alfred Greil eingezeichnet ist, mit Fig. 15, welche die Verlaufsrichtung der Fasern des radiären Systems veranschaulicht). In die Bulboauricularlamelle strahlen die centralen Muskelziige des radiären Trabekelsystems zum Theil in ihrer urspriinglichen Richtung ein, zum Theil biegen sie in die Ebene dieser Lamelle um, und anastomosiren bogenförmig unter einander, sowie mit eirkulär verlaufenden Zügen. Das so gebildete dichte Flechtwerk der Lamellen vergrößert sich auch noch in der letzten Entwicklungsperiode, wie es scheint durch Apposition einiger von den centralen Muskelzügen bogenförmig abzweigender Fasern gegen den Ventrikel hin, also in derselben Weise, in der es bei Embryonen mit 2,8 mm Kopflänge zur Ausbildung gelangte. Die im Vorangehenden beschriebenen Abschnitte der Bulboauricularlamelle haben offenbar eine besondere mechanische Bedeutung. Durch ihren un- mittelbaren Zusammenhang mit den die arteriellen und venösen Ostien um- gebenden Muskelringen gefestigt, bieten dieselben einerseits den septalen Atrio- ventricularklappen widerstandsfähige Insertionsstellen dar, andererseits bilden sie den Ursprung bezw. die Enden der innersten Muskelzüge des radiären Trabekelsystems der Kammer, welche zwingenförmig den freien, centralen Ventrikelraum umziehen. Letztere greifen durch ihre peripheren Ausstrahlungen unmittelbar an der dünnen, aber kontinuirlichen, corticalen Schicht der Muskel- wand an, dessgleichen die zahlreichen übrigen, mit diesen sich verflechtenden und kreuzenden, in radiären und longitudinalen bezw. transversalen Ebenen verlaufenden Fasern des peripheren Trabekelgefiiges. Die Faserrichtung in der Corticalis ist eine vorwiegend quere, transversale. Die dichte Anordnung des Trabekelgefüges lässt darauf schließen, dass dieses die Hauptarbeit bei der systolischen Aktion des Ventrikels zu bewältigen hat. — Die Mannigfaltig- keit der Verlaufsrichtung der einzelnen Elemente des Trabekelgefüges wurde im Vorstehenden keineswegs erschöpft. Die überwiegende Mehrzahl der Tra- bekel gehört jedoch den beiden angeführten Systemen an, welche den größten Theil der systolischen Arbeitsleistung verrichten. — Eine eingehende, detaillirte Beschreibung des Trabekelgefüges würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit überschreiten. Immerhin dürfte die gegebene kurze Skizzirung desselben jene strenge Gesetzmäßigkeit erkennen lassen, welche es dem Organismus ermög- licht, mit einem Minimum von Materialverbrauch und Kraftaufwand das er- forderliche Maß von Arbeit zu leisten, so dass das sich kontrahirende Tra- bekelgefüge der Herzkammer dem stützenden Spongiosagerüst des Knochens als ein prägnantes Beispiel rationeller Materialökonomie an die Seite gestellt werden kann. Die Kammerhöhle des Lacertilierherzens besteht — um dies noch kurz zu wiederholen — aus zwei ziemlich regelmäßig begrenzten Abschnitten, einem freien centralen Kammerraume und einem peri- pheren, vom Trabekelgefüge durchsetzten Abschnitte. Durch die Muskelleiste wird der Binnenraum der Kammer unvollkommen in eine kleinere ventrale rechte, und eine größere, dorsale, linke Ab- theilung geschieden (vgl. Taf. VII, 5—21; 8, 11). Letztere, der dor- Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 159 sale Kammerraum, wird durch die in der Mitte der Kammer, unter- halb der septalen Atrioventricularklappen etwas mehr vortretenden Elemente des radiären Trabekelsystems (vgl. Taf. VII, 15, 18—20) wenn auch nur andeutungsweise in zwei seitliche Unterabteilungen gesondert, das Cavum ventriculi dorsale dextrum (9) und Sinistrum (10). Der centrale trabekelfreie Kammerraum ist durch die Vereinigung der ursprünglichen Kammerhöhle mit den proximalen Abschnitten des Binnenraumes des Bulbus und Canalis auricularis entstanden. In ihm tritt daher das Blut unmittelbar durch die venösen Ostien ein und aus ihm wieder durch die arteriellen Ostien aus. Der periphere Abschnitt der Ventrikelhöhle besteht aus einem System von Hohlräumen, welche entsprechend der Anordnung des Trabekel- gefüges nach innen zu radiär, nach außen hin longitudinal bezw. transversal angeordnet sind und corticalwärts immer enger und zahl- reicher werden. Das Blut passirt daher beim Eintritt in diese inter- trabekulären Räume zunächst die zwischen den centralen Muskel- zügen befindlichen Spalten und vertheilt sich dann peripherwürts. — Genetiseh besteht das intertrabekulàre Hohlraumsystem eben so aus zwei bezw. drei Abschnitten, wie die geräumige centrale Kammer- hóhle; der eine derselben ist im Gebiete des ursprünglichen Ventrikels (s. st.), die beiden anderen sind in der Wand des Bulbus und Canalis aurieularis entstanden. Letztere sind ventral, rechts und dorsal von den entsprechenden Abschnitten des centralen Kammerraumes durch die Bulboaurieularlamelle getrennt, um deren freien Rand das Blut in sie eindringt. Durch ihre beständige Ausweitung haben die in der Wand des Bulbus bezw. des Canalis auricularis entstandenen Hohlriume im Laufe der Entwicklung den entsprechenden Abschnitt des Binnenraumes dieser Herztheile an Umfang weit übertroffen. Sie bilden mit diesem einen großen basalen (Bulboauricular-) Abschnitt der Kammerhóhle, welehe die ganze Breite und etwa ein Viertel der Länge des gesammten Kammerraumes einnimmt. Die Vergrößerung, welche der Ventrikel durch die Einbeziehung proximaler Abschnitte des Bulbus (proximale Hälfte; approximativ angegeben) und des Canalis aurieularis (proximale zwei Dritttheile) erfährt, ist daher eine sehr erhebliche. ! Wie schon an jüngeren Embryonen festzustellen war, betheiligen sich an der Reduktion des Bulbus cordis zwei einander von der _ proximalen und distalen Seite her gegen die Mitte dieses ursprünglich so ausgedehnten Herzabschnittes entgegenstrebende Processe. Der eine von ihnen hat, wie im Vorhergehenden beschrieben wurde, die 13* 190 Alfred Greil theilweise Aufnahme des Bulbus in den Ventrikel, der andere die proximale Verlängerung des Truncus arteriosus zur Folge. Die Art und Weise, wie sich diese Verlängerung des Truncus vollzieht, wurde bereits bei der Besprechung der Herzen aus der dritten und vierten Entwicklungsperiode ausführlich mitgetheilt. Es kann sich daher nur noch darum handeln, das Fortschreiten der bei der Ver- längerung des Truncus thätigen Processe bis zu ihrem definitiven Abschlusse am Ende der fünften Entwicklungsperiode zu verfolgen. — Das Wesentliche an diesem Processe besteht in dem Vordringen des Gewebes der Truncuswand in das an den Truncus angrenzende Bulbusgebiet. Dieses Eindringen erfolgt sowohl an der Wand des Bulbus selbst und führt hier zu einer Substitution der allmählich zurückweichenden Muskelschicht derselben — als auch in die durch die partielle Vereinigung der Bulbuswülste entstehenden endokardialen Endabschnitte der beiden wichtigsten Truncusscheidewände, des Septum aorticopulmonale und des Septum aorticum. In dem Maße nun, als sich das Gewebe der Truncuswand proximälwärts vorschiebt, wachsen auch die Bulbuswülste in spiraliger Richtung weiter an der Wand herab, und gelangen so in jenes Gebiet des Bulbus, welches auch noch am Herzen der ausgebildeten Form erhalten bleibt und dessen Muskulatur wir später noch als Bulbusring genauer beschreiben werden. — Auch in diesem Gebiete kommt es zu einer Verwachsung der Bulbuswülste (Z + 777, 1+ IV), wodurch die Truncussepten bis in das Gebiet des Bulbusringes herab fortgesetzt werden. Während jedoch im Gebiete des proximalen Truncusabschnittes dessen proxi- male Grenze im Niveau des distalen Randes des Bulbusringes liegt, die durch die Verwachsung der Bulbuswülste entstandenen endo- kardialen Abschnitte der Septen durch das Eindringen des Truncus- gewebes eine wesentliche Änderung ihrer Struktur erleiden, erfolgt ein solches Einwachsen innerhalb der Zone des Bulbusringes nicht. Es erweisen sich daher die endokardialen, an der Innen- seite dieses Muskelringes haftenden Abschnitte der Septen auch am ausgebildeten Herzen hinsichtlich ihres histo- logischen Baues wesentlich von den ihre Fortsetzung bilden- den Truncussepten verschieden. Schon geraume Zeit bevor die Septen im Gebiete des Bulbus- ringes vollständig ausgebildet sind, kommt es in Folge des Anpralles der nach erfolgter Systole der Kammer aus dem Arteriensysteme gegen das Herz zu regurgitirenden Blutmasse zu einer Aushöhlung der Bulbuswülste von der distalen Seite her, ein Process, der schließ- Beitriige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete. 191 lich zur Bildung der halbmondförmigen Klappen der drei arteriellen Ostien führt. — Uber die Art und Weise, wie sich diese Klappen aus den Bulbuswiilsten entwickeln und wie sich ihre Be- ziehungen zu den Septen gestalten, sollen die in den Figg. 19 und 20 abgebildeten Quersehnitte durch das Grenzgebiet zwischen dem Bulbus cordis und Truncus arteriosus von Embryonen mit 5 und 7 mm Kopflänge Aufschluss geben. Wir betrachten zunächst die Schnitte, welche von dem Embryo mit 5 mm Kopflänge herrühren (Fig. 19 7—IIT). Der Schnitt 777 ist durch den distalsten Ab- schnitt des Bulbus cordis geführt und lässt deutlich die vier distalen Bulbuswülste er- kennen. Wenn wir uns daran erinnern, dass die Bulbuswülste ZZ und ZV bei jungen Embryonen an der dorsalen und ventralen Wand des distalen Bulbusabschnittes zur Anlage kamen (vgl. Taf. VI Fig. 9 distale Schnittfliche) und die nunmehrige Lage ihrer proximalen Enden vergleichen, so er- giebt sich ohne Weiteres, dass die Bulbus- wiilste bei ihrem in spiraliger Richtung er- folgenden Herabwachsen an der Bulbuswand ein Drittel einer vollen Spiraltour beschrieben haben. Der Bulbuswulst Z steht an dem vor- liegenden Sehnitte mit dem dem Bulbus- wulste 77 zugekehrten Abhange des Bulbus- wulstes JZZ in Verbindung. Er ist, wie sich dies an anderen Schnitten erkennen lässt, mit einem hier befindlichen Fortsatze des Bulbuswulstes ZZZ verwachsen. Der abge- bildete Schnitt geht also durch das proxi- male Ende des Septum aorticopulmonale, dessen Bildung, wie wir aus der Schilderung der Herzen aus der vierten Entwicklungs- periode wissen, in einem Gebiete, welches nun Querschnitte durch das Grenz- gebiet des Bulbus cordis und des Truncus arteriosus von einem Lacerta-Embryo mit 5 mm Kopf- länge. Vergr. 45:1. P.o. Pulmonalis ostium, 0.Ao.s.(d.) Ostium aortae sinistrae (dextrae), S.ao.p. Septum aorticopulmonale, S.ao. Septum aorticum, sı(s2, S3) septale Klappe der Pul- monalis (der linken, der rech- ten Aorta), mı(mz, m3) marginale Klappe der Pulmonalis (der linken und der rechten Aorta), d.B.W.I.(II, III, IV) distaler Bul- buswulst I (II, III, IV). - bereits dem Truncus angehört, in ganz ähnlicher Weise vor sich geht wie hier. Zu beachten ist ferner ein Vorsprung des Bulbuswulstes J, welcher dem dem Bulbuswulste ZZZ benachbarten Abschnitte des Bulbus- 192 Alfred Greil wulstes ZV zugekehrt ist. — In dem etwas weiter distal geführten Schnitte ZZ erscheinen die distalen Bulbuswülste bereits ausgehöhlt. Man sieht, wie aus den Bulbuswülsten ZZ, JZZ und IV je eine Klappe der Pulmonalis, der linken und der rechten Aorta entstanden ist, die wir in der Folge als marginale Klappen (mı, ms, m3) bezeichnen wollen. Dagegen liefert der Bulbuswulst Z Material für drei Klappen, die am Septum aorticopulmonale und am Septum aorticum entstehen und daher als septale Klappen s, (der Pulmonalis) s (der linken Aorta) są (der rechten Aorta) bezeichnet werden sollen. Letztere entsteht ausschließlich aus dem Material des Bulbuswulstes Z, während sich an der Bildung der beiden anderen Klappen s, und s; auch noch ein, freilich nur geringer Theil des Bulbuswulstes 777 betheiligt, nachdem ja, wie wir gesehen haben, das Septum aortico- pulmonale in der Region, in der die Klappenbildung erfolgt, durch Verwachsung des Bulbuswulstes J mit einem Fortsatze des Bulbus- wulstes ZZZ zu Stande kommt. Das Septum aorticum ist nur mehr in seinen beiden Ausläufern getroffen, welche an dem zur Klappen- anlage m, umgeformten Bulbuswulste ZV einerseits, an dem vom Bulbuswulste Z gebildeten Abschnitte des Septum aorticopulmonale andererseits vortreten. — Der Schnitt 7 endlich ist durch das proxi- male Ende des Truneus arteriosus geführt. An die Stelle der (im Schnittbilde 77 schwarz angelegten) Muskelwand des Herzens ist die (heller angelegte) Gefäßwand getreten, welche auch die endokardialen Endabschnitte der Septen durchdringt. Hierbei ist zu beachten, dass die Gefäßwand in das schmale Septum aorticum als solider Sporn einwächst, während sie sich in dem breiteren Septum aorticopulmonale in zwei Schichten sondert, welche eine mittlere Zone endokardialen Gewebes zwischen sich fassen. Der Schnitt trifft noch die Rand- partien der Anlagen der septalen Klappen, während von den margi- nalen Klappen nur noch die Endausläufer ihrer Ränder zu erkennen sind. Dieser Schnitt ist desshalb besonders lehrreich, weil er ein gutes Bild der Stellung der Klappen zu einander und zu den Septen giebt. Wir haben die in Fig. 19 abgebildete Serie desshalb vom Schnitte 777 aus verfolgt, weil dieser Schnitt eben so wie der Schnitt ZI Verhältnisse zeigt, die Zuständen entsprechen, welche in der vorher- gegangenen Entwicklungsphase auch in der Höhe dieses Schnittes J durchlaufen worden sind. Das definitive Verhalten stellt das Schnitt- bild / der in Fig. 20 reprodueirten Serie dar. Die in dieser Figur wiedergegebenen Schnitte rühren von einem Embryo mit 7 mm Kopf- Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 193 linge her, bei welchem die Gestaltung der Septen und Klappen als nahezu abgeschlossen betrachtet werden kann. Das Schnittbild J zeigt nun, wie die drei Arterienrohre sich bei der Vergrößerung ihres Kalibers immer mehr von einander isoliren, wobei die Enden der Insertionen der Semilunarklappen immer weiter aus einander weichen. (Wir wollen der Einfachheit halber die unmittelbar neben einander an der Truncuswand auslaufenden Enden je zweier Semilunarklappen als Kommissuren derselben bezeichnen.) Man sieht, wie die beiden Kommissuren der Pulmonalisklappen (si, m) an der freien Wand des Rohres sitzen, ` während dies an der linken Aorta nur bezüg- ‚lieh der ventralen und an der rechten Aorta nur hinsichtlich der dorsalen Kommissur der Fall ist. Dabei liegen die dorsalen Kom- missuren der Klappen der Pulmonalis und der rechten Aorta (ss, m;) weiter aus ein- ander wie die ventralen Kommissuren der Klappen der Pulmonalis und der linken Aorta ($9, Ms). Hingegen befindet sich die dorsale Kommissur der Klappen des letz- teren Gefäßes, sowie die ventrale Kommis- sur der Klappen der rechten Aorta am Septum aorticum. Alle diese Verhältnisse werden beim Vergleich dieses Schnittbildes mit den Schnittbildern J—J/7 der Fig. 19 verständlich. Dass die dorsalen Kommis- suren der Klappen der Pulmonalis und der Querschnitte durch das Gebiet rechten Aorta weiter von einander entfernt $% ıuncusgrenze von . : einem Eidechsen - Embryo mit sind als die ventralen Kommissuren der 7 mm Kopflänge. Vergr. 45:1. . a P.R. Pul lisrohr, Klappen der Pulmonalis und der linken ,,, ^ ps linken) Ba Aorta ist in letzter Linie darauf zurückzu- tenrohr. a : " Die übrigen Bezeichnungen wie führen, dass sieh das Septum aorticopulmo- in Fig. 19. nale gegen seine linke dorsale Insertion hin verbreitert, gegen seine rechte ventrale Insertion hin dagegen ver- Sehmálert (vgl. Fig. 19 ZII). Die erstere entspricht eben der Basis des mächtigen Bulbuswulstes J, die letztere hingegen nur der Basis -desjenigen Theiles des Bulbuswulstes 77/7, welcher sich mit dem Bulbuswulste J vereinigt. — Nachdem sich der Bulbuswulst ZV an der Bildung der Klappen s, und sa nicht oder zum mindesten 194 Alfred Greil nicht wesentlich betheiligt, so bleibt die Insertion dieser Klappen rechterseits septumständig. — Erwähnenswerth ist noch, dass die dorsale Kommissur der Klappen der linken Aorta nicht genau gegeniiber der ventralen Kommissur der Klappen der rechten Aorta am Septum aorticum haftet, sondern etwas nach aufen von der letzteren, so zwar, dass sich das Ende der Klappe m; gegenüber dem Ende der Klappe s, befindet. Dieses Verhalten ist darauf zurückzuführen, dass die marginale Insertion des Septum aorticum nicht zwischen den Bulbuswülsten ZZZ und JV erfolgt, sondern sich vielmehr ein Fortsatz des Bulbuswulstes ZV an der Bildung dieses Septums betheiligt. Es muss daher die aus diesem Bulbuswulste entstehende Klappe m; zum Theile noch am Septum aorticum haften. Andererseits kann sich der Aushöhlungsprocess an dem der linken Aorta zugekehrten Abhange des Septum aorticum auch auf den verschwindend kleinen Abschnitt dieses Septums erstrecken, welcher von jenem Fortsatze des Bulbuswulstes ZV gebildet wird. Dagegen wird der zur Bildung der Klappe s; führende Aushóhlungs- process am Septum aorticum nur bis an die Klappenanlage m; vor- dringen können. | Der Antheil, welchen der Bulbuswulst 777 an der Bildung des Septum aorticopulmonale und der Klappen s, und s» nimmt, ist zwar gering, aber immerhin verdient die Thatsache, dass eine solche Betheiligung erfolgt, be- achtet zu werden. Vielleicht lisst sich bei Berücksichtigung derselben die Entstehung einer Varietät erklären, welche ich in zwei Fällen, bei einem Embryo mit 5 mm Kopflinge und bei einem ausgewachsenen Exemplare von Fig. 21. Querschnitte durch die arteriellen Ostien. Vergr. I 45 : 1, JJ 14 : 1. I. von einem Eidechsen-Embryo mit 5 mm Kopflange, II. von einer ausgewachsenen Eidechse, sy, sy" die beiden Abschnitte der septalen Klappe der Pulmonalis. Die übrigen Bezeichnungen wie in Figg. 20 und 19. Lacerta agilis zu beobachten Gelegenheit hatte (vgl. Fig.21 7, JZ). In beiden Fallen erwies sich die septale Klappe der Pulmonalis durch ein unvollkommenes Septum in eine kleinere ventrale (s) und größere dorsale Abtheilung (s,") ge- sondert, von denen:die erstere hinsichtlich ihrer Lage und Ausdehnung dem Antheile entsprach, welchen der Bulbuswulst 777 an der Bildung des dem i 1 t $ + € k La Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 195 Pulmonalis ostium zugekehrten Abhanges des Septum aorticopulmonale nimmt. Wahrscheinlich konnte sich in den beiden beobachteten Fällen in Folge einer unbekannten Ursache in diesem Antheile, der vielleicht auch etwas umfang- reicher war wie gewöhnlich, eine distinkte Klappenhöhlung entwickeln, welche auch später noch (Fall ZZ) theilweise wenigstens bestehen blieb. Wir haben uns noch die Sehnittbilder ZZ und ZIZ der Fig. 20 anzusehen. Das Schnittbild 77 entspricht ziemlich genau dem Sehnitt- bilde 77 der Fig. 19. Da der Aushöhlungsprocess proximalwärts vorgegriffen hat, so treten an diesem Schnitte die drei septalen Klappen (sı, se, 55) deutlicher hervor und das Septum aorticopulmo- nale (S.ao.p. und der zwischen den beiden Klappen s, und s; sich heraberstreckende Abschnitt des Septum aorticum (S.ao.) sind ent- sprechend verdünnt. Diese letztere Erscheinung hängt also mit der Bildung der Klappen zusammen und wird dureh sie bedingt. — Das Schnittbild 777 endlich zeigt, wie der zur Bildung der septalen Klappen führende Aushéhlungsprocess am Bulbuswulste Z sogar schon auf ein Gebiet übergreift, wo dieser Bulbuswulst mit der gegenüberliegen- den Wand des Bulbus nicht mehr in Verbindung steht. Thatsächlich reichen denn auch bei der ausgebildeten Form die Fundustheile der drei septalen Klappen bis an den Rand der hier aus Gewebe endo- kardialen Ursprungs gebildeten Endabschnitte der Truncussepten heran. Der Schnitt trifft ferner die proximalsten Abschnitte der Wülste ZZ, ZII und IV, welche nicht ausgehöhlt werden. Es er- scheinen daher die Fundusabschnitte der aus diesen Wülsten her- vorgehenden Klappen beträchtlich verdickt. Am ausgebildeten Herzen ist die Muskelwand im Bereiche dieser verdickten Fundusabschnitte (vgl. Fig. 23 m, ss) auffällig verdünnt. | -Eine gute Vorstellung von dem bei der Bildung der Klappen thätigen Aushóhlungsprocess erhält man auch durch die Betrachtung von Längsschnitten (vgl. Fig. 22). Natürlich kann von einem Lings- schnitte nur die eine oder die andere Klappe genau in der Mitte getroffen werden. Am abgebildeten Schnitte erscheint die Klappe s; in ihrer Mitte der Länge nach durchschnitten. Man bemerkt, dass auch der Fundusabschnitt dieser Klappe sehr verdickt ist, was übrigens auch an entsprechenden Querschnitten (vgl. Fig. 23) ersichtlich ist. — Wie die Bulbuswülste, so haften auch die aus denselben her- -yorgehenden Klappen zum Theile mit ihren kleineren, distalen Ab- ‚schnitten an der Truncuswand, mit ihren größeren, proximalen Fun- dusabschnitten an der Muskelwand des Bulbus, an welcher auch die endokardialen Endabschnitte der Septen inseriren. Die hier beträcht- lich verdickte Muskelwand des Bulbus umschließt somit ringförmig iu M —o Alfred Greil 196 Medianer men durch das Herz eines a Embryos mit 5 mm Kopflänge. Vergr. 45:1. Ao.s. Aorta sinistra, At.d. Atrium dextrum, x cranialer Fortsatz desselben, Aur.L. Auricularlamelle, Au.R. Auricularring, B.aur.F. Bulboauricularfurche, B.l. Bulbusleiste, B.R. Bulbusring, C.aur. Canalis auricularis, C.R. Carotidenrohr, d.(v.)K.R. dorsaler (ventraler) Kammerraum, Gld.thyr. Glandula thyreoidea, Lig.ap. Ligamentum apicis cordis, L.R. Lymphraum, mı(mz) marginale Klappe der Pulmonalis (der rechten Aorta), P.o. Pulmonalis ostium, P.R. Pulmonalisrohr, r.(1.)Ao.R. rechtes (linkes) Aortenrohr, y.E.K. rechtes Endokardkissen, sı(s3) septale Klappe der Pulmonalis (der rechten Aorta), s.at.v.Kl. septale rechte m esi S.ao. Septum aorticum, S.c.a0.d. Septum carotico- aorticum dextrum, S.ao.p. Septum aortico-pulmonale, S.M. Sinusmündung, die arteriellen Ostien : und wirkt offenbar — durch ihre Kontraktion beim Verschlusse der | Ostien mit, indem sie die Ránder der dureh die rückprallende Blut- menge gestellten Semi- lunarklappen an ein- ander presst. Ieh be- zeichne diesen in derKlappenzone er- halten gebliebenen Abschnitt der Mus- kelwanddes Bulbus als Bulbusring. Die Beziehun- gen des Bulbusrin- ges zur Kammer- wand sind am besten an Sagittalschnitten, wie ein solcher neben- stehend abgebildet ist, zu übersehen. Man erkennt an diesem Schnitte, wie der Bul- busring ventral ohne Grenze in die kom- pakte Muskelwand des ventralen Kammerrau- mes iibergeht und wie er dorsal am Firste des Bulboauricular- spornes mit dem Auri- "eularring zusammen- stößt und mit ihm wenigstens bei Em- bryonen mit 5 mm Kopflinge am freien Rande dieses Spornes T | Beitrüge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 197 unmittelbar zusammenhingt. Beim ausgewachsenen Thiere besteht jedoch an dieser Stelle zwischen Bulbusring und Auricularring kein direkter Zusammenhang mehr, indem die beiden Ringe hier durch ‘eine dünne Lage von Bindegewebe zusammengehalten werden. An ‘anderen Längsschnitten zeigt sich, dass der Bulbusring sowohl nach rechts wie nach links von dem Gebiete, in welchem die ventrale Wand des ventralen Kammerraumes kompakt erscheint, kammerwärts dr die beiden durch die Unterminirung der Bulbuswand entstandenen Lamellen der Kammerwand übergeht. Auch bei der Betrachtung der Oberfläche des Herzens (vgl. Taf. VI Fig. 16) ist eine Abgrenzung des Bulbusringes gegen die Kammer nicht bemerkbar. Der Bulbusring bildet eben den Ab- sehluss jener konusartigen Ausladung der Kammer, welche sich am Fig. 23. jr Gp. s, Querschnitte durch das distale Ende der Muskelleiste von Lacerta agilis. Vergr. 36 : 1. L. Muskelleiste, O.p. Ostium pulmonale, S.ao.p. Septum aorticopulmonale, si(mi) septale (margi iale) Klappe der Pulmonalis, s3(m3) verdickter Fundusabschnitt der septalen (marginalen) Klappe der rechten Aorta. (Die Muskelschicht ist schwarz, die Endokardbildungen hell angegeben.) Ende der Kammersystole kräftig zusammenzieht, wobei die Kon- raktionswelle an ihm ausläuft. Über die Beziebungen des am Bulbusringe haftenden endokar- lialen Endabschnittes des Septum aorticopulmonale zur Muskelleiste st Folgendes zu bemerken: Bei Embryonen mit 5 mm Kopflänge etzt sich das Septum aorticopulmonale proximalwürts in eine Endo- tardleiste fort, den proximalen Bulbuswulst A, welcher an der linken Bulbuswand vortritt und am freien Rande der Muskelleiste ausliuft vgl. Fig. 17 I—III, p.B.W.A.) Die Verbindung der Muskelleiste mit dem Septum aorticopulmonale wird also durch den proximalen Bulbuswulst A hergestellt, welcher sich schon in der dritten Ent- wicklungsperiode mit dem distalen Bulbuswulste J vereinigt hat. Am ausgebildeten Thiere jedoeh (vgl. die beistehende Abbildung) b ; 198 Alfred Greil $ | hoa finden wir den Bulbuswulst A fast gänzlich von Muskeisdh] webe substituirt, welches sich bis in das Gebiet des Septum aorticopulmonale voriäkheh und im Bereiche der Klappe s (vgl. - Schnitt / s) noch nachweisbar ist. Dadurch erscheint die Muskel- leiste bis an die arteriellen Ostien verlängert. Auffällig ist, dass die Muskelleiste distal frei im Endokard endigt und nicht mit der Muskelschicht der linken Bulbuswand in Zusammenhang steht. Dies | weist darauf hin, dass die Apposition von Muskelgewebe vom Rande | der Muskel- bezw. Bulbusleiste aus erfolgt. Die Richtung der | Muskelfasern ist parallel dem Rande der Muskelleiste. Bis zur | Höhe des Schnittes ZZ erscheint die Muskelleiste von spaltförmigen | Hohlräumen durchzogen, welche z. Th. bis an das Endokard vor- | dringen (Schnitt ZZ) und proximal mit den zwischen den Trabekeln | des Ventrikelabschnittes der Muskelleiste befindlichen Räumen kom- municiren. Der Unterminirungsprocess greift also auch im Inneren der Muskelleiste vor. Der Bulbusabschnitt der Muskelleiste erscheint, nur von der Kammerhöhle aus betrachtet, kompakt. — Mitunter | lässt sich jedoch auch noch am ausgebildeten Herzen an der dor- salen Seite des Bulbusabschnittes der Muskelleiste eine Endokard- | verdickung nachweisen, welche distalwärts in den proximalen, endo- kardialen Endabschnitt des Septum aorticopulmonale übergeht. Auch an der der Bulbusleiste zugewendeten Fläche der Bulbuslamelle findet sich manchmal noch am ausgebildeten Herzen an der Stelle, an welcher beim Embryo der proximale Bulbuswulst B sitzt (vgl. Taf. VI Fig. 17 p.B. W.B., sowie Fig. 17 I, II, IIT), eine aus Schleim- | gewebe bestehende Endokardverdickung vor, die sich distalwärts bis | an den Fundus der Klappe » verfolgen lässt. Wir haben nun noch eine Reihe von Vorgängen zu besprechen, welche zur definitiven Ausgestaltung des Truncus arteriosus | | führen. Über die äußere Form des Truncus und seiner beiden Aste, sowie über die gegenseitigen Lagebeziehungen der Arterienrohre des Truneus, wie sie sich bei Embryonen mit 5 mm Kopflänge nach- weisen lassen, wurde bereits oben (pag. 173) berichtet (vgl. auch Taf. VI Fig. 16). AuBerlich verändert sich der Truncus arteriosus weiterhin nur in so fern, als seine beiden Äste auf Kosten seines Stammes etwas länger werden. Diese Verlängerung erfolgt dadurch, dass das Septum interearotieum (vgl. Fig. 15 A.; Siac.) von dem Di- vergenzwinkel zwischen den beiden Truncusdsten aus gespalten wird und so die beiden, früher an dieser Stelle dicht an einander liegen- den Carotidenrohre aus einander weichen kónnen. Ist auf diese: Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 199 W sise die Verlängerung der Truncusäste erfolgt, so spannt sich zwi- gehen ihnen jene Perikardialduplikatur aus, hinter welcher sich die - bereits an anderer Stelle (pag. 158) erwähnte Ausstülpung der eranialen Wand des rechten Vorhofssackes befindet. Es liegen dann natiir- lich die beiden Truneusüste ganz innerhalb der Perikardial- höhle. Die Anfangsstücke der Arterienbogen, so weit sie nicht den "Truneusüsten angehören, treten an der cranialen Wand der Peri- rardialhóhle vor. Dieses Verhalten ist wohl auf die durch die üchtige Ausdehnung der Vorkammern bedingte Ausweitung der ranialen Theile der Périkardialhóhle zurückzuführen. - Bei der Differenzirung des Gewebes der Truncuswand werden ie Gefäßrohre immer selbständiger und bleiben mit einander nur ings schmaler Streifen in festerem, unmittelbarem Zusammenhange. uBerdem verbindet dieselben das ckere Bindegewebe ihrer Advenditia nd die gemeinschaftliche perikardiale mhüllung. Es lassen sich daher beim usgewachsenen Thiere die Gefäßrohre les Truneus arteriosus naeh Entfernung es Perikardüberzuges bis an die rteriellen Ostien ohne besondere hwierigkeit von einander trennen. Gwron to den riae AN esonders leicht gelingt die Trennung agilis. Vergr. 22:1. es Pulmonalisrohres von den beiden = ak om cp, ul Eve ortenrohren, weil die Isolirung dieses s.ao. septum aorticum, ohres nahezu vollkommen durchge- * Vrsprung der Coronararterie. hrt-ist (vgl. beistehende Abbild.). Diese rscheinung hüngt auch damit zusammen, dass, wie bereits oben 'wähnt wurde, die Truneuswand in das endokardiale Septum aortico- ilmonale gewissermaßen in-Zwei Schichten getheilt einwächst, von men die eine der Wand der Pulmonalis, die andere der Wand der siden Aorten angehört. Es bleibt also zwischen den proximalen bsc initten der Gefäßrohre des Truncus etwas Gewebe endokardialen rsprunges erhalten. Dieses Verhalten erklärt wiederum, wie so es öglich ist, dass bei Lacerta muralis gerade an dieser Stelle ein eines Knorpelstück sich finden kann, dessen histologischer Auf- au an spáterer Stelle besprochen werden wird. Wie wir noch eigen werden, kommen nämlich in der Wand des Reptilien- lerzens nur dort Knorpelbildungen vor, wo beim Embryo ieh Gewebe endokardialer Abkunft vorfindet. — Die beiden Fig. 24. 200 Alfred Greil Aortenrohre hängen stets etwas fester mit einander zusammen, weil besonders in der Nähe der arteriellen Ostien der Spaltungsprocess im Septum aorticum nicht vollständig durehgreift. Von »Truneus- septen« kann daher beim ausgebildeten Thiere nur mit einer ge- wissen Reserve gesprochen werden. 2 Von den drei arteriellen Ostien besitzt das Ostium der Pul- monalis annähernd denselben, das Ostium der linken Aorta hingegen einen etwas kleineren Durchmesser, wie das Ostium der rechten Aorta (vgl. Fig. 20 7). Das Pulmonalisrohr des Truncus hingegen nimmt noch beim Embryo ein etwas größeres Kaliber an als die rechte Aorta und erscheint daher etwas erweitert (vgl. Fig. 24). Diese Erweiterung! des Pulmonalisrohres betrifft dann natür- lich auch die beiden Pulmonalisbogen. Obliteriren nach dem Ein- treten der Lungenathmung die als Ductus Botalli bekannten Ab- schnitte dieser Bogen, so kommt es nicht wieder zu einer Riickbildung dieser Erweiterung. Sie erhält sich vielmehr zeitlebens, betrifft aber, so weit es sich um die beiden Pulmonalisäste handelt, stets nur jene Theile derselben, die aus dem Pulmonalisbogen (s./.) ent- standen sind. In physiologischer Hinsicht scheint diese Erweiterung wie ein elastischer Heronsball wirksam zu sein. LANGER (24) hat bei der Beschreibung seines »Stadium V« eine in allen wesentlichen Punkten richtige Beschreibung der Entwicklung der Semilunar- klappen der arteriellen Ostien gegeben. — Immerhin ist aber diesem Autor ein nicht unwichtiges Detail entgangen, nimlich die Thatsache, dass sich auch der Bulbuswulst 777 an der Bildung der septalen Klappen der Pulmonalis und der linken Aorta betheiligt. — Uber das Schicksal des Bulbus giebt LANGER ebenfalls richtig an, dass dessen distaler Abschnitt zur Bildung der drei Ar- terienrohre des Truncus Verwendung findet, während sein proximaler Abschnitt in die Kammerabtheilung des Herzens einbezogen wird, aber die bei dieser Umwandlung sich abspielenden Processe wurden von ihm nicht geschildert. So macht er über das Vorhandensein und die Umgestaltung der Muskelwand des Bulbus keinerlei Angaben und scheint auf diese Verhältnisse überhaupt nicht geachtet zu haben. Nach LANGER's Auffassung kommt »die morpholo- 1 Die Erweiterung des Pulmonalisstammes und seiner beiden Aste ist be- reits BRENNER aufgefallen, welcher bei Lacerta viridis vergebens nach einem Ductus (bezw. Lig. Botalli suchte. »Von seiner Existenz im embryonalen Leben«, heißt es weiter, »giebt nur mehr Kunde ein plötzliches Absehwellen der Pulmonalarterie beiderseits an der größten Konvexität ihrer Kriimmungen nach rückwärts, wo nach Analogie mit den Schildkröten der Ductus Botalli entspringen sollte.« — BRENNER, Über das Verhalten des Nervus laryngeus in- ferior zu einigen Aortenvarietäten des Menschen und zu dem Aortensystem der durch Lungen athmenden Wirbelthiere iiberhaupt. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anat. Abth. 1883. _ Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 201 | gische Umwandlung des distalen Bulbusabschnittes in periphere Gefäße dadurch zum Ausdruck, dass dieser Abschnitt der Bulbuswiilste des histologischen Merk- ales der kardialen Natur des Bulbus verlustig wird«!. Thatsächlich spielt Bor. wie wir gesehen haben, das Verstreichen der Bulbuswülste bei diesem aber, wio vir gehe eine mehr nebensüchliche Rolle, indem vor Allem | die Rückbildung der Muskelwand des Bulbus und das Vordringen der GefiSwand des Truncuszur Umwandlung des distalen Bulbus- -abschnittes führen. Die spiralige Anordnung der Bulbuswülste lässt LANGER z. Th. durch eine Torsion des Bulbusrohres zu Stande kommen. Er schließt sich da- bei einer Ansicht an, die Boas? bei der Besprechung des Conus arteriosus der Amphibien geäußert hat. Für eine derartige Annahme sind nun bei genauer Prüfung der thatsächlichen Verhältnisse keinerlei Belege zu erbringen. Wenn —mümlieh eine Torsion der distalen Hälfte des Bulbus, — sei es des gesammten Rohres, sei es auch nur des Endokardrohres allein — stattfinden würde, so müsste unbedingt in der benachbarten proximalen Bulbushülfte eine entspre- chende Gegendrehung auftreten, die im Verlaufe der proximalen Bulbuswülste | zum Ausdruck kommen müsste. Da die distalen Bulbuswülste von distal pro- ximalwürts im Sinne des Zeigerlaufes einer Uhr »gedreht« erscheinen, so sollten die proximalen Bulbuswülste dieselbe Richtung von proximal distal- ürts aufweisen. Nun ist aber der Verlauf der letzteren diesem Drehungssinne 'ade entgegengesetzt, denn es wendet sich z. B. der proximale Bulbuswulst .4 von der ventralen auf die linke Seite der Bulbuswand. Man müsste daher konsequenter Weise auch für die »Torsion« des proximalen Bulbusabschnittes ach einer zweiten Gegentorsion suchen. — Das Absurde einer derartigen An- En, bei welcher die Vereinigung proximaler und distaler Bulbuswülste unerklirlich sein würde, ergiebt sich nun wohl von selbst. Von einer »Tor- sion< des Bulbusrohres — sei es des gesammten Rohres oder auch nur des "Endokardrohres allein — kann daher nicht gesprochen werden, da für das Be- st hen eines derartigen Vorganges keinerlei Beweise zu erbringen sind, — im Gegentheile, gewisse Thatsachen dasselbe geradezu ausschlicBen. — Die spi- p Anordnung der Bulbuswülste ist vielmehr schon in der ersten Anlage derselben zu erkennen, indem die Abspaltung sich rerüstelnder indifferenter Bindegewebszellen vom Epithelrohr les Bulbus cordis lings spiralig gegen einander verlaufender Proliferationszonen von den beiden Enden dieses Herzabschnittes gegen dessen Mitte zu fortschreitet. Uberschauen wir nun riickblickend alle die Processe, welche sieh bei der Entwicklung des Lacertilierherzens abspielen, so kónnen ir wohl sagen, dass die Gestaltung dieses Organs hauptsächlich on zwei Principien beherrseht wird. Das eine derselben ist das Princip der Arbeitstheilung. Es ist das allgemeinere, weil ı unter seinem Einflusse auch die Entstehung und Ausbildung er übrigen Organe vollzieht. Am Herzen äußert sich seine Wirk- zem e. pag. 65. 2 Boas, Über den Conus iida und die Arterienbogen der Amphibien orpholog. Jahrbuch. VII. 1882. 202 Alfred Greil 3 % samkeit zunächst darin, dass der ursprünglich einheitliche Schlauch q in einen das Blut aus dem Venensysteme aufnehmenden und einen - dasselbe in das Arteriensystem hineintreibenden Abschnitt gesondert | wird. Diese beiden Abschnitte sondern sich weiter in Unter- - abtheilungen, denen ganz bestimmte Arbeitsleistungen zu- fallen. Es wechseln Verengungen (Sinus-Vorhofsenge, Canalis auri- - cularis, proximaler, distaler Bulbusabschnitt) mit Erweiterung des Rohres | (Vorhof, Kammer, mittlerer Bulbusabschnitt), zugleich entwickeln sich — im Bereiche der ersteren Einrichtungen, welche in wirksamerer Weise — als dies am einfachen Herzschlauche der Fall war, dem Blutstrome — eine bestimmte Richtung anweisen. Es sind dies die Ventilappa- rate, die uns an der Mündung des Sinus venosus als Sinusklappen, | im Ohrkanale als Endokardkissen und im Bulbus als Bulbuswülste entgegentreten und den Rücktritt des Blutes in die von ihm bereits passirten Abschnitte des Herzens verhindern. Die Entwicklung der Endokardkissen und Bulbuswülste bringt es dann aber naturgemäß mit sich, dass die Muskelwand der Herztheile, denen sie angehören, hauptsächlich in den Dienst dieser Ventilapparate gestellt wird und | nur in geringem Grade an der Propulsion des Blutes Theil nimmt. Die Ausweitung des mittleren Abschnittes des Bulbus cordis geht allmáhlieh wieder zurück und es fallt dann der Muskelwand dieses Herztheiles, eben so wie der des Canalis auricularis, die Aufgabe zu, durch ihre Kontraktion die an ihrer Innenseite haftenden Endo- kardverdickungen (Endokardkissen, bezw. Bulbuswülste) an einander zu pressen, während der Sinus venosus, die Vorkammer- und Kam- merabtheilung des Herzens dureh die Kontraktion ihrer Muskelwand nur die Vorwürtsbewegung des Blutes besorgen. Dabei dehnen sich die beiden letzteren Abtheilungen immer mehr aus und kónnen da- her größere Blutungen auf einmal fassen und entleeren. Die übri- gen Abschnitte des Herzens passen sich durch ihre allmáhliche Er- weiterung und Vergrößerung nur der mit dem Wachsthume des Embryos zunehmenden Blutmenge an. — Die Verschiedenheit der funktionellen Beanspruchung kommt im Aufbaue der Muskelwand der einzelnen Herzabschnitte deutlich zum Ausdrucke. So entwickelt sich z. B. im Bereiche der Kammer ein dichtes, gesetzmäßig angeordnetes Trabekelgefüge, welches in typi- scher Weise an die Funktion angepasst erscheint. Die durch die Kontraktion der Muskelwand komprimirtd Blutmenge übt nun auf das plastische Material der Endo- kardbildungen, indem sie an dieselben andrängt, einen ge- k ` ne a Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete. 203 staltenden Einfluss aus. Dies führt zu einer Vervollkommnung der Ventilapparate, welche wiederum weitere Veränderungen des Bulbus und Canalis auricularis im Gefolge hat. Auf diese Weise werden die Endokardkissen des Auricularkanals zu den Atrioventri- = eularklappen, die distalen Bulbuswülste zu den Semilunarklappen = umgeformt. Diese Klappen werden durch den unter ihnen sich ge- wissermaßen fangenden Blutstrom gestellt und ihre freien Ränder gegen einander bewegt. Die Kontraktion der Muskelschicht, an welcher die Klappen haften, wirkt bei der Aneinanderlagerung ihrer freien - Ränder nur unterstützend mit. Der breite Muskelring des Canalis É auricularis wird nunmehr viel weniger beansprucht wie früher, und so kann es von der sich mächtig ausdehnenden Kammer aus zu einer Unterminirung der Muskelwand dieses Herzabschnittes kommen, welche nur mehr in einer schmalen, unmittelbar an die Vorkammer- wand anschließenden Zone als kompakter Muskelring — Auricular- - ring — erhalten bleibt, während ihr übriger, unterwühlter Abschnitt in die Kammer aufgenommen wird. Die Veränderungen, welche der Bulbus cordis erfährt, stehen zunüchst damit im Zusammenhange, dass die im proximalen Abschnitte desselben sich entwickelnden Bulbuswülste nicht zu Ventil- apparaten gestaltet werden. Dadurch verliert der Bulbus seine Ab- grenzung gegen die Kammer hin und erscheint bis an die Reihe der - distalen Wülste bezw. der Semilunarklappen als eine Fortsetzung der Kammer. Nun veründern aber die distalen Bulbuswülste im Laufe der Entwicklung ihre Lage. Sie verstreichen in ihren distalen, der Bulbustruneusgrenze benachbarten Abschnitten und verlängern sich entlang spiraliger, dem Laufe des Zeigers einer Uhr folgender Linien proximalwärts gegen die Bulbusmitte hin, woselbst sie durch die vom Truneus arteriosus her zurückprallende Blutwelle zu Klappen aus- gehöhlt werden. Mit ihnen weicht auch die Muskelwand des Herzens von der distalen Grenze des Bulbus zurück und gleichzeitig schiebt sich an ihrer Stelle das Gewebe der Truneuswand proximalwürts vor. Auf diese Weise erfährt der Truncus arteriosus eine sekundäre Ver- lingerung gegen den Bulbus cordis hin. Seine definitive, so erheb- liche Lüngenausdehnung erwirbt sich der Truncus durch das rasche -intussusceeptionelle Wachsthum seiner Wand. Schließlich endigt die . Muskelwand des Herzens in einer Zone, die etwa der Mitte des - Bulbus cordis jüngerer Embryonen entspricht, mit einem Muskelringe . — dem Bulbusringe — an welchem die Semilunarklappen haften. — Die proximal an diesem Ringe angrenzende Muskelwand wird zum Morpholog. Jahrbuch. 31. 14 204 . Alfred Greil Theil eben so wie die Wand des Canalis auricularis von der Kammer her unterwühlt und gehört dann der letzteren an. Die Kammer des ausgebildeten Herzens setzt sich also aus drei Komponenten zusammen: aus dem ursprünglichen Kammer- abschnitt des Herzens und aus den in demselben einbezogenen proxi- malen Abschnitten des Bulbus und Canalis auricularis. Sie bildet den Hauptabschnitt des Herzens und besorgt nun allein die Pro- pulsion des Blutes in das Arteriensystem hinein, während ursprüng- lich der ganze Herzschlauch diese Arbeit verrichtete. Die übrigen Herzabschnitte sorgen für die rasche und geregelte Zufuhr von Blut (Sinus venosus, Vorhof) oder funktioniren ausschließlich als Ventil- apparate (Bulbus-Aurieularring). Ist nun der Herzschlauch einmal in einzelne Abschnitte gesondert, so entstehen in diesen auch schon Einrichtungen, welche in der Phylogenese zweifelsohne zugleich mit der Lungenathmung erworben wurden. Es kommt zu einer — wenn auch noch unvollkommenen — inneren Längstheilung des Herzens, wodurch eine Scheidung des ursprünglich einfachen Kreislaufes in einen Körper- und einen Lungen- kreislauf angebahnt wird. Damit greift ein zweites Princip in die Entwicklung des Herzens ein, das Prineip der Scheidung der Kreisläufe. Von der Kuppe des Vorhofssackes aus wächst eine Scheidewand, das Septum atriorum, zwischen der Einmündung der Lungenvene und des Sinus venosus gegen den Auricularkanal herab und erreicht schließlich mit seinem freien, von einer Endokardverdickung besetzten Rand das ventrale und dorsale Endokardkissen des letzteren. Dann verwachsen die beiden Endokardkissen mit den einander zugekehrten Flächen unter einander und mit dem freien Rande des Septum atriorum. Auf diese Weise wird eine, das Ostium atrioventrieulare commune in sagittaler Richtung durchsetzende Endokardplatte ge- bildet, aus welcher durch Aushöhlung die beiden septalen Atrioventri- cularklappen entstehen. Durch diese Scheidewandbildungen erscheint nun die früher einheitliche Vorkammerabtheilung des Herzens in die beiden Vorkammern, wie sie der aus- gebildeten Form zukommen, gesondert! und die Öffnung t Die im Septum atriorum sich entwickelnden Öffnungen, durch welche . sekundär eine Kommunikation zwischen den beiden Vorkammern hergestellt wird, sind nur temporär auftretende Bildungen. Es handelt sich dabei um Einrichtungen, die in Anpassung an die Verhältnisse des embryonalen Kreis- laufes entstehen und am ausgebildeten Organe nicht mehr nachweisbar sind. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 205 des Auricularkanals, das Ostium atrioventriculare commune in das Ostium atrioventriculare dextrum und sinistrum - getheilt. Damit findet die vom venösen Ende des Herzens aus- . gehende Scheidung desselben ihren Abschluss. 1 Gleichzeitig mit der Bildung des Septum atriorum greift die Längstheilung des Herzens vom Truncus arteriosus aus durch den - Bulbus cordis hindurch — wenn auch unvollkommen — bis an den Ventrikel vor. Zwei solide, mit einander unter rechtem Winkel ver- - einigte Scheidewände, das Septum aorticopulmonale und das Septum aorticum wachsen zwischen den Ursprüngen der rechten und linken Pulmonalis- und Aortenbogen bezw. der linken Aorten- und Carotidenbogen, dem an sie anprallenden Blutstrome entgegen, proximalwärts durch das Lumen des Truneus vor und gelangen ver- hültnismáBig rasch bis an die Bulbustruncusgrenze. Daselbst dringen sie mit dem Ende ihrer konkaven Ränder in die Endokardbildungen des Bulbus (distalen Bulbuswülste Z, 777, IV) ein, welche sich längs dieser Ränder mit einander vereinigen. Auf diese Weise erhalten die aus Gefábwandgewebe bestehenden Truncussepten ganz kurze, aus Gewebe endocardialen Ursprungs bestehende Endabschnitte. In der Folge dringt nun die Gefäßwand der "Truneussepten in diese Endabschnitte hinein und gleichzeitig schreitet auch die Verwachsung der an ihrer Bildung betheiligten Bulbuswülste weiter proximalwirts vor. Mit den Truneussepten schiebt sich auch das Gewebe der übrigen Truneuswand in das distale Bulbusgebiet vor, dessen Muskelwand allmählich zurückweicht. Die Verlängerung - der Truncuswand hält also mit der Verlängerung der Truncus- Septen gleichen Schritt. Diese Processe machen nun an einer Zone des Bulbus Halt, welche dem Bulbusringe der ausgebildeten Form entspricht. So wird also nicht nur die Muskelwand des distalen Bulbusabschnittes durch das Gewebe der Truncus- wand substituirt, sondern auch das ursprünglich einheit- liehe Lumen derselben in drei Abtheilungen getheilt, das Pulmonalis- und die beiden Aortenrohre. Das erstere, von den beiden letzteren durch das Septum aorticopulmonale getrennt, führt in die beiden Pulmonalisbogen bezw. die Pulmonalarterien, von den let teren setzt sich das eine (linke) Aortenrohr in den linken Aorten- bogen, das andere (rechte) in den rechten Aortenbogen, sowie die "Üarotidenbogen fort. Die Ostien dieser Rohre, die sog. arteriellen F stien, werden durch die endocardialen Endabschnitte der beiden "Truneussepten von einander geschieden. Diese endokardialen End- 14* N TE e Minis: 206 Alfred Greil abschnitte werden nun gleichzeitig mit der Entstehung der margi- nalen Semilunarklappen an ihren Abhängen durch die regurgitirende Blutwelle ausgehöhlt, wodurch es zur Bildung der septalen Semilunar- klappen kommt. Es schließt also der Process der Scheidung des Truncus arteriosus mit der Bildung der drei arteriellen Ostien und ihrer septalen Klappen ab. | Im Bereiche des proximal ausschließenden Bulbusabschnittes, welcher in die Kammer einbezogen wird, kommt es eben so wenig ~ zur Entwicklung einer durchgreifenden Scheidewandbildung, wie in der Kammer selbst. Wohl aber kommt es zunächst im Bereiche des proximalen Bulbusabschnittes zu einer unvollkommenen Längstheilung des Rohres. Dadurch, dass die beiden proximalen, einander gegenüberliegenden Bulbuswülste 4 und B gegen die Mitte des Bulbus zu vorwachsen, und sich daselbst mit den distalen Bulbus- wülsten J und JV vereinigen, die an der Bildung des Septum aortico- pulmonale und des Septum aorticum Theil nehmen, wird das Lumen des Bulbusrohres proximal, freilich in héchst unvollkommener Weise, in zwei Abtheilungen gesondert. Durch das Vortreten dieser Wiilste werden nämlich an der proximalen Bulbuswand zwei Rinnen gebildet, von denen die eine (dorsale) in die rechte Aorta, die andere (ventrale) in die Pulmonalis und linke Aorta leitet. Nun vergrößern sich aber die proximalen Bulbuswülste nicht in dem MaBe, dass sie durch die Kontraktion der Muskelwand des Rohres so an einander gepresst werden kónnten, wie die distalen Bulbuswülste. Sie sind desshalb bei Lacerta auch wohl als Ventilapparate nicht mehr ausreichend. Doch dürfen wir annehmen, dass diese Bulbuswülste bei den Vor- fahren von Lacerta noch auf das proximale Ende des Bulbus beschránkt waren und als Ventilapparate eine wichtige Rolle spielten. Es wird nicht schwer fallen, den Beweis zu erbringen, dass die drei proxi- malen Bulbuswülste von Lacerta den Endokardwülsten entsprechen, aus denen sich, wie LANGER gezeigt hat, die proximalen Bulbus- klappen der Amphibien entwickeln. Von diesem Gesiehtspunkt aus betrachtet, scheint die Verlàngerung der Wülste 4 und B gegen die Bulbusmitte hin, ihre spiralige Anordnung, ihre Verbindung mit den distalen Bulbuswülsten darauf hin- zudeuten, dass an diesen Wülsten ein Funktionswechsel stattgefunden hat. Sie geben ihre ursprüngliche Stellung und Bedeutung als Ventilapparate auf und schicken sich an, an der Längsscheidung des Rohres Theil zu nehmen. — Während der Ein- beziehung des proximalen Bulbusabschnittes in die Kammer verflacht Li E ud P Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 207 sich der eine dieser Wülste (B), der dritte, kleinste Wulst C tritt = überhaupt nur ganz temporär auf. — Dagegen wird der proximale -Bulbuswulst A mächtiger und springt, indem sich an dem Wand- . gebiete des Bulbus, dem er linkerseits aufsitzt, die Bulbusleiste ent- wickelt, von dieser getragen, stärker in das Lumen des Bulbus vor. Da er, wie oben bereits erwähnt wurde, mit dem distalen Bulbus- _wulste 7 in Verbindung tritt, aus dem sich der Hauptsache nach der ‘endocardiale Endabschnitt des Septum aorticopulmonale entwickelt, $0 vermittelt er die Verbindung dieses Septums mit der Bulbus- und der Knickungsleiste, an deren Firste er proximal ausläuft. — Als- dann wird die unvollkommene Längstheilung des Rohres "auch auf das Gebiet der Kammer fortgesetzt. Es kommt durch die mächtigere Entwicklung und innige Verflechtung einiger an das rechte Ende der Knickungsfalte herantretender Trabekelzüge der Ventrikelabschnitt der sog. Muskelleiste zu Stande, welche ‘durch die Bulbusleiste vervollständigt wird. Der Ventrikelabschnitt der Muskelleiste ist somit onto- und wohl auch phylogenetisch ihr ji agerer Abschnitt. — Den Anschluss dieser Scheidewandanlage an das Septum aorticopulmonale vermittelt der proximale Bulbuswulst A, » welcher nachträglich z. Th. dureh Muskelgewebe substituirt wird. Da die Muskelleiste, wie wir gesehen haben, die einzige, und ‚durchaus keine vollkommene Scheidewandbildung im Bereiche der Kammer des Lacertilierherzens ist, muss trotz ihres Vorhandenseins der Kammerraum bei dieser Form morphologisch noch als einheit- lich betrachtet werden. — Die innere Längstheilung des Her- zens von Lacerta ist somit im Gebiete der Kammer unter“ brochen. Aus getrennten Vorhöfen und venösen Ostien treten in die Kammer zwei qualitativ und quantitativ verschiedene Blutströme ein, welche innerhalb derselben, unter den septalen Atrioventricular- klappen gegen einander drängen und sich vermischen können. Ein Theil des durch das rechte venöse Ostium eingetretenen Körpervenen- Dlutes wird jedoch, noch bevor diese Vermischung eintritt, in dem ‚durch die Muskelleiste unvollkommen abgesonderten ventralen Kam- lerraume aufgefangen und während der Systole durch einen eigen- ar isen Mechanismus, von dem in dem weitaus größeren dorsalen Kammerraume verbleibenden Theil des venösen Blutes abgesondert, : hes sich mit dem durch das linke Ostium atrioventriculare ein- getretenen arterialisirten Blute vermischt. Der Mechanismus, den diese Sonderung vermittelt, besteht darin, dass die der Muskelleiste -gegenüberliegende Bulbuslamelle, ein Derivat der unterminirten Bul- > é à uc. 208 Alfred Greil buswand und die in ihrer Fortsetzung gelegenen Trabekelzüge (der Spannmuskel der Lamelle) während der Systole der Kammer an die Muskelleiste angepresst werden. Dieser einfache Mechanismus ersetzt funktionell ein Ventrikelseptum, er verhindert, dass bereits arterialisirtes Blut — oder zum mindesten eine erheb-. liche Menge desselben — ein zweites Mal die Lungen passire. Dass es bei Lacerta nicht zu einer durchgreifenden Längstheilung des Herzens kommt, hängt damit zusammen, dass die Lungen dieser Form, wie aus den Untersuchungen MıtLant's! hervorgeht, noch so primitiv gebaut sind, dass sie nur einen Theil des während einer Diastole in das Herz eintretenden Körpervenenblutes zu fassen ver- mögen. Der Rest des venösen Blutes muss daher wieder durch die Körperschlagadern in den großen Kreislauf getrieben werden. Die Separirung derjenigen Blutmenge, welche in die Lungen eintreten kann, vollzieht sich nun im Bereiche der Kammer, woselbst die Scheidung des Herzens unterbrochen erscheint. Es ist einleuchtend, dass eine völlige Längstheilung des Herzens nur bei solchen Formen erfolgen kann, deren Lungen das gesammte in den rechten Vorhof einströmende Körpervenenblut zu fassen und zu arte- rialisiren im Stande sind. Der histologische Bau der aus den Endokardverdickungen des Bulbus und Canalis auricularis hervorgegangenen Bildungen. Untersucht man zunächst das Gewebe, aus welchem die sep- talen Atrioventricularklappen des ausgebildeten Herzens be- steht, so erkennt man, dass seine Grundlage von geschlängelten col- lagenen Fasern gebildet wird, welchen längliche Zellkerne anliegen. Diese Fasern verlaufen vorwiegend in dorsoventraler Richtung, parallel den freien seitlichen Rändern der Klappen. In der ventralen und dorsalen Randzone der Klappen, sowie im Bereiche der Stelle, an welcher das Vorhofsseptum mit den Klappen in Verbindung steht, sind die Fasern zu dichten Bindegewebsbündeln vereint, und breiten sich an den (ventralen und dorsalen) Insertionen der Klappen zum Theil der Fläche nach aus, indem sie in ein subepitheliales Flecht- werk collagener Fibrillen übergehen, welches die Innenseite des Myokards des gesammten Canalis auricularis-Gebietes überzieht; zum 1 MILANI, A., Beiträge zur Kenntnis der Reptilienlunge. Zool. Jahrbuch. : (Prof. SPENGEL.) I. Theil Bd. VII 1894; II. Theil Bd. X 1897. tf aS UA H # Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 209 A Theil strahlen sie — eben so wie die Fasern jenes Flechtwerkes — _ jn die Muskelwand ein, sich zwischen den Fasern derselben gewisser- maBen verankernd. Im Bereiche jener breiten, bereits bei der makro- skopischen Untersuchung (vgl. Taf. VII, 16; 36) durch ihre mächtige - Verdiekung und weißliche Färbung auffallenden mittleren Klappen- zone lösen sich die Faserzüge zu beiden Seiten der Insertion des -Vorhofsseptums in ein weitmaschiges, aus gewellten Fibrillen be- stehendes Netzwerk auf (vgl Taf. XI Fig. 5 c.F.), welches bis an den freien Klappenrand reicht und gegen die Oberfläche zu immer feiner wird. Zwischen den Fibrilen und Fibrillenbündeln dieses Netzwerkes sind zahlreiche, bläschenförmige Zellen mit großen hellen Protoplasmakórpern und blassen Kernen eingestreut (ibid. v.Z.), die an der Unterflache der Klappen, sowie an denjenigen Theilen ihrer Vorhofsoberfläche, welche den seitlichen Höckern der zur Vereinigung gelangten Endokardkissen entsprechen, besonders dicht an einander gedrängt erscheinen. Hierdurch wird auch die Gestalt der Zellen entsprechend beeinflusst. Dieselben weisen vor- wiegend rundliche, kugelfórmige oder ovale, mitunter auch spindelige F ormen auf. Auch die Form der Kerne ist vorwiegend kugelig oder ovoid, außerdem bemerkt man längliche, in der Mitte etwas einge- zogene, seltener geschrumpfte, mit zackigen Kontouren versehene, unregelmäßig geformte Kerne. Zwischen diesen Zellen lässt sich nun bei Anwendung gewisser Tinktionen (Thionin, Mucikarmin, Hämalaun, Hümatoxylin) eine schleimige Intercellularsubstanz nachweisen, welche namentlich gegen die freien Klappenränder zu besonders reichlich angehäuft ist (vgl. Taf. XI Fig. 4 G.S.). In diese Substanz sind also die collagenen Fasern bezw. Fibrillen eingebettet. Außerdem durchzieht dieselbe ein zartes elastisches Faserwerk (vgl. Taf. XI Fig. 7), welches viel engmaschiger ist als das collagene Netzwerk, mit dem es hinsichtlich seiner allgemeinen Anordnung, insbesondere aber auch hinsichtlich seines Verhaltens an den Inser- tionen der Klappen übereinstimmt. An der den Vorhöfen zugekehrten Oberfläche der Klappen bilden die elastischen Fasern ein subepithe- liales, parallel dem größeren frontalen Durchmesser des Canalis auri- eu aris verlaufendes Netzwerk, welches sich an der Insertion des Vorhofsseptums unmittelbar in die beiderseitigen subepithelialen ela- stischen Netze des letzteren fortsetzt. b — Der im Vorstehenden in Kürze skizzirte Verlauf der Fasern in den sep- im len Atrioventricularklappen ist sicherlich in Anpassung an die Funktion tstanden. Derselbe entspricht in auffälliger Weise den Richtungen der stärk- sten Beanspruehung der Klappen. Vor Allem kommen hierbei jene dichten, 910 ? Alfred Greil collagenen Faserbündel in Betracht, welche parallel dem freien Klappenrande verlaufen und sich ventral und dorsal an der Muskelwand verankern. Der Druck des während der Systole der Kammer an die Unterfläche der Klappen an- prallenden Blutes wird an den Klappen in Zug umgesetzt, welcher, dem ange- gebenen Verhalten der Fasern an der Insertionsstelle entsprechend, auf eine gri- . Bere Angriffsfliche vertheilt erscheint. Durch die übrigen, weniger zahlreichen collagenen Fasern, sowie durch das elastische Fasernetz erhalten die Klappen ihre Abscherungsfestigkeit. Die Einlagerung jener. eigenartigen, oben be- schriebenen bläschenförmigen Zellen dürfte die Rigidität der Klappen in einer . Weise erhóhen, welche einer raschen Entspannung derselben nicht hinderlich ist. Die Möglichkeit einer raschen Entspannung erscheint aber auch noch da- durch gesichert, dass die ventrale und die dorsale Randzone der Klappe nicht verdickt sind und ausschließlich aus faserigem Bindegewebe bestehen. — Diese kurzen Angaben dürften genügen, um auf die eigenthümliche, der Funktion angepasste Struktur der septalen Atrioventrieularklappen aufmerksam zu ma- chen. Ein genaueres Eingehen auf dieselben lag nicht im Plane dieser Arbeit. Der aus Gewebe endokardialen Ursprungs gebildete Abschnitt des Vor- hofsseptums, dessen Übergang in die Klappen auf Taf. VI Fig. 4 (S.at.) darge- stellt ist, besteht vorwiegend aus dichten Bündeln collagener Fasern, welche im Bereiche der ventralen und dorsalen Insertionen dieses Septumabschnittes am Myokard durch eingelagerte bläschenförmige, mit spärlicher mucoider Zwi- schensubstanz umgebene Zellen etwas aus einander gedrüngt wurden. Die partielle Verdickung der Atrioventricularklappen wird somit durch ein Gewebe bedingt, welches sich durch die bläschenförmige Gestalt der Zellen und das Vorhandensein einer mucinhaltigen Grundsubstanz auszeichnet. Es steht ohne Zweifel hóher als das gewühnliche Gallert- oder Schleimgewebe und erscheint einer Ge- websart verwandt, die SCHAFFER! bei Ammocoetes als Schleim- knorpel beschrieb. Die Zellen des letzteren sind naeh den Angaben dieses Autors Anfangs verästelt, mit faden- oder flügelfórmigen Fort- sätzen versehen, die unter einander in Verbindung stehen. Die Ober- flächenlage des Protoplasmas dieser Zellen differenzirt sich in Fibrillen, welche eben so wie die Zellen selbst, von einer schleimhaltigen Grund- substanz umgeben werden. Bei der Larvenmetamorphose des Ammo- coetes wachsen die Zellen unter Verlust ihrer protoplasmatischen Fortsátze zu typischen Knorpelzellen mit kugeligen Kernen heran. — Auch die embryonalen Vorstufen des beschriebenen Gewebes in den Atrioventrieularklappen von Lacerta sind verästelte, mit Fortsätzen versehene, indifferente Zellen, mit großen blassen Kernen, welche im Laufe der weiteren Entwicklung allmählich ihre bläschenförmige, definitive Gestalt annehmen. Eine Differenzirung des Protoplasmas 1 J. SCHAFFER, Uber das knorpelige Skelet des Ammocoetes branchialis nebst Bemerkungen über das Knorpelgewebe im Allgemeinen. Zeitschrift für wiss. Zoologie. 1896. Li - = e Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete. 211 —— dieser Zellen in collagene Fibrillen konnte ich — vorläufig — nicht - nachweisen. Letztere scheinen vielmehr von embryonalen Binde- — gewebszellen gebildet zu werden, welche dieselbe Genese und ur- : sprünglich auch dieselbe Gestalt besitzen wie die Zellen, aus welchen sich jene bläschenförmigen Elemente entwickeln, als deren Produkt die in den Klappen nachweisbare mucinhaltige Grundsubstanz an- zusehen ist. Das in Rede stehende Gewebe ist somit als eine Vorstufe des hyalinen Knorpels, eine Form des vesiculósen Stiitzgewebes im Sinne SCHAFFER's aufzufassen. | Im Bereiche des Bulbusringes bildet die Grundlage des Endo- kards ein Stratum collagener Fibrillen bezw. Fibrillenbündel und elastischer Fasern, welche sich allenthalben zwischen den Muskel- fasern des Myokards verankern. Diese Schicht bildet auch die endo- sardialen Endabschnitte des Septum aorticopulmonale (vgl. Taf. XI Fig. 2 S.ao.p.) und (z. g. Th.) des Septum aorticum, in denen die colla- ‚genen Elemente (ibid. c.f) überwiegen und zu dichten Faserbündeln vereint sind. Jenseits der distalen Grenze des Bulbusringes setzt sich dieses Stratum in das Gewebe der Truncuswand fort, indem sich die elastischen Fasern (ibid. e.F.) zu Lamellengeflechten verdichten, welche die glatten Muskelfasern (ibid. g/. M.F.) umgeben. Collagene Fasern finden sich vorwiegend in der Adventitia der Truncuswand, welche sieh proximalwürts in das subepitheliale Bindegewebsstratum des Epikards fortsetzt. Im Gebiete der Semilunarklappen zeigt das fibroelastische Gewebe in seiner Anordnung gewisse Modifikationen. Wie in den verdickten Abschnitten der Atrioventrieularklappen erweist sich das- selbe dureh Einlagerung vesieulósen Stützgewebes, das dem der Atrio- ventrieularklappen sehr ähnlich sieht, gewissermaßen aufgelockert und in eine mucoide Grundsubstanz eingebettet, welche bis zum E Klappenrande reicht. Besonders reichlich ist die letztere im Bereiche der verdickten Fundusabschnitte der Klappen vorhanden, woselbst auch die für dieses Gewebe charakteristischen, bläschen- förmigen Zellen sehr zahlreich sind. Dieselben haben im Allge- n einen eine kugelige oder eifórmige Gestalt und erscheinen nur lor, wo sie diehter an einander gedrüngt sind, indem sie sich -onscitig abplatten, von polyedrischer Form (vgl. Taf. VI Fig. 1). Gegen die freien Ränder der Klappen hin werden die Zellen spindelig, keulenfórmig oder geschwünzt und befinden sieh daher auf einer nie drigeren Differenzirungsstufe als die Zellen in den Fundusabschnitten der Klappen. i] 212 Alfred Greil Die Fibro elastica der klappenfreien Zone des Bulbusringes fasert : sich im Bereiche der Insertionen der Fundusabschnitte der Klappen - in ein zartes, dem Myokard anliegendes und in dasselbe einstrahlen- - des, sowie in ein die Substanz der Klappen durehziehendes Geflecht — (vgl. Taf. XI Fig. 3 e.F.) auf und setzt sich als kontinuirliche Schicht unter dem Epithel der Klappenoberfläche fort. An der konvexen — Seite der Klappen sind die elastischen, an der konkaven die colla- genen Fasern — im Allgemeinen — in der Überzahl. Diese Fasern strahlen vorwiegend in radiären Richtungen gegen den freien Klappen- rand zu aus, welcher seiner Länge nach von Fasern durchzogen wird, die an den Insertionsstellen in das fibröse bezw. elastische Gewebe der Truncuswand übergehen. — Denselben Bau wie die Fundus- abschnitte der Semilunarklappen weisen auch die vom Septum aortico- pulmonale, sowie der Klappe m, ausgehenden Endokardverdickungen in dem ins Ventrikelgebiet einbezogenen Abschnitt des Bulbus (Muskel- leiste, Bulbuslamelle) auf. Bemerkenswerth erscheint, dass das derbe fibröse Gewebe des endocardialen Endabschnittes des Septum aorticum nicht bis zu dem von den beiden septalen Aortenklappen besetzten Rand dieses Septums reicht, sondern sich in eine dünne schleimgewebige, von spärlichen collagenen und elastischen Fasern durchzogene Randzone fortsetzt, welche sich unmittelbar in das gleichartige Gewebe dieser Klappen fortsetzt. Diese Randzone ist bei Lacerta muralis erheblich breiter als bei Lacerta agilis. Der Umstand, dass im Septum aorti- cum eine solche verdiinnte Stelle bestehen kann, lasst darauf schlieBen, dass der Blutdruck in den beiden Aorten annähernd derselbe ist. Bei einem Exemplare von Lacerta muralis ließ sich ferner, wie bereits oben (pag. 199) erwähnt wurde, an der Vereinigungsstelle des Septum aorticopulmonale und des Septum aorticum im Niveau der freien Ränder der septalen Semilunarklappen eine kleine kugelige Knorpeleinlagerung nachweisen (vgl. Taf. XI Fig. 7), welche zwi- schen den Gefäßrohren der Pulmonalis und der beiden Aorten ihre Lage hat, mithin dem Gebiete des Truncus arteriosus angehört. Der Durchmesser dieser Einlagerung beträgt 0,1 mm. Dieselbe besteht aus einer mit Orcein, Resorein-Fuchsin, Hämalaun, Hämatoxylin- thonerde nach DELAFIELD, metachromatisch auch mit Thionin deutlich färbbaren, chondromucoiden Grundsubstanz (ibid. G.S.), welche zahl- reiche rundliche Zellen mit großen hellen Protoplasmakörpern und blassen Kernen einschließt. Einige dieser Zellen haben sich mit einer dünnen, die genannten Farbstoffe begierig aufnehmenden Kapsel H I. Beitrüge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 213 umgeben (ibid. K.K.), welche als die jüngste, zuletzt abgesonderte Zone der Grundsubstanz anzusehen ist. Gegen die Peripherie zu, woselbst die chondromucoide Grundsubstanz allmählich in die groben Bindegewebsbündel der Truneuswand übergeht (ibid. P.), werden die Zellen kleiner und nehmen spindelige Formen an. Sie zeigen hier Formen, die gewissermaßen den Übergang zu den Formen der lang- gestreckten spindeligen Zellen des umgebenden collagenen Gewebes bi den. — Es handelt sich also bei dieser Einlagerung um hyalines Knorpelgewebe mit verhältnismäßig noch spärlicher Grund- substanz, dessen Zellen zum Theil bereits zur Kapselbildung geschritten sind. Das umgebende Gewebe erscheint als ein Peri- chondrium, dessen Bindegewebszellen im Begriffe sind, sich zu rundlichen Knorpelzellen umzubilden und ihre collagene Zwischen- substanz einer chondromucoiden Umwandlung entgegenzuführen. — Dem topischen Verhalten nach zu schließen, ist die be- schriebene Bildung im Gewebe des Bulbuswulstes I bezw. in dem von diesem Bulbuswulste gebildeten Abschnitt des Septum aorticopulmonale und Septum aorticum entstanden (vgl. das pag. 199 hierüber Gesagte). b. Anguis fragilis und Tropidonotus natrix. Es wurde bereits Eingangs bemerkt, dass die Befunde, die sich beim Studium der Entwicklungsgeschichte der uns interessirenden Herzabschnitte und des Truncus arteriosus dieser beiden Species er- gaben, im Wesentlichen mit den bei Lacerta gefundenen Verhält- nissen übereinstimmen. — Insbesondere ist Anguis eine Form, die sich in dieser Hinsicht eng an Lacerta anschließt. Die Entwicklung bezw. Umbildung des Canalis auricularis, des Ventrikels und Bulbus eordis geht in völlig übereinstimmender Weise vor sich. Bemerkens- werth ist die beträchtliche Ausweitung, welche der ventrale Kam- merraum bei dieser Form erfährt, bezw. die mächtige Entwick- ung der Muskelleiste, an derem Aufbaue sich dieselben Bildungen een wie bei Lacerta. Die Sonderung des dorsalen Kam- merraumes in zwei seitliche Abtheilungen ist auch bei Anguis nur E Bei der histologischen Untersuchung der Endokardbil- dungen ergeben sich gleichfalls keine auffülligen Unterschiede. — Nu im Gebiete des Truneus arteriosus ist in so fern eine graduelle Differenz zu konstatiren, als der Sporn zwischen dem rechten Caro-- iden- und Aortenbogen etwas weiter proximalwürts vorwüchst als 914 Alfred Greil bei Lacerta und daher das gemeinschaftliche, unpaare Carotidenrohr — des Truncus (die Carotis primaria RATHKE’s) entsprechend länger M ist. Da sich das Carotidenrohr erst bei seinem Austritte aus der Perikardialhöhle in die beiden Carotides communes theilt, so kann | I bei Anguis nicht von Truncusästen gesprochen werden. ; Das Herz der Ringelnatter erweist sich dem Herzen von Anguis und Lacerta gegenüber etwas höher entwickelt und lässt | die Einriehtungen, die wir am letzteren kennen gelernt haben, be- reits wesentlich vervollkommnet erscheinen. Von dem Herzen von Lacerta unterscheidet es sich besonders auffällig durch seine für das Ophidierherz charakteristische längliche Gestalt, welche ganz der Form des Kórpers angepasst erscheint. Diese definitive äußere Gestalt des Herzens bildet sich erst in den letzten Phasen der Entwicklung aus. Untersucht man Tropi- donotus-Embryonen mit 2—3 mm Kopflange, so findet man das Or- gan ganz ähnlich geformt, wie das Herz entsprechend alter Lacerta- Embryonen. Bei solchen Embryonen wölben die geräumigen Vor- hofssäcke die dünne, ventrale Körperwand beiderseits buckelig vor und grenzen sich vom kugelig gestalteten Ventrikel durch eine an Tiefe stetig zunehmende, quergestellte Furche ab, deren Grund von der Wand des Canalis auricularis gebildet wird. Bei noch jüngeren Embryonen ist die Verlaufsrichtuug des Canalis auricularis eine dorsoventrale. Im Laufe der weiteren Entwicklung wird dieselbe jedoch durch eine Abklappung des Ventrikels in analoger Weise geändert wie bei Lacerta. Der Bulbus cordis entspringt ursprüng- lich an der rechten Seite des Auricularkanals, von diesem durch einen breiten Bulboauricularsporn getrennt, aus dem Ventrikel, wendet sich in bajonettförmig gekrümmtem Verlaufe der Medianebene zu und setzt sich distalwärts in das Wurzelgefäß der Arterienbogen, die erste Anlage des Truneus arteriosus fort. Dieses unpaare Wurzel- gefäß kommt bei Tropidonotus in größerer Ausdehnung in die cra- niale Wand der Perikardialhöhle zu liegen als bei Lacerta. Im Bulbus cordis kommen in derselben Anordnung wie bei Lacerta vier distale und — so weit es an den mir vorliegenden Ent- wieklungsstadien nachweisbar ist — zwei proximale Wülste (—IV bezw. A und B), an der Wand des Canalis auricularis vier En- dokardkissen, anfänglich zwei größere, ein ventrales und ein dor- sales, und etwas später zwei kleinere zu beiden Seiten zur Anlage. An der Innenfläche der Muskelwand des Ventrikels bildet sich, gleichfalls in analoger Weise wie bei Lacerta, ein engmaschiges Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 215 Trabekelgefüge aus, und zwar zunächst ein System von radiär an- geordneten Muskelzügen, deren Ausläufer an der ventralen und dor- salen Seite auch auf die benachbarte Zone der im Übrigen glatt- wandigen Muskelwand des Bulbus und Canalis auricularis übergreifen !, womit die Einbeziehung dieser beiden Herzabschnitte in den Ventrikel eingeleitet wird. Anfangs bilden diese Ausläufer niedrige Muskel- leisten, denen ventral und dorsal die entsprechenden proximalen Abschnitte der Endokardverdickungen (Endokardkissen, Bulbuswiilste) -aufsitzen. Im Laufe der weiteren Entwicklung entstehen in beiden Herzabschnitten zwischen den Firsten dieser Leisten quere, einander ntgegenstrebende und zu Platten sich verbreiternde Fortsätze, wo- urch die ersten Anlagen einer Bulboauricularlamelle zu Stande Sagittalschnitte durch das laterale Drittel der Knickungsfalte von Ringelnatter-Embryonen mit 2,6, 4 und 7 mm Kopflange. Vergr. 25: 1. K.F. Knickungsfalte, p.B.W.A.(B.) proximaler Bulbuswulst A (B), B.La. Bulbuslamelle, M.L. Muskel- leiste, v.K.R. ventraler Kammerraum, x Grenzfurche zwischen Ventrikel und Bulbus cordis. kommen. Diesen Vorgang soll die beistehend abgebildete Serie von drei einander entsprechenden Sagittalschnitten durch das laterale Gebiet der Knickungsfalte verschiedenalteriger Embryonen veran- schaulichen. Wie der Vergleich dieser Schnittbilder mit der Abbildung 7 er- weist, vollzieht sich der Process in analoger Weise wie an der Wand des Canalis auricularis von Lacerta-Embryonen, bei welchen an der —Kniekungsfalte des Bulbus ausschließlich durch Unterminirung der ehedem kompakten Muskelwand eine derartige Innenlamelle entsteht. Auch bei Tropidonotus wird indess die kompakte Wand des Bulbus + 1 Dieser Vorgang ist auch bei Tropidonotus (und Anguis) als etwas Se- kundäres aufzufassen. Es greifen nicht die Bildungen, welche ursprünglich nur dem Canalis auricularis angehören, auf das Gebiet des Ventrikels über, _ sondern der letztere dehnt sich auf Kosten des ersteren aus. en gr 916 Alfred Greil und des Canalis auricularis an ihrer proximalen Grenze vom Ven- | trikel her unterminirt, indem in dieselbe lakunenartige Hohlräume | eindringen, welche mit der Kammerhóhle in Kommunikation stehen. | Diese Ráume vergróBern sich stetig und dringen bis in die Mitte des Canalis aurieularis und Bulbus cordis vor, welch letzterer gleich- zeitig in seinem Längenwachsthum erheblich zurückbleibt. Zwischen | der so gesonderten Innen- und AuBenlamelle der Muskelwand bleibt ein vorwiegend in transversalen und (zur Achse des Rohres) radiüren Ebenen ausgespartes Trabekelgefüge bestehen, welches mit dem Trabekelgefüge der Kammer (s. st.) ein einheitliches Ganzes bildet. Die Vergrößerung der interlamellären Hohlräume geht mit einer Verdiehtung des Trabekelgefüges einher und erfolgt vorwiegend, ent- sprechend der durch die Kórperform bedingten Gestalt des Herzens, parallel seiner Längsrichtung. Gleichzeitig und im Zusammenhang mit der Bildung dieser Räume wölbt sich die Außenlamelle der Wand des in den Ventrikel einbezogenen Canalis auricularis mehr gegen die Vorhöfe zu vor als bei Lacerta. So kommt es, dass dem Sulcus atrioventricularis der Oberfläche des Herzens eine, tief zwi- schen die Muskelwand der Vorhöfe und der Kammer eingreifende, von Bindegewebe ausgefüllte Spalte entspricht, deren Wandung trichter- formig gegen die Ostia venosa zu abfällt. Die Ostia venosa selbst umschließt der aus der kompakt erhalten gebliebenen, also nicht unterminirten distalen Hälfte (approximativ angegeben) des Canalis auricularis entstandene Auricularring. — Dieser Muskelring liegt sammt einer angrenzenden Zone der Vorhofswand proximal von der Ebene des Sulcus atrioventricularis, also scheinbar bereits im Ge- biete der Kammer. Die linke Wand des Canalis auricularis wird, wie bei Lacerta, nur im Bereiche einer ganz schmalen, an den Auricularring angren- zenden Zone unterminirt. Ihr proximaler Abschnitt aber geht voll- ständig in der Ventrikelwand auf. Im weiteren Verlaufe der Ent- wicklung wölbt sie sich mit dieser sehr beträchtlich nach außen hin vor. Dadurch entsteht jene, für das Schlangenherz so charakteri- stische (vgl. Taf. X Fig. 1) blindsackartige Ausladung der Kammer- basis nach links und eranialwärts. Durch sie ist auch die schiefe Stellung der venósen Ostien bedingt, deren Ebene mit der Trans- versalen einen nach links hin offenen spitzen Winkel bildet (vgl. Taf. VII, 40, 41). Bei Anguis fragilis erscheint dieses Verhalten der Kammer- basis und der venösen Ostien nur angedeutet. Wir erblicken in ihm auch wieder nur eine Anpassung an die allgemeine id æ P 4 Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete. 217 _ Kórperform, welche eine ausgiebige Breitenausdehnung der Perikardialhöhle nicht gestattet. Auf dieselben Umstände ist es wohl auch zurückzuführen, dass der Unterminirungsprocess an der rechten und dorsalen Wand des Bulbus cordis bei Tropidonotus noch etwas weiter distalwärts vorgreift als bei Lacerta und daher im ausgebildeten Zustande die marginalen Klappen der beiden Aortenostien mit ihren Fundusabschnitten an der so entstandenen Bulbuslamelle haften (vgl. Taf. VII, 87—39; 41, 39). In diesem Ge- biete geht daher die unterminirte Wand der in den Ventrikel ein- bezogenen proximalen Bulbushälfte (approximativ angegeben) an- scheinend unmittelbar in die Gefäßwand des Truncus arteriosus über, an welch letzterer, wie bei Lacerta, zum Theil die arteriellen Klappen haften. Nur ventral (vgl. Taf. VII, 27—30; 48), sowie im Bereiche des am ausgebildeten Herzen etwas schief von links ventral nach rechts dorsal eingestellten Bulboauricularsporns (vgl. Taf. VII, 24, 40; 51) — bleibt die Muskelwand des Bulbus cordis in ihrer ursprünglichen kompakten Beschaffenheit erhalten. Ein deutlich gesonderter kom- pleter Bulbusring ist demnach am ausgebildeten Herzen der Ringel- natter nicht nachweisbar. Dagegen ist der kompakte aus der Bul- buswand entstandene Bezirk der ventralen Kammerwand von an- sehnlicher Ausdehnung. Die Unterminirung der Muskelwand erfolgt wie bei Lacerta im Gebiete des Bulbus eordis und des Canalis aurieularis vollkommen einheitlich und hält gleichen Schritt mit dem Zurückweichen des anfänglich im Niveau der proximalen Bulbusgrenze befindlichen Bulboaurieularsporns. Es erscheint daher die Bulboauricular- lamelle stets als eine einheitliche Bildung. Diese Lamelle hat an der ventralen und dorsalen Wand eine Breitenausdehnung, welche etwa dem vierten Theile der Längenausdehnung der Kammer ent- spricht (vgl. Taf. VII, 36—40; 49). Sie steht mit den centralen Muskelzügen des radiären Trabekelsystems der Kammer von vorn herein in unmittelbarer Verbindung (vgl. Fig. 23 C.aur.d.; r.T.S.) und ckt um so weiter ins Innere der Kammer, als die corticale La- melle sich nach außen vorwölbt. Ventral geht die Innenlamelle continuirlich in den kompakt gebliebenen, nicht unterminirten Ab- schnitt der Bulbus- bezw. nachherigen Kammerwand über, dessen ‚ängenausdehnung annähernd der Länge des in den Ventrikel auf- genommenen Bulbusabschnittes entspricht (vgl. Taf. VIT, 27—30; 48, 49). Die linke Wand des Canalis auricularis wird, wie bereits er- wähnt, nur in ganz geringer Breite unterminirt; der entsprechende 318 Alfred Greil Abschnitt der Innenlamelle erscheint wie bei Lacerta als schmaler Saum einer Falte, welche vom Auricularring und der Corticalis der Kammerwand gebildet wird und als äußere Atrioventricularklappe des Ostium venosum sinistrum fungirt (vgl. Taf. VII, 40; 38). Die Bulboauricularlamelle erweist sich daher im Bereiche des kompakten ee ee Abschnittes der Kammerwand sowie linkerseits verschmälert und lässt sich daher in einen breiten ventralen und rechten dorsalen Abschnitt sondern (vgl. Taf. VII, 26, 27; 50, 49). Der letztere endigt rechterseits apikalwärts mit freiem Rande (vgl. Taf. VIT, 37—40; 49), dorsal, unterhalb des Bulboauricularsporns, treten an die Bulboauri- cularlamelle einige starke Muskelzüge des radiären Trabekelsystems der Kammer, welche sich deutlich von den übrigen Elementen dieses Systems sondern lassen (vgl. Taf. VII, 41, 40; 56, 49) und als Spann- muskel der Lamelle fungiren. Diese Muskelzüge setzen sich in den Bulbusabschnitt der Lamelle fort und strahlen zum großen Theil in. bogenförmigem Verlaufe in die Corticalis der rechten Kammerwand ein (vgl. Taf. VII, 34, 41; 56, 49; die Ebene des Schnittes 34 ist im Schnittbilde 20 mit y-d bezeichnet). Auffällig erscheint ferner, dass in dem Trabekelgefüge, welches den rechten Abschnitt der Bulbo- auricularlamelle mit der Corticalis der Kammer verbindet, eine par- tielle Verdichtung eintritt (vgl. Fig. VII, 25, 26; 59). Dadurch wird am Tropidonotusherzen eine — wenn auch noch ganz unvoll- kommene — Scheidung des zwischen der Lamelle und der Corticalis befindlichen peripheren Kammerhohlraumes, welcher bei Lacerta noch vollkommen einheitlich ist (vgl. Taf. VII, 5—7), in einen rechten und linken Abschnitt angebahnt. Der rechte dorsale Abschnitt der Bulboaurieularlamelle wendet dem centralen trabekelfreien Kammerraume eine konkave Oberfläche zu. An der Ventralseite hingegen hat der Unterminirungsprocess eine Einfaltung der Bulbuswand zu passiren, welche der (proximalen) Knickungsfalte des Bulbus von Lacerta entspricht und sich in distaler Richtung von der ventralen auf die linke Bulbuswand fortsetzt, an welcher sie gegen die ursprüngliche Mitte dieses Herzabschnittes zu verstreicht. Diese Falte ist vom proximalen Bulbuswulste A besetzt, der im Bereiche der Bulbusmitte mit dem distalen Bulbuswulste Z in Verbindung tritt, welch letzterer sich in analoger Weise wie bei Lacerta an der Bildung des Septum aorticopulmonale betheiligt. Rechterseits laufen an der Falte einige Elemente des radiären Tra- bekelsystems der Kammer als niedrige Leisten aus, deren Verhalten bereits oben besprochen wurde. — Es bildet daher auch die Innen- LI » - entsprechend dem Firste der . ursprünglichen Falte — der . Bulbuswulst A zum Septum aorticopulmonale emporzieht, während nach rechts hin jene, sich immer mehr ver- = dicehtenden Elemente des ra- dGiüren Trabekelsystems die Fortsetzung bilden. An die- ser Kante verstärkt sich die Muskelwand durch Ausbil- dung von Muskelfasern, welche in der Verlingerung des rechterseits an dieselbe = herantretenden Trabekel- zuges gegen das Septum . aortieopulmonale empor- ziehen und das proximale Ende dieser Seheidewand, sowie den proximalen Bul- buswulst A allmählich sub- Stituiren. Alsbald tritt ven- tral von der Kante jenes "Vorsprunges an der Innen- lamelle eine quere Durch- brechung ein (vgl. Fig. 25 c mit beistehender Abbildung, an welcher die Durchbruch- stelle punktirt angegeben ist) und gleichzeitig bildet sich unterhalb derselben im peri- pheren intertrabekulären Hohlraumsystem der Kam- mer eine fast bis zur Herz- spitze hinabreichende Lücke, welche durch eine partielle M Morpholog. Jahrbuch. 31. — Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 219 — lamelle der unterminirten ventralen Bulbuswand einen der freien Kammerhóhle zugekehrten Vorsprung, an dessen Kante — Fig. 26. ipo. Gld. thyr. y JAO Wi Y -FRÄOR. d p5-—2. Ats pyy- Str EH... S.at- » EN Nb" Atd-- 5 /: U BY -B)--240R CHEF MSIE 3; Aur R. 4 SET Mo rEK- Baa o ví D. GA. Auria 1 Zaursp r.EK al 4) ML. v. AR. Medianer Sagittalschnitt durch das Herz eines Tropido- notus-Embryos von 7 mm Kopflänge. Vergr. 25:1. At.s.(d.) Atrium sinistrum (dextrum), Aur.R. Auricularring, Aur.L.z, Auricularlamelle, B.R. Bulbusring, B.aur.Sp. Bulboauricularsporn, Gld.thyr. Glandula thyreoidea, d.(v.)K.R. dorsaler (ventraler) Kammerraum, L.Pl. Lymphplexus, mz marginale Klappe der linken Aorta, M.L. Muskelleiste, P.,r.(l.)Ao.R. Pulmonalis, rechtes (linkes) Aortenrohr, r.T.Z. radiäre Trabekelzüge, r.E.K. rechtes Endokardkissen, S2, $3 Septale Klappe der linken und rechten Aorta. n rdichtung des umgebenden Trabekelgefüges von dem übrigen dorsal gelegenen Kammerraume abgesondert wird. So setzt sich 15 920 Alfred Greil aus verschiedenen Komponenten eine am ausgewach- senen Herzen ganz einheitlich erscheinende Scheidewand- anlage zusammen, welche der Muskelleiste des Lacertilier- herzens entspricht und sich von dieser nur durch ihre Dimensionen unterscheidet. Vor Allem erscheint es bemerkenswerth, dass die Leiste in Folge der ausgedehnten Substitution des Endokardgewebes der vereinigten Bulbuswülste A+I durch das Myokard distalwärts bis zu den Fundusabschnitten der am proximalen Ende des Septum aorticopulmonale sich entwickelnden septalen Semilunarklappen reicht (vgl. Taf. VII, 37, 54, 22, 44). Es entspringen also gewissermaßen an diesem Septum die Muskelfasern der Leiste, deren Insertion an der Kammerwand längs einer Linie erfolgt, welche zwischen den Ostien der Pulmonalis und der rechten Aorta beginnend, annähernd parallel dem linken Herzrande gegen den rechten Herzrand hinzieht, den sie nahe der abgerundeten Spitze des Herzens kreuzt, um an der dorsalen Kammerwand bis zur Grenze des mittleren und basalen Kammer- drittels emporzusteigen. An diesem Ende der Insertionslinie beginnt der freie Rand der Muskelleiste. Er wendet sich von hier aus in leichtem, nach rechts hin konkaven Bogen ventralwärts und lässt sich bis an die Stelle heran verfolgen, wo sich das Septum aortico- pulmonale zwischen dem Ostium der Arteria pulmonalis und der linken Aorta am Bulbusringe inserirt. Hier geht dann, wie schon mehrfach erwähnt wurde, die Muskelleiste in das Septum aortico- pulmonale über. — Auf Querschnitten durch das apicale Drittel der Kammer erscheint die Muskelleiste somit nahezu sagittal eingestellt (vgl. Taf. VII, 31—33; 54), im mittleren-Kammerdrittel verläuft sie schief von links ventral, nach rechts dorsal (vgl. Taf. VII, 30—28; 54) und gegen die Kammerbasis zu biegt sie sich der Flache nach ventralwärts um (vgl. Taf. VII, 27, 26; 54), worauf der Übergang ins Septum aorticopulmonale (vgl. Taf. VII, 25; 25) erfolgt. Der Ursprung dieses aus der Wand des Bulbus cordis entstandenen Ab- schnittes der Muskelleiste ist an der äußeren Oberfläche der Kammer durch eine seichte Einfurchung gekennzeichnet (vgl. Taf. VII, 26—29) — dem ventralen Ausläufer der Bulboauricularfurche (Taf. VII, 27; 33) — welche das nicht unterminirte Gebiet der in den Ventrikel einbezogenen Bulbuswand von der linken Seite her begrenzt. Auf dem.Längsschnitte 35, dessen Ebene im Querschnittsbilde 26 der- selben Tafel mit «— 8 bezeichnet ist, erscheint der in Rede stehende Bulbusabschnitt der Muskelleiste der Fläche nach getroffen. Sie erweist sich hier aus dichtgefügten, zum Septum aorticopulmonale er Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 221 emporziehenden Muskelzügen zusammengesetzt. Proximal- bezw. . apiealwürts lösen sich die letzteren in einzelne Muskelbündel auf, — welche längs der vorhin erwähnten Linie an die Corticalis der Kam- E merwand treten und zwischen sich kleinere und größere Lücken lassen [vgl. Taf. VII, 35, an welchem Schnitte am apicalen Ende der Muskelleiste (54) zwischen dem dorsalen (9) und ventralen Kammer- raum (11) einige größere Lücken getroffen sind], durch welche — wenigstens während der Diastole — der durch die Muskelleiste unvollkommen abgesonderte ventrale Kammerraum mit dem übrigen dorsalen Abschnitt der Kammerhöhle in Kommunikation steht. Die wichtigste Kommunikation zwischen diesen beiden Kammer- räumen ist jedoch jene Spalte, welche während der Diastole zwischen dem freien Rande der Muskelleiste und dem gegenüberliegenden rechten dorsalen Abschnitt der Bulboauricularlamelle besteht (vgl. Taf. VII, 26, 27; 37—39, zwischen 49 und 54, sowie Taf. X Fig. 1 - B.La., +, M.L.!). Durch diese Spalte tritt wie bei Lacerta venöses Blut aus dem dorsalen in den ventralen Kammerraum ein und wird alsdann durch die systolische Kontraktion in die Pulmonalarterie getrieben. Hierbei lagert sich die Bulboauricularlamelle — speciell der Bulbusabschnitt derselben — an die Muskelleiste an, wodurch jene Kommunikation zwischen den beiden Kammerräumen unter- -brochen wird. Bei diesem Vorgange kommt in erster Linie die aktive Kontraktion dieses, die Muskelleiste zwingenförmig umgebenden Ab- schnittes der Lamelle in Betracht, welcher ventral unmittelbar in dem kompakt erhalten gebliebenen Theil der in das Kammergebiet einbezogenen Wand des Bulbus cordis übergeht. Die Lamelle ist hier mit der gegenüberliegenden Corticalis durch zahlreiche Trabekel in Verbindung (vgl. Taf. VII, 26) und gewinnt dorsal durch ihre Be- ziehungen zu einigen Elementen des radiären Trabekelsystems (vgl. Taf. VII, 34, 40, 41; 49, 56) weitere Angriffspunkte. Aus den ana- tomischen Verhältnissen ist ferner zu deduciren, dass auch eine passive Anlagerung oder zum mindesten Näherung der Bulboauri- arlamelle an die Muskelleiste stattfindet und beim Abschluss des ventralen Kammerraumes unterstützend mitwirkt. Es wurde bereits oben erwähnt, dass die Lamelle gegenüber der Muskelleiste mit freiem Rande endige (vgl. Taf. VII, 36—40; 49) und daselbst von der Corticalis etwas isolirt ist. Dadurch entsteht zwischen der Lamelle = 1 Das auf dieser Tafel abgebildete Herz einer Boa constrictor stimmt be- züglich dieser Verhältnisse ganz mit dem Herzen von Tropidonotus überein. : 15* 222 Alfred Greil und der Corticalis ein trabekelfreier Raum, in welchem sich das während der Diastole eingetretene venöse Blut gewissermaßen fängt. Die hier befindliche Blutmenge muss nun, sobald sie durch die systolische Kontraktion der Corticalis komprimirt wird, an die Bulbuslamelle andrängen und dieselbe gegen die Muskelleiste be- wegen. Auch dem etwas umgebogenen freien Rande der Muskel- leiste scheint eine derartige, wenn auch ganz geringgradige Beweg- lichkeit eigen zu sein. In Schnitten wie der Taf. VIT, 38 abgebildete, gewinnt man den Eindruck, dass die freien Ränder der Muskelleiste und der Bulbuslamelle durch die während der Systole komprimirte, gleichsam unter ihnen sich fangende Blutmenge an einander gepresst, sozusagen wie Klappen gestellt werden müssen. Der dorsal an der Muskelleiste befindliche Kammerraum (vgl. Taf. VII, 27; 8) ist auch bei Tropidonotus bei Weitem umfangreicher als der ventrale Kammerraum. Er empfängt durch die beiden Ostia atrioventrieularia (vgl. Taf. VII, 40, 41; 17, 18) die gesammte, das Herz passirende Blutmenge und entleert den während der Systole in ihm verbleibenden Theil derselben durch die aus ihm entspringenden beiden Aorten in den großen Kreislauf. Die unterhalb der rechten septalen Atrioventricularklappe befindlichen Elemente des radiären Trabekelsystems treten bei Tropidonotus viel weiter gegen den tra- bekelfreien centralen Kammerraum vor (vgl. Taf. VII, 35, 40, 41, 28, 29; 58), so dass die Sonderung des dorsalen Kammerraumes in eine kleinere rechte und größere linke Abtheilung (ibid. 9, 10) deutlicher zum Ausdruck kommt als bei Lacerta. Dass bei Tropidonotus auch an der rechten dorsalen Seite der Kammerbasis, im Bereiche der unterminirten Wand des Bulbus und Canalis auricularis eine partielle Verdichtung des Trabekelgefüges stattfindet, also eine Scheidewand im Entstehen begriffen ist, wurde bereits erwähnt (vgl. Taf. VII, 25, 26; 59). Die rechte der auf diese Weise gesonderten Abtheilungen gehört dem ventralen, die linke dem dorsalen Kammerraume an. Die Zweitheilung des anfänglich einheitlichen Lumens des Canalis auricularis — des Ostium atrioventrieulare commune - — erfolgt wie bei Lacerta durch die Vereinigung des dorsalen und ventralen Endokardkissens, welehe längs des freien, von einer Endo- kardverdickung besetzten Randes der Vorhofsscheidewand in der Mitte der Endokardkissen ihren Anfang nimmt und von da nach ihren seitlichen Enden fortschreitet. Auch die Aushöhlung der so entstandenen Endokardplatte voilzieht sich in ganz analoger Weise, Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 223 wobei das Septum atriorum eine ansehnliche endokardiale Verlängerung — erfährt (vgl. Taf. VII, 40, [41]; 23, 231). Die Insertion dieser Scheide- - wand theilt die Endokardplatte in einen etwas größeren rechten und kleineren linken Abschnitt, die beiden septalen Atrioventricularklappen. Auch am ausgebildeten Herzen ist die rechte Klappe etwas größer als die linke, wie denn auch das Ostium atrioventriculare dextrum das Ostium atrioventrieulare sinistrum an Umfang iibertrifft. - . Das plastische, aus verzweigten, mit einander anastomosirenden indifferenten Bindegewebszellen bestehende Gewebe der vereinigten Endokardkissen differenzirt sich bei der Ausgestaltung der aus den- selben hervorgehenden septalen Atrioventrieularklappen in ähnlicher Weise wie bei Lacerta. Die Grundlage dieser Klappen wird von gewellten collagenen Faserbündeln gebildet, welche sich zu einem dichten Stratum vereinigen. An der dem Ventrikel zuge- kehrten Seite dieses Stratums entwickeln sich im Bereiche einer breiten mittleren Zone jene großen vesiculösen, zum Theil auch spindel- fórmigen und verästelten, mit blassen Kernen versehenen Zellen, zwischen welchen sich eine mit Mucikarmin, Thionin und Hämatoxylin tingirbare schleimige Intercellular- oder Grundsubstanz ansammelt. In dieser Substanz lässt sich ein feines Netzwerk collagener Fasern nachweisen, welches sich gegen das oberflüchliche Stratum zu ver- dichtet. Während bei Lacerta die vesiculösen Zellen zwischen den fibrósen Zügen der Klappen gewissermaßen eingestreut sind und so eine gleichmäßige Verdickung der Klappensubstanz bewirken, lagert sich bei Tropidonotus das Schleimgewebe an der Unterseite der fibrö- sen Klappenplatte ab, und zwar im Bereiche einer breiten mittleren Zone der beiden Klappen. Die ventrale und dorsale Insertionszone der Klappen ist dagegen wie bei Lacerta ausschlieBlich fibrós und erscheint daher verdünnt (vgl. Taf. VII, 40; 35). Auch im Bereiche jener mittleren Zone ist das Schleimgewebe an einer Stelle, nàmlich unterhalb der Insertion des Septum atriorum, etwas spärlicher ent- wickelt. Dadurch kommt es an der Unterfläche derselben zur Bildung einer, dem kleineren sagittalen Durchmesser des Auricularkanals parallelen Einfurchung (vgl. Taf. VIT, 41; 36). So können sich die beiden Klappen während der Diastole unbehindert, wie die Blättchen eines Elektroskopes gegen einander bewegen. Gegen die freien ] Minder zu sind die Klappen wulstfórmig und viel erheblicher ver- diekt als bei Lacerta. — Auch der sonst fibröse endokardiale End- abschnitt des Septum atriorum verdickt sich am Ubergange in die -Septalen Atrioventrieularklappen durch Differenzirung von Schleim- 224 Alfred Greil gewebe. — Die unansehnlichen seitlichen Endokardkissen behalten ihre ursprüngliche Form auch in älteren Entwicklungsstadien nahezu unverändert bei. Sie wandeln sich in zwei schleimgewebige, von zahlreichen collagenen Fasern durchzogene Verdiekungen des Endo- cardiums um, welche zu beiden Seiten an der Innenfläche des Auri- cularringes vortreten und die ganze Breite desselben einnehmen. Hinsichtlich der Art und Weise wie die distale Bulbushälfte (approximativ angegeben) in einen proximalen Truncusabschnitt um- gewandelt wird, haben die für Lacerta gemachten Angaben auch für Tropidonotus Geltung. Auch die Septirung des Truncus arteriosus und der angrenzenden Zone des Bulbus cordis erfolgt bei Tropi- donotus in ganz analoger Weise wie bei Lacerta. Auch hinsichtlich der Anordnung und des Verlaufs der distalen Bulbuswülste, der Entwicklung und Stellung der Semilunarklappen ergeben sich bei beiden Formen ganz ähnliche Befunde. Erwähnenswerth ist, dass die Bulbuswülste bei Tropidonotus nicht so isolirt an der Muskelwand vortreten wie bei Lacerta, sondern als circumscripte Erhebungen einer ringförmig verdickten Endokardschicht erscheinen. — Die Nischen der Semilunarklappen sind bei Tropidonotus etwas tiefer, ihre Fundusabschnitte weniger verdickt als bei Lacerta. In diesen Abschnitten enthält die Klappensubstanz reichlich Schleim- gewebe mit vesiculösen, meist spindelig gestalteten Zellen. Die An- ordnung der collagenen und elastischen Fasern ist ähnlich wie bei Lacerta. — An der ventralen Insertion des Septum aorticopul- monale kommt im Gebiete der Klappenzone eine knorpelige Ein- lagerung zur Entwicklung, welche einen ganz analogen Bau aufweist wie die in der septalen Wand des Truncus arteriosus von Lacerta muralis nachgewiesene Knorpelinsel. — Sie misst etwa 50 u im Durchmesser und ist eben so wie diese als das Derivat eines kleinen Theiles des endocardialen Gewebes der Bulbuswand aufzufassen. Auffallend erscheint auch bei Tropidonotus das rasche (intussus- ceptionelle) Längenwachsthum des Truncus arteriosus, welches gleich nach dem Einwachsen des Gefäßwandgewebes in das Bulbus- gebiet beginnt. Das Wurzelgefäß der Arterienbogen, von welchem aus dieses Einwachsen erfolgt, bildet bei der ausgewachsenen Form nur einen verschwindend kleinen distalen Abschnitt des Truncus, DEN PER fat welcher durch eine mediane Längstheilung gegabelt erscheint. Auch der zwischen den Ursprüngen der rechten Carotiden- und Aortenbogen ausgewachsene Sporn, das Septum caroticoaorticum dextrum bleibt ganz auf das distale Truncusgebiet beschränkt, greift aber etwas Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 225 weiter vor als die mediane Längstheilung. So kommt es zur Aus- bildung eines gemeinschaftlichen medianen Wurzelgefäßes für die beiden Carotides communes, welches RATHKE (13) als Carotis primaria bezeichnete. Derselbe Autor citirt auch einen von DUVERNOY beob- aehteten Fall, in welchem die beiden Carotides communes dicht neben einander aus der rechten Aortenwurzel entsprangen. Diese Varietiit seheint mir dureh eine weiter als normal fortgesetzte Lüngstheilung der Carotis primaria zu Stande gekommen zu sein. Anfänglich wachsen auch bei Tropidonotus die einzelnen, zwischen den Ursprüngen der Arterienbogen aus dem Truncus befindlichen Sporne als solide Scheidewände proximalwärts vor. Bei der später erfolgenden Differenzirung der Truneuswand, in welch letzterer glatte Muskelfasern verhältnismäßig spärlich zur Entwicklung kommen, dagegen die elastischen Elemente dichte Lamellen und Netze bilden, kommt es aber dann auch ganz ähnlich wie bei Lacerta zu einer Längsspaltung der Septen. — Dadurch erhalten alle drei Arterien- rohre des Truncus allenthalben selbständige Wandungen und werden . nur noch durch das Bindegewebe der Advenditia und den gemein- - samen Perikardialüberzug zusammengehalten. Insbesondere ist auch bei Tropidonotus die Verbindung zwischen der Pulmonalis und den beiden Aorten (vgl. Taf. VII, 22; 3, 4, 21) eine sehr lockere, so dass diese Gefäße präparatorisch leicht von einander getrennt werden können. Es repräsentirt also auch den Truneus arteriosus von Tropidonotus ein aus drei Arterienrohren bestehendes ` Gefäßbündel. Von den beiden Aortenrohren des Truncus besitzt bei Tropi- donotus — im Gegensatze zu Lacerta — das linke ein größeres Kaliber als das rechte (vgl. Taf. VII, 22, 23; 4, 3). Das Pulmonalis- rohr und dessen rechtsseitige Fortsetzung — Tropidonotus besitzt be- kanntlich nur eine rechte Lunge — erweisen sich bis zum Abgange des Ligamentum Botalli erheblich erweitert. Auch der linke Pul- monalisbogen bleibt in seinem proximalen Abschnitte — entsprechend . - dem Wurzelgefäße der fünften und sechsten Bogen — eine Strecke - weit wegsam und bildet den sogenannten Pulmonalisblindsack (Hocn- —STETTER, 26) der ausgebildeten Form. Was die Beziehungen des Truncus arteriosus zur Peri- kardialhöhle anbelangt, so ist zu bemerken, dass sein distales Ende bei Tropidonotus nicht vollständig intraperikardial liegt, wie dies bei > Lacerta der Fall ist. An seiner eranialen Wand lagert dort, wo die großen Arterien aus einander weichen, ein mächtiger Lymphplexus 226. Alfred Greil (vgl. Fig. 26 L.PL), der ventral und dorsal unmittelbar an die Um- schlagsstellen des Pericardiums angrenzt und dieselben aus einander gedrängt hat. Bei Lacerta (vgl. Fig. 22) ist ein solcher Lymphplexus (Z.Pl.) aueh vorhanden, doch befindet er sich in einiger Entfernung vom Truncus arteriosus, dessen craniale Wand durch eine Perikardial- duplikatur mit.der Wand des Herzbeutels in Verbindung steht. Nach den Angaben Panizza’s! entsteht dieser Lymphplexus bei Tropidonotus dureh die Vereinigung des linken Ductus thoracicus mit den Lymphgefäßen der Lunge, in welche der rechte Ductus thoracicus einmündet, sowie mit jener des Halses. Er kommunicirt dureh verschiedene Offnungen mit der Vena cava anterior. Über die Entwicklung des Herzens sowie des Truneus arteriosus von Tropidonotus liegen in der Litteratur zunüchst die Angaben vor, welche RATHKE in seiner Entwicklungsgeschichte der Natter? niedergelegt hat. In dieser Ar- beit findet sich Alles, was bei Lupenvergrößerung und ohne Anwendung der Mikrotomtechnik festzustellen ist, also insbesondere die Entwicklung der äußeren Gestalt sowie der allgemeineren Verhältnisse des Herzinneren im Wesentlichen richtig beschrieben. RATHKE unterscheidet am embryonalen Herzen drei Ab- theilungen: die Vorkammern, den Ventrikel und das Fretum (Bulbus cordis der neueren Nomenklatur), welches sich unmittelbar in die Schlund- oder Kiemen- gefaBbogen fortsetzen soll. Ein Canalis auricularis wird nicht als selbständiger Herzabschnitt unterschieden, wohl aber die bedeutende zwischen der Kammer- und Vorkammerabtheilung eingreifende Einschnürung erwähnt. Im Ventrikel bemerkt RATHKE zur Zeit des Durchbruches der Schlundspalten das Vortreten von ringförmig, längs und schief verlaufenden Muskelfasern, welche sich an der Konvexität desselben zu leistenartigen Vorsprüngen vergrößern. Diese Stränge, etwa zwanzig an der Zahl, konvergiren gegen zwei, an den beiden längeren Seiten der Ventrikelwand neben der venösen Öffnung derselben ent- . standenen Verdickungen der inneren Haut der Herzwand hin. Corticalwärts verzweigen sich die Stránge immer reichlicher und verbinden sich zu einem schwammigen Netzwerk. Aus einem derselben, welcher an der oberen Wand der Herzkammer von hinten nach vorn gegen das Fretum verliuft und sich nicht verzweigt, sondern einfach bleibt, bildet sich die Muskelleiste. — Die Vereinigung der beiden Endokardverdickungen an der Basis der Kammer er- folgt nach RATHKE’s Darstellung selbständig durch Bildung einer Verbindungs- brücke zwischen beiden, welche gegen den Vorhof zu sich verlüngert und als Klappe des eirunden Loches der Vorkammerscheidewand fungirt. Die Ent- stehung der (septalen) Atrioventricularklappen aus dem übrigen Material der Endokardverdickungen wird im Allgemeinen richtig beschrieben. Das anfünglich sehr lange, in seiner Mitte etwas erweiterte, spiralig ver- laufende Fretum bleibt nach RATHKE in seinem weiteren Wachsthume etwas hinter dem Ventrikel zurück, wird relativ kürzer und enger. An der Stelle, wo sich dasselbe in die Schlund- oder Kiemengefäßbogen theilen will, im Ge- 1 PANIZZA, B., Sopra il Sistema linfätico dei Rettili. Pavia 1833. ? RATHEE, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839. * E Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 227 -biete des Bulbus aortae — einen besonderen Truncus arteriosus unterscheidet = RATHKE nicht — entstehen an der Innenfläche desselben drei längliche Wiilste, welche das Lumen kleeblattförmig einengen. (Das Vorhandensein des vierten distalen Wulstes, sowie der proximalen Bulbuswülste entging RATHKE.) Der ‚durch diese Bildungen etwas verdickte distale Abschnitt des Fretums wird als -Herzzwiebel bezeichnet. Durch einen Resorptionsprocess wird der übrige (proxi- male) Abschnitt des Fretums derart verkürzt, dass er schließlich ganz ver- schwindet und die Herzzwiebel als ein unmittelbarer Fortsatz des Ventrikels erscheint. Die gegenseitige Vereinigung der an ihrer Innenfliche vorspringen- den Wülste hat zur Folge, dass dieselbe in drei Kanäle getheilt wird, welche ein wenig spiralfórmig um einander gedreht sind. Diese Scheidewünde be- ; stehen Anfangs aus einem weichen, schleimstoffigen Gewebe, welches von einer * häutig muskulösen Außenschicht umgeben ist. Alsbald wird es jedoch fester, muskelartig und bildet sich zu einer wahren Arterienwand aus, während die äußere Herzmuskelschicht allmählich erweicht und zum Theile auch aufgelöst wird. »Gleichzeitig entfernt sich wie das ganze Herz so auch die Herzzwiebel i immer weiter von dem unteren Ende der ursprünglichen Schlundgefäßbogen -— und es wird dabei zwischen diesem und jener ein Theil gleichsam ausgesponnen, 1 der den Schein eines etwas abgeplatteten gemeinschaftlichen Stammes für die — erwähnten Gefäßbogen annimmt und mit der Zeit eine ansehnliche Dicke und solche Länge erhält, dass es schon um die Mitte der dritten Entwicklungsperiode - der Lünge des Herzens ungefáhr gleichkommt. Eigentlich aber besteht dieser Theil gleich von seinem ersten Erscheinen aus drei neben einander liegenden - Gefäßen, die als Fortsetzungen jener drei Gänge zu betrachten sind, welche i in der Herzzwiebel vorkommen!.« In einer anderen Abhandlung (14) bespricht RATHKE die Entstehung des gemeinschaftlichen Carotidenrohres des Truneus arteriosus — seiner Carotis primaria — die er gewissermaßen aus der rechten Aortenwurzel ausgesponnen werden lässt. LANGER beschränkt sich darauf, die RATHKE’sche Angabe be- züglich des Vorhandenseins dreier distaler Bulbuswülste richtig zu stellen und Zu betonen, dass der Truncus arteriosus zum größten Theil durch die Theilung des Bulbus cordis hervorgeht und die Arterienbogenwurzel nur den distalen - (Arterienbogen-) Antheil des Truncus bildet. B. Vergleichende Anatomie. Wie bereits in der Einleitung bemerkt wurde, zeigen die Herzen der untersuchten Reptilien nur Unterschiede gradueller Natur. Diese Unterschiede betreffen vor Allem den Bau und die Ausbildung der Scheidewände im Inneren der Kammer, und es lassen sich : die Herzen der Reptilien in dieser Hinsicht gewissermaßen zu einer j: Entwicklungsreihe zusammenstellen, an deren Anfang das Herz von 4 Hatteria und der niederen Saurier, an deren Ende das Herz der 1 ]. e. pag. 165, 166. 928 Alfred Greil Crocodilier zu stehen kommt. Mit der Vervollkommnung der Scheide- | wandbildungen, wie sie besonders an den am Ende der Reihe be- © findlichen Gliedern nachweisbar ist, stehen auch andere in die Er- scheinung tretende Unterschiede im Zusammenhang. Bei allen untersuchten Reptilienformen zeigt aber das Herz im Principe die- selbe Organisation und dieselben Unterabtheilungen. Die Verhältnisse der venösen und arteriellen Ostien und der an ihnen befindlichen Klappen, sowie diejenigen des Truncus arteriosus sind durchaus ähnliche. Wir haben im Vorhergehenden zwei Formen des Reptilienherzens in ihrer allmählichen Entwicklung kennen gelernt, das Herz von Lacerta und von Tropidonotus. Letzteres stimmt rücksichtlich seines Baues in jeder Beziehung mit dem Herzen der beiden anderen untersuchten Schlangen überein. Es steht auf derselben Organisa- tionsstufe wie das Chelonierherz. Das Herz von Lacerta stellt den - Typus eines primitiven Saurierherzens dar und stimmt in seinem Baue mit dem der meisten niedriger stehenden Saurier überein. Am Herzen hóher stehender Saurier, insbesondere der Varaniden, sind die Scheidewandbildungen im Bereiche der Kammer schon bedeutend vervollkommnet, und so bilden diese Formen das Verbindungsglied mit den Crocodiliern, bei welchen es — zum ersten Male in der Vertebratenreihe — zu einer exakten Sonderung des Ventrikels in zwei Abtheilungen kommt. Alle übrigen Reptilien, also sämmtliche Lepidosaurier und die Chelonier besitzen einen noch einheitlichen Ventrikel, welcher nur temporär, durch das systolische Zusammen- wirken mehr oder minder vervollkommneter Scheidewandanlagen in zwei Abtheilungen gesondert erscheint. Es lassen sich daher die Reptilien in Rücksicht auf die specielle Organisation des Herzens in zwei Gruppen eintheilen: in solche mit temporär und soléhe mit konstant getrennten Ventrikelabtheilungen. Der ersteren gehóren die Saurier, Chelonier und Ophidier, der letz- teren die Crocodilier an. Beide Gruppen sollen im Folgenden getrennt besprochen werden. Dem bisher eingehaltenen Gange der Darstellung folgend, sollen zu- erst die Verschiedenartigkeiten der äußeren Gestalt, dann jene des inneren Aufbaues zur Besprechung kommen. Die Homologie der einzelnen Bildungen mit den am Lacertilierherzen bekannt gewor- denen Einrichtungen wird stets durch gleichartige Bezeichnung zum Ausdrucke gebracht werden. - fernt man das Epikard, so öffnet sich eine tiefe, von lockerem Binde- Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 229 I. Lepidosaurier und Chelonier. Wie schon FRITSCH (19) beschrieb, ist die äußere Gestalt des Herzens dieser Formen sehr verschieden und erscheint mitunter auf- fällig der allgemeinen Körperform angepasst. Bei Schlangen z. B. ist die Herzform stets länglich, walzenähnlich (vgl. Taf. X Fig. 1 Boa constrietor), bei Schildkröten (vgl. Taf. X Fig. 4 Belia crassi- collis) plump gestaltet, und weist einen sehr beträchtlichen Breiten- durchmesser auf. Über die specielle Form des Herzens, Wölbung der Kammeroberfläche, das Vorkommen eines Ligamentum apieis finden sich gleichfalls in der Abhandlung von FRITSCH genauere Angaben. Darauf soll jedoch noch besonders aufmerksam gemacht werden, dass bei allen Lepidosauriern, mit Ausnahme der Varaniden "sowie bei den Cheloniern der Ventrikel äußerlich vollkommen M einheitlich erscheint und an seiner konvexen Oberfläche keine Einfurchungen erkennen lässt. Bei den Varaniden hingegen setzt sich von der linken Seite des Truncus arteriosus aus die daselbst 4 zwischen der Pulmonalis und rechten Aorta befindliche Längsfurche - proximalwirts auf die ventrale Ventrikelwand fort, woselbst sie in de om Att y PD > leichtem, nach links hin konvexem Bogen zum rechten Herzrande zieht (vgl. Taf. X Fig. 2 S.z.v.), welchen sie etwas rechts von der abgerundeten Herzspitze erreicht, um an der dorsalen Wand in geradem Verlaufe gegen die Kammerbasis hin zu verstreichen. Der Ventrikel des Varanidenherzens erscheint somit äußerlich — wenigstens theilweise — durch eine dem Sulcus inter- ventricularis höherer Vertebraten entsprechende Furche in zwei Abtheilungen gesondert. Zwischen den Vorhófen und dem Ventrikel senkt sich das Epi- kard bei allen Formen ringförmig ein. Dadurch wird der Sulcus atrioventrieularis gebildet, welcher namentlich bei Cheloniern ziemlich tief zwischen diesen beiden Herzabschnitten eingreift. Ent- _ gewebe, Blut und Lymphgefäßen ausgefüllte Spalte, welche bis an die von einem Muskelringe — dem Aurieularring — umgebenen venüsen Ostien reicht. An der ventralen und rechten Seite läuft diese Furche in den Sinus transversus pericardii aus. Es ist dies der zwischen den Vorhöfen und dem Truneus arteriosus befindliche - Spaltraum, welcher bis an die Kammerbasis herabreicht und hier die - arteriellen und venósen Ostien von einander trennt. Dieses proximale 930 Alfred Greil Ende der Spalte entspricht dem Sulcus bulboauricularis von Lacerta, dessen Fortsetzung auf die ventrale Kammerwand am besten bei Cheloniern ausgeprägt ist (vgl. Taf. X Fig. 4 S.d.aur.). Was das gegenseitige Lageverhältnis der arteriellen und der venósen Ostien anbelangt, so ist zu bemerken, dass das stets linkerseits von den beiden Aortenostien befindliche Ostium pul- monale bei allen Reptilien mit Ausnahme der Varaniden rechterseits von einer dureh das Septum atriorum gelegten Ebene seine Lage hat, mithin die Pulmonalis ventral vom Ostium venosum dextrum aus der Kammer entspringt. Bei den Varaniden hingegen theilt eine durch dieses Septum gelegte Ebene, wie namentlich Querschnitte deutlich erweisen (vgl. Taf. VIII, 1; 19, 231), das Pulmonalisostium in eine kleinere linke und grófere rechte Abtheilung. Es wird daher bei diesen Formen der Auricularring in der Ventralansicht des Herzens (vgl. Taf. X Fig. 2) durch den Truneus arteriosus fast vollständig verdeckt. Die arteriellen Gefäße entspringen demnach bei Varaniden aus der Mitte des ventralen Randes der Kammerbasis. > Auch hinsichtlich der räumlichen Einstellung der arteriellen Ostien unterscheiden sich die Varaniden etwas von den übrigen Formen der Gruppe, bei welchen, wie z. B. bei Lacerta, die arteriellen Ostien in einer Ebene liegen und mit der Transversalen einen spitzen, nach rechts hin offenen Winkel bilden (vgl. Taf. X Fig. 1, 2 und 4). Bei den Varaniden stehen nämlich die Ebenen der Ostien senkrecht auf dem in der Körpermitte verlaufenden Längsdurchmesser des Herz- beutels und zwar liegen die beiden Aortenostien in einer Ebene (vgl. Taf. VIII, 3, 2; 15, 16), das Ostium der Pulmonalis hingegen etwas distal von dem letzteren (vgl. Taf. VII, 2, 1; 19). Der Truncus arteriosus verläuft bei Varaniden ziemlich gerade durch die Peri- kardialhöhle, während er bei den anderen Formen (vgl. Taf. VI Fig. 16), da er rechts von der Mittelebene aus der Kammer entspringt, zuerst einen kleinen, nach rechts hin konkaven Bogen bildet, bis er sich - genau in die Medianebene einstellt. Gegen den Truncus arteriosus hin schließt die Kammer stets mit einem Muskelringe, dem Bulbusringe ab, welcher bei einigen Formen, z. B. den Ophidiern und Varaniden nur rudimentär entwickelt ist, bei anderen aber, wie insbesondere bei den Cheloniern eine sehr ansehnliche Breite besitzt. Bei diesen Formen wurde dieser Muskel- - ring zum ersten Male bemerkt und zwar von BRÜckE (10), welcher in diesem Muskelstreifen das Analogon der Muskulatur des pulsiren- den Bulbus arteriosus der »nackten« Amphibien erblickte. Bei Che- Beitrige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 231 -loniern ist der Bulbusring distalwürts besonders scharf abgegrenzt; die Truncuswand beginnt bereits an der Innenfliiche des Ringes, während sie bei den anderen Formen an den Rand des Ringes an- schließt. Die drei Gefäßrohre des Truncus, die Pulmonalis und die beiden Aorten, sind bei allen Formen spiralig um einander gewunden, so zwar, dass das an der linken ventralen Seite der beiden Aorten aus dem Herzen entspringende Pulmonalrohr an ihrer dorsalen Seite - die Perikardialhöhle verlässt. Dort, wo sie die Perikardialhóhle ver- lassen, kommen die Aorten in eine frontale Ebene zu liegen. Knapp yor dieser Stelle spaltet sich das Pulmonalisrohr in zwei Äste, welche sich bei allen Formen, mit Ausnahme der einlungigen Schlangen, - die beiden Pulmonalarterien fortsetzen. Bei den letzteren ist der linke Ast ganz kurz, endigt blind, und setzt sich in das Ligamentum - Botalli fort (HOCHSTETTER 26). Stets erweist sich der Pulmo- . nalisstamm und dessen Aste bis zur Abgangsstelle der Liga- menta Botalli erweitert Diese Erweiterung der Pulmonalisäste beschränkt sich somit auf die aus dem Pulmonalisbogen bezw. dem - Wurzelgefäße der fünften und sechsten Arterienbogen entstandene È Gefäßstrecke. Sie betrifft auch bei den einlungigen Schlangen, wie — HocHsTETTER nachweisen konnte, den Pulmonalisblindsack — ein —Zeichen ihrer Konstanz. Namentlich bei Cheloniern ist diese Er- weiterung sehr auffallig. Am Ursprunge aus dem Herzen besitzt die linke Aorta bei den meisten Species ein kleineres Kaliber als die rechte Aorta. Bei den Schlangen und einigen von RATHKE untersuchten Sauriern ist das "Verhältnis entweder umgekehrt oder beide Gefäße haben annähernd —denselben Durchmesser. Von der linken Aorta gehen innerhalb der —Perikardialhóhle keine Aste ab, von der rechten die Stammgefäße ‚des Carotidensystems (Carotides communes, Art. anonymae [Chelonier)). Diese Gefäßstämme entspringen meistens — wie z. B. bei Lacerta — mittels eines gemeinschaftlichen Wurzelgefäßes, der sog. Carotis primaria (RATHKE), seltener, bei einigen von RATHKE namhaft ge- n aehten Lepidosauriern sowie (den?) Cheloniern, getrennt von ein- ander aus dem reehten Aortenstamme. Letzteres Verhalten kommt wohl — vorausgesetzt, dass sich der Truncus in ähnlicher Weise entwickelt wie bei Lacerta — dadurch zu Stande, dass die mediane Längsspaltung des Carotidenstammes etwas weiter proximalwärts —vorgreift, als das zwischen den Ursprüngen des rechten Carotiden- = und Aortenbogens auswachsende Septum caroticoaorticum dextrum. | 232 Alfred Greil Bei Cheloniern erscheint übrigens auch der Pulmonalisstamm in größerer Ausdehnung gegabelt als bei Lepidosauriern. Was nun das Verhalten der Muskelwand der uns inter- essirenden Herzabschnitte anbelangt, so ist zunächst zu wiederholen, dass sich hinsichtlich der Anordnung des Auricular- und Bulbus- ringes, der Beziehungen dieser Ringe zur Ventrikelwand, sowie auch insbesondere bezüglich des Verhaltens der Bulboaurieularlamelle bei den einzelnen Formen keine wesentlichen Abweichungen von den bei Lacerta gefundenen Verhältnissen konstatiren lassen. Der Bulbus- und der Auricularring treffen zwischen dem Ostium der rechten Aorta und dem Ostium atrioventriculare dextrum, also im Grunde des Sinus transversus pericardii zusammen und bilden den Bulbo- auricularsporn (vgl. Taf. VIII, 1; 51). An seinem Firste sind die beiden Ringe meist durch straffes Bindegewebe mit einander vereinigt. An der Bulboaurieularlamelle lässt sich bei allen untersuchten Formen in ähnlicher Weise wie bei Lacerta ein ventraler und ein rechter dorsaler Abschnitt unterscheiden. — Beide gehen an der Ventralseite in einen, an den Bulbusring anschließenden kompakten trabekelfreien Abschnitt der Kammerwand über. Der ventrale Abschnitt bildet nach rechts hin einen Vorsprung (vgl. Taf. VIII, 4, 5, 12; 54), wel- cher der Muskelleiste angehört und sich distalwärts in das Septum aortieopulmonale fortsetzt (vgl. Taf. VIII, 3, 11, 10; 25). Die Muskelleiste ist bei allen Formen, wenn auch in ver- schiedenen Graden der Ausbildung, nachweisbar. Ihr Vorkommen ist geradezu charakteristisch für das Reptilienherz. Bei niedriger stehen- den Formen, z. B. Hatteria, verhält sie sich ähnlich wie bei Lacerta. Sie ist kurz, in ihrem proximalen Abschnitte von zahlreichen inter- trabekulären Lücken durchbrochen und sondert einen entsprechend kleinen ventralen Kammerraum von der übrigen Kammerhóhle ab. Bei Ophidiern und Cheloniern .ist die Muskelleiste schon viel mäch- tiger entwickelt (vgl. Taf. X Fig. 1, 4 M.L.) und der ventrale Kam- merraum daher viel ausgedehnter. Bei Cheloniern ist derselbe entsprechend der eigenthümlichen breiten Form der Kammer mehr nach rechts hin ausgeweitet, bei Ophidiern erstreckt er sich dagegen nahezu bis an die Spitze des Herzens. In der Muskelleiste sind bei Schlangen, nahe ihrem Ansatze an der rechten Kammerwand stets größere Lücken nachweisbar (vgl. Taf. X Fig. 1 *), auch bei Che- loniern ist die Leiste nur an ihrem freien Rande solid und löst sich gegen die Corticalis zu in ein dichtes Trabekelgefüge auf (vgl. Taf. VIII, 13—15; 54). Am Varanidenherzen hingegen hat sich dieses 3 Beitriige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 233 Trabekelgefüge derartig verdichtet, dass die Muskelleiste in ihrer ganzen Ausdehnung solid und undurchgängig er- scheint. Damit mag es zusammenhängen, dass ihre Insertion an — der Kammerwand äußerlich durch eine Furche gekennzeichnet ist, die wir oben (pag. 229) als Sulcus interventricularis beschrieben — haben (vgl. Taf. VIII, 4—9; 54, 34; Taf. X Fig. 2 M.L.; S.i.v.). Auch die Muskelleiste des Varanidenherzens erscheint in einem, der Aus- dehnung des kompakten Theiles der ventralen Kammerwand — die hier wahrscheinlich so wie bei Lacerta aus dem nicht unterminirten Absehnitte des in die Kammer einbezogenen Bulbusantheiles hervor- — gegangen sein dürfte — entsprechenhen Abschnitte glatt (vgl. Taf. VIII, 4—7; 48, 54), im Übrigen mit Trabekeln besetzt. Von den letzteren verdient ein Zug (vgl. Taf. X Fig. 2 ()) besondere Beachtung, weil er sieh bei allen Reptilien wiederfindet. — Der Verlauf des Sulcus interventricularis lässt schon erkennen, weleh erhebliche Ausdehnung die Muskelleiste des Varanidenherzens besitzt. Der freie Rand der Leiste zieht von der Mitte der rechten Kammerwand in leichtem Bogen (vgl. Taf. X Fig. 2 M.L.) distalwärts ventralen Insertion des Septum aorticopulmonale. Im Zusammen- hange damit weist der ventrale Kammerraum unter allen Lepidosauriern bei den Varaniden die größte Ausdehnung auf, und nimmt nahezu zwei Fünftheile der gesammten Kammerhöhle ein. Insbesondere weitet er sich nach links hin erheblich aus. Dadurch ist es wohl auch bedingt, dass die Pul- monalis ziemlich genau in der Mitte, ventral von den beiden venösen Jstien aus der Kammer entspringt, wie denn überhaupt die Aus- | dehnung des ventralen Kammerraumes die Lage der arte- riellen Ostien und die Anordnung der Muskelleiste beein- Musst. Dass der Umfang des ventralen Kammerraumes sowie der Durchmesser des Ostium pulmonale dem Organisationszustande ler Lungen bezw. der Capacitét der Lungencapillaren entspricht, st selbstverstándlieh. Die Untersuchungen von MıLanı haben denn uch gezeigt, dass die Lungen der Varaniden viel komplicirter rebaut sind und daher auch eine größere Blutmenge zu arteria- Jisiren vermögen, als bei den anderen Lepidosauriern und den Che- loniern. — Bei der relativ großen Ähnlichkeit, welche sieh riicksichtlich des Verhaltens der Muskelleiste und des ventralen Kammerraumes ei Schlangen und Varaniden nachweisen lässt, wird man sich, wenn man sich die Entwicklung des Schlangenherzens vergegenwürtigt, | | | 934 Alfred Greil wohl auch ein Bild davon machen können,-wie sich die Verhältnisse bei den Varaniden gestaltet haben werden. l Hinsichtlich des allgemeinen Aufbaues des Trabekelgefüges der Kammer unterscheiden sich die untersuchten Formen nicht wesentlich von einander Konstant vereinigen sich einige, unterhalb des Bulboauricularspornes gelegene Elemente des radiären Trabekel- systems — wie dies z. B. für Tropidonotus gezeigt wurde (vgl. Taf. VII, 31— 27, 40, 41; 56) — zu einem Spannmuskel des rechten dorsalen Abschnittes der Bulboauricularlamelle. Am Varanidenherzen bildet | ; | dieser Muskelzug einen soliden, an der Corticalis der dorsalen Kam- — merwand vortretenden Sporn (vgl. Taf. VIII, 7; 56), welcher sich ` ventralwärts mit der Muskelleiste verbindet (Taf. VIII, 8; 56, 54) und . mit dieser eine nach rechts hin konvexe, die apicale Hälfte der ` Kammer durchsetzende Scheidewand bildet. Letztere verhält sich in diesem Gebiete ähnlich wie das Ventrikelseptum höherer Verte- braten. Von der Vereinigungsstelle der Muskelleiste mit dem dorsalen Sporne ziehen in der Richtung der ersteren einige ihr zugehörige Trabekel an die rechte Kammerwand, welche also an der Bildung . des Septum ventriculi nicht betheiligt sind (vgl. Taf. VIII, 9; 541). Im Bereiche der basalen Hälfte der Kammer, woselbst die Muskelleiste nach rechts hin mit freiem Rande endigt, setzt sich jener dorsale Sporn in eine Scheidewand fort, welche etwas nach rechts hin ausbiegt und den rechten dorsalen Abschnitt der Bulbo- auricularlamelle mit der Corticalis der dorsalen Kammerwand ver- bindet (vgl. Taf. VIII, 5—3; 59). Dieses Dissepiment lässt sich bis — an die Kammerbasis verfolgen und tritt daselbst mit dem Bulbusring ` bezw. dem kompakten Abschnitt der ventralen Kammerwand in Ver- bindung. Es kommt offenbar durch eine partielle Verdichtung des in der unterminirten Wand des Bulbus und Canalis auricularis ent- ` standenen Trabekelgefüges zu Stande. Die erste Anlage einer der- | artigen Scheidewand war bereits bei Ophidiern, Tropidonotus natrix, Coluber aesculapii zu beobachten (vgl. Taf. VII, 25, 26; 59). So erscheint denn am Varanidenherzen der ventrale Kammerraum von der dorsalen Kammerabtheilung bis auf die zwischen dem rechten-dorsalen Absehnitt der Bulbo- auricularlamelle und der Muskelleiste bestehende Spalte völlig geschieden. Diese Spalte ist an dem auf Taf. X Fig. 2° abgebildeten, in dilatirtem Zustande konservirten Herzen fast in ganzer Ausdehnung freigelegt worden. Sie ist mit einem + bezeichnet. Distal beginnt dieselbe am proximalen Ende des Septum aortico- - Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 235 pulmonale, proximal endigt sie an einer Muskelbrücke, welche die Muskelleiste bezw. den linken Abschnitt der Bulboaurieularlamelle mit dem rechten dorsalen Abschnitte der letzteren verbindet (vgl. Taf. VIII, 6; 49, 50; Taf. XI Fig. 2 x) Es scheint daher die ganze Spalte dem Gebiete des ursprünglichen Bulbus cordis anzugehören. — Sie fungirt gewissermaßen als Ostium venosum des ventralen Kammer- raumes, welcher vom dorsalen Kammerraume aus mit venösem Blute gespeist wird. Von einer Scheidung der Kammerabtheilung des Herzens in eine rechte und linke Kammer kann bei Varaniden jedoch noch nicht die Rede sein, da beide Ostia atrioventricularia dem dorsalen Kammerraume angehören. Vom physiologischen Standpunkte aus betrachtet besteht hin- gegen — wenn auch nur periodisch — eine völlige Trennung der Kammer in zwei Abtheilungen. Diese Trennung wird durch einen ganz ähnlichen Mechanismus besorgt wie bei Lacerta und Tropi- donotus und den anderen Formen, nämlich durch die während der Systole der Kammer erfolgende Anpressung der Bulboauricularlamelle an die Muskelleiste. An Schnitten, wie ein solcher auf Taf. VII, 5 - abgebildet ist, gewinnt man ferner den Eindruck, als ob dieser rechte 7 1 a S - dorsale Abschnitt der Lamelle (ibid. 49) und der am Firste der Muskel- leiste haftende ventrale Abschnitt derselben (ibid. 50) während der Systole dureh die unter diesen Muskelplatten gewissermaßen sich fangende komprimirte Blutmenge gegen einander gedrängt würden t. Während der Diastole werden die beiden Abschnitte der Lamelle dureh den das Ostium venosum dextrum passirenden Blutstrom von - der Kammerbasis her wieder aus einander gedrängt, wodurch der - Zugang zum ventralen Kammerraum eröffnet wird. % Entsprechend dem Umstande, dass die beiden Abtheilungen der Kammer des Varanidenherzens während der Systole vollständig gegen einander abgeschlossen sind und die ventrale Abtheilung ausschließ- lich für den Lungen-, die dorsale für den Körperkreislauf arbeitet, : unterscheiden sich auch die Wandungen der beiden Abschnitte in ihrer Stärke. Die das Blut in die beiden Aorten treibende dorsale — Kammerabtheilung hat eine viel größere Arbeit zu leisten und besitzt — daher eine fast doppelt so starke Corticalis als die ventrale Ab- f£heilung, deren Wand nur in dem erwähnten ventralen Bulbusbezirke - . 1 Das Herz, von dem diese Schnitte stammen, wurde absichtlich in etwas - kontrahirtem Zustande konservirt, um diese Verhiltnisse zur Anschauung zu bringen. Morpholog. Jahrbuch. 31. 16 236 Alfred Greil , kompakter gebaut ist. Bei den übrigen Formen lässt sich ein der- artiger Unterschied nicht konstatiren (vgl. Taf. VIT, 36—41; Taf. VIII 14, 15). Dass aber auch bei diesen Formen, z. B. bei Cheloniern, der Abschluss der beiden Kammerabtheilungen ein exakter ist, ließ sich auf folgende Weise ermitteln: Ich brachte an einem großen Exemplare von Testudo graeca unter Narkose nach Freilegung des Herzens an den drei Gefäßstämmen des Truncus arteriosus feine Stichöffnungen an, und injieirte hierauf durch eine Lungenvene einige mm? einer 2%igen Lósung von Ferrocyannatrium. Nach Ablauf der auf die Injektion folgenden Vorhofs- und Ventrikelsystole war das Vorhanden- sein dieses Salzes durch die Berlinerblaureaktion (Zusatz von Ferrichlorid) in dem aus den Stichöffnungen der beiden Aorten hervorquellenden Blute nach- weisbar, wührend die Untersuchung des Pulmonalisblutes ein negatives Resultat ergab. Einem anderen Exemplare wurde eine gleiche Menge der Lösung in die untere Hohlvene injicirt, und da ließ sich dann das Salz sowohl im Blute der beiden Aorten als auch in dem der Pulmonalis nachweisen, doch zeigte das Pulmonalisblut die Berlinerblaureaktion viel deutlicher als das Aortenblut. Auch im dorsalen Kammerraume springen unterhalb der septalen Atrioventricularklappen einige Elemente des radiüren Tra- bekelsystems bei allen Formen — bald mehr, so z. B. bei Ophidiern, bald weniger, z. B. bei Hatteria, Gecko, Chamaeleo u. A. — gegen die Kammerhóhle zu vor. Durch diese Muskelbalken wird dieselbe etwas eingeengt und in einen größeren linken und kleineren rechten Abschnitt gesondert. Bei Cheloniern und Varaniden sind diese Tra- bekel, wie schon BRÜCKE und Frirscu feststellen konnten, durch Sehnenfáden ersetzt. In einigen derselben lassen sich bei Emys mikroskopisch feine Muskelzüge nachweisen, in anderen scheinen die Muskelfasern gänzlich durch collagenes Gewebe substituirt wor- den zu sein. Schon daraus kann geschlossen werden, dass dieser noch rudimentären Scheidewandanlage keine besondere physiologische _ Bedeutung zukommt. — Auf die histologischen Details des Muskel- gewebes — insbesondere des Chelonierherzens — näher einzugehen, lag auBerhalb des Rahmens der vorliegenden Arbeit. An den Endokardbildungen des Herzens finden sich bei den einzelnen darauf hin untersuchten Formen nur geringgradige Verschiedenheiten. Für die Lepidosaurier und Chelonier kann die bei Lacerta beschriebene Anordnung des Klappenapparates der ve- nósen und arteriellen Ostien als typisch gelten. Hinsichtlich des histologischen Aufbaues der Atrioventricularklappen ist namentlich Chamaeleo basiliscus interessant, in dessen Klappen die vesicu- lösen Zellen außerordentlich groß und sehr zahlreich entwickelt sind. Die Grundlage der Klappen wird von einem dichten, aus collagenen Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 237 und elastischen Fasern zusammengesetzten Netze gebildet, welches sich zwischen den vesiculösen Zellen hindurchschlängelt. Das so gebildete Gewebe erinnert auffällig an das Knorpelgewebe in der Achillessehne des Frosches. Bei anderen Formen, z. B. Gongylus, Tarentola mauritanica, Testudo, Emys wird durch Einlagerung/von Sehleimgewebe eine mehr oder minder ausgedehnte Verdickung der Klappen bedingt. Auf diese Weise kommen auch cirkumskripte, knótehenfórmige Verdickungen an der Oberfläche der Klappen zu Stande. Die seitlichen, am Auricularringe vortretenden Klappen bezw. Endokardverdickungen bestehen vorwiegend aus Schleim- gewebe. Beachtung verdient auch die Stelle, wo die Muskelleiste in das Septum aorticopulmonale übergeht. Bei einigen Formen, z. B. Ophidiern, reicht das Muskelgewebe bis an die Fundusabschnitte der _septalen Semilunarklappen, so dass diese Leiste das proximale Ende - des Septums bildet. Bei anderen Formen, z. D. Chamaeleo basiliscus, haften die Fundusabschnitte der septalen Klappen an straffem Binde- _ gewebe, welches den Übergang der Muskelleiste in das Septum aortico- -pulmonale vermittelt. GascH (22) giebt an, dass die Muskelleiste bei Chamaeleo vulgaris »in ibrem vorderen Abschnitte membranös«!, also offenbar bindegewebig sei. An den beiden von mir untersuchten _Exemplaren dieser Species war ein derartiges Verhalten nicht nach- _ weisbar. Leider macht Gasca über die Ausdehnung des »membra- nösen« Gebietes keine nähere Angabe. So bleibt es dahingestellt, ob dieser Abschnitt der Leiste den vereinigten Bulbuswülsten A + 7 entspricht, welche anfänglich aus embryonalem Bindegewebe be- ? tehen. — Bei Tarentola mauritaniea und bei Cheloniern, z. B. Te- studo graeca und Emys europaea, wird der proximale Endabschnitt des Septum aortieopulmonale, der bei Lacerta aus Gewebe endo- _kardialen Ursprungs besteht, von einer hyalinen Knorpelplatte ein- genommen, welche proximalwärts an der Muskelleiste endigt. Dieser norpel wurde zuerst von BoJawus (1) bei Testudo europaea be- ‚schrieben und ist nach seinem Entdecker als Bosanus’scher Knor- pel bezeichnet worden. Eine relativ größere Ausdehnung als bei Testudo besitzt der Knorpel bei der Tarentola mauritanica, bei wel- cher Form er den Endabschnitt des Septum aorticopulmonale fast vollständig substituirt und gleich dem proximalen Bulbuswulste A am Herzen von Lacerta-Embryonen am freien Rande der Muskel- : st de. pag. 187. er 16* 238 Alfred Greil leiste ausläuft. Die Grundsubstanz dieses Knorpels ist verhältnismäßig — spärlich und umschließt zahlreiche, dicht gedrängte blasige Zellen mit großen rundlichen Kernen. — Der Bosanus’sche Knorpel steht auf einer etwas höheren Stufe und erweist sich als typischer Hya- linknorpel. In der reichlichen Grundsubstanz lässt sich bei An- wendung gewisser Färbemethoden eine die Zelle umgebende Schicht, sog. Chondrinballen (Morawirz)! (vgl. Taf. XI Fig. 9 CA.B.) von einem zwischen den letzteren befindlichen Balkennetze (vgl. ibid. B.N.) unterscheiden, welches sich mit Fuchsin, Tropäolin, metachro- matisch (bläulich) auch mit Mucikarmin färbt. Die Chondrinballen treten bei Tinktion mit Anilinroth, Methylviolett, Mucikarmin und Hämalaun hervor. Letzteres färbt auch die zwischen den Tochter- zellen abgesonderte Intercellularsubstanz und die Knorpelkapseln in charakteristischer Weise (vgl. Taf. XI Fig. 8 K.k.) Bei sehr alten Thieren wurde im Boganus’schen Knorpel von seinem Entdecker ein Knochenkern nachgewiesen (Ossiculum cordis Bojani). — Die Größe des BoJanus’schen Knorpels ist verschieden, sogar bei Thieren derselben Species. Bei einem Exemplare von Emys europaea z. B. war der Knorpel klein, eiförmig und von einem straffen Perichon- drium umgeben, bei einem anderen viel größer, von unregelmäßiger Begrenzung, anscheinend durch Verschmelzung mehrerer Verknorpe- lungsherde entstanden, wie solche isolirt auch in dem den Knorpel gegen die Ventrikelhöhle zu umgebenden lockeren Bindegewebe nachweisbar waren. — Nur am Ansatze an der Muskelleiste und gegen den Truncus hin besteht das Perichondrium aus dichtgefügten, collagenen Bündeln. Die dem Knorpel zunächst anliegende Schicht des Perichondriums ist von einem zierlichen, aus elastischen Fasern bestehenden Netze durchzogen. ! Auch im Schleimgewebe der verdickten Fundusabschnitte der marginalen Semilunarklappen ist bei Testudo hyaliner Knorpel eingelagert. Am Fundus der Pulmonalisklappe bildet derselbe eine mächtige Platte. Von der marginalen Klappe der rechten Aorta zieht sich an der Oberfläche der Bulboauricularlamelle eine in ihrer - Ausdehnung der Längenausdehnung des Bulbuswulstes B des Her- | zens von Lacerta-Embryonen entsprechende Endokardverdiekung bis — zum proximalen Ende bezw. dem freien Rande der Lamelle herab, — woselbst dieselbe etwas vom Myokard abgehoben erscheint. Diese 1 MORAWITZ, Zur Kenntnis der Knorpelkapseln und Chondrinballen des hyalinen Knorpels. Archiv für wiss. Anatomie. Bd. LX. 1902. F Beitráge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 239 Endokardverdiekung lässt sich auch bei Emys nachweisen. Bei beiden Formen finden sich in derselben Einlagerungen von hyaliner Knorpelsubstanz. Gascu (22) fand bei zwei von sieben untersuchten Exemplaren von Emys an dieser Stelle eine kleine Knorpelplatte. Der Umstand, dass alle die beschriebenen cirkumskrip- ten Endokardverdickungen, insbesondere aber die Knorpel- bildungen sich nur an solchen Stellen der Herzwand vor- finden, an welchen auch am Herzen des Lacertilier-Embryos Endokardverdickungen nachweisbar sind, verdient alle Be- achtung. Wir haben gesehen, dass diese Endokardverdickungen an den Herzen von Lacerta-Embryonen ausschlieBlich dem Gebiete des Bulbus cordis und des Canalis auricularis angehéren und nur an den Ventrikel (s. st.) heranreichen, dessen Muskelwand innen von einem einschichtigen Epithel bedeckt wird. Wenn sich dann der Ventrikel auf Kosten der beiden ihm benachbarten Herzabschnitte vergrößert, kommen diese Endokardverdickungen zum Theil in sein Gebiet zu liegen. Es bilden daher diese Endokardverdickungen an der Kammer des ausgebildeten Herzens gewissermaßen die Grenz- marken jenes Gebietes des Bulbus cordis und Canalis auricularis, welches im Laufe der Entwicklung in den Ventrikel einbezogen wurde. So erscheint bei Cheloniern der von der zuletzt beschriebenen Endokardverdickung besetzte Abschnitt der Bulboauricularlamelle in Seiner ganzen Breite als ein Derivat des embryonalen Bulbus cordis. Der Auricularabschnitt der Lamelle ist durch die an demselben er- folgende Funktion der septalen Atrioventricularklappen als solcher gekennzeichnet. Der Bulbusabschnitt der Muskelleiste reicht minde- stens so weit wie die Endokardverdickung (bezw. der BogANus'sche Knorpel) am Firste derselben. -— Genauen Aufschluss über diese Verhältnisse kann jedoch erst eine Untersuchung der Entwicklung des Herzens dieser Formen geben. Besprechung der einschlägigen Litteratur. Namentlich das Chelonierherz war bereits wiederholt der Gegen- stand eingehender Untersuchungen, welche jedoch hinsichtlich der | Beurtheilung der thatsächlichen Verhältnisse keineswegs zu über- einstimmenden Resultaten führten. Abgesehen von den Arbeiten älterer Autoren (DuvERNOY, 1699, Muniks, 1805, BoJanus, 1819—21, TREVIRANUS, 1839), die sich bei MıLne Epwarps! eitirt finden, ver- 1 MILNE EDWARDS, Leçons sur la Physiologie et l’ Anatomie comparée. 1858. 