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LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1904. RR sah % Kubi SIHNR a: USE AU erw Ener ana una N zuBıs B EST) MTAB ar ®) a8 ART = AR nn. ETERENERIEEL TUT: ar rn ST AM INR ALU IRDES KIRIEHU KORB Per ont . +. Inhalt des zweiunddreissigsten Bandes, Erstes Heft. Ausgegeben am 17. November 1903. Morphologie des M. adductor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. Won. Bühler. (Mit 16 Figuren im Text). ........ Morphologische Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. (1. Fort- Bee Von Albert Fleischmann. ...... „u... : VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. Von ee Srlkereztsauber:s (Mit Dat LH): : rs maniaLurnt senken VI. Historisch-kritische Betrachtungen. Von A. Fleischmann. (Mit Ext.) ass alu reihe Kia VIII. Die Stilistik des Urodäums. Von A. Fleischmann. Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches, nebst einem Anhange über die Stärke der Karpathenhirsche und die zwei Rassen derselben. Von Eugen Botezat. {Mit Taf. IV u. einer Fig. im Text.) Zweites Heft. Ausgegeben am 29. Juli 1904. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. Von Knut Kjell- berg. Bere Bionrenam Text) 4. ee 68 a ae te Über eine Anastomose zwischen den Stämmen der aa coeliaca und der Art. mesenterica superior. Von A. Bühler. (Mit einer Fig. im Text.) Varietät der ersten fünf Intereostalarterien. Von A. Bühler. (Mit einer ni > ea a er eur ra Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. Von Ad. Reinhardt. (Mit ri Vils ee ei ee RE ER: Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius (Hempr. et Ehrbg.). eerltred Schumann. (Mit Taf VI u VII). 2... aw.alı Beiträge zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Un- gulaten. Von Hermann Dexler. (Mit 46 Fig. im Text.) Seite 58 97 104 159 185 189 195 232 288 16% Drittes Heft. Ausgegeben am 23. August 1904. Beobachtungen am ÖOvarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. Von H. Bluntsehli. (Mit Taf. IX u. X sowie 5 Abbildungen im Text.) Das Kopfskelett der Amnioten. Morphogenetische Studien. Von A. Fleisch- mann. (1: Fortsetzung.) - . .. . “em m 05 III. Das Cribrum der eu en W. Blendinger. (Mit Taf. XI ur uro’Fie m Dext) MEILE IV. Historisch -kritische Betrachtungen. Yon x Fleischmann. (Mit 5 Fig. im Text) . U 22.2.0 02.02 202 „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle und der Genitalanlage bei den Salmoniden. Von U. Böhi. (Mit Taf. XIII u. 37 Fig. im Text. Viertes Heft. Ausgegeben am 25. Oktober 1404. Über einige Muskelvarietäten, den Peetoralis major, Latissimus dorsi und Achselbogen betreffend. Von Böse. (Mit 11 Fig. im Text.). .. . Untersuchungen über das Gehirn und die Kopfnerven von Oyelothone aceli- midens. Von August Gierse. (Mit Taf. XIV—XVL)....... 587 602 Morphologie des M. adductor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. Von Dr. A. Bühler. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Zürich.) Mit 16 Figuren im Text. Der menschliche Körper weist eine Anzahl von Muskeln auf, die von zwei Nerven aus ganz verschiedenen Gebieten versorgt werden. Diese Tatsache berechtigt zu der Annahme, daß solche Muskeln aus getrennten Anlagen abgeleitet werden müssen, und erst durch nachträgliche Verschmelzung im Verlauf der phylogenetischen Entwicklung einen einheitlichen Charakter angenommen haben. Es selang mir vor kurzem, für den M. extensor interosseus der Hand den Nachweis zu leisten, daß er aus einer Vereinigung von Resten der tiefen Extensorengruppe der Finger und aus abgespal- tenen Teilen der Interossei entstanden ist (3). Erstere gehören zum Gebiet des N. radialis, letztere zu dem des N. ulnaris, was sich nach der Verschmelzung noch in der doppelten Innervation zeigt. Ein anderer beim Menschen diploneurer Muskel ist bekanntlich der M. adductor magnus, der in der Regel außer von einem Ast des N. obturatorius auch noch von einem Zweig des N. ischiadicus versorgt wird. Zugleich ist dieser Muskel an seiner Insertion in zwei Abschnitte getrennt, einem lateralen zur Linea aspera und einem medialen zum Epicondylus medialis femoris. Es zeigt sich, daß der N. ischiadieus nur zur medialen Portion Fasern abgibt. Die beiden Teile des Muskels werden an der Insertion geschieden durch den Adduktorenschlitz mit der Art. poplitea. Morpholog. Jahrbuch. 32. 1 2 A. Bühler Diese Tatsachen, verbunden mit einem genauen Studium der betreffenden Verhältnisse bei Primaten, haben G. Ruce (12) veranlaßt, die mediale Adduktorenportion von der Flexorengruppe des Ober- schenkels abzuleiten, und demgemäß den Adduktorenschlitz als einen Canalis adductorio-flexorius hinzustellen. Nach Ruse spricht hierfür das Verhalten des Muskels beim Menschen selbst: Schon am Ur- sprung des Muskels trennt eine starke Sehne eine vordere mediale Portion, deren Fasern sich an die Adduktorensehne begeben, von der lateralen Portion, die an der Linea aspera inseriert (vgl. GEGENBAUR, 1892). Daß nur bei der Innervation der ersten der N. ischiadieus mitbeteiligt ist, wurde oben schon gesagt. Diese am Menschen selbst gewonnenen Anhaltspunkte werden gestützt durch die Vergleichung mit verwandten Tierformen, welche RugE aus der Literatur und aus eignen Beobachtungen beibringt. Danach werden bei Gorilla (nach Eister (4) und bei Hylobates (nach KOHLBRUGGE (8) gerade diejenigen Muskelbündel des Adduetor magnus vom Ischiadieus versorgt, die medial von der A. poplitea zum Femurende ziehen. Wie schon bei Hylobates agilis und syndactylus die beiden Adduktorportionen selb- ständig auftreten, so erscheint bei niederen Primaten die Pars condy- loidea des Muskels als ein besonderer, der Ischiadieusgruppe zuge- höriger Muskel. [BiscHorr (2), MACALISTER (11), Testur (14), RuGE (12) u. a., angeführt bei Ruce |. e.]. Trotzdem ist der Ansicht von RugE gerade von EISLER (5) widersprochen worden: »Der Durchlaß der A. und V. femoralis nach der Kniekehle ist ein Adduktorenschlitz, kein Canalis adductorio- flexorius (Ruge).« Es ergibt sich aus EısLers Abhandlung keines- wegs, worauf er diesen Satz gründet; auf eigne Beobachtungen an einer ausreichenden Serie von Primaten sicher nicht und ebenso- wenig auf Daten aus der Literatur, denn sonst wäre sein Urteil wohl etwas anders ausgefallen. EısLers Ansicht ist in einem Referat der »Jahresberiehte« durch v. BARDELEBEN (1) übernommen worden: der Bemerkung, daß Koutsrusge den Ischiadieusteil des Adduetor magnus als ursprünglich zum Semimembranosus gehörig ansieht, fügt er bei: »beim Mensch ist dies doch wohl anders«. Für einen neuen Bearbeiter dieser Fragen ergibt sich dem- nach die Aufgabe, festzustellen, erstens ob Rue recht hat mit der Behauptung, daß die Kondylenportion des Adductor magnus mor- phologisch als Flexor aufzufassen ist, und zweitens wie event. eine Verschmelzung der beiden Muskelabschnitte vor sich gegangen ist und zu welchem Resultat sie führt. Morphologie des M. adduetor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. 3 Es ist aus der Veterinär-Anatomie längst bekannt, daß bei den Haussäugetieren diejenigen Muskeln, welche der Flexorengruppe am Oberschenkel des Menschen homolog sind, außer am Unterschenkel auch am Femur direkt oder indirekt sich ansetzen. Das gilt speziell für den als Semimembranosus bezeichneten Muskel, der entweder wie beim Pferd, einheitlich fleischig am distalen Femurende und dem Lig. collat. mediale inseriert, oder wie bei Wiederkäuern, Schwein und Karnivoren in zwei Abschnitte getrennt an Tibia und Epicondylus medialis femoris geht. Die beiden Portionen werden durch gemein- samen Ursprung und gleiche Innervation als zusammengehörend ge- kennzeichnet (vgl. ELLENBERGER & MUELLER: Handbuch (6). Eingehende Beobachtungen über das Verhalten des M. semimem- branosus bei verschiedenen Insektivoren, Karnivoren und Primaten stammen von W. LecHe (10). Bei diesen Tieren zerfällt der Semi- membranosus in zwei Abteilungen, den eigentlichen Semimembra- nosus und den medial davor gelegenen Präsemimembranosus. Beide erhalten vom Ischiadieus einen gemeinschaftlichen Nerv. Sie sind _ untereinander eng verschmolzen bei Tupaja, deutlicher getrennt bei Erinaceus, Centetes u. a. Während der Semimembranosus selbst immer an der Tibia inseriert, zeigt sich bei Verfolgung der Reihe für den Präsemimembranosus ein proximales Hinaufrücken der Insertion von der Tibia (Centetes) auf den Femur (Felis-Talpa-Primaten). Lecne folgert daraus: »Aus der Differenzierung eines, vom N. ischiadicus innervierten Muskels gehen zwei Beugemuskeln hervor: der M. prä- semimembranosus löst sich allmählich vom M. semimembranosus s. str. ab, und beide inserieren als völlig freie Muskeln, der erstere vordere am Oberschenkel, der letztere, hintere am Unterschenkel. Dann tritt der Präsemimembranosus in nähere Beziehung mit einem vom N. obturatorius innervierten Adduktor, ohne anfänglich mit ihm zu verschmelzen, was erst beim Menschen geschieht, wodurch ein von zwei verschiedenen Nerven versorgter M. adductor magnus entsteht. « Um über diese Verhältnisse eine eigne Anschauung zu gewinnen, und um anderseits die Angaben von LEcHE zu erweitern, habe ich eine Anzahl von Tieren daraufhin präparatorisch untersucht. Die an- geführten Primaten wurden mir von Herrn Professor Dr. G. RuGE gütigst zur Verfügung gestellt. Cavia cobaya (Fig. 1), Vom Tuber ischiadieum entspringt mit flacher Aponeurose ventral vom M. semitendinosus ein kräftiger 1* 4 A. Bühler Muskel, der seinen Nerven vom Ischiadieus erhält. In seinem Ver- lauf trennt er sich unvollständig in zwei Teile, von welchen der eine, gedeckt vom Lig. collaterale tibiale, kurzsehnig an der Tibia, der andre ebenso am genannten Band selbst inseriert. Ein Adductor magnus, in mehrere Abschnitte zerfallend, setzt sich an der Linea aspera femoris fest, ohne den Gelenkhöcker zu erreichen. In seiner distalen Verlängerung bleibt für einen besonderen Kopf des Biceps Raum zur Insertion. Die Art. poplitea, hier ein unbedeutender Ast der A. femoralis, tritt zwischen diesem Bicepskopf und dem Adduetor magnus auf die Rückseite des Oberschenkels; es besteht also bei Cavia tatsächlich ein Canalis adduetorio-Hexorius. Fig. 1. Fig. 2. Malusadduc.-\ 49 N A. biceps, Z.fem.-- ... MM. sem mesnbr: Ins. Böiales SE Cowia cobaya. Felis domesticus, neugeboren. Oberschenkel von vorn medial. M. adductor magnus und M. semimembranosus. Felis domesticus (Fig. 2). Der M. semimembranosus ist ganz ähnlich ausgebildet, wie beim Meerschweinchen. Sein Ursprung ist fleischig an der ventralen Seite des Sitzhöckers; anfangs einheitlich spaltet er sich in der Mitte des Oberschenkels in zwei Portionen, die getrennt, eine an der Tibia, die andre am Lig. coll. mediale und am Epicondylus femoris endigen. Der Adductor magnus, auch hier in mehrere Teile zerfallend, wird an seinem unteren Rand vom Semimembranosus bedeckt, und inseriert an der hinteren Seite des Oberschenkelknochens bis nahe am Gelenkhöcker. Zwischen ihm und dem Femurteil des Semimembranosus (=Präsemimembranosus LECHES) liegt die A. poplitea. Macacus cynomolgus (Fig. 3). Der dem Semimembranosus der Katze entsprechende Muskel nimmt seinen Ursprung muskulös von Morphologie des M. adduetor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. 5 den kaudalen ventralen Partien des Tuber ischiadieum. Seine beiden Teile lassen sich anfänglich nicht trennen, divergieren aber gegen das Knie hin. Eine mediale, hintere Portion inseriert mit schöner Sehne gedeckt vom innern Seitenband des Gelenks am Margo infragle- noidalis tibiae; die andre etwas stärkere Portion bleibt fleischig bis zu ihrem breiten Ansatz, der sich auf der innern Seite des Femurs ausdehnt vom Epicondylus bis in das mittlere Drittel hinauf. Dieser Muskelabschnitt deckt einen großen Teil der tieferen Portion des M. adductor magnus zu, von welchem er übrigens vollkommen deutlich getrennt ist. Zwischen beiden tritt die gut entwickelte A. poplitea nach hinten. Fig. 4. Fig. 5. en: Synpkysts Apmphysiseune D W):---Taberzschiadl Maddıucl mag RR, DL y / I A ad mag Wiabus adawet-\..#Y//,/, A semim.emdr: Ai I RZ Ans. femor----- 2 DH MH AM. semcmembrar: In s.tidial-----\--- 7 ER mn Zus lebrads Macacus cynomolgus. Inuus nemestrinus. Oynocephalus hamadıryas. Oberschenkel von medial. Oberschenkel von vorn medial, M. adductor magnus und M. adductor magnus und semi- M. semimembranosus. membranosus. Inuus nemestrinus (Fig. 4). Die Verhältnisse sind ganz ähnlich wie bei Macaeus. Die Trennung der tibialen und der femoralen An- satzportion des Semimembranosus reicht höher hinauf, und die Inser- tion am Femur beschränkt sich auf einen kleineren Teil diesesKnochens in der Umgebung des innern Gelenkknorrens. Die Anlagerung der vorderen medialen Portion des Muskels an den Adductor magnus ist hier enger ohne den selbständigen Charakter beider zu beeinträch- tigen. Auch bei Inuus verläuft zwischen beiden die kräftige A. poplitea. Cynocephalus hamadryas (Fig. 5). Die Trennung der tibialen und der femoralen Portionen des Semimembranosus ist weiter fort- geschritten, so daß die Spaltung beider bis zum Tuber leicht gelingt. 6 A. Bühler Dafür hat die Verbindung des Kondylenteils mit dem Adduetor magnus an Festigkeit gewonnen, und eine glatte Isolierung ist un- möglich geworden. Die Semimembranosus-Insertion am Oberschenkel ist zur langen, runden Sehne geworden und begrenzt zusammen mit dem Adduktor den Kanal für die A. poplitea. Trotz der beginnenden Verschmelzung ist die Innervation für den Adduktor und den Prä- semimembranosus LEcHEs vollkommen getrennt, indem ersterer aus- schließlich vom N. obturatorius, letzterer vom Ischiadieus aus versorgt wird. Nebenbei sei noch darauf hingewiesen, daß bei Cynocephalus — und ähnlich ist es bei Macacus — der Ursprung des großen Adduktors am Schambein bis über die Mitte der Symphyse herauf- reicht, und dadurch einen Teil des Foramen obturatum verdeckt. Aus dem Gesagten erhellt, daß in der Reihe der aufgeführten Tiere in den Beziehungen des Adductor magnus und des medialen Flexors, den wir als Semimembranosus zu bezeichnen pflegen, die gleichen phylogenetischen Veränderungen sich ergeben, wie sie von LECHE an seinem Material konstatiert werden konnten. Auch ich finde, daß sich an diesem Flexor im Lauf der Stammesentwicklung eine Sonderung in zwei Teile vollzieht, von welchen der eine, selb- ständig bleibend, die ursprüngliche Insertion am Unterschenkel bei- behält, die andre, ihren Ansatz auf das Femur verlegend, eine Ver- schmelzung mit der tiefen Adduktorengruppe eingeht. Der ältere Zustand wird auch in späteren Entwicklungsstufen deutlich erkenn- bar aus dem Verhalten der Nerven; denn der ursprüngliche Flexor behält stets seine Innervation durch einen Ast des Ischiadicus, den- selben, der auch den M. semimembranosus im engern Sinne versorgt. Als zweifelloses Ergebnis zeigt sich bei all diesen Tieren auch, daß die Art. poplitea tatsächlich in einem Canalis adductorio-fexorius verläuft. Es finden also hierbei in allen Teilen die Angaben von Rue ihre Bestätigung. Welchen Weg nimmt nun der geschilderte Entwicklungsgang weiter bis zum Menschen? Schon die Befunde beim Mantelpavian stehen den menschlichen Verhältnissen sehr nahe; wie sich später zeigen wird, sind Zustände wie die eben geschilderten beim Menschen keine Seltenheit. Eine direkte Überleitung bilden indessen die Be- obachtungen von KOHLBRUGGE bei Hylobatiden. Bei diesem Genus wird der sog. Adduktorenkanal; nach oben begrenzt von demjenigen Teil des Adductor magnus, der vom N. obturatorius versorgt wird, und distalwärts von einem Muskel, der seiner Innervation nach zur Ischiadieusgruppe zu rechnen ist. »Der Muskel liegt hinter dem Morphologie des M. adductor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. 7. Adductor magnus (portio nervi obturat.), ist aber mit demselben bei H. agilis und syndactylus nicht verwachsen. Bei H. leueiscus waren beide Muskeln untrennbar vereinigt. Er geht in eine schmale Sehne über, die an dem distalen Sechstel des Femur bis an den Condylus internus inserirt.«< Eine Verbindung mit dem Semimembranosus scheint nicht zu bestehen; wenigstens wird eine solche von KoHr- BRUGGE nicht erwähnt. Daß beim Menschen ganz analoge Zustände vorkommen, wird niemand, der auf dem Präpariersaal danach sucht, entgehen können. Ich verweise in dieser Beziehung auf Figur 6,, 8. 9. Es handelt sich dort um einen Adductor magnus der aus zwei vollständig ge- trennten Portionen besteht, die auch von verschiedenen Nerven ver- sorgt werden: der Ischiadicusteil, der für sich allein die Sehne zum Epieondylus bildet, begrenzt den Hiatus adductorius auf dessen me- dialer Seite, während lateral von der A. poplitea der Femurknochen und die Pars obturatoria des Muskels liegt. Lehnt sich dieser Be- fund an die Verhältnisse an, wie sie bei Hylobates agilis und syndae- tylus und bei niederen Primaten vorkommen, so ahmt Hylobates leueiscus und nach DuvErnoy auch etwa der Gorilla durch die Ver- schmelzung des Präsemimembranosus mit Obturatoriusteil des Adduetor magnus den Menschen nach. Aus all diesen Ausführungen ergibt sich demnach mit Notwen- digkeit der Schluß, daß derjenige Teil des menschlichen Adductor magnus, der vom R. semimembranosus des Ischiadieus aus versorgt wird, homolog ist dem M. präsemimembranosus Lecnzs bei andern Säugetieren, d. h. einem Muskel, der, zur Flexorengruppe gehörig, sich vom späteren M. semimembranosus s. str. abgelöst und dem Ad- duktor beigesellt hat. Sollte es sich weiterhin zeigen, daß sich diesem Muskel beim Menschen Züge andrer Provenienz beigemischt haben, so kann das an obiger Feststellung nichts ändern. Wie einleitend bemerkt wurde, und wie es ja überhaupt schon lange bekannt ist, geht gerade diese Portion mit der Adduktoren- sehne zum Epicondylus medialis, ja sie stellt auch beim Menschen dann und wann für sich allein diese Sehnenportion dar. Der Hiatus adductorius des Menschen ist also morphologisch ein Ca- nalis adductorio-flexorius, wie dies der Fall ist bei den übrigen Säugetieren. Diese Angabe von Ruge bleibt demnach zu Recht bestehen. Die Feststellung, zu der wir im ersten Abschnitt gelangt sind, führt weiter dahin, zu untersuchen, ob sich beim Menschen ein 8 A. Bühler weiteres Fortschreiten des Verschmelzungsprozesses eines Abkömmlings der Flexoren mit dem großen Adduktor des Oberschenkel zeigt. Es ist das a priori wahrscheinlich; denn wie RuGE an Hand der mannig- fachen Varietäten der Art. femoralis gezeigt hat, ist gerade beim Menschen die Ausbildung der unteren Extremität noch keineswegs konsolidiert, sondern im Gegenteil in einer morphologischen Ent- wicklungsperiode begriffen. Und in der Tat wechseln, wie sich leicht beobachten läßt, speziell die Verhältnisse des M. adductor magnus von Individuum zu Individuum ja zwischen den beiden Extremitäten desselben Menschen in ganz erheblichem Maße. In den letzten Jahren habe ich auf dem Präpariersaal in Zürich, der mit Material gut versehen ist, die verschiedenen Varietäten dieses Muskels gesammelt. Diese Beobachtungen haben mir gezeigt, daß sich aus den vorkommenden Zuständen ungezwungen eine kontinuier- liche Reihe ergibt, aus der im folgenden die Haupttypen geschildert werden sollen. Daraus, daß Präpariersaalmaterial zur Untersuchung kam, ergibt sich von selbst, daß nicht alle Befunde gleichwertig sein konnten, weil speziell an Muskelpräparaten die Nerven allzu rasch wegge- schnitten worden waren, bevor ich sie in die Hand bekam. Doch fanden sieh unter den mehr als hundert Einzelbeobachtungen immer- hin eine ausreichende Zahl von sichern Daten, um die daraus ge- zogenen Schlüsse genügend zu fundieren. Noch ein Wort über die beigegebenen Illustrationen. Wie in einer früheren (3) Arbeit wurden auch diesmal die Befunde in Ske- lettschemata eingetragen, die in diesem Fall aus dem Atlas von Torpr kombiniert wurden. Nach diesen Aufzeichnungen und unter neuerlicher Kontrolle durch die Präparate selbst und an Hand der Notizen sind die Textfiguren ausgeführt worden. Zur bessern Über- sicht sind die Figuren 6, 7 und 14, die nach linken Schenkeln auf- genommen worden sind, hier spiegelbildlich wiedergegeben, so daß sie als rechte Extremitäten erscheinen. Die getreue Darstellung alles wesentlichen wird natürlich durch den Umstand, daß der abgebildete Zustand zufällig einer Extremität der andern Seite angehörte, in keiner Weise beeinträchtigt. Aus den Ausführungen im ersten Abschnitt hat sich ergeben, daß von den mannigfaltigen Variationen des M. adduetor magnus diejenigen Formen die ursprünglichsten sind, bei welchen dessen Ischiadieusportion mögliehst selbständig auftritt, und für sich allein die Sehne zum Epicondylus bildet. Dieser Zustand wird also den Morphologie des M. adıuetor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. 9 Ausgangspunkt für die Beurteilung der übrigen Formen bilden müssen. Fig. 6 illustriert eine solehe Varietät. Der abgebildete Zustand ist in dieser reinen Form nicht eben häufig. Die beiden Abschnitte des Adductor magnus lagen in dem abgebildeten Präparat dicht an- einander, ließen sich aber mit Leichtigkeit stumpf ohne Verletzung von Muskelfasern bis zum Ursprung trennen. Die Ischiadieusportion Fig. 9. Tuber ischiad. +--------- Aponeurosis N R. ischiad. ad m. adduect. magn. # M. adduct. magn.: p. obturatoria --\|\ p. ischiadica Hiatus adduet. +-----\) Tendo adduect. Oberschenkel vom Menschen; Dorsalseite. Verschiedene Zustände von Verbindung beider Portionen des M. adductor magnus. entspringt am unteren Teile des Sitzhöckers nahe an dessen medialer Kante. Die hinteren, lateralen Muskelbündel gehen von einer Sehnen- platte aus, die sich zwischen sie und die Obturatoriusportion ein- schiebt, die medialen reichen direkt bis zum Sitzknochen. Die ersteren gehen an der Insertionssehne weiter nach abwärts als die letzteren und umfassen dieselbe von hinten her. Die Sehne legt sich fest an den Vastus medialis ohne mit ihm zu verschmelzen; eine Verbindung mit dem Adductor longus war nicht nachzuweisen. Der Adductor magnus, soweit er vom N. obturatorius versorgt- wird, entspringt am Sitzbein vom Tuber an nach vorn. Die hintersten Muskelfasern nehmen ihren Ursprung von einer Sehnenfläche, die sich eng der Aponeurose der Ischiadieusportion anschmiegt. 10 A. Bühler Eine Übersicht der Ursprünge des Adductor magnus und der Flexoren gibt Fig. 10 von einem ähnlichen Präparat, wie es in Fig. 6 dargestellt ist. Das Bild zeigt das Os ischii von hinten lateral mit den angrenzenden Knochen und den Ursprungsflächen der be- treffenden Muskeln. Am weitesten lateral nach oben erstreckt sich die Aponeurose des M. semimembranosus, die sich so direkt dem Quadratus femoris und dem Gemellus inferior anschließt. Medial abwärts folgen die vereinigten Ursprünge von Biceps longus und 'Semitendinosus, und selbständig, noch auf die mediale Seite des Sitz- knorrens übergreifend, der Ischiadieusteil des Adductor magnus. Die Obturatoriusportion desselben Muskels entspringt mit deutlichem Zwischenraum am unteren Sitzbeinast an dessen medialer Kante. In der Abbildung ist eine Verbindung der Ursprungsfelder des Adductor p. ischiad. und des Semi- membranosus zu sehen. Die- selbe besteht aus einer dün- nen, flachen Sehne und läßt sich bei vielen Präparaten Alsemimsr 8 nachweisen. Es dokumen- AM Bäceps-------.- | UNS tiert sich darin eine Zusam- L Ü.---" EICH Eure . . a > mengehörigkeit beider Mus- N.adduck m: keln, wie sie ja bei andern Säugetieren in weit höherem päschiad.- obluer--- Sitzbein vom Menschen; laterale Seite. Maße besteht. Ursprungsfelder der Flexoren und des M. adductor ’ F magnus. Auch in andrer Beziehung läßt sich beim Menschen eine Verschiebung der Muskelursprünge wahrnehmen: Noch bei niederen Affen liegt die Ansatzfläche des Semimembranosus unterhalb, d. h. kaudal vom Ursprung des Semitendinosus und etwas medial davon, ungefähr da, wo hier die schmale Sehnenbrücke sich befindet; zu- gleich ist dort der Muskel vom Tuber an fleischig. Sie schließt sich kaudal und lateral an den M. präsemimembranosus an, beginnt aber schon, z. B. bei Cynocephalus sich auf der äußern Seite des Sitz- höckers dorsal aufwärts auszudehnen. Die extreme Streckung des Oberschenkels im Hüftgelenk, verbunden mit der Aufrichtung des Beckens bedingen es, daß die Ursprünge der Beugemuskeln anein- ander gepreßt werden. Die Folge davon ist die enge Verschmelzung des Biceps mit dem Semitendinosus (die übrigens schon bei Primaten vorkommt). Diese beiden Muskeln legen sich auf den Semimembra- nosus, der, eingezwängt zwischen sie und die Adduktoren gezwungen % Morphologie des M. adduetor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. 11 wird, die bekannte halbhäutige Form anzunehmen; gleichzeitig wird sein Ursprung lateral aufwärts gedrängt, und von der früher zu ihm gehörenden Portion des Adduktor getrennt. So erklärt sich unge- zwungen das Bild der Muskelansätze, wie es Fig. 10 bietet. Eine weitere Folge des gleichen Prozesses ist es, wenn sich Semimem- branosus und Pars ischiadiea musculi adduct. magni vollständig voneinander lösen, und letzterer mit der P. obtur. adduct. m. un- trennbar sich verlötet. Wir sehen also in diesem Entwicklungsgang nichts andres als eine Fortsetzung dessen, was sich schon bei tiefer stehenden Tier- formen vorbereitete. Die veränderte Aufgabe und Stellung der Hinter- gliedmaßen des Menschen veranlaßte eine Beschleunigung des Pro- zesses, der übrigens, wie die vielen Varietäten beweisen, noch keines- wegs zum Abschluß gelangt ist. Die Figg. 6—9 bringen einige der Formen zur Anschauung, unter welchen sich die Verschmelzung der beiden Adduktorportionen beim Menschen vollzieht. War in dem Präparat von Fig. 6 die Trennung noch eine totale, so schlägt sich in Fig. 7 eine dünne sehnig-fascienartige Brücke von der Adduktorensehne hinüber zur Linea aspera und verbindet sich dort mit den Insertionsfasern der P. obtur. adduct. mag. An diesen Sehnenbogen gelangen kleine Bündel der letzteren Portion. Gleichzeitig sind die beiden Muskel- abschnitte auch proximal fester verbunden; eine Trennung gelingt zwar noch glatt auf der dorsalen Seite, im Bereich der Ursprungs- sehnenplatte sogar bis zum Knochen, aber nicht mehr in den ven- tralen Partien. Unter Vermittlung des beschriebenen Sehnenbogens erreichen Züge der Obturatoriusportion den Anschluß an die Adduktorensehne. Werden diese größer und selbständiger, so erhalten sie eine Form, wie sie in Fig. 9 dargestellt ist. Die Scheidung der beiden Muskel- abschnitte ist auch da ausgeprägt, schärfer noch als in der voraus- gehenden Abbildung, und reicht, folgend der Ursprungsaponeurose bis zum Tuber ischii. Das feine Sehnenblatt, das proximal den Ad- duktorenschlitz begrenzt, das sich mit seinem lateralen Ende auch mit Adductor longus und Vastus medialis verbindet, besteht hier in gleicher Weise; es erhält auch hier Fasern: der Pars obturatoria. Ein starkes Bündel der genannten Fasern hat größere Selbständigkeit er- langt und inseriert gesondert an der lateralen Fläche der Endsehne, distal von der Ischiadicusportion. Diese verbindende Muskelbrücke ist in Fig. 9 bedeutend kräftiger 12 a A. Bühler geworden. Zugleich erkennt man dabei, daß die Verschmelzung beider Muskelabteilungen des Adduktor inniger ist, speziell in den ventralen Abschnitten, aber auch in dorsalen Partien. Die Ischiadi- eusportion ist hier bedeutend kleiner als in den zuvor besprochenen Präparaten; denn daß jenes Bündel, das isoliert von der Obturator- portion dorso-lateral an die Adduktorensehne sich ansetzt, nicht etwa ein abgesprengter Teil von ihr ist, wird klar bewiesen durch die Innervation. Der Nerv ist im Bilde, weil vor dem Muskel ge- legen, punktiert gezeichnet. Schon im Präparat der Fig. 9 erschien, abgesehen von der dop- pelten Innervierung, der Adductor magnus als einheitlicher Muskel, und ließ sich erst bei sorgfältiger Präparation teilweise zerlegen. Es gibt aber auch genug Muskeln, bei wel- Fig. 11. chen: trotz ihres diploneuren Charakters eine sichere Trennung sich nicht durchführen läßt. } Dann besteht ein ungeteilter M. adductor e: magnus mit größerem Innervationsgebiet des ä N. obturatorius und wechselnder Beteiligung des N. ischiadieus. Dieser Zustand ist in etwa einem Drittel aller Fälle mehr oder weniger erreicht. Ein Beispiel einer häufigen Zwischenform bietet Fig. 11. Breite und schmale Muskel- bänder spannen sich beim Versuch einer Tren- nung von einem Muskelteil zum andern aus. Sie finden sich in proximalen wie in distalen Partien, auf der dorsalen Seite so gut wie auf der ventralen. Eine Regelmäßigkeit in ihrer Verlaufsrichtung zeigen sie nicht. Manch- mal ist die Verbindung nur eine scheinbare, indem solche Züge wieder zum Muskel zu- rückkehren von dem sie ausgegangen sind. Di@ocehkel ap! Medpheins Kurz, sie bilden ein sehr mannigfaltiges Ge- Verbindung der beiden Portionen Hecht, das, soviel ich sehe, keine andre Be- "es N. adductor magnus. deutung hat als die, eine feste Verschmelzung der beiden Teile des Adduktor zu einem Mus- kel herbeizuführen. Sind auch die Punkte, an welchen diese Ver- schmelzung zuerst einsetzt, am Ursprung und Ende der beiden Muskeln zu suchen, so können, wenn der Prozeß einmal begonnen hat, solche Verbindungen an beliebigen Stellen auftreten. —— —e = — == = u > SI —— 1 re ee A; a I 4 —eak€e ‚= I Ge = G Y s Morphologie des M. adductor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. 13 Diese Verbindungen kommen übrigens nicht nur beim Menschen vor. Kontsrusee (9) berichtet, bei Semnopitheeus gefunden zu haben, daß Muskelfasern des Adduetor magnus, p. obtur. zum Präse- mimembranosus ziehen. Es scheint aber, daß mit dieser innigen Verbindung der Adduk- torportionen das Extrem noch nieht erreicht ist. Das zeigt sich bei einer Vergleichung der in den Figg. 12—15 wiedergegebenen Prä- parate. Die Bilder stellen den Oberschenkel von der medialen Seite Tuber ischiad. "N Symphysis ---- R. post. n. obturat. -- R. ischiad. ad m. semimem. «--).....; et adduct. magn. M, adduet. magnus: / p. obturatoria jo, p. ischiadica Hiatus adduet. - Tendo adduct. ----.....:|..../ Oberschenkel vom Menschen; mediale Seite. Verschiedene Zustände der Ausbreitung des N. obturatorius auf die Portionen des M. adductor magnus. mit leicht gebeugtem Hüftgelenk dar, so daß der Verlauf des R. posterior n. obturat. sichtbar wird. Wie man sieht, bilden die Prä- parate, was die Ausbreitung dieses Nerven anbetrifft, eine fortlaufende Serie: In Fig. 12 ist der Nerv kurz und geht nicht weiter als zu denjenigen Muskelfasern, welche an der Linea aspera ansetzen. In diesem Fall ist der R. n. ischiadiei, der vom R. ad m. semimembr. quer zur medialen, hier fast isolierten Portion des Adduktor abzweigt, kräftig ausgebildet und versorgt diese Portion ausschließlich. Weniger stark ist dieser Nervenast in Fig. 13; da erhalten nicht alle Muskel- fasern, die zur Endsehne gehen, Zweige von ihm, sondern die am 14 A. Bühler meisten lateral gelegenen werden durch einen feinen Ast des N. ob- turatorius versorgt. Noch etwas weiter, auf Kosten des Ischiadieus, hat sich das Verbreitungsgebiet des Obturatorius ausgedehnt in Fig. 14. Hier fällt ein Drittel der Sehnenportion des Adduktor dem letzteren Nerven zu, und nur die dorsalen Partien und der mediale Rand bleiben dem Ischiadieus reserviert. Diese Beobachtung leitet über zu dem Zustand der in Fig. 15 illustriert ist. Derselbe wurde in dieser extremen Form nur dies eine Mal gefunden. Femurschaftportion und Kondylenportion des Adductor magnus sind hier im distalen Teil gut getrennt, im pro- ximalen verschmolzen. Die Sehnenplatte, welche den dorsalen Fasern des Muskels zum Ursprung dient, ist auch hier ausgebildet, ohne sich indessen wie bei gut unterschiedenen Portionen bis tief in den Muskel hineinzusenken. Auffallend ist die weite Ausbreitung des tiefen Astes des N. obturatorius; stärker als sonst entwickelt ver- zweigt er sich nicht nur an alle Adduktorfasern, die an der Linea aspera inserieren, sondern auch an der ganzen Sehnenportion dieses Muskels einschließlich der am meisten medial gelegenen Bündel des- selben. Unter diesen Umständen war nicht zu erwarten, daß der N. ischiadieus einen bedeutenden Ast zum Adduktor abgeben würde, da ihm zur Versorgung kaum mehr etwas übrig bleibt. Tatsächlich fand sich von einem solchen Nerv auch keine Spur. Es mag ja zugegeben werden, daß ein feiner Nervenzweig durch ungünstigen Zufall verloren ging; denn wie gesagt, handelt es sich bei meinem menschlichen Material ausschließlich um Präpariersaalleichen, das von Studenten (und zwar fast stets mit großer Sorgfalt) verarbeitet wurde. Da ich an solehen Stellen, die für meine Untersuchung wichtig waren, stets selbst Hand anlegte, darf ich mit gutem Grund annehmen, daß mir wenigstens die Reste eines Ischiadicusastes, wenn ein soleher vorhanden war, nicht hätte entgehen können; doch weder am Muskel noch am Nervus m. semimembranosi fand sich eine Spur davon. Indessen sei dem wie ihm wolle, mag ein minimaler Zweig des N. ischiadieus zum Adduktor gegangen sein oder nieht — groß kann er auf keinen Fall gewesen sein — meine Sehlußfolgerungen werden dadurch nicht beeinflußt. Die eben beschriebenen Präparate, die durch weitere. Bei- spiele vermehrt werden könnten, bilden eine Entwicklungsreihe, welche sich der Serie der Figg. 6—9 an die Seite stell. Während in ursprünglichen Zuständen die Innervierung nach den beiden Morphologie des M. adductor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. 15 Muskelportionen, die dem Adduetor magnus im engeren Sinne der Säugetiere und dem M. präsemimembranosus nach LECHE entsprechen, streng getrennt ist, wird der Anteil des N. ischiadieus mehr und mehr eingeschränkt. Wir haben beobachtet, daß der dem Präsemi- membranosus der Tiere homologe Muskel beim Menschen immer mehr zurücktritt, und im Gegensatz dazu der eigentliche Adductor magnus an Ausdehnung gewinnt, auf die Insertionssehne zum Epicondylus übergreift, und schließlich, wenn nicht die ganze mediale Portion, so doch deren größten Teil ausmacht. Dieser Ausbreitung der anfäng- lichen Femurschaftportion folgt natürlich auch deren Nerv, so daß in den extremsten Fällen der N. obturatorius allein den ganzen Ad- duetor magnus des Menschen innervieren kann, und der N. ischiadieus gar keinen Anteil mehr an diesem Muskel hat. Die regressive Metamorphose des ursprünglichen M. präsemi- mempbranosus und die progressive Besitznahme des früher von ihm eingenommenen Gebietes durch einen Muskel der Obturatoriusgruppe unter gleichzeitiger Reduktion der zugehörigen Muskelnerven gehen demnach parallel miteinander. Der Anfang dieser Ausbildung setzt beim Menschen bei dem Zustand ein, der von den Primaten erreicht worden ist, d. h. bei einer fast vollständigen Trennung beider Muskel- abschnitte nach ihrer Insertion und ihren Nervengebieten. Was die Insertion anbetrifft, so erhält sich am Endpunkt der Entwicklung vom Flexorenteil des Adductor magnus nur noch die Sehne, welche medial von der Art. poplitea zum innern Kniegelenkknorren zieht. Mit dem Verlust aller muskulösen Elemente desselben verliert der N. ischiadieus seinen Innervationsbezirk am Adductor magnus, so daß dieser ganze Muskel schließlich dem N. obturatorius allein zu- fällt. Seine Erklärung findet dies Verhalten in dem Umstand, daß mehr und mehr Fasern der Obturatoriusportion des Muskels von der Adduktorensehne Besitz nehmen. Der eben geschilderte extremste Zustand ist beim Menschen zur Zeit in den wenigsten Fällen erreicht. Er wurde, wie schon gesagt, einmal beobachtet. Mehr oder weniger weites Übergreifen des N. obturatorius auf die Sehnenportion fand sich in zehn weitern Fällen, während in neun Präparaten mit deutlich ausgeprägtem medialen Adduktorenteil dieser reine Ischiadieusinner- vierung aufwies. Die übrigen Fälle, soweit sich die Nervenversorgung sicherstellen ließ, zeigten eine mehr oder minder starke Verschmelzung beider Muskelabschnitte, so daß natürlich auch die Nervengebiete nieht scharf zu trennen waren. Was die Selbständigkeit der Kondylusportion anbetrifft, war 16 A. Bühler dieselbe gut ausgeprägt in acht Präparaten. Eine totale Verschmelzung war in fünf Fällen eingetreten. In zwölf weitern Fällen wurde die Verbindung zwischen der Sehnenportion und der Obturatoriusportion und eventuell dem Adductor longus und Vastus fast nur durch den oben beschriebenen Sehnenbogen am proximalen Rand des Adduk- torenschlitzes hergestellt; zehn andre zeigen schmale Muskelbrücken. Bei allen übrigen Präparaten ergab sich als Kombination der ge- nannten Zustände eine mehr oder weniger dichte Verschmelzung der Abschnitte des Adductor magnus zu einem komplexen Muskel. Als Zeichen einer primären Gliederung erhält sich auch noch in fortge- schrittenen Entwicklungsstufen ein Aponeurosenblatt, das vom Tuber ischiadieum ausgehend in frontaler Stellung sich tief in den Muskel herabsenkt. Es ist entstanden aus der Verlötung der oben beschrie- benen Ursprungssehnen der früher selbständigen Muskeln, und ge- währt in den meisten Fällen noch die Möglichkeit einer präparato- rischen Spaltung. Eine Trennung wird auch, wie auf den Abbildungen 6—9 und 11 zu sehen ist, dadurch angedeutet, daß der ursprünglich zum Flexorteil gehörende Abschnitt der Aponeurose lateralwärts mit freier Kante über den tiefer gelegenen Obturatoriusteil der Sehnen- platte hinausgreift. Der Adductor magnus erinnert in dieser Beziehung an eine Be- obachtung, die RugE (13) am M. rectus femoris von Hylobates leu- eiscus machte: Bei diesem, wie sich aus der Innervation ergibt, polymeren Muskel senkt sich eine frontale Zwischensehne vom Ur- sprung weit in die kräftige Fleischmasse hinein und dient relativ kurzen Muskelfasern zum Ansatz, die vorwärts und rückwärts ziehend sich je an eine oberflächliche und eine tiefe zur Patella verlaufende Insertionssehnenplatte heften. Wie also bei jenem menschlichen Muskel, so deutet auch hier beim Reetus femoris eine Zwischensehne noch die primäre Zweiteilung des Muskels an; um die Parallele zu vervollständigen, divergieren in beiden Fällen die von den einander abgekehrten Flächen der Aponeurose entspringenden Muskelbündel und suchen getrennte Insertionen auf. Soviel über die morphologische Seite des Themas. Fragen wir nach den Ursachen dieser Umwandlungen beim Menschen, so begeben wir uns auf das Gebiet der Vermutungen. Indessen werden wir nicht fehlgehen, wenn wir die beobachteten Veränderungen in Beziehung zur Funktion des menschlichen Beines setzen. Ist es mir an andrer Stelle gelungen, die Reduktion der tiefen Fingerextensoren als mit Wahrscheinlichkeit aus der vergrößerten Supinationsmöglichkeit der Morphologie des M. adductor magnus und Adductorenschlitz beim Menschen. 17 Hand hervorgegangen hinzustellen, so verspricht auch hier ein Er- klärungsversuch von ähnlichen Gesichtspunkten ausgehend einigen Erfolg. Die Stellung der menschlichen Beckengliedmaßen unterscheidet sich bekanntlich von sämtlichen ihm nahestehenden Tieren durch die extreme Streekung im Hüftgelenk und im Knie. Bei den Säuge- tieren haben die vom Sitzhöcker entspringenden, beim Menschen als Beuger des Knies bezeichneten Muskeln wesentlich die Aufgabe, das Hüftgelenk zu strecken. Beim Pferd z. B. ergibt sich für das Zu- sammenwirken des Semimembranosus mit der starken Oberschenkel- insertion des Biceps keine andre Möglichkeit. Bei Tieren, welche wie die übrigen Haussäugetiere und die in der gegenwärtigen Ab- handlung beschriebenen, tibiale Insertion des Semimembranosus be- sitzen, kommt zu der Streekung im Hüftgelenk eine Beugung des freien Unterschenkels im Knie. Steht der Fuß fest am Boden, so wirkt er mit den andern sogenannten Flexoren am Oberschenkel streckend auf Hüfte und Knie, wie das auch beim Pferd der Fall ist. Es ist also ein wichtiger Teil der Funktion des M. semimem- branosus der Säugetiere, beim Laufen den Körper vorwärts zu schieben. Auch beim Mensch vermögen die ischio-eruralen Muskeln bei feststehendem Fuß die letzte Streckung des Kniegelenks zu unter- stützen, und bei gebeugtem Oberschenkel wird auch ein streckender Einfluß auf das Hüftgelenk spürbar. Kommt erstere Wirkung noch beim gewöhnlichen Gebrauch des Beines, beim Gehen und Stehen zur Geltung, so wird die letztere dabei kaum mehr in Anspruch ge- nommen. Die hauptsächlichste Bedeutung der genannten Muskeln konzentriert sich daher auf die Flexion im Knie bei freischweben- dem Fuß, wozu im Verhältnis zur Streekung eine geringe Kraft er- forderlich ist. Größere Arbeit haben indessen gerade beim Menschen die Adduktoren zu leisten, die den Rumpf auf dem Standbein ba- lancieren müssen. Darum die kräftige Ausbildung dieser Muskel- gruppe, ihr Herabgreifen bis zum Ende des Femur. Als medial am Oberschenkel gelegener Muskel konnte sie der Semimembranosus unterstützen, der speziell in seinem am weitesten nach vorn reichen- den Abschnitte, dem Präsemimembranosus, auch bei Tieren adduciert. Diese letztere Muskelportion ist nun beim Menschen durch die Stellung des Femurs zum Becken ganz auf die mediale Seite des Beines ge- rückt. Sie kann in dieser Lage weder auf die Hüfte noch auf das Knie mehr streckend wirken, und eine Beugung des Knies ist von Morpholog. Jahrbuch. 32. 2 18 A. Bühler vornherein durch die Insertion ausgeschlossen. Als einzig mögliche Funktion bleibt ihr demnach nur die Adduktion. Es ist daher voll- kommen natürlich, daß sie sich von der Flexorengruppe — die übrigens mitgeholfen haf, sie nach vorn zu drängen — losgelöst hat und sich enger dem dorsalsten Adduktor anschließt, mit dem sie die Wirkung teilt. Das nervöse Zentrum für Adduktion des Oberschenkels pflegt nun aber, so dürfen wir weiter annehmen, seine motorischen Impulse dem N. obturatorius und nicht dem N. ischiadieus mitzugeben. Die Folge davon ist, daß der von dem letzteren Nerven abhängige Teil des Adduetor magnus einer Art Inaktivitätsatrophie erliegt: Die kon- traktilen Bestandteile des Muskels verfallen der Rückbildung und nur dem Nerveneinfluß nicht unterstellte Abschnitte erhalten sich. Die starke Sehne, welche die Art. poplitea medial deckt, hat sich als zweekmäßig erwiesen. Auf sie gehen — ein progressiver Vor- sang — Muskelbündel der vom Obturatorius versorgten Adduktoren, speziell des Adductor magnus über. Es gelingt also, auf diese Weise theoretisch den Entwicklungs- sang abzuleiten, den wir an Hand der Präparate für den M. adduetor magnus in seine beiden Portionen verfolgen konnten, und als End- ziel dieser Entwicklung ergibt sich der Zustand, den ich in Fig. 15 abgebildet habe: ein von einem einzigen Nerven, dem N. obturatorius, versorgter Muskelbauch des Adductor magnus, an dem nur noch die Insertionsverhältnisse und wohl etwa eine Zwischensehne am Ursprung die doppelte Abkunft bezeugen. Anhang. Im Anschluss an das Vorstehende sei hier noch eine Varietät beschrieben, die ich auf dem Präpariersaal in Zürich beobachtete. Wenn dieselbe auch nicht direkt in die dargestellte phylogenetische Reihe gehört, so betrifft sie doch die gleichen Muskeln, und doku- mentiert von neuem die Verwandtschaft der Ischiadieusportion des sroßen Adduktors mit dem Semimembranosus. Es handelt sich, wie aus Fig. 16 ersichtlich ist, um einen schlanken Muskel, der, auf der medialen Seite des Oberschenkels gelegen, sich zwischen die beiden genannten Muskeln einschiebt. Er entspringt mit zwei ungefähr gleich starken Wurzeln, die sich bald vereinigen, von der P. isch. adduct. und vom M. semimembr. Seine Morphologie des M. adductor magnus und Adduktorenschlitz beim Menschen. 19 dünne Endsehne spaltet sich nach kurzem Verlauf in zwei Schenkel, von welchen der vordere, über die Adduktorsehne wegziehend, am Epicondylus medialis femoris, die hintere, gedeckt von der End- aponeurose des Semimembranosus, an der Fascie des medialen Gastro- knemiuskopfes inseriert. Der Nerv für diese Varietät konnte wegen zu weit gegangener Muskelpräpara- tion nicht mehr aufgefunden werden; da aber die beiden Muskeln, von wel- chen er entspringt, vom N. ischiadiceus versorgt werden, ist der Schluß nicht zu gewagt, daß ihre Innervation die gleiche war. Eine funktionelle Bedeutung kann dem beschriebenen Muskel nicht bei- gemessen werden. Auch gestattet das isolierte Dastehen des Befundes nicht Schlüsse vergleichend-anatomischer Natur: Die Varietät fehlte am an- dern Bein desselben Individuums und wurde, soweit mir bekannt ist, auch sonst nicht beschrieben. Wohl aber reiht sich diese Beobachtung dem in der vorliegenden Arbeit Gesagten in- sofern an, als sie eine weitere Form zeigt, in welcher die ursprüngliche Einheit des M. semimembranosus und der Pars ischiadieca m. adduetoris ad: Oberschenkel vom Menschen; mediale Seite. magnı sich darstellt. Muskelvarietät, ausgehend vom M. semi- Beobachtungen, die mit diesem membr. und der P. ischiad. m. adduct. magni, Befunde einige Ähnlichkeit haben, er- wähnt GRUBER (7): Er fand schmale Muskelchen, die vom M. semi- membranosus entspringend an die Adduktorensehne inserieren. GRUBER berichtet von einem analogen Fall, der durch HArRLING (zit. bei HEnLE, Muskellehre) beobachtet wurde. Eine Erklärung für diese Anomalie gibt GRUBER nicht; ihre Bedeutung ist die gleiche, wie die der eben beschriebenen Varietät. 2* 30 A. Bühler, Morphologie des M. adductor magnusu. Adduktorenschlitz usw. Literatur. 1) von BARDELEBEN, Refer. über KOHLBRUGGE in SCHWALBES Jahresberichten. N. F. Bd. III. pag. 252. 2) BıscHorr, TH. L. W., Beiträge zur Anatomie des Gorilla. Abh. bayr. Akad. Wiss. II. KI. Bd. X. Abt. 3. 1879. 3) BÜHLER, Beziehungen regr. u. progr. Vorgänge zwischen tiefem Finger- strecker und den Mm. interossei dorsales der menschlichen Hand. Morph. Jahrb. Bd. XXIX. 1902. 4) EISLER, Das Gefäß- und periphere Nervensystem des Gorilla. Halle 1890. 5) Derselbe, Homologie der Extremitäten. Biolog. Zentralbl. Bd. XVI. 1896. ELLENBERGER u. MÜLLER, Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haussäugetiere. 8. Aufl. Berlin 1896. GRUBER, Anatomische Notizen. CXLI. Musculus semimembranosus mit zwei bis vier Bäuchen. Arch. pathol. Anat. Bd. CIII. 1886. 8) KOHLBRUGGE, Versuch einer Anatomie des Genus Hylobates. WEBERs zoolog. Ergebnisse. 1890. 9) Derselbe, Muskeln und periphere Nerven der Primaten. Verh. K. Akad. Wetensch. Amsterdam. Ser. II. D. 5. 10) LECHE, Zur Anatomie der Beckenregion bei Insectivora. K. Svensk. Vetensk. Akad. Handl. Bd. XX. 4. 11) MACALISTER, The musculatur anatomy of Gorilla. Proc. r. Irish Acad. Vol: Li Berl. 71873. 12) RuGe, G., Varietäten im Gebiete der Art. femoralis des Menschen. — Der Gefäßkanal im Adduetor magnus. Morph. Jahrb. Bd. XXI. 1895. 13) Derselbe, Zur Strukturlehre von Muskelindividuen. Ibid. Bd. XXIII. 1895. 14) Testur, Les anomalies musculaires chez ’homme. Tome II. Paris 1884. oz) —1 Morphologische Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. (1. Fortsetzung.) Von Dr. Albert Fleischmann in Erlangen. Die Mitteilungen, welche ich im vorigen Jahre über die morpho- genetische Stilistik der analen Körperregion bei den Amnioten an dieser Stelle veröffentlichte, sollten vornehmlich dazu dienen, dem Leser der speziellen, von meinen Schülern P. UntErHösseL, C. Po- MAYER und C. HELLMUTH ausgeführten Untersuchungen einen Aus- blick auf das entfernte Ziel zu eröffnen, dessen Erreichung mir bei der Stellung jener Aufgaben vorgeschwebt hatte; (denn ich war mir der Lückenhaftigkeit meiner Beobachtungen an Säugetieren selbst sehr wohl bewusst und glaubte damals, meine Gedanken nur des- halb aussprechen zu dürfen, weil andre Forscher dadurch zu Kon- trolluntersuchungen angeregt und die Frage zu rascher Klärung ge- trieben werden könnte. Seitdem habe ich für meinen Teil nicht gefeiert. Schon ehe ich meine Ansicht über die Interpretation des Urodäums der Säugetiere niederschrieb, hatte ich einen andern Schü- ler, Herrn Stabsveterinär J. SCHWARZTRAUBER in Erlangen, auf- gefordert, durch Bearbeitung eines möglichst reichen, embryologischen Materials eine breite Basis der Diskussion zu schaffen. Jetzt sind die Ergebnisse der neuen genußreichen Untersuchung so weit ge- diehen, daß ich sie der Kritik der Fachgenossen vorlegen kann. Da das eingehende Studium mancher, bisher noch nicht genau verfolgter Entwicklungsvorgänge mich wiederum gezwungen hat, mit längst eingewurzelten Ansichten zu brechen und neue stilistische 22 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Vorstellungen einzuführen, so möchte ich gleich am Eingang er- klären, daß es mir die meiste Anstrengung gekostet hat, mich von den Ansichten zu befreien, welche ich in den Spezialarbeiten und den verbreiteten Lehrbüchern gelesen und allmählich gleich einer sichern Wahrheit hatte schätzen lernen. Nur das aufrichtige Be- mühen, unsre wissenschaftlichen Begriffe den tatsächlichen Ver- hältnissen so anzupassen, daß sie als vollgültiger Ausdruck derselben erscheinen, bestimmte mich, das aufzugeben, was hervorragende Meister der vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte in früherer Zeit als richtig erkannt zu haben glaubten. In gleicher Weise habe ich vom Boden der neuen Beobachtungen viele der vor Jahres- frist ausgesprochenen Deutungsversuche teils ganz beseitigt, teils wesentlich korrigiert, so daß einzelne Tatsachen jetzt in einem ganz neuen Lichte erscheinen. Ich lasse zunächst die Schilderung der unerwarteten Befunde folgen und reihe daran historisch-kritische Betrachtungen über die bisherige Lehre. VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. Von » Dr. Johannes Schwarztrauber, K. Stabsveterinär im K, B. 10. Feld-Artillerie-Regiment, Erlangen. Mit Tafel I—-IM. Als ich vor Jahresfrist von Herrn Prof. FLEISCHMANN aufgefordert wurde, das Schicksal des Urodäums der Säugetiere genauer zu ver- folgen, habe ich in den ersten Monaten meiner Studien die in jedem Schlachthofe massenhaft anfallenden Embryonen des Schweines mit großer Zuversicht als Beobachtungsobjekte gewählt, weil RATHKES klassische Untersuchung über die Afterdammbildung vorzugsweise an Schweineembryonen ausgeführt wurde, und weil auch die -späteren Forscher wahrscheinlich wegen der Bequemlichkeit der Material- beschaffung diese Säugetierart bevorzugt hatten. Allmählich nach langer vergeblicher Arbeit sah ich aber ein, daß Schweine nicht das geeignete Objekt sind, um die Teilung der Kloake klar zu erkennen; ich versuchte es daher, ob nicht an Schafembryonen, die ich während der Herbstmonate erhielt, besserer Aufschluß zu finden sei. Gleich die ersten Probeserien zeigten mir, daß ich einen glücklichen Griff getan hatte, und bestimmten mich, späterhin ausschließlich Embryonen des Schafes zu studieren. An keinem andern Objekte scheinen die Vorgänge der Afterdammbildung so durchsichtig zu sein, wie bei dem Schafe. Ich empfehle aus diesem Grunde jedem, der sich durch eigne Anschauung über dieses Kapitel der Entwicklungs- geschichte unterrichten will, das Schaf zu studieren und Schweine- embryonen nur nebenbei zu betrachten. Um sichere Resultate zu erzielen, habe ich das Beobachtungs- material möglichst vollständig gesammelt und von den für die mor- phogenetische Deutung wichtigen Entwicklungsphasen womöglich immer mehrere Objekte geprüft. 24 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Die nachfolgende Tabelle gibt die Übersicht der in Sehnittserien zerlegten Embryonen. Leider hinderte es ein ungünstiges Geschick, auch ganz junge Embryonen zu sammeln. Untersuchungsmaterial. l. Schweine. (61 Embryonen von folgender Scheitelsteißlänge.) 1,4 em — 3 Stück 4,0 cm — 2 Stück 15 3 > 4,1» — 2 » 19» An 48» —1 » 20 >» —5 >» 1,9 eg 7A DE 5,0 >». — 1 » 23» —1 » 5,5» — 1 » 25» —3 >» 6,0» —2 » 2,6 Da » 7,0 ee) » 27» —3 » 85 > —1 >» 28 ».—3 > 9g0 ».,—— 2, 292 —5 >» 110» I 3,0» —2 » 120 » —1 » 9,9 2 — 2°» 14,0» —3 >» 3,8 » — 1 » 2. Schafe. (55 Embryonen von folgender Scheitelsteißlänge.) 1,4 cm — 1 Stück 4,0 em — 2 Stück 1,6 r 1 > 4,1 2. 2 » 1,823 1° > 4,5» —1 >» 1,9 27 — 2 » 4,8» — 2 » 22» — 1 » 5,0» —2 » 25» —1 > 5,2» — 1 » yo, oe in nr Bla 5,3» —2 » ZT B. Fer2 9 6,0» — 1 » 29» — 1 » 65» —1 » 312 —3 >» 6,6 » — 1 » 332 —53 >» 6,5 >», — 1m 3,5 2. — 2 » 9,4: 3 » 36» —3 » 100» —2 » 312 —3 >» 11,0,» 0-— 2708 3,8» — 2 » 12,0 Se rene » 3,9» — 2 » 133 Se » Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 25 Den Umstand, daß ich ein so reichliches Untersuchungsmaterial bearbeiten und in Quer- und Längsschnitten studieren konnte, danke ich dem Entgegenkommen des Herrn Schlachthaustierarztes Dr. ZAGGELMEIER in Nürnberg. Ihm will ich auch an dieser Stelle bestens danken. Ehe ich zur zusammenfassenden Schilderung meiner Beobach- tungen übergehe, sei es mir gestattet, meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. FLEISCHMANN meinen herzlichsten Dank zu sagen für die Zuweisung der interessanten Arbeit und seine unermüdliche Unterstützung. I. Die Beschaffenheit des Urodäums bei kleinen Embryonen, Als Ausgangspunkt meiner Schilderung muß ich Schafembryonen von 1,4cm Größe wählen, da es mir trotz vieler Bemühungen nicht gelang, jüngere Keime zwischen 5—13 mm zu erhalten. In diesem Stadium ist das Urodäum, d. h. der Darmabschnitt, weleher bisher entodermale Kloake genannt wurde, zwar sehr klein, doch kann man ihn sicher als Urodäum diagnostizieren; denn wie bei Sauropsiden erscheint er als blinde Endkammer des Darmes, besitzt einen ven- tralen Auswuchs, die Allantois, nimmt die Mündungsstücke der WOLFF- schen Gänge auf und stößt an das Ektoderm unterhalb der Schwanz- wurzel. Die geringe Entfaltung des Urodäums korrespondiert mit der Kleinheit der primitiven Darmanlage selbst, welche einstweilen ein dünnes Rohr von unbedeutenden Lumen darstellt. Vorerst ist lediglich die entodermale Anlage des Urodäums im Mesoderm der hinteren Rumpfwand zu erkennen; denn es fehlen noch bestimmte Anhaltspunkte dafür, welche Mesodermzellen später die bindegewe- bigen und muskulösen Schichten seiner Wand bilden werden. Auch der hinterste Abschnitt des zylindrischen Darmentodermschlauches ist dem gleichartigen Mesoderm der kaudalen Rumpfgegend eingefügt, daß man weder an Längs-, noch an Querschnitten entscheiden kann, wo die Außengrenze seiner Muskelhülle zu suchen ist. Darum be- schreibe ich ausschließlich die epitheliale Anlage des Uro- däums nach einem Rekonstruktionsmodelle: A. Die Form des Urodäums. Wie die Abbildung desselben (Taf. I Fig. 1) zeigt, liegt das Urodäum unterhalb des zylindrischen Darmes (R) und besitzt bereits ansehnliche Ausdehnung, besonders in orokaudaler Richtung. Zwei 36 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Abschnitte sind daran leicht nach Form und Stellung zu unterschei- den, nämlich eine kaudale, vom Enddarm ventral und median herab- hängende, seitlich komprimierte Zone von unregelmäßig viereckigem Profil: Die Anlage der Uralplatte (Up) und eine bis zum Nabel reichende zweite Zone, welche von der oralen Ecke (oe) der Ural- platte aus, dem Rektum ungefähr parallel gerichtet, umbilikalwärts zieht, die Mündungen der Worrrschen Gänge (g) aufnimmt und in die Allantois übergeht: Die Anlage des Uralsinus (FLEıscH- MANN) (Us). Letztere ist statt in seitlicher, in dorsoventraler Richtung abgeflacht zu einer horizontal liegenden Platte von ungefähr rhom- bischen Umrissen; denn ihre Breitenausdehnung wächst von der Oralecke (oe) der seitlich komprimierten Uralplatte bis zur Mündung der Wourrschen Gänge und nimmt jenseits derselben gegen den Allantoisstiel der Nabelregion wieder ab. Die Liehtung des Urodäums, welche ich an Längs- und Quer- schnitten durch einen Schaf- und vier Schweineembryonen von 1,4 und 1,5 em Länge genau studiert habe, ist sehr unbedeutend und ungleichmäßig. Darum muß man einen soliden (Fig. 2 Tp) und einen hohlen Teil (Fig. 2 Us) des Urodäums unterscheiden. Die Berücksichtigung dieses an den jungen Stadien ganz sinnenfälligen Meıkmals wird uns später für die Deutung merkwürdiger, von TOURNEUXx 1583 erkannter, aber seitdem unbeachteter Vorgänge wiehtig werden, so nebensächlich jetzt die Tatsache auch erscheinen mag. Aus meinen Längsschnittserien habe ich den (Taf. I Fig. 2) abgebildeten Schnitt durch einen Schweineembryo von 1,4 em Länge ausgewählt, da er auf einen Blick alle wichtigen Verhältnisse er- läutert. Man sieht die verhältnismäßig große, solide Uralplatte (Fig. 2 Up), mit breitem Rande an das Ektoderm grenzen, oral vor derselben die schmale Lichtung, welche vom Enddarm deutlich in das Urodäum herabsteigt und zum oral gerichteten, dorsoventral ab- geflachten Uralsinus (Fig.2 Us) umbiegt. Dadurch ist eine direkte Kommunikation der Lumina des Enddarmes und der exoembryonalen Allantois gegeben. Dieser Befund charakterisiert die bisher als Kloake bezeichnete Anlage wirklich als die urodäale Endkammer des Darmes, wie sie bei Sauropsiden festgestellt wurde (vgl. Mor- pholog. Jahrb. Bd. XXX 5. 556). Die Existenz der Uralplatte stimmt mit dem gleichen Befund bei Vögeln überein. Die Fig. 2 erläutert weiter die wichtige, später erst in ihrer ganzen Bedeutung zu erkennende Tatsache, daß vom Enddarm ein Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 27 kaudal und schräg gegen die solide Uralplatte gerichtetes Epithel- rohr abgeht (Pa), welches den eigentlichen Zusammenbang zwischen dem Rektum (Z) und dem Urodäum bezw. ihren Höhlen vermittelt. Seine dorsale Grenze wird noch durch eine kleine Aussackung, den Rest des Schwanzdarmes ($), bezeichnet. In der ersten Zeit meiner Untersuchungen habe ich mich lange mit der Frage gequält, ob man das kurze Zwischenstück dem Rektum oder dem Urodäum zurechnen soll, und oft hielt ich die Frage für einen müßigen Streit; denn es schien mir ganz vom Belieben des einzelnen abzuhängen, ob er die Grenze des Urodäums an den ven- tralen oder dorsalen Rand des Verbindungskanals (Pa) legen will. Nachdem ich viel darüber nachgedacht und viele Schnittserien ge- prüft habe, leuchtete mir die Meinung meines Lehrers, des Herrn Prof. FLEISCHMANN immer mehr ein, dieses Zwischenstück als einen dorsal gerichteten Ausläufer des Urodäums zu deuten, also die Grenze des Urodäums am dorsalen Rande des zylindrischen Fortsatzes (zwischen den Buchstaben A und S der Fig. 2) zu suchen und als Rektum (R) nur den gerade verlaufenden Entodermschlauch, nicht seine ventral gekrümmte, scheinbare Fortsetzung anzusehen. Mit Berücksichtigung der spätern Schieksale dieses Teiles will ich dafür einen besondern Terminus einführen, indem ich ihn Anal- rohr des Urodäums, Pars analis urodaei (Fig. 2 Pa) nenne. So sehr auch die neue Auffassung von allen bisherigen Angaben abweicht, hoffe ich doch, dem Leser den Beweis der Richtigkeit durch die Schilderung von Präparateu weiter vorgeschrittener Em- bryonen zu erbriugen. Vorerst ist es noch ganz unmöglich, ander- weitige Gründe hierfür anzugeben; nicht einmal der histologische Charakter des Entodermepithels läßt irgendwelche Besonderheiten erkennen. Ich fasse das Resultat meiner Erwägungen daher vorläufig in die kurzen Thesen: An dem Urodäum der Säugetiere ist in frühem Embryonalstadium ein dorsaler Abschnitt, das Analrohr, differenziert, in welchen das Rektum einmündet. Der Zusammenhang des Anal- rohres mit dem Rektum ist untrennbar. Wenn später das Urodäum von dem Darm gelöst wird, bleibt das Analrohr am Rektum haften. B. Die Lage des Urodäums. Die urodäale Endkammer des Darmes liegt dem Mesoderm der hinteren Rumpfwand vollständig eingebettet, d bh. außerhalb der 28 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Leibeshöhle. Dadurch offenbart sich eine merkwürdige Ähnlich- keit mit dem Schlund des Vorderdarmes, welcher gleichfalls außer- halb des Cöloms vom soliden Mesoderm der Kopfregion umfaßt wird. Die Leibeshöhle sendet bloß einen schmalen halbrinnenartig ge- krümmten Ausläufer (Fig. 2 ©) kaudalwärts zwischen den Enddarm und den Sinus urodaei (man könnte ihn die Excavatio reeto-urodaealis nennen) ziemlich nahe an den oralen Rand der senkrechten Ural- platte, bezw. des Analrohres. Abgesehen von der unbedeutenden Beziehung zwischen Leibeshöhle und Urodäum darf man aber be- haupten, daß das Urodäum auf dieser Entwicklungsstufe einem be- stimmten Abschnitt der soliden Rumpfwand wirklich eingefügt ist, ähnlich wie die Ur- und Dauernieren in der dorsalen Cölomwand stecken und bloß mit ihrer ventralen Fläche in die Leibeshöhle schauen. Die Verbindung von Rumpfwand und Urodäum dauert während des ganzen Lebens und ist beim Studium der folgenden Veränderungen wohl im Sinne zu behalten. Um das Verhältnis scharf zu bezeichnen, und um zugleich die Möglichkeit zu gewinnen, die spätern Zustände auf die einfache Anlage vergleichend zu be- ziehen, will ich die Zone der Körperwand, welche die epitheliale Anlage des Urodäums umschließt, die Urodäalregion des Rumpfes nennen. Ihre Grenzen (Fig. 2) sind dorsal durch die Wurzel des Schwanzes (s), ventral durch den Nabel (r) und lateral durch die beiden Grenzfurchen (Schenkelfurchen) der hinteren Extremitäten (Fig. 4 und 5 f) abgesteckt. Also handelt es sich um die mediane Zone der hinter dem Nabel gelegenen subkaudalen Rumpfwand, welche frühzeitig mit der Anlage der hinteren Amnionfalte und der Allantois gebildet wird. Sie zeichnet sich schon bei Schafembryonen von 1,4 cm dadurch aus, daß sie kuppenförmig vorgewölbt (Fig. 2) ist und einem von den hinteren Extremitäten eingefriedigten, unpaaren Hügel gleicht. In den nächsten Stadien (Schafembryonen von 1,8—2,1 cm (Taf. I Fig. 3) gewinnt der Hügel ansehnliche Größe und springt als konischer Zapfen über die Bauchfläche vor. Des- wegen wurde er von allen früheren Untersuchern beobachtet und als Genitalhöcker bezeichnet. Ich ziehe es jedoch aus weiter unten erhellenden Gründen vor, den von FLEISCHMANN eingeführten Namen: vordere Afterlippe oder Urallippe, zu gebrauchen. Die ur- sprüngliche Urodäalregion der Rumpfwand erscheint also eine Zeit- lang in Gestalt eines vorragenden Zapfens, eben der Urallippe, deren querovale Basis (3) an die Schwanzwurzel und den Nabel stößt, wäh- rend sie lateral von den hinteren Extremitäten flankiert wird. Die Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 29 kaudale (s) und umbilikale (x) Grenzlinie wird uns weiterhin als sichere Marke dienen, um auch an älteren Embryonen die mannig- faltigen Derivate der Urallippe wieder zu erkennen. Der neue Terminus ist der Bezeichnung Genitalhöcker vorzu- ziehen, weil der Vorsprung nicht bloß die Anlage der äußern Ge- schlechtswerkzeuge, sondern die Anlage aller Regionen bedeutet, welche die menschliche Anatomie als Regio analis, perinealis (uro- genitalis, pudendalis) pubica, umbilicalis aufzäblt, und weil an ihm der künftige After sowie die Urogenitalöffnung entstehen wird. Es ist daher notwendig, die einzelnen Abschnitte der Urallippe noch besonders zu benennen. Ich werde ihre querovale, zwischen Schwanzwurzel, den Extremitäten und dem hinteren Nabelrand liegende Wurzel als Basis (Fig. 3 B), die frei vorragende Spitze als Gipfel oder apikale Zone (Fig. 3 Az) unterscheiden. Die sowohl nach dem dorsalen, als nach dem ventralen Rande der Basis abgeschrägten Flächen der Urallippe müssen zur Erleichterung des Verständnisses ebenfalls bezeichnet werden. So soll der gegen die Schwanzwurzel geneigte Teil ihrer Oberfläche der kaudale Abfall (Fig. 3 Aa), der entgegengesetzte, zu dem Nabel schroff abstürzende Teil der umbilikale Abfall (Fig. 3 Ua) heißen. Die lateralen Flächen der Urallippe sind schmal und dachen sich in der ersten Zeit ziemlich schräg zur Schenkelfurche der Extremitäten ab (Figg. 4 und 5 f). Wenn man die Bauchseite kleiner Schafembryonen von 15 bis 25 mm Länge anschaut, nachdem deren Kopf und Schwanz vorsichtig gestutzt wurde, so fällt die morphologisch wichtige Modellierung der Urodäalregion durch den Gegensatz zur präumbilikalen Körper- hälfte besonders auf. Man sieht die ventrale Rumpfwand, durch das Herz und die mächtige Leber gleich einem fetten Schmerbauch vorgewölbt, sowohl gegen den Kopf, wie hinter dem Nabel in jäher Bogenkrümmung abflauen, während jenseits der Nabelbeuge die Urallippe als ein neuer kegelförmiger Zapfen heraustritt. In diese Urallippe springt nun die lateral komprimierte End- platte des Urodäums, d. i. die Uralplatte (Figg. 2, 3 Up), gleich einem medialen Epithelseptum ein und dringt bis an das Ektoderm des kaudalen Abfalles, um einem lang ausgezogenen Medianstreifen des- selben ihren schmalen Kaudalrand anzulegen (Fig. 4a, db, c, Up). Immer erreicht die Uralplatte den höchsten Punkt des Lippengipfels (Fig. 2 Az) und streicht von da dem kaudalen Abfall entlang, aber sie gelangt nicht bis zum kaudalen Rande der Lippenbasis, d.h. an jenen Punkt, wo sich die Urallippe in die Schwanzwurzel (s) 30 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. umschlägt. Von der genannten Stelle bleibt die Uralplatte, wie Fig. 2 deutlich erkennen läßt, um eine unbedeutend kurze Strecke entfernt. Ich füge gleich hinzu, daß sie sich niemals während der ganzen Embryonalzeit weiter basalwärts ausdehnt. So stark sie auch in api- kaler Riehtung wachsen wird, basal ist ihr eine unüberwindliche, morphologische Grenze gesteckt. Wenn ich jetzt schon späterer Entwicklungsstadien Erwähnung tun darf, so kann ich mitteilen, daß das von der Uralplatte freigehaltene Medianfeld der Lippenbasis (Fig. 2 Adf) die Anlage der After- und Dammgegend ist. Eine Kloakenöffnung des Urodäums an der Urallippe, wie man sie nach den älteren Beschreibungen erwarten sollte, ist nieht vor- handen. Auch dem an das Ektoderm stoßenden Teile der Ural- platte fehlt jegliches Lumen. Die ganze Uralplatte ist eben bei Schaf- und Schweineembryonen von 1,4—1,5 em Länge eine Epithel- lamelle ohne Lichtung. Die Höhle des Urodäums (Fig. 2) liegt am oralen Rande der Uralplatte, ferner im Sinus urodaei und in der Pars analis urodaei. Auch dieses Verhalten wird von mir nur deshalb betont, weil seine Kenntnis für das Verständnis der Afterbildung un- bedingt notwendig ist. Man kann die hier herrschenden Verhältnisse kurz in die Regel zusammenfassen: die Uralplatte wird nicht bloß solid angelegt, sondern erhält auch erst spät eine Lichtung. Il. Die Lageänderung des Analrohres. Entsprechend dem allgemeinen Wachstum des Embryos ver- srößert sich in der nächsten Zeit die ganze Urodäalregion. Bei Schaf- und Schweineembryonen von 1,9—2,1 cm Steißscheitellänge ist sie fast doppelt so groß, als bei den jüngsten Stadien meines Arbeitsmaterials geworden, wie die Medianschnitte (Taf. I Figg. 2 und 3) deutlich zeigen. Mit der Größenentfaltung wird die Form ihrer Bestandteile wesentlich geändert, sowie die Oberfläche reicher modelliert. Besonders fällt bei Embryonen von 1,9 cm Größe die Längenausdehnung der Urallippe in sagittaler Richtung auf, und zwar ist es der kaudale Abfall, welcher bedeutend vergrößert wurde, so daß der ursprünglich längere, umbilikale Abfall nunmehr von an- nähernd gleicher Ausdehnung ist (Taf. I, Figg. 2, 3). Da die rechte und linke Seitenfläche der Afterlippe nach der Schenkelfurche hin mehr entfaltet wird, verwandelt sich die Urallippe in einen flach- kegelförmigen Wulst mit breiter Basis. Die Fig. 3 Taf. I, ein Me- dianschnitt durch die Afterlippe eines Schafembryos von 1,9 cm, Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und £hallus des Schafes und Schweines. 31 erweckt eine nicht ganz richtige Vorstellung von ihrer Form. Man denkt bei ihrem Anblick, die Urallippe sei ein schmaler, konischer Zapfen, wenn man nicht zugleich die entsprechenden Querschnitte (Fig. 4) sieht, welche die sanfte laterale Abdachung bezeugen. Die Photographie eines nach Querschnitten durch einen Schaf- embryo von 1,8 cm Länge angefertigten Modells (Fig. 5 «) zeigt ferner, daß der konische Gipfel der Urodäalregion, der an jüngeren Embryonen so sehr auffällt (Fig. 1), trotz der Abflachung der Lippenhauptmasse sich deutlich abhebt und als kurzer Vorsprung noch lange Zeit erkannt werden kann, während die steile Neigung des Lippenabfalles mehr und mehr schwindet. Am kaudalen Abfall der Urallippe erhebt sich an der Stelle des späteren Afters das Ekto- derm kuppenförmig über die Umgebung (Fig. 5a M). Während die transversale Abflachung der Afterlippe weiterschreitet, tritt auf ihren beiden Seitenflächen, d. b. zwischen dem unpaaren Höcker und den Schenkelfurchen je ein symmetrischer kleiner Wulst, die An- lage des Hodensackes, bezw. der Labia majora (Fig. 45, Ac H, Fig. 5a@ A) auf. Mit dem Wachstume der oberflächlichen Teile nimmt das Uro- däum entsprechend an Größe zu und zwar hauptsächlich in kaudo- apikaler Richtung. Da die ventrale Ecke der medianen Uralplatte von vorn herein bis in den Gipfel der Urallippe reicht und stets mit ihm morphologisch verbunden bleibt, so wird die Entodermplatte bei der Verlängerung der Urallippe umbilikalwärts ausgezogen (Fig. 5 b Up). Ihre Länge hängt also direkt von der Länge der Afterlippe ab. Diese Beziehung zwischen der Spitze der entodermalen Urodäum- platte und dem Gipfel der Urallippe bleibt für die ganze Lebenszeit bestehen. Sie gibt dem Untersucher eine sichere Marke, um den Lippengipfel in jedem Fall mit Bestimmtheit zu er- kennen. Der dorsale Rand der Uralplatte dagegen zeigt keine Veränderung, er steht ganz gering entfernt von der Lippenbasis und das Afterdammfeld (Fig. 5« Adf) ist nur wenig größer geworden, als ich oben beschrieben habe. Daraus glaube ich mit Sicherheit schließen zu dürfen, daß die vor dem Afterdammfeld liegende Gipfel- zone der Urallippe lebhaftere Wachstumsenergie entfaltet. Was die Form des Urodäums anlangt, so sind wesentliche Ver- änderungen beim Schafembryo von 1,9cm nicht aufgetreten, abgesehen davon, daß das Urodäum überhaupt größer geworden ist und eine lange, schmale Uralplatte besitzt. Der ursprünglich dorsoventral zusammengedrückte, ein halbmondförmiges Lumen einschließende 32 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Sinus urodaealis ist jetzt blasig erweitert, indem die dorsale Wand von der ventralen weggeschoben und wie eine Kuppel dorsal- wärts konvex gekrümmt wurde, die ventrale Wand dagegen flach blieb (Fig. 3 Us). Umbilikalwärts verjüngt sich der blasige Sinus in einen langen Hohlstiel, der zu der exoembryonalen Allantois führt. Ein ganz unerwartetes Bild aber zeigt die Pars analis urodaei. Statt in deutlicher Entfernung vom Ektoderm trifft man sie jetzt dem Afterdammfeld des kaudalen Lippenabfalles dicht angeschmiegt und direkt vom Ektoderm bedeckt (Fig. 3 Pa). Alle andern Be- ziehungen sind die gleichen geblieben. Ihre Verbindung mit dem Rektum einerseits, dem dorsalen Rand der Uralplatte andrerseits besteht wie vorher (Fig. 3). Nur die Kommunikation des Analrohrlumens mit dem Sinus _ urodaei, welche bei den jungen Schweineembryonen (1,4 em Länge) längs der oralen Kante der Uralplatte bestand, ist aufgehoben. Der Stilcharakter einer soliden Doppellamelle beherrscht jetzt die ganz entodermale Uralplatte und trennt die Höhle des Urodäums in zwei gesonderte Räume (Fig. 3): die Lichtung im Sinus urodaei (Us) und das kleine Lumen im Analrohr (Pa). Der zwischen beiden eingeschobene, solide Abschnitt betont die Trennung der Lumina so scharf, daß auf den ersten Anblick (Fig. 3 Pa) das Lumen des Anal- rohres eher wie ein Endabschnitt der Rektallichtung erscheint. Es sieht gerade so aus, als wäre das blind geschlossene Rektum gegen das Ektoderm gewachsen, dort durch die oberflächliche Zellschicht aufgehalten, breit gedrückt worden und hätte einen schmal zungen- förmigen, hohlen Ausläufer gegen die Uralplatte vorgestoßen, ohne damit eine wirkliche Kommunikation zu erzwingen. Trotzdem spreche ich den kurzen Teil nicht als Rektum, sondern als Analrohr des Urodäums an, weil es sich genau so verhält, wie in Jüngeren Sta- dien. Es hängt an der Dorsalecke der Uralplatte und zieht in der Medianebene der Urodäalregion als ein hohler, zylindrischer Strang dorsalwärts gegen das Rektum. Nur insofern fallen Veränderungen auf, als die Pars analis urodaei ursprünglich unter spitzem Winkel zwischen beiden eingeschaltet, sowie durch Mesoderm vom oberfläch- lichen Ektoderm ferngehalten war, während sie jetzt fast rechtwink- lis vom Darm gegen das Urodäum zieht und dicht unter dem Ek- toderm am Afterdammfeld liegt. Die Berührungszone ist sehr klein, ihre Länge beträgt nur 0,02 mm. Wegen späterer Ereignisse will ich noch hinzufügen, daß das Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 33 Analrohr nicht ganz bis zum kaudalen Rand der Lippenbasis reicht, sondern um ein Geringes davon entfernt endet. Es legt sich also nicht dem ganzen Afterdammfeld an und läßt einen schmalen, kaudalen Streifen desselben, welchen ich die Postanalzone (Fig. 3 Pz) nennen will, unberührt. Wenn man den Zustand des Analrohres bei jüngeren und älteren Schafembryonen vergleicht, kommt man zu der Ansicht, daß die Ver- änderung in den Größenstadien zwischen 1,4—1,9 cm Länge haupt- sächlich in einer Lageverschiebung gipfelt; denn bedeutende Unter- schiede in der Größe und Form sind mir nicht aufgefallen und ich konnte auch nicht finden, daß Darm und Uralplatte dorsoventral weiter auseinander gerückt wurden. Dagegen liegt das Analrohr beim Embryo von 1,9 em Länge anders. Früher war es weiter vom Ektoderm des kaudalen Abfalles entfernt, jetzt ist es demselben pa- rallel gerichtet und so dicht angeschmiegt, daß sogar das Ektoderm der Berührungszone vorgewölbt wird (Fig. 5« M). Man gewinnt also (Sehafembryonen 1,5—1,9—2,2 em Länge) den Eindruck, als sei das Analrohr durch die Mesodermschichten, welche früher zwischen dem urodäalen Darmhenkel und dem Ektoderm lagen (Fig. 2), an die Oberfläche der Urallippe berangeschoben worden. Doch möchte ich, um Mißverständnissen vorzubeugen, ausdrücklich betonen, daß ich durch diesen Ausdruck nicht einen wirklichen Vorgang schildern will, den ich nicht sehen konnte, weil ich lediglich die Befunde bei verschiedenen, jüngeren oder etwas weiter vorgeschrittenen Embryonen ‚prüfte. Ich gebe damit nur den Eindruck wieder, den mir der Ver- gleich verschiedener Embryonalzustände gemacht hat. Da außer Tourneux kein Embryologe ähnliche Gedanken ge- äußert hat, wird man vielleicht geneigt sein, an der Richtigkeit der Beobachtung zu zweifeln. Ich bekenne daher, daß auch mein Lehrer, Herr Prof. FLEISCHMANN, und ich uns anfänglich sehr skeptisch gegen den Befund an dem ersten Präparate verhielten, das noch dazu nicht so deutlich wie das (Fig. 3) abgebildete war. Wir haben daher weitere Embryonen untersucht, bis wir durch günstigen Zufall noch drei andre Längsschnittserien von Schafen (2 Embryonen 1,9em, 1 Embryo 2,5 cm) erhielten, welche übereinstimmend die gleichen Verhältnisse erkennen ließen. Zur Kontrolle der Längs- schnitte habe ich dann noch Querschnittserien durch einige Em- bryonen des entsprechenden Alters gelegt. Sie haben die Richtig- keit der an den Längsschnitten gewonnenen Auffassung FLEISCHMANNS durchaus bestätigt. Endlich zeigte das Studium der Literatur, daß Morpholog. Jahrbuch. 32. 6) 34 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. TOURNEUX und RETTERER dasselbe schon vor einem Jahrzehnt ge- sehen hatten. Wegen der Wichtigkeit der Tatsache bilde ich neun aufeinander- folgende Schnitte ab (Taf. I Fig. 6 «—:) und berichte zusammenfassend über die Befunde an diesen Serien. Der Enddarm steigt als ein verhältnismäßig diekes Rohr aus der Leibeshöhle in die solide Uro- daealregion und gelangt mit schwacher Krümmung an die Pars analis urodaei, welehe dem Ektoderm des Afterdammfeldes so dicht ange- schmiegt ist, daß das Ektoderm ein klein wenig vorgewulstet wird (Fig. 65, ec). Dann zieht das hohle Analrohr unter dem Ekto- derm apikalwärts, freilich nicht gleichmäßig weit, sondern sich all- mählich verjüngend (Fig. 6d, e, f, 9, )) und geht ohne Grenze in die solide Uralplatte über (Fig. 6... Durch diese Präparate ist die Exi- stenz, sowie die morphologische Selbständigkeit des hohlen Anal- rohres des Urodäums einwandfrei nachgewiesen. Weitere Bestätigung wird die Analyse späterer Stadien bringen. Der Enddarm hängt wirklich mit einem röhrenförmigen Ausläufer der soliden Ural- platte zusammen. Von besonderem Interesse erscheint der Umstand, daß nunmehr ein hohler Teil des Urodäums, eben das Analrohr, an das Ekto- derm des kaudalen Abfalles der Urallippe grenzt; denn bei den jüngeren Embryonen des Schafes (1,4—1,5 em Länge) berührte nur die solide Uralplatte das Ektoderm. Das Urodäumlumen lag viel tiefer in der Rumpfwand am oralen Rand der Uralplatte, im Sinus und im Analrohr, während jetzt eine unzweifelhaft innerhalb der entodermalen Anlage entstandene Lichtung direkt unter dem After- dammfeld liegt. Die solide Uralplatte hat freilich noch gar keine Anstalten getroffen, um den Formzustand des hohlen Uralkanals zu gewinnen. Das Ergebnis unsrer Untersuchung verträgt sich nicht mit der landläufigen Lehre über die Teilung der Kloake. Wenn man es genau überdenkt, wird man zu dem Schlusse gedrängt, die Abtren- nung des Enddarmes vom Urodäum muß auf eine ganz andre Weise erfolgen, als man bisher annahm. Schon die stilistische Grund- form des Urodäums widerstreitet der allgemein gefestigten Meinung, daß zwei laterale Längsfalten an der Seitenwand der Kloake auf- treten, um eine dorsale, halbrinnenförmige Zone derselben als zy- lindrisches Endstück des Rektums abzugliedern; denn statt einer wirklichen Höhle und statt der Trennungsfalten, die nach RETTERER, REICHEL, KEIBEL usw. bei Embryonen von 1,9 cm Länge deutlich Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines,. 35 werden müßten, fanden wir das Urodäum in der Teilungszone als solide Platte ohne Hohlraum und deshalb auch ohne Seitenfalten. Also kann von einer Spaltung des Urodäums im Sinne RATHKES gar nicht die Rede sein. Die künftige Isolierung des Enddarmes ist auf eine ganz andre Weise durch die Existenz eines Anal- rohres des Urodäums vorbereitet. Dasselbe wird zunächst, ohne daß sein Zusammenhang mit dem Urodäum aufgehoben würde, an das Afterdammfeld des kaudalen Lippenabfalles verlagert. Der After selbst entsteht hierauf durch einen sonderbaren Prozeß, welcher den bisherigen Untersuchern entgangen ist. Ich würde nicht gewagt haben, diese Ansicht mit so bestimmten Worten vorzutragen, wenn wir nicht auch beim Schwein überein- stimmende Beobachtungen gemacht hätten. An einigen Präparaten ist sogar die Anlagerung des Analrohres noch. viel augenfälliger, als beim Schafe. Zur Bekräftigung meiner Angabe will ich einen schönen Längsschnitt durch einen Schweineembryo von 2 cm Länge abbilden (Taf. I Fig. 7). Ohne ausführliche Erklärung sieht man daran das Analrohr (Pa) gegen das Ektoderm des Afterdammfeldes am kaudalen Lippenabfall (Ka) hinter der soliden Uralplatte herangeschoben und seine distale Wand stark verdünnt, sowie buckelartig vorgewölbt (Fig. 7 M — Fig. 5a M). Im Gegensatz zu den Präparaten vom Schafe ist hier das Lumen am oralen Rand der Uralplatte nieht verschwunden. Die Höhlen des Sinus urodaei, des Enddarmes und des Analrohres stehen in direkter Kommunikation. Beim Vergleich mit einem jün- geren Schweineembryo (Taf. I Fig. 2) kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Anwesenheit einer deutlichen Höhle dicht unter der Oberfläche des Afterdammfeldes allein der Verlagerung des Anal- rohres zu danken ist; denn die ganze bis zum Gipfel der Afterlippe reichende Uralplatte (U) entbehrt noch durchweg jeglicher Lichtung. Wichtig ist die starke Krümmung des Analrohres gegen den End- darm selbst, danach suche ich die Grenze zwischen beiden gerade an der Stelle (Fig. 7), wo der ziemlich gerade ziehende Darm mit einem Male ventral konvex abbiegt. Histologische Merkmale, nach welchen man das Epithel des Darmes vom Epithel des Urodäums sicher unterscheiden könnte, sind nicht vorhanden. Ill. Die Entstehung des Afters. Wenn wir bei älteren Embryonen das Rektum vom Urodäum abgetrennt und durch den Kotafter nach außen münden sehen, so 3* 36 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. erheben wir die Frage, was aus dem Analrohr, der Pars analis urodaei geworden sei. Soweit meine Erfahrung reicht, läßt sich dieses Problem durch die Untersuchung von Schafembryonen leicht lösen, weil hier die Verhältnisse am klarsten sind, indem eine für die morphologische Deutung außerordentlich wichtige Phase der Afterbildung sehr lange Zeit währt. Als Resultat meiner Beobachtungen darf ich mit Sicher- heit angeben, daß der Afterbildung eine Teilung des Urodäums vorausgeht. Es wird nämlich das Analrohr von der Ural- platte losgelöst, um dem Rektum als Endstück zu ver- bleiben. Dank einem glücklichen Zufalle traf ich Schafembryonen von 2,6—2,7 em Länge, bei welchen die Trennung des Enddarmes vom Urodäum erfolgt, jedoch die Afteröffnung noch nieht gebildet war. An Längsschnitten derselben (Taf. I Figg. 8 und 9) fällt zunächst eine den künftigen Kotafter überspannende Decke, die sogenannte After- membran (Fig. 9 M) der Autoren auf. Unter derselben liegt das Rektum nicht als zylindrisches Rohr, sondern man erkennt eine ven- trale Ausbuchtung seines Lumens dicht unter der Aftermembran, die apikalwärts gegen die solide Platte des Urodäums gerichtet ist. Im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Beobachtungen führte uns der Befund zu dem Schlusse, daß die geringfügige, vielleicht von manch anderm Untersucher gesehene Formbesonderheit eine tiefere Bedeutung habe. Jetzt spreche ich sie mit voller Überzeugung als den dorsalen Ausläufer des Urodäums, als das Analrohr (Figg. 8 und 9 Pa) an und behaupte, bei den Säugetieren vollzieht sich die Emanzipation des Enddarmes so, daß das ihm in früher Embryonal- zeit anhaftende Analrohr von der soliden Uralplatte abgelöst wird, aber mit dem Rektum in direktem Zusammenhang bleibt. Wenn später die Afteröffnung entsteht, so mündet an diesem Punkte der Körperoberfläche nicht das Rektum, sondern das minimale Analrohr als Endstück des Rektums aus. Der Beweis für meine Behauptung ist leicht durch den Vergleich der Figg. 2, 3, 7, 9, 8 (Taf. I) zu führen. Bei dem kleinen Embryo (Fig. 3) sieht man das hohle Analrohr parallel der äußeren Oberfläche gegen die Uralplatte ziehen, als ein unzweifelhaft entodermales Gebilde. Bei 2,7 em langen Sehafembryonen hängt am Rektum noch derselbe Fortsatz, in der gleiehen Richtung ziehend, bloß mit dem Unterschied, daß das Analrohr näher an die Oberfläche verlagert und ganz in die dort auffallend dick erscheinende Epitheldecke der Afterlippe Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 37 eingefügt ist (Fig. 9). In beiden Fällen erscheint das Lumen des Anal- rohres weit, ja man darf sogar behaupten, es sei bei dem älteren Schafembryo voluminöser geworden. Ferner hängen die proximalen Entodermschichten des Analrohres und der Uralplatte wirklich zu- sammen (Fig. 3 Pa und Up, ferner Fig. 6 5 mit Fig. 6 7). Angesichts der abgebildeten Präparate bin ich der Notwendigkeit einer ein- gehenden Schilderung um so mehr überhoben, als der Befund nicht vereinzelt oder zufällig war. Ich habe eine ganze Anzahl von Schaf- embryonen beobachtet, bei denen ich die Verbindung des Analrohres mit der Uralplatte oder wenigstens eine den ehemaligen Zusammen- hang deutlich aussprechende Form des Lumens im Analrohr fand. Noch bei Embryonen von 3,1 und 3,5 cm traf ich dieses Verhalten. Wegen der Wichtigkeit der Beobachtung kann ich nicht umhin, einige Längsschnitte zum Beleg beizufügen (Taf. I Figg. 10 und 11). Die Figg. S—11 illustrieren nicht bloß den lange währenden Konnex zwischen Urodäum und Analrohr, sowie die Längenausdehnung des letzteren auf den Stadien zwischen 2,6—3,5 cm Länge, sondern sie bezeugen auch (Figg. 8, 9, 10), daß das anale Urodäum zu dieser Zeit noch keine äußere Öffnung, d. h. keinen Kloakenmund besitzt. Die in der Analregion des Embryos befindliche Lichtung ist. ausschließlich innerhalb des entodermalen Bereiches entstanden. Das Ektoderm des kaudalen Lippenabfalles hat nicht die leisesten Anstalten zur Dif- ferenzierung irgendwelcher, wenn auch noch so seichter Gruben proktodäaler Natur getroffen. Um ganz sicher bei der Deutung der Präparate zu gehen, habe ich neben den Längsschnitten mehrere Querschnittserien dureh Schaf- embryonen des entsprechenden Alters gelegt. Sie bestätigen erfreu- licherweise die Ansicht, welche Herr Prof. FLEISCHMANN aus den Medianschnitten abgelesen hatte. Ich bilde einige der schönsten Schnitte durch einen 2,6 cm großen Schafembryo ab, um den Beweis der Richtigkeit zu vervollständigen (Taf. II Fig. 12). Man sieht hier unter dem Ektoderm des Afterdammfeldes das Analrohr als einen weiten Epithelkanal liegen (Fig. 125—Fig. 129) und überzeugt sich beim Studium der Schnittserie, daß das Analrohr direkt mit dem Rektum (Fig. 12«) zusammenhängt und apikalwärts zieht (Fig. 125 bis Fig. 12%). Dabei verengt sich sein Lumen ganz allmählich, kurz vor der Uralplatte hört es ganz auf (Fig. 12%). Die Längsschnitte zeigen genau dasselbe Verhalten. Die anale Urodäallichtung spitzt . sich zungenförmig gegen das apikale Ende des Analrohres zu (Figg. 8, 9,10, 11 Pa). 38 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Diese Querschnitte stellen im Zusammenhalt mit den jüngeren Stadien die entodermale Natur des Analrohres außer Frage und be- seitigen endgültig die Vorstellung, als wüchsen seitliche Epithelfalten in die Kloake, um das Rektum abzutrennen. Vorgänge im Mesoderm können nur in zweiter Linie eine Rolle spielen. Als Hauptsache erscheint mir der Umstand, daß bei den Säugerembryonen Enddarm und Urodäum durch das entodermale, schräg gekrümmte Analrohr in Verbindung stehen, daß dieser Zusammenhang bei Schafembryonen von 1,4—2,7 cm Länge überhaupt nicht alteriert wird, und daß das Analrohr, trotzdem mehrere Mesodermschichten ursprünglich da- zwischen liegen, allmählich an den kaudalen Lippenabfall geschoben wird, bis es dem Ektoderm so dieht angeschmiegt ist, daß es das- selbe in der Analgegend sogar emporwulstet und einen ganz niedrigen Höcker erzeugt (Fig. 6c, Fig. 12d). Nachdem ich die Richtigkeit meiner Angaben eingehend belegt habe, will ich den Prozeß der Afterbildung zusammenfassend be- handeln. Eine Kloakenöffnung an der Haut existiert bei jungen Säuger- embryonen überhaupt nicht. Bloß die solide Uralplatte grenzt an- fänglich an das Ektoderm. Die an die spätere Afteröffnung an- schließende Lichtung kommt, wie ich genugsam gezeigt zu haben glaube, erst dann an den kaudalen Abfall der Afterlippe, wenn das von vornherein hohle Analrohr distalwärts verlagert wird. Trotz der geänderten Verhältnisse bleiben aber Enddarm und Uralplatte durch das Analrohr verbunden. Der dorsoventrale Abstand beider Teile ist dabei kaum größer geworden. Man kann ihn jetzt durch das Studium des ganz superficiell streichenden Analrohres messen, das bereits deutlich die Afterdammregion charakterisiert. Die Wachstumsenergie des Analrohres ist niemals groß. Es streckt sich, wie Fig. 3 u. 9 (Taf. I) zeigen, wohl in die Länge, allein rasch hat es das Maximum seiner kaudo-apikalen Ausdehnung erreicht und löst sich nun von der weiter apikal reichenden Uralplatte los. Wenn ich eben ausschließlich von der Dehnung des Analrohres sprach, wollte ich nicht verkennen, daß das anstoßende Mesoderm der uro- däalen Rumpfwand gleichfalls entsprechend dieker wird und eine zwischen Enddarm und Urodäum eingeschobene Masse bildet, welche die Anlage der Dammmasse (D) vorstellt. Die Lösung des Analrohres erfolgt langsam; denn man findet viele Stadien, in welchen seine ventrale Wand ohne Grenze in die Uralplatte übergeht (Fig. 9). Ist sie aber einmal definitiv erfolgt, so ist die ursprünglich einheitliche Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 39 Anlage des Urodäums in zwei ungleich große Stücke zer- rissen, in das kleine, apikalwärts spitz ausgezogene Analrohr, Pars analis urodaei, das dem Rektum zugesellt bleibt, und die große Pars urogenitalis, d. h. den Sinus urodaei und die solide Uralplatte, die sich längs des kaudalen Lippenabfalles bis zum Gipfel erstreckt (Taf. I Figg. 8, 10, 11). Damit ist zugleich der Damm (D) gebildet als ein zunächst noch schmaler Balken mesodermalen Gewebes, der zwischen den epithelialen Anlagen des Enddarmes und des Canalis urogenitalis eingeschoben ist, und an das Ektoderm des Afterdamm- feldes grenzt. Es empfiehlt sich jetzt, das Schicksal beider Teilprodukte ge- sondert zu besprechen, zunächst das weitere Verhalten des Anal- rohres. Dasselbe verändert sich nach der Abtrennung vom Urodäum fast gar nicht. Es liegt wie eine flach gedrückte, über die Lippen- fläche wenig vorragende Entodermblase unter dem Ektoderm und verkürzt lediglich seinen engen apikalen Fortsatz. Längsschnitte erhellen am besten seinen Wert als besondere Darmkammer. Denn man sieht sehr deutlich das zylindrische Lumen des Enddarmes kurz unter der Aftermembran sich verengen und hierauf in die flach ge- drückte Lichtung der urodäalen Analkammer übergehen, die in Form einer breiten Stempelplatte kaudal wie apikal über das Ende des eigentlichen Rektums vorspringt (Taf. I Figg. 8, 9, 10, 11). Außer- dem treten histologische Unterschiede auf, deren Berücksichtigung es gestattet, das Analrohr als besonderen, für die Säugetiere aus- schließlich charakteristischen Abschnitt des Urodäums zu betrachten. Die Wand des Analrohres wird nämlich durch mehrschichtiges Epithel von genau dem gleichen Typus bekleidet, wie man ihn im Urodäum und in der Uralplatte beobachtet. Diese Eigenschaft tritt sowohl an der distalen Wand unter dem Ektoderm, d. h. am Afterdeckel, als auch an der proximalen Wand gegen den Enddarm schon bei Embryonen von 2,6 cm Länge auf. Bei älteren Embryonen sieht man das mehrschichtige Epithel an Deutlichkeit und Ausdehnung zu- nehmen, bis schließlich proximal an der Aftermembran ein ansehn- licher, scheinbar dem Enddarm zugehöriger Abschnitt von mehr- schichtigem Epithel ausgekleidet ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die histologische Veränderung die Bildung der längst bekannten Pars analis recti mit ihrem mehrschichtigen Plattenepithel einleitet. Indem wir auf diese Tatsache großes Gewicht legen, glauben wir darin einen neuen Beweis für die Deutung der bisherigen Vor- sänge erblicken zu dürfen, zumal der gleiche Epithelceharakter. für 40 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. die Schleimhaut des Uralsinus und Canalis urogenitalis die Regel ist; denn wir schließen, wenn eine übereinstimmende histologische Differenzierung an zwei entodermalen Derivaten konstatiert wird, deren Zusammenhang in früher Embryonalzeit durch direkte Be- obachtung feststeht, so kann dies nur die olge der genetischen Verwandtschaft beider sein. Infolgedessen hatten wir Recht, das Analrohr als dorsalen Ausläufer des Urodäums bereits in den jün- geren Stadien anzusprechen (vgl. oben S. 27). Jedenfalls aber darf ich mit Bestimmtheit behaupten, daß das mehrschichtige Platten- epithel im urodäalen Analrohr nicht vom Ektoderm herrührt; denn zu jener Zeit, da die Differenzierung erfolgt, ist der Afterdeckel noch vollkommen geschlossen. Ektodermzellen können also unmög- lich an diesen Ort gelangt sein. Die morphologische Bedeutung unsrer Auffassung ist sehr weit- tragend; denn damit wird für die Säugetiere das bei Sauropsiden gültige Gesetz bestätigt, daß der Enddarm nie direkt an das Ektoderm des Afterfeldes stößt. Stets ist eine besondere End- kammer, das anfangs blind geschlossene Urodäum, dazwischen ge- schaltet, welches gegen die Haut durchbricht und einen gemeinsamen Kanalabschnitt für die Ausfuhr von Kot, Harn und Geschlechtszellen darstellt. Bei den Reptilien und Vögeln erfährt dasselbe eine be- trächtliche Größenentfaltung und Formeigenschaften verschiedener Art, während es bei Säugern eng auftritt und in zwei ungleich sroße Abschnitte zerlegt wird. Doch kann man an der allgemeinen Homologie der Ausgangsformen nicht zweifeln. Erfolgt später die Trennung des Urodäums in das kleine am Rektum haftende Anal- rohr und dessen Umformung zur blinden urodäalen Analblase oder Rektalurodäum, so ist die intime Beziehung des Urodäums zum Enddarm, welche alle Amnioten charakterisiert, nicht aufgehoben. Es ist bloß ein kleiner Abschnitt des Urodäums selbständig gewor- den. Dieser dauert zeitlebens, nachdem die Analmembran geschwun- den ist, als kurzes Mündungsstück des Rektums, d. bh. als Pars analis reeti und bezeugt die großartige Stileinheit in der Formenwelt der Amnioten, während dem größeren Teil des Urodäums (Pars urogeni- talis) ausschließlich die Ausleitung von Harn und Geschlechtszellen vorbehalten wird. Der Afterdeckel bleibt bei Schafembryonen bis zu 3,5 em Länge unverändert wie eine Verschlußkappe auf der späteren Afteröffnung liegen. Erst bei älteren Schafembryonen von 3,6—4,5 em Länge ist die. teilweise Zerstörung der peripheren Wand des Analrohres zu Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 41 beobachten und zwar an deren Vordergrenze, dort, wo das zungenför- mige Lumen bei jüngeren Embryonen liegt (Taf. III Fig. 13, 16). Ich fand den Afterdeckel vollständig bei drei Schafembryonen von 2,6 em, bei einem Embryo von 2,9 em, bei drei Embryonen von 3,1 em, bei drei Embryonen von 3,3 cm, bei einem Embryo von 3,5 cm Länge, dagegen war er etwas zerrissen bei je einem Embryo von 3,6 em, 3,7 cm, 3,8 em, 3,9 em, 4 em und 4,1 em Länge. Nachdem der After- deckel zerrissen, mündet die Höhle des Analrohres frei an der Haut. Kleine Epithelfetzen an der Rißstelle erhalten sich jedoch noch sehr lange; ich konnte sie bei je einem Embryo von 4,5 em, 4,8 em, 5 cm, 5,3 em, 6 cm, 6,5 cm und 10 cm nachweisen (Taf. III). Da beim Schwein die Vorgänge weniger durchsichtig sind, er- wähne ich sie nachträglich. Hier wird, wie früher (S. 35) dar- gelegt wurde, das Analrohr gleichfalls an das Afterdammfeld ge- schoben. Sein Lumen ist weiter als beim Schaf und kommuniziert frei mit dem Sinus urodaei längs des dorso-oralen Randes der Ural- platte. Aber der Zustand bleibt nicht so lange erhalten wie beim Schaf. Der Afterdeckel verschwindet sehr bald. Schon bei Em- bryonen von 1,9 cm Länge mündet der Enddarm frei nach außen. Dann ist es nicht mehr möglich, die Rektalkammer des Urodäums genauer zu begrenzen. Ich habe bloß den Zusammenhang des Anal- rohres mit der soliden Uralplatte an mehreren Präparaten konstatiert. Ein einziges Mal fand ich am Kaudalrande der Uralplatte eine un- bedeutende Einsenkung, welche man als letzten Rest des Verbindungs- ganges deuten muß. Ich schließe daher nur nach Analogie, daß die kurze Pars analis recti des Schweines aus dem Analrohre ent- standen sei. IV. Die Bildung der Urodäalpforte (Orificium urodaei). Nachdem das Urodäum seinen dorsalen Ausläufer, die Pars analis als einen integrierenden Bestandteil an das Rektum abgegeben und den Zusammenhang mit ihm vollständig gelöst hat, liegt der größere ventrale Teil des Urodäums, Pars urogenitalis, in der postumbilikalen Rumpfwand. Er gewinnt eine besondere Öffnung an der Hautober- fläche: die Uralpforte, Orifieium urodaei s: urogenitale. Von der Entstehung und Weiterentwicklung der Uralpforte gestatten mir die reichlich vorhandenen Schnittserien nachfolgendes Bild zu ent- werfen. Bei Schaf- und Schweineembryonen von 1,9 em Größe stößt die 49 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. solide Uralplatte an einen medianen, höchstens 0,08 mm breiten Ektodermstreifen im Bereich des kaudalen Abfalles der Urallippe. Die Berührungszone, an welcher es schwer fällt, eine scharfe Grenze zwischen ektodermalen und entodermalen Zellen zu ziehen, erstreckt sich bis zum Gipfel der Urallippe (Figg. 3, 4, 55 Up). Nahe dem Gipfel erscheint frühzeitig beim Schwein eine gering- fügige Modellierung der Oberfläche, indem rechts und links von der anstoßenden Medialkante der Uralplatte sehr niedrige ektodermale Längswülste entstehen, welche über den ektodermalen Grenzstreifen vorspringen und ihn scheinbar an den Boden einer seichten Rinne versenken. Letztere verstreicht basalwärts und scheint überhaupt keine morphologische Bedeutung zu haben. Beim Schaf habe ich niehts Ähnliches gefunden. Hicr stößt das vordere Ende der Ural- platte an eine kleine Scheibe verdickten Ektoderms (Fig. 3 EA), welche am Gipfel liegt und auch später, wenn sie weitere Differen- zierungen erfährt, immer kenntlich bleibt. Aus ihr entwickelt sich das oftmals beschriebene Epithelhörnchen der Glans. Es soll uns fernerhin als Marke dienen, um den apikalen Rand der Ural- platte zu bestimmen. Die Uralpforte entsteht in nächster Nachbarschaft des Afters. Kaum hat sich nämlich das Analrohr vom Urodäum losgelöst, so daß ein ganz minimaler Damın zwischen ihm und der Uralplatte einge- schoben ist, so sieht man die Eröffnung des äußern Uralspaltes durch Vorgänge in der soliden Entoderm-Doppellamelle des Urodäums vorbereitet, indem die Lichtung vom Sinus urodaei kaudalwärts gegen die Oberfläche der Afterlippe vordringt. Das geschieht ziemlich rasch. Bald erstreckt sich das Lumen längs des dorsalen, dem Rek- tum zugekehrten Randes der Pars urogenitalis bis nahe an die ek- todermale Fläche des Lippenabfalles, dadurch die Uralplatte selbst in den Formzustand eines Hohlrohres überführend (Taf. I Fig. 8, Taf. III Figg. 13, 16). Nun sind die Bedingungen für den Durch- bruch gegeben. Das entodermale Lumen wird von außen her zu- gänglich, weil die letzten Grenzschichten zerstört und die rechte wie linke Epithelwand etwas lateralwärts ausgebaucht werden (Taf. II Fig. 15). Die Eröffnung erfolgt aber nicht über die ganze Länge der Uralplatte, sondern bloß an ihrer kaudalen Ecke, ventral vom After- dammfeld und in direkter Fortsetzung des im Uralrohr befindlichen Lumens. Darum liegen After und Uralpforte (Figg. 8, 11) einander außerordentlich nahe. Dieser Prozeß spielt bei Schaf- und Schweine- embryonen von ungefähr 2,6 cm Größe. Nur in einem Falle sah Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 43 ich bei einem 2 em langen Schweineembryo die Uralpforte schon gebildet. Der Zugang zur Pars urogenitalis wird also ebensowenig wie das Afterloch durch einen aktiven, im oberflächlichen Ektoderm der Afterlippe spielenden Prozeß geschaffen. Er ist vielmehr das End- ergebnis der in der entodermalen Uralplatte kurz nach der Abtrennung des Rektalurodäums vordringenden Spaltung, welche die Höhle des Sinus urogenitalis distalwärts fortführt, bis sie an die oberflächlichste Zone der Uralplatte gelangt ist. Aber wie die Uralplatte lange Zeit als solide Epithelanlage bestanden hat, so widersetzt sie sich weiter- hin der vollständigen Durebhöhlung. Nur am kaudalen Rande ge- langt die Liehtung des Urodäums und zwar als eine sehr enge zylin- drische Höhlung bis zur Oberfläche des kaudalen Lippenabfalles, um hier in die schmale, längsovale Uralpforte zu münden, deren hinterer Rand direkt an den schmalen Damm stößt (Fig.11). Der größere apikale Teil der Uralplatte zieht ungespalten bis zum Gipfel der Urallippe, apikalwärts immer niedriger werdend.. Man kann es daher als einen Stileharakter für das Urodäum der Säuger bezeich- nen, daß es den Formzustand der soliden Epithelplatte möglichst lange bewahrt und auch der vom Sinus urodaei her eindringenden Liehtung keine große Ausdehnung gestattet. Die Art der Aushöhlung der Platte ist besonders schön in dem- jenigen Teile der Uralplatte zu beobachten, welcher vor der Ural- pforte an der Basis des Lippengipfels liegt. Die Befunde an vielen Schnittserien zusammenfassend stelle ich folgende Ereignisse fest. Von der langgezogenen ovalen Uralpforte, in welche der Canalis urogenitalis unter trichterförmiger Verbreiterung übergeht, sieht man kleine Spalthöhlen apikalwärts in das Entodermepithel der Uralplatte eindringen. Sie liegen, wie ich ausdrücklich hervorhebe, stets unter dem Niveau der Lippenfläche, d. h. sie arbeiten in tieferen Zonen der Uralplatte an der Eröffnung, während die oberflächlichste Schicht der Entodermzellen lange unberührt bleibt. Auf diese Weise ent- stehen feine Spalten, unregelmäßige Hohlräume in der Platte, welche gleich winzigen Miniergängen zwischen den Zellen vordringen, mit- einander zusammenfließen und der Platte allmählich den soliden Charakter rauben (Figg. 14 und 15 Up). So dringt ohne Gefährdung der äußersten Ektodermschicht die Höhlung von der Uralpforte, als von einem Stützpunkte aus, in der apikalen Hälfte der Uralplatte weiter, bis schließlich die ganz dünne Zellmembran, welche den apikal vorgetriebenen Stollen noch bedeckt, einreißt und den 44 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Hohlraum frei nach außen eröffnet. Der Rand der Uralpforte erscheint darum oft unregelmäßig gezackt durch die mehr oder weniger großen Epithelfetzen der durchrissenen Epitheldecke (Figg. 14, 16, 17). In- wieweit bei der Eröffnung des Uralrohres auch Ektodermzellen der Urallippe zerstört werden, vermag ich nicht zu entscheiden. Längs der Uralplatte fehlt jede deutliche Grenze zwischen beiden Keim- blättern und ich habe trotz aller Bemühung keinen Maßstab gefunden, das Territorium des einen von dem andern zu unterscheiden. Immer- hin glaube ich die passive Rolle des Ektoderms beim Durchbruch behaupten zu dürfen. Nachdem die Uralpforte entstanden ist, dient sie als Ausgangs- öffnung des Sinus urogenitalis. Sie entspricht also bei weiblichen Tieren der Rima pudendi, bei männlichen Tieren dem Orifieium urethrae. ; V. Der sexuelle Dimorphismus der Afterlippe und der Uralplatte. Bisher sind die Vorgänge, welche zur Bildung des Afters und der Uralpforte führen, ohne Rücksieht darauf, ob es sich um männ- liche oder weibliche Embryonen handelt, geschildert worden, weil sich die künftige Geschlechtsdifferenzierung in den jungen Stadien nicht erkennen läßt, und weil die ersten ontogenetischen Phasen bei- den Geschlechtern gemeinsam zu sein scheinen. Sobald aber die Abtrennung des Analurodäums von der Uralplatte erfolgt ist, werden die morphologischen Eigenschaften der Afterlippe in sexuell diver- genter Weise verändert und der geschlechtliche Dimorphismus immer mehr gesteigert. Ich will diese Ereignisse zusammenfassend besprechen und be- sinne mit Schafembryonen von 2,6 cm Länge, deren Analrohr eben von der Uralplatte abgelöst wurde. Die Afterlippe springt hier noch als ein ansehnlicher Zapfen aus der hintern Rumpfwand zwischen beiden Extremitäten, Schwanz und Nabel heraus. An ihrem kaudalen Abfall kann man eine kurze, wenig vorgewölbte Zone nahe der Basis als Afterdammregion unterscheiden, wo dem Ektoderm das Analrobr angelagert ist (Taf I Fig. 8 und 9 Adf). Bald darauf, d. h. bei Schafembryonen von 2,7-—3,0 cm Länge, erfolgt von innen her die Eröffnung der Uralpforte dicht vor dem kurzen Afterdammfeld, wäh- rend das anale Urodäum noch lange Zeit geschlossen bleibt. Zu- gleich verändert die Urallippe ihre Gestalt, indem ihre ganze Peripherie sowohl kaudalwärts als umbilikalwärts und lateral Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 45 abgeflacht und verbreitert wird. Infolge dorsoventralen Wachstums zieht sich der kaudale und umbilikale Abfall der Urallippe lang aus, ferner nimmt durch gleichzeitiges transversales Wachstum die laterale Abdachung der Urallippe gegen die Schenkelfurchen an Breite zu und verliert ihre Schrägneigung immer mehr. Infolge dieser Gestaltsveränderung wird der basale Körper der Urallippe in eine sanft gewölbte Fläche, das Basalfeld verwandelt (Taf. III Figg. 1°, 16, 17, 18, 19). Der eigentliche Gipfel der Urallippe aber dauert als ein dünner, ziemlich langzylindrischer, oben abgerun- deter Zapfen. Er entspricht dem, was andre Untersucher den »Genitalhöcker s. str.« genannt haben. Ich werde ihn seiner künftigen Bestimmung gemäß Phallushöcker heißen (Figg. 13, 16, 17, 18,19 PA). An dem Basalfelde kann man vier Hauptzonen unterscheiden, eine dorsale Zone: das Afterdammplateau, Area anoperi- nealis (Figg. 13, 17, 18, 19 Adf); sie ist durch eine ganz seichte, hinter dem Analrohre abfallende Furche, die Postanalfurche (Pf), von der Schwanzwurzel geschieden, liegt ziemlich eben, schließt den Afterdeckel ein und reicht bis zum kaudalen Rande der Uralpforte; ferner die lateralen Zonen neben den Schenkelfurchen, endlich einen schmalen, stärker gewölbten Teil dieht hinter der Wurzelfurehe des Nabelstieles, den Umbilikalwulst (Figg. 13, 17, 22—24 W). Wie die Abbildungen 21, 22 bezeugen, hat der frühere kaudale Abfall der Urallippe durch die Abflachung eine fast rechtwinklige Einkniekung erfahren, welche den Gegensatz des Afterdammplateaus und des Phallushöckers schuf. Der umbilikale Abfall dagegen behielt seine schroffe Neigung gegen den Nabelstiel, nur an seiner Basis ist der kleine Wulst entstanden. Die Uralpforte liegt im Niveau des Afterdammplateaus. Aber die solide Uralplatte erstreckt sich längs der kaudalen Fläche des Phallushöckers bis zum ektodermalen Epithelhörnchen (7) an dessen Spitze; denn die seit der ersten Anlage existierende innige, morpho- logische Beziehung zwischen Uralplatte und Lippengipfel hat als eine wichtige, morphogenetische Regel während des ganzen Lebens Geltung. Die Uralpforte liegt nun gerade an der kaudalen Hälfte der Basis des Phallushöckers. Sie ist also zwischen das Afterdamm- plateau und den Phalluszapfen eingeschoben und markiert dessen dorsale Grenze, während der Umbilikalwulst die ventrale Basis des Phalluszapfens bildet. Der obere Rand des Umbilikalwulstes liegt 46 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten in der Verlängerung einer an das Afterdammplateau gelegten Tan- gentialebene (Figg. 13, 17, 22). Da die Uralpforte die Öffnung der Uralplatte bildet, so er- fordert der Zusammenhang eine etwas eingehende Besprechung der letzteren; sonst werden die späteren Ereignisse nicht verständlich. Die Uralplatte ist das kaudale Endstück der ventralen Teilhälfte des Urodäums. Sie liegt einem zwar schmalen, jedoch langgestreckten Ektodermstreifen am kaudalen Abfall der Afterlippe an. Solange die Urallippe klein und zapfenförmig ist (Schafembryonen bis 1,8 em Länge), zieht die Uralplatte direkt längs der kaudalen Fläche und zeigt ungefähr dreieckigen Umriß bei Profilansicht (Fig. 3). Wenn aber die Einknieckung des kaudalen Abfalles erfolgt, daß Afterdamm- plateau und der Phallushöcker abmodelliert werden, erfährt die Platte gleichfalls eine Beugung. Ihre an das Ektoderm anstoßende Kante verläuft dann in bogenförmiger Krümmung, zum Teil in der Ebene des Afterdammplateaus, zum Teil gipfelwärts ansteigend (Taf. I Figg. 8, 9, 10, 11, Taf. III Figg. 13, 16, 19, Figg. 20—24). Darum sind an der Anlage der Pars urogenitalis urodaei jetzt drei Zonen nach Lage und Verlauf zu unterscheiden: a) Der Sinus urodaei (Us). Er zieht von der Mündung der Worrrschen Gänge ziemlich gerade, d. h. parallel dem Rektum und senkrecht zum Afterdammplateau gegen die Haut. b) Die Zone der Uralpforte (Vo). Sie ist die Fortsetzung des geraden Sinus urodaei und vermittelt durch eine sanfte, dorsal- konvexe Beugung den Übergang der Uralplatte in den tangentialen d. h. dem Afterdammfeld parallelen Verlauf. c) Der Phallusabschnitt der Uralplatte oder die Phallusleiste (Phl). Sie zieht längs der Kaudalfläche des Phalluszapfens bis zum Epithelhörnehen an dessen Spitze. Man kann die Formeigentümlichkeit der Pars urogenitalis auch so ausdrücken, daß man sagt, dieselbe erleide eine zweimalige, fast rechtwinklige Kniekung (Figg. 9, 11, 13, 24). Nur muß man sich die Beugungsecken abgerundet vorstellen und die Uralpforte an dem zwischen den Kniekungswinkeln eingeschlossenen Abschnitte suchen. Die Form der Phallusleiste bietet wenig Interesse. Sie gleicht einer schmalen Epithelzunge des Entoderms und springt als niedrige Medianlamelle in das Mesoderm des Phallushöckers ein. Wichtig dagegen ist die Zone der Uralpforte, die ich kurzweg den Kelch des Urodäums nennen will. Sie erweitert sich Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 47 triehterförmig gegen das Ektoderm, gleicht also in der Profilansicht dem lateinischen Buchstaben V (Taf. III Figg. 23, 24, Pg), dessen Spitze gegen den Sinus urodaei schaut, dessen beide Schenkel aber et- was gekrümmt gezogen sind. Wenn man den Vergleich weiter aus- spinnen will, kann man sagen, der ventrale Schenkel des V sei länger gestreckt und stumpfwinklig abgebogen, um die Phallusleiste zu bilden. Die nach der Eröffnung der Uralpforte einsetzenden Vorgänge bezwecken im wesentlichen eine Verlagerung des Phalluszapfens samt dem zugehörigen Abschnitte der Uralplatte durch Wachstum einer medianen Zone der Urallippengegend in oraler Richtung, so daß der Abstand des Phalluszapfens von der ventralen Schwanzfläche (s) größer wird (Taf. III Figg. 20—23). Die zugleich erfolgende Ab- biegung des Phalluszapfens in dorsaler Richtung, wodurch dessen umbilikaler Abfall stark konvex gekrümmt, der Gipfel dem After- plateau entgegen gekehrt wird, ist von nebensächlicher Bedeutung (Taf. IIL Firg. 21—23). Männliche und weibliche Tiere unterscheiden sich rasch durch den Grad, welchen die Verschiebung des Phallushöckers erreicht. Bei den Weibehen ist sie unbedeutend; der Phallushöcker bleibt nahe dem After stehen (Taf. III Figg. 23—25). Bei den männlichen Schafen und Schweinen dagegen wandert der Phallushöcker in oraler Rich- tung weit vom After weg (Figg. 13, 17). Die Verschiebung des Phallushöckers hat einen bedeutenden Ein- fluß auf die Form des Uralkelches; denn dessen ventraler, als Phallus- leiste verlängerter Schenkel wird dadurch oralwärts ausgezogen. Wenn man auf den Figg. 8, 9, 11, 13, 17 dessen inneren, an das Mesoderm der Uralregion stoßenden Rand verfolgt, sieht man ganz deutlich, wie derselbe mit dem Größenwachstum des Embryos länger wird, und wie die an der Basis des Phalluszapfens liegende Kelch- zone oralwärts enorm zunimmt, um die Verbindung mit dem weiter gegen den Nabel vorrückenden Phalluszapfen nicht zu verlieren; denn die Uralplatte muß ja nach der vom embryonalen Beginn an ge- gebenen Regel bis zum Gipfel der Urallippe reichen. | Da nun bei den Weibchen der Phallushöcker einen geringen Abstand vom After bezw. der Schwanzwurzel bewahrt (Taf. III Figg. 16, 18, 19, 23—25), muß die fortschreitende Aushöhlung der Uralplatte einen länglich ovalen Spalt als Uralpforte erzeugen, wäh- rend der Damm schmal bleibt. Bei den Männchen führt das Wachstum der Lippenbasis zu ganz exzessiven Resultaten, indem der Umbilikalwulst, der Phalluszapfen 48 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. und die Kelchzone der Uralplatte sehr weit oralwärts vorgeschoben werden (Taf. III Figg. 13, 17). Würde der Entwicklungsgang in beiden Geschlechtern überein- stimmen, so müßte dadurch eine enorm lange und transversal schmale, ovale Uralpforte der Männchen entstehen. Das ist jedoch nicht der Fall. Das schließliche Formresultat ist durchaus verschieden, weil die Dammregion, die bei Weibehen in sehr geringfügigem Grade verbreitert wird, bei den Männchen eine ganz unglaubliche Wachs- tumsenergie entfaltet und ungefähr in gleichem Maße, wie die vordere Hälfte der Lippenbasis oralwärts auswächst. Die Längssehnitte durch weibliche Schafembryonen (Taf. II Figg. 23, 24, 25) zeigen das Dammplateau (D) gleich einer kurzen, plumpen Zunge den kau- dalen Abschnitt des Uralkelches überdeckend, so daß letzterer unter ganz schwacher Krümmung ventral vom Damm in den geraden Ab- schnitt des Uralsinus übergeht. Die Längsschnitte durch männliche Schafembryonen (Taf. I Fig. 10, Taf. III Figg. 13, 17, 22) dagegen beweisen die mächtige Verlängerung dieser Zunge. Sie strebt gegen den Phallushöcker so lebhaft und energisch, daß die Uralpforte gar nicht oval gestaltet werden kann, sondern stets ein enges Loch an der Phallusbasis bleibt. Der homolog den weiblichen Embryonen lang ausgezogene Kelch des Urodäums wird dadurch in einen engen zylindrischen Kanal, die Penisröhre, Pars cavernosa urethrae, ver- wandelt (Taf. III Fig. 17). Die Wachstumsenergie des männlichen Afterdammplateaus wird durch die Lage des Analrohres schon bei kleinen Embryonen von 2,6—2,7 cm Größe klar bezeugt. Während bei männlichen Tieren das Analrohr sehr kurz im Vergleich zum breiten Damm erscheint (Fig. 8), sehen wir bei weiblichen Tieren derselben Größe, deren Damm infolge seiner geringeren Wachstumsintensität schmal bleibt, das Analrohr fast über die ganze Dammregion reichen (Fig. 9). Um die Kürze des weiblichen Dammes recht augenfällig zu demonstrieren, habe ich (Taf. II Figg. 23—25) drei mediane Längs- schnitte durch weibliche Schafembryonen von 3,5, 5,0, 9 em Körper- länge nebeneinander gestellt, welche bei zwölffacher Vergrößerung gezeichnet sind, also direkt aufeinander bezogen werden können. Mit dem Damm des weiblichen Embryos von 3,5 em (Fig. 23) verglichen, ist der Damm des weiblichen Embryos von 9 em (Fig. 25) um das Dreifache, der eines männlichen Embryos von 3,9 cm (Fig. 17) dagegen um das Zwanzigfache gewachsen. Da meine Darstellung wesentlich von der bisherigen Lehre abweicht, Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 49 welche die Bildung des Dammes durch Verwachsung seitlicher Damm- falten erklärte und zugunsten dieser Ansicht die Existenz der Raphe betonte, will ich ausdrücklich hervorheben, daß mir in keinem Prä- parate irgendwelche Anhaltspunkte dafür auffielen, als seien die Ränder der Uralpforte, oder wie man bisher sagte, der Genitalrinne miteinander verwachsen. Die weiblichen Tiere kommen wegen der Kürze des Dammes für die Entscheidung der Frage nicht in Betracht. Eher könnte man den langen, die Penisröhre überdeckenden Damm der männlichen Tiere (Taf. III Fig. 17) durch Verwachsung der Ränder der Samen- rinne entstanden denken. Jedoch babe ich für diese Ansicht keinen Beweis gefunden. Nachdem ich viele Querschnittserien durch männ- iche Schafembryonen studiert habe, erkläre ich mit voller Bestimmt- jheit, die Raphe der Männchen ist kein Verwachsungsprodukt, sondern sie entsteht durch eine besondere Modellierung des energisch - wachsenden Dammplateaus. Je weiter nämlich das Dammfeld mit dem oralwärts weichenden Phalluszapfen vorgeschoben wird, um so mehr fällt ein genau in der Medianebene vorragender, aber ganz niedriger Wulst auf, der sich nach beiden Seiten abdacht. Er springt niemals als mächtiger Grat hervor, bleibt vielmehr stets eine unbe- deutende Leiste, gleichgültig, ob man junge oder ältere Stadien be- trachtet. Es liegt kein Grund vor, ihn als ein Verwachsungsprodukt von symmetrischen Hautfalten anzusprechen; denn ich habe unter der Raphe junger Embryonen niemals eine besondere Gruppierung der Mesodermzellen in der Medianzone oder Reste von Epithelzellen gefunden, die unbedingt vorhanden sein müßten, wenn die mit Epithel bedeckten Wände seitlicher Damwfalten zur medianen Berührung gelangt wären. Erst auf älteren Stadien tritt das bindegewebige Septum des Hodensackes unterhalb der Raphe auf. Durch die Verschiebung gelangt der Phallushöcker weit über sein ursprüngliches Stammgebiet hinaus und überschreitet sehr rasch die Zone der anfänglich zu seinen beiden Seiten liegenden Wülste, welche die Wand des Hodensackes bilden. Die Skrotalhöcker ver- ändern ihre Lage anscheinend sehr wenig, sie wachsen an dem Orte _ ihrer Entstehung, d. h. am lateralen Abfall der Afterlippe und werden allmählich rundlich warzenähnliche Vorragungen, die während der Abflachung der Afterlippe immer stärker über das Niveau des Basal- feldes hervorragen. Bei ihrer Volumzunahme dehnen sie sich nicht bloß lateral, sondern hauptsächlich gegen die Medianebene; die da- durch hervorgebuckelte Zone der Körperwand rückt so der medianen Morpholog. Jahrbuch. 32, 4 50 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Rapheleiste immer näher, bis durch kolossale Aufblähung der Skrotal- höcker die Raphe zwischen den gekrümmten Flächen der Hodensack- anlagen eingeschlossen ist. Wer dann Querschnitte durch ein junges und ein weit fortgeschrittenes Stadium macht, kann denken, es seien die anfangs weit entfernten Skrotalhöcker zusammengeschoben worden und endlich miteinander verwachsen. Wer aber die von mir kurz skizzierten Zwischenstadien gesehen hat, wird erkennen, daß die Hodensackanlagen bilaterale symmetrische Höcker sind, die zeitlebens getrennt bleiben und daß gerade die Raphe diejenige Strecke der Hautoberfläche ist, welche immer die paarigen Gebilde scheidet. Sehr spät wird aus dem Phallushöcker die Eichel, bezw. Clitoris herausmodelliert, indem eine hufeisenförmige Epithelfalte unterhalb des Lippengipfels in das Mesoderm einwächst. Genauer habe ich den Vorgang nicht verfolgt. Das Schicksal der Hodensackanlagen bei weiblichen Selmiehiee- onen will ich erst in einer späteren Mitteilung ausführlich behandeln. Vorderhand sei bemerkt, daß sie nicht an den Uralspalt geschoben werden, um dessen Eingang zu umsäumen. Die Rima pudendi wird von den kleinen Schamlippen, nicht, wie in allen veterinäranatomischen Handbüchern zu lesen ist, von den großen Schamlippen umrandet. VI. Der Sinus urodaei. Nachdem ich die Kelchzone des Urodäums in ihrem wechsel- vollen Schicksal verfolgt, gebühren noch einige kurze Worte dem Sinus urodaei. Er ist ein hohler Abschnitt des Urodäums, der in jeder Embryonalperiode eine enge oder weite, vom Entoderm um- schlossene Lichtung aufweist, die anfangs sehr klein erscheint, später sich erweitert, um hierauf wieder verengt zu werden. Diese Vorgänge sprechen sich in der Gestalt des Sinus sehr deutlich aus. Bei den Jüngsten Stadien, die ich prüfen konnte (Schaf- und Schweineembryonen von 1,3—1,4 cm) erscheint der Sinus wie eine dorsoventral kompri- mierte, horizontal liegende Flachtasche, mit einem kurzen Stiel der soliden Uralplatte vorgelagert. Er nimmt dorsal die Mündungen der Worrrschen Gänge auf und zieht oral von denselben als ein dünn- wandiger Schlauch gegen den Nabel, wo er in die Allantois über- geht (Figg. 1, 2). Bei Schafembryonen von 1,9cm zeigt der Sinus statt der abgeflachten Form auffälligerweise die Gestalt einer ovalen Blase (Taf. III Fig. 20 Us). Es hat sich also sein Lumen hochgradig Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 51 aufgebläht und die ursprünglich dicht benachbarte, dorsale und ven- trale Wand unter stark konvexer Bauchung auseinander getrieben. Gegen die Uralplatte (Up) sendet die Sinusblase nur einen kurzen Stiel. Längsschnitte und Rekonstruktionsmodelle lehren, daß die ventrale Wand des Sinus weniger stark gekrümmt ist, als die dorsale, welche, wie Fig. 20 zeigt, mit ganz steilem Dorsalbogen über die Dorsalkante des Sinusstieles hinausspringt, und dann in schwach ge- krümmtem Bogen ventralwärts gegen den Nabel (») zieht. Gerade an der Grenze zwischen der jäh aufsteigenden und der umbilikal- wärts abfallenden Zone der Blasenwand münden die beiden WOLFF- schen Gänge (g) ein. Etwas später, bei Schafembryonen von 2,6 cm Länge (Taf. III Fig. 21), ist die Sinusblase nicht mehr oder nur undeutlich zu kon- statieren. Infolge des allgemeinen Körperwachstums steht der Ab- schnitt des Urodäums, wo die Sinusblase zu suchen ist, weiter von der Urallippe entfernt, d.h. tiefer in der urodäalen Rumpfwand als bei Embryonen von 1,4—1,9 em Länge, da eben Urallippe, Uralplatte und besonders der Stiel des Uralsinus bedeutend größer geworden sind. Die Gegend der Sinusblase (Us) ist durch die Beugung der entodermalen Anlage gegen den Nabel zu erkennen. Aber das Uro- däum zeigt statt der blasigen Erweiterung jetzt nur einen mehr oder weniger engen, trichterförmigen Umriß. Somit ist die Sinusblase wieder verengt worden. Zugleich wurde sie von der künftigen Harn- blase durch eine am vorderen Ende der Sinusblase erfolgende Zu- sammenziehung des Lumens schärfer abgesetzt. Auf dem Längs- schnitte (Taf. III Fig. 21) sieht man den Sinusstiel von der Uralplatte als enges Zylinderrohr entspringen und unter allmählicher Erweiterung in einen langgezogenen trichterförmigen Abschnitt übergehen, den ich als Umwandlungsprodukt der Sinusblase anspreche, weil an der dor- salen Wand des Trichterraumes die Wourrschen Gänge münden. Die Veränderungen zwischen den Stadien von 1,9—2,6 em Größe bestehen (nach Längsschnitten beurteilt) darin, daß die dorsal jäh an- steigende Wand der Sinusblase, sowie der Endabschnitt der WOLFF- . schen Gänge die starke Krümmung verloren haben. Sie liegen jetzt ganz schwach gebogen in der Verlängerung des Sinusstieles selbst. Oral vor den Wourrschen Gängen ist die Wand des Sinus gar nicht mehr gekrümmt, sondern sie grenzt winklig gekniekt das Lumen des Triehterraumes ab. Man kann sich vorstellen, daß sie gegen das weite Lumen vorgewachsen ist und dadurch die Einengung der ursprünglichen Sinusblase verursachte. Doch ist das lediglich eine 4* 52 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Vermutung von meiner Seite. Ich bin mangels der Zwischenstadien nicht imstande, den Beweis für die Richtigkeit derselben zu führen. Nur das eine weiß ich mit Bestimmtheit, daß das Triehterlumen im Laufe der weiteren Entwicklung immer mehr eingeengt wird, so daß an seiner Stelle bald eine schmale zylindrische Lichtung liegt. Als ich die Sinusblase zum erstenmal sab, glaubte ich die Anlage der Harnblase gefunden zu haben, bis die Bekanntschaft mit ihren weiteren Schicksalen den Gedanken wieder ausschloß; denn die Harnblase markiert sich erst vor der trichterförmigen Erweiterung des Urodäums. Sie entsteht aus dem nabelwärts abgebogenen Hohl- fortsatze desselben. Damit berühre ich die Frage nach der oralen Grenze des Urodäums, ohne imstande zu sein, eine befriedigende Antwort zu geben. Weder die Untersuchung der Schnittserien, noch das Kalkül haben mir sichere Grenzmarken gezeigt. So leicht es fällt, in der entodermalen Anlage vor der soliden Uralplatte einen oral gerichteten Abschnitt als Stiel und Sinus des Urodäums, sowie einen ventral abgebogenen Schenkel zu unterscheiden, der am Nabel in die Allantois übergeht, so schwer wird es zu entscheiden, wo das Urodäum aufhört, bezw. der Urachus beginnt. Zwar liegt das Epithel im Stiel und Sinus viel dieker, desgleichen die Mesodermlagen, während der ventrale Schenkel dünnere Schichten beider Gewebe aufweist; doch möchte ich danach keine wirkliche Grenze bestimmen. Um der Schwierigkeit zu entgehen, könnte man einfach den von der Uralplatte bis zum Nabel reichenden Schlauch als Urodäum erklären und annehmen, dasselbe gliedere sich später in Lig. vesicoumbilicale, Harnblase und Canalis urogenitalis. Mir scheint aber damit kein großer Vorteil gewonnen zu sein. Darum betrachte ich vorderhand | als orale Grenze des Urodäums die Mündungsstelle der WoLFrschen Gänge, welche infolge ihrer unabänderlichen Lagebeziehung zum Beckenskelett, d. h. der Symphysenanlage (y), eine jederzeit leicht zu findende, topographische Marke bilden. Ich weiß recht wohl, daß diese Begrenzung des Urodäums eine willkürliche ist, und überlasse es späteren Arbeiten, bessere Klarheit hierüber zu schaffen. Vorder- hand dient die Mündung der Wourrschen Gänge ganz gut dazu, die Produkte der ursprünglichen Urodäumanlage, wie sie bei den kleinen Embryonen von 1,4 cm beschrieben wurde, zu erkennen. Bis die Sinusblase wieder abgeflacht und kanalförmig in die Länge gestreckt ist, ist das Lumen in der soliden Uralanlage zur Ural- pforte vorgedrungen (Fig. 24). Die Pars urogenitalis urodaei hat damit die Form eines zylindrischen Kanals angenommen, der von der Mündung Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 53 der Worrrschen Gänge mit schwach dorsaler Konvexkrümmung nach hinten und in der Dammregion schräg ventral ‘zur Uralpforte zieht. Man kann daher den Kanal ganz gut als Canalis urodaealis bezeichnen und an demselben zwei Abschnitte unterscheiden, den Sinusgang (Sg), welcher von der Mündung der Wourrschen Gänge bis zum kaudalen Symphysenende reicht, und den Pfortengang (Pg), welcher vom kau- dalen Symphysenende beim weiblichen Tier als undeutlich abgebogener Schenkel, beim männlichen (Fig. 17) als scharf abgebogener Schenkel zum Phallushöcker hinzieht. Die eben skizzierte Form bleibt dem Urodäum zeitlebens gewahrt. Am oralen Ende des Sinusganges erfolgen noch wichtige Ver- änderungen. Wie Fig. 21 zeigt, liegt zwischen den Wourrschen Gängen und dem zum Nabel ziehenden Abschnitte des Urodäums eine verhältnismäßig schmale Zone der Wand. Dieselbe scheint in den nächsten Stadien energisch zu wachsen und den Nabelteil des Urodäums mehr und mehr von der Mündung des WoLrFschen Ganges zu entfernen. Ich habe den Eindruck gewonnen, als stehe dieser Vorgang mit der- Abtrennung der Ureteren von den Wourrschen Gängen im Zusammenhang. Bei einem Schafembryo von 2,7 cm Länge mündet der Ureter noch in das unterste Endstück der WOLFF- schen Gänge, bei einem Schafembryo von 2,9 cm dagegen ist er von letzteren getrennt und mündet (Fig. 22 U) jenseits der in Fig. 21 sichtbaren Trennungskante. Je ältere Stadien man nun betrachtet, um so größer ist der Abstand zwischen Uretermündung und Mündung der Worrrschen Gänge. Bei den älteren Embryonen liegt ein ziem- lich langer, zylindrischer Kanalabschnitt, die Pars prostatica urethrae (Ppu) zwischen beiden, der Ureter selbst gelangt immer mehr an die dorsale Wand der an Volumen zunehmenden Harnblase. Der Vergleich der Präparate (Figg. 21—24) führt daher zu der Vorstellung, daß energisches Wachstum des ursprünglichen Sinusteiles nicht bloß die Ureteren von den Worrrschen Gängen weggeschoben, sondern auch einen zylindrischen Kanalabschnitt erzeugt habe, welcher als Pars prostatica sich zwischen den Mündungen der Samenleiter und Harn- leiter ausdehnt. Diese Auffassung, die ich vorderhand in ganz be- dingter Form ausspreche, läßt sich durch den Hinweis auf die Exi- stenz der Crista urethralis posterior, der Uvula vesicae und des Trigonum vesicae ganz einleuchtend hinstellen. Wäre meine Ansicht richtig, so würde die Grenze der Harnblase fernerhin nicht mehr am Orificium urethrae internum zu suchen sein, sondern sie würde dem dreiseitigen Rande entsprechen, welcher durch die ventrale Kante 54 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. des Orifieium urethrae internum einerseits, durch die Fossa retro- ureterica und das Planum paratrigonale andrerseits markiert ist!). Es sind jedoch noch viel eingehendere Untersuchungen, als ich sie ausführen konnte, notwendig, um die Richtigkeit meiner Auf- fassung über allen Zweifel zu erheben. Ich behalte mir weitere Mitteilungen für später vor und werde auch dann erst die WoLFF- schen und MÜLLERschen Gänge eingehend besprechen. Zusammenfassung. 