240 Alfred Greil dienen besonders die Abhandlungen von BRÜCKE (10) und SABATIER (20) beachtet zu werden. BRÜCKE machte das Herz von Emys euro- paea zum Ausgangspunkte seiner berühmten Untersuchungen. An den Herzkammern unterscheidet er nach der Beschaffenheit der in dieselben eintretenden Blutströme ein Cavum venosum und arterio- sum, deren Grenze durch keine bestimmte Scheidewand gegeben ist und dahin zu verlegen ist, wo die Verlängerung der Vorhofsscheide- wand den Ventrikel trifft!. Weiterhin bemerkt er: »Der linke Theil des Cavum venosum, welcher die Mitte des Herzventrikels einnimmt, ist durch zahlreiche Fleischbalken zerklüftet, die von der Wand des Ventrikels kommend, keilförmig gegen das Ostium venosum dextrum zusammenlaufen und in zarte Netze von Sehnenfäden endigen, welche ihrerseits wieder an der vorderen und hinteren Wand des Ventrikels mit dem Saume des Ostiums venosum dextrum und so indirekt mit dessen Klappen verbunden sind, sich aber nicht wie die Sehnen- fäden der Papillarmuskeln höherer Thiere an ihnen selbst inseriren. Der rechte Theil des Cavum venosum wird durch eine Muskelleiste in eine obere und untere Hälfte getheilt, gegenüber deren freien Rand an der rechten Ventrikelwand ein Fleischpolster (Bulbuslamelle mihi) vorspringt, welches ihm während der Systole genähert wird. Aus dem Cavum venosum gehen die Arterienstämme hervor, welche an ihrer Basis in-ein Bündel vereinigt und von einem Muskelstreifen umgeben sind, welcher besonders an der Wurzel der Lungenschlag- ader mächtig entwickelt ist.< Die beiden Aste der letzteren findet bereits BRÜCKE »bis unter die Höhe der Aortenbogen sehr erweitert, worauf sie unter plötzlicher Verengerung zu den Lungen herabgehen«. Den kurzen gemeinschaftlichen Stamm der beiden Trunei anonymi bezeichnet er als Truncus anonymus maximus. — Anknüpfend an seine anatomischen Angaben behandelt BRÜCKE sehr ausführlich die Physiologie des Chelonierherzens. Er weist zunächst auf die verschiedene Färbung der in den beiden Vorhöfen und den entspre- chenden Abtheilungen des Ventrikels sich bewegenden Blutmengen hin, dessen Kontraktion rechterseits etwas mächtiger einsetzt als linkerseits, woselbst dieselbe etwas länger andauert. Dass das Blut beim Ablauf der Systole des Ventrikels zuerst in die Pulmonalis eintritt und diese »sich viel rascher ausdehnt und viel mehr zu- sammenfällt als die beiden Aorten, welche ihre höchste Spannung erst am Schlusse der Systole erhalten«, führt BRÜCKE auf den ge- 1 1. c. pag. 336 ff. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 241 ringen Widerstand des kleinen Kreislaufes, sowie die Dehnbarkeit der Wände der weiten Lungenschlagadern zurück. Nach der Auf- fassung dieses Autors stellt sich die Mechanik des Kreislaufes im Ventrikel der Schildkröten folgendermaßen dar: »Da alle Arterien- stimme aus dem Cavum venosum hervorgehen, so wird zuerst das dunkelrothe Blut ausgeleert und flieBt sowohl in die Körper- als in die Lungenschlagader, vorzugsweise aber in die letztere, weil sich ihm hier der geringste Widerstand entgegensetzt. Dem dunkelrothen Blute rückt dann das hellrothe, sich theilweise mit ihm vermischend, nach, indem es aus dem Cavum arteriosum in die linke, dann in die rechte Hälfte des Cavum venosum und so bis an die Arterien gelangt. Zu dieser Zeit schließt sich der Eingang in die Pulmonalis, so dass das arterielle Blut ausschließlich in die Kórperschlagadern fließt und eben so die Arbeitskraft, welche der letzte Theil der Kammersystole repräsentirt, ausschließlich für den großen Kreislauf verwendet wird!.« Zur Demonstration dieses Verschlusses verfährt BRÜCKE folgendermaßen: »Um jeden Zweifel zu beheben, durch- schneidet man die großen Venenstämme, damit kein Blut mehr in das Herz gelangen kann, saugt das ausfliebende Blut mit einem Schwamme auf und führt dann von vorn her einen Längsschnitt in die Wand der Lungenschlagader, der sich bis zum Ventrikel hinein erstreckt. Da das so zugerichtete Herz noch immer ganz regel- mäßig pulsirt, so sieht man, wie sich im Verlaufe der Kammersystole der Knorpel, welcher zwischen den Eingängen in die rechte Aorta und Arteria pulmonalis liegt, nach links wendet, so dass, wenn sich der besagte Muskelstreif (der Bulbusring, mihi) zusammenzieht, der Eingang in die Lungenschlagader verschlossen wird, während das Blut nach rechts vom Knorpel in die Aorta dextra, nach unten von demselben in die Aorta sinistra einströmen kann. Es wird dieser Verschluss noch erleichtert und gesichert dadurch, dass zugieich dıe Muskelleiste, welche von dem Knorpel entspringt, gegen die untere, der Bauchseite zugewendete Seite der Herzwand gedrückt wird, wie sich dies aus der vorerwähnten Beobachtung mit Berücksichtigung der anatomischen Verhältnisse leicht erschließen lässt?.« Ich finde, dass DRÜCKE durch den beschriebenen Eingriff zu sehr die natür- lichen Verhältnisse der Kontraktion eines koncentrisch wirkenden — Hohlmuskels stórte, als dass er aus den hierbei wahrzunehmenden Vorgängen bezw. Veränderungen richtige Schlüsse auf die Aktion 1 ] e. pag. 338. ? ]. e. pag. 338. 949 Alfred Greil des unverletzten Organs hätte ziehen können. Vor Allem ist zu be- merken, dass der Bosanus’sche Knorpel und die an demselben endi- gende, durch ihre eigene Kontraktion sich vertiefende Muskelleiste derart an die Wand des Herzens einerseits, des Truncus arteriosus andererseits fixirt erscheinen, dass sie unter normalen Verhiltnissen durch die andrängende Blutwelle nieht so ohne Weiteres umgelegt werden kónnen. SABATIER wählte Testudo europaea und mauritanica, sowie Chelonia caouana und midas zum Gegenstande seiner Forschungen. Bei der Beschreibung der äußeren Gestalt des Herzens erwähnt er, dass der aus demselben hervorgehende Faisceau arteriel (Truncus arteriosus) an seinem Ursprung von einem unvollständigen Muskel- ring umschlossen sei — der Cravatte bulbaire seiner späteren Dar- stellung —, weleher im Bereiche des Pulmonalisstammes am breite- sten sei und sich von da ab immer mehr verschmälere, um am Ostium der rechten Aorta sich gänzlich zu verlieren. Am Pulmo-. nalisstamme und dessen Ästen war eine beträchtliche Ausweitung zu konstatiren (un golfe ou sinus), welche am Eintritte der Pulmo- nalisäste in die Lungen unter etwa dreifacher Verjüngung des Kalibers derselben endigte. Von dieser Stelle gingen bei Emys enropaea und Testudo graeca kleine anastomotische Fäden zur ent- sprechenden Aorta ab. An den Atrioventricularostien unterscheidet SABATIER — eben so wie BRÜCKE — je eine größere septale und kleinere marginale Klappe, welche mit ihren vorderen und hinteren Hörnern mit den Muskelbündeln des Ventrikels in Verbindung stehen sollen. Die äußeren Klappen beschreibt er als kleine fibröse pore die linke von diesen fand er »quelque fois musculaire«. Bei der Beschreibung des Ventrikelinneren wird zuerst die Muskelleiste berücksichtigt, und als Fausse cloison bezeichnet. SABATIER ist nümlich der Ansicht, dass diese Bildung nur einen »bien faible part de la cloison des Vertebres superieurs« repräsentire. Er hàlt sie für eine Falte der ventralen Kammerwand. (»En réalité, cette fausse cloison n'est point, comme on l'a eru jusqu'à présent, une simple colonne charnue faisant saillie sur la paroi antérieure du ventricule et ne différant que par le volume des autres colonnes charnues ventriculaires. C'est un véritable repli de la paroi ventri- culaire, repli saillant à l’interieur« t), welche »peut done être consi- 1 ]. e. pag. 228. Sfc f une CNRC Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 243 dérée comme une conséquence du changement des rapports réci- proques des deux branches de lU transversal primitif«!. Diesen Faltungsprocess bezieht SABATIER jedoch nur auf den marginalen Abschnitt der Muskelleiste, die fausse cloison im engeren Sinne, deren Randzone er besonders als »Lévre« unterscheidet und der er auch, wie wir noch sehen werden, eine andere morphologische Be- - deutung zuschreibt. Den Bulbusring (cravatte bulbaire) lässt SABATIER . yon dem als Fibrocartilage bezeichneten Bosanus’schen Knorpel ent- | | i $ springen und an der Ventralseite der Ostien zur vorderen, zwischen den Ostien der Pulmonalis und linken Aorta befindlichen Apophyse des Knorpels sowie zum Septum aorticum ziehen, worunter SABATIER offenbar seinen »demi anneau postérieure de l’aorte gauche« versteht. In Folge dieser Anordnung soll die eravatte bulbaire bei ihrer Kon- iraktion, »avoir pour effet de porter en avant et vers la gauche l'apo- physe antérieure du noyau, de rétrécir l'orifice pulmonaire et d’aplatir Yorifice de l'aorte gauche en l'étirant et en appliquant le demi anneau postérieur ou fibreux de cet orifice contre son demi anneau antérieur ou fibrocartilagineuse« 2. — (Ich verweise auch diesen Angaben gegen- über auf meinen bei Besprechung der BRÜckKE'schen Ausführungen gemachten Einwand und bemerke insbesondere, dass die einheitlich erfolgende Kontraktion des Bulbusringes eine gleiehzeitige Verengung aller drei arteriellen Ostien zur Folge hat) An der Bulbuslamelle unterscheidet SABATIER die Faisceaux droits postérieure et antérieure, die Fibres obliques gauches, die Canalis aurieularis-Lamelle wird als Masse charnue antérieure et postérieure, die Muskelzüge des radiären Trabekelsystems als Faisceaux rayonnantes antérieures et postérieures bezeiehnet, von welch letzteren die unterhalb der Insertion der Vor- hofsseheidewand vorspringenden Züge eine veritable Einengung der Ventrikelhóhle bedingen. — Auf die weiteren Details dieses Kapitels der geistvollen SABATIER'schen Arbeit kann aus äußeren Gründen hier eben so wenig eingegangen werden wie auf die darauf folgenden physiologischen Erörterungen, welche im Wesentlichen die BRÜCKE- schen Angaben bestätigen. Ä JACQUART (15) hält auch bei der Beschreibung des Herzens der — Tortue franche an seinen in der Memoire sur les organes de la circu- . lation chez le Serpent Python dargelegten, gleich zu besprechenden . Anschauungen fest, bezeichnet die Muskelleiste als cloison interventri- 1] c. pag. 228. | 2 ]. c. pag. 44. 244 Alfred Greil b di culaire und homologisirt die ventrale Kammerabtheilung mit dem rechten, die dorsale Kammerabtheilung mit dem linken Ventrikel der hóheren Vertebraten. Die letztere wird durch einige unterhalb der septalen Atrioventrieularklappen vorspringende Muskelbalken in zwei seitliche Unterabtheilungen geschieden, die beiden »loges du ventrieule gauehe«, welche Scheidung während der Diastole durch die Anlagerung der herabgeschlagenen Atrioventrieularklappen an die muskulóse Begrenzung des so »entstandenen« rétrécissements ver- vollständigt wird — eine Annahme, bezüglich welcher er sich mit SABATIER und BRÜCKE in Übereinstimmung befindet. Uber das Schlangenherz liegt die eben citirte Arbeit von Tea a (12), sowie vereinzelte Angaben von FRITSCH und SABATIER vor. JACQUART unterscheidet am Pythonherzen einen linken und rechten Ventrikel und bezeichnet die unterhalb der septalen Atrio- ventrieularklappen vortretenden Elemente des radiären Trabekel- systems als cloison interventrieulaire, die von diesen beiden Gebilden begrenzte Kommunikation als ouverture interventriculaire. Die unserer Muskelleiste entsprechende Bildung gehórt seinem rechten Ventrikel an und scheidet denselben als ein »gros pilier charnu« bezw. »co- lonne musculaire« in eine »loge inférieure ou pulmonaire« und eine »loge supérieure ou aortique«. Letztere hält JACQUART für »ne plus, qu'un diverticulum du coeur gauche, bilobi en quelque sorte, rétréci, comme étranglé au niveau du trou interventriculaire par un des piliers charnus qui garnissent sa cavité«!. Er geht so weit, diesen »linken Ventrikel« des Ophidierherzens mit dem des Säugerherzens zu homo- logisiren und vertritt diesen Standpunkt noch entschiedener in einer zweiten Abhandlung (pag. 304), in welcher er die loge pulmonaire mit dem rechten Ventrikel des Säugerherzens vergleicht und die Muskel- leiste abweichend von seiner ursprünglichen Nomenklatur als cloison interventrieulaire fungiren lässt. Der periodische Abschluss der loge pulmonaire von der loge aortique wird nach JACQUART'S Ansicht durch die Anlagerung der rechten Atrioventricularklappe an die Muskelleiste bewerkstelligt. (Cette valvule s’accole alors sur le bord de la cloison, qui sépare cette loge [pulmonaire] de la portion droite du ventricule gauche, et elle rend impossible l'introduction du sang dans celui-ci2. — SABATIER bezeichnet am Herzen von Boa constrietor die Muskelleiste aus einem später zu erörternden Grunde als fausse 1 | ec. pag. 336. ? |. e. pag. 306. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 245 eloison und vermisst an ihrem distalen Ende (am Übergange in die Truncuswand) knorpelige Bildungen. Die cloison interventriculaire JACQUART’S beschreibt er als »colonnes charnues, qui naissent sur les parois antérieure et postérieure, au-dessous de la cloison inter- auriculaire, qui produisent le rétrécissement ou goulot de la cavité ventriculaire« i. Laterale Atrioventrieularklappen konnte er nur bei sehr großen Exemplaren bemerken, und zwar eine rechte zwischen dem Ostium atrioventriculare dextrum und dem Ostium Aortae dextrae, sowie einen halbmondförmigen Muskelvorsprung am linken venösen Ostium. Vom physiologischen Standpunkte aus verweist SABATIER auf die mächtige Ausdehnung der loge pulmonaire (ventralen Kammer- raum mihi) und die erhebliche Erweiterung des Pulmonalisstammes, welche indess, wie ich an den mir vorliegenden Präparaten nach- weisen konnte, auch auf die beiden Äste desselben übergreift. FgrrscH (19) wählte wiederum eine andere, wie mir scheinen will, ganz unverständliche Nomenklatur und bezeichnet die Muskel- leiste als Conus arteriosus der Pulmonalis, die Bulbuslamelle- (Fleisch- polster Brücke’s) als Conus arteriosus der rechten Aorta. Unsere ventrale Kammerabtheilung ist sein Canalis pulmonalis ventrieuli, in welchen das venöse Blut durch die Kommunikationsöffnungen, die sich an der Wurzel der Muskelleiste finden, gelangt, da der Conus arteriosus der rechten Aorta bezw. das Fleischpolster nach seiner Ansicht »den Eingang um den rechten hinteren [freien] Rand bei Weitem unzugänglicher macht«?. FRITSCH erkennt übrigens ganz richtig, dass das »Fleischpolster durch seine zeitweise Anlagerung an die Muskelleiste den Abschluss des Pulmonaliskanales vervoll- stindigt<, macht jedoch über diesen Mechanismus keine näheren Angaben. Die Existenz einer oberen und unteren Zelle des Cavum venosum im Sinne BRÜCKE's glaubt FRITSCH beschreiben zu sollen und versucht diesen Widerspruch an einem — sehr ungünstig ge- wählten — Längsschnitt durch ein Pythonherz (Taf. XIX Fig. 1) als gerechtfertigt zu erweisen. Das Varanidenherz wurde zum ersten Male von A. Corti (9) beschrieben, welcher an demselben außer den Atrien und dem Ven- -trikel noch einen besonderen Conus arteriosus unterscheidet, aus welch letzterem die Gefäßstimme entspringen. Dieser Conus ent- - sprieht dem Bulbusringe und dem an ihn anschließenden kompakten 1 ]. c. pag. ? |. c. pag. 946 Alfred Greil Wandabsehnitte des ventralen Kammerraumes. Uber die Scheidung des Ventrikels findet sich folgende Angabe: »E margine ventrieuli sinistro vel posteriore paries internus muscularis ita in cavum pro- currit, ut dissepimentum, eum dimidia tantum inferiore parte oppositi cordis marginis conjunctum et a maculis museularibus, quibus obsitum est, adspeetu valde spongioso donatum efformet, septum ventrieulorum seilicet. Hujusce potissimum ope ventriculi cavum in haec tria dis- pescitur spatia, A. in dextrum vel anterius s. ventriculum dextrum, C. in sinistrum vel posterius seu ventriculum sinistrum, et B. in illud denique, ubi duo communieant ventrieuli cava, spatium interventri- culare inquam. Primi solummodo et secundi horum spatiorum parietes numerosis trabeculis carneis abducuntur!.« Dem Spatium interventri- culare gehórt das Ostium atrioventrieulare, sowie die beiden Aorten- ostien an, seine »interna superficies est glabra et trabecularum car- nearum absque vestigio«? (Bulbus-Canalis aurieularis-Lamelle). Auf das Unzweckmäßige dieser Corti’schen Eintheilung der Varanidenkammer macht bereits BRÜCKE aufmerksam, indem er dar- auf hinweist, dass zu einem Ventrikel sowohl ein arterielles, wie ein venöses Ostium gehöre, was weder beim rechten, noch beim linken Ventrikel nach Conrrs Abgrenzung der Fall sei. Er hält vielmehr an der Sonderung der Kammer in ein Cavum venosum und Cavum arteriosum fest und bemerkt über das Septum ventriculorum Folgendes: »Diese Scheidewand durchsetzt die Herzkammer in der Weise, dass das Cavum venosum die gróBere untere rechte, das Cavum arteriosum die kleinere, aber muskulósere obere linke Hälfte des Ventrikels einnimmt. Auf der dem Cavum venosum zugewendeten Oberfläche der Scheidewand bemerken wir wiederum die uns von den Schildkröten und Schlangen wohlbekannte Muskelleiste, welche bei jenen Amphibien von manchen Anatomen als ein unvollkommenes Septum ventriculorum bezeichnet wird, während sie sich hier als ein Auswuchs derselben darstellt. Diese Muskelleiste theilt das Cavum venosum in eine untere linke und obere rechte Hälfte, wie wir Ähn- liches auch bei den Schildkröten und Schlangen gesehen haben?.« Am freien Rande seines Ventrikelseptums (den an der Septumbildung gar nicht betheiligten stärker vorspringenden Elementen des radiären Trabekelsystems, mihi) fand BRÜCKE Netze von Sehnenfäden, gegen 17e. pag. 13. 2 ]. c. pag. 14. 3 ]. e. pag. 345. $ 7 3 x 3 Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 247 welehe sich wührend der Systole die innere Klappe des rechten venösen Ostiums legen soll, um den Eintritt des venósen Blutes in das Cavum arteriosum zu verhindern — eine nicht zu billigende, bereits von CORTI vertretene Auffassung. In seinen anschlieBenden physiologischen Ausführungen scheint sich BRÜCKE -über den Mechanismus des systolischen Abschlusses des ventralen Kammerraumes nicht ganz klar geworden zu sein, denn er spricht immer davon, dass »die Muskelleiste nach vorn zu gegen den vorderen Theil der hier polsterartig vorgewólbten Wand des Ventrikels legt und denselben so vollständig in zwei Hälften theilt«!, während bei dieser Aktion eigentlich gerade das Umgekehrte der Fall zu sein scheint. Ferner hält Brücke gleich Corti dafür, dass sich während der Vorhofssystole die Klappe am Ostium venosum dextrum mit ihrem sehr großen inneren Lappen gegen die an der Kommunikation zwischen dem Cavum venosum und arteriosum be- findlichen Sehnenfäden lege und so den Eintritt von venösem Blute in das Cavum arteriosum verhindere? — eine Ansicht, die ich nicht theilen kann. Röse (23) bespricht die bei der Untersuchung der Herzkammer der Lepidosaurier und Chelonier sich ergebenden Befunde nur in ganz flüehtiger Weise: »Auch bei den meisten Reptilien ist, wie FRITSCH, GAsCH u. A. gezeigt haben, die Trennung des Ventrikelraumes in zwei Hälften eine sehr wechselnde und mehr oder minder zufällige. Zwar findet sich bei allen Reptilien, besonders an der hinteren (?) Wand, ein aus mehreren Trabekeln entstandener kompakterer Muskelzug, der- ‚selbe ist jedoch sowohl nach Lage, als auch nach Ausdehnung sehr weehselnd. Am ausgebildetsten findet sich derselbe bei Varanus vor, wo bereits eine Verwachsung der Muskelleiste mit der hinteren Partie der Atrioventrieularklappen stattgefunden hat, und der Ven- trikel schon deutlich in zwei Räume getheilt erscheint. Es ist jedoch auch noch bei Varaniden der Ventrikelraum größtentheils vom Tra- bekelnetzwerk ausgefüllt*.« Von einer Verbindung der Atrioventri- eularklappen mit dem Trabekelgefüge der Kammer spricht auch FRITSCH (19), welcher die vorderen und hinteren Zipfel der Klappen sich an kurze Papillarmuskeln anheften lässt. Derartige Verhältnisse konnte ich nun an keiner der untersuchten Lepidosaurier- und Chelonier- 1 ]. c. pag. 348. 2 ]. e. pag. 346. 3 Lc. pag. 75. 948 Alfred Greil formen antreffen. Dieser Befund hätte übrigens nichts Befremdendes an sich, da ja in frühen Entwicklungsstadien Elemente des radiären Trabekelsystems der Kammer an der von den Endokardkissen be- setzten Wand des Canalis auricularis auslaufen (vgl. Fig. 7 des Textes) und sich auch späterhin in diesem Gebiete noch eine gewisse Selb- ständigkeit erhalten könnten. An meinen Präparaten inseriren aber die Hörner der Atrioventrieularklappen ausschließlich an der Auri- cularlamelle. II. Crocodilier. Bei den Vertretern dieser Ordnung der Reptilien erweist sich die Kammer des Herzens, wie bereits erwähnt, durch eine solide Scheidewand in zwei mit eigenen venösen und arteriellen Ostien ver- sehene Abtheilungen gesondert. Es kommt also bei diesen Formen zum ersten Male in der Vertebratenreihe zum völligen Aus- baue eines Septum ventriculorum. Dadurch werden insbesondere im Bereiche der Kammerbasis eingreifende, für das Crocodilierherz charakteristische Umgestaltungen herbeigeführt, durch welche es sich wesentlich vom Herzen der Lepidosaurier und Chelonier unterscheidet. Doch werden wir in der Lage sein, zu zeigen, dass es sich rück- sichtlich dieser Unterschiede auch wieder nur um Differenzen gra- dueller Natur handelt. Die allgemeine Organisation des Crocodilierherzens, insbesondere die Beziehungen der Kammerscheidewand zu den arte- riellen und venösen Ostien, sowie die Vertheilung der Gefäßrohre des Truncus arteriosus soll das beistehende Schema veranschaulichen, an welchem die arteriellen Ostien in eine Ebene gelagert erscheinen. Die beiden Vorhöfe (At.d.s.) münden durch schlitzförmige, von den freien Rändern der septalen und marginalen Atrioventrieularklappen begrenzte Ostia atrioventricularia (O.a.v.d.s.) in die beiden Kammern (V.d.; s), welche durch das solide Septum ventrieulorum (S.v.) von einander getrennt werden. Diese Scheidewand tritt an der Kammer- basis derart mit den die einzelnen arteriellen und venösen Ostien trennenden Scheidewänden in Verbindung, dass die Mündung des rechten Vorhofes, sowie die Ostien der Pulmonalis und der linken Aorta dem einen, venöses Blut führenden rechten, die Mündung des linken Vorhofes und das Ostium der rechten Aorta dem anderen, linken Ventrikel zugehören. Der letztere wird also mit dem in den Lungen arterialisirten Blute gespeist und treibt dasselbe in den Körper- kreislauf, während der rechte Ventrikel sowohl für den Körper- wie “28 Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 249 für den Lungenkreislauf arbeitet. Es haben also die beiden Ventrikel des Crocodilierherzens nicht gleiche Blutmengen zu befördern. Der rechte Ventrikel besitzt daher auch ein, der das Ostium der linken Aorta passirenden Blut- menge entsprechendes Plus von Kapaeität als der linke Ventrikel. Die Scheidung der beiden aus dem Körper und den Lungen in das Herz eintretenden Blut- ströme ist also bei den Crocodiliern auch inner- halb der Ventrikelabthei- lung des Herzens eine vollständige, so dass der- selben durch das Ostium der Pulmonalis und der linken Aorta rein venöses, durch das Ostium der rechten Aorta rein arte- rielles Blut entströmt. Noch im Bereiche der beiden Aortenostien, im Grunde der Höhlungen der beiden septalen Aor- tenklappen befindet sich jedoch eine Offnung im Septum aorticum, durch welche arterielles Blut aus der rechten in die linke Aorta - eintreten kann. Diese Öffnung ist das nach einem seiner Entdecker benannte Fo- Panizzae BP Fig. 27. Area. ,4.cc.8. Asa M cpi AS: S. VT AA © i g 4 OAU E iux Aos@ors= 2 ~=- Schema des Crocodilierherzens. Ao.d.(s.) Aorta dextra (sinistra), Ao.dors. Aorta dorsalis, A.c.c.d.(s.) Arteria collateralis colli dextra (sinistra), A.c.p. Arteria carotis praevertebralis, A.coe. Arteria coeliaca, A.s.d (s.) Arteria subclavia dextra (sinistra), At.d.(s.) Atrium dextrum (sinistrum), d.A. sogen. dorsale Anastomose der beiden Aortenwurzeln, F.P. Foramen Panizzae, L.B.d. Ligamentum Botalli dextrum, 0.a.v.d.(s.) Ostium atrioventriculare dextrum (sinistrum), P.A. Puimonalarterie, R.p.d.(s.) Ramus pulmonalis dexter (sinister), S.ao. Septum aorticum, S.n0.p. Septum aorticopulmonale, S.v. Septum ventriculorum, ~ T.a.d (s.) Truncus anonymus dexter (sinister), V.d.(s.) Ventriculus dexter (sinister). . Die beiden Aorten und der Stamm der Pulmonalarterie sind auf ihrer intraperikardialen Verlaufsstrecke mit einander innig verbunden und bilden den Truneus arteriosus. Im Bereiche des letzteren ent- 950 Alfred Greil springen aus dem Stamme der rechten Aorta mittels eines kurzen gemeinschaftlichen Stammes die beiden Arteriae anonymae (A.a.d; s.). Diese theilen sich dann wieder, nachdem sie die Perikardialhöhle verlassen haben, in der Weise, dass das linke Gefäß, die Art. carotis praevertebralis (A.c.p.) die Art. collateralis colli (A.c.c.), die Art. sub- clavia sinistra (A.s.s.) abgiebt, während die rechte Art. anonyma die Art. collateralis colli und die Art. subelavia dextra hervorgehen lässt. Der Stamm der Pulmonalis (P.A.) theilt sich an der Grenze der Peri- kardialhöhle in die beiden Pulmonalarterien. Die beiden Aorten umgreifen, nachdem sie aus dem Herzbeutel ausgetreten sind, die Trachea und den Osophagus, um sich dorsal von dem letzteren zum Stamme der unpaaren Aorta zu vereinigen. Kurz vorher giebt die linke Aorta jedoch die mächtige Arteria coeliaca mesenterica ab, welche den größten Theil des Darmrohres mit Blut versorgt (Art. oesophagea, gastrica, gastrohepatica, duodenohepatica, jejunalis, splenico inte- stinalis [RATHKE]). Dieser Arterienstamm scheint die direkte Fort- setzung der linken Aorta zu bilden, während das eigentliche End- stück der linken Aorta, welches zwischen der Abgangsstelle der Arteria coeliaca-mesenterica und der Vereinigungsstelle der beiden Aortenwurzeln gelegen ist, verhältnismäßig eng erscheint und dess- halb als dorsale Anastomose zwischen den beiden Aortenwurzeln beschrieben wurde. Diese Verhältnisse veranschaulicht auch das beistehende Schema des Blutkreislaufes der Crocodilier, welches das Schema Fig. 27 ergänzen soll. Vor Allem ist in diesem Schema zum Ausdrucke gebracht, dass die Kapaeität der Lungenkapillaren (Z.C.), des linken Vorhofes und Ventrikels (V.s.; A£.s. bei den Crocodiliern erheblich kleiner ist als jene der gesammten Kapillaren des Kör- pers (C1 + Crr + Crit) bezw. des rechten Vorhofes (V.d.) und der rechten Kam- mer (V.ch.. — Die Pfeile deuten die Richtung des Blutstromes an. Aus den Kapillaren des Kórpers gelangt das (venóse) Blut in den Sinus venosus, den rechten Vorhof und den rechten Ventrikel und wird von diesem in die Arteria pulmonalis und in die linke Aorta getrieben. Die Arteria pulmonalis lóst sich in die Kapillaren der Lungen auf, aus denen das arterialisirte Blut in die Lungenvenen und den linken Vorhof abströmt. Dieser entleert dasselbe in die linke Kammer, welche es in die rechte Aorta theilt (Ao.d.). Letztere steht an ihrem Ursprunge mit der linken Aorta durch das Foramen Panizzae (F.P.) in Verbindung und vereinigt sich mit ihrem Endstiick, der dorsalen Anastomose (d.4. zur dorsalen Aorta (4o.d.. Noch bevor diese Vereinigung stattfindet, giebt die rechte Aorta mächtige Arterien ab, welche den Kopf, Hals und die vorderen Extremitüten mit Blut versorgen (Cz). Von der Aorta dorsalis ent- springen die Arterien des Rumpfes und der hinteren Extremität (Cz) sowie eine! Arterie, die Art. mesenterica (RATHKE), welche sich an der Blutversor- 1 Die Arteria haemorrhoidalis blieb im Schema unberücksichtigt. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 251 gung des Darmes betheiligt (Czz), der das Blut zum größten Theil aus der Aorta sinistra empfängt. Der Körper- und der Lungenkreislauf sind somit bei den Crocodiliern, trotzdem diese Thiere eine vollkommen ausgebildete Kammerscheidewand besitzen, nur unvoll- kommen von einander gesondert. Die Lungen erhalten zwar aus dem rechten Herzen nur venöses Blut, welches, nachdem es in ihnen arterialisirt worden ist, unvermischt vom linken Herzen in die Aorta dextra getrieben wird. Gleichzeitig wird jedoch dem Körper dureh die linke Aorta venöses Blut zugeführt, welches sich an zwei Stellen (Foramen Panizzae, dorsale Anastomose) mit dem Blute der Fig. 28. Schema des Blutkreislaufes der Crocodilier. CI Kapillaren des Kopfes, Halses und der vorderen Extremitäten, Cır Kapillaren des Rumpfes und der hinteren Extremitäten, Czzz Kapillaren des Darmes, Pfortadersystem der Leber und der Nieren, L.C. Kapillaren der Lunge, Art.mes. Arteria mesenterica, S.v. Sinus venosus. Die übrigen Bezeich- nungen wie in Fig. 27. rechten Aorta vermischen kann. Dieses eigenartige Verhalten dürfte darin seinen Grund haben, dass die Lungen der Crocodilier, der allgemeinen Organisation dieser Thiere entsprechend, noch nicht so weit ausgebildet sind, dass sie das gesammte, während einer Diastole jin das Herz eintretende Körpervenenblut fassen und arterialisiren — könnten. Das Minus an Capaeität wird dadurch kompensirt, dass ein Theil des Körpervenenblutes, ohne die Lungen passirt zu haben, . dureh die linke Aorta hindurch wieder dem Körper zugeführt wird. Nach dieser allgemeinen Orientirung wollen wir uns nun zunächst die äußere Gestalt der uns interessirenden Abschnitte des Croco- Morpholog. Jahrbuch. 31. 17 952 Alfred Greil dilierherzens betrachten (vgl. Taf. X Fig. 3) Da fällt zunächst an den Vorhöfen auf, dass dieselben zu beiden Seiten und ventral die Kammerbasis überlagern, und der Sulcus atrioventricularis daher in eine tiefe Spalte umgewandelt erscheint. Der Grund des Suleus atrioventricularis ist nicht wie bei den übrigen Reptilien — mit Aus- nahme der Schlangen — annähernd normal auf die Längsachse des Herzens eingestellt, sondern derart, dass seine Ebene mit derselben einen ventralwärts offenen, ca. 60° betragenden Winkel bildet. — Der Ventrikel ist birnförmig gestaltet und erscheint durch eine Längs- furche, den Sulcus interventrieularis (S.2.v.) in eine rechte-ventrale und linke-dorsale Abtheilung gesondert. Diese Furche verläuft ganz ähnlich wie am Herzen der Varaniden, nur reicht sie dorsal bis an das Ostium atrioventrieulare dextrum heran (vgl. Taf. IX, 8; 34). Die etwas abgerundete Spitze des Herzens ist durch ein Ligament mit dem Herzbeutel verbunden. Sie gehört der linken Kammerabtheilung an. An der Kammerbasis entspringen ventral von den beiden venösen Ostien und rechterseits vom Suleus interventricularis aus dem Herzen die drei großen Arterienstiimme, das Pulmonal- und die beiden Aorten- rohre, welche auf ihrer intraperikardialen Verlaufsstrecke zum Truncus arteriosus vereinigt sind. Die Anordnung des letzteren und die Lage- beziehungen der drei arteriellen Ostien zu einander sind bei den Crocodiliern dieselben wie bei den Varaniden. Der Truncus ist jedoch relativ etwas kürzer als bei den übrigen Reptilien. Dafür erscheint er im dilatirten Zustande außerordentlich umfangreich. Seine drei Arterienrohre, die übrigens schon bei schwacher Füllung ein ansehnliches Lumen aufweisen, sind nämlich auffallend erweite- rungsfähig. Dies lässt sich am lebenden Thiere eben so deutlich nachweisen wie bei Injektionsversuchen am präparirten Organe. Ins- besondere besitzt das Pulmonalisrohr im diastolisch erweiterten bezw. künstlich ausgedehnten Zustande (vgl. Taf. X Fig. 3 P.) einen sehr beträchtlichen Umfang. Aber auch den beiden Ästen der Pulmonalis ist — so weit sie aus dem Pulmonalisbogen entstanden sind, also bis zur Abgangsstelle der Ligamenta Botalli — ein hoher Grad von Erweiterungsfähigkeit eigen. — Zwischen den beiden Ästen des Pulmonalisstammes springt gegen den Hohlraum des letzteren ein kurzer, konkavrandiger Sporn vor, welcher als das Rudiment eines Septum pulmonale aufzufassen ist. Proximal beginnt die Erweiterung des Pulmonalisrohres bereits an den Fundusabschnitten der Semilunar- klappen des Ostium pulmonale, an deren Insertion die Truncuswand bei praller Fiillung des Rohres eingezogen erscheint. Die beiden Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 253 Aortenrohre weiten sich erst im distalen Gebiete des Truncus arte- riosus aus. Hier bildet sich an der rechten Aorta eine eiförmige Erweiterung, in deren Bereiche die ventrale Wand des Rohres an dem in Fig. 7 Taf. X abgebildeten Objekte theilweise entfernt wurde. Aus diesem erweiterten Abschnitte des Aortenrohres entspringen die beiden Arteriae anonymae (A.a.d.; s.), zwischen welchen ein. konkav- -randiger Sporn ins Lumen vorspringt (S...c.), welcher dem Septum intercaroticum anderer Reptilien entspricht. Zwischen dem Ursprunge der rechten Arteria anonyma und der Anfangs gleichfalls etwas er- weiterten Fortsetzung der rechten Aorta springt ein zweiter Sporn vor, das Septum carotico-aorticum dextrum (S.c.ao.d.). Wie bei Lacerta ragt auch bei den untersuchten Crocodiliern das Septum carotico- aorticum dextrum etwas weiter proximalwärts vor, als das Septum intercaroticum, so dass die beiden Arteriae anonymae mittels eines kurzen gemeinschaftlichen Stammes aus der rechten Aorta hervor- gehen. Bei der Untersuchung der Wandung des Crocodilierherzens ist zunächst zu konstatiren, dass der Ventrikelabschnitt desselben - eben so wie bei den übrigen Reptilien nicht unmittelbar in den Vor- hofsabschnitt bezw. den Truncus arteriosus übergeht, sondern von diesem durch zwei schmale, solide Muskelringe getrennt wird, welche die venösen bezw. arteriellen Ostien umfassen und zum Klappen- - apparate derselben in wichtigen Beziehungen stehen. Diese Ringe pa sr pr RAM pip" s im ^ e Nor y, f entsprechen dem Auricular- bezw. Bulbusringe des Lacertilier- herzens und sind gleich diesen als letzte selbständig erhalten ge- bliebene Reste embryonaler Herzabschnitte, des Canalis auricularis und Bulbus cordis aufzufassen. An den Bulbusring schließt sich bei den Crocodiliern distal noch ein ganz schmaler, aus collagenem und elastischem Bindegewebe bestehender Faserring an, welcher distal" wärts in die Wand des Truncus arteriosus übergeht. Die beiden von diesen Ringen umgebenen Ostiengruppen sind bei den Crocodiliern in der Weise angeordnet, dass die drei, wie bei den übrigen Reptilien dicht neben einander liegenden und mit einander verbundenen arteriellen Ostien an die .Ventralseite der beiden venösen Ostien zu liegen kommen (vgl. Taf. IX, 2—4; 8, 9). — Dabei ist das Ostium der rechten Aorta (vgl. Taf. IX, 2, 8; 15) so vor die beiden venósen Ostien gelagert (vgl. Taf. IX, 8; 17, 18), dass eine durch das Vorhofsseptum gelegte Ebene dasselbe halbiren würde, Während das Ostium der Pulmonalis (vgl. Taf. IX, 2; 19) sich völlig linkerseits von der ventralen Insertion des Septum atriorum (ibid. 23) 17* 254 Alfred Greil befindet. Riicksichtlich dieses Lageverhältnisses der arteriellen zu den venösen Ostien unterscheiden sich die Crocodilier — wenn auch nur graduell — von den ihnen unter allen Reptilien in dieser Be- ziehung am nächsten stehenden Varaniden, bei welchen die drei arteriellen Ostien noch nicht so weit nach links hin verschoben sind (vgl. Taf. VILE ods) 19, 15, 23 mit Taf. IX, 25195723). Aber auch bezüglich der räumlichen Einstellung der Ostien bestehen auffällige Unterschiede. Am Varanidenherzen liegen die Ebenen der arteriellen Ostien nahezu parallel zur Ebene der beiden venösen Ostien und sind transversal eingestellt. Bei den Crocodiliern hingegen liegen die arteriellen Ostien annähernd in einer Ebene, DET Em--------- su 1. r. V. A. Frontalschnitt, B. Sagittalschnitt durch die Kammerbasis eines Crocodilierherzens (schematisch). Vergr. 5: 1. Ao.d.(s. Aorta dextra (sinistra) Aur.R. Auricularring, B.Aw.Sp. Bulboauricularsporn, B.R. Bulbus- ring, F.P. Foramen Panizzae, F.R. Faserring, 1.s.A.v.Kl. linke septale Atrioventricularklappe, mı(mz, m3) marginale Klappe der Pulmonalis (der linken, rechten Aorta), P. Pulmonalis, si(se,s3) septale Klappe der Pulmonalis (der linken, rechten Aorta), S.ao. Septum aorticum, S.ao.p. Septum aorticopulmonale, S.V. Septum ventriculorum: P.e. Pars endocardialis, Pm. Pars musculosa. xxx Klappenwulst der marginalen Pulmonalisklappe, /.(r.) linke (rechte) Seite, v.(d.) ventrale (dorsale) Seite. welche nach der rechten und ventralen Seite hin geneigt ist. Die Neigung nach der rechten Seite ist an Frontalschnitten (vgl. Fig. 29 A), die nach der ventralen Seite an Sagittalschnitten (vgl. Fig. 29 B) deutlich zu erkennen. Die Ränder der beiden venösen Ostien liegen nicht genau in einer Ebene, sondern vielmehr in einer etwas ge- krümmten Fläche, die, wenn wir vom ventralen Umfange des Ostiums ausgehen, zuerst stärker, dann etwas weniger stark dorsalwärts ab- dacht. Sehen wir aber von dieser Flüchenkrümmung ab und legen wir durch den ventralen und dorsalen Rand der venósen Ostien eine Ebene, so bildet diese Ebene mit der Transversalen einen Winkel von ungefähr 45°. Der ventrale Rand der venósen Ostien steht dabei vri unto "i aet aom Y E Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 255 in derselben Höhe wie der dorsale Rand des Ostiums der rechten Aorta (vgl. Fig. 29 B). — Die Ebenen der arteriellen und venösen - Ostien sind somit derart gegen einander geneigt, dass sie mit ein- ander einen caudalwärts offenen Winkel bilden. Zerlegt man daher das Herz eines Crocodiliers in Schnitte, die parallel der Ebene der — arteriellen Ostien geführt sind, so treffen diese Schnitte die venösen Ostien in schiefer Richtung und umgekehrt. Dieser Umstand er- -sehwerte nun die Untersuchung von Querschnitten durch das Herz ungemein. —-Ich habe daher, um die Verhiltnisse an der Kammer- basis übersichtlicher darstellen zu können und um es dem Leser zu ermöglichen, einen Vergleich von Schnitten durch das Crocodilierherz mit solchen des Varanidenherzens durchzuführen, eine Serie von leicht schematisirten Abbildungen entworfen (Fig. 30), die so her- gestellt wurden, dass immer zwei einander entsprechende Schnitte mit einander kombinirt wurden, von denen der eine parallel der arteriellen, der andere parallel den venósen Ostien geführt worden war. Es erscheinen daher in diesen Abbildungen Theile, die in Wirklich- keit in gegen einander geneigten Ebenen liegen, gewissermaßen auf — eine Ebene projicirt. Das Myokard ist in diesen Schnittbildern schwarz angelegt, die endokardialen Bildungen sind punktirt, die Truncuswand gestrichelt angegeben. Der Schnitt Z dieser Serie ist durch den proximalsten Theil des Truneus arteriosus geführt, an welchem die Kommissuren der Semi- lunarklappen auslaufen, welch letztere auch bei Crocodiliern dieselbe typische Anordnung zeigen wie bei den übrigen Reptilien. Ihre mittleren Abschnitte haften am Faserringe (Schnitt ZZ), ihre Fundus- theile am Bulbusringe. Letzterer ist mit dem Auricularringe im Schnitte 7/7 auf eine Ebene projieirt. Beide Ringe stoßen im Grunde - des Sinus transversus pericardii (vgl. Schnittb. 77 S.t.p.) dicht an ein- ander und sind daselbst durch straffes Bindegewebe mit einander verbunden. Sie bilden hier, indem sie zusammentreten, gewisser- maBen einen zwischen die arteriellen und venösen Ostien eingescho- benen Muskelsporn. Dieser Sporn erscheint in Fig. 29 B der Länge nach getroffen (B.aur.Sp.). Er entspricht dem Bulboauricular- sporne der übrigen Reptilien (vgl. z. B. Fig. 26 B.aur.Sp.), welcher bei diesem freilich mit freiem Rande endigt und nicht wie bei den Croeodiliern frontal, sondern schief von links ventral nach rechts dorsal eingestellt ist. Im Gebiete dieses Spornes, insbesondere aber zwischen dem Ostium der rechten Aorta und der linken Atrioventri- eularóffnung sind die beiden Ringe am schmälsten, so dass sie an 956 Alfred Greil Fig. 30. VA. Aurt. \ Im AVAL x Vr. Kombinirte Querschnitte durch das Herz von Alligator lucius (etwas schematisirt). Aur.L. Auricularlamelle, B.aur.L. Bulboauricularlamelle, C.d.r.Ao. Conus der rechten Aorta, l.(v.)m.A.v. Kl. linke (rechte) mediale (septale) Atrioventricularklappe, l.(r.)].À.v. KI. linke (rechte) laterale (marginale) Atrioventricularklappe, [.(r.)V. linker (rechter) Ventrikel, J.A]. Muskelklappe, P.C. Pulmonaliskonus, P.M. Papillarmuskel der beiden linken Atrioventricularklappen, S.at. Septum atriorum, S.at.v. Septum atrioventriculare, S.v. Septum ventriculorum, P.d Pars dorsalis, P.v. Pars ventralis, S.i.v. Sulcus interven- tricularis, c—3, $—7, y—0, d—e Abschnitte des Septum ventriculorum. Ubrige Bez. s. Tafelerklarung. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 257 einem hart an der Ventrikelgrenze geführten Querschnitte (ZV ) bereits — zwischen u und v — unterbrochen erscheinen. Linkerseits, bei u, trennt sie noch fibröses Gewebe, während sie rechterseits, bei v unter spitzem Winkel unmittelbar in einander übergehen. Das Verhalten des Auricularringes gestaltet sich, wie am besten an frontal geführten Längsschnitten durch das Herz zu sehen ist (vgl. Fig. 31 und Taf. IX, 10, 11; 1), linkerseits etwas anders als im Bereiche des Ostium atrioventrieulare dextrum. Der von einer _ bindegewebigen lateralen (marginalen) Atrioventricularklappe besetzte linke Abschnitt des Ringes ist nämlich sehr kompakt und bildet den Grund des Sulcus atrioventricularis, da er nur im Bereiche einer ganz schmalen proximalen Zone durch die sich etwas vorwölbende Ven- rikelwand verdeckt wird. Den rechten und dorsalen Abschnitt des Ringes repräsentirt ein verhältnismäßig dünner Muskelstreifen, wel- cher in seiner ganzen Breite von einer Endokardverdickung besetzt ist. Er erscheint also hier wie ein Muskelband, welches durch die in diesem Bereiche sich besonders mächtig vorwölbende Corticalis der angrenzenden Ventrikelwand gänzlich von der Oberfläche des Herzens abgedrängt wird und mit der Ventrikelwand durch epikardiales Binde- gewebe zu einer soliden Falte vereinigt ist. Das Epithel des Epi- cardiums schlägt sich daher rechterseits, ohne den Auricularring zu berühren, von der Vorhofs- auf die Ventrikelwand über (vgl. auch Taf. IX, 10). Der Bulbusring ist schmäler als der Auricularring und trägt die Fundusabschnitte der Semilunarklappen. Er unterscheidet sich in mancher Beziehung vom Bulbusringe der übrigen Reptilien. In- dem ein Muskelband, welches dorsal und ventral in den alle drei arteriellen Ostien umfassenden Muskelring übergeht, den Endab- schnitt des Septum aorticopulmonale durchzieht (vgl. Fig. 30 777, IV), wird der einfache Ring in einen Doppelring umgewandelt, der einer- seits das Ostium der Arteria pulmonalis, andererseits die Ostien der beiden Aorten umfasst (ZII). Dabei erscheint der Muskelring zwi- schen den einzelnen Ostien etwas eingebuchtet. — Von diesen rinnen- — fórmigen Einbuchtungen ist die zwischen dem Ostium der Pulmonalis und dem Ostium der rechten Aorta befindliche besonders gut ausge- prägt (vgl. Fig. 30 ZV) und läuft, kammerwärts verfolgt (vgl. Fig. 30 V—VIII, sowie Taf. IX, 3, 4), in den Sulcus interventricularis aus (S.z.v.). — Die Breite des Bulbusringes ist an den drei Ostien ver- ‚schieden; im Bereiche des Ostiums der linken Aorta reicht er z. B. bis an die Höhlung der marginalen Semilunarklappen vor, während 258 Alfred Greil er an der Innenseite der marginalen Klappe des Ostiums der Pul- monalis das Niveau ihres Fundus kaum erreicht (vgl. Fig. 29 A; B.R., m, m). Dagegen setzt er sich im Gebiete dieses Ostiums, sowie an der linken Seite des Ostiums der rechten Aorta proximal- würts in einen auffallend kompakten Bezirk der Kammerwand fort, dessen proximale Begrenzung in der Abb. 3 der Taf. X gestrichelt angegeben ist. Über die Verhültnisse dieses kompakten Bezirkes der Kammer- wand geben am besten die Schnittbilder der Fig. 30 Aufklärung. Schnitt V77 zeigt uns jene, rechts von dem Sulcus interventricularis gelegene, ventrale Ausladung der rechten Kammer, an welche distal die Ostien der Pulmonalis und der linken Aorta anschließen ( VI—V —IV —III.O.p.; O.Ao.s.). Wir wollen diese Ausladung weiterhin als Pulmonaliskonus (P.C.) bezeichnen. An den Schnitten VJ und V zeigt sich, dass die linke und der gróBte Theil der ventralen Wand dieses Konus kompakt ist. Zwischen den Schnitten V und VJ geht dieser kompakte Wandabschnitt unmittelbar in die Muskulatur des Bulbusringes über. Wir erkennen ferner, dass die Muskelwand der Kammer, entsprechend dem Sulcus interventrieularis der Oberfläche des Herzens, in der Höhe des Schnittes VII eine scharf gegen das Innere zu vorspringende Falte bildet, deren First mit der Kammer- scheidewand in Verbindung steht (bei £) und deren eine, kompakte Seite dem Conus pulmonalis, deren andere aber der linken Kammer- abtheilung zugewendet ist. Die Schnitte V7 und V zeigen uns dann, wie weiter distal die beiden Muskellamellen der Falte im Bereiche ihres Firstes eine Strecke weit nicht mehr direkt in einander über- gehen, sondern nur durch Bindegewebe mit einander vereinigt sind, und Schnitt V lässt erkennen, wie die in dieser Höhe ebenfalls kom- pakte dorsale Lamelle der Falte zum Theil die linke ventrale Wand einer zwischen der linken septalen (medialen) Atrioventricularklappe (l.m..A.v. KT.) und dem Septum ventriculorum (P.d.[v.]S.v.) befindlichen Ausladung der linken Kammer bildet, an die, wie der Vergleich der Schnitte V und JV ergiebt, das Ostium der rechten Aorta anschließt (III.O.Ao.d.. Wir wollen desshalb diese Ausladung als Konus der (rechten) Aorta bezeichnen. Auch lehrt ein Vergleich dieser Schnitte, dass die dorsale, einen Theil der ventralen Wand des Conus aortae dextrae bildende Lamelle der Falte unmittelbar in den der linken Wand des Ostiums der rechten Aorta angehörigen Ab- sehnitt des Bulbusringes übergeht. Die ventrale, dem Pulmonalis- konus angehörige Lamelle der Falte setzt sich distalwärts in den das Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 259 Ostium der Pulmonalis umgebenden Abschnitt des Bulbusringes fort (vgl. V.IV.S.ao.p.). Diese Falte der Muskelwand der Kammer entspricht, wie später noeh zu zeigen sein wird, der Bulbusfalte von Lacerta- und Tropi- donotus-Embryonen, wesshalb sie auch am Crocodilierherzen als Bulbusfalte bezeichnet werden soll (Fig. 30 VI, B.F.). Der kom- pakte, trabekelfreie Bezirk der Kammerwand besitzt nämlich bei den Croeodiliern fast eine eben so grobe Ausdehnung wie bei den Va- raniden, und es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass der- selbe — gleich dem Bulbusringe — auch bei diesen Formen als ein Derivat des sich kompakt erhaltenden Wandabschnittes des Bulbus = cordis aufzufassen ist. Bo sah itin EN Aw ee T c cttm Ah eene Sehen wir von dem kompakten Wandabschnitte der Kammer ab, über dessen Ausdehnung und dessen Beziehungen zum Bulbus- ringe so eben berichtet wurde, so finden wir die Kammerwand in der Nachbarschaft der Kammerbasis allenthalben in zwei Lamellen gespalten (vgl. Fig. 29, 31). Die äußere Lamelle ist die Corticalis der Kammerwand, die innere Lamelle entspricht, wie der Vergleich der Fig. 30 V und Taf. IX, 8, 9 mit Taf. VIII, 4, 10, Taf. VII, 26, 5 lehrt, der Bulboaurieularlamelle von Varanus und anderen Reptilien, und wir werden daher diese Lamelle im Folgenden stets als Bulbo- auricularlamelle (B.aur.L.) bezeichnen. — Bei den Crocodiliern erscheint der rechte dorsale Abschnitt der Bulboauricularlamelle im Vergleiche zum linken ventralen Abschnitte derselben viel größer als bei den übrigen Reptilien. Die beiden Abschnitte sind in Fig. 8 Taf. IX wie in anderen Abbild. mit 49 und 50 bezeichnet. — Die Corti- calis und die Bulboauricularlamelie stehen durch ein reiches Netzwerk - von Muskelbalken mit einander in Verbindung. — Aus Fig. 29 V ist ersichtlich, dass die Bulboauricularlamelle ventralwärts rechterseits in den kompakten Wandabschnitt des Conus pulmonalis, linkerseits in die dorsale Lamelle der Bulbusfalte übergeht. — So weit stimmen die Verhältnisse von parallel und nahe der Kammerbasis geführten Schnitten durch das Herz von Crocodilus mit den an entsprechender - Stelle geführten Schnitten dureh das Herz eines Varanus überein. . Dagegen zeigen sich an solchen Sehnitten auch wieder eine . Reihe von Verschiedenheiten, die auf das Vorhandensein der Kam- — merseheidewand bei Crocodilus zurückzuführen sind. Vor Allem ` zeigt das Schnittbild V7 der Fig. 27 und die Fig. 9 Taf. IX, wie der — dureh den centralen Kammerhohlraum gespannte Theil der Kammer- - Seheidewand sieh an dem dorsalen Theil der Bulboauricularlamelle 260 Alfred Greil ansetzt und wie hier diese Lamelle leistenartig gegen das Innere zu vorspringt. — Ferner sieht man, wie nach rechts von diesem leisten- artigen Vorsprung in dem zwischen Bulboauricularlamelle und der | Corticalis der Kammerwand vorhandenen Trabekelwerk eine sagittal verlaufende Verdichtung besteht, welche die Lamelle mit der Cortiealis — verbindet. Diese Verdichtung reicht bis an die Kammerbasis (s. st.), - woselbst sie an der, sich an der Außenseite des Auricularringes vor- ‘ wölbenden Corticalis der Kammerwand endigt (vgl. Fig. 27 V, IV). Bereits in der Nähe des Schnittes V findet sich zwischen dieser Ver- dichtung (ö—e) und dem Ansatze der Kammerwand (y) nicht mehr ein Theil der Bulboauricularlamelle, sondern bereits ein Abschnitt des Auricularringes vor, welcher an dieser Stelle am breitesten ist. Offen- bar hat hier der Unterminirungsprocess an der Muskelwand des Ca- nalis auricularis nicht so weit vorgegriffen als zu beiden Seiten. Die partielle Verdichtung des zwischen der Corticalis und der Bulboaurieularlamelle befindlichen Trabekelgefüges ist der ebenfalls zwischen der Corticalis und der Bulboauricularlamelle vorkommenden Scheidewandanlage bei Varanus (vgl. Taf. VII, 4, 5; 59) und Tro- pidonotus (vgl. Taf. VII, 25, 26; 59) ähnlich, doch liegt sie nicht an derselben Stelle wie diese. Die funktionelle Bedeutung dieser Bildungen ist dieselbe, sie vervollständigen im Be- reiche des zwischen dem rechten dorsalen Abschnitt der Bulboauricularlamelle und der Corticalis des Ventrikels ausgesparten Trabekelgefüges die Scheidung des venösen vom arteriellen Blute. Bei den Crocodiliern bildet diese Einrich- tung, indem sie die intertrabekulären Räume einerseits dem rechten, andererseits dem linken Ventrikel zutheilt, einen Theil der Kammer- scheidewand (d—e Fig. 30 IV—VT), an deren Aufbau sich in dieser Höhe auch der zwischen den Buchstaben y—0 befindliche Theil der Bulboauricularlamelle betheiligt. Bei Varanus und Tropidonotus be- findet sich die Verdichtung des zwischen der Bulboauricularlamelle und der Corticalis ausgesparten Trabekelgefüges etwas mehr nach rechts hin und nimmt an der Scheidung des dorsalen und ventralen Kammerraumes Theil. Die Bulboauricularlamelle hat bei Crocodiliern in der Rich- tung gegen die Herzspitze nur eine beschränkte Ausdehnung. So sieht man in den Schnittbildern V7 und VII der Fig. 30 (vgl. auch Taf. IX, 9; 50) linkerseits dorsal und ventral nur mehr Reste der | Lamelle erhalten, an denen die Ausläufer der septalen (medialen) — und marginalen (lateralen) Klappe der linken Atrioventricularóffnung Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 261 haften, während rechterseits die Lamelle (vgl. Taf. IX, 9; 49) noch in ihrer ganzen Ausdehnung (im Schnitte V77 Fig. 30) nur in ihren ventralen Partien getroffen erscheint. Außer zur Kammerscheidewand steht die Bulboaurieularlamelle auch zum Klappenapparate der venösen Ostien in wichtigen Beziehungen, ja sie erscheint geradezu in den Dienst desselben ge- stellt. — Jedes Ostium venosum besitzt sowohl eine marginale (la- terale) wie eine septale (mediale) Klappe (vgl. beistehende Figur). Die konkaven Ränder der beiden, kammerwärts konvergirenden Klappen begrenzen mit einander jederseits eine knopflochartige Óff- nung, durch die das Blut in die Kammer einströmt. Diese Öffnungen stehen nicht so wie die Atrioventri- eularóffnungen parallel zu einander, sondern divergiren ventralwärts, so zwar, dass ihre größten Durchmesser einen ventralwärts offenen Winkel von etwa 40° mit einander bilden (vgl. Fig. 27 sowie Taf. IX, 8, 9; 17, 18). Fassen wir nun die Atrioventrieularklappen rrontalschnitt durch die venósen Ostien und die Kammer selbst ins Auge, so füllt uns $s Sram eben don zunächst die Ahnlichkeit atriorum, ihrer septalen Segel mit den $g; Slam seem septalen Atrioventrieular- Die übrigen Bezeichnungen wie in Figg. 29—30. klappen am Herzen anderer - - Reptilien auf. Untersucht man aber diese Klappen auf Frontalschnitten (vgl. Taf. IX, 10, 11, sowie beistehende Abb.) so erkennt man, dass gewisse Unterschiede bezüglich des Klappenansatzes bestehen, die auf das Vorhandensein einer Kammerscheidewand zurückzuführen sind, welche mit diesen Klappen in Beziehungen tritt. — Die Kammer- Scheidewand verbindet sich nämlich nieht direkt mit der Vorkammer- scheidewand, d. h. dort, wo von deren Rande die beiden septalen Klappen abgehen, sondern sie inserirt an der Ventrikelfläche der rechten septalen Klappe, rechts von der Insertionsstelle dieser — Klappe an dem proximalen Ende der Vorkammerscheidewand. Da- durch erscheint die rechte septale Atrioventricularklappe in zwei 262 Alfred Greil Abschnitte getheilt, von denen nur noch der eine, größere rechte, wirklich als Klappe funktionirt, während der andere den rechten Vorhof von jener Ausladung der linken Kammer scheidet, die oben als Konus der rechten Aorta bezeichnet wurde. Auf diese Weise erscheint ein Abschnitt der Herzscheidewand gebildet, den wir in der Folge als Septum .atrioventriculare bezeichnen wollen (S.a.v. Fig. 31) und über dessen muthmaßliche Genese noch genauere An- gaben gemacht werden sollen. — Die Insertionen der beiden septalen Atrioventricularklappen erfolgen daher nicht in gleicher Höhe und desshalb liegen, genau genommen, auch die beiden venösen Ostien nicht in einer Ebene. Die Insertion der rechten septalen Klappe befindet sich etwas proximal von jener der linken septalen Klappe. So kommt es, dass man an Schnitten, die durch den Auricularring des Herzens geführt sind, nur die linke septale Klappe und das Septum atrioventriculare treffen kann (vgl. Fig. 30 JII), und die rechte septale Klappe erst an etwas weiter proximal geführten Schnitten getroffen wird (Fig. 30 ZV). — Dorsal und ventral haften die septalen Klappen zunáchst an der Muskulatur des Auricular- ringes (Fig. 30 7/7, IV) und greifen dann mit ihren Insertionen auf die angrenzenden Partien der Auricularlamelle über. Ventral folgt dabei ihre Insertion, wie dies aus Fig. 30 ZV ersichtlich ist, dem Ausläufer des Bulboaurieularspornes, und zwar linkerseits auf eine längere Strecke als rechterseits. Hier steht die (linke) Klappe mit dem fibrösen Gewebe in Zusammenhang, welches den Auricularring mit dem Bulbusring verbindet (vgl. Fig. 29 B.; B.aur.sp.; 1.s.A.v.Kkl.). An solchen Längsschnitten durch das Herz scheint der Bulboauri- cularsporn gewissermaßen in diese Klappe auszulaufen, welche dem Aortenzipfel des Klappenapparates am Ostium venosum sinistrum des Herzens hóherer Vertebraten entspricht. Der dorsale und ventrale Ausläufer der linken septalen Atrio- ventrieularklappe — wir wollen diese Ausläufer wie die der übrigen Klappen als deren »Hórner« bezeichnen — endigen an der Auricular- lamelle und konvergiren an dieser mit denen der marginalen Klappe des Ostium venosum sinistrum (vgl. Taf. IX, 9, 10; 38). Letztere hat eine halbmondférmige Gestalt und besteht eben so wie die septale Klappe ausschließlich aus Bindegewebe (vgl. auch Fig. 31 L/.4.v.A7.). Sie besitzt einen bogenfürmigen freien Rand, welchem eine konkave Insertionslinie entspricht. Ihr Fundusabschnitt haftet, wie bereits oben (pag. 257) erwáhnt wurde, am Auricularringe (vgl. auch Fig. 30 II1.l.1.A.v.Kl.), von welchem aus die Insertionen der beiden Hörner E ar a i ee gt Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 263 auf die Auricularlamelle übergreifen (vgl. Fig. 30 ZV— VI). Diese Lamelle ist im Bereiche des linken Ventrikels nur zwischen den Insertionen der mit einander konvergirenden ventralen bezw. dor- salen Hörner der beiden Klappen als kontinuirliche Muskelplatte vom Auricularringe aus in den Ventrikel hinein zu verfolgen. An ihrer Oberfläche trägt sie eine niedrige (im Schnitte VI der Fig. 30 punktirt angegebene) Endokardverdiekung, welche unmittelbar in das Klappengewebe übergeht. Die Insertionen beider Klappen endigen sowohl ventral wie dorsal auf gleicher Höhe, und zwar ventral derart, dass sie sich mit einander vereinigen, dorsal unmittelbar neben ein- ander. — Die marginale Klappe des linken venösen Ostiums der Kammer zeigt also bei Crocodiliern eine viel bedeu- tendere Ausdehnung als bei allen übrigen Reptilien. Vor Allem ist die eine Thatsache beachtenswerth, dass die beiden Klappen dieses Ostiums in gleicher Höhe endigen und an ihren Enden in einander übergehen, sei es direkt, sei es indirekt, indem eine Endo- kardverdickung sich zwischen sie einschiebt. Dieses Verhalten lässt darauf schließen, dass bei Crocodiliern die Tren- nung des linken Endokardkissens des Canalis auricularis von dem ventralen und dorsalen Endokardkissen nicht so exakt ist, oder bleibt wie bei Lacerta. Wahrscheinlich vergrößert sich im Laufe der Entwicklung das linke Endo- kardkissen derart — falls es überhaupt distinkt angelegt wird —, dass es mit dem ventralen und dorsalen Endokardkissen verschmelzen kann. Es ist dem- nach keineswegs ausgeschlossen, dass auch Material von dem ventralen und dorsalen Endokardkissen bei der Bildung der linken, marginalen Atrioventri- eularklappe Verwendung findet. Die Enden der Auricularlamelle, an welchen die Klappenhörner auslaufen, stehen proximal mit den centralen Muskelzügen des Trabekelgefüges der linken Kammer in unmittelbarem Zusammen- hange. Diese Muskelzüge sind im Allgemeinen radiär angeordnet, erscheinen aber in Folge des Umstandes, dass sich die centrale Höhle der linken Kammer fast bis zur Herzspitze erstreckt, gewisser- maßen an die linke Kammerwand gedrückt (vgl. Fig. 31 wie Taf. IX, ll; 52). Indem sie sich unter einander verflechten, vereinigen sie - sich dorsal zu einer papillarmuskelartigen Bildung (vgl. Fig. 30, VIII, P.M.), welche sich in das dorsale Ende der Aurieularlamelle fortsetzt. — Durch ihre Beziehungen zum Trabekelgefüge einerseits, dem Aurieularringe andererseits erscheint nun die Auricularlamelle im linken Ventrikel genügend versichert, um den Atrioventricular- klappen widerstandsfähige Insertionen bieten zu können. — An den übrigen, nieht in soleher Weise beanspruchten Stellen ist der dem 264 Alfred Greil linken Ventrikel angehörige Theil der Bulboauricularlamelle nur in Rudimenten nachweisbar. Gleich medial von der Insertion der sep- talen Klappen wird die Lamelle dehiscent (vgl. Fig. 30 VI, VII). Es kann daher an dieser Stelle das Blut während der systolischen Kon- traktion der Kammer aus den intertrabekulären Hohlräumen unge- hindert direkt in den Konus der rechten Aorta eintreten. An dem Theile der Bulboaurieularlamelle, welcher dem rechten Ventrikel angehört, lassen sich zwei Abschnitte unterscheiden (vgl. Fig. 30 VI, B.aur.L.), der eine liegt ventral, der andere dorsal von der ventralen Insertion der septalen Atrioventrieularklappe (r.m. A.v. KL). Der ventrale Abschnitt bildet die rechte Wand des gemeinschaft- lichen Konus der Pulmonalis und der linken Aorta, der dorsale schließt an das Ostium venosum dextrum an (vgl. auch Taf. IX, 4; 49). Der ventrale Abschnitt geht ventralwärts in den kompakten Abschnitt der Kammerwand, distalwärts in den Bulbusring über. Der dorsale Abschnitt schließt an den Auricularring an. Er ist ver- hältnismäßig schmal und vom Trabekelgefüge der Kammer so isolirt, dass er proximalwärts mit freiem konkaven Rande endigt (vgl. Fig. 31 wie Taf. IX, 10, 11; 37; Taf. X, III.V.a...d.l). Er bildet gewisser- maßen den Saum jener Falte, welche durch die Aneinanderlagerung der sich mächtig vorwólbenden Corticalis der Kammerwand und des Aurieularringes entsteht (vgl. das pag. 257 Gesagte). Auch die an die Corticalis tretenden Trabekel erfahren in diesem Gebiete eine auffällige Reduktion. Dadurch gewinnt jene Falte und der an die- selbe anschließende freie Saum einen solchen Grad von Beweglich- keit, dass sieh diese Gebilde als sogenannte Muskelklappe am Verschlusse des rechten venósen Ostiums betheiligen kónnen. Diese Muskelklappe trägt an ihrer freien, dem Vorhofe zugekehrten Ober- fliche eine Endokardverdickung, welche, wie bereits pag. 257 er- wähnt, dem Auricularringe angehört. — Die Fixirung dieser Klappe geschieht ventral durch den jenseits der Insertion der septalen Klappe gelegenen Abschnitt der Lamelle, welcher mit dem kom- pakten Bezirke der ventralen Kammerwand einerseits (vgl. Taf. IX, 4; 48, 49), dem Trabekelgefüge des Ventrikels andererseits in un- mittelbarem Zusammenhange steht und so als Papillarmuskel für beide Klappen wirkt. Dorsal wird die Muskelklappe dadurch ver- sichert, dass der unmittelbar anschließende Theil der Auricular- lamelle, an welchem das (dorsale) Horn der septalen Atrioventrieular- klappe ausliuft, in die Kammerscheidewand einbezogen wird. Auf diese Weise erhalten die Hórner der beiden Klappen des eS eee Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 265 rechten venösen Ostiums dorsal eine »septumständige« Insertion. Wir wenden uns nun der Untersuchung des Septum ventricu- lorum der Crocodilier zu, welche in so fern besonders interessant erscheint, als diese Scheidewand auch noch am ausgebildeten Or- gane deutlich ihre Zusammensetzung aus einzelnen Abschnitten er- kennen lässt, die sich durch ihre Genese, Struktur und Anordnung von einander unterscheiden. Zunächst lassen sich mit Rücksicht auf die Struktur am Septum zwei große Abschnitte unterscheiden. Der eine Abschnitt, der weitaus der umfangreichere ist, besteht aus Muskulatur — Pars muscularis — der zweite kleinere Abschnitt ausschließlich aus Gewebe endokardialer Herkunft — Pars endo- - eardialis Septi ventriculorum. Dieser letztere Abschnitt stellt einerseits die Verbindung der Pars muscularis mit dem Septum atrioventriculare her, andererseits vermittelt er den Übergang des Septum ventriculorum in das Septum aorticum des Truncus. Er ist wohl auch der onto- und phylogenetisch jiingste Abschnitt der Kammerscheidewand. Legt man die Kammerscheidewand von den Seiten her bloß, indem man die Wandung der rechten und linken Kammer abträgt, so gewinnt man zwar einen ganz guten Überblick über diese Scheide- wand (vgl. Taf. X Fig. 3) in den Zusammenhang ihrer einzelnen Theile, in ihre recht verwickelten Beziehungen zur Nachbarschaft kann man auf diese Weise jedoch kaum einen klaren Einblick er- halten. Diese Verhältnisse erkennt man erst, wenn man Quer- und — Längsschnitte durch das Herz untersucht. Wir wollen desshalb auch den Aufbau der Kammerscheidewand zunächst an der Hand von Querschnitten darzulegen versuchen und benutzen dazu wieder die etwas schematisirten Schnittbilder der Fig. 30, indem wir uns gleich- zeitig auch auf die auf Taf. IX reproducirten Photogramme beziehen. — Wir gehen dabei von dem kombinirten Querschnittsbild JV aus. Dieser Schnitt trifft die arteriellen Ostien an der Stelle, an welcher der Conus aortae dextrae in das Ostium aortae dextrum übergeht (vgl. Taf. IX, 3). Die Pars endocardialis septi trifft er in ihrem distalsten Abschnitte, unmittelbar vor dem Ubergange in das Sep- - tum atrioventriculare. Dorsal inserirt hier das Septum ventrieulorum am Aurieularringe gemeinsam mit der rechten, septalen Atrioventri- cularklappe. Ventral scheint es an dem rechten Ausläufer des Bulboauricularspornes zu haften, thatsüchlieh setzt es sich aber in das Gewebe des Fundusabsehnittes der marginalen Klappe des Osti- 266 Alfred Greil ums der rechten Aorta (ms) fort, welcher bis an das Septum aorti- cum reicht. Dieses Septum fehlt scheinbar in der Höhe dieses Schnittes, welcher nämlich so geführt ist, dass er gerade das im Septum aorticum befindliche Foramen Panizzae trifft. Um die an - diesem Schnitte sieh darbietenden Verhältnisse der Semilunarklappen verständlich zu machen, wird es nothwendig sein, hier eine kurze Schilderung der Semilunarklappen und ihrer Beziehungen zu den Truneussepten einzuschalten. Die Anordnung der Semilunarklappen ist bei den Croco- diliern, wenn wir von der etwas abweichenden räumlichen Einstel- lung der arteriellen Ostien absehen (vgl. das pag. 254 darüber Ge- sagte), im Wesentlichen dieselbe wie bei den übrigen Reptilien (vgl. Taf. IX, 2 mit Taf. VIII, 1, Taf. VII, 3, 23, 25). Jedes Ostium be- sitzt eine marginale und eine septale Klappe (vgl. Fig. 30 IV, m, sı; My, $9; M3, $3), doch inseriren nur die Fundusabschnitte der septalen Klappen wirklich an den Septen. Ihre Ausläufer, die wir wie bei den Atrioventricularklappen als Hörner bezeichnen wollen, haften dagegen am Faserringe, sowie an der Truncuswand selbst und ver- einigen sich hier mit den Hörnern der marginalen Klappen zu Kom- missuren, deren Anordnung an der Wand der drei Arterienrohre aus Fig. 30 Z ersichtlich ist. Die Fundusabschnitte der Pulmonalis- klappen setzen sich proximalwärts in zwei Endokardverdickungen fort, die wir als Klappenwülste bezeichnen. Der septale Klappen- wulst befindet sich, wie dies aus Fig. 3 und 12 Taf. IX ersichtlich ist, an dem einen Abhange des proximalsten Abschnittes des Sep- tum aorticopulmonale (62, 25). Jenseits des freien Randes dieses Septums kommt er (vgl. Taf. IX, 4 und Fig. 30 V) an die dorsale Wand des Conus pulmonalis zu liegen, während der marginale Klappenwulst an der ventralen Wand dieses Konus seine Lage hat. Außerdem findet sich aber an der linken Wand des Conus pulmo- nalis zwischen dem marginalen und dem septalen Klappenwulste eine dritte kleinere, wulstförmig vorspringende Endokardverdickung (vgl. Fig. 30 V x), die weiter proximal (vgl. Taf. IX, 4) bald wieder verschwindet. — Aber auch die Fundusabschnitte der marginalen Aortenklappen gehen in solche Endokardverdickungen über. Von diesen sitzt die der marginalen Klappe der linken Aorta der rechten Wand des Conus pulmonalis auf (vgl. Fig. 30 V, m), während die marginale Klappe der rechten Aorta dort ausläuft, wo sich die kom- pakte Wand des Conus pulmonalis in die Bulboauricularlamelle und die Corticalis der rechten Kammer spaltet. Sie hängt, wie später noch Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 267 ausführlicher zu zeigen sein wird, mit der Pars ventralis Septi ven- trieulorum zusammen. — An dem /V. Schnitte der Fig. 30 sind die drei marginalen Semilunarklappen in ihren Fundusabschnitten, die drei septalen Klappen noch im Bereiche ihrer Klappenhöhlungen getroffen. Die beiden septalen Aortenklappen scheinen in der Höhe dieses Schnittes an der marginalen Insertion des Septum aorticum in einander überzugehen. Über das Foramen Panizzae ist Folgendes anzugeben: Der Kontour dieser Öffnung (vgl. Taf. IX, 3, 12, 9; 14, Fig. 29 B; F.P.) war bei allen untersuchten Exemplaren von Alligator lucius rundlich- oval. Bei einem Exemplare von 45 cm Körperlänge maß die Öff- nung in ihrem größeren, in der Ebene der Aorten-Ostien eingestellten Durchmesser 0,7 mm, in ihrem kleineren, parallel der Rohrachse verlaufenden Durchmesser 0,4 mm. Bei Crocodilus catafractus war die Öffnung halbmondförmig gestaltet. Die proximale Begrenzung derselben war konkav, die distale konvex. Stets befand sich das Foramen Panizzae ganz im Gebiete des Grundes der septalen Klap- pen (vgl. Fig. 29 B) und reichte bis an ihre Insertionen heran. Der etwas weiter proximal geführte Schnitt V trifft weder die Fundusabsehnitte der septalen Semilunarklappen noch das Septum aorticopulmonale, dagegen den Conus der Pulmonalis und die der Kammerbasis zunächst liegenden Abschnitte der Kammer. Der Raum des Pulmonaliskonus erscheint an diesem Schnitte von dem iibrigen Kammerraum durch eine frontal eingestellte Scheidewand geschieden, welche der Pars endocardialis Septi angehört. An diese Scheide- wand setzt sich jener sagittal eingestellte Abschnitt der Pars endo- cardialis an, weleher schon auf dem vorhergehenden Schnitte JV zu erkennen war. Ein Vergleich der Schnitte ZV und V ergiebt, dass diese frontale Scheidewand die proximale Fortsetzung des Septum aorticum bildet. Sie inserirt hier einerseits an der als Bulbusfalte bezeichneten Einfaltung des kompakten Abschnittes der Kammer- wand, andererseits an einer Stelle, im Bereiche deren sich dieser kompakte Wandabschnitt in die Corticalis und die Bulboauricular- lamelle spaltet. Diese frontale Scheidewand sondert vor Allem den Konus der Pulmonalis (und linken Aorta) von jenem der rechten Aorta. So weit sie diese Scheidung vermittelt (vgl. Fig. 30 V, a—f), bezeichnen wir sie als einen Theil der Pars ventralis Septi yentrieulorum. Der an sie anschließende, sagittal eingestellte Theil der Kammerscheidewand gehört der Pars dorsalis Septi ventrieu- lorum an. Der rechts von der Vereinigungsstelle der Pars ventralis Morpholog. Jahrbuch. 31. 18 268 Alfred Greil mit der Pars dorsalis Septi gelegene Abschnitt der frontalen Scheide- wand, der nur auf wenigen Schnitten nachweisbar ist (vgl. Fig. 30 V, seitlich von £), stellt nichts Anderes als eine Endokardverdickung dar, die sich an dem Fundusabschnitt der marginalen Klappe der rechten Aorta anschließt und mit einer Endokardverdiekung am An- satze der rechten septalen Atrioventrieularklappe und jener Endo- kardverdickung, die sich an der dem Vorhofe zugekehrten Oberfläche der Muskelklappe des rechten venösen Ostiums findet, zusammen- hängt (vgl. Fig. 30 V, punktirt angegebenes Feld). In dieser Endo- kardverdickung sind bei Alligator lueius zwei rundlich begrenzte Knorpel eingelagert (r.B.Xn.). Ein Schnitt, der etwas proximal von dieser Endokardverdiekung geführt ist, wurde auf Taf. IX, 4 repro- ducirt. Man sieht, wie hier die durch eine Knorpeleinlagerung mächtig verdiekte Pars ventralis (endocardialis) Septi in die dünne Pars dorsalis Septi übergeht. Da dieser Schnitt parallel der Ebene der arteriellen Ostien geführt ist, wurde natürlich nur der ventrale Endtheil der Pars dorsalis getroffen. Pars ventralis und Pars dor- salis bilden an dieser Stelle eine mächtige Vorwölbung gegen den Hohlraum des Conus pulmonalis, die man auch bei der Betrachtung der Kammerscheidewand von der rechten Seite her, nachdem die laterale und ventrale Wand der rechten Kammer entfernt wurde, deutlich wahrnimmt (vgl. Taf. X Fig. 3 P.e.S.r.). An dem Schnitte V der Fig. 30 ist aber auch noch ein weiterer Abschnitt der Kammerscheidewand zu sehen, von dem schon früher die Rede war, nämlich der von jener Trabekelverdichtung zwischen der Auricularlamelle und der Corticalis der Kammer gebildete Ab- schnitt (0—2). Wir rechnen denselben auch zur Pars dorsalis Septi ventriculorum. Der Schnitt VI, der wieder etwas weiter proximal geführt ist, zeigt bezüglich der Kammerscheidewand ganz ähnliche Verhältnisse wie der Schnitt V. Die Pars ventralis ist etwas schmäler als an dem früheren Schnitte. Die Pars dorsalis Septi erscheint nicht wie im Schnitte V durch einen eingeschobenen Abschnitt des Auricular- ringes unterbrochen, sondern wird durch einen Theil der Auricular- lamelle (y—o) vervollständigt, welcher dorsalwürts in den Abschnitt (ö—e) übergeht. Der durch die freie Kammerhöhle gespannte Ab- schnitt der Pars dorsalis ist größtentheils endokardial, in seinem dorsalsten, an den Auricularlamellenabschnitt (y—0) angrenzenden Abschnitte aber muskulös. Im Bereiche des noch weiter herzspitzenwärts geführten Schnittes | 2 | Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 269 VII (Fig. 30) erscheint bereits die ganze Pars dorsalis Septi ventri- eulorum muskulós. Sie schließt jetzt unmittelbar an die Bulbusfalte an und die beiden Knickungen, die sie in ihren dorsalen Theilen an vorhergehenden Schnitten aufweist, werden undeutlieher. So wie an den Sehnitten 7 und V7 sondern die beiden Lamellen der Bulbus- falte den Konus der Pulmonalis von dem der rechten Aorta, sie — bilden‘ daher gewissermaßen eine Verlängerung der Pars ventralis Septi. In der Kammermitte endlich (vgl. Fig. 30, VIII) sehen wir, wie an die Stelle der beiden Lamellen der Bulbusfalte, die sich aber schon früher dicht an einander gelegt haben (vgl. Taf. IX, 13; 51) und durch ein dünnes, nur mikroskopisch nachweisbares Bindegewebs- stratum von einander getrennt sind, eine einheitliche Muskelplatte (a—) tritt, welche die Fortsetzung der Pars ventralis gegen die Herzspitze zu bildet und an die von beiden Seiten her die Trabekel- züge der Kammer herantreten (vgl. Taf. IX, 14). Noch weiter herzspitzenwärts (vgl. Taf. IX, 15, 16, 17) lassen sich — an der Kammerscheidewand überhaupt keine Abschnitte mehr unter- scheiden. — Am Schnitte VII der Fig. 30 ist noch bemerkenswerth, - dass an der Stelle, an welcher die durch die beiden Lamellen der Bulbusfalte gebildete Pars ventralis Septi in die Pars dorsalis Septi übergeht (bei f), rechterseits eine kleine Endokardverdickung sitzt. 1 Diese Endokardverdickung bildet die Fortsetzung des endokardialen - Theiles der Pars ventralis Septi. Sie endigt jedoch herzspitzenwürts von diesem Schnitte bald, dagegen ist die winklige Abknickung der | beiden Abschnitte des Septums noch eine Strecke weit deutlich nach- weisbar (vgl. Taf. IX, 14) und zeigt sich an dieser Stelle die Scheide- wand auch etwas verdickt. Diese Erscheinung ist darauf zurück- zuführen, dass hier in die Scheidewand ein ziemlich mächtiger, aus dieht gedrängten Trabekeln gebildeter Muskelzug einstrahlt, der an der rechten ventralen Kammerwand beginnt. Das Schnittbild 15 der Taf. IX (61), sowie Fig. 3 der Taf. X (O) zeigt diesen Muskelzug und man erkennt, wie derselbe in dem der Herzspitze benachbarten "Gebiete der rechten Kammer einen kleineren ventralen Abschnitt der -Ventrikelhóhle (11) von einem größeren dorsalen Abschnitt (9) sondert. Auf die Bedeutung dieses Muskelzuges werden wir später noch zurückkommen. - Das Schnittbild VII Fig. 27 und 13 Taf. IX gewährt dann auch ‘noch Aufschlüsse über die wichtigen Beziehungen, die zwischen den - dorsalen Insertionen der Atrioventrieularklappen, des rechten venösen 18* 970 Alfred Greil Ostiums und der Kammerscheidewand bestehen. In beiden Figuren sind die dorsalen Ausläufer (Hörner) der Klappen zu sehen. Ein Vergleich der Schnittbilder V, V7 und VII ergiebt, dass der dorsale Ansatz der septalen Klappe an dem Auricularlamellenabschnitte (y—o) der Kammerscheidewand erfolgt und dass ihr dorsales Horn schließ- lich an dem dorsalsten Theil der Scheidewand ausläuft und hier mit dem dorsalen Horn der Muskelklappe zusammentrifft. Während die rechte septale Atrioventrieularklappe im Übrigen rein membranös ist, erscheint ihr dorsales Horn muskulós. — In der Fortsetzung der dorsalen Hórner beider Klappen gegen die Herzspitze zu findet sich ein Muskelzug, der in das Trabekelwerk im Spitzentheil der rechten Kammer übergeht und für die beiden Klappen wohl die Rolle eines Papillarmuskels spielt (vgl. Taf. X Fig. 3 P.M.). Was nun den Aufbau der Pars muscularis Septi ventriculorum anbelangt, so erweist sich dieselbe, wie Durchschnitte lehren, durch- aus nicht als eine allenthalben kompakte Muskelplatte, sondern be- steht aus einer Unzahl von Muskeltrabekeln, die allerdings so an- geordnet sind, dass sich das Septum ventrieulorum als für Flüssig- keiten undurchgängig erweist, wovon man sich durch isolirte Injektion einer Kammer leicht überzeugen kann. — Wie weit die Pars mus- cularis gegen die Kammerbasis zu hinaufreicht, ist am besten an Frontalsehnitten zu erkennen (vgl. Taf. IX, 10, 11). An solchen Schnitten sieht man auch, in welcher Beziehung die Pars endocar- dialis Septi zur rechten septalen Atrioventricularklappe und zum Septum atrioventrieulare steht. Man erkennt ferner, dass die an die Pars endocardialis angrenzende Partie der Pars muscularis Septi besonders kompakt erscheint und zwar handelt es sich dabei um jene Strecke der Scheidewand, die in Fig. 30, VII mit ß—y bezeichnet ist. Untersucht man den rechten Abhang des Ventrikelseptums von Alligator lueius, so findet man, dass von diesem kompakten Theil aus zahlreiche Muskelfasern auf die Pars endocardialis übergreifen (vgl. Taf. X Fig. 3). | | Betrachtet man Làngsschnitte wie die beiden eben besprochenen, so gewinnt man den Eindruck, als wäre die Kammerscheidewand nach links hin ausgebogen, während Querschnitte zeigen, dass gerade das Umgekehrte der Fall ist (vgl. Taf. IX, 13—17). Wenn wir von dem die Kammern durehziehenden Trabekelgefüge absehen, bietet der Hohlraum der linken Kammer einen elliptischen, jener der rechten Kammer einen halbmondfórmigen Querschnitt dar. Es umgreift somit die rechte Kammer theilweise die linke Kammer. —— e(t Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 271 Der histologische Bau der Endokardbildungen des Cro- codilierherzens. Wir haben im Vorhergehenden von einer Pars | endoeardialis Septi ventrieulorum und von Endokardverdiekungen gesprochen, ohne diese Bezeichnungen näher zu motiviren. Diese Bezeichnungen wurden desshalb gewählt, weil die betreffenden Gebilde, eben so wie die Semilunarklappen und die membranósen Klappen der venósen Ostien, einen ganz ähnlichen histologischen Aufbau zeigen wie die Bildungen am Herzen der Lepidosaurier und Chelonier, deren Entstehung wir auf Gewebsmassen zurückführen konnten, die sich vom Endokardhäutchen aus entwickelten. — So wie dort ist vor Allem Schleim- und fibróses Gewebe am Aufbaue dieser Bil- dungen betheiligt, doch findet sich auch Knorpelgewebe an verschie- denen Stellen in Form mehr oder weniger scharf abgegrenzter Ein- lagerungen vor. Dabei sind die beideu zuerst genannten Gewebs- arten nirgends seharf von einander abzugrenzen; das Sehleimgewebe geht unter Vermehrung seiner spürlichen Bindegewebsfasern, welche allmählich seine Grundsubstanz verdrängen, in fibróses Gewebe über. Eine sehleimige Grundsubstanz lässt sieh nach Färbung mit Muci- karmin und Thionin in allen Endokardbildungen der Kammer- basis nachweisen. Vesieulóse Zellen, wie wir solche in den endo- kardialen Bildungen des Lacertilierherzens nachweisen konnten, scheinen am Crocodilierherzen zu fehlen. — Besonders reichlich findet sich Sehleimgewebe in den Fundusabschnitten der Semilunarklappen, in dem endokardialen Theile der Pars ventralis Septi, sowie im Sep- tum aortieum und in den Klappenwülsten im Konus der Pulmonalis, außerdem aber auch in jener ausgedehnten Endokardverdickung, welche die dem Ostium venosum dextrum zugekehrte Fläche der Muskelklappe bedeckt. — In der septalen und der linken marginalen Atrioventrieularklappe, an der konkaven Seite der Fundusabschnitte der Semilunarklappen, sowie im dorsalen Schenkel der Kammer- scheidewand erscheinen die hier in großer Menge angesammelten collagenen Fasern zu fibrösen Platten vereinigt, denen feine elastische . Fasernetze eingewebt sind. Aus fibrösem Gewebe besteht ferner der schmale Faserring, welcher mit dem Bulbusringe vereinigt, die arte- - riellen Ostien umgiebt, sowie der an ihm haftende Abschnitt des - Septum aorticopulmonale und des Septum aorticum. Diese fibrösen Abschnitte der Septen vermitteln denn auch den Übergang zwischen . den proximalen muskulósen bezw. schleimgewebigen Endabschnitten und den distalen, aus Gefäßwandgewebe aufgebauten Abschnitten dieser Septen. Diesem Ubergangsgebiete gehört das Foramen Panizzae 972 Alfred Greil an. — Das Gewebe der Gefäßwand zeichnet sich bei Crocodiliern durch den Reichthum an glatten Muskelfasern aus. Das Knorpelgewebe tritt in Form cirkumskripter Einlagerungen im Schleimgewebe auf. Es besteht aus einer hyalinen Grundsubstanz, welche zahlreiche rundliche, auch spindelig und keulenförmig ge- staltete, geschwänzte — also Jugendformen von — Knorpelzellen mit kugeligen, ei- oder biskuitfórmigen, mitunter auch unregelmäßigen Kernen (vgl. Taf. IX Fig. 8) umgiebt. Gegen die Peripherie der stets hart an die Muskelschicht angrenzenden Einlagerungen geht das Gewebe des hyalinen Knorpels in ein dichtes faseriges Peri- chondrium über, welches vorwiegend aus collagenen Elementen be- steht und einerseits in die Muskelschicht einstrahlt, andererseits sich in die feinen, die schleimige Grundsubstanz der Umgebung durch- ziehenden Bindegewebsfasern auflöst. Eine derartige, aus echtem hyalinen Knorpel bestehende Einlagerung findet sich in der Pars endocardialis des ventralen Schenkels der Kammerscheidewand und zieht sich durch das anschließende proximale Ende des Septum aorticum an der linken Seite des Foramen Panizzae vorbei, bis in den fibrösen Abschnitt dieses Septums, in welchem sie das Foramen Panizzae von der cranialen (distalen) Seite her umgreift. -Diese Bil- dung wurde auf Taf. IX, 4, 39 mit 65 bezeichnet, wir wollen sie den linken Bulbusknorpel nennen. Der Knorpel ist auch in den Schnittbildern 7/74, IV, V, VI der Fig. 30 angegeben (punktirt auf weißem Grunde, /.B.Ax».. An der gegenüberliegenden Endokard- verdiekung in der rechten Herzwand lassen sich bei Alligator lucius dicht neben einander zwei Knorpeleinlagerungen — die rechtsei- tigen Bulbusknorpel — (vgl. Taf. IX, 8, 9; 66 und Fig. 30 V.r. B. K.) nachweisen. Die eine (ventrale) derselben liegt in der an den Fundus- abschnitt der marginalen Klappe der rechten Aorta anschließenden Endokardverdickung, welche die endokardiale Pars ventralis Septi ventriculorum mit der rechten Kammerwand verbindet (vgl. Fig. 30 V.). Die andere, dorsale Knorpeleinlagerung erstreckt sich entlang der ventralen marginalen Insertion der septalen rechten Atrioventrieular- klappe (vgl. aueh Fig. 30 V.VI.r.B.Kn.). Eine ganz unbedeutende Knorpelinsel findet sich ferner im Fundusabschnitte der marginalen Klappe der linken Aorta. — Bei Crocodilus eatafraetus und niloticus findet sich an der Stelle der beiden dicht neben einander liegenden Knorpel, die wir bei einem Exemplare von Alligator lueius vor- fanden, nur eine größere Knorpeleinlagerung (vgl. Taf. IX, 12; 66), welche entlang der ventralen Insertion der rechten septalen Atrio- ee "—— HERPES GÀ Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 273 = ventrieularklappe herabreicht. Bei beiden Formen, wenigstens den - von mir untersuchten Exemplaren derselben, war auch der Knorpel im Fundusabschnitte der marginalen Klappe der linken Aorta nach- weisbar (vgl. Taf. IX, 12; 41). Hervorzuheben wäre noch, dass die Muskulatur der Kammer- wand an Stellen, die anscheinend durch Zug mehr in An- spruch genommen werden, durch fibröses Gewebe substi- tuirt erscheint. Eine solche stärkere mechanische Inanspruchnahme findet überall dort statt, wo die wenig nachgiebigen, aus Gewebe endokardialer Abkunft gebildeten Theile an Fig. 32. der Muskelwand des Herzens haften und während bestimmter Phasen der Herzaktion dadurch, dass sie an- gespannt werden, einen Zug auf die Muskel- wand der Kammer aus- üben. So sehen wir . an der dorsalen Inser- tion der Pars endo- eardialis: Septi und an den dorsalen Inser- tionen der septalen Aus einem Querschnitte durch das Herz von Alligator lucius. _Atrioventricularklap- perge. 40: 1. As à S.v.(P.e.) Septum ventriculorum (Pars endocardialis), pen die Muskulatur der (1. )r.m.A.v. Kl. linke (rechte), mediale (septale) Atrioventricularklappe, Aurieularlamelle und 4". Aurienlarring, 1 Awur.L. Auricularlamelle, der an diesen Stellen Cort. Corticalis der Kammerwand. an sie herantretenden’ Muskelbalken durch Sehnengewebe substituirt. Die nebenstehende Figur illustrirt dieses Verhalten sehr deutlich, auch ersieht man aus ihr, wie die Sehnenfasern pinselförmig in die Muskulatur einstrahlen. Die Angriffsstelle des Zuges erscheint so auf ein größeres Gebiet yertheilt. — Ein dem eben beschriebenen ähnliches Verhalten lässt sich aber auch an der ventralen Insertion der Pars endocardialis Bepti und an den ventralen Insertionen der septalen Atrioventricular- klappen nachweisen. Auch in der onmi s Umgebung der Knorpeleinlagerungen findet ‚sich reichlich Sehnengewebe vertreten und auch dieses 974 Alfred ‘Greil Sehnengewebe strahlt in die Muskelwand der Kammer ein. Dadurch gewinnt die Muskelwand vermehrte Angriffspunkte an den Endokard- bildungen des Herzens und man erhält den Eindruck, als würde das Sehnengewebe dieser Bildungen und vor Allem das derbe Perichon- drium der Knorpeleinlagerungen für die Herzmuskulatur die Rolle von Ursprungssehnen spielen. Es ergiebt sich nun die Frage: Wie verhalten sich die ein- zelnen Abschnitte der Kammerscheidewand der Crocodilier zu jenen Scheidewandanlagen, welche die Kammerhöhle des Herzens der Lepidosaurier und Chelonier in einzelne Abtheilungen sondern? Vor Allem müssen wir da die Pars muscularis Septi ventriculorum ins Auge fassen, und trachten, even- tuell nachweisbare Homologien ihrer einzelnen Theile mit den nahezu ausschließlich vom Myokard gebildeten Scheidewandanlagen in der Herzkammer der Lepidosaurier und Chelonier festzustellen. Erst wenn dies gelungen ist, werden wir es versuchen können, über die muthmaßliche Genese der Pars endocardialis Septi ventriculorum nähere Angaben zu machen. Allen untersuchten Lepidosauriern und Cheloniern ist, wie wir gesehen haben, am Ventrikel zunächst eine Scheidewandbildung, die sog. Muskelleiste (vgl. Taf. X Fig. 1, 2, 4 M.L.) gemeinsam. Die- selbe besteht aus einem durch partielle Verdichtung des Trabekel- gefüges der Kammerwand entstandenen Ventrikelabschnitt (s. st.) und einem an diesen Abschnitt distalwärts unmittelbar anschließenden Bulbusabschnitte, dem Derivate der Knickungsfalte und Bulbusleiste. Am Firste dieser beiden Bildungen befindet sich am embryonalen Herzen eine mächtige Endokardverdiekung, der proximale Bulbus- wulst A, welcher durch seine Verbindung mit dem distalen Bulbus- wulste Z den Zusammenhang der Muskelleiste mit dem größtentheils von diesem Bulbuswulste gebildeten endokardialen Endabschnitte des Septum aorticopulmonale herstellt. An dieser Vereinigungsstelle, die am ausgebildeten Herzen unmittelbar proximal von den arte- riellen Ostien zu suchen ist, kommt es zum Beispiel bei Che- loniern zu einer ausgedehnten Verknorpelung des endokardialen Gewebes und es entsteht so der Bosanus’sche Knorpel. Bei den Ophidiern dagegen wächst von der Bulbusfalte aus Muskel- gewebe in den Bulbuswulst A und das proximale Ende des Sep- tum aorticopulmonale ein, so dass dann die »Muskelleiste« bis an die arteriellen Ostien heranreicht. Bei niedrigen Formen (Hatteria, See ee | 4 Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 275 = Gecko u. A.) ist die Muskelleiste die einzige Scheidewandanlage in der Kammer. Sie sondert den noch einheitlichen Binnenraum der - letzteren in eine kleinere ventrale und eine größere dorsale Abthei- — lung, den ventralen und den dorsalen Kammerraum. Letzterer wird qi. - à dadureh, dass sich unterhalb der rechten septalen Atrioventricular- klappe einige Elemente des radiären Trabekelsystems mäch- - tiger entwickeln und inniger mit einander verflechten als die übrigen Elemente dieses Systems, ganz unvollkommen in eine kleinere rechte und gróBere linke Unterabtheilung geschieden. Die so gebildeten Muskelzüge laufen bei niederen Formen, bei welchen der ventrale Kammerraum noch relativ wenig umfangreich ist, ventral und dorsal an der bei der Unterminirung der proximalen Wandabschnitte des .Bulbus eordis und des Canalis aurieulari$ entstandenen Bulboauri- eularlamelle aus — z. B. bei Lacerta (vgl. Taf. VII, 16, 17, 8—11; 52, 49, 50) — und bilden mit dieser die konkave proximale Begrenzung der breiten Kommunikation zwischen den beiden dorsalen Abthei- lungen der Kammerhöhle. Indem bei den höher organisirten Formen der ventrale Kammerraum eine erhebliche Ausdehnung nach der - linken Seite hin und gegen die Herzspitze gewinnt, und dem ent- sprechend auch die Muskelleiste in diesen Richtungen an Ausdehnung - zunimmt, erscheint die ventrale Insertion der Scheidewandbildung im dorsalen Kammerraume auf die Muskelleiste verschoben. Dieses Verhalten ist an den auf Taf. VII, 29, 30 und Taf. VIII, 7—9 (s. 54 - und 58) abgebildeten Schnitten deutlich zu erkennen. An solchen Quer- Schnitten durch die Kammer erscheint dann bei diesen Formen der Binnenraum derselben durch ein A-artig gestaltetes Dissepiment in - Unterabtheilungen getheilt. Der längere Schenkel dieses Dissepi- mentes wird von der Muskelleiste (54) gebildet, welche in schiefer Riehtung von der rechten dorsalen an die linke ventrale Kammer- wand zieht. Der kürzere Schenkel (58) bildet die Scheidewandanlage im dorsalen Kammerraume, welche die Muskelleiste mit der dorsalen . Kammerwand verbindet. | Vergleicht man nun derartige Querschnitte durch das Herz von Varanus mit entsprechenden Querschnitten durch das Herz eines Crocodiliers (vgl. Taf. IX, 5, 15), so tritt die große Ähnlichkeit der beiden eben erwähnten Scheidewandanlagen mit den beiden Schenkeln des Septum ventrieulorum der Crocodilier deutlich in die Erscheinung. Man wird dabei so zu sagen auf den ersten Blick zur Annahme ge- - drängt, dass der ventraleSchenkeldesmuskulösenAbschnittes der Kammerscheidewand (30) nebst seiner Verlängerung nach 276 Alfred Greil rechts hin (61) der Muskelleiste, ihr dorsaler Schenkel aber (29) den unterhalb der rechten septalen Atrioventricular- klappe vortretenden Muskelzügen des radiären Trabekel- systems (vgl. Taf. VII, 18, 40, Taf. VIII, 7, 16; 58) niedrigerer : heptilien entspreche. Ist aber diese Annahme richtig und erscheint thatsächlich an dem Aufbaue der Kammerscheidewand der Crocodilier eine der Muskelleiste niedrigerer Reptilien entsprechende Bildung betheiligt, dann hat sich nur ihr dem ventralen Schenkel der Pars muscularis Septi entsprechender Theil zu einer undurchlässigen Platte verdichtet, während ihr übriger Abschnitt in der Entwicklung zurückgeblieben ist und sich nur noch in Form des von der Kammerscheidewand aus an die rechte ventrale Kammerwand ziehenden Muskelzuges der rechten Kammer erhalten hat. Einige Trabekel dieses Muskelzuges sind in der Abbildung ZZZ der Taf. X zu sehen und gleich den ihnen entsprechenden ventralen Ausläufern der Muskelleiste des Chelonier- und Varanidenherzens (vgl. Taf. X Fig. 4, JI) mit einem O bezeichnet. Distalwärts läuft der muskulöse Abschnitt des ventralen Schenkels der Kammerscheidewand der Crocodilier eben so wie die Muskel- leiste der übrigen Reptilien in jene Einfaltung des kompakt geblie- benen Bezirkes der ventralen Kammer- bezw. Bulbuswand aus (vgl. Taf. IX, 13; 51, Taf. VIII, 5, 12; 54, Taf. VII, 27, 7; 54), welehe der an ihrer Dorsalseite unterminirten Bulbusfalte der untersuchten em- bryonalen Reptilienherzen entspricht (vgl. Fig. 13, 17 B.F.[L.]], wess- halb diese Einfaltung aueh am Crocodilierherzen als Bulbusfalte bezeichnet wurde. — Das von dieser Falte abgehende muskulóse Dissepiment, welches das Ostium der Pulmonalis von dem der linken Aorta scheidet (vgl. Taf. IX, 3; 25), dürfte wohl in ähnlicher Weise wie am Ophidierherzen durch Einwachsen von Muskelgewebe in das | vorher endokardiale Septum aorticopulmonale zu Stande kommen. Entsteht nun aber der muskulóse Theil der Pars ventralis Septi und der von ihm aus an die rechte Kammerwand verlaufende Mus- kelzug des Croeodilierherzens aus einer der Muskelleiste der übrigen Reptilien entsprechenden Bildung, so kann es auch wieder kaum einem Zweifel unterliegen, dass der muskulóse Theil der Pars dor- salis Septi zum größten Theile dureh Verdichtung jener Züge des radiiren Trabekelsystems entsteht, die schon bei niederen Rep- tilien den dorsalen Kammeraum in wenn auch unvollkommener Weise in eine rechte und linke Unterabtheilung sondern. Dies ergiebt sich vor Allem, wenn wir die Beziehungen der Pars dorsalis Septi zur Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 277 z Bulboauricularlamelle berücksichtigen. In der That läuft der mus- = kulóse Theil des dorsalen Schenkels der Kammerscheidewand mit seinem hier in Betracht kommenden Abschnitte @—y (vgl. Fig. 30 — VIII und VII) gleich den radiären Muskelzügen des Herzens nie- — drigerer Reptilien dorsal an der Bulboaurieularlamelle aus. Da je- — doch die bei niederen Reptilien die dorsale Scheidewandanlage — bildenden radiären Muskelzüge nur wenig gegen die Kammerhöhle — zu yorspringen, so muss angenommen werden, dass die gleichen — Muskelzüge, die beim Krokodil durch Verdichtung den dorsalen Ab- - sehnitt der Pars muscularis Septi bilden, sich in der Riehtung gegen - die Atrioventrieularklappen beträchtlich vorgesehoben haben müssen !. Speciell am Herzen der Varaniden springen die dem dorsalen - Schenkel der Kammerscheidewand der Crocodilier entsprechenden, unterhalb der rechten septalen Atrioventrieularklappe befindlichen Elemente des radiären Trabekelsystems nur wenig in die Kammer- höhle vor (vgl. Taf. VIII, 7, 8; 58). Dagegen verdichten sich bei diesen Formen einige, dem rechten dorsalen Kammerraume ange- horige, den Spannmuskel des rechten dorsalen Abschnittes der Bulbo- -auricularlamelle bildende Elemente desselben Systems zu einem so- liden, unmittelbar an der Cortiealis der Ventrikelwand vortretenden Sporne (vgl. ibid. 56), welcher ventral- und proximalwärts in die Muskelleiste (54) übergeht. Ein Homologon dieser Bildung lässt sich am Crocodilierherzen nicht mit voller Sicherheit nachweisen. Auf- — fällig erscheint immerhin, dass sich bei Crocodiliern in der rechten — Kammer einige radiär angeordnete Trabekel (vgl. Taf. IX, 11; 57) an der dorsalen Kammerwand zu einem Muskelzuge vereinigen (vgl. Taf. IX, 10; 57), welcher dort an das Septum ventriculorum heran- tritt, wo an demselben die dorsalen Hörner der beiden Klappen des rechten venósen Ostiums auslaufen. Von da ab erscheint der Muskel- zug in den offenbar dureh Verdichtung radiärer Trabekelzüge ent- — standenen Abschnitt des Ventrikelsystems einbezogen (vgl. Fig. 307/77, y—o—e, sowie Taf. IX, 15; 56). Möglicherweise entspricht die- ser Muskelzug dem an der dorsalen Kammerwand des Va- — ranidenherzens vortretenden Spannmuskel der Bulboauri- "eularlamelle. Die Beziehungen dieses Spannmuskels zur Bulboaurieularlamelle sind dieselben. Aberindem der hier — in Betracht kommende Abschnitt der Lamelle bei Croco- mr — 14 Vermuthlich dürfte auch von der Auricularlamelle aus in der Fortset- zung dieser Züge Muskelgewebe apponirt werden. 218 Alfred Greil diliern in Folge der völligen Ausgestaltung der Kammer- scheidewand seine ursprüngliche Funktion änderte und zum Theil bei der Bildung bezw. Vergrößerung der beiden klappen des rechten venósen Ostiums Verwendung fand, scheint aus dem ursprünglichen Spannmuskel der Lamelle ein Papillarmuskel der beiden rechten Atrioventrieular- | klappen geworden zu sein. | Der Abschnitt ó—« (vgl. Fig. 30 VI—IV sowie Taf. IX, 8, 9; 59) des Ventrikelseptums der Crocodilier dürfte, wie bereits erwähnt, in analoger Weise wie die im unterminirten Bulboauriculargebiete der Kammerwand bei Varaniden und Ophidiern entstandene Scheide- wandanlage (vgl. Taf. VII, 25, 26, Taf. VIII, 4—6; 59) dureh eine partielle Verdichtung des zwischen der Bulboauricularlamelle und der Corticalis ausgesparten Trabekelgefüges zu Stande kommen. Jedenfalls entspricht aber die am Crocodilierherzen den dorsalsten Theil der Pars musculosa Septi bildende Verdichtung ihrer Lage © naeh nieht der Verdiehtung, die bei Varaniden und Schlangen ge- funden wurde. Bevor wir nun auf die Verhältnisse der Pars endocardialis Septi ventrieulorum eingehen und den Versuch machen, ihre muth- . maßliche Entstehung klar zu legen, müssen wir vor Allem nochmals betonen, dass sich der Truncus arteriosus und die arteriellen Ostien im Wesentlichen bei den Crocodiliern ganz ähnlich verhalten wie bei den übrigen Reptilien, und dass die Lagerung der Arterienrohre, — die Stellung der Septen und der Semilunarklappen bei allen Rep- tilien im Wesentlichen die gleiche ist. — Nur das Vorhandensein des Foramen Panizzae im Septum aorticum ist eine ausschließlich den Crocodiliern zukommende Einrichtung, die, wie wir später noch näher ausführen werden, als eine Erscheinung sekundärer Natur aufzufassen ist. — Berücksichtigen wir diese Analogien, so © werden wir wohl annehmen dürfen, dass sich der Truncus © arteriosus, die Truncussepten und die Semilunarklappen der arteriellen Ostien bei den Krokodilen in derselben Weise entwickeln wie bei den übrigen Reptilien und dass im Bulbus cordis bei Krokodil-Embryonen dieselben Endokardwülste aufzufinden sein werden, wie wir sie bei Embryonen von Lacerta — oder Tropidonotus gefunden haben. Es werden also bei Krokodil- * Embryonen auch die proximalen Bulbuswülste A und B vorhanden | sein und wahrscheinlich ähnliche Beziehungen zu den distalen Bul- buswülsten Z und JV aufweisen wie bei Lacerta. Ja, diese An- Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc, 279 nahme wird geradezu zur Gewissheit, wenn wir daran denken, dass es in dem Bulbuswulste A, der sich auf dem Firste der Muskelleiste herab erstreckt, bei einer Reihe von Reptilien zur Bildung eines Knorpels kommt, und wenn wir uns vor Augen halten, dass im . endokardialen Theile der Pars ventralis Septi der Crocodilier ebenfalls eine Knorpeleinlagerung sich findet, die eine ganz ähnliche Lage zum Firste der Bulbusfalte hat, wie sie der Bosanus’sche Knorpel der Chelonier zum Firste der Muskelleiste aufweist. Wir haben aber auch noch eine zweite Knorpeleinlagerung in dem an die arteriellen Ostien anschließenden Gebiete der Kammer des Crocodilierherzens kennen gelernt, welche der dem Bosanus’schen Knorpel entsprechenden Bildung gegenüber liegt. Dieser Knorpel bezeichnet aber gerade die Stelle, an weleher wir, wenn ein proximaler Bulbuswulst B vor- handen war, ihn bezw. dessen Derivat zu suchen hätten; er beginnt im Fundusabschnitte der aus dem distalen Bulbuswulste JV ent- standenen marginalen Klappe der rechten Aorta und läuft von da aus an der Bulboaurieularlamelle herab. — Ist diese Annahme richtig, so ergiebt sich daraus, dass die in der Hóhe des Schnittes V der - Fig. 30 zwischen den beiden »Bulbusknorpeln« befindliche endokar- diale Scheidewand durch Verwachsung der beiden proximalen Bulbuswülste A und B entstanden sein muss. Dabei wird der Theil dieser Endokardplatte, welcher den Konus der rechten Aorta vom Konus der Pulmonalis scheidet, also der endokardiale Abschnitt der Pars ventralis Septi wohl vorwiegend — wenn nicht ausschließ- lich — aus dem Materiale des proximalen Bulbuswulstes B gebildet werden. ` Sind wir uns nun über die Entstehung des ventralen Theiles der Pars endoeardialis Septi klar geworden, so wollen wir auch versuchen, uns eine Vorstellung über die Entstehung des endo- kardialen Abschnittes der Pars dorsalis Septi zu bilden. Da muss zunächst an die eigenthümliche Stellung, welche die arteriellen und venósen Ostien bei den Crocodiliern zu einander einnehmen, er- = innert werden, bezüglich welcher Stellung sich das Herz dieser For- -men von den Herzen aller anderen Reptilien unterscheidet, Hin- sichtlich der Stellung der Ostien an der Kammerbasis steht ihnen allerdings das Herz der Varaniden am niichsten, das sieh auch in = dieser Beziehung von den Herzen der übrigen Lepidosaurier und = der Chelonier unterscheidet. Es erscheinen nämlich am Herzen der Varaniden, wenn wir es darauf hin mit dem Herzen von La- certa oder einer Schildkröte vergleichen, wie schon an anderer 280 Alfred Greil Stelle hervorgehoben wurde, die arteriellen Ostien so weit nach links hin verschoben, dass eine durch das Septum atriorum gelegte Ebene das Ostium der Arteria pulmonalis nahezu halbirt, während — bei Lacerta oder den Cheloniern noch alle drei arteriellen Ostien ` rechterseits vor einer solchen Ebene gelegen sind. — Bei den Vor- fahren der Crocodilier muss nun gewiss ganz allmählich eine weitere Verschiebung der arteriellen Ostien nach links hin erfolgt sein — ` wahrscheinlich ist gleichzeitig auch eine Verschiebung der venósen Ostien naeh rechts hin erfolgt, — bis das bei den jetzt lebenden Croeodiliern bestehende Lageverhiltnis der arteriellen und venósen Ostien erreieht war. Sicherlich standen diese Verinderungen mit der allmählichen Entwicklung der Kammerscheidewand- | im Zusammenhange. Der völlige Ausbau, die Vollendung der letzteren konnte, wie wir gleich aus einander setzen werden, erst dann zu Stande kommen, nachdem beide Ostiengruppen ihre defini- tive Stellung zu einander eingenommen hatten. Es ist wohl von vorn herein klar, dass bei den jetzt lebenden Crocodiliern die eben besprochene Stellungsveränderung der arteriellen und venösen Ostien schon während der Embryonalentwicklung da- durch zum Ausdrucke kommen muss, dass sich der Bulbus cordis, so weit er nicht schon in die Kammer einbezogen ist, an der Ventralseite des Auricularkanals nach links hin verschiebt oder erweitert, so dass dadurch sein mittlerer Abschnitt unmittelbar vor dem ventralen Ansatze der mit einander verschmolzenen Endokard- kissen des Auricularkanals zu liegen kommt. Es kann nämlich keinem Zweifel unterliegen, dass auch bei den Crocodiliern während des Embryonallebens die beiden großen Endokardkissen an der dor- salen und ventralen Wand des Auricularkanals in ähnlicher Weise zur Ausbildung kommen wie bei allen übrigen Wirbelthieren, und dass diese Endokardkissen so wie bei allen bisher darauf hin unter- suchten Amnioten, nachdem die Vorkammerscheidewand bis auf sie herabgewachsen ist, mit einander und dem freien Rande der Vor- kammerscheidewand verwachsen werden. — Nun wird es nicht schwer fallen, nach dem, was wir über die Entwicklung des Her- zens von Lacerta wissen, uns das Herz eines Krokodil-Embryos vor- zustellen, bei dem die beiden Endokardkissen eben mit einander verschmolzen sind. Denkt man sich nun einen Querschnitt durch den Auricularkanal und den Bulbus cordis eines solchen Herzens gelegt, so wird man sich ein Bild vorzustellen haben, wie es in der nebenstehenden Fig. 33 dargestellt ist. Der Querschnitt durch den 4 2 P "m REEFS ire P RD ECHTE : E n bv s eordis befindet ich ventral von dem - Aurieularkanals die Muskelwiinde En beiden Herzab- itte berühren sich einer Stelle, welche em Bulboauricular- 01 rne entspricht. An le x Wand des Bulbus is s treten die bei- E icimalen Bul- ülste A und B 3 von denen der sine (eben so wie bei E (vgl. Fig. 13) einer Einfaltung er Bblabubwand, der nannten Bulbus- , seine Lage haben ird. Auf dem Quer- hnitte durch den mieularkanal sind verschmolzenen ie beiden Ostia atrio- atrieularia getroffen. ie Insertion der Vor- amerscheidewand Mitte der Endo- issen ist durch se n Theils dé Pari is Septi, die sieh ser Zeit aueh dokardkissen und iträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 281 i sat SEM UA eee nde p. B.W. B. am (Py. Sv) 0.av.d. --P. EK. Pr ;-—-7-7-:-6.86 ET m. /. DK PN N Baur. Sp- Au ern 3-38 urn Ao.C.R fa -—-- rae | a -- ---- Pm. (dh JEW. \ fra Schematische Querschnitte durch drei (hypothetische) Entwick- lungsformen des Crocodilierherzens. B.c. Bulbus cordis, B.aur.Sp. Bulboauricularsporn, Ao.C.R. Aorten- konusrinne, C.aur. Canalis auricularis, (L.)r. E.K. linkes (rechtes) En- dokardkissen, M.ZL.P.v.S.r.) Muskelleiste (Pars ventralis Septi ven- irieulorum), O.a.v.d.(s.) Ostium atrioventriculare dextrum (sinistrum), p.B.W.A.( B.) proximaler Bulbuswulst A (B), P.m.(d.)S.v. Pars muscu- laris (dorsalis) Septi ventriculorum, S.af. Septum atriorum, v.E.A. vereinigte (ventrales + dorsales) Eudokardkissen. Die Muskel- wand des Herzens ist schwarz, die Endokardbildungen heller an- gelegt. Der freie Rand der Pars dorsalis Septi ist durch eine punktirte Linie, der in die Endokardkissen einwachsende Theil derselben durch eine ansgezogene Linie gekennzeichnet. Der freie Rand der Pars ventralis Septi und das Septum atriorum sind mit gestrichelten Linien angegeben, eben so der Kontour der Kammer. 382 Alfred Greil eine gestrichelte Linie den Verlauf des Randes der Muskelleiste an. Die beiden Pfeile deuten die Hauptrichtungen an, in welchen die durch die beiden venösen Ostien einströmenden Blutmengen weiter- bewegt werden. | Wenn nun, wie dies ja sicherlich bei Krokodil-Embryonen in | ähnlicher Weise geschehen wird wie bei Vögel- und Säuger-Embryonen, | der freie Rand des dorsalen Theiles der Pars muscularis Septi gegen die verschmolzenen Endokardkissen vorwüchst und in die Unterseite derselben eindringt, so wird die zwischen den beiden Kammerab- theilungen noch vorhandene Kommunikation, das Foramen interven- triculare, immer mehr eingeengt werden, und das Blut wird daher . aus der linken dorsalen Kammerabtheilung fast ausschließlich in die | dorsal von den beiden proximalen Bulbuswiilsten A und B befindliche Abtheilung des Bulbusrohres einströmen müssen, welche in das rechte Aortenrohr des Truneus hinaufführt. Dabei hat es aber die Unter- seite des ventralen der mit einander verschmolzenen Endokardkissen . zu passiren, welches, wie sich aus der Abbildung 33 Z ergiebt, un- mittelbar über dem Eingang in die dorsale Abtheilung des Bulbus- ` rohres gelegen ist, und es wird sich in Folge dessen in dem plasti- ` schen Materiale dieses Kissens eine Rinne bilden, die wir als Aortenkonusrinne bezeichnen wollen. Gleichzeitig wird aber auch ` der Bulboaurieularsporn etwas zurückweichen. — Wenn wir uns nun . durch ein so weit entwickeltes Herz einen Durchschnitt in der Höhe © des Schnittes Z der Fig. 33 gelegt denken, so werden wir uns vor- | stellen müssen, dass sich Verhältnisse ergeben, wie sie an Fig. 33 lI © zu erkennen sind. Der Bulboauricularsporn ist aus dem Niveau ` dieses Schnittes bereits zurückgewichen und erschejnt in seinen bei- den Ausläufern (B.aur.Sp.) getroffen. In das ventrale der beiden mit einander verschmolzenen Endokardkissen erscheint die Aortenkonus- rinne eingegraben. Im Übrigen zeigt aber diese Figur ähnliche Verhältnisse wie die Fig. 1. Bei ihrer Anfertigung wurde noch dem ° Umstande Rechnung getragen, dass inzwischen der dorsale Theil der Pars muscularis Septi rechterseits von der Insertion der Vor- . kammerscheidewand in das dorsale der beiden mit einander ver-. schmolzenen Endokardkissen eingewachsen sein dürfte (P.m.(d.)S.v.). Stellen wir uns nun vor, dass der muskulöse Abschnitt der Pars | dorsalis in noch größerer Ausdehnung in die Unterseite der vereinigten Endokardkissen einwachse, gleichzeitig aber auch die beiden prozi- ' malen Bulbuswülste A und B vom Septum aorticum aus mit ein- - ander zu verwachsen im Begriffe sind, so müssen wir die Fig. 33 II Beitrige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 283 in der in Fig. 23 III angegebenen Weise modificiren. Dabei wäre dann die Kommunikationséffnung zwischen den beiden Kammern schon überaus eng geworden und allenthalben von Endokard- verdiekungen begrenzt. Die caudale Begrenzung bildet der distalste Theil der Muskelleiste, welcher von dem proximalen Bulbuswulste A besetzt ist, dorsal schließt sich der ventrale Abschnitt der vereinigten Endokardkissen an, der rechterseits in Folge des Zurückweichens des Bulboauricularspornes mit dem proximalen Bulbuswulste B zur Vereinigung gekommen ist. Dass die so umgrenzte Öffnung dann leieht durch die Vergrößerung der ihren Kontour bildenden Endo- kardverdickungen verschlossen werden kann, wird man sich leicht vorstellen können. Wie ist es aber zu erklären, dass am ausgebildeten Herzen die Muskulatur der Pars dorsalis Septi — wenigstens Fig. 34. Frontalschnitt durch die venösen Ostien des Crocodilierherzens. Aur.R. Auricularring, l.m.A.v. Kl. linke marginale Atrioventricularklappe, (2.)r.S.A.v.Kl. linke (rechte) sep- _ tale Atrioventricularklappe, M.K7. Muskelklappe, O.a.v.s. Ostium atrioventriculare sinistrum, P.e.(P.m.)S.v. Pars endocardialis (Pars muscularis) Septi ventriculorum, P.e.(P.m.)S.at. Pars endocardialis (Pars mus- j cularis) Septi atriorum, S.a.v. Septum atrioventriculare. bei Alligator lucius — nicht bis an die rechte Atrioventri- cularklappe heranreicht, sondern dass zwischen diese und die Pars muscularis ein ausschließlich endokardialer Ab- schnitt eingeschaltet erscheint? Wenn der muskulöse Abschnitt der Pars dorsalis Septi in der früher angedeuteten Weise rechts von der Insertionslinie der Vorkammerscheidewand in die Unterseite der versehmolzenen Endokardkissen eindringt, so bilden diese Kissen noch eine mächtige dicke Endokardplatte, wie dies aus dem oben- stehenden Schema eines Frontalschnittes ersichtlich ist. In dieser Figur ist der Umriss des Durchschnittes durch die Endokardkissen punktirt eingezeichnet. — Wenn nun die verschmolzenen Endokard- kissen gegen das Ende der Entwicklung in ähnlicher Weise umge- Morpholog. Jahrbuch. 31. 19 284 Alfred Greil staltet werden wie bei Lacerta oder wie bei Säugethieren, indem sie durch die Einwirkung des Blutstromes von der Kammerseite her ausgehöhlt werden, so müssen sich Verhältnisse herstellen, wie sie die ausgebildete Form darbietet, das heißt, es wird die durch die Verschmelzung der beiden Endokardkissen entstandene Endokard- platte zu beiden Seiten der Insertion des dorsalen Abschnittes der Pars musculosa ausgehöhlt werden, wobei es gleichzeitig zur Bildung der septalen Atrioventricularklappen und des endokardialen Abschnittes der Pars dorsalis Septi ventriculorum kommt. Bei der Betrachtung des in Fig. 34 dargestellten Frontalschnittes wird man sich von diesem Vorgange leicht eine gute Vorstellung bilden können. — Auch kann man an diesem Schnitte erkennen, wieso es zur Bildung eines zwischen dem Septum ventrieulorum und dem Septum atriorum eingeschalteten Septum atrioventriculare kommt. Zweifellos hängt die Bildung dieses Septumabschnittes damit zusammen, dass der muskulöse Ab- schnitt der Pars dorsalis Septi, so wie bei den Säugern mit den verschmolzenen Endokardkissen rechts von der Insertion des Septum atriorum verwächst. — Bei vielen Krokodilen scheint die Pars endo- cardialis Septi ventriculorum gänzlich durch Muskelgewebe substituirt zu werden bezw. das letztere sich in den verschmolzenen Endokard- kissen bis an die Insertion der Vorhofsscheidewand heran vorzuschieben. RaTHKE (18) hält sogar das Vorhandensein einer Pars endocardialis ` für eine Ausnahme. Er fand bei einem Alligator, dass das Septum ventrieulorum »nieht wie bei anderen Krokodilen durchwegs fleischig war, sondern ganz vorn eine nur mäßig große und nur wenig dicke, aus fibrösem Gewebe und dem Endokard zusammengesetzte Stelle hatte, die vom fleischigen und ungefähr einem Halbmond ähnlichen Theile umfasst war«e!. Bei den von mir untersuchten Species war jedoch die Pars endocardialis Septi stets deutlich nachweisbar. Die Abgrenzung der Pars endocardialis und muscularis ist jedoch im dorsalen Schenkel der Kammerscheidewand keine exakte, weil von der Pars muscularis aus auf ganz kurze Strecken Muskelfasern in die Pars endocardialis einstrahlen. Fassen wir das iiber die Endokardbildungen Gesagte in Kiirze zusammen, so haben wir Folgendes hervorzuheben. Der endo- kardiale Abschnitt der Pars dorsalis Septi, das Septum atrioventriculare und die septalen Atrioventrieularklappen erscheinen als Derivate der verschmolzenen Endokardkissen. t ]. c. pag. 208. Beitriige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 285 Der übrige, der Pars ventralis Septi angehörige Theil des endokardialen Abschnittes der Kammerscheidewand diirfte von den vereinigten proximalen Bulbuswiilsten gebildet werden. Die Verwachsung dieser Wiülste reicht offenbar nur so weit, als am ausgebildeten Herzen die Kammerscheidewand mit der rechten Kammerwand in Verbindung steht, also bis in die Hóhe des Sehnittes V der Fig. 30. Der proximal von diesem Niveau gelegene Theil des endokardialen Abschnittes dürfte, so weit er der Pars ven- tralis Septi angehört, ausschließlich vom proximalen Bulbuswulste A gebildet werden. Der Knorpel, welcher längs der ventralen Insertion der septalen rechten Atrioventricularklappe an der Bulboauricularlamelle herabzieht, dürfte im proximalen Bulbuswulste B entstehen. Dieser »Bulbusknorpel« bildet also nach dieser Annahme gewissermaßen die Grenzmarke zwischen dem Bulbus- und dem Auricularabschnitt der Bulboauricularlamelle. Der freie Rand der Muskelklappe würde somit zum größten Theile vom Aurieularabschnitt der Lamelle gebildet. — Die an der Vorhofsseite der Muskelklappe befindliche Endokardverdickung stammt zweifels- " ohne von einem rechten Endokardkissen ab. Das linke Endokard- kissen dürfte zur linken lateralen Atrioventricularklappe des Ostium venosum sinistrum ausgehöhlt werden. Die Beziehungen dieser Klappe zur medialen (septalen) Klappe desselben Ostiums lassen darauf schließen, dass die Endokardkissen im Bereiche des Ostium venosum Sinistrum in einander übergehen. Es ist daher möglich, dass sich auch das ventrale und das dorsale Endokardkissen am Aufbaue der linken Klappe betheiligen. — Die unmittelbare Verbindung der Deri- vate der proximalen Bulbuswülste mit den Derivaten der beiden vereinigten und des lateralen rechten Endokardkissens (septale rechte Atrioventrieularklappe, Pars endocardialis des dorsalen Septum- schenkels, Endokardverdickung an der Vorhofsseite der Muskelklappe) dürfte in Folge des allmählichen Zurückweichens des Bulboauri- eularspornes eintreten, welcher Process bei Crocodilier-Embryonen, eben so wie beim Hühnchen, eine größere Ausdehnung zu gewinnen — scheint als bei Lacerta. Wahrscheinlich wird dem zufolge bei den Crocodiliern ein größerer Abschnitt des Bulbus cordis und des _ Canalis auricularis in die Kammer einbezogen als bei Lacerta. Zu Gunsten dieser Annahme spricht die erhebliche Ausdehnung des - kompakten Abschnittes der ventralen Kammerwand und die Be- setzung derselben mit den von den Pulmonalisklappen ausgehenden Endokardverdickungen einerseits, die Länge der marginalen Insertionen 19* 986 . Alfred Greil der Atrioventricularklappen andererseits. Ohne Zweifel beeinflusst das Zurückweichen des Bulboaurieularspornes auch die räumliche Einstellung der beiden venösen Ostien, deren Ebenen vom Niveau des Spornes aus dorsal und caudalwärts geneigt sind. — Es ist also anzunehmen, dass die arteriellen Ostien bei den Crocodiliern etwas weiter distal vom ursprünglichen proximalen Ende des Bulbus cordis entstehen als bei Lacerta, vermuthlich an einer Stelle, wo das nach links hin ausbiegende Bulbusrohr ventral vom Ohrkanale zu liegen kommt. | Es mag etwas vermessen erscheinen, auf Grund der bisher vorliegenden Thatsachen ein in so vieler Beziehung noch hypothetisches Bild von der Ent- stehung der Kammerscheidewand der Krokodile zu entwerfen. Ich habe aber die Überzeugung, dass dasselbe bei der Untersuchung von Crocodilier-Em- bryonen als im Wesentlichen richtig gezeichnet erscheinen wird. Vorlàufig liegen über die Entwicklung des Crocodilierherzens nur die spärlichen Angaben vor, welche RATHKE (18) in seiner Ab- handlung über den Kórperbau und die Entwicklung der Krokodile niedergelegt hat. Aus denselben ergiebt sich, dass am embryonalen Crocodilierherzen der Versehluss der Kommunikationsóffnung zwischen den beiden Kammern an derselben Stelle erfolgt wie am Hühnchen- herzen. »Die Wandung der Herzkammern« heißt esi, war im Ver- hiltnis zum Umfange dieser Theile selbst schon bei den jüngsten Embryonen bedeutend dick. Auch war sie bei denselben an ihrer inneren Fläche schon sehr uneben. Dessgleichen ließen sich schon bei den jüngsten Embryonen an den venösen Öffnungen der Herz- kammer Klappen bemerken, doch waren sie verhältnismäßig schmäler, als bei den älteren Embryonen. Mehr oder weniger verdeckt durch diese Klappen befand sich an der dicken muskulösen Scheidewand . der Herzkammern, also in derselben ganz nach vorn hin, bei den Jüngsten Embryonen, wie auch bei dem älteren Embryo von Alligator sclerops eine kleine rundliche Öffnung, durch die mit Leichtigkeit eine ziemlich dicke Schweinsborste hindurchgeschoben werden konnte. Bei den übrigen Embryonen hatte diese Scheidewand der Herzkammer keine Öffnung mehr?. An anderer Stelle? bestätigt er: »An der Scheidewand der Kammern habe ich bei Krokodilen, die schon über das Fruchtleben hinaus waren, eben so wenig wie andere Autoren, die später als Cuvier das Herz beschrieben haben, jemals eine Öffnung gewahr werden können.« 1 ]. c. pag. 204. | 2 ]. c. pag. 204. 3 ]. e. pag. 208. Beitrige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 287 Durch diese Angaben RATHKE’s wird nun die gegenwärtig allgemein verbreitete, zuerst von SABATIER und RÓSE (s.d.) ver- tretene Auffassung, dass das Foramen Panizzae ein Rest des Foramen interventrieulare sei, thatsächlich bereits widerlegt. RaTHKE bemerkt über das Vorhandensein einer Öffnung im Septum aorticum der von ihm untersuchten Embryonen nichts, obgleich er sicherlich danach gesucht haben wird. So erscheint denn die Annahme gerechtfertigt, dass das Septum aorticum bei Crocodiliern bis zu einem bestimmten Zeitpunkte eben so wie bei den übrigen Reptilien vollkommen solid sei und dass erst nachher das Foramen Panizzae entstehe. — Bei der Beantwortung der Frage, wo diese Öffnung sich bilde, ist vor Allem auf ihre Lage im Septum aorticum, und zwar im Grunde der septalen Aortenklappen Rücksicht zu nehmen. Nachdem diese Klappen eben so wie das Septum aorti- eum in den hier in Betracht kommenden Abschnitten Derivate des distalen Bulbuswulstes Z sind, so entsteht das Foramen Panizzae im Gebiete dieses Wulstes, welcher sicher ursprünglich genau so be- schaffen ist, wie bei den übrigen Reptilien und gewiss nirgends eine Öffnung oder Durchbrechung aufweist. Wie hätten sonst die septalen Aortenklappen bei Krokodilen in so übereinstimmender Weise geformt werden können wie bei den übrigen Reptilien? Bekanntlich rückt ja im Laufe der Ontogenese der Aushöhlungsprocess, welcher zur Bildung der Semilunarklappen führt, an den distalen Bulbuswiilsten proximalwärts vor, so dass diese Klappen ihre endgültige Lage am Ende der distalen Bulbuswülste bezw. am Übergange derselben in die proximalen Bulbuswülste einnehmen. Würde nun der Aushöhlungs- process eine durchlöcherte Stelle des vom Bulbuswulste 7 gebildeten Abschnittes das Septum aorticum zu passiren haben, so müsste da- durch die definitive Gestalt der an den beiden Abhängen dieses Septums sich entwickelnden Aortenklappen wesentlich beeinflusst werden; wahrscheinlich würde daraus eine Zweitheilung der Klappen resultiren. Niemals aber könnte das betreffende Loch in den Bereich der Fundusabschnitte der beiden septalen Aortenklappen zu liegen "kommen. Aus demselben Grunde ist auch die Annahme, dass an einer cirkumskripten Stelle die Verschmelzung des Bulbuswulstes J ‘Init einer gegenüberliegenden Endokardverdickung ausgeblieben sein könnte, von der Hand zu weisen, — ganz abgesehen davon, dass in diesem Falle das Foramen Panizzae nicht in der Mitte, sondern nahe der marginalen Insertion des Septum aorticum seine Lage haben müsste, weil sich hauptsächlich der Bulbuswulst Z an der 288 Alfred Greil Bildung des endokardialen Endabschnittes des Septum aorticum be- theiligt. So müssen wir denn annehmen, dass das Foramen Panizzae eine erst nach erfolgter Aushöhlung der septalen Aortenklappen, im Bereiche ihrer Fundusabschnitte ent- standene Durchbrechung des aus dem Bulbuswulste 7 her- vorgegangenen Abschnittes des Septum aorticum ist. Diese Scheidewand erscheint schon bei den Lepidosauriern und Cheloniern an der Stelle, an welcher sich bei den Crocodiliern das Foramen Panizzae findet, etwas verdünnt, so dass man sich leicht vorstellen kann, wie es daselbst unter dem Einflusse gewisser, unten noch ge- nauer anzugebender Faktoren zu einer Durchbrechung des Septum aorticum kommen kann. Über das Herz der Crocodilier liegt eine reichhaltige Litteratur vor. Am eingehendsten beschrieb dasselbe SABATIER (20) in seinem umfassenden Werke: »Etudes sur le coeur dans la série des Vertébres«. Seine Angaben beziehen sich auf Crocodilus lucius, Alligator sclerops und einen anderen Kaiman (Species ungenannt). Die thatsächlichen Befunde sind im Wesentlichen ein- wandsfrei geschildert; in den vergleichend-anatomischen Bemerkungen, sowie seiner »Philosophie naturelle« dagegen dokumentirt sich eine völlige Unkennt- nis der bei der Entwicklung des Herzens sich abspielenden Vorgänge. Im Folgenden sollen diejenigen Punkte in Kürze erwähnt werden, in denen meine Darstellung, welche sich zunächst auf Alligator lucius bezieht, von den An- . gaben SABATIER’s abweicht. Die Form der Kammer des Crocodilierherzens findet SABATIER ähnlich jener des Lacertilierherzens, die Kammerbasis »obliquement coupée de droite à gauche et de bas en haut«, der Binnenraum der rechten Kammer »descend plus prés de la pointe du coeur que celle du ventricule gauche«. — Den zwi- schen dem Ursprunge der Pulmonalis und der beiden Aorten befindlichen Knorpel (linker Bulbusknorpel, mihi) fand SABATIER beim Kaiman theilweise verknóchert und bezeichnet denselben daher als Noyeau ostéocartilagineux. Die beiden in das Septum aorticopulmonale und aorticum eindringenden Fortsätze dieser Bil- dung werden als apophyse antérieure und apophyse postérieure bezeichnet. Auch an der lateralen Seite des Ostiums der linken Aorta fand SABATIER einen platten Knochen vor. Bei Alligator selerops vermisste er knorpelige bezw. knócherne Einlagerungen. Von dem noyeau ostéocartilagineux soll am Be- ginne des Truncus arteriosus (faisceau arterial ein Muskelzug entspringen (une sorte de demi-anneau, d'écharpe, ou de cravate musculaire), dessen Fasern von der zwischen der Pulmonalis und rechten Aorta befindlichen Furche aus an der Ventralseite das Vestibulum des ersteren Gefäßes umgreifen und theils in dem Septum aorticopulmonale, theils an der rechten Wand der linken Aorta endigen. Dieser Muskelzug soll nach SABATIER's Ansicht bei seiner Kontrak- tion das Infundibulum der Pulmonalis zusammendrücken und das Ostium der linken Aorta verschließen. Auf die Wand der rechten Aorta sollen keine Muskelfasern übergreifen. — Die Kontinuität des Bulbusringes wire also nach SABATIERS Angabe am Ostium der rechten Aorta unterbrochen. Beitriige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 289 Am Ventrikelseptum unterscheidet SABATIER zwei Abschnitte: die cloison interventriculaire und die cloison intervestibulaire. Die erstere ist muskulös und scheidet die beiden Ventrikel (s. st.), die letztere membranös und trennt die »vestibules« der beiden Aorten. Beide Abschnitte sind am linken Abhange des Ventrikelseptums deutlich von einander gesondert. Am rechten Abhange greifen Muskelzüge (der premier faisceau rayonnant antérieur) auf die cloison intervestibulaire über. — Die cloison interventriculaire lässt SABATIER durch die Vereinigung der unterhalb der rechten septalen Atrioventricularklappe be- findlichen Faisceaux rayonnants antérieur et postérieur entstehen. (Diese Mus- kelzüge gehören dem radiären Trabekelsysteme an.) Die Muskelleiste (fausse- eloison) soll sich nach SABATIER am Aufbaue des Septum ventriculorum nicht betheiligen. Ihr freier Rand (lévre) ist gänzlich verloren gegangen, den übri- gen Abschnitt repräsentirt ein vom Noyeau ostéocartilagineux entspringender Muskelzug, welcher an der Innenwand des rechten Ventrikels herabzieht und in der vorderen Wand beider Ventrikel endigt. In seiner Philosophie naturelle erkennt SABATIER ganz richtig, dass zum Zustandekommen der Cloison intervestibulaire bezw. der völligen Scheidung zweier Kammern eine bedeutende Näherung des Ostiums der rechten Aorta an das linke Ostium atrioventrilare nöthig war. Diesen Vorgang stellt er sich olgendermaßen vor: »Ce changement de situation serait, il est vrai, plus juste- ment exprimé en disant, que dans ce cas, le pöle artériel du coeur restant fixe et immobile, le pôle veineux s'est porté en arrière de lui et vers la droite« 1. Offenbar dachte SABATIER hierbei an die »fixité du póle artériel déterminée par ses rapports immédiats avec les ares branchiaux«?. — Nachdem sich diese Rotation vollzogen, soll eine an der Muskelleiste des Chelonierherzens beob- achtete Endokardverdiekung (saillie fibreuse) zu einer dreieckigen fibrösen Platte, die eloison intervestibulaire auswachsen, welche einerseits mit der cloison interventriculaire, andererseits mit der Unterflüche der rechten septalen Atrio- ventrieularklappe sich verbindet und an der proximalen Begrenzung des Fo- ramen Panizzae mit freiem Rande endigt. Die craniale Begrenzung dieser Öffnung entspricht nach SABATIER dem proximalen Rande des Septum aorticum der Chelonier. Die dortselbst inserirenden septalen Aortenklappen sollen zu- rüekgebildet und durch neue, am freien Rande der cloison intervestibulaire sich entwiekelnde Klappen ersetzt werden. Darin erblickt SABATIER nichts Außergewöhnliches, denn: »les valvules sigmoides des orifices artériels sont des organes accidentels, des organes de circonstance, dirai-je, et de perfectionne- ment d'existence, la forme, la situation, les rapports de tels organes, présen- tent une trés-grande contingence . . . .«3. An dem der rechten Kammer angehörigen Abschnitte der Bulboauricular- lamelle (mihi) unterscheidet SABATIER verschiedene Muskelzüge: den faisceau ároit antérieur, postérieur und den faisceau oblique gauche, von denen der - letztere die sogenannte Muskelklappe des rechten venösen Ostiums bilden soll. Die membranöse laterale Klappe des Ostium atrioventriculare der Chelonier . findet SABATIER am Crocodilierherzen auf einen noyau fibreux reducirt, welcher Sich an der ventralen Insertion der septalen Klappe dieses Ostiums befindet (rechter Bulbusknorpel, mihi) — Die beiden Klappen des linken venösen Ostiums 1 ]. e. pag. 237. 2 ]. e. pag. 247. 3 ]. e. pag. 242. 290 Alfred Greil lässt SABATIER mit mächtigen Muskelzügen in unmittelbare Verbindung treten, welche als Papillarmuskel fungiren. Die Autoren, welche vor SABATIER das Herz der Crocodilier untersuchten, beschäftigten sich zumeist mit der Morphologie und Physiologie des Foramen Panizzae, welches 1824 von HENTZ zuerst entdeckt und auch noch von HARLAN (1824) vor PANIZZA (1853) beschrieben wurde. Auch BiscHorr (1836) und Brücke (1852) wandten ihre Aufmerksamkeit speciell der physiologischen Be- deutung des Foramen Panizzae zu, auf welche wir noch zurückkommen. RATHKE (18), dessen Angaben zum Theil bereits oben berücksichtigt wur- den, untersuchte eine ganze Reihe von Crocodilierspecies (Alligator lueius, sclerops, palpebrosus, eynocephalus, Crocodilus vulgaris, acutus, rhombifer, biporeatus; Gavialis gangeticus). Er fand die Kammerabtheilung des Herzens bei den jüngsten der von ihm untersuchten Embryonen fast doppelt so breit als lang, und durch eine tiefe Furche in zwei Abtheilungen gesondert, bei er- wachsenen Exemplaren von der Gestalt eines sphärischen Dreiecks mit abge- stumpften Ecken. Die abgestumpfte Spitze des Herzens gehörte stets dem linken Ventrikel an. — Sehr eingehend beschreibt RATHKE das Foramen Pa- nizzae, welches er treffend als Aortenspalte bezeichnet. Er fand dieselbe halbmondförmig gestaltet; den konvexen Rand nach vorn gekehrt, den größten Durchmesser schräg von rechts und vorn nach links und hinten gelagert. In dem cranialen Rand der Spalte konnte er einen Knorpelstreifen nachweisen, welcher sich gegen die Scheidewand der Herzkammern hin zu einer Platte vergrößert. Dieser Knorpel war bei Alligator cynocephalus sehr mächtig ent- wickelt und erstreckte sich bis in die rechte Wand der rechten Aorta. Bei dieser Species war auch eine zweite Knorpelplatte von ansehnlicher Größe vorhanden, welche der von mir als rechter Bulbusknorpel beschriebenen Bil- dung zu entsprechen scheint. Bei der mikroskopischen Untersuchung stellte RATHEE fest, dass die beiden Knorpelplatten aus echtem hyalinen Knorpel bestehen und »ihre Knorpelkörperchen, die bis 0,0005" im Durchmesser haben, sehr nahe bei einander liegen«!. | FRITSCH (19) bringt keine neuen thatsächlichen Befunde. Auf pag. 721 þe- merkt er: »Es existirt ein Vorsprung in der rechten Kammer des Krokodil- herzens, der zur Pulmonalis hinaufleitet, oben mit dem Septum ventriculorum verschmilzt und den links unten lagernden Theil des Ventrikels nur unvoll- kommen von dem rechten oberen trennt. Darin erkennt man durch Vergleich mit den übrigen Amphibien die unvollkommen mit dem Septum verwachsene Muskelleiste anderer Genera.« Auf diese Angabe rekurrirt GAscH (22), welcher sich der Ansicht von FRITSCH anschließt. . GAscH erkennt ganz richtig, dass die Muskelleiste mit den unterhalb des Septum atriorum vortretenden Balken vereinigt das Septum ventriculorum bilden müsse, doch sucht er irrigerweise die Muskelleiste am Abhange der Scheidewand, statt den ganzen ventralen Schenkel derselben als das Homologon der Muskelleiste, die am rechten Ab- hange desselben vortretenden Muskelzüge als Reste der Randzone der Leiste anzusprechen. — Über die Lage und morphologische Bedeutung des Foramen Panizzae befindet sich GascH völlig im Unklaren. An den von ihm abge- bildeten Schnitten will er folgende »Thatsache« erkennen: »Auch bei Croco- diliern ist das eigentliche Septum ventriculorum nicht ganz vollständig, es 1 ]. c. pag. 210. t E Y. E t T E L "Y quM > mE Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 291 = zeigt vielmehr vorn an der Ventrikelbasis in seinem dorsalen Theile eine Lücke, - welche durch die linke Atrioventrieularklappe geschlossen wirdi.« Seine Fig. 4a - soll beweisen, »dass nicht wie bei den Vögeln das hintere Stück der Aorten- wand dieses Gefäß von dem venösen Herztheile abschließt, und dass die rechte ‘Aorta auch nach der rechten Kammer hin offen bleibt. Allerdings ist diese Öffnung, das Foramen Panizzae, nieht sehr bedeutend, aber sie ist konstant. Das Poramen Panizzae ist also keineswegs ein Loeh inmitten der gemeinsamen Aortenwand, sondern es ist eine frei gebliebene Öffnung hinter dieser Wand«?. GEGENBAUR (17) beschrieb eingehend das Verhalten der Atrioventricular- klappen des rechten venósen Ostiums der Krokodile, um dieselben mit dem Klappenapparate am Vogelherzen zu vergleichen. Er verweist auf die Unter- wühlung der rechten Kammerwand und bemerkt: »Dadurch wird der ganze Abschnitt der Muskelwand, deren medialer Rand die Lippe (der Muskelklappe) bildet, von der Kammerwand abgelöst und bildet den in die Herzhöhle vor- springenden, halbtrichterférmigen Vorsprung. Seine gegen den Vorhof ge- - kehrte Fläche ist glatt, an der Ventrikelfläche inseriren sich zahlreiche Tra- bekel. Unter diesen ist ein Trabekel von Belang, der von der vorderen Kammerwand nach oben und hinten zur einspringenden Muskelmasse sich be- 3 giebt, um in der Nähe des Lippenrandes zu enden. Er ist nicht besonders groß, aber konstant?.« Offenbar meinte GEGENBAUR damit die Trabekel, welche — won der Kammerwand an den Bulbusabschnitt der Bulboaurieularlamelle ziehen. : BERNAYS (21) bemerkt über die Klappen des linken venösen Ostiums von Alligator lucius Folgendes: »Im linken Ventrikel finden sich zwei dünne halb- mondförmige, einander ganz gleich gebaute Klappen. Auf ihrer Unterfläche sieht man spärliche Muskelzüge verlaufen, welche weiter unten im Ventrikel hren Ursprung haben .... An beiden Hälften der Klappen sieht man ent- lang der Basis schwache Muskelfaserzüge verlaufen, aber nur auf einige Linien auf den Anfang der Klappen übergreifen®.« Auch Röse (23) weist darauf hin, dass bei den Crocodiliern die »ersten Anfänge der sekundären, aus Ventrikelmuskulatur entstehenden Atrioventri- - eularklappen«? zu finden sind. »Indem die Muskeltrabekel der Ventrikel mehr und mehr schwanden, blieb in der lateralen Umgrenzung des rechten Ostium venosum eine Muskelplatte übrig, welche mehr und mehr vom Blutstrome unter- wühlt wurde, an ihrer Unterseite jedoch noch durch verschiedene gröbere und kleinere Bündel mit der Muskulatur der Ventrikelwand in Verbindung steht. Auf ihrer oberen Seite ist diese Muskelplatte glatt und sieht gegen das - Vorhofslumen .... Wir sahen oben, dass bei den übrigen Reptilien die þei- den medialen Taschenklappen an ihrem vorderen und hinteren Ende mit den — Muskeltrabekeln der Kammer in Verbindung standen. Bei den Krokodilen wird — patürlieh auch an diesen Stellen die ursprüngliche Kammermuskelwand unter- — withlt, und die Flächen der bisher rein endokardialen medialen Taschenklappen “werden an ihrer vorderen und hinteren Partie vergrößert durch sekundäre " Unterwühlung der mit ihnen zusammenháüngenden Muskelplatten. — Am linken - Ostium venosum der Krokodile finde ich ganz ähnliche Verhältnisse wie rechts. Es besteht auch hier eine mediale, größtentheils endokardiale Taschenklappe, _ welche wie ein Segel über den Aorteneingang herabhingt. Die laterale Kammer- T M te 1 ]. c. pag. 132. ? ]. c. pag. 132—133. 3 ]. c. pag. 376. 4 ]. c. pag. 507. 3 ]. e. pag. 79. 2 292 Alfred Greil wand hat sich auch am linken venösen Ostium von Crocodilus zu einer Muskel- platte umgebildet, die genau dieselbe Entstehung und Zusammensetzung zeigt wie die rechte Muskelklappe!.« RósE untersuchte drei Exemplare von Croco- dilus vulgaris. Ich hatte keine Gelegenheit, diese Form zu untersuchen. Meine Darstellung bezieht sich auf Crocodilus niloticus, C. catafractus und Alligator lueius, welche hinsichtlich des Verhaltens des Klappenapparates der venösen Ostien völlig mit einander übereinstimmten. Für diese Formen haben also die Angaben Röse’s keine Geltung. Ihre Generalisirung ist daher unstatthaft. Das muskulöse Septum ventriculorum lässt Röse durch die Vereinigung mehrerer Muskelbalken entstehen. »Vorn«, heißt es, »steigt dies Septum am weitesten in die Höhe. Hinten und in der Mitte ist es gegenüber dem Ansatze des Septum atriorum mit der Unterseite der verschmolzenen primären Taschen- klappen verwachsen. Diese Verwachsung ist bindegewebiger Natur, so dass an dieser Stelle der oberste Theil des Septum ventriculorum durchscheinend ist. — Die vorderen Muskelbalken des Ventrikelseptums sind bei Krokodilen zwar weiter in die Höhe gewachsen als die hinteren mit den Taschenklappen verbundenen. Eine völlige direkte Vereinigung mit der hinteren Partie des Septum ventrieulorum jedoch kann aus dem Grunde nicht erfolgen, weil sich vorn in der Mitte der Truncus arteriosus inserirt .... Die Scheidung der Stämme des Truncus arteriosus selbst erfolgt durch die Bulbusleisten, ähnlich wie es LINDES schon bei Vögeln beschrieb. Jedoch geschieht diese vom distalen nach dem centralen Truncusende fortschreitende Verwachsung der Bulbusleisten bei Krokodilen nicht vollständig. Es bleibt am centralen Ende innerhalb der Semilunarklappen eine Spalte zwischen rechtem und linkem Aortenstamme übrig, wo die Verwachsung nicht stattgefunden hat. Es ist dies das bekannte Foramen Panizzae2.