1) Die Urodäalregion zwischen Schwanzwurzel, Nabel und den hinteren Extremitäten erhebt sich bei jungen Embryonen in Gestalt eines kegelförmigen Zapfens, Urallippe, welcher die Anlage für After- und Urogenitalöffnung, sowie die äußeren Genitalien, d. h. Penis, Klitoris, Serotum und Labia majora bedeutet. 2) Der blind geschlossene Endabschnitt des Darmes, das Uro- däum, liegt im Mesoderm der Urodäalregion. 3) Das Urodäum zerfällt in den hohlen Uralsinus samt WOoLFF- schen Mündungen und Allantois, ferner in die solide, dem Mesoderm der Urallippe median eingekeilte Uralplatte. 4) Die Uralplatte junger Embryonen (Schaf, Schwein 1,9 em) erstreckt sich vom Epithelhörnchen am Gipfel der Urallippe längs des kaudalen Lippenabfalles, bleibt aber von dessen Basis nahe der Schwanzwurzel um ein kleines Stück entfernt. 5) Das von der Uralplatte freigehaltene Feld des kaudalen Lippenabfalles ist der Bezirk der späteren Afterdammgegend (Area ano-perinealis). 6) Das Rektum mündet in eine kurze, median dorsale Neben- tasche des Urodäums, das Analrohr s. Pars analis urodaei. 7) Das Analrohr wird an das Afterdammfeld der Urallippe ver- schoben; dann wird sein Zusammenhang mit der Uralplatte gelöst, so daß das Analrohr mit dem Rektum verbunden bleibt und dessen Pars analis bildet. 8) Der After entsteht durch Zerstörung der distalen Wand des Analrohres. 9) Wenn das Analrohr von der Uralplatte abgetrennt wird, ist damit der Damm gebildet. Die Unterscheidung des primitiven und definitiven Darmes ist unbegründet. ı Vgl. W. WALDEYER, Das Trigonum vesicae. Sitz.-Ber. Akad. Berlin 1897. 11.3.7952, Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 55 10) Die Urallippe, an deren lateralen Fläche kleine Höckerchen, die Anlagen des Skrotum bezw. der Labia majora entstehen, wird während dieser Vorgänge in das Afterdammplateau, den Phalluszapfen und Umbilikalwulst gegliedert. 11) An dem basalen Rande der Uralplatte, dicht vor dem Damm, wird die Uralpforte, Orificium urodaei, geschaffen, indem die Lich- tung des Uralsinus bis gegen das Ektoderm der Lippenfläche vor- dringt und durchbricht. 12) Die Uralpforte liegt an der Basis des Phalluszapfens, der größere, vorerst solide Teil der Uralplatte zieht an der kaudalen Fläche des Phalluszapfens bis zum Epithelhörnchen des Lippen- gipfels. 13) Bei den weiblichen Schafen und Schweinen erfolgt eine ge- ringfügige Veränderung dieses Formzustandes. Der Abstand des Phallus- bezw. Clitoriszapfens vom Damm bleibt gering. Die Ural- pforte erweitert sich etwas auf Kosten der soliden Uralplatte und wird ein längsovaler Spalt, Rima pudendi, deren Ränder wegen der langen Öffnung wie kleine Lippen, Labia minora, erscheinen. 14) Bei den männlichen Schafen und Schweinen aber wird die allezeit kleine Uralpforte samt dem Phalluszapfen durch energisches Wachstum des Dammes weit weg vom After umbilikalwärts ver- schoben. 15) Zugleich erhebt sich auf dem langen Damme ein niedriger Mediangrat, die Raphe. 16) Die Skrotalwülste der Männchen blähen sich mächtig auf und überwuchern die niedrige Raphe. 17) Der Uralsinus wird allmählich triehterförmig und dann kanal- artig als Pars prostatica ausgezogen, weil die Ureteren oralwärts von den Wourrschen Gängen geschoben werden. Erklärung der Tafeln I—Il. Gemeinsame Buchstabenbezeichnung. Az apikale Zone, D Damm, Adf Afterdammfeld (Afterdammplateau, ZA Epithelhörnchen, Area anoperinealis), f Schenkelfurche, B Basis der Urallippe, 4 Wourrscher Gang, C Cölom, h Harnblase, 56 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. H Hodensack, Pz Postanalzone, k Schwellkörper, ER Rektum, Ka kaudaler Abfall der Urallippe, S Schwanzdarm, m MÜLLERscher Gang, s Schwanzwurzel, ventrale Fläche der M Aftermembran, Schwanzregion, n Nabelgegend, Sg Sinusgang, oe Oralecke des Urodäums, U Ureter, Pa Pars analis recti (Analrohr), Ua umbilikaler Abfall der 5 Pf Postanalfurche, Vo Uralpforte, Pg Pfortengang, Up Uralplatte, Ph Phallushöcker, Phalluszapfen, Us Uralsinus, Phil Phallusleiste, W Umbilikalwulst, Ppu Pars prostatiea urethrae, y Symphyse. Die Zeichnungen aller Längsschnitte sind so orientiert, als sähe der Be- schauer auf die linke Seite des stehend gedachten Tieres. Die horizontal ge- stellte Schwanzwurzel s zeigt die dorsale Zone, der Nabel n die ventrale Zone des Körpers an. TafelT. Fig. 1. Linke Seitenansicht des Urodäums und der Urallippe eines Schafembryos von 1,4 cm Länge. Nach einem Wachsmodelle (68/1). Fig. 2. Längsschnitt durch die Uralgegend eines Schweineembryos von 1,4 cm Länge (33/1). Fig. 3. Längsschnitt durch die Uralgegend eines Schafembryos von 1,9 cm Länge (33/1). Figg. 4a,d,c. Querschnitte durch die Urallippe eines Schafembryos von 1,8 cm Länge (16/1), von der Basis zum Gipfel fortschreitend. Fig. 5a. Oberflächenansicht der Urallippe eines Schafembryos von 1,8 cm Länge. Nach einem Wachsmodelle (37/1). Fig. 55. Ansicht der Uraliippe des gleichen Embryos von der Seite. Die linke Seitenwand ist entfernt, so daß die Uralplatte sichtbar wird (37/1). Fig. 6. Neun aufeinander folgende Querschnitte durch das Afterdammfeld eines Schafembryos von 1,8 cm Länge (33/1). 6a. Schnitt durch die post- anale Zone. 6:. Schnitt durch die Gegend der Uralpforte. Längsschnitt durch die Uralgegend eines Schweineembryos von 2 cm Länge (33/1). Fig. 8. Längsschnitt durch die Urallippe eines männlichen Schafembryos von 2,7 cm Länge (16/1). Fig. 9. Längsschnitt durch die Urallippe eines weiblichen Schafembryos von 2,7 em Länge (16/1). Fig. 10. Längsschnitt durch die Urallippe eines männlichen Schafembryos von 3,1 cm Länge (16/1), aus mehreren Schnitten kombiniert. Fig. 11. Längsschnitt durch die Urallippe eines weiblichen Schafembryos von 3,5 cm Länge (16/1), aus mehreren Schnitten kombiniert. = u Tafel II. Figg. 12a —i. Neun aufeinander folgende Querschnitte durch die Urallippe eines Schafembryos von 2,2 cm Länge (31/1). 12a, Schnitt dureh die postanale Zone. 12, Schnitt durch die Uralpforte. | N N Dur De ME er ir Morpholog.Jahrb. Bd. XXXll. 2.037) 11.[%) Schwarztrauber gez Verlas v. Wilhelm Tafl in _LEIDZIT. Lich. Anst.v.E.AFımke Leipzig ur Taf. 74.3) der gen. Verlas v. Wilhelm Engelmam in Leirzir. Iris mE Arfınke lagir. > i nn - DE BATT Y 4 Be ü © ; . . k az eh, > es > Fr J e MU: B * 2 - “ - “ . x . . R ! « 4 .r " D - 5 n . n ‘ g 5 s ’ F Taf ll. 20.1'%;) h 21.['6,) - Joh. Schwarztrauber, VI. Kloake und Phallus des Schafes und Schweines. 57 Fig. 14. Längsschnitt durch die Urallippe eines Schweineembryos von 2,9 cm Länge (33/1). Figg. 15 a—%k. Querschnitte durch die Uralpforte eines Schweineembryos von 2,7cın Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Länge (16/1). 15a, Schnitt durch den apikalen Rand. 15%, Schnitt durch den analen Rand der Uralpforte. Tafel III. Längsschnitt durch die Urallippe eines männlichen Schafembryos von 3,1 cm Länge (16/1). Längsschnitt durch die Urallippe eines weiblichen Schafembryos von 3,6 cm Länge (16/1), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urallippe eines männlichen Schafembryos von 3,9 em Länge (16/1), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urallippe eines weiblichen Schafembryos von 6cm Länge (16/1), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urallippe eines weiblichen Schafembryos von 10 em Länge (16/1), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urodäalregion eines Schafembryos von 1,9 cm Länge (16/1), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urodäalregion eines Schafembryos von 2,5 cm Länge (16,1), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urodäalregion eines männlichen Schafembryos von 2,9cm Länge (12/l), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urodäalregion eines weiblichen Schafembryos von 3,5 cm Länge (12/1), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urodäalregion eines weiblichen Schafembryos von 5cm Länge (12/1), nach mehreren Schnitten kombiniert. Längsschnitt durch die Urodäalregion eines weiblichen Schafembryos von 9 em Länge (12/1), kombiniert. VI. Historisch kritische Betrachtungen. Von Dr. A. Fleischmann. Mit 17 Figuren im Texte. In dem vorhergehenden Abschnitte habe ich unsre Beobachtungen ohne Rücksicht auf die früheren Arbeiten darstellen lassen, weil ich den Bericht über die tatsächlichen Befunde nicht durch kritischen Ballast stören wollte. Die Auseinandersetzung mit den älteren An- gaben hätte ohnehin dem Verständnis des Lesers wenig genützt, da unser Ergebnis fundamental von den landläufigen Ansichten ab- weicht. Es erschien mir daher richtiger, zuerst ein vollständiges Bild der neuen Auffassung zu geben und hernach den Widerspruch gegen die in allen Lehrbüchern verbreitete Lehre zu erklären. Er wurde vornehmlich durch die Untersuchung eines sehr reichhaltigen Embryonenmaterials und die Ausnutzung der modernen technischen Hilfsmittel geschaffen. Ich habe einige hundert Embryonen studiert, die andern Forscher sahen wenige und niemals eine vollständige Entwicklungsreihe. So wird es begreiflich, daß sie immer noch der Auffassung beipflichten, welche RATHRE im Jahre 1832 begründet hat. RATHKE aber entbehrte aller Voraussetzungen für wirklich er- schöpfende Behandlung der Frage. Wenn man aus dem Jahre 1903 auf sein fundamental gewordenes Werk zurückschaut, erkennt man leicht die Ursachen seines Irrtums.. Er hat über Vorgänge ge- sprochen, welche er gar nicht beobachten konnte, weil er auf ein- fache Sektion und Lupenarbeit beschränkt war, während wir über lückenlose Schnittserien und Rekonstruktionsmodelle verfügen. Ferner studierte er hauptsächlich ältere Stadien, welche den defini- tiven anatomischen Zustand bereits erreicht hatten; die jungen für VI. Historisch kritische Betrachtungen. 59 den Entscheid allein maßgebenden Embryonen aber konnte er nicht analysieren. So sprach er haltlose Vermutungen aus in dem ehr- liehen Glauben, wirkliche Ereignisse zu schildern, und es war ein großes Unglück, daß man siebzig Jahre lang seine Annahmen mit positiven Beobachtungen verwechselte. Zum Beweise dieser Be- hauptung fasse ich Rarakes Ansichten (9) bündig zusammen ünd füge, um die Prüfung zu erleichtern, die Belegstellen aus seiner Ab- handlung bei. 5 Seine Grundvorstellung war durchaus falsch. Er glaubte, daß bei Säugetierembryonen eine ursprüngliche Kloakenhöhle vor- handen sei, in welche Darm und Harnblase münden, und nahm ferner an, daß die Kloakenhöhle bei Wiederkäuern und Schweinen durch eine einzige, weite Spalte an der Haut münde. (S. 57.) »Der Ausführungsgang der Allantois oder jenes trichterförmige Rohr, das sich in die Harnblase umwandelt, geht anfänglich fast dicht vor dem After in den Darm über. Aus dieser Angabe läßt sich entnehmen, daß auch bei den Süugetieren ur- sprünglich eine Kloake vorhanden ist.« RATHKE verweist dafür auf die Tafel IV, Fig. 14 seiner Ab- handlung; doch ist an der angezogenen Abbildung eines Schweine- embryos überhaupt nichts zu sehen, weil sie nur bei doppelter Ver- größerung gezeichnet ist. Trotzdem lautet sein Bericht über die äußere Öffnung der Kloake ganz bestimmt: (S. 63.) »In der frühesten Entwicklungszeit, Ja selbst dann noch, wenn die Kremenspalten schon verwachsen wollen, gibt es so- wohl bei den Wiederkäuern als bei den Schweinen für den Darm und die Harn- und Geschlechtswerkzeuge nur eine einzige und ganz einfache Mündung. Sie erscheint als eine kurze und weite Spalte, deren lüngster Durchmesser nach der Lünge des Embryos liegt und deren Jkünder eher scharf als abgerundet zu nennen sind. Alle neueren Untersuchungen haben diese Angabe widerlegt, die Kloakenanlage besitzt keine äußere Öffnung. Daß er die Kloake der älteren Embryonen für hohl hielt, zeigt folgende Stelle: (S: 58.) »Die Eier- und Samenleiter gehen ursprünglich in das Ende des Darmes oder in die Kloake über und zwar ganz dicht hinter der Falte, welche die untere Wand des Darmes und 60 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. die vordere der künftigen Harnblase durch ihren Übergang in- einander darstellen, und noch näher bezeichnet, dicht unterhalb der nach hinten verlängerten Richtung jener Falte, oder mit andern Worten, in die untere Hälfte der Kloake. Wenn darauf dann die Kloake sich in zwei einander parallele Röhren geteilt hat, liegen die Mündungen der ausführenden Geschlechtsteile ganz am Anfang der unteren Röhre oder Harnröhre.« Auch diese Meinung ist heute als unriehtig erwiesen; die Kloakenanlage wird sehr rasch ein solides Epithelgebilde mit spärlichem Hohlraume. Die Bildung der Afterlippe hat sich RATHkE in folgender Weise vorgestellt: (5. 63.) »Rings um die Kloakenspalte entsteht eine kleine, wulstförmige Anschwellung, so daß nunmehr jene Öffnung einen kleinen Krater darstellt. So beschaffen bleibt jedoch ihre Um- gebung nicht lange. Derjenige Teil der Anschwellung nämlich, welcher dem Nabel am nüchsten ist, nimmt sehr bald, wie ich an Schweinen und Schafen gesehen habe, überwiegend an Höhe zu und es entsteht aus ihm ein verhältnismäßig dicker Zapfen, der an- fünglich einem kurzen und abgestumpften Kegel ühnlich sieht und in seinem Gewebe durchweg gleichartig ist. Allmählich verlängert sich nun dieser Zapfen, erhält an seiner dem Bauche abgekehrten Fläche eine Furche, krümmt sich hakenförmig nach hinten etwas zusammen und wandelt sich in seinem Gewebe dermaßen um, daß er nach einiger Zeit aus zwei besonderen und zugleich großen Teilen besteht, von denen der eine den Kern des Zapfens (oder Gliedes), der andere aber und kleinere die Hülle dieses Kerns darstellt.« Diese Angaben werden durch vier Figuren (III. Tafel seiner Ab- handlung Figg. 4—7) belegt, welche Schweineembryonen bei doppelter Vergrößerung illustrieren, aber recht wenig erkennen lassen. RATHKE war also der Meinung, die Kloake der Schweine- embryonen sei mit einem wahren Lumen begabt und öffne sich wie bei den Reptilien und Vögeln durch eine wirkliche Kloakenmündung an der Haut. Wahrscheinlich vertrat er diese Ansicht, weil er die morphologische Übereinstimmung der amnioten Embryonen, welche er zuerst durch die alle Welt überraschende Entdeckung der Kiemen- spalten bestätigt hatte, nicht bloß für den Anfang, sondern auch für das Ende des Darmes nachweisen wollte. Heute ist seine Vor- stellung widerlegt. Wir entschuldigen den Fehler gern, weil er mit den schwachen Vergrößerungsgläsern seiner Zeit das kleine, bei VII. Historisch kritische Betrachtungen. 61 jungen Schweineembryonen bis zu 15 mm Länge existierende Lumen des Urodäums gar nicht wahrnehmen konnte, noch weniger aber die später auftretende Uralplatte. Aus der unrichtigen Vorstellung von der Kloake folgen alle weiteren Behauptungen RATHKES mit scheinbarer Notwendigkeit. Bald soll die Teilung der Kloake erfolgen, wie er meint, durch eine spitzwinklige Falte zwischen Darm und Allantois und durch Annäherung von zwei Seitenfalten der rechten und linken Kloakenwand, welche in die spitzwinklige Falte übergehen, bis endlich die Harnröhre durch eine Scheidewand innerhalb der Kloake vom Darme abgespalten sei. (5. 57.) »Ungeführ um die Zeit, da der Nabelstrang sich zu bilden beginnt, und nachdem durch Zunahme im Wachstum des Darmes die Einmündungsstelle der Allantois oder überhaupt der künftigen Harnwege sich noch um etwas von dem After entfernt hat, erfolgt und zwar ziemlich rasch eine völlige Abtrennung der Harnwege von den Verdauungswegen. Ste wird dadurch bewerk- stelligt, daß gleichzeitig 1) die einen etwas spitzen Winkel bildende Falte, welche von der unteren Wand des Darmes und der vorderen Wand des von der Allantors kommenden Ganges zusammengesetzt wird, nach hinten sich verlängert und in die Kloake gleichsam ein- schneidet, 2) daß sich die linke und die rechte Wand der Kloake einander gegen die Achse dieser Höhle nähern und hierbei zwei Seitenfalten zuwege bringen, die nach vorn in die soeben an- gegebene Falte übergehen, so daß auch endlich alle drei Falten nur eine einzige darstellen, die in die kegelförmige Höhle der Kloake von drei Seiten immer tiefer einschneidet, bis zuletzt diese Höhle von ihr völlig durchschnitten worden ist, und sie nun- mehr eine doppelte Scheidewand zwischen den beiden Hälften dieser Höhle ausmacht. So wird dann ein kurzer Kanal vom Darm ab- gespalten, in welchen der Ausführungsgang der Allantois oder die künftige Harnblase dergestalt übergeht, daß er nur eine Fort- setzung von ihr zu sein scheint, und diesen Kanal wollen wir vor- läufig immer die Harnröhre nennen.« Zum Belege verweist RATHKE auf die Zeichnung eines Schweine- embryos in doppelter Vergrößerung (Tafel V seiner Abhandlung, Figg. 1—3), bei welehem Darm und Urodäum bereits getrennt sind. Wenige Seiten später wiederholt er seine Angaben: (5: 63.) »Die Teilung der Kloake wird dadurch zustande gebracht, daß der Winkel oder vielmehr die Falte, welche durch Übergang der unteren Wand des Darmes in die obere Wand der 62 Alb. Fleischmann, Morph. Studien iiber Kloake und Phallus der Amnioten. Harnröhre gebildet wird, nach hinten sich immer weiter verlängert, und daß dabei in der verlüngerten Richtung dieser Falte auch die beiden Seitenwände der Kloake zwei Falten schlagen, die mit der eben erwähnten zusammentreffen und in sie übergehen. Dadurch entsteht eine Scheidewand innerhalb der Kloake, die immer weiter nach außen sich verlängert und endlich selbst bis zu der Ausmün- dung der Kloake gelangt.« Diese Darstellung läßt sich einfach durch den Hinweis beseitigen, daß die technischen Untersuchungsmethoden zu RATukEs Zeit gar nicht ausreichten, den Trennungsvorgang wahrzunehmen. Bei aller Hochachtung vor dem Genie des unvergleichlichen Mannes muß man sich mit der Tatsache abfinden, daß er statt wirklicher Beobachtung eine theoretische Kombination vorgetragen hat, als er die Teilung der Kloake mit den eben eitierten Worten beschrieb. RATHKE hat seine Ansicht aber noch mehr ins Detail gemalt: Während die Binnenfalten der Kloake afterwärts vordringen, sollen auch die Seitenränder der äußeren Kloakenöffnung sich nähern, auf eine mäßig große Strecke zum Damme verwachsen und den ursprüng- lich einfachen Kloakenmund in zwei Öffnungen für den Darm und die Harnwege teilen. Dann liege hinter dem Damme in der Mitte einer ziemlich langen Querfurche der After als ein kleines rundes Loch. Nach einiger Zeit erst trete der After nach außen. Rings um ihn entstehe ein kleiner abgestumpfter Afterkegel. (5. 57.) »Indes die Seitenwände der Kloake auf die oben an- gegebene Weise sich gegeneinander falten, nühern sich auch die Seitenränder der üußern Öffnung der Kloake (also Teile der allgemeinen Hautbedeckung) in der verlüngerten Richtung jener Falten, verwachsen miteinander, setzen den Damm (Perinäum) zusammen und scheiden dadurch die ursprünglich einfache Öff- nung der Kloake in zwei verschiedene Öffnungen, nümlich in die der Verdauungswege und die der Harnwege.« (5. 63.) »Gegenüber der Scheidewand innerhalb der Kloake legen sich auch die Lippen der Kloakenöffnung aneinander, verwachsen in einer mäßig großen Länge und stellen jetzt den sog. Damm dar. Mehrmals habe ich Embryonen untersucht, bei denen diese Verwachsung kaum erst begonnen hatte, so daß die Lippen der Kloakenöffnung untereinander nur verklebt zu sein schienen und mit leichter Mühe noch wieder getrennt werden konn- ten. Indem aber der Damm entsteht, verwächst er auch mit der Scheidewand der Kloake und die Folge davon ist, daß nunmehr die - u en F VII. Historisch kritische Betrachtungen. 63 Höhle des Darmes und die Höhle der Harn- und Geschlechtswerk- zeuge durchaus voneinander geschieden sind.« Der Kloakenteilung folgen wichtige Veränderungen der vor dem Damme liegenden Harngeschlechtsöffnung und des Geschlechtsgliedes an dem vorderen Rande der Öffnung. Das Geschlechtsglied besitzt an seiner hinteren Seite eine Rinne, welche geradeswegs in die gemeinschaftliche Höhle der Harn- und Geschlechtswerkzeuge führt. Bei männlichen Früchten legen sich die Ränder der Rinne anein- ander und verwachsen, so daß durch den Schluß der Rinne ein Kanal innerhalb des Gliedes zuwege gebracht wird, in welchen jetzt die gemeinschaftliche Höhle der Harn- und innern Geschlechts- werkzeuge übergeht. Bei weiblichen Embryonen unterbleibt die Verwachsung. RATHKE hat jedoch über diese Vorgänge keine ausgedehnten Untersuchungen angestellt, er folgt hier lediglich dem Gedankengange, welchen TIEDEMANN 15 Jahre früher ausgesprochen hatte. Ich will die wörtliche Fassung desselben hier wiedergeben, weil seine An- sicht die Grundlage für sämtliche Arbeiten des 19. Jahrhunderts ge- worden ist, nachdem JoH. MÜLLER sie unbedingt akzeptiert hatte. Jou. MÜLLER sagt in seiner berühmten Bildungsgeschichte der Geni- talien (7): (S. 86.) »Wir haben so vollständige und vortreffliche Be- obachtungen von Tiedemann, daß neue Untersuchungen hierüber überflüssig und ohne Hoffnung neuen Gewinnes sind. Tiedemann (Anatomie kopfloser Mißgeburten. Landshut 1813, S. 83—84) zieht aus seinen Beobachtungen den Schluß, daß der » Embryo des Menschen in der früheren Zeit bis in die fünfte Woche gar keine äußeren Genitalien hat, so wie ihm auch dann noch in der Regel die Mündung des Afters, des Mundes, der Nase und der Ohren fehle«. Gegen das Ende der fünften oder zu Anfang der sechsten Woche bildet sich eine gemeinschaftliche Öffnung für den After und die Genitalien und es erhebt sich ein kleiner Wulst vor dieser Grube. Gegen die siebente oder achte Woche gestaltet sich der Wulst zu einem vorspringenden Körper, der Klitoris ähn- lich, an deren unterer Fläche eine Furche oder Spalte von der After- grube aus verläuft. Gegen die neunte Woche ist die Klitoris mehr ausgebildet, sie hat eine kopfförmige Eichel, bis zu welcher die Spalte der Gemitalien verläuft, und es ist der Anfang der großen Schamlippen vorhanden in Gestalt kleiner länglicher Hautfalten. Gegen die zehnte oder elfte Woche scheidet sich die Öffnung des 64 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Afters von der Spalte der Genitalien durch die Bildung eines Quer- hautstückes, den anfangenden Damm; die großen Schamlippen sind größer geworden und die angeschwollenen Ründer der bis zur unteren Fläche der Klitoris verlaufenden Spalte sind den kleinen Scham- Iippen oder Nymphen analog. Erst gegen die vierzehnte Woche ver- wächst in mehreren Embryonen die Spalte der Genitalien vom After aus zu einer vorspringenden Nat, der Raphe, welche auch die großen Schamlippen zum Hodensacke verbindet, der jedoch noch keine Hoden enthält. An der unteren Flüche der Klitoris befindet sich noch eine längliche Spalte, die sich bis zur Eichel erstreckt. Gegen die fünfzehnte bis sechzehnte Woche verbindet die Raphe in den münnlichen Embryonen die großen Schamlippen nicht nur zum Hodensack, sondern sie verbindet auch die angeschwollenen Ränder der Spalte an der unteren Fläche der Klitoris bis zur Eichel, oder die kleinen Schamlippen, die Nymphen, vereinigen und schließen sich zur Harnröhre und die Raphe erstreckt sich bis an die untere Fläche der nun zum männlichen Glied gewordenen Kiitoris. Das münnliche Glied ist jetzt perforiert und hat eine kleine Vorhaut. Auf die eben beschriebene Art verhalten sich nun die äußeren Genitalien bei allen männlichen Embryonen; sie bilden sich mehr aus und gegen den achten Monat senken sich auch die Hoden in den Hodensack herab. Die üußeren weiblichen Genitalien bleiben gespalten und bilden sich der Masse nach mehr aus, ohne sich der Form nach wesentlich zu verändern.« So selten sonst in der Geschichte der Wissenschaft die wider- spruchslose Annahme eines neuen Gedankens ist, RATHKE und TIEDE- MANN genossen das Glück, ihre Lehren über die Teilung der Kloake und die Bildung der äußern Geschlechtsorgane von aller Welt bei- fällig geteilt zu sehen. Nicht wenig trug dazu die Parteinahme von JoH. MÜLLER bei, welcher ihre Darstellung in sein Lehrbuch der Physiologie aufnahm und durch die Autorität seines Namens gegen alle Zweifel deckte. Die Schüler des großen Mannes wurden so streng in dem Glauben an die absolute Richtigkeit derselben erzogen, daß sie während der nächsten Jahrzehnte jede Nachuntersuchung unterließen. Nachdem etwas später EcKEr (2) schöne Abbildungen zur Illustration der RATHKE-TIEDEMANNschen Lehre veröffentlicht und Dr. ZIEGLER sogar plastische Reproduktionen derselben in den Handel gebracht hatte, welche fast in alle anatomischen Sammlungen übergingen, war die Sicherheit der »wohl begründeten« Erkenntnis hervorragender Meister der Embryologie nicht mehr zu bekritteln. VII. Historisch kritische Betrachtungen. 65 O0. Herrwis hat die allgemeine Ansicht der gelehrten Welt in seinem Lehrbuche sehr richtig wiedergegeben, indem er die ZIEGLERSchen Wachsmodelle in schöner Autotypie reproduzieren ließ. Trotzdem haben unsre Untersuchungen den ganzen Vorstellungskreis als falsch erwiesen. Die unzureichenden Hilfsmittel der Technik, die geringe Ver- größerung der damaligen Lupen, die Unvollständigkeit des Embryonen- materials waren der Grund, weshalb die vortrefflichen Männer dem Irrtum zum Opfer fielen. Sobald die Mikrotomtechnik vervollkommnet und die Untersuchung der Schnittserien zur Regel geworden war mußte eine bessere Erkenntnis Recht gewinnen. Zunächst aber beschied man sich ein halbes Jahrhundert mit den Lehren von RATHKE und TIEDEMAnNn. Andre Probleme interes- sierten die damalige Welt mehr. Die wiederholte Kontrolle an an- derm Materiale unterblieb und die RATHKEsche Auffassung gewann allmählich den Wert absoluter Wahrheit, weil sie während einer langen Epoche den die Universität beziehenden Schülern alljährlich als sicheres Ergebnis mit dem Glanze eines unverletzlichen Dogmas gelehrt wurde. Beiläufige Beobachtung einzelner menschlicher oder tierischer Embryonen bestärkte manche Anatomen noch mehr in der Überzeugung, daß RATukE und TIEDEMmANN korrekt gesehen hatten. Endlich schien kein Zweifel gegen die Meinung der beiden Autori- täten mehr gestattet.‘ Sämtliche Lehrbücher verkündeten überein- stimmend denselben Gedankengang. Jeder von uns kennt noch aus eigner Erfahrung diesen Zustand. Die erste Untersuchung nach moderner Methode, von dem fran- zösischen Forscher TouRNEUX (12a) ausgeführt, sollte die Sicherheit des gläubigen Vertrauens auf das Rarnukesche Dogma zerstören. Leider übte sie aber nicht die Wirkung aus, welche sie kraft ihrer Exaktheit und Gründlichkeit verdient hätte. Mehrere Gelehrte traten auf, um das angegriffene Heiligtum einer seit 50 Jahren unveränderten Überlieferung zu verteidigen, und das Resultat ihrer Bemühungen war, daß man RATHKE beigepflichtet, seinem Gegner schroff wider- sprochen hat. Nichtsdestoweniger hat TOURNEUX recht behalten. Dieser vortreffliche, französische Anatom machte als der erste Serien- schnitte durch die Kloakengegend von Schaf- und Schweineembryonen. Er beobachtete die einzelnen Phasen des Teilungsvorganges der Kloake so vollständig und erschöpfend, daß die vorhin berichteten Unter- suchungen in meinem Institute der Hauptsache nach eine Bestätigung seiner Resultate sind. Ich freue mich, dem tüchtigen französischen Morpholog. Jahrbuch. 32. B) 66 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten, Kollegen an dieser Stelle den Tribut aufrichtiger Verehrung zu zollen in der Hoffnung, daß meine ganz unabhängig von TOURNEUX durch- geführten Beobachtungen ihm die wohlverdiente Anerkennung der gelehrten Welt nachträglich sichern werden. TourNEux stellte folgende Tatsachen fest: Bei Schafembryonen von 7 mm Länge öffnet sich die Kloake nicht frei nach außen (Fig. 1). Sie ist vielmehr durch einen dieken, in den nächsten Sta- dien noch lebhaft an Masse zunehmenden Haufen von Epithelzellen verschlossen, den Kloakenpfropf oder Bouchon celoacale, wie TOURNEUX schreibt. Derselbe engt die Kloakenhöhle des Enddarmes Fig. 1. Fig. 2. Längsschnitt durch das Rumpfende eines Längsschnitt aurch das Rumpfende eines Schafembryos von 7,5mm Länge. Nach Tournzux, Schafembryos von 10 mm Länge. Nach Tourseux Journ. d’anat. et phys. 1888. 'Pl.14 fig. 1. (21/1.) Journ. d’anat. et phys. 1558. Pl. 14 fig. 2. (21/1.) be Bouchon cloacal, cl Kloake, ep Eperon a Allantois, be Bouchon cloacal, cl Kloake, p6erineale, r Rektum. ep Eperon perineale, r Rektum. auf einen schmalen Spalt ein (Fig. 2); ja später verschmilzt er sogar mit der entgegengesetzten Kloakenwand und verdrängt das Kloaken- lumen vollständig. Über den Ursprung des wider alles Erwarten gefundenen Kloakenpfropfes wagt TOURNEUX keine Vermutung. Mit dieser Entdeckung war ein Grundpfeiler der bisherigen An- sicht umgestoßen; denn sobald feststeht, daß die Kloakenhöhle nicht bis zur Haut reicht, können auch die Seitenfalten RATHKES gar nicht auftreten. Der Kloakenpfropf hat nun ein ganz sonderbares Schicksal. Wenn bei Schafembryonen von 14—15,5 mm der Genitalhöcker her- vorwächst, verlängert sich der Kloakenpfropf bis zu dessen Spitze (Fig. 3). TOURNEUX nannte den neuen, gleichfalls unerwarteten Aus- wuchs die Lame £pitheliale du cloaque, kurz Lame eloacale oder Lame urethrale. VII. Historisch kritische Betrachtungen. 67 In die Kloakenhöhle münden ursprünglich das Rektum und der Sinus urogenitalis, getrennt durch eine kurze Falte, Repli oder &peron pe£ri- ndal. Dadurch, daß letztere sich gegen den Kloakenpfropf verlängert, wird das Kloakenende des Rektum der Körperoberfläche immer mehr Fig. 3. Fig. 4. Längsschnitt durch den Genitalhöcker eines Längsschnitt durch den Genitalhöcker eines Schafembryos von 14mm Länge. Nach Tourneux, Schafembryos von 18mm Länge. Nach Tourxevx, Journ. d’anat. et phys. 1888. Pl. 14 fig. 3. (21/1.) Journ. d’anat. et phys. 1888. Pl. 14 fig. 5. (21/1.) be Bouchon cloacal, ep Eperon p6rineal, be Bouchon cloacal, ep Eperon p6rineal, r Rektum, sw Sinus urogenitalis. le Lame cloacale, r Rektum, sw Sinus uroge- nitalis, va Vestibulum anale. genähert, bis es nur durch eine dünne Epithelmembran (Membrane anale) von der Außenwelt getrennt ist (Fig. 4). Es verdient beson- dere Beachtung, daß TOURNEUX gar nicht von der Teilung der Kloake durch seitliche Falten spricht, sondern angibt, das Endstück des Rektum werde der Hautoberfläche genähert. An einer Stelle (12a, Fig. 5. S. 509, Zeile 1, 2) erklärt er sogar, das Rektum sei längs des Hinterrandes des Kloakenpfropfes heruntergerutscht, um an die Basis des Genitalhöckers zu gelangen. Innerhalb der Analmembran fiel ihm eine horizontale Portion der per Au Berkeanen Ar Darmhöhle auf, welche wie ein Journ. d’anat. et phys. 1888. PI. 15 fig. 7. (1/1.) A an kenpfropf reicht (Fig. 4). Er nannte sie Vestibule anale (va). Das ist genau dieselbe Bildung, welche ich als Pars analis urodaei erkannte. In einem kurzen Autoreferate er- klärt TouRNEux 1889 (125), daß er Rarukes Beschreibung von der Teilung der Kloake durch zwei Längs- und eine Medianfalte nicht bestätigen konnte. Bei Embryonen zwischen 18—25 mm Größe 5*+ & 68 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. (Figg. 4 und 5) führt das Wachstum der Repli perineal die Trennung des Rektum und des Bouchon eloacal herbei. Das Rektum mündet dann (bei Schafembryonen von 18, 25, 32 mm) in eine Art Vestibulum, welches bis zum Kloakenpfropf reicht und durch die Analmembran abgeschlossen ist. TOURNEUX vermutet, die Höhle des Vestibulum anale trage nicht dazu bei, den Darm zu verlängern. Bei Schaf- embryonen von 38 mm Größe ist die Analmembran zerrissen und der After offen. Die Bildung des Dammes durch Verwachsung seitlicher Hautfalten hat TournEux nicht wahrnehmen können. Er zeichnet wohl (Fig. 16 seiner Taf. XVI, 11a) eine kleine mediane Verwölbung der Dammgegend und nennt sie Raph& perineal, aber er meint, sie sei durch das Vordringen des Repli perinsal entstanden. Erst nach der Abtrennung des Darmes gewinnt der Sinus urogenitalis, später das Rektum eine äußere Öffnung. Also kann von der damals all- gemein als vorhanden angenommenen Kloakenöffnung gar keine Rede sein. Beobachtungen beim Schweine bestätigten die Befunde am Schafe (122). Ich unterbreche hier das Referat über die Arbeit von TOURNEUX, um die große Übereinstimmung nachdrücklich zu betonen, welche zwischen seinen und unsern Untersuchungen besteht. Der solide Charakter der Uralplatte, der Zusammenhang des Enddarmes mit dem Urodäum durch das Analrohr, dessen Verlagerung an den kaudalen Abfall der Afterlippe, das Vorkommen einer deutlichen Lichtung im Analrohre, endlich die Abtrennung des Analrohres vom Urodäum und seine dauernde Verbindung mit dem Enddarme, bis die äußere Wand des analen Urodäums zerreißt, ist von uns einhellig gesehen und durch Zeiehnungen belegt worden. Zwei Jahre später veröffentlichte TOURNEUXx weitere Unter- suchungen über die Entwicklung des Genitalhöckers beim Menschen (125). Leider hatte er kein genügend junges Material erhalten, um die Teilung der Kloake zu studieren und mußte auf die Beobach- tungen bei Schaf und Schwein als Surrogat verweisen. Bei einem menschlichen Embryo von 24 mm ist After und Urogenitalöffnung bereits vorhanden. Gegen REICHEL, dessen Arbeiten ich später be- leuchte, wiederholt er seine Ansicht, daß der Damm durch das Vor- wachsen der Repli perineal, nicht durch Verschmelzen seitlicher Falten, noch weniger der von REICHEL beschriebenen Analhöcker entstehe. Bei seinen Studien über den Genitalhöcker sammelte TOURNEUX sichere Beobachtungen, geeignet die Verwachsungstheorie TIEDEMANNS FT VII. Historisch kritische Betrachtungen. 69 zu widerlegen. Allein hier blieb er in dem alten Dogma befangen und las aus den Präparaten die Richtigkeit eines Irrtums ab. Wie bei Schaf und Schwein, reicht auch beim Menschen der Auswuchs des Kloakenpfropfes, die Lame urethrale, durch die ganze Länge des Genitalhöckers (Embryo 24 mm). In strikter Anlehnung an die hergebrachte Ansicht meiut TOURNEUX, sie spalte sich schritt- weise nach vorwärts, bis am Beginne des dritten Monats eine Rinne (gouttiere) über den ganzen Genitalhöcker, ausgenommen den Eichel- teil, reiche. Sie schließe sich bei männlichen Embryonen von 46,6 mm von hinten, d. h. vom Damme her und der Verschluß schreite so lebhaft fort, daß bei Embryonen von 55,7 mm nur eine kurze Längs- spalte nahe der Glans zu sehen sei. In der Eichel selbst reicht die solide Urethrallamelle bis zum Gipfel. Während des dritten Monats werde auch dieser Abschnitt in eine Rinne verwandelt und später ge- schlossen als Eichelabschnitt des Penisrohres. Bei weiblichen Em- bryonen verwachsen die Ränder der Spalte nicht, sie dauern als kleine Schamlippen. Der solide bis zur Klitorisspitze reichende Teil der Urethrallamelle werde später rinnenförmig und seine Ränder bleiben auch zeitlebens getrennt. TOURNEUX, der erste die modernen technischen Mittel verwen- dende Forscher, hat also alle Beobachtungen gemacht, welche hin- reichten, die alte Ansicht RATHKES über den Haufen zu werfen. Er hat an einem lückenlosen Materiale (Schafembryonen von 7,5, 10, 11, 14, 15,5, 18, 23, 25, 28, 30, 32, 38, 45 mm Größe) alle wichtigen Momente so exakt beobachtet, daß unsre neuen, von ihm unabhängig geführten Untersuchungen seine Gründlichkeit in ebenso glänzendes Licht stellen, wie seinen Scharfsinn; denn er hat die Bedeutung seiner Funde richtig bemessen und die Unhaltbarkeit der landläufigen Lehre zum größten Teile klar erkannt. Anscheinend aber scheute er sich, den Protest der Tatsachen so scharf in Worten zu präzisieren, wie es eigentlich notwendig gewesen wäre, damit jedermann den prinzipiellen, durch TOURNEUx angebahnten Fortschritt verstanden hätte. Er sprach leider nur so nebenbei die Unrichtigkeit der RAaTakeschen Lehre aus und beschränkte sich darauf, seine Wahr- nehmungen an den Serienschnitten objektiv anzuzeigen. Seine zurück- haltende Art der Darstellung war nicht geeignet, die Herrschaft der bereits zu einem Dogma verknöcherten Lehre zu brechen. TOurNEUX’ Worte verhallten in den Wind. Während weiterer 15 Jahre bemühten sich seine Nachfolger, den Befund der Schnittbilder so zu deuten, daß die Lehre RArHkeEs immer noch zutreffend erschien. Dadurch 70 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. wurde die ganze Frage von neuem verwirrt und die Definition der morphologischen Grundbegriffe so unklar, daß man heute kaum sagen kann, was unter Kloake usw. zu verstehen sei. Den beklagenswerten Rückschritt verschuldete schon die nächste Arbeit eines Schülers von M. DuvarL, des französischen Gelehrten E. RETTERER (11), welcher den theoretischen Grundgedanken RATHKES pedantisch für alle analen Nachbarorgane generalisierte und als eifriger Verfechter der Behauptung auftrat, die meisten Gebilde der Aftergegend seien paarig angelegt und würden erst durch Verwachsung unpaar. Infolgedessen sah RETTERER die Präparate nicht in ihrer natürlichen Einfachheit, sondern durch die Brille einer vorgefaßten Meinung. Obwohl seine Abbildungen von Schnitten durch Schaf-, Sehwein-, Kaninchenembryonen mit den Figuren von TourNEux als auch unsern Präparaten durchaus übereinstimmen, las er direkt ent- gegengesetzte, ganz haltlose und die späteren Forscher zum Irrtume verführende Gedanken aus ihnen ab. Schon seine Deutung des Kloakenpfropfes entfernte sich weit von der sieheren Grenze der Beobachtung. TOURNEUX hatte die Herkunft des Bouchon eloacale mangels zureichenden Untersuchungsmaterials dahingestellt gelassen. RETTERER dagegen faßte ihn als ektodermales Produkt auf, welches durch Einsenkung einer Ektodermgrube und deren Verwachsung mit der entodermalen Kloake gebildet worden sein soll. Jedoch hat er keinen positiven Beweis für die rasche Behauptung erbracht. Ferner verschloß sich RETTERER der Erkenntnis, daß die Ent- deckung des Kloakenpfropfes (gleichbedeutend mit der Uralplatte meiner Nomenklatur) die durch RATHkE aufgestellte Lehre von der offenen Kloakenmündung endgültig widerlegt hat. Anstatt die auch von ihm Konstatierte Tatsache, daß die Kloake kleiner Embryonen des Schafes, Schweines und Kaninchens durch den Kloakenpfropf nach außen abgesperrt ist, nüchtern auszusprechen, erklärte er die epitheliale Verschlußplatte als einen soliden Gang (Conduit eloacale) und verirste sich sogar zu dem Satze: die Kloakenhöhle öffne sich nach außen nicht durch einen Spalt, sondern durch einen soliden Gang. Man kann nun wohl versuchen, diese Contradietio in adjeeto durch den Hinweis darauf zu mildern, daß die Epithelplatte des sog. Kloakenganges später eine Lichtung bekomme, wie viele andre an- fangs solid auftretende Hohlorgane des Tierkörpers. Aber mir scheint es in dem speziellen Falle eher geboten, den soliden Charakter des Kloakenpfropfes s. Uralplatte zu betonen, um den Widerspruch der Beobachtung zu der älteren Lehrmeinung in Worten scharf auszuprägen. VII. Historisch kritische Betrachtungen. 71 In Konsequenz der falschen Deutung schloß RETTERER sogar, der Genitalhöcker sei durch Verschmelzung paariger Falten entstanden. Wie sollte sonst die ektodermale Doppelplatte des Bouchon eloacale s. Conduit cloacal in den Genitalhöcker gekommen sein, wenn nicht vorher paarige ektodermale Höckerchen vorhanden gewesen wären, welche zusammenrückten und ihre mediane Epitheldecke verklebten ? Was die Entstehung des Rektums und des Canalis urogenitalis betrifft, so suchte RETTERER die Lehre RATHKES gegen die Einwände von TOURNEUX zu verteidigen. Er ist vollkommen von der Richtig- keit der noch heute herrschenden Ansicht überzeugt und bemüht sich nachzuweisen, daß die Kloake durch zwei seitliche Falten ge- teilt werde, welche von der Kloakenwand gegen die Mittellinie vor- wachsen und miteinander verschmelzen sollen, etwa so, wie sich die Medullarwülste vereinigen, so daß die ganze vordere, d. h. ventrale Wand des Rektums durch die Naht der seitlichen Kloakenfalten ge- schaffen würde. Mit den negativen Befunden von TOURNEUX und der oben berichteten Untersuchungen vertraut fragen wir, woher RETTERER das Recht nahm, die angefochtene Ansicht von neuem zu vertreten. Die Antwort wird durch die genaue Analyse seiner Ab- handlung gegeben: RETTERER hat mit dem Worte: »Falte« un- berechtigten Mißbrauch getrieben. In seiner Abhandlung kom- men nicht weniger als sechs Bezeichnungen solcher Falten vor: Lames on replis cloacaux lateraux, pli cloacal lateral de RATHKE, repli cloacal moyen, repli pr&anal, replis ano-genitaux, repli postanal und werden als die Ursache der Kloakenteilung hingestellt. Diese Falten sind aber keine Falten im Sinne RArHkes, welcher unter der ungeprüften Voraussetzung, die Kloake der Säugerembryonen besitze eine deutliche Höhlung, geglaubt hatte, Falten der seitlichen Wand sowie des Trennungswinkels zwischen Enddarm und Allantois (s. oben S. 61) schöben sich in die Kloakenhöhle vor, um diese in zwei gesonderte Kanäle zu zerlegen; denn gegen diese Auffassung hatten die Präparate von TOURNEUX und RETTERER gelehrt, daß die Kloake ein ganz unbedeutendes Lumen besitzt und durch eine solide Epithelplatte von der Oberfläche des Kloakenhöckers getrennt ist. Es war also schon im Jahre 1890 gar keine exakte Möglichkeit mehr gegeben, die theoretische Vorstellung RATHkESs ernstlich festzuhalten. Um sich aus dieser Schwierigkeit zu retten, nannte RETTERER die Mesodermmassen, welche im Körper des Kloakenhöckers und symmetrisch zu beiden Seiten der soliden Uralplatte liegen, wider alle Logik die Lames ou replis lateraux du eloaque. Das war ein 73 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. folgenschwerer Irrtum, aus ihm entspringen alle weiteren Mißver- ständnisse; denn die replis lateraux sind undifferenziertes Mesoderm der Afterlippe, woraus ganz verschiedenartige anato- mische Bestandteile der Uralregion hervorgehen. RETTERER schiebt die folgenden Vorgänge auf die Veränderung der Lames cloacaux. Sie dehnen sich längs der Seitenflächen des sog. Kloakenganges (d. i. die solide Uralplatte) bis an das Ektoderm des Kloakenhöckers und bilden nach seiner Ansicht bald je eine niedrige Längsleiste gegen die epitheliale Anlage, pli eloacal lateral de RAruKkE. Was man unter diesem Namen verstehen soll, erläutert Textfigur 6. Sie ist die Kopie eines Schnittes aus einer Schnittserie durch einen Schweineembryo von 10mm Größe, den RETTERER zur Illustration seiner Darstellung beigegeben hat (Pl. V, Fig. 13). Der Schnitt ist durch den hohlen (ce?) und so- liden Teil (cc) der Kloake geführt Fig. 6. r pmel mel cc Quersehnitt durch die Kloake eines Schweine- embryos von 10 mm (30/1). Nach RETTERER, Journ. d’anat. et phys. 1890. Pl.5 fig. 13. cc Conduit eloacal, cl Kloake, cw Wourrscher Gang, r Rektum, pmel seitliche Falten der Kloake (Rarugzsche Falten), rel replis cloacaux. und hat die Mündung der WoLFF- schen Gänge und des Darmes ge- troffen. Wenn man das Bild oberflächlich beschreiben will, er- scheint das Lumen der Kloake gleich einer dreizinkigen Gabel, zwischen deren Dorsalhörnern zwei solide Mesodermfalten (pmel) hin- einragen. RETTERER definierte sie als RATHKEsche Falten, ohne sich Rechenschaft zu geben, daß er gar keine Falten beobachtete. Denn wenn man ordentlich über das Schnittbild, sowie über das Aussehen der benachbarten Schnitte nachdenkt, erkennt man, daß die Masse der fälschlich als Rarukesche Falte gedeuteten Zone bloß Mesoderm ist, das die epitheliale Anlage des Darmes (r) und der WoLrFschen Gänge (cw) gemeinsam umhüllt. Wo die Mündung der drei Kanäle liegt, ist die dorsale Wand der Kloake zu suchen. Das wäre an dem Schnitte (Fig. 6) die freie gegen das Kloakenlumen gekehrte Epithelfläche der scheinbaren Falten pmel. Die darüber liegenden Mesodermzellen, d. h. der eigentliche Körper der Pseudofalte sind unter gar keinen Umständen Falten der Kloakenwand, sondern noch indifferentes Stützgewebe, aus welchem später die bindegewebig muskulöse Hülle teils des Darmes, teils der Wourrschen Gänge, teils des Sinus urogenitalis hervorgehen wird. VII. Historisch kritische Betrachtungen. 73 Ich halte es nicht für notwendig, den Irrtum noch eingehender zu erörtern, weil jeder Forscher auf mikroskopisch-anatomischem Ge- biete fortwährend in der Lage ist, sich vor der gleichen Täuschung zu bewahren, mag er nun die Einmündung der WoLrrschen Gänge in die Kloake oder Gabelungsstellen von Blutgefäßen und Drüsen- gängen oder die Entwicklung des Bronchialbaumes der Lunge u. a. studieren. RETTERER aber hat seinen Fehler nicht bemerkt, sondern ihn bei der Beschreibung andrer Schnittserien wiederholt und an- dre mesodermale Zonen kurzweg Falten oder Verwachsungsprodukte von paarigen Falten genannt. Seine Befangenheit ließ ihn eben überall die Trennungsfalten wiederfinden, wo der nüchterne Sinn Fig 7. Fig. 8. Querschnitt durch die Kloake eines Kaninchen- Querschnitt durch die Kloakengegend eines embryos von 14 Tagen. (27/1.) Nach RertErer, Kaninchenembryos von 14 Tagen. (27/1.) Nach Journ. d’anat. et phys. 1890. Pl. 5 fig. 26. RETTERER, Journ. d’anat. et phys. 1890. pmel Ratakesche Falte, » Rektum, sw Sinus Pl. 5 fig. 27. urogenitalis. r Rektum, sw Sinus urogenitalis, «re repli eloacal moyen on cloison urethrorectale. überhaupt nichts von Falten gewahrt. Ich kopiere in Textfigur 7 und 8 zwei Schnittbilder aus einer Serie durch einen Kaninchen- ‚embryo von 14 Tagen, in welchen pme? die Ratukeschen Falten und ure die durch deren Verwachsung entstandene Scheidewand gegen den Sinus urogenitalis bedeuten soll. Die Auffassung ist jedoch ganz falsch. Der Schnitt (Fig. 7) geht durch das Urodäum, dessen Pars analis schon nahe an das Afterdammfeld der Afterlippe ge- schoben ist, wie beim Schaf von 1,9 cm Größe. Infolge seiner schrä- gen Richtung hat er die Uralhöhle, ein Stück der soliden Uralplatte und den Darm getroffen, aber keine RAtnHkesche Falten. Der andre Schnitt (Fig. 8) liegt in einem etwas höheren Niveau, wo Sinus uro- genitalis und Rektum getrennt übereinander ziehen. Er bietet nach meiner Ansicht keinen Grund für die Annahme, das zwischen den entodermalen Anlagen beider eingekeilte Mesoderm (wre) sei durch Verschmelzung lateraler Falten entstanden (11, $. 146: est precedee et accompagnee du rapprochement et de la sou- dure des lames laterales du conduit eloacale). Angesichts der beiden Figuren frage ich, mit welchem Rechte wird ein nicht 74 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten besonders differenzierter Teeil des die Uralanlage umhüllenden Meso- derms als RArHukesche Falte bezeichnet, und ferner, wo ist der Be- weis, daß laterale Mesodermlagen wirklich zu der ure bezeichneten Zone (der Cloison urethro-rectale) verwachsen sind? Wir sehen an den Serienschnitten doch nur die Existenz von Mesodermzellen in dem Raum zwischen den beiden entodermalen Anlagen. Wenn RETTERER kurz- weg erklärt, sie müssen durch Verwachsung dorthin gekommen sein, so dürfen wir seiner Ansicht erst beipflichten, nachdem er den Ver- schmelzungsvorgang wirklich demonstriert hat; denn so einleuchtend seine Behauptung auch klingt, der gefällige Gedanke gleicht den Mangel der Beobachtung nicht aus, um so weniger, als weder RETTERER noch irgend einer der späteren Untersucher die Verwach- sung direkt gesehen hat. Das ist ein Kardinalpunkt des Streites. Wir alle sind durch das RATHkesche Dogma in der Idee der Falten- verwachsung erzogen, obwohl niemand den Vorgang mit derselben Deutlichkeit, wie etwa die Verwachsung der Amnion- oder Medullar- falten, nachgewiesen hat. Die vorgefaßte Meinung verleitet uns, die Schnittbilder durch jene Zone der Uralregion, wo Darm und Sinus urogenitalis dorsoventral übereinander liegen, als Beweise des ver- muteten Vorgangs hinzunehmen, und wir bedenken gar nicht, daß seit sehr früher Embryonalzeit ein medianer Mesodermkeil zwischen Darm und Allantoiswurzel besteht. Ich hoffe, meine Überlegungen werden jetzt die Sicherheit dieser Denkweise erschüttern. Übrigens bezeugen die Figg. 7, 8 und besonders Fig. 9, daß der Begriff: »RATHKEsche Falte« (pli cloacal lateral de RATHRE) von RETTERER in einem andern Sinne gebraucht wird, als von RATHKE selbst. Letzterer verstand darunter “ (siehe oben S. 61) zwei Falten, Querschnitt durch den Kloakenhöcker eines welehe von den beiden Seitenwän- Kaninchenembryos von 15 Tagen. Nach RErTErkr, . Journ, d’anat. et phys. 1890. Pl. 6 fig. 29. den der Kloake, d. h. dem Epithel lu Lame uro-genitale. pmel Raruxesche Falte.e und Bindegewebe, geschlagen werden; Falten, welche in die Höhle der Kloake einragen und mit der vorderen Winkelfalte zusam- mentreffen, daß eine einzige Falte die kegelförmige Höhle der Kloake völlig durehschneidet und eine doppelte Scheidewand zwischen den beiden Hälften dieser Kloakenhöhle herstellt. Da diese Definition mit den 1890 bekannten Tatsachen durchaus nicht in Einklang zu VID. Historisch kritische Betrachtungen. 75 bringen war, hat RETTERER den Begriff umgeändert. Er strich von den Merkmalen desselben 1) die kegelförmige Kloakenhöhle, 2) das Einragen paariger Falten in die hohle Kloake, 3) das Zusammen- treffen der Seitenfalten mit der vorderen Winkelfalte, 4) die Kloaken- teilung durch die einzige Falte, d. h. er hob, gezwungen durch die objektiven Befunde den ganzen Begriff der Rarıkeschen Falten auf, so daß nichts als der Terminus selbst noch übrig blieb, und dann ver- wendete er das inhaltslose Wort zur Bezeichnung einer kleinen Un- ebenheit der die Epithelanlage des Urodäums umschließenden Me- sodermhülle, welche selbst wieder »seitliche Kloakenfalten, Lames ou replis eloacaux lateraux« genannt wurde. (11, S. 147): »On peut re- garder l’&minence cloacale comme constituee, dans le sens trans- versal, par deux lames ou replis eloacaux, qui se rejoignent en avant et en arriere. De plus, leur face interne pro&mine de haut en bas vers la partie moyenne de la cavit& et du conduit cloacal, en for- mant les deux plis lat&raux du eloaque, aboutissant par leur reunion sur la ligne mediane ä la formation du repli eloacal moyen ou eloison urethroreetale.«< Hätte RETTERER, statt Schnittbilder zu be- schreiben, einige Rekonstruktionsmodelle angefertigt, so würde er die Haltlosigkeit seiner Deutung sicher eingesehen und die unbe- rechtigte Verwendung des Wortes »Falte« vermieden haben. Unberührt von solchen Erwägungen, wie wir sie soeben anstellten, suchte er auch die Entstehung des Afters und der Genitalpforte nach dem Schema der Faltenverwachsung zu erklären, indem er folgende Ansicht entwickelte: die zu beiden Seiten der Kloake und des Klo- akenganges liegenden Lames cloacales wachsen an der Kloaken- öffnung sehr bedeutend und bilden einen dieken Rand um dieselbe. Gleich den Rarakezschen Falten im Innern nähern sich die Rand- falten (Replis ano-genitaux) allmählich, verschmelzen als rudiment perineal, das den unteren Rand der Cloison urethroreetale vorstellt, und teilen die Kloakenöffnung (Sillon eloacal) in eine vordere Por- tion urethrale und eine kleine, hintere Portion anale. Diese Darstellung wiederholt mit andern Worten und mit um- ständlicher Nomenklatur lediglich die oben (S. 62) zitierte Ansicht RATHKES, begründet sie aber nicht durch sichere Beobachtungen. Wenigstens kann ich aus den Schnittbildern, auf welche sich RETTERER bezieht, keine unbedingte Bestätigung ablesen. _Unsre neuen Studien an Schaf und Schwein haben überdies die alte Mei- nung als unzutreffend erwiesen. Wenn RETTERER für sich das Ver- dienst ansprach (11,S.171), daß seine Studien ihm erlauben, die fünf 76 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phballus der Amnioten. Falten RATHKEs, d. i. die mittlere, zwei seitliche Kloakenfalten, so- wie zwei Hautfalten auf die Lames eloacales zurückzuführen, welche längs der Kloakenhöhle zur Bildung der urethro-rektalen Scheide- wand und außen zur Bildung des Dammrudimentes verschmelzen, so hat er sich einer großen Täuschung hingegeben. Aber seine Auf- fassung fand leider den Beifall der nach ihm arbeitenden deutschen Forscher REICHEL, NAGEL und KEIBEL. Sie ließen sich verführen, die durchaus unbegründete Ansicht von RETTERER-RATHKE als maß- gebend zu betrachten und zwangen manche ganz richtig beobachtete Tatsache in das Schema der alten Lehre ein. Dadurch sind unsre Kenntnisse bloß unsicher und widerspruchsvoll geworden. Mir obliegt jetzt die Pflicht, die Fehler an das Licht zu stellen, um ihre Be- seitigung herbeizuführen. Durch einen zufälligen, klinischen Befund wurde REIcHEL (10a) veranlaßt, die Entwicklungsgeschichte der Dammregion zu verfolgen. Allein er faßte die Frage viel zu eng, weil ihm die Bildungs- geschichte der Kloake ziemlich allgemein anerkannt und erneuter Untersuchung nicht bedürftig schien. Unglückseligerweise standen ihm auch nur drei menschliche Embryonen, einer von Anfang, einer vom Ende der 7. Woche, einer aus der 8. Woche zu Gebote, welche für die Entscheidung des Problems viel zu alt waren. An diesem ungeeigneten Materiale glaubte ReıcHEL festzustellen, daß der Damm durch Verwachsung kleiner paariger, hinter dem After auftretender Analhöcker mit den Genitalfalten entstehe. Fünf Jahre später veröffentlichte REICHEL (105, ec) neue Studien an einem größeren Material von Schweineembryonen (7, 11, 13, 14, 22, 25, 31, 35 mm groß) und von menschlichen Embryonen (18, 20, 38, 44, 55, 63, 65, 70, 90, 110 mm groß). Aber wiederum war dasselbe zu ungünstig, als daß der sorgfältige Forscher, dessen Tüchtigkeit aus jedem Satze seiner Abhandlung hervorleuchtet, sich zu voller Klarheit hätte durchringen können. Dazu gesellte sich leider der Umstand, daß REICHEL, der Darstellung RETTERERS zu sehr ver- trauend, mit dem französischen Forscher die Lehre RATHKEs noch für zutreffend hielt. Wie ToURNEUXx und RETTERER beobachtete REıcHEL die Tat- sache, daß die Kloake eines jungen Schweineembryos von 7 mm Größe nicht offen, sondern hinten durch eine niedrige Aftermembran, weiter vorn durch ein schmales Epithelseptum, wie er meint, ekto- dermalen Ursprungs abgeschlossen ist. Bei einem Sehweineembryo von 11 mm Größe fand er statt der VII. Historisch kritische Betrachtungen. 77 dünnen Aftermembran eine schmale »Ektodermplatte« zwischen der hinteren Kloakenwand und der Körperoberfläche eingefügt. Um den nach seiner Ansicht unrichtigen, eine falsche Formvorstellung erweckenden Ausdruck: Bouchon eloacale, Kloakenpfropf, zu ver- meiden, nannte er sie Kloakenseptum. Er schloß nun (S. 9): die Aftermembran habe sich durch Wucherung ihrer Zellen in das schmale, sagittal stehende Kloakenseptum verwandelt, das genau in der Mittellinie eine große Strecke des äußern Ektoderms mit dem Kloakenepithel verbindet. Aus der Deutung desselben als ektoderma- len Produkts wird RETTERERS Einfluß offenbar; denn Reıcner hat bloß zwei Schweineembryonen von 7 und 11 mm, keine Zwischenstadien, also auch nicht die Bildung des Kloakenseptums gesehen. Er ver- mutet nur, dasselbe sei ektodermalen Ursprungs. An der Kloake sind von jetzt ab zwei Abschnitte zu unter- scheiden: a) das solide Kloakenseptum, b) der hohle vordere Klo- akenteil, mit welchem Darm und Allantois kommunizieren. REICHEL suchte deren Teilung klar zu legen, kam aber zu keinem richtigen Resultate, weil er in der falschen Auffassung von RETTERER befangen war. Bei dem Schweineembryo von 7 mm Länge beschreibt er folgendes (Fig. 10): »Man sieht von der dorsolateralen Fig. 10 Wand der Kloake beiderseits je einen niedri- gen, wallartigen Vorsprung |rf) (die Falten Rathkes) in das Kloakenlumen vorspringen d f und einige Schnitte weiter kopfwärts ganz auf die Dorsalwand übergehen. Dadurch erhält der Querschnitt der Kloake ungefähr die Form eines gleichschenkeligen Dreiecks, dessen schmale dorsale Basis durch die bei- den Wülste in drei rinnenförmige Halb- Q kanäle vertieft wird. Die freien Ränder uerschnitt durch die Kloake der dorsalen Vorsprünge haben sich auf eines Schweineembryos, 7 mm dem 87. Schnitte an die Seitenwand der ER ey ERBE, Kloake angelegt, so daß die beiden Seiten- 4 Darm, rf Rarnwesche Falte, su Sinus urogenitalis. su rinnen sich in völlig geschlossene Kanäle, die Wolffschen Gänge, umgeformt haben und nur noch die me- diane Rinne existiert.« Die zur Illustration dieser Sätze beigegebene Figur (Textfigur 10) zeigt, daß REICHEL mit RETTERER den Fehler beging, das Relief der dor- salen Kloakenwand um die Mündung der Wourrschen Gänge und des 78 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Enddarmes so zu deuten, als seien wirkliche Trennungsfalten vorhan- den. Das war aber aus den oben (S. 72, 73) angeführten Gründen falsch. Bei dem Schweineembryo von 11 mm Länge beschreibt REıcHEL wiederum nach den Quersehnitten (Fig. 11a—c) eine zwischen zwei Falten (Ratukesche Falten rf) liegende Fig. 11a, b, e. Halbrinne (d) der dorsalen Kloakenwand mit T dem Bemerken, wenig höher vereinigen d u sich die RATHkeschen Falten über der dor- salen Halbrinne und schließen sie zum ; Darmkanal (Fig. 11e). Die Beobachtungen an den beiden Schnitt- dl); T serien durch Schweineembryonen von 7 und b u 11 mm Länge faßt er hierauf in folgender Vorstellung zusammen: c »Die Rathkeschen Falten an der Sei- tenrückwand der Kloake sind tiefer herab- d % i Rd) rf getreten und haben sich mit ihren freien Rändern auf einer lüngeren Strecke ver- einigt.« eier ee Ban Die genaue Analyse der sachlichen Be- ende eines Schweineembryos von obachtungen REICHELSs, die ich soeben vor- 11mm Länge. Nach REIcCHEL, > ’ Würzburg. Verh. xxvır. Ba. geführt habe, zeigt jedoch, daß REICHEL & a SEN den Prozeß der Vereinigung nicht s Kloakenseptum, sw Sinus wirklich gesehen hat. Er beschrieb bloß Rat die Quersehnittsbilder von zwei Schweine- embryonen in einer stilistischen Fassung, welche bei manchem Leser seiner Abhandlung den Eindruck erwecken konnte, als wohne er wirk- lich einem Verwachsungsprozesse bei. REICHEL selbst hat sich freilich von diesem Irrtume frei gehalten. Er betont oft genug, er entwerfe lediglich ein Gedankenbild der stattfindenden Vorgänge, indem er die Querschnitte eines jüngeren Schweineembryos von 7 mm Länge mit den Querschnitten eines Schweineembryos von 11 (und 13) mm Länge im geistigen Bilde zu verknüpfen suche, um den späteren Zustand aus dem jüngeren abzuleiten. In der Detailbeschreibung der Querschnittserie durch einen Schweineembryo von 13 mm ist von den RarHkzschen Falten nicht mehr die Rede, weil die Beschaffenheit der Kloake ganz anders ist als bei den beiden jüngeren Embryonen. Sehr richtig schildert REICHEL den objektiven Befund nach einem Rekonstruktionsmodelle (Fig. 12), wie folgt (105 S. 11): VII. Historisch kritische Betrachtungen. 79 »Die eigentliche Kloake hat sich wesentlich durch Tiefertreten der Scheidewand zwischen ihrem Blasen- und Darmteile verkleinert und verengt. Sie bildet nur noch einen trichterförmigen engen Kanal, den Kloakengang, der das untere Mastdarmende mit dem Blasenteile verbindet.« Aber das Gedankenbild, welches Fig. 12. zwei Seiten später (105 S. 13) ent- worfen wird, um die Befunde beim 11 und 13 mm großen Embryo zu ver- binden, klingt ganz anders. Es lautet: »Die Rathkeschen Falten haben an Masse bedeutend zugenommen und sind unter stets fortschreitender Ver- wachsung ihrer freien Ränder stark nach unten bis nahe an den Boden der Kloake herabgerückt. Durch ihre Medianschnitt durch das Schwanzende . eines Schweineembryos von 13 mm Länge, Massenzunahme ist sowohl der Kloa- N Be yarcinre, Vor kenrest als der frühere vordere XXVII. Bd. Taf. 4 Fig. 3a. , 7 a Allantois, d Darm, g Kloakengang, Hauptteil der Kloake sehr ver engt, h Genitalhöcker, s Kloakenseptum, letzterer sogar ventralwärts gedrängt.« su Sinus urogenitalis. Ein aufmerksamer Leser wird sofort einsehen, daß hier mit Un- recht von den RAarukeschen Falten die Rede ist, weder ihre Massen- zunahme, noch die Verwachsung ihrer freien Ränder, noch das Herabrücken an den Boden der Kloake ist durch Beobachtung sicher- gestellt. Da auch an den vorher besprochenen zwei jüngeren Schweine- embryonen das Wachstum der Rarnukzschen Falten nicht eigentlich konstatiert wurde, so darf ich behaupten, REICHELSs Gesamtan- sicht von der Kloakenteilung ist eine bloße theoretische Kombination. Aus den Belegpräparaten muß niemand mit zwin- gender Notwendigkeit das REICHEL gefallende Gedankenbild ablesen. Mir scheint nur das festzustehen, daß einige Einzelheiten der Schnitt- bilder Rarukesche Falten genannt wurden. Aber diese Bezeichnung ist gar nicht zu rechtfertigen, weil, wie oben ausgeführt, RATHKE selbst etwas ganz andres unter der dreieinigen Trennungsfalte ver- standen hatte. Die Erkenntnis der nachfolgenden Erscheinungen wurde REICHEL durch eine große Lücke seines Materials unmöglich gemacht. Nach einem Embryo von 14 mm mußte er gleich einen Schweineembryo von 22 mm mit ziemlich stark entwickeltem Genitalhöcker beschrei- ben. Die Untersuchung der Querschnitte ergab (105 $. 14): 80 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. »Der Mastdarm und das hinterste Ende des Kloakenganges münden frei nach außen; doch sind beide durch eine 0,045 mm dünne Gewebsbrücke voneinander getrennt. Diese Brücke ist die erste Anlage eines zur Zeit freilich noch sehr kurzen Dammes.« Aus der Beschreibung erhellt nach meinem Urteile, daß die Kloake dieses Embryos schon getrennt ist, daher das Studium der Querschnitte keinen Aufschluß über den Trennungsvorgang selbst gewähren kann. REICHEL aber hat mangels der Zwischenstadien den älteren Embryo als Grundlage benutzt, um ein Gedankenbild der Damm- und Afterbildung zu entwerfen, das von vornherein un- richtig werden mußte, weil ihm die Kenntnis der zwischen 14 und 22 mm Körperlänge erfolgenden Veränderungen fehlte. Zu diesem Zweck hob REıcHEL folgende Einzelheiten hervor (105 S. 14—15): »Die Darmöffnung sowie die Mündung des Kloakenganges liegen nicht ganz oberflächlich, sondern in der Tiefe einer medianen, ziemlich breiten, von mehrschichtigen Plattenepithel deutlich ekto- dermalen Charakters ausgekleidetem Furche, welche sich nach hinten zu beiden Seiten der Darmöffnung fortsetzt. Hier erheben sich ihre Wünde am höchsten, um die beim Menschen schon früher von ihm beschriebenen Analhöcker nach hinten und außen von der After- öffnung zu bilden. Nach vorn zu, d.h. nach dem Genitalhöcker, verflachen sie sich und gehen, während die Furche sich gleichzeitig verengt, in die Ränder der Genitalrinne über.« REICHEL leitete nun aus der Betrachtung der Querschnittserie folgende Kombination ab: Nachdem das Lumen der Kloake bis auf den feinen Längsspalt des Kloakenganges eingeengt ist (Fig. 12) und andrerseits das Kloakenseptum die ganze Länge des Genitalhöckers durchwachsen hat, entstehe im Kloakenseptum der Kloakenspalt, d.h. eine einfache schmale Öffnung der Kloake an der Haut, indem die Zellen dieses Septums in zwei Reihen auseinander weichen. Da- mit tritt REICHEL für die alte Angabe RATHKEs ein (siehe oben S. 59), welche TOouURNEUX und RETTERER bereits widerlegt hatten. Zur Beurteilung seiner Parteinahme ist jedoch wohl zu beachten, daß ReıcHeL die einfache Kloakenöffnung bei dem Schweine- embryo von 22? mm Länge gar nicht gesehen hat, daß er viel- mehr den After und die Urogenitalöffnung frei nach außen mündend gefunden hatte. REıcHEL fährt so fort: Die Eröffnung des Kloakenseptums er- folge von hinten nach vorn. Gleichzeitig erhebe sich zu beiden Seiten des Kloakenseptums das Gewebe wallartig, daß eine oberflächliehe VII. Historisch kritische Betrachtungen. 81 mediane Furche entstehe, welche er Dammfurche nennt. Ehe aber die Dedoublierung durch die. ganze Dicke des Septums vollendet sei, wachsen die Wände der Dammfurche stark über das Niveau der Rinne vor, schmiegen sich aneinander und verschmelzen zum Damme. Also laufen jetzt zwei Prozesse synchronisch ab. Vor dem After schaffe die verwachsende Dammfurche den Damm und am Genitalhöcker schreite die Spaltung des Kloakenseptums immer weiter spitzenwärts, bis durch das Auseinanderweichen seiner dop- pelten Zellschicht eine ventral vom Damme ziehende Genitalrinne gebildet sei. Durch diese Kombination führte REICHEL den neuen Begriff der Dammfurche in die Diskussion ein, der von seinen Vorgängern nicht gebraucht worden war. Derselbe erschien ihm so wichtig, daß er am Schlusse seiner Abhandlung (105 S. 40), um Irrtümern vorzubeugen, nochmals hervorhob: »Die Dammfurche ist nicht ohne weiteres mit dem Kloaken- spalt zu identifizieren. Letzterer entspricht eigentlich nur der a BERNER durch Entfaltung des Kloaken- septum entstandenen Genital- rinne, die Dammfurche hingegen ist oberflächlicher gelegen und a durch Überwuchern der Nach- b d bargewebe über das Niveau der a Mündung der Genitalrinne ent- Fig. 13a, b, c. standen.« Meine Beobachtungen be- rechtigen mich, den Begriff der s Dammfurche bei Schwein und Schaf mit Sicherheit auszu- schließen. Die von REICHEL angeführten Belege sind zudem außerordentlich spärlich Er gibt Schnitte durch einen 22 mm langen Schweine- N embryo. bloß Konturzeichnungen von einem a Mündung des Mastdarmes, 5 Schnitt un- hni d h die Mü d mittelbar vor der Aftermündung, c Schnitt durch Querschnitt durch »die Mündung gen hinteren Abschnitt des eben in der Entfal- des Mastdarmes« (Fig. 13 a) ,‚ von tung zur Genitalrinne begriffenen Kloakenseptum. ’ . . Nach Reıcner, Würzburger Verh. XXVII. Bd. einem Schnitt »unmittelbar vor Taf. 4 Fig. Sa, by c. der Afteröffnung« (Fig. 13) und a After, d Damm, f Dammfurche, g Kloaken- gang, m Darm, r Genitalrinne, s Kloaken- von einem dritten Schnitt »durch septum. Morpholog. Jahrbuch. 32. 6 82 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. den hinteren Abschnitt des eben in der Entfaltung zur Genitalrinne begriffenen Kloakenseptums (Fig. 13c). Im Zusammenhalte mit unsern Serienschnitten (Taf. II Fig. 15) entnehme ich aus diesen Figuren, daß REICHEL Schnitte durch den hinteren Rand des Uralspaltes bei dem Schweineembryo von 22 mm, der wahrscheinlich weiblichen Ge- schlechts war, für einen Schnitt durch die Dammfurche gehalten hat. Denn weil der Uralspalt triehterförmig in den Sinus urogenitalis führt, müssen Schnitte durch seinen Dorsalrand nahe dem Damme das Bild der Textfigur 125 geben. Noch deutlicher aber ist der Irrtum an Fig. 12c zu erkennen; hier hat REICHEL nichts weiter als den Uralspalt selbst gefundem und mit sehr gezwungener Deutung in das Lumen der Dammfurche (f) und Genitalrinne (g) zerlegt. Aus einer andern Stelle, wo REICHEL die äußern Genitalien zweier menschlicher Embryonen von 18 und 20 mm Länge beschreibt, scheint es mir ganz klar hervorzugehen, daß er wirklich nur die Uralpforte falsch gedeutet hat: » Wie beim Schweineembryo 4 (14 mm Länge) müssen wir auch hier von dem Kloakenspalt einen oberflächlicheren breiteren Teil, die Dammfurche, und einen tieferen engeren, die eigentliche Genital- rinne unterscheiden« (105 8. 23). »Erstere läßt sich bis hinter die Aftergegend verfolgen, nach vorn nimmt sie an Breite und Tiefe stetig ab. Die Gemitalrinne ist ganz geöffnet nur in ihrem hinteren, vor dem Mastdarm gelegenen Abschnitt, weiter vorn ist das Kloaken- septum erst teilweise entfaltet.« Ganz absehend von der unbestimmten Beschreibung will ich hier nur darauf hinweisen, daß es eine unglückliche Idee REICHELS war, an dem Lumen eines Mündungsspaltes zwei Abschnitte nach ihrer Weite zu unterscheiden; denn woher soll man Anhaltspunkte nehmen, um die Lichtung einer oberflächlichen Furche und der da- mit direkt zusammenhängenden tieferen Rinne sicher zu diagnosti- zieren? (Fig. 13c). | ReicHerL behauptet (108 S. 15) freilich ganz bestimmt: »Durch Verwachsung der Wände der Dammfurche, nicht — wie Tourneux angibt — durch Tiefertreten des Septum Douglasi, entsteht der Damm.« Aber beobachtet hat er die Verwachsung nicht. Er hat bloß folgendes gesehen: 1) » Beim 6. Schweineembryo von 25 mm Größe ist hinter der ziemlich langen Genitalrinne der Damm auf eine kurze Strecke — VII. Historisch kritische Betrachtungen. s3 REICHEL schreibt — bereits geschlossen — objektiv würde man schreiben — vorhanden« (105 8. 17). 2) »Bei Schweineembryonen von 30—31 mm Lünge ist der Damm bereits etwas nach vorn gewachsen« (105 S. 18). 3) »Bei einem männlichen Schweineembryo von 35 mm Länge zieht eine leistenförmig vorspringende Raphe von der Harnröhren- mündung median bis zum After, zu dessen beiden Seiten zwei niedrige, wallartige Analhöcker vorspringen« (105 8. 19). 4) »Bei einer menschlichen Frucht von 29 mm Lünge ist die quere Afterspalte von einem Walle umgeben, dessen hinterer Ab- schnitt beträchtlich höher ist, als der vordere. Eine quere Furche scheidet den umgebenden Wall vom Schwanzhöcker ; sein vorderer weit niedrigerer Rand bildet die Scheidewand gegen die Genital- rinne, also die erste Anlage des Dammes. Eine mediane seichte Furche zieht über den vorderen wie hinteren Rand dieser Um- wallung und teilt dadurch letzteren in zwei höckerartige Erhebungen, die früher beschriebenen Analhöcker. Es entspricht diese Furche der schon im vorigen Stadium erkennbaren Dammfurche. Lediglich aus einer hinter dem Afterspalt besonders starken Erhebung ihrer Wände sind die Analhöckerchen hervorgegangen« (105 S. 26). ö) »Bei einer männlichen Frucht von 38 mm Lünge ist der Damm noch recht kurz« (105 S. 28). Nach meinem Urteile gewähren diese Beobachtungen kein Recht die Existenz einer Dammfurche und die Verwachsung ihrer Wände zum Damme zu behaupten. Über die Genitalrinne wird nichts Neues berichtet. Reıcneu schließt sich der Verwachsungstheorie von TIEDEMANN vollkom- men an. Nachdem ich den Mangel exakter Begründung für die wichtig- sten Ansichten Reıcnets gezeigt habe, will ich zur Entschuldigung des tüchtigen Mannes ausdrücklich hervorheben, daß seine Be- mühungen unbedingt scheitern mußten, weil Schweineembryonen, wie oben (S. 41) gezeigt wurde, durchaus ungünstig für die Er- kenntnis der wesentlichen Vorgänge sind, und weil große Lücken des Untersuchungsmaterials vorhanden waren, welche sich auch durch kluge Spekulation nicht ergänzen ließen. W. NAGEL hat in seinem ersten Beitrage (8 5, 1889. $. 375) zur Entwicklung des menschlichen Urogenitalsystems das äußere Relief der Dammgegend beiläufig berührt und die Hauptzüge der 6* 84 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. TIEDEMAnNNschen Ansicht als allgemein gebilligte Lehrmeinung wieder- holt, um einige kleine Korrekturen anzubringen. Drei Jahre später (1892, 8c) ergriff er auf Grund eigner Beobachtungen von neuem das Wort zu dieser Frage. Allein die Unvollständigkeit seines Ma- terials an menschlichen Embryonen verbot ihm den richtigen Ein- blick in die komplizierten Vorgänge. Wie er ausdrücklich hervor- hebt, war es ihm nicht vergönnt, die innere Trennung der Kloake zu verfolgen. So beschränkte er sich auf die Besprechung der Vor- gänge an der Hautoberfläche. Leider gründete er seine theoretische Auffassung auf Sagittalschnitte durch einen viel zu alten weiblichen Embryo von 19 mm Länge. Er glaubte bei demselben eine längs- ovale Kloakengrube gefunden zu haben, welche von der Basis des Steißhöckers bis zur Spitze des Geschlechtshöckers reichte. Sie be- sitze verdiekte Ränder, sei etwa in der Mitte am tiefsten und werde bis zur Spitze des Geschlechtshöckers allmählich flacher und enger. Wenn man die Verhältnisse beim Erwachsenen zum Vergleiche her- anziehe, würde sie vom hinteren Rande des Afters bis zum vorderen Rand der Urethralmündung reichen. In diese äußere Kloakengrube münden hinten der Darm, vor diesem der Canalis urogenitalis. Zwischen beiden liege ein 0,3 mm dickes Septum. Vom Standpunkte der heutigen Kenntnisse läßt sich NAGELS ganz an RATHKE anschließende Ansicht leicht kritisieren; denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Embryo, auf dessen Längs- schnitt sich NAGEL stützt, gar keine Kloake mehr besitzt. Bei ihm ist die Teilung des Urodäums sowie die Bildung des Afters, der Urogenitalspalte und des 0,3 mm dieken Dammes bereits vollendet. Die als Kloakengrube beschriebene Bildung ist keine wirkliche Grube, sondern bloß auf dem Schnittbilde als solehe vorgetäuscht, weil bei Weibchen, wie auch mir aufgefallen ist, der Damm oft konkav ge- wölbt ist. Wenn die Grundlage der Nageuschen Arbeit unzureichend ist, so sind auch alle weiteren Schlußfolgerungen hinfällig, die sich übrigens genau der Vorstellung von RATHKE anschließen. NAGEL meint, der Damm entstehe durch Zusammenwachsen der Seitenwände des hinteren Abschnittes der Kloakengrube, deren übriger Teil den Geschlechtsspalt bildet. Dieser bleibe bei den Weibehen offen, bei den Männchen verwachse er als kavernöser Abschnitt der Harnröhre. Diesem Gedankenbilde ist NAGEL treu geblieben. Er hat es im Jahre 1896 (8e) energisch gegen KEIBEL verteidigt und neuerdings noch im Lehrbuche der Anatomie des Menschen, herausgegeben von VII. Historisch kritische Betrachtungen. 35 K. BARDELEBEN (8 f) wiederholt. Aber wie ich durch briefliche Mit- teilung weiß, pflichtet NAGEL jetzt meiner Ansicht bei. Den nachhaltigen Einfluß Rarukes bezeugt auch das Referat Borns (1) in MERKEL-BONNETSs Ergebnissen der Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte vom Jahre 1893. Trotzdem Born versuchte, ein treues Bild der damaligen Forschungsresultate zu entwerfen, mißlang ihm sein Vorhaben, weil er selbst anscheinend keine eignen Unter- suchungen angestellt hatte und darum des gesunden kritischen Maß- stabes ermangelte. Sein Referat ist ein neuer vergeblicher Kompro- miß zwischen der falschen Meinung der alten verdienstvollen Em- bryologie und den am Schluß des Jahrhunderts wenigstens teilweise richtig erkannten Tatsachen. Derselbe mußte aber fehlschlagen; denn Born hatte die fundamentale Bedeutung der Arbeit von ToURNEuUxX nicht erfaßt und sich durchaus im Gedankenkreise von RETTERER bewegt. Er unterscheidet einen ektodermalen und einen entodermalen Teil der Kloake; er nimmt an, die Kloakenmembran sei durch Verwachsung von zwei ektodermalen Epithelflächen ent- standen. Von der Oberfläche des Kloakenhöckers ziehe also eine freilich verlegte, ektodermal ausgekleidete Spalte bis zur Ventral- wand der entodermalen Kloake. Aus dieser virtuellen Spalte ent- stehe ein guter Teil des Sinus urogenitalis, sowie der Endteil des Mastdarmes. Mit RETTERER glaubt Born, daß die Trennung des Mastdarmes vom Sinus urogenitalis durch Vereinigung von zwei Falten an der Seitenwand der Kloake zustande komme, welche oben zu einer frontalen Scheidewand zusammenwachsen. Die frontale Scheidewand verlängere sich, senke sich in den hintersten, niedrigsten Teil der ektodermalen Kloakenplatte hinein und schneide aus der- selben ein Stück als ektodermales Ende des Mastdarmes heraus. Endlich erreiche die frontale Scheidewand die Oberfläche und das kaudale Mastdarmende öffne sich nach außen. Der Damm werde in foigender Weise gebildet: durch Wachstum der neben und hinter der Kloakenplatte liegenden Abschnitte des Genitalhöckers entstehe eine neue ektodermale Einsenkung, die Damm- furche REICHELSs. Deren Ränder verschmelzen vor dem definitiven After zum Damme. Als Beweis der Verwachsung sei die Raphe perinei anzusehen. Die Urogenitalhälfte des nach Abtrennung des Mastdarmes übrig bleibenden Restes der Kloakenplatte entfalte sich bei beiden Geschlechtern vom Damme bis zur Spitze des Genital- höckers als Urogenitalrinne. Bei den weiblichen Tieren dauere sie als offene Spalte, ihre Ränder stellen die Labia minora dar; bei den 86 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Männchen verschmelzen ihre Ränder wieder, so daß der Damm sich auf Kosten des Urogenitalschlitzes sekundär nach vorn verlängere, während die Genitalrinne zum ektodermalen Penisrohre verwachse. Die drei Jahre später veröffentlichten Untersuchungen von FR. KEıgEL haben endlich unsre positiven Kenntnisse über die Kloake außerordentlich bereichert, weil der Verfasser sich der mühevollen Arbeit unterzog, eine Anzahl menschlicher Embryonen in Wachs zu rekonstruieren, und die Modelle nicht bloß durch klare Abbildungen, sondern auch in dem Atelier von H. ZIEGLER in Freiburg reprodu- zieren ließ. Dadurch ist es jedermann möglich, sich eine aus- reichende Anschauung von der Form der jungen Kloake, sowie von ihrer gewaltigen Formveränderung zu verschaffen. Nach meiner Meinung haben diese Untersuchungen den definitiven Bruch mit der Rarukeschen Lehre angebahnt. KEIBEL selbst ist freilich nicht so weit gegangen. Ihn scheint das Referat Borns so sehr beeinflußt zu haben, daß er das allgemeine Resultat seiner Untersuchungen im wesent- lichen für eine Bestätigung der alten Lehre angesehen hat. Er erklärt (45, 8.113) die Vorgänge bei der Aufteilung der Kloake von Anfang an ähnlich wie RETTERER aufgefaßt zu haben. Obwohl nun KEIBEL von der RArukeschen Ansicht beherrscht ist und mehrfach dafür eintritt, so ist er andrerseits ein viel zu exakter Beobachter, um nicht die Schwierigkeiten der Beweisführung zu erkennen und ob- jektiv darzulegen. Dadurch entwickelt sich eine merkwürdige Zwie- spältigkeit seiner Meinung, welche den Epigonen einer großen Epoche charakterisiert. Kaum ist eine Behauptung ausgesprochen, so wird sie wieder eingeschränkt. Die Definition der morphologischen Be- sriffe wird auf diese Weise äußerst schwankend, um die durch bessere Technik erkannten Tatsachen und die falsche Theorie eines hervorragenden Forschers früherer Zeit zu vereinigen. Sehon die Erörterung über den Begriff der Kloake läßt die Unentschiedenheit KEIBELS erkennen. Er schreibt (45 8. 106): »Ich werde beim menschlichen Embryo einen Raum, in den ventral der Allantoisgang, dorsal der Darm mündet, als Kloake bezeichnen, gleichgültig, ob er frei nach außen mündet, oder durch eine provisorische Membran geschlossen ist. Dieser Raum ist beim Menschen durch die Kloakenmembran geschlossen. « Gegenüber HERTWIG wird ausdrücklich betont, daß ein offener Kloakenafıer weder beim Menschen noch bei den Säugern auftritt. VII. Historisch kritische Betrachtungen. 87 Also hat nochmals ein moderner Forscher den durch die ungenü- genden Untersuchungsmittel entschuldbaren Irrtum Rarukes (vgl. oben S. 59) als falsch erwiesen. Die Kloakenmembran des kleinen Embryos EB, 3 mm (45 S. 64) besteht aus Entoderm und Ektoderm. »Die Beteiligung beider Keimblätter «st Jedoch eine recht un- gleiche. Das Ektoderm ist sehr dünn, während das Entoderm eine recht dicke Zellmasse bildet.« Bei älteren Embryonen ist die Beschaffenheit der Kloaken- membran wesentlich verändert, z. B. beim Embryo Hs. Bul. 1., 11,5 mm (45, S. 78) ist statt einer Membran eine in sagittaler Richtung hohe, aber transversal dünne Zellplatte vorhanden. Tour- NEUX hatte sie Bouchon celoacale, RETTERER Conduit cloacal ge- nannt; Keıser legt ihr den Namen Kloakenplatte bei. Nach den Ausführungen von RETTERER, REICHEL und BoRN erwarten wir eine bestimmte Antwort auf die Frage nach der Entstehung der Kloaken- platte, allein vergebens. KEıBEL erklärt nur: »Ektoderm und Entoderm sind in dieser Kloakenplatte nicht mehr abgegrenzt. Wie weit sich beide Keimblätter beteiligen, sei schwer zu entscheiden. Da in früheren Stadien das Entoderm einen größeren Anteil an der Bildung der Kloakenmembram nimmt als das Ektoderm, liegt es nahe, auch in der Kloakenplatte dem Ento- derm den Löwenanteil zu geben. Doch ist diese Annahme zwar naheliegend, aber durchaus nicht notwendig.« 51 Seiten später (45 S. 129) wiederholt KEIBEL: »Der Beweis, daß die Epithelplatte im Kloakenhöcker wesent- lich ektodermal ist, ist nicht geführt und bis Jetzt nicht zu führen. Die Frage, wie viel Ektoderm und wie viel Entoderm sich an dem Aufbaue der Kloakenplatte beteiligt, muß unentschieden bleiben. « Da die alte Vorstellung vom offenen Kloakenmunde noch nicht vollständig verschwunden war und manche Autoren, z. B. NAGEL, von einer äußern Kloakengrube gesprochen hatten, so behandelt KEIBEL auch diese Frage, wiederum ohne einen wirklichen Entscheid zu geben. Er beschreibt (45 S. 78): Die Kloakenplatte des Embryos As. Bul. 1, 11,5 mm liegt in einer ganz flachen Furche, welche nur unter der Wurzel des Schwanzes etwas tiefer wird. »Diese seichte Rinne zieht von der Wurzel des Schwanzes bis in die Nühe der Spitze des Geschlechtshöckers. Sie ist + dem ekto- dermalen Teil der Kloakenplatte alles, was man als ektodermale Kloake auffassen darf. Selbst in diesem Stadium übertrifft sonach 88 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. die Ausdehnung der entodermalen Kloake die Ausdehnung der ekto- dermalen Kloake nicht nur wesentlich, sondern es ist auch, wenn wir überhaupt von einer ektodermalen Kloake sprechen wollen, das Gebiet dieses Kloakenteiles ein ganz minimales.« An zwei späteren Stellen wiederholt KEIBEL seine Bedenken: (45 5.106) » Unentschieden will ich es lassen, ob man die eben beschriebene flache Rinne als Anlage einer ektodermalen Kloake auffassen darf. Mir ıst das recht fraglich, da diese Bildung, wie wir sehen werden, später wieder verschwindet.« (45 8. 118/119) »Ich habe schon ausgeführt, daß es fraglich ist, ob man diese seichte Rinne als ektodermale Kloakenanlage auf- zufassen hat. Tut man das, so würde dem Embryo neben einer sehr ausgedehnten entodermalen Kloake eine ganz kleine ektodermale Kloake zukommen. « Um aber nicht ganz gegen die von ihm nicht geteilte Deutung zu verstoßen, rechnet er mit ihr in der Zusammenfassung des zwei- ten Abschnittes: Die Kloake des Menschen und ihr Schicksal (45 S. 126/127): » Nachdem die frontale Scheidewand der entodermalen Kloake die Kloakenmembran erreicht hat und der primitive Damm gebildet ist, folgt die Trennung der sehr rudimentüren ektoder- malen Kloake durch den definitiven Damm.« Welche Ansicht KEIBEL über die Teilung der entodermalen Kloake hegt, habe ich nicht mit Sicherheit ergründen können. Darum trage ich hier verschiedene Äußerungen von ihm zusammen. In dem vorläufigen Berichte vom Jahre 1895 sagte er (4a S. 189): »Ich konnte nachweisen, daß zwei laterale Falten, welche sich zu einer frontalen Scheidewand vereinigen, die entodermale Kloake in die ventral gelegene Harnblase und Harnröhre, resp. Sinus uro- genitalis und in den dorsal gelegenen Darm scheiden.« Ferner (4a S. 192): »Der Befund bei dem Embryo H. s. for. 6,5 mm spricht ent- schieden für zwei laterale Falten, welche sich in kranio-kaudaler Richtung zu einer frontalen Scheidewand verbinden. Wenn ich einmal sagte, daß, da ich keine Nahtspuren gefunden hatte, man die Sache ja auch so darstellen könne, als wenn die Scheidung durch das Tiefertreten einer frontalen Scheidewand erfolgte, die an den lateralen Seiten der Kloake schneller vorwüchse, als in der 0 VII. Historisch kritische Betrachtungen. 89 Mitte, so sollte damit nur darauf hingewiesen werden, daß die tat- sächlichen Befunde beider Parteien die gleichen sind. Ich trete noch immer für meine ältere Anschauung ein. — In der ausführlichen Abhandlung (1896. S. 113—115) gerät er sogar mit RETTERER in Streit über das Verdienst, wer die alte Rarukzsche Lehre von der Aufteilung der Kloake durch zwei seit- liche Falten als erster durch direkte Beobachtungen unterstützt habe; jedoch scheint ihm, wenn man von Mißbildungen absehe, ein durch- aus bindender Beweis für diese Entwicklungsart zur Stunde nicht erbracht. Die rein entwicklungsgeschichtlichen Tatsachen, auf welche sich beide Parteien stützen, seien im wesentlichen die glei- chen, erlauben aber eine Deutung nach beiden Richtungen hin. Dieses Zugeständnis ist deshalb sehr wichtig, weil KEIBEL trotz seiner schönen Rekonstruktionsmodelle nicht energisch für die RATHkesche Ansicht einzutreten wagte. Das genaue Studium der Modelle, sowie ihre Beschreibung in KEıBens Aufsatz zeigt denn auch, daß kein direkter Anhaltspunkt für eine solche Stellungnahme vorliegt. Beim Embryo EB, 3 mm (45 S. 63) ist die Kloake außer- ordentlich groß, der Darm in dorso-ventraler Richtung weit aus- gedehnt. » Wir erkennen an seinen lateralen Wänden Furchen, welche sich auf die Kloake fortsetzen und über die oberen zwei Drittel der Kloake zu verfolgen sind. Dort wo diese Furchen aufhören, ladet die Kloake nach beiden Seiten stark aus, so daß die Kloake hier einen beträchtlichen transversalen Durchmesser hat. Ventral von der Furche erweitert sich der Durchmesser der Kloake schnell in transversaler Richtung, während nach der ventralen Seite dann eine ganz allmähliche Verengerung statt hat, so daß die rechte und linke Wand der Kloake unter recht spitzem Winkel ineinander übergehen. Vom Sattel zwischen Allantois und Darm geht eine breite, aber sehr seichte Furche in dorso-kaudaler Richtung ab; doch erreicht diese Furche die vorher am Darm und an der Kloakenwand beschriebenen lateralen Lüngsfurchen nicht, sondern verliert sich gegen die ventral von diesen Lüngsfurchen gelegene transversale Erweiterung der Kloake.« Beim Embryo Hs. J. 4,2 mm sind »ausgedehnte laterale Falten an der Kloake nicht vorhanden. Der Sattel, der den ventral gelegenen, entodermalen Hohlraum vom Darm trennt, setzt sich nach beiden Seiten ein kleines Stück auf die Kloake forte. 90) Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. KEIBEL hat dieses Relief nicht als RArukzsche Falten ange- sehen; denn an späterer Stelle (45 S. 119, 123) sagt er deutlich: » Weit abwärts reichende, laterale, kulissenartige Falten lassen sich weder beim Embryo EB noch beim Embryo H.s. J. an den Seitenwünden der Kloake nachweisen. So sprechen diese frühen Stadien beim Menschen jedenfalls eher dafür, daß die frontale Scheidewand in der Kloake sich hier so, wie Tourneuz es will, entwickelt. « Dagegen sieht man an dem Modelle von Embryo AH. s. for. 6,5 mm (45 S. 73, 74) von dem Sattel, welcher Darm und Harnblasenanlage teilt, jederseits eine deutliche Furche auf die lateralen Kloakenwünde übergehen und hier eine ganze Strecke weit abwärts ziehen; diese Furche zieht dorsal von der Einmündung des Wolffschen Ganges kaudalwärts.« Von innen betrachtet erscheint sie als eine » Falte, welche, von der Terilungsstelle von Harnblase und Darm ausgehend, in das Lumen der Kloake vorspringt und kaudalwärts zieht.« Aber damit wird, wie KEIBEL (45 S. 123) bemerkt, die Frage nicht definitiv entschieden. Zwei Seiten später (45 S. 125) werden die sehr ausgesprochenen seitlichen Falten, welche beim Embryo H.s. for. 6,5 mm an den lateralen Wänden der Kloake vorhanden sind, als bemerkenswert nochmals erwähnt: »Man muß um so mehr Gewieht auf sie legen, als auch Zim- mermann bei einem gleichalterigen, menschlichen Embryo von sehr gutem Erhaltungszustande diese Falten aufgefunden hat.« Dann fährt Keiser fort: » Betrachten wir nun die spüteren Stadien, so kann es, wie das 3a auch die bekannten schönen Arbeiten von Tourneuzx, Retterer, Reichel und meine eignen Arbeiten beweisen, nicht zweifelhaft sein, daß das noch übrige Stück der Kloake jetzt aufgeteilt wird.« Wir erfahren nicht, wie das geschieht. Die Beschreibung des Embryos Z. s. Bul. 1, 11,5 mm berührt die Frage kaum mehr (45 8.77, 78). Es heißt nur: »Darm und Harnblase münden in die verhältnismäßig bereits sehr kleine Kloake. Die Scheidung der Harnblasenanlage und Sinus urogenitahis einerseits und Darm andrerseits ist über die Einmün- dungsstelle der Wolffschen Günge in kaudaler Richtung fort- geschritien, so daß jetzt auch ein Teil der Harnblasenanlage ge- bildet ist.« VII. Historisch kritische Betrachtungen. 91 KEIBEL spricht hier gar nicht von den beiden Seitenfalten, weil sie nicht nachzuweisen sind, sondern bloß von dem Herabsteigen der Scheidewand zwischen Darm und Sinus urogenitalis. Die Embryonen CR. 13,6 mm, Hg. 14 mm, OÖ. 15,8 mm sind für die Teilungsfrage zu alt; der primitive Damm ist bereits gebildet. Wenn man sämtliche positiven Beobachtungen KEIBELs ohne theoretische Befangenheit erwägt, so muß man erkennen, daß sie keinen Anhaltspunkt für die Rarukesche Ansicht geliefert haben. Bloß beim Embryo ZH. s. for. 6,5 mm sind zwei laterale Falten der Kloakenwand nachgewiesen worden. Aber ob sie wirklich mit- einander verschmelzen und die Aufteilung der Kloake herbeiführen, ist dadurch nicht ausgemacht. Da der nächstfolgende Embryo ZH. s. Bul. 1 viel größer (11,5 mm) ist und keine Falten zeigt, so mangeln gerade aus der kritischen Periode die entscheidenden Kenntnisse. Daher wird es verständlich, warum KEIBEL in der Zusammenfassung (4b S. 126—127) angibt: »Die entodermale Kloake wird durch eine frontale Scheide- wand in einen ventralen und einen dorsalen Abschnitt geteilt. Aus dem ventralen Abschnitt entsteht der größte Teil, vielleicht die ganze Harnblase, die Harnröhre und der Sinus urogenitalis bis zur Kloa- kenmembran, der dorsale geht in den entodermalen Abschnitt des Rektum über. Hat die frontale Scheidewand die Kloakenmembran erreicht, so ist damit der primitive Damm gebildet.« Aus diesen Worten klingt die ganze Resignation des exakten Untersuchers heraus, der trotz seiner Vorliebe für die Ansichten von RATHKE, RETTERER und REICHEL den Mangel an beweiskräftigen Präparaten nicht verschweigen will. Nach meinem Urteile steht jetzt so viel sicher, daß keiner der modernen Forscher die Faltentheorie RATHKES positiv zu bestätigen vermochte. Aus diesem Grunde be- greift man auch KEIBELS vorsichtige Fassung an folgender Stelle (45 8. 115): »Beim Meerschweinchen kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß während der Aufteilung der Kloake Falten von der seitlichen Wand vorhanden sind.« Tatsachen sind eben zwingender als die schönste Theorie und die Modelle haben uns gegen alle Erwartung wieder einmal gelehrt, daß es selbst einem hervorragenden Meister der Embryologie, wie RATHRE einer war, nicht gelingt, entwicklungsgeschichtliche Vorgänge durch abstrakte Kombination festzustellen. Alle Versuche seiner 92 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten Anhänger, nachträglich die Beweise für die alte Hypothese zu finden, sind endgültig fehlgeschlagen. Andre Entwicklungsvorgänge der Kloakengegend hat KEIBEL nur beiläufig gestreift. Nach seiner Ansicht (45 S. 129) erreicht »die frontale Scheidewand die Kloakenmembran und zerlegt sie in zwei Teile, einen vorderen, die Urogenitalmembran, welche sich inzwischen bereits zu einer sagiütal gestellten Urogenitalplatte umgebildet hat, und in die Verschlußplatte des Darmes, die man nun wohl passend Analmembran nennen kann«. — (45 8. 127) »Hat die frontale Scheidewand, die Kloakenmembran erreicht, so ist damit der primitive Damm gebildet, es folgt dann die Tren- nung der sehr rudimentüren ektodermalen Kloake durch den definı- tiven Damm.« »Derselbe (4b 8. 126) verdankt seinen Ursprung einer Wucherung des mesodermalen Gewebes in der Umgebung des Anus. Die Wucherungen treten zunächst hinter dem Anus auf, dann erscheint die ektodermale Anusgrube als eine senkrecht zur Geschlechtsrinne verlaufende Spalte. Später greifen die Mesoderm- wucherungen nach den Seiten dieses Spaltes über und sie vereinigen sich von der Tiefe aus nach der Oberfläche, so daß so eine Fort- setzung des primitiven Dammes und ein richtiger, ektodermaler Aftertrichter entsteht, ein Proktodüum, das freilich nicht in dem alten Sinne durch Einstülpung zustande gekommen ist.« Dadurch stimmt KEIBEL der oben als unbegründet nachgewie- senen Auffassung REICHELS bei, nur will er dessen Analhöcker nicht gelten lassen. Das Resultat unsrer exakt-kritischen Analyse der Vorarbeiten ist wenig erfreulich; denn es hat uns hauptsächlich gezeigt, daß mehrere tüchtige Forscher durch ihre Vorliebe für ein in der aka- demischen Jugendzeit eingesogenes Dogma Kraft und Zeit erfolglos aufgewendet haben, um RATHKES Lehre zu bestätigen, die jetzt als definitiv beseitigt gelten muß. Gegen sie sprechen folgende Gründe: 1) Bei Säugetierembryonen kommt niemals eine äußere Kloaken- spalte vor. 2) Die Kloakenhöhle existiert nur bei den kleinsten Embryonen, welche RATHKE gar nicht untersuchen konnte. 3) Die Kloakenhöhle schwindet bis auf minimale Reste mit dem Wachstum des Embryos durch Verdiekung ihrer äußern Wand, des sog. Kloakenpfropfes, s. soliden Kloakenganges, s. Kloakenseptums, s. Kloakenmembran, 8. Uralplatte. AD Ze EEE VII. Historisch kritische Betrachtungen. 93 4) Niemand hat die Trennungsfalten, wie sie RATHKE sich vor- gestellt hat, wirklich gesehen. Ja in der langen Zwischenzeit seit 1832 sind. eigentlich nur zwei Forscher, RETTERER und REICHEL ent- schieden für deren Existenz eingetreten. KEIBEL hat sich unter vielen Vorbehalten und Einschränkungen dafür ausgesprochen. Aber das, was RETTERER und REICHEL als RArHukesche Falten bezeich- neten, entspricht nicht dem ursprünglichen Begriffe. Man sollte darum lieber von RETTERERSchen und Reıcneuschen Falten sprechen, weil jeder der beiden Autoren wieder verschiedene Begriffsinhalte mit dem Terminus »RarHkesche Falten« verknüpft. Bei RETTERER sind die plis eloacaux lat&raux de RATHke lediglich willkürlich ab- gegrenzte Zonen im Mesoderm der Uralregion, bei REICHEL sind es unrichtig gedeutete Stücke von einzelnen Querschnitten durch das Urodäum in der Gegend der WoLrrschen Mündungen. KEIBEL, der einzige, welcher Falten der hohlen Kloake gesehen hat, nennt sie bloß »seitliche Falten an den lateralen Wänden der Kloake« und geht irgend welcher Aussage über ihr Schicksal geflissentlich aus dem Wege. 5) Die endgültige Teilung der Kloake, die Abtrennung des End- darmes, die Bildung des Afters hat keiner der bisherigen Unter- sucher an zureichendem Materiale studiert. Die nach Rarnukes Zeit hinzugefügten Hilfsvorstellungen ent- sprechen gleichfalls nicht den tatsächlichen Verhältnissen: 6) Der Begriff der äußeren Kloake ist durch Kreises Diskussion als unhaltbar gezeigt. 7) Die Existenz der Dammfurche ist noch nie zwingend erwiesen worden. 8) Die Eröffnung des Urogenitalteiles der Kloakenmembran zur Genitalrinne ist zwar bisher ohne Bedenken angenommen, aber nie genau verfolgt worden. 9) Positive Beobachtungen fehlen sowohl für die Verwachsung des Kloakenrandes, wie der Dammfalten, wie der Genitalrinne. Alles zusammengenommen liegen also gar keine Beweise für die seit 70 Jahren herrschende Lehre von der Entwicklung der Anal- region bei Säugern vor. Trotzdem ist kein Grund zur gänzlichen Verzweiflung gegeben; denn TOURNEUX, dessen Verdienste bereits oben (S. 65—70) in helles Licht gestellt wurden, hat den rechten Weg zur Erkenntnis gezeigt und KEIBELs vorzügliche Modelle sind ein neues Hilfsmittel zum Fortschritte, da sie die gewaltigen Formver- änderungen der Kloake und zwar ganz anders, als alle Anhänger 94 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. RATHkeEs dachten, sowie die successive Größenabnahme der Kloake zum ersten Male unserm Verständnisse näher gerückt haben. Ob- wohl Kreisen auf die Bedeutung seiner Modelle nicht eingegangen ist, liegt sie doch vor aller Augen und es bedarf nur weniger Worte, um sie in das rechte Licht zu stellen. Bei dem kleinsten Embryo EB 3 mm (42, Taf. 3 Fig. 1) ist die Kloake groß mit weiter, dorsoventral hoher Höhle, nur ihr hinteres Drittel ladet stärker transversal aus. Beim Embryo A. s. J. 4,2 mm (4b, Taf. 3 Fig. 3a, Taf. 4 Fig. 36) ist ihr Blindende, der Schwanz- darm, spitz kaudalwärts ausgewachsen. Die Worrrschen Gänge münden weit hinter dem Sattel zwischen Darm und Allantois. Mit der Verlängerung des Schwanzes wird der Schwanzdarm noch mehr ausgezogen, so daß er beim Embryo H. s. for. 6,5 mm (Fig. 14) als eylindrischer, terminal zugespitzter Schlauch (s) an dem geräumigen, Fig. 14. Fig. 15. m Seitenansicht der Kloakenanlage bei dem mensch- Seitenansicht der Kloakenanlage bei dem mensch- lichen Embryo H. s. for. 6,5 mm. Nach Keıser, lichen Embryo HA. s. Bul. 1, 11,5 mm. Nach Krızeı, Arch. f. Anat. u. Phys. 1896. Taf. III Fig. 4. (25/1) Arch. f. Anat. u. Phys. 1896. Taf. III Fig. 6. (25/1.) ungefähr eiförmigem Urodäum (C7) hängt. Zwei Seitenfalten (5) mar- kieren bereits die Zone des Enddarmes gegen den Sinus urodaei ab. Bei dem Embryo ZH. s. Bul 1, 11,5 mm (Fig. 15) sind beide Ab- schnitte dorsoventral auseinander geschoben. Der Enddarm (d) muß sich nun mit sanfter Ventralbeugung in den schmalen gemeinsamen Kloakenteil (07) herabkrümmen. Dieser Formzustand scheint mir durch die Lateralfalten (d) des Embryos H. s. for. 6,5 mm (Fig. 14) vorbereitet, aber die Formen sehen nicht so aus, als wenn seitliche Falten eingewachsen wären. Sie sprechen nach meiner Meinung für ganz energische Modellierungsvorgänge der Kloake selbst, als sei der Sinus urogenitalis oralwärts gewachsen und mit der allge- meinen Volumzunahme des ganzen Rumpfes in ein tieferes Niveau geschoben worden, während der ihm bisher benachbarte Darm dorsal unter der Chorda stehen geblieben ist. Wenn in den Zwischenstadien VII. Historisch kritische Betrachtungen. 95 von 6,5—11,5 mm nichts andres erfolgt wäre, als die Vereini- gung der an dem Modelle des Embryos 6,5 mm (Fig. 14) ge- zeichneten Falten (5), dann müßte doch der Darm ziemlich parallel dem Sinus urogenitalis ziehen. So aber (Fig. 15) ist er durch eine breite Mesodermzone von diesem getrennt und geht mit schwacher Biegung in die Kloake herab. Wollte man auch annehmen, der Darm sei erst durch die Verwachsung der Seitenfalten abgetrennt worden, so wäre damit immer noch nicht die elegante Biegung des Analrohres und der große Abstand der Teilprodukte erklärt. Wenn man die Form des Urodäums an den beiden Modellen (Figg. 14 und 15) genau vergleicht, so sieht man die charakteristische Krümmung der Lateralfalte (d, Fig. 14) an der dorısalen Wand des Sinus uro- Fig; 17. Die in Figg. 14 und 15 gesondert abgebildeten Kloakenanlagen aufeinander gezeichnet, die Kloakenanlage des älteren Embryos mit ausgezogenen Linien, diejenigen des kleineren (6,5 mm) Embryos punktiert. genitalis (Fig. 15 7) dicht hinter der gemeinsamen Mündung des Worrrschen Ganges (vw) und Ureters (vw) genau wiederkehren. Sie ist also trotz aller Veränderung des Urodäums streng erhalten worden. Um sich davon noch besser zu überzeugen, muß man nur die beiden Figuren 14 und 15 aufeinander zeichnen, wie ich es in Figur 16 und 17 yersucht habe, dann wird man durch die merkwürdige Formen- konkordanz überrascht. Ich glaube daher, die beiden von KEIBEL beschriebenen Lateralfalten sind weit entfernt, Falten im Sinne RATHRES zu sein. Sie sind vielmehr ein Zeichen starker Wachs- tumsenergie und bereiten den Formzustand der Kloake beim Embryo 11,5 mm (Fig. 15) vor, indem durch Wucherung der Faltenzone (5) die dorsoventrale Entfernung der beim Embryo 6,5 mm (Fig. 14) eng zusammenliegenden Teile der ursprünglichen Kloakenanlage erzeugt wird. Mangels genauer Kenntnisse über die Wachstumskraft andrer Zonen der Kloake habe ich in den Figuren 16, 17 verschiedene Möglich- keiten vorgeführt, wie man die kleinere und größere Kloakenanlage 96 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. aufeinander beziehen könnte. Ich selbst bin mir des rein hypothe- tischen Wertes meiner Auffassung wohl bewußt und mag gar nicht versuchen, dieselbe noch besser plausibel zu machen. Ich habe sie hier nur geäußert, um zu zeigen, daß keine reelle Notwen- digkeit vorliegt, die Teilung der Kloake noch immer nach dem Schema RATHKEs zu erklären. Es bedarf weiterer Untersuchung von vielen Embryonen einer sehr vollständigen Reihe, bis die Frage definitiv geklärt ist. Aber das vertrete ich heute schon mit voller Bestimmtheit: Die Verwachsung der seitlichen Falten wird bei der Aufteilung des Urodäums eine sehr untergeordnete Rolle spielen! VII. Die Stilistik des Urodäums, Von Dr. A. Fleischmann. Die bessere Bekanntschaft mit den ontogenetischen Vorgängen bei den Säugern zwingt mich, mehrere im vorigen Jahre ausge- sprochene Ansichten über den Stilwert bestimmter Teile der After- region aufzugeben, nämlich die Behauptungen, daß der Kotafter der Säuger dem Urostoma der Reptilien und Vögel homolog sei, ferner daß das Urodäum der Säuger seine Verbindung mit dem Afterfeld verloren und dafür eine stilistisch neue Öffnung am Gipfel der After- lippe gewonnen habe. Diese Gedanken waren durchaus falsch. Der Kotafter hat sich als die stilistisch neue Öffnung erwiesen, das Urostoma bleibt dem Urodäum treu und von einer neuen Pforte des Urodäums am Gipfel der Afterlippe kann keine Rede sein. Die stilistische Übereinstimmung der Amnioten ist eben noch größer, als ich im vorigen Jahre dachte. Die Eigenart des Urodäums der Säugetiere beruht nun nicht bloß darauf, daß die dichte Nachbarschaft von Allantoisstiel und End- darm (ein charakteristisches Merkmal der Sauropsiden) vermißt wird, weil die Mündung des Enddarmes an der dorsalen Wand und weit hinter den Mündungen der Urogenitalgänge liegt. (Ich sage nicht mehr: verschoben wird, Morph. Jahrb. Bd. 30, S. 668.) Sie ist auch noch in der Anwesenheit einer ganz kleinen, unpaar dorsalen, dem Afterfelde nahen Aussackung, der Pars analis urodaei, welche mit dem Enddarme zusammenhängt, sowie in der starken Entfal- tung des zur Allantois ziehenden Sinusteiles und dem Mangel paa- riger Urogenitaltaschen zu sehen. Die bei Sauropsiden verbreitete Morpholog. Jahrbuch, 32. 7 98 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. Tendenz zur Erweiterung des urodäalen Lumens ist hier durchaus unbekannt. Sämtliche Abschnitte des Urodäums besitzen meist ein enges Lumen oder erhalten, wie die Uralplatte, sehr spät ihre Lichtung. Der hintere Rand des Urodäums bezw. der Uralplatte liegt dem kaudalen Abfalle der Afterlippe an, aber erstreckt sich von vorn herein nicht über die ganze Länge der schräg geneigten Fläche, wie z. B. bei den Vögeln und Krokodilen. Ein ganz unansehn- lich kleines Stückchen derselben nahe der Schwanz- wurzel, das Afterdammfeld, bleibt frei (Taf. I Fig. 2). Das ist ein außerordentlich wichtiger Umstand für die stilistische Deutung. Wenn ich ihn auch nieht als Anzeichen einer Verkürzung des Urodäums ansprechen will, so weist er doch auf eine Veränderung der typischen Eigenschaften der Afterlippe hin, an der frühzeitig ein kleiner Bezirk für Kotafter und Damm bestimmt ist. Dureh Verschiebung der Pars analis urodaei und deren An- lagerung an das Ektoderm der Afterfeldes wird der einzig in der Wirbeltierwelt dastehende Säugetiercharakter des ausschließlich für Kot bestimmten Afters noch deutlicher gefestigt. Die von R. MEYer (6) ohne eingehende Studien gegen meine Ansicht erhobenen Einwände zerstieben durch diese Tatsache in nichts. Ich habe aber insofern Unrecht gehabt, als ich meinte (Morph. Jahrb. Bd. 30 S. 670), das Urodäum habe seine typische Öffnung auf dem Ektoderm des After- feldes, bezw. an der Basis der oralen Afterlippe dem Enddarm ab- getreten, welcher selbst wieder seine typische Öffnung an der oralen Urodäumwand (das Koprostoma) kaudalwärts längs der dorsalen Wand des Urodäums in die nächste Nähe des Afterfeldes schiebe, so daß das Koprostoma an das Ektoderm in der basalen Zone der mächtigen Afterlippe gelange und indem es dort durchbreche, sich vom Urodäum gänzlich sondere. Darum erklärte ich (Morph. Jahrb. 30. Bd. S. 673) den Kotafter als durchaus homolog dem in die Aftertasche führenden Urostoma der Vögel. Als ich diese Deutung aussprach, kannte ich die Existenz und das Schicksal des analen Urodäums noch nicht und habe fehlerhafter Weise einen späteren. Formzustand dem Vergleiche zugrunde ge- legt. Jetzt aber ist für das Schaf, Schwein und Kaninchen — ich zweifle nicht, daß andre Säuger sich ebenso verhalten — die Tat- sache festgestellt, daß das Urodäum nie bis zur Basis der Afterlippe reicht und daß das Analrohr an das frei gelas- sene Afterdammfeld des kaudalen Lippenabfalles gelangt. VIII. Die Stilistik des Urodäums. 99 Daraus muß man folgern, nicht der Enddarm gewinnt einen neuen Ausgang an der Haut, sondern das Urodäum der Säuge- tiere erhält zwei äußere Öffnungen, nachdem der kleine dor- sale Teil (Pars analis urodaei) von dem größeren Teile (Sinus + La- mina urodaei) abgetrennt worden ist. Dann gehört die allen Amni- oten typische Öffnung des Entodermrohres am kandalen Lippen- abfalle wirklich dem Urodäum und die stilistisch neue, sekundäre Öffnung (der Kotafter), welche dorsal über der typischen liegt, führt durch den kleinen urodäalen Vorraum der Pars analis in das Rektum. Das Koprostoma entspricht der Grenze zwischen Pars analis und Pars ampullaris recti, wo das mehrschichtige Plattenepithel in das einschichtige Darmepithel übergeht. Die Stilgemeinschaft der Amnioten ist wirklich großartig. Denn durch die Untersuchung ist jetzt bewiesen, daß das Afterfeld stets die Anlagerungsstätte des Urodäums bildet und daß der Enddarm niemals direkt an der Haut des Afterfeldes münden darf. Immer ist ihm das Urodäum vorgelagert, mag nun diese Kammer groß und lang sein, wie bei den Reptilien, oder mag sie zu dem schier unbedeutenden Ringstreif der Pars analis recti verkürzt werden, wie bei den Säugetieren. Nebenbei bemerkt erscheint es mir vom höchsten Interesse, daß bei Vögeln und Säugetieren das Koprostoma dem Ektoderm des Afterfeldes so nahe geführt wird, freilich auf total verschiedenem Wege: bei den Vögeln (Morph. Jahrb. Bd. 30, S. 623—627) durch Vorbuchtung der oralen Wand des Urodäums, bei den Säugern durch die Anlage der Pars analis urodaei in nächster Nähe des Afterfeldes. Die stilistische Einheit erstreckt sich noch auf weitere Punkte. Nachdem ich die Pars analis als Derivat des Urodäums erkannt hatte, ist mir auch klar geworden, daß die Säugetiere ein Ko- prodäum besitzen genau von dem gleichen morphologischen Werte, wie die Sauropsiden. Ich meine damit die spindelförmig er- weiterte Kotblase des Enddarmes, Pars pelvina (WALDEYER) sive Pars ampullaris recti. - Da das Koprodäum der Reptilien und Vögel stets oral vor dem Urodäum liegt, so kann die längst bekannte Er- weiterung des Mastdarmendes, welche gleichfalls oral vor der Pars analis recti liegt, gar nichts andres sein, als die dem Amnioten- stile typische Kotkammer. Außer der Lagebeziehung zum Urodäum stimmen auch die andern Merkmale: die starke Aufblähung der Pars ampullaris, die ringförmige Einengung oder Knickung an der Grenze der Rektalampulle gegen den zylindrischen Teil des Rektum, e 100 Alb. Flelschmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten, bezw. das Colon sigmoides, der Mangel der Taeniae, die Verstärkung der Muskulatur, die ins Lumen vorspringenden Falten, d. i. die mitt- lere Falte (KoHLRAUSCH) an der rechten Seitenwand und je eine obere und untere Falte der linken Seitenwand (vgl. Fr. MERKEL [5)). Der Sphineter ani internus würde dem Schließmuskel entsprechen, den wir bei Reptilien (Morph. Jahrb. Bd. 30, S. 550, 552) an der hinteren Grenze des Koprodäums gesehen haben. Der Sphincter ani externus dagegen schlingt seine quergestreiften Fasern um die Wand des analen Urodäums als Annulus haemorrhoidalis. Wenn ich im letzten Jahre erklärte (Morph. Jahrb. Bd. 30, S. 671), es erhebe sich ein den Kotafter umsäumender, ringförmiger Ab- schnitt der Lippenbasis als kurzer zylindrischer Ringwall, innen und außen mit Ektoderm bekleidet, um sich als Hautmantel des Sphinc- ter ani externus zu entwickeln, so sprach ich unter dem Banne der im vorhergehenden Kapitel kritisierten, embryologischen Abhand- lungen. Auf Grund meiner neuen Studien lasse ich jetzt die irrige Behauptung fallen. Mit der Abtrennung des analen Urodäums ist auch der Damm gebildet, weil der Zusammenhang der beiden ungleich großen Teile des Urodäums gelöst ist und das zwischen den Teilprodukten liegende Mesoderm an das Afterfeld stößt, besonders wenn sich der schmale ventrale Ausläufer der Pars analis, der vordem zur Ural- platte zog, noch mehr verkürzt. Da Mesoderm immer in dem Raume zwischen Darm und Sinus urodaei (Fig. 15) eingebettet ist, so bedarf es keiner besondern Vor- gänge, wie man sie früher als Verwachsung der hypothetischen Dammfalten oder starker Mesodermwucherung um den Aftertrichter zur Erklärung notwendig hielt, um den Damm zu schaffen. Die Lösung der Pars analis von der Uralplatte, die Verkürzung ihres engen ventralen Ausläufers bewirken, daß Mesoderm an das After- dammfeld des kaudalen Lippenabfalles gelangt. Gleichzeitig mit der Dammbildung erfährt die Afterlippe eine spezifisch neue Modellierung ohne Homologie bei Sauropsiden. Aus dem ursprünglichen, einfach konischen Höcker wird eine basale Zone, das Afterdammplateau und der Umbilikalwulst, an den lateralen Flächen die beiden Skrotalhöcker differenziert; nur die Gipfelzone bleibt als kurzer Phalluszapfen bestehen. Vor dem Damme, zunächst in ganz geringer Entfernung vom Kotafter bricht die typische Öffnung des Urodäums, Orifieium urodaei, gegen den kaudalen Lippenabfall durch, um zeitlebens als VIII. Die Stilistik des Urodäums. 101 Ausgangspforte für Harn und Geschlechtszellen zu dienen. Meine vorjährige Angabe (Morph. Jahrb. Bd. XXX, S. 671), daß das Uralrohr, ein neues Produkt des Urodäums der Säugetiere, am Gipfel der Afterlippe eine stilistisch neue Öffnung gewinne, ist falsch. Gleich falsch war die Homologisierung beider mit der Uralrinne und deren Ende an der Spitze des spiralig gedrehten Phallus bei den Vögeln. Ich hatte damals das Unglück, meist männliche und sehr wenig weibliche Embryonen zu untersuchen, deshalb bin ich in Fehler ver- striekt worden. Jetzt aber habe ich nicht bloß bei Schaf und Schwein, sondern auch bei Maulwurf, Hamster, Maus, Katze, Fuchs festgestellt, daß die Uralpforte stets an der Basis des Phalluszapfens liegt und lediglich einen soliden Schenkel bis zum Epithelhörnchen am Gipfel der Afterlippe entsendet. Letzteren habe ich irrtümlicherweise als Uralrohr gedeutet. Das Uralrohr kommt aber überhaupt nur den. Männchen zu und entsteht auf eine ganz andre Art, als ich früher glaubte, nämlich durch Verschiebung des Phallushöckers und inten- sives Wachstum der Dammregion. Auch hierin spricht sich wieder ein morphogenetischer Charakter aus, der den Sauropsiden durchweg fremd ist. Denn ihr Phallus haftet an seiner Bildungsstätte, dem Afterfelde. Bei den Säugern aber wird er davon entfernt. Bei den Weibehen zwar bleibt, wie oben (S. 47) nachgewiesen wurde, die Uralpforte samt demKlitoriszapfen vor dem schmalen Damme nahe dem Kotafter stehen, jedoch bei den männlichen Embryonen werden beide mehr oder weniger weit nabelwärts verschoben und der im gleichen Sinne wachsende Damm wandelt den Uralkelch zum engen Ural- rohre (Pars cavernosa penis) um. Nach der radikalen Revision meiner vorjährigen Angaben halte ich die Stilistik der Kloakenregion bei Amnioten geklärt. Großartig ist die unbedingte Herrschaft des einheitlichen Formgesetzes, das aller Bildung dieser Gegend zu Grunde liegt. Ebenso bewundernswert er- scheinen mir aber die verschiedenen Wege, auf welchen die Natur den einfachen Bauplan zu variieren weiß, um den drei großen Ab- teilungen der Reptilien, Vögel und Säugetiere ihre spezifischen Cha- raktere aufzuprägen. Soweit meine Erfahrung reicht, folgen sämtliche Säugetiere den eben kurz skizzierten Stilregeln, sogar die Monotremen sind davon nicht ausgeschlossen. Das von KEIBEL (4c) kürzlich veröffentlichte Schema für Echidna zeigt die Öffnungen des Enddarmes und des Sinus urogenitalis durch einen schmalen Damm getrennt, aber in eine tiefe Höhle (sog. Kloake) versenkt. Auf der Anatomenver- 102 Alb. Fleischmann, Morph. Studien über Kloake und Phallus der Amnioten. sammlung in Heidelberg (30. Mai bis 2. Juni 1903) demonstrierte KEIBEL seine schönen Rekonstruktionsmodelle der sonderbaren Kloa- kenentwicklung von Echidna und machte klar, daß der bisher als Kloake aufgefaßte Raum gar keine Kloake ist, sondern eine sekun- däre Hautbildung. Ursprünglich liegt die Urallippe junger Echidna- embryonen ebenso an der Oberfläche der Bauchwand wie bei den placentalen Säugetieren und das Urodäum durchläuft ein Formsta- dium, durchaus homolog demjenigen, welches KEIBEL vom mensch- lichen Embryo ZH. s. Bul. 1, 11,5 mm (Fig. 15) modelliert hat, oder welches ich bei Schaf und Schwein fand (Taf. I Figg. 3, 7). Später erst wird die ganze Afterlippe, bezw. Phallus, Uralpforte und Kot- after von der Bauchoberfläche in die Höhlung einer Hautgrube ver- senkt. Also folgt Echidna dem morphogenetischen Typus der wahren Säugetiere und kann nicht mehr als Übergangsform zu den Sauro- psiden gelten. Es ist daher an der Zeit, den unzutreffenden Namen »Kloake« abzuschaffen. Ich schlage vor, den ektodermalen Uro- genital-Analvorhof als Ektodäum oder mit Anlehnung an den systematischen Namen »Monotremata« als Tremadäum zu be- zeichnen. Literaturverzeichnis. 1) G. Born, Die Entwicklung der Ableitungswege des Urogenitalapparates und des Dammes bei den Säugetieren. In: MERKEL-BONNETS Ergebnissen der Anat. u. Entwicklungsgesch. III. Bd. 1893. 2) A. Ecker, Icones physiologicae. Leipzig 1851—59. Taf.29 Figg. S—18. 3) A. Fleischmann, Morphologische Studien über Kloake und Phallus der Am- nioten. Morph. Jahrb. 30. Bd. 4a) F. KEiBEL, Über die Entwicklung von Harnblase, Harnröhre und Damm beim Menschen. Verh. anat. Ges. 9. Vers. Basel 1895. S. 189—199. 4b) - Zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Urogenitalapparates. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abt. 1896. 8. 55—156. 4.c) Zur Anatomie des Urogenitalkanals der Echidna aculeata var. typica. Anatomischer Anzeiger. XXII. Bd. 1902. S. 301—305. 5) Fr. MuRrkEu, Die Pars ampullaris recti. Ergebnisse der Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte. Herausgeg. von FR. MERKEL und R. BONNET. X. Bd. 1900. S. 524—546. 6) Ro. MEvyER, Einmündung eines Ureters in eine Uterovaginaleyste des Worrrschen Ganges mit Erklärung der normalen Entwicklung und der Phylogenese. Ztschr. f. Geburtsh. u. Gynäk. Bd. 49. Heft 1. 7) JOH. MÜLLER, Bildungsgeschichte der Genitalien. 1830. VIII. Die Stilistik des Urodäums. 103 8a) W. Nacer, Über die Entwicklung der Sexualdrüsen und der äußeren Ge- schlechtsteile beim Menschen. Sitzungsber. Akad. Berlin 1588. II. Ss. 1027. 85) — Über die Entwicklung des Urogenitalsystems des Menschen. Archiv f. mikr. Anat. XXXIV. Bd. 1889. Über die Entwicklung der Urethra und des Dammes beim Menschen. Archiv f. mikr. Anat. XL. Bd. 1892. 8d) — Über die Entwicklung der inneren und äußeren Genitalien beim menschlichen Weibe. Archiv f. Gynäkologie. XLV. Bd. 1894. (Ist nur eine zusammenfassende Übersicht der früheren Spezialuntersuchungen.) 8e) 8e) Zur Entwieklung des Urogenitalsystems beim Menschen. Archiv f. Anat. u. Phys. Anat. Abt. 1896. 8f) —— Die weiblichen Geschlechtsorgane. Handbuch der Anatomie des Men- schen. Herausgeg. von K. von BARDELEBEn. VII. Bd. 2. Teil. 1. Abt. Ss. 19—27. 9) H. RATHKE, Abhandlungen zur Bildungs- und Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Tiere. I. Teil. 1832. 10a) P. REICHEL, Die Entwicklung des Dammes und ihre Bedeutung für die Entstehung gewisser Mißbildungen. Ztschr. f. Geburtsh. u. Gynäk. XIV. Bd. 1888. 105) —— Die Entwicklung der Harnblase und Harnröhre. Verh. d. phys. med. Gesellsch. Würzburg. XXVII. Bd. 1893. 10c) —— Die Entstehung der Mißbildungen der Harnblase und Harnröhre an der Hand der Entwicklungsgeschichte bearbeitet. Archiv f. klin. Chirurgie. XLV1I. Bd. 1893. 11) E. RETTERER, Sur l’origine et l’&volution de la region ano-g£nitale des Mammiferes. Journ. Anat. Phys. tom. XXVI. 1890. 12a) F. TOURNEUX, Sur les premiers developpements du cloaque, du tubercule genital et de l’anus chez l’embryon du mouton. Journ. Anat. Phys. tom. XXIV. 1888. 125) — Sur le developpewent et l’&volution du tubereule genitale chez le foetus humain dans les deux sexes. Journ. Anat. Phys. tom. XXV. 1889. Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches, nebst einem Anhange über die Stärke der Karpathenhirsche und die zwei Rassen derselben. Von Dr. Eugen Botezat. (Czernowitz, Bukowina.) Mit Tatel IV und einer Figur im Text. Einleitung. Wie sehr auch das treffliche Werk der Natur, welches den Kopf der männlichen Cerviden schmückt und diese zur herrlichen Zierde der Wälder macht, das Herz des Jägers, das Interesse des Naturforschers und die Schaulust des Laien fesseln mag, so ist es doch durchaus keine leichte Sache in dieGeheimnisse seinerBildung ein- zudringen. Ein beredtes Zeugnis hierfür gibt uns die überaus um- fangreiche Literatur über diesen Gegenstand. Und, wiewohl hierdurch die Erkenntnis ziemlich weit vorgedrungen ist, ist man trotzdem noch nicht so weit gekommen, die allererste Frage, welche sich an diese Bildungen knüpft, die Ursache und den ersten Anstoß ihrer Ent- stehung in jeder Hinsicht vollkommen einwandfrei zu erklären. Es bedurfte wohl langer Zeit und zahlreicher Einzelerfahrungen bis man zu einer gewissen Kenntnis der normalen Stufenfolge in der ontogenetischen und phylogenetischen Entwicklung des Geweihes gelangt ist. Der Vergleich beider läßt, wie schon der neueste For- scher auf unserm Gebiete Rörıg (10, III, S. 77)! ganz besonders hervorhebt, das »biogenetische Grundgesetz« HAECKELS wie kaum etwas andres zum Vorschein treten?. Denn in der Tat läßt sich nach 1 Siehe das Literaturverzeichnis am Schlusse. 2 FLEISCHMANN, A., hat bekanntlich in »Die Descendenztheorie« usw. (Leipzig 1901) den Versuch gemacht den Darwinismus zu vernichten, wobei er Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 105 den sorgfältigen Aufzeichnungen Rörıss fast jede Geweihbildung der rezenten Hirsche als eine bald deutlicher, bald weniger deutlich zum Vorschein tretende Wiederholung des Geweihes eines bestimmten fossilen Hirsches erkennen. Wenn ich es nun angesichts der erwähnten umfassenden Lite- ratur und der ausgiebigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche in ihr niedergelegt sind, dennoch unternehme, mich hier mit dem Gegenstande der morphologischen Geweihbildung, beziehungsweise Ausbildung oder Form der Geweihe zu beschäftigen, so liegt dies weniger in dem Bewußtsein neue wissenschaftliche Ergebnisse vor- zuführen, als vielmehr in dem Drange eine möglichst übersichtliche zusammenfassende Darstellung der Tatsachen und der hierbei wirk- samen Gesetze, wie sich mir dies auf Grund empirischer Beobach- tungen und theoretischer Erwägungen, sowie auch der Literatur- studien ergeben hat. Ich denke wohl auch an manche Widersprüche, welche sich bei den Bearbeitern dieses Gegenstandes vorfinden. Diese sind aber nicht unbegründet. Denn bei der Beurteilung der Tatsachen, welche mit der Entwicklung und Bildung der Geweihe in Beziehung treten, findet man eine derartige Fülle der mannig- faltigsten Faktoren, durch welche schon die verschiedensten Formen von Geweihen entstehen können, so daß es oft recht schwer ist, die- selben gleichmäßig in die Wagschale zu nehmen. Daraus aber folgt oft eine einseitige Beurteilung der Formen. So kommt es, daß der eine Forscher dieses, der andre jenes Entwicklungsprinzip oder Bildungsgesetz zur Geltung bringt, oder in dem Erfassen eines neuen Gesichtspunktes einen alten gar nicht oder nicht hinlänglich würdigt. Übrigens spielt hier, wie bei jeder Beurteilung, auch das sub- jektive Ermessen, das Gefühl gewissermaßen eine nicht unwichtige Rolle. Berücksichtigt man noch, daß jeder Interessent im allge- meinen ein andres Beobachtungsmaterial vor sich hat, so ergibt sich, daß die geleistete Arbeit, wenn auch eine vorzügliche, so doch keine vollständige ist und es auch nicht sein kann. Mit dem Bewußtsein der soeben angedeuteten Unvollständigkeit gehe ich nach diesen vorausgeschickten Bemerkungen zum Thema selbst über und wende mich zunächst der Besprechung der Geweih- entwicklung zu. natürlich auch das biogenetische Grundgesetz verwirft. Dieses Unternehmen wurde von PLATE u. a. widerlegt, und es mag hier das Beispiel vom Hirsch- geweih als ein wirksamer Beweis für die Richtigkeit der Harcreuschen Lehre und die Hinfälligkeit der FLEISCHMAnNschen Tendenzen hingestellt werden. 