« BEDDARD und MITCHELL (25) untersuchten das Herz eines großen Exem- plars von Alligator lucius und richteten hierbei ihr Augenmerk hauptsächlich auf den Klappenapparat desselben. An der rechten Atrioventricularklappe fanden sie zwei gleich große Segel vor, ein muskulöses äußeres und ein vor- wiegend aus Muskelgewebe bestehendes inneres Segel — the septal, or inner flap is chiefly muscular but a triangular piece near the upper free extremity is chiefly membranous?. Von den beiden Segeln der linken Atrioventricular- klappe war das septale erheblich größer als das linke, marginale, beide sollen zum Theil muskulös, zum Theil bindegewebig gewesen sein — the septal flap is — thinner and is composed of both muscles and tendon. The left half of the : valve has the free crescentie edge, strongly ligamentous, the rimaining part . being muscular 4. Am Ursprunge der linken Aorta sowie der Pulmonalarterie sollen je drei oan Klappen vorhanden gewesen sein, von denen die der linken Aorta an ihren © freien Rändern durch eingelagertes Knorpelgewebe versteift waren — >on the free edge of which ar cartilaginous hardenings«*. Die beiden Klappen der rechten Aorta werden als linke und rechte unterschieden. Hinter der letzteren — soll sich das weite Foramen Panzziae, hinter der ersteren der Ursprung der - Coronararterie befunden haben — »behind the left of which arises the coronary - artery. Behind the right lies the very large communication with the left aorta«®. 1 pag. 79—80. 2 ]. e. pag..78—79. 3 ]. e. pag. 345. 4 ]. c. pag. 348. 9 ]. c. pag. 348. 6 ]. e. pag. 348. Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 293 Die Erweiterung der drei Gefäßrohre des Truncus arteriosus war sehr be- trächtlich, doch vermissten BEDDARD und MITCHELL an seiner äußeren Ober- fläche jene Längsfurchen zwischen den Gefäßrohren, welche an Objekten, die in mäßig dilatirtem Zustande untersucht werden, stets deutlich nachweisbar sind. — Für die Erhaltung der natürlichen Verhältnisse des Herzens ist eben die Konservirung in einem solchen Zustande eine conditio sine qua non. Dies scheinen BEDDARD und MITCHELL — ihren Abbildungen nach zu schließen — außer Acht gelassen zu haben. — Durch das linke Aortenrohr zogen sich zwei Reihen von Vorsprüngen, welche mit rudimentären Klappen verglichen werden. — »In this are two rows of small sculpturings like rudimentary valves extend- ing to the top of the wide part of the aorta, each row being vertically above the middle of one of the valvest.<« — Diese Angabe bedarf einer kleinen Er- gänzung. Die »sculpturings« sind niedrige, quergestellte Vorsprünge der Intima der Truncuswand und befinden sich an den ventralen Insertionen des Septum aorticopulmonale und des Septum aorticum, sowie in der Rinne, welche diese beiden Septen gegen das dreiseitig begrenzte Lumen der linken Aorta zu bil- den. Diese Gebilde als Klappenrudimente aufzufassen liegt mir vollkommen fern, weil an diesen Stellen aus entwicklungsgeschichtlichen Griinden keine Klappen zu suchen sind. Zum Schlusse wollen wir nun der Frage nach der funktionellen Bedeutung des Foramen Panizzae näher treten. Dieselbe ge- winnt auch in so fern an Interesse, als die meisten Autoren, die sich mit der Morphologie dieser Öffnung beschäftigten, auch Angaben über die Physiologie derselben machten, die sich allerdings vielfach wider- sprechen. Schon Panizza (5) äußerte sich diesbezüglich, indem er annahm, dass durch das Foramen arterielles Blut von der rechten in die linke Aorta überströme, mit der Begründung, dass es leichter sei, eine Sonde in dieser Richtung hindurchzuführen, als in der - entgegengesetzten. HENTZ (2) hält dafür, dass bei behinderter Athmung durch das Foramen Blut aus der linken in die rechte Aorta einströme, Duvernoy lässt durch dasselbe Blut aus der rechten in die linke Aorta eintreten. BiscHorr (6) negirt die Möglichkeit eines derartigen — Verhaltens und hält daran fest, dass die Kommunikationsöffnung während der Zeit des ruhigen Athmens überhaupt nicht vom Blute - passirt wird, wohl aber während des Tauchens. Während dieser Zeit strömt nach seiner Ansicht überhaupt kein Blut durch die Lungen, - $0 dass das linke Herz leer bleibt und die rechte Aorta nur durch das Foramen Panizzae von der linken gespeist wird. Diese etwas weitgehende Annahme wird von BrücKe (10) mit Recht verurtheilt, der auf Grundlage einer Reihe von Experimenten bei Emys europaea 1 ]. e. pag. 348. 294 Alfred Greil konstatiren konnte, dass auch bei kiinstlich aufgehobener Athmung eine Cirkulation in den Lungen statt hat. Nach der Auffassung von BRÜCKE kann durch den Aortenspalt eine Passage von rechts nach links stattfinden (also "im Sinne von Panizza) und zwar aus dem Grunde, weil der Druck in der rechten Aorta größer ist als der in der linken. Die Möglichkeit einer anderen Strömungsrichtung er- scheint ihm vollkommen ausgeschlossen. Wie BISCHOFF, so hält auch Owen! dafür, dass das Foramen Panizzae während des ruhigen Athmens undurchgängig sei, nachdem es von den beiderseitigen sep- talen Klappen verschlossen wird. Wohl aber ist es während des Tauchens von Wichtigkeit, indem es ein Abströmen des Blutes des rechten Herzens in die rechte Aorta vermittelt. Mit dieser Einrichtung bringt er die Fähigkeit der Thiere in Zusammenhang, so lange Zeit unter Wasser aushalten zu können. Die Möglichkeit des Durchtrittes des Blutes in beiden Richtungen nimmt zuerst FrıtscH (19) an, in- dem er, wie die früheren Autoren das Stadium der ruhigen Athmung von dem der angehaltenen (während des Tauchens) unterscheidet. Im ersteren wird die Kommunikationsöffnung (im Sinne von PANIZZA, BISCHOFF) vom Blute der rechten Aorta durchströmt, welche unter höherem Drucke steht. Während des Tauchens jedoch tritt durch dasselbe Blut von der linken in die rechte Aorta (im Sinne von . BISCHOFF, OWEN), da unter dieser Bedingung »in Folge der Ver- mehrung der Widerstände durch die starke Krümmung und Knickung der Gefábe in dem collabirten Gewebe« der Druck in der linken Aorta steigen müsse, was ein Überstrümen des Blutes derselben in die rechte Aorta zur Folge hat. Nach SaBATIER's (20) Ansicht ist das Ostium der linken Aorta so ungünstig situirt, dass durch dasselbe nur wenig Blut eintreten kann und der weitaus größte Theil des venósen Blutes von der © rechten Kammer in die Pulmonalis getrieben wird. Das Foramen Panizzae soll während der Systole der Kammer durch die an das- selbe anschlagenden Semilunarklappen verschlossen werden. Er fasst seine Deduktionen in folgendes Résumé zusammen: 1) Que le trou de Panizza, fermé pendant la systole ventrieulaire, donne passage pendant la diastole au sang de l'aorte droite faisant irruption dans laorte gauche. 2) Que ce dernier vaisseau n'ayant reçu que peu de sang veineux © du ventricule droit, est presque entièrement alimenté par le sang rouge — 1 Owen, On the Anatomy of Vertebrates. Vol. I. 1866. Gor Mr e p est DD Son! ale ores Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 295 que lui fournit le ventricule gauche par l’intermediaire de l’aorte droite et du pertuis aortique. 3) Que l'aorte droite ne recoit que du sang artériel !. Alle im Vorstehenden referirten Angaben sind auf Grund von theoretischen Überlegungen gemacht. REGNARD und BLANCHARD? waren die Ersten, welche experimentell die Richtung zu ermitteln suehten, in weleher das Blut durch das Foramen Panizzae hindurch- tritt Bei den Versuchen, die, wie es scheint, am ruhig athmenden Thiere vorgenommen wurden, prüften sie das Blut der Vena cava ‚inferior, sowie jenes der Aorta sinistra und dextra auf ihren CO,- bezw. O-Gehalt und fanden, dass in 100 cm? Blutes der CO, | O nahe... v. 7-504 | 1,1 ree ae ne 0.0.46 | 3,7 ee ee... 025,0 7,0 enthalten waren. Wenn auch diese Untersuchungen, mit den be- - sehränkten Hilfsmitteln ihrer Zeit ausgeführt, vielleicht nicht als vollkommen exakt und einwandsfrei angesehen werden dürfen, so müssen dieselben im relativen Sinne wenigstens in so fern als be- weisend dafür gelten, dass das Foramen Panizzae in der That ein - Einströmen von Blut aus der rechten Aorta in die linke vermittelt, - wodurch die Angaben von BiscHorF und Owen als widerlegt er- - scheinen. Dagegen behaupten die genannten Autoren, dass eine - Strömung im entgegengesetzten Sinne durch die Anordnung der Klappen unmöglich gemacht sei. (Entre l’aorte du ventrieule droit, et le foramen se trouve un clapet de telle sorte, que le sang veineux — ne peut pas se mélanger au sang artériel. Mais aucune disposition - n'empécehe le passage du sang artériel dans l'aorte veineux?.) Aus diesen Litteraturangaben ist ersichtlich, dass eine Einigung - der Ansichten über die Funktion des Foramen Panizzae noch nicht erfolgt ist. Ich glaube dies auf den Umstand zurückführen zu dürfen, dass sieh alle bisherigen Forscher nieht eingehend genug mit dem Studium des Athmungsmodus der Crocodilier beschäftigt 1 ]. e, pag. 118. ? REGNARD et BLANCHARD, Recherches sur la Physiologie des animaux à sang froid (troisiéme note). Du rôle du for. de PANIZZA chez les Crocodiliens. Gazette médicale de Paris. 1881. pag. 727 ff. 3 ]. e. pag. 728. 296 Alfred Greil haben, welches zur Lösung der vorliegenden Frage unbedingt er- forderlich ist. Von den zahlreichen Untersuchungen, die über die Reptilienathmung angestellt wurden, kommen hier hauptsächlich die von Bert! und SIEFERT? in Betracht, über die ich im Folgenden in Kürze referiren will. Namentlich BERT hat sich sehr eingehend mit der Crocodilier- athmung beschäftigt. Die zahlreichen seiner Arbeit beigegebenen Athemkurven, von denen ich nebenstehend einige reproducire, stam- men von jüngeren und älteren Kaimanexemplaren. An ersteren wurden sie mittels Kopfklappe (muselière du bois et caoutchouc) und | dureh Tracheotomie gewonnen. Am ausgewachsenen Thiere wurden Fig. 35. Athmungskurven von Crocodiliern (nach BERT). I. enregistrement par le parois du thorax, JJ. enregistrement avec une museliére de bois et caout- chouc, III. enregistrement par les narines, JV. enregistrement par le trachée, V. enregistrement avec museliére. die Athembewegungen mittels einer trommelartigen Vorrichtung, die an die Seitenwand des Thorax angelegt wurde, graphisch aufge- nommen. Aus den Untersuchungen DERT's geht nun zunächst hervor, dass bei den Crocodiliern, im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den übrigen Reptilien, die Athmung nicht so regelmäßig erfolgt wie bei den Homoiothermen, sondern in einzelnen Phasen, die dureh lange, bis zwei Minuten und darüber dauernde Pausen getrennt sind. Ana- lysiren wir die beigefügte Kurve J, welche die Thoraxbewegungen 1 BERT, Lecons sur la physiologie comparée de la respiration. Paris 1870. 2 SIEFERT, Uber die Athmung der Reptilien und Vögel. PrFLÜGER's Archiv. LXIV. 1896. | 1 k E y d » Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 297 eines ausgewachsenen Kaimans darstellt, so ergiebt sich, dass die — Pause (P) mit einer starken Exspiration (E) endet, worauf eine kurze In- und Exspiration und schließlich eine tiefe Inspiration (J) folgt. Die unmittelbar darauf einsetzende Pause (P) erfolgt daher in aus- - gesprochener Inspirationsstellung (Repos en inspiration, BERT). Die Anfangspause dieser Kurve zeigt eine Mittelstellung zwischen In- und Exspiration (Demi-inspiration, BERT). In einer anderen Kurve (ZZ), die von einem etwas ermiideten Thiere stammt, finden sich gleich- falls beide Arten der Pause: Inspirations- und Mittelstellung. Außer- dem fallen in der ersten Pause kleinere In- und Exspirationen auf. In einer dritten Kurve (777) erfolgen beide Pausen in ausgesprochener Inspirationsstellung. Zur Erklärung des Zustandekommens dieser Pause führt BERT aus, »dass während der ganzen Dauer derselben die Glottis krampfhaft geschlossen ist«. Die in der Mehrzahl der _ Fälle in Inspirationsstellung einsetzende Pause entsteht demnach n dadurch, dass durch den am Schlusse der Inspiration einsetzenden Glottisversehluss die eingeathmete Luft am exspiratorischen Entweichen gehindert wird. Die Richtigkeit dieser Angabe beweist BERT durch folgenden Versuch: Es wurden hinter einander an einem und dem- selben Versuchsthiere die Athemkurven mittels Kopfklappe und Tra- chealkanüle aufgenommen. Dabei zeigte sich, dass das Thier im ersten Falle während der Pausen in ausgesprochener Inspirations- stellung blieb (Kurve V). Sobald aber die Trachealkanüle eingelegt und dadurch die Glottis immobilisirt wurde, setzten dieselben kon- stant in der Mittelstellung ein (Kurve 7V)!. »Ce trace signifie évi- demment«, sagt Bert mit Recht, »que le Caiman, sa glotte étant maintenue ouverte, ne peut pas rester gonflé, son repos en inspiration - devient nécessairement un repos en exspiration?« Aus diesem Ver- - suche ersehen wir aber ferner, dass die dauernde Inspirationsstellung nicht durch einen konstanten Tonus der Inspirationsmuskulatur be- dingt wird. Es ist vielmehr durch denselben erwiesen, dass die Glottis allein durch ihren krampfhaften Verschluss, den man nur durch starke Kompression des Thorax künstlich überwinden kann, das Ein- treten der Exspiration verhindert. In dem Augenblicke aber, wo sie sich öffnet, erfolgt eine Exspiration. Es ist wohl begreiflich, dass durch das stete Bestreben des Thorax, vermöge seiner Elasti- 1 In letzterer Kurve beginnt die Athembewegung abwechselnd von dem regelmäßigen Verhalten mit einer Inspirationsbewegung. 2 ], e. pag. 309, 298 Alfred Greil eität in die Ruhelage zurückzukehren, der intrathorakale Druck während der Pause ein ziemlich bedeutender sein muss. Letztere erfolgt demnach nicht in einer aktiven, sondern in einer passiven Inspirationsstellung. BERT nimmt aber auch für den Fall, als die Pause in der Mittelstellung einsetzt, eine aktive Betheiligung der Muskulatur der Glottis und des Thorax an, indem er dieselbe als unterbrochene Exspiration (demi-exspiration) bald als demi-inspiration oder Repos en inspiration bezeichnet. . Es ist nun das Verdienst SrEFERT's, darauf hingewiesen zu haben, dass diese Mittelstellung der typischen Ruhestellung des Thieres (Kadaverstellung) entspricht, die auch bei geóffneter Glottis in derselben Weise eintritt. Wenn jedoch SrEFERT glaubt, auch für die inspiratorische Pause eine derartige Ruhestellung annehmen zu dürfen, so geht er damit entschieden zu weit. Dies ergiebt sich aus folgender Überlegung: Wenn die Annahme SrEFERT's richtig ist, so entsprechen die Pausen der Kurven V und JV, die von dem- selben Untersuchungsthiere in kurzen Intervallen gewonnen wurden, einer und derselben Thoraxlage (Ruhestellung). Projieiren wir nun die Exkursionen der einen Kurve auf die andere (JV), indem wir sie auf diese Ruhelage beziehen (in Kurve JV gestrichelt angegeben), so zeigt sich, dass das Thier bei der Athmung durch die Glottis (Kurve V) viel tiefer exspiriren und bei Weitem nicht so tief in- spiriren würde als bei der Athmung durch die Trachealkaniile (Kurve ZV). Eine derartige Differenz der Thoraxdilatation kann schon am frei lebenden Thiere schwer eintreten, noch weniger je- doch am narkotisirten. Folgt man aber der Annahme von BERT, dass die Pause der Kurve V der Inspirationsstellung, jene der Kurve ZV der Mittelstellung zwischen In- und Exspiration entspricht, 80 sind die in- und exspiratorischen Exkursionen in Bezug auf die (in der Kurve V gestrichelt angegebenen) Ruhelage in beiden Fällen dieselben. Der Unterschied besteht demnach nur darin, dass die Pausen in verschiedenen Phasen der Respirationsbewegungen ein- setzen. Für diese Auffassung sprechen ferner auch die Kurven A © und B, in welchen beide Formen der Pausen neben einander auftreten. So lange der Gegenbeweis für die BERT'sche Angabe nicht er- bracht ist, muss dieselbe zu Recht bestehen, nachdem vorläufig gegen © dieselbe kein begründeter Einwand erhoben werden kann. Die Untersuchungen dieses Forschers haben also, um es kurz zu resu- miren, ergeben, dass die lang andauernden Athempausen der Croeodilier in der Regel im Zustande der passiven Inspi- Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 299 rationsstellung des Thorax erfolgen, die lediglich durch den andauernden, krampfhaften Verschluss der Glottis be- = dingt sind. Unter Umständen, namentlich bei ermüdeten Thieren, erfolgt die Pause in einer Mittelstellung, die, wie die SIEFERT’schen - Versuche zeigen, der Ruhestellung des Thorax entsprechen. Es fragt sich nun, welchen Einfluss die Athembewegungen auf den Cirkulationsapparat ausüben. Vor Allem ist es begreiflich, dass während der inspiratorischen Pausen der durch die Elastieität des passiv dilatirten Thorax bedingte Exspirationsdruck sich zunächst auch auf die Lungenkapillaren äußern wird — ganz abgesehen von dem Gesammtdrucke auf den centralen Cirkulationsapparat, sowie von dem Umstande, dass dureh den Wegfall der Athmungsbewe- gungen auch die Cirkulation in den Lungen ein treibendes Moment verliert. Es folgern daraus jedoch nicht in dem MaBe die Konse- quenzen, welche der VarsaLva’sche Versuch für das Säuger- (und Vogel-)herz hat, nachdem bei den Crocodiliern schon von vorn her- ein in der linken Aorta ein zweiter Abflussweg für das venóse Blut der rechten Kammer besteht. Diese dürfte daher unter gewóhnlichen Verhältnissen vollends dazu ausreichen, das Eintreten einer Stauung zu verhüten. Wie jedoch aus biologischen Mittheilungen hervorgeht, findet bei den in Freiheit befindlichen Thieren unter gewissen Um- stinden, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, das Eintreten einer lang andauernden Inspirationsstellung statt, die un- mittelbar einer tiefen Inspiration folgt. Es ist sicher anzunehmen, dass auch in diesem Falle die Pause nicht durch den anhaltenden Tonus der Inspirationsmuskulatur, sondern vielmehr durch den kon- stanten, krampfhaften Glottisverschluss bedingt wird. Unter dem Einflusse des so gesteigerten Exspirationsdruckes muss wohl ein ge- wisses Missverhältnis in der Aktion der beiden Herzhälften eintreten. Der rechte Ventrikel, der eigentlich doch in erster Linie dem Lun- genkreislauf angepasst ist, wird dadurch gezwungen, einen größeren Theil seines Blutes in den Körperkreislauf zu entleeren, nachdem dureh die vermehrten Widerstinde in den Lungen der Eintritt des Blutes in dieselben ziemlich erschwert ist. Dies kann er nur durch . vermehrte Arbeitsleistung mit consecutiver Druckerhöhung erreichen. . Der linke Ventrikel dagegen empfängt weniger Blut als bei unge- hinderter Athmung und kann daher die Aorta und ihre Aste nicht so prall füllen wie sonst. Dieser Umstand bringt es wohl mit sich, dass der Druck in der rechten Aorta etwas sinken wird. Durch das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren ist es erklärlich, dass Morpholog. Jahrbuch. 31. 20 300 Alfred Greil eine Änderung der Druckverhältnisse der beiden Aorten in dem Sinne eintreten dürfte, dass die linke Aorta einen etwas höheren Druck aufweist als die rechte. Damit sind nun die Bedingun- gen gegeben, unter denen ein Überströmen von Blut von der linken in die rechte Aorta durch das Foramen Panizzae möglich ist. So könnte dasselbe in der That dazu dienen, unter den angegebenen Verhältnissen die linke Aorta zu entlasten und so eine Stauung im venösen Kreislaufe kompensiren zu helfen. Durch die Güte des Vorstandes des hiesigen experimental-patho- logischen Instituts, Prof. Dr. LoEwIT, dem ich an dieser Stelle für seine freundliche Unterstützung meinen verbindlichsten Dank abzu- statten habe, war ich in der Lage einige Versuche anstellen zu können, welche meine obigen Angaben stützen dürften. Bei den- selben wurde die schon bei Cheloniern (vgl. pag. 236) versuchte Methode mittels der Injektion einer Ferrocyannatriumlósung (2 —3%) in die Blutbahn und der nachfolgenden Untersuchung des Blutes der beiden Aorten auf das Vorhandensein dieses Salzes (mit Ferri- chlorid) mit Erfolg angewendet. Zu diesem Behufe wurden nach Freilegung des Herzens und der Bauchorgane am ruhig athmenden Thiere in den beiden Aorten im Bereiche ihrer intraperikardialen Verlaufsstreeke in einiger Entfernung kleine Stichóffnungen ange- legt, aus denen nur geringere Blutmengen hervorquellen konnten. Hierauf wurde in eine Vena abdominalis eine Pravazspritze voll einer Lösung von Ferrocyannatrium injieirt und das aus den Stichöffnun- gen austretende Blut mittels Filtrirpapierstreifen aufgesogen und mit Ferriehlorid auf das Vorhandensein des Ferrosalzes geprüft. Dabei ergab sieh, dass dasselbe naeh zwei Systolen in der linken, nach circa sieben bis neun Systolen, nachdem das Blut inzwischen die Lungen passirt hatte, in der rechten Aorta nachweisbar war. | Dieses hesultat stellte so zu sagen die Gegenprobe der Unter- suchungen von REGNARD und BLANCHARD dar. Zur direkten Probe injieirte ich an einem zweiten Versuchsthiere dieselbe Lósung mittels Einstiches in die Pulmonalarterie und konnte hierauf nach ungefähr acht Systolen das Ferrocyannatrium in der linken und rechten Aorta zugleich nachweisen. Dieses Experiment spricht sehr deutlich für die Richtigkeit der Angaben von REGNARD und BLANCHARD und bekräftigt die Vermuthungen von BRÜCKE, Panizza, FRITSCH und SABATIER. Um nun aueh das Verhalten im Zustande der angehaltenen Athmung (passive Inspirationsstellung) zu studiren, musste ich mich ae ee nn Mim Tali ncm va Beitrige zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete. 301 aus begreiflichen Gründen damit begnügen, durch eine kräftige aber nicht übermäßige Aufblähung der Lungen künstlich jenen Binnen- druck in denselben herzustellen, der unter normalen Verhältnissen durch den Exspirationsdruck des erweiterten Thorax erzeugt wird. Letzterer musste beim Versuche zur Freilegung des Operationsfeldes eröffnet werden, wodurch die Wirkung des intrathorakalen Druckes auf die Brustorgane natürlich aufgehoben wurde. Wenn auch diese Ver- suchsanordnung nicht beanspruchen darf, vollkommen einwandsfrei zu sein (namentlich in Bezug auf die Vernachlässigung des auf dem Herzen und den großen Gefäßen lastenden Exspirationsdruckes), so glaube ich doch, dass sie wenigstens annähernd in Bezug auf die Lungeneirkulation, auf die es ja doch im Wesentlichen ankommt, den natürlichen Verhältnissen entspricht. Das Ergebnis des Experi- mentes bestand darin, dass das in die Vena abdominalis injieirte Ferrosalz nach zwei Systolen in der linken und rechten Aorta nach- weisbar war, stärker in der ersteren, schwächer in der letzteren. Ich glaube daher nicht zu weit zu gehen, wenn ich durch diese Versuche die Richtigkeit der Ansicht von Owen, BiscHorr und FritscH bestätigt sehe. Nur möchte ich darauf hingewiesen haben, dass es nicht die Relaxation des Lungengewebes und die dadurch bedingte Krümmung und Knickung der Gefäße ist (wie FRITSCH meint), welche die Widerstände schafft, sondern vielmehr der Exspi- rationsdruck auf das Kapillarnetz der geblähten Alveolen. Aus den mitgetheilten Versuchen ergiebt sich nun erstens, dass das Foramen Panizzae vermöge seiner anatomischen Verhältnisse ' eine Passage des Blutes in beiden Richtungen gestattet, wodurch die Ansichten von Panizza, REGNARD und BLANCHARD als widerlegt erscheinen müssen, zweitens, dass diese Kommunikationsöffnung im Zustande der ruhigen Athmung (auch während der inspiratorischen Pausen) vom Blute der rechten, während der angehaltenen Athmung (bei passiver, durch Glottisverschluss bewirkter Inspirationsstellung mit consecutiver intrathorakaler Druckerhöhung) von dem der linken Aorta durchstrémt wird. Die Funktion des Foramen Panizzae wire demnach eine - zweifache: Im ersten Falle vermittelt es den Eintritt von arteri- ellem Blute in die linke Aorta, welche vom Ventrikel aus mit rein venösem Blute gespeist wird. Die Bedeutung einer derartigen Pas- sage wird verständlich, wenn man bedenkt, dass, wie bereits (pag. 250) erwähnt wurde, der größere Theil der Darmarterien aus der linken Aorta hervorgeht. Nachdem die dorsale Anastomose sehr klein ist, 20* 302 Alfred Greil so dass sie nur den Durchtritt einer geringen Blutmenge von der Aorta descendens in die linke Aorta gestatten kann, so wiirde der Darm zeitlebens mit fast rein venösem Blute gespeist werden. Bei allen übrigen Reptilien empfängt derselbe gemischtes Blut, entweder aus der Aorta descendens oder aus der linken Aorta (Chelonier), die Ja schon von vorn herein gemischtes Blut führt. Es ist nun gerade die Aufgabe des Foramen Panizzae — und ich möchte darauf den größten Werth legen — das Zustandekommen eines derartigen Miss- verhältnisses zu verhindern, indem es den Eintritt von arteri- ellem Blute in die linke Aorta ermöglicht, wodurch eine theilweise Arterialisation des in die Darmarterien eintre- tenden Blutes bewirkt wird. Wenn die Thiere jedoch längere Zeit in der passiven Inspira- tionsstellung verharren, nachdem vorher eine tiefe Inspiration voran- gegangen, so dürften Verhältnisse eintreten, wie sie oben geschildert wurden, und in diesem zweiten Falle trägt das Foramen Panizzae zur Kompensation einer Stauung im kleinen Kreislaufe bei, indem es den Übertritt von venösem Blute in die Aorta dextra vermittelt, wodurch die linke Aorta entlastet wird!. Es mag auch hier darauf hingewiesen werden, dass auch die mächtige Erweiterung des Pul- monalisstammes zur Kompensation der Stauung dient. In wie fern sie aber eine Konsequenz derselben darstellt, vermag ich nicht mit Sicherheit anzugeben. Jedenfalls muss das Eine auffallend erscheinen, dass die Erweiterung der Pulmonalis bei jugendlichen Exemplaren geringer ist als bei ausgewachsenen. Aus dem Dargestellten geht hervor, welch bedeutende Rolle das Foramen Panizzae im Cirkulationsapparat der Crocodilier spielt. Wir ersehen daraus, dass das Auftreten dieser Öffnung funktionell wohl begründet ist, und erblicken in ihr eine 1 Dass die Thiere so lange Zeit unter Wasser aushalten können, führt BRÜCKE mit Recht darauf zurück, dass einerseits in Folge der (verhältnismäßig noch) geringen respiratorischen Lungenoberfläche, andererseits in Folge des geringen Sauerstoffbedürfnisses der Thiere die Resorption des Sauerstoffes der mitgenommenen Luft nicht so rasch vor sich gehen kann wie bei den Ho- moiothermen. Andererseits ist jedoch auf die außerordentliche Resistenz der Reptilien überhaupt gegen jede O-Beschrünkung und Entziehung Rücksicht zu nehmen, die gerade durch die Untersuchungen von SIEFERT neuerlich bestätigt wurde. Von einer Reizung nervöser Centren durch O-Mangel oder CO>-Intoxi- kation kann demnach nicht in demselben Sinne die Rede sein wie bei den Warmblütlern (SIEFERT, pag. 309). Auch die Reflexerregbarkeit ist daher sehr herabgesetzt. u I er ee W B uda aces LIUM Aha sei P Rey ftem et ac Me sn osa Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete. 303 Einrichtung, welche sich in Anpassung an die durch den völligen Ausbau des Septum ventriculorum wesentlich ver- änderten Cirkulationsverhältnisse entwickelt hat. Innsbruck, Weihnachten 1902. Litteratur'. 1) BoJANUS, Anatome Testudinis Europaeae. Vilnae. 1819—21. 2) Hentz, M. N., Some observations on the Anatomy and Physiology of the Alligator of Northamerica. Transact. Americ. ‚Phylosoph. Society. 1825. . 3) SCHLEMM, Anatomische Beschreibung des Blutgefäßsystems der Schlangen. TREVIRANUS' Zeitschrift für Physiologie. 1826. 4) RETZIUS, Anatomisk undersökning öfver nigra delar af Python bivittatus. — Mém. de l’Acad. de Stockholm. Isis. 1829. 5) PANIZZA, Sulla struttura del cuore e della circolazione del sangue del Cro- eodilus lucius. Bibl. ital. LXX. 1833. 6) BISCHOFF, Über den Bau des Crocodilierherzens, besonders von Crocodilus lucius. MüÜLLer’s Archiv für Anatomie, Physiologie und wissensch. Medicin. 1836. 7) DUVERNOY, Note sur la structure du coeur des Crocodiliens. Journal de l'Institut. 1838. 8) VROLIK, Sur le coeur du Caiman à museau de brochet. Het Institut. 1841. 9) Corti, De systemate vasorum Psammosauri grisei. Vindobonae. 1847. 10) BRÜCKE, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Ge- fäßsystems. Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften. Math.-nat. Klasse. 1852. 11) POELMANN, Note sur le systéme circulatoire des Crocodiliens. Bulletin de l'Aeadémie belgique. 1854. 12) JACQUART, Mém. sur les organes de la circulation chez le serpent Python. Annal. des sciences nat. IV. série. T. IV. 1855. 13) RATHKE, Über die Carotiden der Schlangen. Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften. Math.-naturw. Klasse. 1856. 14) —— Untersuchungen über die Aortenwurzeln und die von ihnen ausgehen- den Arterien der Saurier. Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften. Math.-naturw. Klasse. 1857. — 15) JACQUART, Sur le coeur de la tortue franche. Annal. d. scienc. nat. IV. série. 1858. 4 Von den Abhandlungen 3, 4, 5, 7, 8 und 11 waren mir nur Referate zu- günglich. Die Lehr- und Handbücher der vergleichenden Anatomie sind in dem Ver- zeichnisse nicht berücksichtigt. 304 Alfred Greil 16) RATHEE, Untersuchungen über die Arterien der Verdauungswerkzeuge der Saurier. Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften. Math.- naturw. Klasse. 1861. 17) GEGENBAUR, Zur vergleichenden Anatomie des Herzens. Jenaische Zeit- schrift für Naturwissenschaften. II. 1866. 18) RATHKE, Untersuchungen über die Entwicklung und den Körperbau der Krokodile. 1868. 19) FRITSCH, Zur vergleichenden Anatomie des Amphibienherzens. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1869. 20) SABATIER, Etudes sur le coeur et la circulation centrale dans la série des Vertébres. 1873. 21) BERNAYS, Entwicklungsgeschichte der Atrioventricularklappen. Morphol. Jahrbuch. II. 1876. 22) Gasca, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Herzens der Vögel und Reptilien. Archiv für Naturgeschichte. LIV. 1888. 23) RÓsE, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Herzens der Wirbelthiere. Morphol. Jahrbuch. XVI. 1890. 24) LANGER, Über die Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. Morphol. Jahrbuch. XXI. 1894. 25) BEDDARD and MITCHELL, On the structure of the heart of the Alligator. Proceed. zoolog. Soeiety London. 1895. 26) HOCHSTETTER, Über Varietäten der Aortenbogen, Aortenwurzeln und der von ihnen ausgehenden Arterien bei Reptilien. Morphol. Jahrbuch. XXVHH 1902. I Y Y Erklärung der Abbildungen. Tafel VI. Darstellung der Entwicklung eines Lacertilierherzens (Lacerta agilis). (Fig. 1—18 bei 30facher, Fig. 19 bei 6facher Vergrößerung gezeichnet.) Fig. 1. Herzschlauch eines Embryos mit 0,4 mm Kopflänge, Ventralansicht. Fig. 2. Herzschlauch eines Embryos mit 0,6 mm Kopflinge, Ventralansicht. Fig. 3. Herzschlauch eines Embryos mit 0,6 mm Kopflünge, linke Seiten- ansicht. Fig. 4. Herzschlauch eines Embryos mit 0,9 mm Kopflänge, Ventralansicht. Fig. 5. Herzschlauch eines Embryos mit 0,9 mm Kopflänge, linke Seiten- ansicht. Fig. 6. Herzschlauch eines Embryos mit 1,2 mm Kopflänge, Ventralansicht. Fig. 7. Herzschlauch eines Embryos mit 1,2 mm Kopflänge, linke Seiten- ansicht. Fig. 8. Herz und Truncus arteriosus eines Embryos von 2 mm Kopflänge, Ventralansicht. Fig. 9. Ventriculus und Bulbus cordis eines Embryos von 2 mm Kopflänge - Innenansicht,inach Entfernung der rechten Herzwand (Schnitt X—Y). - Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete. 305 Fig. 10. Herz und Truncus arteriosus eines Embryos von 2,8 mm Kopflänge, Ventralansicht. Fig. 11, 12. Ventriculus und Bulbus cordis eines Embryos von 2,8 mm Kopf- länge. Innenansichten der beiden durch den Schnitt X— Y (Fig. 10) getheilten Abschnitte derselben. Fig. 13. Herz und Truncus arteriosus eines Embryos von 3,6 mm Kopflinge, Ventralansicht. | Fig. 14, 15. Ventriculus und Bulbus cordis eines Embryos von 3,6 mm Kopf- linge. Innenansicht der beiden durch den Schnitt X— Y getheilten Abschnitte. Fig. 16. Herz und Truncus arteriosus eines Embryos von 5mm Kopflänge, Ventralansicht. — Fig..17, 18. Innenansichten des Herzens eines Embryos von 5 mm Kopflänge | nach Entfernung der Vorhöfe und eines Abschnittes des Truncus arteriosus; Theilungsebene in Fig. 16 mit .X — Y bezeichnet. Fig. 19. Innenansicht des basalen Kammerdrittels eines ausgebildeten Herzens von Lacerta agilis. . Bezeichnungen: Ao.B.r.(.l) Aortenbogen, rechter (linker), — Ao. R.r.(l) Aortenrohr, rechtes (linkes), des Truncus arteriosus, Ao. St. Stamm der rechten Aorta, Art.B.I—IV. Arterienbogen I—IV, At.d.(s.) Atrium dextrum (sinistrum), Aur.R. Auricularring, Aur.L. Auricularlamelle (dorsale), Av. KL.r.(L)m.(). Atrioventricularklappe, rechte (linke), mediale (laterale), B.aur.L. Bulboauricularlamelle (ventraler Abschnitt), B.e. Bulbus cordis, B.aur.Sp. ^ Bulboaurieularsporn, B.La. Bulbuslamelle, B.L. Bulbusleiste, E B.R. Bulbusring, = B.Tgr. Bulbus-truncus-Grenze, B.W.p.(d.) Bulbuswulst, proximaler (4, B, C), (distaler, I—IV), Caur. Canalis auricularis, ; E C B.r.(l) Carotidenbogen, rechter (linker), E D.C. Duetus Cuvieri, —— E.K.v.(d.)r.(l.) Endokardkissen, ventrales (dorsales), rechtes (linkes), K.R.v.(d.) Kammerraum, ventraler (dorsaler), K.Fa. Kniekungsfalte (proximale) des Bulbus, E EF. Knickungsfurche (proximale) des Bulbus, Lap. . Ligamentum apicis, m, mg, m; marginale Semilunarklappe des Ostiums der Pulmunalis, der linken EA bezw. der rechten Aorta, E ML. Muskelleiste, 306 Alfred Greil O.a.v.c.(d., s.) Ostium atrioventriculare commune (dextrum, Binistram), O. Ao.d.(s.) Ostium aortae dextrae (sinistrae), O.p. Ostium pulmonale, P.BASt) Pulmonalis-Bogen (-Stamm), Si, 89, $3 septale Klappe des Ostiums der Pulmonalis, der linken bezw. ~ rechten Aorta, S.ao.(a0.p. Septum aorticum (aorticopulmonale), S.at. Septum atriorum, S.ven. Sinus venosus, S.a.v. Suleus atrioventricularis, S.b.aur. Suleus bulboauricularis, T.S.r.(t.) Trabekelsystem, radiäres (transversales), T.art. Truncus arteriosus. Tafel VII. 'Sümmtliche Schnitte, mit Ausnahme des 18., in natürlicher Größe reproducirt.) Fig. 1—14. Querschnittserie durch das Herz einer Lacerta agilis. Fig. 15, 16. Sagittal geführte Längsschnitte durch das Herz einer Lacerta agilis. Fig. 17, 18. Frontal geführte Längsschnitte durch das Herz einer Lacerta agilis. (Fig. 18 vergr. 3:1.) Fig. 19—21. Frontal geführte Längsschnitte durch das Herz einer Lacerta ocellatat. Fig. 22—33. Querschnittserie durch das Herz einer Coluber Aesculapii. Fig. 34, 35. Längsschnitt durch das Herz einer Coluber Aesculapii, in den Ebenen e—8 bezw. y—d der Abbildung 26 geführt. Fig. 36—41. Frontalschnittserie durch das Herz einer Tropidonotus natrixt. Tafel VIII. (Sàmmtliehe Schnitte in natürlicher Größe.) Fig. 1—9. Querschnitte durch das Herz eines Varanus griseus. Fig. 10—13. Querschnitte durch das Herz eines Testudo graeca. Fig. 14, 15. Frontalschnitte durch das Herz eines Testudo graeca. Tafel IX. (Sämmtliche Schnitte in natürlicher Größe.) Fig. 1—7. Querschnitte durch das Herz eines Alligator lueius (in, bezw. parallel den Ebenen der arteriellen Ostien geführt). Fig. 8, 9. Dessgl. parallel der Ebene des Sulcus atrioventricularis geführt. Fig. 10, 11. Frontalschnitte durch das Herz eines Alligator lucius. Fig. 12. Querschnitt durch das Foramen Panizzae eines Crocodilus cata- fractus. Fig. 13—17. Querschnitte durch die Herzkammer eines Crocodilus nilo- ticus. i Die Ventralseite dieser Schnitte ist dem Beschauer zugewendet, die rechte Seite befindet sich also zur linken Hand: — bei allen iibrigen Schnitten ist die Dorsalseite dem Beschauer zugewendet. n - Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens ete Bezeichnung der Tafeln VII—IX. . Annulus auricularis, . Annulus bulbi, . Aorta dextra, . Aorta sinistra, . Atrium dextrum, Atrium sinistrum, . Carotis primaria (RATHKE), . Cavum ventriculi dorsale, . Cavum ventriculi dorsale dextrum, . Cavum ventriculi dorsale sinistrum, . Cavum ventriculi ventrale, . Cavum ventriculi dextri, . Cavum ventriculi sinistri, . Foramen Panizzae, . Ostium aortae dextrae, . Ostium aortae sinistrae, . Ostium atrioventrieulare dextrum, . Ostium atrioventriculare sinistrum, . Ostium pulmonale, . Ostium Sinus venosi, . Pulmonalis (truncus), 22. Septum aorticum, 23(1. Septum atriorum, pars endocardialis, 23(2. Septum atriorum, pars musculosa, 24. Septum atrioventriculare, 25. Septum aorticopulmonale, . 96. Septum Sinus venosi, . 97. Septum ventrieulorum, pars endocardialis, 28. Septum ventriculorum, pars musculosa, 29. Septum ventriculorum, pars dersalis, 30. Septum ventriculorum, pars ventralis, . 31. Sinus venosus, 32. Suleus atrioventricularis, 33. Suleus bulboauricularis, 34. Suleus interventricularis, 35. Valvula atrioventrieularis medialis (septalis) dextra, 36. Valvula atrioventricularis medialis (septalis) sinistra, = 37. Valvula atrioventrieularis lateralis (marginalis) dextra, 38. Valvula atrioventricularis lateralis (marginalis) sinistra, .39. Valvula semilunaris aortae dextrae marginalis, 40. Valvula semilunaris aortae dextrae septalis, = _ 41. Valvula semilunaris aortae sinistrae marginalis, = 49. Valvula semilunaris aortae sinistrae septalis, - 43. Valvula semilunaris pulmonalis marginalis, 44. Valvula semilunaris pulmonalis septalis, O Ox 9$ O6 & WH NON) Roo Mo Mot oo ^M hM oM m Oo Oo A Oy). BSC NR S is . 907 308 Alfred Greil 45. 46. 47. 48. T 49. 50. öl. . Radiäres Trabekelsystem der Kammer, . Longitudinal-transversales Trabekelsystem der Kammer, . Muskelleiste BRÜCKE's, . Die von der Muskelleiste und der Bulboauricularlamelle (49) begrenzte Komy Vena cava inferior, Vena cava superior sinistra, Vena pulmonalis, Trabekelfreies (Bulbus-) Gebiet der Kammerwand, Bulboauricularlamelle, dorsaler rechter Abschnitt (Fleischpolster BRÜCKE’ 8), Bulboaurieularlamelle, ventraler linker Abschnitt, Bulboauricularsporn, munikation zwischen dem Cavum ventriculi dorsale und ventrale, . Die beim systolischen Verschlusse dieser Kommunikationsöffnung betheilig- ten Elemente des radiüren Trabekelsystems (Spaunmuskel der Bulboauri- cularlamelle), . Papillarmuskel der beiden Klappen des rechten venósen Ostiums un Cro- codilierherzens, . Erste Anlage der Pars dorsalis Septi ventriculorum am Lepidosaurier- und Chelonierherzen, . Scheidewandbildungen im unterminirten Gebiete des Bulboauricularabschnit- tes der Kammer, . Antheil der Auricularlamelle am Ventrikelseptum der Crocodilier, . Freier Abschnitt der Muskelleiste des Crocodilierherzens, . Schleimgewebige Endokardverdickung im Conus pulmonalis des Crocodilier- herzens, . Lage des Truncusknorpels von Lacerta, . BoJANUS'scher Knorpel des Chelonierherzens, . Linker Bulbusknorpel des Crocodilierherzens, . Reehter Bulbusknorpel des Crocodilierherzens. Tafel X. Fig. 1. Ventralansicht des Herzens und des Truncus arteriosus von Boa con- strictor nach Freilegung des ventralen Kammerraumes. Nat. Grófe. Fig. 2. Ventralansicht des Herzens und des Truneus arteriosus von Varanus varius nach Freilegung des gesammten ventralen Kammerraumes. 4:1. Fig. 3. Ventralansicht des Herzens und des Truneus arteriosus von Alligator lucius; Innenansicht der rechten Kammer und des Stammes der rech- | ten Aorta. Nat. Größe. Fig. 4. Ventralansicht der Herzkammer von Belia erassicollis mit frei- gelegtem ventralen Kammerraume. Nat. Größe. Bezeichnungen: Ao.d.(s.) Aorta dextra (sinistra), A. Ao.d.(s.) Arcus Aortae dextrae (sinistrae), A.a.d.(s.) Arteria anonyma dextra (sinistra), t A. p.d.(s.) Arteria pulmonalis dextra (sinistra), 4.8.5. Arteria subelavia sinistra, Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Herzens etc. 309 P à Av. ' Arteria vertebralis, 4t.d.(s.) Atrium dextrum (sinistrum), SB: La. Bulbuslamelle, C. Vw. Cavum Ventriculi ventrale, E €.e.d.(s.) Carotis communis dextra (sinistra), | Cp. Carotis primaria, E Cs. Carotis subvertebralis, om marginale Klappe des Ostiums der Pulmonalis, EML Muskelleiste, J Q.a.v.d. Ostium atrioventrieulare dextrum, PM. Papillarmuskel der beiden Klappen des Ostium atrioventriculare Er: dextrum, P.e.(v.d.)S.V. Pars endocardialis (ventralis, dorsalis) Septi ventriculorum, (8 S.c.ao.d. E Ss.. S.v. | S.a.v. Sa. Wei. V.d.(s. ^ a x E Fig. 2. A Pulmonalis (truncus), septale Klappe des Ostiums der Pulmonalis, Septum caroticoaorticum dextrum, Septum intercaroticum, Sinus venosus, Sulcus atrioventricularis, Sulcus bulboauricularis, Sulcus interventricularis, V.O.a.v.d.m.(l.) Valvula ostii atrioventrieularis dextri medialis (lateralis), Vena cava inferior, V.c.s.d.(s.) Vena cava superior dextra (sinistra), Ventriculus dexter (sinister), das kompakt erhalten gebliebene Bulbusgebiet der Kammerwand, Spalte zwischen Muskelleiste und Bulbuslamelle, Verbindung zwischen Muskelleiste und Bulbuslamelle, freier Theil der Muskelleiste des Crocodilierherzens. Tafel XI. Aus einem Längsschnitte durch den Fundusabschnitt der septalen Klappe der rechten Aorta. Lacerta ocellata; Hümalaun; 500/1. v.Z. vesiculöse Zellen, G.S. mucoide Grundsubstanz. Längsschnitt durch den proximalen, endokardialen Abschnitt des Sep- tum aortico-pulmonale. Lacerta agilis; Alaunkarmin-Resorcin-Fuchsin - (WEIGERT). 65/1. M.L. Muskelleiste, S.ao.p. Septum aorticopulmonale, sı, $4 septale Klappe der Pulmonalis (rechte Aorta), T.W. Truncuswand, . €.F. collagene ER e.F. elastische Fasern, Ep. Epithel, gl.M.F. glatte Muskelfasern der Truncuswand. 310 A. Greil, Beiträge zur vergl.. Anatomie und Entwicklungsgeschichte etc. Fig. 3. Fig. 5. Fig. 6. fe 08 -1 Fig. 8. Fig. 9. Aus einem Lüngssehnitte durch den Fundusabschnitt der septalen Klappe der Pulmonalis. Lacerta ocellata; Orcein (TÄNZER). 500/1. v.Z. vesiculöse Zellen, e.F. elastische Fasern, G.S. mucoide Grundsubstanz. Übergang des Septum atriorum in die beiden septalen Atrioventricular- klappen. Lacerta agilis; Hamalaun. 300/1. S.at. Septum atriorum, r.(l.)s. 4.v.Kl. rechte (linke) septale (mediale) Atrioventricularklappe, v.Z. vesiculóse Zellen, B.K. Kerne der Bindegewebszellen, G.S. Grundsubstanz. Aus einem parallel der Ebene des Septum atriorum geführten Lings- schnitte dureh die rechte septale Atrioventricularklappe. Lacerta agilis; Hämalaun, VAN GIESoN; 300/1. Ep. Epithel, v.Z. vesiculóse Zellen, c.F. collagene Fasern. Aus einem Lüngssehnitte dureh die septale Atrioventricularklappe. Lacerta agilis; Alaunkarmin, WEiGERT's Resorcin-Fuchsin. 300/1. Ep. Epithel, v.Z. vesiculóse Zellen, e.F. elastische Fasern. Aus einem Schnitte durch die Vereinigungsstelle des Septum aorticum und Septum aorticopulmonale, in derselben Ebene geführt wie der Schnitt 1 der Taf. VII. Lacerta muralis; Hämatoxylin-Pikrinsäure; 500/1. S.ao.p. Septum aorticopulmonale, S.ao. Septum aorticum, K.Z. Knorpelzellen, G.S. Grundsubstanz, | K.K. Knorpelkapseln, P. Perichondrium. Aus einem Schnitte durch den Knorpel in der Pars endocardialis der Kammerscheidewand von Alligator lucius; Hämatoxylin-Pikrin- säure; 500/1. K.Z. Knorpelzellen, G.S. Grundsubstanz. Aus einem Schnitte durch den Bosanus’schen Knorpel. Testudo graeca; Hämatoxylin van GIESON; 500/1. K.Z. Knorpelzellen, T.Z. Tochterzellen, K. Kapsel der Knorpelzellen, Ch.B. Chondrinballen, B.N. Balkennetz. £ Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen und den Ductus naso-pharyngeus. Beobachtungen an Reptilien und Vögeln. Von E. Göppert, Heidelberg. Mit Tafel XII—XV und 8 Figuren im Text. In der Organisation der Säugethiere spielt die Ausgestaltung des sekundären Gaumens und die durch ihn vermittelten Beziehungen zwischen Kehlkopf und Nasenhóhle eine wichtige Rolle. Unter völ- liger Scheidung von Mundhöhle und Nasenhöhle bestehen Einrich- tungen, die den Luftweg gegen Aspiration von Nahrungsbestandtheilen schützen, ein ausgiebiges Kauen des Futters ohne Unterbrechung der Athmung ermöglichen und auch bei geöffnetem Mund die Nasenhöhle als Luftweg zu verwenden gestatten. In vielen Fällen, und zwar gerade bei primitiven Formen, können wir von einem Anschluss des Aditus laryngis an die Choanen sprechen. Der Kehlkopf liegt dicht hinter ihnen im Cavum pharyngo-nasale und wird hier vom Hinterrand des weichen Gaumens und den Plicae palato-pharyngeae eng umfasst gehalten. ! — Gelegentliche Beschäftigung mit diesen Dingen führten mich zu der Frage, ob sich bei den niederen Thierklassen nicht Einrichtungen naehweisen lassen, die einen Einblick in die Genese der eben skiz- zirten Verhältnisse gestatten. Diejenigen Formen, bei denen die Bildung des sekundären Gaumens erst im Beginn angetroffen wird, ‚versprechen vor Allem Aufschluss zu geben. Untersuchungen, die an Reptilien angestellt wurden, führten 312 E. Göppert nun in der That zu positiven Ergebnissen, über die in meiner 1901 erschienenen Veröffentlichung zum Theil berichtet wurde. Sie sollen im Folgenden unter Berücksichtigung der Amphibien vervollständigt und durch Ausdehnung der Schilderung auf die Vögel fortgeführt werden. Die ersten Anfänge eines sekundären Gaumens bieten, wie be- . kannt, bereits die Amphibien, und zwar im Wesentlichen gleichartig die Salamandrinen und die Anuren nach der Metamorphose (s. G. Born (1876] und vor Allem O. SEYDEL [1895]. Während noch bei ihren Larven und eben so bei den Perennibranchiaten und Dero- tremen die Apertura nasalis interna sich als einfache rundliche Öffnung am Mundhöhlendach darstellt, zieht sie sich bei dem metamorphosirten Thier lateralwärts in eine Rinne aus, die als Gaumenrinne bezeichnet wird. Den Boden dieser Rinne bildet der horizontal gestellte Gaumenfortsatz, der an der vorderen Umgrenzung der Apertura interna beginnt. Seine Stütze erhält er streckenweise durch den Processus palatinus des Vomer unter Mitbetheiligung des Maxillare und einer von der knorpeligen Nasenkapsel ausgehenden Knorpelzunge. Damit hat die innere Mündung der Nasenhöhle eine wesentliche Veränderung erfahren. Sie zeigt jetzt nicht mehr nach unten, son- dern caudalwarts und dient in dieser Richtung als Ein- und Aus- trittsöffnung für den Luftstrom. Der Gaumenfortsatz der Amphibien ist ganz offenbar keine Schutzeinrichtung für das Geruchsorgan gegen den Inhalt der Mund- hóhle. Er lässt ja die Apertura interna der Nasenhöhle weit offen. Vielmehr bildet er nach O. Seyper’s Darlegungen einen Leitungs- apparat für den die Nasenhöhle durchfließenden Luftstrom. Wenn wir daher die Besonderheiten des sekundären Gaumens der Am- phibien würdigen wollen, werden wir auf ihren a mus zurückzugehen haben. Während die Athmung der Reptilien in der Hauptsache, ‚die der Vögel und Säuger durchaus mittels eines Saugpumpenmechanismus erfolgt, beruht die Luftathmung der Amphibien bekanntlich auf einem Druckmechanismus, der im Wesentlichen übereinstimmt mit dem Me- chanismus bei der Kiemenathmung der Froschlarven (F. E. SCHULZE [1892] und E. Gaure [1896]). Es besteht sogenannte Sehluekathmung. r v “ T ^4 d ^ $ t EEE EN Ihr Ablauf ist besonders für den Frosch genau bekannt, sie spielt Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 313 sich aber auch bei den Salamandrinen im Wesentlichen gleich- artig abt. Die Athmungsbewegungen beginnen mit einer aktiven Erweite- rung der Mundhöhle durch Senkung des Mundhöhlenbodens, nament- lich in seinen hinteren Theilen. Durch diesen Vorgang wird eine größere Menge Luft durch die Nasenhöhle in die Mundhöhle einge- sogen (Aspiration). Nunmehr öffnet sich der bisher geschlossene Kehlkopfeingang, während sich gleichzeitig die äußeren Nasenöf- nungen schließen?. Die Luft der Lungen wird in die Mundhöhle entleert (Exspiration)?, deren Erweiterung dadurch passiv noch zu- nimmt. Unmittelbar darauf erfolgt die Inspiration, indem der ganze Mundboden mit dem weit geóffneten Kehlkopf energisch nach vorn gestoßen wird. Da gleichzeitig die äußeren Nasenöffnungen und das Maul geschlossen gehalten werden, kann die Luft aus der sich verengernden Mundhöhle nur gegen die Lungen zu ent- weichen, sie wird in die Trachea hineingepresst. Dabei hebt sich der Mundhöhlenboden über seine Ruhelage hinaus. Während des letzten Theils dieser Bewegung öffnen sich die Nares wieder. Ein Austritt der unter Druek stehenden Mundhóhlenluft durch die Nase wird aber nach S. BAGLIONI in der Art verhindert, dass die inneren Nasenóffnungen durch die sich vorwölbenden Fortsätze der vorderen Zungenbeinhórner verlegt werden‘. Indem nun wieder Schluss des 1 Wir folgen hier vor Allem E. GAuPP (1896) und SILV. BAGLIONI (1900). Bei ihnen sowie bei E. SIEFERT (1896) ist die Litteratur nachzusehen. 2 Wie E. GAUPP zeigte, erfolgt der Schluss der äußeren Nasenöffnungen bei den Fróschen dadurch, dass die kontrahirten Kaumuskeln und der Musculus = submentalis den Unterkiefer fest gegen den Oberkieferapparat anpressen und hiermit die Prümaxillaria heben. Letztere Bewegung übertrügt sich dann auf . die Nasenflügelknorpel. Bei den Salamandriden hat H. L. BRUNER (1896) be- sondere Muskeln als Schließer der Nares nachgewiesen. 3 Die Entleerung der Lungen erfolgt durch die Elasticitat der Lungen- = Sücke, dureh den intraabdominalen Druck und aktiv durch die Bauchmuskulatur und den Druck des durch die wichtigsten Aspiratoren, die Mm. sterno- und omohyoidei, zurückgezogenen Zungenbeins (0. LANGENDORFF, S. BAGLIONI, E. GAupp). Für die Inspiration nimmt PH. KNOLL (1858) außer der Presswirkung - der Mundhöhle noch eine Druckverminderung in der Leibeshóhle als Folge der — Vorwürtsbewegung des Kehlkopfes an. 7 4 Hierzu sei erwähnt, dass nach J. G. FISCHER (1864, pag. 511) auch bei _ Siredon und vielleicht auch den anderen wasserlebenden Urodelen der Ver- schluss der inneren Nasenöffnungen durch die unmittelbar unter denselben lie- _ genden Platten der Zungenbeinhörner bewirkt wird, indem dieselben durch den - Mylo-hyoideus anterior gehoben werden und sich dem Mundhöhlendach an- legen. 314 E. Göppert Aditus laryngis eintritt, während der Mundhóhlenboden zur Ruhelage - zurückkehrt, verbleibt die verschluckte Luft in den Lungen bis zur nächsten Exspiration. Es bestehen, wie N. WEDENSKI (1881) zuerst zeigte, Modifika- — tionen dieses Athmungstypus, die mit einander abwechseln können (vgl. hierzu Pa. KNOLL, 1888, pag. 109). Sie unterscheiden sich nach ihrem Effekt für die Füllung der Lungen und zwar beruht, nach S. BAGLIONI, ihre Verschiedenheit auf der verschiedenen Festigkeit des Abschlusses der Nares beim Heben des Mundhöhlenbodens. Völ- lige Dichte des Verschlusses der Nasenöffnungen bedingt starke Füllung der Lungen, indem jedes Mal die gesammte in die Mund- höhle aspirirte Luft mit der Luft der letzten Exspiration in die Lungen gelangt (einpumpende, besser [nach KNOLL] aufblähende Athmung), Offenbleiben der Nares hat eine theilweise Leerung der vorher stark gefüllten Lungen zur Folge, indem ein gewisses Quan- tum Luft bei der Inspirationsbewegung durch die Nase entweicht (entleerende Athmung). Endlich bewirkt eine mäßige Festigkeit des Schlusses der Nasenóffnungen, die eine geringe Luftmenge nach auBen treten lisst, dass etwa das gleiche Volum Luft in- und ex- spirirt wird (ventilirende Athmung). Während der Pausen zwischen den im Dienst der Lungenath- . mung stehenden Bewegungen finden andauernd rhythmische, soge- nannte oscillirende Kehlbewegungen statt, die einer fortgesetzten Erneuerung der Mundhóhlenluft dienen. Sie erfolgen bei geschlos- senem Kehlkopf, haben also keine direkte Bedeutung für die Lungen, wohl aber respiratorischen Werth, indem auch die Mundhóhlenschleim- haut dem Gasaustausch dient‘. Indirekt kommen aber auch sie der - Lungenathmung zu Gute, da durch ihre Vermittelung die der In- spiration zur Verfügung stehende Luft der Mundhöhle eine fortge- — setzte Erneuerung erfährt. Bei den lungenlosen Arten bestehen sie als einzige Athmungsbewegungen. Aus der obigen Schilderung ergiebt sich, dass, wenn der sekun- dáre Gaumen der Amphibien, wie oben angenommen, für die Bahn der Respirationsluft Bedeutung besitzt, er seine Funktion bei der Ex- und Inspiration nicht oder nur in geringfiigigem MaBstabe aus- | üben kann. Was letztere anlangt, so bleibt ja die Nasenhóhle bei ! Physiologisch erwiesen dureh A. Marcaccr (1894) und L. CAMERANO (1894), anatomisch durch den Nachweis von Blutgefäßen im Epithel durch F. MAURER (1897). S. hierüber A. OPPEL (1900). Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 315 —— der aufblähenden Athmung völlig verschlossen, und nur in geringem Grade dringt während der entleerenden und ventilirenden Athmung - Luft dureh die Choane. Ein größeres Luftquantum passirt die Cho- anen nur während der Aspiration und während der oseillirenden Kehlschwankungen. Hier scheint die Bedeutung der Gaumenfortsätze darin zu bestehen, das Offenbleiben der Verbindung zwischen Mund- und Nasenhöhle zu sichern, auch wenn der vordere Theil des Zun- genriickens dem Mundhöhlendach und damit der Gegend der Choane anliegt. Dabei bilden aber gleichzeitig Gaumenfortsatz und Gaumen- rinne einen Zuleitungsapparat zur sog. seitlichen Nasenrinne und dem dieser angeschlossenen JAcoBsoN'schen Organ (O. SEYDEL, 1895). Das Fehlen eines Gaumenfortsatzes vor der Metamorphose ist daraus verständlich, dass einerseits bei der Larve der inspiratorische Wasser- strom auch durch die offene Mundspalte, nicht nur durch die Nasen- höhle eindringt, andererseits die Zunge erst mit der Metamorphose ihre volle Ausbildung erlangt und dann erst den vorderen Abschnitt der Mundhöhle zum großen Theil ausfüllt. Wir gehen nunmehr zu den Reptilien über und beginnen unsere Darstellung mit Sphenodon unter Verweisung auf die genaue Schilde- rung, welche C. H. Buscu (1898) von dem Gaumendach dieses letzten Vertreters der Rhynchocephalen gegeben hat. Wie Fig. 1 (Taf. XII) zeigt, liegen im vorderen lateralen Theil des Mundhóhlendaches die Aperturae nasales internae (Ap.int) als langgestreckte breite Spalten. In ihrem Bereich entspringt von der lateralen Umgrenzung des Mundhóhlendaches jederseits eine hori- zontal in die Mundhóhle einspringende Platte, der Gaumenfortsatz (Gaumenblatt) (G.F), der vorn breiter, nach hinten verschmälert etwas caudal von der inneren Nasenöffnung ausläuft und dachartig einen Theil der Apertura nasalis interna überlagert. Der Grad der . Ausbildung der Gaumenfortsätze ist individuell verschieden. Sie be- herbergen in ihrem Inneren eine Platte von hyalinem Knorpel. Ihre Ahnliehkeit mit den Gaumenfalten der Salamandrinen und Anuren - ist gewiss nicht zu verkennen. Ob es sich hier wirklich um homo- - loge Bildungen handelt, möge dahingestellt bleiben. Von dem übrigen Relief des Mundhöhlendaches seien zwei me- — diane Erhebungen erwähnt. Die vordere im Bereich des Zwischen- .kiefers stellt den sogenannten Zwischenkieferknopf vor (Zw.K), die . hintere Erhebung liegt im Gebiet des Vomer zwischen den caudalen Morpholog. Jahrbuch. 31. 91 316 E. Göppert Theilen der Choanen (V). An ihr beginnt eine flache mediane Rinne, deren Begrenzung zwei niedrige, von den Pterygoiden gebildete Kanten darstellen. Sie führt zu einer tiefen Einsenkung, der Sphe- noidbucht (Sp.5), die in der Höhe der Mundwinkel liegt. Indem wir letzterer caudalwärts folgen, gelangen wir zwischen die Kau- muskelwülste (K. W). Lateral besteht an der Innenseite der Reihe der Palatinzähne (D.pal) eine höhere Faltenbildung, die Lippenfalte Buscn’s (L.F). Wir wollen sie als »Grenzleiste« des Choanengebietes bezeichnen. Dieht vor den Kaumuskelwülsten biegt sie medianwärts um und läuft an der lateralen Seite der Sphenoidbucht aus. Dieser hintere quere Theil der Grenzleiste (Lippenfalte) bildet die hintere Abgren- zung des Gaumengebietes. - Am Boden der Mundhöhle wird der Raum zwischen den Unter- kieferhälften von der großen Zunge eingenommen, die, vorn schmäler gestaltet, sich nach hinten verbreitert und mit zwei Ausläufern den Kehlkopf vorn und seitlich umfasst (s. G. Osawa, 1897 und A. GÜNTHER, * 1867) (vgl. pag. 319). Vergleicht man nun Mundhóhlenboden und Dach mit einander, so ergiebt sich, dass beim Schluss der Mundspalte der vordere Theil der Zunge sich den Gaumenfortsätzen (G.F) anlegt und den die letz- teren trennenden Zwischenraum überbrückt. Die Zungenspitze berührt dabei die Gegend des Zwischenkieferknopfes (Zw.X). Auf diese Weise ergänzt der Zungenrücken die verhältnismäßig unbedeutenden Gaumenfortsätze und bildet mit ihnen zusammen den Boden eines die inneren Nasenmündungen aufnehmenden Raumes, der bei voll- kommenerer ‘Ausbildung des sekundären Gaumens einen Ductus naso-pharyngeus vorstellen würde. Der in dieser Weise abgegrenzte Theil der primitiven Mundhöhle öffnet sich nur nach hinten gegen den in der Sphenoidbucht ruhenden, oralwärts gerichteten Aditus laryngis. Caudal von dem Bereich der Gaumenfortsätze liegen die Zungenränder den medialen Seiten der Grenzleisten (Lippenfalten) (S.F) an. Zwischen Zungenrücken und Mundhöhlendach bleibt Raum für den Ex- und Inspirationsstrom, und zwar wird der Haupttheil desselben die mediane gegen die Sphenoidbucht auslaufende Rinne durchstreichen. Liegt die Zunge also, wie es eben geschildert wurde, dem Gau- mengebiet an, so ist es auch bei klaffender Mundspalte ganz un- möglich, dass die Respirationsluft die Mundspalte passirt. Sie ist auf den Weg durch die Nasenhöhle angewiesen. Zunge und Gaumen- Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 317 bildungen (Gaumenfortsatz [G.F] und Grenzleisten [S.F] dienen ge- meinsam zur Begrenzung der Nasen-Kehlkopfbahn. | | Caudal vom Aditus laryngis schmiegen sich die hinteren queren Theile der Grenzleisten (S.F) der Kehlkopfwand an und würden einen sicheren Abschluss des als Luftweg dienenden Theils der Mundhóhle nach hinten zu bewirken kónnen, wenn ihr Anschluss auch während der respiratorischen Bewegungen bestehen bliebe, was nach unten mitzutheilenden Erfahrungen bei den Lacertiliern nicht sieher erscheint. Unter den übrigen Reptilien sind besonders die Lacertilier von Interesse, weil bei ihnen alle Stadien der Gaumenbildung vom ersten Anfang bis zur Vollendung vertreten sind (vgl. C. H. Busch). Trotz - der großen am Mundhöhlendach zwischen den einzelnen Abtheilungen bestehenden Verschiedenheiten ist es doch möglich, eine Reihe ge- meinsamer Züge darzustellen, wie es bereits in der eingehenden - Untersuchung dieser Verhältnisse von C. H. Busca (1898) geschehen ist (Figg. 2, 3, 6, 7, 9 Taf. XII und XIII). Bei der Mehrzahl der Arten bildet die Apertura nasalis interna einen langgestreckten Spalt am Mundhöhlendach (bei G.A), die Nasengaumenspalte, über deren Bereich der Binnenraum der Nasen- hóhle nur wenig naeh vorn und hinten hinausreicht. Unter Weiter- führung von Verhültnissen, die bereits bei den Amphibien angebahnt sind, ist in der ganzen Linge der Nasengaumenspalte, mit Ausnahme ihres eaudalen Endes, die Nasenhóhle in ein oberes und unteres Stoekwerk zerlegt, die nur hinten an der bezeichneten Stelle, dureh - die sogenannte innere Choane (J.CÀ), mit einander kommuniciren. Das obere Stockwerk nimmt die äußeren Nasenöffnungen auf, be- herbergt die Riechschleimhaut, dient also als Weg für den Luftstrom, der durch die innere Choane und den caudalen Theil der Nasen- gaumenspalte die Mundhöhle erreicht. Das untere Stockwerk, die Gaumenrinne (G.R), nimmt in ihrem vorderen Bereich das JACOBSON- “sche Organ (Jac) und den Thränennasengang auf. Sie kann zwi- schen innerer Choane und der Mündung des Jacopson’schen Organs zurückgebildet werden (vgl. hierzu G. Born [1878] und O. SEYDEL .[1899)). Zwischen den Nasengaumenspalten liegt vorn median ein breites, vom Vomer gestütztes Feld, das Mittelfeld des Gaumens oder Vomer- -polster (Buscu) (G.M) (Mittelplatte, Gaumenfeld, Vomerknopf). Seit- lich begrenzt die Spalte jederseits der Gaumenfortsatz (das Gaumen- blatt) (G.F) in verschiedener Größenentfaltung. In ihm liegen der 21* 318 E. Göppert Gaumenfortsatz des Maxillare und des Palatinum. Die Gaumenfort- sätze können nach hinten überleiten in die sogenannten Palato-ptery- goidkanten (P.pt.k) (Fig. 3), durch die mit diesem Namen gekenn- zeichneten Skelettheile bedingte Vorsprünge. Diese begrenzen eine am Mittelfeld des Gaumens beginnende Rinne, welche weiter caudal sich zur sogenannten Sphenoidbucht erweitert. Ähnliche Reliefver- hältnisse zeigte bereits Sphenodon, wenn auch in weniger ausge- prägter Form (Fig. 1 Taf. XII). Indem die Gaumenfortsätze und in ihrer Fortsetzung nach hinten die Palato-pterygoidkanten medianwärts in horizontaler Stellung aus- wachsen, vorn das Gaumenmittelfeld erreichen, caudal von ihm zu gegenseitiger Berührung vordringen, kommt ein vollkommener sekun- därer Gaumen zu Stande, ein vollkommener Abschluss eines Ductus naso-pharyngeus (Fig. 6) Zwischen Gaumenfortsatz und Palato- pterygoidkanten einerseits, der von Innen- und Außenlippe begleiteten Zahnreihe andererseits zieht noch eine von BuscH als Lippenfalte bezeichnete kantenartige Erhebung hin, die vor der Gegend der Gaumenrinne beginnt, an den Kaumuskelwülsten verstreicht (S.F). Wir bezeichnen sie als Grenzleiste, um einen Namen zu haben, der auch für eine analoge Bildung bei den Vögeln Verwerthung finden kann (Figg. 3, 6, 7, 9). So verschieden wie das Mundhöhlendach, verhalten sich auch die Zungen der Lacertilier, und es würde zu weit führen, näher auf diese Verhältnisse einzugehen. Die Verschiedenheit der Zungen hat bereits frühzeitig systematische Verwerthung gefunden, indem sie die Veranlassung der Abgrenzung der Fissi-, Crassi-, Brevilinguia wurde. Am hinteren Rand der Zunge liegt gewöhnlich der Kehlkopfeingang, und vielfach wird er durch hintere Ausläufer der Zunge seitlich um- fasst (Figg. 2, 3, 6, 9 Taf. XII und XIII). Die Papillen tragende Dorsal- fläche der Zunge ist der Sitz von Geschmacksknospen. Das Innere der Zunge beherbergt in seinen caudalen und ventralen Theilen das Vorderende des Processus entoglossus des Zungenbeins. Die Be- wegungen der Zunge als Ganzes werden dadurch sicherer, ohne dass die Bewegungsfreiheit litte. Eine reiche Muskulatur steht der Zunge zur Verfügung. Endlich enthált sie bei vielen Arten, wenigstens zum Theil in starker Entfaltung, Drüsen. Der Besitz einer Scheide für den hinteren Theil der Zunge zeichnet die Varaniden aust. Die Zunge dient, abgesehen von ihrer Eigenschaft als Träger 1 Über die Reptilienzunge und ihre Litteratur s. A. OPPEL. Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 319 des Geschmackssinnes und als Tastapparat zur Bewältigung der Nahrung und zu ihrer Beförderung gegen den Schlund hin. Eine Besonderheit bildet die dem Fang der Beute angepasste Chamäleon- zunge. Endlich aber steht sie in funktioneller Beziehung zu den Theilen des Mundhöhlendaches und betheiligt sich an der Abgren- zung eines Ductus naso-pharyngeus, wie ich bereits früher zeigte (1901) und an der Hand einzelner Beispiele nunmehr erläutern will. An erster Stelle sei ein Vertreter der Ascalaboten, Platydactylus guttatus untersucht (vgl. C. H. Buscu, G. Born und O. SEYDEL) (Fig. 2 — Taf. XII. Wir suchen zunächst die Nasengaumenspalten (G.R) auf und sehen, dass beide in ihrem vorderen Bereich durch ein breites Gaumenmittelfeld (G.M) (Vomerpolster) getrennt, seitlich von je einem . gut entwickelten Gaumenfortsatz (G.F) begrenzt werden. Letzterer zieht ein ganzes Stück noch über die Gegend der inneren Choane (J.Ch) hinaus caudalwärts. Die Ränder beider Gaumenfortsätze laufen dabei parallel zu einander und sind dorsalwärts umgeschlagen, Etwas caudal von der Mitte zwischen Mundspitze und Mundwinkel biegen die Gaumenfortsätze lateralwärts ab, nähern sich dem Mundrand,. laufen ihm eine Strecke parallel, um unter einer medianwärts ge- richteten Krümmung dicht vor dem Kaumuskelwulst (K.W) auszu- laufen. Nach Buscu handelt es sich bei den Geckonen um eine Vereinigung zwischen Gaumenfortsatz und Grenzleiste (Lippenfalte) (S. 1. c. pag. 480). Die Palato-pterygoidkanten (P.pt.k) sind stark - entwickelt und begrenzen eine hinten zu einer mächtigen Sphenoid- - bucht (SpA.B) erweiterte Rinne. In der Mitte ihres Verlaufes geht in sie eine stumpfe Kante über, die unter dem Gaumenfortsatz (G.F) - jeder Seite in der Gegend seines lateralen Abbiegens zum Vorschein kommt und dem Palatinum ihren Ursprung verdankt. Die gemeinsame Betrachtung von Mundhöhlendach und Boden (Fig. 2) ergiebt nun ohne Weiteres, dass der größere Vordertheil der - Zunge wie ein Deckel in den Raum zwischen die Gaumenfortsätze (G.F) hineinpasst. Wie Querschnitte (Textfig. 1 a und b) zeigen, - liegen die Zungenränder in den etwas gehöhlten und zum Theil . dorsalwürts umgeklappten Theilen des Gaumenblattes. Vorn schmiegt — sich der Zungenrücken dem Gaumenmittelfeld (Textfig. 1 a, G.M) innig an. So werden zunächst die Gaumenrinnen. (G.R) zwischen letzterem und den Gaumenfortsätzen (G.F) zu Kanälen abgeschlossen, die von der Mündung des JacoBson’schen Organs an eaudalwärts führen und . in einen unpaaren Raum (Textfig. 1 b, D.nas.-ph) überleiten, der links und rechts die hinteren Theile der Nasengaumenrinne sammt der 320 E. Göppert inneren Choane aufnimmt und dessen Boden lateral von den Gaumen- fortsätzen (G.F) in den mittleren Theilen von der Zunge (Ling) ge- bildet wird. So besteht durch die Ergänzung der Gaumenbildung seitens der Zunge ein Ductus naso-pharyngeus, der noch eine Strecke über die Choanen hinaus caudalwärts führt bis dieht vor die Stelle, wo die Palato-pterygoidkanten zur Begrenzung der Sphenoidbucht aus ein- ander weichen (s. Fig. 2). Hier verlassen die Gaumenfalten den Zungenrand und legen sich dem Mundboden seitlich von der Zunge an. Wir sehen also, dass im Be- Fig. 1 a. reich der Mündung der Nasen- Cav.nas höhle und ein Stück weit über die- selbe hinaus gegen den Kehlkopf hin durch Zusammenwirken von Zunge und Gaumenfortsätzen ein scharf abgegrenzter Luftweg zu Stande kommt. Es scheint nun wahrscheinlich, Fig. 1b. dass diese Bahn noch weiter nach hinten reicht, denn es ist ersicht- lich, dass die hinteren breiten C Zipfel der Zunge und Wulstbil- EN dungen, die jene caudalwärts fort- P setzen (Fig. 2), genau den Palato- ey a, bterygoidkanten (Pt) entspre- us chen und ihnen anliegen. Wenn damit auch kein hermetischer Ab- derkopf a vor, D hinter der inneren Coa, SOhluss des Luftweges gegen die Bezeichnungen s. am Schluss der Arbeit. übrigen Theile der Mundhöhle ge- leistet werden kann, so ist doch anzunehmen, dass in der Hauptsache die Luftbahn von dem die inneren Choanen aufnehmenden Raum median gegen die Sphenoid- bucht und den daselbst lagernden Larynx bezw. umgekehrt führt. Vollkommenere Einrichtungen liegen bei den Lacertiden vort. Die Übereinstimmung in der Gestaltung des Mundhöhlendaches und der Zunge ist auf Fig. 3 Taf. XII, wie ich denke, ersichtlich. Das Dach ! Die Frage nach den Beziehungen der verschiedenen Zustände des La- certiliergaumens zu einander liegt unserem Thema fern. Sie ist durch BuscH eingehend erörtert. Über den Gaumen von Lacerta s. außer Buson M. HOLL (1887) und C. Voigt und E. Yung (1889—94). $ "s D VW. Die Bedeutung der Zunge fiir den sekundären Gaumen etc. 321 sieht fast wie ein Abdruck der vorn zweispitzigen, hinten verbrei- terten und in zwei Zipfel seitlich vom Kehlkopf auslaufenden Zunge - (Ling) aus. Man bemerkt an ihm median das breite Mittelfeld (G.M), von dem aus nach vorn die sogenannte Vomerleiste verläuft. Etwas lateral von Vomerleiste und Mittelfeld zieht die Nasengaumenspalte bezw. Gaumenrinne (G.A) hin, die an ihrem hinteren Ende in der Hóhe des vorderen Theiles des Mittelfeldes sich verbreitert und die innere Choane (J.Ch) aufnimmt. Die laterale Abgrenzung der Gaumenspalte bildet der schmale Gaumenfortsatz (G.F), dessen freier Rand mit dem anderseitigen zunächst nach hinten zu divergirt, caudal vom Bereich des Mittel- — feldes aber konvergirt und überleitet auf die Unterfläche des hinteren Theils der mit den Pterygoidzäbnen besetzten Palato-pterygoidkante (P.pt.k). Lateral von jedem Gaumen- fortsatz zieht die Grenzleiste des Cho- Fig. 2. anengebietes, die Lippenfalte Buscu's ERCENDNE S. (S.F), hin als eine schmale, in ihrem AERA un ZEN eaudalen Bereich stark emporragende | III: Aga cow Erhebung der Schleimhaut. EN v^ a Die beiden Grenzleisten (S.F) | * C etu G.R entsprechen genau den Seitenkon- MRE : pe G.F touren der Zunge und berühren diese E i ^ AN bei geschlossener Mundspalte (Fig. 5 b 5 z Taf. XII). Die oralen Theile der 957 Ne deg: Zunge liegen dem Munddach medial ' H Ling und lateral von beiden Gaumenrin- Zacerta viridis. Querschnitt durch den . Vorderkopf, unmittelbar caudal von der nen unmittelbar an. In der Gegend inneren Choane. 2/1. Bez. s. Erklärung der inneren Choanen (J.CA) und des aur conde Se Gaumenmittelfeldes (G.M) stützt sich die Zunge median gegen dieses, lateral gegen den Gaumenfortsatz (G.F) (Textfig. 2); auch weiter caudal schmiegt sie sich den Gaumen- fortsätzen (Fig. 5 Taf. XII) endlich den caudalen Theilen der Palato- pterygoidkanten (P.pt.k) (Fig. 4 Taf. XII) an, und erreicht dabei lateral noch die Grenzfalten (S.F). Auf diese Weise wird durch Vermittelung der Zühige ein wahrer Ductus naso-pharyngeus abgegrenzt, der vorn zur Seite des Mittel- feldes paarig beginnt (Textfig. 2), hier von vorn her die zu Kanälen abgeschlossenen Gaumenrinnen aufnimmt, die seine Verbindung mit — dem Jacogson’schen Organ vermitteln. Jenseits des Gaumenmittel- feldes fließen beide Räume zusammen (Fig. 5 Taf. XII D.xas.-ph) und 322 E. Göppert führen nach hinten zur Sphenoidbucht, in welcher der Kehlkopf lagert. Wie Fig. 4 Taf. XU zeigt, liegt derselbe in einem weiten Hohlraum, der von rechts und links durch die Kaumuskelwülste verschmälert wird, caudalwärts sich verengt und damit in den Ösophagus (Oes) überleitet. Dieser Hohlraum führt hinter den Muskelwülsten an die Innenfläche des Trommelfells. Er hat bei ge- schlossenem Maul allein Verbindung mit der Nasenhöhle und durch sie mit der Außenwelt, gegen die seitlichen und vorderen Theile der Mundhöhle ist er völlig abgeschlossen. Eine geringe Hebung von Mundboden sammt Zunge ge- » "4 IR MN SERI : Yon y (35) 2 NS s Je- P Fig. 3. D.nas.-ph I ae Í 7 nügt, um auch bei abducirtem Unterkiefer diesen Abschluss aufrecht zu erhalten. Ähnliche, nur im Einzelnen | I ae "7 etwas abweichende Einriehtun- \ N - d a S EN is gen fand ich bei einem Agamiden, em i = = Se 1 bei Bronchocele jubata. Auch NS | © 2 -- LE hier ist das Gebiet des Mund- EDA E \ A KT daches, dem die Zunge bei ge- WE pA schlossenem Maul anliegt, um- NS randet durch die Grenzfalten, | welche rahmenartig die Zunge umfassen. In dem dureh sie abgegrenzten Feld sieht man zu beiden Seiten des Mittel- feldes die Nasengaumenspalten, seitlieh begrenzt durch die Gau- menfortsätze. Diese werden nach hinten von den parallel zu einander gegen die Sphenoidbucht ziehen- den Palato-pterygoidkanten fortgesetzt. Es besteht also am Munddach eine vorn gabelig das Mittelfeld umfassende, hinten unpaare tiefe Furche, und dieser Sulcus naso-pharyngeus wird durch die seinen Rändern anliegende Zunge zum Duetus naso-pharyngeus abgeschlossen (Textfig. 3 D.nas.-ph). Einen Theil ihrer Bedeutung für den Luftweg verliert die Zunge mit der Vervollständigung des sekundären Gaumens, wie sie bei ge- wissen Scinciden eingetreten ist. Ich bringe eine Abbildung von Gaumen und Zunge von Euprepis sebae und verweise auf die Dar- stellung des Scincidengaumens bei C. H. Busch. Fig. 6 (Taf. XII) zeigt, dass bei unserer Form ein vollkommener Bronchocele jubata. Querschnitt durch den Kopf ein Stück hinter den Choanen. Von der Zunge und den Palato-pterygoidkanten (P.pt.-k) wird der Ductus naso-pharyngeus abgegrenzt (D.nas.-ph). Bez. s. am Schluss der Arbeit. Die Bedeutung der Zunge fiir den sekundiiren Gaumen ete. 323 Gaumen besteht, der den Ductus naso-pharyngeus ventral abgrenzt (Pal). Eine Vergleichung mit den vorher besprochenen Zuständen lehrt, dass die dort als Gaumenanfänge funktionirenden Gaumenfort- sätze und Palato-pterygoidkanten hier eine erhebliche Verbreiterung erfahren haben. Ihnen liegen knöcherne Gaumenfortsätze der Ma- xillaria und Palatina zu Grunde. Die hintere Mündung des Ductus naso-pharyngeus, die (sekundäre) Choane (C/), umrahmen die Ptery- goide. Eine Verschmelzung der Komponenten des sekundären Gau- mens in der Medianebene resp. in der Umrandung des Gaumenmittel- feldes (G.M) ist, wie die Figur zeigt, nicht erfolgt, der Abschluss ist aber trotzdem ein sehr fester. Unsere Figur lässt aber ferner bei der Vergleichung ihrer bei- den Seiten die Beziehungen zwischen Zunge und sekundärem Gaumen erkennen. Die Zunge liegt bei geschlossenem Maul dem Gaumen an und wird von der auch hier deutlich entwickelten Grenzleiste (Lippenfalte) (S.F) unmittelbar umgeben, dem hinteren Rand des Gau- mens entspricht genau der hintere Zungenrand, den seitlichen Rändern der Choane folgen die beiden hinteren Zungenzipfel. Diese reichen bis an den Kehlkopf heran, der in die Sphenoidbucht (SpA.B) ein- gelassen ist. Durch diese Lagebeziehungen zwischen Mundhöhlenboden und -dach ist der Kehlkopfeingang fest der Choane angeschlossen. Es ist aber auch ersichtlich, dass selbst bei weit geöffnetem Maul dieser Anschluss des Larynx durch eine ganz unbedeutende Hebung der Zunge erhalten bleiben muss. Die erheblichen Verschiedenheiten, die in der Gestaltung des Mundhöhlendaches zwischen den Lacertiliern bestehen, müssen Ver- schiedenheiten in der Art der Abgrenzung des Luftweges entsprechen. Es wird aber für die Darstellung des prineipiell Wichtigen ge- nügen, wenn wir nur noch einige wenige weitere Beispiele heraus- greifen. Zunächst beschäftigen wir uns mit dem zu den Teiidae ge- — hórigen Cnemidophorus. Sein Mundhóhlendach stimmt mit dem der . von BuscH geschilderten Ameiva vulgaris überein, so dass wir nur das für uns Wesentliche zu erwühnen brauchen (Fig. 7 Taf. XIII). . Die Gegend der Nasengaumenspalte wird jederseits durch die Grenzleiste (Lippenfalte) (S.F) abgegrenzt. Beide Leisten laufen annühernd parallel zu einander bis in die Gegend des Mundwinkels und biegen hier, auf die Kaumuskelwiilste (A.W) zu laufend, lateral- 324 E. Göppert wärts ab. Das von ihnen eingefasste Gebiet ist entsprechend der schlanken Gestalt der Schnauze ziemlich schmal. Die Gaumenrinne ist caudal von der Mündung des JAcopson’schen Organs (Jac) auf eine Strecke unterbrochen. Im Bereich dieser Strecke fehlt auch die Grenzleiste (Lippenfalte). Lateral vom JAcoBson’schen Organ wird sie wieder durch eine stärkere Wulstbildung repräsentirt. Median springt die Vomerleiste (V.Z) vor, die sich nach hinten zum Mittelfeld (Vomerpolster) (G.M) verbreitert. Letzteres ver- schmälert sich weiter caudal und läuft in der zur Sphenoidbucht (Sph.B) führenden Rinne zwischen den Palato-pterygoidkanten (P.pt.%) aus. Vom Mittelfeld (G.M) ist nur der mediane Theil sichtbar, da von der Lippenfalte (S.F) her die dünnen Gaumenfortsätze (G.F) sich ihm auflagern. Diese überdecken also den hinteren erhalten ge- bliebenen Theil der Gaumenrinne. i Dem ganzen vorderen Theile des Mundhöhlendaches, den Gaumen- fortsitzen und dem Mittelfeld liegt die Zunge bei geschlossenem Mund an. Caudal von dem Bereich der Gaumenfortsätze (G.F) passt die Zunge ganz genau in den Raum zwischen den Grenzleisten (Lippen- falten) (S.F) hinein (Fig. 8 Taf. XII) und bildet den Boden für einen seitlich völlig abgeschlossenen Ductus naso-pharyngeus (D.nas.-ph), der durch die caudale Verlängerung des Mittelfeldes eine mediane Scheidewand besitzt und bis in die Gegend der Mundwinkel reicht. Der Zungenrücken ersetzt hier einen sekundären Gaumen in der Fort- setzung der auf den vorderen Mundhöhlenbereich beschränkten Gaumen- fortsätze. Die hinteren Theile der Lippenfalte verlassen die Zunge und liegen seitwärts von ihr Wulstungen des Mundbodens an, dienen also auch damit noch zur Absperrung des Luftweges gegen die Mund- spalte. Dass weiter caudal die Rinne zwischen den Palato-pterygoid- kanten (P.pt.k) durch die Zunge zu einem Kanal abgedeckt als Fortführung des Luftweges dient, scheint sehr wahrscheinlich. Wiederum andere Verhältnisse zeigt Amphisbaena (Fig. 9 Taf. XII) (s. Busch). Bei dieser Form sind die Gaumenfortsätze (G.F) ähnlich wie bei Cnemidophorus derart verbreitert, dass sie das Mittelfeld (Vomerpolster) (G.M) erreichen, sie grenzen damit eine sekundäre Nasenhöhle ab, deren hintere Mündung etwas caudal vom Mund- winkel ihre Lage hat (Ch). Die Gegend des Mittelfeldes und der Gaumenfortsätze bilden ein etwas vertieftes Feld am Mundhóhlendach, das seitlich von den Grenzleisten (Lippenfalten) (S.F) scharf begrenzt wird. Bei geschlossenem Maul wird dasselbe ganz von der Zunge Die Bedeutung der Zunge fiir den sekundären Gaumen etc, 325 eingenommen, die den Munddachtheilen innig anliegt. Ihren Rändern folgen zur Seite der Gaumenfortsätze (G.F) die Grenzleisten (Lippen- falten) (S.F). Zwischen die beiden vorderen Zungenspitzen legt sich die scharfe Vomerleiste (V.L) ein. Den Einsenkungen (a’) zu beiden Seiten dieser Leiste entsprechen genau zwei knopfartige Verdickungen, die die Zungenspitzen zwischen sieh fassen (a). Caudal von den Choanen (CA) sieht man am Munddach eine breite flache Rinne entlang ziehen, die zu dem Raum zwischen den Kaumuskeln führt. An ihrer Begrenzung erhebt sich eine kleine warzenförmige Bildung (b). Einen Boden für diese Rinne liefert die Zunge. So besteht also hier ein Kanal, an dessen hinterem Ende, seitlich begrenzt dureh die hinteren Zungenzipfel, der Larynx liegt. Jenseits desselben beginnt der Osophagus, dessen Lumen durch die starken Längswülste seiner Schleimhaut geschlossen ist. Aus der Darstellung geht hervor, dass durch die Einpassung der Zunge in das Relief des Mundhóhlendaches der Weg für die In- und Exspirationsluft auf das genaueste bestimmt und von der übrigen Mund- höhle völlig abgegrenzt ist. Dies wird auch der Fall sein können - bei nieht fest verschlossener Mundspalte. Bedenken gegen die Richtigkeit des hier vertretenen Gedankens, dass die Gaumenanfänge einer Ergänzung durch den Mundboden be- dürfen, kónnten sich mit Rücksieht auf diejenigen Formen einstellen, bei denen eine lange wurmförmige in eine Scheide zurückziehbare Zunge besteht, die Varaniden (Thecaglossa), deren Zunge offenbar nicht geeignet ist als Gaumenabschluss zu funktioniren. Es zeigt sich in der That, dass die Zunge diese Rolle abgegeben hat, dass aber doch der Luftweg innerhalb der Mundhöhle durch den Zu- sammenschluss der gut entwickelten Grenzleisten (Lippenfalten) mit seitlich die Zunge begleitenden Wulstbildungen des Mundhöhlenbodens abgeschlossen wird (s. meine Abhandlung 1901). Dass auch bei Chamaeleo der mediane Defekt in der Gaumenbildung durch den Zungenrücken gedeckt wird, trotz der speciellen Ausgestaltung der Zunge, ist gleichfalls (1901) von mir gezeigt worden. -In den übrigen Abtheilungen der Reptilien besteht allgemein ein ausgebildeter sekundärer Gaumen, aber auch bei ihnen treten uns eine Anzahl für unsere Fragen beachtenswerthe Verhältnisse ent- gegen (s. meine Abhandlung 1901). Bei den Ophidiern! liegt bekanntlich die Mündung des Kehlkopfes 1 Über die Gaumenbildung der Schlangen s. G. Born (1883) u. O, SEYDEL (1899). 326 E. Göppert unmittelbar an den Choanen (Textfigg. 4 und 5). Der freie Rand des sekundären Gaumens (Pal) liegt dem Mundboden vor dem Aditus laryngis (Zar) dicht auf, und es scheint, dass die sogenannten Epi- glottisbildungen der Schlan- Fig. 4. gen dazu dienen, diesen An- pert ovd schluss zu unterstützen. Ferner pu ge od: schmiegt sich die ganze Um- Fes ESS gebung des Kehlkopfeingan- ges dem Mundhöhlendach unmittelbar an. Diese An- lagerung wird bei manchen Formen noch dadurch unter- stützt, dass vom freien Rand i i des Gaumens Schleimhaut- Tropidonotus natrix. Medianschnitt durch den Kopf. s 2 K 2/1. Erklärung der Bez. s. am Schluss der Arbeit. falten nach hinten ziehen, die den Bereich umgrenzen, wel- Fig. 5. chen der Kehlkopf am Mund- höhlendach in Anspruch nimmt und sich ihrerseits ihm anschmie- gen (Pl). Sie laufen caudal am Munddach aus. So kann die In- spirationsluft ganz unmittelbar aus den Choanen in den Aditus laryngis, die Exspirationsluft aus dem Kehlkopf in die Choane ein- treten!. Die für den Luftweg funk- tionell so wichtigen direkten Beziehungen zwischen Gaumen und Mundboden (Zunge) bestehen, so weit ich sehe, auch bei den Chelomern und führen hier bei Testudo zu einer besonderen Python tigris. Dach der Mundhöhle. 1/1. Er- Ausgestaltung des Gaumens, die klärung der Bez. s. am Schluss der Arbeit. erst durch die Berücksichtigung der Zunge in ihrer Bedeutung verständlich wird (Textfigg. 6 und 7). Sept Ling Lar 1 Die Anlagerung des. Kehlkopfes an das zu seiner Aufnahme etwas ver- tiefte Mundhöhlendach caudal von den Choanen ist auch bei L. KATHARINER (1900) erwähnt, Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 327 Die Choanen laufen bei Testudo graeca! zu beiden Seiten eines medianen Wulstes als Rinnen am Mundhöhlendach aus (Ch). Die laterale Begrenzung beider Rinnen wird von einer Fortsetzung des sekundären Gaumens, des Bodens der beiden Ductus naso-pharyngei gebildet. Die Choanen und ihre Umgebung liegen im Grunde einer rhombisch gestalteten Grube, die von einem starken Schleimhaut- wulst (S.F) umrandet ist. Wir unterscheiden an ihr eine vordere und zwei seitliche Ecken. Caudal- warts fehlt der Abschluss, indem der Begrenzungswulst (S.F) rechts und links von der Medianebene am Mundhóhlendach ausláuft. Der ganze vordere Theil der Grube wird bei geschlossenem Maul von der Zunge völlig ausgefüllt (Text- figur 7a). Im Bereich der Choanen "^" pror Musee. ha Bor fällt der Zungenrücken caudal- wärts etwas ab und zwischen ihm und dem Mundhöhlendach besteht ein die Choanen (Ch) aufnehmender Raum (Textfig. 7 4), in den etwas hinter der Choane auch der Kehlkopf ausmündet (Textfig. 7 e). Dieser Raum ist, abgesehen von seiner Kommunikation mit der Nasenhöhle und dem Kehlkopf, allseitig abgeschlossen; vorn durch die Anlage- rung der Zunge an das Gaumendach, seitlich durch den Begrenzungs- wulst des Choanenfeldes (S.F), der sich in den Zungenriicken ein- drückt, caudal durch die Berührung zwischen dorsaler und ventraler Pharynxwand. So bildet also die Zunge den Boden eines kurzen Ganges, der die Verbindung des Aditus laryngis mit der Choane vermittelt, einer Fortsetzung der Ductus naso-pharyngei. Was endlich die Krokodile betrifft, so ist die ungemein voll- kommene Ausstattung des Gaumens, das Bestehen eines weichen aller- dings nicht muskulösen Gaumens und der Kehlkopf-Choanenanschluss schon längst genau bekannt (Textfig. 8). Eine gute Darstellung bringt bereits G. CUVIER, von anderen Autoren nenne ich MILNE-EDWARDS, H. RATHKE, aus jüngster Zeit M. VoELTZKOW (1899). Die Choane der Krokodile liegt weit hinten. Es besteht also ein 1 Über die Nasenhóhle und den Gaumen der Schildkröten s. O. SEYDEL. 328 E. Göppert langer Ductus naso-pharyngeus, an dessen Boden sogar noch die Ptery- Fig. 7 a. aul D.nas.-phar ee S H Lar Cr Testudo graeca. Querschnitte durch den Kopf. 1,5/4. a vor den Choanen, b durch die Choanen, c hinter den Choanen. Siehe die Buchstaben auf der linken Seite von Textfig. 6. Bez. s. am Schluss der Arbeit. dung des Gaumens bei den Reptilien kennen gelernt. goide Theil haben. Vor der Choane senkt sieh wie ein kurzer Vorhang der weiche Gaumen herab (Palm) Der Abschluss des Raumes, der den Kehlkopf aufnimmt und in den die Choanen münden, wird da- durch erzielt, dass die vordere resp. ventrale Fläche des wei- chen Gaumens sich einem Wulst anschmiegt, der den Kehlkopf von vorn her umrahmt und der dureh den vorderen Theil des breiten Zungenbeinkörpers (H) aufgeworfen wird. Selbst bei seöffnetem Rachen kann der Abschluss des Pharynx bei- behalten bleiben, ohne dass be- sondere Bewegungen ausge- führt werden. Es ist ersichtlich, welche Bedeutung gerade für die Kro- kodile diese Einrichtung be- sitzt. Sie ermöglicht den Thie- ren, ihre Beute unter Wasser zu fangen, ohne dass sich mit der Mundhöhle auch der Pha- rynx mit Wasser füllt. Die Athmung kann ferner ohne Gefahr einer Aspiration von Wasser vor sich gehen, wenn die Thiere an der Wasserober- fläche liegen und nur die Na- senöffnungen über den Wasser- spiegel erheben. Damit haben wir bei den Krokodilen die höchste Stufe in der Ausbil- Aber auch hier betheiligt sich noch der Mundboden an dem sichernden Ab- Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 329 sehluss des zwischen Choane und Kehlkopf gelegenen Theils der Luftbahn. Schon oben machten wir kurz auf den Unterschied in der Re- spiration der Amphi- bien und Reptilien auf- Fig. 8. merksam und müssen, Ch L um die Bedeutung der p o Einriehtungen bei den RER fone E letzteren ganz zu ver- REN h WEN XD stehen, noch den Ath- mungsmechanismus der Reptilien in Be- | trácht ziehen. Aber . ae: auch desswegen ist dies iey ETE Te E o a e Klare sa der Mehrzahl der Rep- stige Bez. s. am Schluss der Arbeit. tilien, Bewegungen der Kehlkopfregion die Athembewegungen begleiten, welche die Richtig- keit unserer Vorstellung von den Beziehungen zwischen Mundhöhlen- boden und Mundhöhlendach in Frage stellen lassen. Zum Unterschied gegenüber den Amphibien kommt den Reptilien die Fähigkeit zu, durch Erweiterung des Thorax Luft in die Lungen zu saugen, sie besitzen den Saugpumpenmechanismus der Respiration. Ob letzterer wirklich von vorn herein den Amphibien abging und erst eine Erwerbung auf höherer Stufe darstellt, wird jedoch in Zweifel gezogen werden können. Bieten doch die Rippen der heutigen Am- phibien Zeichen einer Rückbildung, auf welche dann wohl auch der Ver- lust von respiratorischen Rippenbewegungen bezogen werden könnte!. Der Saugpumpenmechanismus der Athmung ist bei Sauriern, Ophidiern und Krokodilen leicht zu beobachten und als Effekt von Thoraxbewegungen verständlich. Er besteht aber auch bei den Schildkröten, indem hier Bewegungen des Schulter- und Becken- . gürtels die Erweiterung und Verengerung der Leibeshóhle bewirken - (vgl. E. SIEFERT, 1896, auch für die Litteratur). — - In seinen bekannten Leçons sur la physiologie comparée de la respiration (1870) führte nun PAuL BERT eine scharfe Unterscheidung zwischen der Respiration der Amphibien und Amnioten dureh, aber 1 Pal.m H Lar Tr 1 Über die Rippenriickbildung vgl. meine Abhandlung in der Festschrift für CARL GEGENBAUR. 330 E. Göppert bald zeigte C. HEINEMANN (1877), dass BERT hierin zu weit ging, dass auch die Lacertilier im Stande sind, durch einen Schluckakt Luft in die Lungen zu befördern. Diese Beobachtung wurde von E. SIEFERT (1896) für die Saurier bestätigt und auch auf die Schild- kröten (speciell Emys europaea) ausgedehnt. Während aber HEINE- MANN einen Wechsel zwischen Schluck- und Thoraxathmung annahm, lehrte SIEFERT, dass die Schluckathmung sich nur unter abnormen Verhältnissen einstellt. Als auslösendes Moment erkannte er die Dyspnoe. Nur beim Chamäleon giebt er an, dass beide Athemtypen unter einander und abwechselnd auftreten. Bei Schlangen und Kro- kodilen kam bisher nur Rippenrespiration zur Beobachtung. Bei der Schluckathmung wird der Mundhöhlenboden mit dem Kehlkopf maximal nach rückwärts gezogen. Die Rachenhöhle wird dadurch erweitert und Luft eingesogen. Darauf wird der sich öffnende Kehlkopf mit seiner Umgebung rasch nach vorn gestoßen und auf diese Weise Luft in erheblicher Menge in die Trachea und die Lunge gepresst und durch Schluss des Aditus laryngis hier ab- gesperrt!. Der Mechanismus ist also der gleiche wie bei den Am- phibien und sein Besitz stellt offenbar ein altes Erbstück vor. Da außerdem, wie gesagt, die Schluckathmung bei den Reptilien nur einen ausnahmsweise auftretenden Vorgang darstellt, werden die Besonderheiten, welche den Reptiliengaumen von dem der Amphibien unterscheiden, mit ihr nicht in Beziehung stehen können. Für unsere Fragen von besonderem Interesse sind die Thorax- athmung und die Bewegungen, die sich synchron mit dieser am Kehl- kopf und seiner Umgebung abspielen. Sie wurden gleichfalls von HEINEMANN (1877) beschrieben und sind bei Lacertiliern und Kro- kodilen leicht zu beobachten, kommen aber auch den Schildkröten und in besonderer Ablaufsweise den Schlangen zu (E. SIEFERT). Gleichartige Kehlbewegungen füllen, wenigstens bei Lacertiliern, die Pausen zwischen den einzelnen Respirationen aus. Eigenartige und nicht hierher gehörige Bewegungen im Kehlbereich treten im Auf- regungszustande bei manchen Sauriern in Erscheinung. Wie SrEFERT (1896) in seiner werthvollen Untersuchung der Respiration der Sauropsiden zuerst im Einzelnen klar legte, spielen sich die in Frage stehenden Kehlbewegungen in innigster Ver- knüpfung mit den respiratorischen Thoraxbewegungen ab, deren 1 Über die Einrichtungen zum Abschluss der äußeren Nasenöffnung s. bei 2 H. L. BRUNER (1897). — T-——MTH— m 2 \ ee | 2 ce en eit re Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 331 Deutung von demselben Autor zuerst richtig gestellt wurde. Es handelt sich bei den letzteren um Bewegungen des Thorax um seine elastische Gleichgewichtslage, um die Kadaverstellung im Sinne der Verengerung und Erweiterung. Eben so handelt es sich bei den Kehlbewegungen um doppelsinnige Bewegungen der Kehlkopfgegend um ihre Gleichgewichtsstellung. Was nun die Thoraxbewegungen anlangt, so erfolgt die Athem- pause anders wie Bert und HEINEMANN annahmen in der Gleich- gewichtsstellung. Von ihr aus erfolgt zunächst eine aktive Exspiration. Unmittelbar daran schließt sich unter Erschlaffung der vorher in Anspruch genommenen Muskulatur die Rückkehr zur Ruhelage (pas- sive Inspiration) und sofort über dieselbe hinaus die aktive Erweite- rung des Thorax (aktive Inspiration). An diese schließt sich wiederum unmittelbar die Rückkehr zur Gleichgewichtsstellung (passive Exspira- tion), und darauf die Athmungspause. Im Wesentlichen erfolgen die respiratorischen Bewegungen bei allen Reptilien gleichartig. Gleichzeitig mit der aktiven Exspiration beginnen (bei Lacer- tiliern und Cheloniern) die Kehlbewegungen, indem der Kehlkopf aus seiner Ruhelage nach vorn geschoben wird. Synchron mit der passiven Inspiration gleitet er in diese zurück, um während der aktiven Inspiration sich stark nach rückwärts zu bewegen. Mit der passiven Exspiration wird der Kehlkopf dann wieder in die Ruhe- stellung zurückgeführt, die ganzen Bewegungen werden bei geöffne- tem Kehlkopfeingang vollzogen, der sich nach ihrem Ablauf schließt. Offenbar haben die Bewegungen die Bedeutung, während der In- Spiration die Saugwirkung des Thorax durch Erweiterung der Rachen- hóhle zu unterstützen, bei der Exspiration die AusstoBung der Luft zu befördern. Möglich sind sie bei der Weite des Rachenraumes der Reptilien (s. Fig. 4 Taf. XII). Von besonderer Wichtigkeit ist nun für uns, dass diese Kehl- bewegungen die Zunge nicht tangiren. Die Zunge bewegt sich in ihrem weitaus größten Theil nicht mit; nur ihre hinterste Partie wird passiv mit bewegt. Die Kehlschwankungen sind also nicht in der Lage, den Anschluss der Zunge an die Gaumentheile und den hierdurch bedingten Abschluss des Ductus naso-pharyngeus zu = stören. Unmittelbar beobachten konnte ich diese Thatsache bei einem jungen lebenden Alligator. Blickte man in den geöffneten Rachen - des Thieres, so sah man deutlich, dass durch die Kehlschwankungen Morpholog. Jahrbuch. 51. 39 332 E. Göppert während der Respiration zwar der Zungengrund Bewegungen zeigte, aber der innige Anschluss desselben an das Velum palatinum da- durch nieht aufgehoben wurde. Auch bei den Schlangen, bei denen äußerlich Kehlschwankungen nicht beobachtet werden können, wies SIEFERT Keblkopfbewegungen nach von allerdings etwas anderem Ablauf als bei den übrigen Ord- nungen. Der geöffnete Larynx wird beim Einsetzen der aktiven Exspiration stark nach rückwärts gezogen und hier festgehalten bis zum Ende der aktiven Inspiration; dann kehrt er eben so wie der Thorax in seine Ruhestellung zurück und schließt sich gleichzeitig. Es fehlt also eine Vorwärtsbewegung, es fehlen Volumschwankungen der Rachenhöhle. Leider findet sich in der SIEFERT’schen Arbeit keine Bemerkung, die die Lage des Aditus laryngis zur Choane er- ;üutert. Wir sehen, dass die Untersuchung des todten Thieres eine sehr innige Aneinanderlagerung beider Theile zeigt. Der Larynx schmiegt sich fest der Choane und ihrer Umgebung an, besondere Schleimhautfalten am Pharynxdach unterstützen die Innigkeit dieser Lagebeziehung. Es scheint mir nun nicht wahrscheinlich, dass wäh- rend der respiratorischen Bewegungen diese Lagerung aufgehoben wird, sondern dass vielmehr die Kontraktion der Muskeln den Kehl- kopf in die Lage hinter die Choane zieht und hier festhält, bis die Athmung abgelaufen ist. Wir überblicken jetzt noch einmal die bei den Reptilien ge- machten Beobachtungen. Die Betrachtung Sphenodons und der La- certilier lehrt zunächst, was aus O. SeYpDEr’s Darlegungen schon klar hervorgeht, dass der Schutz der Nasenhöhle nicht die Veranlassung zur Bildung eines sekundären Gaumens gegeben haben kann. Einer- seits besteht wenigstens bei den Lacertiliern durch den Abschluss der Gaumenrinne gegen den Hauptraum der Nasenhöhle schon eine Garantie gegen Eindringen von Mundhöhlenbestandtheilen in die letztere. Zweitens sind die ersten phylogenetischen Anfänge des sekundären Gaumens gar nicht in der Lage, die Gegend der inneren Choane schützend zu überdecken. Erst auf einer höheren Ausbil- dungsstufe des Gaumens stellt sich als ein allerdings wichtiges Nebenresultat die Behütung der inneren Theile der Nasenhöhle und des Ductus naso-pharyngeus gegen aus der Mundhöhle stammende Fremdkörper ein. Zu einer richtigen Beurtheilung der Gaumenanfänge gelangt man erst, wenn man sich darüber klar ist, dass das Dach der Mundhöhle und ihr Boden sammt der Zunge in engster Beziehung zu einander rin: i mpc E E "E +" C. A BT oder nun $ 1 2 Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen etc. 333 - stehen t. Die ersten Anfänge des sekundären Gaumens bei den Rep- - tilien sind auf die Ergänzung durch die Zunge angewiesen. Indem sich der Zungenrücken den Leisten und Kanten des Mundhöhlen- _ daches anlegt, wird ein kanalartiger Raum für den Luftweg abge- . grenzt, ein Ductus naso-pharyngeus, wie er in höheren Zuständen yon dem sekundären Gaumen allein abgeschlossen sieh darstellt? Bei Hatteria zeigt sich unter den Reptilien der erste Beginn einer solehen Einrichtung. Der durch Gaumenfortsätze und Zunge begrenzte Raum, der die Aperturae nasales internae aufnimmt, be- schränkt sieh aber in Folge der geringen Ausdehnung der Gaumen- fortsátze auf die Gegend der inneren Nasenóffnungen (Fig. 1 Taf. XII). Bei den Lacertiliern sehen wir nun, wie nicht nur im Bereich der - Aperturae nasales internae die Zunge die noch schmalen Gaumen- - fortsütze ergänzt und in die Begrenzung der Luftbahn eintritt, sondern wie auch caudal von den inneren Nasenóffnungen der mediane Theil des Mundhóhlendaches durch Gaumenfortsätze und Palato-pterygoid- kanten rinnenartig ausgestaltet und dureh die Zunge zu einem Kanal ‚abgeschlossen wird. So bietet sich in der ganzen Länge der Mund- - hóhle für die Respirationsluft eine stets offene, genau begrenzte, und gegen die Mundspalte völlig gesperrte Bahn, deren Bestand selbst bei etwas geöffnetem Mund dureh Heben des Mundhóhlenbodens er- halten werden kann (Figg. 2—9 Taf. XII und XIII, Textfig. 1—3). In der völligen Sicherung des Ductus naso-pharyngeus, unter allen Umstünden aueh bei weit geüffnetem Maul, z. B. naeh dem Fassen einer Beute, besteht zunächst der wichtige Fortschritt, der durch den medianen Zusammenschluss der seitlichen und medianen - Komponenten des sekundären Gaumens erreicht wird. Aber auch hier wird die Zunge noch nicht völlig entbehrlich. Indem sie bei geschlos- = senem Mund in ganzer Ausdehnung, bei offenem Rachen wenigstens — mit ihrem caudalen Theil dem freien hinteren Rand des sekundären — Gaumens anliegt, erhält sie den Abschluss des den Kehlkopf beher- — bergenden Pharynx gegen die Mundhöhle (Scincidae) (Fig. 6 Taf. XII). Besondere Einrichtungen unterstützen sie bei den Krokodilen (Text- figur 8 pag. 329). Dass der Abschluss des sekundären Gaumens für 1 Von diesen Beobachtungen machte ich seiner Zeit meinem hochverehrten "Lehrer C. GEGENBAUR Mittheilung, der sie in seinem letzten großen Werk, der Vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, verwerthete. II. Bd. 1901. pag. 83, 84, 85, 102. —— 2 Als Füllung aller Ritzen und Spalten zwischen ques und Gaumentheilen Bent das Sekret der Mundhóhlendriisen. Dar 334 E. Göppert den Schutz der Respirationsorgane wie der Nasenhöhle gegen Ver- unreinigungen aus der Mundhöhle von wichtiger Bedeutung ist, wurde oben bereits erwähnt und bedarf keiner weiteren Begründung. | Für die Ausgestaltung des Gaumens, die wir bei den Reptilien kennen lernten, ist Vorbedingung der Saugpumpenmechanismus der Athmung, und zweitens das Bedürfnis, die Respirationsluft durch die Nasenhöhle zu leiten (s. am Schluss dieser Arbeit). Die Bildung eines langgestreckten Ductus naso-pharyngeus ermöglicht unter Ab- schluss der Mundspalte, die Inspirationsluft durch die Nasenhöhle direkt dem Kehlkopf, die Exspirationsluft aus dem Kehlkopf un- mittelbar der Nasenhöhle zuzuführen. Ein derartiger Ausbau der Gaumenbildung mangelt daher den Amphibien. Die gering entwickelten Gaumenfortsätze garantiren im Wesentlichen nur die Erhaltung der Kommunikation zwischen Mund- und Nasenhöhle, trotz der Anlagerung des Rückens der Zungenspitze an das Mundhöhlendach in der Choanengegend. Die Anforderungen an die Leistungen des sekundären Gaumens sind bei ihnen in Zu- sammenhang mit den Besonderheiten des Athmungstypus wesentlich geringer als bei den Amnioten. Es findet nicht bei jeder In- und Exspiration ein Durchströmen von Luft durch die Nasenhöhle statt, sondern die ganze Mundhöhle ist als Sammelbecken zwischen Nase und Lunge eingeschaltet, in welches hinein die Exspiration und aus welchem die Inspiration erfolgt. Die Luft wird nicht dem Kehlkopf zugeleitet, sondern der Kehlkopf der Luft entgegengeführt (s. pag. 313). So fehlen für jede Verlängerung der Gaumenerhebung in caudaler Richtung die physiologischen Grundlagen. Es wird jetzt die Frage zu erörtern sein, ob die bei den Rep- tilien gewonnenen Anschauungen auch für die Vögel Gültigkeit haben. Der Gaumen der Vögel ist seit HUXLEY (1867) Gegenstand aus- gedehnter Untersuchungen geworden, die sich aber ganz auf die Skeletverhältnisse bezogen. Nachdem Cornay (1847) bereits auf die systematische Bedeutung der Gaumenstruktur hingewiesen hatte, be- nutzte sie HuxLey selbständig zur Eintheilung der Carinaten in Schizognathae, Aegithognathae, Desmognathae und Dromaeognathae. Die Folgezeit ergab aber die Unmöglichkeit, den Kiefergaumen- apparat zur Gewinnung systematischer Kriterien zu verwenden in Folge der großen Anpassungsfähigkeit der in Frage kommenden Skelettheile (vgl. u. A. M. FÜRBRINGER, 1888, pag. 1032). Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen etc. 335 Auch die Gesammtgestaltung des Mundhóhlendaches ist erheb- lichen Verschiedenheiten (Figg. 10, 13, 16, 18, 22, 23 Taf. XIII—XV) - unterworfen. Wie bekannt, sind aueh bei den Vógeln die Aperturae - nasales internae (primitive Choanen) durch paarige Gaumenfortsátze (G.F) jederseits ventral überdacht und kommunieirt die Nasenhóhle erst durch die zwischen jenen bestehende Offnung, durch die sekun- dire Choane (CA), mit der Mundhöhle. Ein Theil der letzteren ist durch die Gaumenfortsätze unvollständig abgetrennt und als Ductus naso-pharyngeus der Nasenhöhle zugewiesen worden. Bei den Carinaten ist in der Mehrzahl der Fälle durch eine Sehleimhautleiste (Grenzleiste) (S.F) ein längliches Gebiet am Münd- - hóhlendaeh abgegrenzt, das die sekundäre Choane (Ch) in sich schließt und als Choanenfeld bezeichnet werden kann. Die Choane stellt - meist einen longitudinal verlaufenden Spalt vor, der sich nach hinten etwas erweitert. Die Breite des Choanenspaltes wechselt. Er ist verhältnismäßig breit z. B. bei Passer, eng bei Columba. Sowohl die Ränder des Choanenfeldes wie die der Choanenspalte sind oft itz besonders großer verhornter Papillen, wie sie ja auch sonst reichlich in der Mundhöhle sieh vorfinden. Das Choanenfeld wird seitlich eingerahmt von den schlanken Ossa palatina, deren Verlauf annähernd aber nicht genau den Grenz- leisten (S.F) entsprechen. Die Gaumenfortsätze (G.F) enthalten ein müehtiges Drüsenpacket!. Drüsen lagern auch unter der Grenzleiste - des Choanenfeldes (S.F), die Leiste selbst wird aber nicht von ihnen -aufgeworfen, sondern besteht im Inneren aus Bindegewebe. Bei bestimmten Formen besteht keine lange Spalte, sondern mit - kurzer längsgestellter Öffnung mündet die Nasenhöhle in die hintersten Theile der Mundhöhle. Dies ist z. B. der Fall bei Ardea und den _ Lamellirostres, sowie bei den Ratiten (Figg. 21, 22, 23 Taf. XV). ~ Dicht hinter der Choane liegt die gemeinsame Mündung der beiden Tuben (7), und nicht weit davon erheben sich in fast allge- meiner Verbreitung zwei paarig angeordnete, an ihren Rändern aus- — gezackte Schleimhautblätter, die nach hinten gerichtet sind und als "Pharynxfalten bezeichnet werden können (P.F). Sie bilden eine "scharfe Grenze gegen den Ösophagus (Oes). Auch außerhalb der - Gaumenfortsätze ist das Mundhöhlendach der Sitz von Drüsengruppen, die Gegend der LU es ist durch lymphatische Infiltrationen ausgezeichnet. Eh N EIERN TER 1 Über die Mundhöhlendrüsen s. P. REICHEL (1883), E. Gaupp (1888), ERC. Giacomini (1890), A. OPPEL (1900). 336 E. Göppert Über die specielle Bedeutung der einzelnen Theile des Gaumen- daches, der Umrahmung desselben dureh eine Grenzleiste (S.F), der Spaltform der inneren Choane habe ich in der Litteratur keine An- gaben gefunden. Am Boden der Mundhóhle haben wir noch die Zunge zu be- trachten (Fig. 10 b, 13, 16, 18, 22, 23 Taf. XIII—XV Ling). Sie zeigt eine ungemeine Verschiedenheit der Entwicklung. Fällen von mäch- tiger Ausbildung des Organs, das den ganzen vom Schnabel ge- botenen Raum einnimmt, stehen solehe schwacher Entwicklung gegen- über, in denen es fast rudimentüren Charakter tragen kann. Letz- teres findet sich bei den meisten Ratiten, ferner bei Vertretern der Steganopoden (Pelecanus und Sula; bei Pelecanus onocrotalus ist der freie Theil der Zunge nur 4 mm lang) Auffallend klein ist auch die Zunge von Caprimulgus. Außerdem werden als Besitzer sehr kleiner Zungen angegeben die Pelargi mit Ibis, Cancroma, Numenius, Cochlearia, Buceros, Upupa, die Alcedinidae, ferner die Coliidae (nach M. FÜRBRINGER und H. GAnow)!. Die Vogelzunge ist in Folge der Einlagerung des bis in die Spitze hineinreichenden Os entoglossum zu feineren Bewegungen in der großen Mehrzahl der Fälle unfähig. Die Bewegungen des Zun- genbeinapparats im Ganzen theilen sich ihr mit. Bewegungen in der Verbindung des Os entoglossum mit dem Zungenbeinkórper ge- sellen sich hinzu. So fehlt ihr auch eine Binnenmuskulatur; nur die Papageien und, wie Prinz LUDWIG FERDINAND V. BAYERN angiebt, die Wachtel besitzen eine solche allerdings in beschränktem Maße. Im Übrigen füllen den von der Schleimhaut umschlossenen Raum außer Bindegewebe, Drüsen, an deren Ausführungsgängen es zu lym- phatischen Infiltrationen kommen kann und Fettmassen mit reichlichen Gefäßen, die stellenweise ein cavernöses Gewebe bilden können. Auch das namentlich am Zungenrücken ungemein dicke Epithel 1 Die Litteratur über die Vogelzunge ist ungemein reichhaltig. Ich er- wähne folgende mir bekannt gewordene Autoren: W. MARSHALL (1895), C. S. Minor (1880), Erc. Giacomini (1890), A. OPPEL (1900), A. NEWTON (1893—1896), H. Gavow (1879, 1883, 1891), C. GIEBEL (1858 und 1861, mit Angaben von CHR. L. Nirzscu, F. TrEDEMANN (1810) C. Voer und E. Yung (1889—1894), Prinz LUDWIG FERDINAND V. BAYERN (1884), G. CUVIER (1835), M. FÜRBRINGER (1888), C. GEGENBAUR (1901), G. L. DuUvERNoY (1835 und 1836) K. G. Carus (1834), J. F. MEcxEL (1829), R. Owen (1866—1868), SCHENKLIN-PREVOT (1894), F. A. Lucas (1891, 1895, 1896, 1897), R. WIEDERSHEIM (1902), NAUMANN, F. LEYDIG (1857), ET. JOURDAN (1890), A. H. Garrop (1876), J. RENAUT (1897—1899), G. V. Craccro (1900). Um Die Bedeutung der Zunge fiir den sekundiiren Gaumen etc. 337 bildet einen nicht unerheblichen Theil der Masse und ist der Sitz von Verhornungen. Die Dorsalfläche trägt namentlich an den Seiten- und am Hinterrand zahnartig zugespitzte, rückwärts gerichtete Er- - hebungen. | Dieht hinter der Zunge liegt der Kehlkopfeingang, nur selten besteht ein gróBerer Zwisehenraum zwischen Larynx und Hinterrand der Zunge (Ardea Fig. 22). —— Was nun die Angaben über die Funktion der Zunge anlangt, ‘so vermittelt sie jedenfalls Geschmacksempfindungen nur in sehr ge- ringfügigem MaBe. Besondere diesem Sinne dienende Endapparate sind wenigstens bisher bei Vögeln nicht bekannt geworden. Am besten soll der Geschmackssinn noch bei den Papageien entwickelt sein, dann kommen in absteigender Reihe die Raub-, Sumpf- und Sehwimmvügel, am schwächsten ist er bei denjenigen Sing- und Hühnervögelu ausgeprägt, welche ölige oder mehlige, zum Theil von harten Hüllen umgebene Samen genießen (TIEDEMANN). Dabei erscheint es mir aber sehr leicht möglich, dass die angeblichen Geschmacks- wahrnehmungen vielmehr dem Geruchssinn zuzurechnen sind (s. unten _ pag. 347). Die oft massenhaften Herpst’schen (VATER schen Körper- chen) und Granpry’schen Körperchen lassen dagegen eine feine _ Tastempfindung voraussetzen. Am meisten wird in der Litteratur die Bedeutung der Zunge für die Stimmbildung und vor Allem für die Nahrungsaufnahme be- font. Sie tritt ausgiebig in Thätigkeit bei der Zerkleinerung des Bissens, beim Sehlucken fester Nahrung, beim Trinken und zeigt in vielen Fällen eine sehr weitgehende Anpassungsfähigkeit an be- | stimmte Formen der Nahrungsaufnahme. Es braucht hier nur an die Betheilizung der mit blattartigen Erhebungen besetzten Zungen- ‘winder der Lamellirostres, an dem Aufbau des F ilterapparats er- innert zu werden. Ein eigenthümlieher Bürstenbesatz der vorn ge- hühlten Zunge des zu den Psittaciden gehörigen Trichoglossus und seiner Verwandten dient als Saugeinriehtung. Ganz speciell und äußerst zweckmäßig konstruirte Saugzungen finden sich bei den = rochilidae, Nectarinidae und Meliphagidae. Ferner sei noch auf > wurmartig bewegliche, weit hervorstreckbare Zunge der Spechte h ingewiesen, die mit ihrem klebrigen Speichelbelag zum Fang der Ins ekten benutzt wird. Auch die oft weitgehenden, oben bereits er- wähnten Reduktionen der Zunge stehen zweifelsohne mit der Art der Nahrungsaufnahme in irgend weleher Beziehung. Von einer Bedeutung der Vogelzunge für den Abschluss des 338 E. Göppert Luftweges, wie wir sie bei den Reptilien feststellen konnten, ist mir aus der Litteratur nur bekannt, dass, wie C. GEGENBAUR schreibt (1901, pag. 108), das Zungenrudiment der Strauße durch unmittel- baren Anschluss an die vordere Begrenzung des Kehlkopfeinganges auch in funktionelle Verbindung zu letzterem getreten ist, indem es jenen Eingang zum allseitig innigen Anschluss an den Gaumen resp. die Umgebung der Choane befähigt und damit einer Ergänzung des Luftweges dient. Wir gehen jetzt zur Untersuchung einzelner Arten über und be- sinnen hierbei mit Passer domesticus. Es lagen mir junge, eben flügge gewordene Thiere vor. Fig. 10 a (Taf. XIII) zeigt die lange, verhältnismäßig weite Choanenspalte (Ch) und den Papillenbesatz ihrer Ränder. Die Spalte verbreitert sich etwas nach hinten zu, die Grenzleisten (S.F) des Choanenfeldes gehen vorn unter stärkerer Ver- dickung in einander über. Hinter der Tubenmündung (7) erheben sich die Pharynxfalten (P.F) und bilden die Grenze gegen den Ösophagus. Die Zunge (Fig. 10 4) läuft caudalwärts in zwei Zipfel aus, die bis fast in die Höhe des Kehlkopfeinganges (Zar) reichen. Zur Seite des letzteren und hinter ihm findet sich ein starker Papillenbesatz. Untersucht man nun Mundhöhlenboden und -dach in ihrer gegen- seitigen Lagerung, so beobachtet man, dass der Zungenrücken dem Gaumen direkt anliegt (Fig. 11 und 12 Taf. XIII). Die vordere Abgrenzung des Choanenfeldes ist manchmal als Abdruck am Zun- genrücken kenntlich (Fig. 10 4, b), die seitlichen Theile des hinteren Zungenabschnittes (Fig. 10 b, a) berühren die ventralen Flächen der Gaumenfortsätze (G.F). Ihre Außenränder entsprechen genau den Grenzfalten (S.F) (Fig. 11 und 12). So erhält der vordere Theil der Choanenspalte einen Boden und es besteht ein ventraler Abschluss des Ductus naso-pharyngeus (D.nas.-ph). Die Choanenspalte funktionirt also für gewöhnlich nur in ihrem caudalen Theil wirklich als Choane. Unterhalb dieser Stelle lagert der Kehlkopf (Fig. 12 Z). Der Raum, in den er hinein- ragt, ist lateral von der Zunge durch die an einander liegenden Falten der Schleimhaut gegen die Mundhöhle abgeschlossen, er kom- munieirt also oralwärts durch Vermittelung des Ductus naso-pharyn- geus nur mit der Nasenhöhle. Seinen Abschluss rach hinten stellen die starken Pharynxfalten (Fig. 10 a und 12 Ph.F) her, die hinter dem Kehlkopf die ventrale Rachenwand erreichen. Der Pharynx, wie man die den Kehlkopf beherbergende Höblung nennen muss, nimmt auch die Tuben auf. or T" 2D Á Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 339 Damit ist nach allen Richtungen die Nasen-Kehlkopfbahn der Respirationsluft gesichert und kann auch bei nicht fest geschlossenem Schnabel unter geringfügiger Hebung der Zunge bestehen bleiben. Ganz ähnliche Verhältnisse treffen wir bei den Hühnervögeln, von denen Tetrao tetrix (Birkhuhn) in den Figg. 13—15 Taf. XIII dargestellt wurde. Während beim Sperling die Zunge das Choanenfeld ein großes Stück nach vorn zu überragte, ist das hier nicht der Fall. Die Gestalt der Zunge findet sich wie ein Abdruck am Mundhöhlendach wieder; ihre Kontouren entsprechen den vorn und median zusammen- treffenden Grenzleisten des Choanenfeldes (S.F) So wird wiederum der ganze vordere Theil der langen Choanenspalte (CA) durch die - Zunge gedeckt, die den Boden des Ductus naso-pharyngeus (D.nas.-ph) damit vervollständigt (Fig. 14 und 15). Der caudale, weiteste Theil der Choanenspalte liegt jenseits des Zungenbereichs. Seine Ränder steigen etwas dorsalwürts an. Ihm entspricht der Aditus laryngis (Lar), der ventral und etwas caudal von ihm seine Lage hat (Fig. 15). Wieder wie beim Sperling liegen seitlich von der Zunge die Mund- höhlenwände an einander und schließen auch hier den Pharynxraum oralwürts ab, caudal bilden die Pharynxfalten (P%.F) eine Barriere gegen Eindringen von Verunreinigungen aus dem Osophagus in den Larynx. Der vóllige Absehluss des Athemweges gegen die Mund- spalte ist das Ergebnis der geschilderten Einrichtungen. Nur unbedeutend sind gegenüber den Befunden bei Tetrao die Abweichungen beim Haushuhn. Am Mundhóhlendach besteht keine _ erwüáhnenswerthe Besonderheit. Am Boden reicht die Zunge nicht ganz so weit caudalwürts wie beim Birkhuhn. In ihrer ganzen Lange bildet sie den Verschluss des vordersten Theiles der Choanen- spalte. Als Verlängerung der Zunge nach hinten besteht ein breites, drüsenbesetztes Feld, und dieses wird caudal vom Zungenbereich zum Abschluss des mittleren Theiles der Choanenspalte verwendet, dort, wo bei Tetrao noch die Zunge hierzu diente. Der Abschluss des den Kehlkopf beherbergenden und die Tuben aufnehmenden Pha- rynx gegen den Osophagus durch die Pharynxfalten steht durchaus : in Übereinstimmung mit dem vorher Geschilderten. Es sei noch erwähnt, dass auch bei Pavo cristatus und Perdiz einerea die gleichen Einrichtungen zur Sicherung der Luftbahn be- stehen wie bei Tetrao und Gallus. Ganz besonders augenfällig wird die Beziehung zwischen Zunge 340 — E. Göppert und Gaumen bei den Raubvögeln, für welche Falco tinnunculus als Beispiel dienen soll (Figg. 16 und 17 Taf. XIV). Wir sehen hier sofort, dass am Mundhóhlendach ein genauer Abguss der Zunge (Ling) besteht. In das vertiefte, von feinen Grenzfalten (S.F) umrandete Choanenfeld passt ganz genau die Zunge hinein. Die hintere Grenze des Bereiches, den die Zunge einnimmt, ist sogar genau kenntlich. Den gewulsteten Seitenrandern der Zunge entspricht eine Hóhlung der lateralen Theile der Gaumen- fortsätze (G.F) ihrer medianen, flach rinnenartigen Einsenkung eine Konvexität des Choanenfeldes zur Seite der sekundären Choane (Ch). Die letztere bildet eine lange Spalte, die vorn eine geringfügige, caudal an ihrem Ende eine erheblichere Verbreiterung erfáhrt. Gut entwickelt sind auch hier die drüsenbesetzten Pharynxfalten (PA.F). Ein Längsschnitt durch den Kopf (Fig. 17) zeigt nun auf das schönste die Kongruenz der Wölbung von Dach und Boden, den völligen Abschluss des langen vorderen Theils der Choanenspalte durch die Zunge und die Herstellung eines bis dicht an den Larynx hinanführenden Ductus naso-pharyngeus. Der Kehlkopf liegt hier noch enger dem hintersten Theil der Choanenspalte, d. h. also der caudalen Mündung des Ductus naso-pharyngeus an. Bei der Inspi- ration kann die Luft zu ihm nur dureh die Nasenhóhle dringen, der Weg seitlich von der Zunge ist durch die hier an einander liegenden Schleimhautfalten gesperrt. Dies ist auch noch der Fall, wenn der Schnabel nicht völlig geschlossen ist, sowie der Mundboden etwas gehoben wird. Endlich besteht eine Sicherung gegen den Ösophagus hin noch durch die den hinteren Theilen der Larynxwand sich an- schmiegenden Pharynxfalten (PA.F). Die unmittelbarste Beziehung zwischen Kehlkopf und Nasenhöhle fand sich bei der Taube! (Figg. 18, 19, 20 Taf. XIV u. XV). Eine hohe Leiste begrenzt jederseits lateral das Choanenfeld (S.F). Beide laufen hinten in der Hóhe der Tubenmündung (7), vorn nicht weit von der Schnabelspitze aus und konvergiren etwas in oraler Riehtung. Die Choanenspalte (CA) ist sehr lang. Vorn nur schmal, verbreitert sie sich im hinteren Drittel erheblich. Stark entwickelt sind die Pharynxfalten (P.F), caudal von der Tubenmündung (T). Die ver- hältnismäßig kleine vorn spitze Zunge (Ling) läuft caudal in zwei Zipfel aus, die bis in die Höhe der Kehlkopföffnung reichen. Der Kehlkopf schließt sich also dicht an die Zunge an. 1 Vgl. die Beschreibung bei C. VocT und E. YUNG. X * "NITE EROR t ee are "T 1T i». e Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 341 =~ Quer- und Längsschnitte zeigen nun auf das deutlichste, wie genau Zunge und Kehlkopf in das Choanenfeld hineinpassen (Figg. 19, E 20 a, ò). Im ganzen Bereich des schmalen Theils der Choanen- spalte und oral von derselben wird der Raum zwischen den beiden Grenzleisten (S.F) völlig von der Zunge eingenommen, deren Relief sieh in vollkommener Übereinstimmung mit dem der Gaumenfalten befindet (Fig. 20 a). Der Duetus naso-pharyngeus ist also damit ven- tral abgeschlossen (D.nas.ph). Den Ràndern des weiten caudalen = Theils der Choanenspalte liegen die Ränder des Aditus laryngis unmittelbar an (Figg. 19 und 20 b). Der Kehlkopf ist der Choane - dicht angeschlossen. Hinter dem Kehlkopf reichen die Pharynxfalten . zum Boden herab, liegen ihm an und bilden damit eine Sperre gegen — den Osophagus. Es würde zu weit führen, wenn wir noch eine längere Reihe von solehen Vógeln, die mit langen Choanenspalten ausgestattet sind, vorführen würden. Im Princip liegen die Dinge überall so, wie es oben geschildert wurde. Meine Erfahrungen erstrecken sich noch auf Garrulus glandularius, Turdus, Cassicus, Estrella musica, Amadina melpoda, Picus. Uns interessiren jetzt noch Beispiele von solchen Zuständen, in denen die Choane nicht als langer Spalt ausgebildet ist, sondern eine verhältnismäßig kurze Öffnung darstellt, die in ganzer Länge als . Ein- und Austrittsöffnung der Luft bei der Respiration dienen muss. -Solche Verhältnisse sind mir unter dem mir vorliegenden Material bei den Lamellirostres und bei Ardea cinerea, sowie bei den Ratiten bekannt geworden. . Unter den Zamellirostres untersuchte ich Gans und Ente (Fig. 21 Taf. XV). Es besteht bei beiden Arten im Wesentlichen Übereinstim- mung, so dass wir sie gemeinsam besprechen können. Die schmale Choane beginnt vorn in der Höhe des Mundwinkels und reicht caudalwärts bis in die Höhe der Augen. Der vorderste "Theil der Choanen ist gegenüber dem Hauptabschnitt sehr eng. Die Ränder der Gaumenfortsätze (G.F) sind mit langen Papillen besetzt. . Ventral und etwas caudal von der Choane lagert der Kehlkopf (Zar). Den Raum, der Larynx und Choane aufnimmt, bezeichnen wir als - Pharynx und konstatiren den Unterschied, gegenüber den vorher ge- Sehilderten Vögeln, dass die Choane den Bereich des Pharynx oral- warts nicht überschreitet, keinen präpharyngealen Theil besitzt (vgl. - z. B. Figg. 12, 15, 17, 19). Die Frage ist nun, in weleher Weise der Abschluss des Pharynx 342 E. Göppert gegen die Mundhöhle und den Ösophagus hergestellt werden kann, der für die Benutzung der Nasenhöhle als Athmungsweg erforderlich ist. Für den Abschluss in caudaler Richtung sorgen, wie bei den früher beschriebenen Vögeln, die Plicae pharyngeae (PA.F); sie und ihre orale Nachbarschaft ruhen dem Boden des Pharynx auf. Für die Absperrung gegen die Mundhöhle kommt die Zunge in Verwendung. Der Zungenrücken entspricht mit seinem Hinterrand dem Vorder- ende der Choane (Fig. 21) und indem er sich in ganzer Breite dem Mundhöhlendach oral von der Choane anlegt, verlegt er die Kom- munikation zwischen Mundhöhle und Pharynx, etwa noch bestehende Spalten schließt der zähe Schleim, der von den zahlreichen Drüsen der Mundhöhle abgesondert wird. Betrachtet man die Zunge genauer, so findet man an ihrem hin- teren Abschnitt bekanntlich eine starke Wulstung der Schleimhaut (Fig. 21 a), die bei Gans und Ente eine etwas verschiedene Gestalt besitzt. Diese Wulstung nimmt am Hinterrand der Zunge die ganze Breite des Organs ein, verschmälert sich nach vorn etwas und endet in der Medianebene. Eine tiefe Rinne theilt sie bei der Ente median in einen rechten und linken Theil (vgl. C. GEGENBAUR, 1901, Bd. II, pag. 106). Dieser Wulstung entspricht genau ein Feld am Mund- höhlendach, das sich durch die Glätte seiner Schleimhautüberzüge von der Nachbarschaft auf das deutlichste abhebt. Der Zungenwulst besitzt einen Abdruck am Mundhöhlendach, dem er sich einlagert (Fig. 21). Seiner medianen Furche bei der Ente legt sich dabei eine hier mit Höckern besetzte Kante des Oberschnabels an. Es ist wohl möglich, dass in dem Zungenwulst eine Einrichtung vorliegt, die auch bei der Bewältigung der Nahrung mitwirkt. Es scheint mir aber vor Allem naheliegend anzunehmen, dass er unter Anlagerung an das ihm entsprechende Gaumengebiet einen wirk- samen Verschluss der Mundhöhle gegen den Pharynx zu Stande bringt. Die geschilderte Einrichtung ist für die Lamellirostres von ganz besonderer Wichtigkeit. Sie gestattet, dass während der doch zum sroßen Theil unter Wasser oder im Wasser erfolgenden Nahrungs- aufnahme Pharynx und Kehlkopf gegen Eindringen von Wasser, Schlamm ete. durch geeignete geringfügige Bewegungen der Zunge geschützt werden kann. Mit der Besonderheit der Nahrungsaufnahme ist in erster Linie die Verkürzung der Choane, das Fehlen eines prä- pharyngealen sc. oralen Theils derselben in Zusammenhang zu bringen, Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 343 Auch bei Ardea cinerea (Fischreiher) scheint das Gleiche zu gelten (Fig. 22 Taf. XV), wenn auch im Einzelnen die größten Ver- _ gehiedenheiten gegenüber den Lamellirostres bestehen. Das ergiebt schon ein Blick auf die verhältnismäßig kurze und schmale Zunge (Ling). Sie hat die Form einer langgestreckten Lanzenspitze. Nach hinten zieht sie sich jederseits in einen spitzen Winkel aus. Eine bogenförmige nach hinten konkave Linie, die sich zwischen den Hinterecken ausspannt, bildet den eaudalen Abschluss der Zunge. In der Fortsetzung der Zunge läuft am Boden der Mundhöhle ein Wulst in caudaler Richtung aus, der den Zungenbeinkörper be- herbergt. Erst ein groBes Stüek hinter dem Zungenbereich liegt der Larynx (Lar). Er ist damit ganz der Gegend zwischen den Unterkiefer- hälften, in deren Nachbarschaft wir ihn bei den übrigen Vögeln antreffen, entrückt, und einem ungemein ausdehnungsfähigen Gebiet eingelagert. Verständlich wird diese Besonderheit daraus, dass die Reiher verhältnismäßig große Bissen, ganze Fische, verschlingen. Die Weite und Dehnbarkeit der Kehlgegend schützt den Kehlkopf vor Zerrungen beim Sehluekakt, denen er bei Lage in weiter oral gelegenen Gebieten ausgesetzt sein würde. Eigenartig ist auch die Ausgestaltung der Choane (Ch). Sie liegt als spaltförmige Öffnung direkt vor dem Niveau des Mund- winkels. Ihr vorderes Drittel ist schmäler als die übrigen Theile. In der Tiefe erblickt man das vom Vomer gestützte Septum narium. Die Ränder des vorderen schmalsten Theiles der Choane sind stark verdickt (a); oralwärts laufen sie median in eine am Oberschnabel sich entlang ziehende Leiste aus (/. Diese wird rechts und links von je einer weiteren Leiste begleitet, die von der Mitte des Oberschnabels bis zur Seite des Choanenvorderrandes hinläuft und hier in eine Reihe knopfartiger Erhebungen aufgelöst ist. Man wird sie mit der Grenzleiste des Choanenfeldes bei den übrigen Vögeln vergleichen können. Fremdartig berührt aber die Umrahmung des hinteren Theils der Choane. Vom Choanenrand, an der Grenze des vorderen und mittleren Drittels, geht jederseits ein breites Band 4 aus (b, das mit gezähneltem Rand in die Rachenhöhle einragt. Es entfernt sich, caudalwärts ziehend, etwas von der Choane, läuft dann parallel mit ihr weiter und verstreicht ein kurzes Stück hinter ihr, am Beginn der Kaumuskelwülste (X. W). Die Bedeutung der Ausgestaltung von Mundhöhlendach und Boden wird klar, wenn wir ihre gegenseitigen Lagebeziehungen 344 E. Göppert untersuchen. Wir sehen dann, dass der hinterste Theil der Zunge auch den vorderen schmalen Theil der Choane deckt. Die ver- dickten Choanenränder (a) passen genau in eine entsprechende Höh- lung am Zungenrücken (a). Die Breite der Zunge nimmt den zwischen den oben beschriebenen Leisten bestehenden Bereich des Mundhöhlen- daches ein. Der Hinterrand der Zunge mit den seitlichen, wider- hakenähnlichen Verbreiterungen schmiegt sich dem oralen Theil der gezähnelten Falten (^ an. Die letzteren berühren den Boden der Mundhóhle zur Seite des Zungenbeinwulstes. Die Choanenumgrenzung und der Mundboden mit Zunge bilden also einen wirksamen Abschluss der Mundhöhle nach hinten zu. Das Thier kann unter Wasser zum Fang seiner Beute den Schnabel öffnen, ohne dass sich der ganze hintere Theil des Rachens mit Wasser zu füllen braucht. Es kann mit seiner Beute im Schnabel die Nasenhöhle als Athemweg benutzen, da die Zunge bei ihrer Kürze im Stande ist, trotz des etwa im Schnabel gehaltenen Fisches sich dem Mundhöhlendach anzulegen und den Fa zu be- werkstelligen. Bisher haben wir nur Vertreter der Carinaten untersucht; zum Schluss seien noch die Beziehungen zwischen Nasenhöhle und Kehl- kopf bei einem Ratiten, bei Struthio camelus, dargestellt (Fig. 23 Taf. XV) (s. hierzu die auf pag. 338 eitirte Bemerkung C. GEGENBAUR’S, 1901). Die Choane bildet hier mit ihren Rändern einen nach vorn spitz auslaufenden Winkel (CA). Ihre Umgebung ist dureh eine große Menge von Drüsenmündungen ausgezeichnet und in einer bogenförmig gestalteten, caudalwärts konkaven Linie (a) gegen die übrigen von verhorntem Epithel überzogenen Theile des Oberschnabels begrenzt. Hinter der Choane liegt, wie bei den Carinaten, die Tuben- mündung (7) und dahinter stark entwickelte wulstartige Pharynx- falten (Ph.F), die die Grenze gegen den Ösophagus bezeichnen. Auch das Gebiet caudal von der Choane zeigt eine reiche Ausstattung mit Drüsen. Am Boden bemerkt man die auffallend kleine, gewulstete Zunge (Ling), die nur einem kleinen Theil des intermandibularen Gebietes entspricht und, nach hinten in zwei Hörner ausgezogen, den Kehl- kopfeingang von vorn her umfasst. Seitlich und caudal besitzt der letztere eine breite, wie ein Kragen sich Gaetevpane Umrahmung, die von den Ama gestützt wird. Der Kehlkopfeingang passt nun ganz genau auf die Choane, Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 345 = seine breiten Seitenränder liegen deren Umgebung an, während vorn der Zungenrücken den vorderen Theil des Choanenfeldes einnimmt - bis zu der bogenförmigen Grenzlinie (a) hin. Hinter dem Aditus - Jaryngis schließen die Pharynxfalten gegen den Osophagus ab. Ver- gegenwürtigt man sich noch die Bedeutung, die das Sekret der massenhaften Drüsen als Kittmasse in allen zwischen Zunge und - Kehlkopf einerseits, Choanenumgebung andererseits bestehenden Lücken besitzen muss, so erkennt man eine ungemein vervollkomm- nete Einrichtung zur Sicherstellung des nasalen Respirationsweges nieht nur bei geschlossenem, sondern auch bei klaffendem Schnabel. Die Untersuchung von Vögeln hat uns also weitere Beispiele - für die engen funktionellen und strukturellen Beziehungen zwischen _ Mundhóhlendach und Boden gebracht. Keiner von beiden Theilen ist ohne den anderen zu verstehen. Bei den Formen mit spaltförmiger, langer Choane, und das ist die Mehrzahl, ergab sich, dass keineswegs die ganze Spalte wirklich als Choane funktionirt, der vordere Theil derselben wird vielmehr durch die Zunge, die den Gaumenfortsätzen anliegt, geschlossen. Die - Schleimschicht, welche die Innenfläche der Mundhöhle überzieht, macht den Abschluss noch dichter als er es sonst sein würde. Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch die Grenzleiste, welche das ganze - Choanenfeld umzieht und indem sie den Kontouren der Zunge ent- - spricht, sieh ihren Seitenrändern anschmiegt. In manchen Fällen - entspricht die Zunge auch in der Länge genau dem Choanenfeld und bildet eine Art von Ausguss des hier bestehenden Reliefs des — Munddaches (Figg. 10—20). . Nur der hintere erweiterte Theil der Choanenspalte dient also der Luft zum Ein- und Austritt. Dicht unter dieser Stelle lagert die Kehlkopfóffnung, bei Columba liegen sogar die Ränder des Aditus laryngis unmittelbar denjenigen der Choanenspalte an (Figg. 12, E 17, 19). Lateral von der Zunge wird der den Kehlkopf beherbergende Theil der Kopfdarmhóhle, der Pharynx, gegen die seitlichen Theile der Mundhöhle dureh die einander berührenden Faltungen der Schleim- haut, eaudalwürts gegen den Osophagus dureh die Pharynxfalten (Ph.F) abgeschlossen. Auch hier wird der Schleimbelag als Kitt- masse eine holle spielen. - Einzelne der untersuchten Arten (Lamellirostres, Ardea) besitzen ‘nur eine verhältnismäßig kurze Choane im hintersten Theil des Mundhöhlendaches. Hier dient die Zunge zwar nicht zur Herstellung 346 E. Göppert des Bodens eines Ductus naso-pharyngeus, wohl aber spielt sie eine wichtige Rolle für den Verschluss des, Choane und Kehlkopf auf- nehmenden Pharynx gegen die Mundhöhle (Fig. 21 Taf. XV), bei Struthio camelus geradezu fiir den Anschluss des Larynx an die Choane. Allgemein ist also bei den Végeln die Bahn fiir den respira- torischen Luftstrom zwischen Nasenhéhle und Kehlkopf genau ab- gegrenzt!. Die Sicherung dieser Bahn wird auch während der re- spiratorischen Bewegungen nicht in Frage gestellt. Denn abgesehen von einer geringfügigen Erweiterung des Aditus laryngis bei der Inspiration, einer unbedeutenden Verengerung bei der Exspiration, erfährt der ganze Kehlkopf, anders wie bei den Reptilien, so gut wie gar keine Lageänderung. Eine solche wird durch Knour (1880) sogar gänzlich in Abrede gestellt (eitirt nach E. SIEFERT), während E. SIEFERT (1896) angiebt, dass manchmal eine ganz schwache in- spiratorische Vorwärts- und exspiratorische Rückwärtsbewegung auf- zutreten scheine. Unter allen Umständen wären diese Bewegungen höchstens im Stande, bei der Einathmung den Kehlkopf noch etwas der Choane zu nähern. Die oben geschilderten Einrichtungen lassen es möglich erscheinen, dass der Vogel auch, wenn er mit einer Beute oder mit zum Nest- bau bestimmten Theilen fliegt, also den Schnabel nicht fest geschlossen hält, die Nasenhöhle als Athmungsweg benutzt; es gehört dazu-nur ein geringfügiges Heben des Mundbodens, welches die Zunge dem Gaumen anliegend erhält? Dass, so viel ich sehe, die Zunge stets mindestens bis in die Gegend der Mundwinkel nach hinten reicht, ist hierbei gewiss nicht unwichtig?. Ohne die Mitwirkung der Zunge an der Begrenzung des Luftweges wäre ferner die Nasenathmung un- möglich bei allen den Arten, deren Mundspalte in Folge der Form des Schnabels überhaupt nicht geschlossen werden kann. Welchen Werth besitzt nun aber die so weit verbreitete Länge des Choanenspaltes, wenn, wie wir darstellten, der ganze vordere Theil desselben, durch die Zunge geschlossen, in der Regel gar 1 Über die Bedeutung der Benutzung der Nasenhöhle als Respirationsweg s. u. pag. 350. 2 Dass eine solehe Bewegung wirklich ausgeführt wird, konnte ich an einem Marabu beobachten. Der Vogel öffnete den Schnabel gegen seine Be- schauer. Gleichzeitig sah man, wie die Zunge sich hob und sich dem Gaumen anlegte. 3 Von dieser Regel macht Caprimulgus eine Ausnahme, die sich aus der Weite des Mundspaltes einerseits, der Vorlagerung des Kehlkopfes andererseits erklärt. Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 347 nieht vom respiratorischen Luftstrom durchstrichen wird? Es ist = doch nieht angängig, bei so hochstehenden Organismen, wie die £ Vögel es sind, in der langen Gaumenspalte einfach eine Unvoll- kommenheit der Gaumenbildung zu sehen. Vielleicht kann folgende Überlegung zur Erklärung dienen. Es ist bekannt, dass ein JAcosson’sches Organ, also ein zur Prüfung des Mundhöhleninhalts dienender Sinnesapparat den Vögeln fehlt. Da die Anlage eines solchen aber in früher Embryonalzeit vorübergehend auftritt (FR. Coun [1902], K. PETER [1902]), so haben unzweifelhaft die Vorfahren der Vögel ein JacoBson’sches Organ besessen und später eingebüßt. Wenn wir voraussetzen dürfen, dass — bei jenen Vorfahren der heutigen Vögel das Sinnesorgan in die vor- deren Theile der Mundhöhle sich öffnete, so wird man wohl daran denken können, dass seine Rückbildung durch die Entstehung des Schnabels und die damit zusammenhängende intensive Benutzung der vordersten Theile des Mundhöhlendaches für die Bearbeitung der Nahrung bedingt wurde. Einen Ersatz für den Ausfall konnte der Sinnesapparat der eigentlichen Nasenhöhle bieten, indem ihm Luft aus der Mundhöhle zugeführt wurde, und hierfür wiederum lagen die Verhältnisse am günstigsten, wenn eine möglichst lange, weit nach vorn reichende Choanenspalte bestehen blieb. - Es scheint auch in der That, dass das sogenannte Schmecken der Vögel nicht sowohl eine Leistung des Schmeckapparats als viel- - mehr des Geruchsorgans ist. Es besteht wenigstens auch bei den - Vögeln eine Parallele zwischen der Schärfe der sogenannten Ge- sehmacks- und der Geruchsempfindung !. So ist die Choanenspalte als langgestreckte Kommunikation zwi- schen Mund- und Nasenhóhle eine physiologisch wichtige Einrich- _ tung, die so lange erhalten bleiben musste, als nicht Besonderheiten _ der Nahrungsaufnahme (z. B. Aufnahme der Nahrung aus dem Wasser = oder Schlamm, wie bei den Lamellirostres und bei Ardea) eine Ande- rung bedingten, sollte nicht das Geruchsorgan mit den in die Mund- hóhle aufzenommenen Massen überschwemmt werden. Aber auch bei jenen Formen wird die Nasenhóhle sich noch an der Prüfung des - Mundhóhleninhaltes zu betheiligen in der Lage sein. 1 Nach den alten Beobachtungen Scarpa’s (1789) sind mit dem besten Geruehsvermógen folgende Vögel ausgestattet: die Sumpfvögel, dann die Raub- — vögel, Schwimmvögel (Enten, Gänse), dann die Papageien. TrEDEMANN führt als mit dem besten Geschmacksvermögen ausgestattet an die Papageien, die . Raub-, Sumpf- und Schwimmvögel. Morpholog. Jahrbuch. 31. 