106 N Eugen Botezat I. Die Stufenfolge in der Ausbildung der Geweihformen. Es ist eine wohlbekannte Tatsache, daß sich mit dem Alter des Hirsches die Form seines Geweihes ändert und ebenso bekannt ist es, daß unter den rezenten Hirschen der altweltliche Rothirsch und der amerikanische Wapiti die höchsten Ausbildungsformen des Stangengeweihes entwickeln. Auch die aufeinander folgenden typischen Formen sind sowohl von Natur- wie auch Jagdkundigen zu wiederholten Malen beschrieben worden. Nichtsdestoweniger wird dem in der Praxis wohl zum geringsten Teil Rechnung getragen, was namentlich von den stärkeren Geweihen alter Hirsche gilt, worauf im zweiten Teile dieser Schrift näher eingegangen werden soll. Da- her erachte ich es für notwendig, die vollständige Entwicklungs- reihe der Geweihe zu betrachten, auch auf die Gefahr hin, mich einem eventuellen Vorwurf auszusetzen, dab ich auch Wiederholungen von bekannten Tatsachen vorgeführt habe. Da aber in den einzelnen Kapiteln auch manches Neue vorzubringen sein wird, so sind Wieder- holungen schon des Zusammenhanges halber unvermeidlich. Alle Entwicklungsformen der Geweihe lassen sich in zwei charakteristische Abteilungen scheiden. Die eine umfaßt die ein- fachen Formen mit ungegabelten Sprossen, die andre For- men mit deutlich entwickelter oder bloß angedeuteter Gabelung der distalen Endsprossen, wodurch die sogenannte Krone ent- steht. Denn der Typus der Form ist ein verschiedener, je nach- dem das Geweih eine Krone trägt oder nicht. A. Das einfache Geweinh. Dieses charakterisiert sich durch eine einfache oder mit Sprossen versehene Stange. Die Sprossen sitzen der letzteren auf und gehen durch Gabelung derselben hervor. Alle liegen in einer mit der Längsachse des Tieres mehr oder minder parallel laufenden, gleich- mäßig gekrümmten Ebene. Es mag hier erwähnt werden, daß wir wesentliche und un- wesentliche oder akzessorische Sprossen unterscheiden können. Zu den ersteren gehören solche, deren Auftreten dem Geweih eine typische Form geben, da sie normalerweise eine bestimmte Form und Richtung, namentlich aber einen bestimmten Platz an der Stange haben, zu den letzteren hingegen solche, die nicht nur selten zur Entwicklung gelangen, sondern auch an verschiedenen Stellen der Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 107 Stange oder der wesentlichen Sprossen entstehen und in der Regel nur kleine Dimensionen annehmen, welche daher dem Geweih kein typisches Gepräge zu geben befähigt sind, es sei denn, daß es sich um abnorme Bildungen oder Abnormitäten handelt. Diese akzes- sorischen Sprossen treten nicht selten in den Winkeln der Gabeln auf, wodurch sie zugleich auch eine Abweichung vom allgemeinen, die gesamte Geweihentwieklung beherrschenden Gesetze der Gabel- bildung bekunden. Bloß eine einzige Sprosse dieser Kategorie, welche jedoch unter dem Einflusse des Bildungsgesetzes entsteht, hat durch ihr, man könnte sagen, typisches und häufiges, wenn nicht regel- mäßiges Auftreten die Bedeutung der wesentlichen Sprossen erlangt, nämlich die Eissprosse oder zweite Augsprosse, über welche weiter unten des Näheren die Rede sein wird. 1. Geweihstufe. Das Knopfgeweih. Rörıc (10) ist der erste, welcher diese Geweihform richtig gewür- digt hat. Er erwähnt, daß zwar Aurum (1) Knopfspieße beschrieben hat, doch handelte es sich hier um Knöpfe mit bereits ausgebildeten Rosen, welche letzteren schon einem höheren Alter entsprechen, als das Alter jenes Hirsches gewesen sein mochte, an dessen Stirnzapfen RöRIG die ersten Knopfspieße entwickelt sah. Er schätzt das Alter desselben auf 12 bis 13 Monate. Die Knopfspieße waren wenige Millimeter hoch, entbehrten der Rose und, da der eine bereits ab- gefallen, an dem andern aber die durch die Nekrose bewirkte De- markationslinie zu erkennen war, so schloß Rörıc, daß dieselben bei Lebzeiten des Hirsches nicht mit Haut bekleidet, beziehungs- weise abgefegt waren. Der Schädel befindet sich im SENCKENBERG- schen Museum zu Frankfurt a. M. Ich habe zwar diese Geweihform beim Edelhirsch selbst noch nicht gesehen, bin aber von deren Existenz als erste Geweihstufe vollkommen überzeugt, zumal ich im Besitze eines Rehbockschädels bin, dessen Stirnzapfen derlei Knopfspieße tragen. Im Dezember des vergangenen Jahres geschossen, konnte man zwischen den langen die Stirnzapfen bedeckenden Haaren unregelmäßige von Haut ent- blößte mit Riefen versehene Knochenleisten sehen. In dem von der Haut entblößten (präparierten) Schädel sind diese seitlich schwach zusammengedrückten Knöpfe als besondere von den Stirnzapfen sich distinguierende Bildungen zu erkennen. Sie sind wenige Millimeter hoch, und zeigen verschiedene kleine unregelmäßige Erhebungen, nach Art der Geweihperlen. 108 Eugen Botezat Diese erste Geweihform des rezenten Hirsches ist die Wieder- gabe der ersten fossilen Geweihform von Dicrocerus furcatus Hens. aus dem Miozän von Steinheim (siehe Rörıg [10] S. 535 und Fig. 1). Man muß die Knopfspieße des Rehbockes gesehen haben, um, wie Rörıg sagt, in der Tat »von dem hohen Grade der Übereinstimmung des ‚ersten Geweihes‘ des Dicrocerus furcatus mit dem des Cervus capreolus überrascht zu sein«. Dieses Geweih wird nach RÖRIG etwa im Juli, also im dreizehnten Monate des Hirsches, abgeworfen. ‘2. Geweihstufe. Das Spießgeweih (Fig. 1). Dies ist das erste deutlich erkennbare Geweih und zeichnet sich aus durch zwei geriffte Fortsetzungen des schlanken Stirnzapfens, die im mäßigen Bogen nach außen divergieren und mit den Spitzen sich wieder gegeneinander kehren. Letztere sind in der Regel nicht scharf und können unter Umständen knopfartig ausgebildet sein. Die Länge der Spießerstangen beträgt nach der allgemein herrschen- den Meinung bis 30 cm. Für die Hirsche der Bukowinaer Karpa- then, welche ich aus eigner Anschauung kenne, kann dies natür- lich auch als Norm gelten, doch kommt es nicht gar selten vor, daß man hier Hirsche mit längeren Spießen als 30 cm antrifft. Ich be- sitze ein Spießgeweih, dessen rechter Spieß 35 cm, dessen linker 33,5 cm mißt. Am 27. März 1902 habe ich im Waldorte Lopatna, in der Serether Ebene, einen starken Spießer erlegt, dessen rechte Stange sogar 38,5 cm, die linke 35,5 em betrugen (Fig. 1). Daß es sich hier nicht um einen zurückgesetzten, d. i. durch regressive Ge- weihentwieklung hervorgegangenen Spießer handelt, ist sehr deut- lich zu ersehen aus den kaum hervortretenden und nach oben sich allmählich verjüngenden Rosen. Es beträgt nämlich der größte Um- fang dieser 9,4 cm, während jener des Stirnzapfens unmittelbar unter der Rose 9 cm beträgt. Noch etwas Merkwürdiges ist an diesem Geweih zu sehen. Während nämlich nach Rörıs der Spießerhirsch sein Geweih normalerweise in der Mitte des Monats Juni, somit im Alter von genau zwei Jahren, abwirft, findet man an diesem Spießgeweih sehr deutlich die Demarkationslinie bereits ausgebildet; ein Zeichen, daß das Geweih in kurzer Zeit hätte abgeworfen wer- den sollen. Es wäre dieser Abwurf somit um 1—1!/, Monate früher erfolgt. Diese Erscheinung ist wohl auf die besondere Stärke (90 kg) des Hirsches zurückzuführen. An dem linken Stirnzapfen ist die De- markationslinie nur bis zu ?/;, ausgebildet, während etwa /, des Stirnzapfenumfangs noch intakt ist (an der Außenseite). Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 109 Diese Geweihform ist als eine Wiederholung des durch Kın- KELIN (7) beschriebenen Spießgeweihes von Dremotherium Feignouzi Goeffr. aus dem Untermiozän, sowie der mittelmiozänen Gattung Dierocerus anzusehen und findet sich als höchste Form bei den rezenten amerikanischen Hirschen Coassus und Pudua, sowie der altweltlichen Gattung Elaphodus. 3. Geweihstufe. Das Gabelgeweih (Fig. 2). Nach dem Abwerfen des Spießgeweihes beginnt sofort die Ent- wieklung neuer Kolben, welche sich alsbald seitlich abflachen und gabelig teilen. Indem nun beide Teile fortwachsen, bilden sie eine Gabel, deren Winkel entgegengesetzt der Meinung Rörıss (10) nicht etwa 90 Grad, sondern in der Regel kleiner als ein rechter ist. Der Stirnzapfen mit dem ihm unmittelbar aufsitzenden Geweihteil bildet gewissermaßen den Stiel der Gabel, dessen Verlängerung den Gabel- winkel halbiert. Während nun die vordere Gabelzinke nur langsam fortwächst, nimmt die hintere zusehends an Länge und Dicke zu, so daß sie über die erstere bald die Überhand erlangt und zusammen mit dem hypofurcalen Teil zur sogenannten Stange wird, wogegen die vordere, die nunmehr gleichsam aus der Stange herausgewachsen zu sein scheint, zur ersten Sprosse (I)! wird, welche »Augsprosse« heißt. Rörıc (10) bezeichnet sie im Gegensatz zur allgemein herrschen- den Meinung als » Abwehrsprosse«, da sie zur Abwehr der gegneri- schen gegen den Kopf gerichteten Stöße im Brunftkampfe dient. Die mächtigere Stange aber, mit welcher die Stöße ausgeteilt wer- den, bezeichnet er als »Kampfsprosse«. Diese verläuft in einem schwachen Bogen etwa bis zur Mitte nach außen und biegt sich dann wieder nach innen, so daß sie jetzt, wie auch in den späteren Entwicklungsstufen gleich den Spießen einen Bogen bildet. Dieser Bogen scheint eine funktionelle Anpassung an die Kampfart zu sein. Da in der Mehrzahl der Fälle die Stöße bald nach der einen, bald nach der andern Richtung mit der entsprechenden Geweihstange erfolgen dürften, so ist es klar, daß dabei der Kopf einen Bogen beschreibt, als dessen Fortsetzung die Stange erscheint. Der Gegen- druck pflanzt sich nun durch die Achse der Stange fort, weswegen diese nicht so leicht brechen kann. Erfahrungsgemäß brechen auch die geraden Zinken einer Gabel viel leichter als gebogene, denn wir 1 Die eingeklammerten Zeichen beziehen sich auf die Figuren. 110 Eugen Botezat gebrauchen eine solche in ähnlicher Weise wie der Hirsch sein Ge- weih und das Rind sein Gehörn. Andrerseits scheint die gebogene Stange auch als Schutzorgan für den Kopf gegen die von der Seite gegen denselben gerichteten Stöße zu sein. HOFFMANN (6) entscheidet diese Frage nicht, indem er (S. 18) sagt: »Ebenso offen dürfte die Frage sein, ob die allgemeine Krümmung der Stangen nach innen die Ausgleichung jener Divergenz bezwecken soll und dann kom- pensatorische Krümmung ist oder auf Anpassung beruht. Auffallend ist, daß bei nur einseitiger Entwicklung des Geweihes die betreffende Stange meist gerade iste.. Dem möchte ich erwidern, daß dies durchaus nicht immer der Fall ist und wenn doch, dann glaube ich, geschieht es aus Gleichgewichtsrücksichten. Bei der Annahme der funktionellen Anpassung als wirksames Moment für die seitliche Divergenz: der Stangen kann man hierfür nicht dieselben Ursachen annehmen, wie für die knieförmige Biegung nach rückwärts, welche infolge der Diehotomie auftritt, wie dies HOFFMANN (6) anzunehmen geneigt ist, der sagt: »Ob dieses Gesetz auch von Einfluß darauf ist, daß die beiden Stangen des Geweihes, einschließlich des Rosen- stocks überhaupt divergieren, d. h. nicht parallel nebeneinander emporwachsen, wage ich nicht zu entscheiden. « Die Rose, jener runzelige, wulstige Basalteil des Geweihes, welche als Sehutzorgan für die den Stirnzapfen umgebende Haut beim sogenannten Abfegen, d. i. dem gewaltsamen Abstreifen der nach dem Ausreifen des Geweihes hinfällig gewordenen haarigen Haut desselben (Bast) dienen mag, ist bei dieser Geweihstufe bereits wohlentwickelt. Die Augsprosse ist beim Gabelgeweih infolge des geringen Winkels mit der Stange schief nach aufwärts gerichtet und von nicht beträchtlicher Länge. In den späteren Entwicklungsstufen wird sie immer länger und dicker und, indem sie sich immer mehr gegen den Stirnzapfen senkt, bildet sie bei gleichzeitig auch stärkerer: Entwicklung der Rose einen immer größeren Winkel mit der nach rückwärts geknickten Stange. Daß dies nicht ohne Ein- fluß auf die typische Ausbildung der Geweihe geblieben ist, soll weiter unten bei der Besprechung der Eissprosse erörtert werden. Die Augsprosse kann abnormer Weise fehlen, doch sind mir solche Fälle aus der Bukowina bis jetzt nicht bekannt. In solchen Fällen läßt sie Spuren ihrer Anwesenheit verschiedener Art zurück. Hin- gegen besitze ich selbst ein Geweih (Fig. 3), an dessen rechter Stange die Augsprosse sehr unentwickelt ist. Sie ist etwa 11/,; em lang. Dies Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsehes usw. 111 ist eine große Seltenheit, denn die Augsprosse ist wohl die typi- scheste und beständigste Sprosse am Geweih des Edelhirsches. Häu- figer als schwach ausgebildet ist sie besonders stark oder lang. Dabei ist sie immer zweckmäßig eingeriehtet. Nur selten zeigt sie eine unzweckmäßige Form. So besitze ich eine abgeworfene Stange vom ersten Kronentypus vom kleinen sogenannten Gebirgshirsch, deren Augsprosse (Fig. 5) eine fast rechtwinklige Krümmung nach aufwärts bildet. In dieser Form kann sie zu den hyperplastischen Bildungen gezählt werden. An einem andern zurückgesetzten acht- endigen Geweih vom 1. Kronentypus sind die Augsprossen sogar sichel- förmig gegen die Stange zu gebogen. Ja sogar gegabelt kann sie sein. Dies ist aber der Fall an Geweihen sehr alter Hirsche, und ist die Erscheinung auf eine starke Individualpotenz zurückzuführen (Hyper- plasie). An den berühmten Geweihen der Moritzburg (in Sachsen) ist dies nicht selten zu beobachten. Ja sogar doppelte Gabelungen der Augsprossen können an diesen Geweihen bewundert werden, so z. B. an dem Geweih vom dritten oder vierten Kronentypus mit ungerad zweiunddreißig Enden (dem regelrechten Sechzehn- bis Achzehnender entsprechend), welches im Speisesaale an der rechten Seite in der untersten Reihe zwischen dem linken und mitt- leren Fenster hängt. Dieses Geweih von unbekannter Herkunft stammt von einem sehr alten Hirsch früherer Jahrhunderte und hat ein Gewicht von über 14 kg. Eine als atavistisch anerkannte Erscheinung ist die, daß die Augsprosse an Geweihen älterer Hirsche mit der Stange statt eines stumpfen, einen spitzen Winkel bildet und verhältnismäßig hoch angesetzt ist. Als besondere Seltenheit mag hier das Geweih eines im vergangenen Sommer in Kloster-Putna geschossenen Gabel- hirsches vorgeführt werden, welches, in Fig. 2 dargestellt, durch die Liebenswürdigkeit des dortigen Forstverwalters Herrn LEO JIRKU in meinen Besitz gelangt ist. Ein Blick auf dieses Geweih genügt, um die auffallende Ahnlichkeit desselben mit dem Geweih von Di- crocerus elegans Lart., welches von RörıG (10) nach dem im groß- herzoglichen Naturalienkabinett in Darmstadt befindlichen Original- exemplar dargestellt worden ist und das aus den obermiozänen Ab- lagerungen von Sansan in Frankreich stammt. Als besondere Seltenheit ist an dem hier dargestellten Exemplar der überaus hohe Ansatz der Augsprossen zu erkennen. Diese machen fast den Ein- druck, als ob es Mittelsprossen wären, allein dies ist unter allen Umständen ausgeschlossen, da das Geweih im ganzen klein ist, die 212 Eugen Botezat Stirnzapfen schlank und dünn und die Rosen noch sehr schwach entwickelt sind. Hinzu kommt noch, daß gar keine Anzeichen dafür an den Stangen sind, welche für ein eventuelles Wegfallen der Aug- sprossen sprechen könnten: die Stangen sind vollkommen abgerundet und zeigen erst in der Höhe des Sprossenansatzes die Knickung nach rückwärts. Auch in Bezug auf die Größenverhältnisse herrscht zwischen diesen beiden Geweihen eine gewisse Ähnlichkeit: Maße des fossilen Geweihes | in Fig. 2 darge- von Dierocerus | stellten rezenten elegans nach Geweihes von | RörIG Cervus vulgaris Länge des Stirnzapfens vom Augenhöhlenrande Dis zur BioBor NIKI NER: BRATEN ER RLIER RE 65 mm 80 mm Dieselbe an der Innenseite . . .. . . Nahe 40°» 50 >» Umfang des Stirnzapfens in der Mitte seiner EN ee re: 87 >» 55» Entfernung der inneren Ränder der Stirn- ZApIen “4 INA ENE RE I I BANNER Tl! 428 50 >» Entfernung der äußeren Ränder der Rosen . . 110 >» 113 > Imiang,.der ‚Roxeit . en & ru lan us al PER 185 >» 100 >» Länge der Vordersprosse von der Rose ab . . 150 >» 210 >» Umfang der Vordersprossen in der Mitte ihrer LE0pp; recht NA RE ER: 67 > 48 >» in ea a ae re et 70 >» 50 >» Entfernung der distalen Enden der beiden Vor- ETRNFORBENF: FL. Due ee ee a re I. 190 > 280 >» Entfernung zwischen den distalen Enden der Vor- | dersprossen und denen der hinteren Sprossen ca.120 >» 130 >» Entfernung der distalen Enden der hinteren DLOSSAN En. un ln a Are u JE a Aare 250 >» 330 > Die Entfernung der Gabelbucht von der Rose beträgt an diesem rezenten Geweih 140 mm. Das Gabelgeweih der rezenten Hirsche ist eine Wiederholung der miozänen Gabelgeweihe von Dierocerus furcatus Hens. und wohl auch von D. elegans Lart. Unter den rezenten Hirschen findet sich das Gabelgeweih wohl auch unter mancherlei Modifikationen als höchste Entwicklungsstufe bei Furcifer und Cervulus. Abge- worfen wird das Gabelgeweih nach Rörıs (10) etwa Mitte Mai, wenn der Hirsch noch nicht volle drei Jahre alt ist. 1 Ich gebrauche für den Edelhirsch die Bezeichnung C. vulgaris, weil mir die übliche lateinisch-griechische Bezeichnung C. elaphus, ich möchte sagen, lächerlich erscheint. eh ah Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 113 4. Geweihstufe. Das Zweigabelgeweih (Fig. 3). Nach dem Abwerfen des Gabelgeweihes beginnt sofort die Ent- wicklung eines neuen Geweihes. Indem sich die Stirnzapfen etwas verdieken und deswegen scheinbar, sowie infolge wiederholter Nekrose beim Abwerfen wirklich kürzer werden, entwickelt sich die Rose bedeutend stärker und hebt sich vom Stirnzapfen einerseits und von der Stange andrerseits besser ab. Die Augsprosse entwickelt sich in nunmehr unbedeutender Höhe von der Rose und bildet mit der Stange einen rechten oder stumpfen, mitunter aber auch einen spitzen Winkel. Die nach rückwärts geknickte Stange wendet sich in einem schwachen Bogen nach vorn, flacht sich seitlich ab und entwickelt eine zweite Gabel, an welcher sich derselbe Prozeß abspielt, wie wir ihn bei der Bildung der Augsprosse kennen gelernt haben. Auch hier bildet die Stange den Stil der Gabel, dessen gedachte Fortsetzung den Gabelwinkel ungefähr halbiert, wie dies von HorrMmann (6) schema- tisch dargestellt worden ist. Während die vordere Gabelsprosse in schwachem Bogen nach oben verläuft und im Wachstum all- mählich zurückbleibt, bildet die hintere nach rückwärts einen Bogen, der sich alsbald wieder nach vorn wendet, und wächst energisch fort, so daß sie bald in Bezug auf ihre Dieke und Länge über die erstere die Oberhand gewinnt; sie wird zur Fortsetzung der Stange. Also sehen wir, daß sich in diesem Entwicklungs- stadium die Stange durch eine Knickung an der Augsprosse und eine zweite an der zweiten, welche Mittelsprosse (II) heißt, aus- zeichnet. Durch die Wendung der zwei bogenförmigen Stangenteile nach vorn soll die durch die Knickungen verloren gegangene all- gemeine Richtung der Stange wieder hergestellt werden. Die zweite Sprosse aber, welche durch die soeben beschriebene zweite gabelige Teilung entsteht, heißt Mittelsprosse, weil sie normalerweise oder für gewöhnlich in der Mitte der Stange auftritt. Allein dies findet durchaus nicht immer statt, namentlich an unregelmäßig gebauten Geweihen. Aber auch an sonst regelmäßigen kann sie in bezug auf den Ansatz, auf die Richtung und wohl auch auf die Form und Ausbildung verschiedene Variationen aufweisen. So kann sie ver- hältnismäßig sehr nahe der Augsprosse oder sehr nahe der Spitze angesetzt sein. Mitunter ist ihre Richtung nicht nach vorn sondern nach der Außenseite, wodurch das Geweih ein etwas eigentüm- liches Aussehen erhält. Wie wir aus dem Folgenden ersehen werden, sind diese Anomalien nicht ohne Einfluß auf die Geweihe. Am Morpholog. Jahrbuch, 32. 8 . 114 Eugen Botezat merkwürdigsten ist wohl die anomale Form der gegabelten Mittel- sprosse, welche normalerweise einfach ist.° An den Geweihen sehr alter Hirsche, namentlich an solchen mit komplizierter Kronenbildung, ist gewöhnlich auch die Mittelsprosse von dieser Überproduktion betroffen und erscheint einfach oder doppelt, ja mehrfach gegabelt, und kanı sogar nach Art gewisser Kronenbildungen fächerförmig verbreitet mit gezacktem Rand sein. Als klassisches Beispiel hierfür kann man wohl das weltberühmte Geweih der Moritzburg vom zweiten Kronentypus (also dem normalen Vierzehnender entsprechend) mit ungerad sechsundsechzig Enden mit tellerförmigen gezackten Kronen ansehen. Von den monströsen fächerförmigen Mittelsprossen liegt die rechte handförmig der Stange an und zeigt an ihrem Rande 9 Zacken, die linke, mehr muldenförmig, ist von der Stange mehr entfernt und trägt am Rande 4 große und mehrere kleine Zacken. Im ganzen sind die Sprossen und wohl auch die Stange bei dieser Geweihstufe recht schlank gehalten (siehe auch Fig. 3). Diese Stufe ist nach Rörıs (10) in der Individualentwicklung des Rothirschgeweihes eine Wiederholung der Geweihe der pliozänen Hirsche Cervus pardinensis Croix. et Job., O.cylindrocerus Brav., und er- reicht ihre höchste Vollendung an den Geweihen der rezenten Genera Azis, Hyelaphus und Rusa, während dies beim (©. vulgaris noch lange nicht der Fall ist. Denn nach dem Abwerfen dieses Geweihes, was gewöhnlich in der Mitte des Monats April geschieht, wenn der Hirsch ein Alter von 3 Jahren und etwa 10 Monaten hat, 'setzt der- selbe ein weiter entwickeltes Geweih auf. 5. Geweihstufe. Das Dreigabelgeweih. Die höhere Entwicklung dieses Geweihtypus bekundet sich durch mehrere Veränderungen in bezug auf den vorbenannten Typus. Die Stirnzapfen verdicken sich, die Rose wird größer, die Stange dieker, länger und reicher an Perlen. Auch die Sprossen verhalten sich ähnlich. Die Augsprosse zweigt schon recht nahe der Rose von der Stange ab und bildet mit der letzteren einen größeren Winkel. Die wichtigste Veränderung ist aber die, daß sich das distale Stangenende wieder gabelt, wodurch, wie Rörıg (10) sagt, die Kampfsprosse noch um eine Etage höher rückt. Die Stange zeigt somit eine dritte Kniekung nach rückwärts, entwiekelt sich jedoch gegenüber der distalen Sprosse nicht in so bedeutendem Maße als dies gegenüber der Aug- und Mittelsprosse der Fall ist, so daß die Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 115 Stange eigentlich mehr oder weniger mit einer einfachen Gabel, deren hintere Sprosse (das Stangenende) in der Regel länger und dicker ist, endigt. Die sogenannte distale »Scherengabel« entsteht nach Horrmann (6, S. 38) dadurch, daß »sich die Spitze der Hauptstange beim Achter sehr scharf nach innen wendet, so daß das vordere Gabelende dadurch eine Ablenkung nach außen erfährt und die Gabel von vorn gesehen einer offenen Schere gleicht«. Horrmann erwähnt diesen Fall, um zu zeigen, daß diese Wendung der Gabel nicht wie bei andern rezenten Hirschen durch Drehung der Stangen stattgefunden habe. Diese Geweihstufe ist in phylogenetischer Beziehung die Wieder- holung der Oberpliozänen Hirsche Cervus issiodorensis Cr. et. Job. und (©. Perrieri Cr. (siehe Rörıs),. Von den heute lebenden Hirschen erreicht diese Geweihstufe als höchste Entwicklung der japanesische Cervus sika Temm. Mit 4 Jahren und etwa 9 Monaten, somit etwa Mitte März wird dieses Geweih vom ©. vulgaris abgeworfen, worauf sofort das Geweih der nächsten Stufe sich zu entwickeln beginnt. 6. Geweihstufe. Das Viergabel- oder Eissprossengeweih. Die Entwicklung dieser Geweihstufe zeigt alle bereits bei den vorhergehenden Stufen erwähnten Merkmale nur noch in bedeutenderem Maße und mit der Merkwürdigkeit, daß sich das distale Stangen- ende nicht gabelt. Namentlich entwickelt sich die Augsprosse be- sonders stark und, indem sich ihre Ansatzstelle noch mehr der Rose ı Es mag hier erwähnt werden, daß HoFFMAnN in seiner interessanten Arbeit alle die komplizierten Geweihbildungen der rezenten Hirsche auf die regelmäßigen Typen des Rothirsches (C. vulgaris) zurückführt und die seitlich oder rückwärts gestellten Sprossen durch Drehung der Stangen, welche durch den Verlauf der Gefäßfurchen erkannt werden kann, entstanden zu sein er- klärt. Hierdurch hat er auf unserm Gebiete wohl einen bedeutenden Fort- schritt getan. Denn vom allein richtigen Standpunkt bei der Beurteilung und Klassifikation organischer Formen — mithin auch der Geweihe —, vom genetischen Prinzip ausgehend, unterwirft er die verschiedenen Geweihe der jetzt lebenden Hirsche einer vergleichenden Betrachtung und findet, daß sie sich alle auf einen allgemeinen Haupttypus zurückführen lassen, welcher durch das Geweih unsres C. vulgaris gegeben ist. Er hat seiner Arbeit auch eine -konsequent durchgeführte schematische Darstellung (mit beigefügten farbigen Zeichnungen) der an den Stangen nachgewiesenen Drehungen beigefügt. Wenn diese noch einige fragliche Lücken aufweist, so ist dies nur sehr natürlich und alteriert das sonst richtig erkannte Prinzip nicht. S*+ 116 Eugen Botezat nähert, als dies in den bisherigen Stufen der Fall war, senkt sie sich ihrer Länge nach gegen die Stirn, wodurch sich der Winkel, den sie mit der Stange bildet, bedeutend vergrößert. Rechnet man noch hinzu, daß sich auch die Stange neben der Verdiekung noch verlängert, wodurch die Mittelsprosse relativ höher zu stehen kommt, so ergibt sich zwischen den Ansatzstellen der Aug- und Mittel- sprosse einerseits sowie noch mehr zwischen den distalen Enden dieser Sprossen andrerseits eine recht große Entfernung, wodurch nicht nur die Stange, sondern auch und zwar ganz besonders die Augsprosse im Brunftkampfe exponiert und gefährdet erscheint, namentlich durch ihre starke Ablenkung nach abwärts. Diesem Übel- stande wird jedoch begegnet durch eine Gabelung der Stange zwi- schen Aug- und Mittelsprosse, wodurch die sogenannte »Eis- sprosse« (V) entsteht. Wie andre Forscher, so widmet auch Rörıs (10) der Eissprosse zu wiederholten Malen eine besondere Aufmerksamkeit. Ihre An- wesenheit erklärt er als eine Folge der Tendenz einer Verstärkung der Aug- oder Abwehrsprosse. Diese sei im historischen Entwick- lungsgange der Geweihe eine spätere Erwerbung, welche auch des- halb erst im späteren Lebensalter des Individuums auftritt. Sie muß aber nicht unbedingt auftreten, da sie öfters, auch ohne daß etwa ein krankhafter Zustand die Ursache davon wäre, fehlt. Letzteres illustriert Rörıe (10) durch Aufzählung zahlreicher Beobachtungen, aus welchen hervorgeht, daß sie in der Mehrzahl der Fälle vor- handen ist, was jeder, der Gelegenheit gehabt hat recht viele Ge- weihe zu beobachten, bestätigen wird. Nichtsdestoweniger variiert sie in dieser Beziehung unter den bisher betrachteten Sprossen am meisten. Auch Variationen andrer Art sind an der Eissprosse zu be- obachten. So zählt Rörıg (10) Fälle mit Verdoppelung derselben auf. Sie kann auch, wenn auch selten, gegabelt sein; so an dem in der rechten Fensterecke des Speisesaales der Moritzburg hängenden abgeworfenen Geweih! mit ungerad zweiunddreißig ı Dieses Geweih zeigt übrigens eine Anomalie in dem Ansatze der Mittel- sprosse, von der doppelten Becherkrone abzusehen. MEYER (8, Taf. XXI) sagt in der Beschreibung dieses Geweihes unter andern auch folgendes: »Die rechte Mittelsprosse legt sich der Krone nahe an, die linke Mittelsprosse ist zweizackig mit sehr breiter Basis, dagegen fehlt die linke Eis- sprosse.« Bei der Beurteilung dieser Verhältnisse dürfte sich MEYER offen- bar geirrt haben. Denn es ist nicht anzunehmen, daß an einem Geweih, an dessen rechter Stange die Mittelsprosse sich nahe der Krone anlegt, dieselbe Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 117 Enden nebst den zwei von Rörıcg (10) aufgezählten Fällen aus dem Jahre 1893, die jedoch von Tiergarten-Hirschen stammen. In bezug auf die Ansatzstelle kann die Eissprosse geradezu als überaus vari- abel angesehen werden, indem sie alle möglichen Stellungen und Riehtungen zwischen der Aug- und Mittelsprosse annehmen kann. Bei sehr starkem Gabelwinkel zwischen Augsprosse und Stange er- scheint sie gewöhnlich in der Gabelbucht und nimmt mehr oder weniger die Richtung des Stirnzapfens an (Fig. 4 und Textfigur), dadurch gleichsam die Tendenz bekundend das ursprüngliche Spieß- geweih wieder herzustellen. Nicht selten steht sie etwa im untern Drittel der Entfernung zwischen Aug- und Mittelsprosse und bildet dann mit der Stange einen größeren Winkel als im ersten Falle. Seltener steht sie in der Mitte des erwähnten Abstandes und wohl äußerst selten (siehe Rörıc [10] III, S. 129) in nächster Nähe der Mittelsprosse. In diesen letzteren Fällen ist sie auch fast immer senkrecht zur Stange orientiert, so daß mit ihrem höheren Steigen der spitze Winkel mit der Stange bis zu einem rechten wächst. In den beiden extremen Fällen ihres Ansatzes macht sie nicht den Eindruck einer Gabelbildung mit der Stange, sondern verhält sich so, als wenn sie aus der Stange herausgewachsen wäre, was sehr für ihre Beurteilung als Sprosse von sekundärem Charakter, oder als eine unwesentliche zufällige Erscheinung, welche aber aller- dings habituell geworden ist, spricht, worüber im weiteren noch die Rede sein wird. Endlich variiert sie auch in Hinsicht ihrer Länge. Sie kann dureh Hyperplasie länger werden als die Augsprosse, wie man dies an den Geweihen der Moritzburg nicht selten beobachten kann. Andrerseits aber erscheint sie oft kurz und unansehnlich und kann so herabgehen bis zu einer bloßen Erhebung an der Stange, oder bloß durch eine scharfe Kante angedeutet sein, oder aber sie kommt überhaupt nicht zur Entwicklung. Letzteres ist der Fall, Sprosse an der linken Stange bis zur Ansatzhöhe der rechten Eissprosse hinab- rückt, während anders sich doch in der überaus mächtigen Krone der linken Stange ein Äquivalent der rechten Mittelsprosse vorfindet, das jedoch vom Grunde aus mit zwei mächtigen Gabelprossen einen Becher bildet und also an der Kronenbildung Anteil nimmt. Dem entsprechend erscheint auch die ge- gabelte Eissprosse der linken Stange mächtiger entwickelt als die rechte. Im übrigen haben auch die andern von demselben Hirsch abgeworfenen, in der Moritzburg aufbewahrten Geweihe, wie dieses, recht hoch angesetzte Eis- sprossen und anderseits gegabelte Mittelsprossen, welche bis in die Nähe der Krone emporrücken. Daraus geht hervor, daß die in Rede stehende Sprosse als Eissprosse und nicht als Mittelsprosse anzusehen sei. 118 Eugen Botezat insoweit ich Geweihe mit Eissprossen aus eigner Anschauung kenne (etwa 600 beobachtete Fälle), bei Geweihen, an welchen die Augsprosse keinen großen (recht über 90% Winkel mit der Stange bildet, oder aber wenn die Mittelsprosse verhältnismäßig recht tief angesetzt ist (siehe Figg. 6, 10), aber auch dort, wo die Augsprosse nicht besonders in die Länge entwickelt ist (Figg. 6, 10). Sie kann aber trotz der tiefen Lage der Mittelsprosse, jedoch bei starker Entwicklung der Augsprosse oder aber bei seitlich abstehender Mittel- sprosse auftreten. Wie die andern bisher betrachteten Sprossen, die ebenfalls durch Gabelung entstanden sind, eine gleichzeitige Umformung der Stange mit sich bringen, so verhält es sich auch mit der Eis- sprosse. HOFFMANN (6) ist der erste, der diese Erscheinung aus- gesprochen, um nicht zu sagen, zuerst erkannt hat. Indem er nachweist, daß Brasıus (3) und Aurum (1) den Knick in der Stange gegenüber der Augsprosse wohl gekannt, nieht aber als allgemeines Gesetz gegenüber allen primären Sprossen, d. h. derjenigen, welche sich an die Stange ansetzen, sowie auch bei den sekundären Ab- zweigungen, erkannt haben, sagt er (S. 17), »daß das Einknicken der Stange und das Hervorsprossen eines Endes an derselben Stelle, nicht ein zufälliges Zusammentreffen beider Erscheinungen, auch das Hervorkommen eines Endes nicht die Folge der Entstehung der Sprosse ist, beide Erscheinungen also in einem innigen ursächlichen Zusammenhange stehen«e.. Demzufolge bringt auch die Aug- und Eissprosse eine Veränderung der Stange mit sich. Diese Veränderung besteht nicht immer in einer ausgesprochenen Knickung der Stange, ‚sondern oft auch nur darin, daß der Stangenteil zwischen Aug- und Mittelsprosse, welcher häufig, wie bereits oben gesagt wurde, relativ kurz ist, nicht jenen aus kompensatorischen Rücksichen charak- teristischen Bogen bildet, sondern in gerader Richtung verläuft. Dies ist deutlich an solehen Geweihen zu beobachten, an welchen die Eis- sprosse entweder durch eine unbedeutende Erhebung (Fig. 10), oder bloß durch eine scharfe Kante (Fig. 6) oder aber auch gar nicht zum Vorschein tritt (Fig. 5). Ja sogar an solchen Geweihen ist die durch die Eissprosse verursachte Veränderung der Stange zu erkennen, bei denen dieselbe als Fortsetzung der Stirnzapfenachse also im Scheitel des Winkels zwischen der Augsprosse und der Stange auf- tritt. Die nach rückwärts geknickte Stange verläuft anfangs gerade- aus und bildet erst in der Nähe der Mittelsprosse den Bogen (Fig. 4). Diese in bezug auf die Eissprosse verhältnismäßig nur geringe Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 119 Veränderung der Stange steht, meiner Meinung nach, im Zusammen- hang mit dem späten Auftreten und der von HOFFMANN ausge- sprochenen in der Regel nur geringen Entwicklung der Eissprosse, wie nicht minder mit dem niederen Ansatze derselben oder dem kurzen Intervall zwischen Aug- und Mittelsprosse. Faßt man das über die Eissprosse Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich Folgendes: Die große Entfernung zwischen der Aug- und der Mittelsprosse, sowie die Biegung der ersteren gegen die Stirn zu hat sekundär die Bildung der Eissprosse bedingt. Letztere fehlt unter allen Sprossen am häufigsten und ist in bezug auf die Ansatzstelle, sowie in bezug auf die Richtung ihres Verlaufs am meisten variabel. Ebenso verhält es sich auch mit der durch die Eissprosse bedingten Veränderung der Stange. Aus diesen Tatsachen geht aber hervor, daß sie eine spätere, jedoch ursprünglich vielleicht zufällige Erwerbung ist, welche, weil zweckmäßig (als Verstärkung der ‘Augsprosse), habituell wurde. Sie ist eine unwesentliche oder akzes- sorische Sprosse, welche jedoch die Bedeutung der primären wesent- lichen Sprossen erlangt hat, denn an manchen Geweihen der 4. Stufe ist sie oft und sogar nur an einer Stange ohne Veränderung der letzteren vorhanden!. Als akzessorische Sprosse wäre sie auch noch aus dem Grunde anzusehen, weil sie vornehmlich wegen ihrer großen Variabilität, nicht wesentlich zur typischen Form des Geweihes bei- trägt. Auf Grundlage des hier über die Eissprosse Gesagten sind wir nun nicht nur vollkommen berechtigt, sondern sogar genötigt, die Eissprosse, auch wenn sie nicht deutlich zur Entwicklung gelangt ist, von dieser Stufe an als anwesend zu betrachten. Daher muß Braısus (3) Recht gegeben werden, welcher meint, daß die Eissprosse von dieser Stufe an durch alle weiteren Stufen, auch wenn sie nicht deutlich entwickelt sei, gezählt, also als anwesend erachtet werden müsse. Er sagt über sie (S. 446) Folgendes: »Da sie vom Zehner an, bei dem sie zuerst auftritt, in den meisten Fällen vor- kommt, so gehört sie offenbar in die Norm der Reihe und darf beim Zählen nicht vernachlässigt werden.< Dies spricht er aus, nachdem er vorher über sie folgendes gesagt hat: »Eine Änderung der Hauptstange ist mit ihr nicht verbunden: eine Andeutung, dab sie für die Entwicklungsreihe des Ganzen« — darunter dürfte wohl der 1 Ich selbst besitze ein derartiges Geweih von einem selbstgeschossenen Hirsch. 120 Eugen Botezat Formtypus des Geweihes gemeint sein — »nicht von unbedingter Bedeutung ist.« Wenn nun trotzdem BLAsıus sie mitzuzählen vor- schlägt, um wieviel mehr sind wir dazu genötigt, nachdem wir zur Einsicht gekommen sind, daß sie eine Veränderung der Stange mit sich bringt, ja letzteres sogar dann eintritt, wenn die Eissprosse nicht deutlich erkennbar ist. In solange wir bei der Beurteilung organischer Formen — und mithin auch der Geweihe — an dem genetischen Prinzip festhalten — und dies ist das allein maßgebende — müssen wir die Eissprosse bei allen. höheren Geweihformen als es die fünfte Stufe oder das achtendige Dreigabelgeweih ist, welches sich außer den drei Gabeln durch die gleichmäßige Krümmung der Stange zwischen Aug- und Mittelsprosse kundgibt, als anwesend erachten, ob sie nun tatsächlich entwickelt ist oder nicht. Daher ist es nicht zutreffend, wenn RÖRIG und gleich ihm auch die älte- ren Forscher diese Geweihstufe als in zweifacher Weise erfolgend erklären: entweder durch die Entwicklung der Eissprosse bei un- veränderter distaler Gabel und somit durch Verdoppelung der Aug- oder Wehrsprosse, oder aber durch »Gabelung der Kampfsprosse in der Bucht der Endgabel«. Wenn dieses letztere eintritt, dann handelt es sich bloß um ein Überspringen dieser Stufe, was auch bei andern Stufen vorkommt, worüber im weiteren des nähern die Rede sein wird. Es mag hier schließlich noch etwas über die erste Anlage der Eissprosse und die Veränderungen, welche mit dieser Hand in Hand gehen, mitgeteilt werden. Da sie eine spätere Erwerbung ist, so tritt sie auch relativ spät in der Stufenfolge der Geweihbildung zum Vorschein. Hat aber der Hirsch dieses Stadium erreicht, dann geschieht die erste Anlage der Eissprosse, trotzdem sie die fünfte Geweihsprosse in der Stufenfolge der Geweihentwicklung ist, un- mittelbar nach der durch Gabelung des Stirnzapfenkolbens bewirkten Anlage der Augsprosse — dies gilt natürlich auch für alle folgenden Geweihstufen. — Sie bewirkt ebenso wie die Augsprosse eine Ver- änderung (Knickung) der Stange, da auch sie durch Gabelung der- selben entsteht, woraus hervorgeht, daß sie zur Kategorie der wesent- lichen Sprossen gehört. Aber wenn sie auch nicht ausgebildet wird, so bekundet die Stange dennoch die Tendenz unmittelbar nach der Bildung der Augsprosse sich zu gabeln, was durch einen Knick oder auch durch einen geraden, statt gleich anfangs bogen- förmigen Verlauf derselben erwiesen wird, wie dies schon oben gesagt worden is. Am besten kann uns über diese Verhältnisse die hier beigefügte Textfigur belehren. Dieselbe stellt eine auf die Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 121 Hälfte reduzierte vollkommen naturgetreue Umrißzeichnung der Ge- weihanlage eines am 3. Juni d. J. im Franztaler Forstbezirk (in der Nähe von Özernowitz) vom Forstassistenten Herrn Böum erlegten mittelstarken Edelhirsches, dessen Schädeldecke im zoologischen In- stitut der h. o. Universität aufbewahrt ist, dar. Aus der Stärke der Stirnzapfen, dem tiefen Ansatz der Augsprossen und wohl auch aus a] a Ew NT Au Auf 1/, reduzierte nach der Natur aufgenommene Umrißzeichnung der linken Hälfte eines im Wachstum begriffenen Geweihes des Edelliirsches mit beginnender Augsprossen- (I), Eissprossen- (V) und Stangenbildung (St). Die punktierten Linien 7, 2 stellen frühere Entwicklungsstadien dar. Der Pfeil oa deutet die Achse des Stirnzapfens (k) und ursprüngliche Richtung der Stange, ob die Achse der Augsprosse, oc die Achse der durch die Gubelung in o abgelenkten Stange, o0' das schematische Stangenintervall zwischen Aug- und der durch die zweite Gabelung in o' entstehenden Eissprosse, 0'd die Achse dieser, o'e die Achse der durch die zweite Gabelung zum zweitenmal abgelenkten Stange an. rr die nur sehr schwach entwickelte Rose. Aw Auge. H Hinterhaupt. der Stärke des Hirsches ließ sich annehmen, daß derselbe schon eine Krone getragen hat oder wenigstens in diesem Jahre eine entwickelt hätte. In dieser Figur stellt die äußere ausgezogene Linie (3) den Um- ıißB des eben erreichten Entwicklungsstadiums des Geweihes dar, in welchem die sich entwickelnde Eissprosse eben deutlich zum Vorschein tritt. Zwei frühere Entwicklungsstadien sollen durch die punktierten Linien (2 und 1) gekennzeichnet sein. Ohne Zweifel hat vor kurzem 197 Eugen Botezat das sich entwickelnde Kolbengeweih so ausgesehen, wie es diese punk- tierten Linien andeuten. Dies wird jeder zugeben, der Gelegenheit gehabt hat, wachsende Geweihe zu beobachten. Der Pfeil « deutet die Achse des Stirnzapfens an, ob die Achse der Augsprosse (7), oc die erste durch die Gabelung verursachte Ablenkung der Stange (St) von ihrer ursprünglichen mit der Stirnzapfenachse (oa) zusam- menfallenden Richtung auf dem durch die Linie 1 angedeuteten früheren Entwieklungsstadium. Durch stärkeres Wachstum der Stange und die bald eingeleitete zweite Bifurkation behufs Bil- dung der Eissprosse erreichte das Geweih das Stadium, welches durch die zweite punktierte Linie 2 angedeutet sein mag. Diese zweite Gabelung bewirkte eine zweite Ablenkung der Stange nach der Richtung des Pfeilles ee Der Ausgangspunkt der durch die Zinken dieser zweiten Gabel gedachten Achsen kann begreiflicher- weise nicht mit dem der ersten Gabel (o) entsprechenden zusammen- fallen, sondern erscheint gegen diesen, da die Eissprosse (V) sehr nahe der Augsprosse angelegt ist, nur wenig entfernt (0). Würde die Eissprosse von der Augsprosse weiter entfernt angelegt worden sein, wie dies gewöhnlich der Fall ist, dann stünde auch 0’ von o weiter ab. 00’ stellt daher das Stangenintervall zwischen der Aug- und Eissprosse im Schema dar, denn durch das Geweih selbst kommt dieses infolge des allmählichen Überganges der einen Sprosse in die andre nicht deutlich zur Anschauung. Durch dieses Achsen- schema ist nun auch in diesem schwierigsten Fall die zweifache Kniekung der Stange durch die Bildung der Aug- und Eissprosse erwiesen. Die Entwicklung dieser Geweihstufe beginnt nach Rörıs (10) Mitte März und ist Mitte Juni beendet. Abgeworfen wird das Ge- weih um die Mitte des Monats März, wenn der Hirsch 5 Jahre und etwa 8 Monate alt geworden ist. In der phylogenetischen Reihenfolge der Geweihentwicklung ist meines Wissens kein fossiler Hirsch be- kannt, der den Typus der in Rede stehenden Geweihform als höchs‘e Entwicklungsstufe erlangt hätte, und ebenso gibt es unter den rezenten Hirschen keinen, bei dem diese Stufe, in ähnlicher Weise, wie dies bei den bisherigen Stufen der Fall war, als höchste Form vorhanden wäre. Im Diluvium kommen wohl Eissprossengeweihe mit der charakteristischen Kronenbildung vor, diese aber gehören wohl zu derselben Cervidenart, welche auch heute noch die Zierde unsrer Wälder ist, dem (©. vulgaris an. Mit dieser Geweihstufe ist die Entwicklungsreihe der einfachen Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 193 Geweihformen vollendet. Dies ist aber noch keinesfalls die voll- ständige Entwicklungsreihe der Geweihe des Edelhirsches, denn derselbe erlangt seine Vollkraft noch nicht auf dieser Stufe, sondern erst nach dem Überschreiten derselben, von welcher Zeit an er ein am distalen Ende wesentlich verschiedenes, ein in typischer Weise abgeändertes, komplizierteres Geweih erlangt. Daher tritt von nun ab jede Veränderung und Weiterentwicklung des Geweihes mit dem zunehmenden Alter des Hirsches auch nur am distalen Stangen- ende auf, wodurch die verschiedenen Kronenbildungen entstehen. B. Das Kronengeweih. Wie soeben angedeutet wurde, kennzeichnet sich dieses durch allmähliche Veränderungen in der distalen Gabel (III, IV), durch die Bildung der sogenannten Krone, wodurch typische Formen an- derer Art geschaffen werden. Unter der Geweihkrone versteht man nach der von NITscHE (9) gegebenen Definition »die Vereinigung von drei oder mehr Enden an der Spitze der Stangenachse, die bei dem ganz normal gebildeten KRothirschgeweih erst bei der Stufe des Hirsches von 12 Enden oder Zwölfers auftritt, und dann jederseits noch von Aug-, Eis- und Mittelsprosse begleitet ist.« Die phylogenetischen Betrachtungen Rörıss (10) haben ergeben, daß die Geweihformen der rezenten Hirsche der alten Weit als die letzten Glieder mehrerer langen Entwicklungsreihen von Geweih- formen anzusehen sind. Dementsprechend, will ich meinen, muß auch die Krone des rezenten Edelhirsches aus derartigen Entwick- lungsreihen hervorgegangen sein. Seit dem Ende der Pliozänzeit machte sich an den Geweihen der Cerviden einerseits die Tendenz komplizierte Gabeln zu bilden,. andrerseits die Tendenz der Schaufel- bildung geltend. Dies führte schließlich zu hyperplastischen Bil- dungen, welche Erscheinung der Tendenz, das Geweih an seine Funktion anzupassen, direkt entgegenwirkte. Da nun derartige Ge- weihe ihren Trägern mehr Nachteile als Vorteile boten, so trat auch schließlich eine natürliche Reaktion dagegen ein, die Hirsche starben aus und an deren Stelle traten Hirsche mit einfacheren Geweihformen auf, darunter auch insbesondere der Edelhirsch (Cervus vulgaris). Die überaus mächtige Schaufelbildung wich der Form mit zylindrischem Querschnitt, namentlich in den untern Teilen des Geweihes — wie sich übrigens die Schaufelbildung am meisten auf das distale Ende erstreckte, — und ebenso trat die wiederholte Gabelbildung in den 124 Eugen Botezat untern Partien des Geweihes zurück. Die oberen aber behielten diese Tendenz noch in gewissem Grade. Aus der Vereinigung beider aber geht am distalen Ende desGeweihes ein Gebilde, das aus mehreren Gabeln, verbunden mit gleichzeitiger Abflachung von Stangenteilen beziehungsweise Verflachungen zwischen den Gabelbuchten besteht, die Krone hervor. Diese besteht seltener lediglich aus Gabeln ohne gleichzeitige Abflachungen, und wenn dies auch der Fall ist, dann ist es wohl sehr selten an beiden Stangen zu sehen. Oft zeigt die eine Krone Gabeln und Stangenteile von kreisförmigem Quer- schnitt, die andre aber Verflachungen, welche namentlich dann zum Vorschein treten, wenn die Gabelzinken ohne einen besondern Stiel der Stange aufsitzen (Fig. 6). Hierher gehören die sogenannten Schaufel-, Hand-, Becher-Kronen der Jäger. Mich dünkt, als ob das sogenannte Zurücksetzen, worauf weiter unten näher eingegangen werden soll, verbunden mit einer Vereinfachung oder gar Nicht- ausbildung der Krone zur Zeit immer mehr Überhand in der Ent- wicklung der Geweihe nimmt, was ich als Fortsetzung des er- wähnten Reaktionsganges ansehen möchte. Denn, betrachtet man Geweihe aus neuerer und älterer Zeit, so ist es unverkennbar, daß die Geweihe aus früheren Jahrhunderten im allgemeinen mächtigere Kronenbildungen aufweisen als dies heutzutage der Fall ist (Moritz- burger Sammlung). Man kann hier kaum einwenden, daß die Ur- sache hiervon das Fortschreiten der menschlichen Kultur oder die Folge des allmählichen Abschusses der besonders schöne Kronen- geweihe tragenden Hirsche sei, wiewohl auch diese im Verein mit dem Umstande, daß die starken Hirsche mit einfacherem Geweih infolge des leichteren Gebrauches desselben als Waffe im Brunftkampfe über ihre Gegner mit schweren Geweihen obsiegten und daher ihre Eigenschaften auf die Nachkommen vererbten, geschehen sein mag und wohl noch geschieht. Denn namentlich im Karpathengebirge und speziell auch in der Bukowina, wo es ja noch heutzutage Urwälder gibt, oder stellenweise solche noch vor sehr kurzer Zeit gegeben hat, in denen die Hirsche, so zu sagen, ungestört sich entwiekeln können, ist die Erscheinung des Zurücksetzens, d. i. der regressiven Entwicklung eine sehr gewöhnliche. Außer den schon erwähnten Becher-, Schaufel-Kronen usw. zeigen die Kronen der Geweihe, wie dies ja allgemein bekannt ist, die aller- verschiedensten, bald mehr bald weniger regelmäßigen, zumeist aber unregelmäßigen Formen. So kam es denn, daß für die nähere Bezeichnung der Kronen lediglich auf äußere und zwar zufälligeFormen Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 195 Rücksicht genommen wurde und auch noch wird. Dies mag wohl Brasıus (3) Veranlassung gegeben haben, die Geweihe des Hirsches einer vergleichenden Betrachtung zu unterwerfen, und, indem er dies tat, ergab sich ihm das, was sich auch jedem ergeben muß, wenn er Naturprodukte nicht nach zufälligen äußeren Erscheinungen beurteilen will, sondern der bemüht ist in den einzelnen, wenn auch individuell verschiedenen Formen, eine gewisse ideale Grundform, den Formtypus zu finden, wie man dies ja auch sonst tut!. So läßt sich denn in der Tat an jedem Kronengeweih (Aus- nahmen sind nur sehr selten und zwar wo es sich um gar abnorme Fälle handelt) ein gewisser Idealtypus erkennen. Dieser ist eine Folgeerscheinung des Bildungsgesetzes der Geweihe, welches auch natürlich in der Krone zur Geltung kommt. Wollen wir beobachtet haben, daß sich das Geweih des Rot- hirsches in der Ausbildung der Krone durch das Zurücksetzen immer mehr vereinfacht, so muß es etwas befremden, wenn HorF- MANN (6, S. 37) bei der Betrachtung des Rothirschgeweihes als Kronengeweih über dasselbe folgendes sagt: »Nichtsdestoweniger müssen wir in dem Geweih unsres Rothirsches dennoch das voll- kommenste Gebilde dieser Art erkennen, weil es, verglichen mit allen andern Geweihen, die größte Einfachheit im Aufbau, mit der höchsten Formvollendung und der größten Zweckmäßigkeit ver- bindet. Gerade die Krone, dieser kraftvolle Abschluß des Geweihes ist es, der dem Ganzen das Gepräge des Vollendeten gibt. Be- fähigen die unteren Endenpaare den Rothirsch, seinen Gegner ge- gebenen Falles sofort zu töten, so besitzt er in der Krone eine Schutzwaffe obnegleichen. Nicht; mit den Augsprossen, auch nicht mit den Mittelsprossen werden die mit horizontal ausgelegtem Ge- weih geführten Angriffsstöße des Gegners aufgefangen, sondern jedesmal mit der Krone. Daß sich aber eine solche besser dazu eignet, als eine einfache Gabel oder eine Reihe hintereinander stehender Sprossen wie beim Wapiti, liegt auf der Hand.« Wie außerordentlich ich es bedauere, bisher noch keine Gelegenheit gehabt zu haben, zwei kämpfende Hirsche zu beobachten, so daß ich dieser Sache nicht aus eigner Anschauung das Wort reden kann, so kann ich trotzdem der Meinung HoFFMmAnNs nicht beipflichten, 1 Wenn die Bemerkung gestattet ist, so erlaube ich mir darauf hinzu- weisen, daß z. B. ein Buschmann und ein Kaukasier trotz ihrer Verschiedenheit “in der äußeren Erscheinung recht wohl in die ideale Menschengestalt (den Menschentypus) hineinpassen. 126 Eugen Botezat sondern bin vielmehr aus verschiedenen Gründen, welche Rörıe (10) über die Kampfweise der Hirsche ins Feld führt, von der Anschauung des letzteren überzeugt. In seiner ersten Mitteilung, welche ein Jahr vor der Arbeit HorrmAnns erschien, teilt RörısG (10, I, S. 542) folgendes mit: »Betrachten wir nämlich bei rezenten Cerviden die Art des Kampfes untereinander und die Art des Gebrauchs, die von dem Geweih in solchen Fällen gemacht wird, dann kommen wir zu ganz andern Resultaten als die Verfasser? gewisser ‚maß- gebender Lehrbücher‘, welche meinen, die Augsprosse sei es, mit welcher der Kampf ausgefochten werde, während die übrigen Geweih- teile lediglich als ‚Parierstangen‘ der Abwehr dienten. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: mit den Augsprossen werden die nach dem Kopf gezielten Stöße des Gegners ab- gewehrt und mit der Spitze des übrigen Geweihteiles werden die Stöße ausgeteilt. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß diese Kampf- methode schon bei miozänen Hirschen die übliche gewesen ist. Denn die relativ stärkere Entwicklung der hinteren Gabelsprosse spricht zu deutlich dafür. Und in diesem vermehrten Gebrauch dieser hinteren Gabelsprosse im Gegensatz zur vorderen konnte sich die Tendenz zur Verstärkung und Verlängerung dieser hinteren Sprosse, die ich deshalb ‚Kampfsprosse‘ nenne, zu einer dauernden ent- wickeln.“ Ich habe diese beiden Ansichten (HOFFMANNs und RÖRIGS) wörtlich zitiert, um sie nebeneinander zu stellen und gleichzeitig die Gründe für die Auffassung RÖRIGs hervortreten zu lassen, während HorFFMANN für seine Meinung dergleichen nicht vorführen kann und ı Hier dürften wohl nebst andern Ernst und RAoUL v. DOMBROWSKI gemeint sein, welche in ihren Lehrbüchern natürlich auch die Krone behandeln. Es mag erwähnt werden, daß R. v. DOMBROWSKI in einem seiner Lehrbücher die Kronenbildung, wie sie von BLAsıus (3) skizziert worden ist, gänzlich ver- wirft. Hierbei wird das genetische Moment und die darauf basierende typische Form der Krone ignoriert und in ganz andrer Weise negiert, als dies etwa NITScHE (9, $. 7) tut, dessen diesbezügliche Ansicht im weiteren noch be- sprochen werden wird. Denn während NITSCHE sagt: »Die verschiedenen Ab- änderungen in der Stellung der Kronenenden haben ihren Ausdruck in ver- schiedenen speziellen Weidmannsausdrücken gefunden, wie Becherkrone, Schau- felkrone usw. Eine weitere Bedeutung haben sie für die wissenschaftliche Nomenklatur nicht«, werden von R. v. DoMBROWwskI bei gänzlicher Verwerfung der Brasıusschen Typen gerade diese rein zufälligen Formen in das Dogmen- buch mit viel Nachdruck erwähnt. Die natürliche Folge hiervon ist aber, daß die angehenden Weidmänner sich die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Beurteilung gar nicht aneignen können. Oder sind vielleicht die wissen- schaftlichen Errungenschaften für die Weidmänner kein Bedürfnis ? Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 127 ‘es auch nicht tut, indem er sie als unmittelbar klar erachtet, was jedoch nicht der Fall ist. Die Geweihkrone entsteht zunächst durch nacheinander erfol- sende Gabelung der distalen Gabelenden sowie im weiteren durch fortgesetzte Gabelung der rückwärtigen distalen Gabelsprosse usw., so zwar, daß wir in der Krone unumgänglich normale primäre Gabeln, analog jenen, die wir beim einfachen Geweih kennen ge- lernt haben, und normale sekundäre Gabeln zu unterscheiden haben. Die Bildung der letzteren ist jedoch nicht mehr jenen des einfachen Geweihes homolog, sondern ihre Sprossen liegen in einer zu jener gleichmäßig gekrümmten Ebene, in der die primären Gabeln liegen, senkrechten Ebene, so daß, wenn wir die Krone mit dem einfachen Geweih vergleichen, diese denselben Bildungstypus zeigt, nur mit dem Unterschiede, daß hier nicht wie beim einfachen Geweih, solitäre Sprossen in Etagen übereinander zu liegen kommen, sondern es folgen über- respektive hintereinander Gabeln und Sprossen be- ziehungsweise Gabeln und Gabeln. Wenn wir nun an dem einfachen Geweih nacheinander zur Ausbildung gelangende Formtypen unterschieden haben, so müssen wir dies folgerichtig, konsequenterweise auch an der Krone, be- ziehungsweise an dem Kronengeweih tun. Deswegen erachte ich die von Brasıus festgestellte Entwicklungsreihe der Kronentypen für durchaus zutreffend, wenn auch die höheren Stufen derselben zu den Seltenheiten gehören. Auch NırscHe (9, S. 7) und Rörıc (10, III, S. 88) stehen im Prinzip dieser Auffassung nicht fern. Was schließlich die akzessorischen Sprossen, welche an der Krone zur Ausbildung gelangen, betrifft, so gilt für dieselben das, was über die nämlichen Bildungen in der allgemeinen Betrachtung des einfachen Geweihes gesagt wurde. 7. Geweihstufe. Erster Kronentypus (Fig. 4, 5). Nach dem Abwerfen des Geweihes der vorhergehenden Stufe beginnt sofort die Entwicklung eines neuen Geweihes. Die Ver- änderungen, welche bei der Entwieklung der einzelnen Stufen des einfachen Geweihes vor sich gehen, treten auch an dem Geweih dieser sowie auch aller folgenden Stufen nur noch in stärkerem Maße auf. Diese betreffen die Verdiekung und Ver- kürzung des Stirnzapfens, sowie ein teilweises Neigen desselben nach vorn, die Vergrößerung der Rose, die stärkere Neigung der 128 Eugen Botezat Augsprosse gegen die Stirn, die Zunahme und Verlängerung dieser sowohl wie auch aller übrigen Sprossen des Geweihes, welche bisher schon entwickelt waren, schließlich die Zunahme der Stange an Dieke und Länge und endlich die Perlen, welche sowohl an der Stange, als auch an den Sprossen dichter und größer werden. Die typische Veränderung des Geweihes auf dieser Stufe aber tritt in der Endgabel auf, indem sich die vordere oder eigentliche Sprosse derselben gabelt, die hintere Sprosse oder eigentlich das nach rück- wärts und medianwärts geknickte Stangenende aber bloß verdickt und verlängert und sich dabei wohl auch medianwärts krümmt. Die Gabelung der vorderen Sprosse erfolgt jedoch so, daß die durch die beiden Zinken derselben gelegte Ebene senkrecht zur gleichmäßig gekrümmten Ebene, in der die primären Sprossen liegen, liegt (Figg. 4, 5, III;.). Diese sekundäre Gabelung kann entweder unmittel- bar in der primären Gabelbucht, also an der Basis der primären Sprosse (III), oder aber weiter von dieser entfernt, in welch letz- terem Falle diese sekundäre Gabel die primäre Sprosse (III) zum Stiel hat, auftreten. Die Zinken dieser Gabel sind daher als se- kundäre Sprossen anzusehen und nicht etwa als akzessorische Bildungen, gleich andern namentlich an der Krone auftretenden Sprossen, da sie durch ihr typisches Auftreten dem Geweih eine ebensolche Form geben. Die Krone also, welche aus einer nach vorn gerichteten Gabel und einer nach hinten gewendeten Sprosse besteht, ist die Charakteristik dieser Geweihstufe. Sie verleiht dem Geweih eine ganz bestimmte typische Form. Ein Musterbeispiel dafür ist das in Fig. 4 wiedergegebene Geweih. Sind die sekundären Sprossen nicht gleichartig ausgebildet oder irgendwie verzehrt usw., dann können die verschiedensten Spezialformen resultieren (z. B. die Schaufelkrone in Fig. 5), was aber den Idealtypus nicht alteriert, sondern bloß eine zufällige Erscheinung ist, bedingt durch indivi- duelle Variation, wenn es sich sonst nicht um eine Abnormität handelt. Insofern die Morphologie der einzelnen Geweihstufen nach einem einheitlichen Prinzip beurteilt werden soll, kann ich mich der Auf- fassung Rörıss (10) nieht anschließen, welcher, wie bei der vorigen, so bei dieser und auch bei der folgenden Stufe, zwei parallel ver- laufende Bildungsreihen unterscheidet, wobei die Anwesenheit oder Nichtausbildung der Eissprosse eine Rolle spielt. Man ersieht dar- aus, daß Rörıg die Geweihe nach der Anzahl der Enden und zwar der wirklich ausgebildeten Enden beurteilt, wie dies auch alle seine Gestaltung und Klassifikation der Geweihe des Edelhirsches usw. 1929 Vorgänger getan haben. Nur Brasıus und mit ihm E. v. DoMBROWwSKI und Nrrsch£ sowie teilweise HOFFMANN sind von der Überzeugung durehdrungen, daß eigentlich die Form der Stange usw. und nicht die Zahl der Enden von Bedeutung für die Klassifikation der Ge- weihe seien. Nichtsdestoweniger lassen sie in Wirklichkeit dennoch die Anzahl der Enden mehr in den Vordergrund treten, gleichsam als sei es nicht möglich, anders als nach der Endenzahl die Geweihe zu taxieren. Doch darauf wird weiter näher eingegangen werden. Eine Reaktion, möchte ich sagen, gegen die von BLasıus auf- gestellte Typenreihe der Geweihkronen findet sich unter den streng wissenschaftlichen Bearbeitern dieses Gegenstandes in NITscHE (9) verkörpert, indem er »die typische Entwicklungsform des Rothirsch- geweihes als bereits vom Zwölfender erreicht« wähnt. Unter dem »Zwölfender« ist wohl unsre| erste Kronengeweihstufe gemeint. Er anerkennt also hierdurch dennoch bis zu einem gewissen Grade die Formtypenreihe von BrAsıus, wie dies übrigens auch aus andern Stellen, wo er über die zoologische und weidmännische Beurteilung der Geweihe spricht, hervorgeht. Dieses Geweih ist nach’ Rörıg (10) um die Mitte des Monats Juni vollkommen entwickelt, um welche Zeit es gefegt wird. Bei uns fegen die meisten Hirsche erst im August. Der Abwurf des- selben erfolgt in einem Alter von etwa 6 Jahren und 7 Monaten. Dies ist die zweite Hälfte des Februar. 8. Geweihstufe. Zweiter Kronentypus (Fig. 6, 11). Unter den bei der vorhergehenden Stufe skizzierten Modalitäten beginnt die Entwicklung einer neuen Geweihform. Hierbei fällt das Schwergewicht, wie auch dort, auf die Ausgestaltung der Krone. Die Ausbildung dieser erfolgt in der Weise, daß sich auch die hintere Sprosse der distalen Gabel, d. h. das eigentliche Stangenende, gabelt und zwar in derselben Weise, wie sich die vordere Gabel- sprosse bei der Bildung der ersten Krone gegabelt hat. Demnach liegt auch die durch die neuen sekundären Gabelenden gelegte Ebene normal zur gleichmäßig gekrümmten Ebene, in der die primären Sprossen des Geweihes liegen. Natürlich können in dieser Krone außer den schon bei der vorhergehenden Stufe erwähnten Kompli- kationen und Abänderungen, auch durch die neue hintere Gabel be- dingte weitere Veränderungen Platz greifen. So kann. die Gabelung an der Basis der primären Gabel erfolgen (Fig. 5, linke Stange), oder Morpbolog. Jahrbuch. 32. 