23 348 E. Göppert Die Berechtigung, diese Leistung, die beim Menschen allgemein bekannt ist, auch für das Geruchsorgan der Vögel anzunehmen, geht unter Anderem aus der Thatsache hervor, dass bei Vertretern der Steganopoden (Sula) die äußere Nasenöffnung und mit ihr der ganze vordere Theil der Nasenhöhle völlig fehlt, während die Regio olfac- toria, eben so der Riechnerv gut entwickelt, die Choane weit ist. Hier kann das Riechorgan doch wohl nur zur Kontrolle des Inhalts der Mundhöhle verwerthet werden. Wir sind nunmehr am Schluss unserer Darlegungen angelangt und wollen noch einmal die Hauptergebnisse zusammenstellen und an sie noch einige Bemerkungen anknüpfen. Offenbar ist das der Arbeit zu Grunde liegende Material recht lückenhaft, und anderer- seits ist die Nothwendigkeit einer physiologischen Prüfung der hier vor Allem anatomisch erschlossenen Beziehungen klar. Dennoch glaube ich, die Resultate genügen, um zu einer richtigen Beurthei- lung derjenigen Zustände zu gelangen, in denen ein sekundärer Gaumen erst in Anfängen besteht und meine, dass aus diesen Vor- stellungen heraus sich eine richtige Auffassung auch von der Phylo- genese der hoch entwickelten Gaumenbildungen gewinnen lässt, die wir uns in der Einleitung als Ziel setzten. Die ersten Anfänge eines sekundären Gaumens, wie sie bei den Reptilien, speciell bei Sphenodon und den Lacertiliern vorliegen, sind, für sich betrachtet, unverständlich. Sie scheinen für die Nasen- höhle, in deren Dienst sie doch stehen sollen, gar nichts zu leisten, bilden nicht einmal einen Wall gegen das Eindringen von Fremd- körpern (Nahrungstheilen ete.) aus der Mundhöhle in die Apertura nasalis interna. Erst auf ihrem Zusammenwirken mit den Theilen des Mundhöhlenbodens, im Besonderen der Zunge beruht ihre Be- deutung. Die Seitenränder der Zunge liegen den oft sehr gering- fügigen »Gaumenfortsätzen« an. Zunge und Gaumenanfänge schnei- den dann aus dem Raum der primitiven Mundhöhle einen dorsalen Theil, den Duetus naso-pharyngeus heraus und bilden damit, den Boden eines Kanals, in welchem die Respirationsluft auf dem Weg zwischen Apertura nasalis interna und Larynx strömt. Zunge und Gaumenfortsätze leisten damit zusammen das Gleiche, was in höheren Zuständen der sekundäre Gaumen allein zuwege bringt, und zwar nicht nur bei fest geschlossenem, sondern auch, unter geringfügiger Hebung des Mundbodens bei klaffender Mundspalte. Haben die » a zt Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen etc. 349 Gaumenfortsätze einen gewissen Grad der Entwicklung überschritten, dann kommt allerdings auch der von ihnen dem Luftweg gebotene Schutz als ein nunmehr wichtiger Theil ihrer Funktion in Betracht. Etwas anders stehen die Dinge bei den Amphibien (Anuren und Salamandrinen), bei denen andere physiologische Bedingungen in Zusammenhang mit dem Druekpumpenmechanismus ihrer Respiration vorliegen und eine höhere Entfaltung des sekundären Gaumens von vorn herein ausschlieBen (s. pag. 334). Auch bei ihnen befindet sich aber der sekundäre Gaumen im Dienste der Luftleitung (O. SEYDEL). Er garantirt bei bestimmten Phasen der Lungen- und Kehlathmung die Erhaltung der Kommunikation zwischen Nasen- und Mundhöhle, obwohl die Zunge dem Mundhóhlendaech und der Choanengegend anliegt. Also auch hier bestehen Beziehungen zwischen Zunge und Gaumenfortsatz. Nur dureh sie wird die Existenz des sekundiren Gaumens beleuchtet, nicht aus einem supponirten Schutzbediirfnis der Nasenhóhle gegen Mundhóhleninhalt. Es ist ersichtlich, dass diese Feststellungen nicht das erste phy- logenetische Auftreten von Gaumenfortsätzen selbst völlig erklären, wenn wir in letzteren auch gewissermaßen Produkte einer im Dienste der Respiration stehenden Anpassung zwischen Mundhöhlendach und Zunge sehen können. Die hier vertretenen Anschauungen leisten aber so viel, dass durch sie schon die allerersten Anfänge eines Gaumenfortsatzes als bedeutsam erscheinen und damit ihre Weiter- bildung verständlich wird. In der so vielfach angeführten und verwertheten Arbeit C. H. BuscH's über den Reptiliengaumen findet sich auf pag. 488 die Ver- muthung ausgesprochen, dass die ersten Anfánge von Gaumenfort- sätzen (-falten) auf Erhebungen zurückzuführen wären, die durch Drüsen gebildet wurden. Diese hätten in der Nachbarschaft der Apertura nasalis interna eine besondere Bedeutung bekommen, indem sie der Nasenhöhle gegen das Eindringen von Mundhöhlenbestand- theilen Schutz gewährten und dieser Umstand hätte ihre weitere Aus- bildung zu Gaumenfortsätzen bedingt. Der Auffassung der Gaumen- fortsätze als eines Schutzapparates kann ich mich, wie aus dem YVorigen sich ergiebt, nicht anschließen, aber auch die Ableitung der Gaumenfortsätze von durch Drüsen bedingten Erhebungen der Schleim- haut ist, wie ich meine, desswegen nicht haltbar, weil gerade in den primitivsten Zuständen der Gaumenanfänge (Amphibien, Sphenodon) drüsige Beschaffenheit derselben nicht festzustellen ist. — Bei den mit vollendetem sekundärem Gaumen versehenen Formen 23* 350 E. Göppert durchläuft die Ontogenese, wie allgemein bekannt, Stadien, die in wesentlichen Punkten mit den Zuständen unvollkommener Gaumen- bildung übereinstimmen. Dass bei gewissen ihrer Vorfahren also ähnliche Gestaltungen des Mundhöhlendaches auch postembryonal bestanden haben müssen, ergiebt sich daraus von selbst. So sind wir berechtigt, unsere Erfahrungen bei niederen Formen auch für die Phylogenese der höheren zu verwerthen, obwohl es ausge- schlossen ist, im Einzelnen getreue Vorfahrenstadien für den Gaumen, etwa der Krokodile oder Säugethiere, noch heut zu Tage anzutreffen. Wir können mit aller Bestimmtheit annehmen, dass bei frühen Vorfahren dieser Thiere der sekundäre Gaumen median weit klaffte und dass die noch schwach entwickelten Gaumenfortsätze durch die Zunge ergänzt wurden, welche die Gaumenspalte überbrückte und dem Ductus naso-pharyngeus einen Boden lieferte. Diente in frühen Stadien der Gaumenbildung der ganze Mundhöhlenboden (Zunge) bis in die Gegend des Kehlkopfes zum Abschluss des Ductus naso- pharyngeus, so ist es selbstverständlich, dass nach Bildung eines vollständigen sekundären Gaumens der Kehlkopfeingang der Choane dicht angeschlossen liegt und daraus ergiebt sich dann die Möglich- keit einer speciellen Anpassung zwischen beiden, wie sie z. B. bei den Säugethieren eingetreten ist. Die wichtige Frage nach der Ent- stehung der Muskulatur des Säugethiergaumens wird hierdurch aller- dings nicht gefördert. In der Herstellung eines Ductus naso-pharyngeus und sekun- dären Gaumens spricht sich das’ Bedürfnis aus, die Respirationsluft unter Abschluss gegen die Mundspalte. durch die Nasenhöhle zu leiten, ein Bedürfnis, das auch bei den Amnioten besteht, die nicht, wie die Amphibien, ausschlieBlich auf diese Bahn angewiesen sind (s. o. pag. 313). Es findet seine Begründung in den Leistungen der Nasenhóhle. In ihr wird die Inspirationsluft von corpusculären Ver- unreinigungen befreit, die Aspiration von Fremdkörpern wird ver- mieden. Die Luft wird ferner beim Bestreichen der Schleimhaut der Nasenhóhle angefeuchtet und bei Warmblütern vorgewärmt. Endlich ist die Kontrolle der Athemluft dureh das bau o von wesentlicher Bedeutung. Sehr hochstehende Einrichtungen zur Sicherung der Nasen- | Kehlkopfbahn treten uns bereits bei den Sauropsiden entgegen. Unter den Lacertiliern sind hier die Seinciden zu nennen, ferner gehóren hierher einzelne Chelonier (z. B. Testudo) und die Krokodile, endlich allgemein die Vógel. Die scheinbare Unvollkommenheit ihres sekun- Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 351 diren Gaumens, das Bestehen einer Gaumenspalte, ergiebt sich viel- . mehr als eine Einrichtung von wichtiger physiologischer Bedeutung (pag. 347). Bei allen diesen Formen spielt aber noch die Zunge eine sehr wesentliche Rolle für die Choanen-Kehlkopfverbindung, indem sie zum Abschluss des Pharynx gegen die Mundhöhle verwendet werden kann. Den Sauropsidenzuständen gegenüber erscheinen die Einrich- tungen am Säugergaumen nicht als an und für sich höher stehend, sondern als eine ganz specialisirte, bestimmten Bedingungen ange- passte Weiterbildung. ^ Bereits in der vergleichenden Physiologie = Minne Epwarps’ ist die Bedeutung des muskulósen weichen Gau- "uu ‘ng eg i Z LAN NT zia S aaa a e tnn merit mens, dieses für die Säuger so charakteristischen Besitzes, als Schutz des Luftweges gegen die in der Mundhöhle ausgiebiger Zerkleinerung unterworfenen Nahrungstheile richtig gewürdigt. Im Gegensatz zu den psomophagen Reptilien sind die Sáuger, um GEGENBAUR sche Bezeiehnungen zu verwenden, poltophag. Die Zerkleinerung der Nahrung erfolgt bei den Säugern nicht . nur durch das dieser Leistung besonders angepasste Gebiss, sondern in nieht geringem Maße durch die muskulóse Zunge, welche gegen den harten mit horntragenden Leisten bewehrten Gaumen wirkt, dem entspricht auch die Ausstattung der Zunge mit mechanisch wirken- den Papillen (Papillae filiformes, fascieulatae, coronatae) oder mit Hornplatten, wie sie bei Ornithorhynchus bestehen. Für diese Thätigkeit wird die Zunge aber nur frei, wenn sie von ihrer Funk- tion für den Luftweg durch Ausbildung eines muskulösen weichen Gaumens entbunden wird. Die ausgiebigsten Bewegungen der Zunge können jetzt stattfinden ohne Lockerung des Abschlusses der Mund- höhle nach hinten zu; der weiche Gaumen erhält sich durch die Wirkung seiner Muskeln in Anlagerung an den Mundboden, der noch dazu bei Monotremen und einzelnen Placentaliern mit besonderen Faltenbildungen zur Vervollkommnung des Abschlusses ausgestattet ist (Plicae palatoepiglotticae). Eine weitere Besonderheit der Säugethiere, die sich aus ihrem poltophagen Zustand ergiebt, beruht auf der Paarigkeit des Speise- weges. Indem der Kehlkopfeingang, oralwärts beschirmt durch die mächtig entwickelte Epiglottis hinter dem freien Rand des Velum palatinum emporragt, werden die Ingesta gezwungen, dem Kehl- kopf auszuweichen und rechts und links von ihm den Weg zum : Osophagus einzuschlagen. Bei den Marsupialiern und Placentaliern empfängt dieser paarige 352 E. Göppert Speiseweg eine besondere Überdachung, die den Monotremen noch abgeht. Der Hinterrand des weichen Gaumens zieht sich hier jeder- seits in die Plicae palato-pharyngeae aus, die sich der Umrandung des Kehlkopfes anlegen und namentlich mit den seitlichen Theilen der Epiglottis zusammenwirken. Diese Plicae palato-pharyngeae bilden die letzte Errungenschaft unter den Einrichtungen zur Siche- rung des Luftweges. Der paarige Speiseweg besteht bei der Mehrzahl der Säuger und zwar auch bei den Monotremen und Marsupialiern und bietet bei seiner oft beträchtlichen Dehnbarkeit selbst für große Speiseballen oft noch genügend Platz (W. WALDEYER 1886). Bei anderen Arten werden dagegen offenbar die großen Bissen direkt über den Kehl- kopf hin geleitet. Aber auch dann noch schlagen flüssige oder halb- flüssige Massen den Weg zur Seite des Kehlkopfes ein (W. WALDEYER).! Der enge Anschluss des Larynx an die Choanen wird aufge- geben bei den Anthropoiden und beim Menschen (s. RÜCKERT) und | zwar geschieht dies unter den Vorgängen eines Descensus des Kehl- kopfes, der sich beim Menschen noch in der Ontogenese z. Th. wieder- holt, und unter hückbildungserscheinungen am Velum palatinum und an den Plicae palato-pharyngeae, denen Reduktionen der Epiglottis und ihrer Theile parallel gehen. Eine ausreichende Begründung dieser tiefgreifenden und für den Menschen im Besonderen so un- gemein wichtigen Erscheinungen seheint mir vor der Hand noeh zu fehlen. Heidelberg, den 15. Februar 1903. ! Am lüngsten ist die Einlagerung des Kehlkopfes in das Cavum pharyngo- nasale, sein Anschluss an die Choane bei den Cetaceen bekannt. (Angaben über die ältere Litteratur s. G. CUVIER [1835], MILNE Epwarps [1860], G. B. Howes [1889]. Neuere Darstellungen bei W. KÜKENTHAL [1893], B. Rawırz [1900] [mit Litteraturangaben], G. BONNINGHAUS [1902]. G. CUVIER schildert bereits außerdem für Pferd, Elefant, Kamel und andere Wiederkäuer die Lage des Kehlkopfes hinter dem weichen Gaumen und seinen Einschluss in den vom weichen Gaumen und Arcus palato-pharyngeus gebildeten Ring (1835). Eben so Mune Epwarps (1860). Die weite Verbreitung dieses Verhaltens bewies J. RÜCKERT (1882) und G. B. Howes (1889). Fernere Fortschritte un- serer Kenntnis verdanken wir W. WALDEYER (1886), dann C. GEGENBAUR (1892). Zu nennen sind noch J. SYMINGTON (1898) M. L. WALKER (1889), O. GROSSER (1900), G. BÖNNINGHAUS, G. KILLIAN (1888), R. ZANDER (1890), endlich meine 1894 und 1901 erschienenen Untersuchungen. Die Bedeutung der Zunge fiir den sekundiren Gaumen ete. 353 Litteratur. ~M. Bär, Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Physiologie der Athemwerk- zeuge bei den Vögeln. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. LXI. Jahrg. 96. Sırv. BAGLIONI, Der Athmungsmechanismus des Frosches. Archiv Anat. und Phys. Bd. XXIII. Suppl. 1900. | P. Bert, Lecons sur la physiologie comparée de la respiration. Paris 1870. G. BóNNiNGHAUS, Der Rachen von Phocaena communis Less. Eine biologische Studie. Zool. Jahrb. Abtheil. für Anat. und Ontogenie der Thiere. Bd. XVII. 1902. G. Born, Über die Nasenhöhle und den Thriinennasengang der Amphibien. Morphol. Jahrb. Bd. II. 1876. —— Die Nasenhóhlen und der Thrünennasengang der amnioten Wirbelthiere. Morphol. Jahrb. Bd. V. 1879. H. G. BRoNN, Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. 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Ap.n.int Apertura nasalis interna, Mand Mandibula, Cav.nas Cavum nasale, M.M mittlere Muschel, Ch Choane, Ös Ösophagus, Conch Concha, Pal sekundärer Gaumen, Cr Cricoid, Ph.F Pharynxfalten, D.nas.-ph Ductus naso-pharyngeus, P.-pt.k Palato-pterygoidkante, G.F Gaumenfortsatz (= Falte), R.W Riechwulst (obere Muschel), G.M Gaumenmittelfeld (Vomerpolster, S.F Grenzfalte des Choanengebietes, @.R Gaumenrinne, bei den Reptilien Lippenfalte Buscn’s, H Hyoid, Sept Septum narium, Jac JACOBSON'sches Organ, Sph.B Sphenoidbucht, J.Ch innere Choane, T Tubenmündung, K Kaumuskel, Tr Trachea, K.W Kaumuskelwulst, V.L Vomerleiste, Lar Larynx, V.M Vorhofs- (untere) Muschel. Ling Zunge, 2 N Fig. 1. Sphenodon. Mundhöhlendach nach Entfernung von Unterkiefer und Zunge etc. 1/1. Fig. 2. Platydactylus guttatus. Dach und Boden der Mundhöhle auf der rechten Seite von einander getrennt und aus einander geklappt, die einander entsprechenden Theile an Dach und Boden liegen nun in gleicher Höhe neben einander. 1,5/1. Fig. 3. Lacerta agilis. Dach und Boden der Mundhöhle. 3/1. Präparat wie zu Fig. 2. Fig. 4. Lacerta coerulea. Medianer Längsschnitt durch den Kopf. 3/1. Fig. 5. Lacerta coerulea. Querschnitt durch den Kopf caudal vom Mittelfeld des Gaumens (s. Fig. 3 G.M). Fig. 6. Euprepis sebae. Dach und Boden der Mundhöhle wie in Fig. 2. 2/1. Fig. 7. Cnemidophorus. Mundhöhlendach. 2/1. Fig. 8. Cnemidophorus. Querschnitt durch den Kopf caudal von der breitesten Stelle des Gaumenmittelfeldes (G.M), vgl. Fig. 7. Fig. 9. Amphisbaena. Mundhóhlendach und Boden. 3/1. Präparat wie in Fig. 2. a Erhebung neben der Zungenspitze. a’ entsprechende Ver- tiefung am Dach. Fig. 10a, b. Passer domesticus. Junges Thier. Dach und Boden der Mund- hóhle. 3/1. 5 Abdruck der vorderen Abgrenzung des Choanenfeldes am Zungenrücken. Fig. 11. Passer domesticus. Junges Thier. Querschnitt durch den Kopf in der Gegend des vorderen Theiles der Choanenspalte. 4/1. Fig. 12. Passer domesticus. Junges Thier. 3/1. Medianschnitt durch den Kopf. Ein Theil der Nasenscheidewand ist entfernt. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 13. 14. 15. 16. Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen ete. 359 Tetrao tetriz. Dach und Boden der Mundhöhle. 1,5/1. Präparat wie in Fig. 2. Tetrao tetrix. Querschnitt durch den Kopf in der Höhe der Pfeile in Fig. 13 und 15. 2,5/1. Tetrao tetrix. Medianschnitt durch den Kopf. 1,5/1. Die Nasen- scheidewand ist entfernt. Junger Raubvogel. Dach und Boden der Mundhöhle aus einander ge- : klappt wie in Fig. 2. 1,5/1. 17. 18. 19. 20 a 21. 22. 23. Falco tinnunculus. Medianschnitt durch den Kopf. Nasenscheidewand entfernt. 1,75/1. Columba. Mundhöhlendach und Boden aus einander geklappt wie in Fig. 2. 1,5/1. Columba. Medianschnitt durch den Kopf. Nasenscheidewand ent- fernt. 2/1. und 5. Columba. Querschnitte durch den Kopf. 3/1. a durch den vorderen engen, 4 durch den weiten Theil der Choane. Gans. Medianschnitt durch den Kopf. 1/1. Nasenscheidewand ent- fernt. N Durchblick durch die äußere Nasenöffnung. Os.entogl Os entoglossum. a hinterer Zungenwulst. Ardea cinerea. Dach und Boden der Mundhöhle. 1/1. a Verdickung des Choanenrandes, a’ ihre entsprechende Vertiefung am Zungenrücken. b gezähnelte Leiste in. der Umgebung der Choane. / mediane, /' la- terale Leiste am Oberschnabel. Struthio camelus. Mundhöhlendach und Boden aus einander geklappt wie in Fig. 2. a Abgrenzung des Choanengebietes. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. Von Karl Fürbringer, cand. med. Mit Tafel XVI—XVIII. Einleitung. Die vorliegenden Untersuchungen wurden im Wintersemester 1901/1902 und Sommersemester 1902 auf dem anatomischen Institut zu Heidelberg ausgeführt. | Den Anlass dazu gab die Lektüre des GEGENBAUR' schen Werkes: »Das Kopfskelet der Selachier, ein Beitrag zur Erkenntnis der Ge- nese des Kopfskelets der Wirbelthiere«, Leipzig 1872, welche den Wunsch entstehen ließ, die hier beschriebenen Verhältnisse aus eigenem Augenschein kennen zu lernen. Vom Direktor des anatomischen In- stituts, Professor M. FÜRBRINGER, wurde mir das dazu nóthige Ma- terial zur Verfügung gestellt. Ferner verdanke ich Herrn Professor Fr. MAURER in Jena die Möglichkeit, ein wohl erhaltenes Exemplar von Chlamydoselachus untersuchen zu kónnen. Herr Professor BRAUS in Heidelberg überlieB mir einen von ihm im Frühjahr 1902 in Mes- sina gefangenen Echinorhinus und einen Alopecias zur Untersuchung und gestattete mir die Benutzung seiner Serien von Spinax-Embryonen. Es ist mir eine angenehme Pflicht, den genannten Herren für diese Unterstützung meiner Untersuchungen meinen besten Dank auszu- sprechen. Wie bei einem Voruntersucher wie GEGENBAUR zu erwarten war, ergaben meine Beobachtungen großentheils nur Bestátigungen seiner Befunde, die zu veröffentlichen nicht der Mühe werth ist. Da mir aber auch einige Arten zur Verfügung standen, welche GEGENBAUR EET Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 361 nicht untersuchen konnte, da ferner gerade bei den Selachiern die = individuellen Variirungen nicht geringe sind, so fanden sich auch +J einige neue Resultate, die selbstverständlich nur eine ganz beschei- dene Nachlese zu GEGENBAUR’s Werk bedeuten, vielleicht aber doch von einigem Interesse sein dürften. Da die Untersuchungen nicht in einer bestimmten Absicht unter- nommen wurden, vielmehr nur das, was sich gerade fand, hier mit- getheilt wird, konnten die Fragen, auf die ich stieß, nur in den wenigsten Fällen mit Sicherheit gelöst werden. Es kommt hinzu, dass gerade diese Fragen naturgemäß die wegen ihrer Schwierigkeit noch ungelösten und strittigen Punkte betrafen. Nur nackte That- sachen ohne jeden Versuch einer Erklärung mitzutheilen, lag nicht in meiner Absicht, ich habe in allen Fällen wenigstens nach einer solchen gestrebt. In vielen konnte jedoch nur auf die Möglich- keiten der Deutung hingewiesen werden, da für eine Entscheidung weitgreifendere Untersuchungen an einem viel größeren, namentlich auch embryonalen Materiale nöthig gewesen wären. Bis ein solches, naturgemäß nicht leicht und nicht in kurzer Zeit zu beschaffendes Material vorliegt, möge man den mitgetheilten Erklärungsversuchen, die meistens nicht mehr sein wollen als bloBe Fragen oder beschei- denste Anfänge zu einer Deutung, ein provisorisches Dasein gestatten. Auf die Muskulatur ging ich nicht näher ein. So weit meine Untersuchung derselben reichte, konnte ich meist nur die Resultate der bekannten Arbeiten VETTER’s, T1ESING’s, G. Ruge’s und M. Für- BRINGER's bestätigen. Das untersuchte Material bestand aus folgenden Thieren: A. Selachii. I. Notidanidae. Heptanchus cinereus Cuv., Hexanchus griseus Cuv. II. Chlamydoselachidae. Chlamydoselachus anguineus Garmant. ! Diese von DÖDERLEIN zuerst gefangene Art wird bekanntlich hinsicht- lich ihrer systematischen Stellung sehr verschieden beurtheilt. GÜNTHER, 1886, ZITTEL, 1895, A. FRITSCH, 1895, reihen sie den Notidaniden an. Andere trennen ‘Sie gänzlich von diesen (s. namentlich COPE, 1884, GARMAN, 1885, DÖDERLEIN, 1889, R6sE, 1894, JAEKEL, 1895) Nur über seine sehr primitive Bildung herrseht mit wenigen Ausnahmen (DEAN?) wohl Einstimmigkeit. 362 Karl Fiirbringer III. Spinacidae. Centrophorus granulosus Bl. Schn., Spinax niger Bonap., Acanthias vulgaris Risso, Seymnus lichia Cuv., Laemargus borealis Müll. Henle, Echinorhinus spinosus Blainv., Centrina salviani Risso. IV. Cestraciontidae. Cestracion philippi Bl. Schn. B. Holocephali. Chimaera monstrosa L., Callorhynchus antarcticus Lacep. Es beschrankte sich somit im Wesentlichen auf die als die pri- mitiveren Formen der Haie angesprochenen Gattungen. Vereinzelte Beobachtungen an höheren Haien und Rochen werden unten auf den betreffenden Seiten gelegentlich mitgetheilt. Aus meinen Befunden wähle ich zunächst diejenigen aus, welche mir die Untersuchung des Visceralskelets, speciell der Lippenknorpel, des Mandibularbogens nebst Spritzlochknorpeln, des Hyoidbogens, der Elemente zwischen Mandibular- und Hyoidbogen, sowie zwischen Hy- oidbogen und 1. Kiemenbogen, der Kiemenbogen, der Kiemenstrahlen und äußeren Bogen des Hyoidbogens und der Kiemenbogen ergab. Da es sich um die erste Arbeit eines Anfängers handelt, darf derselbe den Leser wohl um freundliche Nachsicht bitten. 1. Lippenknorpel. Ich beginne die Darstellung mit denjenigen Skelettheilen, die noch vor dem Mandibularbogen gelegen, bald als prämandibulare Bogen, bald als Gebilde anderer Art gedeutet wurden, mit den Lippenknorpeln. Die Lippenknorpel wurden, nachdem schon Cuvier, KUHL, Srannius und JOHANNES MÜLLER, Letzterer in etwas ausführlicherer Weise, von ihnen gehandelt hatten, zum ersten Mal 1872 von GEGENBAUR einer eingehenden vergleichenden Untersuchung unter- zogen. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 363 Fast simmtliche von GEGENBAUR untersuchten Squaliden be- saßen Lippenknorpel. Nur gerade ein Vertreter der primitiven No- tidaniden, Heptanchus cinereus, schien. keinen solchen zu besitzen; GEGENBAUR und VETTER konnten wenigstens keinen nachweisen. Auch HUXLEY giebt bei einem von ihm untersuchten Embryo keinen an, eben so wenig HASWELL bei Heptanchus indicus. Immerhin war dieses scheinbar sichere Fehlen der Lippenknorpel bei einer einzigen Gattung noch zu erklüren, ohne dass man sich auf — den Boden der Theorie JOHANNES MÜLLER's, 1835, pag. 133—139, dass — die Labialia accessorische Gebilde darstellten, die nicht im Bauplane des Thieres begriffen seien, zu stellen brauchte. Doch schien dieser Theorie neues Leben zugeführt zu werden, als GARMAN im Jahre 1884 mit der Entdeckung von Chlamydoselachus anguineus, einen neuen Selachier, und zwar eine uralte und primitive, in mancher Beziehung den Notidaniden nahestehende Form, ans Licht geför- dert zu haben schien, die auch der Labialia entbehrte. Wenigstens schrieb er in seiner Monographie (1885, pag. 9): »Labial cartilages at the angle of the mouth and along the jaws have not been found.« Auch die Untersuchungen JAEKEL’s, der bei den Pleuracanthiden ein Fehlen der Lippenknorpel konstatirte (1895, pag. 71), schienen dieser Annahme giinstig zu sein. Mochte man sich auch noch nach wie vor gegenüber der Ansicht Jom. MÜLLERSs, die in neuerer Zeit in HuxLEvy, 1873, pag. 111 und Huprecat, 1878, pag. 57 Verfechter fand (auch O. JAEKEL? giebt sich 1896, pag. 120 als Anhänger dieser Ansicht zu erkennen), reservirt verhalten, so musste doch im gün- stigsten Falle das Ansehen der Familie der Notidaniden? hinsicht- lieh ihrer primitiven Stellung, die noch jüngst in Zweifel gezogen wurde, wenigstens in Bezug auf die Labialia eine starke Einbuße erfahren. Meine Untersuchungen ergaben nun sowohl bei Heptanchus wie ! bei Chlamydoselachus die Existenz von Lippenknorpeln, wo- mit zugleich dargethan wurde, dass es bezüglich dieser Skelettheile — sich nieht um accessorische und wichtigen Abtheilungen fehlende, ‚sondern um typische, allen bekannten lebenden Haien zukommende - ba 1 Auch bei Zygaena vermisste GEGENBAUR Lippenknorpel. Er hat jedoch, = wie es scheint, nur ein Exemplar untersucht, so dass noch nicht ausgemacht - ist, ob hier nicht etwa nur eine individuelle Variation vorlag. 2 Über JaEREr’s spätere Stellung zu dieser Frage siehe weiter unten. .3 Nach GUNTHER’s Eintheilung. Mir scheint es richtiger, Chlamydoselachus, _ wie dies von Anderen geschah, von den Notidaniden zu trennen. Morpholog. Jahrbuch. 31. 24 364 | Karl Fürbringer Gebilde handelt. Bei den Pleuracanthiden wies O. JAEKEL, wie er- wühnt, im Gegensatz zu Ant. FRITSCH + auf das Fehlen von Lippen- knorpeln hin. Wenn nun die von C. Röse und O. JAEKEL 1895 pag. 78 u. f. angenommene Verwandtschaft zwischen Chlamydose- lachus und den Pleuracanthiden wirklich besteht, so wird man an- gesichts der Auffindung von Lippenknorpeln bei Chlamydoselachus dem Fehlen derselben bei den verwandten Pleuracanthiden keine so groBe Bedeutung zumessen, wie dies JAEKEL 1895 that. Denn, wenn wir bei den Pleuracanthiden einen ganzen Kiemen- bogen von Chlamydoselachus? ausgefallen finden, so kénnen wir es uns sehr wohl erklären, dass auch Rudimente verschwanden. Diese Rückbildung kann möglicherweise durch das weite Öffnen des Maules hervorgerufen worden sein. Siehe auch O. JAEKEL »über die Organi- sation der Petalodonten« 1899 pag. 269. Diese Arbeit ist auch in so fern von Wichtigkeit, als hier bei einem paläozoischen Selachier mit Sicherheit Lippenknorpel nachgewiesen wurden (siehe Taf. XV Fig. 1). | | Bei Heptanchus cinereus fand ich einen Knorpel, der auf Taf. XVII Fig. 12 abgebildet ist. Ich konnte ihn bei sämmtlichen sieben untersuchten Exemplaren in annähernd gleichförmiger Beschaffenheit, etwa an die Gestalt eines Füllhorns erinnernd, nachweisen. Er ist in das den Palatoquadratknorpel bedeckende Bindegewebe eingebettet, theilweise auch einem dünnen Muskel, auf den ich noch zu sprechen kommen werde, aufgelagert. Bemerkenswerth ist, dass dieser Knorpel gerade bei dem größten etwa 1m langen Exemplare nur als ein ganz winziges linsenförmiges Körperchen, das sich aber bei mikroskopi- scher Untersuchung als typischer hyaliner Selachierknorpel erwies, vertreten war. Dies liefert vielleicht auch die Erklärung dafür, dass andere Untersucher ihn nicht fanden?. Seine Deutung als hinteren 1 Fritscu (Fauna der Gaskohle. II. Bd. 1889) giebt an, er habe bei Orth- acanthus bohemieus Fr. zwei Lippenknorpel gefunden, und bildet sie auf Taf. 89 Fig. 1 ab. Da das Exemplar ein ziemlich schlecht erhaltenes zu sein scheint, so dass es nicht auszuschließen ist, dass diese Gebilde erst sekundär in ihre Lagerung bei dem Palatoquadratum gekommen sein möchten, dürfte diese Deutung als eine noch äußerst ungesicherte anzusehen sein. Auch die Gestalt und Lage dieser Gebilde weichen von der üblichen stark ab. 2 Nach KokEN und JAEKEL haben die Pleuraeanthiden nur fünf Kiemen- bogen gegenüber der Angabe FnrTSCH's, sie hätten sieben. 3 POLLARD giebt 1894, pag. 399 an, dass SAGEMEHL einen kleinen Knorpel, den er bei Heptanchus zwischen den Enden der Palatoquadrata fand, als La- bialknorpel gedeutet habe. Dies ist durchaus nicht zutreffend, denn SAGEMEHL Beitrage zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 365 oberen Labialknorpel kann ich nicht aus dem Nervenverlauf, sondern nur aus der Thatsache, dass der vordere bei den Squaliden häufiger degenerirt, begründen. Spuren eines zweiten oberen oder unteren konnte ich nicht nachweisen. — Ob man bei erneuter Unter- suchung von Heptanchus indicus Lippenknorpel nachweisen würde, muss ich dahingestellt sein lassen, doch scheint es bei der Konstanz, die diese Gebilde bei Heptanchus cinereus zeigen, nicht ausge- schlossen. Die Lippenknorpel von Chlamydoselachus sind auf Fig. 1 Taf. XVI abgebildet, es sind ein unterer (L’) und zwei obere (L, L'), von denen der hintere mit dem unteren in der Höhe des Kiefergelenkes gelenkig verbunden ist. Am unteren, der wohl alle bisher bekannten an relativer Länge bedeutend übertrifft, inseriren am vorderen Theile der oberen Kante später zu besprechende Mus- kelziige. Von den beiden oberen, die dem Muskel fest angeheftet sind, ist der vordere durch ein Ligament (in Fig. 1 sind nur die beiden Enden abgebildet) mit der Crista praeorbitalis an deren Über- gang in den Präorbitalfortsatz hinten verbunden. Der Vollständigkeit halber wurde auch Hexanchus griseus auf seine Labialknorpel hin untersucht. Die beiden von GEGENBAUR abgebildeten Knorpel wurden zu einem verschmolzen aufgefunden, eine Verwachsungsnaht ließ sich nicht nachweisen; die Gestalt wich etwas von der von GEGENBAUR gegebenen ab. Einen unteren, von dem MECKEL spricht, vermisste auch ich. Bezüglich der Familie der Spinaciden kann ich die Angaben GEGENBAUR's für Centrophorus, Scymnus und Acanthias im Allge- meinen bestätigen. Bei der Deutung des oberen Knorpels von Spinax niger, bei dem ich, wie STANNIUS und GEGENBAUR, auch nur zwei Knorpel fand t, hat gerade selber 1885 auf pag. 100 und 101 auf die Gründe hingewiesen, die den von ihm gefundenen Knorpel nicht als Labialknorpel auffassen lassen. PoLLARD’s Widerlegung ist also nur auf ein Missverständnis zurückzuführen- Man kann diesen Knorpel, den SAGEMEHL übrigens auch bei Carcharias nach- _ wies, vielleicht als Verknorpelung des Bandes zwischen beiden Palatoquadrat- stücken oder als Unterlage für die dort in der Mediane angehäuften Zähne betrachten. 1 In unmittelbarer Nähe des oberen Lippenknorpels, und zwar etwas ven- tral von diesem gelegen, fand ich auf Sagittalsehnitten eines Spinax-Embryos "bedeutende Verdiehtungen des embryonalen Stützgewebes, die auf beginnende (abortive) Knorpelbildung hindeuten. Es wäre möglich, dass wir hier den letzten Rest eines zweiten oberen, seiner Lage nach vorderen Labialknorpels 24* 366 Karl Fiirbringer giebt GEGENBAUR an, dass bei einer Riickbildung der Knorpel die- selbe häufiger den hinteren betrüfe. Dem kann ich — wenigstens für Chlamydoselachus und die Spinaciden, die ich daraufhin genauer untersuchte — nicht folgen. Bei Chlamydoselachus treffen wir den vorderen oberen Knorpel recht rudimentär an, weniger in Be- zug auf seine Flächenausdehnung, in der er jedoch keineswegs dem zweiten oberen gleich kommt, als vielmehr auf seine Masse hin. Bei den Spinaciden finden wir das Verhältnis für diesen Knorpel noch ungünstiger. Man sehe die Fig. 1 auf Taf. XI des GEGENBAUR- schen Werkes an, wo bei Seymnus lichia der vordere obere Knorpel nur einen kleinen Bruchtheil des oberen hinteren ausmacht. Bei Echinorhinus (siehe meine Fig. 13 Taf. XVII) konnte ich diesen Knorpel in ähnlich geringer Ausdehnung nachweisen. Bei Laemar- gus wurde durch WHITE, dessen Angaben ich bestätigen kann (seine Knorpel weichen von denen meines Exemplars nur unbedeutend ab), der vordere auch in geringerer Ausdehnung angetroffen. Bei Centrophorus calceus (siehe GEGENBAUR's Fig. 1 Taf. XII) ist der vordere etwas unbedeutender, bei Centrophorus granulosus (s. meine Fig. 2 Taf. XVI) ist das Verhältnis noch ungünstiger. Hier ergaben sieh mir die Knorpel von einigermaßen verschiedener Ge- staltung gegenüber denen von Centrophorus calceus (vergleiche meine Figur mit der erwähnten GEGENBAUR’s). Während bei C. calceus beide Knorpel ihre Konvexität nach oben haben, ist diese bei C. granulosus nach unten gerichtet. Der obere hintere Knorpel erinnert bei letzterem in seiner Lage einigermaBen an den oberen von Spinax niger, wor- auf gleich noch zurückzukommen sein wird. Noch kleiner wird der vordere Knorpel bei Acanthias, wo er bei GEGENBAUR's Exemplaren sogar nur die halbe Lánge des hinteren erreichte. Bei Centrina salviani (Fig. 3 Taf. XVI) gelang es mir, einen vorderen Knorpel (L) aufzufinden, der dem hinteren (Z’) an Größe annähernd gleich ist; bei anderen Exemplaren scheint aber ein oberer Knorpel (wohl der vordere wie bei anderen Spinaciden) so rudimentür geworden zu sein, dass er bisher übersehen wurde; wenigstens giebt CUVIER im Ganzen nur zwei an. Die Angabe Jon. MÜLLER's, dass Carus drei solcher Knorpel gefunden habe, beruht, wie GEGENBAUR nachwies, auf einem hätten. Da ich aber keine anderen Stadien untersuchte, möchte ich mich fürs Erste eines Urtheils enthalten, wenngleich die Angabe Jon. MÜLLER’s (»Myxi- noiden. 1534. pag. 134«), er habe bei mehreren Spinax drei Knorpel, von denen der vordere obere nicht bis zum Mundwinkel reicht (wenn nicht eine Verwech- selung mit einem anderen Haie vorliegt), meiner Ansicht günstig ist. come PACIPIS UP DA IUS soe eee oe se ART ibus S Roe Ceo oet "A adt vw Beitriige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 367 Irrthum, indem Carus und Orro 1827, Carus 1834 bei einem Scymnus, . den sie als Squalus Centrina bezeichneten, drei Lippenknorpel auf- fanden!. | | Bei Seymnus fand ich die vorderen Labialknorpel der Mediane viel mehr genähert als bei GEGENBAUR’s Exemplar, so dass sie fast zusammenstießen. Eine knorpelige Masse am Rande des Oberkiefers, von der POLLARD spricht und für möglich hält, dass sie einen dritten oberen Labialknorpel vorstelle, muss ich für mein Exemplar in Ab- rede stellen. Ein ähnliches Gebilde wurde auch bei keinem anderen Hai beobachtet. Dagegen fand ich am unteren Rande der Mandibel einen Knorpel (Taf. XVI Fig. 10 x), den man allenfalls als einen zweiten unteren ansehen könnte; doch ist mir eine andere Deutung, auf die ich später zurückkommen will, um Vieles wahrscheinlicher. Von Echinorhinus spinosus waren die Knorpel noch nicht beschrieben, JACKSON und CLARKE wiesen nur auf ihr Vorhandensein hin; ich bilde sie auf Taf. XVII Fig. 13 ab. Der hintere obere (Z/) stellt einen ziemlich geraden, schräg nach oben und vorn ziehenden drehrunden Stab vor; er lagert auf dem Muskel und ist in der Höhe des Kiefer- gelenkes mit dem unteren (7/) verbunden. Letzterer zieht, allmählich flacher werdend, nach vorn und hinten, wobei er auf der Mandibel gelegen ist; an seinem Ende inseriren Muskelzüge. Direkt in seiner Verlängerung findet sich noch ein sehr kleines Knorpelehen (auf der . Figur nicht sichtbar, weil vom Muskel bedeckt), welches ich seiner Lage nach nur als das Relikt einer früheren größeren Ausdehnung des _ unteren Knorpels, nicht etwa als einen zweiten unteren deuten möchte. Der vordere obere (Z) repräsentirt eine ziemlich flache Platte. ` Wir sehen also, dass die Familie der Spinaciden mit ihren Sümmtliehen Vertretern, eben so wie Chlamydoselachus, der Angabe GEGENBAUR’s keine Stütze giebt. Dagegen kann ich bestätigen, dass für Haie aus anderen Familien, z. B. für Galeus und Scyllium, eben so für Pristiurus (bei dem ich den vorderen Knorpel sogar in noch größerer Ausbildung antraf, als GEGENBAUR's Fig. 6 Taf. XVI zeigt), GEGENBAUR’s Angabe Gültigkeit besitzt. Diese anderen, höher - stehenden Familien angehórenden Haie können aber nicht zur Er- klirung der Verhältnisse des primitiveren Spinax angeführt werden. 1 Ob Jom. MÜLLER, wenn er angiebt, er habe drei Knorpel bei Centrina gefunden, damit Centrina salviani oder wie die vorgenannten Untersucher Seymnus meint, kann ich nieht entscheiden; doch scheint mir letztere Annahme = wahrscheinlicher, da er bei einer Untersuchung von Centrina salviani die be- . deutende Abweichung von der Figur von Carus hätte wahrnehmen müssen. 368 Karl Fiirbringer Als zweiten Grund für seine Deutung des Knorpels führt GEGEN- BAUR an, dass derselbe in seiner Lage mit dem vorderen von Ce- stracion und Seymnus große Übereinstimmung zeige. Dies ist aller- dings der Fall; doch scheint mir der Werth dieser Übereinstimmung . dadurch bedeutend geschmälert zu sein, dass gerade bei Scymnus und Cestracion der vordere Knorpel in einer nicht gewöhnlichen Rückbildung angetroffen wird. Es erscheint mir daher — namentlich auch Angesiehts der Thatsache, dass die Lage des hinteren oberen Lippenknorpels von Centrophorus granulosus von der von Spinax nicht allzuweit abweieht — auch in dieser Hinsicht die Deutung des oberen Knorpels als eines vorderen durchaus noch nicht gesichert. Von anderen Haien untersuchte ich nur noch zwei Vertreter der Lamniden, die GEGENBAUR nicht in den Bereich seiner Be- trachtungen gezogen hatte, Odontaspis americanus und Alopecias vulpes. Bei Odontaspis konnte ich bei meinem Exemplar nur zwei Labialia, ein oberes und ein unteres, naehweisen. Dass dieser Befund aber nieht typisch für die Lamniden ist, lehrte Alopecias, bei dem ich, wie bei den Spinaciden, zwei obere fand, von denen auch der vordere dem hinteren bedeutend an GróBe nachsteht. Bei Mustelus konnte ich, im Gegensatz zu MECKEL, JoH. MÜLLER und GEGENBAUR, an einem Exemplar von Mustelus equestris Bp. der Palermitaner zoologischen Sammlung, deren Benutzung mir Herr Prof. RAFFAELE gütigst gestattete, drei Lippenknorpel beobachten. Zur Kenntnis der Lippenknorpel der Rochen kann ich nur wenig hinzufügen. Bekanntlich nahm man nach den Untersuchungen MEckEL’s und Jom. MÜLLER’s an, dass die Lippenknorpel den Rochen im Allgemeinen fremd sind. Jom. MÜLLER konnte solche nur bei Rhinoptera nachweisen, HENLE zeigte schon vorher, dass sie bei Nar- cine vorhanden seien. Erst GEGENBAUR 1872 wies auf eine weitere Verbreitung bei den Rochen hin. Er beschrieb, eine frühere An- gabe CuviERS, die von Jom. MÜLLER bekämpft worden war, be- stätigend, zwei Labialknorpel im Nasenvorhang von Raja (Taf. XVI Fig. 7) und zeigte, dass ein an gleicher Stelle bei Myliobatis und Rhinoptera gelegener Knorpel, den JoH. MÜLLER anders gedeutet hatte, einen Lippenknorpel vorstelle. Es kommen somit Rhinoptera, wo schon JoH. MÜLLER zwei Knorpel am Mundwinkel gefunden hatte, wie den Haien, drei Lippen- knorpel zu. Bei Trygon deutet GEGENBAUR einen unpaaren Knorpel (Taf. XI Fig 4 Z) als versehmolzene Labialia. Waren somit, namentlich durch GEGENBAUR's Untersuchungen, of Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 369 die Lippenknorpel für die Familien der Rajiden, Trygoniden und | = Myliobatiden nachgewiesen, so galt doch noch die Angabe MECKEL’s und Jon. MÜLLER’s für das Fehlen der Knorpel bei den Rhinobatiden und Torpediniden. GEGENBAUR, der Rhynchobatus untersuchte, bildet keine Lippen- knorpel bei diesem ab und erwähnt auch im Text keine. Ich konnte bei Rhynchobatus djeddensis einen nachweisen. Er stellt eine Spange dar, die quer über den Mundwinkel hinwegzieht (siehe Taf. XVI Fig.5 Z), wobei sie zum größeren Theile dem Palatoqua- dratum aufliegt. Ob dieser Knorpel einen oberen oder einen unteren oder zwei verwachsene Lippenknorpel darstellt, kann ich nicht ent- scheiden. Leider stand mir Rhinobatus nicht zur Verfügung. Von den Torpediniden giebt GEGENBAUR wie JOH. MÜLLER das Fehlen von Lippenknorpeln an. Ich fand zwischen den beiden Nasenkapseln gelegen einen unpaaren Knorpelstab (siehe Taf. XVI Fig. 6 L?). Es dürfte zunächst fast absurd erscheinen, diesen als Rudi- ment von Labialknorpeln deuten zu wollen. Aber Angesichts einer Beobachtung, die ich bei dem Myliobatiden Myliobatis aquila! machte, scheint eine solche Erklärung doch nicht ganz ausgeschlossen zu sein. Bei Myliobatis hatte Jon. MULLER einen Knorpel v (seiner Fig. 13 A Taf. IX) als Rudiment des Rostralknorpels gedeutet, GEGEN- BAUR (pag. 96) widerlegt diese Anschauung, setzt aber keine andere Deutung an ihre Stelle. Bei meinem Exemplar nun hatte der Knorpel eine Gestalt (Taf. XVII Fig. 14 Z?), die von der Jon. MÜLLER’s ab- weieht und bedeutend der des von GEGENBAUR bei Trygon als Labial- knorpel gedeuteten Stückes Z (Fig. 4 Taf. XI) ähnelt?. Der einzige Untersehied wire der, dass bei Myliobatis die Verwachsung der beider- seitigen Knorpel schon weiter vorgeschritten ist. Noch einen Schritt weiter hat die Verwachsung bei Torpedo gemacht, aus den beiden Labialknorpeln ist ein unpaarer Knorpelstab geworden. Eine solehe Er- _ klürung der erwähnten Knorpel bietet andererseits manche Schwierig- = keiten. Bei Rhinoptera nämlich, wo ohnehin schon drei Lippen- 5 knorpel sind, findet sich auch ein ihnen homologes Skeletgebilde; wir müssten dann für diesen Selachier vier Labialia annehmen, was sonst 1 Bei Myliobatis bovina fand ich ein gleiches Verhalten. 2 Diese Deutung findet eine Unterstützung in einem Befunde, den HASWELL (1884, pag. 103 und 104, Plate II Fig. 14) bei Urolophus machte. Hier sah er - Zwischen den Nasenkörperchen zwei Knorpelhörner, die nur proximalwärts durch eine kleine Knorpelbrücke verbunden waren. Man kann hierin wohl ein Ubergangsstadium von den Verhältnissen bei Raja zu denen von Trygon sehen. 370 Karl Fiirbringer nirgends beobachtet wurde, oder einen Zerfall eines Knorpels in zwei postuliren. Dem gleichen Einwand würden wir bei Myliobatis, dem schon ein oberer Labialknorpel (Z’) in der Nasenklappe zukommt, be- gegnen, wenn der Knorpel F (GEGENBAUR's Fig. 6 Taf. IX) einen Lippenknorpel (nach seiner Lagerung am Palatoquadratum einen oberen) vorstellte. Doch erhebt GEGENBAUR gegen eine solche Deu- tung selber Einwände (pag. 219). Ich muss somit die Frage nach der Natur dieser Knorpel offen lassen. Von einer weiteren Untersuchung dieser Gebilde bei den Rochen wurde Abstand genommen, da schon GEGENBAUR zeigte, dass bei einer so einseitig differenzirten Gruppe, wie die der Rochen, auch diese Gebilde in eine ganz einseitige, über die Herkunft dieser Ele- mente keine Aufklärung gebende Ausbildung gedrängt wurden. Dagegen musste bei den Holocephalen, die ja, wie es wahr- scheinlich gemacht worden ist, vielleicht mit den Selachiern gleiche Stammeseltern besitzen, der letztere Grund wegfallen. Die Lippen- knorpel bei beiden Holocephalen erfuhren bereits eine genaue Un- tersuchung. Callorhynchus wurde von MÜLLER (»Myxinoiden«, pag. 138 Taf. V Fig. 2) so genau beschrieben und abgebildet, dass 1877 A. A. W. HuBREcHT in seinem »Beitrag zur Kenntnis des Kopfskelets der Holocephalen« dessen Angaben im Wesentlichen bestätigen konnte. Bei Chimaera wurden uns diese Gebilde durch die ausgezeichneten Untersuchungen HUBREcHT's (1877) näher bekannt, während sich ROSENTHAL’s ältere Angaben als äußerst ungenau erwiesen (siehe HUBRECHT). Fast gleichzeitig mit HuBRECHT beschrieb B. VETTER (1877) diese Knorpel bei Chimaera, jedoch nicht so eingehend. Be- züglich der Deutung gelangte er zu Ansichten, die nur in einem Punkte von denen HuBREcHT’s abwichen. Diese betreffen den bei HuBRECHT (Taf. XVII Figg. 2 und 3) mit g, bei VETTER (Taf. XII Fig. 1) mit Z bezeichneten Knorpel. Husrecut deutete ihn, wie schon Jon. MÜLLER bei Callorhynehus, als unteren paarigen Schnau- zenknorpel, während ihn VETTER als oberen vorderen Lippenknorpel betrachtete. Ich möchte mich, wie ich überhaupt der ganzen Homo- logisirung des präcranialen Knorpelapparates von HUBRECHT zustimme, für dessen Deutung als Schnauzenknorpel entscheiden. Als vorderen oberen Lippenknorpel sieht HuUBRECHT sowohl bei Callorhynchus wie bei Chimaera den Knorpel e seiner Figg. 1—3 an. Dieser hatte bei zwei von mir untersuchten Exemplaren von Chimaera eine andere Gestalt, indem er aus zwei von bg ausgehenden differenten Knorpel-. stäbchen bestand, die sich erst an ihrem Ende mit einander ver- | : q Beitriige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 371 banden; ein dritter, bedeutend kleinerer lag im Bindegewebe, das sieh zwischen diesem und dem Knorpel m von Huprecur hinzieht. - Ich wage bei unserer Unkenntnis der Ontogenie jener Gebilde bei den Holocephalen aus diesem Befunde keine Schlüsse zu ziehen und will fürs Erste noch die Deutung Husrecur’s beibehalten, da ich keine andere gesicherte ihr an die Seite stellen kann. Die von HusRECHT wie von VETTER als zweites oberes und unteres ange- sehenen Knorpelchen (c und d von Husrecut’s Figuren) zeigten bei mir ein Übergangsstadium zwischen den von beiden Autoren ange- — troffenen Zuständen, indem die Trennung eine viel weitergehende — wie bei HuBRECHT war, jedoch noch nicht zu einer vollständigen Scheidung wie bei VETTER geführt hatte. Wenden wir uns nun zu dem von Jon. MÜLLER als unterer unpaarer Lippenknorpel gedeuteten Skelettheil von HuBRECHT, s0 ist zu bemerken, dass in dessen Deutung alle Autoren übereinstimmen. Es handelt sich nur darum, ob man die mediane Vereinigung als eine sekundär erworbene oder primär vorhandene auffassen soll. Die Beziehungen dieser unteren Knorpel von Callorhynchus zu ^ denen von Chimaera wurden 1897 von M. FÜRBRINGER (pag. 434) einer Diskussion unterworfen. Mag man nun den Zusammenhang der unteren Labialia bei Callorhynchus als einen primitiven oder mit HunsRECHT und M. FÜRBRINGER als einen sekundär erworbenen auf- fassen; so viel steht jedenfalls fest, dass bei Chimaera eine weitgehende _ Rüekbildung eintrat, wie uns die von SOLGER entdeckten isolirt ge- legenen Knorpelstiickchen, deren Homologie mit dem unpaaren von Callorhynchus von SoLGER vermuthet, von HuBRECHT bewiesen wurde, anzeigen. Im Gegensatz hierzu trat eine Rüekbildung bei Callorhyn- chus in dem Mafe nicht ein, im Gegentheil vielleicht eine hóhere Entfaltung. Noch einen Augenblick möchte ich bei der Deutung des kleinen Knorpelchen Z der HusBRECHT'schen Fig. 3 verweilen. HuB- RECHT konnte dasselbe nur bei Chimaera nachweisen; auch ich kann sein Fehlen bei Callorhynchus bestátigen. Bei Chimaera zeigte es bei meinen beiden Exemplaren eine einigermaßen verschiedene Ge- Stalt, indem es an seinem oberen lateralen Theil als ganz schmaler Knorpelstab sich darstellte, dagegen am ventralen unteren Theil zu einer festgewachsenen Platte verbreitert war. Mit dieser Gestalt er- innert es bedeutend an den Fortsatz 9 der GEGENBAUR'schen Fig. 2 Taf. XVI von Cestracion. Ich halte es für möglich, dass in der That dieses Knorpelehen dem Fortsatz ¢ entspricht und durch die bedeutende Entfaltung von Fortsatz w (siehe Husprecut, Fig. 3) 372 Karl Fiirbringer gezwungen wurde, sieh vom Knorpel fg, den ich nicht wie HuBRECHT nur mit dem Fortsatz 8, sondern mit der ganzen lateralen Knorpel- spange der Selachier homologisiren möchte, abzugliedern. Es würde sich auf diese Weise auch das Fehlen des Knorpelchens bei Callo- rhynehus auf ungezwungene Weise erklären, indem bei diesem die noch stärker vorhandene laterale Entfaltung vom Fortsatz eine schon frühere Abgliederung und somit einen Verlust des abgegliederten Stückes herbeigeführt hätte. Doch wage ich diese Vermuthung nur mit allem Vorbehalt wiederzugeben, da wir ohne die Kenntnis der Embryologie hier nichts Sicheres aussagen können. Außer diesen prämandibularen Knorpelgebilden fand ich bei Callorhynchus, nicht aber bei Chimaera, noch einen feinen unpaaren medianen Knorpelstab, der von der medianen Verbindungsstelle der Labialia nach dem Kieferbogen hinzog (siehe Fig. 4 Taf. XVI x) und dessen Deutung Schwierigkeiten darbietet. An dreierlei kann ge- dacht werden. Erstens an eine Abgliederung von einem der benach- barten Stücke; da die Spange mit keinem derselben in Zusammen- hang steht, ist sie höchst unwahrscheinlich und außerdem durch nichts nachweisbar. Zweitens könnte man denken an eine sekundäre Knorpelbildung in der Raphe des Muskels; dieselbe besitzt nirgends ein Analogon und hat auch keine innere Wahrscheinlichkeit. End- lich an den Rest einer Copula zwischen Labialbogen und Kiefer- bogen; dieser Deutung neige ich per exclusionem zu und finde in der alle Selachier übertreffenden hohen Ausbildung resp. geringen Rück- bildung der Labialknorpel von Callorhynchus eine Stütze für diese Ansicht, die ich übrigens mit der größten Vorsicht und mit allem Vorbehalte aufstellen möchte. Sollte sie sich bewahrheiten, so wäre damit eine nicht ganz unwichtige Instanz für die Deutung der Lippen- knorpel als Visceralbogen gegeben. Bezüglich der Herkunft und Deutung der Labialknorpel sagt schon GEGENBAUR (1872, pag. 222): »Über die Deutung dieser Skelettheile hat seit ihrer ersten Beachtung eine außerordentliche Ver- schiedenheit der Meinungen obgewaltet. Cuvier erklärte sie für typi- sche Theile des Skelets und fasste den vorderen der beiden oberen als Prämaxillare auf, den hinteren oberen als Maxillare. J. MULLER da- gegen betrachtete die Labialknorpel als ‚nicht zum allgemeinen Plan sehörende Skelettheile‘. Er leitete dies aus ihrem Variiren ab und stellte sie ‚in eine Kategorie mit den Rüsselknochen der Säuge- thiere, den Penisknochen, den Kiemendeckelknochen der Fische, den Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 373 Beutelknochen, den Zwerchfellknochen und den Herzknochen ete. also mit größtentheils accessorischen Bildungen‘.« Von diesen An- sichten konnte GEGENBAUR die CuvIER’s, welche jedoch nicht auf die Herkunft einging, unterstiitzen, dagegen widerlegte er in iiberzeugen- der Weise die von JOH. MÜLLER, deren Wahrscheinliehkeit von HUXLEY nieht bestritten worden war. In der Folge jedoch fand diese Theorie unter Anderen in HuxLey, 1873, pag. 111, HUBRECHT und JAEKEL (siehe oben) wieder Anhänger. Ich selbst konnte dagegen im Vor- _ gehenden noch weitere die Annahme GEGENBAURS von der allge- meinen Verbreitung der Labialia stützende Befunde mittheilen. GEGENBAUR stellte zugleich 1872 eine neue Hypothese auf, die er auf pag. 227—230 in ausführlicher und glanzender Weise begrün- dete 1. Diese Hypothese, welche in. den Lippenknorpeln die Rudi- mente ehemaliger prämandibularer Viseeralbogen sah, wurde in der Folge von der Mehrzahl der Autoren angenommen. Die Ansicht W. K. Parker’s, dass die Lippenknorpel in eine Kategorie mit den äußeren Kiemenbogen gehörten (1876 pag. 212) und gar nichts mit dem inneren Skelet zu thun hátten (pag. 232), wesshalb er für beide den Namen »extraviscerals« vorsehlug, dürfte keiner besonderen = Widerlegung bedürfen. BALFOUR sprach dagegen 1882 die Vermu- thung aus, sie möchten vielleicht die Reste der Organe eines Saug- mundes vorstellen, den er den Vorfahren der Vertebraten zuschrieb. Diese MuthmaBung fand 1894 eine eingehendere Behandlung in der geistreichen Arbeit H. B. PoLLARD's über »The Oral cirri of Siluroids and the Origin of the Head in Vertebrates«. Während spätere Unter- sucher, wie M. FÜRBRINGER 1897 und O. JAEKEL? 1899, noch auf dem Boden der GEGENBAUR'schen Hypothese von 1872 stehen, re- . ferirt GEGENBAUR selbst in seiner vergleichenden Anatomie von 1898, Bd. I, pag. 364 die Ergebnisse von POLLARD’s Arbeit und sagt pag. 335: »Ob die Labialknorpel den Visceralbogen homodyname Theile sind oder nieht, ist nicht zu entscheiden.« Meine Untersuchungen an den Squaliden, Holocephalen und Myxine ergaben in manchen Punkten andere Resultate als die m 1 Sie ist eine Modifikation seiner schon 1871 ausgesprochenen Ansicht, dass die Lippenknorpel Kiemenbogen darstellten. 2 In seinen beiden Arbeiten aus diesem Jahre tritt JAEKEL entschieden für die Visceralbogennatur der Labialia ein (über seine frühere Ansicht siehe oben). Ob seine Auffassung, das Stück a’ seiner Fig. 1 pag. 252 stelle mit den _ drei Labialknorpeln recenter Selachier zusammen einen Visceralbogen vor, riehtig ist, künnen erst weitere Untersuchungen lehren. 374 Karl Fiirbringer PoLLARD’s', so dass ich diesem fürs Erste noch nicht zustimmen kann, wenn er sagt: »The labials of Selachii are then easily shown to be premaxillary, maxillary and coronoid tentacles.« Doch wiirde es hier zu weit führen, die Bedenken?, die sich mir gegen POLLARD’s Anschauung ergaben, zu entwickeln und zu begründen, da sie haupt- sächlich die Muskulatur und Innervation betreffen und die eingehende Würdigung der Verhältnisse bei den drei anderen Fischklassen nöthig machen. Ob freilich die Hypothese GEGENBAUR’s in der von ihm 1872 aufgestellten Form bestehen kann, lässt sich nicht bestimmt sagen. Es ist nicht ganz unmöglich, dass die Labialknorpel von den Organen eines ehemaligen mit Cirren versehenen Mundes ganz allgemein ähn- lich demjenigen, wie ihn noch jetzt Amphioxus zeigt, herzuleiten sind. Dies würde sich den PoLLARp’schen Anschauungen nähern, aber sich nicht mit ihnen decken. Er versuchte die besprochenen Knorpel- gebilde der gnathostomen Fische von den Tentakeln der Myxinoiden herzuleiten. Selbst wenn man die Homologie dieser Gebilde, die mir vorerst zum mindesten für die Selachier noch durchaus nicht bewiesen scheint, zugeben würde, so wäre doch noch sehr die Frage, welche Gebilde sich mehr von der ursprünglichen Gestalt entfernt hätten, die Labialknorpel der unter natürlichen Lebensbedingungen frei schwimmenden Selachier oder die Tentakeln der durch para- sitäre Lebensweise in eine ganz einseitige Ausbildung gedrängten Myxinoiden?, welche diese vom Plane der Fische sich so entfremden ließ, dass selbst die Ansicht geäußert werden konnte, sie stellten 1 Über seine Behauptung, auch der Kieferbogen sei von solchen präoralen Skeletelementen abzuleiten und es sei irrig, ihn als Visceralbogen zu deuten, siehe schon GEGENBAUR, 1898, pag. 365. 2 Siehe auch DEAN, 1895, pag. 64. 3 Dieser einseitige Rückbildungsprocess wurde bekanntlich von zahlreichen Autoren, auf deren einzelne Nachweise hier nicht einzugehen ist, erkannt und an verschiedenen Organen dargethan. Ich selbst traf bei einem Exemplar von Myxine Verhältnisse an, die auf eine solche Rückbildung des Skelets hinweisen. Ich fand die auf Fig. 30 Taf. XVIII abgebildeten Knorpelchen z; sie liegen in der Verlängerung der als dritter Visceralbogen gedeuteten Knorpelspange, die PARKER fälschlich auf seinen Figuren weglässt, und sind als Rudimente von deren Zusammenhang mit dem Cranium zu deuten. Denn man kann unmög- lich annehmen, dass sie sich in dieser Lage selbständig neugebildet hätten, während die meisten anderen Organe des Thieres in Rückbildung begriffen waren. Auf pag. 416 seiner vergleichenden Anatomie spricht GEGENBAUR die Ansicht aus, dass das Kiemenskelet vom Kopfe ausgegangen sei. Eine Be- stätigung hierfür erblickt er (unter Anderem) in dem noch bei Myxine vorhan- denen kontinuirlichen Zusammenhang mit dem Kopfe. Die eben geschilderten Verhältnisse scheinen dieser Ansicht günstig zu sein. Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 375 — rüekgebildete Amphibien vor. Diesem zuletzt erwähnten Ableitungs- versuche vermag ich nicht zu folgen. Es sei mir aber erlaubt, hier . auf einige Möglichkeiten der Herleitung der Lippenknorpel wenigstens - hinzuweisen, ohne mich bei dem Mangel eingehenderer vergleichender Untersuchung dieser Gebilde bei den Ganoiden, Dipnoern und Teleo- stiern für die eine oder andere zu entscheiden. Wenn man mit BALFOUR, POLLARD, GEGENBAUR u. v. A. der Ansieht ist, dass die Vorfahren der uns bekannten Vertebraten ein Cirrenskelet! besessen haben, so kónnte man annehmen, dass dieses bei den Myxinoiden zu den Tentakeln umgebildet wurde; E ist eine solche Homologisirung fürs Erste durch nichts beweis- ar. Es wäre vielmehr auch nicht ganz ausgeschlossen, dass die E der Myxinoiden, bei deren parasitärem Charakter derselben Se hildancen sind. Zum mindesten ist es äußerst fraglich, ob diese — Tentakeln, die ja auch bei hocbentwickelten Teleostiern und Ganoiden . vorkommen, irgend welche Ähnlichkeiten in ihrer Zahl und Anord- nung mit einem etwaigen primären Cirrenskelet hatten; die voll- kommen abweichenden Verhältnisse bei Palaeospondylus mahnen zur Vorsicht. Auch wenn man mit DEAN und Anderen der Degeneration bei den Myxinoiden keinen so großen Umfang zugesteht, darf man doch die Tentakeln der Myxinoiden nicht als typisch für die Cyclo- stomen ansehen. So sagt DEAN, 1895, pag. 64: »Variations in the number, shape and function of the cartilages and function of the | Redilaces of the mouth rim of Cyclostomes might well have occurred within the limits of this ancient group.« Da demnach die bei dieser . Klasse erfolgten Um- und Rückbildungen? fürs Erste durchaus nicht gestatten, hier primitive Verhältnisse zu sehen, so muss man vor- _ läufig von einer Ableitung der Lippenknorpel der Gnathostomen von den Tentakeln der Myxinoiden, wie sie durch POLLARD geschah, ganz absehen. Man kann hóchstens eine ganz allgemeine Beziehung zwischen ersteren und dem Cirrenskelet annehmen. Ob nun diese darin besteht, dass bei der Weiterbildung primitiver Typen zu den f t Ob dieses dem von Amphioxus ähnlich war, können wir nicht wissen. Die Stellung der Ostracodermen ist eine noch ganz ungesicherte (siehe DEAN und - Y. ZITTEL). ? Wenn diese vielleicht auch nicht so weit geht, wie manche Forscher annehmen, besteht sie doch für manche Organe sicher, so z. B. gerade am - Visceralskelet (siehe oben). Auch besonders das Mundskelet musste in Folge der bei den Myxinoiden bestehenden Form des Parasitismus in erster Linie eine Umgestaltung erfahren, und es ist daher durchaus noch nieht ausgemacht, ob nicht etwa die Tentakeln sekundäre Bildungen sind. 376 Karl Fiirbringer Gnathostomen das Cirrenskelet sich einfach in das Skelet der Mandi- | bularbogen und der Labialbogen umformte, oder ob es, wie GEGEN- BAUR annimmt, bei bedeutender Ausbildung des Mandibularbogens, an dessen ursprünglicher Visceralbogennatur wohl mit Recht nicht zu — zweifeln ist, zu Grunde ging, kann beim jetzigen Stand unserer Kennt- nisse nicht sicher entschieden werden. Am wenigsten Wahrsehein- liehkeit dürfte der ersten Annahme zukommen. Aber auch der letztereh gegenüber muss auf die Móglichkeit hingewiesen werden, dass überhaupt das ganze präorale Skelet mit der kräftigen Entfaltung des Visceralskelets zu Grunde gegangen ware und so auch der Labialbogen einen primären Visceralbogen im Sinne von GEGEN- BAURS Ansicht von 1872 vorstellte, der erst später ebenso wie die anderen Visceralbogen gegen den Kieferbogen zurücktrat, als dieser dureh seine engeren Beziehungen zum Cranium für das Erhaschen der Beute der geeignetste wurde. Mit diesen Ausführungen würde sieh am besten das Faktum in Einklang bringen lassen, dass immer der hintere obere Knorpel mit dem unteren artikulirt. Wir müssten dem Zufall ein äußerst weites Feld überlassen, wenn er es immer so gefügt haben sollte, dass zwei Tentakeln sich naeh Art eines Bogens zusammenlegten, nicht nur bei den Squaliden, sondern auch bei den Holocephalen. Bei letzteren befände sich auch die eventuelle Copula mit der letzterwähnten Annahme im Einklang (s. pag. 372). Auch bei den Teleostiern scheinen die gleichen Verhältnisse in manchen Fallen gewahrt zu sein. Schon GEGENBAUR, 1898, pag. 357, weist darauf hin, dass in Fallen von protraktilem Mund das den Maxillarknochen mit dem Unterkiefer verbindende Band in der hegel sehr stark sei, lisst es aber dahingestellt, ob man sich dieses Band etwa aus dem unteren Lippenknorpel der Selachier hervorgegangen denken dürfe. Ein Befuud nun, der sich mir bei Gadus aeglefinus, den mir Herr Prof. R. HERTWIG gütigst zur Verfügung stellte, ergab, scheint mir zu Gunsten dieser Annahme zu sprechen. Ich konnte näm- lich hier in dem Theil des Ligamentes (Zz), der an dem Dentale an- setzt, einen Knorpel nachweisen (Taf. XVII Fig. 15 L’?). Derselbe ist zu einem Theil von hyaliner Beschaffenheit und steht auch in Theilen, wo er es nicht ist, dem hyalinen näher, als z. B. der Knorpel der Kiemenstrahlen. Es dürfte sich nun das Bestehen dieses Knorpels auf ungezwungenere Weise erklären lassen, wenn man annimmt, dass er den Rest des unteren Labialknorpels vorstelle, der an der Stelle erhalten blieb, wo er am wenigsten biegsam sein musste, als wenn man erst den Labialknorpel verschwinden lässt, dann genau I ree pcm poem ee Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 377 an seiner Stelle ein Ligament auftreten lässt und dieses nun wiede- = rum verknorpeln lässt. Eine Stiitze fiir diese Ansicht liefert auch der Umstand, dass ich den vorderen Lippenknorpel, auf dem sich das Prämaxillare bildet, noch in einem nicht unbedeutenden Rudiment vertreten fand (Fig. 15 Z), das genau dieselbe histologische Beschaffenheit! zeigte, wie der Knorpel an der Mandibel. Auch an der Ansatzstelle des Bandes am Maxillare fand ich ein kleines Knorpelchen, welches wohl entweder als Rudiment des hinteren oberen Lippenknorpels zu deuten ist, oder auch als oberer Rest des unteren Lippenknorpels, der sich hier in der Nähe des Maxillare, wo er nicht biegsam zu sein brauchte, als Knorpel erhielt (wie am Ansatz an der Mandibel), - während er in der Zwischenstrecke sich in ein allen Bewegungen leicht folgendes Band umwandelte. Auf Fig. 15 Taf. XVII sieht man, dass die Stellung, die der vordere obere Lippenknorpel mit seinem Belegstück der Prämaxilla, die Maxilla, und das theilweise aus Knorpel bestehende Band ein- nehmen, genau der der Labialknorpel 2 der Squaliden entspricht. Diese Auffassung der Stellung des Prämaxillare und Maxillare, obwohl die Gadiden keine sehr alte Familie repräsentiren, scheint mir auch gestützt zu werden durch die allgemeine Verbreitung einer ähnlichen Anordnung in allen Ordnungen, nicht nur der Teleostier, sondern auch der Ganoiden. Wenn wir die Prämaxilla manchmal nicht mehr ganz in der parallelen Lage vor der Maxilla finden, so kann das nicht auffällig sein, da wir schon bei: den Selachiern den ihr (nach GEGENBAUR) zu Grunde liegenden Knorpel in wechseln- dem Verhalten antrafen; die Lage vor der Maxilla bleibt jedoch immer erhalten. Ich zähle die verschiedenen Ordnungen der Ganoi- den und Teleostier nach ZITTEL auf und nenne je ein Beispiel, wo ‘sich die ursprüngliche Lage noch erhalten hat. Ganoiden. Crossopterygier: Rhizodopsis; bei Polypterus scheint naeh van Wisme (1882, Taf. XV Fig. 6) auch noch der untere vor- 1 Durch diese hyaline Beschaffenheit zeigen diese Knorpel auch histo- logisch eine größere Verwandtschaft zu den hyalinen Labialknorpeln der Se- = lachier, als die nur in den seltensten Fällen hyalinen Tentakelknorpel der . Siluroiden. 2 Da es mir nicht möglich war, weitere Untersuchungen an Teleostiern vorzunehmen und mir auch die Ontogenese jener Gebilde bei Gadus unbekannt ist, kann ich indessen die Deutung als Lippenknorpel nicht mit Sicherheit geben. 378 Karl Fiirbringer handen zu sein. — Chondrostei: Acipenser — Heterocerci: Gyrodus. — Lepidostei: a) Saurodontidae: Pholidophorus, Macrose- mius; b) Rhynehodontidae: Aspidorhynchus. — Amioidei: Amia. | Teleostei. Physostomi: Leptolepis, Salmo, Perea. — Physo- elysti: Gadus. In simmtlichen Ordnungen der Ganoiden und Teleostier finden wir demnach Vertreter, die die Maxilla in der Lage des hinteren oberen Lippenknorpels der Selachier zeigen. Es war demnach, falls Cuvier’s und GEGENBAURS wohl von der Mehrzahl der Forscher getheilte Ansicht, dass die Maxilla sich auf dem hinteren oberen Lippenknorpel gebildet hat, richtig ist, schon bei den Vorfahren aller dieser Ganoiden und Teleostier ein Knorpel vorhanden, der die Lage des hinteren Labialknorpels hatte. Stellen wir ihn uns als den — oberen Theil eines Bogens dar, dessen unteres Glied (das wir ja bei den Selachiern oft sehr rudimentir, z. Th. Heptanchus, Hexanchus, oder auch gar nicht vorfinden) nicht von einem Deckknochen umfasst wurde, so können wir uns diese konstante Lage erklären. Nehmen wir dagegen an, dass er ein Tentakel gewesen sei, so ist nicht ein- zusehen, wie dieser sich in einer zu keiner Funktion geeigneten Lage so konstant erhalten konnte. Schon die isolirten oberen Lippen- knorpel, die der Batoiden, und den vorderen oberen der Squaliden, sehen wir in die verschiedensten Lagen treten. Von einem Vergleich mit den Lippenknorpeln der Dipnoer muss ich hier absehen, da mir noch keine eigenen Untersuchungen zu Gebote stehen, und die bisherigen Deutungen recht stark von ein- ander differiren. Es scheinen jedoch bei Lepidosiren und Protopterus recht primitive (z. Th. in mancher Beziehung an Callorhynchus er- innernde) Verhältnisse zu bestehen. RucE’s Fig. 29 (1897, pag. 276) zufolge scheinen auch hier am Mundwinkel, wie bei den Selachiern, ein oberer und unterer Lippenknorpel zusammenzustoßen. Bei Cera- todus sind die Knorpel stark rudimentär. i Aus allen diesen Erörterungen scheint mir hervorzugehen, dass sich das Problem der Herkunft dieser Knorpelgebilde bei dem jetzigen Stand unserer Kenntnis nicht sicher lösen lässt und dass der erwähnte Ausspruch GEGENBAUR’s: »Ob die Labialknorpel den Visceralbogen homodyname Theile sind oder nicht, ist nicht zu entscheiden« noch gilt. Die Untersuchung der ausgewachsenen Selachier und Holocephalen wird schwerlich im Stande sein, entscheidende Argumente beizubringen. Aus der Muskulatur der Squaliden und Holocephalen, von der POLLARD viel erhoffte, ergaben sich mir keine Anhaltspunkte Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 379 . für oder wider. Bei den Squaliden wurden bisher noch keine Muskeln gefunden, die sich zu den Lippenknorpeln begeben. Bei . sammtlichen von mir untersuchten Species lagen die oder der obere Labialknorpel dem von VETTER als Levator labii superioris! 1 Es sei zu diesem Muskel noch Folgendes bemerkt. Wie schon erwühnt, wurde er zum ersten Male bei den Haien von Srannius 1849 beschrieben (eventuell für die Rochen von CuvieR-DUMERIL 1836—1840). STANNIUS giebt bei Spinax eine Innervation durch den dritten Ast des Trigeminus an. GEGEN- BAUR erwühnt 1871 nur, dass bei Hexanchus ein platter cylindrischer Muskel, welchen er nieht bezeichnet, der aber meiner Untersuchung zufolge der Levator labii superioris ist, zur Ethmoidalregion gelange; über seine Innervation giebt er nichts an. Nun kam 1874 VETTER und beschrieb für Seymnus und Acanthias — eine Innervation durch den zweiten Ast des Trigeminus; eine gleiche Innerva- tion geben JACKSON und CLARKE 1876 für Echinorhinus spinosus an. In Gegensatz hierzu behauptete 1895 Tesine für Mustelus und eine Anzahl Rochen eine Innervation durch den dritten Ast des Trigeminus. Bei einer solchen Divergenz der Meinungen schien es mir nicht uninteressant, die Innervation dieses Muskels an einer größeren Anzahl von Species festzustellen. Ich konnte Tıesıng’s Angabe vollkommen bestätigen, sowohl bei Chlamydoselachus wie bei Hexanehus. Hier, eben so wie bei den von VETTER selbst untersuchten - Spinaciden Scymnus und Acanthias, konnte ich eine Innervation durch den dritten Ast des Trigeminus beobachten, eben so auch gegenüber den An- gaben von JACKSON und CLARKE für Echinorhinus. Auch bei den anderen Spinaciden fand sich die gleiche Innervation. Somit dürfte TrEesmrNG durchgehends vollkommen Recht haben, wenn er sagt: »VETTER's Ableitung resp. Identificirung mit einem dem M. levator maxillae superioris homodynamen und vom zweiten Trigeminusast versorgten Muskel verliert hiermit auch ihre Wahrscheinlichkeit.< Der M. levator labii superioris reiht sich somit, wie TIEsınG kurz vorher sagt, dem System der Levatores resp. Constrictores im Trigeminusgebiet an. Für diese Ansicht seheint mir namentlich auch das Verhalten dieses Muskels in seiner Beziehung zum Adductor mandibulae bei Chlamydoselachus zu sprechen. Bei diesem sehen wir namlich (Fig. 1 Taf. XVI) die Muskelfasern des Adductor, den ich wenigstens hier in seinen oberflichlichen Partien geneigt bin, als Constrictortheil aufzu- fassen (auf die Gründe wird weiter unten eingegangen werden), bis sehr weit nach vorn hin ihren Ansatz nehmen. Je weiter proximal sie entspringen, desto mehr nähert sich ihre Verlaufsrichtung der des Levator labii superioris, bis sie ‚schließlich die gleiche Richtung haben und nur schwierig von diesen zu unter- ‚scheiden sind. Wir sehen somit hier bei diesem primitiven Selachier den uskel in einfachster und urspriinglichster Lage und Gestalt. Seine starke ifferenzirung bei den Rochen hat TrEsiNG eingehend als eine sekundäre nach- gewiesen. : à Es sei hier noch bemerkt, dass es mir auch glückte, den Muskel bei Heptanchus, wo ihn VETTER vermisst hatte, am Sehüdelflossenknorpel sich anheftend nachzuweisen (Fig. 12 Taf. XVII. Daraufhin bin ich auch ge- neigt, diesen Knorpel als eine Abgliederung vom Priorbitalfortsatz, an welehem der Muskel auch bei anderen Haien meist entspringt, zu deuten, nicht aber als Morpholog. Jahrbuch. 31. 25 Zu Naran 380 Karl Fürbringer gedeuteten Muskel auf, mit ihm, wenigstens beim Ausgewachsenen, nur durch Bindegewebe verbunden. Auch bei Spinax, für den STANNIUS eine Insertion des Muskels am oberen Labialknorpel be- hauptete!, finde ich eine solche nicht. Ich vermochte nur bei zwei Vertretern Muskeln nachzuweisen, die wirklich an ihnen An- satz nehmen, nämlich bei Chlamydoselachus und Echinorhinus. Bei Chlamydoselachus (Fig. 1 Taf. XVI) ist es der spindelförmige Muskel (Pr.a.o), der, vom oberen Rande des proximalen Stückes des unteren Lippenknorpels entspringend, sich mit einer flachen Sehne am vorderen Theile der Mandibel anheftet. Da Theile von ihm nicht am Lippenknorpel inseriren, sondern sich zum Adductor fortsetzen und seine Innervation durch den Trigeminus inframaxillaris geschieht, wage ich nicht, ihn als besonderen Muskel abzutrennen; er scheint mir vielmehr nur wie der Levator labii superioris eine Portion des in den Adductor übergegangenen Constrietortheils zu sein. Bei Echi- norhinus (Fig. 13 Taf. XVII) ist diese Beziehung noch deutlicher. Hier setzen sich Muskelzüge, die noch in unmittelbarem Zusammen- hang mit dem Adductor mandibulae stehen, an das untere Ende des unteren Lippenknorpels an. Die Lippenknorpelmuskulatur bei Callo- rhynchus zeigt im Allgemeinen ein ähnliches Verhalten wie die von Chimaera, nur ist sie komplieirter gestaltet. Ich verzichte an dieser Stelle auf ihre genauere Beschreibung. Auch an die Ontogenese dieser Gebilde bei den Selachiern knüpfe ich keine großen Hoffnungen. Die Untersuchung an meh- reren Serien von Spinax-Embryonen zeigte mir, dass die Knorpel, wenn sie deutlich sichtbar werden, bereits im Großen und Ganzen die Gestalt wie bei den ausgewachsenen Thieren besitzen 2. einen weiteren oberen Lippenknorpel. Wie man auf der Fig. 12 Taf. XVII sieht, ist der Muskel, den ich bei sämmtlichen Exemplaren von Heptanchus vorfand, äußerst unbedeutend. Ob man hieraus und aus der Thatsache, dass ja auch der Lippenknorpel bei Heptanchus so klein ist, während der Muskel bei an- deren Haien mit größeren Knorpeln mächtiger ist, auf eine Parallelität zwischen diesen Bildungen schließen darf, ist mir fraglich. Durch VETTER geschah es; indessen scheinen mir die Befunde an anderen Haien und Rochen dieser An- nahme sehr wenig günstig zu sein. 1 STANNIUS spricht, wie alle späteren Untersucher, nur von einem oberen Labialknorpel, nicht von mehreren, wie POLLARD irrthümlich angiebt. 2 Dem Umstand, dass die Knorpelbildung von Z/ und Z” nicht als einheit- liches Stück zu erfolgen scheint, sondern dass man eine Verbindung der oberen mit der unteren Knorpelanlage erst sekundär beobachten kann, dürfte keine Bedeutung zuzuschreiben sein, da es sich hier um Gebilde handelt, die wir in allen Stadien der Rückbildung treffen. | Am ehesten wire noch an die Ontogenese derjenigen Knorpelfische zu denken, die wie z. B. Seymnus, Chimaera und namentlich Cal- lorhynchus durch ein hoch und voluminös entfaltetes Lippenknorpel- skelet ausgezeichnet sind 1. Im Übrigen müssen wir unsere Hoffnung auf die Paläonto- logie setzen. Auf das Material, welches diese bisher hierzu geliefert hat, wurde schon oben eingegangen. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 381 A A I 5 E T 2. Mandibularbogen und Spritzlochknorpel. a. Mandibularbogen. Die Untersuchung ergab gegenüber den von GEGENBAUR bei den anderen Spinaciden festgestellten Thatsachen bei den beiden von ihm nicht untersuchten Gattungen Centrina und Echinorhinus so wenig Bemerkenswerthes, dass ich auf ihre Beschreibung verzichten kann. Bei Laemargus fand ich eben so wie WHITE eine »Copula«? zwiscnen den beiden Mandibeln, vermisste sie dagegen bei den mir zur Verfügung stehenden Exemplaren von Hexanchus (wo WHITE sie an dem von ihm untersuchten nachgewiesen). Eben so wenig gelang - es mir, eine solche bei Heptanchus, Scymnus, Spinax, Centrophorus, - Aeanthias, Centrina und Echinorhinus aufzufinden. Dagegen glückte 3 es mir, eine solche allerdings von äußerst geringer Größe bei Chlamy- doselachus nachzuweisen (Fig. 11 Taf. XVI) Ich erblicke in dem i Vorkommen bei drei sehr tiefstehenden Selachiern (Chlamydoselachus, Hexanchus individuell, Laemargus) ein günstiges Moment für die von GEGENBAUR behauptete, aber von anderer Seite (POLLARD) bezweifelte - Viseeralbogennatur des Mandibularbogens. 2 Bei einer Anzahl von Haien, Spinax und Laemargus, in ge- wissem Maße auch bei Centrophorus und Scymnus, beobachtete ich EIN Hr m PIPOTOR t 1 In der Angabe von SEWERTZOFF (1899, pag. 414), dass sich die Lippen- knorpel später anlegten wie die anderen Visceralbögen, sehe ich keinen Beweis gegen ihre Visceralbogennatur, sie legen sich später an, weil sie um Vieles kleiner'sind. Die Angabe SEWERTZOFF's spricht also weder für noch wider. Im selben Jahre konnte C. K. HOFFMANN (pag. 346—348) embryologische Be- funde, die für die Visceralbogennatur der Lippenknorpel sprechen, mittheilen, indem er eine ventrale Verlängerung des »ersten palingenetischen Somites« nach- wies und daran GEGENBAUR's Hypothese stützende Erérterungen knüpfte. 2 Ob diese Copula in ihrer Genese sich gleich verhilt wie diejenigen der Kiemenbogen, muss dahingestellt bleiben. Schon das Verhalten der Zungenbein- copula zeigt manche Abweichungen. 25* 389 Karl Fürbringer an den Kiefern flache Einbuchtungen zur Aufnahme der Lip- penknorpel, so wie sie auch bei Janassa, einem paläozoischen Pe- talodonten, von JAEKEL nachgewiesen wurden. Dourn, dessen Angabe zufolge der Kieferbogen aus zwei diffe- renten Visceralbogen, dem Ober- und Unterkieferbogen, sich ge- bildet haben soll (1885, pag. 31), hat sich gegen die Deutung dieses Bogens durch GEGENBAUR als eines einheitlichen hauptsächlich auf Grund seiner Untersuchungen der Muskulatur gewendet. Zu seinen Ausführungen über den Levator maxillae supe- rioris (1885, pag. 30) möchte ich auf Grund eigener Untersuchungen Folgendes bemerken. Bei Chlamydoselachus und Echinorhinus (Fig. 1 Taf. XVI und Fig. 13 Taf. XVII) erstreckt sich der Levator maxillae superioris (Lev.maz) bis weit nach vorn hin zum Palatinum. Auch bei Heptanchus findet sich eine bedeutende Ausdehnung pro- ximalwärts. Es gilt also für diese primitiven Haie nicht der Ausspruch DoHRN's (1885, pag. 30): »Wir sahen, dass der Levator maxillae superioris an der Stelle des Schädels ruhig sitzen blieb..., dass aber seine Insertion, die am dorsalen Theile des Kieferbogens hätte erfolgen müssen, an der Innenseite des untersten Theiles des oberen Mittelstiicks, nämlich des Quadratum, erfolgt.« Dass diese Insertion nieht immer an der Innenseite erfolgt, dafür liefert gerade der pri- mitive Chlamydoselachus! den Beweis; hier tritt der Muskel in seinem caudalen Theile über die ganze obere Flache des Palato- quadratum und inserirt erst an dessen Außenrand (Taf. XVI Fig. 1). - Von dem Adduetor mandibulae sagt Dourn (1888, pag. 44) auf Grund seiner ontogenetischen Resultate: »Hieraus folgt, dass man viel mehr Recht haben würde, den Kaumuskel als Stück des Constrietor zu betrachten, wenn nicht überhaupt ganz andere Ver- hältnisse als wirksam gedacht werden müssten, die zu dieser auf- fallenden Bildung geführt haben.« Als ein solches Verhältnis führt er dann an, dass die Fasern der distalen Partie nicht direkt von dem Oberkiefer auf den Unterkiefer übergreifen, vielmehr an einer dazwischen gelegenen Fascie inserirten (siehe seine Taf. II Fig. 4). Ich habe diese Fascie des Adductor mandibulae (Add.md, im Be- reiche der bogenförmigen Linie x) auch bei verschiedenen ausgewach- senen Haien beobachtet, z. B. Chlamydoselachus (Fig. 1 Taf. XVI). Sie 1 Bei diesem Selachier ist eine Sonderung dieses Levator palatoquadrati in einen Levator maxillae superioris und einen Constrictor superficialis d. 1., wie sie VETTER von Heptanchus beschreibt, nicht eingetreten. Auch bei an- deren Squaliden, z. B. Echinorhinus, vermisste ich sie, wie beide Theile ja ` auch bei Heptanchus unscharf gesondert sind. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 383 A i ergiebt sich aber deutlich als eine sekundäre Sonderung, die sich ge- bildet hat, um móglichst viele Muskelbündel auf einer kurzen Strecke zum Ansatz kommen zu lassen. Bei Chlamydoselachus stellt sich die Fascie fast wie das Centrum eines Kreises dar, von dem nach allen Seiten radial Muskelfasern ausstrahlen. Dass dadureh viel mehr Muskelfasern auf gleichem Raume wirken können, als wenn - wir diese einander parallel ohne Unterbrechung vom Palatoquadratum ‘zur Mandibel ziehend hätten, liegt auf der Hand. Es steht nun im Einklang mit dieser Anschauung der Umstand, dass sieh diese Fascie _ besonders schön ausgebildet findet bei Formen, die in Folge ihrer weit eaudalwürts sieh erstreckenden Mundspalte für die Entfaltung des Bauches des Adduetor nur geringen Raum erübrigten, so dass eine bedeutende Raumókonomie nóthig wurde. Ein gutes Beispiel hierfür . ist neben Chlamydoselachus der auch mit einer sehr langen Mund- spalte versehene Heptanchus. Hier ist jedoch (s. VETTER Taf. XIV . Fig. 1 resp. meine Fig. 12 Taf. XVII) diese Fascie, die die Muskel- — fasern aufnimmt, in gánzlich verschiedener Ausbildung und Lagerung 1 gezenüber der von Chlamydoselachus vorhanden, so dass sich zeigt, dass es sich bei diesen Fascien nieht um Gebilde von tieferer mor- phologischer Bedeutung, sondern um sekundäre funktionelle An- passungen (zum Zwecke der Raumersparnis) handelt. Wo eine solche - nieht vonnóthen war, sehen wir sie in der That auch fehlen. Dies trifft sich z. B. für die mit einer minder distalwürts ausgedehnten Mundspalte versehenen Spinaciden Acanthias und Seymnus (siehe VETTER Taf. XIV Fig. 3); hier ziehen die Muskelfasern in ununter- brochenem Verlaufe und einander parallel über die Mundspalte. . Dass man diese Fascien als einen sekundären Erwerb aufzufassen hat, dafür scheinen mir auch die Befunde Dourn’s selbst zu sprechen, denn er sagt, man finde diese Fascie an späteren Stadien. Da sie später erworben wurde, legt sie sich eben auch später an. Ferner sieht man an DounwN's Fig. 4 Taf. II zur Evidenz, dass diese Fascie - pur in der oberflächlichen Partie aufgetreten ist, während die tiefer liegende mediale, für die Fragen der Raumökonomie weniger in Be- tracht kommende Muskelportion ununterbrochen verläuft. Diesen un- unterbrochenen Verlauf tieferer, d. h. medialer Fasern konnte ich auch beim ausgewachsenen Hai, z. B. Chlamydoselachus und Echinorhinus t, 3 1 Bei Echinorhinus hat übrigens auch der Ursprung des Adductor man- dibulae ein sehr prägnantes Relief hervorgerufen, indem er an dem Quadratum eine caudal-proximal verlaufende Leiste ausgebildet hat, die proximal in einer mächtigen Apophyse endet. 384 Kar! Fiirbringer beobachten. Je tiefer man hier in den Adductor dringt, desto schwächer wird die trennende Fascie, und schließlich stößt man auf ein aller- dings bei den genannten Species sehr wenig mächtiges Bündel durch- gehender Fasern, die namentlich caudal ausgebildet sind. Aus diesen Erörterungen dürfte hervorgehen, dass dieser Ein- wand DoHRN's gegen die Auffassung des Muskels, als eines Con- strietor, der genügenden Begründung entbehrt und dass diese Fascie (Zwischensehne, Sehnenspiegel) durchaus verschieden von den Fascien- ist, welche zwischen den Muskelpartien des Constrietor mitten inne liegen, wo die Theile des einen Kiemenbogens an die des anderen anstoßen, mit denen sie DoHRN vergleicht. Es steht jedoch der Auffassung des Adductor mandibulae als eines Constrietors (siehe Anmerkung 1 pag. 379), der ich aus den jetzt zu erörternden Gründen zuneige, noch eine andere gegenüber. Von GEGENBAUR 1872 und VETTER 1874, deren Ansichten im Allgemeinen von den Forschern angenommen wurden, war der Mu- sculus adductor mandibulae einem Adductor arcuum visceralium für homolog erklärt worden. Meine Untersuchungen ergaben mir hierfür keinerlei Anhalts- punkte. | Auf das Verhalten bei Chlamydoselachus wurde schon oben in Kürze hingewiesen. Hier finden wir den auch von VETTER, TIESING und GEGENBAUR als Constrietortheil anerkannten Levator labii superioris (Lev.l.s), der diesen Namen eigentlich nicht verdient, direkt aus dem Adduetor mandibulae (Add.md) hervorgehen ! (s. hierüber auch pag. 379 und Taf. XVI Fig. 1). Eben so verhält es sich bei Eehinorhinus (Taf. XVII Fig. 13). Hier begeben sich sogar von tiefen Portionen des Adductor mandibulae Muskelbündel in den Levator labii superioris. Es war, nahm man GEGENBAUR’s und VETTER's Auffassung des Adductor mandibulae an, auffällig, dass über diesem ein Constrictor ganz fehle. Man fasste daher Muskelbündel, wie den M. add. y von VETTER (s. Taf. XVII Fig. 12) bei Heptanchus und Acanthias, als Reste eines Constrictors, die mit dem Adductor mandibulae sekundär ver- schmolzen seien, auf. Dass sie Constrictortheile seien, möchte auch ich annehmen, jedoch nur desshalb, weil ich den ganzen Adductor für einen Constrictortheil halte. Ich selbst fand sie auch bei mehreren relativ ` 1 Auch bei Mustelus scheint nach TIESING pag. 16 ein primitives Verhalten bewahrt zu sein, wenigstens sagt er, dass eine natürliche Scheidung vom Ad- ductor nicht móglich war. Das andere Extrem vollkommener Scheidung findet man z. B. bei Centrina und Centrophorus verwirklicht (Taf. XVI Fig. 2 und 3). Elbe. ir meo) ver io RE Ede Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 385 - etwas höheren Haien, z. B. Centrina (siehe Taf. XVI Fig. 3), recht stark ausgebildet. Der Umstand jedoch, dass der M. add. y gerade bei dem primitiven Chlamydoselachus gar nicht vorhanden ist und eben so bei dem in mancher Beziehung sehr primitiven Echinorhinus fehlt, lässt mich ihn als keine primäre Einrichtung ansehen. Es dürfte vielmehr viel näher liegen, in seiner Sonderung den Beginn einer Differenzirung des Adductor, wie sie von Tiesine 1895 für die Batoiden, von VETTER 1878 für die Ganoiden und Teleostier nach- gewiesen wurde, zu sehen. Bei Heptanchus z. B. wirkt Adductor y ! als ein Retractor palpebrae, eine Funktion, die z. B. bei Mustelus ein Abkömmling eines ganz anderen Muskels, nämlich des Constr. super- fieialis dors. I (Tıesing, pag. 21), übernimmt. Ein weiterer Grund dafür, dass wir im Adductor einen Constricter- theil zu sehen haben, dürfte in dem Umstand liegen, dass wir ihn nicht auf den Mandibularbogen beschrünkt finden. Bei Chlamydose- laehus z. B. (Fig. 1 Taf. XVI) konnte ieh am hinteren Rande ein Ubergreifen seiner Fasern auf den Hyoidbogen nachweisen. Auch bei Echinorhinus ist das in geringerem Maße der Fall. Bei ersterem treffen somit die Fasern direkt mit denen des Constrictor ventralis zusammen, von diesem eben so wie vom Levator maxillae (siehe Figur) nur dureh eine unbedeutende Fascie getrennt. Wir dürfen nun natürlieh nicht annehmen, dass der Adductor mandibulae in den jetzt hier liegenden Constrictor ventralis einst übergegangen sei, als ein Zerfall behufs besserer Funktionirung der zu verschiedenen Zwecken bestimmten einheitlichen Constrictormasse noch nicht eingetreten war. Dies wäre unmöglich, denn ersterer wird vom Trigeminus, letzterer vom Facialis innervirt. Wohl aber . könnte man für möglich halten, dass der jetzt hier liegende Fa- cialismuskel das imitatorische Homologon eines ehemaligen Trige- minus-intermandibularis vorstellte. Auf eine solche Möglichkeit wurde schon von RUGE 1897, pag. 268 hingewiesen. Er konnte sich aber dafür nicht entscheiden, da kein sicherer Befund der Innervation von Teilen des Intermandibularis durch den Trigeminus bekannt war. — VETTER (1877, pag. 471) hatte zwar für Sphyrna malleus, Prionodon glaucus, Seyllium canicula und Galeus canis eine solche angeführt, aber keine Abbildungen oder nähere Beschreibungen davon gegeben. 1 Für eine Abstammung dieses Adductor y von dem Facialis-Constrictor lie- gen bislang keine Beweise vor. Vielmehr ist er seinem Ursprung nach nur ein Adductortheil. Auch bei Acanthias nehmen nur einige Fasern an einer vom . ventralen Facialis-Constrictor ausgehenden Aponeurose ihren Ansatz. 386 Karl Fiirbringer G. RvuGE (pag. 250) konnte nirgends eine solche Innervation nach- weisen. Bei Echinorhinus nun fand ich vom Ramus mandibularis des Trigeminus III zwei Äste (Fig. 13 Taf. XVII) ausgehen, die sich zum M. intermandibularis begeben. Da die genauere Untersuchung eine feinere Verzweigung an der Muskulatur ergab, so scheint es mir möglich, dass hier noch ein Rest des alten Trigeminus-Inter- mandibularis erhalten blieb. Doch spreche ich diese Vermuthung nur mit dem größten Vorbehalte aus, da RucGE's hervorragende Unter- suchungen an verschiedenen Formen keine Anhaltspunkte dafür geben. Bei Mustelus verfolgte dieser Forscher (pag. 250) einen Trige- minuszweig zu C,mv, den er aber für einen sensibeln hält, dieses wäre natürlich auch für Echinorhinus! nicht ganz auszuschließen. Immerhin aber kann man darauf hin einmal provisorisch an- nehmen, dass hier ein Trigeminus-Constrietor bestanden hat. Auch in theoretiseher Hinsicht kann man das fordern, seitdem VETTER und RuGE eine sekundär erfolgte Ausdehnung der Facialismuskulatur proximalwürts sehr wahrscheinlich gemacht haben. Man kónnte sich dann vorstellen (dies Folgende ist ganz hypothetisch, da keine Uber- gangsstadien bekannt sind), dass der eventuelle Trigeminus-Constrictor nach seiner Abtrennung von dem als Adductor differenzirten Theil zu Grunde ging, isolirt wie er war. Vom Facialis-Constrictor er- folgte dann ein Nachwandern. Die Theile, welche noch im Zu- sammenhang mit dem übrigen Facialis-Constrictor bleiben, erhalten sich, aber auf dem isolirten, wohl auch nicht sehr funktionsreichen (bei Echinorhinus z. B. fehlt der ganze proximale Theil) Posten des vorderen Intermandibularis trat auch hier eine Degeneration ein, und so könnte man annehmen, dass immer neue Elemente von hinten nach vorn gerückt wären, und ein von RUGE in verschiedenen Thier- klassen nachgewiesenes Vorwandern der Facialismuskulatur erfolgt wäre. Ob übrigens der kleine vollkommen funktionslose Muskel x (Fig. 13 Taf. XVII) von Echinorhinus einen Rest eines ehemaligen Zusammenhanges des Adductors und des Trigeminus intermandibularis vorstellt, muss dahingestellt bleiben. 3 Auch außerhalb der Squaliden erfährt meine Ansicht der Ab- stammung des Adductor mandibulae? aus dem Constrietor eine Stütze. 1 Über die Innervation des Camv bei den anderen von mir untersuchten Selachiern kann ich leider keine Auskunft geben, da ich zur Zeit, als ich sie untersuchte, diesem Punkte noch keine größere Aufmerksamkeit schenkte. 2 Die Möglichkeit, dass noch Reste eines Adductor arcuum dem tiefsten Theil des Adductor zu Grunde liegen, soll nicht ganz von der Hand gewiesen : Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 387 — Bei den Holocephalen hat VETTER (1877, pag. 461 und 462) von Chimaera zwei als Musculi levatores anguli oris bezeichnete Muskeln unterschieden. Er sprach die Vermuthung aus, dass man sie viel- leicht als homolog dem Lev. labii superioris, also einem Constrictor- theil, ansehen dürfe. Dem stand aber ihre Innervation durch den dritten Ast des Trigeminus entgegen. Nachdem nun auch für ersteren die gleiche Innervation feststeht, ist diese Homologie, die sich auch in dem gemeinschaftliehen Ursprung an der Crista praeorbitalis noch ausdriickt, wohl als gesichert zu betrachten, mit ihr aber, wie ich zeigen werde, aueh die Auffassung des Adduetors der Holocephalen als eines Constrietortheils. Sehon bei Chimaera! liegen keine triftigen Gründe, die diese oberen Muskelbündel von dem unteren Adductor als verschieden gelten lassen können, vor. So hat auch STANNIUS alle drei Muskeln VETTER’s als einen einheitlichen aufgefasst. Bei Callorhynehus nun ist diese genetische Unterscheidung VETTER’s gar nicht zu rechtfertigen. Hier nämlich finden wir außer den beiden Levatores anguli oris an Stelle des einheitlichen Adductor mandibulae " zwei Muskeln, deren einer, und zwar der oberflächlichere, indem er Beziehungen zu den Lippenknorpeln besitzt, sich z. Th. wie ein Levator anguli oris verhalt, jedoch mit dem überwiegenden Theil an der Mandibel inserirt. Eben so steht es mit dem anderen tieferen Theil: auch er zeigt neben seiner Insertion an der Mandibel Bündel, die sich zu einem Lippenknorpel begeben. Es dürfte somit bei Callorhynehus ein Stadium in der Bildung eines dritten Levator anguli oris erhalten sein, und dieser wie der Adductor nur verschie- dene Sonderungen eines einzigen Muskels, eines Constrietor vorstellen. Auf die nähere Beschreibung der Muskeln bei Callorhynchus kann ieh an dieser Stelle nicht eingehen. Es dürften im Obigen schon genug Gründe gegeben sein, um den Adduetor mandibulae als einen Constrictortheil aufzufassen, der da, wo wir ihn noch von anderen Muskelbündeln überdeckt finden, sich abgespalten hat — etwa in der Art, wie z. B. die M. interbranchiales bei Acanthias und Scymnus nach VETTER, 1874, sich aus dem noch sui t e dr qm * werden, doch erscheint es wahrscheinlicher, dass er zur Zeit, als der schon in der richtigen Lage befindliche Constrictor die Bewegung der Kiefer übernahm, ganz degenerirte, als dass er noch auf die laterale Seite wanderte. 1 Wie die Untersuchung der Kopfmuskulatur von Callorhynehus ergab, war der von STANNIUS untersuchte Holocephale, den Srannius Callorhynchus nennt, eine Chimaera, worüber VETTER im Zweifel war. 388 Karl Fiirbringer gemeinschaftlichen Constrictor bei Heptanchus abgespalten haben. Manche von den auf oder vor dem Adductor liegenden Muskelbiindeln sind jedoch (siehe oben) sekundäre Differenzirungen desselben. Während dieselbe bei den Batoiden und Teleostiern in hohem Maße auftritt, ist sie bei den Ganoiden (VETTER) (Acipenser sturio) unter- blieben. Hier sehen wir denn auch in klarer Weise die Sonderung des Constrictor in einen tiefen Theil, Adductor mandibulae und einen oberflächlichen Constrietor superficialis 1, vollzogen. Dieser letztere ist, nachdem nun der sichere Beweis erbracht ist, dass der Lev. labii superioris der Haie durch den dritten Ast des Trigeminus innervirt ist, mit Sicherheit diesem zu homologisiren. Hierfür spricht auch der Ursprung beider vom Präorbitalfortsatz. Bei den Haien wird von VETTER angegeben, dass bei Scymnus und Acanthias die Ursprünge der Musculi lev. labii superioris unter der Orbitalregion in der Mediane fast an einander stoßend entspringen. Die gleiche Angabe macht Tresine für Mustelus. Dies kann ich auch für Centrophorus (Taf. XVI Fig. 2) und Centrina, wo dieser Muskel eine mächtige Entfaltung zeigt (Taf. XVI Fig. 3), bestätigen. Es liegt jedoch hier ein sekundäres Verhalten vor; sowohl bei Chlamy- doselachus wie Hexanchus und Echinorhinus konnte ich (s. Taf. XVI Fig. 1, Taf. XVII Fig. 12 und 13) einen Ursprung am Präorbital- fortsatz, wie ihn Acipenser zeigt, nachweisen. Dadurch wird auch die von VETTER 1874, pag. 448 geäußerte Vermuthung einer proxi- malen Verschiebung dieses Muskels wenigstens in so fern zur Ge- wissheit, als eine Wanderung vom Präorbitalfortsatz zur Mediane nachweisbar ist. Es sei noch ausdrücklich bemerkt, dass ich in dem Fehlen eines Adductor arcuum visceralium am Kieferbogen durchaus keinen Grund gegen dessen Visceralbogennatur sehen kann. Auch an anderen Vis- ceralbogen, dem Hyoidbogen, fehlt dieser immer, obwohl er sicher einstmals einen besaß (s. unten pag. 397), und auch am ersten Kie- menbogen konnte ich sein Fehlen in einem Falle nachweisen. Die Gründe für seine Degeneration wurden aus einander gesetzt. b. Spritzlochknorpel. Ich wende mich jetzt zu den Gebilden, welche von GEGENBAUR und den meisten anderen Autoren als Rudimente von Kiemenstrahlen des dorsalen Abschnittes des Kieferbogens (Palatoquadratum) aufge- fasst wurden, von DOHRN jedoch, der die Rochen für primitiver wie VA ele tt en Beitriige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 389 . die Haie hält, die ganz andere Deutung als separate Visceralbogen erfuhren, d. h. zu den Spritzlochknorpeln. Donrn (1885, pag. 31 und pag. 38) hat bekanntlich geäußert, dass der Spritzlochknorpel ursprünglich eine einheitlich angelegte Platte darstelle, die keine näheren Beziehungen zum Mandibular- bogen habe, sondern einen besonderen Visceralbogen repräsentire. Man müsste sich demnach das Vorkommen mehrerer Spritzloch- knorpel durch sekundäre Sonderung eines ursprünglichen erklären. Um gegenüber den Auffassungen GEGENBAUR’s und DOHRN’S Stellung zu gewinnen, handelte es sich für mich um die Beantwor- tung folgender Fragen: 1) Giebt es Spritzlochknorpel, welche sich noch genau in der- selben Lagebeziehung zum Mandibularbogen erhalten haben, wie die Kiemenstrahlen zu den Kiemenbogen ? 2) Ist die Existenz von vielen diskreten Rudimenten bei einem Thier nachweisbar ? 3) Kann ontogenetisch der Nachweis erbracht werden, dass sich diese Rudimente auch gleich gesondert anlegen ? -~ Bei den beiden Notidaniden Hexanchus und Heptanchus konnte ich trotz genauester Untersuchung nur das Fehlen der Spritz- lochknorpel bestätigen!. Die Gründe dafür sind in GEGENBAUR' s Werke von 1872 auf pag. 178 in überzeugender Weise dargelegt worden? Für Chlamydoselachus behauptete Garman den gleichen Mangel. Ich kann jedoch seine Angabe bei meinem Exemplar nicht - bestätigen, sondern fand den Spritzlochknorpel als einen zwar äußerst - kleinen Körper (Fig. 7 Taf. XVI SpZ), der sich aber bei mikroskopi- - seher Untersuchung als unzweifelhaft hyaliner Knorpel erwies. Wiehtiger noch als der Nachweis eines noch bestehenden Spritz- — loehknorpel-Rudimentes bei diesem uralten Squaliden ist seine Lage. Diese giebt eine genaue Illustration zu dem unter 1 geforderten Ver- halten, indem bei diesem primitivsten Selachier sich auch der Spritz- — loehknorpel noch in der Lage eines Kiemenstrahles des Kieferbogens befindet, und so zu einem wirksamen Argument sowohl gegen die durch DoHrn (1885, pag. 31 und 38) versuchte Erklärung dieser Knorpelgebilde, als auch für die von GEGENBAUR hervorgehobene Kiemenbogennatur des Kieferbogens wird. 1 Auch an einem älteren Embryo von Heptanchus konnte keiner nachge- wiesen werden. 2 Auch bei Odontaspis, wo die Spritzlochkieme dieselbe Lage zum Palato- quadratum einnimmt wie bei den Notidaniden, konnte ich ein Fehlen der Knorpel _konstatiren. 390 Karl Fürbringer Verglichen mit den Kiemenbogenradien von Chlamydoselachus und den meisten anderen Squaliden, liegt übrigens der genannte Knorpel sogar noch mehr rostralwärts und dem Palatoquadratum auf- gelagert und zeigt so, dass eine bei manchen Rochen vorkommende distale Verlagerung und Annäherung an den Hyoidbogen nicht als Grund gegen eine Deutung als Kiemenstrahlenrudiment aufzufassen ist. Bei so rudimentären Gebilden wie den Spritzlochknorpeln sind Lageveränderungen leicht möglich, sowohl proximal wie distal!. Dass die tiefe Lage hinter dem Palatoquadratum kein Beweis gegen ihre Kiemenstrahlennatur ist, zeigt ein Blick auf meine Fig. 27 Taf. XVIII von Spinax, auf der man die Hyoidradien in genau der- selben Lage findet. Für Centrophorus, Seymnus und Acanthias kann ich die Angaben GEGENBAUR’s vollkommen bestätigen. Bei Centrina, wo der Spritzlochknorpel meines Wissens noch nicht untersucht wurde, bildet er einen Knorpel von der Gestalt eines Strahls (Fig. 9 Taf. XVI). Bei Echinorhinus, bei dem sie auch noch nicht beschrieben waren, wenn auch JACKSON und CLARK auf ihr Vorhandensein hinweisen, fand ich zwei Spritzlochknorpel (SpA) von der auf Fig. 8 Taf. XVI ange- gebenen Gestalt, wo der größere mediale in zwei Fortsätze gegliedert ist. Am interessantesten war der Befund bei Spinax niger, von dem bisher nur zwei bekannt waren. Ich konnte hier bei einem Exemplar vier nachweisen, somit eine bisher noch bei keinem leben- den Selachier angetroffene Anzahl?, welche zugleich die in Punkt 2 gestellte Forderung erfüllt. Ich bilde sie auf Fig. 27 Taf. XVIII ab (Spk). Auch ihre Gestalt ist bemerkenswerth, indem der medialste deutlich eine distale plattenförmige Verbreiterung zeigt, die ein Ana- logon zu dem Verhalten gewisser Radien des Hyoidbogens bei Scymnus 1 Man wird auch nicht erwarten können, dass die Lagebeziehungen zu den Kiemengefäßen bei kleinen Rudimenten die gleichen bleiben, wie bei den mächtigen Kiemenstrahlen anderer Bogen (siehe GEGENBAUR, 1887, pag. 89—90). Auch konnte ich bei Laemargus nachweisen, dass die Kiemenarterie im Hyoid- bogen einen besonders rudimentären Radius vor sich ließ. 2 Bei einem Lebacher Pleuracanthiden hatte JAEKEL schon 1895, pag. 70, fünf Strahlen am Oberkiefer nachgewiesen. Wir haben somit jetzt sämmtliche Radienzahlen von 1—5 vertreten: 1 bei Rochen und bei den Haien Centrina, Cestracion u. A.; 2 bei Acanthias, Echinorhinus u. A.; 3 bei Centrophorus (individuell), Spinax (bei einer Anzahl meiner Exemplare); 4 bei Spinax (indi- viduell); 5 bei dem JAEKEL’schen Pleuracanthiden. Diese Zahlen bei Spinax und Pleuracanthus übertreffen somit die Radienzahl mancher Kiemen- bogen von Scymnus, wo sich nur drei finden, und kommen z. B. denen des vierten Bogens bei Laemargus an Zahl gleich. 1 ` Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 391 darstellt und zugleich die von GEGENBAUR (1872, pag. 203) ange- nommene Entstehung der einzigen Knorpelplatte, bei einigen Haien, als Verbreiterung eines einzigen Strahls keineswegs so unbegründet erscheinen lässt, wie DoHRN das meint. Immerhin möchte ich eine solche Entstehung der Platte nicht als die einzig mögliche ansehen. So scheint es mir z. B. bei Cestracion, bei dem ich den Knorpel in ähnlicher Ausbildung wie GEGENBAUR antraf (nur dass eine Gliederung in schmale Streifen mehr ausgesprochen war), wohl möglich, dass er durch Verschmel- zung von mehreren entstand. Dies wäre also eine Entstehungs- weise, deren Möglichkeit ja auch GEGENBAUR für die elektrischen Rochen annimmt. Möglicherweise sind von der Ontogenese auch manche genauere Nachweise für die eine und die andere Entstehungs- weise zu erwarten. Bei Laemargus fand ich den Knorpel von gleicher Gestalt wie WHITE. Bei den Holocephalen wurde durch SoraER bei Chimaera hinter der Mandibel ein kleiner Knorpel, der eventuell mit einem Spritz- —— loehknorpel zu homologisiren wäre, aufgefunden; bei Callorhynehus vermisste ich ihn. Es wire wünschenswerth, dass durch embryolo- gisehe Untersuchung entschieden würde, ob dieser Knorpel wirklich eine diskrete Entstehung hat, ob er nicht eventuell (wenn dies auch ziemlich unwahrscheinlich ist) ein nach hinten verschobenes Rudiment des großen unpaaren Lippenknorpels von Callorhynchus vorstellt. Noch möchte ich Einiges zur embryologischen Entwicklung der Spritzlochknorpel zufügen. Da Spinax niger derjenige Se- lachier ist, bei dem ich diese Gebilde in der größten Anzahl nach- weisen konnte und der außerdem den Vertreter einer sehr tiefstehen- den Familie bildet, wurde er als Untersuchungsobjekt gewählt. Bei Stadien in der Länge von 23, 28, 301/2, 32 mm konnten diese Gebilde noch nicht als Knorpel nachgewiesen werden, wenn sie auch als Anhäufungen von Vorknorpel bei den beiden letzten Stadien begannen sich geltend zu machen. Deutliche Verknorpelung war bei einem Exemplar von 35 mm eingetreten. Hier konnte ich auf Horizontalsehnitten deutlich die differente Anlage der auch beim Ausgewachsenen getrennten Stücke — erkennen, und zwar ergab sich das interessante Faktum, dass die Knorpel auf Sehnitten durch ihre basalen Theile sich deutlich als vier gesonderte kreisfórmige Flächen darstellten, die sich von den Durehsehnitten anderer Radien nicht unterscheiden ließen. Auf 392 Karl Fiirbringer Sehnitten durch ihre peripheren Theile ergab sich eine allmähliche plattenartige Verbreiterung, wie sie auch dem Ausgewachsenen zu- kommen. Zwischen zwei der Radien trat auch an den peripheren Theilen eine stellenweise Verwachsung auf, ein Verhalten, das zur Erklärung der Fälle, wo wir am Ausgebildeten nur drei oder zwei Knorpel vorfinden, dienen kann. Die Untersuchung an älteren Stadien ergab ähnliche Befunde. Im Allgemeinen schien sich eine mit dem Alter der Embryonen ge- steigerte Tendenz zu plattenförmiger Umgestaltung und Verwachsung der einzelnen Radien zu ergeben. In keinem Fall aber konnte ich eine Anlage als einfache ungegliederte Platte, wie sie Dourn’s Anschauung fordert und von diesem Forscher bei Torpedo! gefunden wurde, beobachten. Auch von einer späteren Anlage der Spritzlochknorpel, nachdem schon das ganze andere Visceralskelet angelegt gewesen wäre, konnte ich mich bei Spinax nicht überzeugen, sie scheinen sich viel- mehr gleichzeitig mit den Kiemenbogenradien entsprechender Größe zu bilden. Selbst wenn aber bei anderen Selachiern sie sich später anlegen sollten, könnte Dourn fürs Erste diesen Umstand nicht zu Gunsten seiner Erklärung als Kiemenbogen verwerthen, denn er hat weder in Studie 7 (1885) noch in Studie 15 (1890) den Nachweis erbracht, dass das Rudiment eines Kiemenbogens sich später anlege wie das hudiment eines Kiemenstrahls?. Sowohl die vergleichende Anatomie, wie die Embryologie und die Paläontologie geben uns somit Beweise für die Anschauung GE- GENBAUR’s von der Kiemenstrahlennatur der Spritzloch- knorpel. Sollte sich bei anderen Haien und Rochen eine einheitliche Anlage des Spritzlochknorpels ergeben, so wird es sich hier wohl in der Hauptsache um die weitere Umbildung eines einzigen noch übrig gebliebenen Radius aus der Reihe der übrigen handeln. Die Spinaciden lehren uns die successive Abnahme dieser Zahl von vier bis zu eins. Noch sei der Auffassung HuxLEY's? von der Natur der Spritzloch- knorpel gedacht, welche derselbe in der Abhandlung über Ceratodus 1 Wahrscheinlich werden auch viele der mit einem Spritzlochknorpel ver- sehenen Haie diesen in der Ontogenese einfach als ein Knorpelgebilde anlegen. 2 Auch scheint Dourn in Studie 15 zu übersehen, dass schon 1872 von GEGENBAUR bei verschiedenen Haien Spritzlochknorpel in der Mehrzahl nach- gewiesen wurden, wenigstens spricht er auf pag. 425 und 426 immer nur von dem Spritzlochknorpel oder Spiraculare. 3 Auch POLLARD, 1895, tritt für deren Möglichkeit ein. Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 393 (1876, pag. 44, 45) ausspricht. Er homologisirt hier das Spiraculare, unter Bezugnahme auf Ceratodus! und Notidanus mit dem >otic process« dieser Thiere und läßt es, wenn ich seine Ausführungen recht verstehe, aus dem otie process entstehen. Einer solchen Her- leitung der Spritzlochknorpel kann ich Angesichts der Befunde von drei bis fünf differenten Knorpeln, die in Gestalt und Lage noch deut- lich ihre Strahlennatur zeigen und im Hinblick auf die Verhältnisse an Spinaxembryonen nicht beitreten, und ich möchte glauben, dass HuxLEY zu einer derartigen Homologisirung nicht gekommen wäre, wenn er an Stelle der Theorie die ausgedehntere reelle Untersuchung gesetzt hätte. Aber auch für eine Konkrescenz von Spritzlochknorpeln mit dem Palatoquadratum von Notidanus ergaben sich bei diesem für mich keinerlei Anhaltspunkte. Abgesehen davon, dass die Spritz- lochknorpel sich gerade an einer Stelle erhalten hätten, an der sie für die Stütze der Kieme am wenigsten nöthig gewesen wären, stellt die Verwachsung eines Radius oder Radienrudiments mit einem Visceralbogen einen Ausnahmezustand vor. Auch das Verhalten der - Spritzlochknorpel bei allen anderen Haien incl. Chlamydoselachus und Pleuracanthiden spricht durchaus dagegen. c. Knorpelgebilde am caudalen Rande der Mandibula. Als Kiemenstrahlenrudimente des ventralen Abschnittes des Kieferbogens, d. h. der Mandibula, deutet GEGENBAUR im Kopfskelet - der Selachier kleine Knorpelehen, welche er in einem lings des Un- - terkiefers hinziehenden fibrósen Bandstreifen bei Pristiurus (Taf. XVI - Fig. 6) liegend fand. Auch Srannrus hatte ähnliche Gebilde bei - Seyllium Edwardsii beschrieben, aber nicht gedeutet. | Ieh kann auf Grund meiner Befunde bei Pristiurus der Ansicht - GEGENBAUR’s, auf die er übrigens in der Vergleichenden Anatomie, j 1898, nicht zurückkommt, nicht unbedingt beitreten, da bei meinem — Exemplare die noch mit der Mandibel zusammenhängenden Knorpel- chen mehr den Anschein erweckten, als ob sie sich erst durch theil- weise Rückbildung (Dehiscenz) der Mandibel, die hier am Rande nur eine äußerst dünne Lamelle vorstellt, als sekundär gesonderte Theile dargestellt hätten. Diese Anschauung würde ich auch einer solchen vorziehen, wie sie POLLARD aussprach, indem er sie als »Mental tentacle« deutete. 1 Offenbar auch der Amphibien. 394 Karl Fiirbringer Gegenüber GEGENBAUR's Ansicht fällt auch ins Gewicht, dass ich bei keinem anderen Squaliden Radien vorgefunden habe, die mit dem betreffenden Bogen verwachsen waren, selbst nicht am letzten Kiemenbogen (mit Ausnahme von Centrina), wo vielleicht eine Ein- beziehung der kleinen Rudimente am wahrscheinlichsten gewesen wäre. Warum sollten am unteren Theil des Kieferbogens die Radien eine Ausnahme machen? Bei den Notidaniden und Spinaciden! ver- mochte ich solche Gebilde eben so wenig wie bei Chlamydoselachus und Cestracion nachzuweisen; auch O. JAEKEL konnte bei den Pleura- canthiden keine auffinden (siehe seine Ausführungen 1895, pag. 71). Wenngleich der an sich berechtigte Einwand JAEKEL’s: »Es machte mich auch bezüglich der Deutung dieser Theile stutzig, dass gerade so hoch entwickelte Selachier und diese allein unter den lebenden so primitive Elemente bewahrt haben sollten«, vielleicht durch (später zu erwühnende) Befunde, die ich bei dem tief stehenden Scymnus sowie bei Odontaspis machte, einigermaßen entkrüftet wird, so er- scheint mir doch eben so wie ihm die Kiemenstrahlennatur dieser Knorpelehen bei diesem Selachier zur Zeit nicht erwiesen. Da mir kein weiteres Exemplar von Pristiurus und kein Seyllium Edwardsii (bei Seyllium canicula vermisste ich diese Gebilde) zur Verfügung stand, muss ieh die Frage nach der Bedeutung dieser Elemente bis zur Erlangung eines reicheren Materials offen lassen. Möglicherweise kónnte die ontogenetische Untersuchung der fraglichen Gebilde die Entscheidung bringen. Ob man einen Knorpel, den ich bei Seymnus lichia am unteren | Rande der Mandibel fand (siehe Taf. XVI Fig. 10 x) und der einem später zu besprechenden Fortsatz des Hyoid mit seinem distalen Ende aufgelagert ist, hierher ziehen darf, muss ich dahingestellt lassen. Eine Deutung als Rudiment eines oder mehrerer verwach- sener Kiemenstrahlen würde aber immer noch leichter durchführbar sein, wie die als eines zweiten unteren Lippenknorpels oder eines »Mental tentacle«. (Siehe hierüber und über einen ähnlichen ines bei Odontaspis auch weiter unten, pag. 399 ff.) 3. Hyoidbogen. Ehe ich auf eigenthiimliche Knorpelgebilde eingehe, die sich zwischen Kiefer- und Zungenbeinbogen finden, möchte ich Einiges ~ zu letzterem Bogen bemerken. 1 Exklusive die unten zu besprechende Ausnahme von Scymnus. Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 395 In GEGENBAUR’S Arbeit über das Kopfskelet der Selachier (1872) wird ein Copulare des Hyoid nicht erwähnt; eben so scheinen spä- tere Untersucher, so weit mir die Litteratur zugänglich war, dasselbe vermisst zu haben. Bei Heptanchus cinereus fand ich nun zwi- schen dem Hyoidstiick des Hyoidbogens (H) und der Hyoidcopula (C) (siehe Fig. 26 Taf. XVIII) einen Knorpel (x), der die Lage eines Copulare einnimmt und den ich bei allen vier daraufhin untersuchten Exem- plaren vorfand. Ich móchte ihn desshalb als einen konstanten Theil bei Heptanchus cinereus ansehen, obwohl er äußerst klein ist, und die Móglichkeit betonen, dass er ein Copulare des Hyoidbogens vorstelle. In diesem Falle würde dann auch in der Genese der Hyoideopula kein principieller Unterschied von der der anderen Copulae statthaben!. Eine dieser Ansicht günstige Instanz kann auch in dem Verhalten des Hyoidbogens von Pleuracanthus gefunden werden (siehe O. JAEKEL, 1895, pag. 73, Fig. 1). Hier ist es noch nieht zur Bildung einer Copula gekommen; vielmehr haben die bei- derseitigen Bogen nur je ein basales Stück abgegliedert, das nun potentia Copulare und Copula enthált und somit einen Zustand be- . wahrt hat, wie wir ihn in der Genese der Kiemenbogen recenter Haie annehmen. Warre hat bei Laemargus zwei kleine Knorpelchen vor dem Hyoidbogen als »Hypo-hyals« gedeutet (siehe seine Fig. 3 Taf. II Hh), doch scheint mir hier ihre Deutung nicht so sicher, da sie móglicher- weise auch zu den Elementen, die bei Laemargus und Hexanchus vor dem Hyoidbogen liegen, gehören; außerdem waren sie nicht konstant. Letzterer Thatsache möchte ich jedoch bei der großen "Variabilität des Visceralskelets bei einer und derselben Species keinen großen Werth beilegen, ich halte vielmehr auch bei Heptan- chus ihr Fehlen bei anderen Exemplaren, als ich untersuchte, für sehr möglich. Ein wichtigerer Grund gegen ihre Auffassung als Hyoideopularia wáre, dass ihre Lage nieht zu dem Bild, das man sich von der Genese der Hyoidcopula gemacht hat, passt und sich mit den Verhältnissen bei den Pleuracanthiden nicht in Einklang bringen lässt. sollte etwa die Ontogenese von Laemargus den Be- - weis erbringen, dass die von WnurrE aufgefundenen Knorpelchen doch I2 " 1 Indessen lüsst das Fehlen dieses Knorpels bei allen anderen daraufhin untersuchten Haien den Verdacht doch nicht ganz von der Hand weisen, dass = wir es nur mit einer sekundären Abgliederung zu thun haben, die allerdings merkwürdigerweise gerade bei dem in Bezug auf sein Visceralskelet am tiefst- stehenden Squaliden, und hier nach meiner Kenntnis auch konstant, aufträte. Morpholog. Jahrbuch. 31. 26 396 Karl Fiirbringer Hyoidcopularia vorstellten — ein Gedanke, den man allerdings bei einem Vergleiche dieser Gebilde mit den von Warre wohl mit Recht als Copularia des ersten Kiemenbogens gedeuteten Knorpeln seiner Fig. 3 Taf. Il nieht ganz von der Hand weisen kann —, so würde - die jetzige Auffassung der Hyoideopula wenigstens für einen Theil der Squaliden einer anderen Platz machen müssen. | In GEGENBAUR's Werk findet sich an dem Kiemenskelet von Seymnus (Taf. XIX Fig. 2) zwischen Hyoideopula und Ceratohyale ein Knorpelstückehen angedeutet, das recht wohl einem Copulare entsprechen kónnte. Da aber im Text von einem solchen nichts er- wähnt ist, so möchte ich annehmen, dass die Zeichnung nur einen dureh eine tiefe Kerbe vom übrigen Theil des Ceratohyale abge- grenzten Knorpelfortsatz darstellen soll. Die eigene Untersuchung bestätigte letztere Vermuthung. Außer bei Heptanchus konnte ich bei keinem Notidaniden und eben so bei keinem Spinaciden ein solehes Rudiment eines Copulare nachweisen. Bezüglieh des Zungenbeinbogens móchte ich jetzt nur M eines äußerst ausgeprägten, von GEGENBAUR nicht beschriebenen Fortsatzes bei Scymnus, den ich ähnlich auch bei Centrina antraf, gedenken (s. Fig. 10 Taf. XVI Pr. H), der direkt zum Mandibularbogen, und zwar nach der Stelle, an welcher der schon oben erwähnte Knorpel x liegt, sich fortsetzt. Eine Deutung dieses Knorpelfortsatzes unterlasse ich, möchte aber anführen, dass bei diesem Selachier am - Hyomandibulare noch kein Fortsatz zum Sustentaculum und auch noch kein ausgeprägtes Sustentaculum besteht. Es könnte bei dem Mangel einer solchen differenzirten Aufhängevorrichtung an den oberen Theilen der Bogen, eventuell auch noch das Ceratohyale an der Aufhängung des Mandibularbogens mit dem erwähnten Fortsatz betheiligt sein. Ein Faktum, das von allen bisherigen Forschern bestätigt wurde, — ist die Nichtexistenz eines M. adductor arcuum visceralium am Zungenbeinbogen. GEGENBAUR wies 1872, pag. 210, darauf | hin und erklärte sein Fehlen als bedingt durch den Anschluss des — Hyoidbogens an den Kieferbogen. VETTER konnte dann 1874 in seiner Monographie der Selachiermuskulatur, pag. 445, von diesem Muskel sagen: »Dem Zungenbeinbogen fehlt ein Homologon dieser Bildung durchaus.« DoHrN lieferte 1885 auch ontogenetisch den Nachweis, dass kein Adductor angelegt wird. Es scheint somit hierin ein principieller Unterschied des Hyoidbogens von den Kie- menbogen zu bestehen. Auch mir gelang es, obwohl ich meine Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 397 ganze Aufmerksamkeit auf die Auffindung eines solchen richtete, nicht, einen solchen nachzuweisen. Dagegen glückte es mir, eine für das einstmalige Vorhanden- sein eines solehen Muskels mit Wahrscheinlichkeit sprechende Be- obachtung zu machen. Bei Odontaspis konnte ich deutlich aus- gesprochene Gruben nachweisen, die ich nach Lage und sonstigem Verhalten als Muskelgruben eines Adductor arcuum visceralium ansprechen muss (Fig. 35 Taf. XVIII F.Add). Es könnte vielleicht verwunderlich erscheinen, dass dieser Muskel gerade bei einem im Allgemeinen als ziemlich hochstehend angesehenen Selachier? deut- liche Spuren hinterlassen hat. Die Erklärung hierfür finde ich darin, dass gerade bei diesem Selachier die Adduetoren der Kiemenbogen besonders mächtig entwickelt sind und tiefe Muskelgruben ausge- bildet haben. Darum konnte auch an dem Hyoidbogen bei Rückbil- - dung von dessem Adduetor der konservativere Knorpel noch die Ein- drücke dieses eventuell einst vorhandenen Muskels bewahren. Dass nieht bei den primitivsten Haien die Adductores am stärk- sten entwickelt sein müssen und dass bei ihnen die Erhaltung eines - Adductors des Hyoid nicht mit Nothwendigkeit zu erwarten ist, da- für liefern die Notidaniden, auf deren Primitivität namentlich von G. Ruger, 1897, mit besonderem Nachdruck hingewiesen wurde, den hinreichenden Untergrund. Hier nämlich finden wir die Adductores verhältnismäßig sehr schwach entwickelt. Wichtig für die Erklärung des Fehlens eines Adductors am Hyoid erscheint mir auch eine bei Chlamydoselachus gemachte Beobachtung. Hier nämlich fehlte an meinem Exemplare auch dem ersten Kiemenbogen ein Adductor, eine Thatsache, die, so weit mir die Litteratur zugängig war, noch bei keinem anderen Selachier . bekannt ist. Bei diesem Squaliden war der Adductor am sechsten Kiemenbogen bei Weitem am mächtigsten entwickelt, vom fünften bis dritten zeigte er sich dann von annähernd gleichmäßiger Ent- - faltung, am zweiten Bogen war er bedeutend schwächer ausgebildet. — Sollten wir in dieser successiven Abnahme dieser Muskeln bei diesem - primitiven Selachier etwas Primäres zu sehen haben, so würden sich hieraus naheliegende Schlüsse für das inr Allgemeinen konstatirte E. ; . ich weiter unten zu sprechen kommen. € $ c a ! Bei Ganoiden, Dipnoern und Teleostiern kann aus begreiflichen Gründen z kein Adductor am Hyoid erhalten sein. Auch den Holocephalen mit ihrem (3 rudimentüren Hyomandibulare scheint ein solcher zu fehlen. 2 Auf andere primitive Merkmale am Visceralskelet dieses Squaliden werde 26* 398 Karl Fürbringer Fehlen am Hyoidbogen und eventuell am Kieferbogen! ziehen lassen. Bei anderen Squaliden konnte ich keine Muskelgruben am Hyoid- bogen nachweisen. Für die Notidaniden hat schon GEGENBAUR das Fehlen von ausgeprägten Muskelgruben überhaupt am Kiemenskelet gezeigt. WHITE giebt keine am Hyoid von Laemargus an. Ich fand keine bei Spinax, Acanthias und Cestracion; für Seymnus erwähnt VETTER keine. Auf GEGENBAUR’s Figuren ist nirgends eine ange- deutet; nur bei Galeus (Taf. XIX Fig. 4) findet sich eine Vertiefung im Hyoidstück verzeichnet, die man als Muskelgrube auffassen könnte. Da sie aber nicht bezeichnet ist und GEGENBAUR (wie gesagt) aus- driicklich das Fehlen des Adduetor konstatirt, wage ich nicht, sie zu deuten. Mir selber stand leider kein Galeus zur Verfügung. Sollte spätere Untersuchung bei ihm Muskelgruben nachweisen, so beträfe dies dann wieder einen verhältnismäßig hochstehenden Squa- liden. 4. Elemente zwischen Hyoid und Mandibeln. Warre hat 1896 bei Laemargus und Hexanchus kleine Knorpelelemente zwischen dem Unterkiefer und der Hyoidcopula ge- funden und beschrieben (s. Anatom. Anz., XI, pag. 58, 59, Figg. 1, 2, 3). Von diesen hält er für möglich, dass sie die Rudimente eines Bogen seien, der zwischen Mandibular- und Hyoidbogen liegt und welcher von DouRN als Homologon des »sekundären Hyomandibulare« (in GEGENBAUR's Nomenklatur) sowie von VAN WIJHE und BEARD ge- fordert wurde. Gleichzeitig lässt er es aber offen, ob die Stücke nicht Reste von unteren Elementen des Mandibularbogens, die aus ihrer Lage gezogen wurden und degnerirten, vorstellen. GEGENBAUR, 1898, pag. 422 weist die erstere Deutung zurück und fasst die Stücke wie auch den Knorpel am vorderen Ende der Hyoidcopula von He- ptanchus als » Reste eines Zusammenhanges mit dem Kieferbogen« auf. © Ich fand diese Elemente bei Hexanchus nicht bloß, wie es Wuite’s Figuren zeigen, vor der Hyoidcopula gelegen, sondern sich auch lateralwärts vor den Enden der Ceratohyalia hinziehend, also einer Art von ventral gelegenen Bogen bildend (s. Figg. 17 und 19 Taf. XVII x). 1 Wie schon oben ausgeführt (siehe pag. 382—388), halte ich die Homo- logie des Adductor mandibulae mit den Adductores arcuum visceralium nicht fiir bewiesen. Verschiedenes scheint darauf hinzudeuten, dass er zum minde- sten zu einem großen Theil vom Constrietor stammt. rs Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 399 Man sieht daraus, dass man die Deutung GEGENBAUR’s von 1898 nicht so auffassen darf, als hätte er eine Copula zwischen Mandi- bula- und Hyoidbogen gemeint, — eine Annahme, die ja Angesichts der Befunde von Warre bei Hexanchus und Laemargus und derer bei Heptanchus (s. GEGENBAUR’s Lehrb. 1898, pag. 423 und meine Fig. 29 Taf. XVIII) möglich gewesen wire. GEGENBAUR sagt viel- mehr selber mit berechtigter Reserve: »In welcher Art diese Knorpel den Anschluss ausgeführt haben, bleibt ungewiss. « Ein Befund, den ich bei Odontaspis machte, scheint mir nun die Möglichkeit einer anderen Erklärung zu eröffnen. Bei Odontaspis americanus fand ich am unteren Rande der Mandibel beiderseits eine dünne Knorpelplatte ansitzen (siehe Taf. XVII Fig. 16 x, die Kiefer sind hier etwas aus einander gezogen, um die Lage der Platten, die in normaler Lage mit der einen Kante an einander stoßen, zur Hyoidco- pula zu zeigen}. Die beiden Platten liegen unter der Muskulatur des Diaphragmas der Mundschleimhaut auf, der sie fest adhiriren. Denken wir uns nun die beiden Unterkieferiiste, die bei Odontaspis einen recht spitzen Winkel mit einander bilden, so aus einander gezogen, - dass sie einen stumpferen Winkel mit einander bilden, so erhalten wir die Unterkieferform von Hexanchus. Wenn nun diese dünnen Platten von Odontaspis, die ja in der Mediane zusammenstoßen und fest an der Schleimhaut haften, sich von der Mandibula ablósten, so würden sie solitire mit keinem Skelettheil mehr in Verbin- dung stehende Knorpel vorstellen, die zugleich mit der Spreizung der Kiefer naturgemäß vor die Hyoideopula geriethen. Und wenn diese solitär gewordenen Knorpel noch weiter degenerirten, so würden Rudimente zu Stande kommen, die den bei Hexanchus vor der Hyoidcopula beobachteten gleichen. Das mediane Zusammen- stoßen der beiderseitigen Stücke, das vielleicht für die Loslösung von der Mandibel von Bedeutung war, sehen wir auf WHITE'S Figg. 1 und 2 dargestellt. Bei mir sind die Stücke etwas von ein- ander getrennt, dafür aber den Mandibeln noch mehr genähert, so vielleicht ein Übergangsstadium zwischen dem Befunde bei Hexanchus und Odontaspis vorstellend. Es dürfte wohl zunächst befremden, dass hier versucht wurde, die genannten Knorpel von Hexanchus ‚durch eine künstlich konstruirte Rückbildungsreihe von Odontaspis, . einem Vertreter einer höheren Familie, dem Verständnis näher zu bringen. Ich glaubte mich dazu berechtigt, weil ich auch bei Sey- mnus an ganz gleicher Stelle (Fig. 10 Taf. XVI x) einen Knorpel auf- fand, der wohl dem von Odontaspis homolog ist, und ferner weil von 400 Karl Fiirbringer STANNIUS auch bei Seyllium und von GEGENBAUR bei Pristiurus! Knorpel in gleicher Lage beobachtet wurden. Also ein Vorkommen ähnlicher Gebilde bei drei weit aus einander stehenden und sehr ver- schieden hoch entwickelten Familien! Bei einer solchen Verbreitung dürfte es nieht als ausgeschlossen erscheinen, dass diese Knorpel auch den Vorfahren der Notidaniden in ähnlicher Lage zukamen. An eine Ableitung dieser letzteren von Vorfahren des Odontaspis denke ich selbstverständlich nicht, sondern halte nur für möglich, dass die den primitivsten Haien einstmals zukommenden Knorpel- platten bei Odontaspis zu einem geringeren Grad der Reduktion ge- langten als bei Hexanchus. Bei einer Deutung? der Knorpel kann an Kiemenstrahlen ge- dacht werden. Und ich halte in der That diese Erklärung, wie sie von GEGENBAUR schon für Pristiurus gegeben wurde, nicht für ganz unwahrscheinlich. Man kann sich wohl vorstellen, dass ein oder mehrere Strahlen, die ihrer Funktion als Stützen der Kiemen bei deren Rückbildung verlustig gingen, in einer geänderten Funktion etwa als Unterstützung des Mundbodens erhalten blieben und sich zu Platten umbildeten. Für diese Plattenbildung aus Kiemenstrahlen besitzen wir ja gerade auch am Kieferbogen ein Analogon im Spritz- lochknorpel. Alle diese Deutungen können indessen nur mit der größten Vorsicht aufgestellt werden, wie auch überhaupt der ganze Ablei- 1 Bei den beiden letzteren Haien vielleicht auch anders zu deuten (siehe oben pag. 393, 394). i 2 Auf die Beziehungen dieser Elemente von Seymnus, Odontaspis etc. zu den Jugularplatten der Crossopterygier gehe ich nicht ein. GEGENBAUR hat 1872, pag. 207, 208 die Jugularplatten als Belegstiicke der Knorpel bei Pristiurus aufgefasst, so dass demnach die Jugularplatten nach ihm sich auf Kiemen- . strahlen gebildet hätten; 1898 erwähnt er von dieser Ansicht nichts. Abge- sehen davon, dass sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob die Platten, die ich bei den genannten Haien fand, von Radien abstammen, ist deren Gestalt und Lage GEGENBAUR’s Ansicht von 1872 günstig. Sollte sie sich bestätigen, so dürfte man vielleicht auch die große unpaare Knorpelplatte zwischen den Unterkiefern von Amia, von der GEGENBAUR 1898, pag. 358 angiebt, dass ihre genetischen Beziehungen mit einer vertikal gesonderten Platte der Teleostier noch nicht ermittelt seien, davon herleiten. Lässt man die beiderseitigen Knorpelplatten von Odontaspis, die ja in der Mitte zusammenstoßen, konkresciren und sich von den Mandibeln lösen, wie das oben zur Erklärung der Verhält- nisse von Hexanchus gefordert wurde, so hat man die Jugularplatte von Amia calva, die auch in gleicher Weise, wie die Platten von Odontaspis, die Hyoid- copula bedeckt. Beitriige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 401 tungsversuch der Knorpel des Hexanchus von an den Mandibeln sitzenden Elementen nur mit allem Vorbehalt gegeben wird. Ob der Entscheidung die Paläontologie oder die Ontogenie des Hexanchus dereinst zu Hilfe kommen wird? Ob der unpaare Knorpel vor der Hyoideopula von Heptanchus (Fig. 26 Taf. XVIII gh) mit den eben besprochenen Elementen homolog ist, bezweifle ich sehr. Bei Hexanchus (Fig. 17 Taf. XVII g4) fand ich auch einen unpaaren, der dem von Heptanchus ähnelte, vor der Spitze der Hyoideopula. Auch ein Loch in der Spitze der Hyoideopula von Odontaspis (Fig. 16 Taf. Taf. XVII) lässt es denkbar, wenn auch nicht wahrscheinlich, erscheinen, dass hier ein ähnlicher Knorpel mit dieser verschmolzen ist. Bezüglich dieses unpaaren Knorpels von Hexanchus halte ich es allenfalls für möglich, dass er dem von GEGENBAUR 1898 bei Heptanchus Fig. 264 mit g^ bezeichneten Knorpel (dessen Vorkommen in etwas abweichender Form ich Fig. 29 Taf. XVIII bestätigen kann) homolog ist. An, einem Exemplar von Heptanchus ließen sich an dem‘ proximalen Theile der Hyoidcopula Querwülste nachweisen - (Fig. 26 Taf. XVIII. Es kann, ähnlich wie bei Odontaspis, daran gedacht werden, dass man in diesem Relief die Reste von Verwach- sungsstreifen, und zwar caudaler Theile des Glossohyale g mit der Copula, zu sehen hat. Diese Annahme halte ich um so mehr für zulässig, als der von GEGENBAUR in Fig. 264 B mitgetheilte Be- fund ein Übergangsstadium von 264 A zu meiner Figur darzustellen scheint. Während nämlich auf Figur A der Knorpel g scharf von der Copula geschieden ist, zeigt er sich auf Fig. B in engerem Zu- sammenhang mit dieser, hat dagegen proximal ein kleines abge- - gliedertes Stückchen ansitzen. Im Übrigen führt GEGENBAUR selbst an, dass es in Fällen zu einer Konkrescenz zu kommen scheine. Man könnte hiernach zu der Vermuthung geführt werden, dass wir es bei der so stark proximalwärts ausgedehnten Copula von Heptan- = Chus nicht mit einem einheitlichen Gebilde, sondern vielmehr mit — dem verschmolzenen Glossohyale (wie es sich noch bei Teleostiern, — maeh GÜNTHER bei Ceratodus und nach W. K. PARKER bei Lepidosteus - findet!) und der eigentlichen Hyoideopula zu thun hätten. Wie man _ sich dabei das Aufgehen des Glossohyale in die Hyoideopula vor- E zustellen hätte, ist von untergeordneterer Bedeutung. Bemerkt sei - mur, dass das Glossohyale in einzelnen Stücken (siehe GEGENBAUR’S 1 VAN WIJHE, 1882, pag. 68, Taf. XVI Fig. 10 giebt allerdings keines an. yg cheap 402 Karl Fürbringer Fig. 264 B und meine Fig. 26 Taf. XVIII! zur Aufnahme zu kommen scheint, da offenbar nicht gleich das ganze bewältigt wer- den konnte ?. Welchen Knorpel bei den Selachiern GEGENBAUR unter Glosso- hyale versteht, konnte ich nicht ergründen, da er sowohl die ganze Hyoideopula (z. B. Fig. 262, 263, 265) mit gh bezeichnet, wie auch die erwähnten Knorpel bei Heptanchus. Aus dem Text jedoch, pag. 422 und 423, scheint hervorzugehen, dass er den Knorpel bei Heptanchus, welchen ich für dem Glossohyale homolog halte, nicht meint, sondern vielmehr die von WHITE bei Laemargus vor der Hyoideopula gefundenen dafür ansieht. Was Hexanchus anbetrifft, so haite ich es, wie erwähnt, für möglich, dass der unpaare Knorpel vor der Hyoideopula den Rest eines Glossohyales vorstellt. Diese Deutung ist indessen eine sehr unsichere, zumal sich auf WHITE'S Figuren dieser unpaare Knorpel nicht findet. Aber auch für den Fall, dass sich diese Deutung als berechtigt herausstellen sollte, würde ich dennoch eine etwa hierauf sich stützende Erklärung der lateralen Knorpelspangen von Hexanchus als Copularien der Mandi- bularbogen, die aus. ihrer Lage kommen, für sehr gewagt halten und meine auf pag. 399 versuchte vorziehen. 5. Elemente zwischen Hyoidbogen und erstem Kiemenbogen. Im Jahre 1872 wurde von GEGENBAUR bei Cestracion ein unpaarer ovaler Knorpel zwischen Hyoideopula und Copula des zweiten bis dritten Kiemenbogens gefunden (siehe seine Taf. XIX 1 An der abgebildeten Copula ließen sich noch einige andere Rillen nach- weisen, die wegen ihrer Seichtheit und Undeutlichkeit nicht abgebildet wurden. 2 Noch bei einem anderen Squaliden, Chlamydoselachus, ist die Zungen- beincopula proximalwärts ausgezogen (Taf. XVII Fig. 18). Für eine Konkrescenz mit einem Glossohyale ergeben sich keine Anhaltspunkte, dagegen kann die Ausdehnung durch das Verhalten der weit proximalwärts ausgedehnten unver- wachsenen Hypobranchialia der Pleuracanthiden erklärt werden. Nach A. FRITSCH verhält sich allerdings die Hyoidcopula anders, als O. JAEKEL, dem ich hier folgte, angiebt. Vielleicht ist in dem kleinen Knorpel x meiner Fig. 11 (Taf. XVI) von Chlamydoselachus das proximale Rudiment einer Copula zwischen Mandibular- und Hyoidbogen zu sehen, deren caudales Ende bei anderen Fischen sich noch im Glossohyale erhalten hätte. Es würden sich dann nur die Theile von ihr, die Anschluss an die beiden Bogen hatten, erhalten haben, während die freie dazwischenliegende Strecke degenerirte.. Doch fehlt es zu einer solchen Erklä- rung an vermittelnden Befunden. Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 403 Fig. 3), den er auf pag. 141 und 142 als ein Rudiment einer Copula zwischen erstem und zweitem Kiemenbogen deutete. In seiner ver- gleichenden Anatomie von 1898, Bd. I (pag. 422 und 423) spricht er dagegen in Betreff dieses Knorpels die Vermuthung aus, dass er vielleicht, wie eventuell der quere Knorpel der Pleuracanthiden !, als eine neue Einrichtung zwischen Hyoid und erstem Kiemenbogen aufzufassen sei. 1897 beschrieb WurrE bei Laemargus einen an ühnlieher Stelle gelegenen, allerdings nieht konstanten Knorpel, den er als Basibranchiale 1 bezeichnete. Ich fand bei Cestracion statt des einen unpaaren Knorpels GEGENBAUR'S zwei in ziemlich beträchtlicher Entfernung von einander gelegene paarige (s. Taf. XVIII Fig. 24 Hbr.I). Dieser Befund scheint mir zu Gunsten der von GEGENBAUR 1872 angedeuteten Anschauung zu sprechen. Man kónnte nümlieh annehmen, dass hier, bei einem rudimentiren Gebilde, in dem einen Falle (meine Beobachtung) die Entwicklung ihr Ende erreichte, noch bevor die distalen Glieder der Bogen versehmolzen, um eine unpaare Copula zu bilden, in dem anderen Falle (s. GEGENBAUR's Figur) diese Verwachsung bereits . eintrat, bei der Kleinheit der Gebilde und ihrer Nichtfunktionirung die Seheidung in Copularia und Copula aber unterblieb. Es scheint mir auf diese Weise miglich, die beiden verschiedenen Befunde bei Cestracion in ungezwungener Weise zu erklüren: in meinem Falle würde also jedes Stück das Copulare und die halbe Copula des ersten Kiemenbogens potentia enthalten, und es wäre nicht nöthig, »neue Einrichtungen« anzunehmen. Beträchtlichere Schwierigkeiten scheinen sich mir aber der Deu- tung des von WHITE bei Laemargus als Basibranchiale 1 bezeich- neten Knorpels entgegenzustellen. Wenn nämlich die Deutung der Knorpel H; (seine Fig. 3 Taf. II) als Copularia des ersten Kiemen- bogens richtig ist, so würde sich die zugehörige Copula statt wie in allen anderen Fällen distalwärts hier proximalwärts vorfinden. Immer- hin könnte man eventuell bei einem so rudimentären Gebilde eine Lageverschiebung annehmen. Auch hier scheint mir aber jedenfalls der Knorpel eher als ein Rudiment als eine neue in Ausbildung 1 Von O. JAEKEL’s Homologisirung des queren Knorpels der Pleura- eanthiden mit einer ventralen Platte des ersten Kiemenbogens bei Chlamydo- selachus, die aber gar nicht wie die Platte der Pleuracanthiden von der Hyoid- - copula gesondert ist, bin ich fürs Erste nicht überzeugt. Ein Ausfallen eines Kiemenbogens hinter dem Hyoidbogen würde nirgends ein Analogon haben, und wird auch von JAEKEL gar nicht begründet. 404 3 Karl Fürbringer begriffene Einrichtung aufzufassen zu sein. Eben so steht es mit einem Knorpel Cj, den ich bei Odontaspis americanus (Taf. XVII Fig. 20) im Winkel vor den Copularien des zweiten Kiemenbogens fand. Dieser wäre seiner Lage zufolge sehr wohl als‘eine Copula des ersten Bogens aufzufassen. Eine Abgliederung von den Copularien dürfte er nach seiner und deren ganzer Konfiguration nicht sein. Wenn also hier über die Deutung dieser Knorpel vorläufig noch nicht mit vollkommener Sicherheit entschieden werden kann, so scheinen mir Gebilde, die ich bei Centrophorus granulosus vor den Copularia des zweiten Kiemenbogen antraf, leichter zu deuten sein. Ihrer Lage zufolge könnte man wohl versucht sein, sie den erwähnten Knorpeln bei Cestracion und Laemargus anzureihen; ja die Wahrscheinlichkeit, dass sie Copularia vorstellten, wäre auf Grund ihrer mehr distalen Lage noch größer als bei jenen. Der Umstand aber, dass ich sie bei einem älteren Embryo von Centrophorus nicht antraf, dass dagegen dort die Copularia einen stärker ausgeprägten, proximalwärts gerichteten Fortsatz als beim Erwachsenen hatten, lässt es mich als wahrscheinlicher vermuthen, dass wir es hier mit einer sekundären Abgliederung zu thun haben. Immerhin können auch hier erst ontogenetische und vergleichend-anatomische Studien an einem größeren Materiale die eventuelle Entscheidung bringen. Ich möchte das Gebiet der Copulae nicht verlassen, ohne noch auf Bildungen an der Hyoideopula hinzuweisen, die sich bei He- ptanchus (Taf. XVIII Fig. 26) und Chlamydoselachus (Taf. XVII Fig. 18) vorfinden. Am hinteren Rande der Copula findet sich hier ein daselbst mit Z bezeichneter Fortsatz, der bedeutend an eine Copula bei diesen primitiven Selachiern erinnert. Es wire nicht unmöglich, dass wir es hier mit dem Reste einer Copula des ersten Kiemenbogens zu thun hätten, die durch die starke Entwicklung des Hyoidbogens und dessen durch den Mandibularbogen herbeigeführte Lageveränderung aus ihrem Verbande mit dem ersten Kiemenbogen gerissen worden wire‘; doch lässt sich bei den großen Veränderungen, die gerade im vorderen Bereiche des Visceralskelets vor sich ge- gangen sind, nichts Bestimmtes sagen ?. ! Dieser hätte nun seinerseits auch proximalwärts Anschluss gefunden, aber an der Hyoideopula (Chlamydoselachus) oder durch Vermittelung des ab- gebildeten Stückes theils an dieser, theils noch an der ihm ursprünglich zuge- hörigen eventuellen Copula (Hexanchus). 2 Zu Gunsten meiner Annahme würde sprechen, dass, wenn man die unpaare Hyoideopula von Heptanchus aus den paarigen Basalstücken des Hyoids n Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 405 Während 1872 GEGENBAUR Knorpel, die den ersten Kiemen- bogen mit der Hyoidcopula verbinden, als Copularia des ersten Kiemenbogens auffasste, äußert er sich 1898 folgendermaßen über sie: »Bestimmter gehórt zu den Neugestaltungen der den ersten Kiemenbogen mit dem Hyoid verbindende Knorpel, der als eine Ab- gliederung des ersten Bogens an einer Stelle erscheint, wo die fol- genden Bogen nur einen Fortsatz zeigen.« Dieser letzteren Anschau- ung von 1898 möchte ich mich anschließen, da die Gestalt dieser Knorpel in der That nie einen Beweis für ihre Abstammung von Copularien liefert und der vorerwähnte Befund von WHITE es sehr wahrscheinlich gemacht hat, dass die Copularien des ersten Kiemen- bogens analoge Lagerung hatten, wie die der folgenden Bogen. Nur in einer Frage von untergeordneterer Bedeutung, nämlich der Frage, ob sieh diese Knorpel immer vom ersten Kiemenbogen abgliedern, möchte ich gegenüber der gewiss für eine große Anzahl von Haien gültigen Anschauung GEGENBAUR's für möglich halten, dass eine solche Abgliederung auch bei manchen vom Hyoid ausging. Die Gestaltung der Hyoideopula bei den von mir untersuchten Exem- ` plaren von Spinax brachte mich zu dieser Vermuthung. Hier näm- lich (siehe Fig. 25 Taf. XVIII) besteht ein Fortsatz1, der sich ganz ähnlich verhält wie der isolirte Knorpel bei Heptanchus (s. GEGEN- BAUR, Taf. XVIII Fig. 1, sowie meine Fig. 26 Taf. XVIII z). Auch bei diesem scheint mir der Knorpel gerade beim Vergleich mit den Verhältnissen bei meinem Exemplar von Chlamydoselachus (siehe Fig. 18 Taf. XVII) eher als eine Abgliederung von der Hyoideopula aufzufassen zu sein. 6. Einiges über die Kiemenbogen, insbesondere deren Copulae und Copularia. Hier konnte ich nur die von GEGENBAUR in seinem bahnbrechen- den Werke von 1872 mitgetheilten Befunde bestätigen. Als bemerkenswerth erscheint mir jedoch die außerordentlich _ weitgehende individuelle Variabilität, indem sowohl die von mir ] von Pleuracanthus durch Verwachsung entstehen lässt, dabei ein solcher distaler Fortsatz nicht entstehen würde. Auch durch Muskelaktion dürfte er nicht her- - vorgerufen sein. Bei Oxyrhina spallanzani finden sich gleichfalls ähnliche Verhältnisse. 1 Eine sekundäre Verschmelzung dieser etwa erst vom Kiemenbogen ab- — ierten Knorpel mit der Hyoidcopula muss bei der ganzen Konfiguration für ausgeschlossen gehalten werden. 406 Karl Fiirbringer untersuchten Exemplare meist nicht mit einander übereinstimmten, als auch von den GEGENBAUR’schen Figuren abwichen. Es erhebt sich da die Frage, ob man einen von diesen ver- schiedenen Befunden als den typischen für die betreffende Species annehmen darf. Vergleiche ich z. B. GEGENBAvm's Fig. 1 Taf. XVIII von He- ptanehus in Bezug auf Copularia und Copula des fünften und sechsten Kiemenbogens mit meiner dieselbe Stelle wiedergebenden Fig. 29 Taf. XVIII, so ergiebt sich Folgendes: Bei mir sind die Copularia nicht zur Copula verwachsen, aber gleichwohl hat bei jedem Copu- lare eine Trennung in einen proximalen und distalen Theil (welch letzterer mit dem anderseitigen zusammengenommen potentia eine Copula vorstellt) stattgefunden. Dagegen finde ich bei GEGENBAUR wirklich eine solche Copula als vollkommen homodynames Gebilde mit denen der anderen Kiemenbogen bestehen, und möchte auf Grund dessen den Befund GEGENBAUR’s zwar nicht als den typischen im absoluten Sinne, wohl aber als den für die primitive Natur von dessen Visceralskelet mehr typischen ansehen t. Dabei wird aber ein abweichendes Verhalten bei einem anderen Exemplar nicht bloß als unwichtige Variirung erscheinen, vielmehr als ein werthvoller Wegweiser für die Entstehung oder Weiterbildung einer Form. So scheint mir z. B. das von mir abgebildete Skelet (Fig. 29 Taf. XVII) ein Beweis dafür zu sein, dass die Entstehung einer Copula nicht in jedem Falle genau in der Weise geschieht, wie sie GEGENBAUR 1898, pag. 423 mit den Worten schildert: »Die Genese der Copulae ist die gleiche für alle Bogen vom Hyoid an. Die ven- tralen Endglieder der Bogen sind die Ausgangspunkte. Sie schließen sich an einander, wobei die vorderen sich zwischen hintere ein- schieben und in terminaler Verbindung ein Stück als Copula sich absehnüren lassen, indess der Rest des Endstückes ein Copulare vorstellt. « Mein Befund spricht dafür, dass unter Umständen eine solche Abgliederung eines distalen Stückes des Copulare auch erfolgen kann, ! Indem ich mich auf den Standpunkt stelle, dass im Visceralskelet der Selachier die annähernde Gleichartigkeit in der Homodynamie der Bogen gegen- über ihrer verschiedenen homodynamen Ausbildung etwas Primitives darstellt. HASWELL’s Befund (1884, pag. 89), dass bei Heptanchus indicus der fünfte Kie- menbogen keine Copula bildet, sondern die Copularia sich direkt zur großen Copulaplatte begeben, erinnert schon mehr an das Verhalten höherer Haie. Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 407 noch bevor eine Vereinigung mit dem der anderen Seite erfolgt ist, und dass dann die abgegliederten Stücke mit einander als Copula funktioniren!. Ob man erwarten darf, dass diese abgegliederten Stücke, trotz ihrer Kleinheit, nachträglich mit einander zu einer echten Copula verwachsen, muss ich offen lassen. Die getrennten Theile auf meiner Figur (C.V) als durch späteren Zerfall der Co- pula entstanden zu denken, dürfte wohl unmöglich sein, da sich noch ein unpaarer dritter (siehe Fig. 29 Taf. XVIII C.7V) von vorn zwischen sie schiebt. Diesen unpaaren Knorpel fasse ich als einen Auswuchs und eine Abgliederung der vorhergehenden Copula (C.ZV) auf, der sich ja bilden konnte, um die zwischen den beiden als Copula fungirenden Copularstücken bestehende Lücke auszufüllen. Für die Möglichkeit dieser Anschauung von der Entstehung der Copula scheint mir auch GEGENBAUR's Befund bei Hexanchus zu sprechen. Er selber giebt über die Stücke c’” seiner Fig. 2 Taf. XVIII auf pag. 138 an: »Die beiden vor der kleinen unpaaren Copula c" gelegenen Knorpelstiicke sind dann entweder Abgliederungen der Copularia des dritten Bogens oder sind aus einer verbreiterten Copula entstanden, welehe zwischen dem dritten und vierten Bogen lag.« Die Bezeichnung mit c"' ist der Beweis dafür, dass er sie für eine Copula hielt. Beziiglich ihrer Herkunft muss ich mich zur ersten Alter- native bekennen, denn es erscheint mir zu komplicirí, wenn man annimmt, dass sieh erst die beiden Copularia mit einander verbinden, um eine Copula zu bilden, und dass dieses kaum gebildete unpaare Stück sich gleich darauf wieder in zwei Theile scheiden sollte, wo- bei die Ebene der Vereinigung mit der der Theilung gleiche Rich- tung haben müsste. Wir haben somit auch hier wie bei Heptanchus ein Stadium, wo die Copularia distal schon Copulahälften potentia abgegliedert haben, diese aber sich noch nicht zu einer Copula ver- banden. Leider ist die Ontogenie dieser Gebilde bei den Notidaniden noeh nicht bekannt, wesshalb sich auch nicht mit Bestimmtheit sagen lässt, ob bei den Notidaniden eine solche Entstehung der Copulae aus schon abgegliederten Copularstiicken angenommen werden kann. Vergleicht man GEGENBAUR’s Figur von Hexanchus (Taf. XVIII Fig. 2) mit der meinigen (Fig. 19 Taf. XVII), so sieht man ohne Wei- ; t Zu Gunsten dieser Annahme scheint mir auch zu sprechen, dass Fälle vorkommen, wo nur das eine Copulare caudal ein Stück abgliederte. So bei - meinem Exemplar von Centrophorus (Taf. XVIII Fig. 28), bei Acanthias (GEGEN- — BAUR, Taf. XVIII Fig. 3), vielleicht auch bei Hexanchus (Wurte, Fig. 1 ec). 408 Karl Fiirbringer teres, dass hier die Stücke c'"' von GEGENBAUR sich zu einer unpaaren Copula zusammengeschlossen haben. Auch in Bezug auf die Copu- laria des vierten und fünften Kiemenbogens zeigt mein Exemplar nicht nur bedeutende Abweichungen von dem GEGENBAUR’s, sondern auch von den beiden durch Wurrk auf pag. 58 von Bd. XI des Anatomischen Anzeigers gegebenen Figuren. Bei dem Exemplar GEGENBAUR'S stehen eben so wie bei dem einen von Warre beide Copularia-Paare mit der letzten Copula im Zusammenhang, indem sie von proximal-lateral nach medial-distal verlaufen. Bei dem anderen Exemplare von WurrkE nehmen die Copularia des fünften Bogens eine zum Vorderrande der letzten Copula, für die GEGENBAUR den guten Namen »Cardiobranchiale« gebraucht (1898), mehr parallele hiehtung ein, die der auf meiner Figur entspricht. Jedoch gehen sie bei WurrE nieht bis zur Mediane, sondern lassen dem Copulare des vierten Bogens noch Platz, um sich zum Cardiobranchiale er- strecken zu können. Dieser Anschluss des Copulare des vierten findet indessen nur auf der einen Seite statt; auf der anderen be- findet sich ein quadratischer Knorpel, von dem man nieht entschei- den kann, ob er zum Copulare des vierten oder fünften Bogen ge- hort. Wir haben somit hier in Wurrk's Exemplar das verbindende Glied zwischen GEGENBAUR’s und meinem Befund. Der meinige scheint mir gegenüber dem GEGENBAUR's, der mehr an das Verhalten höherer Haie erinnert (wie wir ja auch bei Centrophorus calceus den zweiten bis fünften Kiemenbogen mit dem Cardiobranchiale verbun- den finden), der primitivere zu sein. Die Abgliederung der Copula ist unterblieben. Auch bezüglieh der Gliederung des Cardiobranchiale, welcher ich keine grobe Bedeutung beimesse, weicht mein Exemplar ab. Bei GEGENBAUR's und WHITE’s einem Exemplar besteht es aus einem Stück, bei. WnurrE's anderem aus vier, bei dem meinigen aus zwei Stücken. Bei Chlamydoselaehus zeigt das Visceralskelet der beiden untersuchten Exemplare manche Verschiedenheiten (vgl. GARMAN’s Taf. IX mit meiner Fig. 18 Taf. XVII). Auch hier scheint mir mein von dem Garman’schen abweichender Befund der Copula des zweiten Kiemenbogens darauf hinzudeuten, dass noch eine dritte Art der Entstehung derselben nicht auszuschließen ist. Es findet sich näm- lich hier der der Copula seiner Lage nach entsprechende Skelettheil noch auf der einen Seite im Zusammenhang mit dem Copulare (Hbr.11). Man könnte dann annehmen, dass das eine Copulare (im weiteren Sinne) sich stärker entwickelt und dass dann das andere minder = Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 409 ausgebildete sich ihm einfach mit seinem distalen Ende angelegt ' habe, wie es das ausgewachsene Thier zeigt. Für eine solche Ent- stehungsart wiirden auch die Verhiiltnisse des basalen Visceralskelets von Centrina (Taf. XVIII Fig. 37, 3. Bogen) sprechen !. Eine Entscheidung hinsichtlich aller dieser Deutungsversuche ist mit dem vorliegenden Material nicht zu geben. Vielleicht wird die ontogenetische Untersuchung recht vieler Embryonen hier mehr Licht verbreiten. Ich halte es fiir héchst wahrscheinlich, dass sie im Detail verschiedene Entstehungsweisen bei der großen Varia- bilität dieser Theile aufdecken wird. GEGENBAUR'sS Grundannahme der Entstehung der Copulae aus ventralen Bogenenden wird aber hierbei bestehen bleiben. Einen Beweis für diese primäre Zuge- hörigkeit der Copulae zum Visceralskelet sehe ich in Verhältnissen, die ich bei einem Exemplar von Seymnus beobachtete. Hier fan- den sich die beiden Copularien zu einem Stück verwachsen, dem man die paarige Entstehung nicht mehr anmerkte, und nur am cau- dalsten Ende hatte sich ein weiterer unpaarer Knorpel von dieser Platte abgegliedert; das heißt, die Abgliederungsebene der Copula war in diesem Falle nicht durch die Übergangsstelle der paarigen Copularien in einen unpaaren Theil gelegt, vielmehr weiter caudal . dureh letzteren selber ?. Mein Exemplar von Chlamydoselachus weicht übrigens in noch einem Punkte von dem GARMAN’s ab. Es findet sich bei mir am oberen medialen Ende des sechsten Kiemenbogen zwischen die- sem und der letzten Copula ein kleiner Knorpel (Hér.V7?), der genau die Lage einnimmt, die den vorhergehenden auch mit dem Cardio- branchiale verwachsenen Copularien zukommt. Da der Knorpel außer- dem beiderseitig vorkommt, würde man sehr geneigt sein, ihn als Copulare des sechsten Kiemenbogens zu bezeichnen. Hierbei ist aber ! In der Anordnung der Copularien des dritten Bogens und der Copula - zwischen drittem und viertem Bogen bei Scymnus (GEGENBAUR, Taf. XIX Fig. 2) "könnte man dann vielleicht eine Weiterbildung sehen, indem sich von dem einen stärker ausgebildeten Copulare (im weiteren Sinne) eine Copula geson- - dert hat. E ? Für ein Einrücken der Copulae in die Visceralbogen, als von hinten mach vorn vorgeschobene Skelettheile, wie die Musculi coraco-hyoideus, coraco- aandibularis oder subspinalis, wie es Dourn 1884, pag. 17 vermuthet, fand ich nirgends Anhaltspunkte. Es zeigen vielmehr site die eben erwähnten Uber- gangsformen zwischen Exemplaren, die nur mit Copularien versehen sind, und solchen, die eine Copula ausgebildet haben, dass eine solche Heterogenie beider $ Skeletgebilde nicht angenommen werden kann. eh 410 Karl Fiirbringer zu bedenken, dass meines Wissens noch bei keinem Selachier am letzten Kiemenbogen ein Copulare nachgewiesen wurde. Man wird desshalb vorsichtiger verfahren, wenn man zunächst noch offen lässt, ob dieser Knorpel eine sekundäre Abgliederung oder ein Copulare vorstellt. Die letztere Möglichkeit dürfte aber gerade für diesen pri- mitiven Selachier und Angesichts der Thatsache, dass bei Heptanchus am sechsten Kiemenbogen ein Copulare besteht, den Vorzug haben. Bei Centrophorus granulosus weicht nach GEGENBAUR das Kiemenskelet bezüglich der Copulae bedeutend von dem von Centro- phorus calceus ab und gleicht dem von Acanthias. Von letzterem zeigte mein Exemplar von Centrophorus gra- nulosus nicht unwesentliche Abweichungen, indem die Copula der zweiten bis dritten Kiemenbogen sich mehr als eine nur einseitige Abgliederung vom Copulare 2 darstellte und noch eine andere dem dritten bis vierten Bogen zugehörige Copula vorhanden war. Bei Acanthias (vgl. GEGENBAUR's Fig. 3 Taf. XVIII mit meiner Fig. 28 Taf. XVIII von Centrophorus granulosus) haben wir in der einseitigen Abgliederung eines Stückes von dem vierten Copulare vielleieht eine Vorstufe zu sehen, die wieder eine Stütze für die von mir für méglich gehaltene Entstehungsweise der Copulae! ab- geben würde. Das Cardiobranchiale (Cabr), welches bei Acanthias und Centr. calceus nur aus einem Stück bestand, fand ich bei Centr. granulosus in vier Stücke gegliedert, welche Gliederung man aber wohl als eine sekundäre aufzufassen hat. Zum Schluss móchte ich noch den ventralen Theil des Visceral- skelets von Centrina salviani Risso beschreiben, der, so weit mir die Litteratur zugänglich war, nirgends bisher veröffentlicht wurde. Ich bilde ihn auf Taf. XVIII Fig. 37 ab. Die Ceratobranchialia der zweiten Kiemenbogen mit ihren Copularien (Hdr.JZ) und der Copula (C.II) zeigen ein ganz gleiches Verhalten wie bei Acanthias. Am - dritten Kiemenbogen haben wir nur zwei mediale Stücke, indem hier entweder die eventuelle linke Copulahälfte mit dem distalen Ende des einen Copulare verwachsen ist; oder (was viel wahrscheinlicher ist) überhaupt keine gebildet wurde und nur der betreffende Theil des Co- pulare (Hbr./11) ihre Stelle einnimmt. Die Copularia des vierten | Bogens (Hbr.IV) schließen in paralleler Lagerung zum Vorderrand — des Cardiobranchiale (Car) die Copularia 3 von der Verbindung mit 1 Wobei ich »Copula« in dem von GEGENBAUR, 1872, pag. 137 gebrauchten : weiteren Sinne nehme. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 411 diesem aus, ein ähnliches Verhalten, wie es bei meinem Exemplar von . Hexanchus für den vierten und fünften Bogen galt. Die letzte Copula besteht nur aus einem Stück. Der fünfte Kiemenbogen war an seinem medialen Ende in einen längeren Fortsatz ausgezogen. Auch bei Spinax!, für dessen letzten Bogen GEGENBAUR eine einfache Spange angiebt, fand ich eine ähnliche Ausbreitung, wie sie bei Acanthias, Centrophorus und Anderen besteht. Während GEGENBAUR das Visceralskelet fast aller wichtigeren Familien der Haie untersuchte, hat er von den Lamniden keinen Vertreter zur Verfügung gehabt. Da diese sowohl im Recent wie in der paläontologischen Vergangenheit eine sehr bedeutende Rolle spielen (vgl. von ZrrrE/s Handbuch der Paläontologie Bd. III, pag. 334), so dürfte es nicht unangebracht sein, das Skelet eines solehen zu beschreiben und die Beziehungen zu den anderen Fa- milien der Haie zu prüfen. Ich untersuchte das Visceralskelet von Odontaspis americanus, das meines Wissens noch nicht beschrieben ist (siehe Taf. XVII Fig. 20). Das Skelet ähnelt ziemlich stark dem von Cestracion, mit dem es namentlich auch die Copula vor dem zweiten Bogen theilt. Merkwürdig ist die Überlagerung des Hyoid durch den ersten Kiemenbogen. Dieser steht mit der Hyoidcopula durch ein starkes Ligament in Verbindung. Wenn man dieses Liga- ment entfernt, so findet man in ihm theilweise eingeschlossen die auf der Figur dargestellten Knorpel x liegen, welche auf beiden Seiten annähernd gleich gestaltet sind. Ob man diese als neu auftretende Verknorpelungen des Ligaments oder als Rudimente eines einzigen größeren, den ersten Kiemenbogen mit dem Hyoid verbindenden Knorpels zu deuten hat, muss dahingestellt bleiben. Die Copularien des zweiten Kiemenbogens (Hér.J/) stoßen mit ihrem distalen Ende an ein kleines unpaares Knorpelchen, welches selbst wieder proximal von einem etwas größeren unpaaren annähernd rechteckigen Knorpel liegt (C.IT). Eine solche Anordnung wurde bisher noch bei keinem Se- - ]aehier beobachtet und ihre Erklärung stößt auf beträchtliche Schwierig- - keiten. Wohl sicher repräsentirt der rechteckige Knorpel wenigstens - einen Theil der Copula der zweiten Bogen. Es handelt sich nun um * s m ‘ 2 ` = = 1 Bei diesem zeigte mir die embryologische Untersuchung, dass die letzte Copularplatte, die beim Ausgewachsenen von GEGENBAUR und mir als einfach gefunden wurde, deutlich in drei Stiicke gegliedert ist; nahe der Mediane konnte = man sogar Spuren einer Trennung in fünf oe Man hat diese Gliede- rung wohl nur als durch verschiedene Verknorpelungscentren hervorgerufene zu betrachten. Morpholog. Jahrbuch. 31. 21 412 Karl Fiirbringer die Frage, ob der kleine vor ihr liegende unpaare Knorpel von ihr (Copula II) oder von den Copularien abgegliedert wurde. Seine unpaare Beschaffenheit dürfte für erstere Möglichkeit sprechen; jedoch sehe ich nicht ein, welche Ursache diese Abgliederung hervorgebracht haben sollte und wie eine solche Gestalt der Copula, wenn wir sie als eine Abgliederung verwachsener Copularien auffassen, zu Stande kommen kann. Der dritte und vierte Kiemenbogen finden vermittels ihrer Copularien (HZör./III, Hbr.IV) an der Vorderfläche des Cardio- branchiale (Cadr) Anschluss. Der fünfte Kiemenbogen, dessen Cerato- branchiale einen distalen Fortsatz wie z. B. Acanthias zeigt, verbindet sich direkt mit dem Cardiobranchiale, welches an meinem Exemplar ungegliedert ist. Das Epibranchiale des Hyoid artikulirt mit dem Cranium. Die Epibranchialia und Ceratobranchialia nehmen vom zweiten bis vierten Kiemenbogen nur mäßig an Größe ab. Beson- ders mächtig sind die des ersten Kiemenbogens und das Ceratobran- chiale des letzten Bogens entwickelt. An den an einander stoßenden Enden der Cerato- und Epibranchialia finden sich stark ausgeprägte Muskelgruben für den Adductor arcuum visceralium. Die Pharyngo- branchialia des ersten bis vierten Bogens sind wohl ausgebildet und zeigen distal einen Fortsatz zum Ansatz der Mm. interbasales, wie ich sie in dieser Weise bei keinem anderen Hai ausgebildet antraf. Das ziemlich rudimentäre Epibranchiale des fünften Bogens verbindet sich mit einem distalen Fortsatz des Pharyngobranchiale des vierten. Von den Rochen möchte ich nur einen Befund mittheilen. Während GEGENBAUR bei allen von ihm untersuchten Rochen eine Hyoideopula nachweisen konnte, fehlte dieselbe bei dem von ihm abgebildeten Torpedo marmorata. Mein Exemplar von Torpedo ocellata (Taf. XVII Fig. 21) scheint mir ein Übergangsstadium vor- zustellen, in welchem die Rückbildung der Copula gerade eingeleitet ist. Eine Abgliederung von den ventralen Enden der Hyoidstücke ist nicht eingetreten und eben so wenig eine mediane Verbindung, die proximalen Fortsätze der Hyoide (x) scheinen aber deutlich nach Lage und Gestalt auf eine rudimentäre Hyoidcopula hinzuweisen. Ob die kleinen Knorpel proximal von den Copularien des zweiten Kiemenbogens (Hbr.I?) etwa Rudimente von Copularien des ersten vorstellen, muss dahingestellt bleiben. Das Copulare des vierten Kiemenbogens (Hér.JV) bestand im Gegensatz zu GEGENBAUR'S Be- fund bei T. marmorata noch gesondert vom Ceratobranchiale. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 413 7. Distaler Bereich des Visceralskelets. — Ehe ich die Bogen des Kiemenskelets verlasse, möchte ich noch ei niger kleinen Skeletelemente gedenken, die ich im Bereiche des alen Theils des Kiemenskelets der Chlamydoselachidae und N OE fand. — Zunichst seien bei Chlamydoselachus (Fig. 18 Taf. XVII) zwei ;leine Knorpelchen (Hör. V? und Hbr. VI?) erwähnt, von denen der il ne zwischen den basalen Enden des vierten und fünften Ceratobran- iale, der andere zwischen denen des fünften und sechsten liegt. A Deutung scheint mir ziemlich schwierig. Sie als Abgliederungen ron den Ceratobranehialien anzusehen, dürfte kaum angehen, da icht einzusehen wäre, wie zwei so schmale Spangen dazu veran- a sst sein sollten. Eher könnte man daran denken, sie als Pharynx- a adien aufzufassen. Diese sind aber, wie schon GEGENBAUR zeigte, ei den verwandten Notidaniden äußerst wenig ausgebildet. Wo sie ick finden, z. B. bei Heptanchus, legen sie mehr am oberen Ende r Ceratobranchialia und niemals in einer so ganz basalen Lage e bei Chlamydoselachus, bei welchem letzteren ich nicht einmal D. Stellen, wo sie bei den anderen beiden Notidaniden vor- 4 m men, At. nachweisen konnte. Ein weiterer Grund gegen ihre ffassung als Pharynxradien ist dadurch gegeben, dass die beiden T norpeleben deutlich nähere Beziehungen zum Vorderrand des hinter ien liegenden Bogens zeigen, während die Pharynxradien dem n errande der inneren Seite der Ceratobranchialia angehören. Sollte man diese Knorpelchen! dennoch als Pharynxradien an- prechen, so kónnte man diese Deutung doch nicht auf einen anderen M ausdehnen, der auf derselben Figur mit V77? bezeichnet ist. äh end nämlich die beiden ersterwähnten etwas in der Tiefe zwi- hen den Bögen liegen, liegt dieser direkt caudalwärts vom sechsten iemenbogen und hat mindestens nicht engere Beziehungen zur shleimhaut wie jener. Ferner würde bei seiner Deutung als Pha- E radius dem letzten Kiemenbogen sowohl vorn wie hinten einer E ommen, ein Verhalten, das wir doch erst bei höheren Haien mit goneiterten Bogen antreffen?, wo aber eine solche basale Lage DI E: Ich würde noch für am wahrscheinlichsten eine Deutung als Abgliede- ng von den Copularien halten. - 2 Bei Echinorhinus konnte ich auch zwei Reihen von Pharynxradien nach- isen, hier sind die Pharynxradien besonders schön als konische Zapfen aus- ji] det. E 27* 414 Karl Fürbringer | i nie erreicht wird. Im Ubrigen wäre es jedenfalls sehr auffallend, ! wenn bei einer Familie, wo, wie schon oben erwähnt, diese Ra- dien überhaupt eine äußerst geringe Ausbildung haben, bei einer $ Species, die in dieser Beziehung noch am allertiefsten steht, auf einmal ein Pharynxradius aufträte, und zwar an einer Stelle, wo 3 sonst kein Hai, habe er auch sonst noch so ausgebildete Pharynx- | radien, dieselben besitzt. Außerdem würde dieser Radius in seiner - Gestalt günzlieh von der sonst üblichen Form abweichen und an £ dieser Stelle so gut wie funktionslos sein. Wir müssen daher nach — einer anderen Erklärung für diesen Knorpel suchen. 3 Schon Srannius hatte in seiner Zootomie der Fische den Nach- - weis eines Rudimentes eines sechsten Kiemenbogens bei einer An- | zahl von pentanchen Haien zu liefern gesucht. Er schreibt 1854, 2. Aufl., pag. 81 und 82: »Bei den Squalidae findet sich allgemein ~ hinter dem fünften noch die Andeutung eines sechsten, und wahr- scheinlich ist ihre Anzahl bei den Notidani noch größer« (siehe auch Anm. auf pag. 81) Seine Ausführungen suchte GEGENBAUR 1872. (siehe pag. 162 und 163 seines Werkes) wie mir scheint, in durch- - aus überzeugender Weise zu widerlegen. Nachdem jedoch die Em- bryologie bei den Pentanchen die Anlage einer sechsten Kiemenspalte nicht unwahrscheinlich gemacht hat (HorFMANN 1897 für Acanthias | vulgaris‘), hat GEGENBAUR 1898 sein Urtheil etwas modifieirt und sagt pag. 430 betreffs des Knorpels von STANNIUS: »Ob er einer sechsten Kiementasche angehört, welche allerdings angelegt wird, bleibt zu entscheiden.« | Ein Befund, den ich bei Odontaspis machte und auf den ich weiter unten zu sprechen kommen werde, scheint mir eine wichtige Instanz gegen die Deutung im Sinne von STANNIUS zu bieten. Sehen wir nun zu, ob die Gründe, die GEGENBAUR 1872 gegen die Deutung des Stannıus’schen Knorpels vorbrachte, auch für den von mir bei Chlamydoselachus gefundenen Knorpel zutreffen. Da ist zunächst zu bedenken, ob nicht etwa eine Deutung als Kiemen- strahlen-Rudiment, als welches GEGENBAUR den Knorpel der pentan- chen Haie mit Recht ansieht, zulässig ist. Ich glaube dies für das vorliegende Gebilde von A lachus verneinen zu können, indem ich gleichzeitig mit demselben auch am sechsten Bogen Kiemenstrahlen-Rudimente nachweisen konnte (siehe meine Taf. XVII Fig. 18 Ar). Ihre Beschreibung soll erst im 1 Siehe auch Korrzorr, 1902, pag. 442 Anm. Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 415 nächsten Abschnitt erfolgen; sie ergeben sich nach Lage und Gestalt deutlich als Homologa der bei anderen Haien beschriebenen. Die meiner Ansicht nach uniiberwindlichen Schwierigkeiten, die sich einer Deutung als Pharynxradien entgegenstellen, wurden eben schon er- wihnt. Es bleibt also, will man nicht eine Abgliederung vom sech- sten Kiemenbogen annehmen, was nach der Gestalt des Knorpels (derselbe stellt einen ganz schmalen Stab dar, der nur in dorso- yentraler Richtung größere Ausdehnung hat) als äußerst gewagt und grundlos erscheinen muss, nur noch die eine Deutung als Rest eines siebenten Kiemenbogens resp. neunten Visceralbogens übrig. Da der Knorpel sich bei dem von mir untersuchten Exem- plar beiderseitig vorfand und a priori die Möglichkeit des Vorhanden- seins eines siebenten Bogens Angesichts des Verhaltens von Heptan- chust besteht, möchte ich dieser Deutung den Vorzug vor allen anderen geben. Eine genauere Untersuchung ergab auch für den gleichfalls mit sechs Kiemenbogen versehenen Hexanchus einen kleinen Knorpel an ähnlicher, aber nicht identischer Stelle (Fig. 19 Taf. XVII y). Hier lässt es mir die geänderte Lage, die geringere Größe und namentlich die relativ viel geringere Entfaltung in dorso-ventraler Richtung für recht fraglich erscheinen, ob man diesen Knorpel mit dem von Chlamydoselachus homologisiren darf. Das Suchen nach einem Rudiment eines achten Kiemenbogens lieferte bei Heptanchus den auf Fig. 22 Taf. XVII abgebildeten Be- fund (x). Da ich eine solche Trennung jedoch nur bei zwei Exemplaren .1 FRITSCH, 1895, beschreibt sowohl für Pleuracanthus wie Xenacanthus einen sechsten und siebenten Kiemenbogen und bildet denselben auf Taf. 96 YI und 2 von Xenacanthus decheni und Pleuracanthus oelbergensis ab. Da seine Restauration pag. 16, Fig. 206 so sehr von dem iiblichen Kiemenskelet der Selachier abweicht und er pag. 25 bei Xenacanthus selber eine vielleicht andere Anlagerung der Kiemenbögen an die Copulae, als es seine Fig. 215 wiedergiebt, für möglich hält, habe ich mich im Vorgehenden namentlich an die Angaben JAEKEL’s gehalten, die offenbar auf einem besser erhaltenen Ma- erial fußen. Auf Grund dieses Materials bestreitet JAEKEL ganz entschieden die Angabe Frirscu’s von einem sechsten und siebenten Kiemenbogen bei den "leuracanthiden und bestätigt somit die Ansicht KOKEN's. Angesichts des Ver- dà ens bei Chlamydoselachus, dem ja nach JAEKEL eine Verwandtschaft mit en Pleuracanthiden zukommt, könnte man sich das Vorhandensein eines sech- Be eventuell auch siebenten Bogens wohl vorstellen, wie auch in der That e Tafelfiguren FnirSCH', falls man an ihrer Genauigkeit nicht zweifeln will, aum eine andere Deutuug zulassen. Dem stehen aber, wie gesagt, die völlig weichenden Resultate KokEN's und JAEKEL’s gegenüber. Weitere Unter- c. sind noch abzuwarten. 416 Karl Fiirbringer E. vorfand, wenn auch alle anderen einen Fortsatz von gleicher Gestalt d hatten, der den ihm entsprechenden aller anderen Haie weit über- - trifft, so möchte ich eine Deutung, die im Zusammenhang das Pri- - müre, in der Trennung aber eine sekundäre Abgliederung erblickt, - für wahrscheinlicher halten. Die ontogenetische Untersuchung an - einem älteren Embryo von Heptanehus ergab, dass die distale Platte | hier relativ verdickt war und mit dem siebenten Kiemenbogen nur t dureh eine dünnere Lamelle zusammenhing. Angesichts dieses, für eine getrennte Genese der Theile nicht ungünstigen Befundes muss | ich die Frage nach der Natur der Platte offen lassen. | Weder bei einem der Spinaciden noch bei Cestracion und Odont- aspis vermochte ich Elemente nachzuweisen, die sich etwa als Ru- dimente eines sechsten Bogens deuten ließen. Ich kann somit die bezüglichen Darlegungen GEGENBAUR's nur bestätigen. 8. Kiemenstrahlen. Von den Kiemenradien besitzen erhóhtes Interesse die der Man- dibularbogen, die des letzten Kiemenbogens und die des Hyoidbogens. Erstere wurden bereits oben (pag. 388—394) von mir behandelt. a. Radien des letzten Kiemenbogens, Kiemenstrahlen im Allgemeinen. Die Radien des letzten Kiemenbogens sind namentlich dess- wegen von Bedeutung, weil sie als Argument für die Kiemenbogennatur dieser letzten Bogen dienen. Von den früheren Untersuchern wurden diese Strahlen theils übersehen, theils anders gedeutet (STANNIUS). GEGENBAUR (1872) wies bei einer größeren Anzahl von Haien einen Knorpel nach, den er als Radius deutete. Er konnte jedoch diesen Nachweis nur für die Haie mit fünf Kiemenbogen erbringen, bei denen die. Auffassung des fünften Bogens als eines Kiemenbogens Angesichts des Verhaltens dieser Bogen bei den Notidaniden, bei welchen der fünfte Bogen noch eine Kieme trügt, ohnehin schon sehr wahrscheinlieh war. Von den Notidaniden sagt er (pag. 162): »Bezüglieh des Vorkommens des Radienknorpels am letzten Bogen bemerke ich, dass ich bei den Notidaniden vergeblich danach suchte.« Meine Untersuchungen ergaben auch ein Vorhandensein sol- cher Kiemenstrahlenrudimente am letzten Bogen der Notidaniden. Bei Heptanchus fand ich deren sogar zwei, während GEGENBAUR bei allen Haien, abgesehen von Scyllium (wo deren drei sind), nur einen Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 417 beschreibt. Ich bilde sie auf Fig. 22 Taf. XVII ab; es sind zwei r ovale Körper (Rr). Bei Hexanchus fand ich an ähnlicher Stelle einen von annähernd derselben Form. Auch bei Chlamydoselachus ist : eine Platte vorhanden (s. Fig. 18 Taf. XVII Zr) welche man wie die von Laemargus und Centrophorus, denen sie am meisten ühnelt, nach _ GeEGENBAUR als verwachsenes Rudiment von Kiemenstrahlen deuten — darf. Garman erwähnt nichts von ihr und giebt im Text an, der sechste Bogen habe keine Radien, doch scheint sie nach seiner Ab- bildung (Plate IX) vorhanden zu sein, jedoch in von der meinigen ziemlich abweichender Gestalt und zugleich in vollständiger Ver- wachsung mit dem Ceratobranchiale. Für die Spinaciden kann ich die Angaben GEGENBAUR’s voll- s kommen bestätigen, eben so die Wırırr’s für Laemargus. Bei Acan- thias fand ich außer dem bekannten Rudiment eines Strahles noch dasjenige eines zweiten. Bei Centrina sah ich einen großen dem bei Seymnus ähnlichen, der mit dem Bogen verwachsen war!. Am interessantesten erwies sich ein Befund bei Odontaspis americanus, einem Vertreter der von GEGENBAUR nicht untersuchten Lamniden. Konnte man Angesichts der Befunde eines einzigen span- _ genfürmigen Knorpels bei manchen Spinaciden und bei Cestracion noch im Zweifel sein, ob nicht die Deutung von STANNIUS als Kiemen- bogen (siehe darüber oben auf pag. 414) zu Recht bestehe, so scheint Odontaspis die Erklärung für das Zustandekommen eines so langen Rudimentes zu liefern. Bei ihm fand ich nämlich (siehe Fig. 23 "Taf. XVII) nicht weniger als sechs Radienrudimente (Rr./—6), eine - Zahl, die noch bei keinem Selachier angetroffen wurde. GEGENBAUR " beobachtete, wie schon angegeben, als Maximum drei bis vier bei ‘Seyllium (s. seine Taf. XII Fig. 5). Bemerkenswerther aber noch als ihre hohe Zahl, ist die Gestalt und Lagerung dieser Knorpelchen. Die beiden distalsten und das proximalste haben noch vollkommen — die Form von Radien beibehalten. Die starke Ausbildung der distalen gegen die Artikulation mit dem Epibranchiale hin ansitzenden stellt eine Reminiscenz oder Parallele zu dem Verhalten der Strahlen an 1 Auch die Embryologie ist der Deutung dieser Knorpel als Kiemenstrahlen günstig. Bei einem Spinax-Embryo fand ich sie relativ länger als beim Er- waehsenen und in ganz gleicher Weise dem Kiemenbogen angelagert; nur waren die Rudimente direkt nach außen vom Kiemenbogen gelegen, während "sich die ausgebildeten Strahlen etwas distal an ihren Kiemenbogen anlegen. Diese Thatsache kann nur als neuer Beweis gegen die Annahme von STANNIUS aufgeführt werden. 418 Karl Fiirbringer den vorderen gut ausgebildeten Kiemenbogen dar, bei denen gleich- falls von den Artikulationsstellen der Epibranchialia und Cerato- branchialia aus ein allmähliches Abnehmen der Radiengröße gegen die Enden dieser Kiemenbogenglieder stattfindet. Die Lage der Radien am letzten Kiemenbogen ist in so fern geändert, als sie nicht mehr vom Bogen abstehen, sondern sich an ihn anlegen. Denkt man sie sich mit einander verwachsen, so erhält man den langen Knorpel der Spinaciden. Daran anschließend, möchte ich noch Einiges über die Kiemen- strahlen im Allgemeinen bemerken. GEGENBAUR konstatirte bekanntlich, dass die Radienzahl an einem | Kiemenbogen bei den Haien mit Einschluss der rudimentären im höchsten Falle die Zahl 15 erreichte, bei den Rochen dagegen bis zu einem Maximum von 30 anstieg. Meine Untersuchung an - Chlamydoselachus lehrte mich, dass auch bei den Haien höhere Radienzahlen vorkommen, indem ich hier bei Chlamydoselachus am ersten Kiemenbogen (dem second branchial arch von GARMAN) eine Radienzahl von 21 bezw. mit Hinzunahme des oberen äußeren Kie- — menbogens von 22 fand. Am zweiten saßen 18 bezw. 19, am dritten 15 bew. 16, am vierten 13 bezw. 14, am fünften 11 bezw. 12. Diese Zahlen übertreffen zugleich GARMAN’s Angaben erheblich, indem dieser bei dem von ihm untersuchten Exemplare am ersten Kiemenbogen 15, am zweiten Kiemenbogen 14, am dritten Kiemeubogen 12, am vierten Kiemenbogen 9 und am fünften Kiemenbogen 9 fand, also selbst am - ersten Kiemenbogen eine Anzahl, die nur das Maximum von GEGEN- | BAUR erreicht. Es zeigt sich somit hier gerade bei dem primitivsten Hai eine Zahl, welche die der anderen Haie! weit übertrifft; selbst . die Zahl am fünften Bogen, welcher die wenigsten aufweist, kommt | dem Maximum der übrigen Squaliden noch sehr nahe. Auch bei Echinorhinus konnte ich eine Radienzahl, welche die aller an- deren von GEGENBAUR untersuchten Haie übertrifft, nachweisen. Hier waren am ersten Kiemenbogen 20 vorhanden und auch der nächst hintere zeigte noch viele. Der Unterschied von den Rochen ist in dieser Beziehung um ein Bedeutendes vermindert, und wir können es für möglich halten, dass bei den Rochen in Bezug auf die Zahl der Kiemenstrahlen noch ein primitives Verhalten besteht, welches sich ja nach GEGENBAUR möglicherweise in der Verwachsung der 1 Nach KOKEN und JAEKEL sind bei Pleuracanthus an den Kiemenbogen | im Gegensatz zum Hyoidbogen nur wenig Strahlen. Beitrage zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 419 _Kiemenstrahlen mit dem Bogen bei Torpedo ausdrücken soll. Letztere Thatsache, die ich für Torpedo‘ bestätigen kann, wäre dann viel- leicht fum der Grund für die Erhaltung der Strahlen gewesen, _ welche sich bei den Haien, wo eine solche Verwachsung auch von mir nirgends konstatirt wurde, nur noch bei ganz primitiven Ver- tretern in einigermaßen ursprünglicher Anzahl erhalten konnten. b. Radien des Hyoidbogens. Die Zahl der Radien am Hyoidbogen von Chlamydoselachus ist sogar noch viel bedeutender; ich fand nicht weniger als 30 (GARMAN, pag. 1: 22). Diese Radien des Hyoidbogen gewinnen aber in anderer Beziehung noch eine erhöhte Bedeutung, indem sie einen trefflichen Beweis für die von GEGENBAUR 1872 ausgesprochene Ansicht, dass die Platten des Hyoidbogen sich von einem einfacheren? Zustand, wo nur, wie an den Kiemenbogen, einzelne Strahlen bestanden, her- leiten. Als Beweis hierfür musste ihm dienen, dass bei Hexanchus und Heptanchus neben den Platten noch vereinzelte Strahlen vor- kommen. Diese sind aber namentlich bei Heptanchus (man betrachte - seine Figg. 1 und 2 auf Taf. XV) vereinzelt und könnten eventuell auch als durch Zerfall der Platten entstanden gedacht werden. Dies ist ganz ausgeschlossen bei Chlamydoselachus (siehe meine Fig. 33 Taf. XVII), wo sich sàmmtliche Strahlen noch ganz isolirt vorfinden. Wir haben also hier einen Zustand, der sich von dem der Kiemen- bogen in nichts unterscheidet und desshalb wohl unbedenklich als ein primitiver und als Ausgangspunkt für die Entwieklungsreihe der Strahlen der Hyoidbogen anzusehen ist?. Sogar darin hat er seine Primitivität und seine Verwandtschaft mit den Kiemenbogen bewahrt, dass nieht wie bei anderen Haien in der Nähe der Gelenkstelle, die Radien fehlen, sondern wenn auch bereits etwas rückgebildet doch noch vorhanden sind. .— Es sei hier noch bemerkt, dass bei den Kiemenbogen von 1 Ob allerdings diese Verwachsung eine primäre ist, dergestalt, dass die _Kadien aus dem Bogen hervorgesprosst wären, ist bisher nicht nachgewiesen; die scharfe Grenzlinie zwischen den verschiedenen Geweben des Kiemenbogens und der Strahlen spricht zunächst nicht dafür. Es könnte eventuell auch nur eine Weiterbildung einer offenbar schon bei Raja eingeleiteten Verwachsung sein. 2 GARMAN verzichtet vollkommen auf eine Beschreibung dieser primitiven Verhältnisse, und seine Figuren weisen dem Hyoidbogen nur 18 Radien zu. — 3 Auch bei Pleuracanthus sind nach DÖDERLEIN, 1889, pag. 125, die Ra- dien am Hyoidbogen als einfache Strahlen ausgebildet. Auch KOKEN und JAEKEL weisen darauf hin. 420 Karl Fürbringer Chlamydoselachus ein Mittelstrahl, wie ihn GEGENBAUR für die an- deren Haie beschreibt, nicht vorkommt; ich finde vielmehr sowohl am unteren Ende des Epibranchiale, wie am oberen Ende des Cerato- branchiale je einen wohl ausgebildeten Kiemenstrahl. Beide nähern sich bei abnehmender Radienzahl der Bogen, nach dem distalen Bereiche der Kiemenregion hin, successive einander: an den drei ersten Kiemenbogen existirt ein Zwischenraum zwischen ihnen, am vierten liegen sie ganz direkt zusammen, am fünften ist eine Kon- krescenz ihrer basalen Theile, die sich auf eine ziemliche Strecke ihrer Höhe erstreckt, eingetreten und der gegabelte Strahl liegt nun mit seiner Basis der Gelenkstelle auf. Denken wir uns die Ver- wachsung etwas weiter fortgesetzt, so erhalten wir den einheitlichen Mittelstrahl anderer Haie !. Von GEGENBAUR scheinen solehe Verwachsungen der Strahlen an Kiemenbogen nieht beobachtet worden zu sein, er giebt nur an (1872, pag. 159), dass einige Male ein Strahl einen anderen nahe an seiner Basis eingelenkt trug. Ich konnte eine Verwachsung, die noch weiter ging wie die bei Chlamydoselachus, auch bei Echinorhinus nachweisen. Jedoch waren auch hier nur die basalen Theile verwach- sen, so dass man nicht an eine Gabelung durch Sprossung denken kann. Auf ähnliche Weise denke ich mir die Entstehung der Platten am Hyoidbogen, wenigstens in der Mehrzahl der Fälle, dureh Kon- krescenz zu Stande gekommen. GEGENBAUR, der sich schon 1872 einer Entstehung der Platten durch Auswachsen von Fortsätzen aus einem Strahl mehr zustimmend verhielt, als einer Entstehung durch Konkrescenz, sagt 1898 in seiner vergleichenden Anatomie, I, pag. 428: »Von Strahlen, deren Ende nur eine kurze Gabel bildet, bis zu solchen, welche in sieben bis zehn zum Theil nahe an der Basis beginnende Fortsätze auslaufen, finden sich alle Übergänge. Manchmal finden sich einzelne freie Stäbehen in den Zwischenräumen der Verzweigungen. Jene Über- gänge lehren, dass nicht sowohl eine Konkrescenz, als eine Aus- bildung die ramificirten Platten hervorrief.« | Dem gegenüber scheinen mir verschiedene Befunde an Chlamy- doselachus, Odontaspis, Spinax, Echinorhinus, Seymnus, Laemargus, 1 Ich möchte diese Erklärung für die Entstehung des Mittelstrahles keines- wegs als die gewöhnlich vorkommende, sondern vielmehr als die nur in seltenen Fällen zutreffende ansehen. Im Allgemeinen dürfte er wohl bei Verkümmerung der Nachbarstrahlen im Wettbewerb der Organe zu erhöhter Bedeutung ge- langen. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 491 Cestraeion, den Notidaniden und Holocephalen auch einer Konkres- cenz das Wort zu reden. Ich führe folgende an: Bei Chlamydoselachus fand ich (s. Fig. 31 und 35 Taf. XVIII) mehrfach, dass zwischen zwei groBen Radien, die mit ihren Basen einander genähert waren, wohl gerade durch diese Annäherung in seiner Funktion beeintrüchtigt, ein Radius zuriickgebildet war. Diese Riickbildung war in den verschiedensten Stadien zu beobachten; bald reichte der Strahl noch bis nahe an den Kiemenbogen, bald war er nur noch an der Peripherie des Kiemenseptums erhalten. In einem Falle war er durch die Verkümmerung in zwei Stücke zerlegt worden. Denken wir uns nun die beiden Kiemenstrahlen, zwischen denen der rudimentäre liegt, zusammengewachsen, wie dies ja oben bei Chlamydoselachus am fünften Kiemenbogen nachgewiesen wurde, so haben wir den Fall einer Gabel, in der ein isolirter rudimentärer Strahl liegt. Die erwähnten kleinen Rudimente zwischen den wohl- ausgebildeten Strahlen als Abgliederungen von Auswüchsen zu er- klüren, dürfte sehr schwierig, wenn nicht unmóglieh sein, um so mehr als wir bei Chlamydoselaehus am Hyoidbogen keine Gabelungen der Radien finden. Fig. 33 von Chlamydoselachus zeigt übrigens noch etwas Inter- essantes, indem der zweite mit x bezeichnete Strahl des Hyomandi- bulare (von der Gelenkstelle mit dem Hyoid aus gerechnet, den rudi- mentüren Strahl mit eingerechnet) nicht einfach, wie die anderen Radien mit einer Spitze endet, sondern eine fischhakenförmige Ge- staltung zeigt. Durch Gabelung kann man dieses Verhalten nicht erklären; als einzig mögliche Erklärung bleibt die der Konkrescenz des Radius mit dem Rudimente eines anderen Radius, wie wir sie ja auf derselben Figur zwischen den Spitzen anderer Radien sehen. In der That finden wir auch unten noch die Dasis des ehemaligen Radius, dessen distales von ihm abgegliedertes Ende, wie angegeben, mit dem Nachbarradius verwuchs. Noch deutlieher scheinen mir die Verhiltnisse am Hyoidbogen von Odontaspis (Taf. XVIII Fig. 35) für Konkrescenz zu sprechen. Hier zeigen die Radien eine ganz merkwürdige Anordnung. Wir sehen in der Mitte des Hyoidstückes eine Anzahl scheinbar ver- zweigter Platten; bei näherer Betrachtung ergiebt sich aber, dass die einzelnen Zweige gar nieht mit einander zusammenhüngen, son- dern in ihrer überwiegenden Mehrheit von einander getrennt sind. Selbst bei kleinen Stüekchen, die genau in das Gefüge des Baumes eingepasst sind, kann man noch eine Grenzlinie konstatiren (siehe 422 Karl Fiirbringer z.B. am Baum y). Diese Anordnung der Knorpelstiicke als durch Abgliederung von einer verzweigten Platte entstanden zu denken, dürfte schwer fallen, da wir uns keine Einflüsse vorstellen können, die diese oft ganz winzigen Stückchen dazu zwingen könnten. Auch fehlte uns jeder hinreichende Grund, wenn wir uns erst die einzelnen Radien durch verzweigte Platten ersetzt dächten und uns dann diese wieder in einzelne Radien zerfallend vorstellten. Wenn es mir auch fürs Erste fern liegt, die Möglichkeit einer Vervielfältigung der Radien auf dem Wege der Differenzirung und Abgliederung völlig zu leugnen, so gebe ich doch hier bei Odontaspis dem Zustandekommen verzweigter Radiensysteme durch Konkrescenz weitaus den Vorzug. Recht inter- essant ist übrigens gerade bei diesem Lamniden die fast gesetzmäßige Art der Degeneration einzelner Radien. Wir nehmen einen Komplex von fünf Radien, wie ihn die Klammern z auf der Figur andeuten. An den beiden Enden stehen zwei sehr stark ausgebildete, in der Mitte ein bedeutend schwächerer und zwischen diesem und den äußeren zwei ganz kleine Knorpelchen. Zur Rückbildung dieser ganz kleinen wurde der Grund gelegt, als noch der mittlere stärker ausgebildet war. Als sie genügend verkleinert waren, wirkte die Nachbarschaft der beiden großen auch auf ihn reduzirend. Und an anderen Radiengruppen oder Bäumchen bei Odontaspis lässt sich dieses Princip der Degeneration verfolgen; nur manchmal ist es durch das Vorhandensein von mehreren Größenstufen der Radien, durch das Ausfallen ganz kleiner und durch schon eingetretene Konkres- cenzen:verwischt. Sehen wir so alle Übergänge von den kleinsten bis zu den größten Zweigstücken erklärt, so können wir uns ihre Zusammenlagerung in der Art, wie sie GEGENBAUR 1872 und 1898, pag. 429 für das zusammengesetzte hadiensystem der Kiemenbogen mancher Rochen andeutete, vorstellen. Es scheint mir somit, dass wir für die Entstehung der Hyoid- platten bei Odontaspis eine phylogenetische Konkrescenz annehmen müssen. Die Ontogenese konnte ich wegen Mangels des betreffen- den Materials nieht untersuchen. Ich halte es aber für sehr wohl möglich, dass sie die phylogenetisch durch Konkrescenz entstandenen Platten in cánogenetischer Vereinfachung dureh Auswachsen bilden kann, somit keinen Beweis für die Konkrescenz liefert. So kann ich mir z. B. die verzweigten Platten an den Verbindungsstellen der beiden Hyoidstücke ontogenetisch recht wohl durch Auswachsen entstanden denken, was sich ganz gut mit meiner Annahme der phylogenetischen Konkrescenz vereinigen lässt, da im Allgemeinen Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 423 auch phylogenetisch die Plattenbildung an diesen Stellen zuerst auftritt. Auch das merkwiirdige Verhalten der Kiemenstrahlen bei Ce- stracion (GEGENBAUR, 1872, Taf. XII Fig. 3; ich fand an meinem Exemplar nicht so viele Strahlen von einer Basis abgehen) lässt sich, wie mir scheint, auf Konkrescenz zuriickfiihren. Bei Spinax niger (siehe meine Fig. 27 Taf. XVIII) finde ich nämlich eine Kamm- bildung der Radien des Hyomandibulare wie bei Cestracion schon im vollen Gang. Vier Zinken sind schon vorhanden, eine fiinfte soll gerade hinzukommen, und zwar nicht durch Auswachsen, son- dern durch Konkrescenz. Der letzte Kiemenstrahl des Hyomandi- bulare steht schon durch eine schmale Knorpelbriicke mit dem Kamm in Verbindung; verwächst er vollständig, so wird seine Basis als Stütze überflüssig und degeneriren. In der That sehen wir am vierten Zinken den letzten Rest seiner ehemaligen basalen Fortsetzung noch als Höcker angedeutet. Besonders beweisend für die Konkrescenz scheinen mir auch die Verhältnisse bei Echinorhinus, welcher (siehe auch oben) in Bezug auf seine Kiemenstrahlen ziemlich primitive Verhältnisse be- wahrt zu haben scheint. Hier sind am Hyoidbogen noch recht viel einzelne Strahlen, neben diesen sehen wir aber zahlreiche, an die sich ein anderer oder mehrere andere anlegen. Bei manchen ist nur noch die Naht der Vereinigung zu sehen, andere sind vollkommen mit einander verschmolzen. Fermer findet sich hier öfters ein Vorkom- men, welches zwei mit ihren Basen vollkommen getrennte Strahlen nur an ihrem periphersten spitzen Ende vereinigt zeigt. Ein ähnliches Verhalten besteht auch bei Odontaspis (siehe Fig. 35 Taf. XVIII); nur sind es hier ganze verzweigte Platten, die _an ihrem peripheren Ende sich mit den Nachbarn, Arkaden bildend, vereinigen. Bei AB haben sich die Zweige erst an einander ge- legt, bei A 5’ ist die Konkrescenz eingetreten. Laemargus (bei dem ich eine größere Zahl von Hyoidradien, als sie Warre angiebt, fand) und Scymnus zeigen auch deutliche Beweise für Konkrescenz. Eben so steht es mit den beiden Notidaniden. Sowohl bei Hexanehus wie bei Heptanchus fand ich Verwachsung der Spitzen getrennter Strahlen, Arkadenbildung verzweigter Platten, und in zahlreichen Fällen alle möglichen Übergänge von der An- 424 Karl Fiirbringer lagerung von Strahlenrudimenten an einen Strahl bis zur Verwach- sung 1. Betrachtet man die Darstellung, welche GEGENBAUR 1872 (Taf. XII Fig. 3) von den Strahlen des Hyoidbogens von Cestracion gab, so gewinnt man den Eindruck, als ob hier sümmtliche Zinken der Kiemenstrahlenkämme fest mit der Basis des Kammes verwachsen seien, ein Verhalten, das gewiss eher für ein Auswachsen sprechen würde. Mein Exemplar (Taf. XVIII Fig. 34) zeigte nun wesentlich andere Verhältnisse. Zunächst war die Zahl der Zinken eines jeden Kammes hier bedeutend geringer wie bei dem von GEGENBAUR unter- suchten. Bei diesem sitzen am Hyomandibulare über 20, bei mir nur 8 (bezw. 10, die gegabelten als 2 gerechnet); sein Hyoid trägt gleich- falls ca. 20, das meinige nur 8. Bemerkenswerth ist aber nament- lich an meinem Exemplare, dass die Radien keineswegs kontinuir- lich mit der Kammbasis verbunden sind; vielmehr liegen die zwei dorsalsten des Hyomandibulare noeh ziemlieh weit von der Basis entfernt. Am Hyoidstück sind von den acht sogar nur zwei wirklich verwachsen, während die anderen, je weiter man ventralwärts fort- schreitet, immer deutlicher gesondert erscheinen. Schon GEGENBAUR sagt 1872 (pag. 180): »Diese von dem so modifieirten Plattenradius ausgehenden Fortsätze sind theils einfach, theils gegabelt. Einige sind abgelóst und erscheinen wie freie Radien, welche einem stárkeren Radius ansitzen.« Dieser Auffassung GEGENBAUR's kann auch die Erklärung auf dem Wege der Konkrescenztheorie gegenübergestellt werden. Die nach seiner Auffassung abgelósten Stücke, welche als freie Radien dem stárkeren Stammstück aufsitzen, würden bei der entgegenge- setzten Anschauung als noch frei gebliebene Radien zu denken sein. Hierfür finden sich bei meinem Exemplar alle Übergänge. GEGENBAUR scheint jedoch in seinem Befunde kein der Konkrescenztheorie gün- stiges Faktum gesehen zu haben, da er sowohl 1872 wie namentlich 1898 für Sprossung eintrat. An meiner Figur von Cestracion làsst sich noch erkennen, dass die Kammbildung nicht nur in der eben geschilderten Weise durch Anlegung anderer Radienrudimente ge- 1 Auf die Unmüglichkeit, solehe Übergangsreihen als den Beweis für eine umgekehrte Entstehung zu benutzen, in der Art, dass die einzelnen Zinken der Gabeln und Aste der Platten sich nachträglich abgliederten, wurde schon oben hingewiesen. Es wäre namentlich auch schwer verständlich, wenn bei den Notidaniden, wo doch die Plattenbildung crst eingeleitet ist, schon wieder ihr Verfall begánne. s á fh sts. diim Beitriige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 425 schah, sondern auch in der oben von Spinax erwähnten Art. An der Verbindungsstelle der beiden Kammplatten findet sich nämlich died. db = $ E | | rode: zwischen diesen und der Artikulation des Hyoidbogens ein kleiner Knorpel (y) welcher wohl mit großer Wahrscheinlichkeit als über- flüssig gewordene Basis eines der letzten dem Kamm einverleibten Strahlen anzusehen ist. Da ich die Entstehung der Radienplatten nicht bei anderen Haien untersuchte, möchte ich meine Anschauung nicht unbedingt als eine für alle gültige betrachten, wenn auch die von mir untersuchten Species überwiegend für Konkrescenz sprachen. Bei der großen Variabilität in dieser Ordnung ist es immerhin möglich, dass bei anderen Familien, vielleicht sogar Species, auch phylogenetisch ein Auswachsen statt- findet. Der Nachweis der Konkrescenz bei Vertretern der vier ver- schiedenen Familien der Notidaniden, Spinaciden, Lamniden und Cestraciontiden, sowie von Chlamydoselachus zeugt aber zum minde- sten für ihre große Verbreitung t. Auch bei den Holocephalen, sowohl bei Chimaera wie bei Callorhynchus, giebt sich deutlich die Entstehung der Hyoidplatten durch Konkrescenz zu erkennen. Besonders beweisend sind Befunde bei letzterem, bei dem mehrere Strahlen mit einander eine einheit- liche Platte bilden, jedoch die Basen noch deutlich gesondert er- scheinen und eben so die peripheren Theile noch in großer Ausdeh- nung frei sind. Auch an den stark rudimentären Strahlen der . Kiemenbogen lassen sich Spuren von Konkrescenz nachweisen. Wir sahen im Vorhergehenden den Nachweis von Konkrescenz der Radien am Hyoidbogen erbracht. Bei zwei Vertretern (Chlamy- ; doselachus, Echinorhinus) konnte ich auch das Auftreten einer Kon- krescenz an Kiemenbogen beobachten. Eben so war es mir möglich, für die Spritzlochknorpel (Spinax) Konkrescenzen zu konstatiren. Wir finden sie somit an sämmtlichen Visceralbogen. 9. Aufsere Kiemenbogen (Extrabranchialia). Diese von GEGENBAUR so benannten Gebilde wurden zum ersten -Mal von RATHKE 1832 (pag. 64, 83) bei Acanthias, Seyllium, Galeus ? und Raja aquila beschrieben und dem Kiemenskelet der Petromy- — zonten verglichen. CUVIER, 1840 (VII, pag. 307) beschreibt sie von 1 HASWELL (1884, pag. 95) spricht auch von konkrescirten Radien am _ Hyoidbogen von Crossorhinus, also einem Vertreter der Scylliiden. 426 Karl Fürbringer Mustelus und Scyllium; er vergleicht sie mit »Cótes sternales et vertebrales« und homologisirt sie (pag. 313) mit dem Kiemenskelet der Petromyzonten. Auch JOHANNES MÜLLER zeigt sich dem Homologisirungsversuch — RATHKE’S günstig. GEGENBAUR 1872 (pag. 164—167) beschreibt die äußeren Kie- menbogen von einer größeren Anzahl von Haien (Heptanchus, Hex- anchus, Centrophorus, Scymnus, Cestracion, Galeus, Mustelus, Pri- onodon) und Rochen (als Rudimente bei Rhynchobatus und Trygon). In ihrer Deutung schließt er sich, eben so wie später BALFOUR, RarHKE an. Von VETTER, 1874, wurde ihrer in ihrer Beziehung zur Muskulatur bei Heptanchus, Acanthias und Seymnus gedacht. Es ist das Verdienst Dourn’s, dass er in seiner IV. Studie 1884 (pag. 19 u. ff.) gegenüber der Ansicht der erwähnten Forscher darauf hinwies, dass man diese Knorpel auch auf andere Weise erklären kónne. Er behauptete auf Grund von Untersuchungen, die vornehm- lich an Pristiurus vorgenommen wurden, dass die äußeren Kiemen- bögen einfach von Kiemenstrahlen abzuleiten seien. Im selben Jahre gelangte auch Wıruıam A. HaswELL in seinen »Studies on the Elasmobranch Skeleton« (1884, pag. 90) zu der gleichen Deutung. Dieser Ansicht schließt sich GEGENBAUR 1898 (pag. 429, 431) an, wohl namentlich auf Grund der von WnurrE 1892 gegebenen Figur von Laemargus, die in GEGENBAUR's Lehrbuch (Fig. 270) wieder- gegeben ist. Zu einer vierten Art der Deutung gelangt O. JAEKEL 1895. Auf Grund des Fehlens der äußeren Kiemenbogen bei den Pleuracan- thiden nimmt er pag. 75 an, dass sie bei den jüngeren Haien nur als sekundäre Bildungen in der Haut entstanden seien. PARKER, 1876, hielt sie auf Grund seiner Untersuchungen an Seyllium für den Lippenknorpeln vergleichbare Gebilde, fasste beide Bildungen als dem inneren Skelet vollkommen fremde auf und be- zeichnete sie als »extraviscerals«. Diese Anschauung dürfte jeg- licher Grundlage entbehren. Von diesen Erklärungsweisen dürfte die zuerst von poii und HaswELL geäußerte bei dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse wohl — die am meisten für sich einnehmende sein. _ Man könnte nun eine Bestätigung dieser Ansicht DoHrn’s darin | finden, dass ich bei Chlamydoselachus, dem, wie wir gesehen haben, in Bezug auf seine Kiemenstrahlen am tiefsten stehenden Vertreter der Haie, die »äußeren Kiemenbogen« in einer Gestalt Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 427 . — nicht Lage — antraf, die sie vollkommen den Radien gleichen lässt. Die Ähnlichkeit ist so täuschend, dass GARMAN in seiner Monographie angab: »Extrabranchials are not present«. Das ist nun nicht richtig. Ich fand aber auch nur dorsale. Die _ Erklärung für das Fehlen der ventralen könnte eventuell (wenn man sich auf den Boden der Annahme Dourn’s und Hasweur’s stellt) darauf zurückgeführt werden, dass die Kiemenstrahlen gegen das _ventrale Ende des Ceratobranchiale zu immer kleiner werden; die - untersten sind theilweise nur noch als äußerst kleine Rudimente ent- wickelt, was allerdings auch bei anderen Haien, wenn auch vielleicht nicht in dem Maße, vorkommt. Die Lage der dorsalen (siehe Fig. 31, 32 Exdr) lässt sie, un- geachtet ihrer geraden Gestalt, sogleich als das erkennen, was man als »äußeren Kiemenbogen« bezeichnet. Sprach nun die Gestalt für - DoHrn’s Ansicht, so gilt das Gleiche nicht für die Lage. Es ist auffallend, dass diese »äußeren Kiemenbogen« der Haie mit ihren breiteren Enden nicht wie die übrigen unzweifelhaften Radien zu demjenigen Bogen, in dessen Diaphragma ihre Spitze liegt, ziehen, sondern sich nach dem nächst hinteren Bogen be- geben. Schon GEGENBAUR, 1872, pag. 165, wies auf ein ähnliches Verhalten bei den von ihm untersuchten Haien hin. Besonders schön fand ich diese Lageverhältnisse bei Laemargus. Hier hatte zwar schon WHITE, 1892, im Text angegeben, dass die Ex- - trabranehials etwas hinter den Bogen lägen, seine Fig. 2 (Pl. XXXVII) aber, die in GEGENBAUR’s Lehrbuch übergegangen ist, giebt das Ver- "hültnis fálsehlieh so wieder, als ob der breitere Theil des Extra- branchiale an dem Bogen ansetze, in dessen Diaphragma seine Spitze liegt, dieses sieh also nur durch seine Gestalt von den übrigen Strah- len unterscheide. Ich fand dagegen, dass zwar der spitze Theil des »äußeren Kiemenbogens« in der Ebene des vorderen Diaphragmas liegt, dass der Bogen aber, dann die distal (caudal) anschließende Kiemenspalte überbrückend, schräg nach hinten und medialwärts verläuft und mit seinem plattenartig verbreiterten Ende sogar theil- ‚weise noch hinter das Ceratobranchiale des distalen (caudalen) näch- "sten Bogens tritt. Ähnliches geben auch die Figg. 1 und 2 Wurre’s, auf die hier namentlich verwiesen sei, wieder. Diese Überbrückung der Kiemenspalte und die Zugehö- rigkeit zu zwei auf einander folgenden Kiemensepten konnte ieh ferner bei den beiden Notidaniden, wie namentlich auch bei den Spinaciden und Odontaspis (und zwar hier am ausgepriigte- Morpholog. Jahrbuch. 31. 28 498 Karl Fiirbringer sten bei den ventralen Bogen) beobachten. Aber auch bei den anderen Haien war nie eine Lage festzustellen, die auf ausschließliche Be- ziehung zu dem Bogen, in dessen Diaphragma das spitze Ende lag, hingedeutet hätte. Auf eine bildliche Darstellung kann ich ver- zichten, da abgesehen von den Figg. 1 und 2 von WHITE diese Ge- bilde auch auf den Figg. 2, 3 und 5 der Taf. VI von M. FÜRBRINGER, 1897, für Centrophorus, Seymnus und Cestracion mit abgebildet sind. Diese vom Verlaufe der inneren Kiemenbogen so divergente Lage der »äußeren Kiemenbogen« wurde somit von verschiedenen Forschern beobachtet, aber keiner besprach sie näher oder versuchte eine Deutung dieses Verhaltens. Was nun DoHrn selbst anbetrifft, so geht er auf diese diver- gente Lage im Text (1884, pag. 19) nicht ein. Erst in der Figuren- erklärung (pag. 92) findet sich der Hinweis: »Man sieht auch bei Fig. 1 den dorsalen sogenannten äußeren Kiemenbogen durchschnitten, derselbe gehört aber dem inneren knorpeligen Kiemenbogen des zweiten Kiemenbogens an und ragt nur mit dem terminalen, nach unten gerichteten Stück in den ersten Kiemenbogen hinüber.« Zu dieser Anschauung konnte DOoHRN wohl Angesichts seiner Untersuchungen kommen, die an einem Squaliden mit recht wenig ausgebildeten Extrabranchialien (Pristiurus) vorgenommen wurden. Bei der überwiegenden Mehrzahl gehören aber ca. zwei Drittel des Extrabranchiale, also durchaus nicht nur das terminale Stück, dem vorderen Kiemenbogen an, und nur das verbreiterte hintere (basale?) Ende schließt sich dem hinteren Kiemenbogen an. Selbst wenn man die Kiemenstrahlennatur der äußeren Kiemen- bogen als bewiesen ansieht, ergiebt sich doch die Frage: stammen sie von Radien des vorderen oder hinteren Kiemenbogen ab? Der Umstand, dass bei Chlamydoselachus die in ihrer nächsten Nachbarschaft! liegenden Radien auch nicht eine Andeutung einer ähnlichen Richtung zeigen, die man bei Dourn’s Umwachsungs- . theorie doch erwarten könnte, dürfte den Anschein erwecken, als ob wir es hier — entsprechend DoHurn’s Anregung — mit Kiemen- strahlen des nächst hinteren Bogens zu thun hätten. Gegen diese Auffassung ergeben sich aber eine Reihe zum Theil nicht gering- fügiger Bedenken. In der Mehrzahl der Fälle reichen die verbrei- terten Enden der ventralen Extrabranchialia nicht bis an das innere 1 Bei den anderen Haien kommt wegen der geringen Zahl der Radien eine so enge Nachbarschaft nicht zu Stande. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier, 429 Kiemenskelet heran. Laemargus ist ein Vorkommnis, wo dies aller- dings geschieht (Warre, Plate I Fig. 2. Hier aber fand ich, dass die Kiemenarterie, die sonst vor den Kiemenstrahlen hinzieht, gerade hinter den verbreiterten Endstiicken der Extrabranchialia verlieft. Somit ein ganz differentes Verhalten in der Lage beider, welches, wenn man den Schwerpunkt auf die Arterie legt, das Extrabran- shiale eher dem vorhergehenden Kiemenbogen bei diesem Selachier zuweisen würde. Donen legt nun großes Gewicht auf den Verlauf ler Arterien, und danach dürfte ein soleher Verlauf gerade seiner Ansicht gegenüber, dass die äußeren Kiemenbogen vom hinteren jener Knorpelstreifen unmittelbar an den Gürtel der Brustflossen, — das vierte und das dritte Paar an die fibröse Umkleidung des Herz- beutels ..... seknüpft.c Da man selbstverständlich nicht anneb- men kann, dass dieses Extrabranchiale einen umgewandelten Strahl ; des Sehultergürtels vorstelle, muss man auf eine distale Verschiebung” ind Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 431 erkennen. Zu Gunsten von Dourn’s Anschauung spräche vielleicht der Umstand, dass man beim Embryo die äußeren Kiemenbogen schon eben so angelegt findet, wie es das ausgewachsene Thier zeigt. DounN's Befund am Embryo von Pristiurus (1884, Taf. VII Fig. 1 bis 4) kann ich im Wesentlichen für Spinax bestätigen; bei letz- terem liegt allerdings nur ein ganz kleines Stückchen des medialen Extrabranchialendes hinter der Kiemenspalte. Im Übrigen halte ich die von Dourn und HAswELL vertretene Ansicht von der Kiemenstrahlennatur der Extrabranchialia immer noch für die wahrscheinlichste unter den bis jetzt geäußerten Anschau- ungen, wenn auch, wie ich zu zeigen suchte, das eigenthümliche Verhalten des Verlaufes und der Lage dieser Bogen und die Art ihrer Abstammung noch keineswegs aufgeklärt ist. Wenn man noch im Zweifel sein muss, ob ein Gebilde einem proximalen oder einem distalen Kiemenbogen angehört, so darf man es auch nicht für ganz ausgeschlossen halten, dass es eventuell eine ganz andere z. Z. noch unbekannte Herkunft hat (1. Dass diese Knorpel, wie JAEKEL aus ihrem Fehlen bei den - Pleuracanthiden folgert, nur sekundäre Bildungen der Haut seien, - dürfte wenig Wahrscheinlichkeit für sich haben. Wir sehen diese Gebilde in so gleichförmiger Beschaffenheit bei allen recenten Squa- liden inel. deren sehr tiefstehende hexanche und heptanche Ver- treter entwickelt und sie finden sich auch bei Chlamydoselachus, für den O. JAEKEL ja eine Verwandtschaft mit den Pleuracanthiden postulirt, vertreten, dass wir in ihrem Fehlen bei letzterem kein voll- kommen differentes? Verhalten erblicken dürfen. Nicht einmal die Möglichkeit einer sekundären Rückbildung ist zur Zeit ausgeschlossen, wenngleich es mir wahrscheinlicher ist, dass sie bei Pleuracanthiden noch nicht entwickelt waren. Günstig für die Lehre von der Kiemenstrahlennatur erscheint mir der Umstand, dass eine Parallelität in der Anzahl der inneren [7 Kiemenbogen und der Extrabranchialia besteht. Bei Heptanchus ! Die Knorpel, die J. Ep. STUMPFF 1885 bei den Rochen von einem Kie- menloch zum anderen unter der Haut verlaufen sah, mahnen zur Vorsicht. Außer bei den von STUMPFF untersuchten Rochen sah ich dieselben an einem ] cnn von Cephaloptera giorna der Palermitaner Zoolog. Sammlung äußerst mächtig ausgebildet und, am letzten Kiemenbogen, in enge Beziehungen zur Brustflosse tretend. 2 JAEKEL selber weist pag. 83 darauf hin, dass Pleuracanthus manclıe Merkmale eines sehr specialisirten Haies trage. 432 Karl Fiirbringer finden sich inclusive des Hyoids 7 dorsale und 7 ventrale. Bei Hexan- | chus konnte ich am Hyoidbogen nur einen dorsalen beobachten, also | in Summa 6 d. und 5 v. Bei Chlamydoselachus fand ich nur fünf | dorsale, also 5 d. und 0 v. (siehe darüber oben). Centrophorus be- | sitzt, gegenüber RATHKE’s Angaben, auch solehe am Hyoid, wie | schon GEGENBAUR zeigte, also 5 d. und 5 v. Acanthias nach RATHKE 9 d. und 5 v. Bei Spinax konnte ich, im Gegensatz zu GEGENBAUR, auch solche, wenn schon schwach entwickelt, am Hyoidbogen nach- . weisen, also 5 d. und 5 v. Eben so hat Echinorhinus solche am | Hyoid. Das Gleiche gilt für Centrina mit 5 d. und 5 v.; hier fand ` ich das ventrale Extrabranchiale des Hyoidbogens theilweise mit | dessen Strahlen verwachsen. Auch bei Cestracion, für den GEGEN- BAUR nur vier angiebt, konnte ich ihre Rudimente deutlich am Hyoid- — bogen nachweisen, also 5 d. und 5 v. Bei Odontaspis fand ich am : Hyoidbogen nur ein dorsales, also 5 d. und 4 v. Es scheinen sich © somit die dorsalen, obwohl sie fast immer weniger mächtig sind, als — die ventralen, lànger zu erhalten! (Hexanchus 6 d. und 5 v., Odont- aspis 5 d. und 4 v., Seyllium 4 d. und 3 v., Chlamydoselachus 5 d. und 0 v.. Bei Pristiurus scheinen nach Dourn’s Figur dem Hyoid- bogen keine zuzukommen, also 4 d. und 4 v. Diese Formel gilt © nach GEGENBAUR auch für Seymnus und Galeus. Für Laemargus hatte schon WHITE auf ihr Vorhandensein am Hyoidbogen hingewiesen. Der dorsale soll nach ihm nicht mit den Radien resp. Platten des Hyomandibulare zusammentreffen. Ich fand denselben, verglichen mit den dorsalen anderer Selachier, recht rudi- mentär. Ein Blick auf das terminale Verhalten der Platten resp. Ra- dien des Hyomandibulare lehrte den Grund. Es zeigte sich nämlich, dass hier eben so wie am ventralen Extrabranchiale (WHITE), eine theilweise Konkrescenz mit den Kiemenstrahlen stattgefunden hat. An denjenigen Stellen nun, wo diese Verbindung stattfindet, ist der äußere Kiemenbogen noch erhalten. An den anderen Stellen aber, wo er nun nicht mehr die Aufgabe hatte, seinen lateralen Theil mit dem medialen zu verbinden (da jener ja nun von den Kiemenstrahlen hinlänglich gestützt wird), konnte er degeneriren. Das Bild, welches sich daraus ergiebt, erinnert einigermaßen an das Verhalten der Kiemenstrahlen bei Torpedo. Doch scheint es mir durchaus nicht zulässig, etwa diese terminalen Verbreiterungen : 1 Ob sich hier vielleicht ventral weniger anlegen, oder ob nur Riickbil- dung besteht, ist zur Zeit nicht zu entscheiden. Beitrige zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 433 der Radien von Torpedo (siehe GEGENBAUR Taf. XX Fig. 1) phylo- genetisch von Rudimenten äußerer Kiemenbogen abzuleiten t; ihre Gestalt bei Torpedo ist eine viel zu regelmäßige. Auch finden wir diese Verbreiterungen schon bei anderen Rochen in einer Weise an- gedeutet, die eine Abstammung von solehen Rudimenten ausschließt. War bei den Haien schon eine Entscheidung zu Gunsten von = Donren’s Ansicht wahrscheinlich, so scheint mir dies für ähnliche Gebilde bei den Rochen noch mehr zu gelten. Wie schon erwähnt, hatte RATHKE solche bei Raja aquila be- schrieben, aber falsch gedeutet. GEGENBAUR wies dann auf Rudi- mente bei Trygon und Rhynchobatus hin, die, wie mir meine Unter- suchung an Myliobatis zeigte, den basalen Theilen der namentlich bei Raja und Myliobatis wohl ausgebildeten Knorpelbogen entsprechen. Bei Myliobatis fand ich fünf Paar Spangen (RATHKE giebt für Raja - nur vier an), die sich vom Diaphragma des Hyoids beginnend bis zum fünften Kiemenbogen hinziehen. Die benachbarten sind, wie das schon RATHKE für Raja angiebt, eng mit einander verbunden - (siehe meine Fig. 36 Taf. XVIII). Bemerkenswerth ist, dass eine jede Platte in zwei Spitzen ausgezogen ist, die sehr stark an Radien - erinnern. In der That konnte ich auch, namentlich am Hyoidbogen, Radien, die halb mit der Spange verwachsen sind, auffinden. An anderen Spangen ließen sich Verwachsungslinien und Löcher kon- statiren. Die Stützfunktion ist hier sehr vollkommen erreicht, indem Radien (siehe Fig. 36 Taf. XVIII) als Stützbalken in der Konkavität der Spange liegen. { .Wenn hier die Abstammung der Spangen von Radien als ge- sichert zu betrachten ist, so ist hiermit noch nicht gesagt, dass dies nun auch für die äußeren Kiemenbogen der Haie gilt. So sagt GEGENBAUR, 1898, pag. 429 von den äußeren Kiemenbogen: »Den = Rochen fehlen sie«, lässt also seine Deutung (1872) der Rudimente — bei Rhynchobatus und Trygon fallen. Man kann es für wohl möglich halten, dass man es bei dieser Bildung von Bogensystemen in beiden Ordnungen der Selachier nur mit Konvergenzerscheinungen zu thun hat. £Y Suchen wir nach einer physiologischen Begründung der Ent- — stehung der »äußeren Kiemenbogen«, so muss auffallen, dass eine gewisse Parallelitit zwischen ihrer Ausbildung und der Weite der 1 Wohin man eventuell auf Grund der von JAEKEL befürworteten poly- phyletisehen Abstammung der Rochen kommen kónnte. 434 Karl Fiirbringer Kiemenlöcher besteht!. Eine je weitere Ausdehnung die Spalten be- sitzen, desto schwächer sind die Bogen ausgebildet; es sei hier nur auf Chlamydoselachus und die Notidaniden hingewiesen. Je enger die Kie- menlöcher sind, desto stärker ist die Ausbildung der Extrabranchialia, z. B. bei Laemargus und Cestracion. Es könnte hiernach der Anschein erweckt werden, dass diese Gebilde bei den niederen Haien erst in der Bildung begriffen wären und erst bei den höheren zu größerer Ausbildung gelangt wären. Eine solche Parallelität ist jedoch nicht nachzuweisen, da wir bei relativ hochstehenden Haien, wie z. B. Pristiurus, die Extrabranchialia in relativ viel geringerer Ausbildung treffen, als z. B. bei Laemargus. Allerdings finden wir die kleineren Kiemenspalten, von denen (wie oben erwähnt) die größere Ausbildung abhängt, im Allgemeinen bei den höheren Haien?, die weiteren mit wenig ausgebildeten Extrabranchialien bei den primitiveren. Es scheint also im Allgemeinen eine Ausbildung, nicht eine Rückbildung, wie GEGENBAUR 1872 (pag. 164—166) annahm, stattzufinden. In manchen Fällen ließ sich jedoch, wie oben gezeigt wurde, eine Rückbildung am Hyoidbogen mit Sicherheit nachweisen. Eine Erklärung hierfür soll weiter unten versucht werden. Es handelt sich jetzt vor Allem darum, die Gründe, welche die Parallelität zwischen Rückbildung der Kiemenlöcher und Ausbildung der Extrabranchialia bedingen, darzulegen und zu beleuchten. Nach DonHnw (1884, pag. 19, 20) sollen die Extrabranchialia keine andere Funktion als die Kiemenstrahlen haben. Was ihre bedeutende Größe anbetrifft, so nimmt er an, dass die übrigen Kie- menstrahlen mit Ausnahme der mittleren einst auch bedeutendere Ausdehnung besessen hätten. Dies ist in so fern richtig, als die Mittelstrahlen sich auf Kosten der anderen vergrößert haben; aber eine so bedeutende Größe wie die äußeren Kiemenbogen von Lae- margus z. B. hatten sie nie. Auch aus der Funktion des Spannens und Stützens des Diaphragmas kann man meiner Ansicht nach nur mit Schwierigkeit ihre Vergrößerung erklären. Eine solche Span- nung und Stützung, wenn sie von DoHRN wie die der Kiemenstrahlen 1 Wenigstens bei den von mir untersuchten Vertretern. 2 Eine bemerkenswerthe Ausnahmestellung würden hier die Lamniden, die man im Allgemeinen für ziemlich hochstehend ansieht, einnehmen, indem hier Selache äußerst ausgedehnte Kiemenspalten zeigt und auch Odontaspis solche von beträchtlicher Größe besitzt. Meine Untersuchungen (siehe oben) haben aber gezeigt, dass das Visceralskelet von letzterem in manchen Punkten ein recht primitives Verhalten zeigt. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 435 aufgefasst wird, musste doch bei den noch freien nicht dermaßen ver- wachsenen Diaphragmen der Notidaniden und Lamniden vielmehr von- " póthen sein, als nach dem Eintritt der Verwachsung. Es muss dem- nach eine andere Erklärung herangezogen werden. Wenn sich die . Kiemenspalten verengerten, so musste der noch übrig bleibende Kanal in viel sorgfältigerer Weise für den Durchlass des Wassers offen- gehalten werden, als bisher, wo bei selbst mangelhafter Öffnung der Kiemenspalte bei deren großer Ausdehnung noch "genug Wasser austreten konnte. Jetzt aber mussten in ganz anderer Weise Vor- kehrungen gegen eine etwaige Verstopfung getroffen werden. Eine = solche Vorkehrung stellt nun in der That der äußere Kiemenbogen, da wo er gut ausgebildet ist, in ausgezeichneter Weise dar. Hierbei sorgt zugleich seine schräge, die Kiemenspalte über- brückende Lage ganz besonders dafür, die Spalte und ihren Kanal - offen zu erhalten, so dass dem Abströmen des verbrauchten Wassers eine freie Bahn zur Verfügung stand. Auch bei ihrer Schließung mußte er von Vortheil sein. Was den Hyoidbogen betrifft, so hat hier auch eine Ausbildung - yon Extrabranchialien stattgefunden. Hier musste aber das Dia- - phragma als erstes in der Reihe selber besonders stark gestützt - werden. Die Offenhaltung der Kiemenspalten hing nicht nur allein von der prompten Bewegung des Diaphragmas nach vorn ab; es musste, um nicht eingebuchtet zu werden, selber möglichst große Festigkeit erlangen. Diese wurde erreicht durch die Ausbildung der - verzweigten Platten. Diese wurden schließlich in so hohem Maße - ausgebildet, dass sie schon allein genügten, die Spalte offen zu er- halten, wodurch das Extrabranchiale (siehe darüber oben) funktions- los und rudimentär wurde. Wenn JAEKEL, 1895, pag. 75 angiebt, dass die äußeren Kiemenbogen sekundär entstanden seien, nachdem — der Hyoidbogendeckel verkümmert sei, so kann ich dem in so fern zustimmen, als bei den Haien mit der Verengerung! der zwischen den Kiemenbogen gelegenen Kiemenspalten analog eine Verengerung der speciell hinter dem Hyoidbogen gelegenen Kiemenspalte Hand in Hand geht, welche dann natürlich eine Verkümmerung des Deckels — bedingt. Es hat hiernach jedoch die Verkümmerung des Hyoidbogen- 1 Auf den Grund dieser Verengerung der Spalten kann ich hier nicht — eingehen. Ob sie etwa erfolgte, um das eingetretene Wasser behufs besserer -Ausnutzung des Wassers vermittels der vielleicht eine höhere Entwicklung zeigenden Kiemen zu gestatten, oder ob andere Gründe wirkten, muss hier dahingestellt bleiben. 436 Karl Fiirbringer diaphragmas keinen höheren Einfluss, als die der anderen. Es scheint also hier bei den recenten Haien ein anderes Verhalten, als bei den Ganoiden und Teleostiern zu bestehen, bei denen die Riickbildung der Kiemensepten durch die Ausbildung des Operculum ersetzt wird. Nachtrag. Es war mir leider nicht mehr möglich, im Text die schöne Arbeit von H. SCHAUINSLAND: »Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Wirbelthiere. I, IT, IIIL.« CHun’s Zoologica. Stutt- gart 1903, zu berücksichtigen, da bereits vor ihrem Erscheinen meine Abhandlung an den Verleger abgegangen war. Ich möchte jedoch noch hier in Kürze auf einige Punkte der Callorhynehus und Triaenodon behandelnden Abschnitte und Abbildungen von SCHAU- INSLAND's Arbeit hinweisen. 1. Callorhynchus. Pag. 9 deutet er die Lippenknorpel als präorale Visceralbögen, was mit meinen Ergebnissen vollkommen übereinstimmt. Pag. 10 und 11 giebt der Autor an, dass ein von ihm bei einem älteren Embryo von Callorhynchus am Vorderende der Mandibel auf- gefundener Knorpel (Fig. 124 x) eventuell als Copula des Kieferbogens zu deuten sei. Ich habe pag. 381 auf das Vorkommen ähnlicher Gebilde bei primitiven Haien hingewiesen. Durch diese Parallele erwächst der Deutung SCHAUINSLAND’s größere Wahrscheinlichkeit, eben so wie es für die Auffassung des Gebildes bei den Squaliden von Wichtigkeit ist, dass etwas Ähnliches auch in der anderen Ord- . nung der Holocephalen vorkommt. Jedoch auch für eine andere Deutung, die ich pag. 372 mit grüBtem Vorbehalte äußerte, kann man in dem Befunde SCHAUINS- mm MEESE > Sh É a a 1.4 LAND'S ein günstiges Moment sehen. Ich hatte von dem Knorpel x meiner Fig. 4 Taf. XVI, den ScHAUINSLAND offenbar wie die früheren — Untersucher nicht beobachtete!, angegeben, dass er eventuell eine Copula zwischen Mandibular- und Labialbogen vorstelle. Da man nun im Allgemeinen seit den Untersuchungen GEGENBAUR’s 1872 | annimmt, dass die Copulae ausgebildet sind als Verbindungsstücke 1 Ich fand ihn bei beiden von mir untersuchten Exemplaren von Callo- — rhynchus. | Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 457 verschiedener Bogen, erhebt sich für den Knorpel x von SCHAUINS- LAND die Frage: bildet er ein Verbindungsstück zwischen Mandi- bular- und Hyoidbogen oder zwischen ersterem und einem prümandi- bularen Bogen. Die erstere Auffassung dürfte durch die orale Lage des Knorpels als wenig begründet erscheinen, dagegen würden wir bei Annahme der letzteren in diesem Knorpel das caudale Rudiment der supponirten Copula zwischen prämandibularem und mandibularen Bogen, deren orales Ende in dem von mir gefundenen Knorpel er- halten blieb, zu sehen haben. Dass der Knorpel SCHAUINSLAND’s eine sekundäre Abgliederung vorstellt, ist unwahrscheinlich, da ich ihn beim ausgewachsenen Thier eben so wenig wie frühere Autoren nachweisen konnte. Auch in Bezug auf die Hyoidradienplatten besteht Übereinstim- mung zwischen SCHAUINSLAND’s und meinen Befunden. Es wurde von mir aus vergleichend-anatomischen Gründen eine Entstehung aus Konkrescenz einzelner Radien angenommen (pag. 420—425), wie es in der That nun auch von SCHAUINSLAND (pag. 11) ontogenetisch nachgewiesen worden ist. Noch ein Wort zu den Rostralknorpeln. Da ich sowohl bei JAQUET (1897, Callorhynchus antarcticus) wie auf SCHAUINSLAND'S Figuren finde, dass die beiden unteren Rostralknorpel frei enden, da ferner auch JoH. MÜLLER, 1834, pag. 229 und 230, ausdrücklich bemerkt, dass die Knorpel getrennt bleiben, und HUBRECHT, aus dessen Fig. 1 Taf. XVII man eine Verbindung herauslesen kann (freilich an viel basalerer Stelle, als es mein Exemplar zeigt), von einer solchen im Text nichts erwähnt, so möchte ich bemerken, dass an meinem daraufhin untersuchten Exemplare von Callorhynchus Verhältnisse bestehen, die sich eng an die von GEGENBAUR bei Chimaera beobachteten anschließen, indem hier die beiden unteren Rostralknorpel mit ihrem peripheren Theil eng mit einander ver- bunden sind, und nur noch eine dünne Bindegewebsnaht die Ent- - Stehung des Endknopfes aus paarigen Anlagen andeutet. Man kann übrigens an meinem Exemplar die Abgliederung eines kleinen auch — paarig entstandenen Knorpelchens an dem Endknopf erkennen. Die Angabe JAQUET’s (auf dessen ungenaue und fast ohne jede Berück- _ sichtigung der Litteratur unternommene Arbeiten ich hier nicht weiter eingehen will), dass der obere Rostralknorpel viel kürzer sei als die beiden unteren, kann ich auf Grund meines Exemplars nicht bestä- tigen, vielmehr fand ich den oberen sogar länger als die unteren; der von JAQUET abgebildete Knorpel entspricht lediglich dem verdickten 438 Karl Fürbringer basalen Abschnitte, während der periphere vielleicht durch die Prä- paration abhanden kam. Wie man aus SCHAUINSLAND’s Taf. XVII Fig. 127 ersieht, sind auch beim älteren Embryo die drei Rostral- knorpel in gleicher Entfaltung vorhanden. Ich möchte bemerken, dass ich in dem erwähnten Befunde bei Callorhynchus keine Stütze für die Ansicht jener Forscher erblicke, welche die Rostralknorpel aus dem Rostrum der Squaliden einfach durch Durchbreehung hervorgehen lassen. Gerade das Bestehen einer Naht an den verbundenen Knorpeln lässt mich die Verbindung als eine sekundäre ansehen. 2. Triaenodon. Taf. XIX Fig. 132 giebt SCHAUINSLAND das Skelet von Triae- nodon obesus Riipp. wieder, dem die Lippenknorpel fehlen. Dass bei diesem Selachier diese Gebilde nicht vorhanden sind, kann deren Deutung keinen Eintrag thun; in derselben Familie der Carchariden wurden ja auch bei Sphyrna zygaena solche. von den betreffenden Untersuchern vermisst (pag. 363). Sehr interessant ist Triaenodon in Bezug auf seine Kiemen- strahlen. Auf SCHAUINSLAND’s Fig. 132 sehen wir an allen Kiemen- bogen annähernd die gleiche Radienzahl vorhanden; von einer pro- ximo-caudalen Abnahme der Radien, wie sie sich bei den von mir untersuchten Squaliden fand, ist hier nichts zu bemerken. Wir finden demnach bei einem Vertreter einer gar nicht tief stehenden Familie der Haie noch recht primitive Verhältnisse gewahrt. 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Größere Übersichtsbilder konnten bei der großen Anzahl einzelner Beobachtungen, die einzelne Figuren nöthig machten, meist nicht gegeben werden. gebung des speciell abgebildeten Theils genauer ausgeführt. biete wurden nur angedeutet, um die Orientirung zu ermöglichen. Vielmehr wurde nur die nächste Um- Entferntere Ge- Im Allge- meinen folgte ich der Nomenklatur GEGENBAUR’s und VETTER’s, der sich auch TıesınG, G. RUGE, M. FÜRBRINGER und Andere angeschlossen haben. Für simmtliche Tafeln geltende Bezeichnungen. A Gehórorgan, Add.md Adductor mandibulae, C, C——4 Copula des Hyoids und des ersten bis vierten Kiemenbogens, Cabr Cardiobranchiale, Cebr Ceratobranchiale, Cr Cranium, Cs M. constrictor superficialis, Ebr Epibranchiale, Exbr Extrabranchiale = äußerer Kie- menbogen, Gh, Hgh Glossohyale, H Hyoid, Hör Hypobranchiale = Hm Hyomandibulare, L, L' L” vorderer oberer, hinterer oberer und unterer Labialknorpel, Lev.l.s Lev. labii superioris (VETTER, TIESING), Add.ß (VETTER), Lev.max Levator maxillae, Copulare, M Präorbitalfortsatz flossenknorpel, Md Mandibula, N Nasenknorpel, O Orbita, P Palatinum, Phbr Pharyngobranchiale, Po Postorbitalfortsatz, Pr.a.o Protractor anguli oris, Qr Quadratum, Rr Radienrudiment des letzten Kie- menbogens, Spk Spritzlochknorpel, I Opticus, Vi, Vo, V4 erster, zweiter und dritter Ast des Trigeminus, VI Abducens, VII Facialis. Tafel XVI. F Eig 4. Seitliche Ansicht des Kopfes von Chlamydoselachus anguineus nach Entfernung der Haut. z' und zz" sind die Ansatzstellen eines ent- fernten Ligamentes, das die Präorbitalkante mit dem oberen Rande des Lippenknorpels (Z) verbindet. Die Innervation des Levator labii sup. durch V3 ist deutlich zu sehen. Bemerkenswerth ist, dass die Fasern des Levator maxillae (also eines Theils des Constrictor superfieialis) sich in der gleichen Richtung bleibend in den Adductor mandibulae resp. Schädel- Li E Wr ey rs Nu es NN Lt sain e r = Sanz, 3. ER in, ig. 12. 78: Fig. 14. Fig. 15. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 443 fortzusetzen scheinen, nur davon getrennt durch eine kaum nachweis- bare Raphe. Auf ühnliche Weise setzt sich der Adductor mandibulae am distalen Theil der Mandibula in den Constrictor superficialis ven- tralis fort. Eine dritte Beziehung zu den Constrictores besteht in dem engen Zusammenhang mit dem Levator labii sup., den man kaum von ihm trennen kann, und welch letzterer, wie ein Befund bei Echi- norhinus zeigte (siehe Taf. XVII Fig. 13), direkt mit dem Levator mandibulae in Verbindung steht. Bemerkenswerth ist die geringe Trennung des Nasenkapselknorpels vom Cranium bei einem so primi- tiven Selachier. ` Seitliche Ansicht des Kopfes von Centrophorus granulosus. Der hintere obere Labialknorpel ist mit seinem proximalen Ende in den Lev. labii superioris eingelassen. Centrina salviani. Ventralansicht. Mandibularbogen etwas vom Cranium abgebogen. Callorhynchus antarcticus, 5, von unten. c Lippenknorpel, e prä- cranialer Knorpel. x eventuelle Copula zwischen Labialbogen und Man- dibularbogen. M.z (Constrictor superficialis ventralis M. FURBRINGER); vielleicht ist er und der My dem M. labialis posterior von Chimaera ‘homolog. Rhynchobatus djoddensis. Ventralansicht des Mandibularbogens. Torpedo ocellata. Ventralansicht. Z? vielleicht Rudiment von Labialknorpeln. Chlamydoselachus anguineus. Rechte Kopfhälfte von oben. Echinorhinus spinosus. Von oben. Der Levator maxillare su- perioris ist durchschnitten und emporgehoben, um die auf dem Spritz- lochkanal liegenden Knorpel sichtbar zu machen. Sp Spritzloch. Spritzlochknorpel von Centrina salviani, strahlförmig. x das Ende, mit dem er am Palatoquadratum ansaß. Seymnus lichia. Ventral- und Distalseite des Mandibular- und Hyoidbogens. Der Hyoidbogen ist in distaler Richtung verschoben, um einen mit Prh bezeichneten Processus, der in normaler Lage den Knorpel x aufgelagert hat, zu zeigen. Chlamydoselachus anguineus. Proximaler Theil der Mandibeln etwas aus einander gezogen, in Ventralansicht. x vielleicht Copula- rudiment des Kieferbogens. C.md M. coraco-mandibularis. ’ Tafel XVII. Heptanchus cinereus. Seitliche Ansicht. Addy nach VETTER Rudiment eines Constrictor superficialis. Echinorhinus spinosus. Von der Seite und etwas von unten. Os Augenstiel, Ob.inf Obliquus inferior, Ob.s Obliquus superior, R.inf Rectus inferior, R.ex Rectus externus, R.int Rectus internus, R.s Rectus superior. x Muskelbiindel, das sowohl Ursprung und Insertion an der Mandibel hat. Myliobates aquila. Ventralansicht. Z? eventuell Lippenknorpel- rudimente. Gadus aeglefinus. Seitliche Ansicht. pa Palatinum, ma Maxillare, prm Prümaxillare, ar Articulare, de Dentale, Li Ligament. = Morpholog. Jahrbuch. 31. 29 Fig. Fig. Fig. : Fig. ig. 25. Fig. Fig. Fig. Fig. 20. hier 23. . 24. . 26. 21. 28. 29. 30. Karl Fürbringer Odontaspis americanus. Ventralansicht. x Knorpelplatten, am Rande der Mandibula sitzend. Hexanchus griseus. Ventralansicht. x Knorpel vor dem Hyoid- bogen. Chlamydoselachus anguineus. Ventralansicht des basalen Vis- ceralskelets. Hbr.V? und .Hbr.VI? vielleicht Hypobranchialia des fünften und sechsten Kiemenbogens. VII? eventuell Rudiment eines siebenten Kiemenbogens. Hexanchus griseus. Dorsalansicht. x wie Fig. 16. Von den Man- dibeln sind nur die Umrisse angedeutet. y kleiner Knorpel zwischen Cardiobranchiale und sechstem Kiemenbogen. | Odontaspis americanus. Visceralskelet in situ von oben. x Knor- pel, die siehtbar geworden sind, nachdem das Band zwischen Copula und Kiemenbogen, in dem sie liegen, wegprüparirt ist. ? yt Torpedo ocellata. Von oben. x Fortsütze des Hyoidbogens, wahrscheinlich Reste der Hyoideopula. Hbr.I? vielleicht Hypobran- chialia des ersten Kiemenbogens. Heptanchus cinereus. Ventralansicht des letzten Kiemenbogens. x entweder Abgliederung vom siebenten Kiemenbogen oder? Rudi- ment eines achten. : Odontaspis americanus. Ventralansicht des fünften Kiemen- bogens mit zahlreichen Radienrudimenten. Tafel XVIII. Cestracion philippi. Ventralansicht des Hyoids und ersten Kie- menbogens. | | | Spinax niger. Ventralansicht. Hyoidcopula mit Ceratobranchiale des ersten Kiemenbogens, dem sie einen dünnen plattenartigen Fort- satz entgegensendet. Heptanchus cinereus. Ventralansicht. Zwischen Hyoidcopula und Hyoid der Knorpel x eingeschaltet. Die Copula zeigt an ihrem proximalen Theil eine eigenthümliche Konfiguration durch quer über sie hinweglaufende Wülste. An ihrem distalen Ende geht von ihr in der Mediane ein starker Fortsatz aus, wührend lateral nur dünne Platten bestehen, an die sich dann die Knorpelplatten y schließen. Spinax niger. Rechte Kopfhälfte. Dorsalansieht. Die Spritzloch- knorpel, die in situ in mehr senkrechter Richtung stehen, sind, um sie besser sichtbar zu machen, nach hinten und medial geklappt, so dass sie nun mit ihrem distalen (eigentlich dorsalen Ende) auf dem Hyomandibulare lagern. An den Strahlen des Hyomandibulare ist die Kammbildung in voller Thätigkeit. Centrophorus granulosus. Visceralskelet in Ventralansicht. Der Knorpel C.I? stellt entweder das Rudiment einer Copula oder eine Abgliederung von Hbr.1Z vor. Heptanchus cinereus. Basales Visceralskelet. Dorsalansicht. Myxine glutinosa. Figur nach P. FÜRBRINGER. .4 Gehörorgan © hy Hyoidbogen. Z'Z" vorderer und hinterer Theil der Zungenstützen. Eingezeichnet in diese Figur die zwei Knorpel x, die in der Verlänge- rung des hinter dem Hyoidbogen liegenden Bogens liegen. Rn OTE Fig. 34. Fig. 36. Fig. 35. Fig. 37. Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier. 445 Chlamydoselachus anguineus. Fünfter und sechster Bogen. Von oben und distal gesehen. x zwei Radien mit einander ver- wachsen. Chlamydoselachus anguineus. Vierter und fünfter Kiemen- bogen, Ventralansicht. Der vordere Kiemenbogen ist etwas nach vorn geschlagen, der hintere nach hinten, die Kiemenstrahlen und der äußere Kiemenbogen, die durch die Diaphragmen fixirt waren, sind aber in richtiger Lagebeziehung geblieben. x einander geniherte Strahlen, die in Fig. 31 verwachsen. Rechter Hyoidbogen von Chlamydoselachus anguineus, nach vorn in die Horizontalebene umgeklappt. Zi Ligament, das Hyo- mandibulare am Cranium fixirend. x Radius, der mit dem Rudiment eines anderen verwachsen ist. Cestracion philippi. Linker Hyoidbogen, distale Seite, in eine Ebene gelegt. x ein Bildungsstadium einer Radienplatte, y ehe- malige Basis eines Kiemenstrahles, der wahrscheinlich in den Radien- kamm RK aufgenommen wurde. Odontaspis americanus. Linker Hyoidbogen, in gleicher Lage wie der vorige. F.Add Fossa adductoris arcuum visceralium. x Bei- spiele für die Reduktion von Radien zwischen anderen. In den eingeklammerten Bezirken liegt immer zwischen zwei völlig ausge- bildeten Radien ein kleinerer, und zwischen diesem und ersteren je ein noch kleineres Rudiment. Bei y haben sich die kleineren schon zweigartig an den großen Radius angelegt, einer ist schon halb mit ihm verwachsen. AB’ durch distale Verwachsung haben sich Arkaden gebildet; bei AB sind die distalen Enden erst an einander gelegt und noch lose verbunden. Myliobatis aquila. Schematische Wiedergabe der Verhältnisse des ventralen Theils des dritten Kiemenbogens in Bezug auf Strahlen und den sogen. »äußeren Kiemenbogen«. Vorderansicht. MM Median- linie, 777 dritter Kiemenbogen, K.St. III Kiemenstrahlen des dritten Bogens, die als Strebepfeiler in den konkaven äußeren Kiemenbogen eingefügt sind. Exbr. 2 und Exbr. 3 »äußere Kiemenbogen« zwischen zweitem, drittem und viertem Kiemenseptum. K.St.IV die Spitzen der Kiemenstrahlen des vierten Bogens; ihre unteren Theile wurden, um die Übersicht nicht zu beeinträchtigen, weggelassen. $t.X Knorpel- platte, die von J. Ep. STUMPFF in Amsterdam schon 1885 aufgefunden wurde. Sie liegt über der die Kiemenspalten bedeckenden Muskulatur; an einer Stelle, wo sie von der Muskulatur freigelassen wird, ist der Strahl z lose mit ihr verbunden. Centrina salviani. Visceralskelet von der Ventralseite. 29* Neue Beiträge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen, eines Rudimentes des Panniculus earnosus der Mammalier. Von K. Gehry. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Zürich.) Mit zwei Figuren im Texte. In dieser Zeitschrift hat uns unlängst L. TOBLER! eine anschau- liche Darstellung von den verschiedensten Zuständen des abnormen — Muskelbündels in der Achselhöhle gegeben, welches als Achsel- bogen frühern Autoren bekannt gewesen, aber oft falsch gedeutet worden ist. Es sei mir gestattet, einige anatomische Befunde mit- zutheilen, von welchen ein Befund eine besondere Bedeutung dadurch erhält, dass er in einer unzweideutigen Weise den Achselbogen des Menschen als einen Rest des Pannieulus carnosus der Mammalier er- kennen lässt. Die betreffenden Varietäten wurden im Winter 1902 auf dem Züricher Präparirsaale beobachtet. 1. Zusammenhang des Achselbogens mit dem Muse. sternalis. Die umstehende Fig. 1 giebt die an einer männlichen Leiche gefundenen Verhältnisse wieder: Ein flacher Muskel von 1 cm Breite und 8 em Länge (Achsel- bogen a) setzt sich mittels einer Inscriptio tendinea scharf vom vor- deren Rande des M. latissimus dorsi ab. Die Absetzung erfolgt in 1 L. TOBLER, Der Achselbogen des Menschen, ein Rudiment des Panniculus — carnosus der Mammalier. Morph. Jahrbuch. Bd. XXX, 3. 7 Neue Beiträge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen. 447 der Höhe, wo der Latissimus dorsi sehnig zu werden beginnt. Der flache Muskel überkreuzt die Gefäße und Nerven der Achselhöhle | = sowie den Muse. coraco-brachialis und den M. biceps brachii. Er geht in eine breitere Endsehne über, welche sich der hintern Fläche der Endsehne des M. pectoralis major anlegt und mit ihr verschmilzt, um auf diese Weise zur Crista tubereuli majoris humeri zu gelangen. Äbnliche Zustände eines derartigen selbständigen Muskels sind als »Achselbogen« von LANGER und spätern Autoren beobachtet | | E Ir 1 Fig. 1. | Proc coracoides. | M pectoralis minor. | M delto ir M caine major. M sterno-clado- X | " - \ > mastoid. | \ co NN » mg == E ge Asie ur = SEES Irt AUG a m aes ania a. "N thoracalis anterior: sili AR Å. Gr Tu Gleichzeitiges Auftreten eines doppelten Achselbogens und eines Musc. sternalis, deren Sehnen zusammenhangen. worden. Die Verbindung mit dem Latissimus dorsi vollzieht sich in den meisten aller beschriebenen Fille durch eine Zwischensehne, wie sie hier wahrgenommen ist. Der Ansatz an der Crista des Tuber- culum majus und die enge Verbindung mit der Sehne des Pectoralis major weisen stets auf ein ursprüngliches Verhalten zurück, welches unter Anderem in dem Ursprung des Hautmuskels der Monotremen &n diesen Punkten sich äußert‘. 1 Vgl. die Hautmuskulatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammarapparate von G. RUGE. t 448 K. Gehry Neben dem Achselbogen a tritt am gleichen Präparate ein zweiter Achselbogen (Fig. 1 Achselbogen b) auf, welcher seiner Lage und Ausdehnung nach dem Rest eines ventro-lateralen Theiles des Panniculus carnosus entspricht. Von der aponeurotischen Scheide des M. reetus abdominis, aus welcher der Peetoralis major seine Abdominalportion bezieht, lösen sich einige kleine Sehnenbündel los. Sie treten auf die Vorderfläche des Pectoralis major über, nehmen an Masse zu und setzen sich als zwei ansehnliche Muskelstreifen von 15 und 7 mm Breite und 2 bis 3 mm Dicke fort. Nachdem dieselben um den axillaren Rand des Pectoralis major nach hinten umgebogen sind, lehnen sie sich an einander und gehen in eine gemeinsame Sehne über, welche im weiteren Verlaufe gegen das proximale Ende des Latissimus dorsi gerichtet ist. Die Sehne spaltet sich in der Nähe des Latissimus . dorsi. Ein Schenkel der Sehne gelangt zur Vorderfläche der Latis- simussehne und verschmilzt mit ihr unmittelbar unterhalb der Zwischensehne des Achselbogens a. Der stärkere Schenkel des ge- theilten Sehnenstranges wendet sich gegen den Proc. coracoides und verliert sich auffasernd in die Fascien des M. coraco-brachialis und des kurzen Kopfes des M. biceps brachii. Einige Fasern können zur Sehne des Pectoralis major verfolgt werden. Der platte Muskel zeigt mit einem Befunde, welchen TOBLER bei einem Gorilla aufgenommen und genau dargestellt hat, in einigen wichtigen Punkten große Übereinstimmung. Der betreffende Muskel des Gorilla lagert eben so wie hier zwischen dem vorderen Latis- simusrande und dem lateralen Rande des Pectoralis major und ent- sendet seine Sehne zum Oberarm, wo sie in der aponeurotischen Fascie des M. coraco-brachialis bis 1 cm vom Knochen enfernt endigt (l. c. pag. 482 und 483; Fig. 16). Eine weitere Übereinstimmung besteht in dem Ursprung des Muskels von der Scheide des M. rectus abdominis, so dass Überein- stimmungen in dem Verhalten von Ursprung, Verlauf und Insertion vorliegen. Abgesehen von der Form unterscheidet sich der hier be- schriebene Muskel von demjenigen des Gorilla, dass seine Endsehne einen Zipfel zur Endsehne des Latissimus dorsi entsendet. Ein sehr wichtiger Unterschied beruht darin, dass die Ursprungsbündel sich beim Gorilla abdominalwärts im Anschlusse an den Pectoralis major befinden und. wie eine losgelöste Portion des letzteren er- scheinen, welche humeralwürts eine tiefe Lagerung einnehmen. Der — menschliche Muskel hingegen nimmt zum Pectoralis major im‘ ss "——.—Aoc EU.» + —4-———————————Á Neue Betrüge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen. 449 Ursprung eine durchaus oberflichliche Lage ein und kreuzt dessen Abdominalportion. Ahnliche Übereinstimmungen und Verschiedenheiten finden sich zwischen unserem Befunde und der von ToBLER auf Fig. 22 dar- gestellten menschlichen Varietiit. Eine Gabelung der Endsehne, wie sie hier vorliegt, ist in allerdings anderer Form von TOBLER eben- falls beobachtet worden (l e. pag. 498 Fig. 23). Die Zusammengehörigkeit der beiden als Achselbogen a und 5 genannten Muskelzüge sowie deren Zugehórigkeit zur Pectoralis- Gruppe werden erwiesen durch die Art der Innervation (siehe Fig. 1). Ein Ast des N. thoracalis anterior tritt am lateralen Rande des M. pectoralis minor hervor und theilt sich in zwei Zweige, von welchen der eine zu den beiden Bäuchen des Achselbogens 5 verläuft, während der andere unter der in die Oberarmfascie ausstrahlenden Sehne durehtritt und den medialen Rand des muskulösen Achselbogens a er- reicht, in welchen er sich auflóst. L. TOBLER beschreibt die Inner- vation des Achselbogens beim Menschen in gleicher Weise (vgl. Figg. 24 und 26). Er hat aber auch zum Panniculus carnosus sehr verschiedener Affen einen Ast des N. thoracalis anterior gelangen sehen, welcher vollkommen dem Nerv des Achselbogens entspricht. Diese Thatsache stützt auBer anderen gewichtigen Gründen die An- nahme der Abstammung des Achselbogens vom Pannieulus carnosus. Dureh die Art des Ursprungs, Verlaufes, der Insertion und Innervation gliedert der doppelte Achselbogenmuskel der Figg. sich in die Gruppe von Varietäten ein, welche TOBLER uns vorführt. Er ist dementsprechend auch auf Grund der dureh TOBLER an- — gegebenen Gründe als ein Rest des Hautmuskels zu deuten, welcher bei niederen Affen noch eine groBe Ausdehnung besitzt. Als Rest eines Hautmuskels hat der beschriebene Muskel eine Eigenschaft bewahrt, welche das höchste Interesse erweckt. Ich meine die oberflächliche Lage der Ursprungsportion. Sie liegt auf der Abdominalportion des M. pectoralis major, kreuzt deren Fleisehbündel, befindet sich unmittelbar unter der Haut und trägt so wichtige Merkmale des Hautmuskels der Säugethiere zur Schau. Die zum Aehselbogen in Beziehung stehende Pars abdominalis des Peetoralis major wurde in unmittelbarem Anschlusse an die Pars sterno-costalis und auch abgelöst von ihr beobachtet (TOBLER, Figg. 24, 22, 23, 16, 17.) Eine Überkreuzung des Achselbogens mit dem M. pectoralis major ist durch TOBLER nicht beschrieben worden. Dieser neu bekannt gewordene Zustand ist als der Rest eines un- 450 K. Gehry zweideutigen Hautmuskelmerkmals anzusehen, wie es beim Menschen bisher unbekannt gewesen ist. Der Achselbogen 6 zeigt nun noch eine sehr auffällige Ver- bindung seiner Ursprungsfasern mit einem M. sternalis. Dieser ent- steht wie der Achselbogen mit platter Sehne an der aponeurotischen Rectusscheide. Die an ihr entspringenden Sehnenfasern beider Muskeln sind nahezu parallel gerichtet. Ein unansehnlicher lateraler und ein stärkerer medialer Bauch des M. sternalis lassen sich auf- wärts aus der Sehne verfolgen. Sie ziehen am sternalen Rande des Pectoralis major empor, erreichen in der Höhe der vierten Rippe die größte Breite (2 und 6 mm), um rasch in schlanke Sehnen über- zugehen, welche an der Fascie des Pectoralis major sowie an der Vorderfläche des Sternum nach feiner Vertheilung festgeheftet sind. Die Ursprungssehnen des Achselbogens b und des M. sternalis sind durch Austausch ihrer Faserbündel innigst mit einander verbunden. So lassen sich Sehnenfasern aus dem M. sternalis zu beiden Köpfen des Achselbogens b verfolgen, mit deren sehnigen Ursprungsbündeln sie sich dann kreuzen und teilweise Fasern austauschen. Der Zusammen- hang der beiden abnormen Muskeln ist sehr gut ausgeprägt. Ihm nur den Werth einer zufälligen Erscheinung zuzusprechen, scheint wenig gerechtfertigt zu sein. Eine solche Annahme macht auch jedes Inter- esse an der Verbindung der beiden Muskeln illusorisch. Der Werth dürfte ein hóherer sein: ich sehe ihn in der erhaltenen Vereinigung zweier Restbestände des Panniculus carnosus, welche hier in dem Achselbogen und dem M. sternalis vorliegen. Die verschiedentlich vertretene Meinung, dass der M. sternalis ein Rest des Hautmuskel- schlauches der Mammalier sei, findet durch unsere Beobachtung neuen Boden. TURNER sprach sich im Journal of Anat. and Phys. 1867 zuerst über die morphologische Bedeutung des M. sternalis im genannten Sinne aus. TOBLER hat diese Ansicht übernommen. Die Verbindung der Ursprungssehnen des M. sternalis der Fig. 1 mit den Sehnen des Achselbogens b, seine Lage auf dem medialen Rande des Pectoralis major, während der Achselbogen auf dem lateralen Rande sich hin- zieht, die Innervation beider Muskeln durch Äste des N. thoracalis anterior sprechen für die Anschauung, dass Achselbogen u. M. sternalis Überreste des den ganzen Rumpf bis zur Medianlinie umkleidenden Muskels seien. ees TEE E E T Neue Beiträge zur Geschichte ces Achselbogens des Menschen. 451 2. Übergang des Achselbogens in den M. latissimus dorsi, Verschmelzung mit ihm. HEARD beobachtete dreimal, TOBLER einmal, »einige von der | Vorderfläche des M. latissimus dorsi entspringende Bündel neben Fig. 2. Endsehne des Pect. major Proc. coracoides N N / P / j P ^ 7 . * EE a; ^ IN W-—-- mm i N: T— 7— iit i 4, A — ge [Lm TL | N * Lane | 4 dut t, 1 NND JI e S NS THAI TU 2 N V i! hie À N i A y / | i -— 1 Zwischensehne N £ WW li | 1 | — M. pector. minor — M. pector. major M. latissimus - — dorsi N — == | \ IE =X C. INN) ER N ORC N OS _ Aehselbogen des Menschen. Zusammenhang mit dem M. latissimus dorsi durch eine Zwischensehne und durch direkten Übergang. . anderen Fleisehfasern, welehe direkt in den vorderen Muskelrand fortgesetzt waren«. Deutlicher als dies je beobachtet worden ist, tritt ein derartiges . Verhalten in dem auf Fig. 2 dargestellten Befunde hervor. Mit einer 3,7 em breiten Basis setzt sieh hier eine Muskelplatte vom M. latissimus dorsi ab. Etwas weniger als die Hälfte der 452 K. Gehry, Neue Beiträge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen. Basisbreite ist durch eine Inseriptio tendinea, wie wir sie bei vielen Achselbogen finden, vom Latissimus dorsi getrennt. Die Biindel der andern Hälfte gehen ohne jede Spur einer trennenden Zwischen- sehne direkt in die Fasern des Latissimus über. Der auf diese Weise deutlichst in zwei Abschnitte getrennte Achselbogen über- kreuzt die Nerven und Gefäße der Achselhöhle und geht in eine Endsehne über, welche die Stärke derjenigen des Latissimus bei- nahe erreicht. Fächerartig verbreitert inserirt sie zum Theil in der Fascie über dem Biceps brachii, zum Theil gemeinsam mit der Sehne des Pectoralis major an der Crista tubereuli majoris humeri, 7,3 cm vom Ursprung des Muskels aus dem Latissimus dorsi entfernt. Wir erhalten hier ein anschauliches Bild von der progressiven Umwandlung des Achselbogens. Zuerst ist durch die Ausbildung einer Zwischensehne eine engere Verbindung desselben mit dem Latissimus dorsi angebahnt, wodurch der Rest des Pannieulus carnosus einen festen Angriffspunkt erhält, auf den er vom Skelet aus wirken kann, so dass er als Rudiment vielleicht wieder eine gewisse, jedoch unbekannte Thátigkeit auszuüben vermochte. Später ist die Zwischen- sehne stellenweise verschwunden, so dass Fasern beider Muskeln direkt in einander übergehen. Unser Fall zeigt denjenigen Zustand, in welchem die eine Hälfte der Bündel des Achselbogens zur Zwischen- sehne gelangen, während die andere Hälfte in die Fleischfasern des Latissimus dorsi sich direkt fortsetzt. Hierzu muss jedoch noch bemerkt werden, dass nicht alle Be- funde mit einem direkten Übergange der Achselbogen-Bündel in den Muskelbauch des Latissimus dorsi nothwendig dem hier angenommenen Vorgange unterbreitet gewesen sein müssen. Wir nehmen vielmehr diejenigen Fälle aus, in denen Theile des Hautmuskels vom Oberarm entspringen, die Achselhöhle passiren, sich um den Vorderrand des Latissimus dorsi zur Rückfläche dieses Muskels begeben und sich vermöge des parallelen Faserverlaufes demselben fester anlagern. Derartige Zustände sind oftmals be- obachtet worden. n o Es wird für jeden einzelnen Fall zu entscheiden sein, ob es sich um ein letzterwühntes primitives Verhalten handle, oder um einen sekundären Zustand, wie er oben erwähnt ist und in unserem Falle vorliegt. 3g 9 ee ae B sollen Busch und n der Küsten des Korallenmeeres. - . Reiseerlebnisse. und a torem eines Naturforschers Tu A — Australien, Neu- Gaines und den Molukken q ser V NE j von E Mes Prof. Richard Semon. . Mit 86 Abbildungen und 4 Karten. SE Zweite, verbesserte Auflage. D gs “gr. 8. 1903. .4 15; in Leinwand gebunden .# 16.50. E : | : WATURWISSENSCHAFT EOUS. E SYCH O LOGIE E E E. vo E (t AE Wilhelm Wundt. | (Sonderausgabe der Schlussbetrachtungen zur fünften Auflage der Physiologischen Psychologie.) gr. 8. 1903. æ 3.—; in Leinen geb. æ 3.50. Die „Seele“ als elementarer Naturfaktor. 4 Studien über die Bewegungen der Organismen ». A "o Driesch. DTE © SS: gr. 8. 1903. .4 1.60. Er Ansichten und Gesprache id d d über die po ET und spezifische Gestaltung in der Natur. à e: jv Von E Es . Franz Krasan, i rues “+ -Gymnasial-Professor i. R. und k. k. Schulrat in Graz. Be RB 1905. 4 6.—. eg ‘Untersuchungen über den . Phototropismus der Tiere Y Em. Rádl. - gr 8 1908. A4 4.—. Verlag von Aug. Hirs “Si Soeben erschien die ee) e Abteilung vom -— Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte RM in der gesammten Medicin, = © (Fortsetzung von Virchow's Jahresbericht.) Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrten. | d : Herausgegeben von W. Waldeyer und C. Posner. © ~~ i 37. Jahrgang. Bericht für das Jahr 1902. 2 Bände (6 Abtheilungenj. 5 Preis des Jahrgangs M 36— £ Specielle Muskelphysiologie oder Bewegungslehre von Pr.-Docent Dr. R. du Bois-Reymond. 1903. ge 8. Mit 52 Abbildungen. M 8:—: Das Gewebe und die Ursache der Krebsgeschwllse i Unter Berücksichtigung des Baues der tur s 3 thierischen Organismen. Von Dr. Ludwig Feinberg. 1903. gr. 8. Mit 4 Tafeln. Æ 10.—. Kommissionsverlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. e Soeben erschien: Über Tracheatenbeine. Vierter und fünfter Aufsatz: Chilopoda und Hexapoda. Von Dr. Karl W. Verhoeff. Aus dem Berliner zoolog. Museum (Mus. f. Naturkunde). Mit 4 Tafeln. " (Nova Acta, Abh. d. kais. Leop. Carol. Deutschen Akad. d. Naturforscher Ba. 81, No.4.) E gr. 4. M 5.50. j Über die Endsegmente des Körpers der Chilopoden, Dermapteren und Japygiden und zur Systematik von Jay. Von Dr. Karl W. Verhoeff. E Aus dem Berliner zoolog. Museum (Mus. f. Naturkunde). Mit 2 Tafeln. (Nova Acta, Abh. ete. Bd. =; No. 5.) gr. 4. M 3.50. 4 Druck von Breitkopf & Hartel in Leipzig. . EINE ZEITSCHRIFT FUR HERAUSGEGEBEN VON GEORG RUGE PROFESSOR IN ZURICH ra LLL | =o m | VIERTES HEBT ACh ut RM it T PR Wi E i T | oam: TAFELN UND 15 FIGUREN IM TEXT x / * 2 P Yee Ss > > " ATE. VERLAG VON WILHELM ENGELMANN a > oe JUN - "LEIPZIG 1903. Em am. Es October 1903 Ein pute. zur Biotechnik. (Mit 11 Fig. a es Gustav Kuhn, Über die Entwicklung des Herzens der Ascidien. Lk E Ufa XIX KII io (ONES Ae oe GAL DUE NEN MUN A. Fleischmann, Das Kopiskelet der Amnioten. More Studien. 560 II. Adolf Beier Vergleichende Stilistik der Nasenregion bei den Sauriem, ly o c Vögeln und Süugethieren. (Mit Taf. XXII-XXIV) ...... 565 | Karl Fürbringer, Nachtrag zu meiner Abhandlung »Beiträge zur Kenntnis r ; des Visceralskelets der Selachier«; >... .5.. u. X42. eee ae 620 $ ` Max Fürbringer, Notiz über oberflächliche PER ARTE im a Eur. der Rochen (Stumpff'sche Knorpel, e oed (Mit 4 Fig. im Text.) 623 Besprechung: eek M H. Schauinsland, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Wirbelthiere. (Maw F'ürbringer. . . ... . . . < A E N -698 . d Mittheilung. . Beiträge. für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an Herrn Prof. Georg Ruge in Zürich-Oberstrass einzusenden. Im In- teresse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, dass die — Manuskripte völlig druekfertig eingeliefert werden, da mit nach- träglichen Einschüben und ausgedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des im Morph. Jahrbuch üblichen Tafelformates nicht über- schritten wird. Als Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. EI Die Herren Mitarbeiter des »Morphologischen Jahrbuchs« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonderabdriicke unbe- rechnet, eine größere Zahl auf Wunsch und gegen ee Aue der na | | Der Herausgeber Die Verlagsbuchhandlung Georg Ruge. Wilhelm Engelmann. Verlag von Wilhelm Paso in Leipzig. Soeben erschien: _ NATURWISSENSCHAFT PSYCHOLOGIE Wilhelm "Wundt. pvo cda der Schlussbetrachtungen zur fünften Auflage der Piysiclogischäu t E Psychologie.) g c3 gr.8. 1903. æ 8.— ; in Leinen geb. M 3.50. - Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. Ein Beitrag zur Biotechnik. Von Gustav Tornier. Mit 11 Figuren und Figurengruppen im Text. . Bauplan der Arbeit. Vorbemerkungen. Absehnitt I. Bemerkungen über den normalen Vorderfuß der Cervus-Arten. Kap. 1. Rehvorderfuß. Kap. 2. Damhirschvorderfuß. Abschnitt II. Rehvorderfuß rechts am Də durch Hufeinspaltung mit Hufver- i dopplung. j Abschnitt III. Rehvorderfuß links durch Do-Glieds-Zersprengung mit einem | losgelósten und einem überzähligen D»- Ende. | Abschnitt IV. Rehvorderfuß rechts durch Ms-Zersprengung mit einem los- ; gelösten und einem überzähligen .D5-Ende. - Abschnitt V. Rehvorderfuß links durch C3-Zersprengung mit überzühligem D4 | und 5. Amnionnachwirkungen ansehnlich. | Kap. 1. Die Stieffinger am Fuß und ihr Entstehn. Kap. 2. Amnionnachwirkungen. - Abschnitt VI. Rehvorderfuß rechts durch C3-Zersprengung mit überzähligem D, und 5. Amnionnachwirkungen stark. Kap. 1. Die Stieffinger am Fuß und ihr Entstehn. Kap. 2. Amnionnachwirkungen. Abschnitt VII. Damhirschvorderfuß links durch C3-Zersprengung mit über- zähligem D4 und ;. Amnionnachwirkungen stark. Kap. 1. Die Stieffinger am Fuß und ihr Entstehn. Kap. 2. Natur der Stieffinger. = Kap. 3. Amnionnachwirkungen. Abschnitt VIII. Rehvorderfuß rechts durch C3-Zersprengung mit überzähligem D, und 5. Amnionnachwirkungen am Fuß oben stark, unten schwach. o COMES 31. 30 454 Gustav Tornier Abschnitt IX. Rehvorderfuß rechts durch C3-Zersprengung mit überzühligem D4. Amnionnachwirkungen übermäßig stark. Kap. 1. Der Stieffinger und sein Entstehn. Kap. 2. Die Natur des Stieffingers. Kap. 3. Die sonstigen Spreng- und Druckwirkungen an dieser Gliedmafe. — Kap. 4. Parallele Verbildung. Kap. 5. Über scheinbare pathologische Piylogenesen. Abschnitt X. Damhirschvorderfuß links durch U-Zersprengung mit drei Stief- fingern und mit einem C3-Sprengstiick, das selbständig blieb. Amnion- nachwirkungen stark. Kap. 1. Die Stieffinger am Fuß und ihr Entstehn. Kap. 2. Amnionnachwirkungen an diesem Fuß. Abschnitt XI. Rehvorderfüße — rechts und links — mit einfach verheilten Bruchstellen. Abschnitt XII. Zusammenfassung und Rückschlüsse. Vorbemerkungen. Auf das werthvolle Material, das diesen Untersuchungen zu Grunde liegt, wurde ich durch meinen wissenschaftlichen Freund, Herrn Oberrossarzt Dr. TEMPEL — Schlacht- und Viehhofdirektor in Chemnitz — aufmerksam gemacht; und durch die Güte meines, seit- dem leider verstorbenen Freundes, Geheimrath NrrscHE in Tharandt, wurde es mir alsdann zur Bearbeitung anvertraut; den beiden Herren bin ich für ihre große Liebenswürdigkeit und die beabsichtigte Förderung der Wissenschaft aufrichtig dankbar. | Dieses Gesammtmaterial ist desshalb vor Allem von Wiehtigkeit, weil es fast alle Typen des Entstehns der Wiederkäuer-Hyperdactylie klar zu legen gestattet. Es beweist ferner die Richtigkeit der von . mir bisher vertretenen Anschauung, dass die Hyperdaetylie der Säugethiere durch pathologische Ursachen hervorgerufen wird, und zwar aus Wunden, welche Superregenerativprocesse auslösen, und zwar entstehn diese Wunden, indem die Gliedmaßen oder ein- zelne ihrer Abschnitte einen so abnormen Druck vom Amnion er- fahren, dass sie auf der Zugseite der dadurch erhaltenen Verbiegung einplatzen. | Dann beweisen auch diese Objekte drittens, dass gewisse pathologische und phylogenetische Gelenkumbildungen gleichartig entstehn und verlaufen; eine Parallelentwicklung, die in Rücksicht auf phylogenetische Untersuchungen von größter Wichtigkeit ist. Und es kommen diese pathologischen Gelenkumbildungen auch hier Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 455 zu Stande, indem das Amnion, nachdem es durch abnormen Druck auf eine Gliedmaße den Grund zur Hyperdactylie gelegt hat, selbst dann noch drückend auf diese Gliedmaße einwirkt, wenn deren ‘tiberzihlige Gebilde bereits zu wachsen begonnen haben. Ferner ist dann noch Folgendes zu bemerken: — [ch nehme in dieser Arbeit davon Abstand, die Gliedmaßen und GliedmaBentheile des Rels und der anderen jagdbaren Thiere mit den Bezeichnungen zu belegen, welche in der »Jüger«-Sprache ge- bräuchlich und mir als solche ganz geläufig sind. Ich spreche also nicht von den Vorderläufen des Rehs, noch von seinen Geäftern und Schalen, weil diese Ausdrücke für die vergleichende Anatomie veraltet sind. Die Weidmänner unter den Lesern dieser Arbeit mögen es mir verzeihn. - Die Zeichnungen für diese Arbeit sind durch Herrn Kunstmaler ARTHUR MÜHLBERG angefertigt worden; die sorgfältige Ausführung derselben dürfte zu loben sein. : Drittens sind bei der Beschriftung der Figuren einige Zeichen verwendet worden, welche zur bequemen Benutzung der Figuren nothwendig sind, aber einer Erklärung bedürfen, die nunmehr folgt: Ein schrüger Strieh vor einem kleinen Buchstaben (z. B. in /7) bedeutet, dass eine Gleite d. h. Gelenkfläche vorliegt, und der Buch- stabe giebt an, für welchen Knochen sie bestimmt ist; /r bezeichnet also eine Gleite fiir den Knochen 7 (Radiale); Knochennamen da- zegen werden groß geschrieben: »R« ist also das Radiale. Ein durch einen rechten Winkel eingefasster großer Buchstabe also z. D. |R) bedeutet: es liegt ein normal gebildeter Knochen hier ein Radiale) vor, während derselbe Buchstabe nicht winklig jingefasst angiebt, dass der betreffende Knochen verbildet ist. — Ein unterstrichener und eingeklammerter Buchstabe — z. B. (v) — ist eine Richtungsangabe, und zwar bezeichnet (4) außen; (?) innen; E vorn; (A) hinten; (?) oben und (v) unten; wurde ein so behan- lelter Buchstabe einer Knochenbezeichnung angefügt, so bezeichnet rn —— Seite des Knochens abgebildet wurde. Der Text ist so geschrieben, dass er ohne Vorkenntnisse und hne Benutzung von Objekten verstanden werden dürfte; die nóthi- en Vorkenntnisse sind aus den Figuren zu entnehmen. Es ist hier so eine Darstellungsmethode angewandt, die ähnlich derjenigen st, welche schon seit lange in der Mathematik gebräuchlich ist. Es fire dringend zu wünschen, dass überhaupt in anatomischen und oologischen Werken eine Darstellungsweise Platz griffe, welche sich 30* 456 Gustav Tornier im wesentlichen an beigegebene Figuren erklärend, beweisend und demonstrirend anschließt, und dass nicht mit unnöthigen Fachaus- drücken gespielt wird, die womöglich erst vom Autor zu diesem Zweck geschaffen werden. Jede Vereinfachung der wissenschaft- | lichen Sprache und Ausdrucksweise vermehrt die Fähigkeit des Ein- zelnen, ein größeres wissenschaftliches Gebiet zu übersehn; die Wissen- schaft selbst aber wird nur durch Universalisten wirklich gefördert. Endlich möchte ich noch bemerken: Was Biotechnik ist, wurde : in meiner Abhandlung: Überzählige Bildungen und die Bedeutung der Pathologie für die Biontotechnik (Verhandl. des fünften internat. Zoologenkongresses zu Berlin, 1901) erklärt. In der Überschrift dieser Arbeit aber habe ich den Ausdruck »Biotechnik« (und nicht Biontotechnik) gebraucht, weil er kürzer ist und weil er eine Pa- rallele zu dem früher aufgestellten Ausdruck »Biochemie« darstellt. Biochemie und Biotechnik (d. h. die Lehre vom Aufbau der Orga- nismen nach Gesetzen der menschlichen Technik) aber sind die beiden großen Untergebiete der Biologie, d. h. der Lehre von allen Erscheinungen in der belebten Welt. Abschnitt I. Bemerkungen über den normalen Vorderfuß der Cervus-Arten. Kap. 1. Rehvorderfuß. Beim Reh (Fig. 1 a) setzt sich der normal gestaltete Vorderfuß an Radius (E) und Ulna (S) mit zwei auf einander folgenden Reihen von Handknochen an. In der ersten liegen drei Knochen neben einander: das Radiale (R), Intermedium (Z) und Ulnare (U), an wel- chem dann noch das Pisiforme (P) gelenkt. In der zweiten dieser Handknochenreihe liegen nur zwei Knochen neben einander: das Carpale; (C3) und das Hamatum (H). Von einem C, und C5, die an fiinffingerigen Säugethiervorderfüßen stets vorhanden sind, fehlt hier jede Spur, und wenn von anderer Seite angenommen wird, dass auch am Wiederkäuerfuß noch Spuren davon vorhanden sind, so ist das falsch, wie genaues Studium der dabei in Betracht kommenden Gelenke und Knochen sofort ergiebt. Mit dem Cj, und H des Rehvorderfußes gelenkt dann das Kanonbein. Es besteht aus zwei — nur ganz unten nicht — mit einander verwachsenen Metacarpalen (M), aus dem M}, welches mit dem C, gelenkt, und dem M, welches mit dem A gelenkt. Jedes dieser M trägt dann einen dreigliederigen Finger (D), dessen unter- stes Glied (3) mit dem bekannten Hornschuh bekleidet ist. Dies s Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 457 sind die Hauptfinger des Fußes, daneben hat er dann noch zwei libenter, die stark rückgebildet sind, einen D, und D;; den D; an der Fußinnenseite, den D, außen. Beide stehen in gar keinem Zusammenhang mit den Handknochen, sondern beginnen erst gegen- über der Mitte der Haupt-M mit einem halben Metacarpale, an wel- ches sich dann der stark verkürzte Finger mit seinen drei Gliedern ansetzt. Beide Nebenfinger sind Spiegelbilder zu einander und unterscheiden sich sonst nur da- durch von einander, dass der D;-M einige Millimeter kürzer ist als der des D». Ihre Huf- Spitzen enden gegenüber dem zweiten Hauptfingergelenk und ihre einzelnen Komponenten — mit Ausschluss der oberen M- Spitzen — liegen sich am Fuß ganz genau gegenüber, was für die folgenden Untersuchungen von größter Wichtigkeit ist. — Bemerkenswerth ist an die- sem Fuß dann noch ein winzi- E. Knóchelchen, welches dem oberen M-Kopf bei x an der Hinterseite anliegt und in dem prade liegt, das von der C;- dinterseite zur M;-Hinterseite zieht. Dieses Knöchelchen kann leicht fi lschlich für den Rest eines ©, gehalten werden, ist aber in Wirk- liehkeit nur ein erst bei den Cerviden auftretendes Sesambein in dem erwihnten Bande. Sonst wäre über die Knochen dieses Fußes nur noch Folgendes zu bemerken: — Die Handknochen R und Z gelenken nur mit dem Radius (E); das U mit Radius (E) und Ulna (S); das P nur mit U; das C4 oben mit R und J, unten mit Mz; das H oben mit J und U und unten mit M,. Wie die rechte Seite des Kanonbeins zur linken, so sind auch lie gleiehnamigen Glieder der beiden Hauptfinger Spiegelbilder zu "inander, weil der Fuß für seine rechte und linke Seite eine gemein- same Symmetrieebene hat, welche zwischen dem D; und D, ver- läuft; daher sind auch der D, und D, Spiegelbilder zu einander 458 Gustav Tornier und desshalb leicht von einander zu unterscheiden. Andererseits aber unterscheiden sich die Hauptfinger in ihren Gelenken sehr wesentlich von den Nebenfingern, und zwar besteht an den Haupt- fingern im Gelenk, (zwischen M und Glied ,) jede Gleite aus drei Abschnitten, nämlich aus einer Führung, welche zwischen den bei- den Gleitenflügeln liegt. Bei den Nebenfingern dagegen ist neben der Führung nur ein Flügel vorhanden, und zwar am D, ein innerer und am D, ein äußerer. In diesen Gelenkunterschieden liegt also ein brillantes Mittel, um die Haupt- und Nebenfinger und diese wieder unter einander zu unterscheiden. — Im zweiten Gelenk der Haupt- finger (zwischen Glied, und 5) besteht jede Gleite aus zwei Flügeln, welche in einer Führungskante zusammenstoßen, eben so ist es im dritten Gelenk. Bei den Nebenfingern dagegen sind diese Gleiten einfache, fast ebene Flächen. Kap. 2. Damhirsch-Vorderfuß. Der Vorderfuß des Damhirsches (Fig. 1 c) unterscheidet sich von dem des Rehs (Fig. 1 a) nur durch eine andere Ausbildung des D, und D;, die im Übrigen wohl kongruente Spiegel- bilder zu einander sind. Der Unterschied besteht darin, dass diese Nebenfinger des Damhirsches zuerst im Ganzen noch stärker rückbildet, d. h. also kürzer und schmächtiger sind als die des RehfuBes, und dann ist vor Allem bei ihnen das vollständige M ihrer Vor- fahren nicht von oben, wie bei den Rehen, sondern von seiner Mitte aus geschwunden, so dass hier von jedem dieser M (M; und M,) nur ein kurzes oberes Stück erhalten blieb, welches oben am Kanonbein bindewebig befestigt ist, aber zu den Handknochen keine Gelenkbeziehungen hat. Ferner hat jeder dieser Nebenfinger drei Glieder, von denen das dritte (3) in einem unsymmetrischen Hornschuh steckt; diese Glie- der aber sind nur sehr kurz und schmächtig, und besonders das erste ist oben einfach zugespitzt und nicht wie beim Reh oben breit und mit einer Gleite für den zugehörigen M versehen. Dagegen liegen auch beim Damhirschfuß die Nebenfingerglieder ein- ander genau gegenüber, was wiederum für die folgenden Unter- suchungen sehr wichtig ist. 3 Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 459 E. E Abschnitt Il. Reh-Vorderfuß rechts am D> durch Hufeinspaltung mit y Hufverdopplung. Bei diesem RehfuB (Fig. 2 a) trägt der D; zwei Hornschuhe von gleich guter Ausbildung (H, und Hy), die an ihrem oberen Rand mit einander verwachsen sind. Ferner ist die Oberfläche dieser Hornsehuhe in dem Winkel, den sie mit einander bilden (Fig. 2a r), nicht glatt und glänzend, wie es Norm wäre, sondern eigenartig zackig aufgerauht und gleicht daher auffällig einem Einschnitt in den Huf, der von einem Gegenstand gleich einem schartigen Messer hervorgerufen worden ist. Daraus folgt (wie Fig. 25 und c zeigen): dieser Doppelhuf ist dadurch entstanden, dass im Embryonalleben dieses Thieres in den normalen Huf an der Innenseite eine Amnionfalte (bei r) eindrang und das obere tück (Ar ,) desselben fast absprengte. Dieses Stück hat sich dann beim Weiterwachsen des "Thieres zu einem mit dem Stammhuf lose zusammenhängenden Zuhuf (H,') entwickelt. - Die beiden Doppelhufpartner sind dann aber außerdem noch in ganz eigenthümlicher Weise verbogen worden (wie das Fig. 2e zeigt). Der Stammhufabsehnitt (Z5, 4) näm- lich ist mit seiner Spitze bogig nach der Fußsohle hin verkrümmt, und zwar so stark, dass seine Außenfläche als -Druekseite der Verbiegung eine starke Konkavkrümmung mit einem riehtigen Druckscheitel im oberen Theil darstellt, wàhrend bei entspre- chenden Normalgebilden diese Außenfläche des Hufs eben ist. Der Zuhuf (H;') andererseits ist hoch nach oben und mit der Spitze nach außen verbogen worden, so dass seine Spitze senkrecht nach oben ragt und seine Sohlenfläche parallel der Fußsohle liegt. Der Zuhuf bildet somit ein bogig gekrümmtes Stück Hufmaterial, dessen eigent- liche Oberseite (d) zur Druckseite der Verbiegung geworden ist und desshalb auch zahlreiche Druckscheitel aufweist, bestehend in Quer- wülsten von Hornsubstanz, die aus der Gesammtmasse des Zuhufs an den Stellen herausgedrängt wurden, an welchen bei der ketten- ‚artigen Hufverbiegung die Verbiegungsscheitel auftraten. Dagegen 460 | Gustav Tornier sind auf der Unterseite dieses Zuhufs (z), die zugleich die Zugseite seiner Verbiegung ist, die Hornfasern stark gedehnt und zugleich konvex verbogen worden, sind also im Wesentlichen gestreckt und nur konvex verbogen. Aus dieser Verbie- gung der beiden Huf- partner ergiebt sich mit Sicherheit, dass die Amnionfalte (a-a), welche in den Stamm- huf (bei 7) eindrang und von ihm das obere Innenstück (Hə) ab- sprengte, sich gleich- zeitig so fest an den Fußinnenrand anlegte, dass die wachsenden Hufpartner nicht — wie ihr normales Be- streben war — senk- recht nach unten wach- sen konnten, sondern sich beim Berühren des Amnions zwischen Amnion und Fußsohle hineinklemmen mussten. Sie thaten dies, indem sie, durch den Amnionwiderstand gezwungen, modificirte Wachsthumsrichtungen einschlugen, d. h. dicht an der Amnionfalte entlang wuchsen und so entsprechend verbogen wurden. Und zwar schob sich der Zuhuf an der Falte nach oben, der Stamm- huf dagegen nach unten. Diese anatomische Fußuntersuchung ergiebt sonst noch Folgen- des: Durch die am D, erfolgte Ausbildung eines Doppelhufs sind die Knochen dieses Nebenfingers nicht in Mitleidenschaft gezogen worden; sie haben genau die Form und Größe normaler derartiger Knochen, denn Messungen ergaben folgende Größentabelle für sie. M;-Rest = 8,3 mm, D2, = 1,5; Dz} = 0,8; Huf — 1,9 mm. Während der an diesem Fuß vorhandene D, folgende entsprechende Maße aufweist: M,-Rest — 7,2 mm (er ist auch sonst stets etwas kürzer als der zugehörige M,-Rest); Dy, = 1,5; Daa — 0,8; Huf = 1,9 mm. | Auch ist am M, die Gleite d,,, ganz regelmäßig gebaut, denn sie besteht aus einer äußerst zierlichen Führung, der an der Innenseite Fig. 2 6, c, d, e. Entstehn von Vorderfu8-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 461 ein Fliigel anliegt. Auch liegen zwei knorpelige Sesambeine unter dem Gelenk. Eben so hat dieser Finger an seinen beiden End- g iedern und Gelenken nichts, was von der Norm abweicht. Was nun den Zuhuf betrifft, so besteht dieser nur aus Horn- masse. Im Leben war er alic so fest an Glied, und, des D, angedrückt, dass es nur mit Mühe gelang, diese Knochen frei zu legen. — Dureh Herrn Geheimrath NrrscHE wurde mir dieses Objekt zur Untersuchung übergeben. — Zu dieser Untersuchung móchte ich nun noch Folgendes be- merken: — Fig. 2 5 zeigt die Lage des Amnioneinschnitts (7) in den normalen Huf, Fig. 2 c das Klaffen des Einschnitts, naehdem er entstanden war, und seinen hegenerationserfolg. Die Regenerate sind dabei in der Richtung gezeichnet, in der sie gewachsen wären, wenn nicht Am- nionnachwirkung später noch auf sie eingewirkt hätte. Die Figuren ergeben, dass von den beiden Wundflächen der Einrissstelle des Hufs eigentlich nur jene, welche dem abgesprengten Hufstück Hə» an- port, eine richtige Hufspitze als Mehrbildung nacherzeugt hat. Natiirlich hatte aber auch die Wundfläche, welche dem Huftheil T> a angehört, das Bestreben, den von ihr ae liegenden Huf- — deine als Mehrbildung zu regeneriren, und begann damit auch, wie Fig. 2c es zeigt. Das auf diese Weise entstehende Regene- rat Hə stieß aber bereits im ersten Beginn seiner Entwicklung an las vom Hufabschnitt Hə» kommende, welches für das Wachsen del günstiger gelegen war, und wurde von diesem alsdann am Weiterwachsen verhindert, verwuchs dafür aber mit ihm an der Be- rührungsstelle und trug so zu dessen Befestigung am Finger nicht unwesentlich bei. Abschnitt Ill. Reh-Vorderfuß links durch 2;-Glied z„-Zersprengung mit m" einem losgelösten und einem überzähligen D,-Ende. Dieser Fuß hat, in der Haut betrachtet, an der Innenseite einen »benhuf mehr, als der Norm entspricht (Fig. 3), und seine Zer- lied erung ergiebt Folgendes: Er hat an seiner Innenseite einen voll- tä m "- D» (M bis Hy’), der sieh nur dadurch von einem normalen erscheidet, dass er wesentlich größer ist als ein soleher, denn shor sein sonst typisch gestalteter M, ist etwa 8 mm länger als ler des D,, während der des normalen Fußes nur wenige Millimeter 462 Gustav Tornier länger ist. Ferner hat dieser Finger ein typisches Gelenk 1; dessen Gleiten also nur aus einer Führung und einem Innenflügel bestehn; dann folgen an dem Finger drei Glieder, von welchen das letzte einen Hornschuh (#5) trägt, der sich durch Größe und unsymme- - trischen Bau als richtiger D,-Huf ausweist, da an ihm eine ebene Außenfläche und konvexe Innenfläche vorhanden sind. 3. Diesem D, des Thieres liegt dann dieht an der hinteren Innen- seite ein weiteres Fingerstück (Da 2, bis H3) selbständig an, das aus einem unvollständigen zweiten (Ds, »;] und einem dritten Finger- glied (Də, 3) besteht, von denen das letztere einen Hornschuh (A3) trägt, der, wie seine Größe und unsymmetrischer Bau ergiebt, sicher ein D-Huf ist. Die ganze Lage dieses Fingerstücks an dem be- nachbarten, scheinbar nur vergrößerten D, beweist klar, dass durch einen Amniondruck, welcher — im frühen Embryonalleben des Thieres — auf den Huf des intakten D, von außen wirkte, dieser D, im Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 463 Glied 2 zersprengt wurde, worauf dann an dem verletzten D, aus dem stehenbleibenden Glied;-Stumpf (D2 24) die Knochen des ab- gesprengten Fingerendstücks regenerirt wurden, wobei sich zugleich um dessen drittes Glied das zugehörige Hautregenerat zu einem "Hornsehuh ausbildete. Das abgesprengte normale D,-Endstück (Də, 25 bis H,) aber verwuchs in seinen Knochenpartien nicht wieder mit dem D, oder seiner Neubildung, sondern blieb als selbständiges Fingerfragment daneben liegen und nahm, später entsprechend dem Körperwachsthum, an Größe so zu, dass sein Hornschuh sogar den naehgewachsenen an Größe etwas übertrifft. — Dieses Sprengstiick hat dann später außerdem — wie übrigens der ganze Fuß — sehr wenig unter Amnionnachwirkung zu leiden gehabt, denn es ist mit ‘seiner Spitze nach unten und schräg nach innen gerichtet, d. h. es hat offenbar auch beim Weiterwachsen die Stellung beibehalten, die ihm beim Absprengen aufgezwungen wurde. _ Warum aber dieser D», der eine regenerirte Spitze hat, abnorm groß geworden ist, werde ich beim nächsten Objekt erörtern. | Das Objekt wurde mir durch Geheimrath Nirscue zur Unter- ‚suchung überlassen und ist eines der vier Gliedmaßen ein und des- gelben Thieres, die alle dureh Ds-Zersprengung verbildet wurden. Abschnitt IV. Reh-Vorderfuß rechts durch M,-Zersprengung mit einem 4 = losgelüsten und einem überzähligen .D;-Endstück. Dieser Fuß besitzt, wie der vorige, außer seinen vier scheinbar normalen Fingern an der Innenseite einen selbständigen und schein- bar überzähligen Fingerendabschnitt (Fig. 4, M»; bis Hz), der dem scheinbar normalen D, an der Hinterseite, vom Gelenk , an abwiirts, e ag anliegt. a Dass der scheinbar normale D, dieses Fußes seinem Bau nach mit Recht als D, bezeichnet wird, beweisen seine sämmtlichen Kno- chen, vor Allem aber sein Gelenk ,, das aus einer Führung, einem Innenflügel und zwei Sesambeinen besteht, sowie sein Huf; nur ist er im Ganzen wesentlich stärker entwickelt, als der Norm entspricht, denn schon sein M; (Mz, a bis M»,;) ist 16 mm länger als der M; und sein Huf (H,’) übertrifft ebenfalls — um mehrere Millimeter — den des D;. | — Das scheinbar überzählige Fingerstück (Mə, ; bis Hə), das diesem D, an der Hinterseite anliegt, ist ihm sehr fest angedrückt, geht vom unteren M,-Kopf abwärts, besteht aus einem Stückchen M, das 464 Gustav Tornier im Wesentlichen den beiden Sesambeinen unter dem D,-Gelenk , anliegt, und aus drei Gliedern. Der Huf dieses Fingerstücks (4) erweist sich durch Größe und unsymmetrischen Bau als ein D,-Huf; er ist außerdem so groß wie der des D,. Aus der ganzen Lage dieses Fingerstücks (Ms z: bis Hj) am Fuß | folgt: der ursprüngliche D, dieses Fußes erhielt — im frühen Em- bryonalleben des Thieres — einen Bruch im unteren Ende des M;; es entstanden darauf aus dem oberen M,-Stumpf (Ma a') durch Regeneration die Knochen des abgesprengten Fingerendstücks neu; während das wirklich abgesprengte Fingerendstück — ohne Ver- änderungen außer einfachem Größenwachsthum — als scheinbar überzähliges Stück dem sonst scheinbar normalen Fuß angefügt blieb. Also ist an diesem Fuß, wie am vorigen, der eigentliche D, mit einem nachgewachsenen Endstück versehn, während sein wirk- liches Endstück von ihm abgesprengt wurde und neben ihm liegt. Auch dieses Objekt verdanke ich Herrn Geheimrath Nirscue. Es bleibt nun noch zu untersuchen, warum die in diesem und vorigen Abschnitt der Arbeit beschriebenen D, mit nachgewachsener Spitze stärker entwickelt sind als der Norm entspricht. Es kommt das offenbar aus dem Gesetz, dass Regenerate stets größer angelegt werden, als das Objekt ist, das sie ersetzen sollen, wie ich das bereits in den Sitzungsberichten der Gesellschaft naturf. Freunde, Berlin 1897, pag. 59, nachgewiesen habe; derartige Regenerate. wirken dann wiederum auf den Körpertheil zurück, aus dem sie entstehn und zwingen ihm nicht nur, wie ebenfalls bereits nachgewiesen wurde, Anpassungsformen an den Charakter des Regenerats auf (Archiv für Entwicklungsmechanik, 1902, pag. 327), sondern veranlassen ihn unter Umständen auch, wie wir hier sehen, zu einem übernormalen Wachsen. Abschnitt V. Rehvorderfuß links durch C3-Zersprengung mit überzähligem D, und ;. Amnionnachwirkung ansehnlich. Kap.1. Die Stiefbildungen des Fußes und ihr Entstehn. Der vorliegende verbildete Rehvorderfuß gehört einem Rehkalbe an, dessen beide Hinterfüße ähnlich den eben beschriebenen Vorder- füßen verbildet sind, und zwar trägt er, von außen betrachtet — neben seinen vier der Norm entsprechenden Hufen (Fig. 5 a) an der Innenseite noch zwei überzählige Hufe (H,' und ;’), die mit einander durch ihre Nachbarränder verwachsen sind und außerdem wesentlich tiefer am Fuß hinabreichen als der H, und H;. Die anatomische Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 465 Untersuchung ergab alsdann (Fig. 5 a), dass die Hufe zwei Fingern angehören, die aus einem vom Cj des Fußes abgesprengten und selbständig gebliebenen Stück (C;,) als rechtsseitiger D, und , ent- standen sind, also als Spiegelbilder zu dem D, und ; des Fußes, dem sie angehören. — Die Verbildung des Gesammtfußes erstreckt sich dabei wesentlich nur auf die an seiner Innenseite gelegenen Knochen, und zwar zeigen É und S an ihrem unteren Ende noch f Fig. 5a, b, c, d, e f, g, ^, i. (h) keine Abweichungen von der Norm. Eben so wenig weichen die Handknochen der ersten Reihe (R, 7, U) in ihren oberen Gleiten von der Norm ab. Wohl aber das R an seiner Unterseite, denn während ein normales R dort nur eine Gleite, und zwar für das C; aufweist, hat dieses R hier zwei neben einander liegende Gleiten, von denen die äußere für das C}, die innere für einen überzähligen Handknochen (C3 .) bestimmt ist, der dem Cj an der Innenseite an- i und mit ihm daselbst fast in seiner ganzen Ausdehnung ge- lenkt. Diese beiden Gleiten des verbildeten R stoßen in einer scharfen Grenzkante an einander (Fig. 5 g). Betrachtet man nun aber diesen Gesammtknochen und diese beiden Gleiten noch ge- jauer, so ergiebt sich, dass die überzählige (c34) nicht etwa eine öllige Neubildung am R ist, sondern nur die stark vergrößerte intere Innenseite der Gleite c, eines normalen R (Fig. 54), die 466 Gustav Tornier sich nach ihrer Vergrößerung von dem übrigen Theil der Gleite durch eine Grenzfurche abgesetzt hat; und zwar entspricht sie dem Theil der Gleite c, eines normalen R, welcher in Fig. 5 ^ durch eine Punktlinie vom Haupttheil der Gleite abgetrennt ist. Ganz eben so lässt sich nun auch von dem erwähnten über- zähligen Handknochen (C;,) dieses verbildeten Vorderfußes beweisen, dass er durchaus keine volle Neubildung ist, sondern ein O;-Spreng- stück, das sich zu einem besonderen Handknochen ausbildete. Dies wird sofort klar, wenn man die zweite Handknochenreihe dieses Fußes von der Unterseite betrachtet (Fig. 5 c). Die hier am H be- findliche Gleite m, ist durchaus normal, dagegen ist es die am C; befindliche Gleite m, nur in ihrem Außenbezirk; an ihrer Innenseite fehlt ihr dagegen der normale Hinterabschnitt, wie einige Maße so- fort ergeben: In der Norm ist nämlich diese Gleite hinten ungefähr so breit wie vorn, hier dagegen hinten viel schmäler (vorn 11 mm, hinten 7). Es fehlt ihr also an der Innenseite die hintere Ecke. Ganz eingehende Untersuchungen der Gleite und des Cj selbst er- seben alsdann, dass beiden in der That die ganze hintere Innen- ecke fehlt, und zwar so weit, wie das in der Fig. 5 f. in einem nor- malen C; durch eine Punktreihe angedeutet ist. Statt dieser fehlenden C;-Kante und genau an ihrer Stelle liegt dann bei diesem demnach verbildeten C4 an der Innenseite der erwähnte überzählige Knochen (Csa), der außerdem nur wenig größer als das fehlende C;-Stiick ist. Es ist daher — besonders unter Berücksichtigung der Befunde an anderen Thieren — gar kein Zweifel, dass an diesem Fuß im Em- bryonalzustand am C, die erwähnte hintere Innenecke durch Amnion- . druck abgesprengt worden ist, worauf dieses Sprengstück unter Er- zeugung der allein an ihm gelenkenden, überzähligen Fußpartie zum überzähligen Handknochen wurde. Kap. Il- Die Natur,der Stieffinger. Es handelt sich nun um die Frage, warum sind die Stieffinger dieses verbildeten Fußes als D, und 4j eines rechten Rehvorder- fabes zu bezeichnen. Den Beweis liefert sofort der vollständigste von ihnen, der dem D, des Fußes benachbart ist. Er gelenkt näm- — lich am überzähligen Handknochen mit einem vollständig ausge- — bildeten M, kann desshalb also kein D, oder D, eines Rehvorder- fußes sein, da deren M stets zur Hälfte verkümmert ist; ferner ist er kein atavistisch entstandener D,, weil er drei Glieder besitzt; Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 467 ein D, aber hat stets nur zwei. Dann bestehen in seinem Gelenk | die Gleiten aus je einer Führung zwischen zwei Flügeln, von denen der äußere schmaler und steiler als der innere ist, d. h. dieses Ge- lenk ist das Gelenk, eines Hauptfingers, also eines D; oder D,, und dann ist der Huf dieses Fingers so unsymmetrisch gebaut, dass der Finger nur der D, eines linken oder der D, eines rechten Reh- fußes sein kann, was dann endlich auch der an seiner Innenseite | liegende Nebenfingerhuf und vor Allem die noch viel vollständiger ent- wickelten Stiefnebenfinger der folgenden analog verbildeten Rehvorder- füße beweisen. Dass diese beiden überzähligen Finger des Fußes aber endlich ein linksseitiger D, und D; sind, folgt sicher aus dem Sym- metriegesetz für Regenerate, welches von mir in den » Verhandlungen des fünften Internationalen Zoologenkongresses«, Berlin 1901, pag. 487, veröffentlicht ist. Man könnte nun einwerfen, der Huf, welcher von dem vollstindigen Stieffinger dieses Fubes links gelegen ist, kónne desshalb kein 2,'-Huf sein, weil er mit dem zugehörigen Huf des iberzihligen D,’ in einer Ebene liege, während ein normaler D,'- Huf viel weniger tief an seinem Fub herabreiche, nümlieh bereits gegenüber dem Fingerglied D,, , endige. Der Einwurf ist sofort mit dem Nachweis zu entkräftigen, dass dieser überzählige D;-Huf seine anormale Lage der Amnionnach- wirkung auf den Fuß verdankt. Derartige Amnionnachwirkungen a uf den Fuß entstehn, wie bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit erwähnt worden ist, indem das Amnion nach seiner Verbildung den wachsenden Fuß wie ein zu enger und zu kurzer Sack derartig umschließt, dass in ihm die Finger mit Einschluss der überzähligen beim Wachsen um den Raum kämpfen müssen. Sie werden dabei dann sehr bald nicht nur anormal an einander gepresst, und zuweilen sogar aus ihrer Lage neben einander über einander verschoben, son- dern sie stoßen dann auch bei fortschreitendem Längenwachsthum mit ihren Spitzen an den Boden des Amnionsacks und finden da- selbst ein neues Wachsthumshindernis, worauf zuerst ihre Gelenke unter Verlust der normalen Gelenkstellungen in winkliger Ruhe- stellung fixirt werden, dann aber in extremen Fällen selbst ihre Knochen Verbiegungen und Verbildungen erleiden. Bei dem vorliegenden Fuß haben nun diese Amnionnachwirkun- gen bereits recht hoch oben eingesetzt, denn es wurden hier durch las Amnion die überzähligen beiden Finger nicht nur stark seitlich gegen einander, sondern auch seitlich so sehr gegen die benach- barte normale Fußpartie gedrückt, dass bereits der M,'-Kopf und 468 Gustav Tornier -Körper und der M;-Kopf und -Körper — als unmittelbare Nachbarn — sich gegenseitig beim Wachsen so platt dıückten, dass sie nun- mehr mit völlig ebenen Flächen fest an einander liegen. Weiter unten drückte dann der D,' mit dem unteren Kopf und seinen drei Gliedern nicht mehr gegen den M}, sondern gegen den D», den er dadurch zwischen sich und den M, festklemmte. Die Folge davon war eine Verkiimmerung des D, in der Breite, die so stark wurde, dass sein M, gar nicht zur Entwicklung kam, weil er durch den abnormen Druck von zwei Seiten zu stark beansprucht war. Dann sind auch die drei Fingerglieder dieses.D, von nur ganz geringer Breite und bilden nur noch völlig rudimentäre Gelenke mit einander, und drittens hat sein Huf — durch den Druck von außen und innen gleichsam breit gequetscht — eine richtige Innen- und Außenseite ausgebildet, die durch eine ganz kurze konvexe Rückenpartie ver- bunden werden. Ja, der gesammte D, wurde sogar durch die bei- den, ihn seitlich einklemmenden Nachbarfinger — den Gesetzen der Technik entsprechend — aus seiner normalen Lage etwas nach unten verschoben, so dass er nunmehr anormal mit seiner Spitze etwas ; tiefer am Fuß hinabreicht als der zugehörige D,. (D,-Huf Linge © 13 mm, D;-Huf eben so lang, aber der D,-Huf reicht etwa 6 mm ` tiefer am Fuß hinab als der D,-Huf.) n Also starker Druck behindert das Wachsen von Skeletelementen, | und zwar — wie noch in dieser Arbeit gerade am D, anderer Thiere | gezeigt werden wird — bei maximaler Einwirkung auf sie so stark, dass sie überhaupt nicht zur Ausbildung gelangen. Durch den Amniondruck, der den überzähligen D,’ gleichzeitig | seitlich und von der Spitze angriff, sind dann auch seine drei Finger- | gelenke verbildet worden, aber nur in so geringem Grad, dass eine A kurze Erwähnung ihrer Verbildungscharaktere völlig genügt: Sein | Gelenk , wurde dabei am wenigsten getroffen, da in ihm das Glied, ` nur etwas nach außen rotirt und in einer schwachen Erhebung fixirt | ist. In Folge dessen zeigt am M, die Gleite d,’,, in ihrer Mitte eine Querreihe fixirter schwacher Druckstellen und eben solche hat das Glied , scharf am hinteren Rand seiner Gleite. Das Gelenk 3 - des D,' wurde dann in etwas stürkerer Senkung mit etwas stürkerer Nach-außen-Verschiebung des Glied , fixirt. In Folge davon ist am Glied , die Gleitenführungskante durch Druck atrophirt, und an der Stelle, wo sie am Glied, auf die Gleite 47, mit dieser Kante driickte, zeigt diese Gleite eine tiefe Druckstelle. Durch den anormalen Amniondruck wurde aber auch, wie schon Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 469 erwähnt, der überzählige D,-Huf (H,’) an den überzähligen D,-Huf (Dy) gedrückt (Fig. 5 2), und zwar sehr wahrscheinlich in jenem frühen Embryonalzustand des Fußes, wo beide Finger noch in der | undifferenzirten, sämmtliche Finger umhüllenden Haut mit ihren Knochenkörpern neben einander lagen. In Folge dessen trennten ‘sich die beiden Hufe dann gar nicht von einander, sondern blieben an der Berührungsfläche verwachsen. Die beiden Finger stehen also im Zustand der Syndermie. Da sie nun einmal verwachsen waren, konnten sie sich beim Weiterwachsen auch dann nicht mehr von einander trennen, als der D,’ seine Wachsthumsfähigkeit erschöpft sah, der D,' aber noch bestrebt war weiter abwärts zu wachsen; ‘desshalb wurde der D,’-Huf vom D,'-Huf mit abwärts gezogen und ‘steht desshalb mit ihm nunmehr in einer Ebene. Endlich verdankt auch der überzählige D;-Huf seine Verküm- merung bis auf das erhalten gebliebene Glied ; nebst Huf dem Amniondruck, der den D,' von allen Fußknochen zuerst angriff und daher auf ihn mit größerer Energie einwirkte, als auf irgend einen anderen Fußknochen. Die Folge davon war, dass am D, das M sowie Glied , und , gar nicht zur Entwicklung gelangten. Wäre demnach der hier beschriebene verbildete Fuß gar nicht von einer Amnionnachwirkung getroffen worden, so wäre er — eben so wie manche der noch zu beschreibenden — mit einem vollstän- digen überzähligen D, und D, versehen, und eben so würde sein D, gar nicht verbildet sein, er würde mithin eine Gestalt haben, wie sie in Fig. 1 b abgebildet ist. i bs. | Abschnitt VI. Reh-Vorderfuß rechts durch C;-Zersprengung mit über- x; zahligem D, und ;. — Amnionnachwirkung stark. - 1. Die Stiefbildungen des Fußes und ihr Entstehn. Der vorliegende verbildete Vorderfuß (Fig. 64) trägt, von außen trachtet, erstens vier, der Norm entsprechende Hufe, und dann an * Innenseite noch zwei überzählige Hufe, von denen der eine ill srdings nur aus einer Hufpartie besteht, welche mit dem anderen » derzähligen Huf verwachsen ist, so dass man von diesen beiden ifen mit einem gewissen Reeht als von nur einem Huf mit zwei indzipfeln sprechen kann. Die zugehörigen überzähligen Finger , cl en dabei am Fuß tiefer hinab als der D, und D, und sind wesentlich stirker entwickelt. E Morpholog. Jahrbuch. 