9 130 Eugen Botezat es gelangt die eine oder die andre sekundäre Sprosse nicht oder nur teilweise zur Entwicklung, wobei doch immer wenigstens eine scharfe Kante vorhanden ist, welche die nicht entwickelte Sprosse anzeigt und dadurch den Entwicklungsdrang und somit auch den Formtypus bekundet. Trotzdem kann es und zwar nicht selten vor- kommen, daß sich die vordere primäre Sprosse gar nicht gabelt, sondern nur die hintere. In diesem Falle ist aber die vordere Sprosse doch wenigstens besonders stark, namentlich an der Basis recht dick, der Abstand zwischen ihr und der hinteren sekundären Gabel abge- flacht. Häufig ist damit auch ein teilweises Hinunterrücken dieser Sprosse, d. i. gegen die Mittelsprosse hin, verbunden. Übrigens kann dies mitunter dieselbe Sprosse, auch wenn sie die sekundäre Gabel trägt, tun. Für eine derart hinuntergerückte Sprosse haben die Franzosen nach NirscHe (9) eine spezielle Bezeichnung trouchure, welehe früher englisch sur-royal antler genannt wurde. Ein bei- läufiges Beispiel für eine derartige Sprosse wäre die erste Kronen- gabel (III) der linken Stange des in Fig. 8 dargestellten Geweihes. Daß die genannten Abweichungen, speziell die zuerst genannte, an dem Ty- pus der Krone nichts ändern, ersieht man wohl aufs deutlichste aus der Fig. 6, linke Stange: Erstens sitzen die vorderen Kronensprossen (III; .) direkt der Stange an, wodurch ihr Gabelstiel reduziert erscheint, die Krone aber zur Becherkrone wird, da hierbei gleichzeitig der Teil zwischen der vorderen und der allerdings wegen der nur schwach entwickelten äußeren Sprosse unvollkommenen hinteren Gabel ver- breitert und napfartig eingesenkt ist, und zweitens tritt dieser Fall an der linken Krone desselben Geweihes zum Vorschein, an dessen rechter Stange die zweite Kronenstufe oder der zweite Kronentypus in geradezu idealer Weise entwickelt ist. Denn wir sehen diese aus zwei hintereinander gestellten sekundären Gabeln gebildet, welche deutlich zeigen, daß sie durch gabelige Teilung der primären distalen Endgabel des Geweihes entstanden sind. Die durch sie gelegten Ebenen sind zueinander parallel und stehen zur Ebene, in der die primären Sprossen der Stange gedacht werden, senkrecht. Die hin- tere sekundäre Gabel steht auch etwas höher als die vordere, wie dies alles dem Idealtypus auch tatsächlich entspricht. Wenn aber Ab- weichungen von der eigentlichen Form schon an einem und dem- selben Geweih stattfinden — und dies ist durchaus nichts selte- nes —, um wie viel mehr ist es an Geweihen verschiedener Hirsche zu gewärtigen, wie es auch tatsächlich der Fall ist. Dies beruht auf der individuellen Variation, wodurch dieselbe Erscheinung zutage Gestaltung und Klassifikation der Geweilic des Edelhirsches usw. 131 tritt, welche wir auch sönst an Individuen derselben Art beobachten. Sie entsprechen alle einem gewissen Idealtypus — der an einzel- nen Individuen wohl auch verwirklicht sein kann, — trotzdem sie einander nicht vollkommen gleichen. Diese Erscheinung können wir an allen gleichen Organen verschiedener und an den paarigen derselben Individuen beobachten, mithin auch an den Geweihen des Hirsches. NITSCHE und mit ihm auch andre anerkennen diese Geweihstufe nicht mehr als normale Ausbildung, trotzdem der genannte Forscher aus der von BrLasıus aufgestellten Entwicklungsreihe der Kronen die erste Stufe als typische Form anerkennt und trotzdem gerade der zweite Kronentypus fast in jeder Sammlung am meisten zu be- obachten ist. Die Ursache hiervon scheint mir die zu sein, daß er sich trotz der für die Beurteilung der Geweihe gewissermaßen anerkannten Tatsache, daß hierbei nach Brasıus die »Form« am meisten zu sagen habe, von dem üblichen Abzählen der Enden nicht ‚losmachen konnte. Wenn nun auch RörıG von dem üblichen Jäger- brauch des Abzählens der Enden befangen ist, was aus der von ihm gebrauchten Bezeichnungsweise der Geweihe zu ersehen ist, so hat er dennoch zufolge des von ihm erkannten Gesetzes der morpho- logischen Geweihentwicklung durch fortgesetzte Gabelbildung, einen Schritt weiter als NITSCHE getan, indem er das Gabelgesetz in konse- quenter und auch sehr natürlicher Weise auch auf die hintere pri- märe Gabelsprosse wirken läßt, wodurch auch diese in eine Gabel zerfällt, deren eine Zinke nach innen, d. i. gegen die Medianebene, die andre nach außen gerichtet ist, wie dies auch bei der vorderen oder ersten Kronengabel zutrifft. Daß er hierbei auch von der Brasıusschen Lehre beeinflußt ist, davon kann uns folgende Stelle (10, III, S. 88) überzeugen: »Der Aufbau des Geweihes von vierzehn Enden, kann zwar auf verschiedene Weise geschehen, es kann hier aber nur der Aufbau in Betracht kommen, wie er völlig normalerweise sich vollzieht: nämlich durch Gabelung der beiden Sprossen der Endgabel, verbunden mit Entwicklung der Eissprosse« ORHZHDT, »und wenn wir ferner die Entwicklung der Eissprosse als eine normale Bildung schon bei Entwicklung des Geweihes von zehn Enden anerkennen, dann muß dies auch beim Geweih von zwölf und vierzehn Enden zulässig sein. Diese Gründe bestimmen mich, das Geweih von vierzehn Enden als die höchste Stufe nor- maler Geweihbildung beim Edelhirsch anzusehen.« » » V _ Eissprosse, III; innere Zinke der ersten Kronengabel, IIIe äußere >» > » > Tre Innere - > >» zweiten Kronengabel, IV, äußere >» > > > VI distales Ende des dritten Kronentypus, VI: innere Zinke der dritten Kronengabel, VI: äußere > > > » VII distales Ende des fünften Kronentypus, 2 vor dem Zeichen = doppeltes Auftreten der betreffenden Sprosse, — vor dem Zeichen = Andeutung der betreffenden Sprosse, 0 vor dem Zeichen = Fehlen der betreffenden Sprosse, 2 als Index = Gabelung der betreffenden Sprosse. Fig. 1. Hyperplastisches Spießergeweih eines Edelhirsches aus dem Bukowi- naer Flachland. Vor dem Abwerfen stehend, ist die Demarkations- linie innerhalb des Geweihansatzes an beiden Stirnzapfen zu sehen. 1/14,16 natürl. Größe. Fig. 2. Atavistisches Gabelgeweih eines im Vorgebirge der Karpathen bei Kloster-Putna erlegten Edelhirsches, das mit jenem des obermio- zänen Dierocerus elegans Lart. die größte Ähnlichkeit hat (überaus hoher Ansatz der Augsprossen (7). 1/14,16 natürl. Größe. Fig. 3. Edelhirschgeweih der dritten Stufe (Zweigabelgeweih) mit abnorm kleiner Augsprosse (—/) an der rechten Stange, aus Sucevita (Karpathen-Vorgebirge). 1/16,1 natürl. Größe. Fig. 4. Normales Edelhirschgeweih vom ersten Kronentypus. 1/14,16 natürl. Größe. Fig. 5. Linksseitiger Geweihabwurf eines Edelhirsches (der geringen Gebirgs- Rasse) aus Sucevita vom ersten Kronentypus mit fehlender (0 V) jedoch durch den geraden Verlauf beziehungsweise die kaum merkliche Kniekung des korrespondierenden Stangenteils angedeuteter Eissprosse und hyperplastischer Augsprosse (7). 1/14,16 natürl. Größe. Fig. 6. Edelhirschgeweih vom zweiten Kronentypus mit kaum angedeuteten Eissprossen (—V) aus Neu-Hütte am Fuße der Karpathen. Der gleiche Typus der Kronen ist trotz des verschiedenen Baues deutlich zu erkennen. Die Augsprossen sind verhältnismäßig schwach ent- wickelt. 1/14,16 natürl. Größe. 158 Eugen Botezat Fig. 7. Subfossile linke Geweihhälfte aus den Alluvionen des Pruthflusses bei Lehuceni-Teutului (Flachland), aufbewahrt im zoologischen Mu- seum der h. o. Universität. Typische Form der dritten Kronenstufe, wiewohl die äußere Zinke (ZIZ_.) der Vordergabel nur sehr schwach entwickelt ist. 1/16,1 natürl. Größe. Fig. 8. Verschiedenartig hyperplastisch entwickeltes Edelhirschgeweih vom vierten Kronentypus mit reduzierter rechter Krone, welche jedoch durch akzessorische Gabeln und Sprossen rekompensiert ist, aus Lo- puschna (Karpathen- Vorgebirge) stammend. Befindet sich in der Privatsammlung des Herrn Oberforstrates W. Ecker. 1/12,4 natürl. Größe. Fig. 9. Auf etwa 1/3 reduzierte Kopie des auf Taf. IX in Meyers »Hirsch- geweihsammlung im königl. Schlosse zu Moritzburg bei Dresden« in etwa 1/4 natürlicher Größe dargestellten Geweihes vom fünften Kronen- typus mit hyperplastisch verlängerten Primärsprossen und hyper- plastisch entwickelter rechter Krone. In der linken Krone sind aufs deutlichste die drei hintereinander folgenden Gabeln (ZZZie, IVie, VIie) und die Fortsetzung der Stange als Sprosse (VIT) zu erkennen. In der rechten Krone ist, wenn man von den hyperplastischen Bildungen absieht, der gleiche Typus wie in der linken Krone zu erkennen. Ca. 1/14,62 natürl. Größe. Das Gewicht desselben beträgt ca. 12 kg. Fig. 10. Regressiv entwickeltes dem vierten Kronentypus entsprechendes Ge- weih eines kapitalen vom Verfasser in Kloster-Putna erlegten Edel- hirsches. Die fehlenden Eissprossen (0 Y) sind durch eine schwache Einknickung der Stange angedeutet; ebenso die fehlende zweite Kronengabel (IPVo5i, oe). Übrigens geht letzteres auch aus dem über- mäßig weiten Abstand der terminalen Gabel (YTie | VIi—e) vom Gabel- stiel (ZZ7) der beiderseits durch (/ITi-e) angedeuteten Gabel. In der linken reduzierten Krone ist die distale äußere Gabelsprosse (V7_.) bloß angedeutet. Gewicht des Geweihes über 6kg. 1/16,1 natürl. Größe. Fig. 11. Linke Abwurfstange eines Edelhirsches aus Kloster-Putna. Auch an diesem so einfachen Geweih läßt sich der hohe Typus, ab- sesehen von seiner Stärke, durch die folgenden angedeuteten Sprossen entnehmen. Die fehlende Eissprosse (0 Y) ist, wenn auch nicht durch einen Knick, so doch durch den gerade verlaufenden Stangenteil, die fehlende Mittelsprosse (0 ZI) durch den deutlichen Knick der Stange, die distale Vordersprosse (Gabel) durch eine Kante (—IITZ) und die distale Hintergabel durch die Innensprosse (ZV;) und kantenartig ent- wiekelte Außensprosse (Z7V_—.) angedeutet. 1/16,1 natürl. Größe. 77 ERPRE, we j MN u Lo Pu »- v b | er Ir ; 7 . £ as ar earhehi e > im AIUEINIUTE AT ” j _ > A + Yd = [ A I ; 2 2 k 1 ” y ie > 4 f } a DR 5 E - Zn: { Lg ei] N j 2 * ü AN) ir F [5 [a L ‚ f f . i » - =} ’ * h ’ . { r er. [3 . u s N ‚ i v e a * hi r a i 153 v - N Y » N , Ä i ER BI Pn 3 Fr E ar >.lin Italia ae Pin u»: con Priggt wı 5 aa ern Lira‘ u Da 1 73 Are oat he er f ie ö zn ch har II )u«: (. Un; Be ET 22 r .- si . at NN “ ar BR ide ; AuTuE.ar = eh rd | \ r ra vn. ur f Pe ‘ a | werke a X vs {e Fat: I% w | 5 s in.as ı ihn ur mau ‚saret er Mr ® | ‚ Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. Von Dr. med. Knut Kjellberg. (Aus dem. Zootomischen Institut der Universität Stockholm.) Mit S Textfiguren. In einer in schwedischer Sprache veröffentlichten Abhandlung mit obenstehendem Titel habe ich einen Teil derjenigen von mir ausgeführten embryologischen und vergleichend-anatomischen Unter- suchungen des Kiefergelenks nebst den Schlußfolgerungen vorgelegt, welche aus diesen Untersuchungen hervorgegangen sind. Im nach- folgenden gebe ich eine kurzgefaßte Darstellung dieser Resultate. Das Kiefergelenk wird, wie bekannt, sowohl bei den Säuge- tieren als auch bei den übrigen Gnathostomen von zwei Skelett- komponenten, einem kraniellen und einem mandibularen aufgebaut. Dazu kommt aber bei Säugetieren (mit wenigen Ausnahmen) ein Meniskus, eine Bildung, die sowohl bei Sauropsiden als auch bei Anamniern vermißt wird. Man hat sich also die Fragen zu stellen: Wie ist die Entstehung dieser Neubildung bei den Mammalia zu er- klären? — Sind Menisken im allgemeinen als nur den Säugetieren zukommend anzusehen? — Sind die Kiefergelenke der Säugetiere, abgesehen vom Meniskus, denen der Sauropsiden homolog? Die zweite dieser Fragen ist ohne weiteres mit Nein zu beant- worten, da der Kniegelenkmeniskus sowohl bei Mammalia wie bei Sauropsiden zu finden ist. Die dritte Frage steht in so engem Verbande mit der großen Morpholog. Jahrbuch. 32. 11 160 Knut Kjellberg Frage der Phylogenese der Gehörknöchelchen, daß sie nur im Zu- sammenhange mit dem Probleme abgehandelt werden kann, von dessen Lösung sie ihre Antwort gleichsam als ein Korollarium erhält. In der Literatur habe ich nur drei Mitteilungen über die Phy- logenese des Kiefergelenkmeniskus gefunden. PArsons! hat diese Neubildung bei einer großen Menge von Tieren studiert und scheint sich der Annahme zuzuneigen, daß der Meniskus bei den Säugetieren ein neuer Erwerb ist, und daß die Sauropsiden ein diesem homo- loges Organ vermissen. Der zweite Versuch, die Phylogenese des Kiefergelenkmeniskus klarzustellen, ist von BROooM? gemacht wor- den, der auf Grund paläontologischer Studien die Hypothese aufstellt, daß das Quadratum bei den Mammalia durch »the interartieular cartilage« repräsentiert wird, welche er — wenn diese Hypothese sich bestätigte — »quadrate cartilage« benennen möchte. — PARKER? spricht sich wie folgt aus: »From this (a large superficial slab of the primary lower jaw) is derived the hinder half of the ramus, by transformation of its substance in bone; and from this we get the carti- lage, both of the condyle and the glenoid cavity and also the intervening ‚meniscus‘.« Dieser Ausspruch PARKERS scheint mir nur ein Vorschlag zur Erklärung der Entstehung des Kiefer- gelenkmeniskus zu sein. Sind PAarsons, BROOM und PARKER, soweit ich es übersehe, die einzigen, welche sich über die Herkunft des Kiefergelenkmenis- kus äußern, so sind die Versuche zur Erklärung der Phylogenese des Kiefergelenks (als Ganzes) um so zahlreicher. Die Erklärung für dieselbe wird, — wie ich schon erwähnt habe, — immer von dem Standpunkte abhängig gemacht werden, welehen man zur Lehre von der Phylogenese der Gehörknöchelchen (besonders Hammer und Amboß) einnimmt. Betreffend die Geschichte dieser Frage verweise ich auf GAupPp®. Bei meinen Untersuchungen über die Entwicklung des Kiefer- gelenks, deren Resultate in dieser Abhandlung vorliegen, bin ich 1 Parsons, The joints of Mammals compared with those of Man. Journ. of Anat. and Phys. 1899. Vol. XXXIV. 2 BROOM, On the fate of the quadrate in Mammals. The Annals and Ma- gazin of Natural History. 1890. Vol. VI. 3 PARKER, On the structure and development of the skull in mammalia. Pt. II. Edentata. Phil. Trans. Roy. Soc. 1886. Vol. 176. 4 GAuUPP, Ontogenese und Phylogenese des schallleitenden Apparates bei den Wirbeltieren. Anat. Hefte. Bd. VIII. 1898. 7 EEEEEE22CLEE BED EUER TE Wu Beiträge zur Entwieklungsgeschichte des Kiefergelenks. 161 von der bisher allgemein angenommenen Hypothese ausgegangen, daß von den Gehörknöchelehen der Säugetiere Hammer und Amboß dem Artikulare und Quadratum der Sauropsiden homolog sind. >o- wohl embryologische als auch vergleichend-anatomische, von den verschiedenen Forschern aufgeführte Tatsachen scheinen mir für die genannte Hypothese zu sprechen. Demzufolge huldige ich auch der Ansicht, daß das Kiefergelenk bei den Mammalia eine neue Ein- richtung und keineswegs homolog mit dem Gelenke bei den Sauropsi- den ist. Es liegen indessen gewisse embryologische Erscheinungen vor, welche bei flüchtiger Betrachtung gegen die zuletzt angeführte Ansicht zu sprechen scheinen. Beim Embryo des Menschen und Kaninchens tritt nämlich im hinteren Teil des Unterkiefers eine Knorpelmasse auf, welche an der Stelle des spätern Condylus sich findet und nach vorn scharf gegen den von intermembranösen Kno- chen gebildeten, zahntragenden Teil des Unterkiefers begrenzt ist. In diesem Knorpel ist man leicht versucht, ein Homologon zum Artikulare der Sauropsiden zu vermuten, welches gerade zum Unter- schiede des sekundär gebildeten Dentale ein knorpelig-präformierter Knochen ist. In einem meiner Präparate von einem menschlichen Embryo zeigt die betreffende Partie ein Aussehen, auf welches Brucus? Beschreibung der Ontogenese des Unterkiefers bei den Vögeln sehr wohl paßt. Nach ihm ist das Artikulare bei Vögeln ein Primordialknochen, während die übrigen besonderen Knochen, welche bei den Vögeln den Unterkiefer aufbauen, Deckknochen sind. Wenn dieses Knorpelgebiet (beim Menschen und Kaninchen) sich dem Artikulare homolog zeigen würde, wo wäre dann der Re- präsentant des Quadratums zu suchen ? vielleicht im Meniskus, wie BRooM 3 vorgeschlagen hat, oder in der Pars zygomatica des Schläfen- beins, wie ALsrecHTti, BauR5, oder DoLLo® zu beweisen suchten. Da aber das Quadratum bei den Sauropsiden knorpelig präformiert 1 Siehe später. 2 Bruch, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Knochensystems. Neue Denkschrift der allgem. Schweizer Ges. f. d. ges. Naturwissenschaft. Zürich 1852, 3 BRooM, On the fate of the quadrate in Mammals. The Annals and Ma- gazin of Natural History. 1890, Vol. VI. 4 ALBRECHT, Sur la valeur morphologique de l’articulation mandibulaire etc. 2ieme Edit. 1883. 5 BAUR, On the quadrate in the Mammalia. Quart. Journ. Mier. Sc. 1887. 6 DoLLo, On the Malleus of the Lacertilia ete. Quart. Journ. Micr. Se. 1883. Vol. XXXIIL al 162 Knut Kjellberg ist, so müßte, wenn die Annahme BrooMms richtig wäre, ontogene- tisch Knorpel im Meniskus des Menschen und Kaninchen zu finden sein, was nicht der Fall ist!. Gegen die Theorie ALBRECHTS und der andern Autoren möchte ich einwenden, daß die Pars zygo- matica des Schläfenbeins ein sekundärer Knochen ist. Möglicher- weise könnte nun dem Quadratum die Knorpelbekleidung entsprechen, welche von einigen Verfassern! an dem Gelenkteile des Schläfen- beins erwähnt wird, deren Dasein jedoch äußerst problema- tisch ist. An diese im hinteren Teile des Unterkiefers des Menschen- und Kaninchenembryos befindliche Knorpelpartie knüpft sich, abgesehen von der eben erwähnten Frage ihrer Phylogenese, ein neues Problem an und zwar die Ontogenesis des Unterkiefers. Die Frage der Art und Weise der Verwandlung des Knorpels des Unterkiefers in Knochen spielt bei meinen hier niedergelegten Untersuchungen keine Rolle für weitere Schlußfolgerungen. Es ist genügend zu wissen, 1) daß sich in der Condylusgegend während des Embryonalstadiums und auch später Knorpel vorfindet, der allmäh_ lich ganz und gar oder zum allergrößten Teil verschwindet, 2) daß dieser nach der Gelenkhöhle zu liegende Knorpel immer mit Peri- chondrium bekleidet ist. Daß auch die Gelenkpartie des Schläfen- beins mit Bindegewebe bekleidet ist, ist unbestritten. | Die darin sich äußernden Zustände, daß die Gelenkflächen beim ersten Zustandekommen der Gelenkhöhle und auch in späterer Zeit von Bindegewebe überkleidet sind, und dab der eine Gelenkkompo- nent ein Deekknochen ist?, unterscheiden das Kiefergelenk von den meisten andern Gelenken. Die Ontogenese der Gelenke ist Gegenstand zahlreicher Unter- suchungen gewesen, weiche im allgemeinen den Verhältnissen der Extremitäten gegolten haben. Darin nun sind die Forscher im sroßen und ganzen einig, daß zwischen den Knorpelstücken des Primordialskelettes indifferente »Zwischenzonen« liegen, in welchen sich nicht nur die Gelenkspalte bildet, sondern auch Menisken und intraartikulare Bänder »in loco« entstehen. Diese Bildungen sind als Verdichtungen in dem indifferenten Gewebe weit eher bemerk- bar als die Gelenkhöhle selbst. Die an die Gelenkhöhlen grenzenden 1 Siehe später. ?2 Beim Eidechsenembryo dagegen findet man die Kiefergelenke von zwei unstreitigen Knorpelstücken zusammengesetzt, welche dicht aneinander liegen- (Siehe weiter unten.) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. 163 Knorpelflächen sind, wenigstens wenn das Gelenk voll entwickelt ist, in der Regel nackt. Unter allen Umständen entbehren die fertig gebildeten Gelenk- oberflächen bei den Extremitäten jeder Bindegewebebekleidung, wenig- stens an den Stellen, wo unter gewöhnlichen Umständen ein Kontakt stattfindet. Das ist nun aber nicht bei allen Gelenken der Fall. Herrwıc! weist darauf hin, daß, ebenso wie man zwischen knorpelig und binde- gewebig präformierten Knochen unterscheide, man auch zwischen Gelenkenden mit Überzug von hyalinem Knorpel und solehen mit Überzug von »faseriger Bindesubstanz« unterscheiden müsse. Über die Entstehung der Menisken sagt HerrwıG, daß, wenn die werdenden Gelenkoberflächen nicht kongruieren, Reste der zellen- reichen Zwischensubstanzen übrig bleiben, welche im Falle der Er- haltung in ganzer Ausdehnung, einen bindegewebsknorpeligen Menis- kus bilden. Die Menisken sind aber ohne Zweifel schon angedeutet, ehe die Gelenkhöhle entstanden ist, und demnach nicht als Reste, sondern als Differenzierungen in der »zellenreichen Zwischensubstanz« gebildet. Die Auffassung HerrwiGs, die Entstehung der Menisken betref- fend, dürfte eher auf diejenige der Synovialfalten passen. SCHULIN ? sagt über den Unterschied zwischen dem Kniegelenkmeniskus und den letztgenannten Bildungen, daß er »nur in der histologischen Differenzierung beruht, welche dort zu hartem Faserknorpel, hier zu lockerem, oft fetthaltigem Bindegewebe erfolgt«. Ehe ich meine eignen Untersuchungen vorlege, möchte ich an die heutige Beurteilung zweier Bildungen erinnern, deren Zusammen- hang mit meinen Kiefergelenkstudien ich später zu erörtern habe. Ich meine den Musculus pterygoideus externus und das Ligamentum mallei anterius. Über den ersteren sagt Hykru°: »Tiere, welche der Vor- und Rückwärtsbewegung des Kiefers ermangeln, wie die Fleischfresser, werden deshalb des Pterygoideus verlustig.« 1 HERTWIG, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. 6. Aufl. 1898. 2 SCHULIN, Über die Entwicklung und weitere Ausbildung der Gelenke des menschlichen Körpers. Arch. f. Anat. u. Phys. 1879. 3 Hyr'rt, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 20. Aufl. 1889. 164 Knut Kjellberg LEcHeE! gibt dagegen an, daß der fragliche Muskel bei Carni- vora zu finden ist, obgleich er bei diesen bedeutend schwächer ist als der M. pterygoideus internus. Betreffend den Pterygoideus bei den Sauropsida habe ich folgende Angaben gefunden. GEGENBAUR? beschreibt bei den Sauriern eine bedeutende Muskelmasse, welche auf der medialen Seite des Unterkiefers liegt und von diesem nach dem Pterygoid zieht. Diese Muskelmasse zeigt eine sehr verwickelte Struktur und kann in mehrere Abteilungen eingeteilt werden, von welchen jedoch keine mit dem Pterygoideus externus oder internus der Säugetiere verglichen werden kann. HoFFMmAnN? beschreibt einen Muskel, der vom Transversum, den angrenzenden Teilen des Maxil- lare und der unteren Fläche des Pterygoids entspringt. Diesen Muskel nennt er »Muse. transverso-maxillo-pterygo-mandibularis —= Muse, pteryg. ext. (v. TEUTLEBEN)«. Ligamentum mallei anterius betrachten VErRGA? und ÜURBAN- TSCHITSCH5 als ein Überbleibsel des Mecrerschen Knorpels.. Nach dem ersteren zieht es nach vorwärts und setzt sich in das Lig. spheno- mandibulare (longum) fort, VERGA benennt beide zusammen als Lig. malleo-maxillare und betrachtet dieses in seiner Gesamtheit als ein Überbleibsel des MEecxzuschen Knorpels. Die den Knorpel umgebende fibröse Scheide deutet Surron® als Lig. spheno-mandibulare (longum). Laut BROMAN”’ entwickeln sich die übrigen Ligamente erst nach der Verknöcherung, das Lig. mallei ant. dagegen zeitiger. Ihr Auftreten fällt mit der Resorption des MEckerschen Knorpels zusammen. In der Peripherie desselben und zwar an der Stelle der resorbierten Knorpelzellen, trifft man schon zu Anfang des fünften Monats starke Bindegewebsfasern. Nach HEnLE$ ist das Lig. mallei ant. identisch mit dem »Musc. laxator tympani.«e HENLE weist (1893) darauf hin, daß, seitdem das Mikroskop zu Hilfe gekommen ist, nur noch C. KRAUSE, MOSKWIN und Hyrkru die Existenz dieses Muskels befürworten. 1 LECHE, Bronns Klassen und Ordnungen. Bd. 6. Abt. 5. 1889, 2 GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 1898. 3 HOFFMANN, BRONNs Klassen und Ordnungen. Bd. VI. Abt. 3. 4 VERGA, Über das Ligamentum malleo-maxillare. Ref. i. Arch. für Ohren- heilkunde. 1867. 5 Laut TESTUT. 6 Surrron, On the nature of certain ligaments. Journ. of Anat.and Phys. 1885. 7 Die Entwicklungsgesch. der Gehörknöchelehen beim Menschen, 1899. 8 Hexue, Handbuch der Bänderlehre des Menschen. 2. Aufl. 1872. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. 165 HENnLE hat keine Muskelfasern in den Strängen finden können, welche von der Spina angularis nach der Fissura petroso-tympanica gehen. Im Jahre 1889 schreibt jedoch Hyrru!: »Der nur von wenig Anatomen noch angeführte Laxator tympani, welchen man von der Spina angularis des Keilbeins entspringen und dureh die Glaserspalte zum langen Fortsatz des Hammers gehen ließ, kann nicht mehr zugelassen werden. Ich habe mich erst spät überzeugt, daß seine Fasern keine Muskelfasern, sondern Bindege- webe sind, und zwar das gleich zu erwähnende Ligamentum mallei anterius, — — — welches eine von der Spina angularis ausgehende, und durch die Fissura Glaseri in die Trommelhöhle gelangende Bandmasse zu einem Grübchen an der lateralen Fläche des Hammer- kopfes geleitet — — —.« SCHÄFER? sagt, daß dieses Ligament »conneets the base of processus graeilis and the anterior part of the malleus above this process with the anterior wall of the tympanum close to the Glase- rian fissure. The part of the ligament which passes out of the Gla- serian fissure was long thought to be museular (laxator tympani auct.), but most observers agree in denying the existence of museular tissue in this situation«. Nach Moskwın3 befestigt sich das Ligament unter anderen an die hintere“Kante des Meniskus und nach VERGA! an die vordere Wand der Gelenkkapsel. Eigene Untersuchungen. Mein Untersuchungsmaterial bestand teils aus Kisßirgklinken von menschlichen Embryonen (5 Stadien) und Kaninchen (4 Stadien), sowie aus einem Embryo von Lacerta, teils aus Menisken von er- wachsenen Menschen, Rindern, Ratten, Igel, und Dachs, ferner aus den Gelenkknorpeln von den zwei erstgenannten und schließlich aus zum Vergleiche dienenden Knie- und Sternoclavieulargelenken von einem auch auf das Kiefergelenk untersuchten menschlichen Embryo. Alle Präparate sind nach vorhergehender Härtung, Färbung und Paraf- fineinbettung von mir geschnitten und mikroskopisch untersucht wor- den. Außerdem habe ich die Kiefergelenke und deren Umgebung 1 Angef. Arb. 2 ScHÄFER, Quains Elements of Anatomy. 1894. Vol. III. pt. 3. 3 Moskwın, Wiener med. Wochenschr. 1869. Nr. 38. 4. Angef. Arb. 166 Knut Kjellberg makroskopisch bearbeitet und besonders den Musculus pterygoideus ex- ternus beim Menschen, Rind, Schwein, Hund, Daehs, Schnabeltier und bei der Katze untersucht. Von den vier erstgenannten und von der Katze wurden gefrorene Sägeschnitte durch das Kiefergelenk angefertigt. Ich gehe von den embryologischen Befunden aus und beginne die Darstellung mit solchen vom Menschen. Bei dem 55 mm großen Embryo tritt der Meniskus als eine nach oben und unten, aber nicht nach den Seiten wohl begrenzte Ver- dichtung in dem zwischen den Gelenkkörpern liegenden Blastem auf und zeigt sich von denselben Gewebselementen aufgebaut, wie die Bekleidung der zukünftigen freien Flächen der beiden Gelenk- körper (d. h. sowohl der !kraniellen als auch der mandibulären Skelettkomponenten). Die Gelenkhöhlen sind noch nicht vorhanden. Nur an der Stelle der unteren ist eine schwache Andeutung einer Spalte vorhanden. Nach den Seiten zu geht der werdende Meniskus in das Perichondrium des Condylus über und steht dadurch mit dem M. pterygoideus externus in Verbindung. Direkte Verbindungsfäden sind in diesem Präparate nicht wahrnehmbar. Der Meniskus geht teilweise ohne bestimmte Grenze in das umgebende Gewebe über, Verfolgt man die Schnittserie nach hinten, so ist die erwähnte Ver- dichtung überall, auch hinter dem Condylus, zu bemerken, und zwar distinkt gegen die werdende obere Gelenkhöhle, undeutlich nach unten und nach den Seiten zu. Nach unten geht die verdichtete Zone in das verdichtete Gewebe und den MEckeuschen Knorpel über. An der Stelle des werdenden Squamosum sind Deekknochen sicht- bar. Der Condylus besteht zum größten Teile aus einem Blastem mit dieht beieinander liegenden, runden Kernen; er grenzt sich gegen die Umgebung mittels noch dichter gehäuften Zellen mit spindel- fürmigen Kernen ab. In der Mitte enthält der Condylus eine un- bedeutende Knorpelpartie, zu welcher von unten her eine dünne Deckknochenleiste aufsteigt. Irgend welche Andeutung einer Kapsel ist nicht wahrzunehmen; das Blastem zwischen Squamosum und Con- dylus geht ohne Grenze in die seitlichen Umgebungen über. Die Gelenkflächenform zeigt sich im Frontalschuitt für die untere schwach konvex, für die obere eben. Das Kiefergelenk bei einem Embryo von 76 mm (Fig. 1) zeigt zwei spaltförmige Höhlungen, die durch eine Bindegewebslamelle (Meniskus) von gleichem mikroskopischen Bau wie demjenigen der Bekleidung der beiden Gelenkkörper geschieden sind. In diese Lamelle gehen die Fasern des M. pterygoideus externus über. Die har Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. 167 Lamelle selbst strahlt hinten nach drei Richtungen aus; sie zieht nach oben und unten; sie geht ferner in das Periost des Schläfen- beins und Unterkiefers über und bildet dadurch die hintere Wand der Kapsel. Sie geht teilweise in ein distinktes Faserbündel über, das sich nach vorn bis zum Kopfe des Hammers begibt und dort unmittelbar oberhalb des Meckerschen Knorpels in dessen Perichondrium fortge- setzt ist. Die Schnittfläche des Condylusknorpels ist birnenför- mig, mit der Spitze nach unten vorwärts und mit der Basis ka gegen die Gelenkfläche gerich- Sagittalschnitt durch das Kiefergelenk eines tet,'nach welcher hier die Zellen euschlichen Embryos von 76 mm Körperlänge. A Squamosum, 2 Condylus mandibularis, € Muse. von der abgerundeten Form mehr Pteryg. ext., D Malleus, E Tympanicum, Z Deck- und mehr in Spulenform über- knochen des (G) Meckzrschen Knorpels. gehen, bis sie durch ein Blastemlager von dem Bindegewebe auf der Gelenkoberfläche geschieden werden. Der Knorpel ist noch intakt, seine Spitze ist von einem Lager perichondralen Knochens umgeben, der sich verschmälernd längs der Seiten des Knorpels gegen den Con- dylus hin erstreckt. Als Deckknochen treten das Tympanicum, An- lagen längs der oberen und unteren Kante des Meckerschen Knorpeis, und schließlich das Squamosum hervor. Die vordere Wand der Kapsel wird dadurch angelegt, daß die von vorn zum Meniskus gehenden Bindegewebsfäden vor den Gelenkhöhlen ausstrahlen und in das Bindegewebe um das Squamosum und den Condylus über- gehen. Die Gelenkfläche des Squamosum ist eben wie auch die freie Gelenkfläche des Condylus, welcher im großen ganzen nach oben konvex ist. Vom Tubereulum articulare ist keine Andeutung zu sehen, ebensowenig wie vom Conus artieularis. Dieselben Bilder, wie bei den nächst vorhergehenden Präparaten, zeigen sich beim Embryo von 90 mm. Der Pterygoideus externus geht in den Meniskus über, und dieser nach hinten zu in das Peri- ehondrium des Hammers. Auch hier sind keine in den Condylus- knorpel einwachsende Blutgefäße zu sehen. Dieser ist nach unten und längs der Seiten von angelagerten Knochen umgeben. In bezug auf die Kapsel und die Form der Gelenkflächen zeigen sich hier dieselben Verhältnisse wie beim Embryo von 76 mm. Fig. 1. 168 Knut Kjellberg Beim Embryo von 180 mm besteht der Meuiskus aus demselben Gewebe wie demjenigen auf den werdenden beiden Skelettkompo- nenten. Im Periost des Squamosum sowie im Meniskus ist haupt- sächlich langgefasertes Bindegewebe zu sehen, ebenso in der äußeren Sehieht des Condylus. Unter der letztgenannten trifft man quer- gefasertes Bindegewebe und darunter Knorpel an. Nach den Seiten zu geht der Meniskus in die Bindegewebsbekleidung des Condylus und des Squamosum über, wodurch die Kapsel angelegt wird. Außer- dem ist im Blastem längs der lateralen Seitenpartie des Kiefers eine Verdichtung von oben nach unten gehender Bindegewebsfasern zu sehen, die in das Periost des Sqamosum und des Condylus über- gehen. Ein Übergang des Meniskus nach hinten in das Perichon- drium des Meckerschen Knorpels ist hier nicht zu bemerken. Der Pterygoideus externus befestigt sich sowohl am medialen Teile des Meniskus als auch am Condylus. Der Condylusknorpel ist unten zerstört und von Knochen ersetzt, womit in denselben von seiner oberen Fläche aus eine mit dem Perichondrium zusammenhängende Bindegewebsmasse eindringt. In dieser sind jedoch keine Gefäße zu entdecken, ebensowenig wie Knochensubstanz in ihrer Peri- pherie. Knorpel ist im Squamo- sum nirgends zu finden, weder in denen am meist medial ge- legenen Teile noch in seiner Peripherie. Die Form der Ge- lenkflächen entspricht der beim menschlichen Embryo von 55mm angedeuteten. Beim Embryo von 335 mm (Fig. 2) beginnt der Condylus- knorpel zerstört und von Kno- chen ersetzt zu werden. Teils wachsen Gefäße in denselben Sagittalschnitt durch das Kiefergelenk eines menschlichen Embryos von 335 mm Länge. von unten her hinein, wobei der A Squamosum, B Condylus mandibularis (hinterer S Rand), M Meniskus. Knorpel zerfällt und von Kno- chenbalken ersetzt wird, welche von unten nach oben ein immer größeres Gebiet einnehmen. Teils wachsen Gefäße und Bindegewebe vom Perichondrium aus hinein, und zwar das auch von demjenigen Perichondrium, welches die Gelenkhöhle begrenzt. In der Umgebung dieser Gefäße er- ne Auen ee Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. 169 scheint der Knorpel zerstört, und (neugebildetes) Knochengewebe ist an der Grenze derartiger Partien und an dem zunächst liegenden Knorpel zu bemerken. Außerdem ist periostal gebildeter Knochen unterhalb des »Condylus« wahrzunehmen. Das Perichondrium zeigt sich als aus einem ziemlich mächtigen Lager langfaserigen Binde- gewebes bestehend, von dessen spindelförmigen Kernen das äußerste Knorpellager einen Übergang zu den tiefer liegenden, runden Knorpel- zellenkernen bildet. Die Kontur des Perichondriums nach der Ge- lenkhöhle hin ist hier und da gegen den Knorpel hin in scharfe Falten gelegt. Das Squamosum zeigt sich als ein Deekknochen, doch nicht in seiner ganzen Ausdehnung. Es ist nach der Gelenkhöhle hin mit einem Periost bekleidet, das weniger kompakt erscheint, im übrigen aber dem Condylus-Perichondrium ähnelt. In den am weitesten medialen Teilen dieses Knochens findet man eine Knorpelpartie zwischen den Knochen und das die Gelenkhöhle begrenzende Pe- riost eingeschoben. Der Meniskus ist reich an längs- und querdurcehschnittenen Ker- nen, welche durcheinander gemischt sind, und reich an Bindegewebs- fasern, welche zwischen den Zellen in verschiedenen Richtungen ver- laufen. Im übrigen ist sein Bau homogen, irgend welcher Unterschied zwischen oberflächlichen und tiefen Partien ist nicht zu bemerken. Vom Pterygoideus externus sind direkt in den Meniskus über- gehende Fäden sichtbar. Der Winkel zwischen diesen und den- jenigen, welche sich am Condylus befestigen, ist von einem dünnen Bindegewebe ausgefüllt, welches gegen das Lumen der Gelenkhöhle mittels eines einfachen Lagers platter, zusammenhängender Zellen begrenzt ist. Diese gehen in das äußerste Lager des Condylus und Meniskus über. Nach hinten zu setzt sich der Meniskus in das Con- dylus-Perichondrium fort. An der hinteren und vorderen Begrenzung der Gelenkhöhle sieht man die von außen gegen sie ziehenden Binde- gewebsfasern mit einer zusammengerafften, zackigen Kante schließen. Andeutungen eines Tubereulum artieulare und eines Conus articu- laris bestehen nicht. Der kranielle Gelenkteil ist schwach konkav, der mandibulare stark konvex. Die Untersuchung von Kaninchenembryonen hat folgende Resultate ergeben !: ı Es sind untersucht worden drei Serien von Frontal- und zwei von Sa- gittalschnitten. 170 Knut Kjellberg Bei einem Embryo von 27 mm findet man im hinteren Teile des Unterkiefers einen ovalen Knorpel (Fig. 3), umgeben von einem breiten Blastemlager mit dichtliegenden, großen Kernen. Ein ebenso breites Lager kleinerer, spindelförmiger Kerne umgibt hufeisenförmig den oberen Teil des genannten Knorpels. Eine Strecke weit ober- halb des letztgenannten bemerkt man aufs neue eine Verdichtung im Gewebe, ähnlich dem Blastem, welches den Kieferknorpel zunächst umgibt. Dieses Blastem bezeichnet den Platz des werdenden Squamosum. Zwi- schen diesem und dem hufeisenförmigen Lager liegt ein Blastem mit auffallend spärlich vorhandenen Zellen, und in diesem Blastem ist es, wo sich das eigentliche Kiefergelenk später bildet. Diese Gelenkpartie wird nach außen hin von einem Bande dichterliegender Kerne begrenzt, welche vom lateralen Ende des Squamosum-Blastems ausgeht und hinunter zu einem kleineren, ovalen Gebiet großer, diehtliegender Kerne zu Frontalschnitt durch das Kieferzelenk verfolgen ist. Die Lage dieses Bandes eines ee yon ?7’mm befindet sich in gleicher Höhe mit der A Squamosum, 4' Sein »Anhang,, Mitte des Kieferknorpels. Die ovale R a a Partie entspricht einem Teile des sich anlegenden Squamosum, nämlich dem beim Kaninchen vom hinteren Teile des Jochbeinbogens ausgehenden, nach hinten und unten gerichteten Ausschnitte. Er wird in der folgen- den Beschreibung der Kürze wegen »Anhang des Squamosums« be- nannt werden. Von dessem oberen Ende medial um das Band, welches ihn mit der Hauptpartie des Squamosum vereinigt, ist eine Kernverdich- tung, der werdende Meniskus, ersichtlich. Er erstreckt sich in einem Bogen nach oben und innen und liegt dort ungefähr in der Mitte des Fig. 3. Blastems der Gelenkhöhle. Das Band zwischen Squamosum und dessen Anhang bildet einen Teil der Seitenbegrenzung der Gelenkhöhle. Sonst wird jede Kapselanlage vermißt, indem das Blastem der Ge- lenkhöhle sowohl medial als auch lateral ohne Grenze in die Um- gebung übergeht. Die zukünftige Form der Gelenkflächen ist an- gedeutet. Embryo von 43 mm (Fig. 4). In der Hauptpartie des Squamosum Pr 5 Ze N mn LE ln El Da an ee — su eh Br u A Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. 171 befinden sich Knochen, ebenso in den Seitenrändern des Kiefer- knorpels, die von unten nach oben zerstört und von Knochen (Fig. 4) ersetzt sind. Mittels eines Blastems mit dünnen Zellkernen vom Perichondrium des Kiefers, sowie vom Periost des Squamosum und dessen Fortsetzung nach dem »Anhange« geschieden, erscheint eine durch runde und längliche, dicht gedrängte Kerne erkennbare Partie — die Meniskusanlage — welche mit ziemlich scharf begrenzten Enden versehen ist, und einen mit der oberen Rundung des Kiefers gleichhohen Bogen bildet. Kapselanlagen und Gelenkflächen ver- halten sich wie in den vorhergehenden Präparaten. Fig. 4. Fig. 5. Frontalschnitt durch das Kiefergelenk eines Frontalschnitt durch das Kiefergelenk eines Kaninchenembryos von 43 mm Länge. Kaninchenembryos von 62mm Länge, A Squamosum, 4’ sein »Anhange, B Condylus A Squamosum, 4' sein »Anhang«, B Condylus mandibularis, @ Meckerscher Knorpel, mandibularis, @ Meckekrscher Knorpel, M Meniskus. M Meniskus. Embryo von 62? mm. Gelenkhöhlen offen. Der Meniskus zeigt dasselbe Gewebe wie das Perichondrium des Kiefers und das Periost des Squamosum. In beiden geht sein mediales Ende in scharfe Winkel über, welche mit nach der Gelenkhöhle zu gefranstem Binde- gewebe erfüllt sind. Das laterale Ende des Meniskus schließt scharf ab; die seitlichen Zwischenräume sind mit gegen das Lumen der Gelenkhöhle gerichteten Bindegewebszügen ausgefüllt, welche nach der oberen Gelenkhöhle zu von einer einfachen Lage platter, zu- sammenhängender Zellen begrenzt sind. Der Condylusknorpel ist nur von unten aus, aber derartig zerstört, daß er im vordersten Teile des Condylus vor der vorderen Wand der Gelenkhöhle aufhört. Die ausgewachsene Form der Gelenkflächen ist deutlich zu erkennen (Fig.5). 172 Knut Kjellberg Embryo von 43 mm. Der Kieferknorpel zeigt viereekige Form mit gerundeten Ecken. Er ist intakt, mit Ausnahme des nie- deren Randes, der zerstört und durch Knochen ersetzt worden ist. Die gerundeten Kerne des Perichondriums liegen dichter nach der Peripherie hin, welche eine scharfe Grenze gegen die Umgebung bildet. Im Squamosum sind Verknöcherungen aufgetreten. Zwischen Periost und Perichondrium des Kiefers erscheint der Meniskus als eine längsgestreifte Bindegewebsmasse, ist von den erstgenannten im vordersten Teile oben und unten von helleren Streifen undeut- lich geschieden und breitet sich nach hinten in das Blastem aus, welches die Stelle der zukünftigen Trommelhöhle ausfüllt und dem- nach mit dem Periost des Hammers zusammenhängt. Unmittelbar unterhalb des Anhanges des sich nach vorn fortsetzenden Hammers ist eine Deckknochenanlage sichtbar, welehe das Os tympanicum ist. Das Periost des Squamosum spitzt sich nach vorn und unten zu und geht sowohl in den Meniskus, als auch zusammen mit derselben in das Condylus-Perichondrium über. Nach hinten zu fehlt (siehe oben) jegliche Andeutung einer Kapsel. Die zukünftige Form der Gelenk- flächen ist angelegt. Embryo von 49 mm. Der Kiefereondylus enthält im hinteren Teile ein Knorpelstück , welches an den Seiten und nach unten zu im Begriffe steht, zerstört und von Knochen ersetzt zu werden. Nach vorn wird es von einem Blastem fortgesetzt, dessen unter der Ge- lenkfläche zunächst liegender Teil im Übergange zu Knorpel be- griffen zu sein scheint. Die Gelenkspalten sind vollständig ent- wickelt. In der unteren Spalte gehen dünne Läppchen zusammen- hängender Zellen sowohl vom Kiefer-Periehondrium, als auch vom Meniskus aus. Letzterer zeigt dieselbe Struktur, wie die Bekleidung der zukünftigen Skelettkomponenten. Vorn geht der M. pterygoideus externus in den Meniskus über, der im ferneren Verlaufe unter stumpfem Winkel und mit scharfer Kontur, teils gegen die Gelenk- spalte sich absetzt, teils in das Periost des Squamosum, teils unter spitzem Winkel und mit einigen wenigen Strängen in das Periost des Condylus übergeht. Nach hinten vereinigt sich der Meniskus einerseits unter spitzem Winkel mit dem Periost des Squamosum, andererseits unter stumpfem Winkel und mit zerfaserter Kante mit dem Perichondrium des Condylus. Er verbreitet sich diffus in das die Trommelhöhle ausfüllende Blastem. Os tympanicum und Ge- lenkflächenformen verhalten sich wie in dem vorhergehenden Prä- parate. as 1. ae 235 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. 173 Zum Vergleiche mit den eben beschriebenen Objekten, welche von Säugetierembryonen herstammen, habe ich die entsprechenden Partien eines Eidechsenembryo von 17 mm (/guana tubereulata) unter- sucht. Hier wird das Kiefergelenk zwischen zwei Knorpelstücken (Quadratum und Artikulare) angelegt, die voneinander und von der Umgebung durch ein Lager dichtliegender Zellen ohne bemerkbare Zwischensubstanz geschieden sind. Der M. pterygoideus (externus) befestigt sich ausschließlich an dem Artikulare. Obgleich die Phylogenese des Sternoclavieular- und Kniegelenk- meniskus eine ganz andere als die des Kiefergelenkmeniskus ist, so habe ich es doch als angemessen gefunden, hier im Zusammen- hange einen Blick auf deren Ontogenese zu werfen. Deshalb unter- suchte ich die fraglichen Gelenke bei einem menschlichen Embryo von 76 mm Länge, bei welchem folgende Verhältnisse zu finden sind: Sternoelavieulargelenk: Beide Gelenkhöhlen sind ent- wickelt. Die zwei Knorpelstücke, welche das Gelenk bilden, sind intakt und gegen die Gelenkspalten von einem Lager langgestreckter und dicht beieinander liegender Zellen begrenzt. Der Übergang der- selben in die Knorpelzellen ist ein allmählicher. Der Meniskus er- weist sich ähnlich wie das eben erwähnte Grenzlager gebaut; er enthält außerdem zahlreiche runde Zellenkerne und geht scharf- winklig in das Periehondrium der beiden Gelenkflächen über. Eine Ausnahme besteht jedoch an der medialen Verbindung mit der Cla- vieula, wo der Winkel stumpfer ist und die Kante gegen das Lumen nicht besteht. Die Gelenkfläche der Clavieula ist konkav, diejenige des Brustbeins konvex. Kniegelenk: Das knorpelige Femur steht zur knorpeligen Tibia in rechtwinkliger Beugestellung. Beide hängen in der Mitte zusammen, werden aber nach beiden Seiten hin durch offene Ge- lenkhöhlen getrennt, in welche dreieckige Gewebsmassen (die spä- teren Menisken) frei von der vorderen und hinteren Kapselwand hineinragen. Der vordere Meniskus endigt hinten mit freier Spitze. Der hintere Meniskus geht vorn in das Grenzlager zwischen beiden Knorpeln über. In den Menisken und im Grenzlager, ebenso wie in den Kanten des Knorpels, bemerkt man dichtliegende runde Zell- kerne, ähnlich den Kernen des Knorpelgewebes an anderen Stellen. In der Kapsel, einer Fortsetzung des Bindegewebes nächst dem 174 Knut Kjellberg. Perichondrium, überwiegen langgestreckte Kerne; sie geben der Kapsel ein langstreifiges Aussehen. In der Kapselwand liegen die Kerne bedeutend spärlicher als im Meniskus. Die Übergänge der Kapsel in die freien Gelenkflächen sind spitz, die Konturen gegen die Gelenkspalte sind nicht scharf. Die typische Form der späteren Gelenkflächen ist bereits deutlich ausgesprochen. Um die Frage sowohl vom Bau des ausgewachsenen Meniskus, als auch vom Vorkommen von Knorpel in der Gelenkpartie der aus- gewachsenen Skelettkomponenten zu beleuchten, habe ich die im folgenden beschriebenen Präparate untersucht. Kiefercondylus von erwachsenen Menschen: Die Ge- lenkfläche ist von einem Bindegewebelager mit meistenteils gro- ben, längsziehenden Faserbündelchen bekleidet. In ihm sind aber auch schräg durchschnittene, feinere Bündelchen enthalten. Binde- gewebe und Sehnenzellen, sowie vereinzelte oder gehäufte Knorpel- zellen mit deutlicher Kapsel kommen ebenfalls vor. Dieses Binde- gewebelager liegt überall direkt auf dem Knochen auf. Eine Ausnahme bildet ein Gebiet, welches der höchsten Wölbung des Condylus entspricht, wo Knorpelzellen in einer zwischen Bindegewebe und Knochen liegenden, körnigen und dem Aussehen nach spröden Grundsubstanz angetroffen werden. Diese war augenscheinlich ver- kalkt gewesen. Gelenkpartie des Squamosums vom erwachsenen Men- sehen: Die Bindegewebsbekleidung ist ähnlich der des Condylus. Hier werden aber mehr ausgeprägte Knorpelzellen in größerer An- zahl angetroffen. Unter der Bindegewebsbekleidung, sowie zwischen ihr und der Knochensubstanz trifft man ein dünnes Knorpellager an, welches dem auf dem Condylus angetroffenen gleicht und sich über die ganze Schnittfläche erstreckt. Es verdichtet sich über der höch- sten Wölbung des Tuberculum artieulare. Die äußere Kontur des Knorpellagers ist gleichmäßig eben. Nach innen dringen hier und da Knorpelzapfen in die Knochensubstanz ein, so daß man bei flüch- tigem Überblicken Knochen- und Knorpelzellen durcheinander ge- mischt und ineinander übergehend zu finden glaubt, was jedoch nicht der Fall ist. Meniskus vom erwachsenen Menschen: Er ist haupt- sächlich aus längsverlaufenden, hier und da schräg und querdurch- schnittenen, dieken, glänzenden Bindegewebsbündeln aufgebaut. N a a nn u a u Beiträge zur Entwieklungsgeschichte des Kiefergelenks. 175 Sehnenzellen werden in kurzen und zerstreuten Reihen angetroffen. Hin und wieder treten in der Substanz des Meniscus einzelne Knorpel- zellen auf. Kiefercondylus des Rindes. Der Knochen ist gegen die Gelenkhöhle zu von einer 1,5 mm dieken Schicht bekleidet, welche im äußeren Drittel aus dieken, hauptsächlich längs verlaufenden Bindegewebsbündelchen besteht. Die am tiefsten liegenden Bündel dringen zwischen größeren und kleineren Knorpelinseln in die Tiefe ein, um dann zu verschwinden. Auf sie folgt ein zusammenhän- gendes, hyalines Knorpellager, welches die Hälfte der Bekleidung des Knochens ausmacht. Gelenkabschnitt des Squamosum eines Rindes: Der Knochen ist gegen die Gelenkhöhle von einer 0,5 mm breiten Schicht überkleidet. Die äußere Hälfte der bekleidenden Schicht besteht aus längsverlaufenden Bindegewebsbündelchen. Darunter befindet sich ein Lager von Bindegewebs- und Knorpelzellen. Die Bindegewebszellen lagern hauptsächlich in den oberflächlichen, die Knorpelzellen be- sonders in den tieferen Abschnitten. Gegen die vordere Kante des kraniellen Skeletteiles, gerade bei der Abzweigung der Kapsel von diesem, vereinigen sich die Knorpelzellen zu einer zusammenhän- genden, von Bindegewebssträngen durchzogenen Partie. Meniskus vom Rinde: Eine Mittelpartie von quer- und schräg- durehschnittenen, dieken, glänzenden, hauptsächlich geraden, aber auch gewellten Bindegewebsbündeln wird von zwei Randpartien ein- geschlossen. Dieselben sind aus längs durchschnittenen Bündeln zu- sammengesetzt. Alle drei Schichten sind etwa von gleicher Dicke. Ein nennenswerter Unterschied zwischen dem Meniskus des Rindes und dem vorher beschriebenen des Menschen besteht nicht. Auch beim Rinde werden Sehnenzellen in Reihen, sowie einzelne zer- setzende Knorpelzellen angetroffen, die letzteren jedoch in etwas reichlicherer Menge nach den Flächen zu, aber auch hier nur ver- einzelt und paarweise aneinander gereiht. Meniskus der Ratte: Er ist ausschließlich von Sehnengewebe aufgebaut mit nach den Flächen zu reihenweise geordneten, runden Kernen, von welchen der eine oder andre andeutungsweise von einer Kapsel sich umgeben zeigt. Meniskus des Dachses: In seiner ganzen Dicke wird loekeres Bindegewebe in schräg durchschnittenen, wellenförmigen Zügen an- getroffen. Es waltet ein Reichtum an typischen Sehnenzellen mit langen, verzweigten Ausläufern vor. Knorpelzellen fehlen vollständig. Morpholog. Jahrbuch. 32. 12 176 Knut Kjellberg Meniskus des Igels (Erinaceus europaeus). Bei makroskopi- scher Untersuchung zeigten sich die Kiefermenisken unter vier Ex- emplaren zweimal für Auge und Gefühl in der Mittelpartie verknöchert. Nach der Entkalkung und Zerlegung in Schnitte zeigte die mikro- skopische Untersuchung, daß die verdichteten Partien aus hyalinem Knorpel bestehen und nach den freien Flächen des Meniskus hin in das sie umgebende sehnige Bindegewebe übergehen. Die vordere, dünne Hälfte des Meniskus geht in einen hinteren, 4—5mal so dieken Abschnitt über, welcher sich nach hinten wieder verschmälert. Das Gewebe vor und hinter der verdiekten Zone ist sehniges Binde- gewebe, in welches vereinzelte oder in Gruppen stehende Knorpel- zellen eingestreut sind. Ich lasse hier einige über den M. pterygoideus externus und die Formen der Gelenkflächen gemachte Beobachtungen im ausgewach- senen Zustande folgen. Der M. pterygoideus externus befestigt sich beim Menschen, Rinde, Schweine, Hunde, Dachs und bei der Katze hauptsächlich ver- mittels fleischiger Bündel, sowohl am Meniskus als auch am Condylus. Ein verhältnismäßig unbedeutender Teil setzt sich am Meniskus fest. Der Meniskus ist bei der Katze und beim Hunde dünn; er ist noch dünner beim Dachse, wo er zu einem zarten Häutchen umgewandelt ist. Der Dasyuride Sminthopsis hat einen in der Mittelpartie besonders dünnen Meniskus. Beim Schnabeltiere Y wird der Meniskus ganz und gar N vermißt. An einem Sagittal- schnitte durch ein gefrorenes Kie- a a ee Ae fergelenk des Menschen fand ich erwachsenen Menschen. zwei bedeutende Synovialfalten, 1 Moniskus (awischen welchen und dem Conartus WEICHE zwischen Meniskus und ee Bag ne ei ae Kiefereondylus von der hinteren ech eeachniklend Murkulater: und vorderen Wand der Kapsel aus hervorragten, so daß sie das hintere und vordere Drittel der Gelenkfläche des Condyloideus bedeckten (vgl. Fig. 6). Ein derartiges Vorkommen von Synovial- falten im Kiefergelenk habe ich nirgends erwähnt gefunden. Bei der Beschreibung des Kiefergelenks der verschiedenen — Zu Beiträge zur Entwiceklungsgeschichte des Kiefergelenks. 177 Säugetiere muß man sich in acht nehmen, die Bezeichnungen »Fossa« und »Gelenkpfanne« nach ihrer etymologischen Bedeutung aufzufassen. Der kraniale Skelettkomponent, den ich »Gelenkpfanne« nenne, bildet durchaus nicht immer eine »Fossa«; er ist im Gegenteil oft flach und bei verschiedenen Tieren sogar von vorn nach hinten konvex, wie beim Schweine und Wombat. Dasselbe ist ja auch der Fall beim Menschen. Die »Fossa glenoidalise am Schläfenbein ist, wie be- kannt, physiologisch betrachtet, keine Vertiefung, in welcher sich der Condylus bei Bewegungen des Kiefers bewegt. Der Condylus wird vielmehr bei habituellen Bewegungen luxiert und gleitet gegen die von vorn nach hinten konvexe Wurzel des Jochbeinbogens (Tu- bereulum artieulare). Bei Wiederkäuern ist der kraniale Gelenkteil über seine nächste Umgebung erhaben und sowohl in transversaler als auch sagittaler Richtung konvex, während die Gelenkfläche des Kieferkondylus konvex in der letzteren und konkav in der ersteren Richtung ist. Das typische Nagetiergelenk zeigt im transversalen Durchschnitte eine nach oben konvexe Gelenkspalte, welche von vorn nach hinten beinahe in gerader Linie verläuft. Was schließlich das Kiefergelenk der Raubtiere betrifft, so ist dieses ein wirkliches Scharniergelenk. Die Gelenkspalte ist in sagittaler Richtung aufwärts konvex und ist im Frontalschnitt vollständig horizontal gestellt. Beim Dachse ist der Condylus so fest in die Gelenkpfanne eingefügt, daß der unbeschädigte Unterkiefer von dem mazerierten Schädel nicht ohne weiteres entfernt werden kann, Bei den Raubtieren, bei welchen die Form der Gelenkflächen nur eine Art der Bewegung im Kiefergelenk zuläßt, nämlich die um eine transversale, nicht verschiebbare Achse, ist der M. pterygoideus externus nicht nur wenig entwickelt, sondern schlägt auch eine mehr transversale Richtung als bei andern Tieren ein. Zusammenfassung. Der mandibulare Skelettkomponent des Kiefergelenks wird als eine Verdichtung rundkerniger Zellen im Blasteme angelegt. Er grenzt sich außen nach allen Seiten, teils durch noch schärfer mar- kierte Verdichtung, teils dureh spindelförmige Zellkerne ab. In seinen zentralen Teilen tritt Knorpel auf, der immer auf Kosten des zunächst umgebenden Blastems weiter wächst. Schließlich erreicht der Knorpel am freien Ende des späteren Condylus das längsgestreifte 12* 178 Knut Kjellberg Bindegewebslager des Perichondrium, von welchem er nicht mehr durch ein besonders differenziertes Blastem geschieden ist. Dieses perichondrale Gewebe verbleibt nicht nur auf der später freien Ge- lenkfläche, nachdem die Gelenkhöhlen eröffnet worden sind, sondern es erhält sich das ganze Leben hindurch. Der Condylusknorpel wird von unten her durch einwachsende Gefäße zerstört. Um die Gefäße herum entstehen Knochen. In gleicher Zeit lagert sich rund um den Condylusknorpel, mit Aus- nahme von dessen obersten Abschnitt, perichondraler Knochen an. In den obersten Abschnitt wachsen beim Menschen in einem weit späteren Embryostadium von dem die freie Gelenkfläche bekleidenden perichondralen Gewebe Gefäße und Bindegewebe hinein. In deren Umgebung zerfällt der Knorpel und wird von Knochen ersetzt. Ein geringer Teil des Knorpels dürfte jedoch auch bei erwachsenen In- dividuen unmittelbar unter dem Perichondrium der Gelenkfläche er- halten bleiben, und zwar in einem zusammenhängenden Lager beim Rinde und in zerstreuten Partien beim Menschen. Der Umstand, daß die Gelenkfläche beim Entstehen der Gelenkhöhle mit Peri- chondrium überkleidet ist, unterscheidet das Kiefergelenk von den meisten andern Gelenken. Und was den Condylus betrifft, so ist er als Gelenkabschnitt ein mit Bindegewebe überkleideter Knorpel, aber kein Deckknochen. Demzufolge ist Herrwıss oben angeführte Äußerung über die Zusammengehörigkeit der Gelenkflächen mit bindegewebig präformierten Knochen nicht stichhaltig. Außer dem Knorpel, welcher am ausgewachsenen Kiefereondylus unter dem Bindegewebe angetroffen wird, findet man auch in letzterem zer- streute Knorpelzellen. Deren Entstehung ist auch im extrauterinen Leben leicht erklärlich, was in Übereinstimmung mit der unten an- geführten Äußerung Hammars sich befindet. Schwieriger ist die Entstehung des Knorpellagers unter dem Periost des kranialen Skeletteiles zu erklären. Auf diesen paßt Herrwiss erwähnte Äußerung; denn hier handelt es sich in der Tat um einen Deckknochen. Aber gerade durch diesen Umstand schließt die Erklärung für das Auftreten des erwähnten Knorpel- lagers ein sehr kompliziertes Problem in sich. Die Erklärung für das Auftreten von Knorpelzellen im Periost ist oben angeführt wor- den. In dem am weitesten medial gelegenen Teile der Jochbein- wurzel dürfte der Knorpel ein Rest des Primordialkraniums sein, welches an der Basis der Squama des Schläfenbeins sich erhalten hat. Bei Embryonen ist nirgends Knorpel im Squamosum oder in Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. 179 dessen Periost! angetroffen worden. Deshalb dürfte es sich hier um eine Neubildung von Knorpel handeln, während der Condylus Reste ursprünglichen Knorpels aufwies. Die Neubildung von Knorpel dürfte durch den Druck hervorgerufen sein, welcher auf dem zwischen Deckknochen und Periost liegenden Blastem lastet. Diese Erklärung scheint mir die wahrscheinlichste zu sein. Entstehung des Meniskus. Die Menisci scheinen im all- gemeinen durchaus nicht ausschließlich als Reste des zwischen den in- kongruenten Gelenkflächen übrigbleibenden Blastems zu entstehen, wie HerrwIıG behauptet. Es zeigt sich im Gegenteil schon früh- zeitig in diesem Blasteme eine Andeutung zum werdenden Meniskus — ja, diese Bildung ist vollständig differenziert, lange bevor die Ge- lenkspalten auftreten. Und außerdem entspricht ihre Form durch- aus nicht der Inkongruenz der Gelenkflächen. Wie ich schon er- wähnte, scheint HerrwıGs Beschreibung von der Entstehung der Menisken eher auf diejenige der Synovialfalten zu passen, und ich vermute, obgleich ich es nicht habe nachweisen können, daß die von mir auf Seite 178 beschriebenen, vorher aber nicht beobachteten Sy- novialfalten des menschlichen Kiefergelenks, welehe zwischen Condy- lus und Meniskus liegen, auf die von HErTwIıG beschriebene Weise entstanden seien. Frühzeitig tritt sowohl bei Menschen- wie Kaninehenembryonen eine Kernverdichtung im Blasteme zwischen Squamosum und Condy- loideus auf. Diese Kernverdichtung differenziert sich in demselben Maße und auf ähnliche Weise wie die bekleidenden Schichten der bei- den sich ausbildenden Skelettkomponenten des Kiefergelenks. Später erscheint im Kiefergelenkmeniskus ein typisches, längsgestreiftes Bindegewebe, das Zellen in sich einschließt, welchen die Möglich- keit innewohnt, sich in Sghnen- und Knorpelzellen umzuwandeln. Dieselben entwickeln sich selbst dann, wenn solche weder beim Embryo noch beim Neugeborenen angetroffen werden. Die Neigung, solche Elemente neu zu bilden, sehen wir am ausgewachsenen Me- niskus verwirklicht. »Es ist nämlich eine schon lange bekannte Tatsache, daß das Bindegewebe, wo es einem größeren Druck ausgesetzt ist, gern den Charakter eines »Bindegewebsknorpels« annimmt ?!« 1 Mit Ausnahme der in dem weitest medialen Teile des Squamosum beim Menschenembryo von 335 mm beobachteten Partie. 2 HAMMAR, Über den feineren Bau der Gelenke. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLIIT. 1894. 180 Knut Kjellberg Der oben angeführte Umstand, daß die Meniskusanlage denselben Bau und dieselbe Differenzierung zeigt, wie die werdenden Gelenk- flächen sie besitzen, erweckte anfänglich in mir die Vmutung, ob nicht der Meniskus gemeinsam mit seinen bekleidenden Schichten als ein Organ betrachtet werden müsse, in welchem die Gelenkhöhlen nachher entstünden. Diese Deutung würde in Übereinstimmung mit Russ! Erklärung über die Entstehung der Sternoelavieularverbin- dung, sich befinden, wonach der Meniskus nebst den Bekleidungen der Gelenkflächen vom Sternum und Clavicula gemeinsam dem Epi- sternum entsprächen, und die beiden Gelenkhöhlen demgemäß inter- episternal entstanden wären. Wenn also einerseits BRooMs oben angeführter Vorschlag, den Meniskus mit dem Quadratum zu homo- logisieren annehmbar gewesen wäre, und andrerseits meine Unter- suchungen mich dazu geführt hätten, das Blastem des Meniskus zu- sammen mit den bekleidenden Schichten des Squamosum und des Condylus als ein Organ zu betrachten, so würden die beiden Höhlen des Kiefergelenks als im Quadratum entstanden zu deuten sein. Aber das Quadratum hat durchaus nichts mit dem Meniskus zu tun, sondern nimmt, wie schon oben angedeutet, und was sowohl embryologische als auch vergleichende anatomische Beobachtungen zu zeigen scheinen, bei den Säugetieren seinen Platz als Amboß in der Trommelhöhle ein. Ebensowenig ist Veranlassung dazu gegeben, Anlagen des Menis- kus sowie der die Gelenkkörper bekleidenden Schichten gemeinsam als homolog mit einem Organ bei niederen Gnathostomen zu be- trachten, ungeachtet der Ähnlichkeit, welche diese drei Blasteme in ihrer Differenzierung zeigen. Sowohl in der Sternoclavieularverbin- dung, als auch in dem Kniegelenk menschlicher Embryonen, welche ich oben beschrieben habe, zeigen sich die Menisken aus demselben Bindegewebe aufgebaut, wie das Außenlager des Knorpels. Sie be- stehen in dem ersten Präparate aus einem Bindegewebs-, in dem letzterem aus einem Knorpelblastem. Ich komme zu den folgen- den Resultaten: Die in der Sternoclavieularverbindung nachgewiesenen und erwähnten ontogenetischen Zustände stimmen nach meinen Be- obachtungen mit den Verhältnissen am Kiefergelenk überein, während die Menisken des Kniegelenks eine andre Entwicklung zeigen. Die Funktion des Kiefergelenkmeniskus beim Menschen scheint ı RugE, Untersuchungen über Entwicklungsvorgänge am Brustbeine und an der Sternoclavieularverbindung des Menschen. Morphol. Jahrbuch. 6. Bd. 1580. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. 181 darin zu bestehen, eine in und mit der Bewegung des Kiefers zuneh- mende Inkongruenz zwischen den Gelenkflächen auszugleichen. Die In- kongruenz existiert hier allerdings schon im Ruhezustande, ist aber doch bedeutend geringer als bei der Bewegung. In der Ruhelage befindet sich der konvexe Condylus gegen eine konkaye, bei der Bewegung gegen eine konvexe Skelettfläche gerichtet. Bei Tieren mit dem Kiefergelenktypus des Schweines und Wombats findet man, daß der Meniskus auch im Ruhezustand die Inkongruenz zwischen zwei zu- einander in sagittaler Richtung konvexen Gelenkflächen ausgleicht. Die Gelenkflächen der typischen Raubtierkiefergelenke sind sowohl im Ruhe- als auch im Bewegungszustande vollständig kongruent miteinander. Deswegen kann man den Meniskus der Raubtiere als ein rudimentäres Organ betrachten, dessen Existenz nicht an die Notwendigkeit geknüpft ist, einen durch die Inkongruenz der Um- gebung zustande gekommenen, leeren Raum auszufüllen (vgl. Hykru oben 8. 