31. 31 470 Gustav Tornier Die anatomische Untersuchung ergab alsdann, dass die Stief- sebilde dieses Fußes aus einem vom Cj an der Innenseite abge- sprengten Stück als linksseitiger D, und ; superregenetisch entstanden sind; also als Spiegelbilder zu dem D, und , des Fußes, dem sie angehören. Fig. 6a, b, c,d, e, f, 9, h, . Dies wird sofort klar, wenn man konstatirt, dass an diesem Fuß (Fig. 6 d) drei obere M-Köpfe vorhanden sind; der des nor- malen M, und 4 und ein überzáhliger (4,,), der den des M, an der Innenseite anliegt. Mit diesen oberen M-Kópfen gelenken dann — entgegen der Norm — nicht zwei, sondern drei Handwurzelkno- chen der zweiten Reihe. Also ist einer von ihnen, und zwar der innerste (Fig. 6 a: C3,), ein überzähliger, denn es hat hier das H und seine Gleite M, durchaus normale Gestalt; das C4 dagegen mit seiner Gleite M, weicht bereits von der Norm ab, und zwar in fol- gender Weise: Es zeigt an seiner Gleite M, einen völlig normalen — vorderen und hinteren Rand, besonders charakteristisch ist für letz- teren das an der Innenecke befindliche kleine Hóckerehen, das auch an diesem verbildeten Knochen durchaus der Norm entspricht. Da- gegen zeigt diese verbildete Gleite M} an der Mitte ihrer Innenseite | eine tiefe Ausbuchtung, d. h. hier fehlt ihr ein Stück, wenn man sie mit normalen derartigen Gebilden vergleicht. In dieser Aus- buchtung liegt nun ein überzähliger Handwurzelknochen (C3,), an Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 471 _ welchem der überzählige M,, des Fußes gelenkt. Es sind daher auch an diesem Fuß die überzähligen Skeletelemente aus einem Sprengstüek der C;-Innenseite entstanden, aber dieses Sprengstück entstand hier nieht aus der hinteren Innenecke des C}, sondern aus der Mitte seines Innenrandes, worauf es sich zu dem über- zähligen Handwurzelknochen (C3,) ausbildete, als es zuvor am Fuß die überzähligen Skeletelemente erzeugt hatte. Das wird auch klar, wenn man das C, von seiner Oberseite betrachtet (Fig. 6 f im Gegensatz zu dem normalen Knochentheil Fig. 6 g); es zeigt dann hier seine Gleite 7 einen völlig normalen vorderen und hinteren Rand, dagegen fehlt ihr ein Stück aus der Mitte des Innenrandes, und in dieser Einbuchtung ihres Randes liegt dann auch hier der überzäblige Handwurzelknochen, das fehlende - Gleiten- und C;-Stück gleichsam ersetzend. Die übrigeu Verbildungen dieses Fußes erstrecken sich wesent- lieh nur auf die an seiner Innenseite gelegenen Knochen, und zwar zeigen Radius und Ulna an ihrem Unterende noeh keine wesent- lichen Abweichungen von der Norm. Dagegen weichen bereits die Handwurzelknochen der ersten Reihe wesentlich von der Norm ab, und zwar vor Allem das R und Z. So hat auch dieses R (Fig. 6 e), wie das im vorigen Kapitel beschriebene, an seiner Unterseite zwei geben einander liegende Gleiten (C4 und C;,), von denen die äußere für das C;, die innere für den überzähligen Handwurzelknochen (C;,) bestimmt ist, der dem C, an der Innenseite anliegt und mit ihm daselbst fast in seiner ganzen Ausdehnung gelenkt. Diese beiden Gleiten des verbildeten R stoBen in einer scharfen Grenzkante an einander, und auch hier ist die überzählige Gleite nicht etwa eine völlige Neubildung am R, sondern nur der stark vergrößerte Innen- absehnitt einer normalen Gleite c;, der sieh nach seiner Vergröße- rung von dem übrigen Theil der Gleite durch eine Grenzkante ab- gesetzt hat. Dabei dringen neben der Grenzlinie, in welcher diese beiden Gleiten an einander stoßen, tiefe Spalten in den Knochen, die nur auf eine von zwei Arten entstanden sein kónnen, entweder dadurch, dass jener R-Theil, welcher die überzählige Gleite trägt, beim Entstehn der Fufverbildung vom Knochenhaupttheil abge- sprengt wurde und dann später mit ihm wieder verwuehs, oder aber lie überzühlige Gleite mit Knochenunterlage ist damals nieht ganz abgesprengt worden, sondern die Spalten zeigen an, wie weit es geschah. In facto ist aber der Knochentheil thatsächlich abge- sprengt worden, denn auch an der Z-Vorderseite (Fig. 6 e) finden 31* E > aa . Gustav Tornier wir — die Gleite fiir den Radius (Gleite e) in der Mitte quer durch- ziehend — eine deutliche urspriingliche Trennungslinie der oberen und unteren Knochenhälfte, und an der /-Hinterseite münden die Spalten der Unterseite direkt im Gelenk 7-2, was ganz sicher be- weist, dass die Spalten das vor ihnen nach innen liegende Knochen- stück abgesprengt haben. Dann ist ferner in dieser Handwurzelbein-Reihe das R mit dem Z von hinten nach vorn bis zur Hälfte verwachsen (Fig. 6 f), ein Beweis dafür, dass zu irgend einer Zeit diese Knochen an der Hinterseite sehr fest an einander gedrückt worden sind. Es ergeben sich demnach folgende Entstehungsursachen der vorliegenden Handwurzelverbildung: Durch eine Amnionfalte wird am C, aus der Innenseite ein Stück herausgesprengt. Dieses weicht dem Druck nach oben hin aus und drückt daselbst so stark auf den gegeniiberliegenden, mit ihm gelenkenden Theil des R, dass diese R-Partie von ihrem Mutterboden abgesprengt wird und das A also dadurch in fast zwei gleiche Theile zerfällt, doch verwuchsen später diese Sprengstücke fast ohne Grenzlinien wieder mit einander, wäh- rend gleichzeitig das R mit dem J an der Hinterseite verwuchs und aus dem C;,-Sprengstück die überzähligen Fußskelettheile hervorsprossten. Uber die Natur dieser Stieffinger des Fußes geben folgende Thatsachen Auskunft. Der vollständig erhaltene ist kein atavistisch regenerirter D,, da er drei Glieder besitzt, während ein D, nur zwei haben kann. Er hat ferner einen vollständig entwickelten M, kann desshalb kein Reh-D, oder -D; sein, da deren M stets halb verkümmert ist. Er ist ferner in seinem unteren freien Ende un- symmetrisch und hat — vom Gelenk, bis zur Hufspitze hinab — eine ebene Außenseite, d. h. er kann nur dem D; seines Fußes oder dem 2D, des spiegelbildlich gleichen, linksseitigen Fußes gleich- werthig sein. Wofür auch der überzühlige D, spricht, der ihm, wenn auch in stürkster Verkümmerung, an der Innenseite anliegt. Nach dem von mir aufgefundenen Symmetriegesetz für Regenerate ist er aber ein linksseitiger D, mit angeheftetem linksseitigem Dy. Kap.2. Amnionnachwirkungen. Interessant vor Allem wird dieser Fuß dureh seinen Kampf mit — der Amnionnaehwirkung, welche als Druck, der nach außen gerichtet ist, auf die ganze Fußinnenseite einwirkte und gleichzeitig auch die iiherzähligen Finger von unten her angriff. Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 473 = Dieser nach außen gerichtete Amniondruek begann dabei seine —— Thitigkeit schon hoch oben an der Fußinnenseite, denn er bewirkte — dort zuerst, dass das bei der Amnionvorwirkung abgesprengte R- Stück mit dem R wiederverwuchs, und dann verdanken ihm auch das R und J ihre Verwachsung an der Hinterseite. Fast gar nicht _ hat er dagegen die zweitreihigen Wurzelbeine verändert; um so mehr dann wieder den überzähligen M, Er verbog diesen, der offenbar zuerst das Bestreben hatte, schräg nach innen abwärts zu wachsen, so gegen die normale Innenseite des Fußes, dass er dieht unter seinem Oberkopfende durchbrochen wurde. — Es entfernte sich da- - bei sein unteres Sprengstück (M4'») so weit vom stehen gebliebenen oberen (Mya), dass beide mit einander nachträglich nieht wieder = verwachsen konnten. Ja noch mehr, während dieses obere M,- Sprengstück (M'a) aueh fernerhin dem M;-Körper gegenüber selb- ständig blieb und mit ihm nur ein Gelenk ausbildete, wurde dieses untere M,-Sprengstiick (Ms) so fest an den M3-Kérper gedrückt, dass beide im oberen Theil fest mit einander verwachsen, jedoch . 80, dass [beide im Aussehn ihre Selbständigkeit dabei durchaus nicht aufgaben. Wo dagegen dieses M,-Sprengstiick (M;',) unten dem M, noch frei anliegt, da haben sich beide Knochen so sehr an einander abgeplattet, dass sie mit völlig ebenen Flächen an ein- ander liegen, und so stark ist hier besonders der überzählige M,- Körper eingedrückt, dass sein Querschnitt die Form eines Halbkreises hat, der am freien Ende von einem Durchmesser begrenzt wird. 3 Aber nicht nur die beiden M-Körper wurden fest an einander gepresst, sondern unten drückte — ähnlich wie bei dem unmittelbar vorher beschriebenen Fuß — der überzählige D, mit Unterkopf und Gliedern nicht mehr direkt gegen den M;, sondern gegen den 2», den er dadurch zwischen sich und den M; festklemmte und, da der Druck, den dieser D, dadurch erhielt, viel stärker war als der Druck, den der des vorbeschriebenen Fußes unter ähnlichen Verhältnissen ertragen musste, so wurde dieser D, auch viel stärker zur Verküm- merung gebracht, als der vorher beschriebene. So kam auch hier der M, gar nieht mehr zur Entwicklung. Dann sind auch die drei ‚Glieder dieses Fingers von ganz geringer Breite und Länge und bilden nur noch völlig rudimentäre Gelenke mit einander. Ja sogar so groß war der Druck der beiden Nachbarfinger auf den D», dass dessen Glied , an einer Stelle in das Glied , des überzähligen D,’ hineingedriickt wurde und dort mit ihm sogar ein Seheingelenk aus- bildete. 474 Gustav Tornier Drittens ist an diesem D, am Huf nicht nur eine riehtige Innen- und Außenseite ausgebildet, die dureh eine ganz kurze Rückenpartie verbunden sind, sondern dieser Huf ist hier bereits so sehr ver- kümmert, dass schon ein wenig mehr Druck genügt hätte, um den Huf und Gesammtfinger ganz verschwinden zu lassen (D.-Huf 7,8 mm, D,-Huf dagegen 17 mm). Durch den Amniondruck, der diesen überzühligen D, wesent- lich nur als Druck auf die Innenseite traf, sind dann auch seine drei Gelenke verbildet worden, aber nur in so geringem Maß, dass selbst auf eine kurze Erwühnung ihrer Verbildungscharaktere ver- zichtet werden kann. Dureh den anormalen Amnion-Innendruck wurde aber auch, wie im vorher beschriebenen Objekt, der über- zählige D, stärker als alle übrigen Finger dieses Fußes in Anspruch genommen, da er durch das Amnion zuerst belastet wurde, und zwar so stark, dass von ihm allein nur noch das untere Stück des Hornschuhs erhalten blieb, und da dieses gleichzeitig durch das Amnion sehr fest an den überzähligen D,-Huf gedrückt wurde, so verwuchsen sie beide untrennbar mit einander. Sobald dieses in sehr frühem Embryonalzustand des Fußes geschehen war, konnten sie sich später auch dann nicht mehr von einander trennen, als beim Weiterwachsen des Fußes der überzählige D, seine Wachsthums- fähigkeit erschöpft sah, der D, sie aber noch besaß. Es wurde desshalb auch hier zuletzt der überzählige D,-Huf vom überzähligen D,-Huf mit abwärts gezogen und steht desshalb nunmehr mit ihm in einer Ebene. Interessant ist, dass hier beide Hufe noch in so fern normale Lage zu einander haben, als der D,-Huf mit seiner Längsebene zur D,-Huf-Längsebene fast senkrecht steht. Abschnitt VII. Damhirsch-Vorderfuß links durch C3-Zersprengung mit überzähligem D, und ;. — Amnionnachwirkungen stark. Kap. 1. Die Stieffinger am Fuß und ihr Entstehn. Der vorliegende verbildete Fuß (Fig. 7 a) trägt, von außen be- trachtet, erstens vier, der Norm entsprechende Hufe, und dann an der Innenseite noch zwei überzählige (H; und 4), von denen der innerste (H;'), sowie der ganze zugehörige Finger, allerdings nur winzige Größe aufweist. Der äußere von diesen überzähligen Hufen (D,) dagegen reicht viel tiefer am Fuß hinab als der des de Ies ru m Ja. Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 475 H, und ; des Fußes und ist auch wesentlich stärker als sie ent- wickelt (D; — 37 mm; D, — 25; D,' — 59; D; — 9). Fig. 7a. Die anatomische Untersuchung ergab alsdann, dass die beiden diesem Fuß angehörigen Mehr- finger aus der vom C, an der Innenseite unten abgesprengten Ecke als rechtsseitige D, und ; superregenetisch entstanden sind, also als Spiegelbilder zu dem D, und , des Fußes, dem sie ange- hóren. Dies wird sofort klar, wenn man konstatirt, dass an diesem Fuß — wie an den zwei vorher beschriebenen — drei M-Ober- kópfe vorhanden sind: der des normalen M, und 4 und ein über- zühliger, der dem des M, an der Innenseite anliegt und daselbst ge- lenkt. Mit diesen drei M-Oberköpfen gelenken dann — scheinbar ‘nur — zwei Wurzelbeine zweiter Reihe; in facto sind es drei, von 476 Gustav Tornier denen das innerste überzählige (Fig. 7 b: C, a) mit dem C} verwachsen ist. Beweis dafür ist: Es hat auch hier das Æ und seine Gleite m, durchaus normale Gestalt; die C5-Unterseite dagegen (Fig. 7 b) weicht sehr von der Norm ab, und zwar in folgender Weise: Sie trägt — ` der Norm entgegen — zwei Gleiten (m; und m), die von einander - völlig unabhängig sind und neben einander liegen. Von ihnen ist l die eine für das M, bestimmt, die andere für das überzählige M. Fig. 75,c, d, e, f, g, ^, 4. Da nun ferner an diesem C, die Gleite »;; nur desshalb von der Norm abweicht, weil ihr die untere Innenecke fehlt (die in der nor- malen Gleite Fig. 7 c dureh die Punktlinie 7r abgegrenzt ist) so ist sicher, dass an diesem verbildeten C; (Fig. 7 b) die Gleite m,’ auf einem C;-Auswuchs liegt, welcher am normalen C; nicht gefunden wird. — Dass dieser Anhang am verbildeten C} aber ein Spreng- stück vom normalen C; ist, das später wieder mit dem Mutterboden verwuehs, dafür sprieht Folgendes: Es wurde schon früher erwühnt, dass am normalen C; an der Innenseite unten ein kleines Höcker- chen (7) sehr charakteristisch ist. Dieses Höckerchen liegt nun an dem vorliegenden verbildeten C; (Fig. 7 b) am normalen Anhang (C3,), der also zwischen das Höckerchen (7) und das eigentliche C; ein- gelagert ist. Ferner trägt dieses C4 an der Unterseite hinten zwi- | schen Gleite m und Gleite m,’ einen Einschnitt (r), der sich dann weiter nach vorn in eine Furche (r) der C;-Unterseite fortsetzt und der letzte Rest jener Trennungslinie ist, welehe ursprünglich das Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 477 €y-Sprengstück vom C; trennte. Vergleicht man drittens dieses ver- bildete C; nebst Anhang mit jenem, im Abschnitt. V beschriebenen C; nebst überzähligem Wurzelbein (Fig. 5 c), so ergiebt sich, dass beide in Größenverhältnissen und Gestalt genau übereinstimmen. Endlich í kann man viertens auch an diesem C, an der Vorderseite genau kon- Statiren, ein wie großes Stück des normalen C; hier abgesprengt worden ist (Fig. 7 d und e). Das C3-Sprengstiick ist aber erst dann unter Einfluss der Am- nionnaehwirkung mit dem C, wieder verwachsen, als es aus sich — heraus die beiden überzähligen Finger dieses Fußes superregenetisch erzeugt hatte. Die übrigen Folgen der Amnionvorwirkung auf diesen Fuß er- strecken sich im Wesentlichen nur auf die R-Unterseite, denn es hat hier die Gleite c4 eine Ausbuchtung ihrer unteren Innenecke, welche die Norm weit übertrifft, wobei diese Ausbuchtung auberdem von der Gesammtgleite — wenn auch nur ganz schwach — durch eine Grenzlinie abgesetzt ist. Sie dient ferner zur Gelenkung mit dem anormalen C,-Anhang des Fußes und entspricht desshalb — genau der im Abschnitt V am Z beschriebenen Gleite für den über- —— zühligen Handwurzelknochen; ist also auch wie sie nur eine Ver- gróberung und keine Neubildung von Z-Elementen. Kap. 2. Natur der Stieffinger. Der Beweis dafür, dass die an diesem Fuß überzühligen zwei Innenünger ein D, und, eines rechten Fußes, d. h. Spiegelbilder zu den gleichwerthigen Fingern des Fußes sind, zu dem sie gehören, ist: der äußere von ihnen, der dem normalen Skelet unmittelbar anliegt und für den Nachweis hier allein in Betraeht kommt, be- sitzt drei Glieder, kann daher kein atavistisch regenerirter D; sein. Er gelenkt cm an der Handwurzel mit einem vollständig ausgebildeten M, kann desshalb als kein D, oder D, eines Dam- hirschvorderfußes sein, da deren M stets zum Theil verkiimmert ist. Ferner ist sein Huf fast doppelt so lang als der Də- und ;-Huf des F ıBes, dagegen genau so lang als dessen D,- und ,-Huf, kann da- ler nur einem solchen gleichwerthig sein. — Dass er in facto ein 'echtsseitiger D, ist, lehrt dann neben dem Symmetriegesetz für Regenerate sein unsymmetrischer Huf, dessen Außenseite eine gerade Ebene ist, wührend gleichzeitig seiner Innenseite ein überzühliger, sogar selbständiger D, anliegt. 478 Gustav Tornier Kap. 3. Amnionnachwirkungen. Der Kampf dieses Fußes mit der Amnionnachwirkung hat an ihm einige sehr wichtige Verbildungen hervorgerufen. Die Amnion- nachwirkung geschah dabei einmal in Gestalt eines Drucks auf die ; : l ganze Fußinnenseite, der nach außen und hinten gerichtet war und — den ganzen überzähligen Fußabschnitt so stark verbog und verschob, daß er nunmehr auf der Fußhinterseite liegt und der überzählige D, mit seiner Sohle nach außen schaut, während der überzählige D; sogar zwischen ihn und die normale Fußhinterseite festgeklemmt ist. Dann aber wirkte das Amnion auch noch gleichzeitig recht stark am überzähligen D, auf die Hufspitze als nach oben ge- richteter Druck. Dieser Amniondruck auf die Fußinnenseite begann dabei seine Thätigkeit bereits an der Handwurzel, indem er daselbst das C;- Sprengstück, welches mittlerweile den überzähligen D, und ; er- zeugt hatte, so fest gegen das C, drückte, dass beide Knochentheile fast ganz wieder verwuchsen. Dann drückte er den überzähligen M, mit seinem Oberkopf und -körper so fest an den Mz, dass deren beide Köpfe ein Gelenk mit einander ausbildeten und ihre Körper dabei so stark abgeplattet wurden, dass sie nunmehr mit geraden Flächen an einander liegen. Desshalb hat auch an diesem über- zähligen M der Körper im Querschnitt den Umriss eines Kreisbogens, der am freien Ende von einer geraden Linie begrenzt wird. Ganz besonders aber. wirkte dieser Amniondruck am überzäh- ligen M,' auf den Unterkopf. Dieser müsste, wenn er der Anlage des überzähligen M, entspräche, mit seiner Gleite , so liegen, wie die entsprechende Gleite der normalen Finger des Fußes, so dass also seine Vorderseite nach vorn schaut ete. Das ist aber nicht der Fall, sondern es ist dieser Theil des überzähligen M, so um seine Längsachse verdreht und dann noch verschoben worden, dass er um sie über innen nach außen herum einen Bogen von 90 Grad beschrieb und seine Hinterseite nunmehr nach außen schaut, während der ganze Finger auf die Hinterseite des normalen Fußes zu liegen kam. Dabei wurde dann der überzählige D, so stark zwischen den überzühligen D, und die normale Fußhinterseite gepresst, dass er sich nur noch zu winzigster Zwergform entwickeln konnte, d. h. zu. einem Hautgebilde mit winzigem Huf von 9mm Länge und kaum einigen Millimetern Breite ohne jede Knochenbildung im Inneren, das Letztere entsprechend dem Satz, dass die Knochen durch Druck t Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 479 eichter angegriffen werden, als die über ihnen liegenden Haut- partien. Auch jener Amniondruck, welcher am überzähligen D, auf die Hufspitze naeh oben wirkte, hat sehr wichtige Verbildungen des überzähligen D, hervorgerufen (Fig. 7 zeigt den Beginn; Fig. 7 2 das Resultat derselben) Es wurde dadurch zuerst sein Huf (Hy so stark verbogen, dass seine Außenseite (ds) zur konkav gekriimmten Druekseite der Verbiegung, seine Innenseite (zs) zu ihrer Zugseite wurde. Dadureh wurde seine Hornsubstanz auf der Druckseite in den zahlreichen Druckscheiteln zu Querwülsten zusammengeschoben, wührend die Hornfasern auf der Zugseite gedehnt wurden und da- her bei straffer Spannung nur Konvexkrümmung zeigen. Gleichzeitig mit seinem Huf aber wurde der überzählige D, von ‘unten herauf bis zum M-Unterkopf mit verbogen. Dabei wurde dann wahrscheinlich die untere M,-Epiphyse — die den oberen Endpunkt jener Fingerverbiegung bildete — am überzähligen M,- Körper in der Epiphysennaht (Fig. 7 f: e») naeh innen verschoben, und aus dem dadurch am M,-Körper in der unteren Epiphysennaht außen freigelegten Knochenwulst wuchs dann jener eigenthiimliche Kı aochenzapfen (z) heraus, der diesem verbildeten M-Unterkopf eigen ist und der wahrscheinlich seinen Versuch zur superregenetischen Verdopplung des abgeschobenen Fingerendes darstellt; wenigstens kann ich mir das Entstehn dieses Zapfens nicht anders deuten. Die Gelenke , und , dieses überzühligen D, habe ich nicht untersucht, weil die Untersuchung nichts Wesentliches ergeben hätte und aus Schonung für das Objekt. Abschnitt Vill. Rehvorderfuß rechts durch C3-Zersprengung mit über- zähligem D, und ;. Amnionnachwirkung oben am Fuß stark, unten schwach. Kap. 1. Äußeres Bild der Verbildung. —— Dieser Fuß eines erwachsenen Thiers (Fig. 8a) trägt, von außen | et trachtet, sechs Finger, also zwei mehr als der Norm entspricht. Die iden überzähligen liegen ferner an seiner Innenseite und sind, wie sehon ihre Hufgrößen ergeben, ein dem D, anliegender hinser Hy), dem innen ein Nebenfinger (77;) anliegt. (Der D,-Huf ist > mm lang; der D,-Huf 18 mm; der der normalen Hauptfinger 5 mm; der des überzähligen Hauptfingers 24 mm; der des über- ähligen Nebenfingers 12 mm.) Nach den bisherigen Ergebnissen " = sur 3-35 w 480 Gustav Tornier dieser Arbeit sind demnach die überzäbligen ein linksseitiger D, und ;. Das bestätigt auch die anatomische Untersuchung mit dem Zusatz, dass auch diese überzähligen Fig. Sa. Finger aus einem Sprengstück des C; NGA entstanden sind. 3 WR Dieser Fuß ist ferner sehr wichtig | i dadurch, dass bei ihm nicht nur der | D, im Wesentlichen intakt vorhanden : ist, sondern auch der überzühlige | D;, wodurch bewiesen wird, dass auch an den bisher untersuchten Vorder- füßen die stärker defekten überzäh- ligen Nebenfinger verkümmerte D; sind. — Kap. 2. Knochencharaktere. Dass an diesem Fuß ein über- zähliger Hauptfinger vorhanden ist, wird übrigens auch dann sofort klar (Fig. 8 b), wenn man konstatirt, dass an diesem Fuß, wie an den bisher beschriebenen, drei M-Oberköpfe an der zweiten Wurzelbeinreihe gelenken, nämlich der normale Fig. 8 5, c, d, e. M, und , und ein überzähliger, der dem M, an der Innenseite anliegt (M,'). Mit die- sen drei M-Köpfen gelenken dann schein- bar nur zwei Hand- wurzelbeine zweiter Reihe; in Wirklichkeit — sind es aber drei, von denen das innerste, überzählige nach der Anlage und Ausbil- dung mit dem C, wie- der verwachsen ist. Beweis dafiir ist: Es hat auch hier (Fig. 8e) in ET: I e oS NO ay OUR ecke ERL EEA aS Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 481 das H und seine Gleite m, durchaus normale Gestalt; die C3-Unter- seite dagegen weicht sehr von der Norm ab, denn sie trägt — dieser entgegen — zwei Gleiten (m; und m,'), die neben einander liegen und ganz selbständig zu einander sind. Von ihnen ist die eine für das M, | bestimmt, die andere für das überzählige M, und da an diesem C; ferner noch die Gleite m; desshalb von der Norm abweicht, weil ihr die untere Innenkante fehlt, die durch den überzähligen Knochentheil im Übermaß vertreten wird, und da dieser Knochentheil selbst ganz senau dem überzähligen selbständigen Handwurzelbein zweiter Reihe entspricht, der an den meisten der bisher untersuchten Füße auftrat, so ist sicher, dass an diesem C, die Gleite »überzähliges m,'« auf einem C;-Auswuchs liegt, welcher am normalen Cj, nicht gefunden wird; und dass dieser C;-Fortsatz ein übermäßig entwickeltes C;- Sprengstück ist, das nach seiner Absprengung und Ausbildung unter der Amnionnachwirkung mit dem C, wieder verwuchs. — Aber durch den Angriff einer äußeren Kraft (Fig. 8 d:p) auf liesen Fuß wurde nicht nur dieses Stück (C3,) vom C3 abgesprengt, sondern dieses Sprengstück (C;,) wurde gleichzeitig so stark gegen die Innenkante der Z-Unterseite gedrückt, dass dadurch von ihm selbst ein inneres Stückchen (C3,) absprang. Dieses Stückchen hat sich dann nicht weiter verändert, sondern blieb (wie das Fig. 8 c zeigt) als zweites überzähliges Handwurzelelement (C;,) dem R an der Innenseite dureh eine Art Synchondrose angelagert, wührend es mit dem eigentlichen C;-Sprengstiick (C34) ein recht ansehnliches Gelenk in Form eines Kreisausschnitts ausgebildet hat. - Sonst ist in dieser Handwurzel nur noch bemerkenswerth, dass in ihr das R an der Unterseite, wie an den bisher beschriebenen Füßen, seinen Innenabsehnitt zu einer ansehnlichen Gleite für das sigentliche C;-Sprengstück (Csa) verbreitert hat, die gegenüber der Gleite c; des Knochens deutlich abgesetzt ist. pe Kap. 3. Natur der Mehrfinger. — Der Beweis dafür, dass die an diesem Fuß überzähligen zwei Innenfinger ein D, und ; eines linken Fußes, d. h. Spiegelbilder zu len gleichwerthigen Fingern des Fußes sind, zu dem sie gehören, st wie bisher: der äußere von ihnen, der dem normalen Skelet un- mittelbar anliegt, besitzt drei Fingerglieder, kann daher kein ata- ‘istisch regenerirter D, sein, er gelenkt ferner an der Handwurzel mi t einem vollständig ausgebildeten M, kann desshalb kein Neben- finger sein, ferner besteht in seinem Gelenk , jede Gleite, wie in 482 Gustav Tornier typischen Hauptfingern, aus einer Führung und zwei Flügeln, ferner ist sein Huf sogar länger als der jedes Hauptfingers. Dass er end- lich ein linksseitiger D, ist, lehrt sein unsymmetrischer Huf, der seine ebene Fläche nach außen kehrt, der ihm an der Innenseite anliegende Nebenfinger und das Symmetriegesetz für Regenerate. Dass der diesem Fuß an seiner Innenseite angefügte Stieffinger | ein linksseitiger D, ist, wird bewiesen durch seine drei Glieder, durch seine Größe, durch seine Lage am benachbarten Hauptfinger, dadurch, dass er keinen vollständigen M besitzt, und endlich da- durch, dass sein Huf denselben unsymmetrischen Bau hat, wie der ihm benachbarte überzählige Hauptfinger. Dass an diesem Fuß der überzählige Nebenfinger so vollständig und typisch entwickelt ist, ist ein ausgezeichneter Beweis dafür, | dass auch die bisher beschriebenen überzähligen Nebenfinger mit starker Verkümmerung überzählige D, sind. | Lip Kap. 4. Die Amnionnachwirkung. > Der Kampf dieses Fußes mit der Amnionnachwirkung war nur 1 an seiner Innenseite oben ziemlich energisch; weiter unten nur $ schwach. So drückte das Amnion das C;-Sprengstück (Csa) gegen . das C4, so dass es nunmehr wieder mit seinem Mutterboden ganz i innig verwuehs. Dann verwuchs auch das überzählige M,' in seinem ` oberen Theil mit dem M;, und zwar in der Art, dass in diesem j Theil des FuBabschnitts die Symmetrieebene nicht mehr zwischen i dem M, und 4, sondern dureh die Medianebene des M, zu gehen i scheint, wie das auch Fig. 8 b klar ergiebt. 1 Im unteren Theil des Fußes zeigen nur der D, und überzählige D, Abweichungen von der Norm. Der D, besteht hier aus Hufbein i mit Huf, der allerdings nur 8 mm lang ist, während der des D; t 19 mm hat und aus dem Glied », mit welchem ein Stückchen Glied , — verwachsen ist, dagegen fehlen diesem Finger der obere Theil eines i normalen Glied ,, sowie ein M-Rudiment; und der ganze Finger liegt zwischen dem Gelenk , und , des benachbarten Hauptfingers, - d. h. er ist im äußersten Grad insgesammt und vor Allem von oben verkümmert, und zwar dadurch, dass er bei der Amnionnachwir- kung durch den Amniondruck zwischen den Stamm-J), und den Stief-D, gepresst worden und überall dort, wo dieser Druck nur angreifen konnte, atrophirte, wobei der Finger zugleich in seiner Gesammtheit so litt, dass er lange nicht Normgröße erhielt. Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 483 . In ganz derselben Weise ist dann auch der überzählige D; angegriffen und verbildet worden, denn er ist in der Gesammtaus- bildung dem D, zum Verwechseln ähnlich, da er nur aus dem Huf- bein mit Huf, sowie aus dem Glied, besteht, mit dem ein Stück Glied, verwachsen ist, während ihm das übrige Glied,-Stück und ein M-Ru- diment völlig fehlen. Auch er reicht nach oben nur bis zum Gelenk , seines Hauptfingers hinauf. Die ihm fehlenden Theile hat er ver- ]oren, indem er bei der Amnionnachwirkung zwischen das Amnion und den überzähligen D, gepresst wurde, und wo er Druck erhielt, atrophirte, wobei sein Gesammtwachsthum zugleich ganz bedeu- tend litt. Das hier beschriebene Objekt wurde mir durch Geheimrath NirscHe zur Untersuchung überlassen und gehört einem Thier an, dessen rechter Hinterfuß ebenfalls Hyperdactylie aufweist. Ge- schossen wurde es durch Förster ECKMÜLLER in Böhlitz-Ehrenberg bei Leipzig. Abschnitt IX. Rehvorderfuß rechts durch C3-Zersprengung mit über- zahligem D,. Amnionnachwirkung übermäßig stark. Kap. 1. Der Stieffinger und sein Entstehn. Der vorliegende verbildete VorderfuB gehórt jenem jungen Reh- kalbe an, dessen ebenfalls verbildete linke Vordergliedmaße bereits in Abschnitt V dieser Arbeit beschrieben worden ist und dessen HinterfüBe ebenfalls dureh Hufabsprengung entstandene Polydactylie aufweisen. Er ist außerdem weit stärker verbildet als der zugehörige linke, was schon sein Äußeres klar erkennen lässt (Fig. 9 a), denn Oberarm (A) nieht wesentlich verbildet, der Unterarmbezirk (S, E) da- gegen bereits zwergartig verkürzt und zugleich so in sich verbogen, gebrochen und verdreht, dass seine Spitze nicht nach unten, son- shen (M) an den Oberarmkopf stößt, während die Fußvorderseite gleichzeitig nach außen schaut. — Dabei schlottert dieser Vorderfuß len D;, D, und Dz, während ihm der normale D,-Huf und — wie ipáter nachgewiesen wird — der ganze D, völlig fehlt. — Dagegen liegt an dieser Fußinnenseite ein überzähliger Finger, der selbst sowie sein Huf genau die Größe des Dz- und D,-Hufs besitzt. 484 Gustav Tornier Die anatomische Untersuchung ergab dann, dass diesem Fuß — wie schon erwähnt — der normale D, völlig fehlt und dass sein überzähliger Finger aus einem, vom C, an der Innenseite abge- sprengten Stück als linksseitiger D, superregenetisch entstanden ist, also als Spiegelbild zu dem D, des Fußes, dem er angehört. : Pig. 92, 5,'c, d, e, 7, 9. A1 he Das wird sofort klar, wenn man konstatirt, dass auch an diesem — Fuß drei obere M-Köpfe vorhanden sind, die neben einander lie- - gen (Fig. 9d), und zwar der normale M,- und 3-Kopf und ein © überzähliger (Mj), der der M;-Innenseite anliegt und mit ihr so verwachsen ist, dass er sich in einer Grenzlinie noch sehr deut- ich von ihr absetzt. Mit diesen drei oberen M-Köpfen gelenken dann (Fig. 9 e), ganz ähnlich wie bei dem im vorigen Kapitel unter- suchten Individuum, drei ursprünglich selbständig gewesene Wurzel- beine zweiter Reihe: ein H, ein C4 und ein überzähliges (C3,), die aber alle drei mit einander — wenigstens zum Theil — verwachsen sind, und zwar das H mit dem C, nur im unteren Abschnitt, das C3 mit dem überzähligen C4, in ganzer Ausdehnung, doch ist ihre Ver- wachsstelle als feine Grenzlinie noch deutlich zu erkennen, und auch Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 485 an der Oberseite der Knochen zeigt eine tiefe Grube noch deutlich die ursprüngliche Selbständigkeit des überzähligen (;.. | Jedes dieser drei Wurzelbeine zweiter Reihe trügt eine Gleite für ein M: Das H die durchaus normal gestaltete für das M,, das C; lie für das M, und das überzählige Wurzelelement (C;,), die für den überzähligen M, die aber in der Mitte eine größere Fehlstelle aufweist, wie die Gegengleite ebenfalls. Aus der ganzen Anordnung und Gestalt dieser Handwurzelkno- chen zweiter Reihe geht also — bei Berücksichtigung der voran- gehenden Kapitel — mit Sicherheit hervor, dass an diesem Fuß der düberzühlige M superregenetiseh aus einem C;-Sprengstück der Innen- seite entstanden ist, und zwar aus einem etwas größeren, als das im vorigen Kapitel nachgewiesene ist. Kap. 2. Die Natur des Stieffingers. Da der an diesem Fuß vorhandene einzige Stieffinger drei lieder hat, so kann er kein am Fuß atavistisch regenerirter D, ‘sein. Er gelenkt ferner an der Handwurzel mit einem vollständig ausgebildeten M und ist viel größer als ein normaler D, oder D; eines Rehvorderfußes, kann desshalb ein solcher auch nicht sein. Dann ist er derartig unsymmetrisch gebaut, dass er als ein Spiegel- bild zu dem D, des Fußes, dem er angehört, betrachtet werden kann, und naeh dem Symmetriegesetz für Regenerate auch betrachtet werden muss. Dass er es aber ist, lässt sich nur indirekt be- weisen, einmal durch Hinweis darauf, dass dieser ganze Fuß in seinen superregenetisehen Charakteren fast genau mit dem letztbe- sehriebenen übereinstimmt, dann durch den Hinweis darauf, dass auch die anderen Verbildungscharaktere dieser Gliedmaße — wie n: chgewiesen werden soll — energisch dafür sprechen. — Anderer- seits könnte man aber sogar versucht sein, diesen überzähligen Finger für den D, seines Fußes zu halten, der durch atavistischen Rückschlag verstärkt und vervollständigt wurde und sogar versucht habe, das dem Cervidenvorderfuß völlig fehlende C$ seiner Vorfahren wiederherzustellen. Dagegen würde dann Folgendes geltend zu machen sein: dass gewisse Vorfahren der Cerviden am Vorderfuß vier voll- ständig entwickelte Finger und das für den D, dann nothwendige C; esessen haben, ist zweifellos. Eben so zweifellos aber ist es, dass liese Vorfahren keine »Cerviden« waren, sondern eine ganz andere Thierfamilie bildeten, mag man nun annehmen, dass sie bereits 7 Morpholog. Jahrbuch. 31. 32 "UF mu 486 Gustay Tornier paläontologisch nachgewiesen worden sind oder nicht. Desshalb besaßen diese Vorfahren der Cerviden wohl einen vollständigen D>, aber nieht mit RehfuBeharakteren, sondern mit solehen, die ihnen specifiseh waren. Der vorliegende überzählige Rehfinger | ist nun aber bis ins feinste Detail ein richtiger Finger eines Reh- vorderfußes und kann schon desshalb nicht eine einfache atavistische Bildung sein. Dann ist aber Folgendes zu bedenken: Das Entstehn | von Riickschligen kann sicherlich nur dann eintreten, wenn das Organ, welches sie auslösen muss, über die Norm hinausgehende Entwieklungsenergie erhielt, denn dieses Organ muss dabei latent in ihm liegende Kräfte auslösen, die normaler Weise nicht in Thätig- keit treten können. Woher aber soll in dem vorliegenden Fuß dieses Mehr an Waehsthumsenergie kommen an einer Stelle, an der — wie sofort nachgewiesen wird — die Entwicklungsenergie fast bis zur Erschöpfung beeinträchtigt wurde, und zwar durch Ursachen, welche — das Entstehn von superregenetischen Bildungen an dieser Stelle auf das äußerste zu fördern geeignet sind? Ja, es lassen sich sogar all diese verschiedenen Verbildungen — und das ist das entscheidenste — in letzter Instanz restlos auf eine einzige verbildende Ursache zurückführen. Kap. 3. Die sonstigen Spreng- und Druckwirkungen an dieser Gliedmaße. Wie bereits angedeutet worden ist, weist diese Gliedmaße neben ihrem Stieffinger noch zahlreiche andere Verbildungen auf. Diese lassen sich insgesammt auf drei Verbildungserreger zurückführen, und zwar erstens auf einen Amniondruck, welcher den Unterarm ` dieser Gliedmaße an seiner Hinterseite unten angriff und enorm stark nach vorn verbog (wie das Fig. 9 5 und c zeigen); zweitens . auf einen Amniondruck von großer Stärke, welcher an der Glied- maße die Innenseite — vom Ellbogengelenk hinab bis zu den Huf- spitzen — belastete, und dann drittens auf einen allseitigen Druck, den das Amnion als ein viel zu enger Sack auf die Finger beim Wachsen ausübte, indem es sie gleichzeitig fest gegen einander | presste. Die Fo lgen dieses Kampfes zwischen der Gliedmaße und de, Amnion waren alsdann folgende: Das Oberarmbein (Fig. 94:.4) weicht nur ganz wenig von der Norm ab: Es ist im Ganzen etwas schwächer entwickelt, also auch etwas kürzer als ein normales; desshalb ist auch seine Bicepsrinne - AA Pen k — 3 Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 487 | nur wenig tief und sein Hals vorn nicht abgerundet, sondern drei- ‚eckig zugespitzt. Dann hat es eine fast gerade Längsachse, während die des normalen Rehoberarmbeins leicht S-fórmig gekrümmt ist. Wichtiger sind dann noch die Verbildungen seiner Gleite für den Unterarm, die besser aber erst spüter dargestellt werden. = Noch stärkere Verbildungen weist diese Reh-Vordergliedmaße an ihrem Unterarm (Fig. 9 a, E, S) auf. Derselbe besteht vor Allem nur noch aus der Elle (E) und einem kleinen Speichenstück (S). Es ist das jenes normale Speichenstück, welches die Außenpartie der Ellbogengleite des Knochens trügt und desshalb mit dem Ober- armbein an der Außenseite gelenkt. Es ist dabei in seinem Ge- lenkknorpel völlig untrennbar mit der Ellbogengleite der Elle ver- wachsen, bildet aber sonst einen vóllig selbstiindigen Knochenkern und erweist sich dadurch schon sicher als ein Speichenrest. Die Speiche (S) versehwand bis auf diesen Rest als erstes Opfer jener Druckatrophie von groBer Láüngenausdehnung, welche durch den Amnionangriff auf die Gliedmaßen-Innenseite ausgelöst wurde. Gleich- zeitig aber wurde, wie schon erwähnt, der Unterarm, von seiner > Hinterseite aus, an der unteren Epiphyse (wie das Fig. 9 b zeigt) dureh Druck (p) auf Biegung beansprueht, und so stark war dabei die Belastung, dass seine — zur Zeit völlig allein übrig gebliebene Elle — zweimal (Fig. 9 « bei r’ und »") gebrochen wurde. Von diesen beiden Bruchstellen, die später nur schlecht verheilt sind, durchquert die eine (7) den Ellenkórper kurz unterhalb des Ell- bogengelenks, während die andere (7") seine Mitte in schräger Rich- tung durchsetzt. Die Bruchstellen sind (in Fig. 9 a) sehr deutlich zu konstatiren, besonders 7’, welche unter dem Ellbogengelenk liegt, da der Callus, der hier aus den beiden Bruchflächen des Knochens herauswuchs, an der Berührungsfläche seiner Hälften nur zum Theil verwachsen ist. T Die Elle verdankt nun vor Allem ihrem unter dem Ellbogen- gelenk entstandenen Bruch (7) ihre extreme Verbiegung nach oben; denn an dieser Bruehstelle — dem Seheitel ihrer Verbiegung durch las Amnion — bildet das obere (Olecranon-)Knde der Elle (O) mit ihrem unteren Stück (E) einen Winkel von weniger als 90°, der nach oben gerichtet ist. Der zweite Bruch in der Mitte der Elle (r") trägt dagegen zu ihrer Verbiegung nur ganz wenig bei. Im Ganzen wurde demnach durch diese Verbildung der Elle der Fuß so ge- 1oben, dass er dadurch Horizontalstellung erwarb. Dass aber die Kraft, welche diese Elle verbog, auch noch deren untere Epiphyse s 32* 485 Gustav Tornier (En) angriff, zeigt diese Epiphyse selbst, die eine Extraverbiegung | von soleher GréBe besitzt, dass ihre Endspitze hakenférmig nach oben und außen schaut, Dadurch bewirkte sie vor Allem, in Ver- bindung mit der beim Bruch der Elle erfolgenden Rotation derselben über innen nach vorn, dass der vorliegende Fuß in der Ruhestellung ` mit seinen Fingern den Oberarmkopf berührt, wobei die Fußsohle : gleichzeitig nach innen schaut, während, wie schon erwähnt, der | Fuß dureh die Verbildung des Ellenkörpers erst Horizontalstellung erlangte. Bei dieser mechanischen Beanspruchung und Verbildung des Unterarms hat dann auch das Ellbogengelenk sehr stark gelitten. Es wurde hierbei der Unterarm aus seiner normalen Gelenkstellung heraus vorwiegend gegen den vorderen Theil der zugehörigen Ober- armgleite gepresst, der dadurch so stark zusammengedrückt wurde, dass er nunmehr mit dem hinteren Gleitenabschnitt, der normal ge- H blieben ist, einen sehr ausgeprägten Kantenwinkel bildet. Es drang ` dabei aber gleichzeitig auch die Speiche (S) mit ihrem scharfen vor- deren Gelenkrand (Fig. 9 dx) in die Oberarmgleite so tief hinein, dass 1 das über der Eindruckstelle liegende Oberarmstück (T) sich wulstartig — vorwülbte und nun über der Gleite einen pathologischen Hocker (T) bildet. : Weiter hat dann der Amniondruck auf die Gliedmaßen-Innenseite und die Umhüllung des ganzen Fußes durch einen Amnionsack, der viel zu eng war, den Gesammtfuß sehr beeinflusst. Derselbe erreichte - nämlich erstens die normale Größe nicht, denn er misst nur 9,7 mm, der normal gebildete linke Fuß dieses Thieres dagegen 10,7 mm; dann zeigen seine Wurzelbeine erster Reihe zahlreiche Verbildungscharak- tere, denn schon das A ist bis auf einen Rest seiner Hinterseite, | und zwar die obere AuBenecke verschwunden, und dieser hest ist mit dem Z untrennbar verwachsen (Fig. 9 g und). Ferner ist dann auch das J mit dem U untrennbar verwachsen und das P steigt nicht — wie normal (in Fig. 9 f) — schräg nach vorn gerichtet in die Fuß- sohle hinab, sondern liegt (Fig. 9 g) in reiner Horizontalstellung dem - U und J so fest an, dass es mit der /-Hinterseite ein richtiges Ge- | lenk bildet. Es erlangte seine derartige Stellung, indem das U-Stiick — (Fig. 9 f, w), das ihm dabei widerstand, in Folge von Druckbelastung dureh das P verschwand. Also — wie man sieht — sind alle diese - Handwurzelknochen auf den engsten Raum zusammengepresst wor- den. Aber damit war ihre Verbildung noch nicht erschöpft, denn von ihnen hat nur noch das U eine Gleite für den Unterarm, der ER GEIS a M SOS Entstehn von Vorderfuß-Hyperdaetylie bei Cervus-Arten. 489 ‚hier ja nur noch aus der Elle besteht — während in der Norm noch das J und R mit dem zweiknochigen Unterarm gelenken — — die Folge davon ist, dass dieser Fuß im Handgelenk an der Elle hin und her schlottert, wie das bereits früher erwähnt worden ist. Interessant ist dabei, dass das / an seiner noch ganz wohlgestalteten Oberseite keine Gleite für den Unterarm trägt, dieselbe ist aber wahrscheinlich nicht durch Druck, sondern durch Nichtgebrauch verkümmert, ähnlich wie auch — was gezeigt wer- den soll — gewisse Gelenkpartien der Handwurzelknochen zweiter m Reihe. —— Den Wurzelbeinen erster Reihe stehen die der zweiten an Ver- wachsung nicht nach, denn auch sie sind alle drei — d. h. die zwei normalen und der überzählige — mit einander recht innig ver- wachsen, also auf den engsten Raum zusammengepresst. Dann wurde ferner der überzählige M durch den Amniondruck von innen her so stark gegen den M, gedrückt, dass er mit dem M, so weit verwuchs, dass nur ihre Unterköpfe selbständig geblieben : sind. Der Amniondruck war in diesem Fall rein nach außen (nicht - aueh noch, wie bei anderen Objekten, nach oben oder unten) ge- richtet, so dass in Folge dessen die Verwachsung der M-Körper der- artig stattfand, dass an diesem Fuß die drei großen M-Unterköpfe in einer Ebene neben einander liegen. Hierdurch wurde der D, so sehr zwischen den D, und überzähligen D gepresst, dass er ohne Zurücklassung irgend welcher Reste verkümmert ist. Gleichzeitig mit ihm aber erlitten auch die übrigen Finger des Fußes Umlage- rungen und Verbildungen. So wurde der überzählige D, völlig unterdrückt, während der normale D; des Fußes, welcher sonst neben dem 2, liegt, auf die Fußhinterseite verschoben und dort so fest gegen den D, gedrückt wurde, dass seine Knochen, die übrigens normale Länge und Gelenke behielten, zu ganz flachen, biegsamen -Stüben verkümmerten. Ferner wurden die Spitzen des D,, D, und des überzähligen Fingers so fest gegen einander gedrückt, dass ihre Hufe die ihnen dadurch aufgezwungene Verbiegung fixirten und so beweisen, dass sie in einem Minimum von Raum ihr Wachsthum vollenden mussten. Ja, so eng war dabei die Amnionumhiillung Ki ieser Finger, dass unter diesem Einfluss sogar die unter dem Ge- lenk, liegenden Sesambeine der Hauptfinger zu leiden hatten; denn, der Norm entsprechend, müssten unter jedem dieser drei Gelenke zwei solcher Sesambeine liegen, hier aber (Fig. 9%) ist am über- zähligen Finger (D,) das innere ganz verkümmert, am D, das 490 Gustav Tornier äußere bis zur Hälfte. Es sind das aber die Sesambeine, welche am Innen- und Auf enrand der verbildeten GliedmaBe liegen und daher dem Amniondruck am stärksten ausgesetzt waren. Sie be- . weisen so in großartigster Weise die Kraft und knochenzerstörende Macht jenes Amniondrucks. Die übrigen Gelenke der Hauptfinger dieses Fußes habe ich nicht untersucht. Ihre Verbildungscharaktere sind jedenfalls nur unbedeutend und beruhen auf geringen Verschiebungen der Finger- elieder in den Gelenken. Erwähnenswerth ist dann noch, wie bei den Handwurzelknochen zweiter Reihe an der Vorderseite die Gleiten verbildet sind. Durch : eine schwache Verbiegung des Gesammtfußes nach hinten wurde ihr Vorderabsehnitt seiner Funktion für immer beraubt und in Folge dessen ist hier der Gelenkknorpel in Folge Nichtgebrauchs matt und so dünn, dass die Knochenunterlage deutlich hindyrchschimmert, der hintere Abschnitt der Gleiten dagegen wurde gebraucht und zeigt ` daher die Struktur normalen Gelenkknorpels, d. h. er ist glänzend und so dick, dass die Knochenunterlage gar nicht hindurchschimmert. Es ist also hier, wie bei allen Gelenkverbildungen gleieher Art, der in.Gebrauch genommene Knorpel intakt ausgebildet worden, wührend der nichtgebrauchte starke Atrophie aufweist, Ahnlich wie der, wel- cher zu stark auf Druck beansprucht wird. Die Art, wie diese Gliedmaße verbildet wurde, war nach den vor- liegenden Untersuchungen also folgende: Das Amnion griff die Glied- ` make von hinten an und setzte sich an der Ellen-Unterepiphyse fest, indem es mehr auf die Innen- als Außenseite der Gliedmaße drückte; gleichzeitig legte es sich dem Innenrand der Gliedmabe sehr fest an und umschloss die Finger wie ein viel zu enger Sack. Unter dieser Belastung erlitt der Unterarm einen Doppelbruch und rotirte um seine Liingsachse von vorn nach innen und erlitt eine starke Verbiegung seines Unterkopfs nach vorn und außen, wodurch der Fuß mit seinen Fingerspitzen bis an den Oberarm-Oberkopf emporgehoben | wurde. Gleichzeitig braeh die am C4 an der Innenseite unten vor- RTL atii stehende Ecke ab und aus dieser Wunde entstand später der über- | zühlige Theil der Gliedmaße in Gestalt eines überzähligen D, und ;. Beim Weiterwaehsen der GliedmaBe setzte dann der Amniondruek ; auf die Gliedmafen-Innenseite und die eingewickelten Finger ein und | erzielte erstens ausgedehnte Verwachsungen am Fuß, besonders in den Wurzelbeinen, zweitens starke Verschiebungen und kolossale | Druckatrophien, besonders an der Speiche, am R und am überzáhligen a Er EEE An se Denen — Entstehn von VorderfuB-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 491 Ds. Dieser Fuß ist demnach ein großartiges Belegstück für die Be- pipe: des Drucks als Verbildner und Zerstórer des embryonalen Kap. 4. Parallele Verbildung. f Es liegt mir nun noch eine Vordergliedmaße vor, welche zwar keine überzähligen Gebilde aufweist, deren sonstige Verbildungen aber mit denen der eben beschriebenen fast genau übereinstimmen, ja sie noch übertreffen. Es wurde nämlich diese Gliedmaße durch das Amnion genau in der Weise be- ansprucht wie die vorige, nur wurde dabei ihr C, nicht zersprengt; und zwar erlitt diese Gliedmaße durch enormen Amniondruck auf ihre ganze Innenseite folgende Druckschrumpfungen: Ihr fehlt erstens S (die Speiche) ganz, zweitens fehlt ihr in der ersten Wurzel- beinreihe das R ganz, während daselbst ihr Z und U mit einander verwachsen sind und das P diesen beiden sehr fest ‚anliegt. Es ist drittens bei dieser Glied- mae in der zweiten Wurzelbeinreihe das H ganz gut entwickelt, das C; aber -schrumpfte zu einem winzigen Knochen- kern zusammen, der selbständig blieb. Viertens ist dann an diesem Fuß von der E jganzen Innenseite nur ein oberes Stiick- | chen M; übrig geblieben, das M; im Gan- zen aber, sowie der D, und D; sind völlig verschwunden. Die AuBengebilde dieses Fußes dagegen, der D, und 2X, sind völlig “normal erhalten, weil sie dureh den Amniondruck, der auf der Fußinnenseite lag, nicht belästigt wurden; sie zeigen aber in den Fingergliedern starke fixirte Verbiegung nach innen und sehr starke Verschmiilerung und Zwergwuchs im Ganzen, weil auf sie das Am- aion als ein zu kurzer und enger Sack eingewirkt hat. — Wie bei dem vorigen Objekt, wurde endlich auch bei diesem der Unterarm an der unteren E-Epiphyse (Er) von hinten her durch ‚starken Amniondruck beansprucht und es erlangte dadurch das E — ‚allerdings, wie es scheint, nur durch reine Verbiegung ohne Bruch — fast genau die Form, welche das vorher beschriebene Objekt auch 499 Gustav Tornier besitzt, so ist selbst seine untere Epiphyse (Zr) hakenartig nach oben t und außen verkrümmt und in Folge dessen ist auch dieser Fuß in einer derartigen Stellung fixirt, dass seine unteren M-Köpfe dem Ober- arm-Oberkopf anliegen. Kap. 5. Über scheinbare pathologische Phylogenesen. Die bisher untersuchten Gliedmaßen zeigen durch alle Stadien nachweisbare Verkümmerung des D, und des bei ihnen stets ange- legten D,’; und ferner ist beim ersten dieser Individuen der D, nur im Hufabschnitt gegabelt, bei nächstfolgenden schon vom Finger- glied „, beim dritten vom Fingerglied ,, beim vierten vom M, und bei den übrigen vom C, aus. Das macht den Eindruck, als böten ` diese untersuchten Individuen einmal eine phylogenetische Reihe für das Verschwinden des zweitens Fingers und des D,’, und zweitens eine solche für die Vergrößerung der überzähligen Gebilde, indem diese ihren Ursprung immer tiefer in den Körper des Thiers hinein verlegen. Nach den Resultaten der vorliegenden Untersuchungen ist natürlich von derartigen »Phylogenesen« keine Rede und die Ver- | bildungen haben ihrer Entstehung nach gar nichts mit einander zu thun. Die Sache wird hier auch nur desshalb erwähnt, weil For- | scher, denen die Entstehungsursachen der Hyperdactylie nicht be- kannt waren, aus ähnlichen Thatsachen in der That ähnliche Schlüsse gezogen haben. Abschnitt X. Damhirsch-Vorderfuß links durch U-Zersprengung mit drei Stieffingern und mit einem C;-Sprengstück, das selbständig blieb. Amnionnachwirkungen stark. i Kap. 1. Die Stieffinger am Fuß und ihr Entstehn. Der vorliegende verbildete Vorderfuß ist der einzige unter den | von mir untersuchten, bei welchem an der Außenseite Mehrfinger | entstanden sind; dann ist er zweitens der einzige, bei welchem beide Zersprengstücke eines Knochens aus ihrer Wundfläche überzählige —— Gebilde erzeugt haben, und drittens ist an ihm jener Theil eines normalen C; abgesprengt und zu einem selbständigen Wurzelknochen _ zweiter Reihe geworden, der an den bisher untersuchten Cerviden- - füBen die überzühligen Gebilde der Innenseite erzeugte, was hier | nicht der Fall war. 4 i f Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 493 Ich erhielt diesen Fuß von Herrn Geheimrath NrrscuE und be- klage nur, dass er nicht höher als im Handgelenk abgeschnitten war und entfleischt zur Untersuchung gelangte. Fig. 10 a, b, c, e, f, g, h, 2, k, I, m. ec T inal y p IE Ga = Der Fuß (Fig. 10 a) trägt, von außen betrachtet, sechs Hufe, von denen aber erst durch sehr eingehende anatomische Unter- suchungen festzustellen war, dass die drei innersten als Stammhufe, die drei äußeren als überzählige anzusprechen sind, und zwar sind die zugehörigen Finger, wie die anatomische Untersuchung weiter ergab, zwei überzählige Haupt- und ein Nebenfinger. - Da dieser Fuß sechs Finger hat, müssen an ihm wenigstens zwei überzählig sein. Dass diese überzähligen ferner an ‘seiner Außenseite liegen, erkennt man ohne Beweisführung auf den ersten Blick, denn der D, des Fußes und sein Kanonbein sind durchaus normal. Von diesen überzähligen Fingern des Fußes ist drittens der äußerste (D$) ein typischer Nebenfinger, denn er besteht aus dem | 494 Gustav Tornier Rest eines M (M), welcher, wie bei allen normalen Individuen, nur der obere Theil eines voll entwickelten M ist; er liegt ferner dem benachbarten Hauptfinger oben an der Hinterseite als stiel- | förmiger Knochen an und reicht bis an die Handwurzel, mit welcher er aber nicht gelenkt. Zu diesem M gehören dann — wieder in - ganz normaler Damhirschweise — drei Fingerglieder, von denen das | oberste im zugespitzten Oberende eine Epiphyse besitzt, während das dritte einen unsymmetrischen Huf trägt, der seine Steilfläche einer Symmetrieebene zuwendet, welche ihm und dem benachbarten Hauptfinger gemeinsam ist. Eben so leicht ist zu beweisen, dass der an diesem Fuß neben und _ einwärts von dem beschriebenen überzähligen Nebenfinger liegende zweite Stieffinger (D,') ein Hauptfinger ist, denn er besteht aus einem voll entwickelten M, dessen Gleite fürs erste Fingerglied aus einer i Führung und zwei Flügeln besteht. Ferner ist sein Huf unsymme- trisch gebaut, denn er, wie der ganze Finger, wendet seine Steilseite einer an seiner Innenseite verlaufenden Symmetrieebene zu. — Etwas schwieriger dagegen ist schon zu beweisen, dass der drittäußerste Finger dieses Fußes (D,’) ein überzähliger ist, während diesem Fuß der Stamm-D, völlig fehlt. Der Beweis liegt in Folgendem: Dieser drittäußerste Finger (D,' besteht aus einem Huf und drei Finger- gliedern, von denen das oberste mit einem unteren M-Rest von an- | sehnlicher Größe verwachsen ist, und zwar derartig, wie das bei embryonalen Verwachsungen dieses Gelenks gewöhnlich geschieht, die beiden Gelenkträger sind nämlich im Gelenk untrennbar ver- ` wachsen, während die beiden das Gelenk einfassenden Epiphysen- nähte intakt vorhanden oder noch nachweisbar sind (Fig. 10 e) Da — am normalen Damhirsch-Vorderfuß die Nebenfinger einen unteren M-Rest nieht besitzen, kann der hier vorliegende Finger auch kein ~ Nebenfinger sein, sondern ist der Rest eines Hauptfingers; und zwar | ist er, wie ich gleich hinzufügen und später beweisen will, der Rest eines Hauptfingers, der im Beginn seiner Entwicklung völlig intakt | i angelegt wurde, dessen unterer und oberer Abschnitt auch später er- — halten blieben, während dagegen sein Mittelstück unter Amnionnach- — wirkung Druckschwund erlitt. Der obere noch erhalten gebliebene ` Theil dieses Fingers, sein oberes M-Stück (Mya), ist der überzühlige — Knochen, der an diesem Fuß zwischen dem Kopf des M, und dem 1 des bisher beschriebenen überzühligen Haupt-M (Mz) liegt. Der Beweis liegt in Folgendem: Betrachtet man an diesem verbildeten Fuß die Wurzelbeine — Mella vr Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 495 LI erster Reihe an der Oberseite (Fig. 10 7), so hat dieser Fuß in dieser — Reihe scheinbar vier Knochen, während im normalen Fuß (Fig. 10 4) nur drei vorhanden sind; genauere Untersuchung ergiebt aber mit ‘Sicherheit; dass an diesem verbildeten Fuß das R und J gar nicht verbildet sind, während das U, das ursprünglich normal gewesen ist, der Lünge nach in zwei Theile zersprengt wurde, die selb- | ‚ständig geblieben sind, und zwar zersprang es genau entlang der Stelle, in der Radius und Elle gelenkbildend zusammenstoßen (wie . das Fig. 10 c zeigt). | Der Beweis dafür ist: Das A und / dieser Handwurzel sind durchaus normal. Der dann nach außen folgende Knochen (Fig. 10 7 : 4) entspricht dagegen nicht mehr einem normalen U, denn dann müsste er (wie in Fig. 10 7 das U) genau so tief zur Fußsohle hinabreichen wie das benachbarte Z und müsste außerdem mit dem P gelenken. Das ist aber durchaus nicht der Fall, er ist nur annühernd halb so tief als das J, und das P ge- | lenkt erst mit dem nachfolgenden Wurzelbein (U) in nor- maler Weise, ein Beweis dafür, dass das letztere sicher ein Stück des normalen U ist. Dann aber kónnen das dritte und | vierte dieser Wurzelbeine (U, und U») so an einander gelegt werden, dass sie beide an der Berührungsstelle, die ihre zum Gelenk umge- wandelte Sprengstelle ist, genau an einander passen, und dann ge- lenken beide zusammen mit dem Unterarm genau wie ein normales —U, wodurch aber sicher bewiesen ist, dass sie beide nur Spreng- _ stiicke eines normalen U sind. Das Innere von diesen U-Spreng- Stücken (U,) gelenkt nun aber außerdem an seiner Unterseite mit — einem überzähligen Handwurzelknochen zweiter Reihe (Fig. 10a: H’), welcher neben dem Æ des Fußes liegt und mit ihm in ganzer Aus- dehnung gelenkt, und dann gelenkt dieses H’ mit jenem überzäh- ligen Knochen (Mya) dieses Fußes, der zwischen dessem M, und dem überzähligen Hauptfinger (Mz) eingeklemmt ist. Damit ist be- wiesen, dass diese beiden Knochen aus einer Sprengstelle des U, - als überzählige Bildungen herausgewachsen sind und ein Wurzelbein zweiter Reihe nebst dem zugehörigen oberen M-Stück eines Haupt- fingers darstellen, denn nur ein Haupt-M gelenkt ‘am normalen Dambhirsch-Vorderfu8 mit einem Wurzelbein zweiter Reihe. —— Ferner besteht an diesem Fuß (Fig. 10 a) das äußere U-Spreng- stück aus einem oberen Abschnitt (U3), welcher einem normalen gleichwerthigen U-Stück genau entspricht, und aus einem abnormen unteren Theil (C3), der so lang ist wie das eben beschriebene mees ee EEE 496 Gustav Tornier i G überzählige Wurzelbein H’. Es ist demnach gar kein Zweifel, dass | dieser anormale U,-Zapfen (wie der ihm zugehörige überzählige Haupt- und Nebenfinger) eine Neubildung aus der Wundfläche des U, ist, welche zu einem selbständigen Wurzelbein zweiter Reihe werden sollte, aber nicht selbständig geworden ist. Da am Sprengstück U» aus der Wundfläche ein überzähliger Haupt- und Nebenfinger superregenetisch entstanden sind, so ist kein Zweifel, dass auch am Sprengstück U, in der Wundfläche ein überzähliger Haupt- und Nebenfinger angelegt wurden, worauf diese vier Finger nach dem von mir gefundenen Symmetriegesetz für Regenerate zu ein- - ander in Symmetrie treten mussten, also entweder ein D;’, D,', D,' und D; werden sollten, wie ich in Fig. 10 6 annehme, oder umge- kehrt ein Dy’, D;', Dy und D;’. Die später auftretende sehr starke | Amnionnachwirkung auf diesen Fuß hat dann aber die Zahl seiner ursprünglieh angelegten acht Finger stark verringert, indem sie zwei dieser Fingeranlagen zum Einsehrumpfen brachte. Kap. 2. Amnionnachwirkung an diesem Fub. Wie gewöhnlich wurde auch bei diesem Individuum das Amnion als umhüllender Sack viel zu eng für den wachsenden Fuß, so dass — in diesem Sack die Finger schon bald nach der Anlage stark um den Raum zu kämpfen begannen und dadurch mannigfach verbildet wurden. Zuerst wurde dabei dureh das Amnion der ganze über- zählige FuBabschnitt so stark um die Längsachse des D; von außen nach hinten rotirt, dass dadurch am D;’ und seinem Huf die Innen- ` seite nach vorn zu liegen kam, während der D,’ und der D,' sieh .— so einstellten, dass ihre Sohle mit der Stammfußsohle einen rechten Winkel bildet und nach innen schaut. Ja, der D;’ kam dadurch so ganz auf die Fußhinterseite zu liegen, dass er von jenem Druck | gar nicht zu leiden hatte, welchen das Amnion außerdem noch von ~ außen nach innen auf die ganze Fußaußenseite auszuüben begann. © Die Folgen dieses Drucks waren nämlich folgende: Er begann seine Thätigkeit bereits hoch oben am Fuß, denn er wahrscheinlich verhinderte, dass sich das C; von seinem Mutter- boden, dem U3, loslóste und so ein selbständiges überzähliges Wurzel- bein zweiter Reihe wurde; zweitens drückte er das Cj" H’ und H - so fest an einander (Fig. 10 Z und 10 m), dass sie nieht nur in ihrer | ganzen Ausdehnung mit einander gelenken, sondern dass am H der - ganze Außenbezirk Druckschwund erlitt, so dass es nunmehr an | ioc Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 497 jener Stelle stark abgeplattet erscheint. Dann aber presste drittens dieser Amniondruck den überzähligen Fußabschnitt so fest an den ursprünglichen, dass die beiden Nebenfinger D, und 2D, völlig ver- sehwanden, und zwar nicht nur in ihrem unteren Theil, sondern auch in ihren M-Resten. Viertens büßte dabei der M,’ seine ganze Mittelpartie ein, worauf dann noch das M, und M; so energisch drückend auf einander einwirkten, dass sie sich an der Berührungs- stelle völlig abflachten. — Wiehtigere Amnionnachwirkungen an diesem Fuß sind dann noeh folgende: Dureh den Amniondruck, der, wie schon erwähnt, auch in diesem Fall auf alle Finger des Fußes ausgeübt wurde und sie auf den engsten Raum zusammenpresste, wurde der normale D, aus seiner normalen Lage ganz auf die Fußhinterseite verschoben und zugleich so um seine Längsachse rotirt, dass er mit seiner Sohle der D3-Sohle fest anliegt. Dann wurde unter denselben Verhältnissen der überzählige D,’ - nieht nur mit seinem M zwischen den D, und überzühligen D,' ein- -geklemmt und so durchbrochen, sondern er erlitt gleichzeitig auch _ Verlagerung seines Endabschnitts nach vorn, weil seine Fingerglieder vor jener Einklemmung nach vorn auswichen. Hierbei erhielt der Gesammtfinger starken Amniondruck auf Vorderseite und Spitze, wurde gegen die D,-Vorderseite gepresst und gleichzeitig in allen Gelenken »winklig zusammengeschoben. Die Folgen davon waren: einmal eine Einwürtsverbiegung seines M-Körpers hart über der unteren Epi- physennaht, dann wurden ferner durch den Druek von unten seine Glieder so stark gegen einander gepresst, dass sein Gelenk , untrenn- bar verwuchs. Diese Gelenkverwachsung ist sicher nachzuweisen, weil die Epiphysennähte seines M und Glied ,, welche über und unter dem Gelenk liegen, noch völlig deutlich erkennbar sind (Fig. 10e). Die Verwachsung dieser beiden Knochen im Gelenk ist dabei eine so vollständige, dass es fast den Anschein hat, als hätten sie durch eine Art ontogenetischer Hemmung ihren embryonalen Zusammen- hang im Gelenk nie verloren, sondern hätten denselben zu einer vollkommneren synostotischen eig fortgebildet. Ferner wur- den an diesem Finger auch im Gelenk , die Gleiten so fest an ein- ander gepresst, dass sie nunmehr ganz ebene Flächen sind, durch welche die beiden Knochen winklig an einander stoßen. — Und auch im Gelenk ; dieses Fingers bilden die Gelenkkörper-Längs- achsen einen vien Winkel mit einander. — Die Verbildung 498 Gustav Tornier des Fingers durch den Amniondruck ist also eine recht beträcht- liche. Unter der Amnionnaehwirkung wurde dann auch am D, das Gelenk , in folgender Weise stark verbildet (Fig. 10 f bis A); Es zeigt fixirte Auswärtsverschiebung und Einwärtsrotation des Glied ,. Folgen dieser Verbildung waren am JM, in der Gleite, (Fig. 10 f) Verwachsung der Grenzkante zwischen Führung (mf) und innerem Gleitenflügel (mi), weil das Glied , mit seinem Innenflügel auf jene | Führung drückte und sie proportional dem Druck zum Schwinden brachte. Daneben zeigt am M; der Innenflügel der Gleite (mi) in - der Mitte eine große Fehlstelle (7), die durch Nichtgebrauch ent- = standen ist, weil das Gelenk bei seiner falschen Beanspruchung am Innenrand aus einander klappte; desshalb ist auch vor und hinter der Fehlstelle der Gelenkknorpel dureh Verkümmerung durchschei- nend und matt geworden. | Am Fingerglied , wurde in der Gleite m das Verstreichen von Führung und Innenflügel noch stärker, denn ihre Grenzkante wurde ` durch die M-Führung so völlig zusammengedrückt, dass diese beiden Gelenkflichenabschnitte in einander flossen, und auch hier ist am Innenrand der Gleite der Gelenkknorpel matt und durchscheinend. Im Gegensatz dazu sind die an diesem Gelenk an der Innenseite liegenden Bandansätze weit stärker als normal und treten desshalb — am M-Unterkopf (Fig. 10 f: w und wa) neben der Gleite mi als zwei auffällig starke Wülste hervor. Sie sind verstärkt worden, weil dieser Gelenkkapselabschnitt — in Folge der rotirenden Ver- : schiebung der Gelenkkörper — übermäßig auf Zug beansprucht wurde und daher seine Fasern und Ansatzstellen verstärkt hat. Durch diese Seitwärtsverschiebung des Fingerglied , in diesem Gelenk wurde dann auch an der Gelenkunterseite das innere Sesam- | bein seitlich gegen die M-Führung gepresst (Fig. 10 g:sı gegen mf) d und beide flachten sich dabei an den Druckstellen so weit ab, dass ` die Führung nunmehr (Fig. 10 2: m/f) nicht mehr eine scharfe Kante, — sondern eine Kante mit breiter Kuppe darstellt, deren Seheitelplatte schrig nach innen schaut, und dass selbst das Sesambein (sz) nicht mehr mit zwei Gleiten, die in einer Kante an einander stoßen, am M gelenkt, sondern nur mit einer schräg nach außen liegenden, die aus den beiden anderen entstanden ist, indem deren Grenzkante | versehwand. f «d = ^ A Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 499 3 Abschnitt Xl. Reh-Vorderfüße — rechts und links — mit einfach » verheilten Bruchstellen. Die beiden noch zu besprechenden Reh-Vorderfüße (Fig. 11 a und c), welche ich in Kufstein im Gasthof zur Klause durch die Liebenswürdigkeit der Wirthin, Fräulein MARIE: AUER, erhielt und die beide einem Thier angehörten, sind dess- Fig. 11 a, b, v. halb sehr wichtig, weil Sie beweisen, dass an Rehgliedmaßen Bruchver- letzungen zur Beobach- tung kommen, welche als solche noch ganz deutlich zu erkennen sind und die durch ihr Auftreten we- nigstens indirekt bewei- sen, dass das Entstehn von Hyperdaetylie aus Fußknochenbrüchen wohl ‚möglich ist. — Dass in diesem Fall die Bruch- stellen, welche ich für embryonal entstanden an- ‘sehen muss, nicht zur Entstehung von überzäh- ligen Fußpartien Veran- lassung gaben, kommt daher, weil ihre Wund- flächen beim Entstehn zu Wenig von einander ent- feınt wurden, wesshalb ihnen der Raum für die Erzeugung von überzähligen Fußpartien mangelte und sie nur einfach verheilten. Die beiden Objekte sind folgende: — Kap. 1. Vorderfuß rechts mit schlecht verheiltem Bruch A des M,-Körpers. . Dem Fuß selbst war bei Betrachtung von außen eine Verbildung nicht anzusehn, glitt aber die Hand an seiner Außenseite hinunter, 500 Gustav Tornier so wurde die Bruchstelle als ein Knoten gefühlt, der deutlich im Skelet des Fußes seinen Sitz hatte. Die anatomische Untersuchung ergab alsdann: Der Fuß entspricht in seiner Ausbildung durchaus der Norm, und selbst sein D;, der im M, einen schlecht verheilten Bruch aufweist, zeigt sonst nichts Pathologisches, nur dürfte sein M; etwas zu kurz sein. (Sein Huf 29 mm, der des D, 27; M, 68 mm lang, Ms 74.) Dieser M; (Fig. 11 c) ist desshalb von normaler Gestalt, weil er unten mit dem Glied, gelenkt, auch verlüuft er naeh oben hin blind- endend zugespitzt. Dann trügt er aber 24 mm von oben eine Bruch- stelle (7), welche durch den ganzen Knochen quer von innen nach außen zieht. Der Bruch ist schlecht verheilt: die Wundstümpfe haben sich an der Bruchstelle knotig verdickt und sind daselbst nur zum Theil durch Callus wieder verwachsen, während andere Calluspartien noch in einer Naht an einander stoßen, so dass die Bruchstelle im Ganzen den Eindruck einer pathologisch entstan- denen Epiphyse macht. Sonst ist an dem Fuß nichts Pathologisches zu bemerken. Kap. 2. Vorderfuß links mit Querbruch durch sämmtliche vier M-Körper. Dieser Fuß (Fig. 11 a) besaß, von außen betrachtet, an der Innenseite ungefähr gegenüber der Mitte seines Kanonbeins eine sroße Hautbeule, die beim Befühlen als Decke einer Skeletverbil- dung des Fußes zu erkennen war. Die anatomische Untersuchung ergab alsdann, dass seine sämmtlichen M in der Gegend der Kanon- beinmitte neben einander liegende Querbruchstellen (7) erworben haben. Beim Verheilen dieser Bruchstellen sind sie dann gleich- zeitig ziemlich stark mit einander verwachsen. An welcher Stelle im Fuß der Bruch eingetreten ist, lässt sich sehr leicht konstatiren: Bei diesem Reh misst nämlich der normal- gestaltete M des linken Fußes 74 mm, der am rechten Fuß vorhan- dene — vom Fingergelenk , an gerechnet — nur 50 mm, er ist also 24 mm von der Spitze entfernt durchbrochen worden. Ferner - ist der M, dieses Fußes, vom Gelenk , gerechnet, nur 50 mm lang, also in gleicher Höhe durchbrochen wie der zugehörige M,, und ` in dieser Höhe sind dann auch die beiden Haupt-M dieses Fußes - durchbrochen worden, so dass die Bruchstellen dieser sämmtlichen vier M in derselben Fußquerebene liegen und desshalb auf eine gemeinsame Entstehungsursache zurückzuführen sind. | Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 501 Als diese vier M ihren gemeinsamen Querbruch erhielten, da verschoben sich gleichzeitig ihre Bruchstücke an einander, indem die unteren Bruchstücke an den oberen schräg nach innen und oben entlang glitten (wie das Fig. 11 5 zeigt), dadurch wurde dieses linke Kanonbein kürzer als das rechte (140 :149 mm) und erhielt, - als sich die Bruchstellen mit Callus ausfüllten, eine Längsachse, die in der Bruchregion zwei Wellenkurven aufweist. Das Thier hat desshalb wegen Verkürzung des linken Fußes dauernd etwas gehinkt. = Bei dieser Bruchstellenverwachsung im Kanonbein trat aber noch Folgendes ein: Das untere M;-Bruchstüek (M,) verwuchs durch seinen Callus mit dem benachbarten unteren M3-Bruchstiick, und — beide verwuchsen dann mit dem oberen Kanonbruchstück, desshalb - sind nunmehr das M, und Kanonbein fest vereinigt, dagegen verheilte das untere M,-Bruchstiick (Fig. 11 a, M;) seine Wunde selbständig — und blieb desshalb auch dem Kanonbein gegenüber selbständig. - Bandfasern verbinden sie beide. Weiter verbildet ist dieser Fuß sonst nicht. Es sprechen eine Anzahl Gründe dafür, dass bei diesem Thier - die Fußverletzungen bereits im Embryonalstadium, d. h. in den erst knorplig präformirten Knochen entstanden sind. So ist am rechten Fuß das Kanonbein ohne Knochensplitterung gebrochen, was zweifel- los nicht der Fall gewesen wäre, wenn das Kanonbein erst als knó- cherne Röhre von fertiger Ausbildung die Verletzung erhalten hätte. - Dann ist ferner die Verheilung der Brüche dieses Fußes eine so voll- — ständige, dass der Callus sich gar nicht vom normalen Knochen unter- Seheiden lässt und ganz harmonisch in die normale Knochensubstanz — übergeht. Und drittens sind am linken Fuß am M, die Bruchstücke — selbst an der Bruchstelle knotig verdickt; eine solche Verdickung eines gebrochenen Knochens an den Bruchstellen kann aber wohl mur eintreten, wenn derselbe noch im Wachsen begriffen war. End- lich sprechen auch noeh folgende theoretische Gründe dafür, dass die Brüche im Embryonalstadium des Fußes entstanden sind. Am rechten Fuß des Thieres sind, wie bereits nachgewiesen ist, die sümmtliehen vier M-Brüche zweifellos auf eine gemeinsame Ursache, und zwar auf einen Druck zurückzuführen, der den Fuß am M,- — Unterkopf außen angriff (wie das Fig. 11 b zeigt) und dabei simmt- liche vier M-Unterköpfe nach innen und oben zu schieben versuchte. Ein solcher Druck kann ja sehr wohl auch auf einen erwachsenen FuB einwirken und ihn wohl auch — wenn auch ohne so glatte Morpholog. Jahrbuch. 31. 33 502 Gustav Tornier Bruchstellen, wie sie vorliegen — in der angegebenen Weise ver- bilden. Kaum denkbar dagegen ist, dass an diesem linken Fuß das M, im erwachsenen Zustand in der Weise gebrochen werden kann, wie sie vorliegt; denn es liegt alsdann — völlig von der Haut verdeckt — so dicht dem M, an, dass es desshalb von oben her für sich allein auf Biegung bis zum Bruch kaum zu beanspruchen ist, und auch von unten her dürfte es in diesem Alter eben so wenig auf Biegung bis zum Bruch zu beanspruchen sein, denn er ist gegen einen der- artigen Angriff viel zu sehr durch den benachbarten größeren M, gedeckt oder findet an ihm eine Stützflàche. Und aueh beim An- griff einer biegenden Kraft auf die Fingerglieder des erwachsenen D; würden wohl deren Gelenke, nicht aber der M, verbildet und zer- stört werden. Dagegen könnte in einem embryonalen Fuß, in welchem die Gelenke noch gar nicht ausgebildet und die Knochen erst ganz kurze gleichlange Knorpelspangen sind, ein Druck auf die Fingerglieder wohl den M-Körper mit angreifen und ihn im Biegungsscheitel durchknicken. Abschnitt XII. Zusammenfassung und Rückschlüsse. 1) Bei den Cerviden kann an den Vorderfüßen sowohl die Innen- wie Außenseite mit überzähligen Gebilden versehen sein. 2) Diese überzähligen Gebilde entstehen, wie schon früher be- schriebene, durch Superregenese aus einer Wunde, welche in einen Fußabschnitt durch pathologischen Amniondruck eingesprengt wor- den ist. 3) Diese überzähligen Gebilde entsprechen, wie auch früher be- schriebene, einem Fußabschnitt, der von der Wunde peripher liegt. Also: aus einer Wunde in einem Huf entstehn nur überzählige Hufpartien, aus einem C;-Sprengstück ganze Finger von den Mittelhandknochen an. 4) Vom Klaffen dieser Wunden hängt, wie auch sonst, der Er- . folg der, von der Wunde eingeleiteten Superregenese ab, denn klafft die Wunde nur sehr wenig, so tritt einfache Wundheilung ein. Klaft sie dagegen schon etwas mehr, dann bilden die beiden Wundflächen, wenn sie Knochenabschnitte sind, Gelenkflächen für einander aus. Klafft die Wunde noch stärker, so erzeugt nur die eine ihrer beiden Wundflachen überzählige Bildungen; klafft die Wunde aber sehr stark, - thun es beide zugleich. Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. 503 =- 5) Die Wunden, welche in diesen Fällen an der Fuß-Innen- seite überzählige Finger erzeugt haben, sind entstanden, indem das Amnion vom C; ein Stück der Innenseite absprengte. 6) In den vorliegenden Fällen hat dann stets nur der abge- sprengte C;-Abschnitt überzählige Finger erzeugt und zwar stets einen überzähligen D, und ;. 7) Diese überzähligen Finger stehn zu den normalen Fingern des verbildeten Fußes in Symmetrie. 8) Fälle, in denen beide Wundflächen eines derartig zersprengten (3 Überzühliges erzeugt haben, haben mir bisher nicht vorgelegen; es ist aber ganz sicher, dass sie zu finden sind. 9) Bei dem einzigen, in dieser Arbeit beschriebenen Thier, bei welchem an der Fuß-Außenseite überzählige Finger entstanden sind, war das U (Ulnare) in zwei Abschnitte zersprengt worden und haben hier beide Wundflächen der Zersprengstelle Überzähliges erzeugt. 10) Die beiden Wundflächen des U erzeugten dabei die sämmt- lichen vier Finger eines überzähligen Fußes, die zu einander in Symmetrie stehn. 11) Bei allen hier untersuchten Thieren, die Überzähliges auf- weisen, zeigt der verbildete Fuß, und auch sein Überzähliges Neben- _verbildungen, welche als » Amnion-Nachwirkung am Fuß« zu bezeichnen - sind. Sie kommen zu Stande, weil das Amnion, das »bei der Amnion- - Vorwirkung« dureh Wundbildung am Fuß Hyperdactylie anlegt, auch "dann noch auf den Fuß einwirkt, wenn dessen Überzähliges im . Wachsen ist. 12) Dureh die Amnion-Nachwirkung kann sowohl der normale D; wie der überzählige D; des Fußes bis zur Nichtanlage im Wachsen behindert werden. | 13) Atavistische Bildungen sind an den vorliegenden Füßen nieht beobachtet worden; und nur ein einziger scheinbarer Ata- vismus. - — 14) Ein qualitatives Wachsen von überzähligen Gebilden, indem diese ihren Ursprung immer tiefer in den Körper des Thiers hinein- verlezen, wie früher angenommen worden ist, findet nicht statt; dass sich Objekte in Reihen anordnen lassen, welche es scheinbar phylo- — ‚genetisch beweisen, spricht nicht dafür. _ 15) Für die folgenden Befunde an früher von mir untersuchten Objekten sind an den hier untersuchten Parallelen vorhanden: a. Knochen können im Embryonalleben durch äußeren Druck 33* 504 Gustav Tornier, Entstehn von Vorderfuß-Hyperdactylie bei Cervus-Arten. schwach oder stark, ja selbst bis zur Nichtanlage im Wachsen be- hindert werden. Knochen, welche dabei an einander gedriickt werden, platten sich entsprechend dem Druck an den Beriihrungsstellen gegen einander ab und verwachsen mit einander, wenn der Druck eine be- stimmte Grenze überschreitet. — Knochen werden leichter durch Druck angegriffen als die Haut; ein Druck, welcher einen Körper- theil von außen angreift, verbildet daher die Knochen des Körper- theils stärker, als die Haut, welche sie deckt. b. Unter abnormer Beanspruchung verläuft die embryonale Ge- lenkumbildung wie die phylogenetische und nach den von mir schon früher erschlossenen Gesetzen. c. Regenerate werden stets größer angelegt, als das Objekt bs das sie ersetzen sollen; derartige Regenerate wirken dann außerdem auf den Körpertheil zurück, aus dem sie entstehn, und zwingen ihm nieht nur Anpassungsformen an den Charakter des Regenerats auf, sondern veranlassen ihn unter Umstünden auch zu übernormalem Wachsen. Über die Entwicklung des Herzens der Ascidien. Von Gustay Kuhn, Thierarzt. (Aus dem Zoologischen Institut der Universitit Rostock.) Mit Tafel XIX—XXI. Die Entwieklung des Herzens der Ascidien ist in den letzten Decennien des vorigen Jahrhunderts wiederholt untersucht worden. Da die Untersuchungsresultate der einzelnen Autoren sich jedoch in vielen Punkten widersprechen, so habe ich auf Anregung von Herrn Professor Dr. SEELIGER eingehende Untersuchungen über die Herz- entwicklung von Clavelina lepadiformis und Ciona intestinalis ange- stellt. Das reichliche und sehr gut konservirte Material zu meiner Arbeit wurde mir von Herrn Professor Dr. SEELIGER, der dasselbe selbst gesammelt und konservirt hat, in liebenswiirdigster Weise - überlassen, und nehme ich an dieser Stelle Gelegenheit, ihm, meinem - hoehverehrten Lehrer, den herzlichsten Dank auszusprechen für Über- lassung des Materials und der Litteratur, sowie für die liebens- würdige Antheilnahme an meiner Arbeit und für die freundliche und gütige Unterstützung, die er mir bei Ausführung der Unter- . suehungen hat zu Theil werden lassen. = Das von Herrn Professor Dr. SEELIGER im Mai des Jahres 1892 und 1894 gesammelte Material von Clavelina lepadiformis stammt . aus dem Meerbusen von Triest und dem Pantano bei Messina. Es ist zum Theil den Peribranchialräumen der Knospen entnommen, zum Theil im Glase gezüchtet worden. Die Larven sind theils mit - Pikrinsáure, theils mit Pikrinschwefelsäure, theils mit Alkohol fixirt und in 96%igem Alkohol aufbewahrt worden. Die mit Alkohol 506 Gustav Kuhn konservirten Larven habe ich nur zu Totalpräparaten verwendet, da — sie sich hierzu am besten eigneten. Auf Schnittpräparaten zeigten dagegen die mit Pikrinschwefelsäure fixirten Thiere am besten die histologischen Details, und habe ich desshalb auch nur vereinzelt Schnittserien von Thieren angefertigt, die mit Pikrinsäure behandelt waren. E Was die Anfertigung meiner Prüparate von Clavelina anbetrifft, . so wurden die Larven langsam durch sinkenden Alkohol bis zum Wasser durehgeführt und dann 16 Stunden lang in eine ganz dünne, | alte Lösung von DELAFIELD’schem Hämatoxylin gethan. Dann habe ich die Larven ca. eine Stunde lang in Leitungswasser gelegt, lang- sam durch steigenden Alkohol bis zum absoluten Alkohol geführt, in Chloroform gebracht und mit Paraffin fünf bis sechs Stunden lang in den Ofen gesetzt. Die Orientirung der kleinen Embryonen erfolgte unter dem Mikroskope bei sehwacher VergróBerung und im flüssigen Paraffin. Nachdem das Paraffin erstarrt und das Objekt dem Uhrschälchen entnommen war, habe ich bei jedem Thiere noch einmal die Orientirung kontrollirt, so dass nur gut orientirte Larven unter das Mikrotom gelangten. Dann habe ich Schnittserien von 5 u Schnittdicke bei den kleinen Larven und 10 u Schnittdicke bei den älteren, festgesetzten Larven angefertigt, mittels Eiweißlösung aufgeklebt und stets dabei sorgfältig darauf geachtet, dass kein Schnitt verloren ging. Das Paraffin der aufgeklebten Schritte wurde mittels Xylol gelöst, etwaige überschüssige Farbe mit salzsaurem Alkohol oder Eisenalaunlösung ausgezogen und die Serie in Kanada- balsam eingeschlossen. Einige Präparate habeich auch nach HEIDENHAIN gefärbt. Die Kernstrukturen sieht man bei dieser Tinktionsmethode ~ 4 besonders deutlich, da die tiefschwarz gefärbten Chromatinkörnchen besser starke Linsensysteme vertragen. Mit Methylenblaulösung habe ich auch gute Färbungen erhalten, wenn ich die Objekte total 24 Stunden lang in eine ganz schwache Lösung brachte und nach- her aus den Schnitten die überschüssige Farbe mit 70 Yigem Alkohol auszog. Namentlich die Zellgrenzen treten hierbei sehr deutlich hervor. Durch Nachfärbung mit Karminfarbstoffen habe ich nicht eine so gute Färbung der späteren Schnitte erzielen können, wie mit Hämatoxylin, dagegen habe ich sämmtliche Totalpräparate mit Kar- — minfarbstoffen behandelt. Herr Professor SEELIGER hat die Güte gehabt, mir fertige Präparate von Knospen und alten, festgesetzten Larven von Clavelina zu meiner Arbeit zu überlassen und ist es mir eine angenehme Pflicht, ihm hierfür bestens zu danken. Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 507 — -. Da in der von SEELIGER (15) im Jahre 1885 publicirten Arbeit - »Über die Entwicklung der socialen Ascidien« eine Anzahl von Totalprüáparaten von Clavelina in vorzüglicher Weise abgebildet ist, so habe ich mich von der Darstellung von ganzen Larven und Em- bryonen dispensirt, besonders mit Rücksicht darauf, eine möglichst große Anzahl von Schnitten geben zu können. Ich habe desshalb nur eine zur Anschauung von der Lagebeziehung der Organe die- nende, freischwimmende Larve gezeichnet und werde mir erlauben, den Leser auf einige Figuren SEELIGER's hinzuweisen. Das Material von Crona stammt ebenfalls aus dem Meerbusen von Triest und ist im Jahre 1894 von Herrn Professor Dr. SEELIGER gesammelt resp. gezüchtet und fixirt worden. Als Fixirungsflüssig- keiten sind Sublimat, Formol, Alkohol-Essigsáure, Pikrin-Essigsiure, Platin-Osmium-Pikrinsáure und Platin-Chrom-Osmiumsäure verwendet worden. Als Aufbewahrungsflüssigkeit diente ebenfalls 96 iger Alkohol. Die für Clavelina angegebene Technik habe ich auch bei Orona . angewendet. In den angefertigten Schnittserien beträgt die Schnitt- dicke bei den freischwimmenden Larven und Embryonen 5 u, bei den in Metamorphose befindlichen und festgesetzten Larven 7,5 u und 10 u. | Bei Ciona habe ich mit Hämatoxylin und Karminfarbstoffen - gleich gute Farbungen erhalten. Namentlich Essigsäure-Karmin nach SCHNEIDER gab eine sehr distinkte Färbung. Sämmtliche Zeichnungen von Clavelina und C?ona sind bei einer Tubuslänge von 170 mm mit der Camera lucida auf ein- und den- selben Zeichentisch entworfen, so dass die bei gleichen Linsensy- stemen gezeichneten Figuren auch die gleiche Vergrößerung besitzen. Alle Abbildungen von Schnitten sind so auf den Tafeln orientirt, dass die dorsale Seite der Schnitte dem Leser abgewendet ist. Historisches. — ., Wie ich den Angaben SEELIGER’s (32) im Bronn (Tunicaten) entnehme, ist das Herz mit seiner Perikardialhülle bereits 1777 von DICQUEMARE (1) und später (1815) von CUVIER (2) und Savieny (3) bei einer ganzen Reihe einfacher Ascidien unzweideutig nachgewiesen. Bei den Synascidien sei es Anfangs nicht gelungen, das Central- organ des Gefäßsystems zu erkennen. Saviany (3) habe es bei = Diazona und Lister (4) bei Perophora gesehen, doch sei das 508 Gustav Kuhn allgemeine Vorkommen des Herzens bei den Synascidien erst 1839 durch Minne Epwarps (5) festgestellt. . 3 Über die Entwicklung des Aseidienherzens finden wir einige - Bemerkungen in den Arbeiten von KOWALEWSKY (6) über Ciona in- — testinalis und von KUPFFER (7) über Ascidia canina. Die beiden Autoren haben jedoch die Einzelheiten des Entwicklungsvorganges | nicht verfolgen können. Sie sahen bei der festgesetzten Larve Herz — und Perikard sieh aus einem Zellhaufen bilden, der in der Leibes- 4 höhle ventral vom Kiemendarm gelegen war, in seiner Lage dem | hinteren Ende der Bauchfurche entsprach und daselbst der Wand — des Kiemendarmes intim angeheftet war. KOWALEWSKY (8) giebt von Phallusia mammillata (1871) an, dass die Entwicklung des Herzens nicht erst in der festsitzenden Ascidie beginne, wie es allgemein angegeben- werde, sondern man — könne schon an den aus der Eihülle ausschlüpfenden Larven ganz deutlich die Anlage des Herzens in Form eines länglichen und ge- - schlossenen Bläschens an der rechten Seite des Endostyls beobachten. Die weitere Entwicklung gehe nach der Anheftung der Larve vor sich. In einer akademischen Preisschrift beschreibt RICHARD HERTWIG — (9) in der Herzwand der Ascidien spindelfórmige, quergestreifte - Muskelzellen, die innig in einander greifen und spiralig zur Längs- — achse des Herzens angeordnet seien. Im Jahre 1874 erschien von Giarp eine Übersetzung der in russischer Sprache verfassten Arbeit KowaLewsky’s (10) »Über die Knospung von Perophora L4steri«. Die festgesetzte Larve dieser Species bilde Stolonen, die aus der Fortsetzung des Ektoderms des Mutterthieres hervorgingen und im Inneren eine doppellamellige | Scheidewand besäßen, die sich in letzter Instanz auf ein Pharynx- divertikel des Mutterthieres zurückführen lasse. In Folge dieser Stoloniallamelle müsse das Blut in den beiden Hälften des Stolo desshalb entgegengesetzt strömen, weil dieselben nur am Ende des ` letzteren mit einander in Verbindung ständen. Die Knospe bilde `i sich aus einer zunächst unbedeutenden, allmählich aber immer mehr _ anwachsenden Auftreibung des einen Blattes der Stoloniallamelle nebst äußerer Stolonendecke, so dass schließlich eine doppelwandige Blase entstände; die äußere, aus dem Stolonialektoderm hervorge- gangene Blase werde zum Ektoderm der Knospe, während die innere, aus der Stoloniallamelle sich aufbauende und mit dieser in Verbin- dung bleibende Blase durch Differenzirung die Organe der Knospe liefere. Das Herz entstehe aus einer vorn zugespitzten, hinten | Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 509 — verbreiterten Zelllamelle, welche an die ventrale Wand der inneren - Blase der Knospe angedrückt sei. In dieser Zelllamelle trete sodann ein Lumen auf, so dass eine einfache Röhre entstehe. An der Stelle, wo diese dem Branchialsack anliege, bilde sich später eine Einstül- pung in der ganzen Länge der Herztube, so dass ein doppelwandiges — Rohr resultire. Die innere Tube stelle das Herz, die äußere das Perikard dar. i Zu denselben Schlüssen wie bei Perophora kam KOWALEWSKY (11) bei seinen Untersuchungen über die Knospung von Amaroecium — proliferum. Nur die Lagebeziehungen sind bei dieser Species modi- ficirt, weil das Herz im verlängerten Abdomen gelegen ist. HELLER (12) nimmt von Ascidia mentula (1874) an, dass Herz und Perikard keiner gemeinsamen Anlage entstammen. Er hält den Herzschlauch für einen umgewandelten Theil des großen, ventralen — GefáBes und betrachtet das Perikard als eine Mesenterialduplikatur. - Obiger Autor schildert dasselbe Verhalten der Herzorgane (1875) für Ciona intestinalis und ist (1884) von RoULE (14) betreffs der letzteren Species bestätigt worden. Sowohl HELLER als auch RouLE be- ‚schreiben bei C?ona einen zwischen den beiden Herzschenkeln frei im Perikardialraum gelegenen, ziemlich festen Körper von graulich weißer oder gelber Farbe und verschiedener Form, der sich bei jeder Herzpulsation hin- und herbewege. | Im Jahre 1882 publicirte SEELIGER (13) über die Knospung von Clavelina eine Arbeit, in der die ersten eingehenderen Beobachtungen über die Bildung der Organe dieser Species aufgezeichnet sind. Die erste Anlage der Knospe zeige sich bei Clavelina als eine zwei- -sehichtige Blase an den Stolonen des Mutterthieres. Die äußere Schicht dieser Blase, welche das Ektoderm der Knospe bilde, sei aus einer zunächst unbedeutenden, allmählich aber immer mehr an- wachsenden Auftreibung der äußeren Stolonenwand hervorgegangen, wie dies KowaLewsky (10) von Perophora in gleicher Weise be- schreibe. Über die Abstammung der inneren Schicht der jungen Knospe hat obiger Autor nichts Sicheres nachweisen können. Er sah vereinzelt einen feinen Zusammenhang der inneren Blase der Knospe mit der Stolonialscheidewand und konnte diese letztere nicht mit Sicherheit bis in das Mutterthier verfolgen. Die innere Blase ‚der jungen Knospe liefere durch Differenzirung alle inneren Organe. Die gemeinsame Anlage des Perikards und Herzens trete in Form eines ventral gelegenen Divertikels am hinteren Ende des primitiven Kiemendarmes auf. Die Kommunikation dieses Divertikels mit dem 510 Gustav Kuhn Kiemendarm verengere sich und es trete gleichzeitig, wie bei Pero- | phora, an der dem Darm zugekehrten Seite eine rinnenfürmige Ein- | stülpung am Perikardialrohr auf. Diese würde immer tiefer, bis endlich die Ränder des Perikardialrohres an einander stoßen und verwaehsen, so dass auf diese Weise zwei in einander geschachtelte | Róhren gebildet würden. Diese Verwachsung trete an den beiden Herzenden nicht ein und es stiinde dort das Herzrohr mit der pri- mären Leibeshöhle durch kleine Spalten in Kommunikation. Auf diesem Entwicklungsstadium schwinde die Verbindung des Perikar- dialrohres mit dem Kiemendarm vollständig. Auch bei der Larve von Clavelina lepadiformis hat SEELIGER | (15) die ersten eingehenden Untersuchungen über die Entwicklung der Organe angestellt. Nach SEELIGER fällt die Entstehung des — Herzens in die letzte Embryonalzeit. Er sah die erste Herzanlage als ein Divertikel der ventralen Wand des Kiemendarmes dicht hinter dem Ende des Endostyls. Dieses Divertikel wachse nun in | die Länge, erreiche mit dem hinteren, blinden Ende die vordere Wand des Magens und zeige auf dem Querschnitt an der hinteren, | dem Darme zugekehrten Wand eine rinnenförmige Einkerbung. Nun schniire sich der hintere Theil dieses Gebildes vom vorderen dureh : eine in der vorderen Wand auftretende und von vorn nach hinten ~ zu sich vertiefende Furche allmählich ab, wodurch ein allseitig ge- schlossener, durch eine Röhre an den Kiemendarm befestigter Zellsack entstehe. Dieser trenne sich nun von der stets mit der Kiemendarm- - hóhle kommunicirenden Röhre. Letztere wachse nach der Trennung ~ neuerdings bis in die Nähe des Mitteldarmes vor, erinnere lebhaft an — den Entodermfortsatz der Salpen und scheine noch während des Larven- - lebens rückgebildet zu werden. Der von der Röhre abgetrennte Zell- sack werde zum Herzen und Perikard genau in derselben Weise, wie es von der Knospe geschildert sei. Die dorsale Rinne vertiefe sieh | nämlich und die Ränder derselben nähern sich zunächst und ver- wachsen schließlich bis auf eine Öffnung an jedem Herzende, durch die das Blut der Herzhóhle in die Leibeshóhle und aus dieser ab- — wechselnd ein- und ausgeführt werde. Die Herzhöhle sei also ein | Theil der primären Leibeshöhle und die zwischen Perikard und | Herzwand gelegene Perikardialhöhle sei ein Theil der Kiemendarm- | hóhle. — SEELIGER macht in derselben Arbeit interessante Angaben über die Schwanzmuskulatur der Larven. Er sah jederseits von der Chorda im Larvensehwanze drei Muskelzellen und konstatirte, dass | dieselben an den der Chorda und dem Ektoderm zugewendeten x. Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 511 Flächen, ferner die dem Nervenrohr und dem Entodermfortsatz be- —maehbarten Zellen an der diesen Organen zugewendeten Fläche Muskelfibrillen ausgeschieden haben. = Kurze Zeit darauf gaben Ep. van BENEDEN et Cu. JULIN (16) gelegentlich der Beschreibung des caudalen Nervensystems einen Querschnitt durch den Schwanz eines Embryos von Clavelina und beschreiben ebenfalls jederseits von der Chorda drei Muskelzellen. — Wie man aus der Abbildung ersehen kann, sind die Muskelzellen so gezeichnet, als ob sie an ihrer ganzen Peripherie Muskelfibrillen E usgeschieden hätten. Im Jahre 1886 publieirten Ep. van BENEDEN et Cn. JULIN (17) jhre »Recherches sur la morphologie des Tuniciers«, in denen auch der Herzentwicklung bei Larve und Knospe von Clavelina Rissoana gedacht ist. Die beiden Autoren bestätigen die Angaben SEELIGER's (13 und 15) bei Larve und Knospe betreffs des entodermalen Ur- sprungs des Herzens und Perikards, sowie der Kommunikation der Perikardialhóhle mit der Branchialhóhle. Sie sahen aber bei der Larve die erste Herzanlage am Boden der Digestivtube in Gestalt "zweier, von einander getrennten und parallel zu einander verlaufenden Zellstreifen, welche zwar keilartig in der Branchialwand gelegen waren, jedoch nieht mehr zur Begrenzung der Branchislhóhle bei- trugen. Diese paarigen Zellstreifen treten aus dem entodermalen Verbande und bilden zwei Prokardialeylinder (cylindres procardiques), die die gemeinsame Anlage von Epikard und Perikard darstellen und nur mit ihrem vorderen Ende am Grunde des Branchialsackes befestigt seien. Im distalen Theile dieser Prokardialeylinder trete nun je eine Höhle auf; im Bereiche ihrer Aushöhlung verschmelzen d ie Cylinder zunächst und schließlich treten die Höhlen in Kom- munikation und lassen so eine einzige Höhle, die Perikardialhöhle (cavité péricardique) entstehen, welche durch zwei solide Zellstränge, die proximalen Theile der Prokardialeylinder, an der Branchialwand befestigt seien. Diese Zellstränge, die ersten Epikardialanlagen, höhlen sich nun aus und es stehe auf diesem Stadium die Peri- kardialhöhle mit der Branchialhöhle durch die beiden Epikardial- tuben (tubes épicardiques) in Kommunikation. Nun trenne sich der Perikardialsack (sac péricardique) von den Epikardialtuben und diffe- renzire sich durch Einstülpung der dorsalen Wand in Herzwand (paroi cardiaque) und Perikardialwand (paroi péricardique) genau in derselben Weise, wie SEELIGER (13 und 15) es von Knospe und Larve beschrieben hat. Die Epikardialtuben erweitern sich an ihrem hinteren 512 Gustav Kuhn Ende, verschmelzen im Bereiche ihrer Dilatationen zu dem Epikardial- | sack (cul de sac épicardique), welcher nach vorn durch die Epikar- dialorificien (orifices épicardiques) mit der Branchialhöhle in Kom- munikation bleibe, die Herzhöhle dorsal abschließe und so die Herzraphe bilde. Der Epikardialsack ziehe bei seinem Wachsthum — das Herz bis zur ventralen Fläche des Magens mit fort, wachse dann, zu einer doppelten Zelllamelle redueirt, am Herzen vorbei in i den hintersten Körperabschnitt, von dort als Stolonialscheidewand in | den Stolo, verzweige sich mit diesem und bilde schließlich genau | so, wie es KowaLEwskY (10) für Perophora beschrieben habe, die innere Blase der Kuospe. Diese theile sich in einen basalen und terminalen Theil und beide Abschnitte stehen Anfangs mit einander in Kommunikation. Aus ersterem entstehe der Perikardialsack, der zeitlebens sich in die Stolonialscheidewand fortsetze und sich durch Invagination seiner dorsalen Wand, genau so wie bei der Larve, in Herz und Perikard differenzire. Bei Beginn dieser Differenzirung trenne sich der Perikardialsack von dem hinteren, das Epikard dar- | stellenden Theil des terminalen Abschnittes der inneren Blase der jungen Knospe. Das Epikard wachse nun dorsal über das Herz hinweg, verschließe die Herzspalte, indem es sich mit den Rändern | derselben verbinde, und ziehe sich nach hinten in zwei auf die lateralen Seiten des Perikardialsackes rückende Zipfel aus, welche | vor dem hinteren Herzorifieium ihr Ende erreichen. Nun erhebe sieh | vor dem Epikard der Boden der Branchialhöhle und trenne diese | von der Epikardialhöhle bis auf je ein persistirendes, links und © rechts von der Medianebene gelegenes Epikardialorificium. CHABRY (18) giebt an, dass bei Ascidia aspera das erste Herz-. rudiment sich vom hinteren und unteren Theil der Branchialwand | als eine solide Masse abtrenne. In dieser Masse scheinen sich Herz- | und Perikardialhóhle durch Delamination zu bilden. Die centralen Zellen der Herzanlage bilden sich zu Blutkörperchen, die mittleren - zu Muskelfasern und die äußeren zu Perikardialzellen um. E In einer Arbeit über die Entwicklungsgeschichte der Pyrosomen beschreibt SEELIGER (19) den an das Epikard von Clavelina er- innernden Entodermfortsatz. Der Autor sah, wie der Kiemendaail des Nührthieres am hinteren Ende des Endostyls sich in eine Röhre | auszog, welche, entgegengesetzt wie bei Clavelina, ventral vom Her- zen verlaufe, dichi an das ektodermale Hautepithel heranreiche und das Entoderm der Knospe bilde. In seiner 1890 publicirten Dissertation schreibt LAHILLE (20), Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 513 dass die Herzentwiekelung von Diplosoma Listeri genau so vor sich ringe, wie dies VAN BENEDEN und Juin (17) für Clavelina be- schrieben hätten. Die beiden, an der Branchialwand gelegenen Entodermtuben (eylindres procardiques) verschmelzen an ihrem distalen | Er de, welches sich zu einer Blase abschnüre, die durch Invagination ihrer dorsalen Wand Herz und Perikard entstehen lasse. Zu glei- eher Zeit atrophire der proximale Theil der Tuben. E Im Jahre 1892 erschien eine vorläufige Mittheilung und 1893 die angekündigte Arbeit von WrrLEY (21), in der er die erste Herz- sntwicklung von Clavelina und Ciona behandelt. Bei Clavelina trete die erste Herzanlage in Gestalt eines einzigen Zellbandes an der Pharynxwand auf, das aus dem entodermalen Verbande trete. In liesem bilden sich nun zwei Lumina, die durch ein unvollständiges Septum von einander getrennt seien, und das so entstandene Peri- kardialbläschen lasse durch Invagination seiner dorsalen Wand die Herzhéhle entstehen. WILLEY vermuthet auch bei Ciona eine ento- lermale Entstehung des Herzens. Es ist ihm jedoch der Kleinheit les Objektes wegen nicht gelungen, dieses nachzuweisen. Bei Ciona sei das den Perikardialsack trennende, doppelwandige Septum stets E vollständig und die Herzhóhle entstehe durch Auseinanderweichen ler beiden Blätter dieses doppelwandigen Septums. Von Larve und Knospe der Botrylliden giebt Pizon (22) an, dass die Herzentwieklung genau so verlaufe, wie SEELIGER (13 und 15) es für Clavelina beschrieben hat. Er sah das Herz als ein kleines Divertikel der primitiven Entodermblase, das sich zum Perikardial- läschen abschnüre; durch Invagination der dorsalen Wand dieses Säckchens entstehe die Herzhöhle. — Für das Herz von Clavelina uimit Pızon, genau so wie SEELIGER (13 und 15) und van BENEDEN (17), einen entodermalen Ursprung an. — Pizow vermuthet ferner, dass die von ROULE (14) gegebene Darstellung von der Herzentwick- ung bei Crona nicht zutreffend sei. — Im Gegensatz zu den Angaben Przow's (22) stehen die Beobach- ungen von HJorT (23) bei der Knospe von Botryllus. Hier bilde ich das Herz aus einem soliden, der hinteren Branchialwand an- iegenden Zellhaufen, der mesodermalen oder entodermalen Ursprungs sei. In diesem Zellhaufen bilde sich nun ein Lumen, und der so entstandene Perikardialsack lasse durch Invagination seiner dorsalen Wand die Herzhöhle entstehen. 1893 sah SALENSKY (24) bei Larve und Knospe von Distaplia nagnilarva zwei Epikardialdivertikel, von denen das eine links, das 514 Gustay Kuhn andere rechts am Herzen vorbeiging. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen hat er nur an der Knospe angestellt und nimmt an, - dass das als ein solider Zellhaufen unter der Kiemendarmwand auf- tretende Herz der Knospe mesodermalen Ursprungs sei und keinen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang mit dem Epikard besäße. | In einer Publikation »On the Perivisceral Cavity of Ciona« zeigt NEWSTEAD (26), dass die Perivisceralhöhle von Ciona dem Epikard von © Clavelina homolog ist. Die Perivisceralhöhle bilde sich bei festge- — setzten Larven als zwei Branchialsackdivertikel, welche bei älteren | Larven in ihrem distalen Theile zu einem Zellsack verschmelzen ° und naeh vorn zeitlebens durch je ein Orifieium links und rechts von der Retropharyngealnaht mit der Branchialhóhle in Kommunika- tion bleiben. NEwsrTEAD sah das Herz von Crona in Gestalt einer einzigen Blase, der Perikardialblase, die mit der Perivisceralhéhle in keinem entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang stand. Er ist der Ansicht, dass die Herzhóhle bei Ciona sich, genau so wie bei Clavelina, durch Invagination der dorsalen Wand des Perikar- dialsackes bilde. In einer Arbeit SALENSKyY’s (27): »Beiträge zur Entwicklungs- geschichte der Synascidien« finden sich einige Aufzeichnungen über die Herzentwicklung von Diplosoma Lister; und Didemnum niveum. Im Gegensatz zu den Angaben LAHILLE’s (20) hält obiger Autor die aus dem Kiemensack von Diplosoma hervorgehenden zwei Röhren für Homologa der Epikardialróhren von Clavelina und ist der An- sicht, dass dieselben in keiner entwicklungsgeschichtliehen Beziehung zum Perikardialsack stehen. Letzterer sei, wie er (24) es für Dista- | plia angegeben habe, mesodermalen Ursprungs. — Das Herz von © Didemnum sei dagegen entodermaler Herkunft und entwiekle sich . genau so, wie dies VAN BENEDEN und JULIN (17) für Clavelina be- schrieben hätten. Es bilden sich zwei Kiemensackdivertikel, die Prokards, welche an ihrem distalen Ende zum Perikardialbläschen | verschmelzen. Nachdem sich die Epikardialtuben von letzterem ab- getrennt haben, werden sie allmählich rückgebildet. Die Herzhóhle - entstehe sowohl bei Diplosoma als auch bei Didemnum durch In- . vagination der dorsalen Wand des Perikardialblaschens. 1895 beschreibt JULIN (28) die Herzentwicklung bei der Larve von Distaplia magnilarva: An der ventralen, hinteren Pharynxwand | treten zwei Divertikel, die Prokardialtuben, auf. Vom rechten Pro- ` kard schnüre sich der größere, distale Theil desselben zum Peri- . kardialbläschen ab, das durch Invagination seiner dorsalen Wand 51 ™ . Lr miy - Über die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 515 ie Herzhóhle entstehen lasse. Nun schließen sich die Epikardial- yrificien und das rechte Epikard vereinige sich mit einem eben so großen Stück des linken Prokards! zum Epikardialsack, während der distale, mit dem Epikardialsack kommunicirende Theil des linken Prokards (cul de sac épicardique) spaltförmig werde und in den basalen Theil des Stolo wachse. 1899 wurden die Angaben NEwsrEAD's (26) im Wesentlichen durch Damas (29) bestätigt. Das Herz von Ciona stehe mit dem Epikardialorgan, den Perivisceralhöhlen, in keiner entwicklungsge- schichtlichen Beziehung. Diese letzteren bilden sich erst bei ganz alten, festgesetzten Larven, und desshalb habe sie WILLEY (21) bei seinen jungen Objekten nicht sehen können. Die Perivisceralhéhlen entständen als je ein Divertikel des Pharynx links und rechts von der Retropharyngealfurche. Die Anfangs sehr großen Kommunika- fionsorificien zwischen diesen Höhlen und dem Pharynx verengerten sich später, blieben aber während des ganzen Lebens des Thieres bestehen. Die Perivisceralhöhlen wachsen nun, nehmen den früher von der Leibeshöhle innegehabten Raum ein und überziehen die Eingeweide. Im Gegensatz zu den Angaben von NEWSTEAD (26) blieben die beiden Periviseeralhóhlen stets von einander getrennt. Die linke Höhle sei größer als die rechte und erstere liefere die Stolonialscheidewand. Im folgenden Jahre publieirte JULIN (30) eine Arbeit über die Herzentwicklung von Ciona. Er ist der Ansicht, dass der Entwick- lungsgang genau so ist, wie er (27) ihn für Distaplia geschildert hat. Bei den freischwimmenden Larven treten am Pharynxgrunde ‚wei Divertikel, die Prokards, auf. Bei den festgesetzten Larven renne sich vom rechten Prokard das Perikardialbläschen ab, das durch Invagination seiner dorsalen Wand die Herzhöhle Satellit lasse. Bei noch älteren Larven vertiefe sich der Pharynxgrund, so lass zwei groBe Divertikel entständen, deren linkes das Homologon i Der Begriff Prokard ist von VAN BENEDEN und JULIN (17) in die Tuni- eaten-Nomenklatur eingeführt und als gemeinsame Anlage des Perikardial- und iIkardialorgans definirt worden. Wenn also JULIN die Bezeichnung Prokard ir das linke Pharynxdivertikel von Distaplia anwendet, so resultirt aus dem Ausdruck, dass letzteres die Anlage des halben Perikards und Epikards dar- stellt; das vom rechten Prokard abgetrennte Perikardialbläschen würde somit aur der Hälfte des Herzens von Clavelina homolog sein. In Wirklichkeit ist aber das Herz von Distaplia dem ganzen Herzen von Clavelina homolog und es wife desshalb richtiger, das linke Pharynxdivertikel von Distaplia als linkes Epikard zu bezeichnen. 516 Gustav Kuhn des Prokards! und deren rechtes das rechte Epikard sei, da von diesem sich das Herz bereits abgetrennt habe. Beide Divertikel entwickeln sich nun zu den Perivisceralhöhlen in derselben Weigeg wie es Damas (29) beschrieben hätte. Schon im Jahre 1900 zeigt jedoch MARC DE SELYS LONGCHAMPS (31), dass Herz und Perivisceralhöhlen bei Ciona entwicklungsge- schichtlich keinen Zusammenhang besitzen, indem er beweist, dass die von JuLıv (30) als Prokards in Anspruch genommenen Diver- tikel des Pharynxgrundes nur die Anlagen von Kiemenspalten dar- stellen. Obiger Autor sah bei freischwimmenden Larven von Ciona das Herz, dessen Ursprung ento- oder mesodermal sei, als zwei wohl individualisirte Blasen am Pharynxgrunde. Dieselben besitzen ein kleines Lumen, das auf eine Entstehung aus je einer soliden Masse schließen lasse. Diese beiden, von Anfang an paarigen Blasen ver- längern sich und vereinen sich derart, dass eine einzige Blase ent- stehe, die durch ein doppelwandiges Septum in zwei Theile getrennt sei. Die Herzhóhle bilde sich gegen das Ende der Metamorphose durch Auseinanderweichen der beiden Blätter des doppelwandigen Septums; die beiden primitiven Höhlen der Blase lassen durch ihre Verbindung die Perikardialhöhle entstehen. In dem soeben erschienenen Hefte des Bronn (Tunicaten) giebt SEELIGER (32) eine zusammenfassende Beschreibung von Gestalt, Größe, Lage und histologischem Bau des Herzens und Perikards der Ascidien. Er erläutert die Physiologie des Ascidienherzens und giebt einen Überblick über den Bau und den Verlauf der Blutge- | fäße. Auswärts von der Perikardialwand finde sich bei Ciona eine scharf abgegrenzte Bindegewebsschicht. Diese die Herzhóhle ver- schließende Bindegewebsschicht sei nach außen hin von einem deut- lichen, einschichtigen Epithel umgrenzt, welches die mediale Wand der Periviseeralhóhlen bilde. HELLER (12) und Roure (14) hätten die Bedeutung dieser Epithelschicht nicht erkannt und seien somit zu einer irrthümlichen Auffassung über den Bau und die Entwick lung des Herzens von Ciona gelangt. Im Jahre 1902/03 hat Heme (33) Untersuchungen über die Ana- — tomie und Histologie des Herzens von C?ona angestellt und beschreibt, dass die nach der Herzhöhle zugekehrten Fibrillen der einschichtigen — Herzwand in der Längsrichtung des Herzens verlaufen. Die Zellen — der einschichtigen Perikardial- und Epikardialwand zeigen, von der ` 1 Das in der Anm. pag. 515 von Distaplia Gesagte gilt auch für Ciona. Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 517 Fläche betrachtet, ein polygonales Aussehen. Der histologische Bau der Elemente des schon von HELLER (12) und Rourz (14) beobachteten weiflichen Körpers in der Perikardialhöhle sei sehr verschieden. Es handle sich theils um abgerundete, großkernige Zellen mit und ohne Kórneheneinlagerungen und Vacuolen, theils um deformirte Muskel- zellen und homogene, aus der Degeneration von Zellen hervorge- gangene Ballen. Herne hat ferner wirr durch einander laufende Drüsensehlüuche nachgewiesen und daher den soeben beschriebenen Körper als Perikardialdrüse bezeichnet. | Neuerdings ist von Lane (34) eine vorläufige Mittheilung über eine »Beiträge zur Trophoeöltheorie< betitelte Abhandlung erschienen, — die sieh auf die bisherige Litteratur stützt. Nach Lane bildet sich das Tunicatenherz folgendermaßen: Es liegen der Ventralseite des Darmepithelrohres zwei perikardiale Cölomblasen an, die, an ein- ander stoBend, durch eine aus zwei Lamellen bestehende Scheide- wand getrennt seien. Diese Seheidewand verschwinde sehr rasch, mit Ausnahme der darmwürts gerichteten Theile, die durch Aus- — einanderweiechen — die vermeintliche Einstülpung — den Herztrog > bilden. Leicht auf diesen Bildungsmodus zurückzuführen sei die — Herzentwieklung bei Ciona, deren ab origine geschlossene Herzhöhle | "dadurch entstehe, dass die Blätter der die beiden perikardialen Cölombläschen trennenden Scheidewand in der Mitte aus einander weichen. I. Clavelina lepadiformis. - Um meine Beschreibung der Schnitte von Clavelina verständ- lieher zu machen, will ich zunichst die allgemeinen Lagebeziehungen der Organe in einer freischwimmenden Larve erörtern. Zu diesem Zwecke habe ieh in Fig. 1 ein Totalprüparat einer Larve im opti- sehen Durehsehnitt gezeiehnet. An derselben kann man einen Rumpf- und Schwanzabschnitt unterscheiden. Der letztere, von dem ich, um Raum zu sparen, nur einen kleinen Theil wiedergegeben habe, überragt den ersteren an Länge um das 21/.—3fache. Der eiför- nige Rumpfabsehnitt besitzt an seinem vorderen Ende drei Haft- papillen (^p), die der Larve bei der Umwandlung in die festgesetzte As idie zur Anheftung dienen. Dicht vor der dorsal und in der Medianebene gelegenen Mundöffnung (i) hat sich eine Ektodermfalte gebildet, welche vom Rücken der Larve her tief in den Körper ein- ‚schneidet, parallel zum Endostyl (es) verläuft und vom Rumpfe einen vorderen Abschnitt, den sogenannten Haftstolo (^s) abtrennt. Bei Morpholog. Jahrbuch. 31. 34 518 | Gustav Kuhn der Larvenfestheftung ermöglicht nach SEELIGER (15) diese Ektoderm- k falte eine Rotation der Larve um ihre Querachse und eine Streckung — der zwischen Mundöffnung und Haftpapillen gelegenen Körperpartie, wodurch die Ingestionsöffnung schließlich auf die der Anheftung ent- — gegengesetzte Seite der Ascidie zu liegen kommt. Durch die Mund- — öffnung gelangt man in den ziemlich geräumigen, ventral im Larven- | rumpf gelegenen Kiemendarm (Ad), dessen Ventralwand in ihrer ganzen Linge median eine Rinne, den Endostyl (es), besitzt. Dieser verläuft — schräg zur Längsachse der Larve und zwar von vorn und dorsal nach . hinten und ventral. An den Kiemendarm schließt sich der verdauende | Theil des Digestionstractus an. Man kann an demselben einen ab- . : steigenden, aus Osophagus, Magen und Mitteldarm bestehenden Theil — und einen aufsteigenden Abschnitt, den Enddarm, unterscheiden. Der . Osophagus (oe) entspringt in der Medianebene an der hinteren Wand des Kiemendarmes, begiebt sich nach hinten und ein wenig auf die rechte Körperseite, um in den rechts von der Medianebene gelegenen Magen (m) einzumünden. In seinem Verlaufe begiebt sich letzterer, — dessen große Curvatur nach der Rückenfläche der Larve sieht, im- ` mer mehr nach rechts und hinten und geht an seinem Pylorusende ~ in den Mitteldarm (md) über. Dieser zieht nach rechts und ventral, gelangt nahe an das Ektoderm, schlägt sich dort nach links und ventral um und setzt sich in den Enddarm (ed) fort. Letzterer be- giebt sich nach der linken Körperseite und verläuft schräg von hinten und ventral nach vorn und dorsal. Auf seinem Wege zieht | er über die linke Fläche des Magens und Osophagus hinweg und mündet in der linken Körperhälfte nahe der dorsal und median ge- legenen Egestionsöffnung (e) in den Peribranchialraum (p). Letzterer, der in der Zeichnung einen helleren Ton hat, bedeckt zu beiden . Seiten den Kiemendarm und zwischen diesem und dem Peribran- — chialraum sind jederseits schon zwei Reihen von Kiemenspalten (A) - aufgetreten. Die ganze dorsale Rumpfpartie der Larve wird von - dem Nervensystem eingenommen, das im Rumpfe median gelegen ist und sich -im vorderen Theile zur Sinnes- oder Cerebralblase (sd) - ausgebildet hat. Diese stellt eine nach vorn zu geschlossene Blase - dar, die zwischen dorsaler Kiemendarmwand und dem dorsalen Körperektoderm gelegen ist. In der Wand der Cerebralblase haben sich die in der Medianebene gelegenen Sinneskörper gebildet, und zwar dorsal das Auge (oc), ventral das Gehörorgan (o). Der rechten Wand der Sinnesblase liegt ein röhrenförmiges Gebilde, die Flimmer- grube (fg) auf, welche nach vorn dureh einen engen Kanal mit dem Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 519 Kiemendarm dicht hinter der Mundéffnung in Verbindung steht und mach hinten ohne scharfe Grenze in das Nervenrohr übergeht. Auch die Wand der Cerebralblase setzt sich nach hinten in das Nerven- rohr (zr) fort, welches median den hinteren, dorsalen Rumpftheil der Larve durchzieht, um sich in den Schwanz zu begeben. Bemerken muss ich hier, dass der Schwanz der abgebildeten Larve sich beim Auflegen des Deckglases um 90 Grad gedreht hat und in dieser Lage gezeichnet worden ist. Ein zweites Gebilde, welches sich vom Rumpf in den Schwanz fortsetzt, ist die Chorda (ch). Dieselbe bildet die Achse des letzteren und begiebt sich median zwischen Nerven- rohr und dorsaler Wand des Magens und Ösophagus so weit in den Rumpf, dass ihr vorderes Ende fast in derselben Transversalebene wie die Egestionsöffnung gelegen ist. Zwischen dem vorderen Ende der ventralen Magenwand und dem ventralen Körperektoderm liegt ein wenig rechts von der Medianebene das Herz. Dasselbe tritt uns bereits als ein kleiner, länglicher Schlauch entgegen, dessen dorsale Wand derart eingestülpt ist, dass ein doppelwandiges Rohr resultirt, dessen Wände dorsal, vorn und hinten in einander übergehen. Der dorsale Schlitz, die Herzspalte, ist in der Zeichnung durch einen dunkel gethönten Streifen angedeutet. Die äußere Wand des Doppel- rohres stellt das Perikard (pc) dar, während die wellig verlaufende, innere Wand die Herzwand (Az) ist. Zwischen der die Herzhöhle (Ah) begrenzenden Herzwand und der Perikardialwand befindet sich die in der Figur hell gezeichnete Perikardialhóhle (pA) Zwischen der Ösophagealöffnung und dem Ende des Endostyls haben sich am Grunde des Kiemendarmes Divertikel gebildet, welche das Epikard (cp) darstellen. Dasselbe schiebt sich zwischen Magen und Herz ein und zieht über die Herzspalte hinweg. Diese an ihrem vorderen Ende mit einer deutlichen Hóhle versehene Epikardialróhre plattet sich in ihrem Verlaufe allmählich dorso-ventral ab, so dass die Höhle zunächst spaltfórmig wird, schließlich verschwindet und das Epikard zuletzt nur noch aus einer doppelten Zelllamelle besteht. Bei der Prüfung des Totalprüparates konnte ich nur einen Kommunikations- weg zwischen Epikardialhóhle und Kiemendarmhóhle erkennen. In irklichkeit existiren jedoch zwe von einander getrennte Kommu- nikationen, wie es sich aus den später noch zu beschreibenden Sehnitten ergeben wird. Ich werde zuerst die Herzentwicklung beim Embryo beschreiben und im Anschluss hieran einige Bemerkungen über das Herz der Knospe anknüpfen. Bei der Anfertigung der meisten Schnittserien 34* tee opui E Rn qo er EEE EEE ESS EURE Ree I FREE 520 Gustav Kuhn habe ich mit dem Schneiden am vorderen Körperende begonnen und die Schnitte so auf den Objektträger gelegt, dass auf diesen die dem Mikrotommesser zugekehrte Schnittfläche zu liegen kam. Es resultirt daraus, dass, da die Ventralseite stets nach unten gekehrt - gezeichnet ist, die linke Seite der Schnitte die rechte Körperseite darstellt, während die rechte Seite der Figuren die linke Körper- | hälfte ist. Nur bei drei Schnittserien, und zwar bei den Figg. 8—10, - 17—19 und 23—25, habe ich am hinteren Ende zu schneiden be- gonnen, so dass in diesen Zeichnungen die linke Seite des Schnittes der linken, die rechte der rechten Körperhälfte entspricht. Er- — wähnen möchte ich an dieser Stelle noch, dass die Entwicklung des Herzens nicht immer mit der der übrigen Organe gleichen Schritt hält, sondern namentlich bei den älteren Larven individuell sehr $ verschieden ist. So habe ich beispielsweise freischwimmende Larven - gefunden, deren Herz noch nicht so weit entwickelt war, als das- jenige von Embryonen, deren Schwanz noch in der Eihülle lag. A. Die erste Herzanlage findet sich bereits in sehr jungen Em- bryonen. Der Schwanz, welcher sich um den noch annähernd kuge- — ligen Körper aufrollt, umgiebt diesen ungefähr zum dritten Theile. Auf Schnitten erkennt man, dass das Entoderm dem Ektoderm noch | überall dicht anliegt. Das Nervenrohr hat sich vorn bereits ge- schlossen und man sieht links und rechts von ihm die beiden, noch aus polyedrischen Zellen bestehenden Mesodermstreifen. Auch van _ BENEDEN und JULIN (17) und später WinLEY (21) haben ihre Zeich- _ nungen von der ersten Herzanlage einem ähnlichen Embryo entlehnt, und der von SEELIGER (15) in seiner Fig. 37 Taf. IV gezeichnete . Embryo würde uns ungefähr ein solches Entwicklungsstadium zeigen. Auf Schnitten dureh solch einen Embryo konnten sowohl van BE- | NEDEN (17) als aueh WriLLEv (21) keine Spur von Pigment in der Sinnesblase entdecken. Während Ersterer in seiner Fig. 1 pl IX ` die Anlagen der Peribranchialräume in Gestalt einer Ektodermver- | dickung auf jeder Seite abgebildet hat, konnte WriLLEY dieselben — nicht nachweisen und nimmt an, dass sie sich erst auf einem spä- | teren Entwicklungsstadium bilden. Ich habe mehrere Sehnittserien — auf diese Angaben hin geprüft und habe feststellen kónnen, dass sich in dieser Beziehung die Embryonen bei gleich weit vorgeschrit- - tener Herzentwicklung verschieden verhalten. Während bei dem = 4 Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 521 einen Individuum die von vAN BENEDEN angegebenen Anlagen der Peribranchialräume deutlich vorhanden sind, fehlen sie dem anderen gänzlich. Die meisten Embryonen besitzen noch keine Spur von Pigment in der Sinnesblase, jedoch habe ich bei einigen schon ein paar winzige Pigmentkörnchen nachweisen können. Die auf diesem soeben beschriebenen Entwicklungsstadium auf- tretende erste Herzanlage habe ich in den Figg. 2 und 3 wieder- gegeben, welche den ventralen Theil zweier benachbarten Schnitte einer Querschnittserie darstellen. An der linken Seite des Embryos finden wir eine Einbuchtung, in welcher der hier nicht wiedergegebene Schwanz gelegen ist. Zwischen dem Ektoderm (a) und dem dotter- reichen Entoderm (d), der primitiven Kiemendarmwand, sind nur an vereinzelten Stellen Lückenräume der primären Leibeshöhle zu be- merken. Bei Betrachtung der ventralen, dem Nervenrohr gegenüber- liegenden Wand des primitiven Kiemendarmes fällt dem Beobachter eine heller erscheinende, im Allgemeinen einschichtige Zelllage (7) "auf, welche die Anlage des Herzens und Perikards ist. Diese in Folge ihres geringeren Dottergehalts heller aussehende Zellschicht, welehe einen Theil der primitiven Kiemendarmwand darstellt und nicht mehr zur Begrenzung der Kiemendarmhöhle beiträgt, kann ‘man auf fünf Schnitten erkennen, deren mittelster in Fig. 2 abge- bildet ist. Die beiden Schnitte durch das vordere Ende der Herz- anlage besitzen ein ähnliches Aussehen wie der mittelste und unter- "scheiden sich von diesem nur durch die größere Breite. Letztere wird dadurch erreicht, dass die Zellschicht nur auf der linken, also nach der Einbuchtung gelegenen Seite an Ausdehnung zunimmt, so dass auf dem ersten durch die Zelllamelle geführten Schnitt etwa der Raum noch von der Herzanlage eingenommen wird, den in Fig. 2 die drei kleinen Zellen der Kiemendarmwand links von der Zell- schicht einnehmen. Den vorletzten Schnitt durch die Herzanlage, welche nur noch von fünf Zellen gebildet wird, sehen wir in Fig. 3. ‘Man kann deutlich erkennen, dass die Zelllamelle weniger weit nach der linken Seite reicht, während die rechte Seite der Zellschicht "ungefähr dieselbe Lage hat, wie diejenige in Fig. 2. Der letzte Schnitt durch die Zellschicht hat ein ähnliches Aussehen wie Fig. 3, besteht jedoch nur noch aus drei Zellen. Die Herzanlage tritt uns also als ein einschichtiger Zellstreifen entgegen, der von vorn nach hinten an Breite allmählich abnimmt. Derselbe liegt im Allgemeinen median, zeigt jedoch die Tendenz, sich in seinem hinteren Ende auf die rechte Körperseite zu begeben. 522 Gustav Kuhn Die Zellen der Herzanlage greifen zickzackformig in diejenigen der primitiven Kiemendarmwand, wodurch die Verbindung der beiden Theile eine sehr innige wird. Aus den Figg. 2 und 3 geht deutlich hervor, dass die Herzanlage ein Theil der primitiven Kiemendarm- wand, also entodermalen Ursprungs ist, zumal das dorsal gelegene — Mesoderm, wie WILLEY (21) sagt, keinen Antheil an der Bildung der ` Herzanlage haben kann. Fiir einen entodermalen Ursprung des Herzens hat sich SEELIGER (15) schon im Jahre 1884 ausgesprochen und ist von VAN BENEDEN | und JULIN (17), sowie von WILLEY (21) und Pizon (22) bestätigt 3 worden. Uber das Aussehen der ersten Herzanlage konnte bisher jedoch keine Einigung erzielt werden. VAN BENEDEN und JULIN © (17) beschreiben an der Hand ihrer Fig. 1 pl. IX die Anlage als doppelt und symmetrisch und wollen zwei von einander getrennte und parallel zu einander verlaufende Zellstreifen gesehen haben, welche je in Gestalt eines Keils in der Dicke der ventralen Wand - des Hypoblasts gelegen seien und nicht mehr zur Begrenzung der späteren Kiemendarmhöhle beitragen. Diese Stränge sollen aus stärker sich roth färbenden Hypoblastzellen bestehen, welche einen in der Mitte des Zellleibes gelegenen Kern besitzen, während sich derselbe bei den übrigen Hypoblastzellen in der Nachbarschaft der : Digestivhöhle befinde. WILLEY (21) betrachtet die Abbildung von VAN BENEDEN und JULIN (17) sehr misstrauisch und giebt von dem ersten Ursprung des Herzens folgende Beschreibung: »From the 7 ventral wall of the pharynx in the pericardial region a single layer of cells is produced by some sort of delamination. Its endodermie origin is, therefore, undoubted, since it arises at a stage before the ectoderm has sprung away from the endoderm to give rise to the body-cavity between these two layers. The mesoderm, therefore, — which lies dorsally on each side of the nervetube, can have no part in the origin of the pericardium. « Wie aus meinen obigen Ausführungen hervorgeht, ist die erste Herzanlage eine mediane und einfache. Ich kann somit die Angaben WiLLEY's bestätigen und muss hinzufügen, dass ich niemals eine Duplieität der Herzanlage entdeckt habe, wie sie von VAN BENEDEN | und Junin dargestellt worden ist. Um dem Leser ein richtiges Bild von der Differenzirung der Zellen der Herzanlage zu verschaffen, habe ich in Fig. 4 einen Theil der letzteren bei starker Vergrößerung abgebildet. Zwischen dem Ektoderm (a) und den die primitive Kiemendarmhóhle begrenzenden : Uber die Entwickiung des Herzens der Ascidien. 523 Zellen (d) sind die die Herzanlage bildenden Zellen (7) gelegen. - Man erkennt deutlich das zickzackartige Ineinandergreifen der bei- den entodermalen Zellschichten und sieht, dass das Ektoderm ganz dieht dem Entoderm anliegt. Die Zellen der primitiven Kiemen- darmwand haben cylinderförmige Gestalt und besitzen einen Kern, der in dem nach der primitiven Kiemendarmhöhle gekehrten Ende der Zellen gelegen ist. Die diese Höhle begrenzenden Zellwände zeigen einen welligen Verlauf. Das Protoplasma, welches uns theils als größere um den Kern herum oder wandständig gelegene An- sammlungen entgegentritt, theils alveolären Bau zeigt, wird zum großen Theil von Dotterschollen (dt) verdeckt, welche die ganzen Zellen dicht erfüllen und die Hälfte bis zwei Drittel der Kerngröße erreichen. Im Gegensatz zu diesen soeben beschriebenen Entoderm- zellen zeigen, wie schon VAN BENEDEN und JULIN (17) angegeben haben, die die Herzanlage bildenden, cylinderfórmigen Zellen einen jin der Mitte des Zellleibes gelegenen Kern. Das Protoplasma zeigt im Allgemeinen einen alveolären Bau. In manchen Zellen finden sich größere Protoplasmaansammlungen, entweder um den Kern her- um oder peripher, wandstiindig, von denen Protoplasmastrünge ab- gehen. In dem Zellleib erkennt man vereinzelt noch einige kleine Dotterschollen (dt), welche ziemlich regelmäßig in der Zelle vertheilt sind und etwa die Größe der Nucleoli besitzen. Die regelmäßige - Vertheilung dieser Dotterschollen und ihre winzige Größe im Ver- gleich zu denen der anderen Entodermzellen lässt auf eine Auf- lósung der Dotterschollen schließen. Wie aus der Figur zu ersehen ist, zeigen die Zellen deutlich die Tendenz, sich vom Ektoderm her aufzuhellen, indem zuerst an den äußeren Enden helle Vacuolen auftreten, während das dunkle Plasma grobschaumigen Bau zeigt. Die Kerne der beiden Entodermschichten besitzen dieselbe Struktur. Man erkennt einen, meistens nach dem Rande des Kernes zu ge- legenen Nucleolus und sieht deutlich die netzartige Anordnung der . Chromatinkórnehen. | | Das zweite Entwicklungsstadium des Herzens findet sich in etwas älteren Embryonen als die erste Herzanlage. Diese zeigen ungefähr dieselbe Entwicklung, wie die von SEELIGER (15) in den Figg. 40 und 41 Taf. IV abgebildeten Embryonen. In der Cerebral- blase sind bereits die beiden Sinneskörper aufgetreten, und zwischen Ento- und Ektoderm dehnt sich überall die primäre Leibeshöhle aus. Diese enthält zahlreiche Mesodermzellen, welche uns hier sowie auf allen späteren Entwicklungsstadien in sehr verschiedener Form 524 Gustav Kuhn entgegentreten. Die Darmanlage hat sich schon in einen vorderen 1 Abschnitt, den definitiven Kiemendarm oder Pharynx, und einen hinteren Theil, den primitiven Verdauungstraetus, differenzirt. SEELIGER (15) sah auf einem ein klein wenig älteren Stadium — die Herzanlage in Form eines Entodermdivertikels an der hinteren Pharynxwand. BENEDEN und JULIN (17) nehmen an, dass die von ihnen beschriebenen Zellstreifen am Pharynxgrunde sich aus dem entodermalen Verbande lösen und als zwei Zellstränge (cylindres ` procardiques) der Pharynxwand anliegen. WinLEYv (21) nimmt eben- falls an, dass die erste aus einer einfachen Zelllamelle bestehende Herzanlage aus dem entodermalen Verband trete und sich zwischen Ento- und Ektoderm stelle, um dort einen der Kiemendarmwand an- liezenden Zellstrang zu bilden. Bei meinen Untersuchungen bin ieh zu denselben Resultaten ge- kommen als SEELIGER. Die Figg. 5—7 zeigen den ventralen Theil frontaler, also parallel zum Endostyl geführter Schnitte eines Em- bryos, der sich auf oben geschildertem Entwicklungsstadium befand. Man erkennt, dass das Ektoderm (a) und die Wand des Kiemen- . darmes (4d) sich überall von einander entfernt haben und dass sich in der primären Leibeshóhle meist kugelig gestaltete Mesodermzellen. (mz) befinden. An der ventralen Wand des Kiemendarmes ist die . Herzanlage (%) gelegen, welche fest an das Ektoderm angedriickt © ist. In Fig. 5, welche einen dureh das vordere Ende der Herzanlage geführten Schnitt zeigt, erkennt man letztere, ähnlich wie in Fig. 2, als eine in Folge des geringeren Dottergehalts heller erscheinende, einschichtige Zelllage, welche noch in der Pharynxwand gelegen und zickzackfórmig mit den Zellen derselben verbunden ist. Diese Zellschicht hat sich kreisbogenförmig gegen das Ektoderm vorge- wölbt, so dass die Kiemendarmwand an dieser Stelle wulstförmig verdiekt erscheint. Dieser durch die Herzanlage gebildete Wulst setzt sieh an der linken Seite scharf gegen die Pharynxwand ab, während er auf der rechten Seite allmählich in dieselbe übergeht. Auf dem Nachbarschnitt tritt uns die Herzanlage als ein Divertikel des Kiemendarmes entgegen, welches nach der rechten Körperseite zustrebt. Die Höhle dieses Divertikels ist die Perikardialhöhle (pA) und man sieht deutlich, dass dieselbe mit der Kiemendarmhöhle kommunicirt. Es ist schon die Stelle genau zu erkennen, an welcher __ sich dieses Divertikel von der Pharynxwand absehnüren wird, um die Perikardialblase zu bilden. Dass dieses Divertikel auch in der That die Herzanlage darstellt, wird dadurch bewiesen, dass die Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 525 Zellen desselben gegenüber denen der Pharynxwand genau dieselbe -Differenzirung aufweisen, wie ich sie in Fig. 4 gezeichnet habe. Auf drei weiteren Schnitten kann man noch die Herzanlage in gleicher Weise erkennen wie in Fig. 7, die den zweiten auf Fig. 6 folgenden Schnitt der Serie darstellt. Das quer durchschnittene, nach der rechten Körperseite strebende Divertikel besitzt die Gestalt eines Rohres (%). Es zeigt ein deutliches, länglich ovales Lumen (p4) und ist fest mit der Pharynxwand verbunden. An der Stelle, wo die Zellen der Herzanlage und Kiemendarmwand zusammenstoßen, zeigt der äußere Kontour auf der linken Seite eine Einbuchtung, ein "Zeichen, dass hier die später eintretende Trennung des Divertikels von der Pharynxwand erfolgen wird. — Das zweite Entwicklungs- stadium des Herzens hat also die Gestalt eines gewissermaßen noch in der Pharynxwand liegenden Divertikels des Kiemendarmes, wel- ches nach der rechten Körperseite strebt. Ich kann somit die Angaben SEELIGER’s (15), dass das Cardio- perikardialorgan »als eine kleine Ausstülpung der ventralen Wand des Kiemendarmes dicht hinter dem Ende des Endostyls« auftritt, bestätigen. Ich habe dagegen nicht den von vAN BENEDEN und JULIN (17) sowie von WILLEY (21) beschriebenen Vorgang beobachten können, dass die erste Herzanlage sich zwischen Ento- und Ektoderm stellt und einen resp. zwei an der Pharynxwand angeheftete Zell- Cylinder bildet. Der als erste Herzanlage beschriebene Zellstreifen ‚bildet vielmehr, wie aus meinen Ausführungen hervorgeht, einzig und allein die Wand des Divertikels. Das nächste Entwicklungsstadium des Herzens findet man in einem Embryo, wie er von SEELIGER (15) in Fig. 42 Taf. IV abge- ‚bildet ist. Von solchen Larven habe ich Querschnittserien herge- stellt und in den Figg. 8—10 den ventralen Theil dreier Schnitte einer Serie wiedergegeben. Ich will bemerken, dass bei diesen drei iguren die rechte Körperseite der rechten, die linke der linken Seite der Abbildung entspricht. In der primären Leibeshöhle befindet sich eine große Anzahl Mesodermzellen (mz), welche noch fast alle kugelig gestaltet sind. Nur verschwindend wenige derselben sitzen den die Leibeshöhle be- grenzenden Zellwänden mit breiter Basis auf und einzelne derselben haben sich schon an dem ihrer Anheftung abgewendeten Ende spitz ausgezogen. Die Herzanlage (4), welche noch immer an der ventralen Phe rynxwand gelegen ist, kann man auf fünf Schnitten erkennen. n Fig. 8 sehen wir einen Querschnitt durch das vordere Ende dieser | 526 Gustav Kuhn Anlage, welche die Gestalt einer dorso-ventral abgeplatteten Röhre — hat und ein spaltförmiges Lumen (p) besitzt. An seiner dorsalen — Wand steht dieses Rohr mit der Pharynxwand in wellenartiger Ver- bindung, ist jedoch scharf von ihr abgegrenzt. Die ventrale Wand der Herzröhre hat sich vom Ektoderm abgelöst, und in die so ent- standene Spalte haben sich einige Mesodermzellen eingeschoben. Dieses letztere Verhalten zeigt nur noch der nächste Schnitt, wäh- rend die Herzanlage auf den letzten drei Schnitten noch dicht an . das Ektoderm angedrückt ist. Die auf Fig. 8 folgenden drei Schnitte der Serie zeigen die Herzanlage in derselben Weise, wie ich sie für den vorletzten Schnitt in Fig. 9 wiedergegeben habe. In dieser Zeichnung erkennt man, dass die Herzanlage (A) etwas nach rechts gelegen ist, ein länglich ovales Lumen (pA) besitzt und genau so - mit der Pharynxwand verbunden ist, als in Fig. 8. Das Ende der Herzanlage erkennen wir in Fig. 10 und sehen in ausgeprägterem Maße als auf dem vorhergehenden Schnitt, dass dieselbe nach der rechten Körperseite hinübergetreten ist. Wie aus den Schnitten dieser Serie hervorgeht, tritt uns die Herzanlage als ern selbständiger, dorso-ventral abgeplatteter, allseitig geschlossener Schlauch entgegen, der auf dem Querschnitt ein läng- lich ovales Lumen besitzt und in seinem hinteren Ende in der rechten Körperhälfte gelegen ist. Dieser Schlauch ist noch in seiner ganzen Länge mit der Pharynxwand verbunden, hat sich von der- - selben jedoch ganz scharf abgegrenzt. Während er sich in seinem vorderen Ende vom Ektoderm abgelöst hat, ist er demselben in seinem hinteren Theile noch fest angedrückt. Dieser durch Ab- schnürung des oben beschriebenen Pharynxdivertikels entstandene Schlauch stellt uns das primäre Perikardialbläschen dar, das sich, wie wir später sehen werden, in Herz und Perikard differenziren . wird. Das ursprünglich einen Theil der Kiemendarmhöhle reprä- sentirende Lumen dieses Schlauches ist die Perikardialhöhle. WirLLey (21) ist der Ansicht, dass in dem aus dem entoder- . malen Verbande getretenen, einfachen Zellstrange zwei Lumina ent- stehen, welche durch ein unvollständiges Septum getrennt seien und die Perikardialhöhle darstellen. Van BENEDEN und JULIN (17) beschreiben die weitere Entwick- lung ibrer Prokardialeylinder folgendermaßen: »Bientöt une cavité apparait dans chacun des organes (Prokardialeylinder), et presqu'aussi- — tôt aprés, les deux cylindres s'étant soudés entreux, les deux | cavites se mettent en communication l'une avec l'autre. Les portions Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 527 terminales des cylindres soudés entre eux donnent ainsi naissance à une vésieule unique, dont la cavité est délimitée par un épithéli- um formé d'une assise unique de cellules. Cette vésicule se rattache à l'hypoblaste branchial par deux cordons pleins, les restes des deux eylindres proeardiques. Mais bientôt ces cordons s’excavent à leur tour; il en résulte la formation de deux tubes ou cannaux par les- quels la cavité de la vésieule se met en communication avec la ca- vité branchiale. La vésicule terminale constitue lébauche du sac périeardique; les deux tubes qui le rattachent au sac branchial sont les premiers rudiments de l'épiearde.« Lane (34) berichtet über das '"Tunieatenherz Folgendes: »Ontogenetische, histologische und anato- mische Befunde lassen folgende Auffassung von der ursprünglichen "Morphologie des Herzens als einstweilen zuliissig erscheinen: der -Ventralseite des Darmepithelrohres liegen zwei perikardiale Cólom- blasen an, die an einander stoßend, durch eine aus zwei Lamellen bestehende Scheidewand getrennt sind. Wie meine oben beschriebenen Befunde zeigen, kann ich der -von WILLEY und van BENEDEN angegebenen Entstehungsweise der Perikardialhóhle in einer soliden Zellmasse nicht beipflichten; in - gleicher Weise kann ich mich betreffs der anfänglichen Duplieität der Perikardialhöhle nicht den Ausführungen von VAN BENEDEN und WiLLEY anschließen, welche Lane seiner Auffassung zu Grunde ge- legt hat. Ich bin der Ansicht, dass die Perikardialhöhle sich aus einem Pharynzdivertikel bildet, welches sich vom Pharynx abschniirt, und so das allseitig geschlossene Perikardialbläschen entstehen lässt. "Allerdings zeigt sich der erste Beginn der Divertikelbildung nur in einer Verdickung des Entodermepithels und nur später tritt vorüber- ‚gehend an einer engen Stelle eine Verbindung der Kiemendarmhöhle ‘und des Divertikellumens auf. Die Bedeutung der Herzanlage als Entodermdivertikel wird aber dadurch keinesfalls in Frage gestellt. Ich kann daher auch nicht die Angaben von VAN BENEDEN und JULIN bestätigen, dass auf einem späteren Entwicklungsstadium durch die beiden Epikardialtuben eine doppelte Kommunikation der Perikardialhöhle mit der Kiemendarmhöhle geschaffen wird. Es be- steht vielmehr, wie ich oben gezeigt habe, auf einem früheren Sta- dium der Entwieklung der Perikardialhöhle eine einfache Kommu- nikation mit-der Pharynxhöhle, und ich werde an späteren Schnitten darthun können, dass sich die erst einmal geschlossene Perikardial- héhle nicht wieder in die Kiemendarmhöble öffne. Was endlich den von vax BENEDEN angeführten entwicklungsgeschichtlichen 528 Gustav Kuhn Zusammenhang des Epikards und Perikardialbläschens anbetrifft, so | muss ich vorweg bemerken, dass beide Theile sich unabhängig von einander entwickeln, denn die in den Figg. 8—10 abgebildeten Schnitte zeigen bereits das als selbständiges Organ erkennbare und ` allseitig abgeschlossene Perikardialbläschen, während noch keine Spur einer Epikardialanlage nachzuweisen ist. 3 Die Epikardialanlage findet man erst in einem Entwicklungs- ` stadium des Embryos, bei dem bereits zwei Kiemenspalten auf jeder — Seite zum Durchbruch gekommen sind. Ein solches Stadium ist von SEELIGER (15) in Fig. 44 Taf. IV abgebildet, und man erkennt, dass der verdauende Abschnitt des Darmkanals sich schon in Öso- phagus, Magen, Mittel- und Enddarm differenzirt hat. In den Figg. 11—13 habe ich parallel zum Endostyl geführte Schnitte : eines solehen Embryos wiedergegeben. In der primären Leibeshóhle liegen Mesodermzellen (mz), die sich zum Theil in spindel- und . sternförmige oder verästelte Bindegewebszellen (bz) umgewandelt © haben. Letztere kann man von jetzt ab auf allen älteren Entwick- lungsstadien wiederfinden. Einige Zellen sitzen den Wänden der © primären Leibeshöhle mit breiter Basis auf und sind an dem der Anheftung entgegengesetzten Ende spitz ausgezogen. In dieser letzteren Form finden sie sich namentlich an den Wänden des Peri- | kardialbläschens und dürften wohl zur Befestigung desselben dienen. Letzteres steht nun an keiner Stelle mehr mit dem Ektoderm ja) in Verbindung und hat sich bis auf zwei Stellen von der Pharynxwand ` getrennt, so dass es fast frei in der primären Leibeshöhle gelegen ist. Das dorso-ventral abgeplattete Perikardialbläschen, welches man auf neun Schnitten erkennen kann, ist deutlich in der rechten Körper- . hälfte gelegen und zeigt dieses Verhalten auf allen höheren Ent- wicklungsstadien. Der durch das vordere Ende des Herzens geführte Schnitt zeigt, ventral vom Kiemendarm und frei in der Leibeshöhle gelegen, das Perikardialbläschen in derselben Weise, wie es in Fig. 13 abgebildet | ist. Der folgende, zweite Schnitt durch das Herzbläschen ist in — Fig. 11 wiedergegeben. Man erkennt dorsal das Centralnervensystem - (nr). Ventral von diesem und etwas rechts liegt der Kiemendarm . j (kd), der in seinem hintersten Theile an der Stelle getroffen ist, wo er sich in den Osophagus (oe) fortsetzt. Seitlich vom Kiemendarm - liegt rechts der Peribranchialraum (p) und links der Enddarm (ed), während ventral das Perikardialbläschen gelegen ist. Die dorsale, der Kiemendarmwand zugekehrte Wand des letzteren ist rinnenfórmig Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 529 | - eingekerbt und besteht aus hohen Cylinderzellen, während die ven- — trale Wand sieh aus flacheren Zellen aufbaut. Die dorsale Wand des Perikardialbläschens stellt die Herzwand (hz) dar und die Rinne ist die erste Anlage der Herzhóhle (44); die ventrale Wand des Perikardialbläschens ist die eigentliche Perikardialwand (pc) Zu beiden Seiten der Herzrinne steht das Herzblischen mit der Pha- rynxwand mittels zweier Zellstringe in Verbindung, von denen es jedoch ganz scharf- und glattrandig abgegrenzt ist. Diese, die erste Anlage des Epikardialorgans (ep) darstellenden Zellstränge, deren Zellen dieselbe Struktur wie die Zellen der Pharynxwand besitzen, muss man als Verdiekungen resp. Wucherungen der Kiemendarm- wand auffassen. Auf den folgenden Schnitten liegt das Perikardialblüschen frei in der primüren Leibeshóhle zwischen Osophagus und ventralem Körperektoderm. Die Herzrinne hat sich vertieft, die Zellen der Herzwand sind hóher, die der Perikardialwand flacher geworden. Die höchste Differenzirung wird auf dem in Fig. 12 abgebildeten sechsten Schnitt durch das Herz erreicht. Nach hinten zu wird die - Herzrinne dann allmählich wieder flacher, um auf dem letzten Schnitt durch das Herzbläschen (Fig. 13) ganz zu verschwinden. Wie diese Abbildung zeigt, zeichnen sich jedoch die Zellen der Herzwand (/z) gegenüber denen der Perikardialwand (pc) durch ihre hohe Cy- linderform aus. Das hintere Ende des Perikardialbläschens liegt zwischen Ektoderm und ventraler, vorderer Wand des Magens (m), auf dessen linker Seite der schräg getroffene Enddarm (ed) zu sehen ist. . Wir ersehen aus den soeben geschilderten Schnitten, dass das auf dem vorigen Entwicklungsstadium beschriebene Perikardialbläs- chen sich in allen Dimensionen beträchtlich vergrößert hat und in seiner Lüngenausdehnung den ganzen Raum zwischen Ende des Endostyls und vorderer Fläche des Magens einnimmt. Dasselbe hat sich vom Ektoderm vollständig und vom Pharynx bis auf zwei ‚Stellen losgelöst, so dass es fast frei in der primären Leibeshöhle gelegen ist. Am vorderen Ende des Perikardialbläschens erfolgte eine vollständige Abtrennung desselben vom Pharynx nur in der Mitte, so dass die seitlichen Ränder des ersteren mit letzterem in Berührung blieben. An diesen Berührungsstellen sind beim Wachs- thum des Perikardialrohres zwei zunächst solide Zellstränge, die Epikardialanlagen, gewissermaßen aus der Pharynxwand ausgezogen worden. An der dorsalen, dem Darme zugekehrten Seite des 530 Gustav Kuhn E Perikardialschlauches ist eine schon von SEELIGER (15) auf diesem | Entwicklungsstadium beschriebene Rinne, die Herzrinne, aufgetreten, — welche in der Mitte der Anlage am tiefsten ist und sich nach beiden Enden derselben abflacht. Der dorsale, die Herzwand darstellende Abschnitt des Perikardialbläschens besteht aus hohen Cylinderzellen, — während der ventrale, die eigentliche Perikardialwand repräsentirende Theil desselben sich aus flachen Zellen aufbaut. | B. Die nächsten Entwicklungsstadien des Herzens und Epikards erkennt man theils in alten Embryonen, wie sie von SEELIGER (15) ` in den Figg. 45 und 46 Taf. IV abgebildet sind, theils in jungen freischwimmenden Larven (Fig. 1), so dass also hier eine große Variabilität herrscht. Wie die in den Figg. 14—16 abgebildeten Querschnitte zeigen, hat sich das Perikardialbläschen bereits an seinem vorderen Ende vom Pharynx abgetrennt und ist frei in der primären Leibeshöhle gelegen. Im Übrigen zeigt es außer einem geringen Längenwachsthum noch keine weitere Entwicklung als auf | dem vorhergehenden Stadium. In Fig. 14, welche vom vorderen | Ende gerechnet den fünften Schnitt durch das Herz darstellt, sehen wir die Sinnesblase (sd), welche dem dorsalen Ektoderm angedrückt ist und in ihrer Wand das stark pigmentirte Auge (oc). erkennen lässt. £i Die Mitte des Schnittes wird von dem Grunde des Kiemendarmes | (kd) und den Peribranehialráumen (p) eingenommen, während das : M Herz ventral vom Kiemendarm gelegen ist, ohne mit diesem in Ver- 24 bindung zu stehen. Betrachtet man den Pharynx näher, so erkennt man, dass derselbe links und rechts von der Medianebene je ein | Divertikel (ep) besitzt, das mit seiner Hóhle in breiter Kommunika- $ tion steht. Während wir auf dem folgenden Schnitt diese beiden, . die Epikardialtuben darstellenden Divertikel in ähnlicher Weise er- : kennen, sehen wir auf dem in Fig. 15 wiedergegebenen siebenten 2 Schnitt durch das Herz den Übergang des Kiemendarmes (kd) in den Ösophagus und erkennen die Epikardialtuben (ep) links und * rechts von der Medianebene als je eine mit einem deutlichen Lumen - versehene Röhre, die in ihrer ganzen Breite mit dem Pharynx ver- | bunden ist. Das Ende dieser Epikardialtuben erkennt man auf dem folgenden Sehnitt (Fig. 16) als zwei Zellhaufen (ep) ventral vom Öso- phagus (oe) von denen der eine links, der andere rechts von der - Medianebene gelegen ist. Das Herz steht auf keinem Schnitte in Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 531 - Verbindung mit dem Epikardialorgan und lässt sich noch drei Schnitte weiter nach hinten verfolgen als dieses. - Diese Serie lehrt, dass an den Stellen, wo auf dem vorhergehen- den Entwicklungsstadium zwei Verdickungen der Pharynxwand vor- handen waren, zwei Divertikel des Kiemendarmes aufgetreten sind. Diese die Epikardialtuben darstellenden Divertikel am hinteren Ende des Kiemendarmes stecken zum Theil noch gewissermaßen in der Pharynxwand und kommunieiren je mit einer breiten Öffnung mit der Kiemendarmhohle. Vom nächsten Entwicklungsstadium des Herzens habe ich in — den Figg. 17—19 Querschnitte durch einen alten Embryo abgebildet und bemerke, dass in diesen drei Schnitten die linke Seite der i Zeichnung der linken, die rechte der rechten Kórperseite entspricht. r allen drei Figuren erkennt man dorsal das Centralnervensystem | und in der dorso-lateralen Partie die Peribranchialráume (p). Ven- 1 tral frei in der Leibeshóhle liegt das Perikardialbläschen, welches in seiner ‚ganzen Ausdehnung mit keinem anderen fran in Be- rührung tritt. Die ersten zwei Sehnitte durch das vordere Herzende zeigen das Perikardialbläschen in ähnlicher Weise, wie es vom dritten in Fig. 17 abgebildet ist. Man erkennt an demselben wieder die aus hohen Zellen bestehende, eine seichte Rinne bildende Herz- wand (z) und die aus flacheren Zellen sich aufbauende Perikardial- wand (pe). Zwischen Herz und Nervenrohr sieht man das hintere Ende des Pharynx (Ad), der rechts und links von der Medianebene — je eine Epikardialtube (ep) zeigt, die mit seiner Höhle in breiter Kommunikation steht. Der folgende Schnitt zeigt noch ein ähnliches Bild, nur ist die Herzrinne tiefer geworden; dagegen zeigen der fünfte und sechste Schnitt durch das Perikardialblaschen ein ähn- liehes Aussehen wie der siebente, den ich in Fig. 18 abgebildet habe. Die Perikardialwand (pc) besteht aus ganz flachen Zellen, und die aus hohen Zellen gebildete Herzwand (/z) hat sich derart invaginirt, — dass das Perikardialbläschen das Aussehen eines Halbmondes er- halten hat. In der Mitte des Schnittes, ein wenig nach rechts ge- legen, erkennt man den Osophagus (oe) und ventral von ihm liegt jederseits von der Medianebene eine dreieckige Róhre (ep), die mit einem ebenso gestalteten Lumen versehen ist. Diese beiden, die Epikardialtuben darstellenden Róhren lassen auf dem folgenden Sehnitt noch ein ganz winziges Lumen erkennen und zeigen auf dem neunten, in Fig. 19 abgebildeten Schnitt ihr Ende in Gestalt zweier, ventral vom Osophagus (oe) gelegener Zellhaufen (ep). Das Herz 532 Gustav Kuhn hat die in Fig. 18 beschriebene Gestalt beibehalten und lässt sich noch auf zwei weiteren Schnitten erkennen, auf denen sich die Herz- rinne (hA) wieder etwas abgeflacht hat. Außer durch die verschie- - dene Form der Zellen unterscheidet sich die Herzwand von der 1 Perikardialwand auf diesem Stadium bereits durch eine charakteri- - stische Neubildung, die Muskelfibrillen. Dieselben kann man an der der Herzrinne zugekehrten Seite der Herzwand in der ganzen ` Ausdehnung der letzteren als kleine schwarze Fäserchen erkennen. — Wie sich aus der soeben beschriebenen Serie ergiebt, zeigt | sich die weitere Entwicklung des Herzens gegenüber dem vorher- — gehenden Stadium in.der Vertiefung der Herzrinne und dem Auf- | treten von Muskelfibrillen in der Herzwand. Die in den Figg. 14—16 ` abgebildeten Epikardialtuben haben sich bedeutend verlàngert und stellen zwei von einander getrennte, mit der Kiemendarmhöhle mit breiter Öffnung kommunicirende Röhren dar, welche ventral vom . Osophagus nach hinten gewachsen sind und von denen die eine | rechts, die andere links von der Medianebene gelegen ist. Wir haben in den Figg. 14—16, einem ganz jungen Entwick- lungsstadium des Epikards, gesehen, dass sich das Perikardialbläs- | chen von diesem letzteren bereits getrennt hatte, und die Figg. 17 | bis 19 haben uns dies in ausgeprügterem Maße gezeigt. Wenn dieses | auch die Regel ist, so will ich doch erwähnen, dass die in Fig. 11 | abgebildete Berührung des Herzens mit den Epikardialanlagen bei ganz vereinzelten Individuen noch einige Zeit bestehen bleiben kann, während sich beide Theile in der beschriebenen Weise weiter ent- | wickeln. Es resultirt daraus, dass die Epikardialtuben an den Über- - gangsstellen der Herz- in die Perikardialwand mit dem Perikardial- | bläschen in Berührung stehen. Von solch einem Individuum habe ich in den Figg. 20—22 etwas — schräg ausgefallene, parallel zum Endostyl geführte Schnitte wieder- | gegeben. Dieselben repräsentiren, wie aus den gestreckten Zellen A zu ersehen ist, ein etwas älteres Stadium als das in den Figg. 17—19 — abgebildete. Sie zeigen im Übrigen aber ein ähnliches Verhalten. — Die mit Muskelfibrillen versehene, etwas wellig verlaufende Herz- | wand (iz) lässt eine derartige Invagination erkennen, dass das Herz | auf dem Querschnitt die Form eines Halbmondes besitzt. Nach den Enden des Perikardialbläschens flacht sich die Herzrinne (AA) all- mählich ab und verschwindet schließlich ganz. Auf dem in Fig. 20 dargestellten, zweiten Schnitt durch das Herz erkennt man zwischen dem ventral, frei in der Leibeshöhle gelegenen Herzen und. dem us Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 533 Centralnervensystem (zr) den Pharynxgrund (4d) mit seinen lateralen - Epikardialdivertikeln (ep). Auf den folgenden beiden Schnitten sind die Epikardialtuben schon als zwei von einander getrennte Röhren gu erkennen, die der hinteren Pharynxwand anliegen und mit dieser in ihrer ganzen Breite in zelligem Verbande stehen. Erst auf dem fünften, in Fig. 21 abgebildeten Schnitt sehen wir, dass die linke _Epikardialtube (ep) nicht mehr mit der Pharynxwand verbunden ist, während die rechte (ep) in Folge der schrägen Schnittrichtung eine solche Verbindung an der Ubergangsstelle der Pharynxwand in den Osophagus aufweist. Beide Epikardialtuben berühren mit der Breite einer Zelle die Hörner des auf dem Schnitte halbmondförmigen — Herzens, jedoch ist das letztere an der Berührungsstelle scharf und glattrandig abgegrenzt. Auf dem folgenden Schnitt erkennt man noch in den Epikardialtuben, von denen nur die rechte das Herz berührt, ein winziges Lumen und im Schnitte darauf (Fig. 22) sehen wir das Ende der Tuben als zwei Zellhaufen (ep), die zwischen Herz einerseits und Ösophagus (oe) und Enddarm (ed) andererseits gelegen sind und von denen der rechte das Herz berührt, welches man noch auf drei weiteren Schnitten erkennen kann. Wie ich bei der Beschreibung des Epikards in Fig. 1 erwähnt habe, ist es nicht möglich, die Duplieität desselben in Totalpräpa- raten zu erkennen. Würde man den Embryo, dem die soeben be- sehriebene Sehnittserie entstammt, als Totalpräparat von der Seite ‚betrachten, so würde man bei Verkennung der Duplieität des Epi- -kards ein ühnliches Bild erhalten, wie SEELIGER (15) es in Fig. 44 "Taf. IV abgebildet hat. Da im Jahre 1884 die heutige, moderne -Seriensehnitttechnik noch nicht bekannt war, so war SEELIGER hauptsichlich auf Totalprüparate angewiesen und so ist es erklär- lich, dass er seine Fig. 44 folgendermaßen erläutert: »In Fig. 44 ‚beginnt sieh der hintere Theil des Entodermfortsatzes vom vorderen abzuschniiren und zwar durch eine Furche, die in der vorderen Wand auftritt und von vorn nach hinten zu sich vertieft. Auf diese Weise entsteht ein allseitig geschlossener Zellsack, der an der hin- teren Wand seines vorderen Endes durch eine Róhre an den Kiemen- darm befestigt ist.« Auf einem Fig. 21 ähnlichen Stadium wollen VAN BENEDEN und JULIN (17) eine breite Kommunikation der Epi- kardialtuben mit der Perikardialhöhle gesehen haben, so dass letz- tere mittels zweier Röhren mit der Kiemendarmhöhle in Verbindung stehe. Wie aus meinen Figuren hervorgeht, stehen die Epikardial- mben mit dem Perikardialsäckchen in der Regel überhaupt nicht Morpholog. Jahrbuch. 31. 35 534 Gustav Kuhn in Verbindung. Ist dieses jedoch ausnahmsweise der Fall, wie z. B. in Fig. 21, so handelt es sich, wie ich gezeigt habe, um eine : bloße Berührung der beiden Theile und ich muss erklären, dass ich - eine Kommunikation zwischen Perikardialhöhle und Epikardialtuben — niemals habe beobachten können. Die nächste Entwicklungsstufe des Herzens und Epikards er- kennt man in den Figg. 23—25, welche Querschnitte eines ganz | alten Embryos wiedergeben. — Die linke Seite der Schnitte ist auch die linke, die rechte Seite die rechte Körperhälfte. — Das Perikardialbläschen zeigt bereits eine weit vorgeschrittene Differen- zirung. Die Perikardialwand (pc) besteht aus ganz flachen Zellen, | während die mit Muskelfibrillen versehene Herzwand (Az) aus ey- linderförmigen Zellen aufgebaut ist. Letztere zeigt einen welligen - Verlauf und hat sich derart invaginirt, dass das Perikardialbläschen - auf den Sehnitten das Aussehen eines Doppelrohres erhalten hat, dessen Wände dorsal in einander übergehen. In der so entstandenen, tiefen Herzrinne (^^) befinden sich freie Mesodermzellen. In Fig. 23, ° welche vom vorderen Ende gerechnet den fünften Schnitt durch das © Herz darstellt, sehen wir zwischen diesem und dem dorsal gelegenen : Centralnervensystem (sé) den Grund des Pharynx (4d), welcher ähn- lich wie in den Figg. 14, 17 und 20 ventral und zu beiden Seiten der Medianebene je eine Epikardialtube (ep) zeigt, die mit seiner Höhle in breiter Kommunikation steht. Diese Epikardialtuben er- kennen wir auf dem folgenden Schnitt (Fig. 24) als zwei von ein- - ander getrennte Róhren (ep), welehe zwischen dem Herzen und Óso- phagus (oe) gelegen sind. Dieselben sind dorso-ventral abgeplattet und zeigen demgemäß ein länglich ovales Lumen. An derselben Stelle, die in Fig. 24 von den Epikardialtuben eingenommen wird, - findet man auf dem Nachbarschnitt (Fig. 25) einen dorso-ventral stark abgeplatteten, langen Zellsack (ep), der mit dem Herzbläschen in keiner Verbindung steht. Derselbe besitzt eine achtfórmige Ge- stalt und ein ebenso geformtes Lumen, ein Zeichen, dass er aus ` der Verschmelzung der beiden, in Fig. 24 abgebildeten Epikardial- i tuben hervorgegangen ist. Dieser Zellsack, der den Epikardialsaek (cul de sae épicardique de van BENEDEN) darstellt, besitzt auf dem Nachbarschnitt noch ein spaltfórmiges Lumen und erreicht auf dem — übernüchsten Schnitt in Gestalt eines lànglichen Zellhaufens sein 3 Ende, während man das Herz noch einen Schnitt weiter erkennen kann. — Wir sehen aus dieser Serie, dass alle Theile des Herzens und © Epikards vorhanden sind, welche diese Organe im ausgebildeten — Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 535 Zustande zeigen. Es bedarf zur Vollendung der Herzentwicklung nur einer Annäherung und Verwachsung der beiden dorsalen Ränder des Doppelrohres, um die Herzhöhle nach der dorsalen Seite ab- _ zuschließen. Auch das Epikardialorgan zeigt bereits die im aus- gebildeten Zustande beobachtete Sonderung in einen Epikardialsack und zwei Epikardialtuben, mittels deren ersterer mit der Kiemen- = darmhóhle links und rechts von der Medianebene am Grunde des Pharynx kommunieirt. Der Epikardialsack ist dorso-ventral stark abgeplattet und zwisehen Herz und Darm gelegen, ohne jedoch mit beiden dorsalen Rändern der Herzhöhle verbunden zu sein und die Herzspalte zu verschlieBen. | Sehon im Jahre 1884 hat SEELIGER (15) die Bildung der Herz- hóhle aus dem Perikardialbläschen folgendermaßen beschrieben: das Perikardialsäckchen streckt sich etwas in die Länge, und die dorsale Rinne beginnt sich zu vertiefen, während die Seitenränder auf der Rückenseite sich nähern. Auf dem Querschnitt durch diese Region einer freischwimmenden Larve erkennt man das Gebilde als ein Doppelrohr, dessen Wandungen dorsal in einander übergehen. Die innere Röhre wird zum Herzschlauch, die äußere zum Perikar- 2 dium. Die Herzhöhle ist somit ein Theil der primären Leibeshöhle, mit der sie lange Zeit — bis ins freischwimmende Larvenstadium hinein — durch einen weiten Spaltraum kommunicirt, durch welchen die freien Mesodermzellen hineindringen. Die sich zwischen Herz- und Perikardialwand ausbreitende Perikardialhöhle ist ein abge- -sehnürter Theil der Kiemendarmhöhle und als solcher von freien, -zelligen Elementen nicht erfüllt«. Diese Darstellung ist von van BE- NEDEN und JULIN (17) und später von WinLEY (21) bestätigt worden, und ich kann mich, wie aus meinen Befunden hervorgeht, der Be- schreibung SEELIGER’s von der Bildung des Herzens anschließen und möchte nur hinzufügen, dass in der Herzwand schon frühzeitig Muskelfibrillen auftreten. Dieselben werden gebildet, sobald die Anfangs seichte Herzrinne an Tiefe zuzunehmen beginnt. Lang (34) vertritt die Ansicht, dass die Herzhöhle durch Aus- einanderweichen des darmwärtsgerichteten Theiles der »aus zwei Lamellen bestehenden Scheidewand zwischen zwei anfänglich ge- trennten Cölombläschen« entstehe. Ich habe bereits weiter oben gezeigt, dass das Perikardial- bläschen keinen doppelten Ursprung besitzt, sondern voz Anfang an als eine einzige, geschlossene Blase unter dem Kiemendarm- grunde existirt, so dass ich hier auf die sich auf die Angaben von 35* 536 Gustav Kuhn VAN BENEDEN und JULIN (17) stützende Hypothese Lane’s nicht weiter einzugehen nöthig habe. Was die von van BENEDEN und Juri (17) vertretene Ansicht über die Entwicklung des Epikards anbetrifft, so haben wir bereits oben gesehen, dass die beiden Autoren als Epikardialanlage die proximalen Theile ihrer Prokardialeylinder (cylindres procardiques) in Anspruch nehmen, die sich zu den Epikardialtuben (tubes épi- - cardiques) aushóhlen. Dieselben treten vorübergehend mit der Peri- kardialhóhle in Kommunikation, schnüren sich jedoch bald wieder von letzterer ab und lassen durch Verschmelzung ihrer hinteren Enden den Epikardialsack (cul de sae épicardique) entstehen, der — sich zwischen Herz und Darm einschiebt und mit der Branchial- höhle mittels der beiden Epikardialtuben in Kommunikation bleibt. — Was den Zusammenhang des Perikardialbläschens mit dem Epikardialorgan anbelangt, so habe ich hierzu bereits weiter oben Stellung genommen. Im Ubrigen kann ich die von van BENEDEN und JULIN beschriebene Bildungsweise des Epikards bestätigen. Ich sah die erste Anlage als zwei Verdickungen der Pharynxwand. An diesen verdiekten Stellen traten dann zwei Divertikel, die Epikar- dialtuben, auf, welche sich zunáüchst nach hinten verlängerten, um - sehlieBlieh an ihrem hinteren Ende zu verschmelzen und den Epi- kardialsack entstehen zu lassen, der mittels der beiden Epikardial- | tuben mit der Kiemendarmhóhle kommunicirt. C. Das fertig ausgebildete Herz findet man erst bei festgesetzten - Larven. In den Figg. 26—30 habe ich fünf Querschnitte einer ganz | alten, festgesetzten Larve wiedergegeben, die sechs Transversal- | reihen von Kiemenspalten besaß und somit etwas älter war, als die- jenige, welche SEELIGER (15) in Fig. 71 Taf. VII abgebildet hat. Bei’ Betrachtung dieser Schnitte fällt zunächst auf, dass die Zellen sich - bedeutend gestreckt haben. Verfolgt man die Serie von vorn nach hinten, so findet man am Grunde des Kiemendarms links und rechts _ von der Medianebene zwei Divertikel, die Epikardialdivertikel, welche deutlich mit der Kiemendarmhóhle in Kommunikation stehen. Dieselben zeigen ein ähnliches Aussehen wie in Fig. 23, nur dass die Zellen derselben sich mehr abgeflacht haben. Auf weiteren E Schnitten kann man dann die beiden von einander getrennten Epi- - kardialtuben erkennen, die frei in der Leibeshöhle ventral vom - Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 537 f Osophagus gelegen sind. Verfolgt man die Serie weiter, so sieht - man den Epikardialsaek und noch ein Stück weiter nach hinten, ventral von diesem gelegen, das Herz. Einen Schnitt durch diese Region stellt Fig. 26 dar. Ventral vom Magen (m) und Enddarm (ed) erkennt man Herz und Epikard (ep). Die Perikardialwand (pc) be- steht aus ganz flachen Zellen, wihrend die von einer Bindegewebs- brücke (bg) abgeschlossene Herzhöhle (A^) von der aus hohen Zellen bestehenden Herzwand (Az) begrenzt wird. Diese besitzt auf der - der Herzhöhle zugekehrten Seite Muskelfibrillen, die bei der ange- — wendeten, schwachen Vergrößerung als starker Kontour erscheinen. Dorsal über dem Herzen liegt der Epikardialsack (ep), dessen ven- trale Wand auf einer kurzen Strecke mit der rechten Seite der dorsalen Perikardialwand verwachsen ist. In Fig. 27 sehen wir einen Querschnitt wiedergegeben, der 69 Schnitte weiter nach hinten zu liegt. Man erkennt ventral vom Mittel- (md) und Enddarm (ed) das Herz (fz) und Perikard (pc) genau so, wie auf dem vorher- — gehenden Schnitt. Der Verschluss der Herzhöhle (%4) scheint durch — das Verwachsen der beiden dorsalen Ränder derselben erfolgt zu sein, jedoch kann man sich bei starker Vergrößerung überzeugen, — dass eine Bindegewebszelle denselben herstellt. Zu beiden Seiten des Perikardialsackes (pi) sieht man einen kleinen Blindsack (ep), den hinteren Abschnitt des Epikardialsackes. Auf den weiteren Sehnitten werden dieselben immer kleiner und endlieh findet man den Tangentialschnitt durch die hinterste Wand als das Ende der- selben. Die Herzhöhle flacht sich nach hinten zu immer mehr ab und erreicht ihr Ende im hinteren Herzorificium. Der Perikardial- sack reieht noch weiter nach hinten. Man erkennt ihn in Fig. 28, die den 33. auf Fig. 27 folgenden Schnitt darstellt, in Gestalt eines — dorso-ventral abgeplatteten Bläschens (pA), das ventral von dem Übergang des Mitteldarms (md) in den Enddarm (ed) gelegen ist. Der Perikardialsack plattet sich nach hinten zu dorso-ventral immer — mehr ab und wird schließlich, wie die Figg. 29 und 30 zeigen, zu einer doppelten Zelllamelle (pc), die nach hinten zu sich verfolgen lässt. Dieselbe begiebt sich zunächst in den Fuß, dreht sich, wie die Figg. 29 und 30 zeigen, auf ihrem Wege um 180 Grad, um dann in den Stolo einzutreten und die entodermale Scheidewand desselben zu bilden. Wir sehen also, dass der dorso-ventral abgeplattete Epi- kardialsack dorsal vom Herzen gelegen ist, ohne direkt zum Ver- schluss der Herzhöhle beizutragen. Derselbe kommunieirt vorn mit der 538 Gustav Kuhn Kiemendarmhöhle und zieht sich an seinem hinteren Ende in zwei Zipfel aus, die sich auf die lateralen Seiten des Perikardialsackes begeben, um noch vor dem hinteren Herzorificium ihr Ende zu er- reichen. Der Perikardialsack plattet sich am hinteren Ende dorso- ventral ab, wird schließlich eine doppelte Zelllamelle, welche sich unter Drehung um 180 Grad in den Fuß begiebt, um so in den Stolo einzutreten und die Scheidewand desselben zu bilden. Die Herzhöhle ist dorsal vollkommen dadurch geschlossen, dass sich in die Herzspalte theils Bindegewebe, theils Bindegewebszellen einge- schoben und so eine Naht, die Herzraphe (raphé cardiaque de VAN BENEDEN), erzeugt haben. Das vordere Herzorificium ist ventral vom Epikardialsack gelegen, während sich das hintere distal von diesem auf der Dorsalseite des abgeplatteten Perikardialsackes be- findet. Um den Verschluss der Herzhöhle anschaulicher zu machen, habe ich in den Figg. 31 und 32 die Region der Herzspalte bei starker Vergrößerung gezeichnet. Fig. 31 zeigt uns die in Fig. 26 beschriebene Bindegewebsbriicke (5g), die aus mehreren Zellen be- steht und von einem Rand der Herzhóhle (44) zum anderen zieht In der Herzwand (Az) erkennt man, dem Herzlumen zugekehrt, die Muskelfibrillen, welche uns in Folge ihres spiraligen Verlaufes theils als Körnchen, theils als kleine Fäserchen erscheinen. Der proto- plasmatische Theil der Herzwandzellen ist der Perikardialhöhle (ph zugekehrt. Dorsal vom Herzen erkennt man die ventrale Wand des Epikards (ep), welche der Bindegewebsbriicke und auf der rechten Seite der Perikardialwand (pe) anliegt. Fig. 32 stellt einen Querschnitt durch einen weiter nach hinten gelegenen Abschnitt des Herzens dar. Die Herzhöhle (^4), in der | man einige Blutkörperchen erkennt, wird durch eine Bindegewebs- zelle (bz) verschlossen. Herz- (hz) und Perikardialwand (pe) zeigen dasselbe Verhalten wie in Fig. 31. Seitlich vom Perikardialsaek (pA) liegt je ein Zipfel des hinteren Abschnittes des Epikardialsaekes (ep) und man erkennt deutlich, dass dieselben auf der dorsalen eee 1 des Herzens keine Vidit mit einander besitzen. l SEELIGER (15) beschreibt den Verschluss der Herzhöhle folgender- maßen: »der dorsale Spaltraum verschwindet, indem die Ränder 4 auf einander stoßen und mit einander verwachsen. Nur am vorderen und hinteren Ende bleibt eine Öffnung, durch welche das Blut der Herzhöhle in die Leibeshöhle und aus dieser abwechselnd ein- und ausgeführt wird«. van BENEDEN und JULIN (17) beschreiben ebenfalls, Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 539 dass sich die Ränder der Herzhöhle einander nähern und so eine Verkleinerung der Herzspalte zu Stande käme. Sie sind jedoch der Ansicht, dass das Epikard beim Verschluss der Herzhöhle eine wich- tige Rolle spiele, denn sie schreiben: »Le plancher de l'épiearde est intimement uni au péricarde, aux deux côtés du raphé cardiaque, de telle sorte que la paroi cellulaire qui forme le plancher de l'épi- - carde ferme supérieurement la gouttière cardiaque et constitue à - proprement parler le raphé du coeur. N’était la présence de l'épi- earde, le vaisseau cardiaque présenterait dans toute sa longueur une fente ouverte. C'est ainsi que l’épicarde est organiquement lié au périearde et au coeur.« VAN BENEDEN und JULIN (17) beobachteten, - dass der Epikardialsack (cul de sae épicardique) sich dorso-ventral stark abplattet und nach hinten zu schlieBlich zu einer doppelten - Zelllamelle wird. Den Verlauf derselben schildern sie folgender- maßen: »Le cul de sae épicardique, réduit à une double lame cel- lulaire, dépasse en arriére le sac péricardique; il s'engage dans le pied de.la Claveline fixée, puis dans les stolons qui en partent. — Les deux extrémités du eoeur et les deux orifices terminaux du tube cardiaque se trouvent l'un et l'autre en dessous de l'épiearde et par ' eonséquent de la lame stoloniale.« SEELIGER (32) äußert sich über den Verschluss der Herzspalte folgendermaßen: »Der Verschluss wird in der Regel durch Bindegewebe (Fig. 12 Taf. XXIII) resp. durch eine Mesenchymzellplatte (Fig. 4 Taf. XXIII) bewirkt. Es mag vielleicht auch vorkommen, dass das Epikard direkt an den - Herzsehlitz sich anlegt und diesen schließt, aber das gewöhnliche Verhalten ist das nicht, wenigstens nicht im ausgebildeten Thier, obwohl vaN BENEDEN und JULIN das annehmen.« - . Diesen Ausführungen SEELIGER's kann ich mich, wie meine Figg. 31 und 32 zeigen, vollkommen anschließen. Was die von VAN BENEDEN und JULIN beschriebene Verlängerung des Epikards bis in den Stolo anbetrifft, so kann ich diese Angaben nicht bestä- tigen. Wie aus meinen obigen Ausführungen (Fig. 26—30) hervor- geht, erreicht das nach hinten in zwei Zipfel sich ausziehende Epi- kard bereits vor dem hinteren Herzorificium sein Ende und es ist - vielmehr der Perikardialsack, welcher sich, zu einer doppelten Zell- - lamelle reducirt, in den Fuß und von dort in den Stolo begiebt. Was das Herz der Knospe von Clavelina anbetrifft, so kann ich .mich hier kurz fassen. Ich habe nur alte Knospen untersucht, 540 Gustav Kuhn bei denen das Herz bereits vollkommen entwickelt war und habe feststellen können, dass dasselbe bei der Knospe genau denselben Bau und dieselben Beziehungen besitzt, wie ich es bei jungen Solitär- thieren an der Hand der Figg. 26—32 geschildert habe. Das Herz hat die Gestalt eines doppelwandigen Rohres, dessen Wände dorsal, vorn und hinten in einander übergehen. Die Herzspalte wird durch Bindegewebe bis auf die an den Enden des Herzrohres gelegenen beiden Orificien verschlossen und längs der so gebildeten Herzraphe gehen Perikardial- und Herzwand in einander über. Während erstere aus flachen Zellen gebildet wird, baut sich letztere aus höheren Zellen auf, die an dem der Herzhöhle zugekehrten Ende Muskel- fibrillen abgeschieden haben. Wie bei der Larve, so plattet sich auch bei der Knospe der Perikardialsack an seinem hinteren Ende dorso-ventral ab und wird schließlich zu einer doppelten Zelllamelle, welche sich nach hinten bis in die Stolonen verfolgen lässt und dort die Scheidewände derselben bildet. Der Epikardialsack steht nach vorn zu durch zwei Epikardialtuben mit der Kiemendarmhöhle in Kommunikation und zieht sich nach hinten in zwei Zipfel aus, welche lateral vom Perikardialsack gelegen sind und noch vor dem binteren Herzorificium ihr Ende erreichen. Der Epikardialsack liegt dorsal vom Herzen, ohne jedoch den direkten Verschluss der Herz- spalte zu bilden. VAN BENEDEN und JULIN (17) beschreiben richtig, dass bei der Knospe das Epikard, welches über dem Perikardialsack gelegen sei, sich nach hinten in zwei Blindsäcke ausziehe, die vor dem hinteren Herzorificium endeten. Das Ende des Perikards beschreiben sie fol- gendermaßen: »le sac périeardique prend en arrière la forme d'une - gouttiére de plus en plus largement ouverte en haut: il ne montre bientót plus, à la coupe transversale, qu'une fente horizontale; plus en arriére encore le plancher et la votite de cette fente se rappro- chent l'un de l'autre; la fente se rétrécit, puis disparait totalement, le sac pericardique se continuant en arriére en une mince lame membraneuse. Cette membrane est formée par l'aecolement de deux épithéliums plats; on peut la poursuivre, à travers le pied du bour- geon jusques dans la cloison des stolons. Cette cloison est formée par deux couches cellulaires aecolées l'une à l'autre; entre les deux existe une cavité virtuelle. Il résulte clairement de l'étude que nous — venons de faire, que chez le hourgeon cette cavité communique avec la cavité pericardique.« Diese Angaben von van BENEDEN und JuLin kann ich, wie Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 541 meine obigen Ausführungen gelehrt haben, vollkommen bestätigen. Wie aus den soeben gemachten Angaben für die Knospe und den weiter oben gegebenen Ausführungen für die Larve hervorgeht, zeigt also das Herz bei Larve und Knospe gleichen Bau und die- selben anatomischen Beziehungen und ich kann mich desshalb nicht dem Schlusssatze von van BENEDEN und JuLIN (17) anschließen: »Les rapports anatomiques des organes cardiaques, sont done tout différents chez lindividu qui procéde d'une larve urodéle et chez celui qui provient d'un bourgeon.« Ich will an dieser Stelle noch bemerken, dass ich bei Knospe und Larve zellige Einschlüsse in der Perikardialhóhle beobachtet habe, die sehr spárlieh vorhanden waren und vielen Individuen ginzlich fehlten. Es handelt sich theils um noch ganz erhaltene Zellen, wie in den Figg. 23 und 24, theils um Zelltrümmer. Bei den älteren Larven sind diese zelligen Gebilde zuweilen ganz regel- los zu größeren Haufen zusammengebacken. Es ist wohl anzu- nehmen, »dass«, wie SEELIGER (32) ausgeführt hat, »diese in der Perikardialhóhle schwimmenden Elemente zum Theil vom Myokard abstammen und bei den lebhaften Kontraktionen des Herzschlauchs sich abgelöst haben.« Eine sekretorische Bedeutung, die HEINE (33) für den schon von HELLER (12) und ROULE (14) beobachteten Körper . jn der Perikardialhóhle von Ciona nachgewiesen hat, dürfte diesen Zellen jedenfalls nicht zukommen. Zum Sehluss sei es mir gestattet, ein wenig von meinem Thema . abzuschweifen und mit ein paar Worten die Anordnung der Fibrillen in den Sehwanzmuskelzellen von Clavelina zu beleuchten. Die ersten Aufzeiehnungen hierüber verdanken wir SEELIGER (15). Dieser Autor beschreibt auf jeder Seite der Chorda drei Muskelzellen, welehe den ganzen seitlichen Raum des Schwanzes zwischen Ektoderm und Chorda einnehmen, während dorsal das Nervenrohr, ventral der Entodermfortsatz gelegen sei. Er beschreibt den in Fig. 52 Taf. V wiedergegebenen Querschnitt durch den Schwanz folgendermaben weiter: »Was aber die epitheliale Muskelzelle als solche kennzeichnet, ist die eigenthümliche Ausbildung der Fibrillen. Eine jede Muskel- Zelle scheidet sowohl an der der Chorda, als auch an der dem Hautepithel zugekehrten Seite, außerdem die das Nervenrohr und den Entodermfortsatz begrenzenden Zellen an der diesen Gebilden zugewendeten Fläche Fibrillen aus.< vAN BENEDEN und JULIN (16) 542 | Gustav Kuhn geben gelegentlich ihrer Beschreibung des caudalen Nervensystems in Fig. 10 Pl. XVII einen Querschnitt durch den noch in der Eihülle gelegenen Schwanz eines Clavelina-Embryos. Obwohl sie die An- ordnung der Fibrillen nicht beschreiben, so geht aus der Zeichnung deutlich hervor, dass die Muskelzellen an ihrer ganzen Peripherie Fibrillen ausgeschieden haben. Ich habe mehrere Schnitte erhalten, | an denen man die Anordnung der Fibrillen gut erkennen kann. Ein nach HEIDENHAIN gefärbtes Präparat zeigt dieselben aber so hoch differenzirt, dass ein Irrthum unmöglich ist und ich habe fest- stellen können, dass in Embryonen und eben ausgeschlüpften Larven die Fibrillen genau so angeordnet sind, wie sie SEELIGER beschrieben und in seiner Fig. 52 Taf. V gezeichnet hat. il. Ciona intestinalis. Uber die allererste Entwicklung des Herzens von Ciona intesti- nalis liegen bisher keine beweiskräftigen Untersuchungen vor. Schon KowALEWSKY (6) sah das Herz aus einem der Kiemendarmwand intim angehefteten Zellhaufen sich bilden, konnte jedoch den ge- nauen Entwicklungsvorgang nicht verfolgen. WiLLEy (21), Pizon (22) und Marc DE Setys-Lonecuampes (31) glauben, aus dem Vergleich mit Clavelina auf einen entodermalen Ursprung des Herzens bei Ciona schließen zu dürfen; es ist ihnen wegen der Kleinheit des Objektes jedoch nicht gelungen, das erste Stadium in den Präparaten aufzufinden. JuLiN (30) endlich spricht sich für einen entwicklungs- geschichtlichen Zusammenhang des Perikardialbläschens und der . Perivisceralhöhlen aus, obwohl bereits früher NEWSTEAD (26) und Damas (29) gezeigt hatten, dass beide Theile sich unabhängig von einander entwickeln. Diese letzteren Angaben sind dann auch 1901 von MARC DE SELYS-LONGCHAMPS (31) bestätigt worden. Dank dem reichlichen und guten Material ist es mir gelungen, Präparate von den ersten Entwicklungsstadien des Herzens von Ciona zu erhalten und ich will versuchen, durch nachfolgende Be- schreibung die in der Kenntnis von der Herzentwicklung bestehende Lücke auszufüllen und an der Hand der Figuren von den späteren Entwicklungsstadien zu zeigen, dass Ciona betreffs der Herzentwick- lung keine Sonderstellung unter den Ascidien einnimmt. Um dem Leser die Beschreibung meiner Schnitte von den ersten Entwicklungsstadien des Herzens bei Ciona verständlicher zu machen, will ich in Kürze die Lage der Organe bei einer freischwimmenden Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 543 Larve (Fig. 33) beschreiben. An derselben kann man einen Rumpf- ‘und Schwanzabschnitt unterscheiden. Letzterer ist nur in seinem Anfangstheile wiedergegeben und überragt ersteren an Länge un- geführ um das 2!/jfache. Das vordere Ende des walzenförmigen, vorn etwas zugespitzten Rumpfabschnittes ist. gekennzeichnet durch drei Haftpapillen (Ap) Ungefähr in halber Länge des Rumpfes be- - findet sich dorsal und median die Mundóffnung (i), durch die man in den geräumigen Kiemendarm (Ed) gelangt, welcher den ventralen Theil des Larvenrumpfes einnimmt und dessen vordere Wand eine dorso-ventral verlaufende Rinne, den Endostyl (es, bildet. An der hinteren Wand des Kiemendarms entspringt median der Osophagus - (oe), welcher sich nach ventral krümmt, um in den ein wenig rechts - von der Medianebene gelegenen Magen (m) einzumünden. Letzterer, — dessen große Curvatur naeh dem hinteren Ende der Larve sieht, " begiebt sich nach ventral und zieht sich an seinem am weitesten - nach rechts und ventral gelegenen Pylorusende in den Mitteldarm (md) aus, der sieh nach vorn begiebt. Zwischen der Sinnesblase (sb) und der Mündung des Osophagus in den Kiemendarm findet sich zu bei- - den Seiten des letzteren jederseits die erste, in der Figur mit einem - hellen Ton versehene Peribranchialanlage (pa). Die ganze dorsale Partie des Larvenrumpfes wird von dem median gelegenen Central- mervensystem eingenommen, das in seinem vorderen Theile die um- fangreiche Sinnes- oder Cerebralblase (sb) bildet. In der Wand der- - selben befinden sich die beiden Sinneskórper. Während das Gehör- organ (o) in der ventralen Wand und median gelegen. ist, liegt das 3matt wiedergegebene Auge (oc) in der dorsalen Wand und rechts von der Medianebene. Nach hinten setzt sich die Wand der Sinnes- blase in das stark ausgebildete, median gelegene Rumpfganglion (rg) fort, welehes man bis zum Schwanzanfang verfolgen kann. Das _Achsenorgan des Schwanzes, die Chorda (ch), schiebt sich median zwischen Rumpfganglion und dorsaler Wand des Magens und Öso- phagus bis zum Ursprung des letzteren aus der Kiemendarmhóhle in den Rumpf vor. Ventral von der Peribranchialanlage und rechts vom Mitteldarm und vom Boden des Kiemendarms befindet sich, ganz in der rechten Körperhälfte gelegen, das hell gezeichnete, pri- mire Perikardialbläschen, dessen einschichtige Wand (4) ein allseitig geschlossenes Lumen, die Perikardialhöhle (pA), umschließt. — Bevor ich die Schnitte von Ciona beschreibe, möchte ich noch erwähnen, dass ich bei Anfertigung aller Serien stets am vor- deren Körperende resp. ventral zu schneiden begonnen und die dem a 544 Gustav Kuhn Mikrotommesser zugek hrte Schnittfläche auf den Objektträger gelegt habe. Da alle Figuren so orientirt sind, dass die ventrale resp. hintere Seite der Schnitte nach unten gekehrt ist, so resultirt daraus, dass die linke Seite der Schnitte der rechten, die rechte der linken Körperhälfte entspricht. Bei Ciona hält die Entwicklung des Herzens mit der der übrigen Organe im Allgemeinen gleichen Schritt; jeden- : falls herrscht in dieser Beziehung keine so große individuelle Ver- - schiedenheit wie bei. Clavelina. 3 A. Während bei Clavelina die erste Herzanlage sich bereits auf einem sehr frühen Entwicklungsstadium des Embryos vorfand, bei : dem die primäre Leibeshöhle sich zu bilden begann, tritt dieselbe — bei Ciona erst auf eben ausgeschlüpften, freischwimmenden Larven auf, die ein wenig jünger sind, als die in Fig. 33 abgebildete. Die Figg. 34—36 zeigen uns den ventralen Theil dreier auf einander | folgenden, parallel zum Endostyl geführten Schnitte einer Serie, die — von einer auf diesem Entwicklungsstadium stehenden Larve ange- : fertigt ist. Zwischen der Kiemendarmwand (£d) und dem Ekto- © derm (a) dehnt sich bereits überall die primäre Leibeshöhle aus, in — der sich schon die gleichen Mesodermzellen befinden, wie auf den späteren Entwicklungsstadien. Man erkennt sie, wie bei Clavelina, © theils als kuglige und eiförmige Gebilde (mz), deren einige dureh — ihre bedeutende Größe auffallen, theils als spindelförmige und stern- - fürmige oder verästelte Bindegewebszellen (dz). Einige Zellen sitzen — den Wänden der primären Leibeshöhle mit breiter Basis auf und sind an dem der Anheftungsstelle abgewendeten Ende spitz aus- | gezogen. Bei Betrachtung der ventralen Kiemendarmwand fällt dem Be- - obachter eine einschichtige, durch den geringeren Dottergehalt heller . erscheinende Zellschicht (7), die quer durchschnittene Herzanlage, — auf, welche einen Theil der Kiemendarmwand darstellt und mit dem — Ektoderm in keiner Verbindung steht. Die Zellen der Herzanlage, welche zickzackartig in die der Kiemendarmwand eingreifen, zeigen letzteren gegenüber hier, wie auf den folgenden Entwicklungsstadien, - genau dieselbe Verschiedenheit, wie ich sie fiir Clavelina in Fig. 4 abgebildet habe, so dass es überflüssig erscheint, hier auch eine unter Anwendung von Olimmersion angefertigte Abbildung der ersten Herzanlage bei Ciona zu geben. Diese soeben erwähnte Zell- $4 schicht (^), welche nicht mehr zur Begrenzung der Kiemendarmhóhle Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 545 beiträgt, kann man auf drei Schnitten erkennen. In Fig. 34, welche - den ersten Schnitt durch die Herzanlage zeigt, sehen wir, dass die- selbe ungefähr median gelegen ist und aus 4 Zellen besteht. Auf dem folgenden Schnitt (Fig. 35) baut sich die in Frage kommende Zellschicht ebenfalls noch aus 4 Zellen auf und besitzt annähernd -dieselbe Breite, wie in Fig. 34; man kann jedoch schon erkennen, dass die am weitesten nach links gelegene Zelle der Anlage an ‚Größe abgenommen hat. Das auf dem Nachbarschnitt erkennbare Ende der Herzanlage, welches in Fig. 36 wiedergegeben ist, besteht nur noch aus drei Zellen. Wie aus dieser Serie hervorgeht, hat die erste Anlage des Her- zens und Perikards bei Ciona genau dasselbe Aussehen wie bei Ola- velina. Dieselbe tritt uns als ein von vorn nach hinten an Breite allmählich abnehmender Zellstreifen an der ventralen Pharynxwand entgegen, der im Allgemeinen median gelegen ist. Derselbe ist zickzackartig mit der Kiemendarmwand verbunden und stellt uns deshalb einen Theil der letzteren dar, so dass kein Zweifel über den entodermalen Ursprung der ersten Herzanlage bestehen kann. Das zweite Entwicklungsstadium des Herzens finden wir fast auf derselben Stufe der Entwicklung des Embryos, auf welcher wir der ersten Herzanlage begegneten. Dasselbe sehen wir in den Figg. 37—39, welche den ventralen Theil dreier benachbarten, pa- rallel zum Endostyl geführten Schnitte einer Serie darstellen. In Fig. 37 erkennen wir an der ventralen Kiemendarmwand die Herz- anlage (%), ähnlich wie in den Figg. 34—36, als einen einschich- tigen, in Folge des geringeren Dottergehalts heller erscheinenden Zellstreifen, der aus vier Zellen besteht, welche mit denen der Pharynxwand zickzackartig verbunden sind. Auf dem folgenden Schnitt (Fig. 38) tritt uns die Herzanlage (4) als eine kleine Aus- stülpung des Kiemendarms entgegen. Die Höhle (pA) dieses nach der rechten Kórperseite strebenden Divertikels steht deutlich mittels einer engen Öffnung mit der Kiemendarmhóhle in Kommunikation. Bei genauer Betrachtung dieses Divertikels kann man bereits deut- lich die Stelle erkennen, an welcher die Abschnürung desselben von der Pharynxwand erfolgen wird. Das Ende der Herzanlage er- - kennt man auf dem Nachbarschnitt (Fig. 39) als ein selbständiges, " dorso-ventral ein wenig abgeplattetes Rohr (4), welches ein winziges. Lumen (pA) besitzt und ein wenig rechts von der Medianebene ge- legen ist. Die Zellen der dorsalen Wand dieses Rohres und die- jenigen der Kiemendarmwand greifen wie die Zähne zweier 546 Gustay Kuhn Zahnräder in einander, wodurch beide Theile innig mit einander . verbunden sind. Wie bei Clavelina, so tritt uns also auch bei Ciona das zweite Entwicklungsstadium des Herzens als ein kleines, gewissermaßen noch in der Kiemendarmwand steckendes Divertikel des Pharynx entgegen, welches sich in seinem hinteren Ende auf die rechte Kör- perseite begiebt und dessen Wand von dem oben beschriebenen und | in den Figg. 34—36 abgebildeten Zellstreifen (A) gebildet wird. Wenn die Divertikelbildung auch anfangs nur.in einer Verdickung der Pharynxwand besteht, so tritt doch sehr bald vorübergehend eine enge Kommunikation zwischen Divertikellumen und Kiemen- darmhöhle auf, so dass sich, genau so wie bei Clavelina, auch bei Ciona die Herzanlage ohne Zweifel in Gestalt eines Endodermdiver- tikels zeigt, dessen Lumen die spätere Perikardialhöhle darstellt. Es bedarf nur einer Abschnürung dieses Divertikels von der Pha- rynxwand, um das allseitig geschlossene Perikardialbläschen ent- stehen zu lassen. Diese Abschnürung erfolgt erst bei den Larven, welche ungefähr dieselbe Entwicklung zeigen, wie die in Fig. 33 abgebildete. In der der Fig. 40 zu Grunde liegenden Larve verlief der Endostyl bereits ein wenig schräg von vorn und dorsal nach hinten und ventral und die Schnitte dieser Serie sind parallel zum Endostyl geführt worden. Die erwähnte Fig. 40 stellt uns den ventralen, hinteren Theil eines durch die Mitte des quer getroffenen Herzens (^) gehenden Schnittes — dar, und man erkennt bei Verfolgung der Serie, dass die Anlage des Herzens und Perikards die Gestalt eines selbständigen, allseitig geschlossenen Schlauches besitzt, der in seinem vorderen Theile mit — dem Verdauungstractus in Berührung steht, jedoch scharf von diesem abgegrenzt ist. Im hintersten Theile dieses Rohres kann man be- reits konstatiren, dass es sich vom Magen abzulösen beginnt. Die Herzanlage ist deutlich in der rechten Körperhälfte gelegen, und wir finden dieses Verhalten von jetzt ab auf allen höheren Ent- wicklungsstadien. Wie bei Clavelina, so stellt uns auch bei C?ona dieser Schlauch das primäre Perikardialbläschen dar, und das ur- sprünglich der Kiemendarmhöhle entstammende Lumen desselben ist : die Perikardialhöhle. NEWSTEAD (26) sah die erste Anlage des Herzens bei Ciona in Gestalt eines einzigen Blüschens an der ventralen Kiemendarmwand. MARC DE SELYS-LONGCHAMPS (31) hat die erste Herzanlage von Crona bei freischwimmenden Larven an der ventralen Pharynxwand als Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 547 zwei kleine, wohl individualisirte und von einander getrennte Blasen, - die »vésieules péricardiques«, gesehen, welche ein winziges, aber _ deutliches Lumen besaßen und von denen die eine rechts die andere links von der Medianebene gelegen war. Wie aus meinen obigen Ausführungen hervorgeht, ist die Anlage des Herzens und Perikards von Anfang an eine einfache. Sie tritt bei jungen freischwimmen- den Larven zunächst als eine Entodermverdickung und em Di- vertikel des Kiemendarms auf. Bei älteren, freischwimmenden Lar- ven schnürt sich letzteres von der Pharynxwand ab und lässt so ein einziges, allseitig geschlossenes und in der rechten Körperhälfte gelegenes, primäres Perikardialrohr hervorgehen. Ich kann somit die Angaben NEWsTEAD's bestätigen und muss hinzufügen, dass ich niemals in meinen Präparaten Anhaltspunkte gefunden habe, die auf eine Duplieität der ersten Herzanlage bei Crona deuteten. Dem nächsten Entwicklungsstadium des Herzens begegnen wir bei Larven, welche sich im Beginn der Metamorphose befinden und somit ein wenig jünger sind, als die von WirnLEv (21) in Fig. 2 Pl. XXX abgebildete. Wie diese Figur zeigt, sind bereits jederseits zwei winzige Kiemenspalten zum Durchbruch gekommen und der Endostyl hat gegenüber der freischwimmenden, in Fig. 33 abgebil- deten Larve insofern eine Verlagerung erfahren, als seine Lüngs- -aehse nicht mehr dorso-ventral, sondern schrüg von vorn und dorsal nach hinten und ventral verläuft. Das Herz hat sich in gleicher Weise verlagert, so dass hier, wie bei der freischwimmenden Larve |j . (Fig. 33), die durch die Längsachse des Herzens und des Endostyls gelegten Frontalebenen senkrecht zu einander stehen. Um von diesem Entwieklungsstadium der Larve Querschnitte dureh das Herz zu erhalten, habe ieh parallel zum Endostyl geführte, also frontale Längsschnitte angefertigt und in den Figg. 41 und 42 den ventralen, hinteren Theil zweier benachbarten Schnitte einer Serie wiedergegeben. Die Zellen des Ektoderms (a) haben sich im Vergleich zum nächst jüngeren, in Fig. 40 abgebildeten Stadium mehr gestreckt und man erkennt die Anlage des Herzens (Az) und Perikards (pc) als ein selbständiges Organ zwischen Ektoderm und - hinterem Ende des Endostyls (es) In Fig. 41, dem zweiten Schnitt — dureh die Herzanlage, erkennen wir letztere in Gestalt eines halb- ' mondfórmigen Bläschens, dessen konvexe Wand, die eigentliche — Perikardialwand (pc), nach dem Ektoderm zu gelegen ist, während die konkave Wand desselben, die Herzwand (Az), naeh dem Ende des . Endostyls, also naeh vorn zu schaut. Während die Perikardialwand 548 Gustav Kuhn aus flachen Zellen besteht, baut sich die Herzwand aus kubischen : Zellen auf. Die zwischen Herz- und Perikardialwand gelegene Höhle ist die Perikardialhöhle (p^), während die durch Invagination der — vorderen Wand des Kardioperikardialbläschens entstandene, seichte . Rinne (^A) die erste Anlage der Herzhóhle darstellt. Auf dem folgen- den Schnitt (Fig. 42) sieht man, dass die vordere Wand des Perikar- - dialbläschens sich tief eingestülpt hat und dass die die Herzwand (Az) darstellenden Wandtheile der Einstülpung sich dicht an einander | gelegt haben, so dass die Herzhöhle (^A) ein spaltfórmiges Aussehen besitzt. Im Übrigen zeigen Herz- und Perikardialwand dieselbe Differenzirung in der Zellhóhe, wie in Fig. 41. Der Nachbarschnitt, sowie der erste durch die Herzanlage geführte Schnitt zeigen ein gleiches Aussehen und treten uns je als zwei von einander getrennte — Blaschen entgegen. Wie diese Serie lehrt, hat sich, genau so wie bei Clavelina, | auch bei C?ona das in Fig. 40 abgebildete, primäre Perikardialrohr in Herz- und Perikardialwand differenzirt und es ist durch Einstül- pung der naeh dem hinteren Ende des Endostyls, also nach vorn schauenden Wand eine Herzrinne gebildet worden, welche am vor- - -deren, ventral gelegenen Ende des Herzens zunächst seicht ist, sich jedoch nach dem hinteren, dorsal gelegenen Ende zu erheblich ver- | tieft. Sowohl am vorderen, wie am hinteren Ende des Herzens hat sich der Perikardialsack selbständig in je zwei Zipfel ausgezogen, welche zu beiden Seiten der Herzorificien gelegen sind. WILLEY (21) schließt aus dem Vergleich mit Clavelina auf eine - einfache, solide Herzanlage bei Ciona und ist der Ansicht, dass in. derselben bei in Metamorphose befindlichen Larven zwei durch ein — doppeltes Septum von einander getrennte Lumina entstehen, die später zu einer einzigen Höhle, der Perikardialhöhle, konfluiren. Bei dieser Behauptung stützt sich WiLLEY auf einen von ihm in Fig. 12, Pl. XXX abgebildeten Querschnitt durch eine in Metamor- phose befindliche Larve. Uber die Entstehung der Herzhóhle spricht | er sich auf Grund eines in Fig. 30 Pl. XXXI abgebildeten, optischen Durchsehnitts durch das Herz folgendermaßen aus: »In Ciona the - septum dividing the two halves of the pericardium is quite complete, and does not break down, and the heart forms by a splitting apart - of the two layers composing the septum.« NEWSTEAD (26) giebt an, - dass die Herzhöhle bei Ciona, genau so wie bei Clavelina, durch - Invagination der nach dem Verdauungstractus schauenden Wand des | Perikardialbläschens hervorgehe. Auch JULIN (30) führt die Entstehung — Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 549 - der Herzhöhle bei Ciona auf den von NEwsTEAD angegebenen Bil- _ dungsmodus zurück. Marc DE SeLys-LonGcHanps (31) ist der An- sicht, dass seine beiden »vésieules péricardiques« sich mit einander vereinigen, so dass bei Larven, welche sich im Beginn der Meta- morphose befinden, ein einziges Perikardialblüsehen entstehe, das dureh ein doppelwandiges Septum vollkommen in zwei Hilften ge- theilt sei. Die Herzhóhle entstehe gegen das Ende der Metamor- - phose dureh Auseinanderweichen der beiden Blätter dieses Septums. Die beiden Lumina der anfangs getrennten Perikardialbläschen lassen eine einzige Perikardialhöhle entstehen, indem sie in Folge Resorption des ventralen Theils des doppelwandigen Septums mit - einander konfluiren, während der dorsale Theil desselben bestehen - bleibe und als Herzraphe die Herzhóhle verschlieBe. Auf die þe- - züglieh der Entstehung der Herzhóhle bei Ciona gegebenen Dar- - stellungen von WinLLEY (21) und Marc DE SELYS-LONGCHAMPS (31) sich stützend, hat Lane (34), um die Herzbildung bei Ciona von der der übrigen Tunicaten ableiten zu können, die schon weiter oben angegebene und widerlegte Theorie aufgestellt, dass die Herzhöhle - bei den Tunicaten durch Auseinanderweichen der beiden Blätter des darmwärts gerichteten Theils des doppelwandigen Septums zwischen zwei anfänglich getrennten Cölombläschen hervorgehe. | Wie ich bereits oben gezeigt habe, muss man von den im Be- - ginn der Metamorphose befindlichen Larven parallel zum Endostyl ' geführte, also frontale Längsschnitte anfertigen, um das Herz auf - dem Querschnitt zu erhalten. Würde man die Larve, welcher die Figg. 41 und 42 entstammen, quer durehsehnitten haben, so würde - das dann in der Längsrichtung getroffene Herz auf den Schnitten ein ähnliches Aussehen haben, wie in den Zeichnungen von WILLEY (21) und MARC DE SELYS-LONGCHAMPS (31). In Folge der tiefen Invagi- nation der vorderen Wand des Perikardialbläschens würde auf den Schnitten die Einstülpung als solche kaum zu erkennen sein und ein doppelwandiges Septum vortäuschen. Zu dieser falschen Deu- tung sind die beiden genannten Autoren in der That gelangt, in der Meinung, das quer durchschnittene Herz vor sieh zu haben. Wie ‘meine obigen Befunde zeigen, handelt es sich also in Wirklichkeit ‘nicht um ein doppelwandiges Septum, sondern um eine Einstülpung der vorderen Wand des Perikardialbläschens. Allerdings tritt diese Einstülpung nicht wie bei Clavelina als eine seichte, weit geöffnete Rinne in der ganzen Länge des Herzens auf, sondern zeigt dies Ver- "halten nur im vorderen Theile desselben, während sich nach hinten Morpholog. Jahrbuch. 31. 36 550 Gustay Kuhn zu die Wände der tiefen Einstülpung an einander legen und so eine - spaltförmige Herzhóhle entstehen lassen. Hierdurch wird die Be- deutung der Anlage der Herzhóhle als eine Einstülpung der vorderen - Wand des primären Perikardialbläschens aber keinesfalls in Frage | gestellt, und ich will vorweg bemerken, dass ich auf den nächsten Entwieklungsstadien des Herzens zeigen werde, dass das von MARC DE SELys-LoxacHAuPs (31) in Fig. 20 Pl. XVII abgebildete Herz, am | dem er die Bildung der Herzhöhle dureh Auseinanderweichen der Blätter des doppelwandigen Septums demonstrirt, wohl nicht ganz mit dem der Figur zu Grunde liegenden Präparat übereinstimmen dürfte. Es wird somit der oben erwähnten Hypothese Lane’s das Fundament entzogen. Ich kann auch nicht die Angaben von WILLEY (21) und Marc DE SELYS-LONGCHAMPS (31) bestätigen, dass die Perikar- dialhöhle doppelten Ursprungs ist und dass die beiden Anfangs durch | ein doppelwandiges Septum von einander getrennten Theile derselben : erst auf einem späteren Entwicklungsstadium zu einer einzigen Höhle | konfluiren. Ich kann mich dagegen den Ausführungen von NEWw- STEAD (26) und zum Theil auch von JULIN (30) anschließen, denn wie ich gezeigt habe, ist die Anlage der Perikardialhóhle von An- fang an eine einfache. B. Um die Bildung der Herzhöhle durch Einstülpung der vorderen . Wand des Perikardialsacks vollkommen klar zu stellen, habe ich in - Fig. 43 den kinteren Theil eines frontalen, also parallel zum Endo- : styl geführten Schnittes einer Serie abgebildet. Letztere entstammt einer Larve, bei welcher die Metamorphose fast beendet war. Die Ektodermzellen (a) haben sich sehr stark abgeflacht und das Herz ist frei in der primären Leibeshöhle gelegen. Der erwähnte, in Fig. 43 abgebildete Schnitt ist durch die Mitte des Herzens geführt und man erkennt dasselbe in der rechten Körperhälfte zwischen Ektoderm (a) und Kiemendarmwand (Ad). Der Pharynx ist gerade | oberhalb des Endostyls durchschnitten worden, so dass die rechte - Wand desselben noch die hohen Übergangszellen vom Endostyl zur — Kiemendarmwand zeigt. Bei Betrachtung des Herzens erkennen ° wir, dass die dicht an einander liegenden Wände der in Fig. 42 be- - schriebenen Einstülpung der vorderen Wand des Perikardialblaschens . dureh ihr Auseinanderweichen eine umfangreiche Herzhöhle (AA) - haben entstehen lassen, die einige Blutkörperchen enthält und nach © vorn mit breiter Öffnung mit der primären Leibeshöhle in Verbindung — Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 551 steht. Die Perikardialwand (pc) besteht aus ganz flachen Zellen, während sich die Herzwand (iz) aus höheren Zellen aufbaut. Letz- tere kehren, wie bei Clavelina, den protoplasmatischen Theil der Peri- kardialhöhle (pA) zu und haben an der der Herzhöhle zugewendeten Seite Muskelfibrillen ausgeschieden, welche, wie schon SEELIGER (32) und Here (33) beschrieben haben, in der Längsrichtung des Herzens verlaufen und somit auf den Querschnitten desselben als winzige 'Körnchen erscheinen. Während die beiden mittleren Schnitte durch das Herz das gleiche Aussehen haben, hat sich der Perikardialsack an beiden Herzenden in je zwei Zipfel ausgezogen, welche lateral von den Herzorificien gelegen sind. — Das Herz tritt uns also, wie bei Clavelina, in Gestalt eines doppelwandigen Rohres entgegen, dessen äußere Wand die Peri- kardialwand ist, während die innere die Herzwand darstellt und die nach vorn dureh eine breite Spalte mit der primären Leibes- héhle in Verbindung stehende Herzhöhle begrenzt. T Das nächste Entwicklungsstadium des Herzens finden wir bei — jungen, festsitzenden Larven, welche dieselbe Ausbildungsstufe zei- — gen, wie die von SEELIGER (25) in Fig. 36 Taf. XX abgebildete. Wie diese Figur zeigt, sind bereits jederseits zwei große Kiemen- — spalten vorhanden. Der an der hinteren Wand des Kiemendarms -entspringende Osophagus krümmt sich nach ventral zu und mündet in den ein wenig rechts von der Medianebene gelegenen Magen. Letzterer, dessen große Curvatur nach dem hinteren Ende der Larve sieht, begiebt sich nach ventral, um an seinem Pylorusende in den Mitteldarm überzugehen. Dieser schlägt sich nach der linken Kör- perseite um und setzt sich in den Enddarm fort, der in der linken | Körperhälfte schräg von hinten und ventral nach vorn und dorsal zur Egestionsóffnung zieht. Der Endostyl zeigt gegenüber den im Beginn der Metamorphose befindlichen Larven eine weitere Lage- veränderung. Er ist in seiner ganzen Ausdehnung in der ventralen - Wand des Kiemendarms gelegen, so dass die durch den Endostyl gelegte Längsachse genau in der Längsrichtung des Körpers ver- läuft. Die Lage des Herzens erkennt man auf dem in Fig. 44 ab- "gebildeten, hinteren Körperabschnitt einer auf obigem Entwicklungs- stadium befindlichen Larve. Man sieht, dass caudalwiirts von der hinteren Wand des Kiemendarms (£7) in der Leibeshóhle der Ver- [ auungstractus gelegen ist, dessen einzelne Abschnitte man deutlich erkennen kann. Zwischen der ventralen Wand des Magens (m) und dem hinteren Ende des Endostyls (es) liegt frei in der Leibeshóhle 552 Gustav Kuhn und in der rechten Körperhälfte das Herz. Dasselbe hat, wie bei Clavelina, die Gestalt eines doppelwandigen Rohres, dessen Lüngs- achse dorso-ventral verläuft und dessen Wände vorn in einander übergehen. Der so gebildete, an der vorderen Herzwand verlaufende Herzschlitz ist in der Figur durch einen dunkel getönten Streifen angedeutet. Zwischen der Perikardialwand (pc) und der die Herz- höhle (44) begrenzenden, wellig verlaufenden Herzwand (Az) liegt die in der Figur hell gehaltene Perikardialhóhle (ph). Wir sehen. also, dass hier, wie auf allen früheren Entwicklungsstadien bei. Ciona, die dureh die Làngsaehse des Herzens und Endostyls ge- legten Frontalebenen senkrecht zu einander stehen. | Um also Querschnitte vom Herzen einer jungen, festsitzenden Larve zu erhalten, habe ich frontale Liingsschnitte durch dieselbe angefertigt und in den Figg. 45 und 46 den hinteren Theil zweier benachbarten Schnitte einer Serie wiedergegeben. Wir erkennen auch hier das frei in der Leibeshöhle und in der rechten Körper- hälfte gelegene Herz, dessen Herzwand (hz) gegenüber der Peri- kardialwand (pc) dieselbe Differenzirung aufweist, die ich bei Be- schreibung der Fig. 43 bereits erwähnt habe. Das Herz lässt sich über fünf Schnitte verfolgen und der zweite und dritte Schnitt durch dasselbe hat ein ähnliches Aussehen, als der in Fig. 45 abgebildete vierte. Auf diesem sieht man deutlich, dass die vorderen Ränder der Herzhóhle (44) sieh einander beträchtlich genähert haben. In der linken Kórperhülfte beobachtet man den Übergang des Mittel- darms (md) in den Enddarm. Links und rechts von der deutlich erkennbaren Retropharyngealnaht haben sich zwei Pharynxdivertikel | (ep) gebildet, welehe zu beiden Seiten am Herzen vorbei nach hinten. ziehen, die Anlagen der Perivisceralhéhlen darstellen und in vor- liegender Figur ihre größte Tiefe erreichen. Auf dem Naehbarschnitt (Fig. 46), dem der erste Schnitt durch das Herz vollkommen gleicht, .erkennen wir das Ende des letzteren als zwei von einander getrennte, | lateral zusammengedrückte Blasen, welche uns die zu beiden Seiten des Herzorificiums (hh) gelegenen Zipfel des Perikardialsacks dar- stellen. Ganz in der linken Körperhälfte sieht man den Enddarm (ed), — während der Mitteldarm (md) median hinter der Retropharyngealnaht | gelegen ist. Bei ganz tiefer Einstellung kann man bereits den in der Figur mit einem matten Ton angedeuteten Übergang des Mittel- darms in den Magen (m) erkennen, dessen ventrale Wand bei An- fertigung dieses Schnittes eben angeschält ist. Die beiden in Fig. 45° beschriebenen Pharynxdivertikel (ep) sind bedeutend flacher geworden. Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 553 . Wie sieh aus der soeben beschriebenen Serie ergiebt, zeigt das Herz außer einer Größenzunahme in allen Dimensionen und der An- nüherung der beiden vorderen Ränder der Herzhóhle an einander keine Weiterbildung gegenüber dem in Fig. 43 wiedergegebenen Stadium. Es ist aber auf dieser Entwicklungsstufe der Larve die erste Anlage der Perivisceralhóhlen als je ein Pharynxdivertikel links und rechts von der Retropharyngealnaht aufgetreten, welche je mit breiter Offnung mit der Kiemendarmhöhle kommunieiren. An dieser Stelle will ich erwähnen, dass in manchen Schnitt- serien von jungen, festsitzenden Larven die Herzwand an ihrer tiefsten Einstülpung nicht immer so deutlich von der Perikardialwand ge- trennt ist, wie in den meinen Figuren zu Grunde liegenden Präpa- raten. Da nach vorn zu die Herzhöhle durch Aneinanderlegen der beiden Ränder scheinbar geschlossen ist und nach hinten zu durch festes Andrücken der tiefsten Einstülpungsstelle der Herzwand an - die Perikardialwand eine Verwachsung der beiden Theile vorgetäuscht werden kann, so scheint der Perikardialsack in diesem Falle durch ein doppelwandiges Septum getheilt zu sein, das zwischen seinen . Blättern eine Höhle, die Herzhöhle, besitzt. Bei Verkennung der wahren Thatsachen hat Marc DE SELYS-LONGCHAMPS (31) thatsächlich seiner Fig. 20 Pl. XVII diese Deutung gegeben. Dass hier ein Irrthum untergelaufen sein dürfte, ist um so mehr anzunehmen, als dieser Autor die von mir in Fig. 42 abgebildete Herzeinstülpung in Folge der ungünstigen Schnittrichtung seiner Präparate als doppel- wandiges Septum aufgefasst hat. In Wirklichkeit ist also, wie meine Figg. 41—46 beweisen, die Herzhöhle durch Einstülpung der vorderen Wand des Perikardialbläschens entstanden, und die Herzwand geht niemals an ihrer tiefsten Einstülpungsstelle in die Perikardialwand über, sondern wo dies vorgetäuscht wird, handelt es sich nur um ein Aneinanderlegen der beiden Theile. Um dieses aber mit Sicher- heit festzustellen, bedarf es oft starker Vergrößerungen, selbst einer homogenen Apochromatimmersion, genau so, wie es manchmal nur gelingt, bei solchen Vergrößerungen den Übergang der Herz- in die Perikardialwand an den vorderen Rändern der Herzhöhle mit x Bestimmtheit darzuthun. | JuLIN (30) spricht sich für einen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang der Perivisceralhöhlen und des Perikardialbläschens aus und nimmt an, dass sich letzteres von dem rechten der beiden _ Prokardialdivertikel abschniire. Der linke und der Rest des rechten "Prokardialdivertikels sollen dann später zu den Perivisceralhöhlen 554 Gustav Kuhn auswaehsen. Schon WILLEY (21), NEwsTEAD (26), Damas (29) und MARC DE SELYS-LONGCHAMPS (31) haben gezeigt, dass sich Perivis- ceralhöhlen und Perikardialbläschen unabhängig von einander ent- wickeln, und ich kann mich diesen Ausführungen anschließen, denn wie meine Befunde zeigen, treten die ersten Anlagen der Perivisceral- höhlen erst bei jungen, festsitzenden Larven als zwei kleine, mit dem Herzen in keiner Beziehung stehende Divertikel auf, während in Fig. 43 das Herz bereits ziemlich weit entwickelt ist, ohne dass auch nur eine Spur der Perivisceralanlage zu entdecken ist. | C. Auf dem in den Figg. 45 und 46 wiedergegebenen Herzen sind alle Theile angelegt, die das vollkommen ausgebildete Herz zeigt. Um die Herzentwicklung zum Abschluss zu bringen, ist es nur nöthig, dass die Herzspalte durch Bindegewebe verschlossen wird und dass das hintere, also dorsal gelegene Ende des Herzens sich nach rück- wärts umbiegt, um so die Form einer U-förmig gebogenen Schleife hervorgehen zu lassen. Die beiden Perivisceralhöhlen brauchen sich nur zu vergrößern und am Herzen vorbeizuwachsen, um letzteres zwischen sich zu nehmen. Diese Vollendung der Herzentwicklung vollzieht sich aber erst bei ganz alten Thieren und es ist überflüssig, hier das fertig ausgebildete Herz zu beschreiben, da dasselbe von SEELIGER (32) und Herme (33) eingehend untersucht und erschöpfend dargestellt ist. Wie sich also aus meinen Untersuchungen ergiebt, vollzieht sieh — die Entwicklung des Herzens bei Ciona genau in der gleichen Weise wie bei Clavelina. Wir sehen die Herzanlage zunächst als eine Ver- - diekung der Pharynxwand und ein Divertikel der Kiemendarmhöhle, welches sich zu einem allseitig geschlossenen, primären Perikardial- rohr abschnürt. Letzteres lässt durch /nvagination seiner darmwarts gerichteten Wand die Herzhöhle entstehen und der Herzschlitz wird durch Bindegewebe verschlossen. Das Perikardialbläschen und das Epikardialorgan, die Perivisceralhöhlen, stehen in keinem entwicklungs- : geschichtlichen Zusammenhang. Ciona nimmt also bezüglich der : Herzentwicklung die ihr bis dahin zugesprochene Sonderstellung ` unter den Ascidien keineswegs ein, und ich kann nicht dem von . Marc DE SELYS-LONGCHAMPS (31) bestätigten Schlusssatze WILLEY’s(21) - beistimmen: »The heart of Ciona arises by the splitting apart of 1 the two layers of the septum which primarily divided the peri- | cardium into two halves.« Q Über die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 55 Litteraturverzeichnis. me mr m 1) DICQUEMARE, Journal de Physique. T. IX. 1777. 2) CuviER, G., Mémoire sur les Ascidies et sur leur anatomie. Mém. du Mu- séum. T.II. 1815. 3) SaviaNY, Mémoires sur les animaux sans vertèbres. Troisième mémoire (Observations sur les Ascidies proprement dites) Paris 1816. 4) Lister, Some observations on the structure and functions of tubular and cellular Polypi and of Ascidiae. 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Gesellschaft in Zürich. Jahrgang XLVII. 1902. aic ar SUN SV ed ere 6s: -— | EP Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 557 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX —XXI. it a äußere Körperschicht (Ektoderm), % Kiemenspalte, bg Bindegewebe, kd Kiemendarm, bz . Bindegewebszellen, Im Lüngsmuskeln, ch Chorda, m Magen, primitive Kiemendarmwand, md Mitteldarm, dt Dotterschollen, mz Mesodermzellen, Egestionsöffnung, nr Nervenrohr, ed . Enddarm, o Gehürorgan, ep Epikardialorgan, oc Auge, Endostyl, oe Osophagus, Jg Flimmergrube, p Peribranchialraum, À gemeinsame Anlage von Herz und pa Peribranchialanlage, Perikard, pc Perikardialwand, Ah Herzhöhle, | ph Perikardialhöhle, hp Haftpapillen, rg Rumpfganglion, hs Haftstolo, sb Sinnes- oder Cerebralblase, hz Herzwand, sm Schwanzmuskelzellen, i Ingestionsóffnung, é Mantel. Tafel XIX. ji Fig. 1. Optischer Durchschnitt einer jungen, freischwimmenden Larve von | Clavelina, von der rechten Seite gesehen, in Alkohol fixirt und mit c pax gefärbt. Vergr. 170/1 (Zeıss DD, Ocular 1). Fi igg. 2 u. 3. Ventraler Theil zweier benachbarten Schnitte einer Querschnitt- serie durch einen ganz jungen Embryo von Clavelina, der die erste Herzanlage (A) bereits besitzt. Derselbe ist mit Pikrinschwefelsäure fixirt und mit Methylenblau gefärbt. Vergr. 385/1 (Zeiss F, Ocular 1). Fig. 4. Theil eines Querschnittes durch die erste Herzanlage (A) eines Em- bryos von Clavelina, der mit Pikrinschwefelsäure fixirt und mit Hä- matoxylin gefärbt er Vergr. 1335/1 (ZEISS 1/18 Ol-Immersion, Ocular 3). Figg. 5—7. Ventraler Theil dreier, parallel zum Endostyl geführten Schnitte einer Serie, die von einem Embryo von Clavelina stammt, welcher schon eine Differenzirung des primitiven Darms in einen athmenden und verdauenden Abschnitt zeigt. Die Herzanlage (4) erkennt man als ein Divertikel des Pharynx. Der Embryo ist mit Pikrinschwefel- säure fixirt und mit Hämatoxylin gefärbt. Vergr. 385/1 (Zeiss F, Ocular 1). Figg. 5—10. Ventraler Theil dreier Schnitte einer Querschnittserie von einem mit Pikrinschwefelsäure fixirten und mit Hiimatoxylin gefärbten Em- 4 H ^ bryo von Clavelina, dessen verdauender Abschnitt des Darms sich zu | differenziren beginnt. Die Herzanlage (A) bildet ein der Pharynxwand A = anliegendes, allseitig geschlossenes Rohr. Vergr. 385/1 (Zziss F, EC Ocular 1). igg. 11—13. Drei parallel zum Endostyl geführte Schnitte einer Serie von einem älteren, mit Hämatoxylin gefärbten Embryo von Clavelina, der 558 Gustav Kuhn jederseits zwei Kiemenspalten besitzt und dessen verdauender Ab- schnitt des Digestionstractus sich vollkommen differenzirt hat. In den Figg. 12 und 13 ist nur der ventrale Theil der Schnitte abge- — bildet. Das Perikardialbläschen liegt fast frei in der primären Leibes- höhle und die ersten Epikardialanlagen (ep) sind bereits vorhanden. Vergr. 385/1 (Zeıss F, Ocular 1). o! Figg. 14—16. Drei Schnitte aus einer Querschnittserie von einer eben aus der - Eihülle geschlüpften, freischwimmenden Larve von Clavelina, welche mit Pikrinschwefelsäure fixirt und mit Hämatoxylin gefärbt ist. In den Figg. 15 und 16 ist nur der ventrale Theil der Schnitte wieder- | gegeben. Das Perikardialbläschen liegt frei in der Leibeshöhle und | das Epikard (ep) erkennt man als zwei Divertikel des Pharynx. Vergr. 385/1 (Zeıss F, Ocular 1). Ä j Tafel XX. Fig. 16. Siehe Taf. XIX Figg. 14—16. " Figg. 17—19. Drei Schnitte einer Querschnittserie von einem alten, mit Pikrin- schwefelsäure fixirten Embryo von Clavelina, der nach HEIDENHAIN gefärbt ist. Perikard und Epikard (ep) sind weiter entwickelt als auf den vorhergehenden Figuren. In der Herzwand (hz) sind Muskel- fibrillen aufgetreten. Vergr. 385/1 (Zeiss F, Ocular 1). Figg. 20—22. Drei parallel zum Endostyl geführte und ein wenig schräg aus- gefallene Schnitte einer Serie, die von einer ganz jungen, freischwim- - menden Larve von Clavelina stammt. Dieselbe ist mit Pikrinschwefel- - siure fixirt und mit Methylenblau gefürbt. In Fig. 21 ist nur der ventrale Theil des Schnittes wiedergegeben. Vergr. 385/1 (ZEıss F, Ocular 1). Fig. 23—25. Drei Schnitte einer Querschnittserie von einem ganz alten Embryo 1 von Clavelina, der mit Pikrinschwefelsäure fixirt und nach HEIDEN- | HAIN gefärbt ist. Die Fig. 24 und 25 zeigen nur den ventralen Theil . der Schnitte. Die Epikardialtuben (ep) sind an ihrem hinteren Ende | zum Epikardialsack (ep) verschmolzen. Vergr. 385/1 (Zeıss F, Ocular 1). - p Fig. 26. Siehe Taf. XXI Figg. 26—30. 4 Tafel XXI. (Die Figg. 26—32 beziehen sich auf Clavelina lepadiformis, die Figg. 33—46 auf Ciona intestinalis.) Figg. 26—30. Fünf Schnitte einer Querschnittserie durch eine ganz alte, fest- sitzende Larve von Clavelina, welche mit Alaunkarmin gefärbt worden ist. Herz, Perikard und Epikard zeigen ihre definitiven Beziehungen. Vergr. 100/1 (Zerss CC, Ocular 1). Fig. 31. Der in Fig. 26 abgebildete, brückenartige Verschluss der Herzspalte mit angrenzenden Herz-, Perikardial- und Epikardialwänden bei stär- E kerer Vergrößerung. Vergr. 515/1 (ZEıss 1/42 Ol-Immersion, Ocular 2). _ Fig. 32. Partie der Herzspalte eines Querschnittes von einer mit Hümatoxylin | gefärbten, festsitzenden Larve von Clavelina. Vergr. 515/1 (ZEISS 1/49 Ol-Immersion, Ocular 2). Uber die Entwicklung des Herzens der Ascidien. 559 Fig. 33. Optischer Durchschnitt durch eine freischwimmende Larve von Ciona, ^N von der rechten Seite gesehen, mit Osmium-Platin-Pikrinsäure fixirt und mit Essigsäure-Karmin gefärbt. Vergr. 265/1 (Zeıss E, Ocular 1). Figg. 34—36. Ventraler Theil dreier benachbarten, parallel zum Endostyl ge- führten Querschnitte einer Serie, die von einer mit Platin-Osmium- Pikrinsüure fixirten und mit Hämatoxylin gefärbten, freischwimmenden Larve von Ciona stammt. Man erkennt die erste Herzanlage (A) in Gestalt eines Zellbandes an der ventralen Kiemendarmwand. Vergr. 1175/1 (Zeıss F, Ocular 4). Figg. 37—39. Ventraler Theil dreier benachbarten, parallel zum Endostyl ge- führten Querschnitte dureh eine freischwimmende Larve von Ciona. Dieselbe ist mit Platin-Osmium-Pikrihsäure konservirt und mit Essig- säure-Karmin gefärbt. Die Herzanlage (A) hat die Gestalt eines Pha- A rynxdivertikels. Vergr. 860/1 (Zeıss F, Ocular 3). Fig. 40. Ventraler Theil eines parallel zum Endostyl geführten Schnittes einer ; Serie von einer freischwimmenden Larve von Crona, welche mit For- mol fixirt und mit Essigsäure-Karmin gefärbt worden ist. Die Herz- anlage (h) besteht in einem, in der rechten Körperhälfte gelegenen : Schlauch. Vergr. 860/1 (ZEıss F, Ocular 3). Figg. 41 u. 42. Ventraler hinterer Theil zweier benachbarten, parallel zum ‘Endostyl geführten Frontalschnitte einer Serie, die von einer im Be- ginn der Metamorphose befindlichen Larve von Ciona angefertigt ist. Letztere ist mit Platin-Chrom-Osmiumsäure fixirt und mit Essigsäure- Karmin gefärbt. Das Perikardialbläschen hat sich in Herz (Az)- und Perikardialwand (pc) differenzirt und erstere hat durch Einstülpung die Herzhöhle (hà) entstehen lassen. Vergr. 1000/1 (Zeıss: Homog. ¢ Apochromatimmers. 2,0 mm; Compens.-Ocular 8). Fig. 43. Hinterer Theil eines parallel zum Endostyl geführten Frontalschnittes einer Serie. Dieselbe stammt von einer in Metamorphose befindlichen Larve von Ciona, welche mit Platin-Chrom-Osmiumsäure fixirt und mit Essigsäure-Karmin gefärbt ist. Die Herzhöhle (hA) ist nach vorn zu noch weit geöffnet und in der Herzwand sind Muskelfibrillen auf- getreten. Vergr. 1000/1 (Zeiss: Homog. Apochromatimmers. 2,0 mm; a Compens.-Ocular 8). Fig. 44. Hinterer Theil einer jungen, festsitzenden Larve von Ciona im opti- schen Durchschnitt, von der rechten Seite gesehen, mit Pikrinessig- säure fixirt und mit Essigsäure-Karmin gefärbt. Vergr. 265/1 (Zeiss E, $ Ocular 1). Fig. 45 u. 46. Hinterer Theil zweier benachbarten, parallel zum Endostyl ge- 3 führten Schnitte einer frontalen Lüngsschnittserie, die von einer jungen, festsitzenden Larve von Ciona angefertigt ist, welche mit Pikrin-Essigsäure fixirt und mit Hiimatoxylin gefärbt ist. Vergr. 1000/1 - (Zeıss: Homog. Apochromatimmers. 2,0 mm; Compens.-Oeular 8). Das Kopfskelet der Amnioten. Morphogenetische Studien von Dr. A. Fleischmann, Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen. Die zauberhafte Mannigfaltigkeit der Wirbelthierschädel hat seit Jahrhunderten die Anatomen zum Nachdenken angeregt. Auch ich 1 konnte der Lockung dieses Problems nicht widerstehen. Seitdem — ich das Glück genossen hatte, von CARL GEGENBAUR in das morpho- | logische Denken eingeführt und auf die vergleichende Betrachtung . der Kopfregion besonders hingeleitet zu werden, ist der Schädel das Lieblingsobjekt meiner Studien geblieben; doch andere Pflichten ` hinderten mich, der Frage energisch näher zu treten, bis ich im | vorigen Jahre beginnen durfte, dem fundamentalen Stilplane ge- - nauer nachzuspüren und die speciellen Modifikationen auf ihr gene- | relles Princip zurückzuführen. Die Tendenz meiner Studien ist durch die Auffassung von GAUPP - bedingt, welcher mit klarer Entschiedenheit und durch vortreffliche q 4 Modelle lehrte, dass neben der Analyse des fertigen Knochenschidels die eindringliche Bekanntschaft mit der Entwicklungsgeschichte zum wirklichen Verständnisse unbedingt erforderlich sei. Denn der Schädel : entwickelt sich aus einer kleinen embryonalen Anlage; er bedarf einer langen Zeit der Ausbildung und erfährt ungeheuer große Ver- - änderungen, bis die Form des geschlechtsreifen Zustandes erreicht ist. Daher genügt es nicht, den Vergleich auf das Endresultat des komplicirten morphogenetischen Vorganges zu gründen. Während — der Wachsthumszeit erfahren aber nicht bloß die Skelettheile des Kopfes tiefgreifende Modellirung, sondern auch die übrigen in der Kopfregion befindlichen Organe. nehmen an Volumen und Form- komplikation zu. Bei der innigen Korrelation aller anatomischen - : E “= Pa Ex ee. nn Das Kopfskelet der Amnioten. 561 Theile des Organismus müssen daher wichtige Wechselbeziehungen zwischen ihnen und dem Knorpelskelete nachzuweisen sein. Die nachfolgenden Beiträge sollen gerade diesen Erscheinungen auf- merksame Beachtung sichern, um den Einbliek in die stilistischen Gesetze der Kopfregion zu vertiefen. p Da ich eine umfassende Aufgabe gestellt hatte und deren. Schwierigkeiten nicht unterschätzte, so habe ich einige Schüler auf- gefordert, mir zur Lósung zu helfen, wenn ich selbst durch Amts- : geschäfte an der Fortführung der Arbeit gestört würde. Das hatte ~ freilich den Nachtheil, dass das Thema in einzelne Specialkapitel gegliedert werden musste, welche selbständig behandelt werden, jedoch gleicht meine Leitung der Arbeiten den Schaden wieder aus, indem sie die Einzelbefunde in geistigen Konnex setzt. AuBere und technische Schwierigkeiten mancherlei Art zwingen mich ferner, die Studien über kleinere Regionen des Kopfes bruchstückweise zu ver- ‚öffentlichen. Wenn aber die thatsächlichen Beobachtungen eine gewisse Tiefe erreicht haben, werde ich nicht verfehlen, die ge- trennt vorgetragenen Theile zu dem Gesammtbilde einer morpho- genetischen Stilistik des Kopfes zu vereinigen. Jetzt beginne ieh mit der Publikation der ersten Arbeit meines Schülers, Dr. A. BEECKER, welche einzelne für die Stilistik der Ethmoidalregion in Betracht — kommende Eigenschaften genauer geklärt hat. Zum Verständnisse — derselben will ich einige allgemeine Betrachtungen vorausschicken. I. Abschnitt. Die Nasenregion des Kopfes. I. Morphologische Grundbegriffe. Die Gestalt der Ethmoidalregion hängt von der Stilform der Nasen schlauche ab, welche als gruben- oder taschenfórmige Ein- senkungen des Ektoderms entstehen (Figg. 11, 29), zu ansehnlichen Epithelschläuchen (Figg. 14, 37) auswachsen und im Mesoderm vor dem Gehirne eingebettet werden. Paarig, gleich den übrigen groBen Simnesorganen des Kopfes, ziehen sie von der Schnauzenspitze bis 562 A. Fleischmann Die epithelialen Nasenschliuche bewahren zeitlebens den Zu- sammenhang mit ihrem Mutterboden am äußeren Nasenloch. — Dieses ist als ein rundlicher Umschlagsrand und als Grenze des - taschenartig ins Mesoderm versenkten Nasenektoderms gegen die . zur Hautepidermis differenzirten Schwesterzellen aufzufassen. | AuBer dem rostralen Nasenloche besteht eine zweite Offnung an | der ventralen Seite jedes Nasenschlauches, die Choane. Sie ist im. Allgemeinen eine längliche Spalte, deren Epithelrand den direkten © Zusammenhang des Nasenektoderms mit dem Ektoderm des Mund- hóhlendaches vermittelt. (Ich habe mit gutem Vorbedacht die De- finition der beiden Offnungen des Nasenschlauches so gefasst, dass | weniger die Lichtung betont wird, als der Rand derselben, wo das. ektodermale Epithel des Nasenschlauches in das Ektoderm entweder der äußeren Haut der Nasengegend oder der Mundhöhle übergeht. Die späteren Ausführungen werden dem Leser die Vortheile dieser Begriffsumgrenzung zeigen.) Äußeres Nasenloch und Choane liegen - einander ziemlich benachbart, durch die schmale prämaxillare Zone getrennt. Wenn das äußere Nasenloch sicher die vordere Grenze des Nasenschlauches anzeigt, so giebt die Choane nur bei Sauriern | und Vógeln eine Marke für dessen caudale Ausdehnung, aber bei Säugethieren ragt die Siebbeinzone des Nasenschlauches weit hinter | den Caudalrand der Choane. Ieh werde daher in Zukunft die beiden Óffnungen benutzen, um homologe Regionen der Nase bei den Amnioten zu bestimmen. Der wiehtigste Stileharakter des Nasenschlauches liegt in dem schmalen Lumen oder mit anderen Worten: in dem ganz ge- ringfügigen transversalen Abstande der medialen und lateralen Wand ~ (Fig. 39). Die Ausdehnung naeh dorso-ventraler oder oro-caudaler Richtung ist dagegen nicht so streng bemessen. Beide sind klein bei Reptilien, steigern sich zu bedeutender Größe bei den Vögeln | und erreichen das Maximum bei den Säugern. Wenngleich der E Nasenschlauch durch Wachsthum in Länge und Höhe ansehnliche | Dimensionen gewinnt, so bleibt doch sein Lumen immer verhältnis- mäßig sehr eng und bewahrt den Charakter der frühen Embryonal- | zeit, wo der ganz schmale Nasenschlauch nur einen engen, sagittalen - 4 Spaltraum besitzt. Allmählich tritt eine feinere Modellirung der — Schlauchwand auf, weniger um die Nasenhöhle selbst zu erweitern, — als zur Mehrung der Binnenfläche, um auf diese Weise eine große Ausdehnung des Riechepithels zur schnellen und ergiebigen Luftanalyse A zu schaffen, ohne viel Raum zu beanspruchen. Alle Differenzirungen — € 5 Das Kopfskelet der Amnioten. 563 des Nasenschlauches in der Gruppe der Amnioten sind nach diesem Gesichtspunkte zu beurtheilen. — A Die Vergrößerung der Binnenfläche geschieht durch das Auftreten enger Seitentaschen und linglicher Wiilste, welche einseitig an der lateralen Wand erscheinen, während die mediane Wand des Nasenschlauches dem Septum parallel und plastisch steril bleibt. Das mannigfaltige Relief der lateralen Wand wird durch das ein- fache Mittel von seitlichen Ausbuchtungen des Epithels erzeugt. Zwischen diesen bleiben Bezirke des Wandepithels stehen, sie bilden sich allmählich zu Wülsten aus, indem ihre gegen die epithelialen Seitennischen abfallenden Flächen gerundet werden. Alle bisherigen Arbeiten haben die Wülste oder Muscheln fast ausschließlieh studirt und die von den Wiiisten getrennten Abschnitte der Nasenhöhle bloß nebenbei berührt. In Folge dessen sind unsere Kenntnisse der Nasenhöhle noch weit entfernt von einem wirklichen Verständnisse des natürlichen Stilplanes. Um einen Fortschritt an- zubahnen, habe ich meinen Schülern das ganze Relief der epithelialen an genau anzuschauen gelehrt. Ich habe dabei erkannt, ss die Modellirung der lateralen Epithelwand bei sämmtlichen A Bioton von zwei Seitennischen erzeugt wird, welche längst bekannt sind und von den neueren Forschern PETER, SCHÖNEMANN als LEGAL’sche Furchen bezeichnet werden. Sobald sie am embryonalen Nasenschlauche erscheinen, kann man drei dorso- ventral über einander liegende Abschnitte (Fig. 39) unterscheiden, näm- lich 1) einen ventralen, von der Choane bis zur unteren LEGAL’schen Furche (A) reichenden Abschnitt. Ich will ihn den Choanengang (Cg) nennen; 2) einen mittleren, von der unteren und oberen LEGAL’schen Furehe begrenzten, senkrechten Abschnitt, er soll der Stammtheil (S?) heißen; 3) einen dorsalen über der oberen LEGAr’schen Furche (gs) tehenden Abschnitt, welchen ich den Sakter (Sr) nenne (ô o«@xrno, der jack). Da die laterale Wand des Stammtheiles zwischen dem Choanen- rang und dem Sakter liegt, erscheint sie wie ein den dorsalen Sakter \ ‘om ventralen Choanengang trennender Wulst (M), und dieser Eindruck verstärkt sich in späterer Embryonalzeit, wenn die obere und untere "lüche des Wulstes mehr abgerundet wird. So kommt es, dass in die rtige Nasenhöhle ein sehr schön gerundeter und gegen die Medial- rand des Stammtheiles vorspringender Wulst einragt, welcher allen Jeobaehtern auffiel und als untere Muschel bezeichnet ward (Fig. 42). Um nieht allzuviel neue Termini einzuführen, behalte ich den Namen ei und verstehe künftighin unter Muschel kurzweg oder Concha 564 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. nasalis die allen Amnioten zukommende einzige Muschel der Na- senhöhle. Die specielle Beschreibung wird zeigen, dass die übrigen | Einragungen der Nasenwand des morphologischen Werthes einer Muschel entbehren, und dass PETER ganz Recht hatte, als er im | vorigen Jahre gegen die hergebrachte, durchaus falsche Nomenklatur | protestirte. Der Choanengang bildet häufig eine dorsal gerichtete Neben- ` nische, welche gegen den Boden des Sakter emporstrebt und bei Vögeln und Säugethieren ganz ansehnlieh entwickelt wird. Ich nenne | | sie die Aulax des Choanenganges (7) avAc§, die Furche, Fig. 39 A). — Die mediale Wand des Nasenschlauches producirt, abgesehen — von nebensiichlichen Unebenheiten, bloB eine morphologisch wichtige Seitenbucht, das Jaconsonx'sche Organ, welches am Choanen- . gange wuchert und als Epithelsückchen abgeschnürt wird (Figg. 40 JO). ` Choanengang, bezw. Aulax, Concha und Sakter erstrecken sich nicht ` über den ganzen Nasenschlauch, sondern über eine bestimmte Zone - desselben. Für diese schlage ich den Namen Muschelzone vor. | Rostral ist derselben ein meist kurzer, am äußeren Nasenloch be- — ginnender Abschnitt, der Vorhof, vorgelagert (Figg. 1a, 22a, 37). © Der ektodermale Nasenschlauch besitzt eine mesodermale Hülle, . die sich später in eine bindegewebige und knorpelige Schicht diffe- . renzirt. Während das Bindegewebe naturgemäß dem gesammten Epi- 3 thelschlauch gesellt wird, umschließt der Knorpelmantel nur Theile ` des Nasenschlauches. Das knorpelige Septum streicht längs der medialen Epithelwand, und schickt je eine laterale Lamelle über die | dorsale wie laterale Wand des Sakters herab (Fig. 39). Unter dem Sakter ` wird der freie Rand der Knorpelwand medialwärts gekrümmt, um ; in das Bindegewebe des Muschelwulstes einzudringen und die erste — Anlage der verknöchernden Muschellamelle zu bilden. Durch diese Beziehung zum Knorpelskelet ist die eigentliche Muschel sämmtlicher Amnioten charakterisirt. Der Choanengang (Cg) sammt der Aulax (A) liegt stets ventral vom Muschelrande (Fig. 39). Um den Vergleich zu erleichtern, bezieht sich die nachfolgende Schilderung sowie die meisten Figuren der Tafeln XXII—XXIV ` auf den linken Nasenschlauch, nur die Modelle des Knorpelmantels (Figg. 10, 28a und 4, 43a und b) sind rechtseitig entworfen. VOCI e guai Tu . Vergleichende Stilistik der Nasenregion bei den Sauriern, Vögeln und Säugethieren. I — Von Dr. Adolf Beecker, praktischem Thierarzt aus Elberfeld. Mit Tafel XXII— XXIV. In den letzten Jahren hat eine Reihe tüchtiger Forscher — ich nenne bloß GAUPP, FISCHER, SUSCHKIN, TONKOFF und SCHAUINS- LAND — die Entwicklung des Schädels einer bestimmten Thierart - behandelt und das Knorpelgerüst der embryonalen Anlage durch schöne Rekonstruktionsmodelle zur Anschauung gebracht. Dadurch erwuchs die Nothwendigkeit, einzelne Regionen des Schiidels mit besonderer Rücksichtnahme auf das Detail und die Nachbarorgane zu analysiren. Dem Rathe meines hochverehrten Lehrers Prof. Dr. A. FLEISCHMANN folgend habe ich von diesen neuen Aufgaben das Studium der Nasenregion bei den Amnioten nach vergleichenden Gesichtspunkten unternommen. - — Es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. FLEISCHMANN für die Anregung und die mir durch Rath und That reich gewährte Unterstützung, welche es mir ermöglichte, mich jn dem schweren und morphologisch noch wenig erhellten Gebiete zurechtzufinden, sowie einige Fragen einer klaren Lösung ent- gegenzuführen, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. 1 1. Die Nasenregion der Saurier. Obgleich meine Studien sieh auf viele ausgewachsene und em- bryonale Individuen von Lacerta agilis, Lacerta vivipara, Anguis fragilis, Platydaetylus guttatus, Tropidonotus natrix erstrecken und fast die ganze Entwicklungsgeschichte der Nasenhóhle. umfassen, will ieh zur grundlegenden Orientirung des Lesers den Bau eines Morpholog. Jahrbuch. 31. 37 566 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. fast fertigen linken Nasenschlauches von Platydactylus guttatus schildern (Embryo, 5,2 em Schnauze — Schwanzspitze lang), dessen Kopf in Quersehnitte zerlegt, dessen Nasenregion in Wachs rekon- struirt wurde. a. Der epitheliale Nasenschlaueh von Platydaetylus guttatus. Tafel XXII, Figg. 1—10. Das Modell (Figg. 1a, b, c) zeigt ohne weitere Erklärung die all- gemeinen Eigenschaften des Nasenschlauches. Er ist niedrig, in dorso-ventraler Riehtung komprimirt, besitzt eine enge Lichtung und ist im Vergleich zu hóheren Wirbelthieren recht kurz. Darin be- gegnet uns schon eine wichtige Korrelation zwischen Eigenschaften des Nasenschlauches und des Sehádels; denn dessen Ethmoidalregion erscheint flach gedrückt, kurz und schmal. | Ich beschreibe nun die Form des linken Nasenschlauches unter | der Vorstellung, als wandere der Betrachter durch dessen Höhle und - gebe sich über die Modellirung der Wände fortdauernd Rechenschaft. Wir beginnen am äußeren Nasenloch (Fig. 2 an), welches bei allen Sauriern und Schlangen nicht unmittelbar am Gipfel der Schnauze, sondern seitlich liegt, von der Medianebene mehr entfernt als bei Vögeln und Säugern. Durch dasselbe treten wir in den Nasen- - vorhof (V) ein, der die Gestalt eines verhältnismäßig engen, - cylindrischen Rohres hat (Taf. XXII Fig. 3). Seine Länge beträgt $ an dem Modelle ungefähr '!/; der Gesammtausdehnung des Nasen- schlauches. Da der Vorhof als Pforte für die Athemluft dient, sind ` seine Wände einfach gerundet, ohne Vorsprünge und mit mehrschich- — tigem Plattenepithel tapeziert. Das Zugangsrohr führt mit medianwärts konvexer Krümmung — in die Muschelzone (Fig. 1a, Mz), den voluminösen, der eigent- - lichen Riechfunktion zugewiesenen Abschnitt des Nasenschlauches - (Taf. XXII Figg. 5—9). Sie misst ungefähr ?/ des ganzen Na- senschlauches und springt weit über die dorsale, laterale und ventrale Tangentialebene des Vorhofs heraus (Fig. 1c), nur ihre mediale Wand steht dem Nasenseptum (S) parallel und dicht angeschmiegt. Es empfiehlt sich, drei Theile der Muschelzone streng aus ein- ander zu halten (Taf. XXII Figg. 1, 5 u. 6), den ventralen Choanen- - gang (Cg), der im Choanenspalt am Munddache mündet, den mitt- leren Stammtheil (S?) und den dorsalen Sakter (Sr) Nicht bloß A.Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth, 567 E die Lage, auch die Form der drei Abschnitte giebt den Anlass zu - dieser Eintheilung; denn der Choanengang und der Sakter (Figg. 1c, 6) - sind lateral ausgebuchtete Stücke des Nasenschlauches, während der Stammtheil parallel der Medianebene und mehr oder weniger senk- recht zu den beiden Seitenräumen zieht. Da dem Stammtheile bloß der schmale Raum zwischen dem - dorsalen Nasenknorpel (Fig. 6 D) und dem Munddache zu beiden Seiten des medianen Ethmoidalseptums zur Verfügung steht, der bei sämmtlichen Reptilien ganz niedrig bemessen wird, so ist der Stamm- theil nieht besonders hocb und recht schmal. Daher fasst er selbst - wenig Athemluft, deren Hauptmasse durch den Choanengang und — $Sakter streichen muss. Bloß an der Grenze gegen den Vorhof (Taf. XXII Fig. 4) ist er etwas weiter, gewissermaBen um das enge - Zugangslumen allmählich trichterartig zu vergrößern, so dass der Luftstrom ohne großen Widerstand in die Seitenräume kommen kann. Aber je tiefer man in der Nasenhóhle caudalwärts vordringt, um so mehr fällt die enge Lichtung des Stammtheiles auf (Figg. 6—8 St). | Máchtig sind dagegen die beiden anderen Abschnitte (Taf. XXII Figg. 6—8) entwickelt, zunächst der Choanengang (= Ductus respira- torius, MrHALKOV1IC*), der gleich hinter dem Vorhof an der ventralen Kante des Stammtheiles entsteht. Er beginnt als unscheinbarer - Nebensaek (Figg. 15, 1c, 5 Cg), ladet weiter hinten stärker lateral- wärts aus und reicht fast bis ans caudale Ende der Muschelzone (Fig. 15). Die zweite laterale Ausstiilpung an der dorsalen Kante des Stammtheiles, der Sakter, beginnt (Taf. XXII Fig. 6) erst eine Strecke (0,63 mm = 14 Schnitte von 45 u Dicke) hinter dem Vorder- rande des Choanenganges (Figg. 1a, 14), obgleich man auch in dem - vorherliegenden Theile am Dorsalrande des Stammtheiles (Taf. XXII Fig. 5) eine leichte Seitenbuehtung der Wand wahrnimmt. Die Form- eigenthiimlichkeit der Saktertasche sieht man am. besten, wenn man das Modell von vorn her betrachtet (Taf. XXII Fig. ic). Mit einem kräftig geführten Vorderrande anhebend springt die dorsale Seiten- tasche (Sr) in eleganter, lateral konvexer Bogenkrümmung (ungefähr einem Kreisquadranten entsprechend) ventralwürts bis zum Niveau des Choanenganges, dessen Seitenrand sie vollkommen überschirmt. Bei seitlicher Ansicht des Nasenschlauches (Fig. 1a) werden dem Beobachter durch die mächtige Entfaltung des Sakters fast. alle "übrigen Abschnitte, der Stammtheil und der Choanengang (Fig. 14) verdeckt, ebenso eine zwischen Choanengang und Sakter einge- -sehlossene Masse von Mesoderm und Knorpel (Figg. 6 u. 7 M), welche 37* 568 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. durch eine schmale Lamelle mit dem lateralen Mesoderm und dem Knorpeldach (D) der Ethmoidalregion zusammenhängt. Gleich dem Stammtheile entbehren auch Choanengang und Sakter weiter Lichtung. Ihre Epithelwände, d. h. die dorsale Decke und der ventrale Boden stehen so dieht zusammen, dass in den bei- den Seitentaschen nur ein schmales Lumen vorhanden ist. Für die Reptilien gilt eben die sparsame Entfaltung des Hohlraumes im ganzen Nasenschlauche als charakteristisches Stilzeichen. Ob das auf einen geringeren Grad der Riechfähigkeit überhaupt oder bloß des Sauerstoffhungers schließen lässt, vermag ich nieht zu ent- scheiden. So bedeutsam Sakter und der seitwärts gebogene Choanengang die Gestalt des Nasenschlauches beeinflussen, über sein caudales Blindende (Taf. XXII Fig. 9) haben sie keine Gewalt; daher liegt hier ein einheitlicher Raum, der Antorbitalraum (Figg. 1a, 15, Ao). Choanengang und Sakter enden in geringer Entfernung von der orbitalen Schlusswand desselben; doch ist die Ausdehnung des un- gegliederten Endraumes ganz unbedeutend, sie beträgt nur 0,4 mm sagittaler Länge. Nach dieser allgemeinen Orientirung verdient der Choanen- gang noch besonderer Erwähnung. Seine Aufgabe ist es, den Zu- sammenhang des Nasenschlauches mit der Mundhöhle zu vermitteln. Er führt direkt zur Choanenspalte und bildet einen Theil des Weges, auf dem die exspirirte Luft aus der Lunge zum äußeren Nasenloch streicht. Anscheinend in Konsequenz dieser Funktion zieht er fast an der ganzen Länge des Stammtheiles hin und reicht viel weiter oralwärts als der Sakter. Er beginnt gleich an der hinteren Grenze des Nasenvorhofes (Taf. XXII Fig. 5 Cg) zunächst als eine seichte, lateral vorspringende Rinne des Stammtheiles, welche rasch breiter wird, so dass eine kurze Strecke ihres Vorderrandes schräg von der Stammzone lateral läuft (Fig. 15), bis die stärkste Breitenausdeh- nung erreicht ist (Fig. 6). Dann zieht der Choanengang wie eine breite, dorso-ventral komprimirte Flachnische mit fast geradem Seiten- rande nach hinten. Fast am Ende der Muschelzone sendet er plötz- lich zum Choanenspalt (Fig. 8 es) am Munddache einen senkrecht absteigenden Schenkel (as). Letzterer stellt nicht bloß eine Kom- munikation zwischen dem horizontalen Schenkel (As) des Choanen- ganges und der Mundhöhle her, sondern führt auch direkt in den kleinen Antorbitalraum des Nasenschlauches (Fig. 9 Ao). Auch ohne physiologische Versuche wird man die Bedeutung PA Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 569 der eben beschriebenen Nasenhöhle folgendermaßen beurtheilen dür- fen. Die Inspirationsluft dringt durch den Vorhof, Stammtheil und akter in den Antorbitalraum und durch den absteigenden Choanen- schenkel in die Mundhöhle und Kehlkopf. Der Exspirationsstrom wird durch den absteigenden Choanenschenkel in den horizontalen Choanengang und dann in den Vorhof gestoBen. — Da bisher die Natur des absteigenden Schenkels (as) vom Ei gang verkannt wurde und viele Anatomen seinen größeren Theil als Gaumenspalt beschrieben haben, will ich besonders betonen, dass ‚derselbe ein zwar schmaler, aber ganz deutlich ausgeprägter, kanal- iger Abschnitt des Nasenschlauches ist, dessen Zugehörigkeit aus seiner seitlich komprimirten Gestalt und der Entwicklungsgeschichte erhellt. Die Existenz zweier Hälften des Choanenganges (Taf. XXII Figg. 7, 8), eines horizontal verlaufenden, lang gestreckten (4s) und eines kurzen ventral absteigenden (as) Schenkels, die winklige Kniekung der beiden, sowie die auffallende laterale Entfaltung des horizontalen Sehenkels habe ich als wichtigen Stilcharakter bei den von mir untersuchten Sauriern festgestellt. Weiterer Prüfung aber bleibt die Entscheidung vorbehalten, ob sie generell allen Reptilien zukommt. — Der Choanengang der Reptilien ist ein formativ auBerordent- lieh fruehtbarer Abschnitt der Nase, ganz im Gegensatz zu seinem eintónigen Verhalten bei Vögeln und Säugern. Von den Besonder- heiten, welche an den beiden Schenkeln auftreten, will ich zuerst das Verhalten des absteigenden Astes und der Choane besprechen. - A Der absteigende Schenkel des Choanenganges (Taf. XXII Figg. 5 bis 8 as) besitzt die Neigung, an seiner lateralen Wand eine kleine, schräg dorsalwärts gerichtete Tasche, Winkeltasche (wt), zu bilden. Diese hat einen beschränkten stilistischen Werth, weil sie mir nur bei Platydactylus, Lacerta und Anguis, nicht aber bei Tropidonotus aufstieB. Die Winkeltasche ist bereits von früheren Forschern, z. B. KOVICS gesehen und sammt dem zur Choane (cs) reichenden Theile des absteigenden Schenkels Fissura palatina lateralis ge- nannt, aber nicht als Bestandtheil der Nasenhóhle erkannt worden. aE Der unterste Abschnitt des absteigenden Schenkels und die Choanenspalte selbst sind wiederum eigenartig umgebildet. Während nämlich der Choanengang oberhalb der Winkeltasche verhältnismäßig klein ist (seine oro-caudale Ausdehnung beträgt nur 0,9 mm), er- weitert sich seine Mündungszone außerordentlich, aber ungleichmäßig in sagittaler Richtung, indem der vordere Rand oralwärts gedehnt A HA AV sy 570 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. wird und dadurch die Gestalt einer flachen Rinne gewinnt, die am Mundhöhlendache liegt. So kommt es, dass der sowohl dorso-ventral als oro-caudal kurze Choanengang mit einer sagittal enorm langen - Mündung in die Mundhöhle übergeht (Figg. 4—9 er und cs). Man könnte das unerwartete Verhältnis mit andern Worten etwa folgender- maßen schildern: Das ventrale Ende des absteigenden Choanen- ganges erweitert sich ähnlich wie das Schallrohr einer Trompete, jedoch in diesem Falle nur einseitig an. seinem vorderen Rande, also besser einer röhrenförmigen Blumenkrone z. B. der Osterluzei, Aristolochia elematitis vergleichbar, bei welcher eine Lippe besonders stark ausgezogen ist. Der orale Auswuchs des Choanenrandes ist ziemlich niedrig, daher erscheint er auf Querschnitten (Taf. XXII Figg. 5—7 cr) wie eine unbedeutende, nebensächliche Furche der Mundschleimhaut und ist bisher falsch gedeutet worden. Erst durch Rekonstruktionsmodelle wird man auf den eben erläuterten, morphologischen Werth aufmerk- sam und erkennt, dass die seichte Rinne (cr) des Querschnittbildes ein wichtiger Bestandtheil des absteigenden Choanenschenkels (as) ist. Letzterer hat also die ganz besondere Eigenschaft, dass er als ver- hältnismäßig schmaler und enger Gang vom Nasenschlauche ventral- wärts herabsteigt, um sich enorm sagittal zu dehnen und mit einer länglichen Spaltöffnung, eben der Choane, in die Mundhöhle ein- zumünden (Figg. 4—9 er und cs). Die Lage der Choanenspalte ist dadurch bemerkenswerth, dass sie nicht der Mittelebene parallel gerichtet ist, sondern orbital weiter, oral näher an der Mittellinie des Munddaches steht, d. h. sie ist etwas schräg gerichtet; die beiderseitigen Choanenspalten konver- giren oral, divergiren caudalwärts. Welche physiologische Bedeutung der rinnenförmigen Mündung des Choanenganges zukommt, weiß ich nicht. Für die Passage der Athemluft kommt natürlich nur der hintere Abschnitt des absteigen- den Choanenschenkels in Betracht, der als hohler Kanal direkt zum - Nasenschlauch emporführt (Fig. 8 as) und dessen geringe Größenmaße den schwachen Sauerstoffhunger der Reptilien auch anatomisch aus- sprechen. Ich kann vor der Hand nur konstatiren, dass ich den kleinen Kanal und die lange Choanenrinne bloB bei Eidechsen und Schlangen fand, während bei Vögeln und Säugern der lange Choanen- rand direkt in den gleichlangen Choanengang umschlägt. So neu die eben gegebene Deutung der bisher als Gaumenspalte . aufgefassten Bildung auch klingen mag, sie drückt die natürlichen A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 571 Verhültnisse dennoch richtig aus. Dafür spricht schon die Thatsache, dass der Choanenschenkel bei Platydactylus von seinem hinteren als "Luftpassage dienenden Abschnitt die ventral offene Choanenrinne (cr) am Mundhöhlendache bis zum Ausführgange des JACOBSOHN’schen Organs und des Thränennasenkanals vorschickt (Figg. 8—4). Da beide Organe bei allen Amnioten mit dem Nasenschlauche ver- wachsen sind, darf man nach meiner Meinung auch in den Fällen, wo sie, wie bei Platydactylus, in die Mundhöhle zu münden scheinen, ihre Endigung als eine Marke für die morphologische Begrenzung der Nasenhöhle bezw. von Theilen derselben benutzen. Sicher trifft das für das JacoBsoHN'sche Organ zu, weil dasselbe als ein un- leugbarer Theil des Nasenschlauches während der Embryonalent- wicklung an dessen medialer Wand durch Ausstülpung entsteht und sich davon später loslöst. Bei dem genauer untersuchten Platy- dactylus liegt (Taf. XXII Figg. 1a, 15, 1c, 4) das JacoBsonw'sche Organ ventral dicht unter dem Nasenschlauche an der Ubergangs- stelle des Nasenvorhofes in die Muschelzone. Seine äußere Gestalt gleicht einer rundlichen Blase, welche eine Einbuchtung ihrer vor- deren ventralen Wand erfahren hat. Dicht vor seinem hinteren Ende entspringt der Ausführungsgang, um nach kurzem Verlaufe in das vordere Ende der Choanenrinne einzumiinden. Lateral da- neben mündet noch ein zweiter Kanal, der Thränennasengang (7) in - die Choanenrinne; er zieht (Taf. XXII Figg. 5—9) der Winkelnische des Choanenganges dicht benachbart und außerhalb der Knorpel- kapsel. Weitere Beweise für die Richtigkeit meiner Deutung des Gaumenspaltes werde ich durch die Entwicklungsgeschichte bringen. In der Litteratur liegt nur eine ausführliche Äußerung über die Choanenrinne von MIHALKOVIcS vor, welcher sie richtig gesehen, aber falsch gedeutet hat. Er hielt den absteigenden Schenkel (as) des Choanenganges sammt der Choanenrinne (cr) nach Untersuchungen an Lacerta agilis für ein Differenzirungsprodukt des Mundhöhlendaches und nannte sie desshalb die Gaumenspalte, Fissura palatina late- ralis. Seine Beschreibung stimmt mit meinen Befunden vollständig überein; denn er sagt: »Die Gaumenspalte beginnt vorn neben der Gaumenpapille unter dem JacogsoHn’schen Organe als kleine Ein- buehtung, erstreckt sich weiter nach hinten zu unter dem ganzen Boden der Nasenhóhle und nimmt an der oberen Wand die Choane auf (13, pag. 34—35). Nach seiner Ansicht ist die Bildung der Gaumen- spalte embryologisch aus dem Vorwachsen der sekundären Gaumen- leiste zu erklàren. Diese bilde schon bei Amphibien eine Rinne mit 572 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. der Decke der Mundhöhle und wachse bei den Reptilien von hinten und lateral medianwärts etwas mehr unter dem Boden der Nasen- höhle vor. Da die beiderseitigen Gaumenleisten aber durch den seit- lichen Theil der Gaumenspalte immer getrennt bleiben und nie mit dem Boden der Nasenhöhle oder, wie er sich ausdrückt, mit dem prämaxillaren Gaumen verwüchsen, so umfassten sie bloß die seit- lichen Ränder der Gaumenspalte. MiHALKoviıcs verfiel in diesen Irrthum, weil er kein Rekonstruktionsmodell gesehen hat, und weil er bei den Reptilien die Anfangsstufe des Ductus naso-pharyngeus der Säugethiere zu finden trachtete. Der lange, horizontale Schenkel des Choanenganges (Figg. 1a, b, c, Cg u. Figg.5—8 Cg u. As) ist ebenfalls durch eine mor- phologisehe Besonderheit seiner dorsalen Wand ausgezeichnet. Letz- tere ist im Allgemeinen wenig gewölbt. Nur gegen den Ursprung des absteigenden Choanenschenkels (Taf. XXII Figg. 7, 8) gewinnt sie die Neigung, sowohl lateral wie medial über die ventrale Wand hinauszustreben, so dass zwei scharfkantige, aber kurze Seitentaschen entstehen (Taf. XXII Figg. 7, 8 Au. lt). Für unsere Betrachtung hat die laterale Seitentasche (//) nebensächlichen Werth, weil ich sie bloB noch bei Lacerta (Taf. XXII Fig. 20) (nieht bei Anguis und Tropidonotus), obendrein als sehr kleine Anlage beobachtet habe. Bei Platydaetylus fällt sie am meisten auf, da hier der Choanengang sehr breit entwickelt ist, während er bei Lacerta, noch mehr bei Anguis und Tropidonotus ganz schmal erseheint. Sie ist der Winkel- tasche (wt) des absteigenden Choanenschenkels entgegengekrümmt und bloß durch einen schmalen Streifen mesodermalen Gewebes von ihr getrennt. Wiehtiger erscheint die mediale gegen den Stammtheil gerichtete Seitentasche (Figg. 15, 1c, 7, 8 A), weil sie auch bei Vögeln und Sáu- gern stets ausgeprügt ist. Sie stellt also eine stilistiseh bedeutsame Eigenart des Choanenganges vor und verdient es, dureh einen be- sonderen Namen hervorgehoben zu werden. Ich will sie Aulax nennen. Da die Aulax in einem hóheren Niveau als die Abgangs- stelle des Choanenganges (Cg) vom Stammtheil (St) des Nasenschlauches liegt, so steigt die dorsale Wand des Choanenganges (Taf. XXII Figg. 7, 5) vom Stammtheil in lateral konvexer Krümmung empor, buehtet medial die kleine Aulaxnische (.4) aus und streicht dann unter ganz flachem Bogen zur lateralen Tasche (/¢), so dass eine transversal breite Dachwólbung des Choanenganges (Fig.1c) entsteht, deren Krüm- mung derjenigen des Sakterbodens parallel gerichtet ist, aber dem A. ad Vergl:Stilistik d. Nasenregion bei d.Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 573 Bogenabschnitt eines Kreises von viel kleinerem Durchmesser ent- spricht. Das Querschnittsbild des Nasenschlauches gleicht dadurch _ ungefähr der arabischen Zahlenfigur 6. Der Choanengang hat, so weit die Aulax reicht (Figg. 7, 8), eine feinere Gliederung, ja wenn man streng urtheilen will, kann man sogar drei Abschnitte desselben unter- scheiden, nämlich einen vom Stammtheil abzweigenden, aufsteigenden - Sehenkel (Cg), ferner einen horizontalen Schenkel (s) von ungefähr halbmondférmigem Querschnitte, den Mutterboden der Aulax (A) und - der lateralen Seitennische (//, endlich den zum Choanenspalt abstei- genden Schenkel (as) mit der Winkeltasche (wt). Ich möchte jedoch schon an dieser Stelle hervorheben, dass ich die kleine Aulaxnische nur bei Platydaetylus beobachtet habe; den übrigen, daraufhin ge- prüften Reptilien geht sie durchaus ab, wie auch der Choanengang - selbst außerordentlich schwach entwickelt ist (Taf. XXII Figg. 18—20). Die Abbildungen (Taf. XXII Figg. 1—9) und die bisherige Be- schreibung bezogen sich ausschlieBlich auf die epitheliale Wand des Nasenschlauches; denn die darüber liegende mesodermal-bindegewe- bige Hiille bietet keine wesentlichen Besonderheiten. Sie bedeckt als eine ganz dünne Schicht den Epithelschlauch und spiegelt dessen Relief wie eine negative Matrize wieder. Größeres Interesse bietet nur derjenige mesodermale Abschnitt (Figg. 6— 8), welcher zwischen dem Boden des Sakters (Sr) und dem Dache des Choanenganges (As) ein- geschoben ist und bis zum Stammtheile (St) reicht. Wenn man ihn von seiner Umgebung gesondert betrachtet, so stellt er eine wenig dorsal konvex gekrümmte und ventral verdickte Lamelle vor, welche vom Boden des Sakters, von der lateralen Wand des Stammtheiles und dem Dache des Choanenganges epithelial bekleidet ist. Sie liegt also zwischen den Hauptabschnitten des Nasenschlauches ein- geschlossen und trennt deren Hóhlen wie eine von der lateralen Mesodermhülle einspringende, koulissenartige Scheidewand. GEGEN- 3AUR hat sie als Muschel bezeichnet und damit den morphologischen Werth dieser Zone ganz richtig charakterisirt. Sie ist in der That das Homologon der unteren Muschel der Säugethiere oder der mitt- eren Muschel der Vögel. | Meine Untersuchungen über den ektodermalen Nasenschlauch bei Lacerta agilis und vivipara ließen mich die typische Uberein- Stimmung seiner Form mit dem Befunde bei Platydaetylus erkennen. Es ist daher überflüssig, davon eine ausführliche Beschreibung zu geben. Ich verweise auf die Figurenreihe 16—21 und bitte sie mit den Figuren 4—9 zu vergleichen. Da die Winkeltasche (wt) des 574 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. absteigenden Choanenschenkels bei Lacerta größer und weiter ist als bei Platydactylus, wird der Irrthum von MiHALKovIcs, sie als Fissura palatina anzusprechen, verständlich. Der Nasenschlauch von Tropidonotus natrix ist in so fern ver- einfacht, als der Choanengang, der winkligen Kniekung entbehrend, ziemlich gerade vom Stammtheile zur Choane zieht und keine Aulax bildet. Der Sakter dagegen ist typisch ausgebildet als Seitentasche von siehelfórmigem Querschnitt. Der -Choane fehlt die bei den Sau- riern zum Ausführungsgang des JACOBSOHN’schen Organs reichende Choanenrinne, so dass letzteres unabhängig mündet. Gute Abbildungen hat Born in diesem Jahrbuch Bd. VII Taf. 10 gegeben. b. Das Knorpelskelet des Nasenschlauches von Platy- dactylus guttatus. Der ektodermale Nasenschlauch nebst seiner Mesodermhülle wird zum größeren Theile von den Knorpelmassen der Ethmoidalregion umschlossen und gestützt (Taf. XXII Fig. 10); jedoch darf man nicht eine einheitliche Knorpelkapsel erwarten, sondern muß die Vorstel- lung festhalten, dass sie durch verschiedene größere und kleinere Lücken unterbrochen ist. Am vollständigsten erscheint das dorsale Dach bis auf einen medianen halbkreisfürmigen Ausschnitt (Fenestra olfactoria, GaAuPP) der caudalen Wand dicht vor der Orbitalregion. Median ist das Nasenseptum (Figg. 2—9 S) als trennende Knorpel- wand zwischen die paarigen Nasenschläuche eingeschoben, eine ver- tikale Lamelle mit etwas verdicktem ventralen Rande, sonst ohne besondere Differenzirung. Sie reicht von der Schnauzenspitze des Craniums caudalwärts und hat eine ziemlich beträchtliche Höhe; nur im hintersten Abschnitt vor dem Interorbitalseptum (Taf. XXII Figg. 8 u. 9 S) schrumpft sie zu einem niedrigen Strange ein. Das Septum hängt direkt mit dem übrigen Theile der Nasen- kapsel zusammen (Taf. XXII Figg. 2—7). Von seinem dorsalen Rande biegt eine dünne Knorpellamelle wie ein flaches Gewölbe lateral und ventralwärts über die Lateralwand des Nasenschlauches als dorsale und seitliche Knorpeldecke. Ihr Verhalten ist verschieden nach den Hauptabschnitten des Nasenschlauches. Im größten Theil der Muschelzone (Taf. XXII Figg. 6, 7) gesellt sich die seitliche Knorpelwand innig dem Sakter. Wie sie sein dorsales Dach als Cartilago paranasalis s. teg- menti (MıHALkovıcs) (D) überspannt, so sehmiegt sie (M) sich als Cartilago conchae (Mrgmankovics) auch seiner ventralen Wand an. A. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 515 Daher wächst sie zwischen dem Choanengang und dem Rande des Sakter in die oben beschriebene mesodermale Muschelkoulisse ein und dringt fast bis zum Stammtheil des Nasenschlauches vor. So entsteht eine den ganzen Sakter umscheidende, flach gedriickte Knorpelblase von ungefähr sichelförmigem Querschnitte. Der Choanengang dagegen wird gar nicht vom Knorpel um- hüllt; er liegt immer unterhalb der Nasenkapsel und gewinnt nur in so fern morphologische Beziehungen zu ihr, als er an die ventrale Fläche der den Sakter einschließenden Knorpelhülle (M) direkt ar- stößt (Taf. XXII Figg. 5—8). Da der Sakter nicht über die ganze Muschelregion reicht, so zeigt die Nasenkapsel im vordersten Abschnitt der Muschelregion und in der Gegend des Nasenvorhofs viel einfachere Gestalt (Taf. XXII Figg. 10 u. 2—4). Sie wölbt sich nicht so weit lateralwärts vor, sondern biegt in ganz kurzem Bogen vom Septum aus ventralwärts ab, auch hier ohne Beziehung zum Choanengang, der immer in einem tieferen Niveau als der Ventralrand des Knorpelmantels steht. Wäh- rend die Decke des Knorpelgewölbes sich der Oberfläche der Sakter- nische genau anpasst, also einen entsprechend weiten koncentrischen Bogen längs deren Außenwand beschreibt, zieht sie sich am oralen Ende des Sakter plötzlich stark ein und fällt in einem seichten Bo- gen bis zum vorderen Ende des Nasenschlauches ab, indem auch das mediane Septum an Höhe verliert. Damit geht der Knorpel der - Muschelzone in den vorderen Theil der Nasenkapsel über, dessen - transversaler Durchmesser erheblich schmäler ist als der des hinteren - Theiles. Die Grenze zwischen der vorderen und hinteren Hälfte der Knorpelkapsel markirt sieh dureh den steilen, plótzlichen Abfall der Seitenwand am Anfang der Sakternische (Taf. XXII Fig. 10 f). Hier ‘ist die Fläche der Seitenwand für eine kurze Strecke oralwärts ge- wendet; außerdem befinden sich darauf zwei nebeneinander liegende, rundliehe Knorpellücken. Aus der inneren (7) tritt der Ausführungsgang der lateralen, dem Cartilago conchae (MIHALKOVICcs) angesehmiegten - -Nasendrüse. Die äußere Lücke (a) liegt größtentheils vor dem vor- deren Rande der Sakternische, die an dieser Stelle eine kurze, orale Blindbucht treibt. —— Gerade vor dem Abfall (f) der hinteren Hälfte wird die Kapsel ‚vollständig ringartig um den Nasenschlauch geschlossen (Zona annu- laris, GAvPP) und zu bedeutender Festigkeit entwickelt, indem vom ‘oralen Rande der Sakterhülle ein Knorpelbalken etwas schräg ge- ‚neigt vorwärts gegen das Septum zieht (Taf. XXII Fig. 10 za). Durch 576 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. eine große Spaltlücke getrennt liegt darüber ein zweiter lateraler Knorpelbalken. Beide reichen zum vorderen Ende der Ethmoidal- region, umsäumen die äußere Nasenöffnung und decken die laterale sowie die ventrale Wand des Vorhofes. Der ventrale Balken entsendet außerdem einen rückwärtigen Ausläufer (Taf. XXII Figg. 4—9 ps) parallel dem ventralen Septalrande als Paraseptalknorpel, Car- tilago paraseptalis inferior (MinaLkovics). Ähnliche Verhältnisse bei Lacerta hat Gaupp als Zona annularis und Capsula organi vo- mero-nasalis nebst. Cartilago ecto-choanalis beschrieben. Bei Platydactylus ist die hintere Hälfte der Nasenkapsel, d.h. der den Sakter umschließende Theil vollständiger als bei Lacerta. Gaupp hat für die letztgenannte Art die Existenz einer großen, late- ralen Lücke, Fenestra lateralis nasi nachgewiesen, durch welche man direkt auf den Boden der Sakterknorpelblase schaut. Sie ist bei Platydactylus nicht vorhanden. Der ventrale Boden ist bei Pla- tydactylus geräumiger und zierlicher entwickelt. Er schiebt sich als dünne, œ~ gekrümmte Lamelle (M) in die mesodermale Muschelkou- lisse zwischen Sakter und Choanengang hinein und biegt sich nahe dem Stammtheil hakenartig ventralwärts (Taf. XXII Figg. 6—8). Diese Knorpellamelle prägt daher die Gliederung des Nasenschlauches in die zwei lateralen Räume (Sakter und Choanengang) auch am Schädel- skelet aus. Sie bedeutet einen Formcharakier, welcher sämmtlichen Amnioten zukommt und von GEGENBAUR als eigentliche Muschel der Nasenhöhle erkannt wurde. Da die Skeletplatte in der meso- dermalen Muschelkoulisse liegt, wird ihre dorsale bezw. ventrale Fläche von der ventralen Wand des Sakters bezw. der dorsalen Wand des Choanenganges bedeckt. Medial schaut ihr leicht ventral ge- rollter Rand gegen den Stammtheil des Nasenschlauches, während von lateral und unten her die kleine Aulax des Choanenganges sich anschmiegt. Die Muschellamelle erstreckt sich nicht durch die ganze Höhle der Sakterknorpelblase; hinten endet sie in einiger Entfernung von der caudalen Kapselwand (Planum antorbitale, Gaupp), weil dort der gemeinsame Endabschnitt des Nasenschlauches ihrer Aus- dehnung eine Grenze setzt. GauPP hat ein laterales Stück der knor- | peligen Muschellamelle, das in die seitliche Wand der Sakterkapsel übergeht, den Recessus extraconchalis genannt. Ich finde aber keinen Grund, diese Unterscheidung in der nachfolgenden Darstel- lung beizubehalten. Über die Deutung der von mir als Muschel bezeichneten Knor- pellamelle (M) herrscht in der Litteratur nicht volle Einmüthigkeit. A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Siugeth. 577 GEGENBAUR (vergl. Anatomie 1898, pag. 961) nennt sie in konse- quenter Weise laterale Muschel. Aber SOLGER und MIHALKOVICS betrachten sie als ein damit nicht homologes Gebilde. Am schärfsten hat MrHALKOVICS diesem Irrthum Ausdruck gegeben (13, pag. 32): »Wenn im Sinne der Definition von GEGENBAUR Muschel ein mit schmaler Seite von der Nasenhóhlenwand abgehender Vorsprung ist, der von Skelettheilen mit freiem Rande gestützt wird, so ist das schmale, muschelähnliche Gebilde der Eidechsen und Schlangen nur ein muschelartiger Hügel, Pseudoconcha (SOLGER).« An einer spä- teren Stelle (pag. 59) homologisirt er denselben, wie sich bald zeigen wird, ohne wirklichen Grund den Siebbeinmuscheln der Säugethiere. Die Betrachtung des Nasenschlauches bei Vógeln und Sáugern wird aber lehren, dass GEGENBAUR allein riehtig gedacht hat. e. Die Entwicklung der Nasenregion der Reptilien. Nachdem ich die neue Deutung des Nasenschlauches an einem bestimmten Beispiele ausführlich erläutert habe, ist es nothwendig, dieselbe im Einzelnen zu begründen. Darum reihe ich einen kurzen Bericht über die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen an, welche von mir angestellt wurden zu dem Zwecke, die richtigen Formbegriffe für die morphologische Analyse der Nasenhóhle zu fin- den. Sie sind darum Anlass und Grund meiner Auffassung geworden. Bei ganz jungen Embryonen von Lacerta agilis tritt die Anlage des Nasenschlauches weit vor der rostralen Spitze des Unterkiefer- wulstes als eine einfache Ektodermeinstülpung (Taf. XXII Fig. 11) von seitlich zusammengedrückter Schlauchgestalt auf, die von einer lüngliehen Spaltöffnung in das Mesoderm des Kopfes eindringt. Der Eingang des primitiven Nasenschlauches liegt schräg gegen die Medianebene geneigt an der ventralen Hälfte der seitlichen Kopf- fläche in der unbedeutenden Ethmoidalregion. Darum ist die mediale Wand der Nasengrube größer als die laterale Wand. Letztere wird von dem äußeren Nasenfortsatz (anf) bedeckt, dessen ventraler Rand nicht so tief herabreicht wie der Stirnnasenfortsatz. Die beiden Seiten- wände stehen noch ziemlich parallel zu einander. Bloß an der me- ialen Wand und zwar an einer schmalen Zone nahe dem freien ventralen Rande findet sich eine schüsselförmige, medianwärts stark konvex gewölbte Ausbuchtung (Fig. 11 JO), welche sich über die halbe Länge des Epithelsackes erstreckt. Das ist die Anlage des ACOBSOHN’schen /Organs. Die beiden Nasenschläuche liegen weit aus einander durch den breiten Stirnnasenfortsatz getrennt. 578 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Die Entwicklung der Nasenschläuche bei Lacerta und Anguis zeigt so wenig Verschiedenheiten von einander, dass man den Ent- wieklungsvorgang dieser beiden Thierspecies generell behandeln und | etwaige Lücken des Untersuchungsmaterials, die bei der einen vor- handen sind, sehr gut durch entsprechende Stadien der andern er- | gänzen kann. Darum kann ich den jüngsten Embryo von Anguis, welcher die nächstfolgende Entwicklungsstufe des jüngsten Lacerta- Stadiums erreicht hat, trefflich für diesen Zweck ausnutzen (Fig. 12). Der Nasenschlauch ist bereits schärfer von der Oberfläche ab- gegliedert als eine schmallichtige Epitheltasche, die in dorso-ventraler Richtung erhóht ist. Die beiderseitigen Anlagen stehen nicht parallel zur Medianebene, sondern sind schräg nach hinten und außen ge- richtet. Sie sind zwar in ihrer ganzen Länge noch schlitzartig ge- öffnet (Taf. XXII Fig. 12), aber die laterale Wand des Nasen- schlauches reicht weiter ventralwärts und verdeckt nicht nur die an- fangs freiliegende, mediale Wand, sondern reicht sogar in der hinteren Hälfte selbst etwas tiefer herab als jene, während nahe dem Nasen- loch beide Ränder ungefähr in gleichem horizontalen Niveau stehen. Darum liegt die Hautöffnung nicht schräg lateral an der Vorderfläche des Kopfes, sondern an dessen unterer Seite. Weil die laterale Wand tiefer ventral vorgewachsen ist, sind die JAcoBsonHN'schen Organe nicht mehr von der Seite her sichtbar. Sie sind jetzt ganz in den Bereich der Nasenhóhle einbezogen und stellen je eine kugelige, tiefe Aushóhlung (JO) am unteren Theile der medialen Wand dar, die noch durch eine verhältnismäßig weite, mehr in der oralen Hälfte des Organs gelegene Öffnung mit der Nasenhöhle kommunicirt. Ihre Wand ist mit hohem cylindrischem Epithel bekleidet. Die Spalt- öffnung des Nasenschlauches erstreckt sich noch von seinem hinteren bis zum vorderen Ende und ist 0,85 mm lang. Der direkt darüber stehende ventralste Theil des Nasenschlauches besitzt eine merk- liche Krümmung besonders iu der hinteren Hälfte, indem er nach aufwärts und schräg nach außen steigt. Darin prägt sich bereits ein charakteristisches Merkmal des Choanenganges aus. Der übrige große Theil des Nasenschlauches ragt aber gerade in das Ethmoidal- mesoderm ein. Das nächstfolgende Entwicklungsstadium (Taf. XXII Fig. 13), ebenfalls von einer Anguis fragilis, zeigt wichtige Fortschritte zum definitiven Formzustand. Zunächst ist die Trennung der langen, schlitzartigen Öffnung in das äußere Nasenloch und die Choanen- spalte vollzogen und es steht eine 0,21 mm lange Strecke des A. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 579 Nasenschlauches vor dem Jacopsoun’schen Organe nicht mehr im Zusammenhange mit dem Ektoderm der Kopfoberfläche. Da ich den Seheidungsprocess selbst nicht beobachten konnte, füge ich der Voll- Btündigkeit halber einen Abschnitt aus Born’s Beschreibung (1, pag. 80) ein: »Mit der fortschreitenden Verschmälerung und Verlängerung der - zur Riechgrube führenden Nasenspalte werden die Öffnungen der JACOB- soHN'sehen Organe unsichtbar, sie kommen aus ihrer schiefen, nach vorn und außen gewandten Richtung heraus und stellen sich in eine rein sagittale Ebene ein. Dann sieht man, wie sich die winklig vor- springende Mitte des äußeren Nasenfortsatzes etwa in der Höhe der Öffnungen der JacoBsonn’schen Organe immer mehr von dem me- dialen Rande der Nasenspalte hinwegschiebt. Bald darauf legt sie sich an letzteren an und verschmilzt mit demselben, so dass die vor- - her einfache Nasenspalte in zwei Öffnungen zerfällt: in die Apertura nasalis externa und die primitive Choane am Gaumen.« Nachdem dadurch die schlauchförmige Gestalt des Geruchsorgans definitiv besiegelt ist, beginnt die feinere Modellirung seiner Wände, um den merkwürdigen Zustand herbeizuführen, welchen ich oben nach einem Modelle von Platydactylus geschildert habe. Zunächst erfährt - die dorsale Randzone (Taf. XXII Fig. 13 Sr) eine bedeutsame Umbil- dung, indem sie lateral auswächst und sich rasch ventralwärts über die Mitte der Gesammthöhe des Hauptnasenraumes abbiegt, so dass eine Seitentasche von sichelförmiger Gestalt entsteht. Sie ist die erste Anlage der oberen Seitennische, des Sakters. Ihre Wand be- steht aus dickem, mehrschichtigem Epithel. Der Stammtheil (S?) ist noch nicht deutlich differenzirt. An seiner medialen Wand liegt die Ausstülpung des JAcopsoun’schen Organs (JO), welches größer und zugleich mehr abgesehnürt wurde, jedoch immer noch durch eine lange Offnung (0,12 mm) mit dem Nasenlumen kommunicirt. Der Choanengang (Cg) hebt sich durch eine dem JAcoBsonN'schen Organe gegenüber liegende, scharfwinklige Knickung der lateralen Wand des Nasenschlauches ab. Im hinteren Theile des Nasenschlauches ist der Hohlraum ein- heitlich. Wie wir früher bei Platydactylus sahen, bleibt derselbe immer einfach als antorbitale Hóhle. Von dieser zieht Sakter und hoanengang rostralwirts, aber der Sakter reieht weiter über das vordere Ende des Choanenganges hinaus bis zum vorderen Ende des JACOBSOHN’schen Organs; freilich in dem vorderen Abschnitt nieht so stark lateralwärts gedehnt als in seinem caudalen Abschnitte, mit anderen Worten: die Sakternische hebt ganz allmählich an. Die Wa 580 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Krümmung der Sakterwände ist noch unbedeutend, sie liegen noch fast horizontal, nur der Gesimsrand ist schon in einem rechten Winkel abgeknickt, besonders deutlich in der hinteren Hälfte. Der Choanen- gang hat eine Länge von 0,21 mm. Während sein vorderer Abschnitt der Medianebene fast parallel gerichtet ist, nimmt er weiter caudal- wärts eine schräge Neigung an, so dass die Ebenen der beiderseitigen Choanengänge wenigstens in ihrem hinteren Abschnitte konvergiren. Der vor dem Sakter liegende Abschnitt des Nasenschlauches ist ein einfacher hoher Schmalsack geblieben, der schräg oralwärts und etwas nach außen zum Nasenloch läuft. Vom Knorpelskelet ist noch wenig wahrzunehmen; als einziger Bestandtheil ist das Septum (S) im Mesoderm differenzirt. Es stellt eine hinten niedrige, nach vorn allmählich ansteigende Knorpelplatte dar, deren ventraler Rand in seiner vorderen Hälfte gablig aus einander gezogen ist. Nahe dem Vorderende zeigt auch der dorsale Rand zwei flügelartige Ausläufer. Das nächst ältere Stadium (Taf. XXI Fig. 14) von einer La- certa vivipara zeigt die einzelnen Abschnitte des Nasenschlauches noch deutlicher differenzirt, den sichelförmigen Sakter (Sr), den Stammtheil (S¢) und besonders den scharfwinklig abgeknickten Choa- nengang (Cg). Auch der antorbitale Schlussraum hat an Größe zu- genommen. Besonderes Interesse gebührt dem Choanengang, der als ventrales Produkt des Nasenschlauches schräg gegen die Median- ebene geneigt, also beiderseitig konvergirend an das Munddach herabsteigt und in einiger Entfernung von der Mittellinie in den länglichen Choanenspalt (cs) ausmündet. Die winklige Knickung theilt ihn in einen kürzeren horizontalen und längeren absteigenden, medianwärts geneigten Schenkel. Sein schräger Verlauf ist als mor- phologisch wichtig mit besonderem Nachdruck zu betonen, eben so dass die Choane lateral liegt und durch einen niedrigen Längswulst | von der mit einem seichten Grat ausgezeichneten Medianzone des Munddaches entfernt ist. So deutlich nun das Lumen im abstei- genden Schenkel des Choanenganges (7 Schnitte = 0,175 mm) ist, weiter oralwärts schwindet dasselbe. Man findet dann die mediale und laterale Epithelschicht seiner Wand dicht zusammengepresst wie eine solide Epithelplatte aber von gleichgerichteter Schräg- neigung. An dieser soliden Lamelle, der späteren Choanenrinne, hängt der Ausführungsgang des JACOBSOHN’schen Organs, und zwar in ganz kurzer Entfernung von dem offenen Theile des Choanen- spaltes; deshalb glaube ich die Gaumenrinne ganz richtig als ENGE gemini eae E 1 A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vógeln u. Sáugeth. 581 - Mündungsabsehnitt des Choanenganges deuten zu dürfen. Denn wie die jüngeren Stadien zeigen, ist das Jacopsoun’sche Organ eine _taschenartige Differenzirung der medialen Nasenwand. Es muss . aueh, nachdem es sich vom Nasenschlaueh ganz emancipirt hat und . als walziges Epithelsäckchen medial ans Nasenseptum gedrängt wurde, seine Mündungsstelle an der Wand des Nasenschlauches beibehalten. 