165). Wenn auch die Gelenkflächen bei einem typischen Nagetier- kiefergelenk vollständig kongruent sind, so ist doch die Bewegung des Condylus im Unterschiede zum Verhalten bei den Raubtieren eine vor- und rückwärtsgehende, weswegen der Meniskus bei den Nagern eine Aufgabe erhalten kann, die er bei den Raubtieren ver- missen läßt, bei welchen der Condylus um eine fixe transverselle Achse sich bewegt. Art und Grad der Bewegungen im Kiefergelenk der Wieder- käuer werden verhältnismäßig nur unbedeutend von der Form der knöchernen Abschnitte bestimmt. Bei ihnen gleicht der Meniscus sowohl in der Ruhe als auch im Bewegungszustand die Inkongru- enzen aus. Was die Kiefergelenkkapseln betrifft, so wird diese wie bei andern Gelenken von dem umgebenden Blasteme gebildet, Am Kiefergelenke findet man aber nicht, wie an den Extremitäten, dab das Periost von dem einen Gelenkteile zum andern fortgesetzt wird, indem es die Gelenkflächen freiläßt, sei es, daß die Gelenkhöhle offen ist, oder nicht. Das Verhältnis ist am Kiefergelenke ein ganz andres, insofern das Periost auch die Gelenkflächen überkleidet und beim Embryo nicht von dem einen Skelettkomponenten auf den andern sich erstreckt. Ein Teil der Kapsel dürfte durch Bindegewebsfasern gebildet werden, welche vom Meniskus ausstrahlen, während ein anderer Teil durch Verdichtung in dem das Gelenk umgebenden Blastem gebildet wird. Andeutungen eines Endotbels an der Innen- 182 Knut Kjellberg seite der Kapsel habe ich nur bei dem größten der untersuchten menschlichen Embryonen, und zwar an der vorderen Wand der niederen Gelenkhöhle, sowie bei dem größten der untersuchten Kaninchenembryonen und zwar an der lateralen Wand der oberen Gelenkhöhle gefunden. Was die bleibenden Formen der Gelenkflächen betrifft, so finden sich hierzu schon beim Kaninehenembryo von 27 mm deutliche Kenn- zeichen ausgesprochen. Dies ist durchaus nicht der Fall beim Menschen. Die scharf ausgeprägten Tubereulum artieulare und Conus arti- eularis beim erwachsenen Menschen sind beim Embryo nicht einmal angedeutet. Sie werden auch beim Neugeborenen noch vermißt, der übrigens eine »Fossa« aufweist, die in demselben Maße nach außen wie nach unten schaut und außerdem beinahe eben ist. Beim Menschen wird also die Form der ausgewachsenen Kiefergelenkflächen erst während des extrauterinen Lebens vorbereitet. Bei einem der von mir beschriebenen menschlichen Embryonen von 76 mm Länge fand ich im Sagittalschnitte, daß der M. ptery- goideus externus mit einem Teile seiner Bündel in den Kiefergelenks- meniskus übergeht, und daß diese Bildung sich rückwärts zwischen Squamosum und Tympanicum bis in die Trommelhöhle hinein sich erstreckt und vorwärts zum Kopfe des Hammers zieht, in dessen Perichondrium er übergeht. Dasselbe Verhältnis fand ich bei einem menschlichen Embryo von 90 mm Länge. Auch bei einem Menschen- embryo von 55 mm Länge fand ich, daß der Meniskus rückwärts in das Perichondrium des MEcKELschen Knorpels übergeht. Beim Embryo von 180 mm habe ich das nicht konstatieren können; beim Embryo von 335 mm ist nur das Unterkiefergelenk (nieht die dahinter liegenden Teile) untersucht worden. Meine Untersuchungen an Kaninchenembryonen unterstützen nicht das, widersprechen aber auch nicht dem, was ich beim Menschen- embryo betreffs des Überganges des Meniskus rückwärts in das Periost des Hammers gefunden habe. Unter Berücksichtigung meiner Befunde und geleitet von der Hy- pothese, daß Artikulare und Quadratum der Sauropsiden ihre Homologa im Malleus und im Ineus der Säugetiere besitzen, bin ich der Ansicht, daß das Artikulare bei der Einschließung in die Trommel- höhle einen Teil des M. pterygoideus externus mitgenommen hat, dessen andre ansehnlichsten Teile am Dentale und an dem von diesem auswachsenden Condylus verblieben sind, We Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kietergelenks. 183 daß der hinterste Teil dieser Muskelportion in der Spalte zwi- schen Tympanicum und Squamosum abgeklemmt ist und wenigstens einen Teil des Ligamentum anterius mallei bildet, daß die nächst vordere Muskelportion auf ihrem Wege zur Trom- melhöhle zwischen Squamosum und Kiefercondylus passiert hat und dabei den Kiefergelenkmeniskus bildete (vgl. Fig. 7). Fig. 7. Fig. 8. Kiefergelenke der Sauropsida (der obere) und Die rechte Hälfte eines Ornithorhynchus- von Mammalia (der untere). Schematisch. schädels (von unten gesehen). A Squamosum, B Kiefercondyl., C Pteryg. ext., N Fossa glenoidalis, % Condylus oceipitalis, E Tympanıcum, H Dentale, I Quadratum, S äußere Mündung des knöchernen Gehör- I' Incus, X Articulare, K' Malleus, Z Co- ganges. lumella auris, 2’ Stapes. Es bleibt nun noch übrig, eine Erklärung für die Tatsache zu geben, daß der Meniskus bei einigen Säugetieren, nämlich Dasypus, Dasyurus, Eehidna und Ornithorhynchus, vermißt wird. Bezüglich der beiden ersten Formen muß ich auf die Vermutung PArsons! verweisen, welcher sagt: »the structure has been suppressed«. Für das Fehlen des Meniskus bei Echidna kann ich eine annehmbare Erklärung nicht geben, wogegen ich eine solche für das Fehlen des Meniskus bei Ornithorbynchus gefunden zu haben glaube. 1 Angef. Arb. 184 Knut Kjellberg, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Kiefergelenks. Wenn man das Cranium von Ornithorhynchus von unten her be- trachtet (vgl. Fig. 8), so findet man die äußere Mündung des Meatus auditorius externus gegen die Mittellinie des Körpers gerichtet und im Zusammenhange damit das Cavum tympani so weit medialwärts vom Kiefergelenke gelegen, daß die Sehne des M. pterygoideus ex- ternus auf ihrem Wege zur Trommelhöhle das Kiefergelenk durchaus nicht passieren kann. Trotzdem könnten Beziehungen des Muskels zum Kiefergelenke angenommen werden, wenn von dem M. ptery- soideus externus ausgehende Bündel nachgewiesen werden könnten, welche in der medialen Wand der Gelenkkapsel oder innerhalb der- selben vorwärts zum Cavum tympani gelangen würden. Dies nach- zuweisen ist mir aber bei dem Exemplare, das mir behufs Unter- suchung zur Verfügung stand, nicht gelungen. Wenn schon ich demnach nicht imstande bin, eine annehmbare Erklärung über das Fehlen des Meniskus im Kiefergelenk bei Echidna zu geben, und wenn ich betreffs des Feblens des Meniskus bei Dasypus und Dasyurus nur PArsons Vermutung zustimmen kann, so meine ich gleichwohl, mit meinen Untersuchungen dargelegt zu haben, daß der Kiefergelenkmeniskus bezüglich seiner Funktion und seines damit im Zusammenhang stehenden Baues bei den Säugetieren ein neuer Erwerb ist, daß derselbe sein Homologon bei den Sauropsi- den keineswegs vermissen läßt, sondern ein solches in einem Teile des Muse. pterygoideus der Sauropsiden besitzt. Über eine Anastomose zwischen den Stämmen der Art. coeliaca und der Art. mesenterica superior. Von Dr. A. Bühler. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Zürich.) Mit einer Figur im Text. Auf der diesjährigen Anatomenversammlung in Heidelberg be- richtete TAnDLER?! über die Entwicklung der Intestinalgefäße bei menschlichen Embryonen. Er fand dabei u. a., daß die Art. omphalo- enterica (= Stamm der mesenterica superior) mit mehreren Wurzeln, die sich nach kurzem Verlauf zu einem einfachen Stamme verbinden, aus der Aorta entspringt. Aus einer der kranialsten dieser Wurzeln geht die Art. coeliaca hervor, aus einer der nächstfolgenden der Stamm der Mesenterica superior; die andern Wurzeln obliterieren, wie auch die Kommunikation der Coeliaca mit der Mesenterica verschwindet. Aus einem teilweisen Erhältenbleiben dieser letztern will TANDLER zum Teil die bekannten Fälle erklären, in welchen die Leberarterie ihren Ursprung (in der Regel durch Vermittlung der Art. paner.- duoden. infer.) aus der obern Gekrösarterie nimmt. TANDLERS Ausführungen erinnerten mich an ein Präparat aus der anatomischen Sammlung in Zürich, das ich im vergangenen Winter auf dem hiesigen Präpariersaal gewonnen hatte. Da das- selbe einiges morphologisches Interesse beanspruchen darf, so möge meiner kurzen Diskussionsbemerkung von Heidelberg? eine genauere Beschreibung folgen. ı XVIL. Versammlung der anatomischen Gesellschaft in Heidelberg, 1903. (Da der Bericht über die Verhandlungen seinerzeit noch nicht erschienen ist, zitiere ich die Angaben TANDLERsS aus meinen während seines Vortrags ge- machten Notizen.) 2 Diskussion zum Vortrag TANDLERS, ebenda. 186 A. Bühler Das Präparat stammt von einem männlichen Individuum mittleren Alters. Irgendwelche Anomalien der Baucheingeweide fanden sich nicht, außer der erwähnten Arterienvarietät, die ich nach dem Ob- jekt in nebenstehender Figur abbilde. Kleinere Arterien, die nichts Außergewöhnliches zeigten, wie die Aa. phrenicae, spermaticae, mesenterica in- ferior usw. sind weggelassen. Aus der Aorta entspringt an ge- wohnter Stelle zwischen den beiden /ıwerchfellschenkeln des Aortenschlitzes die starke Art. coeliaca. Ihre Aste sind die als normal bekannten; dieselben weichen auch in ihrem weitern Ver- Aoziad---IEr 223 A.gastrica sen, d.h epalica--------- BEN Alrenalis--------- N Alcoeliacal-- ee Sfr A.anastom. ar). Ar. paner. -decod. =, A renald le BR tr A.colicamed--- N IN lauf nicht vom gewöhnlichen Verhalten a ee, ie ab. Zu diesen drei Stämmen gesellt Amesenb supe-- N sich nun noch ein vierter, der als Ra- mus anastomoticus sich zur Art. mes- Aorta ahdominalis von links ventral... enterica sup. begibt, Der Stammiıdıe- Stammesanastomore zwischen, der Art. ser letztern zeigt in Beanensrlizaugune: eorliaca und der Art. mesenterica su- h N keinerlei Besonderheiten. DaB weiter- hin die Dünndarmäste da und dort zu kleinen Gruppen vereinigt von gemeinschaftlichen Stämmen ent- springen, ist keine Seltenheit, und noch häufiger ist der auch bier vertretene Fall, daß sämtliche Diekdarmäste der Arterie einen ein- fachen Stamm bilden. Gerade in diesen Stamm nun senkt sich der Verbindungsast von der Coeliaca her ein, und zwar in dessen am weitesten kranial gelegenen Zweig, in die Art. colica media. Der R. anastomotieus selbst liegt dicht auf der Aorta und dem Stamm der Gekrösarterie, dorsal vom Pankreas, und ist mehrfach ge- schlängelt. Er gibt 2 cm unterhalb seines Ursprungs einen Ast ab, der mit mehreren Zweigen Bauchspeicheldrüse und Zwölffingerdarm versorgt; ein Zweig zum linken Abschnitt des erstern kreuzt den Verbindungsast auf dessen ventraler Seite. Dieser büßt von der Abgangsstelle des R. pancreatico-duodenalis an etwas an Umfang ein, ein Zeichen, daß der Blutstrom sich in ihm von der Coeliaca aus nach der Mesenterica ergoß. Eine besondere Art. paner.-duoden. inferior aus der Mesenterica war nicht vorhanden. So viel über das Tatsächliche des Befundes. Die Erklärung gibt sich nach den entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen TAnD- LERS von selbst: Es handelt sich um eine primäre Stammesanasto- Über eine Anastomose zwischen den Stämmen der Art. coeliaca usw. 187 mose der beiden großen Gefäße, verursacht durch ein Persistieren der kranialsten Wurzel der Gekrösarterie. Der mitgeteilte Fall ist, soviel ich aus der Literatur ersehe, der einzige in dieser Art, der bisher zur Beobachtung kam. Zwar sind bekanntlich Formen, bei welchen Äste, die gewöhnlich der Coeliaca zugehören, von der Mesenterica abgegeben werden, keine Seltenheit. Das gilt vor allem für den Ursprung einer Leberarterie aus der Art. pancreatico-duodenalis inferior. Auch der Fall, daß die Art. eoeliaca in das Gebiet der obern Gekrösarterie übergreift, wird beobachtet; auf dem Präpariersaal in Zürich kam ein Zweig der Art. lienalis, der im Mesocolon zum Colon transversum verlief, einigemal zur Beobachtung. Es ist schon von TANDLER ausgespro- chen worden, daß zum wenigsten ein Teil dieser abnormen Arterien auf jene Kommunikation zurückgeführt werden müsse, welehe durch den Ursprung der Coeliaca aus einer Wurzel der Mesenterica sup. gegeben ist. Welche von den beschriebenen Befunden hierher zu rubrizieren sind, will ich, da es nicht zum vorliegenden Thema ge- hört, für dieses Mal unerörtert lassen; stets aber werden nur solche Fälle in Betracht kommen, in welchen die Arterienvarietät ihren Verlauf an der dorsalen Seite des Pankreas nimmt. Einige Verwandtschaft mit meiner Beobachtung weisen zwei Befunde auf, die in der Literatur Erwähnung gefunden haben. An einem Präparat, das leider durch die vorausgegangene Herausnahme der Eingeweide etwas verstümmelt worden war, fand Arsyi, daß die Art. eoeliaca mit der.Mesenterica superior gemeinsamen Ursprungs war, und zwar lag die Abgangsstelle dieses Stammes dicht über den Nierenarterien, also dort, wo sonst die obere Gekrösarterie zu ent- springen pflegt. Nur von dieser einfachen, starken Ader aus konnte die Blutversorgung für Leber, Magen und Milz vor sich gehen. Nach der Beschreibung, die TAnDLER von der Embryonalentwicklung der in Frage kommenden Gefäße gibt, muß hier ein Veröden des kra- nialen Abschnittes der ersten Mesenteriecawurzel angenommen werden, wogegen dieselbe sich an der Mündung in die Gekrösarterie erhalten hat, und die Art. hepatica und vielleicht noch andre Äste der Coe- liaca übernimmt. Natürlich konnte AEBY seinerzeit diese Deutung noch nicht geben, da damals die embryonalen Verhältnisse unbe- kannt waren. Die weitern Angaben von AEpy über diesen Befund übergehe ich, weil sie nichts hierher Gehöriges enthalten. 1 Eine seltene Arterienanomalie. Correspondenzbl. schweiz. Ärzte. Jahrg. 1872. 188 A. Bühler, Über eine Anastomose zwischen d. Stämmen d. Art. coeliaca usw. Ein Fall, der dem unsrigen näher steht, wird von THANE! be- schrieben; doch vermag auch dieser Autor nicht, seinen Befund zu deuten. Der kurze Stamm der Art. coeliaca war in dem betreffen- den Fall obliteriert und nur durch ein schmales Ligament vertreten. Milz, Leber und Magen erhielten ihr Blut von der Art. mesenterica superior auf dem Umwege über Art. paner.-duoden.-Art. hepatieca, wobei die erstere doppelt angelegt war, und durch Wiedervereini- gung ihrer Äste eine Insel in ihrem Laufe verursachte. Der Fall zeigt auf den ersten Blick große Ähnlichkeit mit dem meinigen und ist auch dem Fall von Arsy verwandt. Gleich dem letztern war es auch hier zu einem Verschluß der Art. coeliaca an ihrem Ursprung gekommen, nur hatte sich dabei ein ligamentöser Rest derselben erhalten. In beiden Fällen mußte die Art. mesen- terica superior das Verbreitungsgebiet der Coeliaca übernehmen. Wie das geschehen kann, läßt sich aus meiner Beobachtung leicht verstehen. Doch liegt gerade in der Form, wie sich der Kollateral- kreislauf verhält, ein wesentlicher Unterschied zwischen meinem Be- fund und demjenigen von THAanxe. Beim letztern Autor holt der Kollateralstamm weiter aus, und erreicht die Leberarterie erst jen- seits, d. h. rechts vom Abgang der Art. gastrica dextra, während er in meinem Fall direkt den Stamm der Coeliaca trifft. Es handelt sich demnach bei THANE nicht um jene primäre Wurzelanastomose der beiden Eingeweidearterien, sondern um Ausweitung sekundärer Bahnen, die sich auf den Zusammenhang der obern und untern Zwölffingerdarmarterien zurückführen lassen. Der Umstand, daß in meinem Fall der anastomotische Ast in die gemeinschaftliche Colonarterie mündet und nicht in die Gekrös- arterie selbst, ist von untergeordneter Bedeutung. Er erklärt sich leicht als eine Wanderung, welche die Mündung des erstgenannten Gefäßes entlang der Mesenterica unternommen hat. Diese Annahme wird gestützt durch die Tatsache, daß die Art. colica media in ihrem Ursprung ebenfalls nach abwärts gerückt ist, gemeinsam mit dem Ramus anastomoticus. ı Obliteration of Coeliac Axis. Proc. anat. soc. Gr. Brit. a. Irel. in: Journ of Anat. and Phys. Vol. XXII. 1888. Varietät der ersten fünf Intereostalarterien. Von Dr, A. Bühler. (Aus dem anatomischen Institut der Unwersität Zürich.) Mit einer Figur im Text. Unter den zahlreichen Gefäßvarietäten, die alljährlich auf dem Präpariersaal in Zürich zur Beobachtung kommen, fand ich im ver- gangenen Winter eine Anomalie der Intercostalarterien, die wegen ihrer Seltenheit und der daraus ableitbaren Folgerungen Beachtung verdient. Die Neigung der genannten Arterien zu Abweichungen von der Norm ist bekannt. Fälle, in welchen ein gemeinsamer Stamm die Zweige für zwei oder drei aufeinanderfolgende Segmente abgibt, weist die Züricher anatomische Sammlung mehrere auf, und in der Literatur sind sie zur Genüge beschrieben worden. Geradezu als Regel trifft man das Hervorgehen der Arterien der obersten Inter- costalräume des Menschen aus vereinigten Stämmen, sei es, daß die- selben aus der Art. subelavia oder aus der Aorta entspringen. Ein derartiger Befund liegt nun auch in dem Präparate vor, das in der umstehenden Abbildung illustriert ist; dasselbe zeigt in- dessen gegenüber dem gewöhnlichen Verhalten einige bemerkens- werte Besonderheiten. Es rührt her von einer ältern weiblichen Leiche. Die linke Seite wies in der Anordnung der Rippenarterien nichts Außergewöhnliches auf. Links habe ich neben den ersten fünf Intercostalarterien auch die gleichwertigen Gefäße der zwei letzten Halswirbel abgebildet, um deren Verhalten zu zeigen. Die Art. vertebralis"sin. dringt wie sonst in den Querfortsatz des sechsten 190 A. Bühler Halswirbels ein; auch der siebente Halswirbel erhält seine Art. cervicalis profunda wie gewöhnlich. Statt daß aber vom gleichen Stamme wie diese letztere die obersten zwei bis drei Zwischen- rippenräume ihr Blut erhalten, gibt die Subelavia keine Spur einer Art. intereostalis suprema ab. Die Arterien für das Gebiet der ersten drei thorakalen Wirbel entspringen vielmehr aus der Aorta descen- dens mit einem gemeinschaftlichen Stamm in der Mitte des vierten Verk.cerv. W------------ --- A.vertebralis --:----..-.22. A.cervie. Prof. Urspnd, Tr (hyreocerv. lH Arsubolavia.- rer Zr. tretercost. LI&M- - War) Aorta. - R.dossälur a a Are Agpinalıs MATAZEENET Bu PP E N Br EICH Scheer A Mar) Ver£ thorac. M:--.....J.....H- Aorta thoracalis von links ventral. Ursprung der Art. intereost. I-IJI und IV—V je aus gemeinsamem Stamm aus der Aorta descendens. Brustwirbels. Dieses Gefäß verläßt die Aorta an ihrem hintern Um- fang etwas nach links, und steigt auf der linken Seite der Wirbel- körper hinauf bis zum Köpfchen der zweiten Rippe. Dort biegt sie lateral nach hinten ab, und gelangt so in den ersten Intercostalraum. Nach abwärts umbiegend, verläuft der Stamm zwischen der zweiten Rippe und dem Querfortsatz des zweiten Brustwirbels und weiterhin zwischen dem Hals der dritten Rippe und dem zugehörigen Quer- fortsatz kaudalwärts bis in die Höhe des dritten Zwischenrippen- raumes, wo er sich in seine Endzweige auflöst. Auf diesem Wege gibt die Arterie die gewöhnlichen Äste einer Intercostalarterie für jedes Segment ab, nämlich je einen Ramus spinalis, einen Ramus N N Ya rah naht” Varietät der ersten fünf Intercostalarterien. 191 ventralis und einen Ramus dorsalis, deren Anordnung aus der Ab- bildung deutlich zu ersehen ist. Vom Ende des Stammes, kurz bevor derselbe als R. ventralis in den dritten Intercostalraum einbiegt, läuft davon gleichsam als Fortsetzung ein kleiner Zweig über den Hals der nächsten Rippe nach abwärts. Abnorm verhält sich auch die Arterie der beiden folgenden Rumpfsegmente. Sie bilden ebenfalls einen gemeinsamen Stamm. Dieser entspringt aus der Aorta — und zwar auffallend weit rechts -— in der Höhe des fünften Brustwirbels, und entspricht demnach diesem Thoraxabschnitt. Ein direkter Aortenast für den vierten Rippenzwischenraum fehlt, und wird von dem eben genannten Stamm aus ersetzt. Der daher kommende Ast wählt nun aber nicht den gewöhnlichen Weg, der in solchen Fällen eingeschlagen wird, näm- lieh über die Vorderseite des entsprechenden Rippenköpfchens, son- “dern er verläuft auch hier wieder zwischen dem Hals der fünften Rippe und dem zugehörigen Wirbelquerfortsatz. Es besteht also darin ein analoges Verhältnis wie für die nächst höhern Intercostal- räume, wie denn auch die Äste die gleichen sind. Einen Fall, der diesem analog wäre, habe ich in der Literatur nicht auffinden können. Eine von WArLsHAm! geschilderte Beobach- tung weist damit einige Ähnlichkeit auf. Arterienstamm für die ersten drei Intercostalräume rechts war dort die wie sonst aus dem Truneus costocervicalis hervorgehende Art. intereostalis suprema; doch lief dabei ihr Hauptstamm, ganz ähnlich wie in meinem Fall, hinter dem Hals der zweiten und dritten Rippe herunter, zwischen diesem und dem Querfortsatz. Indessen zog auf der ventralen Seite der betreffenden Rippenköpfchen als Reste des regulären Stammes je eine feine anastomotische Schlinge herab, die sich unterhalb im nächsten Zwischenrippenraum wieder mit dem abnormen Stamm verband. Als weitere Unregelmäßigkeit kam hinzu, daß dieser letztere in starker Anastomose sich vereinigte mit dem gemeinsamen Stamm für die vier folgenden Intercostalarterien. Dieser Stamm entsprang aus der Aorta in der Höhe des siebenten Brustwirbels, und stand jeweilen an den drei nächsthöhern Wirbeln mit der Aorta durch feine Äste in Verbindung. Die Arterienzweige für die ent- sprechenden Thoraxsegmente waren im übrigen die gewöhnlichen. WALSHAM vergleicht mit Recht den Verlauf der Art. intercostalis 1 Abnormal origin and Distribution of the upper seven right intercostal arteries, with remarks. Journ. of anat. and phys. Vol. XVIL 1882. Morpholog. Jahrbuch. 32. 13 192 A. Bühler suprema dorsal von den Hälsen der zweiten und dritten Rippe mit dem Verhalten der Vertebralis. Ein analoges Verhalten der Art. intereostalis suprema wird von HENLE! nach QuAIN zitiert; ersterer bemerkt dazu kurz, daß dies Verhalten mehrfach beobachtet wor- den sei. Analoga eines derartigen Verlaufes einzelner Thorakalarterien finden wir übrigens bei Vögeln und Reptilien. So sah ich bei Rhea americana die Arterien sämtlicher Intercostalräume um einen Wirbel weiter eaudalwärts aus der Aorta entspringen, als dem betreffenden Segment entspräche. Sie waren darum genötigt, eine Rippe zu kreu- zen, und sie taten dies zwischen Rippenhals und Querfortsatz. Dieses Verhalten der Intercostalarterien kann nun nicht als ein ursprüngliches angesehen werden; dagegen spricht beim genannten Vogel schon der Umstand, daß eine Kreuzung mit einer Rippe über- haupt stattfinden muß. Als primitiv darf wohl ein Zustand angesehen werden, wie ich ihn an den caudal gelegenen Brustrippen von Chelone midas beob- achten konnte. In jeden Intercostalraum tritt dort ein Ast der Aorta und verläuft lateral zum Rande des Körpers. Von diesem Stamme aus geht je ein feiner anastomotischer Zweig ventral vom Rippenköpfehen zur benachbarten Intercostalarterie, und ein stärkerer Ramus anastomotieus verbindet diese Arterien, indem er zwischen Rippenhals und Rückenschild verläuft. Dadurch, daß diese letztern Zweige dorsal von den Spinalnerven in Zusammenhang treten, er- gibt sich an den betreffenden Stellen ein Längsgefäß von gleichem Verlauf wie die Art. vertebralis vieler Tiere. Wenn die segmentalen Verbindungen dieses Längsgefäßes mit der Aorta verloren gehen, gelangen wir zu dem Zustand, den ScHÖnE? von Testudo graeca abbildet, wo die Art. vertebralis, wie der Autor das entsprechende Gefäß bezeichnet, die Äste an die Intereostalräume abgibt. Der be- treffende Stamm stellt als Art. intercostalis communis deseendens eine lange Anastomose her zwischen der Art. subelavia, aus der er entspringt, und der Art. iliaca, aus welcher ihm eine Art. intercostalis recurrens entgegenkommt, also ein Befund, der mit dem von WALSHAM beim Menschen beschriebenen einige Ähnlichkeit hat. Eine Inter- costalis communis deseendens von analogem Verhalten, die entweder ! Handbuch. Bd. III. 1968. 2 Vergleichende Untersuchung über die Befestigung der Rippen ete. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXXI. nV vu. re u GE A Varietät der ersten fünf Intereostalarterien. 193 ‚aus der Subelavia oder aus der Vertebralis hervorgeht, findet sich nach Schöne bei vielen Sauriern und Vögeln. Es ist also ein ganz gewöhnliches Vorkommnis, daß bei diesen Tieren an Stellen, wo die direkten segmentalen Ursprünge der meta- meren Körperarterien verloren gehen, intersegmentale Anastomosen zur Geltung kommen, die ihren Verlauf dorsal von den Verbindungen der Wirbelkörper mit den Rippen (allerdings meist ventral von den Spinalnerven) nehmen. Das gleiche gilt auch für Säugetiere und Mensch in bezug auf die Art. vertebralis, deren Abkunft aus einer Anastomosenkette der Interprovertebralarterien speziell FRORIEP!, HOoCHSTETTER? und TAnDLER? nachwiesen. Die Möglichkeit zur Aus- bildung eines ähnlichen Längsstammes ist, wie WarsHam berichtet, auch für thorakale Segmente vorhanden, indem daselbst bei mensch- liehen Föten die Intercostalarterien außer auf der ventralen Seite der Rippen noch durch Äste zusammenhängen, die zwischen Rippen- hals und Wirbelquerfortsatz verlaufen. Aus einer derartigen Ana- stomosenkette ist demnach auch das Stück der in meiner Figur abgebildeten Arterie herzuleiten, das vom ersten Zwischenrippenraum nach dem dritten zieht, und natürlich ebenso die vom fünften zum vierten. Es bleibt noch das Ursprungsstück der obersten Intercostal- arterien von der Aorta bis zum ersten Intercostalraum zu deuten. Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um die „Erhaltung des Aortenursprunges der Art. thoracalis I zu handeln. Indem dieselbe in Fortsetzung der Anastomosenkette, aus welcher die Vertebralis entsteht, sich mit der folgenden Intercostalarterie verbindet, wie dies HocHsTETTER beim Kaninchen-Embryo fand, und indem dann der direkte Aortenursprung der Arterien für die beiden nächsten Seg- mente verschwindet, müßte sich die vorliegende Varietät herausbilden. Daß der Stamm der Arterie so sehr in die Länge gezogen ist und in beträchtlicher Entfernung von der Subelavia entspringt, kann leicht erklärt werden, wenn man die durch TANDLER studierte Sen- kung des Aortenbogens mit nachfolgendem partiellen Wiederaufsteigen berücksichtigt. 1 Zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule ete. Archiv für Anatomie und Phys. Anat. Abt. 1886. 2 Über die Entwicklung der Art. vertebralis beim Kaninchen etc. Morphol. Jahrbuch. Bd. XVI. 3 Zur Entwicklungsgeschichte der Kopfarterien bei den Mammalia. Ibid. Bd. XXX. 13* 194 A. Bühler, Varietät der ersten fünf Intercostalarterien. Nur ein Umstand steht dem entgegen: der Stamm meiner Art. intercostalis I—III liegt ventral vom Truncus sympathicus. Es liegt also in dieser Beziehung ein Fall vor, wie ihn HocHsTETTEr als Varietät von einem Kaninchen-Embryo beschreibt. Es verlangt der Befund meiner Ansicht nach eine ähnliche Erklärung wie diejenige, welche HOCHSTETTER für das Verhältnis der Art. subelavia zum Sympathieus gibt. Danach wird infolge der Verschiebung des Her- zens nach rückwärts die Lage des Grenzstranges am vordern Um- fang der Subelavia derart ungünstig, daß er zu einem dünnen Faden ausgezogen wird, und daß zwischen dem Halsteil und dem Brust- teil sich eine bessere Verbindung dorsal von der Arterie ausbilden muß. In gleicher Weise kann das Lageverhältnis meines ersten Intercostalstammes zum Sympathieus gedeutet werden. Es liegt in dem beschriebenen Fall also vor: ein Persistieren des Ursprungsstückes der neunten Segmentalarterie (abgesehen von der Hypoglossusarterie) mit Untergang der drei folgenden. Die peripheren Äste der zehnten und elften werden übernommen durch einen Zweig der neunten von ähnlichem Verlauf wie die Art. verte- bralis, und in gleicher Weise versorgt die fünfte Thorakalarterie das Gebiet der vierten. Das sekundäre Ursprungsstück der ersten zwei bis drei Intercostalarterien aus der Subelavia ist nicht zur Aus- bildung gekommen. Die Varietät stellt sich also dar als ein Zurückgreifen auf Zu- stände, wie sie ähnlich phyletisch primitiveren Formen zukommen und wie sie teilweise auch in der Ontogenie der Säugetiere und des Menschen durchlaufen werden. Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. Von Ad. Reinhardt, approbiertem Arzt aus Deipenbrink, (Aus dem Anatomischen Institut Marburg.) Mit Tafel V und VI. Einleitung. Zu den Organen, die in der Embryologie der Wirbeltiere ihrer phylogenetischen und morphologischen Bedeutung nach schwierig zu beurteilen sind, gehört die Hypochorda oder Subchorda der niederen Wirbeltiere. Dies Organ ist bisher nur von wenigen Autoren einer genaueren Untersuchung gewürdigt worden. Meist begnügte man sich, seine Existenz in einer bestimmten Embryonalzeit konstatiert zu haben. Der rudimentäre Charakter des Gebildes und der Um- stand, daß es nur kurze Zeit und auch dann in nur wenig auffallen- der Weise in die Erscheinung tritt, machen es begreiflich, daß es weniger studiert wurde. Da sich die genaueren Beobachtungen nur auf eine geringe Zahl von Tieren beziehen, so erscheint es schon aus diesem Grunde wünschenswert, unsre Kenntnisse über ein bisher so wenig beach- tetes Gebilde durch Untersuchungen an noch nicht in dieser Hinsicht verwertetem embryologischem Material zu ergänzen. Nun sind im hiesigen anatomischen Institut bereits früher Untersuchungen über die Hypochorda der Amphibien — Alytes — von BERGFELDT ge- macht worden. Es lag deshalb der Gedanke nahe, diese durch Er- forschung einer andern Amphibienart zu ergänzen und zu vervoll- ständigen. Hierzu bot sich ein sehr geeignetes Material in der reichen Sammlung von Embryonen von Salamandra maculosa. So 196 Ad. Reinhardt können denn die vorliegenden Beobachtungen vielleicht dazu dienen, unsre Kenntnisse über die Entstehung und das Schicksal der Hypo- chorda zu bereichern. Einige technische Mitteilungen werde ich hier anfügen. Die Embryonen waren meist in Gemischen von Sublimat, Pikrinsäure und Essigsäure konserviert und fixiert. Diese Methode erwies sich als für Salamanderlarven sehr geeignet. Die Färbung wurde mit Boraxkarmin gemacht und die Grundtinktion, soweit sie nicht noch von der Konservierung zurückgeblieben war, mit Pikrinsäure vor- genommen. Von jedem Embryo wurde ein Oberflächenbild meist in Seitenansicht und mit genauer Angabe der Rückenlinie gezeichnet. Die Altersbestimmung der Embryonen von Salamandra ist schwierig. Um ungefähre Anhaltspunkte dafür zu erhalten, wurde die Total- länge — also Kopf-Schwanzspitzenlänge — gemessen, die Zählung der Urwirbel vorgenommen, ferner die äußere Entwicklung und der Entwicklungsgrad einzelner Organe zu Hilfe genommen. Die Schnitt- dicke betrug durchschnittlich 15 u. Historische Übersicht. In der folgenden historischen Übersicht habe ich mich bemüht, die über Hypochorda bisher erschienene Literatur mögliehst voll- ständig anzuführen, was in keiner der bis dahin erschienenen Ar- beiten geschehen ist. Zumeist konnte ich die betreffenden Arbeiten selbst durchlesen; die Schriften, welche mir nieht zur Verfügung standen, sind nach andern Autoren zitiert. Die Literatur ist so ge- ordnet, daß sie in der Reihenfolge der Klassen der niederen Wirbel- tiere besprochen wird. Fische. v. KuPFFER hat für Petromyzon Planeri folgende Entstehungs- weise der Hypochorda angegeben (S. 503). Die Hypochorda zeigt sich zuerst im Grenzgebiete zwischen Kopf und Rumpf entwickelt, indem je die beiden mittleren Zellen in der dorsalen Wand des Darmes sich in schräger Richtung verlängern, sich dorsalwärts verschieben und schließlich aus der epithelialen Darmwand ausge- schaltet werden. Die Nachbarzellen rücken an die Stelle der ver- schobenen ein. So geht der Prozeß kopf- und caudalwärts weiter. Nach den Zeiehnungen kommt die Hypochorda später zwischen Aorta und Chorda zu liegen. Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 197 LeypıG erwähnte 1852 die Hypochorda zuerst bei Selachiern (Hai); er verlegte sie aber irrtümlicherweise in die Chorda hinein. SEMmPER beschreibt 1875 die Hypochorda als »hypochordalen oder subehordalen Zellstrang« bei einigen Selachiern (Mustelus, Seyllium, Acanthias). Er beobachtete das spurlose Verschwinden des Stranges und hat ihm eine große Bedeutung bei der Verglei- chung der Wirbeltiere mit den Wirbellosen beigelegt, ohne indes Genaueres anzugeben. ©. K. Horrmann erwähnt bei der Besprechung der Entwicklung der Aorta von Acanthias vulgaris auch die Subehorda. Aus dem Urdarme soll sich dorsal ein Stück abgliedern unter gleichzeitiger Modifikation der Hypoblastzellen in Hämenchymzellen. Diesen so veränderten Teil des Urdarmes nennt er »Aortadarm«. Die Zellen der Rückenwand des Aortadarmes sind voluminöser als die der Seitenwände und bilden die Anlage des Subchordalstranges oder der Subehorda. »Die Subchorda ist also nichts andres als ein ver- diektes Stück der dorsalen Aortawand.« Nach hinten schnürt sie sich als strangförmiges Gebilde mehr oder weniger deutlich vom Aortadarme ab, und caudalwärts erscheint sie als eine axiale Pro- liferation des Urdarmes, um endlich vollständig zu verschwinden. Die zahlreichen Mitosen in der Subehorda und die von ihr sich ab- schnürenden Zellenkonglomerate scheinen HorFrMmAnN dafür zu spre- chen, »daß die Subehorda phylogenetisch ein blutbereitendes Organ gewesen und bei Acanthias als solches noch tätig iste. RABL gibt für die Hypochorda der Selachier (Pristiurus) an, daß sie segmental angelegt wird. Die Segmente verschmelzen sehr schnell; es deuten nur die regelmäßigen Volumschwankungen auf diese Art der Entstehung hin, indem die Leiste in den vertebralen Abschnitten merklich höher ist, als in den intervertebralen. Ein Lumen wurde nicht beobachtet. Er unterscheidet eine Kopf- und eine Rumpfhypochorda; letztere erscheint früher. Die Kopfhypo- ehorda beginnt hinter dem Aortensinus und erstreckt sich bis zur Höhe der Gehörbläschen. »Aortensinus oder RÜckErts Kopfsinus liegt hinter dem zum Rachenepithel hingebogenen vorderen Chorda- ende und bezeichnet die Stelle, hinter welcher der Beginn der Hy- pochorda zu suchen ist.< Diese erscheint anfänglich als eine schmale, niedrige Erhebung der dorsalen Darmwand; später ist sie unmittel- bar hinter dem Kopfsinus an ihrem Vorderende vom Darme getrennt. Die Rumpfbypochorda erscheint am Hinterende des Kopfes und erstreckt sich als zusammenhängender Strang, dessen Ablösung vom 198 Ad. Reinhardt Darme schnell von vorn nach hinten fortschreitet, bis zum Schwanz- anfange. In der Schwanzregion fehlt die Hypochorda. Eine Ver- bindung des vorderen Rumpfteils der Hypochorda mit dem Ento- derm bleibt noch länger bestehen; es erstreckte sich nämlich bei Pristiurus-Embryonen von 34—35 Somiten von der Kopfhypochorda eine dorsale Verdickung der Darmwand bis zum vorderen Teile der Rumpfhypochorda. Die unpaaren Aorten vereinigen sich bei der Ablösung der Hypochorda, wobei eine Zeitlang Aorteninseln gebildet werden, die aber bald verschwinden. Über das Schieksal der Hypo- chorda berichtet RABL nichts. BALFOUR sagt, daß sich unmittelbar nach der Bildung der Chorda bei sämtlichen Ichthyopsiden von der Dorsalwandung des Darmkanals ein stabförmiger Körper abspaltet — von provisorischer Existenz — der subchordale Strang oder subnotochordale Strang. Die Sonderung geht von vorn nach hinten vor sich. Er unterscheidet einen Kopf- und Rumpfteil. Die vordere Partie entsteht infolge Wucherung ento- dermaler Zellen; im hinteren Teile entsteht er wie ein Ausschnitt aus dem bedeutend dickeren Darmdache. Der kleinere Kopfteil entsteht später und vergeht früher. Am Vorderende des RKumpfteils sah er noch nach vollendeter Abschnürung einen stielförmigen Zusammenhang mit dem Entoderm. Bei voller Ausbildung, wenn die Rückenaorta zwischen dem Strange und der Darmwand liegt, endigt die Subchorda vorn etwas vor der Höhe der Gehörbläs- chen, aber noch kurze Strecke hinter dem Vorderende der Chorda; nach hinten geht sie bis zum Ende des Schwanzdarmes. Wäh- rend der Abschnürung soll sich ein Divertikel der Darmhöhle in die Subehorda erstrecken. Sie verschwindet schnell von vorn nach hinten. ZIEGLER tut in seinem »Lehrbuch der vergleichenden Entwick- lungsgeschichte der niederen Wirbeltiere« der Hypochorda der Se- lachier nur kurze Erwähnung und bildet sie auf Querschnitten von Embryonen von Torpedo, Pristiurus und Sceyllium ab. Die Hypo- chorda der Teleostier beschreibt er als einen dünnen, schmalen Strang dieht unter der Chorda, der sich von der aufsteigenden Darn- falte ablöst. SALENSKY findet bei Acipenser ruthenus eine »ligne souscordale«, die bald nach Schluß der Medullarrinne aus dem median gelegenen Teile der dorsalen Wand der primitiven Darmhöhle als ziemlich dünner Strang entsteht und zuerst nur aus zwei Reihen dünner Zellen besteht. — Bei 3 Monate altem Acipenser soll sich nach Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 199 BRIDGE (nach BALFOUR zitiert) und SALENSKY die Hypochorda in _ das Ligamentum longitudinale inferius umbilden. Ebenso sagt vox KuPprFrer, daß sich bei Acipenser ruthenus die Hypochorda zu einem starken elastischen Bande umgestalte. ÖELLACHER beschreibt bei der Forelle unter dem Namen »Aor- tenstrang« ein unter der Chorda gelegenes Gebilde, das die Hypochorda ist. Der Strang soll aus den obersten Zellen des Darmdrüsenblattes entstehen und die erste Anlage der Aorta dar- stellen. Nach Wırson entwickelt sich die Hypochorda bei Serranus atrarius aus den obersten Zellen der Darmfalte vor Schluß des Darmkanals und stellt nach ihrer Entwicklung einen soliden Zell- strang dar. Die Schwanzhypochorda soll ein Rest des Schwanz- darmes sein. | HEnnEGuY bezeichnet die Hypochorda bei Forelle und Lachs als »tige subnotocordale ou sous-notocordale«. Sie stellt einen so- liden Strang von 3—4 Zellen auf dem Querschnitte dar und ent- steht in der mittleren Körperregion aus der oberen Partie der Entodermfalte, indem ihre Differenzierung von vorn nach hinten fortschreite. Die Kopfhypochorda entwickelt sich später als die Rumpfhypochorda. Ein Lumen hat er in der Hypochorda nicht be- obachtet. Über die Bedeutung dieses rudimentären Organs weiß er nichts anzugeben, außer einem Hinweis auf eine von Eısis aufge- stellte Hypothese. Ferix erwähnt die Hypochorda nur nebenbei und verweist auf die Arbeit von Franz. FRANZ untersuchte auf Anregung von STÖHR die Entwicklung der Hypochorda und des Ligamentum longitudinale ventrale beim Lachs und bei der Forelle. Die Hypochorda entwickelt sich aus dem Entoderm und schnürt sich von dem Darmstrange ab. Die erste Anlage fand er bei einem Forellenembryo von 17 Myomeren in der Gegend des 5.—14. Myo- mers. Der Darmstrang ist hier noch solid; seine der Chorda am nächsten liegenden Zellen grenzen sich durch einen scharfen Kontur von ihren Nachbarzellen ab; sie sind rundlich und mit hellem Proto- plasma versehen. Die Differenzierung findet nicht gleichmäßig auf der ganzen Strecke statt. Hierauf wird der Darmstrang hohl und durch seitlich von ihm auftretende Zellmassen, die Anlagen der Blutgefäße, ventralwärts gedrängt. Dadurch wird seine Verbindung mit den Hypochordazellen zu einer schmalen Leiste ausgezogen, 200 Ad. Reinhardt die nun fast zu gleicher Zeit einer von vorn nach hinten schreiten- den Rückbildung unterliegt. Dabei bleiben aber metamer ange- ordnete Hypochordabrücken bestehen. Diese verschwinden auch bald. Zwischen Hypochorda und Darm schiebt sich die Aorta ein. Die Kopfhypochorda bleibt am längsten mit der Darmwand in Verbin- dung, wird aber schließlich auch durch das Vorwachsen der Aorta durch Mesenchymgewebe abgetrennt. Jetzt stellt die Hypochorda einen dünnen, soliden Zellstrang dar, der vorn bis zur Herzgegend sich erstreckt und nach hinten sich in den Darm verliert. In den caudalen Partien entwickelt sich die Hypochorda aus dem Schwanz- darm unter Rückbildung desselben, was besonders bei Lachsembryo- nen festgestellt werden konnte. Darm und Hypochorda sind durch die Aorta getrennt, soweit letztere reicht. Dann bleibt der Schwanz- darm in Berührung mit der Chorda. Der Rest des Schwanzdarmes entspricht der Hypochorda. »Das caudale Ende der fertig gebildeten Schwanzhypochorda ist der Schwanzspitze näher, als das caudale Ende des Schwanzdarmes in frühen Stadien der Entwicklung ge- wesen war.« Dies beruht nicht auf einem selbständigen Wachstum der Hypochorda nach hinten, sondern auf der immer weiter caudal- wärts fortschreitenden Differenzierung des Schwanzdarmes aus der gemeinsamen Zellmasse des Schwanzes. Das Ligamentum longitudinale ventrale entsteht nach Franz aus den Zellen des axialen Mesenchyms, die die Hypochordazellen von allen Seiten umgeben. Die Hypochorda war stets von dem umgebenden Gewebe scharf abgegrenzt. Die Zellen zeigten außer- dem Erscheinungen von Kernzerfall. Bei der Forelle geht die Hy- pochorda nach längerer, beim Lachs nach kürzerer Zeit zugrunde, »ohne sich am Aufbau irgendwelcher Organe zu beteiligen«. SoBOTTA macht auf die Beziehungen der Hypochorda zu den Blutstrangsanlagen der Teleostier (Salmoniden) aufmerksam. Die Blutstränge beider Seiten, die den Raum zwischen Entoderm, Chorda, Urwirbel, Vornierengang und Seitenplatten ausfüllen, werden in der Medianlinie getrennt durch einen dünnen Zipfel Entoderm, welcher Darmentoderm und Hypochorda verbindet. »Das ventralwärts Wachsen der Blutstrangsanlagen und die Vermehrung ihrer Zellen bewirkt die Ablösung der Hypochordaanlage vom Entoderm.« Die in der Mitte sich vereinigenden und dann zwischen Entoderm und Aorta resp. Hypochorda liegenden Blutstränge werden mitunter noch dureh Hypochordabrücken getrennt, die aber nicht in der von Franz be- schriebenen regelmäßigen, segmentalen Anordnung sich finden. Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 201 Die von GoETTE gemachten Beobachtungen bei der Forelle siehe bei Amphibien (Bombinator) nach. KOLLMANN weist in seinem Lehrbuche der Entwicklungsgeschichte des Menschen kurz auf das Vorkommen eines subchordalen Stranges bei den Fischen — (und Amphibien) — hin; dieser soll von der- selben Länge wie die Chorda und das Darmrohr sein. Während alle Autoren, die die Hypochorda der Fische be- schrieben haben, sie entodermalen Ursprungs sein lassen, ist nach Per£Eny der subehordale Strang bei Torpedo marmorata mesoder- maler Herkunft; er vermutet in ihm den Überrest eines verkümmerten Gefäßes. Amphibien. GOETTE untersuchte die Hypochorda bei Bombinator und Forelle und wies zuerst auf die entodermale Entstehung derselben hin. Er bezeichnete die Hypochorda als »Achsenstrang des Darmblattes«, der sich als solider Strang von der Mitte des Vorderdarmes bis zum Ende des Schwanzdarmes bilde. Nach der Abschnürung vom Darmblatte kommt er zwischen Chorda dorsalis und Aorta zu liegen; er erscheint bald pigmentiert und soll sich bis zum Ende des Lar- venlebens erhalten. Anfänglich glaubte GoETTE eine Beziehung des Achsenstranges zum Lymphgefäßsystem gefunden zu haben; ein Teil des letzteren sollte aus dem Strange entstehen. Ferner glaubte er, daß vom Achsenstrange in das Aortenlumen wachsende Fortsätze da Blutkörperchen bilden sollten. Diese beiden Annahmen ließ er später in seinem Buche über die Unke (1875) wieder fallen; es sollten die erwähnten Fortsätze nicht frei ins Aortenlumen hinein- ragen, sondern nur die Aortenwand einstülpen. FIELD macht in seiner Arbeit über die Entwicklung der Wirbel- säule der Amphibien Mitteilungen über die Hypochorda derselben; er sah sie bei Ambdlystoma und Alyte. Nach ihm beginnt die Hypochorda zuerst in der Vornierengegend, um von hier aus nach beiden Richtungen eranial- und caudalwärts sich auszubilden. Der anfängliche Zusammenhang der beiden Enden mit dem Entoderm wird aufgegeben, sie wird nun ganz frei und ist mit einer eignen der ersten Chordabülle ähnlichen Cuticula versehen. Diese Hypo- ehordahülle ist zuerst von FıELD festgestellt worden. Das Vorder- ende der Hypochorda bleibt stets hinter dem vorderen Ende der Chorda und geht nicht ganz bis zur Höhe der Ohrbläschen nach vorn. 302 Ad. Reinhardt Bei Amblystoma fand sich zuweilen ein isoliertes Stück in der Höhe der Gehörbläschen. In der Höhe des zweiten Myomers hat er in einem ziemlich späten Stadium noch eine Verbindung des Ento- derms mit der Hypochorda gesehen. Eine segmentale Anordnung vermutet FIELD aus dem Grunde, weil er regelmäßige Volumschwan- kungen des Gebildes gefunden hat, die zuweilen der Urwirbelein- teilung entsprechen. Den caudalen Teil beschreibt er als Leiste des Schwanzdarmes. Die Rückbildung erfolgt während der Ausbildung der häutigen Wirbelsäule von vorn nach hinten, indem die Hypochorda »von Bindegewebe umflossen« wird. Er vermutet, daß sie nichts zur Bildung eines bleibenden Organs beitrage. Er denkt ebenso wie BALFOUR an eine Analogie der Hypochorda mit dem dorsalen Neben- darm, den seiner Angabe nach EHLERS bei Borstenwürmern fand. HassE suchte einmal die Bedeutung der Hypochorda darin, daß von ihr aus das skeletogene Gewebe entstehe. Später aber leitete er es von der Gefäßscheide der Aorten ab nach Unter- suchungen an Triton taeniatus. BERGFELDT: Bei Alytes obstetricans tritt die Hypochorda auf, wenn die Chorda selbständig wird, indem im Entoderm des Darm- daches eine Spaltbildung auftritt, welche in der dorsalen Mittellinie eine schollenförmige Platte abhebt, die ziemlich breit und niedrig ist. Schon frühzeitig erhält sie eine feine Cuticula, die von den Hypochordazellen selbst abgeleitet werden muß, und legt sich der Chorda dieht an. Nachdem zwischen Hypochorda und Darm Binde- gewebe und Aorta sich eingeschoben haben und die bindegewebige Scheide der Chorda gut charakterisiert ist, zeigt das Gebilde seine höchste Entwicklung. Die Hypochorda liegt dann der ventralen Wand der Chorda dicht an, ist platt, bohnen- oder nierenförmig und buchtet selbst die dorsale Wand der Aorta nach deren Lumen hin vor. Der Zusammenhang mit dem Entoderm bleibt nur am Vorder- und Hinterende erhalten; hierdurch und durch eignes Wachstum (Mitosen) folgt der Strang der Vergrößerung des Körpers. — Im Verlaufe des Schwanzdarmes bildet sich die Hypochorda in der Form einer Leiste, die durch Zellenwucherung entstanden ist, sich schnell ablöst und nun auf dem Querschnitt auch platt oval aussieht. Der cranialwärts wachsende Abschnitt des Rumpfteils bildet sich in Form eines Wulstes durch Zellvermehrung des hier dünneren Darmdaches, der sich dann abschnürt. Der Querschnitt der Hypochorda wird caudalwärts immer kleiner. Im äußersten Schwanzende fließen Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 203 Hypochorda, Chorda, Darm und Medullarrohr zu einer gemeinsamen Zellmasse zusammen. Das Vorderende der Rumpfhypochorda findet BERGFELDT in der Höhe des ersten Myomers hinter den Ohrbläschen. Nur einmal bestand vorn in der Höhe der Gehörbläschen in einer Serie mit 14 Rumpfmyomeren ein isolierter Hypochordahaufen, etwa 45 u lang, der in leistenförmigem Zusammenhange mit dem Rachen- epithel stand, BERGFELDT identifiziert diesen Teil mit dem Kopf- teil der Hypochorda, wie er von BALFOUR, STÖHR, RABL, FIELD be- schrieben worden ist. Die Rückbildung erfolgt von vorn nach hinten. Am längsten finden sich noch zusammenhängende Hypochordateile im Schwanze. Bei dem Untergange wird das Organ von perichordalem Gewebe umgeben und so gleichsam eingeschnürt. Die Zellkerne zeigen da- bei Zerfallserscheinungen. In frühen Stadien findet BERGFELDT eine segmentale Ent- stehungsweise angedeutet, obne daß aber eine Sonderung der Seg- mente, wie sie von STÖHR bei Rana beschrieben wurde, stattfindet. Für die segmentale Anlage sprechen später noch deutliche Volum- schwankungen der Hypochorda, die ziemlich genau mit der Ur- wirbelgliederung zusammenfallen. — Cranial vom vorderen Rumpf- teile finden sich sehr inkonstant rudimentäre, isolierte Stücke der Hypochorda, die wahrscheinlich bei ihrer rudimentären Anlage und vor ihrem schnellen Vergehen nieht mehr mit dem Rumpfteile in Verbindung treten konnten. Hypochordabrücken wurden in jungen Stadien am Vorderende, in späteren nur am Hinterende gefunden. Eine segmentale Anordnung von Brücken und Aorteninseln konnte nicht festgestellt werden. Der Schwanzdarm, der, obgleich aroflenfails solid, gleichfalls Hypochorda liefert, ea seine höchste Entwicklung, wenn diese bereits in Rückbildung begriffen ist. Ein Lumen wurde nie in der Hypochorda von Alytes gesehen. Über die Bedeutung des rudimentären Organs gibt BERGFELDT weiter nichts an, als daß es keine Anlage eines dauernden Gewebes bildet. STÖHR beschreibt die Entwicklung der Hypochorda bei Em- bryonen von ana temporaria von 3,2—13,5 mm Länge. Sie »ent- steht aus dem Entoderm als eine pigmentierte Leiste der dorsalen Darmwand. Man unterscheidet eine Kopf- und eine Rumpfhypo- chorda. Erstere entsteht wie die Rumpfhypochorda und ist ein unscheinbarer, vor dem ersten Myomer gelegener, länglich ovaler 204 Ad. Reinhardt Körper, der nicht mit der Rumpfhypochorda zusammenhängt und bald wieder verschwindet. Die Rumpfhypochorda schnürt sich, vom Kopfe zum Schwanze vorschreitend, von der Darmwand allmählich ab, jedoch so, daß anfangs noch eine Anzahl von Verbindungs- brücken mit der Darmwand bestehen bleibt. Die anfänglich seg- mentale Anordnung dieser Brücken wird späterhin etwas undeut- licher. In der Rumpfhypochorda treten nun Hohlräume auf, die an einzelnen Stellen derart angeordnet sind, daß die Hypochorda aus (segmentalen?) caudalwärts umgebogenen Schläuchen zusammenge- setzt erscheint. Damit ist der Höhepunkt der Entwicklung erreicht, die Verbindungsbrücken, von denen sich die eranialst gelegenen am längsten erhalten, schnüren sich von der Darmwand ab, so daß nun keinerlei Zusammenhang zwischen dieser und der Hypochorda be- steht. Unter Abplattung und Auseinanderweichen ihrer Elemente bildet sich die Hypochorda völlig zurück. Eine Beteiligung der Hypochordaelemente am Aufbau andrer Organe, etwa der Milz oder der Lymphgefäße, ist durchaus nicht nachweisbar«. ZIEGLER erwähnt in seinem Lehrbuche den Hypochordalstrang der Amphibien und verweist auf die Arbeiten von STÖHR und BERGFELDT. SuTToN schreibt, daß bei Amphibien ebenso wie bei Fischen unmittelbar nach der Bildung der Chorda eine sich von der dor- salen Wand des Darmkanals abspaltende Verdickung auftritt, der sogenannte Subnotochordalstrang — >»the subnotochordal rod«. Er vermutet in Übereinstimmung mit SaLEnsky, BALFOUR und BRIDGE, daß das vordere gemeinsame Band der Wirbelsäule dem Untergange jenes Stranges in letzter Linie seine Entstehung verdanke. - Bei Rana temporaria will er sich selbst davon überzeugt haben, daß nach dem Verschwinden des Subnotochordalstranges ein diesen ersetzendes Band auftritt. Schließlich meint Sutton, wenn der er- wähnte Strang bei den höheren Wirbeltieren noch nicht gesehen wurde, so sei dies damit zu erklären, daß der Bildungsprozeß eine Abkürzung erfahren habe; das Ligamentum longitudinale anterius der höheren Formen trete als rudimentärer Repräsentant jenes Stranges nach dem Gesetze der Heredität in die Erscheinung. WIEDERSHEIM spricht von der Hypochorda nur in einer An- merkung (S. 44). Er stützt sich auf KLAATscH, wenn er sagt, daß »das zwischen Aorta und Chorda liegende Gebilde dem Amphioxus, allen Fischen und Amphibien in gewissen Perioden der Entwicklung gemeinsam ist und sich im Bereiche des Rumpfes und Kopfes in Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 205 der Form einer Leiste beziehungsweise Rinne aus der dorsalen Darmwand, d. h. aus dem Entoderin differenziert«. Es verfällt der Rückbildung, erhält sich aber teilweise als elastisches Band und soll das Rudiment der Epibranchialrinne des Amphiorus sein. Die Subehorda der Gymnophionen wird von A. BRAUER in dessen Arbeit über »die Exkretionsorgane der Gymnophionen« abgebildet als ein zwischen Aorta und Chorda gelegener, auf dem Querschnitte aus ein bis zwei Zellen bestehender Körper. Reptilien. Die bei Reptilien zu beobachtende hypochordale Bildung wird von den meisten Autoren, die sich mit der Embryologie der Rep- tilien beschäftigt haben, weder erwähnt noch abgebildet. MEURON und PLATT (zit. nach PRENANT, S. 453) bilden sie ab; ersterer bei Zacerta und dieser bei Necturus. PRENANT wies zuerst nach, daß die von ihm entdeckte »lame pharyngienne« ein den Reptilien zukommendes und für sie charak- teristisches Organ sei, und verglich sie mit der Hypochorda der Ichthyopsiden. PRENANT beschreibt bei Reptilienembryonen (Angws fragilis, Lacerta viridis, Agama Bibromi und Tropidonotus natrix) eine in der Kiemenregion der dorsalen Pharynxwand median aufsitzende Leiste (lame pharyngienne), die gegen die Chorda dorsalis gerichtet ist. Die Leiste erscheint in einem bestimmten Alter — Anguis 10 mm Totallänge, ZLacerta 4 mm Kopflänge, Tropidonotus 4,5 mm Kopflänge. Bei jüngeren Embryonen ist sie noch nieht vorhanden; hier erscheint eine auf dem Querschnitt dreieckig geformte Epithel- verdickung mit einer Rinne als Vorläufer der lame pharyngienne. Die Leiste ist im ausgebildeten Zustande in dorso-ventraler Richtung sehr hoch, dagegen in querer Richtung sehr schmal. Ihr freier Rand ist leicht gekrümmt und fast überall durch eine deutliche Membran begrenzt. Die Leiste erstreckt sich über den Pharynx und einen Teil des Ösophagus. Bei Angwis soll sie diesen mit bilden helfen: »le bourgeon pharyngien est incorpore & l'oesophage et se ereuse de lumieres, qui communiqueront avec la cavit& oesophagienne«. Bei Anguis ist die Leiste am stärksten entwickelt, weniger bei Lacerta, noch weniger bei Tropidonotus. — Bei Tropidonotus kann sich das distale Ende der Leiste ablösen und bildet dann eine kleine, völlig isolierte hohle Epithelinsel median unter der Chorda. — Bei 206 Ad. Reinhardt einigen Embryonen von Angus und Lacerta ist die Pharynxzleiste an ihrem dorsalen Rande nicht mit einer deutlichen Grenzmembran versehen, sondern ihre Zellen scheinen mit den Mesenchymzellen der Umgebung und dem perichordalen Gewebe zusammenzuhängen, so als ob Mesenchymelemente durch Teilung und mesenchymatöse Umwandlung der epithelialen Elemente gebildet würden. Die Lage des dorsalen Endes der Pharynxleiste variiert je nach der Art des Objektes, es kann in das benachbarte Mesenchymgewebe sich ein- senken, oder in das perichordale Gewebe hineinragen oder sogar mit der Chorda in Berührung kommen. — In der Region vor der lame pharyngienne ist die dünne Chorda der dorsalen Pharynxwand sehr genähert; diese bildet hier eine seichte Rinne. In vielen Fällen bildet sich zwischen dem Pharynxepithel und dem perichordalen Gewebe an dieser Stelle eine enge Verbindung — »connexion pha- ryngo-p£ericordales. Alles spricht dafür, daß das mit dem Epithel verbundene perichordale Gewebe von ersterem Zellelemente erhält; ein — nach PRENANTs Ansicht — Beispiel dafür, eine wie wichtige kolle das Entoderm beim Aufbau des Mesenchyms spiele. — Diese Verbindung verschwindet ebenso wie die Pharynxleiste bei älteren Embryonen. Beide Bildungen folgen in eranio-caudaler Richtung aufeinander und sind fast unabhängig voneinander. Die Pharynxleiste wird von PRENANT verglichen und homologisiert ‚mit der Hypochorda der niederen Tiere: — »un organe comparable sinon homologue & Y’hy- pocorde des Ichthyopsid&s«. — Sie entstehe nämlich an der dorsalen Darmwand in der Medianlinie als eine von einer Leiste überragte tinne, und kann auf diesem Stadium ganz wie die Hypochorda der Fische mit der Epibranchialrinne des Amphiozus verglichen werden. Der vordere Teil, »reduite A une connexion pharyngo-pericordale«, ist vergleichbar der Kopfhypochorda, der hintere: se presente & l’etat de lame pharyngienne. PRENANT nimmt auch an, daß sich die Pharynxleiste segmental anlege, weil er beobachtet hat, daß sie zweimal hintereinander ver- schwindet und wieder erscheint, und weil er bei der Natter einen hohlen Fortsatz gesehen hat. Vögel. Die Hypochorda der Vögel ist bisher nur von vier Autoren untersucht und beschrieben worden; abgebildet findet sie sich bei Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 207 einigen weiteren. Hıs beschreibt in seinen »Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbeltierleibes« eine vorspringende Leiste der dorsalen Darmwand. Auf zwei Schnitten von einem Hühnchenembryo (30 Stunden Bebrütungszeit) sieht man einen langen, von der Darm- wand zur Chorda ziehenden Fortsatz (vgl. bei Hıs Taf. VIII Figg. 2, 3 und 4). Hıs sieht diesen vor den Gehörgrübchen liegenden Fort- satz als eine Verbindungsbrücke zwischen Chorda und Darmblatt an, die entstanden ist, als die beiden Organe sich voneinander entfernten. Später verschwand diese Verbindung vollständig. Ein schmaler, spaltförmiger Kanal setzte sich vom Darmlumen in die Tiefe dieser Brücke fort. BALFOUR und MARSHALL fanden bei Hühnchenembryonen eine dorsale Verdiekung des Hypoblasts in der Höhe der Gehörgrübchen, die sie als Rudiment des bei Ichthyopsiden vorkommenden subchor- dalen Stranges auffassen. SAINT-REmY bildet auf einem medianen Sagittalschnitte der Gegend der Sersseuschen Tasche vom Entenembryo (62 Stunden Bebrütungszeit) zwei zahnförmige Fortsätze des hier stark verdickten Pharynxepithels gegen die Chorda zu ab. Nıcoras endlich beschreibt bei Vogelembryonen (Anas dome- stica, Gallus domesticus, Phasianus pictus, Corvus monedula, Corvus coraz, Pila caudata, Passer domesticus, Turdus merula) eine hypo- chordale Leiste und Rinne »crete et gouttiere hypocordales« des Kopfdarmes. Diese beiden Gebilde erscheinen zusammen bereits gegen Ende des zweiten Tages und erlangen je nach der Art des Individuums eine bedeutende Entwicklung. Die hypochordale Leiste entsteht als ein kontinuierlicher, medianer Fortsatz des Darmepithels oder als einfache Verdickung desselben. Die Entstehung des basalen Teils der Leiste ist vielleicht auf eine Faltung des Epithels zurück- zuführen. Für eine segmentale Anlage ist kein Anzeichen vorhan- den. Die hypochordale Leiste bleibt mit dem Darmepithel in Verbin- dung — ausgenommen in einem Falle — und geht keine Verbindung mit dem umgebenden Gewebe ein. Mit ihrem dorsalen Rande er- reicht sie die Chorda. Nach hinten erstreckt sie sich meist nicht über die Gehörgrübchen hinaus. Die sich zwischen den Aorten einschiebende Rinne kann caudalwärts weiter gehen als die Leiste und besteht auch länger als diese. Die Leiste wird bereits von der Mitte des dritten Bebrütungstages nicht mehr gefunden. Bei Entenembryonen von 10—20 Somiten fand sich die Leiste am stärksten ausgebildet und erstreckte sich kontinuierlich vom Morpholog. Jahrbuch. 32. 14 208 Ad. Reinhardt Vorderende des Kopfdarmes bis zum vorderen Rande der Gehör- grübehen. Bei einigen Embryonen jedoch wurde die Leiste noch weiter caudalwärts über die Gehörgrübchen hinaus gefunden — ein- mal bis zur Höhe des zweiten Somits. In diesen Fällen war sie auch in mehrere bis zu drei aufeinanderfolgende Stücke getrennt, die man zum Teil als Überreste der Rumpfhypochorda oder als abgesprengte Teile der Kopfhypochorda ansehen kann. Fasanenembryonen zeigen die hypochordale Leiste im Alter von 40—66 Stunden Bebrütungszeit (10—12 Somiten); sie erstreckt sich hier nur einmal über die Gehörgrübehen hinaus; nie wurde eine Trennung in einzelne Stücke beobachtet. Bei Hühnchenembryonen von 42 Stunden Bebrütungsdauer fand NıcoLAs nur zweimal eine hypochordale Leiste mit Rinne. Bei einem Hühnchenembryo von 51 Stunden Bebrütungszeit sah er etwas vor dem ersten Somit einen isolierten hypochordalen Zellenhaufen auf zwei aufeinanderfolgenden Schnitten, der wahrscheinlich als Überrest der Hypochorda anzusprechen ist. Bei Sperling und Rabe beobachtete er nur eine Rinne mit hypo- chordaler Verdickung des Epithels. NıcoLAs hält die hypochordale Leiste für ejne der Kopfhypo- chorda der Fische und Amphibien homologe Bildung. Über die morphologische Bedeutung der Kopfhypochorda, die er als eine »formation reduite, souvent tres rudimentaire, inconstante m&me« be- zeichnet, glaubt er bei dem Stande unsrer Kenntnisse des Organs nichts Bestimmtes aussagen zu können. Über die Bedeutung ist, abgesehen von kleineren, schon oben mit erwähnten Arbeiten, nur eine etwas ausführlichere, nämlich die von KLAATSCH »über die morphologische Bedeutung der Hypochorda« erschienen. Vor der Besprechung dieser Arbeit führe ich hier noch Eısıs an, der den subchordalen Strang mit einem bei den Capitelliden vorkommenden Organe, einem unter der ganzen Länge des Darm- kanals hinziehenden Rohre, dessen Lumen sich vorn in das des Darmes fortsetzt, vergleicht. Irgendein direkter genetischer Zusammenhang zwischen EısıgGs Organ bei den Capitelliden und dem Subehordal- strang der Chordaten ist nach BALFOURS Ansicht nicht anzunehmen. KraatscH. Bereits 1893 wies dieser Autor darauf hin, daß das zwischen den Basen der Hämalbögen der Elastica aufliegende Liga- mentum longitudinale ventrale zum großen Teile aus dem subchor- dalen Strange hervorgehe, indem dabei die epithelialen Elemente des Stranges eine gewebliche Modifikation durchmachten. Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 309 1897 stellte KLAATscH, gestützt auf die Untersuchungen von LEYDIG, GOETTE, SEMPER, BALFOUR, RABL, STÖHR und auf eigne an Torpedo- und Pristiurus-Embryonen, sowie auf Schnittpräparate von jüngeren und ausgewachsenen Amphioxus eine Hypothese über die Phylogenese der Hypochorda auf. »Sie ist das Rudiment eines noch bei Amphioxus in Funktion stehenden Organs, der Epibranchial- rinne. Mit dieser teilt sie die entodermale Entstehung an der dor- salen Darmwandung unter der Chorda zwischen den paarigen Aorten. Das Auftreten der Hypochordalrinne als ontogenetisches Stadium erinnert an den Amphioxus-Zustand.