1 In den nächsten Entwicklungsstadien (Taf. XXII Fig. 15) nähert sich die Ausbildung des Nasenschlauches dem ausgebildeten Zu- stande; nur das Knorpelskelet beharrt auf einer primitiven Stufe der Entwicklung. Ein geringer Unterschied besteht zwischen An- - guis und Lacerta bezüglich der Lage des äußeren Nasenloches; bei Anguis liegt es mehr ventral und führt in fast senkrecht auf- - steigender Richtung nach dem höher gelegenen Nasenvorhof. Nicht so bei Lacerta: hier liegt das äußere Nasenloch in gleicher Höhe mit dem Nasenvorhof, lateral am vorderen Ende der Ethmoidalregion und man tritt zuerst in direkt medianer Richtung in den caudal- würts sanft aufsteigenden Vorhof. Das vordere Ende des JACOBSOHN- — sehen Organs liegt gerade unter der Grenze zwischen Nasenvorhof = und Muschelzone. — Der Choanengang (Cg) ist gegen die Stamm- zone noch schärfer abgebogen und bildet einen ansehnlichen Seiten- - raum, der dicht unter dem Muschelwulst gelagert ist, so dass letzterer gleichsam die dorsale Begrenzungsfläche bildet. Obwohl die Winkel- beuge des Choanenganges durch die scharfe Kante der lateralen — Wand am meisten auffällt, ist doch auch an der medialen Wand die Beuge zu erkennen durch einen lateralwürts vorspringenden Wulst, dicht oberhalb der Einmündung des Jacopsoun’schen Organs, das in den längeren absteigenden Schenkel des Choanenganges mündet. Die genaueren Vorgänge über die Verschiebung der Ausmündung des JAcoBsonHw'sehen Organs hat Born geschildert, auf dessen Arbeit betreffs dieser Frage verwiesen werden muss. — Miuarkovics hat - den ventralen Schenkel des Choanenganges (Fig.15, zwischen cs u. Cg) den seitlichen Theil des Gaumenspaltes, Fissura palatina lateralis ge- nannt, weil er sich vorstellte, dass der sekundäre Gaumenfortsatz des Oberkiefers mächtig medianwärts wachse und mit der Decke der Mund- hóhle eine Rinne, die Gaumenspalte bilde. Sie soll vorn neben der -Gaumenpapille als kleine Einbuchtung beginnen, weiter nach hinten gu unter den ganzen Boden der Nasenhóhle sich erstrecken und an ihrer oberen Wand die Choane aufnehmen. Er meint, embryologisch sei die ganze Formation aus dem Vorwachsen der sekundären Gau- -menleiste unter dem Boden der primären Nasenhóhle zu erklären. Morpholog. Jahrbuch. 31. 38 582 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Da MriHALKOVICS offenbar keine Embryonen untersucht hat, ist seine Ansicht nur als ein Versuch zu betrachten, den definitiven Zu- stand embryologisch zu erläutern. Meine Beschreibung zeigt aber, dass er nicht richtig gedeutet hat; denn sobald man die Figuren 13—15 betrachtet, kann es gar keinem Zweifel unterliegen, dass der »Gau- menspalte« genannte Theil (zwischen cs und Cg) wirklich ein Ab- schnitt des Nasenschlauches ist. Das Knorpelskelet ist in seiner Entwicklung fortgeschritten, zeigt aber noch einen lückenhaften Charakter. Von dem vollkommen ausgebildeten Nasenseptum entspringt das knorpelige Nasendach; jedoch ist die Ursprungszone desselben noch nicht so ausgedehnt, wie auch in dem Dache selbst noch manche Lücken klaffen, an denen der Knorpel nicht deutlich differenzirt ist. Dasselbe ist von der Knorpelseitenwand zu konstatiren; aueh sie ist nur in groben Umrissen markirt und häufig von größeren Öffnungen durchsetzt, die Muschel ist zwar angelegt, ohne jedoch eine bestimmtere Form erkennen zu lassen. Fast vollständig fertig ist das Knorpelskelet des vorderen Abschnittes des Nasenvorhofs entwickelt. — Dieser wenig vollkommene Zustand des Knorpelskelets ist ein wichtiger Beweisgrund dafür, dass die Knorpelhülle keinen Einfluss auf die innere Gestaltung des Riechschlauches hat; denn dieser hat fast seinen definitiven Zustand erreicht, wo von einer Knorpelkapsel noch recht wenig zu sehen ist. Das fällt besonders für die Muschel ins Gewicht und zeigt, dass frühere Autoren dieselbe mit Unrecht für die komplieirte Gestaltung der inneren Oberfläche des Riechschlauches verantworlich machten. 2. Die Nasenregion der Vögel. (Taf. XXIII, Figg. 22—35.) Bei den Vögeln herrscht eine neue Variante des für Eidechsen und Schlangen erkannten Formstiles, ohne dass sehr tiefgreifende Modifikationen des Nasenschlauches gegeben wären; denn auch hier giit die allgemeine Gliederung in Vorhof und Muschelzone, sowie die Bildung der beiden Seitennischen Sakter und Choanengang. Auf den ersten Blick erscheinen die Verhältnisse freilich total verschieden und die in der Litteratur vorliegenden Beschreibungen spiegeln diesen Eindruck auch deutlich wieder. Sobald man sich jedoch eingehend mit den Formen beschäftigt, erkennt man das gemeinsame Stilgesetz der Sauropsiden. Die Unterschiede, welche gegen die nähere Form- verwandtschaft zu sprechen scheinen, werden durch ein eigentlich A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d.Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 583 recht nebensächliches Moment bedingt: nämlich durch die viel be- deutendere Größenentfaltung der Nasenschläuche, welche sowohl in der Längen- als in der Höhenausdehnung derselben ausgesprochen ist. Sie hängt sicherlich mit dem lebhaften Sauerstoffhunger der Vögel zusammen. Wenn große Luftmengen mit periodischer Fre- quenz in die Lungen und Luftsücke eingesogen, dann wieder aus- gestoßen werden, muss auch der zuführende Kanal eine entspre- chende Weite für den Respirationsstrom, sowie einen größeren Bezirk des seine Beschaffenheit prüfenden Riechepithels besitzen. Zur Ver- -gróBerung der Nasenhöhle dienen nun unzweifelhaft die beiden Seitennischen Sakter und Choanengang mit Aulax. Sie sind in der wenig geräumigen Ethmoidalregion des Saurierschädels mit vortreff- licher Ausnutzung des Platzes angebracht, indem sie (Taf. XXII Fig. 6) transversal verbreitert und dorso-ventral zusammengekrümmt liegen. Da anscheinend die Schnabelbildung am Vogelschädel die ‚seitliche Ausdehnung der Muschelregion verbietet, erfolgt in dieser Klasse die Entfaltung der Seitentaschen in ventro-dorsaler Rich- tung. Sowohl Sakter als Choanengang sind weniger lateral als - dorsalwärts gerichtet und stehen wie hohe Seitentaschen des Stamm- theiles über einander aufgethürmt (Figg. 26, 27), während sie bei den Reptilien sich gewissermaßen seitlich in einander wickelten. Also ist der Grundcharakter des Vogelnasenschlauches in der lateralen Kompression und dorsalen Erhöhung ausgeprägt. a. Der epitheliale Nasenschlauch von Anas domestica. Ich beschreibe die typischen Verhältnisse nach dem Rekonstruk- tionsmodelle eines Entenembryos von 28,5 mm (Taf. XXIII Fig. 22a, b). = Durch das äußere Nasenloch, einen horizontal gelagerten, lateral- wärts geöffneten Längsspalt von ungefähr 0,4 mm Länge tritt man in das Lumen des Nasenvorhofs (V) ein, der in einem tieferen Niveau als die Muschelzone liegt. Seine Längenausdehnung erreicht un- gefähr ein Drittel der Gesammtlänge. Mit leichter, ventraler Krüm- mung steigt der Vorhof nach hinten, jedoch nicht als ein cylindri- scher Gang, sondern als Kanal mit halbmondförmigem Querschnitte (Taf. XXIII Fig. 23a), weil seine dorsale Wand (VM) einge- buchtet, der ventralen Wand dicht genähert und gleich gekrümmt liegt. Man kann daher auch sagen, es rage eine dorsale Längsfalte in den Vorhof hinein. Wenn später der Vorhof in die Länge ge- wachsen ist, hat sich die Längsfalte gleichsinnig vergrößert. Sie fällt am ausgebildeten Thiere jedem Beobachter auf und ist als 38* 584 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Vorhofsmuschel (VM) (Taf. XXIII Fig. 23 b) bezeichnet worden. Eben so ist bekannt, dass sie eine charakteristische Stileigen- thümlichkeit der Vögel bildet, die den übrigen Amnioten fehlt. In kurzer Entfernung vom äußeren Nasenloch (0,4 mm) kompli- cirt sich das innere Relief dadurch, dass am dorso-medialen Rande - des halbrinnenförmig gekrümmten Vorhofsganges eine kleine late- rale Ausbuchtung (Taf. XXIII Fig. 24 A) erfolgt, welche an der seit- - lichen Wand des Nasenschlauches weit nach hinten reicht und immer mehr an Größe zunimmt, indem sie sich zugleich nach aufwärts ' biegt. Ihr vorderes Ende bezeichnet die Grenze des Nasenvorhofes gegen die Muschelregion und die kleine Seitennische selbst ist nichts Anderes als der Beginn der uns von den Eidechsen her bekannten Aulax bezw. des Choanenganges (Taf. XXIII Fig. 24 A u. Cg). In der Muschelregion (Fig. 22 a, 5 und Fig. 25) ist der me- diane Stammtheil nebst zwei lateralen Seitentaschen zu unterschei- den und als durchaus homolog mit jenen der Reptilien zu betrachten. Desshalb werde ich wieder den ventralen Theil den Choanengang (Cg) und die obere Seitentasche Sakter (Sr) nennen. Als Stammtheil (St) ist ein Abschnitt von unerheblichem Höhendurchmesser anzusprechen, der gleich einem schmalen bandförmigen Streifen zwischen Choanen- gang und Sakter eingeschoben ist (Figg. 25 u. 26). Mit der vorderen Grenze des Stammtheiles fállt auch der An- fang des Choanenganges zusammen. Im Gegensatz zu den Sau- riern zieht der Choanengang vom Stammtheile gerade abwärts an den Choanenspalt, nur ein klein wenig schrig, d. h. gegen die Medianebene konvergirend geneigt. Dadurch spricht sich ein wich- tiger Stileharakter der Vogelklasse aus; denn der Choanengang zeigt gar keine Neigung, sich wie bei Platydactylus lateral abzubiegen und von seinem horizontalen Schenkel einen absteigenden Gang zur Choane zu senden (vergl. Figg. 8 u. 26). Auch liegen die Choanen- spalten des Munddaches viel näher der Mittellinie als bei Eidechsen und Schlangen. Darum zieht der Choanengang ziemlich gerade ventral- wärts und erscheint mehr wie eine direkte Verlängerung des Stamm- theiles, weniger wie ein besonderer Abschnitt des Nasenschlauches. : Gewissermaßen zur Kompensation seines einfachen Verlaufes ist die bei einigen Reptilien schwach angedeutete Aulaxnische kräftig ausgebildet (Figg. 22a, Figg. 25—27 A). Sie springt in einem stark - lateral konvex gekrümmten Bogen dorsalwärts über die schmale Dorsalwand des Choanenganges empor und rollt ihren Dorsalrand zumal in der hinteren Region medianwärts gegen den Stammtheil. IE a Pt NM TEE ett a PtP rr A. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 585 Dadurch wird zwischen letzterem und der Aulax ein im Querschnitt etwa zungenfürmiger Bezirk (M) von Mesodermzellen eingeschlossen, der wie ein langer Wulst (Fig. 225, M) erscheint, wenn man die Nasenhöhle ‘nach Spaltung des Schädels und Entfernung des Septums betrachtet. Er ist von GEGENBAUR als mittlere Muschel der Vögel bezeichnet worden. Ich werde den Ausdruck Muschel kurzweg gebrauchen, weil wir uns einmal daran gewöhnt haben. Doch soll der Leser stets beachten, dass dieser Terminus eine Formeigenthümliehkeit der Nasenregion bedeutet, welche aus mehreren, morphologiseh scharf zu unterscheidenden Stücken besteht, nämlich der lateralen Epithel- wand des Stammtheiles, der dorsalen Epithelwand des Choanen- ganges, der medialen Epithelwand der Aulax und dem dazwischen -eingeschlossenen mesodermalen Gewebe. Weil Aulax und Stamra- theil des Nasenschlauches in einem bestimmten Transversalabstande sich befinden, ist Platz für Massenentwicklung mesodermaler Zellen gegeben, deren Gesammtheit als ein langer Längswulst, eben die mittlere Muschel erscheint. 1 GroBen stilistisehen Werth hat ferner die Thatsache, dass die ^ Aulax außerordentlich lang gestreckt ist (Fig. 225). Sie reicht über die ganze Seitenwand der Muschelzone, ja sie sendet sogar einen "niedrigen Ausläufer nach dem Vorhofe. Von hier steigt ihr Dorsal- rand (Fig. 22a) ungefähr bis zur Mitte der Muschelzone, um nach hinten wieder abzufallen. Ihre hintere Hälfte liegt sammt dem Choanengang mehr lateral als die vordere Hälfte. — A Der dorsale Nebenraum des Nasenschlauches, der Sakter, zeigt eine neue und ganz merkwürdige Ausbildung (Figg. 22a, 225, 25 bis 27 Sr). In morphologischer Übereinstimmung mit da Befunde „bei. Platydactylus, wo der Choanengang weiter rostralwärts reicht. als der Sakter, beginnt die homologe Seitentasche der Vögel erst eine Strecke hinter dem Ursprung der Aulax zunächst als eine geringe Ausbuehtung des schräg nach aufwärts und hinten ansteigenden -Dorsalrandes des Stammtheiles und gewinnt bald eine mächtige Entfaltung (Taf. XXIII Fig. 22a) Sie ladet freilich weniger direkt lateralwürts aus, um die Aulax zu überschirmen wie bei den Sauriern. Sie springt nieht einmal über die Dorsalkante der Aulaxnische vor. 4 uch ist sie keine dorso-ventral komprimirte Blase mit schmalem Lumen zwischen der dicht genäherten Decken- und Bodenfläche, son- ‚dern der Sakter ist gerade dorsalwärts ausgezogen, so dass er wie ein hoher Aufsatz von ungefähr dreieckiger Gestalt über den von der Aulax verdeckten Stammtheil emporragt. Man kann (Taf. XXIII 586 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Figg. 22 a, 6) an dem Sakter einen sanft ansteigenden und einen ab- - fallenden Dorsalrand, den ich kiinftig Dorsalgrat (dg) nennen will, | ferner einen lateralen, oberhalb der Aulax vorspringenden Rand, den ich künftig das Gesimse (gs) des Sakters nennen will, außerdem eine - schräg vom Gesimse zum Dorsalgrat ziehende und gegen die Median- | ebene eingebuchtete Seitenwand (rd), eine orale Ecke (E), an wel- cher Dorsalgrat und Gesimskante zusammenlaufen, endlich eine kleine Sicheltasche (st) des ansteigenden Dorsalrandes unterscheiden. Die - mediale Wand, welche vom Dorsalgrat längs des Septums zum Stamm- ` theil herabsteigt (Fig. 27), ist sehr groß. Der Kontrast dieser Form des Sakters zu seiner typischen Ge- $ stalt bei den Reptilien ist außerordentlich groß. Während er bei letzteren einer flachen, quadrantiseh gekrümmten und lateral ge- dehnten Blase (Fig. 1c) gleicht, hat er bei Vögeln die Form einer drei- | seitigen Pyramide mit oral gewendeter Spitze. Der Sakterboden (Fig.27, zwischen St u. gs) ist sehr schmal, er springt wohl dorsal über den Aulaxrand nach der Seite, allein er umfasst nicht mit starker Ventral- krümmung den Choanengang. Darum steht das Saktergesimse (gs) viel näher der lateralen Wand des Stammtheiles, als bei den Rep- tilien. Die über dem Gesimse liegende Decke des Sakters (Taf. XXIII Figg. 22 a, 27) ist ganz anders gekrümmt und auffallend von der ` | Form der Reptilien geschieden. Ihre steile Neigung gegen den Dor- ` salgrat, sowie ihre median konvexe Einbuchtung (rb), die besonders auffallt, wenn man den Sakter von oben her betrachtet, sowie die mächtige Medialwand des Sakters weichen von der Form des gleich- | namigen und nach meiner Ansicht unbedingt gleichwerthigen Ab- ~ schnittes bei Platydaetylus so ganz überraschend ab, dass der Leser | sich fragen wird, ob ich mit Recht diese Homologie behaupte. Ich habe diesen Zweifel durch eingehenden Vergleich zu heben versucht und dadurch noeh mehr Merkmale der stilistischen Einheit gefunden. — Vom morphologischen Standpunkte sieht man folgende Abnlich- H keiten. Der Boden des Sakters (Figg. 6 u. 26) ladet genau so wie © bei Platydactylus von der lateralen Wand des Stammtheiles in einiger ` Hohe über dem Choanengang und der Aulaxnische lateral aus und ragt wie eine transversale, nur ganz wenig gekrümmte Lamelle über die laterale Tangentialebene der Aulax, so dass zwischen beiden die - Anlage der mittleren Muschel (M) eingeschlossen wird. Der Boden des Sakters wächst also bei Sauropsiden aus der seitlichen Wand des © Stammtheiles oberhalb des Muschelwulstes heraus. Die Grenzlinie beschreibt einen leichten, dorsalkonvexen Bogen, der von seinem A. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 587 Ausgangspunkt allmählich schräg nach hinten abfällt. Ferner zeigt an dem Rekonstruktionsmodelle (Taf. XXIII Fig. 22), und das er- scheint mir ein außerordentlich wichtiges Moment für die stilistische Deutung, der ansteigende Dorsalrand (st) des Sakters (von vorn oder = von hinten betrachtet) genau dasselbe Aussehen wie bei den Rep- tilien (Fig. 1c); denn hier buchtet sich die Wand in Gestalt einer sichel- förmig gekrümmten Seitentasche (st) heraus, nur mit dem Unter- schiede, dass der Eindruck dieser Form durch die dorsale Höhen- ausdehnung des medianen Sakterlumens etwas beeinträchtigt ist. Aber von hinten her gesehen ist die Übereinstimmung seines ge- krümmten Schmaltaschenabschnittes mit demjenigen der Reptilien unzweifelhaft. Freilich spricht die Ähnlichkeit nur aus dem vor- deren, noch dazu sehr kleinen Abschnitte des Sakter. Hinter der- selben liegt die dorsale Wand nicht mehr gewölbeartig gekrümmt, sondern ins Lumen eingebuchtet, so dass an der Außenfläche des Nasenschlauches eine tiefe Bucht der Wand geöffnet ist (Taf. XXIII Figg. 22 a u. 27 rb) Allein man darf bei der morphologischen Analyse nie zu weit gehen in dem Bestreben, Ähnlichkeiten zu finden. Diese Einbuchtung der schräg geneigten Sakterdecke ist ein neuer Stilcharakter der Vögel, welcher den Reptilien durchaus unbekannt ist, aber bei den Sáugethieren, wie wir später sehen wer- den, beibehalten und auf eigenartige Weise verwendet wird. Wir müssen daher den Sakter noch eingehender studiren. Dadurch, dass der größere Theil der Decke des Sakter hinter der kurzen Sichel- tasche nicht gewölbt, sondern eingedrückt liegt, erscheint seine Decke (rb) bei der Seitenansicht des Nasenschlauches (Taf. XXIII Fig. 22 a) nicht eigentlich mehr als Decke, sondern als schräg von der Gesims- kante (gs) aufsteigende Seitenwand. Das Aussehen dieser ganzen Zone gleicht einer tief ausgehöhlten ovalen Halbschüssel, welche rostral von der kurzen, erkerartig vorspringenden Sicheltasche (si), ventral vom lateralen Saktergesimse (gs) und hinten durch einen niedrigen Wulst (Ao) begrenzt wird. Nachdem wir die laterale Sakterwand von außen her betrachtet haben, wollen wir ihre Innenfläche ansehen. Dort begegnet uns dieselbe — Modellirung, aber im umgekehrten Relief. Die halbschüsselförmige Bucht der Sakterdecke tritt uns als gewölbter Hügel (rA) entgegen (Taf. XXIII Figg. 225 und 27), während die Sicheltasche (s?) nur ihren schmalen Binnenraum zeigt. Trotz des mächtigen Höhenwachsthums ist also die Höhle des Sakters nicht weiter geworden. Sie ist eng und schmal wie der kleine Spaltraum im Reptiliensakter. Wir 588 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. begreifen, dass die Vergrößerung der oberen Nasenkammer weniger der Binnenhöhle als der Wandfläche zu Gute kommen soll. Ober- halb des Muschelwulstes (M) liegt das schmale Lumen des Gesimses (gs) und schräg nach oben zieht eine andere in die Sicheltasche dringende Schmallichtung (st). Beide Höhlen bilden eine >förmige Furche der Seitenwand, über die der Sakterhiigel (r4) median vorgewölbt ist. Von allen Eigenthümliehkeiten des Sakters, welche ich soeben ge- schildert habe, ist nur der Hügel (rA) seit langer Zeit bekannt. GEGEN- BAUR hat mit genialem Blicke seine Sonderheit gegenüber den Muscheln — der Nasenhóhle erfasst und seine richtige Deutung durch den Be- griff Riechhügel fixirt. Da der Name allgemein angenommen und jedenfalls viel besser als die gleichbedeutenden Ausdrücke Concha superior oder Pseudoconcha ist, so will ich bis zu einer späteren Einigung über die rationelle Nomenklatur ihn fernerhin verwenden und, je nachdem ich den Nasenschlauch von innen oder außen be- trachte, vom Riechhügel bezw. von der Riechhiigelbucht des Sakters sprechen, wenngleich man mit Rücksicht auf die Befunde bei Säuge- thieren, deren Interpretation Herr Prof. Dr. FLEISCHMANN mich ge- lehrt hat, den Riechhügel auch den Nasoturbinalwulst nennen könnte. Vor und hinter dem Riechhügel liegt je eine morphologisch bedeut- same Differenzirung. Die vordere ist die Sicheltasche, welche uns überhaupt ermöglichte, den Riechhöhlenabschnitt als homolog dem Sakter der Reptilien zu erkennen; denn sie reicht wenigstens mit ihrer oralen Hälfte bis zum Gesimse des Sakter und zeigt in der hinteren Hälfte genau die gleiche Beschaffenheit wie der flache Reptiliensakter. Ihre dorsale wie ventrale Wand sind dicht genähert und gleichsinnig dorsalkonvex gekrümmt. Hinter dem Riechhügel und zwar an dessen ventralem Caudalrande ist die Sakterwand ganz unbedeutend lateralwärts ausgebuchtet, so dass eine kleine dreieckige Nische (4o) entsteht, deren Antorbitalwand als dreieckiger Bezirk den Sakter abschließt. Das ist die einzige, einiger- maßen breite Stelle am Caudalrande des Sakters; denn die Riech- hügelbucht ist so tief eingedrückt, dass man von einem Antorbitalraum kaum reden kann. Der Dorsalgrat des Sakters (Taf. XXII Fig. 22) fällt etwa von der Mitte des Riechhügels steil nach hinten ab und bildet, indem er wie ein schmales Rinnengewölbe zwischen der Medialwand und dem Riechhügel eingesprengt ist, den dorsocaudalen Abschluss des Sakters, um dann in die dreieckige Antorbitalwand (Ao) überzugehen. Wenn man die Antorbitalnische von außen betrachtet, ist man gar nicht geneigt, sie als besondere Bildung anzusprechen; _ A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 589 denn sie hängt ohne deutliche Grenze mit dem Saktergesimse - (Fig. 22a, gs) zusammen, welches sich am hinteren Ende etwas in die Höhe zu krümmen und in den abfallenden Saktergrat zu verlieren scheint. Es sind auch bloß vergleichend morphologische Gründe, welche mich auf Anregung meines Lehrers bestimmen, die Antorbital- nische zu unterscheiden. Die Berechtigung dafür kann ich höchstens durch eine geringfügige Eigenthümlichkeit im hinteren Abschnitt des Nasenschlauches erweisen. Es findet sich nämlich unmittelbar über der Aulax vor dem Ende des Stammtheiles eine laterale Aus- . furehung der lateralen Stammwand, die zwischen Sakter und Aulax ventral hinzieht. Von der Außenseite betrachtet, zeigt diese Aus- buehtung die Form eines scharfkantigen, das Saktergesimse und die dorsale Wand des Choanenganges verbindenden Wulstes. Die ins Lumen geöffnete Rinnenhöhle (Fig. 222, r) desselben stellt die Ver- bindung des Antorbitalraumes mit dem Choanengang her und er- müóglicht das ungehinderte Passiren des den Sakter durchstreichenden Athemstromes, welehem wegen der direkten Verbindung des Sakters mit dem Stammtheil überhaupt keine Schwierigkeit entgegenstebt. An der Vertikalrinne endet der Stammtheil, aber Sakter und Aulax - setzen sich noch eine kleine Strecke weit nach hinten fort. Die Aulaxnische ist in diesem Bezirke schwächer entfaltet und nicht mehr nach innen eingerollt. Von der Antorbitalnische geht noch ein zapfenartiger Anhang (Fig. 22 so) lateralwärts, er ist die Anlage des Sinus orbitalis. b. Das Knorpelskelet des Nasenschlauches von Anas domestica. . Die Nasenschläuche der Vögel werden von einem kräftigen "Knorpelskelet umhüllt (Taf. XXIII Fig.28). Besonders charakteristisch ist das mediane Septum (S), das entsprechend der stärkeren Entfaltung der Nasenschläuche in dorso-ventraler Richtung zu außerordentlicher ‘Hohe ansteigt und dadurch einen wesentlichen Unterschied des Kopf- skeletes von Eidechsen und Vögeln bedingt. Vorn in der Region der ‘äußeren Nasenlöcher (Taf. XXIII Fig. 235) stellt es einen niedrigen Knorpelbalken von elliptisehem Querschnitte dar, welcher sich bis zur Schnabelspitze verlängert. Hinter dem Nasenloche aber (Figg. 25—27 b) wird das Septum sehr hoch. Während sein ventraler Rand ziemlich gerade horizontal zieht, steigt der Dorsalrand (Figg. 28a, 5, D) steil nach hinten aufwärts. Daher gewinnt das Septum eine dreieckige, oral spitz zulaufende Gestalt und spiegelt den dreieckigen Umriss der 090 A. Fleisehmann, Das Kopfskelet der Amnioten. beiderseits anstehenden Nasenschläuche getreulich wieder (Taf. XXIII. _ Fig. 282). Hinter dem Nasenschlauche geht das sehr hoch gewordene $. Septum nasale ohne scharfe Grenze in das gleichfalls hohe Interorbital- - septum über. Die Dicke des Septums ist nicht überall gleichmäßig, sondern unterliegt verschiedenen, jedoch in ihrer Lage genau mar- ' kirten Schwankungen. Nach dem ventralen Rande zu ist es wulst- | artig verdickt, so dass sein Querschnitt das Bild einer keulenartigen Anschwellung zeigt (Taf. XXIII Figg. 25, 26). Eine zweite Verdickung — bildet den schrägen Wulst (W) der seitlichen Wand, der die mediane . Seite des Nasenstammtheiles etwas in das Lumen vorbuchtet (Taf. XXIII Figg. 26, 27, 285). Derselbe dient wohl hauptsächlich dazu, die ` Festigkeit des Septums zu erhöhen; denn die beiden Schrigwiilste — der medianen Wand ziehen gerade an die Stelle, wo später das | Federgelenk des Oberschnabels liegt (Taf. XXIII Fig. 285). Dort ist auch der dorsale Rand des Septums außerordentlich breit (Taf. XXIII | Figg. 25, 26), im Übrigen zeigt er nur eine leichte Verstärkung und — geht ohne Grenze in die seitliche Nasenkapsel über. Letztere ist wie der Nasenschlauch selbst mehr in die Höhe als in die Breite - entwickelt. Darin liegt ein zweiter, wesentlicher Unterschied gegen- ~ über den Reptilien. Statt lateraler Auswölbung der Knorpelkapsel | | finden wir sie ziemlich schmal in transversaler Richtung. Weiter ist hervorzuheben, dass die Nasenkapsel blofi mit dem dorsalen Rande des Septums zusammenhängt. Eine Verbindung mit dem ventralen | i Septum, wie sie dureh die Zona annularis bei den Sauriern ge- | geben ist, fehlt den Vögeln vollkommen. Da nun die ganze, den d Nasenschlauch umhüllende Knorpelmasse ausschließlich am Septum hängt, ist dieses besonders. dick und mechanisch versteift, um die genügende Bruchfestigkeit zu garantiren. 3 An der Nasenkapsel kann man eine schmale, dorsale Fläche (D) ~ und eine große, senkrecht herabhängende laterale Wand (2%) unter- — scheiden, welche die Muschelzone des Nasenschlauches deckt. Das Dach | der Muschelzone bildet eine rhombische Fläche (Taf. XXIII Fig. 284), die ` in der Mitte des Längendurchmessers ihre größte laterale Ausdehnung : besitzt, während sie nach den beiden, dorsalen und oralen Enden hin | allmählich schmäler wird. Am vorderen Ende der Muschelzone er- fährt das Knorpeldach genau über dem Schrägwulste des Septums eine ziemlich starke Eindellung, die nach vorn als eine schmale Rinne hinzieht und allmählich verstreicht. Die Eindellung selbst ist | der äußerlich sichtbare Ausdruck der mächtigen Anhäufung von Knorpelmassen an der Stelle des künftigen Federgelenkes für den IA. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u.Sáugeth. 591 Schnabel, eben so ist das rhombische Feld der Nasendecke nach statischen Gesichtspunkten zu erklären. | Vom Nasendach biegt sich die laterale Knorpelwand abwärts, nicht allmählich in einem sanft abfallenden Bogen wie bei den Rep- = tilien, sondern scharf abgeknickt in einem Winkel von fast 90° — (Taf. XXIII Figg.25—27 a). Nur in der vordersten Zone der Ethmoidal- . region, wo die seitliche Knorpelwand schmal entwickelt ist, erfolgt die Abbiegung mehr in einem Bogen und die scharfe Kante, die dureh den sehroffen Übergang geschaffen war, ist hier mehr ab- gerundet. Die Knorpelseitenwand schmiegt sich wie bei den Rep- tilien der Außenfläche des Sakters innig an (Taf. XXIII Fig. 27); sie folgt genau der Riechhügelbucht (rd) seiner dorsalen Wand, biegt am Gesimse (gs) des Sakters medial, um dem Sakterboden entlang in die zwischen Sakter und Aulax gelegene Zwischenzone der mittleren . Muschel einzudringen. Dann schickt sie ihren freien Rand (M) an der — lateralen Wand des Stammtheiles abwärts bis zur dorsalen Wand des Choanenganges und rollt ihn an der aufwärts gekrümmten Medial- . wand der Aulaxnische dorsalwärts. In Folge dessen zeigt die Innen- " fläche der seitlichen Knorpelwand des Nasenschlauches (Fig. 282) genau das gleiche Relief wie die Innenfläche der lateralen Wand des Nasenschlauches (Fig. 22 b), bloß ist die Modellirung weniger fein - durehgebildet. Wir sehen eine tiefe Grube (gt) zur Aufnahme der " sakterialen Sicheltasche und einen großen Knorpelhügel (Z4), welcher den Riechhügel der Sakterwand von außen her stützt. Die morpho- - logische Übereinstimmung zwischen den Wänden des Nasenschlauches und seiner zugehórigen Knorpelhülle ist so groB, dass die Knorpel- wand in der Gegend des Riechhügels genau so eingebuchtet wird . wie die Wand des Sakters selbst. Darum liegt am hinteren Theile der Kapselaußenwand eine tiefe von dem Sicheltaschenknorpel (7A) fast ganz verdeekte Grube. Die Wand derselben kann man nur wahr- nehmen, wenn man die Knorpelkapsel vom Septum her betrachtet (Taf. XXIII Fig. 284). Hier springt sie als ein mächtiger Wulst (£A) gegen die äußere, schüsselfórmig eingebuchtete Riechhiigelzone des Sak- ter vor. Hinter dem Riechhügelknorpel folgt ein schmaler, dreieckiger Raum zur Aufnahme der Antorbitaltasche des Sakters, hinten von einer ‚schräg medial geneigten Sehlusswand (sw) umfasst. Letztere schickt einen dünnen, lamellenartigen Fortsatz zur Seite, welcher sich so nahe an die Sichelnische der Knorpelhiille anlegt, dass nur ein ‚schmaler Spalt (e) bleibt, durch welchen man in die Außenhöhle der knorpeligen Riechhügelbucht hineinschauen kann. Die caudale 592 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Schlusswand (sz) ist mit ihrem ventralen Rande etwas nach hinten vorgezogen, um einen Schutz für den dünnen Stiel des Sinus orbi- talis darzustellen (Fig. 22a, b). Die medial eingerollte Randzone (M) des Knorpelmantels, die im Mesoderm zwisehen Sakter und Aulax eingeschlossen ist, stellt die knorpelige Anlage der Nasenmuschel dar. Sie beginnt am vorderen Theile der seitlichen Knorpelwand, wo diese weniger lateralwärts vorgebuchtet ist und mehr eine senkrecht stehende Platte darstellt. Ganz allmählich rollt sie sich in ihrem weiteren Verlaufe durch laterale Krümmung ein, um nach ihrem hinteren Ende zu wieder eine einfachere Gestalt anzunehmen. Die Knorpelmuschel ist, wie schon PETER erkannte, der Muschel der Reptilien durchaus homolog. Die Figg. 8 und 25 bezeugen das ohne Weiteres. Bemerkenswerth ist noch ein lappenartiger Anhang der seitlichen Knorpelwand in der Gegend des Saktergesimses (Fig. 27), der seinen Ursprung mit der Ur- sprungsbasis der Muschel theilt und ebenso weit wie diese caudalwirts reicht, aber nahe der Oralspitze des Sakter endet. Er bildet ge- wissermaßen einen Schutz für die laterale Wand der Aulaxnische, da er diese lateral vollkommen deckt. Kurz vor dem caudalen Ende dieses Anhangs findet sich noch eine Eigenthümlichkeit, indem hier plótzlieh eine starke laterale Ausladung auftritt, die wie eine dünne Knorpelplatte vorspringt. Sie hat nur eine Dicke von un- sefähr 80 u. Ihre Bedeutung ist nicht recht zu verstehen. In dem vordersten Theile der Muschelzone, wo der Sakter noch nicht begonnen hat, zeigt die seitliche Knorpelwand eine entsprechend ein- fachere Gestaltung, indem sie nämlich weniger weit lateralwärts vorgebuchtet ist und als eine sagittal stehende schmale Platte auftritt. Das Knorpelskelet in der Gegend des Nasenvorhofs ist sehr - einfach gestaltet. Hier fehlt eine eigentliche Seitenwand und nur von der dorsalen und etwas von der lateralen Fläche überlagert das Knorpeldach wie ein Gewölbe den Nasenzugang. Aus diesem Ge- wölbe ragt schräg dorsal von der lateralen, inneren Fläche median- wärts und ventral eine Knorpelfalte ein (Fig. 235, VM), welche von den Autoren als Vorhofsmuschel bezeichnet wird. Sie ist ein selb- ständiges Gebilde und kommt ausschließlich den Vögeln zu. Sie entsteht ursprünglich am äußeren Rande des Nasendaches, später — wächst das Knorpeldach noch weiter lateral, um eine seitliche Wand zu | bilden (Fig.23 6). Dies ist jedoch erst in älteren Stadien deutlich sicht- bar; bei dem hier beschriebenen und in Wachs rekonstruirten Embryo haben sich die Verhältnisse noch nicht deutlich differenzirt (Fig. 28 b). . = A.Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u.Sáugeth. 593 e. Die Entwicklung der Nasenregion von Gallus domesticus und Anas domestica. j | Die erste Anlage des Geruchsorgans tritt nach Born’s und . Coun’s Schilderung in Form einer flachen, rundlichen Delle auf, die yor dem Auge an der Unterseite des GroBhirns so gelegen ist, dass die Vertiefung nicht‘nur abwärts, sondern zugleich seitwärts sieht. Ich habe solche Stadien nicht beobachtet, sondern bei den kleinsten Embryonen meines Arbeitsmaterials den Nasenschlauch als eine seitlich komprimirte Ektodermtasche von ungefähr 0,4 mm Gesammt- länge angetroffen (Taf. XXIII Fig. 29). Sie ist vorn und ventral weit geöffnet und zieht schräg nach hinten. Ihre Sagittalebene ist statt senkrecht etwas schräg gelagert, so dass die beiderseitigen Nasenschläuche ventralwärts convergiren. Am Eingange werden die Wände der Tasche vom inneren bezw. äußeren Nasenfortsatz ge- bildet. Hier stellt die Einwucherung mehr eine flache Furche zwi- schen den beiden Fortsätzen dar; erst weiter caudalwärts beginnt sich die Furche zur Tasche zu vertiefen. Im vorderen Abschnitte _ reicht die mediale Wandfläche tiefer ventral herab, so dass die ventrale Öffnungsebene schräg von außen und oben nach innen und ventral - gelagert ist. In der hinteren Region ist die Stellung der ventralen Öffnungsebene eine umgekehrte, indem der Oberkieferfortsatz tiefer als der innere Nasenfortsatz herabreicht (Taf. XXIII Fig. 30). Bei einem 10 mm langen Hühnchen ist die Nasenbucht zwar viel tiefer geworden, jedoch in ihrer ganzen Länge noch durch eine schmale Spalte zugänglich (Taf. XXIII Fig. 31). Das rostrale Ende der Nasenbucht ist ganz seicht und weit, aber je mehr man nach hinten geht, um so tiefer wird die Bucht, um so schmäler wird ihr Lumen (Taf. XXIII Fig. 32). Die ventralen Ränder liegen nicht ganz in gleichem Niveau, weil die laterale Wand in Folge des Vor- wachsens des Oberkieferfortsatzes etwas tiefer reicht. Dabei hat auch die Höhe des Nasenschlauches selbst bedeutend zugenommen. Er stellt jetzt einen hohen Schmalsack dar, der blind geschlossen endigt. Eine winklige Knickung der lateralen Wand lässt bereits den -ventralen, engeren Theil des Nasenschlauches als Choanengang (Cg) "erkennen. Über der Knickung springt ein ganz leiser Wulst (M) der Lateralwand, die Anlage der mittleren Muschel vor und darüber, - vorerst nur durch eine dickere Epithellage zu erkennen, ist derjenige "Theil, welcher später Sakter (Sr) wird. Besonders erwühnenswerth ist noch, dass in diesem Stadium, im Gegensatze zu den entsprechenden 594 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. der Reptilien und Säugethiere, keine Anlage des Jacossomn’ schen Organs wahrzunehmen ist. FR. Conn hat zwar unter PETER's Leitung bei Hühnerembryonen von 5,3—5,9 mm Kopflänge eine seichte, von Sinnesepithel ausge- kleidete, 160 « lange Rinne an der medialen Wand des Geruchs- erübehens (nahe dessen Öffnung zur Gesichtsoberfläche) als JACOBSOHN- sches Organ gedeutet, bei älteren Stadien als 5,9 mm Kopflänge aber keine Spur desselben mehr gefunden. Mir erscheint es jedoch zweifel- haft, ob er recht gethan, einer so rasch vergänglichen Eindellung den morphologischen Werth zuzusprechen, da alle anderen das JACOBSOHN- sche Organ charakterisirenden Eigenschaften nicht nachzuweisen sind. Bei einem Hühnchen von 12 mm Länge ist die Trennung in äußeres Nasenloch und Choanenspalt bereits geschehen. Alle bis- herigen Untersucher geben an, dass dieser Vorgang sich durch Ver- wachsen der Eingangsränder vollziehe. Ich kann darüber keine Angaben machen, weil ich keine Zwischenstadien untersucht habe. Die solide Brücke zwischen den beiden Öffnungen ist 0,15 mm lang. Von dem äußeren Nasenloch gelangt man in den über der Ver- wachsungsstelle gelegenen Raum des Nasenschlauches. Er führt als ein hoher Schmalgang mit birnförmig erweiterter oberer Randzone und etwas lateralwärts abbiegendem, ventralem Rande in die größere Muschelzone (Taf. XXIII Fig. 33), deren einzelne Bestandtheile: Choanengang, Stammtheil und Sakter bereits schärfer differenzirt sind. Der Choanengang (Cg) ist fast rechtwinklig von dem Stamm- theile abgebogen und zieht unter einem ziemlich großen, spitzen Winkel zur Medianebene geneigt; die beiderseitigen Choanengänge konvergiren also ventral mit einander. Der Choanengang hat eine Länge von 0,18 mm und schließt kurz vor dem hinteren blindsack- artigen Ende des Nasenschlauches ab, während der Sakter noch etwas weiter caudalwärts reicht. Oberhalb des Choanenganges springt die laterale Wand (M) des Stammtheiles wulstig vor und bildet so die Anlage der mittleren Muschel. Auch die laterale Seitenwand des Sakters (Sr) ist medialwärts eingedrückt und scheidet das Sakter- lumen in zwei Abschnitte, der Gesimsrinne und Gratrinne. In diesem Stadium ist noch kein Knorpelgewebe angelegt, obwohl bereits die einzelnen Theile des Nasenschlauches abgetheilt sind. Diese Thatsache spricht wiederum dafür, dass die Knorpelmuschel durch die Gliederung des Nasenschlauches in Sakter und. Choanen- sang bedingt ist, aber nicht, daß die Knorpelhülle die definitive Ge- staltung des Nasenschlauches herbeiführt. A.Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 595 Die Unvollständigkeit des Embryonenmaterials zwingt mich als älteres Stadium den Nasenschlauch einer 14,3 mm langen Ente zu "beschreiben, um die weiter fortschreitende Entwicklung der Nasen- .hóhle bei den Vögeln wenigstens durch ein Beispiel zu beleuchten, bis genauere Untersuchungen an einem lückenlosen Material durch- geführt sind. Die Gliederung in die Hauptabschnitte des Nasen- ‚schlauches ist so weit fortgeschritten, dass sie sich unschwer dem Beobachter zu erkennen giebt. Die ganze Länge des Nasenschlau- ches hat bedeutend zugenommen und beträgt ungefähr 0,87 mm. Alle Abschnitte sind dem allgemeinen Wachsthume entsprechend größer geworden, ganz besonders der Nasenvorhof, welcher eben erst aus dem vorderen Abschnitte des bisher einfachen Nasen- schlauches entstanden ist, indem dieser wahrscheinlich oralwärts auswuehs. Die Gestaltung des Vorhofes ist noch eine ganz einfache - (Taf. XXIII Fig. 34); er hat die Form eines komprimirten Schlauches mit hohem Durehmesser und schmalem Lumen. Seine Linge be- trägt ungefähr 0,36 mm, woraus schon hervorgeht, dass die Verlän- gerung des Nasenschlauches zum größten Theil auf dem enormen - Waehsthume des im vorigen Stadium fast gar nicht entwickelten Vor- "hofes beruht. Anfangs schräg nach außen geneigt, nimmt er weiter hinten eine fast vertikale Stellung ein und leitet in die Muschelzone, deren Sakter und Aulax rasch deutlich werden. Schon nach ganz kurzem Verlaufe weiter caudalwärts sehen wir (Taf. XXIII Fig. 35) dann auch den Choanengang herabsteigen und die Sicheltasche er- ‘scheint bedeutend weitlumiger. Letztere hat ungefähr eine Aus- dehnung von 0,15 mm, naeh welcher dann der eingebuchtete Sakter- raum beginnt und bis zum hinteren Ende sich erstreckt. Der Choanengang dehnt sich ungefähr 0,33 mm weit aus und nimmt eine deutlich nach unten und medianwärts schräg geneigte Richtung ein, so dass beide Choanengünge ventralwürts konvergiren. Ihr Lu- men wachst von vorn bis zur Mitte erheblich, um dann wieder allmáhlieh sehmaler zu werden, so dass der Choanenspalt am Mund- dache eine ellipsenförmige Figur zeigt. Auch die Aulax (A) ist bereits angedeutet, freilich noch recht einfach gestaltet und nur wenig dorsal- warts gekrümmt. Mit dem Ende des Choanenganges hört auch die Aulax auf, so dass weiter caudalwürts nur Sakter und Stammtheil ziehen, um aber schon nach 0,12mm langem Verlaufe blind geschlossen zuendigen. Die zwischen Aulax und Sakterboden eingefügte Wand- strecke des Stammtheiles nebst den anlagernden Mesodermzellen fällt als rundlieher Làngswulst, die Anlage der mittleren Muschel (M), auf. 596 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Das Knorpelskelet ist nur in ganz versehwommenen Konturen — siehtbar. Median zwischen beiden Nasenschliuchen liegt das Sep- tum, ohne irgend welche Ähnlichkeit mit seiner späteren Gestaltung zu zeigen; eben so scheint sich auch auf der lateralen Seite bereits — eine Verdichtung des Gewebes für die spätere Knorpelhülle zu voll- — ziehen. Eine bestimmte Abgrenzung ist jedoch noch nieht möglich. | 3. Die Nasenregion der Säugethiere. Die Nasenhöhle der Säugethiere ist zwar bis auf die allerklein- sten Einzelheiten mit bewundernswerther Genauigkeit von vielen vorzüglichen Forschern, in neuester Zeit besonders von ZUCKER- — KANDL und KILLIAN beschrieben worden, jedoch kann man nicht behaupten, dass unsere morphologische Einsicht in entsprechendem Maße gewachsen ist. Immer noch erscheint ihr Bau als eine Bil- dung sui generis und die Homologie mit dem Riechorgan der Sau- ropsiden ist bloß in den allerrohesten Umrissen erkannt. Ich habe es daher auf Anregung und mit unermüdlicher Unterstützung mei- nes Lehrers, Prof. Dr. FLEISCHMANN, als meine Hauptaufgabe be- trachtet, den Vergleich mit den Amnioten durchzuführen. Nachdem ich von Herrn Prof. Dr. FLEISCHMANN darauf aufmerksam gemacht worden war, dass fast sämmtliche Bearbeiter der Nasenhöhlenana- tomie bloß die knöcherne Nasenwand und das Skelet der Muscheln verglichen, die Nasenschleimhaut dagegen nur vom histologischen Standpunkte studirt hatten, ergab sich als Korrektur dieser Ein- seitigkeit der Plan, die epithelial-bindegewebige Wand des Nasen- schlauches und die Form seiner Höhle einmal genau zu betrachten. — 1 Die Untersuchung selbst wurde der Bequemlichkeit halber an embryo- nalen Képfen von Talpa europaea, Ovis aries, Sus domesticus aus- geführt, daneben wurden noch Canis vulpes, Felis domestica, Arvicola ` arvalis, Mus musculus, Didelphis virginiana und Homo sapiens ver- | glichen. Auf diese breite Beobachtungsbasis gründet sich die folgende Darstellung, durch welche der Nachweis stilistiseher Gemeinschaft im Bau des Nasenschlauches bei allen Amnioten erbracht werden soll. a. Der epitheliale Nasenschlauch von Sus domesticus und ` Ovis aries. — Tafel XXIV, Figg. 38—51. Ich würde Eulen nach Athen tragen, wollte ich hier die auf- fälligen Unterschiede der Säugethiernase ausführlich rekapituliren und die Ausbildung der Siebbeinzone, oder wie ich künftig sagen A.Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 597 will, des Cribrums, als besonders charakteristisch besprechen. So beginne ich gleich damit, das Rekonstruktionsmodell des linken Nasen- sehlauches von einem 2,4 cm langen Schweinsembryo zu schildern. Seine Abbildung (Taf. XXIV Fig. 36) erliutert die Berechtigung, drei Hauptabschnitte zu unterscheiden: den Vorhof, die Muschelzone (Mz) und das Cribrum (C5). Wir treten durch das äußere Nasenloch (az), eine nach der Seite gelegene, länglich ovale Öffnung, die in einem flachen, dorsal kon- vexen Bogen gekrümmt ist, in den Vorhof ein. Seine laterale und mediale Wand sind einander dicht genähert und sowohl dorsal wie ventral abgekrümmt, so dass die Vorhofshöhle im Querschnitt als un- gefähr halbkreisförmiger Spalt erscheint. Der Vorhof ist kurz (ja ich werde sogar später noch die Frage diskutiren, ob man überhaupt einen Vorhofstheil unterscheiden soll) und führt rasch in die Muschel- zone. Die Muschelzone (Taf. XXIV Fig. 39) zeigt durchaus den gleichen Formcharakter, den wir bei den Sauropsiden angetroffen haben. Sie zerfällt in den Choanengang (Cg), in den Stammtheil (St) . und Sakter (Sr), aber sie ist viel länger als bei Reptilien und Vögeln und in so fern für die Sáugethiere eharakteristisch, als sie in der Aus- bildung ihrer Seitennischen das umgekehrte Verhältnis gegenüber den Vögeln zeigt, bei denen die Aulax bedeutend länger ist als der Sakter. Hier gilt das Gegentheil, der Sakter ist die làngere Nische (Taf. XXIV Fig. 36) — Der Stammtheil ist ein langer, schmaler Abschnitt des Nasenschlauches ohne weitere Besonderheiten. Ventral sehlieBt der Choanengang an. Ihm fehlt eben so wie demjenigen bei den Vógeln die Neigung, lateral abzubiegen (Taf. XXIV Figg. 39—41) und einen absteigenden Gang zur Choane zu senden. Da die Choa- nenspalten übereinstimmend mit den Vógeln ganz nahe der Mittel- linie liegen, zieht der Choanengang ziemlich gerade ventralwürts und erscheint wie eine direkte Verlängerung des Stammtheiles (Fig. 41), . die in manchen Fallen dorso-ventral sehr hoch werden kann (Fig. 40). Aus der dorsalen Schmaldecke des Choanenganges, welche ziemlieh senkrecht gegen die laterale Wand des Stammtheiles abgebogen ist, - wächst an der lateralen Ecke wie bei Vögeln die Aulax (A) heraus . als eine dorsal gerichtete Schmaltasche, Anfangs von geringer, später - von sehr ansehnlicher Größe (Figg. 39—42). Die Längenausdeh- . nung der Aulax (Fig. 36 A) steht aber immer hinter der Länge des Stammtheiles zurück, während bei den Vögeln die Aulax enorm . gestreckt ist und bis auf das Dorsaldach des Vorhofganges reicht. Morpholog. Jahrbuch. 31. 39 598 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Dorsal über dem Stammtheile folgt der Sakter in der stilistischen — Modifikation, die wir am Riechhiigel der Vögel kennen gelernt haben d. h. die Sakterdecke ist gegen das Lumen eingebuchtet, - so dass an der Innenfläche ein lang gezogener Hügel ent- - steht (Taf. XXIV Figg. 36, 37 rb; Figg. 39—42 rh). Da der Vergleich — bisher noch nie durchgeführt worden ist, muss ich ihn genauer be- gründen, indem ich einen Querschnitt durch die Nase eines Vogels und eines Säugethieres neben einander halte (Figg. 27a, 35, 41) - Man sieht, wie in beiden Fällen die laterale Wand des Nasen- - sehlauches oberhalb des Stammtheiles lateral vorspringt, um den — Boden des Sakter zu bilden; wie die darüberliegende Decke vom Gesimsrande (gs) an gegen das Lumen eingebuchtet zunächst dem . Boden parallel zieht (Taf. XXIV Figg. 40, 41) und dann dorsal- | wärts emporsteigt, um am Dorsalgrat (dg) wieder senkrecht abzu- - biegen und in die mediale Waud des Stammtheiles überzugehen. Die Übereinstimmung ist so groß, dass man sich eigentlich fragen | muss, warum Niemand darauf hingewiesen hat. | Die Rekonstruktionsmodelle bestätigen die eben gegebene Deu- tung (Taf. XXIV Fig. 36, 37). Über der Aulax (A) springt der Sakter- boden zur kraftigen Gesimskante (gs) vor. Dorsal ragt der sanft an- steigende Dorsalgrat (dg). Zwischen beiden spannt sich die schräg geneigte und leise eingebuchtete Sakterdecke (rd). Das Saktergesimse verläuft wie bei den Vögeln schräg gegen die Medianebene. In seinem oralen Bezirke wenig vorspringend, ladet seine hintere Hälfte stirker lateralwürts aus (Fig. 37 gs) Zwischen dem Sakterboden, der lateralen Wand des Stammtheiles und der Dorsalwand des Choanen- ganges sammt Aulax ist ein wulstartiger Streifen Mesoderms ein- geschlossen (Taf. XXIV Fig. 36 M, Fig. 40 M). Er wird bei den Vögeln zur mittleren Muschel, bei den Säugethieren zur unteren Muschel, Maxilloturbinale oder auch Cencha inferior. Kurz, alle morphologischen Merkmale, die wir am Sakter der Vögel feststellten, sind auch bei den Säugethieren ausgeprägt. Es kann darum gar kein Zweifel bestehen, dass die Nasenschläuche der Säuger einen wahren Sakterabschnitt besitzen. Wer will, kann sogar den Ver- gleich noch weiter ausdehnen und selbst die Existenz der Sichel- tasche des Sakters behaupten. Wie Fig. 22a und deren Analyse (oben pag. 586) zeigt, sitzt bei den Vögeln die Sicheltasche am oralen Abfalle des Sakters und springt halbmondförmig gekrümmt über die Riechbucht (rb) der Außenwand desselben vor. An dem Modelle vom Schwein (Taf. XXIV Fig. 37) erinnert die dorsal-konvexe Krümmung A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d.Sauriern, Vögeln u. Siugeth. 599 am vorderen Ende des Sakters dicht hinter dem äußeren Nasenloche einigermaßen an diese Formeigenthümlichkeit. Ich erwähne die Ähnlichkeit nur beiläufig, weil ich keinen strikten Beweis für die Richtigkeit meines Vergleiches bringen kann; doch wird der Leser jetzt begreifen, warum ich oben die Frage aufwarf, ob man überhaupt einen Vorhof bei Sáugethieren unterscheiden soll. Denn wenn man das vorderste Ende des Sakters (Taf. XXIV Fig. 37, vor den Buch- staben dg und gs) als Sicheltasche und nicht als einen Theil der dor- ‘salen Vorhofswand auffasst, so reicht eben der Sakter über die ganze Länge des Stammtheiles bis fast an das äußere Nasenloch (an). Zu Gunsten dieser Deutung kann man anführen, dass auch der Choanengang sich, wie wir bald sehen werden, fast eben so weit aus- dehnt. Jedenfalls aber ist der Sakter ungeheuer in die Länge ge- ‚streckt; er bildet nicht wie bei den Vögeln den kleineren, sondern den bei Weitem größeren Theil der Muschelzone und überragt sowohl oral wie eaudal die Aulax um eine bedeutende Strecke. Besonders auffällig ist seine Ausdehnung bis in die Nähe des äußeren Nasen- loches, die den Vógeln durchaus fremd ist. Man kann daher mit einer ganz kurzen Sonde durch das Nasenloch direkt in den Sakter reichen. Wie es mit der Existenz einer Sicheltasche sich nun auch verhalten mag, das scheint mir sicher festzustehen, dass der Riechhügel der Sakterdecke mit der Ausdehnung des ganzen Sakters gleichfalls in die Länge gestreckt wurde und so statt eines kurzen Höckers ein langer Riechwulst geworden (Taf. XXIV Figg. 36, 37 rd) ist. Nur ist die Einfaltung der Sakterdecke nicht so schroff und tief geschehen als beim Vogel. Daher zeigt sie von auBen betrachtet das Bild einer seichten Flachrinne, die oral verstreicht, und von innen her gesehen, die Form eines niedrigen Flachwulstes mit schmaler Ventralfläche und breiter Medialfläche. Indem der flache Sakterwulst in die Höhle des Sakters einragt, zerlegt er letztere (Taf. XXIV Figg. 41, 42) in zwei schmale Hohlspalten, eine horizontale Gesimsrinne (gs) und eine ver- tikale Gratrinne (gr), welche wie zwei Gabelschenkel gegen die Lich- ung des Stammtheiles (St) konvergiren. | Der laterale Sakterwulst der Säugethiere, welchen ich dem R iechhiigel homolog erwiesen habe, wird bei vielen Arten stürker entwickelt und bildet später einen in die Nasenhöhle vorragenden Vorsprung, der als obere Nasenmuschel, erster Riechwulst (SCHWALBE, ZUCKERKANDL) oder Nasoturbinale bezeichnet wurde (Taf. XXIV Fig. 42). Ich habe die Entwicklung der Nasoturbinale bei Schwein und Schaf genauer verfolgt und mich sicher davon überzeugt, dass es aus 39* 600 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. dem Sakterwulst entsteht. Damit ist die wundervolle Stilüberein- 3 stimmung für die Muschelzone des Nasenschlauches bei Säugern | und Vögeln endgültig aufgeklärt und der Irrthum von MIHALKOVICS widerlegt, welcher den Riechhügel der Vögel dem Siebbeinmuschel- apparat der Säugethiere sowie der einzigen Muschel der Saurier gleich- werthig hielt. Eben so fällt die bereits von PETER bekümpfte Ansicht SEYDEL’s, das Nasoturbinale stelle sich als eine erst im Säugethierstamme selbst — entstandene Bildung dar. PETER hat die Homologie mit dem Riech- : hügel der Vögel wohl erkannt, aber er ist davor zurückgescheut, sie - bestimmt auszusprechen, und hat eine sehr limitirte Fassung für den ° Gedanken gewählt: »Will man an eine Homologie denken, so könnte © man die obere sekundäre Muschel (= Riechwulst Ggór.) der Vögel - dem Nasoturbinale vergleichen.« Nachdem die Homologie des Nasoturbinale mit dem Riechhügel bewiesen ist, werfen Herr Prof. Dr. FLEISCHMANN und ich die Frage auf, ob es sich nicht empfehlen dürfte, die Ausdrücke: obere Muschel s. erster Riechwulst s. Nasoturbinale ganz zu beseitigen und durch ein ganz neues Wort zu ersetzen, als welches wir »Rhachis« (6ayeg — Nasenbein) vorschlagen, um dadurch die homologen Theile der Nasenwand, welche von der eigentlichen Muschel scharf zu unter- scheiden sind, nämlich den Riechhügel der Vögel und den Sakter- — wulst der Sáuger zu bezeichnen. Caudal hinter der Muschelzone folgt der Siebbeinmuschelapparat, das Cribrum, eine nur auf die Säugethiere beschränkte, stilistische Differenzirung des Nasensehlauches, welche nach der Meinung von . Prof. Dr. FLEISCHMANN als Produkt des Antorbitalraumes zu deuten ist. Es vergrößert den Nasenschlauch in caudaler und lateraler Richtung und hat ein äußerst komplieirtes, äußeres wie inneres Relief : (Taf. XXIV Figg. 36, 37, 38a, Ob). Das Cribrum erscheint als ein Anhang des Sakters und des 4 Stammtheiles von der Form eines seitlich komprimirten Blind- - sackes. Der Dorsalgrat des Sakters senkt sich sanft nach hinten ab bis zum Ende des Blindsackes, von da zieht die ventrale Kante gerade gegen das hintere Ende des Choanenganges. In der Profil- ansicht gleicht daher der Umriss des Cribrums dem Buchstaben >. © Gegen die Muschelzone wird das Cribrum deutlich durch ver- schiedene Formeigenthümlichkeiten abgegrenzt. Erstens ragt über die Nasoturbinalrinne (rd) des Sakters eine sonderbar ästige Seitentasche heraus, welche mit einem schmalen Schenkel bis zum Saktergesimse | j j i 4 | 2 Au rn - A. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vógeln u.Sáugeth. 601 reicht. Zweitens zieht von dieser Tasche ventralwärts an der late- ralen Wand des Stammtheiles und Choanenganges ein schmaler Làngsgrat herab. Er fiel mir an allen Modellen auf, scheint also eine wichtige Bedeutung zu haben, obwohl ich sie nicht ergründen konnte. Das Cribrum wird weiterhin zu einem außerordentlich geräu- migen Absehnitte des Nasenschlauches entwickelt, weil hinter der Grenztasche eine Reihe anderer Nebentaschen entstehen, die das "Aussehen desselben bald so kompliciren, dass man groBe Mühe hat, sich in dem Gewirre der neuen Stilform überhaupt zurecht zu finden (Taf. XXIV Fig. 38a). Der Eingang in jede Nebentasche wird durch Wiilste der Seitenwand des Cribrums geschützt (Taf. XXIV Fig. 38 4), "Letztere allein sind von den früheren Untersuchern als Riech- wülste oder Siebbeinmuscheln fast ausschlieBlich studiert wor- den, während die lateral hängenden Nebentaschen, die man einfach Siebbein- oder Cribraltaschen nennen kann, kaum der Erwäh- nung für werth gehalten wurden. Bloß S. Paurrı hat sieh in drei ausgezeichneten Arbeiten mit der Ausdehnung und der knóchernen "Grundlage der von ihm als pneumatische Räume bezeichneten Ge- bilde beschäftigt. An dem Nasenschlauche eines Schweineembryos von 2,4 cm Länge ragen zwei Nebentaschen über die Seitenwand des Cribrums heraus (Taf. XXIV Fig. 36). Bei einem 2,9 em langen Schweine- embryo sind vier solcher Taschen vorhanden (Taf. XXIV Fig. 37). Die Form der ersten und dritten zeigt einen größeren Grad von Komplieirtheit als im vorhergehenden Stadium, besonders die erste Tasche hat mehrere sekundäre Auswüchse getrieben. Während man Anfangs nur zwei Blindbuchten unterscheiden konnte, sind jetzt an jeder derselben wieder zwei neue Blindsäckchen aufgetreten. Die dritte Tasche zeigt ebenfalls statt ihrer ursprünglich einfachen Ge- stalt die Gliederung in zwei sekundäre Blindsäckchen. Das Cribrum eines Schafes von 4,2 cm Länge ist viel weiter ‚entwickelt und verwirrt den Beschauer durch den außerordentlich ‚hohen Grad seiner Verästelung (Taf. XXIV Figg. 38 a, b). Zunächst sind statt vier jetzt fünf Seitentaschen vorhanden, indem zwischen der primären dritten und vierten Tasche eine neue kleinere Tasche aufgetreten ist. Ferner haben die Blindsäckchen der ersten und dritten Seitentasche noch stärkere Zergliederung erfahren, weil jedes zu je einer schmalen Flachtasche ausgewachsen ist, deren Gesammt- heit einigermaßen an Windungen des Kleinhirns erinnert. 602 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Die Wand zwischen den Eingängen in die Seitentaschen ist jedenfalls zur Versteifung wulstförmig gegen das Lumen vorgewölbt. - Dadurch fallen jetzt bei der Betrachtung von innen her (Taf. XXIV Fig. 382) fünf Wiilste (cw) auf, welche den Riechwülsten der früheren — Autoren entsprechen. Bei der großen Willkür, welche in der Be- zeichnung dieser Wülste und Taschen herrscht, will ich mich mit — der Konstatirung der Thatsache begnügen, dass der vorwiegende Stilcharakter des Cribrums in dem Auftreten von Cribraltaschen und -wülsten liegt. Mein Kollege BLENDINGER im hiesigen Institut wird - bald eine kritisch vergleichende Studie über diese Region des Nasen- - schlauches veröffentlichen. Da die erste Cribraltasche sehr groß ist und drei Seitensäck- [s chen besitzt, so springen von ihrer Wand zwei zwischen den Ein- gängen in die Nebentaschen befindliche Wülste (die verdeckten - : Riechmuscheln) hervor, diese sind jedoch bei Betrachtung von innen | her nur zum kleinsten Theil (cw,) sichtbar, weil der erste Hauptwulst so kräftig über den Eingang in die erste Cribraltasche vorragt, dass | er diesen sammt den zwei Wiilsten ziemlich verdeckt. Wie die 3 Fig. 385 zeigt, sind die fünf freiliegenden Wiilste parallel gerichtet A und laufen ventral an einen zu ihnen senkrecht ziehenden, we- niger deutlich ausgeprägten Sehrügwulst der Cribralwand. Unter — diesem Schrigwulste ist die Wand des Nasenschlauches ausge- 3 buchtet, so dass eine schräge Rinne der Innenwand entsteht, welche vom Sakter gegen die Choane zieht. Ihre ventrale Wand ist von dem schräg abfallenden Ende des Muschelwulstes (M) begrenzt. Die ] Bildung der Wülste und Seitentaschen erfolgt nur an der lateralen Wand des Cribrums. Die mediale Wand liegt gleichmäßig eben oder höchstens schwach gewellt. Sie bildet eine direkte Fortsetzung — der medialen Wand des Sakters und des Stammtheiles; ihr Abstand von den Wülsten der lateralen Wand ist geringfügig, so dass das Lumen des Cribrums wenig geräumig ist. Aus der medianen Wand des Nasenschlauches wächst das JACOB- soHN'sche Organ deutlieh hervor (Taf. XXIV Figg. 39, 40) und zwar behauptet es eine den Reptilien durchaus homologe Lage; denn es — hängt am Choanengange, ganz nahe dessen oberer Grenze gegen den Stammtheil. Der Vergleich der Figg. 14 und 40 (Taf. XXII u. XXIV) bezeugt die Thatsache ganz unzweifelhaft. Das JAcoBsonHNw'sehe Organ hat sieh in den untersuchten Entwicklungsstadien (jüngere standen mir leider nicht zur Verfügung) bereits vom Nasenschlaueh emancipirt. Seine Gestalt gleicht etwa einem cylindrischen Schlauche A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 603 von 0,5 mm Länge, der etwas schräg nach hinten aufsteigend im Mesoderm liegt. Der kurze Ausführungsgang ragt im Gegensatz zu den Reptilien aus dem vorderen Ende des Organs hervor und mündet rasch in den Choanengang, dessen Verbindung mit der Mundhöhle etwa im gleichen vertikalen Niveau aufhört. Die Mün- dung des JAcoBsoHN'sechen Organs bezeichnet also eine wichtige -morphologische Stelle: sie deutet die orale Grenze des Choanen- ganges und die caudale Grenze des geschlossenen vorderen Nasen- absehnittes an. Der Thränennasengang zieht über das Jacossonw- sche Organ rostralwärts und mündet ganz nahe dem äußeren Nasenloch (Taf. XXIV Figg. 36, 37 7). Der Choanenspalt reicht bloß über einen - mittleren Abschnitt des Nasenschlauches. Da der Choanengang (Cg) mit dem Cribrum fast nicht zusammenhängt, ist letzteres gegen die Mundhöhle abgeschlossen. Eben so ist ein oraler Theil des Nasen- gehlauches hinter dem äußeren Nasenloche vollständig ventral ge- schlossen. Die Wände des größeren Theiles der Muschelzone und des Beginnes des Cribrums hängen allein mit dem Choanengang zu- sammen und kommunieiren direkt mit der Mundhöhle. Der Choanen- - Spalt ist ungleich weit; oral enger, caudal breiter gleicht sein Umriss etwa einem Dreieck, dessen Spitze oralwärts schaut. Die Ausmün- dung des JacoBsoHn’schen Organs liegt über der vorderen Spitze des Choanenspaltes. à b. Das Knorpelskelet des Nasenschlauches von Sus domesticus. Das Knorpelskelet bei Säugern ist konform der höheren Ent- faltung des Nasenschlauches wesentlich verändert gegenüber der Stilregel für Sauropsiden. Weil der Nasenschlauch stark in die Länge wächst, erscheint seine Knorpelkapsel gleichfalls verlängert. Während aber die Modellirung der epithelialen Wand des Schleim- hautsackes mehr an den Typus der Vögel erinnert, schließen wesent- liche Eigenthümlichkeiten des Nasenskelets enger an die Reptilien an. Das Nasenseptum z. B. steigt nicht zu einer so beträchtlichen Höhe an wie bei den Vögeln. Es zieht gleich der Scheidewand von - Platydaetylus als ziemlich gleich breite Platte zwischen den beiden Nasenschliuchen hin. Doch will ich durch diese Charakteristik nicht zu dem Glauben verführen, als sei es wirklich ohne Verschieden- heiten seiner Höhe; denn sein dorsaler Rand steigt vom Nasen- loche in sanfter Schrägneigung nach hinten orbitalwärts, um am Beginne des Cribrums den höchsten Punkt zu erreichen und dann 604 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Ampioten. etwas energischer abzufallen. Der ventrale Septumrand läuft ziem- — - lich horizontal. Die Dicke des Septums ist im Allgemeinen gleich- mäßig, ausgenommen der ventrale Rand, der immer kolbig verdickt ist (Fig. 42, 435, vr) und besonders in der Siebzone stark ansehwillt. Wie bei den Sauropsiden schickt das mediane Knorpelseptum von seinem dorsalen Rande je eine rechte und linke Knorpellamelle zur Bedeckung der dorsalen und lateralen Wand des Nasenschlauches seitwürts bis zum oberen Rande der Aulax (Taf. XXIV Fig. 40). Diese knorpelige Nasenkapsel hängt, so weit die Muschelgegend reicht, mit dem größeren Theile des Septums fest zusammen, aber zum hinteren, orbital abfallenden Theile desselben in der Siebbein- zone tritt sie in keine Beziehung. Die Grenze zwischen dem als einfache Seheidewand erscheinenden und dem als mediane Stütze des Knorpeldaches funktionirenden Abschnitt wird durch den héch- sten Punkt des Dorsalrandes gesteckt. Obgleich die seitliche Knor- pelwand der Siebbeinzone nicht mehr am Septum befestigt ist, um- gürtet sie das Cribrum sammt ihren Seitentaschen als ein kräftiger Mantel (Taf. XXIV Fig. 43 a Cb). Entsprechend der sehr bedeutenden Lateralentfaltung der Cribraltaschen ist die Knorpelwand lateral weit | vom Septum weggebogen (Taf. XXIV Fig. 435). Dadurch entsteht zwischen dem dorsalen Septumrande und der lateralen Knorpelplatte eine große, ungefähr dreieckige Lücke, die später von der Lamina eribrosa ausgefüllt wird. So spricht sich am Knorpelskelet die Glie- derung des Nasenschlauches in die Muschel- und Siebzone deut- lieh aus. Ich will zunächst die Muschelzone eingehender schildern. Sie zeigt wenig Besonderheiten. Die beiden vom Septum ausgehenden ~ Lamellen fallen rasch zur Seite ab, bilden also jederseits nur je eine sagittal verlaufende flache Wölbung, welche hauptsächlich desshalb auffällt, weil zwischen beiden d. h. längs dem dorsalen Septalrande | eine mediane, hinten flache, oralwárts tiefer eingegrabene Rinne ver- làuft, die über das rostrale Ende des Septums in einem Bogen nach der ventralen Flache sich fortsetzt (Taf. XXIV Fig. 43a). Jenseits der sagittalen Dorsalwölbung (D) biegt die Knorpelwand ventralwärts (2%) ab und krümmt ihren freien Rand horizontal und medialwärts, dass er wie ein schmaler Kamm (M) in die Muschelkoulisse zwischen Sakter und Aulax einragt, die erste Knorpelanlage der Concha in- ferior bildend. Die absteigende Knorpelwand der Muschelzone lasst an ihrer Außenwand (Js) eine ganz deutliche Einsenkung ungefähr in der Mitte ihrer Seitenfläche erkennen. Von innen her betrachtet FA. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 605 erscheint dieselbe wie ein flacher Lateralwulst (Taf. XXIV Figg.41, 42). Da ihm die laterale Wand des Sakters dicht angeschmiegt ist, kann die Homologie keinem Zweifel unterliegen: der Seitenwulst ist dem knorpeligen Riechwulste des Sakters bei den Vögeln gleichzusetzen und unterscheidet sich von diesem nur dadurch, dass er wie der Sakter selbst hier mächtig in die Länge gezogen ist. Dadurch hat sich seine Form verändert, statt eines kurzen, kräftig einspringenden Höckers erscheint er als langer, aber niedriger Wulst. Später wird durch stärkere Wucherung dieser Wandstelle eine die Wand des Nasenschlauches lamellenartig vortreibende Knorpelplatte entstehen, welche die erste Anlage des Nasoturbinale der Säuger darstellt (Taf. XXIV Fig. 42). Nach vorn zu verstreicht der Knorpelwulst allmählich. Der orale Abschnitt der Knorpelkapsel (Taf. XXIV Fig. 43 b) ist ringförmig geschlossen wie bei Platydactylus, indem die laterale Wand am vorderen Ende der Muschellamelle (M) einen Balken gegen das Septum (vr) entsendet, der mit dessen verbreitertem Ende verschmilzt. Auf diese Weise wird die rostrale Spitze des Ethmoidalskelets außer- ‘ordentlich fest und zeigt eine ganz merkwürdige Ähnlichkeit mit dem Skelete der Reptilien. Dach und Septum verdicken sich hier zu kräftigen )(fórmigen Knorpelmassen (Taf. XXIV Fig. 43 a), welche wie der Buchstabe X das Septum abschließen und mit ihrem dor- salen und ventralen Arme das äußere Nasenloch umgreifen. Der mediale Balken des vorderen Muschelrandes tritt mit dem unteren Arme des Rostralknorpels in Verbindung. Wenn die Nomenklatur GauPP's auf diese Verhältnisse angewendet werden soll, kann man von einer kurzen Zona annularis der Säugethiere sprechen. Es ist sehr merkwürdig, dass wir hier einer ähnlichen Eigenart wieder be- gegnen, welche unter den Sauropsiden vorerst bloß bei den Eidechsen gefunden ward. Eine gemeinsame Beziehung ist in so fern nachzu- weisen, als der Nasenschlauch der Säuger das JAcoBsoun’sche Organ besitzt. Man kann die zum Septum laufende Stützplatte desselben (Taf. XXIV Fig. 435, ps) als ein dem Skelete aufgeprägtes Kenn- zeichen für dessen Existenz betrachten. _ Die Siebzone des Knorpelmantels fällt dureh die mächtige late- rale Entfaltung auf (Fig. 435, Cd). Wir begreifen diesen Formzug theils wegen der Größe des Cribrums, theils wegen der Ausbildung seiner Seitentaschen. Von der hinteren Grenze der Nasoturbinal-Furche springt die Seitenwand der Knorpelkapsel (Taf. XXIV Figg. 43 a, b) schräg 606 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. lateral nach außen und hinten bis zu einer scharf vertikal gerich- teten Kante (A). So entfernt sie sich außerordentlich weit vom medialen Septum und spart den Raum aus, in welchem das Cribrum des Nasenschlauches geborgen ist. Jenseits der Kante biegt sich die Knorpelwand (o5) in schräger Richtung wieder medianwärts und erreicht hinter dem Ende des Nasenschlauches fast den dort stark kolbig angeschwollenen Ventralrand des Septums, ohne mit ihm wirklich zu verschmelzen. Man kann also zwei Flächen der Sieb- zone unterscheiden, eine orale (or) und orbitale (ob) Fläche. Sie stoßen in einer vertikalen Kante (X) zusammen, die zugleich die Strecke bedeutet, wo die Abdrängung der Seitenwand ihr Maximum erreicht hat, und suchen durch schräge Neigung in entgegengesetzter Richtung die Beziehung theils zur Muschelzone, theils zur Orbital- zone des Septums wieder zu gewinnen. Aber ganz lässt sich das Übermaß der seitlichen Exkursion gar nicht ausgleichen, die Ab- drängung von dem Septum erfolgt so plötzlich, daß hier die Ebene der Seitenwand geradezu eine Knickung erfahren hat und ihre Fläche (or) statt lateral Anfangs oralwärts gerichtet ist. Die Energie der seit- lichen Abdrängung sprechen je ein spitziger Fortsatz an dem ven- tralen und dorsalen Ende der Seitenkante augenfällig aus (Taf. XXIV Fig. 43a fd, fv). Die orale Wand (or) der Siebzone hängt mit dem Dache der Muschelzone noch zusammen. Aber je weiter die orale Wand lateralwärts zieht, um so mehr verliert sich die Verbindung. Es klafft dann eine weite Lücke zwischen ihr und dem Septum. Immerhin bewahrt die orale Wand dieselbe Höhe wie die Muschelzone, so dass ihr Dorsalrand ungefähr in dem gleichen Niveau mit dem höchsten Punkte des Septums liegt. Die Orbitalwand (od) ist niedriger. Während ihr ventraler Rand im Niveau der Muschelkante bleibt, fällt der dorsale Rand nach hinten ab. Darum liegt letzterer ganz frei, weit vom niedrig gewordenen Septum entfernt. Er betheiligt sich an der Begrenzung der Lücke, die später von der Lamina cribrosa eingenommen wird. Die Gestalt dieser Lücke ähnelt einem gleichschenkligen Dreiecke mit abgerun- deten Enden. Die beiden Schenkel sind der dorsale Rand des Septums und der orbitalen Seitenwand, während die Basis vom hin- teren Rande des Nasendaches (D) gebildet wird. An der antorbitalen Grenze legt sich die Seitenwand dicht dem Septum an, ohne mit. ihm zu verwachsen. Weiter caudalwiirts aber geht die Seitenwand in den hier befindlichen Nasenboden (fr) über, der bis dicht an das Septum reicht, jedoch eine schmale Spalte frei lässt (FrscHER nennt A. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Siugeth. 607 diesen Theil des Knorpelskelets Lamina transversalis). Am vorderen Rande der Lamina transversalis tritt der Choanengang abwärts, so dass er durch dieselbe vom Haupttheil der Siebzone getrennt wird. Die Innenfläche der Siebregion ist in mehrere Buchten zerlegt, weil Knorpelkiimme, die Anlagen des Skeletes der Riechwiilste zwischen die Cribraltaschen einragen. Ihre Ausbildung habe ich nicht ein- gehend verfolgt. Sie wird durch eine bereits begonnene Untersuchung im hiesigen Institute geklärt werden. 4. Die Choanenspalte der Amnioten. | Nachdem ich in großen Zügen die Stileinheit für den Aufbau der Nasenhöhle bei den Amnioten gezeigt habe, will ich ganz kurz noch die Verbindung des Nasenschlauches mit der Mundhöhle be- leuchten; denn deren Modifikationen bei Reptilien, Vögeln und Säuge- thieren sind bisher nicht vollständig erkannt worden, weil statt der ‘morphogenetischen Analyse vornehmlich das Studium des fertigen Knochenschädels betrieben wurde. Die vorher beschriebenen Rekonstruktionsmodelle liefern mir die Anhaltspunkte zu der Behauptung, dass die Choane im Allgemeinen ast eben so lang ist wie die Muschelzone, wenn man unter Choane den länglichen Spaltrand des Munddaches versteht, wo das Mund- epithel dorsalwärts umgeschlagen wird und in das Epithel des Choa- nenganges des Nasenschlauches übergeht. Für die Entstehung der hoane muss ich auf die Arbeiten von HocnusrETTER, KEIBEL, TIE- MANN und PETER verweisen, da ich meine Aufmerksamkeit den frühen Embryonalstadien nicht zugewandt habe. Meine Beobachtungen setzen erst bei solchen Embryonen ein, deren Choanenspalten bereits ge- bildet sind. Die beiden Choanen sind zwei langgestreckte, aber schmale Spalten zu beiden Seiten der Medianlinie des Munddaches. Ihr läng- licher Umfassungsrand zeigt meist keine plastische Besonderheit. Ihre vordere Grenze wird durch den Ausführungsgang des JACOBSOHN- schen Organs, ihre hintere Grenze durch das Ende des Choanen- ganges bezeichnet. Da im Allgemeinen der Choanengang so lang wie die Muschelzone ist, so hängt die Größe der Choane von der- jenigen der eioi ab. . Mit dieser Definition scheinen die Beobachtungen bei ATN im Widerspruch zu stehen, in so fern ich oben berichtete, dass die Kommunikation zwischen Nasenschlauch und Mundhöhle durch das enge Lumen des absteigenden Choanenschenkels vermittelt wird, der 608 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. viel kürzer ist als der ganze, längs der Muschelzone vom Stamm- theil lateralwärts ausgebuchtete Choanengang. Doch lässt sich der Widerspruch rasch lösen, sobald man unter dem Begriffe der Choane nicht einen Spalt des Munddaches, sondern den Umfassungsrand — des Spaltes versteht und sich durch den Gedanken an die mit einem Ausgussschnabel versehenen Gefäße klar macht, dass der Rand eines Hohlkörpers nicht unbedingt direkt in die Höhlung desselben ein- führen muss. Eine solche Erwägung lässt die vom scheinbaren Choanen- loche am Munddache bis zur Mündung des JAcoBsouw'schen Organs ziehende Gaumenrinne der Saurier (Fig. 1d, cr) nicht mehr auffallend erscheinen; denn man kann sich vorstellen, dass der Choanenum- schlagsrand des Mundepithels nicht in seiner ganzen Ausdehnung in den Nasenschlauch führt, sondern dass in Folge der Enge des ab- steigenden Choanenschenkels nur der hinterste Theil des Choanen- randes direkt mit der Wand des absteigenden Schenkels zusammen- hängt, während der größere orale Theil schnabelartig weit über die ventrale Mündung des Nasenschlauches hinausreicht. Die Betrachtung der wichtigsten ontogenetischen Phasen bei Lacerta und Anguis zeigte in der That die schrittweise Verlängerung des Choanenrandes in oraler Richtung, wodurch eine längliche Epithelfurche am Munddache, eben die bisher als Gaumenrinne aufgefasste Bildung entstand. Der permanente Zusammenhang der Gaumenrinne mit dem JACOBSOHN- schen Organ, das doch unzweifelhaft aus der medialen Wand des Choanenganges entsteht, bestätigt die Richtigkeit meiner Deutung. Für den morphologischen Vergleich ist die Ausdehnung des Choanenrandes längs der ganzen Ventralfläche der Muschelzone von eminenter Bedeutung, weil dieser Stilcharakter der Saurier eben deutlich bezeugt, dass die Choane eine sagittal lang gestreckte Bil- dung ist, gleichgültig ob ihr ganzer Rand oder bloß ihr hinterer Absehnitt wirklich in den Choanengang führt. Die Sonderstellung der Reptilien beruht nun darin, dass der weitaus größte Theil des Choanenumschlagrandes eine seichte Rinne, die (früher Gaumenrinne) jetzt besser Choanenrandrinne genannt wird, einschließt und am hinteren Ende allein die Öffnung des absteigenden Choanenschenkels umfasst, während bei Vögeln und Säugethieren der ganze langge- dehnte Choanenrand in die Wand des Choanenganges übergeht, also die lange Öffnung desselben bildet. Bei genauerem Zusehen fallen Unterschiede anderer Art zwischen den Vögeln und Säugern auf. Die Choane der Vögel bleibt eine lange und weit geöffnete Spalte am Munddache, bei den Säugethieren _A. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Sáugeth. 609 hingegen wird sie durch den Gaumen von der Mundhöhle geschieden. Die mit der Kauarbeit zusammenhängende Modifikation macht auf jeden Beobachter einen so überraschenden Eindruck, dass bisher mit Ausnahme von C. GEGENBAUR Niemand versuchte, den Vergleich mit der Choanenform bei den Sauropsiden streng durchzuführen. Man beruhigte sich allgemein bei der Ansicht, die Nasenhóhle münde durch das Choanenloch am Hinterrande des weichen Gaumens in die Rachenhöhle. Trotzdem diese Meinung seit Jahrhunderten wieder- holt wird, ist sie doch unbegründet, ja ich darf die Behauptung auf- Stellen, die bisher bei Säugern als Choane bezeichnete Öffnung ist gar keine Choane. Sie ist vielmehr eine stilistisch neue, aus- schließlich die Säuger charakterisirende Bildung und die wirkliche Choane ist in ihrem ganzen Umfange noch nie als solche erkannt worden. Der Beweis làsst sich durch die entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge schlagend führen. Wie allgemein bekannt ist, entsteht der Gaumen und der Ductus nasopharyngeus erst allmählich bei den - Embryonen aller Sáugethiere durch Verwachsung der sog. Gaumen- -fortsátze des Oberkiefers. Vorher mündet jeder Nasenschlauch direkt am Dache der primitiven Mundhöhle (Taf. XXIV Figg. 39—41). Die sog. primitiven Choanenspalten sind ziemlich weit und lang. Wenn mun die Gaumenfortsätze allmählich unter der primitiven Choane vorgeschoben werden, so erfolgen Veränderungen, welche die primi- tiven Choanen zwar naeh ihrer Form wesentlich beeinflussen, aber "deren Existenz und typische Lage nicht zerstören. Die Choane bleibt genau an der Stelle liegen, die für sie auch bei den Sauropsiden typisch ist. Ich widerspreche durch diese Angaben der Ansicht PETERS, welcher in der Beschreibung der Nase eines Kaninchen- embryos ven 13 mm Kopflänge ausführt (17, pag. 348): »Die primi- tive Choane ist durch Verwachsung der Gaumenplatten geschlossen worden, nur an ihrem vorderen Ende zieht ein solider Epithelstrang, der sich später zum Ductus Stenonianus öffnet, zum Gaumen. Das hintere, untere Ende der Nasenhóhle setzt sich in den Duetus naso- pharyngeus fort« Daher will ich einige Embryonen des Maulwurfes an Hand der Fig. 44—51 beschreiben. —. . Bei dem jüngeren Embryo (10,2mm Fig. 44) öffnet sich der Choanen- -gang frei in die primitive Mundhöhle. Seine Länge beträgt 1,20 mm (nach der Zahl der Querschnitte bestimmt) gegenüber 2,3 mm Länge des ganzen Nasenschlauches. Das vordere Ende der Choane liegt direkt unter dem Ausführungsgang des JAcossonw'schen Organs, 610 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. das hintere Ende unter der Oralgrenze des Cribrums. Es ist wichtig, die sagittale Ausdehnung des Choanenspaltes in diesem frühen Stadium zu beachten, weil darin eine wichtige Stilgemeinschaft zwischen Vögeln und Säugethieren liegt. Die beiden Choanen stehen einander parallel, in geringer Entfernung von der Medianebene. Das Mundhöhlendach zeigt als einen wichtigen Formcharakter eine tiefe, mediane Längsrinne, welche von den medianen Flächen der Gaumenfortsätze begrenzt wird und gewissermaßen als Bett der wulstigen Zunge dient. Ich will sie die Gaumenrinne nennen (Taf. XXIV Fig. 44 Gr). An ihrer dorsalen Wand liegen die beiden Choanenspalten. Die Gaumenrinne selbst ist viel länger als die Choa- nen. Sie zieht weit über den hinteren Choanenrand bis in die Rachen- gegend. Außerdem besitzt sie ungleichmäßige Tiefe. Hinten am Rachen beginnt sie als seichte Furche, gräbt sich dann tiefer zwischen den Gaumenfortsätzen ein und verstreicht gegen das Vorderende der Choanenspalten; dementsprechend ist die mediale Wand jeder Gau- menplatte verschieden hoch. Die wulstige Zunge verbirgt sich in der Gaumenrinne. Bloß am vorderen Ende biegt sie sich aus der Gaumenrinne nach abwärts, dass ihre Spitze frei vorragt. Bei einem Maulwurf von 11 mm Länge ist die Gaumenrinne zum größeren Theil in den Gaumenkanal, Ductus nasopharyn- geus verwandelt worden, dadurch, dass die Gaumenplatten der pri- mitiven Oberkieferfortsätze median genähert und verwachsen sind. Die Verlöthungsstelle (Taf. XXIV Figg. 45, 46) ist durch ihre ganze Ausdehnung als eine deutliche Epithelnaht sichtbar. Die Zunge liegt nun dicht unter dem fertig gebildeten Gaumendache. Mit der Verschmelzung der beiden Gaumenplatten ist ein ursprünglich der Mundhöhle zugehöriger Raum als geschlossener Kanal abgesondert und die an seinem dorsalen Gewölbe liegenden Choanenspalten aus der eingeengten Mundhöhle ausgestoßen worden. Dadurch haben sich aber die typischen Lagebeziehungen der Choanen nicht geändert. Sie liegen immer noch an der von früher Embryonalzeit kenntlichen Stelle, wie bei den Sauropsiden, d. h. an der Decke der Mundhöhle, aber sie schauen nicht mehr direkt gegen die Zunge, weil die Choanenzone des Munddaches durch die median vorgeschobenen Gaumenplatten abgetrennt wurde. Die Choanen haben also ihre morphologische Grundeigenschaft als Umschlagsränder des Mund- epithels nicht aufgegeben, sondern sind durch Veränderungen in ihrer Nachbarschaft bloß in eine andere Situation gebracht worden. Ja, die Beziehung zwischen ihnen und der Mundhöhle ist so unlösbar, A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d.Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 611 dass ein Theil der letzteren abgetrennt wird, gleich als sollte das Stilgesetz nicht gestört werden. Die Stilregel herrscht aber noch viel strenger, als meine bis- herige Darstellung erwarten ließ; denn vollständig sind die Choanen gar nicht von der Mundhöhle ausgeschlossen worden. Sie münden in diesen Stadien sowohl wie während des ganzen Lebens am Gaumen- dache aus, nämlich dureh den Canalis ineisivus oder den STENSON- schen Gang, wie GEGENBAUR und TIEMANN zuerst erkannt haben. Seit seiner Entdeckung hatte man den Srenson’schen Gang als eine Bildung eigener Art und ohne jegliche Homologie mit anderen Am- nioten aufgefasst, obwohl gerade seine Existenz die großartige Stil- gemeinschaft der Amnioten eindringlich bezeugt. Durch den Vergleich der in Rede stehenden Maulwurfembryonen von 10,2—11 mm Länge bin ich zuerst auf die morphologische Bedeutung des Canalis inci- sivus aufmerksam geworden, als ich mich überzeugte, dass er beim Maulwurfembryo von 11 mm Länge genau an derjenigen Stelle liegt, welche in jüngeren Stadien (10,2 mm) der Vorderrand der freien Choane behauptet. Diese Stelle ist in beiden Fällen durch einen zierlichen Formenzug einer kleinen, zwischen den Vorderrändern der Choanen liegenden Medianstrecke des Munddaches kenntlich, indem l ier ein niedriger Zapfen vorspringt, den GEGENBAUR die Gaumen- papile nannte. Es ist jedoch richtiger, dafür den Ausdruck Cho- anenpapille (Taf. XXIV Figg. 50, 51 Cp) zu gebrauchen. Dieselbe ist deutlich zwischen den flachen Ausläufern der Gaumenfortsätze (Gf) eingeschlossen und gabelt sich in zwei winzige Schenkel, weil sine seichte Kerbe ihre Oberfläche medianwärts furcht. Ich fasse lie Choanenpapille als eine sichere Grenzmarke des Choanenvorder- andes auf und bestimme mit ihr die homologe Stelle bei älteren Embry- men; denn wie die Choanenpapille beim Maulwurfembryo von 10,2 mm Lünge vorhanden ist, so fällt sie auch bei dem etwas älteren Embryo fon 11 mm auf. Ja, sie ragt noch viel schöner modellirt über den ralen Choanenrand hervor. Dicht hinter ihr liegen zwei enge Öff- ungen bezw. zwei enge Kanäle, welche in die Nasenhöhle führen. “Teh deute diegelben als die vordersten Abschnitte des primitiven Jhoanenspaltes, bezw. des daran anschließenden Choanenganges, r otzdem wenige Schnitte (— 0,16 mm) hinter dieser Stelle der solide jaumen steht; denn man sieht das JAcossonw'sehe Organ an der nedialen Wand des engen Epithelganges münden (Taf. XXIV Fig. 51). o verhält sich aber das Jaconsonw'sehe Organ bei allen Süuger- nbryonen, es öffnet sich direkt am oralen Rande des Choanenganges, | | * m 612 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. ganz nahe dessen spaltförmiger Mündung und, wie ich oben für die Saurier ausführte, ist auch in jener Ordnung der Zusammenhang des - JACOBSOHN’schen Organs mit dem oralen Ende der rinnenférmig 1 ausgezogenen Choane erwiesen. Also muss der Canalis incisivus als — oraler Theil des Choanenganges betrachtet werden. Gegen meine Deutung kann man den Einwand erheben, dass der Canalis ineisivus PA mit dem übrigen Theile des Choanenspaltes, der jetzt in den Gau- AW. menkanal schaut, gar nicht mehr zusammenhänge und dass sogar a hinter ihm der Nasenschlauch auf eine 0,57 mm lange Strecke ventral — geschlossen sei, bis weiter hinten der ventrale Choanenschlitz am E, Dache des Gaumenganges wieder erscheine. Allein darauf lässt — sich erwidern, der Verschluss des Nasenschlauches ist dureh das Vorwachsen der Gaumenplatten verursacht worden. Diese haben ein - Stück des ursprünglichen Choanenspaltes dicht hinter dem Ductus ineisivus verlegt. Die Gaumenplatten reichen von vorn herein nieht — bis zum vordersten Rande des Choanenspaltes, sondern dringen i. ganz geringer Entfernung von demselben medianwärts vor und ver- | wachsen. Desshalb wird der vorderste Abschnitt des Choanenspaltes nicht verlegt. Dieser unbedeutend kleine Theil bleibt zeitlebens als Loch, d. h. als Mündung des Ductus incisivus bestehen, während die caudalwärts anschließende Strecke des Choanenspaltes in Folge der Verschmelzung der Gaumenfortsätze schwindet. Das genauere = Studium der Querschnitte liefert sichere Anhaltspunkte für diese — Behauptung; denn man findet in dem Mesoderm der hinter dem A Foramen incisivum massig anhebenden Gaumenplatten noch deut- — liche Reste der ursprünglichen Epitheldecke der früheren Gaumen- b | rinne. Wenn man die Querschnittserie nach rückwärts (Fig. 48—46) - 7 verfolgt, sieht man die quere Epithelplatte im Gaumen unterhalb der Nasenschläuche allmählich immer deutlicher werden, bis ihre Schichten aus einander weichend ein schmales Lumen zwischen sich einschließen. Nun ist man in die Region des lichten Gaumenganges gekommen (Fig. 46 Gg) und erkennt wieder die Choanenspalten (Cs) an dessen dorsaler Wand. Wenn die Sehnittserie noch weiter verfolgt wird, erscheint der Gaumengang als ein mehr und mehr an Größe zu- | : nehmender Raum, dessen flache Wünde weiter abstehen und allmäh- d lich rundliche Form gewinnen. Nun könnte man durch die Betrach- | tung der Schnitte zu der Meinung verleitet werden, dass die vorher » | getrennten Nasenschläuche sich in einem gemeinsamen, ventral von $ ihnen gelegenen Raume vereinigen, der als Boden das Gaumendach | hat. Jedoch der Vergleich jüngerer und älterer Stadien zerstört die — = | | | | | A.Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 613 - Vermuthung. Der gemeinsame Gang hat ursprünglich der Mundhöhle als Gaumenrinne angehört und ist später den Luftwegen zugetheilt worden, um die Kaufunktion ungestört von der Athmung und die Athemluft frei von der Verunreinigung mit fein zerkauter Nahrung zu halten. Die Choanenspalten reichen bloß über eine bestimmte Strecke am Dache des Gaumenganges. Hinter ihnen zieht der Gau- mengang als ein sehr breiter, jedoch niedriger Kanal caudalwärts; dabei verliert er an seinem Breitendurchmesser, andrerseits nimmt seine Hóhe etwas zu. Dicht über dem Eingange in den Kehlkopf weichen die beiden Gaumenplatten von ihrer Verwachsungsstelle aus einander und treten bis zu ihrem lateralen Ursprung zurück. Am Dache des Kanales mündet dort jederseits die Tuba Eustachii aus. Von der Richtigkeit der oben dargelegten Auffassung habe ich mich auch durch Messungen überzeugt, welche eine auffallende Verkiirzung des Choanenspaltes ergaben. Beim Embryo 10,2 mm hat er 1,14 mm Länge, beim Embryo 11 mm nur 0,57 mm Länge. Eben so fällt auf, dass der Gaumengang nicht so weit oralwärts reicht, wie die ur- sprüngliche Gaumenrinne, ja, dass er sich nach vorn stark ver- schmälert. Während er hinten an der Rachengrenze stark in die Breite gedehnt ist und dorso-ventral komprimirt ist, wird er oral- wärts immer enger und schmäler und endet sammt der verkürzten Choane blind im Mesoderm des Gaumens. Ich schließe aus diesen Beobachtungen, dass die Gaumenfortsätze von allem Anfang an etwas schräg geneigt, d. h. mit ihrer oralen Zone dem Munddache näher stehen, als hinten an der Rachengrenze. Wenn sie dann me- dian verwachsen, so halten sie sich im hinteren Bereiche des Choa- nenspaltes in geraumer Entfernung von der Decke der Gaumenrinne. Nahe dem vorderen Ende derselben legen sie sich aber dem dorsalen Rinnengewölbe unterhalb des Nasenseptums so fest an, dass die ur- spriingliche Liehtung der Gaumenrinne, sowie die freie Öffnung des Choanenspaltes auf eine 0,57 mm lange Strecke ganz verschlossen wird. Man erkennt jedoch in diesem und auch etwas älteren Stadien die ursprüngliche Existenz beider Gebilde in der horizontal ge- -stellten Epithelplatte, welche zwischen den beiden Nasenschläuchen durch das Mesoderm hinzieht und mit der epithelialen Gaumen- naht zusammenhängt (Fig. 45 und 47). Der Verschluss betrifft nur eine gewisse Zone des Choanenspaltes. Nicht bloß eine größere caudale Strecke, sondern auch ein ganz kleiner oraler Theil des Choanenspaltes bleibt von den vorgeschobenen Gaumenplatten un- berührt. Desshalb öffnet sich der Choanengang der Säugethiere Morpholog. Jahrbuch. 31. 40 614 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. direkt in den weiten Gaumengang und vorn am Foramen ineisivum in die Mundhöhle. Nach dieser Untersuchung darf man die bisher als Choane bezeichnete Öffnung an der dorsalen Rachenwand nicht mehr so benennen; denn die wirkliche Choane liegt weit oral vor . ihr als schmaler Schlitz am Dache des Gaumenganges. Der falsch | vedeuteten Choane aber ist der Name Orifieium ductus naso-pha- - ryngei zu ertheilen. Résumé der morphogenetischen Resultate. I. Saurier. 1) Der Nasenschlauch zerfällt in den Vorhof und die Muschelzone. | 2) Sakter und Choanengang sind transversal breit entfaltet, dorso- 1 ventral komprimirt und zusammengekriimmt. 3) Die breite Saktertasche ist wie ein Kreisquadrant ventral ge- krümmt. 4) Der Choanengang besitzt einen horizontalen und einen ab- steigenden Schenkel, die winklig gegen einander geknickt sind. | 5) Der horizontale Schenkel des Choanenganges bildet manchmal eine mediale Seitentasche, die Aulax. | 1 6) Der absteigende Schenkel des Choanenganges besitzt bei den - Sauriern eine kleine, schräg dorsal gerichtete Winkeltasche. 7) Der Choanenrand umgrenzt die enge Mündung des Choanen- . ganges und die lange Choanenrinne. 8) Das Jacopsoun’sche Organ der Saurier mündet in das orale — Ende der Choanenrinne. 9) Das zwischen dem Boden des Sakters, der lateralen Wand des Stammtheiles und der Decke des Choanenganges eingeschlossene - Gewebe (Bindegewebe und Knorpel) stellt die wahre Muschel der | Reptilien vor. ; IL. Vögel. 10) Der Nasenschlauch zerfállt in den Vorhof und die Muschel- zone. Der Vorhof ist sehr lang ausgezogen ees dureh eine Dorsal- | falte, die Vorhofsmuschel, verengt. 11) Sakter und Choanengang sind dorso-ventral hoch entfaltet, der transversale Durchmesser ist dagegen schmal. 12) Die laterale Wand des Sakter ist medianwärts eingebuehtet, - so dass der Riechhügel »Rhachis«, der Dorsalgrat und der laterale | 4 Gesimsgrat gebildet wird. Am TA Rande des Sakter hängt die A. Beecker, Vergl.Stilistik d. Nasenregion bei d.Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 615 kleine Sicheltasche, welche noch an den Typus der Reptilien er- innert. 13) Der Choanengang zieht vom Stammtheil ohne starke Knickung ventralwärts zum langen Choanenrand. Aus seiner dorsalen Wand wächst die kräftige Aulax empor. 14) Zwischen dem Gesimsgrat des Sakter und der Aulax liegt die der wahren Muschel der Reptilien homologe »mittlere Muschel« der Vögel. 15) Den Vögeln fehlt jegliche Anlage des JAcossonw'schen Organs. HI. Säuger. 16) Der Nasenschlauch zerfällt in den Vorhof, die Muschelzone und das Cribrum; die Musehelzone ist mächtig in die Linge ge- streckt. Es besteht das umgekehrte Verhältnis bezüglich der Aus- dehnung von Sakter und Aulax. Ersterer ist sehr stark nach vorn gezogen, fast bis zum äußeren Nasenloche, die Aulax dagegen ist weniger lang gedehnt. 17) Die laterale Wand des Sakter ist medianwärts eingebuchtet, so daß ein sehr langer Riechhügel »Rhachis« s. Nasoturbinale ent- steht. 18) Die zwischen dem Gesimsgrat des Sakter und der Aulax eingeschlossene Muschel, Maxilloturbinale entspricht der wahren Muschel der Reptilien. 19) Das JacoBsoHn’sche Organ mündet am vorderen Ende des Choanenganges aus (wie bei den Reptilien). -20) Die Choanen werden durch die verwachsenden Gaumenfort- sätze in je zwei Abschnitte zerlegt. Der vordere kleinere Theil bleibt als Öffnung des Canalis ineisivus in der Mundhöhle, der hin- tere größere Theil der Choane mündet in den Ductus nasopharyngeus. l 21) Das Cribrum ist als neues Stilprodukt durch eine kompli- cirte Entfaltung der antorbitalen Wand entstanden, welche fünf - Cribraltaschen lateralwärts sprossen lässt. An der Innenfläche zeigen sich die Riechwülste, um die Eingänge in die Taschen zu um- . Süumen. 40* E er tlt ek ie m 616 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Litteraturverzeichnis. ) Born, G., Die Nasenhöhlen und der Thrünennasengang der amnioten Wirbel- - 4 thiere. I—II. Morphol. Jahrb. Bd. V. 1879. E 2) —— Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbelthiere. — III. Morph. Jahrb. Bd. VIII. 1883. a 3) Coun, FR., Zur Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans des Hiihnchens. — Arch. für mikrosk. Anatomie u. Entwieklungsgeschichte. Bd. LXI. 1902, — 4) FISCHER, E., Das Primordialkranium von Talpa europaea. Ein Beitrag - zur Morphol. des Süugethierschüdels. Anatom. Hefte. Bd. XVII. 1901. | 5) GAuPP, E. Das Chondrokranium von Lacerta agilis. Ein Beitrag zum Ver- - ständnis des Amniotenschädels. Anatom. Hefte. Bd. XV. Heft 3. 1900. 6) GEGENBAUR, C., Über die Nasenmuscheln der Vögel. Jenaische Zeitschr. VIE. 1879, 7) — Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. Bd. I und II. 1898 u. 1901. - 8) His, Winm., Beobachtungen der Nasen- und Gaumenbildung beim mensch- — lichen Embryo. Abhandl. der mathem.-phys. Klasse der Kgl. süchs. Gesellschaft der Wissenschaften. Bd. XXVII. No. HI. 1901. 9) HocHsTETTER, F., Über die Bildung der inneren Nasengünge oder primi- tiven Choanen. Anatom. Anzeiger. Bd. VII. pag. 13. 1892. 10 KATHARINER, L., Die Nase der im Wasser lebenden Schlangen als Luft- weg und Doni ru Zool. Jahrbücher. Abtheil. für Syst. Bd. XIIL 1900. pag. 415. E 11) KILLIAN, G., Zur Anatomie der Nase menschlicher Embryonen. Archiv für — tiu hano Be Bd. II, III und IV. 1895, 1896. 12) LEGAL, E., Die Nasenhóhlen und der Thrünennasengang der amnioten Wirbelthiere. Morphol. Jahrb. Bd. VIII. 1883. 13) von MrHALKOVICS, V., Nasenhóhle und JAcoBsouw'sches Organ. Anatom. — Hefte. Bd. XI. Heft 1 und 2. 1898. P 14) PAULLI, S., Über die Pneumaticitüt des Schädels bei den Säugethieren. Morph. 3 Jahrb. Bd. XXVIII. 1900. 15) PETER, K., Die Entwicklung des Geruchsorgans und JAcomsonw'sehen Or- | gans in der Reihe der Wirbelthiere. Bildung der äußeren Nase und | des Gaumens. Handbuch der vergl. und experiment. Entwicklungs- . lehre der Wirbelthiere von 0. Herrwic. Jena, G. Fischer. 4. und 5. Liefg. 1902. | 16) —— Zur Bildung des primitiven Gaumens bei Mensch und Säugethieren. Anatom. Anz. Bd. XX. No. 22. 17) —— Anlage und Homologie der Muscheln und der Süugethiere. Archiv fiir | mikroskop. Anatomie. Bd. LX. 1902. | 18) — Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte der Eidechse. Arch. für - mikroskop. Anatomie. Bd. LV. 1900. 4 19) ROESE, C., Uber das rudimentäre Jacopsonn’sche Organ der Krokodile und — des Menschen. Anatom. Anz. VIII. Jahrg. No. 14 u. 15. 20) —— Uber das JacoBsonw'sche Organ von Wombat und Opossum. Anatom. Anz. VIII. Jahrg. No. 21 und 22. 21) SCHOENEMANN, À., Beitrag zur Kenntnis der Muschelbildung und des Muschel- — wachsthums. Anatom. Hefte. Bd. XVIII. Heft 1. 1901. A.Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u. Säugeth. 617 - 22) SEYDEL, 0., Uber die Nasenhöhle und das Jacopsoun’sche Organ der Land- und Sumpfschildkröten. Festschrift zum 70. Geburtstage GEGEN- BAUR's. II. 23) —— Uber Entwicklungsvorgiinge der Nasenhöhle und am Mundhöhlendache | ' von Echidna nebst Beiträgen zur Morphologie des peripheren Geruchs- organs und des Gaumens der Wirbelthiere. Denkschrift med. nat. Ges. Jena. Bd. VI. 1899. 24) SOLGER, B., Beiträge zur Kenntnis der Nasenwandung, und besonders der Nasenmuscheln der Reptilien. Morphol. Jahrb. Bd. I. 1873. 25) Tiemann, H., Uber die Bildung der primitiven Choane der Säugethiere. Verhandl. der Physik. Medicin. Gesellschaft zu Würzburg. Neue Folge Bd. XXX. 1896. 26) ZUCKERKANDL, E., Uber die Nasenmuscheln der Monotremen. Anatom. Anz. Bd. XXI. No. 14. 27) —— Normale und pathologische Anatomie der Nasenhóhle und ihrer pneu- matischen Anhänge. Bd. I. 1893. 28) —— Das periphere Geruchsorgan der Säugethiere. F. Enke. Stuttgart. 1887. Erklärung der Tafeln XXII—XXIV. In allen Figuren ist die Epithelwand durch grauen Ton, der Knorpel durch violetten Ton, das Mesoderm durch Punktirung bezeichnet. Das Lumen des Sakters trägt bläulichen Ton, das Lumen des Choanenganges nebst Aulax róthliehen Ton. Das Lumen des Stammtheiles ist weiß gelassen. Gemeinsame Buchstabenbezeichnung. A Aulax, a äußere Knorpellücke, anf äußerer Nasenfortsatz, an äußeres Nasenloch, Ao Antorbitalraum, as absteigender Schenkel des Choa- nenganges, Ch Cribrum, Cg Choanengang, Cp Choanenpapille, er Choanenrinne, es Choanenspalte, ew Cribralwülste, ew, verdeckter Riechwulst, . D Knorpeldach, dg Dorsalgrat, E orale Ecke des Sakter, e Eingang in die verdeckte Grube des ~ Sakterknorpels, f Abfall der Knorpelkapsel am Be- ginn der Sakternische, fd dorsaler Fortsatz der Seitenkante, fv ventraler Fortsatz der Seitenkante. Gg Gaumengang, Gr Gaumenrinne, gr Gratrinne des Sakter, gs Gesimsrand des Sakter, gt Grube für die Sicheltasche, i innere Knorpellücke, inf innerer Nasenfortsatz, JO JACOBSOHN’sches Organ, K Seitenkante der Knorpelwand Cribrums, kh Knorpelhügel, lk laterale Knorpelwand, lt laterale Seitentasche, M Muschel, Md Mundhóhlendach, Mz Muschelzone, mr Muschelrand des Korpels, N Gaumennaht, Nt Nasoturbinale, des 618 ob orbitale Fläche des cribralen Knor- pelmantels, or orale Fläche des cribralen Knorpel- mantels, ps Paraseptalknorpel, r Rinne zwischen Antorbitalraum und Choanengang, rb Riechhiigelbucht, rh Riechhügel (Rhachis), S Septum, SM Sinus Maxillaris, So Sinus orbitalis, Sr Sakter, A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. st Sicheltasche, sw Schlusswand, T Thränennasenkanal, tr Lamina terminalis, Ja u Umschlagsrand der Knorpelwand in : die Muschellamelle, E V Vorhof, ES VM Vorhofsmuschel, LA vr ventraler Rand des Nasenseptums, : w Schrigwulst des Septums, M wt Winkeltasche,. ! za Zona anularis, z Zunge. St Stammtheil, Tafel XXII. Sauria. Fig. 1a—c. Rekonstruktionsmodell des linken Nasenschlauches eines Embryos von Platydactylus guttatus (5,2 em Länge), 22faehe Vergrößerung; a Seiten- | ansicht; 5 Sakter abgeschnitten, um den Choanengang mit Aulax - sichtbar zu machen; c Ansicht von vorn. Fig. 1d. Kombinirter Längsschnitt durch die Ethmoidalregion eines Embryos ` von Platydactylus guttatus (3,8 em Länge). E Figg. 2—9. Querschnitte einer Serie von Platydactylus guttatus (5,2 cm Linge). | 13,5fache Vergr. is Fig. 2. Querschnitt durch das äußere Nasenloch. Fig. 3. Querschnitt, 0,27 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 4. Querschnitt, 0,72 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 3. Querschnitt, 1,26 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 6. Querschnitt, 1,57 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 7. Querschnitt, 1,89 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 8. Querschnitt, 2,205 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 9. Querschnitt, 2,655 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 10. Modell der Knorpelhülle des rechten Nasenschlauches von Platydactylus | guttatus (5,2 em Lange). 22fache Vergr. 3j Fig. 11 Wb vo durch den Nasenschlauch eines ganz jungen Embryos von Laeerta agilis. 20fache Vergr. Figg: 12 und 13. Querschnitte von Anguis fragilis in verschiedenen Stadien der Entwicklung. 20 fache Vergr. | Fig. 14. Querschnitt einer Lacerta vivipara; nüchsthóheres Entwicklungs- stadium. 30 fache Vergr. Fig. 15. Kombinirter Querschnitt durch den Nasenschlauch eines größeren Embryos von Lacerta vivipara. 30fache Vergr. Figg. 16—21. Querschnitte einer Serie von Lacerta agilis. 20fache Vergr. Fig. 16. Querschnitt, 0,4 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 17. Querschnitt, 0,6 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 18. Querschnitt, 0,75 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 19. Querschnitt, 0,875 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 20. Querschnitt, 1,0 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 21. Querschnitt, 1,125 mm hinter dem äußeren Nasenloch. b gp ddt et MCCAIN LIS av M co AP cg c Ay EEE RETTEN LE NI) ul veo rm roc. gu A. Beecker, Vergl. Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln u.Säugeth. 619 Tafel XXIII. Aves. Figg. 22a und b. Rekonstruktionsmodell der lateralen Wand des linken Nasen- schlauches einer 28,5 mm langen Ente. (Vorhof nur theilweise ausge- führt.) Fig. 22a. Ansicht des Modelles von außen, 225 von innen. Fig. 23a. Querschnitt durch den Vorhof der 28,5 cm langen Ente; 0,24 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 235. Querschnitt durch den Vorhof einer Ente vom 20. Tag. Fig. 24. Querschnitt durch das hintere Ende des Vorhofes der 28,5 cm langen Ente (131/gfache Vergr.), 0,56 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 25. Querschnitt durch die Muschelzone; 1,76 mm hinter dem äußeren Na- senloch. Fig. 26. Querschnitt dureh die Muschelzone; 1,84 mm hinter dem äußeren Na- senloch. Fig. 27a. Querschnitt durch die Muschelzone; 2,48 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 275. Querschnitt durch die Muschelzone eines fast ausgebildeten Hiihn- chens mit Sinus Maxillaris. 12fache Vergr. Figg. 28a und 5. Rekonstruktionsmodell der Knorpelhülle des rechten Nasen- schlauches einer 28,5 em langen Ente. a Außenansicht, 5 Innenansicht. 22fache Vergr. | Figg. 29—35. Querschnitte verschiedener Entwicklungsphasen des Nasen- schlauches yom Hiihnchen. 20fache Vergr. Tafel XXIV. Mammalia. Figg. 36 und 37. Rekonstruktionsmodell des linken Nasenschlauches eines 2,4 cm und 2,9cm langen Schweineembryos. Figg. 38a und b. Rekonstruktionsmodell des linken Cribrums eines 4,2 cm langen Schafembryos. a Außenansicht, 5 Innenansicht. Figg. 39—41. Querschnitte durch die linke Nasenregion eines 2,4 em langen Schweineembryos. 131/,fache Vergr. Fig. 39. Querschnitt, 1,66 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 40. Querschnitt, 1,58 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 41. Querschnitt, 1,50 mm hinter dem äußeren Nasenloch. Fig. 42. Querschnitt durch die linke Nasenregion eines 4,2 cm langen Embryos vom Schafe. 131/,fache Vergr. | Pigg. 43a und b. Rekonstruktionsmodell der Knorpelhülle des rechten Nasen- schlauches eines 2,9 cm langen Embryos vom Schwein. a Außen- ansicht, 5 Ventralansicht. Fig. 44. Querschnitt durch die Nasenregion eines 10,2 mm langen Maulwurfs. 20 fache Vergr. Figg. 45 und 46. Querschnitte durch die Nasenregion eines 11 mm langen Maul- wurfs. 13,5fache Vergr. Figg..47—51. Querschnitte durch die Nasenregion eines 11 mm langen Maul- wurfs, um die Ausmündung des JACOBSOHN’schen Organs, den Canalis incisivus und die Verschmelzung der beiden Gaumenplatten zu zeigen. 13,5 fache Vergr. SEE Nachtrag zu meiner Abhandlung „Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier« (Morphol. Jahrb., Bd. 31, Heft 2 und 3, pag. 360—445). Von Karl Fürbringer. In dieser Abhandlung musste ich pag. 400, Anm. 2, mangels eigener Beobachtungen auf genauere Erörterungen über die Be- ziehungen der Jugularplatten der Crossopterygier zu Knorpeln, die ich bei Seymnus und Odontaspis am Innenrande der Mandibel fand, verzichten. Unterdessen war es mir möglich, drei ausgewachsene Exemplare von Polypterus zu untersuchen. Bei keinem von diesen konnte ich Knorpelreste unter den Platten nachweisen. Dieser ne- gative Befund spricht an sieh noch nicht gegen die Annahme GE- © GENBAUR's von 1872, dass die Jugularplatten der Crossopterygier sich auf Radien des Kieferbogens entwickelt hätten, denn auch beim Opereularapparat hält man trotz des vollständigen oder des nahezu vollständigen Fehlens von Strahlenrudimenten, in vielen Fischord- nungen mit Recht, meist an der Annahme fest, dass die Opercularia auf Knorpelradien Fuß gefasst hätten. Nach Analogie könnte man also auch unter den Jugularplatten diesen Knorpel als vollständig redueirt ansehen. Eine andere Erwägung jedoch scheint mir gegen die Anschauung GEGENBAUR’s zu Sprechen. GEGENBAUR verdanken wir den wichtigen und wohl durchaus sicher erbrachten Nachweis, dass im Allgemeinen isolirt auftretende Verknöcherungen sich nament- lich an Stellen entfalten, wo ihnen in der Tiefe ein gewisses Wider- lager geboten wird. Als solches fungiren naturgemäß im Allge- meinen-knorplige Skelettheile, und für die Jugularplatten glaubte man als eine solche Unterlage Kiemenstrahlen annehmen zu dürfen. Nun achtr. zu meiner Abhandl. » Beitr. z. Kenntnis d. Visceralskelets d.Selachier. 621 and ich aber, dass bei älteren Exemplaren von Lepidosteus die zer- treuten Hautverknöcherungen der intermandibulären Fläche sich teilweise zu einer größeren Platte zusammengeschlossen haben. Es ndet demnach hier eine freie Bildung einer Knochenplatte an ganz hnlicher Stelle statt, ohne dass ein unterliegender Knorpel sie be- ünstigte. Ich glaube, dass analog auch die Jugularplatten bei Po- ypterus erst erworben worden sind, nachdem die hypothetischen liemenradien der Mandibula schon verschwunden waren. Auch für aläozoische Crossopterygier scheint dies theilweise Geltung zu be- itzen, wenigstens dürfte unter der mittleren Kehlplatte von Rhizo- )psis sauroides (vergl. ZrrrEL 1895, pag. 567, Fig. 1505 B) kein morpeltheil zu suchen sein. Nicht ganz auszuschließen wäre es, dass ei Polypterus der benachbarte, untere Theil des Hyoidbogens als eine rt stützendes Widerlager auf die höhere Ausbildung der Jugular- latten fördernd wirkte. Die gleiche Lage wie die plattenförmig isammengeschlossenen Hautverknöcherungen von Lepidosteus hat ach die unpaare Knochenplatte von Amia. Ich hatte in der er- ähnten Anmerkung gesagt, dass, wenn die von GEGENBAUR ange- )mmene Genese der Jugularplatten sich bestätigte, diese auch für ie unpaare Platte (die in Folge eines Druckfehlers statt Knochenplatte is Knorpelplatte bezeichnet wurde)') von Amia angenommen werden )nnte. Nachdem nun die eigene Untersuchung bei Lepidosteus, mia und Polypterus keine Argumente zu Gunsten dieser Anschauung m 1872 lieferte, dürften die unpaare Knochenplatte von Amia, wie die Jugularplatten der Crossopterygier auf Gebilde, welche nen von Lepidosteus analog wiren, zuriickzufiihren sein. Selbst- rständlich wird man bei der ontogenetischen Untersuchung von lypterus noch immer mit der Anschauung GEGENBAUR’S zu rechnen ben. Auch von der Erörterung einer anderen Frage musste ich in einer Abhandlung absehen, da mir noch keine eigenen Unter- ‚chungen zu Gebote standen. Sie betraf den Vergleich der Lippen- iorpel der Selachier mit den »Lippenknorpeln« der Dipnoér (pag. 378). iterdessen haben mir eigene Untersuchungen an allen 3 Dipnoörn zeigt, dass PoLLAnD's Vergleich derselben mit Skelettheilen der Si- roiden durchaus unzulässig ist, dass aber auch die von der Mehr- 1 Um Missverständnissen vorzubeugen, bemerke ich, dass es sich in meinen maligen Ausführungen selbstverständlicb nur um eine Deckknochenbildung einer Knorpelgrundlage, nicht aber um eine direkte Verknöcherung eines 1 pels handelte. nd 629 Karl Fürbringer, »Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier«. - zahl der Forscher befürwortete Homologisirung mit den Labialknor- — peln der Selachier nieht festgehalten werden kann. Alle bisher als obere Lippenknorpel bei den Dipnoérn gedeuteten Knorpel stellen vielmehr eraniale Theile vor. Betreffs der Dipneumones gehe ich hier noch weiter wie BRıDGE 1898 (pag. 341, 352—353, 358—359). der einen der oberen Knorpel noch als Lippenknorpel deutet. Hin- siehtlich Ceratodus decken sich meine Anschauungen mit denjenigen von SEWERTZOFF 1902 pag. 602. Ich werde hierauf und auf die unteren »Lippenknorpel« der Dipnoér, die auch denen der Selachier nieht homolog sind, an anderer Stelle ausführlieh zu sprechen kommen. — Hier möchte ich noch eine dureh Auslassung eines Satzes unverständlich gewordene Stelle meiner Abhandlung pag. 376 klarstellen. Auf Zeile 5 dieser Seite muss es heißen ..., theils zu Grunde ging, theils als Labialbogen erhalten blieb, kann .. . — Ferner móchte ich zu Anm. 1 pag. 381 bemerken, dass ich jetzt auch HorrFMANN's embryologischen Angaben eine geringere Bedeutung für die genetische Erkenntnis der Visceralbogen-Natur der Labialia beilegen möchte als damals. — Schließlich sei noch erwähnt, dass auf pag. 431 in Anm. 1 die Worte »am letzten Kiemenbogen« in Weg- fall kommen müssen. | l Notiz über oberflächliche Knorpelelemente im Kiemenskelet der Rochen (Extraseptalia), 3 zugleieh nach von J. Ed. Stumpff gemachten Beobachtungen. Von Max Fürbringer. Mit 4 Abbildungen im Text. In der im anatomischen Institut zu Heidelberg ausgeführten und in dem vorliegenden Bande dieser Zeitschrift veróffentlichten Arbeit von KARL FÜRBRINGER »Beiträge zur Kenntnis des Visceralskelets der Selachier« (Morph. Jahrb. XXXI pag. 360—445 Taf. XVI—XVIII) ist auf pag. 431 Anm. 1 der »Knorpel, die J. Ep. Srumprr von einem Kiemenloeh zum andern unter der Haut verlaufen sah«, Erwühnung zethan, und auf Taf. XVIII Fig. 36 findet sich ein solcher mit StK. yezeichneter Knorpel von Myliobatis aquila abgebildet (vergl. auch rklàrung der Abbildungen pag. 445). Es handelt sich hier um meines Wissens bisher unbeschriebene xebilde im Kiemenskelet des Rochens, die 1902 von dem Schreiber ler angeführten Arbeit, cand. med. KARL FÜRBRINGER, bei seinen be- "ügliehen Präparationen gefunden wurden, jedoch nicht zum ersten Wale. Vielmehr hatte, wie die eitirte Anmerkung und Figuren- rklürung hervorhebt, bereits J. Ep. Srumprr dieselben gesehen, und uch ein von K. FÜRBRINGER im zoologischen Museum von Palermo jeobachtetes Kopf- und Kiemen-Skelet von Cephaloptera giorna wies lieselben als verhältnismäßig äußerst mächtige, zur Brustflosse in mge Beziehungen tretende Gebilde auf. - Zur genaueren Kenntnis dieses Fundes, auch mit Rüeksicht auf ie historische Seite der Frage, theile ich Folgendes mit. 624 Max Fürbringer 1 | Herr J. Ep. Srumprr, im Jahre 1885 cand. med. und zugleich — Assistent am anatomischen Laboratorium in Amsterdam (dem ich | damals als Direktor vorstand), war von mir angeregt worden, an der Hand der bekannten Arbeiten von JOHANNES MÜLLER, C. GEGEN- BAUR, B. VETTER, P. FÜRBRINGER u. A., das Visceralskelet und die bezügliche Muskulatur von Petromyzonten und Selachiern zu studiren, iA und hatte bei dieser Gelegenheit auch bei verschiedenen Rochen die oben erwähnten Skeletelemente gefunden. i. Sie bilden oberflächliche Knorpelstäbe oder Knorpelplatten, welche — im Bereiche der die Kiemenspalten deckenden Lamellen (äußere Ab- 4 schnitte der Kiemensepten) sich befinden, hierbei den Musculi inter- . branchiales außen aufliegen und direkt von der äußeren Haut be- deckt sind. Da, wo sie eine bedeutende Entwicklung zeigen, kann © man sie in ihrer Lage schon bei der Ansicht des unverletzten Thieres | von außen erkennen. Ihre Zahl ist fünf, indem jede Decklamelle der Kiemenlócher je eine besitzt; die erste gehört somit dem hyoi- | dalen Gebiete an. Meist sind die erste und letzte etwas schwächer — als die drei mittleren. : à In der Größe, Lage und Gestalt dieser Gebilde bestehen bei den - von STUMPFF und mir untersuchten Rochen Verschiedenheiten, worüber — die Abbildungen am besten orientiren. Fig. 2. EE N XS EN \ LA PEE i 4 E SS = AVA wh 1 Baa sss WM EN SW. rN AS A AN JA N N \ KE A NN %- KC AN " \ N Ventralansichten der rechten Kiemenregion nach Wegnahme der Haut. 1—5 erste bis fünfte Kiemenspalte. x Extraseptalknorpel, dem äußeren Bereiche der Mm. interbranchiales aufliegend (rechtsidaneben, d. h. medial, befinden sich die Myomeren des M. constrictor superficialis ventralis). El. Elektrisches Organ. Ppt. Propterygialer Abschnitt (Muskeln und Skelet) der Brustflosse. — Fig. 1. Torpedo marmorata 1/1 (Exempl. von 24cm Kopf-Rumpf-Lànge). Fig. 2. Raja elavata 1A (Exempl. von 31cm Kopf-Rumpf-Lànge). Fig. 3. Zweiter und dritter Knorpel von Trygon pasti- naca 1/1 (Exempl. von 20cm Kopf-Rumpf-Länge). Fig. 4. Myliobatis aquila 2/3 (Exempl. von 38 em Kopf-Rumpf-Länge. N otiz über oberflächl. Knorpelelemente im Kiemenskelet der Rochen ete, 625 = Bei Torpedo marmorata (Fig. 1) bilden sie kleine, kurze, platte, schmale und dünne Knorpelstiickchen, welche nur einen Theil der Breite der Decklamellen der Kiemenspalten einnehmen und eine schräge Lage darbieten, wobei der caudo-laterale Theil etwas breiter als der rostro-mediale entwickelt ist; letzterer zeigt am rostralen inde in Folge kleiner Furchen und Einbuchten eine unregelmäßige Kontourirung. — Bei Raja elavata (Fig. 2) sind die Knorpel mehr entwickelt und bilden schlanke, über die ganze Breite der Deck- lamelle erstreckte Stäbe von ovalem bis rundiichem Querschnitt, die in vorwiegend longitudinaler Richtung verlaufen, wobei der rostrale Abschnitt meist etwas kräftiger als der caudale ist; bei dem ersten läuft das hintere Ende ziemlich spitz, bei den vier letzten mehr stumpf aus. | | Ansehnlicher und von plattenförmiger Gestalt sind die Knorpel bei Trygon pastinaca, Rhynehobatus djeddensis und Mylio- batis aquila. Hier nehmen sie gleichfalls die ganze Dreite der Decklamellen und zugleich einen mehr oder minder großen lateralen Abschnitt derselben ein. Bei Trygon (Fig. 3) sind sie sehr dünn und mäßig breit, am rostralen Ende auch unregelmäßig kontourirt, in der Mitte ein wenig eingeengt, am distalen Ende, das mit dem äußeren Rande der Decklamelle abschließt, am breitesten und hier auch in kleine laterale Zipfel ausgezogen. Rhynchobatus zeigt sie breiter, von breit eifórmigem Umriss mit schmälerem rostralen und breiterem caudalen Ende. Ähnliche Gestalt, aber noch kräftigere Ausbildung und geradlinigen caudalen Abschluss weisen die Knorpel- platten bei Myliobatis (Fig. 4) auf; hier erstrecken sie sich lateral über den medialen Rand des propterygialen Abschnitts der Brust- flosse, durch lockeres Bindegewebe mit ihr verbunden. Noch stärker ind größer finden sie sich endlich, wie K. FÜRBRINGER an dem Pa- lermitaner Skelet beobachtete, bei Cephaloptera giorna; hier sind sie auch lateral noch weiter über die Brustflosse ausgedehnt und, wie es scheint, fester mit ihr verbunden. | Ein Vertreter der Pristiden konnte leider nicht untersucht werden. Das Knorpelgewebe ist ein hyalines; doch sind die Knorpel von ziemlich dickem perichondralem Gewebe dicht umgeben. Bei Torpedo und Raja liegen sie den von ihnen bedeckten Muse. inter- branchiales locker auf; bei Trygon, und namentlich bei Rhynehobatus und Myliobatis ist der Verband ein festerer; auch scheinen Theile les Muskels an ihrem Rande und ihrer Innenfläche zu inseriren. Stets trennt dieser Muskel sie von deu von ilin bedeckten und auch 626 Max Fiirbringer ii nicht so weit peripher reichenden Kiemenradien; wenn es auch ge- lingt, von den Enden der Radien ausgehende und zwischen den Muskelfasern hindurchziehende Bindegewebe bis zu den Knorpel- platten zu verfolgen, so kann man doch nicht von einem eigentlichen Verbande der Radien und der Knorpelplatten sprechen. — 4 Herr J. Ep. Srumprr wurde damals (1885) durch anderweitiges medieinisches Studium verhindert, die bezüglichen anatomischen Arbeiten fortzusetzen und abzuschließen, wesshalb die Veröffentlichung unterblieb. Es ist mir aber jetzt eine angenehme Pflicht, seine Ver- dienste betreffend die genauere Kenntnis dieser Knorpel noch nach- träglich hervorzuheben. Indessen ist er nicht der Erste gewesen, der sie gesehen hat. Das zoologische Museum der Universität Palermo weist eine hervor- ragende Sammlung von Selachierskeleten auf, die, wie mir der jetzige Direktor derselben, Herr Professor F. RAFFAELE, in liebenswürdigster Weise mittheilt, in den Jahren 1874—1884 unter der Direktion von Professor P. DÖDERLEIN durch den ersten Präparator und späteren Assistenten Dr. G. Riccio angefertigt wurde; speciell das Skelet von Cephaloptera giorna wurde gegen 1884 präparirt. Auch finden sie sich in dem 1885 erschienenen 3. Fascikel (Batoidei) von Dö- | DERLEIN’s Manuale Ittiologico del Mediterraneo bei der Beschreibung von Cephaloptera giorna kurz erwähnt (pag. 247: Fessure branchiali larghe, guarnite ne! loro margine esterno di un opercolo cartilagineo discoideo«)1), während bei anderen und zum Theil recht genau be- schriebenen Rochen von ihnen keine Rede ist. Auch die sonstigen Veröffentliehungen DÖDERLEIN’s und Ricero's sprechen, meines Wis- sens und nach der Mittheilung Prof. RAFFAELE’s, nicht von ihnen. Danach scheinen weder DÖDERLEIN noeh RicGro0 weitere Kenntnis von diesen Gebilden gehabt zu haben, während Srumprr ihre eigenartige Anordnung und ihre weite Verbreitung bei wohl allen Familien der Rochen erkannte und naehwies. Man könnte ihnen somit die persönliche Bezeichnung RicGGro'sche | oder Srumprr’sche Knorpel geben, was auch auf Taf. XVIII Fig. 36 von K. FÜRBRINGER angedeutet wurde (St K). Mir scheinen diese Knorpel, die nach ihrer oberflächlichen Lage auf den Septen Extraseptalknorpel genannt werden mögen, physiologisch und morphologisch nicht ganz unwichtige Gebilde zu sein. 1 DÖDERLEIN spricht auch Rıc6ıo seinen Dank für die geleistete Mit- hilfe aus. tiz über oberflächl. Knorpelelemente im Kiemenskelet der Rochen ete. 627 - Ihre physiologische Bedeutung, die namentlich in ihrer höheren usbildung bei Rhynchobatus, Trygon und den Myliobatiden für die | mung und Schließung der Kiemenspalten in Frage kommt, ist hier icht zu behandeln. Morphologisch treten sie als durchaus ober- ichliche, subeutan liegende Gebilde zu den sog. äußeren Kiemen- gen (Extrabranchialia) in eine gewisse Parallele. Doch konnte vend welcher Zusammenhang mit diesen bisher nicht nachgewiesen erden. Der Kiemenkorb der Petromyzonten bildet bekanntlich ein is Querstäben und Längsstäben zusammengesetztes kontinuirliches itterwerk, und wie man früher daran gedacht hat, die Querstäbe ssselben mit den Extrabranchialia der Selachier zu vergleichen, so mnte man auch versucht sein, das Längsstabsystem der Petro- yzonten zu den Extraseptalia der Rochen in einen gewissen Ver- sich zu bringen. Wie allgemein man aber auch diese Vergleichung shen möge, so bestehen doch in jeder Hinsicht die ernsthaftesten denken gegen einen derartigen Homologisirungsversuch. Schon iss diese Gebilde, so weit bekannt, nur bei den Rochen sich finden, jthigt zur Vorsicht. Sind sie subcutane Gebilde sui generis, ler stammen sie von den tieferen Kiemenradien ab, etwa ühnlich, e dies aueh — meiner Ansieht nach aber in noch nicht genügend rehgearbeiteter und nicht einwandfrei nachgewiesener Weise — n den Extrabranchialia behauptet worden ist? Auch die gegen- itige Ableitung bei den verschiedenen Rochenfamilien ist noch zu ben. Vermuthlieh sind die breiten Knorpelplatten hóhere Diffe- zirungen aus Raja-ühnliehen Knorpelstäben; ob aber die Gebilde n Torpedo Anfangsstadien oder bereits Reduktionsbildungen dar- allen, ob die Zerklüftungen und unregelmäßigen Kontourirungen - proximalen Ende Zeichen des Aufbaues aus ursprünglich selb- indigeren Theilen oder Zeichen der Rückbildung darstellen, — das les ist erst noch zu bestimmen. = Die vorliegende kurze Notitz verfolgte nur den Zweck, auf ein sonderes Gebilde im Kiemenskelet der Selachier mit Angabe seines ré ienten Entdeckers aufmerksam zu machen und die Untersucher f dessen genauere Bearbeitung, namentlieh mit Hilfe der Onto- nese, hinzuweisen. dic oe. * " imu - ums y - a ie 2 Pe “Pk rh 3 7 27 P s —— "' —— RR ERR d e z Besprechung. "T SCHAUINSLAND, Prof. Dr. H., Beiträge zur Entwicklungsgeschiehte | und Astomie der Wirbelthiere. I II. III. 168 S. und 445 Ab- bildungen auf 56 Tafeln. OCnHuw's Zoologica. Bd. XVI. Heft 39. Stuttgart (Erwin Naegele) 1903. 49. M. 80.—. Der vorliegende stattliche Band des als Entdeckungsreisender, Sammler | und Forscher auf dem Gebiete der vergleichenden Ontogenese der Sauropsiden | rühmlichst bekannten Autors bildet einen hervorragenden Beitrag zur Kenntnis | der Entwicklung von Sphenodon, Chamileo, einer Anzahl bisher wenig oder nicht auf ihre Ontogenese untersuchter Vögel aus den Abtheilungen der La- | ridae, Procellariae, Steganopodes und Passeres, sowie von Callorhynchus. d! Der Verfasser hat die bezüglichen Entwicklungsstadien auf seiner großen j Reise nach dem pacifischen Ocean in der Hauptsache selbst und zum Theil | unter nicht geringer Gefahr gesammelt und konservirt, und hat dadurch die Wissenschaft mit einem Untersuchungsmaterial bereichert, welches den von | Professor R. SEMON auf seiner berühmt gewordenen Forschungsreise nach | Australien und Insulinde gesammelten und zu einem großen Theile schon be- 4 arbeiteten Schützen zwar nachsteht, aber nach ihnen mit an erster Stelle genannt i zu werden verdient. Insbesondere ist es Sphenodon (Hatteria), wo SCHAUINSLAND als Erste f uns mit embryonalem Material und daran angestellten genaueren Untersuchungen (seit 1898) beschenkt hat; wenn ihm auch Denpy, TuıLenius, Howes and | SWINNERTON u. A. auf diesem Gebiete bald nach dd sind, so gebührt ihm | doch die Priorität und der Vorrang. Dessgleichen hat Verfasser namentlich — auf Grund der von ihm gesammelten Embryonen uns vortreffliche verglei- chende Arbeiten über die Entwicklung der Eihäute der Sauropsiden (1901, 4 1902) mitgetheilt. ba Das vorliegende Werk knüpft an diese Untersuchungen und Arbeiten an i und hat sich vornehmlich die Aufgabe gesetzt, die dort mitgetheilten Befunde durch eine große Fülle von Figuren zu illustriren und eingehender zu begrün- | den. Dementsprechend werden die Resultate im Texte in gedrüngter Kürze gegeben und der Schwerpunkt auf die Mittheilung der Thatsachen an der Hand von Abbildungen und deren genauer Erklärung gelegt. Doch findet sich hier auch vieles früher nicht Mitgetheilte, so zahlreiche Details, betreffend die ersten Entwicklungsvorgänge und junge Stadien in der Körperbildung und den Eihüllen von Sphenodon und von verschiedenen Vögeln, wie auch die An- lage und Ausbildung des Skeletsystems; ganz neu ist die frühe Entwicklung von Chamiileo und die Ontogenese von Callorhynchus. Die große Zahl (445) Kan! - B Besprechung. 629 vorzüglich ausgeführter Original-Abbildungen, zum Theil nach von dem Ver- - fasser angefertigten Modellen, kennzeichnet zur Genüge, dass dieser Verüffent- lichung eine nicht gewöhnliche Arbeitsleistung zu Grunde liegt. Eine detaillirte Mittheilung der Befunde nebst Würdigung derselben ist nicht beabsichtigt. SCHAUINSLAND’s Untersuchungen auf diesem Gebiete sind bereits zur Genüge bekannt. Auch würde eine genaue Wiedergabe seiner Re- sultate im Wesentlichen mit einem Wiederabdruck der vom Verfasser selbst in größter Koncentration gegebenen Beschreibungen und Resultate überein- kommen. Nur Andeutungen von dem reichen Inhalte seien gemacht. Die Untersuchungen gliedern sich in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt handelt in 38 Seiten Text, 58 Seiten Tafelbeschrei- bung und 31 Tafeln mit 227 Figuren von der Entwicklung von Sphenodon, Callorhynchus und Chamäleo. Die Mittheilungen über Sphenodon (pag. 1—4 Text, pag. 41—57 Tafelbeschreibung, Taf. I—XI, Fig. 1—88, worunter einige doppelt) betreffen die Entwicklung des gesammten Skeletes, von denen namentlich diejenigen über den Schädel und den schallleitenden Apparat das Hauptinteresse beanspruchen und — unter Beriicksichtigung der ausgezeichneten Untersuchungen von GAUPP über die Ontogenese des Amphibien- und Lacer- tilier-Schiidels — die primitive, zum Theil an die Verhiiltnisse bei Amphibien ankniipfende Stellung von Sphenodon bekunden, sowie die Entwicklung der Nerven, des Parietalauges nebst Epiphyse und Paraphyse, und geben hier zu- gleich Abbildungen von zahlreichen jüngeren und älteren Embryonen, welchen zum Vergleiche auch solche von Chelonia und Diomedea beigefügt sind. Die . Ontogenese von Callorhynchus ist ausführlicher behandelt (pag. 5—32 Text, . pag. 58—59 Tafelerklirung, Taf. XII—XXIV, Fig. 89—174), giebt eine gute Darstellung der früheren und späteren Entwicklung der Keimblätter und der Körperform, sowie der Ausbildung der Organe, insbesondere des ganzen Ske- letes, der Hypophysis, der Hautzühne und Zahnplatten, des Gehirns und der . eranialen Nerven, welche Verhältnisse durch die reichen Abbildungen vortreff- lich illustrirt werden. Auch das Kopfskelet eines Squaliden (Triaenodon) ist zum Vergleiche abgebildet. Den Inhalt kennzeichnet eine groBe Anzahl be- . deutsamer und allgemein wichtiger Befunde, von denen insbesondere die über die jüngsten Entwicklungszustiinde, sowie diejenigen über das Visceralskelet und den Zahnapparat hervorgehoben seien. Am Schlusse wird auf die Mischung primitiver und hóher differenzirter Merkmale hingewiesen. Diese hier zum ersten Male mitgetheilten Befunde sind um so dankenswerther, als sie zusammen mit den in der Herausgabe befindlichen Untersuchungen: DEAN's über die Ent- wicklung von Chimaera uns die bisher ginzlich unbekannte Ontogenese der interessanten Abtheilung der Holocephalen erschlieBen. Kiirzer, aber von nicht geringem Interesse ist die genaue Darstellung der hier ebenfalls zum ersten Male bekannt gewordenen frühen Entwicklung des Körpers, des Dottersackes und der Eihüllen von Chamäleo mit ihren zum Theil recht eigenartigen Bildungen (pag. 32—38 Text, p. 89—98 Tafelerklirung, Taf. XXIV — XXXI, . Fig. 175—219). j Der zweite Abschnitt, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Sauropsiden, enthält in 5 Textseiten (pag. 101—105, wovon 3 Seiten eigentlicher Text und 2 Seiten Litteratur), 38 Seiten Tafelbeschreibung (pag. 106 bis 143) und 18 Tafeln (Taf. XXXII—XLIX) mit 165 Figuren kurze und prä- eise Mittheilungen über die früheste Entwicklung der Reptilien und Vögel, ins- besondere über die ektodermale, nach hinten sich ausbreitende Anlage des Morpholog. Jahrbuch. 31. 41 630 Besprechung. Primitivstreifens und die von dieser ausgehende Mesodermwuchérung, das hit tere und vordere Ende des Primitivstreifens (Sichel und HENSEN’scher Knot nebst Kopffortsatz, des Canalis neurentericus, sowie das Verhalten des Mego-) — derms und Entoderms bei der Entwicklung dieser Gebilde. Alle diese Vor. m günge sind durch nicht viel weniger als 200 Flächen- und Durehschnitts-Bilder — von vielen Embryonen von Sphenodon (wozü aüch noch auf Taf. LV ünd p mit Fig. 39—53 des dritten Abschnittes weitere Abbilduugén hinzukommen, ei von verschiedenen Vögeln, die laride Haliplana [= Sterna], die procellariden : Puffinus und Diomedea, die steganopoden Phaethon, Sula und Fregata und die S passerinen Sturnus und Passer) reich illustrirt und eingehend erläutert, vom ein sehr bemerkenswerther Beitrag der vergleichenden Ontogenese der Gastru lationsvorgänge vorliegt. Der dritte Abschnitt giebt in 2 Seiten Text (pag. 147, 148), 20 Seiten = Tafelerklärung (pag. 149—168) und 7 Tafeln (Taf. L—LVI) mit 53 Figuren Bei- trüge zur Kenntnis der Eiháute der Sauropsiden, wozu noch die, bereits im ersten Abschnitte mitgetheilten, Befunde an Chamäleo hinzukommen. | Der Text enthält im Anschlusse an die in O. Hr&rwıg’s Handbuch der ver- gleichenden und experimentellen Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere a gebene ausführliche Arbeit (Entwicklung der Eihäute der Reptilien und der Vögel, 1902) nur die Zusammenfassung der Resultate, wobei in erster Linie | dem von MITSUKURI und von MEHNERT bei Cheloniern entdeckten, bei Sphe- - nodon und den Vögeln aber zuerst von SCHAUINSLAND gefundenen Amnion- gange, sowie dem gleichfalls von SCHAUINSLAND zuerst beschriebénen vorderen | Amnionzipfel gewisser Vögel, danach auch der Amnionnaht, der Allantois und dem Dottersack der Sauropsiden eine speciellere Berücksichtigung zu Theil wird. Die ausführlich erliuterten Tafeln geben zahlreiche Abbildungen über die betreffenden Verhältnisse bei Sphenodon, sowie bei Laridae (Larus, Stern E Haliplana), Procellariae (Puffinus, Diomedea), Steganopodes (Phaethon, Sula J Fregata) und Passeres (Sturnus). Neben der morphologischen Bedeutung ge- - währen dieselben auch systematisches Interesse, indem die in erster Linie he vorgehobenen Gebilde gerade bei den verwandten Abtheilungen der Laridae, Procellariae und Steganopodes am ausgeprägtesten entwickelt sind. sd Das Buch von ScHAUINSLAND bildet mit seinem reichen Schatze ausge- zeichneter Illustrationen eine Fundgrube von bleibendem Werthe. Wir geben ihm die besten und wohlverdienten Wiinsche auf seinen Lebensweg. i ^ Max Fürbringer. | Druck von Breitkopf & Hartel in Leipzig. MT * - ELBE, | : a cs: _Anthropo in us puar Keimes- und Sianco ENG Gemeinverständliche .wissenschaftliche Vorträge - E von : Ernst Haeckel. `, i Professor an der Universitat Jena. E Fünfte, umgearbeitete und vermehrte Auflage. : Y [ Mit 30 Tafeln, 512 Textfiguren und 60 genetischen Tabellen. P . . Zwei Bünde. gr. 8. 1903. æ 25.—; in Leinen geb. #4 28.—. | a : | - | : M E E an ien Küsten ides Korallenmeeres. | di EG Reiseerlebnisse und Beobachtungen eines Naturforschers E DNE | 4 $ : in EU Australien, Neu-Guinea und den Molukken ut von ! E Prof. Richard Semon. dv Mit 86 Abbildungen und 4 Karten. o | Zweite, verbesserte Auflage. ‘Se | gr. 8. 1903. æ 15; in Leinwand pepunton M 16.50. E _ Führer durch Pompeji. ; Auf Veranlassung des Kaiserlich. Deutschen Archäologischen Instituts verfaßt von — August Mau. Vierte, verbesserte und vermehrte Auflage. Mit 35 Abbildungen und sechs Plänen. kl. 8. 1903. run M 3.—. 1 Nordische Mythologie 4 ae gemeinverstandlicher Darstellung 4 von p | Paul Herrmann. : » Mit 18 Abbildungen im Text gr.8. 1903. 4 Fe in Led geb. ario ) Druck von Breitkopf & Hartel in Leipzig. Mowe Ie (XAT. i VYorpholog. Jahrbuch Bd. A 4 Coronella - Platydactylus -- Art. vertebr: fragilis Anguis WK Chorda dorsalis —< oP oo $o Frankfurt 9H. egt. i Ie Verlag von Wilhelm Engslsaanz, 4 4 » EWR. - = Tea 4 | Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. Taf Hf. are n hy V E Form vermu. ' LU Y i AN Lobus Form . verm. Li IL—Form.verm. ' 1 T T I ze Nu ~ Sat. rg. ARTN | | | NA Xi-a"H Ur. ALENSI. Via Funke Lapay. Morpholog. Jahrbuch. Bd XXXI. : Taf m. Lamina ovarit = >= : . i zu mie À w^ ü / EE, Ao í 3 -— = 4i s i Tons an VO KN qc el \ & X Peo e$. | | [oV Membrana -JES ae a) propria ARIS 96 = t Se (2 / MUR cut NES UT f | 8 2 SN = N e Corp lut bas i [OM (9,8 27 u.c NG NE © P i AW N a 1 m h | bus aa) | Mbr pas, i E fà =< NX Qa —o® eo Berne SE LIE i / Les i oe ' £ N ji | A 2 y^ q 7 : $ 3] RA Sara ay Ti E7177 T. Bühler gez. Verlag von Wilhelm Engelmann, leinzia Fil Fast Werner i Wini Frankfar Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXX. Taf WV. Dotterzelle Follikelepithel elmann Morphol. Jahrbuch. Bd. XXXI. Bi. = | es Tafel V. er Bi Soler del: ` Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. DIT TATUNE TIEPE METTA LA 9j Morpholog. Jahrb. Bd. XXX. M | Taf VI. BL g. E- ACS: LEK Aur R. L.O.a-0.S. x. X ane L.S. av. Kl, PS \ \ Baur SPE Se N W: --1.Ao.R. SEE > Y p.B.WA:-—— NA DER. hp. BWA. LLA. vo. Kl. AD, / 1 T NO 7 4 1 à N m, MEETS ] : S) Q.ao.d. 5? Lr A.» KL. Aur L. Greil del A Tith.Anst.x:E. A Funke, Lerpzig. Verlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig: flonpholog. Jahrb. Bd. XXXI. | zu Taf VII E ae 1 1 4 * TEST > * $ t «ph, ut x PL veio diei Wen spit atm e aem u rim, TT er he ALII “ir ‘ ^ uv wom m eet =< ^. wit wap MAC — P eer . D WAREN. e | . I { d . B * o . ‘ `i | " i t iT at [j N aa b." TAL " 5 d 2 | l # i " - i ba xt \ > af i a ay Taf Vil Morpholog Jahrb. Bd. XXXI. — — — — ua o WI fo ai? an, aa ^ M suh. TR 3 Kupferaizung und Druck von O.Felsing, Berlin S-W. Leipzig. Wilhelm Engelmann in | Verlag v Greil phot. EUM ILU nemi nir marg m ater A emt m m n mire emit " , »* Por Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. 25 zu Taf. Vill. — | | | | | | 1 m | | | | 7 49 p - 2. * 4 wi , ^ , "UN Pon. Ta % Y Jw ew ^. > «af A J or = à r r XE esi n pl S o£ 7 Se ui 3 *] A da E į by tw: ká ot € 1 © why yoy % . M. "^ 2% E ES Tt * $ Urs pR SAs Bite Aem, Aa BI a A a, e Y y 5 L] wy a * ame, » l Yy TI x NC ‘ % Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. 2 Taf Vill Greil phot Kupferätzung und Druck von O. Felsing, Berlin SW Verlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig ung und Druck | Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. 63 79 74 42 47 Ro [^ "T “ted — Verlag v. Wilhelm Engelmann - Leipzig. Kupferátzung und Druck von O.Felsing, Berlin S.W. ETE BELL te rt an ee Dre NaS : | rd 1 1 2 | e: . 7 * me dco | | | | ES As | Y t | `~ 2 | | d y - ! | | * > | à | | 2 ; | | | | | | | . F 0 / E if | | - r ; 3 | e 1 : | x * : | * ^ 1 i | | è , | 1 x à | | - E | Tz | | h E | A Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. Taf. X. 1.24.) Wenzl del. 0. c0. di—--- Oo. V0.a;0. dm.- Sigs: Verlag v. Wilhelm Engelmam in I Lh Ansi v EA F undc p's M D è \ n Í a Z2 e a LI E ^ LI $ L 5 m ô EE , NU" " , i f. ) P i , ^ , 1 u " i > - D ` s 4 is P u i í \ 1 y Wt > 4 p ` * nd t ] + A ' wi 5 vi b r nay A p * z A "M Ned H. "LO d , i E > - a i Y d UT. TA MM è "ES , x d u A J i. 1 H i AY hu ut 4 E a L| LI * E , ] è pr 1 n Mm. D i A » NA 4j "ws. ex, tive, X^ dd 1 e ^ p : d (woe Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI . | l Taf XL Me AO, Te : Ba rrr NM i Oe 99 5.a0p. En Anst E. Afmke Laig. | 1,3-9 Wenzel (Wien) del Vo e Wida Bytinam a none Verzäg ite ipzig. = y” Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXT. l . | i m 2 pec i ; = ; e Taf: XIL | N . ` E — — | | Zw.K- Ting Sphenodon D. nasi h. 5 Lacerta 8 Cnemidophorus 9 Amphisbana Verlag von Wahe El9elmann, T STR Iih Anst.v Werner á Winter P einzig wt. -4 c «1 E we = E çar i 7 a | . E “7 = i i 7 i as H i ^ E a i + ] P eder ] 7 E La Am 7 + * o + 7 u y u $ i : o B = ' ae $ = m B E . , " x a B e = u E X E 7 i iJ P i u LU -z ' i i - i l ost LI » i = ‚Mornholog. Jahrbuch. Bd. XX. Taf: XII. i c IS Passer Passer 15 Tetrao Ap.nas.mt. !Ü Lin n 1^ Tetrao 15 Tetrao Passer T bez. v E. Gonp Vilhelm En > - -r DECUIT Verlag von Wilhelm B Yelmann, Leinzig. Tith. Anst.v. Werner «Winter, Frankfurt “IL Oe ise “peer um. er ii, ete Tether he nahe Columba Haat, oh Falco Nr «X Way | Yay Mat ers \ Mee M, Par f Raubvogel Columba ba | LL 20° Columba a \ \ rE. Gonner Verlag von Wilhelm Engelmann, Inn «ir ' D E E u “ x» a T E u = bd | u E a T ag > E i - s 2 7 E c "S " Y D D GA L, te E D p : E (4o M i B ] i 7 » . ES ce $ E i u EI [p i Bod RA rs ‘ 4 er o mE ; ® E x i à - x ! p l a e E i af, - - i= i s » D ve az e " E Taf XV. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXXI. --Ling Columba Lec eo 4x: = en Struthio 21 Os.ent Anser fith. Anst. v. Werner 4 Winter, Frankfurt M. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig. Gez v. E. Gónpert. A um BEEN E bd + U o - 8 T > : D E - " 7 | os ; i LJ Ls L E = E y ' En i i E = a ] m m 7 E f 7 E Dr o ] D i » o i 7 l N 8 A E ` g o € E ! » L i) B ES | - $ e B i f I Ln i) E E B po ke? u 3 5 - ] - D ve 4 i E u u o n . C f f ] n t , | E" D o f 7 bd LI 7 2 ! E 7 x E f | g D E - * B 3 " i ° WS u | = B LUS E 7 : E í i E = E i " u i | - of í 7 u -20 m = 7 M D E , 1 k u = uh R > E A dana | I | ir. I i i} | | Ma Add.md Morpholog. Jahrb. Bd XXXI. Urbringer gez. A Zig. av] ag v. Wilhelm Fägelmann in Lei Lic Ver Karl tere LEE ATE Eu Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. Taf XVII. 79. -— = ths. Se) Ines har wer 78. Q---- ee Addmd. 1 ! | Qe ===" — > NE oo bringer gez. Tith Anst v ZA unke, Leipzig Verlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig. . . i à 5i LI * p r LI ? f ! 7 " j d ‘ è ve 1 » n g ! t å LI f LI j . g * 1 pod - Si à ig " D i y. g d , " ‘ è t AF- nek te n VOT 2 é Ne Pr PP d á "D ^ P > TA # -- è LI “+e A F í | 7L» zw wu Ju -". * E kia E D V. E l ' ! Art DM, i f TA pts Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. Taf XVIII. an T PE = N a A =< a : B E PA N ar Verlag v. Wilhelm Engelmann in. Leipzi an Tm S oe pholog. Jahrb. Bd. XXXI Morpholog. Jahrb. Bd. £ i b Tak XIX. E iixAnstc E A Tuike Les. Verlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig. etl REN < XI. ; l Morpholog. Jahrb. Bd. XXX Tak XX. 77. zu Ta X Qe OS l 78. 4 : 19. ARX I PA pz e Ses 9. ow JI | zu NI C oS ro gee Fe NIT MRE — e d oo Bones y A x E | Om. ; 2281] re Eh f Ac) oie XE o> À L - b ® RR | Wie <_< =i VOIE | i Q Gr SEO: E N - -- CAOR » 27 Me. pe IS : je MA Es or BF qd f : o >) 3 E « EQ 5 > 76. Sen AN A----NU KA Tit. Ansf x E A Finke Leipäg. Verlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig. Merpholog. Jahrb. Bd.XXXI. s e o $8 o9 = a9 © 9 95 „iO co 9 Soe dec, = en ed 90 ape TES = 3 x S AA Tit Anst. X | Funke Lepar. Verlag v. Wilhelm Engelmann In. Leipzig. ihn st ihnen ns 4 - Merpholog. Jahrb. Bd. XXXI. Taf. XXII. Si: N Sf en Ma anf P4 A Á inf A Beecker gezu.phot > = à m ith. Anst v E, A Funke Leipzig. Verlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig. Tith.Anst.vE.AFunke Leip Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. EF i a Taf XXII. A.Beecker gez-u-phot. : Verlag v. Wilhelm Engelmam in Leipzi ea EORR RM BA: Morpholog. Jahrb. Bd. XXXI. ABeecker gez u.phot E: Taf. XXIV. Tit. Anst v E. A Funke, Leipzig. » "iE Marries 7 A" ira at Date Due 16 IYI WAR 956 MAY 1 4 1956 MAY 2 4 1960 JAN 18 1961 INTERN 35 — Lak. WP C NEM amo o m ee NETT ER + “ann wenn ~~. ~—* Se e. FEM tbe! A en N EEE UI Mata qvi ee (fn ANE Peis tna) A rm | un E id