« »Beim erwachsenen Amphioxus ist das Organ auf den Kiemendarm beschränkt, aber bei jugend- lichen Tieren findet es sich noch weiter caudal. Die weite Aus- dehnung des rudimentären Organs über den Darm bei höheren Formen ist eine sekundäre Erscheinung. « »Es besteht kein Grund, die Hypochorda von metameren dor- salen Darmdivertikeln abzuleiten. Das Schicksal der Epibranchial- rinne ist verknüpft mit dem der Hypobranchialrinne. Die Umge- staltung des Kiemendarmes läßt beide Organe rudimentär werden. Die Hypochorda scheint im wesentlichen dem Untergange verfallen, doch erhält sie sich teilweise als elastisches Band; vielleicht spielen ihre Elemente noch eine weitere Rolle. Die Reduktion der Hypo- chorda bedingt durch die Ermöglichung der Entfaltung einer un- paaren Aorta einen wesentlichen Fortschritt in der Gestaltung des Chordatenorganismus. < Die von STÖHR angegebene segmentale Entstehung der Hypo- chorda bei Amphibien — Vereinigung segmentaler Darmdivertikel — hält KLaAtscH für eine vielleicht nur den Anuren zukommende Be- sonderheit. Erwähnt sei noch der Befund, den KLAATSCH auf einem frühen Stadium von Torpedo (7 mm) erhob. Die Hypochorda ist vorn weiter entwickelt wie hinten; »wo die Sonderung aus dem Entoderm sich erst vollzieht, da drängt sich die ‚Hypochordalrinne‘ in Form eines abgestutzten Kegels gegen die Chorda vor; von diesem schnürt sich die Hypochorda ab«. ZUMSTEIN beobachtete bei Entenembryonen aus der Zeit der ersten Urwirbelanlagen bis zu solchen mit acht Urwirbeln in der dorsalen Wand des Kopfdarmes eine Verdickung des Entoderms, welche sich an den Kopffortsatz anschloß und in dieser Verdickung zuweilen einen kurzen Kanal mit epithelähnlicher Anordnung der Zellen, zugleich eine Rinnenbildung des Entoderms. Es war nicht 14* 910 Ad. Reinhardt sicher festzustellen, ob der Kanal aus der Rinne des Entoderms her- vorging. Fehlte der Kanal, so war wenigstens eine auffällige Grup- pierung der Zellen in der Entodermverdickung zu erkennen. Am Schlusse der historischen Übersicht sei noch GEGENBAUR angeführt, der sagt, daß die Hypochorda aus entodermalem Material entstehe und sich zu einem subchordalen aus Zellen zusammenge- setzten Strange forme. »Diese bei niederen Tieren verbreitete, bei den höheren vermißte Hypochorda stellt eine rätselhafte Bildung dar.« Einiges zur Phylogenese der Hypochorda. Die Hypochorda tritt uns bei den verschiedenen Klassen der niederen Wirbeltiere in einer charakteristischen Reihenfolge ent- gegen. Nehmen wir mit KraArscH die Epibranchialrinne als An- fangsstadium, so haben wir hier eine sich über den ganzen Kiemen- darm erstreckende Rinne mit modifiziertem Epithel, also eine median gelegene dorsale Partie der Darmwandung, der wegen ihrer Diffe- renzierung eine besondere Bedeutung zukommen muß. Die Cyelostomen zeigen, soweit die wenigen Beobachtungen uns ein Urteil gestatten, einen aus der dorsalen Darmwand hervorgehen- den soliden, sich später zwischen Aorta und Chorda einschiebenden Strang. Die Fische besitzen bei der Entstehung der Hypochorda teilweise eine Rinnen- oder Faltenbildung der dorsalen Darmwand. Im ausge- bildeten Zustande ist die Hypochorda ein über den ganzen Darm sich erstreckender solider Zellstrang, der sich seiner Entstehung nach ein- teilen läßt in eine Kopf-, Rumpf- und Schwanzhypochorda. Alle drei Teile sondern sich vom Darme ab und kommen zwischen Aorta und Chorda zu liegen. In der nächsthöheren Gruppe der niederen Wirbel- tiere stellen sich die Verhältnisse ähnlich wie bei den Fischen: Es ist bei Amphibien ein solider hypochordaler Zellstrang vorhanden; dessen Kopfteil beginnt weniger deutlich in die Erscheinung zu treten; am Kopfteile ist eine seichte Rinne median vorhanden. Die Reptilien zeigen eine reduzierte Form der hypochordalen Bildung. Es kommt zur Entwicklung einer medianen Leiste, die sich nicht mehr über den ganzen Darm erstreckt wie bei Fischen und Amphibien, son- dern nur noch über den Vorderdarm. Außerdem löst sich die Leiste nicht von dem Entoderm ab, abgesehen von wenigen Fällen. Unter der Leiste wird besonders eranialwärts eine deutliche hypochordale Rinne sichtbar. Wo die Leiste nicht ausgebildet ist, erscheint | | | Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 911 wenigstens über der Rinne eine merkliche Verdickung des Epithels. Bei den Vögeln endlich ist die Hypochorda noch weiter rückge- bildet. Sie erscheint nur noch als Leiste und Rinne am Kopfdarme und erstreckt sich nur selten noch eine kurze Strecke über die Kopfregion hinaus. Selten löst sich ein Teil dieser Leiste ab und wird frei. Zuweilen tritt in ihr ein Kanal auf. Wir haben hier also eine Reihe sich voneinander sehr. gut ab- leitender Entwicklungsformen einer und derselben hypochordalen Bildung vor uns. Diese zeigt sich in der ganzen Reihe der niederen Wirbeltiere bis zu den Vögeln hinauf. In Anbetracht dieses letzten Umstandes kommt dem Untersucher mit Notwendigkeit der Gedanke, ob sich nicht bei den höheren Wirbeltieren, den Mammalia, ein Über- rest der Hypochorda in irgendeiner Form finden läßt. Denkbar wäre es, daß an irgendeinem Teile des Darmrohres in einer frühen Embryonalzeit Zustände sich fänden, die sich phylogenetisch auf die hypochordale Bildung zurückführen und auch durch dieselbe er- klären ließen. Bei Homo ist in einer bestimmten Embryonalzeit der Enddarm zu einer dorsalen Falte, in die das Lumen des Darmrohres geht, ausgezogen. Die Form, die auf dem Querschnitt das Bild einer von dem Darme ausgehenden dorsalen Rinne gibt, wie man an dem Keıgerschen Modell Nr. I sehen kann, bietet ganz das Verhalten, wie es für die Entstehung der Hypochörda bei einigen Formen, wo die Hypochorda sich von einer Darmfalte ablöste, beschrieben wor- den ist. Gegen eine solche Deutung spricht, daß bei Reptilien und Vögeln Rudimente der Hypochorda nur am Kopf- und Vorderdarm beobachtet sind. Jedenfalls wäre es notwendig, zunächst bei den niedrigsten Mammalien, Monotremen und Ornithodelphiern nach dem Verbleiben der Hypochorda zu forschen. Erst dann wäre die Rich- tigkeit einer solchen Deutung für den Menschen gestüzt. Immerhin wäre es denkbar, daß von einem rudimentären Organe, dessen Erscheinungsformen mannigfaltig sein können, sich auch am Enddarme irgendwelche Residuen finden, die manche noch unauf- geklärte Erscheinungen erklären könnten. Inwieweit die Versuche mancher Autoren, die Hypochorda auf ein bei den Wirbellosen sich findendes Organ zurückzuführen, be- rechtigt sind, kann hier nicht untersucht werden. Es genügt, die Eısissche und EntLerssche Hypothese angeführt zu haben. Daß aus Organen, die bei den niederen Wirbeltieren eine be- stimmte Funktion und Gestaltung hatten, sich im Laufe einer 212 Ad. Reinhardt phylogenetischen Umwandlung Organe von andrer Form und Funktion entwickelt haben, dafür ist ein Beispiel die Hypobranchialrinne der Tunieaten, auf die ja die Glandula thyreoidea der Wirbeltiere sich zurückführen läßt. Es wäre damit die Vermutung gerechtfertigt, daß dorsal vom Darm gelegene, eventuell aus ihm entstehende Or- gane, wie z. B. dorsales Pankreas, Schwimmblase, Divertikel usw. in einer genetischen Beziehung zu jenem Gebilde stünden, das uns bei den Wirbeltieren nur noch in Form einer mehr oder minder rudi- mentären Hypochorda bekannt ist. Eigne Untersuchungen. Für meine an Larven von Salamandra maculosa gemachten embryologischen Untersuchungen hatte ich rund 40 Serien herge- richtet. Aus der Reihe interessanter Themata, die sich mir bei dem Studium der Organentwicklung von Salamandra darboten, habe ich aus in der Einleitung angeführten Gründen die Entwicklung und das weitere Verhalten der Hypochorda ausgewählt. Für das Studium der Hypochorda erwiesen sich aus obiger An- zahl 20 Serien als geeignet. Diese rührten von Embryonen von 4,0—18,5 mm Totallänge her. Bei der Beschreibung der Befunde habe ich eine Einteilung der verschiedenen Stadien in vier Gruppen oder Entwicklungsperioden für zweckmäßig erachtet. Für die Einteilung war der Entwieklungs- stand der Hypochorda maßgebend. In der ersten Periode differenziert sich die Hypochorda aus dem’ Entoderm und beginnt sich abzuschnüren. In der zweiten ist die Hypochorda in ihrem Hauptabschnitte vom Entoderm losgelöst und lagert sich die Aorta zwischen Darm und Hypochorda; der eraniale und caudale Teil stehen noch in Verbindung mit dem Entoderm. Das folgende dritte Stadium zeigt die Hypochorda auf der höchsten Entwicklungsstufe — sie ist in ihrem ganzen Verlaufe selbständig seworden mit Ausnahme der hintersten Partie im Schwanze. Es besteht eine Teilung der Hypochorda in drei Abschnitte — Kopf-, Rumpf- und Schwanzteil. Die Aorta liegt überall zwischen Hypo- chorda und Darm. Diesem Stadium folgt unmittelbar die Rückbil- dung, die in der vierten Periode in Erscheinung tritt und zum Ver- schwinden der Hypochorda führt. Für jedes Stadium greife ich eine Serie, die die in Betracht kommenden Erscheinungen am vollkommensten zeigt, heraus und ur De De = 4 u A rn A ee en Den Aa ee Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 913 bespreche dieselbe ausführlich, während die übrigen in die gleiche Gruppe gehörigen nur aushilfsweise Verwendung finden. Die erforderlichen Abbildungen habe ich als Umrißfiguren ge- zeichnet und eine solche Auswahl getroffen, daß aus ihnen eine genaue Vorstellung der für das Verständnis des Gebildes wichtigen Verhältnisse gewonnen werden kann. Stadium I. Die Anfangsstadien wurden an sieben Embryonen von 4—6 mm Länge und 9—12 Urwirbeln untersucht. Die jüngeren Embryonen lagen dem Dotter noch ganz an, die älteren waren bereits vorn und hinten im Begriffe, sich vom Dotter abzuheben. Zur näheren Bestimmung der Entwicklungszeit dienen die folgenden Angaben: Die sekundären Augenblasen sind ausgebildet. Die Linse ist als Verdieckung des Ektoderms sichtbar. Die Gehörbläschen sind noch in Zusammenhang mit dem Ektoderm oder eben von ihm abge- schnürt. Die Chorda ist in der Ausdehnung des Darmlumens selb- ständig. Die innern Kiemenfurchen sind vorhanden. Der Darm besitzt ein im ganzen gerade verlaufendes Lumen, das besonders im vorderen Teil sehr weit ist. Die Teilung des Darmes in drei Abschnitte, Vorder-, Mittel- und Enddarm, ist gut erkennbar an der verschiedenen Gestaltung des Lumens. Die Leber- anlage ist am hinteren Ende des Vorderdarmes in Gestalt einer ven- tralen Grube vorhanden. Das dorsale Darmdach zeigt sowohl vorn wie hinten ungefähr die gleiche Höhe. Auf Querschnitten verläuft die dorsale Darmwand in den vorderen Partien gebogen, die gewölbte Seite sieht nach der Chorda (Fig. 1); während in den hinteren Rumpf- partien das Darmdach horizontal verläuft (Fig. 2). Die ventrale Darmwand wird von der großen Masse des Dotters gebildet. — Die Gewebe des Körpers sind noch ganz mit Dotter durchsetzt. Die uns interessierenden Vorgänge spielen sich an der dorsalen Darmwand ab. Diese zeigt in der ersten Serie in der Ausdehnung vom ersten bis neunten Urwirbel eine median unter der Chorda ge- legene Leiste, deren Breite ungefähr der der Chorda gleichkommit, deren Höhe sehr gering ist und hinter der des Entoderms weit zu- rückbleibt. Die Höhe beträgt bis zu einem Drittel der Breite der Leiste. An beiden Enden wird die Leiste flacher und sinkt in das Niveau des Darmdaches zurück. Auf Querschnitten präsentiert sich die Leiste als eine mit dem Entoderm in breitem Zusammenhange 214 Ad. Reinhardt stehende niedrige Entodermplatte (Figg. 1 und 2). Diese liegt dor- sal der Chorda dicht an, gegen diese durch eine feine Membran abgegrenzt. Diese Membran — eine der ersten Chordahülle gleiche Cuticula — begrenzt auch die Seiten der Leiste und setzt sich in dem Winkel zwischen Leiste und Darmwand in die dem Darmdache eigne Cuticula fort. An Stellen, wo die Leiste stärker über das Niveau des Entoderms vorragt, geht die Cutieula bereits seitlich etwas zwischen die Darmwand und die Leiste hinein (Fig. 1) und beginnt so die Leiste auch ventral gegen den Darm abzugrenzen. In der schollenförmigen Erhebung sind auf Querschnitten ein bis drei Kerne sichtbar, die teils mit ihrer Längsrichtung transversal (Fig. 2), teils dorso-ventral gestellt sind. Direkt unter der Erhebung und auch teilweise in ihr wurden mehrfach Mitosen gesehen, deren Spindeln dorso-ventral gerichtet waren. Die Leiste entsteht so, daß sich die median dicht unter der Chorda gelegenen Zellen aus dem Verbande der übrigen Entodermzellen herausheben nnd sich dorsal- wärts wenden. Zugleich findet eine Wucherung von Zellen unter der zu bildenden Leiste statt, wodurch noch weitere Elemente in dieselbe gelangen. Die die Leiste bildenden Zellen platten sich ab, denn die ihnen gleichen Entodermzellen sind bedeutend höher. Die Leiste ist vorn vom zweiten bis fünften Myomer am stärksten aus- gebildet, eranialwärts und caudalwärts wird sie niedriger. Außer dieser allgemeinen Abnahme sind noch einzelne Schwankungen in der Höhe an dicht hintereinander gelegenen Partien erkennbar. Dieses manchmal zu beobachtende An- und Abschwellen der Höhe findet sich unregelmäßig und ist nicht an die Segmentierung ge- bunden. Der Vorderdarm, dessen Lumen sehr weit ist, zeigt, in der Höhe des ersten Myomers beginnend, eine etwa 120 « lange mediane Rinne seiner dorsalen Wandung (Fig. 1). Der Rinne, die ein längliches, seichtes und schmales Divertikel des Darmes darstellt, liegt gegen- über der Anfangsteil der obenerwähnten Leiste. Nach hinten ver- schwindet die Rinnenbildung allmählich. Diese Gebilde — Leiste und Rinne — sind ihrer Lage zur Chorda nach als hypochordale zu bezeichnen. In der Leiste sehen wir den Anfang der Hypo- chordaanlage vor uns. Eine Fortsetzung des Darmlumens in die Leiste wurde nicht gesehen; auch keine Spaltbildung in der dor- salen Darmwand. | Auf mehreren Serien, die sich unmittelbar an die eben be- schriebene anreihen, ist die Hypochorda etwas weiter entwickelt. Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 215 Die bereits bei der ersten Serie streckenweise beginnende Einsenkung der Cutieula zwischen Leiste und Darmwand hat sich weiter voll- zogen, und zwar in der vorderen Rumpfregion. Die Leiste hat sich also hier ringsum mit einer Cutieula versehen und wird dadurch zu einem soliden, dorso-ventral abgeplatteten Zellstab oder Zellstrang zwisehen Chorda und Aorta. Vor und hinter dieser abgeschnürten Partie ist die Leiste noch in unmittelbarem Zusammenhange mit der Entodermmasse, in der sie schließlich aufgeht. Der in seiner mittleren Partie ringsum begrenzte Zellstrang wächst nun so, daß die beiden mit dem Entoderm noch in Verbindung stehenden Enden Material aus diesen nehmen; außerdem sind in ihm selbst Mitosen sichtbar. Die erwähnte Verbindung des Vorderendes der Hypochorda mit dem Entoderm ist in Fig. 3 zu sehen. Diese stellt einen Sagittal- schnitt durch die Gegend des Vorderdarmes dar. Darm und Chorda, teilweise auch Hirn und Medulla, sind sagittal getroffen. Der Raum zwischen Chorda und Dach des Vorderdarmes ist mit einigen Zellen in der vorderen Partie durchsetzt. Etwa in der Mitte des Vorder- darmes geht aus der dorsalen Wand desselben ein schmaler Stab hervor, der sich weiterhin zwischen Chorda und Darmwand legt — von dieser durch eine feine Membran getrennt. Etwa in der Höhe der Leberbucht hört er auf sichtbar zu sein, weil hier die Schnitt- richtung wegen der starken Krümmung des Embryos seitlich von der Medianlinie verläuft. Auf Sagittalschnitten durch die vordere und mittlere Rumpfregion konnte die vom Entoderm bereits abgeschnürte Hypochorda als ein niedriger Zellstrang mit einer Kernreihe erkannt werden. In der vorderen Rumpfregion werden die Gefäßanlagen sichtbar. Die paaren Aorten liegen hier an der dorsalen Darmwand und gehen bis an die bereits abgeschnürte Hypochorda heran (Fig. 6). Die erste Entstehung der Hypochorda ist demnach folgender- maßen aufzufassen: Die median unter der Chorda gelegenen Ento- dermzellen sondern sich gleich nach dem Selbständigwerden der Chorda von den übrigen Zellen ab, indem sie aus dem Verbande mit dem Entöderm austreten, um sich dorsalwärts über dem Niveau des Darmdaches zu einem leistenförmigen Gebilde von nicht ganz der Breite der Chorda zu formen. Dieser Prozeß beginnt in der vor- deren Rumpfregion und schreitet von hier schnell nach hinten und auch nach vorn kontinuierlich weiter, wobei es vorkommen kann, daß kurze Strecken sich langsamer differenzieren. Die Zellen gehen teils fertig gebildet in die Leiste über, teils unter karyokinetischer 216 Ad. Reinhardt Kernteilung, so daß die Bildung der Leiste infolge des Prozesses der Abhebung von Zellen vor sich geht, dann auch durch Wuche- rung von Zellen. Die Leiste ist sofort nach ihrem Auftreten mit einer von ihren Zellen stammenden Cuticula begrenzt. Diese ein- fache Hülle umkleidet die Leiste bald ringsum, wodurch diese vom Darmdache völlig abgeschnürt wird. Dieser Abschnürungsprozeß beginnt auch in der vorderen Rumpfregion und geht ebenso wie die Bildung der Leiste nach hinten und vorn weiter. Die beiden Vor- gänge, Leistenbildung und Abschnürung, folgen sich zeitlich schnell aufeinander. Gegen Ende des ersten Stadiums ist die Hypochorda etwa vom ersten bis neunten oder zehnten Urwirbel abgeschnürt und liegt nun als ein platter Zellstrang zwischen Chorda und dorsalem Darmdache. Das Vorder- und Hinterende dieses Stranges steben noch in leistenföormigem Zusammenhange mit dem Entoderm. Für eine segmentale Entstehungsweise waren keine Anhaltspunkte vor- handen. Ein Lumen wurde nicht gesehen. Stadium II. Für das Stadium II standen vier Embryonen von 5,5—7,5 mm Länge und 14—19 Urwirbelpaaren zur Verfügung. Die Embryonen haben sich bereits gestreckt. Die äußeren Kiemen sind als drei durch Furchen getrennte flache Wülste sichtbar. Die Neuroblast- schicht des sekundären Augenbechers hat sich verdiekt. Die Linse ist mit dem Ektoderm noch in Verbindung oder eben abgeschnürt und dann noch hohl. Das Gehörbläschen ist vollständig vom Ekto- derm getrennt. Die Chorda besitzt noch eine einfache Hülle. Das Sklerotom, medial am Myotom, ist bereits erkennbar, aber es sind noch keine Zellen aus ihm zur Bildung des perichordalen Gewebes ausgewandert. Die Hauptserie stammt von einem Embryo von 7,5 mm Total- länge mit 19 Urwirbeln. Hierher gehören die Figg. 4—9. Fig. 4 ist eine sagittale Profilkonstruktion, die die Hypochorda in der gan- zen Länge zeigt. Am hinteren Rande der Gehörbläschen erhebt sich die dorsale Darmwand in der Mittellinie zu einer auch im Querschnitt (Fig. 5 R«) sichtbaren Rinne, die in die Masse des Entoderms von unten, sie verdünnend, einschneidet. Die Rinne, in Fig. 4 angedeutet, erstreckt sich etwa 20 Schnitte weit nach hinten, um dann zu verschwinden. Gegenüber der Rinne beginnt median unter der Chorda, einige "u 2-0. Be ein un Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 217 Sehnitte hinter dem Hinterrande der Gehörbläschen, eine niedrige Leiste, die nach mehreren Schnitten von der Cuticula ringsum be- grenzt wird, also sich bald abschnürt (Fig. 5 Heh). Die Hypochorda liegt dann bis zum vorderen Rande der Leberbucht noch dem Ento- derm dieht an, zwischen diesem und der Chorda (Fig. 4). In der Höhe der Kiemenfurchen legen sich die paarigen Aorten der dor- salen Darmwand an und kommen allmählich in den Winkel zwischen Hypochorda und Darmdach zu liegen (Fig. 6). Von der Höhe des dritten Urwirbels ab sind die beiden Aorten zu einer unpaaren ver- einigt, die in der Mittellinie dem dorsalen Darmdache aufliegt. Die Aorta bleibt so, wie Figg. 4 und 7 zeigen, in ihrem Verlaufe bis zur hintersten Rumpfregion, mit Ausnahme einer Stelle, und hat in ihrem Bereiche die Hypochorda aus dem Zusammenhange mit dem Entoderm verdrängt. Caudalwärts von den Enden der unpaaren Aorta liegt die Hypochorda dem dorsalen Darmdache wieder auf (vgl. Figg. 4 und 8). Der Vorgang der Aortenvereinigung ist fol- sender: Bald nachdem die Hypochorda sich vom Darme abzu- schnüren angefangen hat, legen sich die paarigen Aorten dem dor- salen Darmdache auf und rücken immer mehr nach der Mittellinie aufeinander zu; dabei müssen sie zwischen Hypochorda und Darm sich einschieben. Die Aortenvereinigung beginnt in der vorderen Rumpfpartie und schreitet caudal- und cranialwärts fort, dabei stets die Hypochorda bei ihrem Vordringen vom Darme abdrängend. Die Abdrängung der Hypochorda erfolgt in der Rumpf- und Schwanz- region durch die unpaare Aorta, in, wie man annimmt, rein mecha- nischer Weise. Cranial vor dem vordersten Ende der unpaaren Aorta wird die Hypochorda, wie bei älteren Serien konstatiert werden kann, durch Mesenchym vom Darme getrennt. Die in der Regel gleichmäßig von vorn nach hinten fortschrei- tende Vereinigung der Aorten kann eine Störung erfahren: Die Ver- einigung kann an einer oder mehreren Stellen ausbleiben. Dies kann zwei Ursachen haben. Einmal war die Hypochorda an dieser Stelle noch nicht abgeschnürt, d. h. die Substanz der Hypochorda stand noch in Zusammenhang mit dem Entoderm. Die Aorta vereinigt sich vor und hinter dieser Stelle; die so bleibende Verbindung zwi- schen Hypochorda und Darm ist eine Hypochordalbrücke im Sinne StTÖHRs. Es kann aber auch eine andre Art von Brückenbildung eintreten. Wenn sich die Hypochorda schon mit einer Cuticula rings umgeben hatte, so kann bei der allmählich einsetzenden stär- keren dorsalen Erhebung des Embryokörpers die sich zugleich 218 Ad. Reinhardt erhebende Hypochorda einen Zug auf das Entoderm ausüben und einen Hügel desselben mit in die Höhe nehmen. Es entsteht eine Brücken- form, die sich von der vorigen dadurch unterscheidet, daß das Ento- derm nicht in die Hypochorda übergeht, sondern durch die Cuticula der letzteren von ihr geschieden ist. Immerhin ist das Resultat eine Verdopplung der Aorta an dieser Stelle: Vgl. dazu Fig. 17 a und 5 des Embryos von 7 mm. In Fig. 4 Heh.br ist die Aorta auf einer kurzen Strecke — 15 u — wieder paarig geworden. Das dorsale Entoderm erreicht an dieser Stelle in Form eines niedrigen Kegels die Hypochorda. Nach dem Aufhören der unpaaren Aorta, ungefähr in der Höhe des beginnenden Enddarmes, bleibt die Hypochorda noch gut abge- grenzt bis auf den Schwanzdarm, wo sie leistenförmig mit diesem in Verbindung tritt (Fig. 8). Die Hypochorda hat nach hinten nur sehr wenig an Volumen abgenommen. Volumschwankungen traten nicht auf. Auf einem Querschnitt durch die mittlere Rumpfregion (Fig. 7) hat die Hypo- chorda eine platt ovale Gestalt; ihre dorsale Fläche ist konkav und schmiegt sich der Chorda dicht an; die ventrale ist konvex und buchtet die dorsale Aortenwand ein. Die Aorta liegt der dorsalen Darmwand auf, so daß sie in eine Einbuchtung derselben zu liegen kommt. Die Grenzen der Hypochordazellen gegeneinander sind nicht erkennbar, weil sie ganz mit Dotterkugeln gefüllt sind, so daß man der Form und dem Aussehen nach von einem hypochordalen Dotter- stabe sprechen könnte. Die Kerne, deren 1—3 auf dem Querschnitte sichtbar werden, sind oval und meist transversal gestellt. Die Kern- stellung in diesem Stadium deutet darauf hin, daß das Wachstum der Hypochorda noch nicht abgeschlossen ist. Mitosen wurden wiederholt in derselben gesehen. Ein andrer Embryo, 7 mm lang, hat einige Besonderheiten, die erwähnt werden müssen. In der Höhe des ersten Urwirbels ist, eranial von der übrigen Hypochorda, ein isoliertes Hypochordastück von 180 «u Länge zu sehen. Nach einer freien Strecke beginnt, 90 u hinter dem isolierten Hypochordastück, die Rumpfhypochorda, die anfangs noch in leistenförmigem Zusammenhang mit der Darm- wand steht. Die Aorta ist in dieser Serie mehrmals paarig geblieben und ermöglicht so die Bildung von hypochordalen Brücken. Die Brücken liegen — drei an der Zahl — in der Höhe vom Ende des dritten bis Mitte des vierten Urwirbels auf einer kurzen Strecke zusammen. + is Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 219 Sie sind so beschaffen, daß sie kegelförmig an der dorsalen Darm- wand beginnen, bei ihrem Verlaufe zwischen den Aorten dünner werden, um sich an die Hypochorda mit einer länglichen Platte an- zulegen, die von der Hypochorda stets durch eine Öutieula abge- grenzt bleibt (Fig. 17 a und 5). Aus der Form der Platte erklärt es sich auch, daß man auf Schnitten kurz vor oder hinter der dünnen Verbindungsbrücke eine anscheinend doppelte Hypochorda sieht (Fig. 17 d). StöHr hat doppelte Hypochorda angegeben und seinen Befund zur Stütze seiner Theorie der Entstehungsweise der Hypochorda be- nutzt. Ich will hier noch bemerken, daß es bei der Beschaffenheit der Brücken wohl denkbar wäre, daß die dünne Verbindungsstrecke zwischen den Aorten schnell schwände und es so zum Selbständig- werden von Brückenresten käme. Es liegt dann der Hypochorda eine längliche Platte ventral an. Wegen der Entstehung der Brücken vergleiche weiter oben. Daß die drei Brücken sich in’ Länge von noch nicht einem Ur- wirbel finden, spricht nicht für eine segmentale Anordnung. Die Verhältnisse am hinteren Körperende sind ähnlich denen des ersten Embryo. Auf die Beziehungen des Schwanzdarmes zur Hypo- chorda will ich mit ein paar Worten eingehen. Vom Enddarme geht in ziemlich horizontaler Richtung (vgl. Fig. 4) ein Lumen auf nur kurze Strecke in den Schwanzdarm, der bald solid wird und schließlich in die gemeinsame Zellmasse des Schwanzes übergeht. Querschnittsbilder durch den Schwanzdarm lassen erkennen, daß die Hypochorda in derselben Weise entsteht, wie früher für die Rumpfhypochorda angegeben, nämlich durch Absonderung und gleich- zeitige Wucherung der median unter der Chorda gelegenen Zellen (vgl. Fig. 10) zu einer Leiste, die sich abschnürt und, wie wir später sehen werden, durch die weiter caudalwärts vordringende unpaare Aorta abgedrängt wird. Dieser beschriebene Modus gilt nur für die sich aus dem gut abgrenzbaren Schwanzdarm bildende Hypochorda. Die Rumpfhypochorda erstreckt sich am Schlusse der Periode II vom hinteren Rande der Gehörbläschen bis zum Ende des Rumpfes, wo sie ohne Unterbrechung in die Schwanzhypochorda übergeht. Die Rumpfhypochorda steht vorn noch mit dem Entoderm in Ver- bindung. Sie ist im größten Teile des Rumpfes durch die unpaar gewordene Aorta vom Darme abgedrängt. Die Vereinigung der Aorten kann sich stellenweise verzögern, 220 Ad. Reinhardt so daß es zur Bildung von hypochordalen Verbindungsbrücken kom- men kann. Eine Schwanzhypochorda beginnt sich zu entwickeln als Leiste des Schwanzdarmes. Das in einer Serie bemerkte iso- lierte Hypochordastück ist als ein selbständig gewordenes Stück der eigentlichen Rumpfhypochorda aufzufassen. Stadium Ill. im folgenden Abschnitte sollen die Verhältnisse der Hypochorda zur Zeit ihrer vollen Ausbildung geschildert werden. Die in diese Gruppe gehörenden Embryonen hatten Totallängen von 8,5 — 9,5 — 10,0 und 10,5 mm (Figg. 11—16, 18, 19). Der Embryo ist gestreckt und der Schwanz mit einem Saume versehen. Die vorderen Extremitäten werden eben als kurze Höcker sichtbar. Die äußeren Kiemen bilden drei etwa 1 mm lange Sprossen, die sich bei dem größten der Embryonen eben anfangen zu teilen. Das Linsenbläschen ist vom Ektoderm völlig abgeschnürt, aber ist noch hohl. Die Linsenfasern sind eben in Entwicklung begriffen. Die verdickte Neuroblastschicht des sekundären Augenbechers be- ginnt sich weiter zu differenzieren. Das Cölom ist vorn bis zur Leberanlage vorhanden. Um die Chorda ordnet sich in den vorderen Partien perichordales Gewebe zur sekundären Chordahülle an. Der Kopfdarm, der ventral in einer Ausdehnung von etwa 100 u mit dem Ektoderm in Berührung tritt, legt sich bald nach seinem Beginne mit der dorsalen Fläche an die Chorda unmittelbar an. In der Höhe der Mitte der Gehörbläschen besitzt der Darm eine nur etwa 75 u lange mediane dorsale Rinne. In der Höhe des hinteren Drittels der Gehörbläschen, noch vor deren hinterem Rande gelegen, kommt eine 90 « lange isolierte Hy- pochorda zum Vorschein (Fig. 18), die weder nach vorn noch nach hinten einen Zusammenhang mit dem Entoderm aufweist. Dieser wegen seiner Lage als Kopfhypochorda anzusprechende Teil ist von deutlicher Cuticula ringsum begrenzt. Von dem hinteren Rande der Gehörbläschen an ist auf den nächsten Schnitten an der dorsalen Darmwand keine Veränderung zu bemerken (Fig. 18). Erst am hinteren Rande des ersten Urwirbels beginnt die Rumpfhypochorda; diese liegt mit ihrem eranial spitz zulaufenden Vorderende der Chorda dorsalis dicht an. Zwischen dem Vorderende der Hypochorda und der Darmwand liegen Meso- Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 321 dermzellen. Die Hypochorda nimmt sehr schnell an Volumen zu und hat sechs Schnitte hinter dem Vorderende bereits das Dreifache des Anfänglichen erlangt. In der Höhe des zweiten Urwirbels legt sie sich wieder dem Darme an, der an dieser Stelle eine etwa 90 u lange mediane Verdickung aufweist; diese wird bedingt durch eine mitten in der Wandung gelegene kernlose, auf dem Querschnitte rundliche Dottermasse, um die die Entodermzellen konzentrisch ge- ordnet sind. Bald nach Aufhören dieser Verdiekung bekommt die Hypochorda wieder ihr gewöhnliches Aussehen. In der Höhe des dritten Urwirbels beginnt die unpaare Aorta, die als solche ununterbrochen sich bis in die Mitte des Schwanzes verfolgen läßt. In den vorderen Rumpfpartien ist sie durch wenig Mesenchym, das sich an der Magenanlage zu einem kurzen Mesen- terium erhebt, vom Darme getrennt. In den mittleren und hinteren Rumpfpartien liegt sie dem Darmdache wieder direkt auf und in einer Vertiefung desselben. Der Schwanzdarm steht ebenfalls in Berührung mit der Aorta (Figg. 11, 12 und 19), aber nur auf eine sehr kurze Strecke; nach Aufhören des soliden Schwanzdarmes geht sie noch weiter bis zur Mitte des Schwanzes. Die Hypochorda bleibt von vorn bis hinten stets vom Darme getrennt durch die dazwischen gelagerte Aorta. Sie liegt im Be- reiche des Rumpfes und des Schwanzes zwischen Aorta und Chorda in Gestalt eines von einer Cutieula allseitig begrenzten, platt bohnen- förmigen Körpers, dessen Volumen nach hinten gleichmäßig ab- nimmt. Nach Aufhören des soliden Schwanzdarmes bleibt sie zwi- schen Aorta und Chorda noch weiter sichtbar (vgl. Fig. 19 und Figg. 13, 14 und 15); sie überragt also caudalwärts das hinterste Ende des Schwanzdarmes um eine große Strecke. Nach Aufhören der unpaaren Aorta geht die Hypochorda in der Schwanzspitze in eine mit großen länglich ovalen Kernen und ein- zelnen Dotterkugeln durchsetzte indifferente Zellmasse über, aus der sie sich beim Wachstum des Schwanzes differenziert (Fig. 16). Bei einer andern Serie findet sich im Bereiche des Kopfes in der Höhe der Gehörbläschen eine mediane dorsale Rinne des Kopf- darmes. Am hinteren Rande der Gehörbläschen wird eranial von der übrigen Rumpfhypochorda ein kurzer isolierter Hypochordateil sichtbar. Die Rumpfhypochorda dieser Serie zeigt dieselben Ver- hältnisse wie die vorige. In einer dritten Serie findet sich ebenfalls an Stelle einer deut- lich ausgeprägten Kopfhypochorda eine mediane dorsale Rinne des 222 Ad. Reinhardt Kopfdarmes in der Höhe der Gehörbläschen. — Sofort nach Auf- hören des Gehörbläschens beginnt die Rumpfhypochorda, die noch auf den drei ersten Schnitten mit dem Entoderm in Verbindung steht. Sie legt sich sofort nach der Abschnürung vom Darme der Chorda an, und bleibt getrennt vom Darme durch Mesenchym, in das sich am Ende des ersten Urwirbels die unpaare Aorta ein- schiebt, die caudalwärts ohne Unterbrechung unter der Hypochorda bis in den Schwanz zu verfolgen ist. Die Abgrenzung der Hypochorda ist in diesem Stadium sehr deutlich, auch gegen die Aortenwand, besonders da, wo Kerne der Aortenwandzellen der Cuticula der Hypochorda aufliegen. Die Zellen der Hypochorda zeigen die Kerne teilweise besonders in den mittleren und hinteren Partien längs-, weiter vorn noch quergestellt. Mitosen wurden, mit Ausnahme einer einzigen in der Kopfhypochorda, nicht mehr gesehen. In den vorderen Rumpfpartien, wo die sekundäre Chordahülle eben beginnt sich zu entwickeln, treten aus dem Sklerotom zu- sammen mit den perichordalen Zellen einzelne seitlich bis an die Aorta und Hypochorda heran. Die Aorta ist hier bereits eine kurze Strecke weit von Bindegewebe umgeben. Im dritten Stadium sehen wir also die Hypochorda auf der Höhe ihrer Entwicklung. Sie reicht von den Gehörbläschen bis fast zur Schwanzspitze. Man kann einen Kopf-, Rumpf- und Schwanz- abschnitt unterscheiden. Die Kopfhypochorda ist nur rudimentär, manchmal nur angedeutet. Die Rumpfhypochorda hat keinerlei Verbindung mehr mit dem Darme, von dem sie durch die Aorta getrennt ist; nur der eranialste Teil der Rumpfhypochorda, der die unpaare Aorta — d.h. die Vereinigungsstelle der ersten Arterien- paare — um eine kleine Strecke überragt, wird durch Mesenchym vom Darme getrennt. Ausnahmsweise kann eine Verbindung des Vorderendes der Rumpfhypochorda länger bestehen bleiben und es finden sich zuweilen rudimentäre Stücke vor dem eigentlichen An- fange der Rumpfhypochorda. Die Schwanzhypochorda entsteht, wie in Stadium II zu sehen war, soweit der Schwanzdarm geht, als Leiste desselben, die nach Abschnürung vom Darm durch die in den Schwanz eindringende Aorta von dem solid gewordenen Schwanzdarm abgedrängt wird. Der Sehwanzdarm reduziert sich immer mehr von hinten nach vorn; er gibt seine ursprüngliche Verbindung mit der gemeinsamen Zell- masse des Schwanzes auf (Fig. 19). Die Schwanzhypochorda, die Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 223 mit ihrem Ende in das indifferente Zellenmaterial der Spitze ein- taucht, differenziert sich aus diesem weiter (Fig. 16). Die Vereinigung der Aorta ist ermöglicht worden durch die passive Erhebung der median gelegenen Hypochorda. Nachdem diese selbständig geworden war und mit dem Darme, ihrem Mutter- boden, keine Verbindung mehr besaß, konnten die Aorten sich unter Weiterwachsen des Körpers und Erheben der Embryonalanlage zu einer unpaaren Aorta vereinigen. Die Erhebung des Embryo vom Dotter wird — meiner Meinung nach — teilweise dazu beitragen, die Hypochorda, die sich eng an die Chorda anschmiegt, zusammen mit dieser dorsalwärts zu verschieben. Damit wurde unter dem gleichzeitigen Andrängen der Aorten in der Medianlinie Platz geschafft für die unpaare Aorta, deren Ausbildung ja eine wesent- liche Errungenschaft des Chordatenorganismus bedeutet. Stadium III bedeutet für die Hypochorda den Zustand der Reife, dem alsobald die Rückbildung sich anschließt. Stadium IV. Sobald das in Stadium III in die Erscheinung getretene peri- chordale Bindegewebe beginnt, eine stärkere Ausbildung zu zeigen, ist der Anfang für den Untergang der Hypochorda gegeben. Die Rückbildungserscheinungen wurden untersucht an Embryonen von 13,5 mm bis 18,5 mm Länge. Die Larven sind gestreckt, die vorderen Exiremitätenstummel sind länger geworden, die hinteren ragen eben hervor. Die äußeren Kiemen sind geteilt. Am Auge hat sich eine Iris entwickelt. Die Linse ist solid; ihre Fasern deutlich vorhanden. Die Gehörbläschen haben sich differenziert, indem eine Zweiteilung eingetreten ist, zugleich ist Sinnesepithel vorhanden. Die Magenanlage und die Gastroduodenalschlinge sind in ihren For- men gut ausgeprägt. Die Serie, welehe die geringsten Grade der Rückbildung zeigt, stammt von einem 14 mm langen Embryo. In der Höhe der mitt- lern Gehörregion ist auf drei Schnitten ein länglicher, auf dem Querschnitt rund-ovaler Dotterhaufen zu sehen. In ihm sind keine Kerne vorhanden; die Zellen sind teilweise vacuolisiert, die Dotter- kugeln sind klein geworden. Mesenchym umgibt den Dotterhaufen an beiden Seiten und ventral. 60 u hinter dem Hinterende der Gehörbläschen liegt ein zweites längliches Hypochordastück, dessen Kerne noch in Resten erkennbar Morpholog. Jahrbuch. 32. 15 224 Ad. Reinhardt sind. Die Zellen sind zum Teil vacuolisiert: in der Höhe des zweiten Urwirbels wird ein drittes Hypochordastück bemerkbar, das ebenso wie die beiden ersten, der Chorda anliegend, ventral und seitlich von Mesodermzellen umschlossen ist. Die Cutieula setzt sich sehr deutlich gegen das umgebende Gewebe ab. In der Höhe der Bifur- catio tracheae beginnt ein 3,7 mm langes Hypochordastück, das bis zur Mitte des Rumpfes reicht. Es liegt zwischen Aorta und Chorda, doch so, daß Mesodermzellen die drei Gebilde voneinander abgrenzen. Das Volumen ist vorn am größten, es nimmt stetig nach hinten ab Die Dotterkugeln sind sehr klein und teilweise, besonders aber in den hinteren Teilen, verloren gegangen; die Zellelemente sind eben- falls, besonders in den hinteren Partien, vacuolisiert. So kann es kommen, daß man nur noch die Cutieula als einen leeren Schlauch trifft, der oft komprimiert und dann sehr schwer sichtbar ist. Kerne sind nicht in jedem Schnitte sichtbar. Ihre Längsrich- tung ist parallel der Längsachse des Körpers. Sie sind teilweise zerklüftet, zerbröckelt und einzelne ihrer Chromatinbrocken färben sich intensiv. Diesem großen Stücke, das die Zerfallserscheinungen in den hintersten Teilen am deutlichsten zeigt, folgen noch vier von- einander getrennte Stücke zwischen 45—200 «u lang mit den eben semeldeten Zerfallserscheinungen. Im Schwanze ist eine Hypochorda nicht mehr erkennbar. Diesem Befunde schließt sich der an, welchen ein Sagittal- schnitt durch die mittlere Rumpfregion eines 13 mm langen Embryo zeigt. Die zwischen Chorda und Aorta liegende Hypochorda zeigt Zerfallserscheinungen an den Kernen. Auf einer weiteren Serie (15,5 mm) ist ebenfalls noch ein großes Stück der vorderen Rumpfhypochorda sichtbar. Hier ist die Hypo- chorda aber schon mehr mit Mesoderm umgeben, das besonders den vorderen Abschnitt des Stückes ringsum einschließt und ihn von Chorda und Darmwand trennt. Dieser Teil erstreckt sich nach hinten bis zur Höhe der Pankreasanlage, wo er unterbrochen ist, um in der mittleren Rumpfregion auf kurze Strecke wiederzukehren. Im Schwanze findet man auch hier keine Reste von Hypochorda. In der Kopfregion sind in dieser Serie ebenfalls keine Hypochorda- elemente erkennbar; dagegen findet man hier eine Andeutung einer Verbindung zwischen Pharynx und perichordalem Gewebe in der Höhe des Gehörorgans. Das Epithel blieb aber stets gegen die nach Art eines Ligaments an den Pharynx gehenden perichordalen Zellen abgegrenzt. Das Epithel war hier zu einer niedrigen Erhebung Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 335 verdickt, an die die Mesenehymzellen sich anschlossen. Bei jüngeren Embryonen und einem älteren (18,5 mm) war nichts von der von PRENANT beschriebenen eonnexion pharyngeo-pericordale zu sehen. In der letzten hierher gehörigen Serie, 18,5 mm, waren Kopf- und Schwanzregion frei von Hypochordaresten. In der Rumpfregion fanden sich besonders vorn 27 kleinere und größere Stücke, deren Länge von 15—225 u betrug. Die vorderen Stücke waren ringsum von Mesenehym umschlossen und dadurch komprimiert. Gegen das Mesenchym waren die Reste scharf begrenzt. Die eaudalen Stücke lagen noch zwischen Aorta und Darm, nur seitlich von Mesenchym- zellen erreicht; zeigten aber alle Erscheinungen des Zerfalls — Vo- lumverminderung, Kernzerfall, Vacuolisierung. Wir finden also bei der Rückbildung folgende wichtige Erschei- nungen. Die Hypochorda hört am Ende von Stadium III auf zu wachsen. Mit dem Weiterwachsen des Körpers ist sie gezwungen, sich auch zu verlängern; dies geschieht durch eine Umlagerung der zelligen Elemente aus einer queren in die Längsrichtung. Dann beginnen die Zellen kleiner zu werden, die Kerne zerfallen, das Dottermaterial wird resorbiert; gleichzeitig werden die Zellen va- euolisiert. Die Rückbildung beginnt an der Schwanzhypochorda und schreitet von da schnell auf die Rumpfhypochorda über. Die Kopf- hypochorda schwindet nach der Schwanzhypochorda, aber noch vor der Rumpfhypochorda, die sich am längsten in der vorderen Rumpf- region erhält. Die Rückbildung der hinteren Abschnitte erfolgt durch einfaches zugrunde gehen der Elemente; die vorderen werden noch durch umwachsendes Mesenchym komprimiert und so zum Unter- gange gebracht. Ich finde nach dem hier Beschriebenen eine andre Art der Rück- bildung, als sie von BERGFELDT, STÖHR u. a. angegeben worden ist. Mit welchen Umständen dies bezüglich des Materials zusammenhängt, weiß ich nicht. Für eine Beteiligung der Hypochorda am Aufbau andrer Organe sprach in den Beobachtungen nichts. Vielmehr deutet die Art des Untergangs der Hypochordazellen, die dauernde Existenz einer die Hypochorda umschließenden Cuticula, das Aufhören der Mitosen zu Ende des Stadiums III darauf hin, daß die aus dem Darmdach ab- geschnürte Hypochorda von Salamandra in keinen dauernden Be- standteil des Organismus eingeht. Auswanderung von Hypochorda- zellen durch die Cuticula habe ich nie beobachtet; darin weicht meine Beobachtung von der SrtöHnrs ab. Auch war nie eine Pig- 15* 226 Ad. Reinhardt mentierung der Hypochordazellen vorhanden, selbst dann nicht, als sich bereits im axialen Mesenchym Pigmentzellen befanden. Ergebnisse. I. Die Hypochorda entsteht bei Salamandra maculosa ebenso wie II. IE IV. bei allen andern niederen Wirbeltieren aus dem Entoderm. Man kann eine Kopf-, Rumpf- und Schwanzhypochorda unterscheiden. Die Rumpfhypochorda entsteht zuerst; im Anschluß an sie die Schwanzhypochorda. Beide bilden auf der Höhe ihrer Ausbildung einen zusammenhängenden, von dem hinteren Rande der. Gehörbläsehen bis zur Schwanzspitze sich erstreckenden, soliden Zellstrang, der seine Verbindung mit dem Entoderm völlig aufgegeben hat. Die Kopfhypochorda entsteht zeitlich nach der Rumpfhypochorda in der Höhe der Gehörbläschen und ist im Verhältnis zur übrigen Hypochorda nur rudimentär entwickelt. Die Hypochorda verfällt der völligen Rückbildung. Diese beginnt am caudalsten und cranialsten Ende und geht von hinten nach vorn schneller vor sich, so daß zuerst die Schwanzhypochorda zugrunde geht. Reste der Hypochorda werden zuletzt noch in der vorderen Rumpfpartie gefunden, d.h. in der Gegend der ersten Anlage der Hypochorda. Die Kopfhypochorda geht noch vor der Rumpfhypochorda zu- grunde. Für ein Bestehenbleiben der Hypochorda oder eine Beteili- gung derselben am Aufbau eines Organs spricht nichts. Sie geht bei Salamandra maculosa völlig zugrunde. Über die morphologische und phylogenetische Bedeutung der Hypochorda läßt aus den vorliegenden Untersuchungen sich zurzeit noch nichts Bestimmtes aussagen. Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 9237 Literatur. 1) Fr. M. BaLrour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Bd. II. 1881. — A monograph on the development of Elasmobranch Fishes. London 1878. 2) ALFRFD BERGFELDT, Chordascheiden und Hypochorda bei Alytes obstetri- cans. Anatom. Hefte. Bd. II. Heft 21. 1896. 3) Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Bd. VI. Abth. 1. 1902. 4) E. EHLERS, Die Borstenwürmer (Annelida chaetopoda). Leipzig 1864—68. 5) H. EısıG, Die Segmentalorgane der Capitelliden. Mittheilungen aus der Zool. Station zu Neapel. I. 1879. 6) W. 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Für alle Figuren gültige Bezeichnungen: A Aorta, Heh.br Hypochordabrücke, Ch Chorda, He Herz, Cu Cutieula, Kd Kopfdarm, D Darm, ZL Leberbucht, Ek Ektoderm, Me Mesoderm, Ed Enddarm, R Rückenmark, En Entoderm, Ri Rinne, G Gehörbläschen, Sd Schwanzdarm, H Hirn, Sk Sklerotom, Heh Hypochorda, U Urwirbel. Fig. 1. Embryo von 4,5 mm Länge. Auf dem Querschnitte durch die vordere Rumpfregion ist die hypochordale Leiste und ihr gegenüber die hypo- chordale Rinne der dorsalen Darmwand erkennbar. Die Leiste, die dorsal und seitlich durch eine. Cuticula begrenzt wird, steht ventral noch in ausgedehntem Zusammenhange mit dem Entoderm. Anfangs- stadium der Hypochorda. Die dorsale Darmwand verläuft hier in einem nach der Chorda zu konvexen Bogen. Fig. 2. Embryo von 4,5 mm Länge. Schnitt aus der hinteren Rumpfregion. Die Hypochordaanlage wie in Fig. 1. Die dorsale Darmwand verläuft gerade, ohne Rinne, unter der Chorda. Fig. 3. Embryo von 6 mm Länge, medianer Sagittalschnitt durch die vordere Körperregion, zeigt den cranialen Teil der Rumpflhypochorda in un- mittelbarem Zusammenhange mit dem dorsalen Entoderm des Vorder- darmes, aber nur auf einer kurzen Strecke. Gleich hinter dieser Stelle liegt die Hypochorda in der Medianebene zwischen Chorda und ventralem Darmdache, von beiden durch eine besondere Cuticula ge- trennt. Sie bleibt auf dem Schnitte so bis zur Höhe der Leberbucht sichtbar; weiter caudal ist sie wegen der starken Krümmung des Embryo nicht mehr in die Schnittrichtung gefallen. Fig. 4. Embryo von 7,5 mm Länge. Sagittale mediane Profilansicht eines Embryo der Gruppe II (Hauptserie). Die Rekonstruktion wurde auf Millimeterpapier nach genauer Berechnung aller Maße in 33facher Vergrößerung ausgeführt und ist hier verkleinert wiedergegeben. Dargestellt sind in ihren Konturen alle in der sagittalen Medianebene liegenden Organe — Gehirn, Rückenmark, Chorda, Hypochorda, Aorta, Darm, Herz, Leberanlage und Dotter. Am Darme ist die Teilung in Vorder-, Mittel- und Enddarm mit Schwanzdarm erkennbar. Die Hy- pochorda liegt als dünner Strang der Chorda dicht an und ist fast in 230 Ad. Reinhardt der ganzen Länge des Rumpfes durch die unpaare Aorta vom dor- salen Darmdache getrennt — ausgenommen an einer Stelle, wo die Aorta auf eine ganz kurze Strecke paarig geblieben ist. Die unpaare Aorta ist noch nicht in den Schwanz eingedrungen. Gegen Chorda und Aorta ist die Hypochorda durch eine Cuticula abgegrenzt. Das eraniale und caudale Ende der Hypochorda stehen in Zusammenhang mit der dorsalen Darmwand. Das caudalste Ende der Hypochorda geht zusammen mit dem Schwanzdarme in die von diesem und Me- dulla, Chorda und Utwirbeln gebildete gemeinsame Zellenmasse des Schwanzes über. Eine hypochordale Rinne ist auch hier als seichtes Divertikel der dorsalen Wand des Vorderdarmes in der Höhe der hintersten Partie der Gehörbläschen angedeutet. Der Schwanzdarım besitzt auf eine kurze Strecke ein Lumen. Fig. 5, 6, 7, 8 und 9 sind Querschnittsbilder desselben Embryo, von dem die Rekonstruktionsfigur 4 stammt. Fig. 5. Fig. 6 Fig ‘ Fig. 8 Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Schnitt durch den ersten Urwirbel, zeigt wenige Schnitte caudalwärts vom hinteren Rande der Gehörbläschen den cranialen Teil der Rumpf- hypochorda, ringsum von einer Cuticula begrenzt. Die dorsale Darm- wand ist in der Medianlinie gerade gegenüber der Hypochorda durch eine hypochordale Rinne verdünnt. In der Höhe der Kiemenanlagen schieben sich in den Winkel zwi- schen Hypochorda und dorsale Darmwand die paarigen Aorten ein. In der mittleren Rumpfregion liegt die unpaare Aorta in der Mediane zwischen ‚Hypochorda und dorsaler Darmwand. Die dorsale Aorta- wand wird durch die Hypochorda ventralwärts vorgebuchtet, ist aber von ihr durch eine deutliche Grenzmembran getrennt. Schnitt durch Enddarm und Schwanzdarm; dieser ist hier in seinem Anfangsteile mit einem Lumen versehen. Die Hypochorda liegt zwi- schen Chorda und Schwanzdarm und tritt mit letzterem in Verbin- dung. Die unpaare Aorta ist noch nicht bis in den Schwanz vorge- drungen (vgl. Fig. 4). Schnitt durch den Schwanz. Der Schwanzdarm stellt eine solide Dottermasse dar, deren dorsale mediane Partie sich der ventralen Fläche der Chorda direkt anlegt. Die Hypochorda ist auf diesem und den folgenden Schnitten noch nicht vorhanden. Das Ende der hypochordalen Leiste war auf den vorhergehenden Schnitten zu sehen. Ewbryo von 7 mm Länge. Hypochorda als dorsale Leiste des Schwanz- darmes, welcher hier solid ist. Embryo von 10 mm Länge. Schnitt aus der hintersten Rumpfpartie. Der Enddarm hat hier ein schlitzförmiges, dorsoventral in die Länge gezogenes Lumen. Der dorsale Teil beginnt sich eben zur Bildung des Schwanzdarmes seitlich abzusetzen. Die Hypochorda liegt zwi- schen Chorda und Aorta. Fig. 12 von demselben Embryo wie Fig. 11; weiter caudal. Die Hypochorda ist vom Schwanzdarme durch die unpaare Schwanzaorta getrennt. Der Schwanzdarm ist drei Schnitte nach seiner Loslösung vom End- darme als solide, rundliche Dotterzellmasse sichtbar; seine ventrale Fläche ist durch Mesenchym vom Enddarme getrennt. “ Morpholog.Jahrb. Ba. XXXll. | | I t22aerean HIER \ Il I EZIER | ul IN j SER RE SR HrEHLHreH | ir ERLLHREEEN ie Ferertin titten En GERGTZAE See re jjnhamIBEsEE ATITLITHEERSER ARE mi I N T i { ! | H n ' i 1 Nm “ 1 | | | | N N IH 1 i! [} lt \ HALLEIN {} | | 250 I EReRer il rasneese 1 II 2009 TITTHATTRRRTHNTITTTTT b i BENUITRGEHN MTENE Tith AnstvE.AFunkeleipag. u NS S a NS S R w Bus Morpholog.Jahrb. Bo. XXXIl. Taf. Vi. JithAnstvE Afunkaleipzio Verlag v Wilhelm Engelmann ın Lewzis Die Hypochorda bei Salamandra maculosa. 331 Fig. 13 von demselben Embryo wie Fig. 11 und 12. Die Hypochorda ist cau- Fig. 14. dalwärts vom Ende des Schwanzdarmes noch sichtbar als ein dünner, auf dem Querschnitte platt bohnenförmiger Strang zwischen Chorda und Schwanzaorta, die sich bei diesem Embryo bis in das hintere Drittel des Schwanzes als unpaares Gefäß erstreckt. Embryo von 10,5 mm Länge. Hypochorda 13 Schnitte hinter dem eaudalen Ende des Schwanzdarmes. Fig. 15 zeigt die Verhältnisse der Hypochorda in Fig. 14 bei stärkerer Ver- Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. srößerung. Embryo von 10,5 mm Länge, zeigt die Bildung des caudalsten Endes der Hypochorda aus medianen großen Zellen der Schwanzzellen- masse. Embryo von 17 mm. Zur Illustrierung der sogenannten Hypochorda- brücken. a. Das dorsale Entoderm sendet einen Fortsatz zwischen den hier paarigen Aorten zur ventralen Fläche der Hypochorda. Der entodermale Fortsatz, der zwischen den Aorten ziemlich schmal war, legt sich der ventralen Fläche der Hypochorda an, bleibt aber von ihr durch eine deutliche Cuticula getrennt. Der der Hypochorda anliegende Teil der sogenannten Brücke ver- breitert sich etwas und erstreckt sich auch noch etwas in die Länge, wie der folgende Schnitt beweist. b. 15 « hinter Schnitt a ist von dem Fortsatze noch die der Hypo- chorda anliegende Partie in Gestalt einer Hypo-Hypochorda (Heh.br) sichtbar; dieselbe ist von der wieder unpaaren Aorta und der Hypochorda durch eine deutliche Cuticula getrennt. Mediane Sagittalansicht des vorderen Körperendes eines Embryo von 10 mm Länge. Schematisierte Rekonstruktionsfigur nach Transversal- schnitten. In der Höhe der Gehörbläschen liegt der ventralen Fläche der Chorda eine völlig vom Darmdache und dem cranialen Ende der Rumpfhypochorda getrennte Kopfhypochorda an. Fünf Schnitte hinter dem caudalen Ende dieser Kopfhypochorda beginnt die Rumpfhypo- chorda. Ihr vorderstes Ende ist spitz zulaufend, liegt der Chorda eng an und ist durch Mesenchym vom dorsalen Darmdache getrennt. Nach einer ganz kurzen Strecke, auf der die Hypochorda der Darm- wand anliegt, bleiben diese beiden dann durch die unpaare Aorta getrennt. Fig. 19 stellt im Sagittalschnitte die Verhältnisse am Hinterende des Embryo von 10 mm Länge dar; die Figur ist etwas schematisiert. Die Hypo- chorda liegt bis zum hinteren Drittel des Schwanzes als solider Zell- strang zwischen Chorda und Aorta. Nach Aufhören der Schwanz- aorta bleibt die Hypochorda noch eine Strecke weit deutlich abge- grenzt sichtbar, um in der Schwanzspitze in die gemeinsame indifferente Zellenmasse überzugehen. Der Schwanzdarm ist nur in einer Länge von 270 « sichtbar und besitzt kein Lumen mehr. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius (Hempr. et Ehrbg.). Von Alfred Schumann. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Mit Tafel VII und VII. Einleitung. In der vielgestaltigen Ordnung der Nagetiere zeigt die Familie der Springmäuse sicherlich den bizarrsten Körperbau. BREHM! schreibt nach HasseLquist, daß sie aussehen, als wären sie aus verschiedenen Tieren zusammengesetzt. »Man könnte sagen, das Tierchen habe den Kopf des Hasen, den Schnurrbart des Eichhörnchens, den Rüssel des Schweines, den Leib und die Vorderfüße der Maus, die Hinter- füße des Vogels und den Schwanz des Löwen.« Am meisten fallen diese Tiere durch die Art der Fortbewegung auf; benutzen sie doch bei letzterer mit derselben Ausschließlichkeit die Hinterextremitäten, wie wir es außerdem nur noch von der Sprungbewegung des Känguruh, von der Lauf- und Hüpfbewegung der Vögel und vom Gange des Menschen kennen. Wie ihr Name andeutet, laufen die Springmäuse sehr selten, bewegen sich vielmehr auf den Hinterbeinen springend fort und verstecken hierbei die im Vergleich zu letzteren winzig entwickelten Vorderfüße im weißen Pelze der Bauchseite, so daß die Benennung uveg Öfrrodes, Mures bipedes?, 1 Brenms Tierleben. Leipzig und Wien. 1890. Bd.11I. 8. 477. 2 Diese Bezeichnungen hat LICHTENSTEIN (»Über die Springmäuse oder die Arten der Gattung Dipus« in Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1825) in den Schriften von HERODOT, Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 233 bzw. Zweifuß (Dipus)i, vollkommen gerechtfertigt ist. Es ist klar, daß diese Bewegungsweise sich in anatomischen Eigentümlichkeiten wiederspiegeln muß, daß mit andern Worten die Hinterextremitäten besonders kräftig und für den Sprung geeignet entwickelt sein müssen. Da mich mein verehrter Lehrer, Herr Professor Cuus, darauf hinwies, daß eine etwas speziellere Untersuchung der Dipus-Spring- beine noch nicht durchgeführt worden ist, habe ich versucht, diese Lücke auszufüllen. Ehe ich aber zur Beschreibung der hierbei ge- wonnenen Resultate übergehe, erfülle ich gern die angenehme Pflicht, meinem verehrten Lehrer für seinen vielfachen und fördernden Rat und sein stetes Wohlwollen meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Meine Untersuchungen beschränkten sich bei der Kostbarkeit geeigneten Materials auf die Hinterbeine der Wüstenspringmaus, des Dipus aegyptius Hempr. et Ehrbg. Glücklicherweise standen mir von diesen niedlichen Tierchen auch zwei nahezu reife Embryonen und ein neugeborenes Exemplar zur Verfügung, welche die zoologische Sammlung in Leipzig den erfolgreichen Zuchtversuchen ihres Kustos, Herrn SCHMIDTLEIN, ver- dankt. Erwachsene Tiere erhielt ich sowohl vom hiesigen zoologi- schen Institut, als auch durch die freundliche Vermittlung des Herrn Professor Corı in Triest direkt aus Ägypten. Da letztere (ein Pär- chen) lebendig und in sehr munterer Verfassung hier eintrafen, hatte ich Gelegenheit, das drollige Gebahren dieser Wüstenkinder eir- gehend kennen zu lernen und mich ein halbes Jahr lang an ihrem munteren, nächtlichen Treiben und ihrem zutraulichen Wesen im Zimmer zu erfreuen. ARISTOTELES und AELIAN gefunden. Bildliche Darstellungen von Springmäusen kennt derselbe Autor von Tempelverzierungen und Münzen, und zwar haupt- sächlich auf solchen von Cyrene. (Eine derartige Münze reproduziert STUD- NICZKA, Cyrene, eine altgriechische Göttin. Leipzig 1890. S.19, und zwar ist auf derselben die Springmaus sitzend, mit hocherhobenem Schwanze darge- stellt.) LICHTENSTEIN erklärt diese Bilder nicht für treu genug, um aus ihnen Tatsachen für die Zoologie ableiten zu können. Er weist in seiner die Lite- ratur höchst gewissenhaft und kritisch behandelnden Schrift weiter darauf hin, daß arabische Schriftsteller Interessantes über die Lebensweise der Spring- mäuse berichten und dieselbe als Aljarbuo bezeichnen, wovon der später von SHAW. eingeführte Name Jerboa herzuleiten ist. Von Zoologen neuerer Zeit erwähnt (nach LICHTENSTEIN) zuerst ALDROVANDI unser Wüstentier und nennt es Cunieulus indieus seu Lepus indieus (ULYSS. ALDROVANDI, de quadrupedibus digitatis viviparis. Bonon 1637. 8.395, 396). 1 Dieser Name rührt nach LICHTENSTEIN (]. e., S. 138) von SCHREBER her. 234 Alfred Schumann I. Skelett der Hinterextremität des erwachsenen Dipus aegyptius Hempr. et Ehrbg. Eine einigermaßen eingehende Beschreibung des Hinterextremi- tätenskeletts einer Springmausgatiung existiert nicht. Am eingehend- sten ist Alactaga saliens fossiis = Aluctaga jaculus fossilis von NEHRING! untersucht worden. Da Alactaga und Dipus anatomisch in wesentlichen Teilen voneinander abweichen, so daß nach LECHE? deren Verwandtschaft noch nicht einmal feststeht, und da ferner NEHRING sein Hauptaugenmerk naturgemäß auf fossiles Material richtete, so soll auf seine Detailangaben, wie auf die mehr aphoristi- schen Notizen andrer Autoren erst an geeigneter Stelle hingewiesen, nicht schon jetzt spezieller eingegangen werden. a. Der Oberschenkel. Der Oberschenkel (Femur) ist bei den Springmäusen nicht, wie z. B. beim Menschen, der längste Röhrenknochen des Körpers, son- dern wird in bezug auf die Größe von der Tibia und sogar dem Metatarsus übertroffen. Da die verschiedenen Exemplare von Dipus, welche mir zu Gesicht kamen, bezüglich der Größe außerordentlich voneinander abwichen, so ist natürlich auch die Länge des Femur sehr schwankend. Man kann für dieselbe bei einem kräftigen Tier von den Condylen ab bis zur Spitze des Trochanter major 36 mm rechnen. Das Oberschenkelbein (Taf. VII Fig. 1 fe) ist ein bald mehr, bald minder deutlich nach vorn gebogener Knochen, dessen proxi- males, den Öberschenkelkopf (Caput et collum femoris) und zwei Trochanteren aufweisendes Ende wesentlich schwächer entwickelt ist, als das distale mit seinen beiden ziemlich voluminösen Condyli und Epicondyli. Längs der Innen- und Außenseite des Corpus fe- moris laufen als deutlich erkennbare Firsten das Labium laterale und mediale, durch welehe der rundliche Querschnitt fast in seiner ganzen Länge eine beiderseitige Zuschärfung erleidet. Die beiden Labien vereinigen sich also nicht wie beim Menschen in der Mitte 1 NEHRING, Über Alactaga saliens fossilis Nehring (= Alactaga jaculus ‚fossilis Nhrg.). Neues Jahrbuch für Mineralogie usw. Stuttgart 1898. Bd. U. S. 16—24. — Beiträge zur Kenntnis der Diluvialfauna. Zeitschrift für die ge- samten Naturwissenschaften. Halle 1876. Bd. XLVII. 8. 47—61. 2 Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Leipzig 1874/1900. Bd. VI. 5. Abteilung. Mammalia. S. 615. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 235 des Corpus femoris, sondern verlaufen getrennt und verlieren sich erst an den warzenförmig vor den Condylen liegenden Epicondylen. Am proximalen Ende des Oberschenkels sitzt, fast senkrecht zu seiner Längsachse, das Collum femoris, welches mit dem nahezu kugelförmigen Caput femoris endigt. Letzteres ist bis auf die An- satzstelle für das Ligamentum teres mit hyalinem Knorpel, der in der Mitte am dicksten ist, überkleidet. Ihm gegenüber erhebt sich, annähernd in der Verlängerung des Corpus femoris, als kräftiger Knochenvorsprung nach oben und vorn der Trochanter major und ragt noch etwas über das Caput femoris hinaus. Von dem oberen Ende des Trochanter major verläuft hinter dem Collum femoris hin- weg eine scharfe Crista nach dem Trochanter minor und bildet die äußere Begrenzung der tiefen Fossa trochanterica, in welcher die starken, die Gelenkkapsel umhüllenden Bänder und Sehnen inse- rieren. Der Trochanter minor ist ein medianwärts gebogener, sich auf der Rückseite des Femur erhebender, kräftiger Knochenvor- sprung. Ein Trochanter tertius, auf dessen Unbeständigkeit bei den Nagern BRONN! hinweist, ist bei Dipus nicht vorhanden. Am dista- len Ende des Femur befinden sich die kräftigen, aus spongiöser Knochenmasse bestehenden Condyli, von denen der medial gelegene weit stärker entwickelt ist als der laterale. Die Gelenkköpfe gegen den Unterschenkel sind steil zur Längsachse nach hinten gerichtet. Die Fossa intercondyloidea trennt unten als tiefe Furche die beiden Condyli, setzt sich dann auf der Vorderseite des Femurendes als Facies patellaris, schmäler und flacher werdend, fort, und wendet sich gleichzeitig nach außen. Dicht vor den Condylen machen sich an der Rückseite des Femur zwei warzenförmige Erhebungen bc- merklich, von denen im Gegensatz zu den Condylen der lateral ge- legene der kräftigere ist. Nach Analogie mit der menschlichen Anatomie darf man in diesen Gebilden den Epicondylus lateralis und medialis sehen. Die Kniescheibe (Patella) ist ein kleiner, einer Apfelsinenscheibe ähnlich gestalteter Knochen. Sie liegt auf der Facies patellaris und gleitet bei Beuge- und Streckbewegungen auf derselben hin, so daß sie bei starker Beugung vor die Fossa intereondyloidea zu liegen kommt. 1 Bronn, l.c. 8.592. Bd. VI. 5. Abteilung. Mammalia. 236 Alfred Schumann b. Der Unterschenkel. Das Unterschenkelbein besteht aus der Tibia und der mit ihr verschmolzenen, sich nur nach dem proximalen Ende hin grätenartig von ihr ablösenden Fibula (Taf. VII Fig. 1). In bezug auf die Länge übertrifft die Tibia bei Dipus alle andern Knochen des Hinterbeins. Sie mißt bei einem kräftigen Tier 53 mm. Das Schienbein (Tibia) (Taf. VII Fig. 1 %b) ist nach NEHRING ! »bei den Springmäusen der längste und stärkste Knochen des Ske- letts. Auf ihm beruht vorzugsweise die gewaltige Sprungkraft dieser Tiere. Der obere Teil wird von starken Muskeln umgeben, am unteren bemerkt man hauptsächlich Sehnen, die Ausläufer jener Muskeln<. Von ihrem proximalen Ende aus biegt sich die Tibia schwach nach vorn, weicht in der Mitte ihrer Länge zurück, strebt aber nach dem distalen Ende hin wiederum nach vorn, so daß also ihre Innenseite schwach $-förmig gebogen erscheint. Der Körper des Schienbeins ist in seinem oberen Teile dreiseitig prismatisch ge- staltet, verjüngt sich nach unten allmählich und wird gleichzeitig rundlich. Die eine Fläche des prismatischen proximalen Teils bildet die Rückseite der Tibia und ist flach ausgehöhlt. Von den beiden andern Prismenflächen ist die lateral verlaufende gleichfalls, und zwar ziemlich stark ausgehöhlt, die medial verlaufende aber konvex gebogen. Letztere greift vorn im oberen Fünftel der Ge- samtlänge der Tibia über die mit ihr zusammenstoßende Fläche hin- weg, wodurch hier die Crista anterior eine sehr starke Entwicklung in lateraler Richtung erfährt. Auch die Rück- und Außenfläche dieses Tibiateils stoßen in einem scharf ausgeprägten, nach dem Wadenbein gerichteten Knochenfirst (Crista interossea) zusammen. Von dem Verschmelzungspunkte der Fibula an sieht man auf der Tibia nur wenige Millimeter weit einen Knochenfirst nach unten verlaufen, alsdann erscheint das Schienbein fast vollkommen rund, so daß man in seinem unteren Teile äußerlich keine Spur der zu ver- mutenden Entstehung aus zwei Knochen entdecken kann. Der Ver- lauf, den die auf dem distalen Teil der Tibia dahinziehenden Sehnen nehmen, macht sich durch sehr schwach hervortretende Längsleisten bemerklich. Die kräftigste derselben verläuft auf der Mitte der Rück- fläche der Tibia und nimmt die Sehne des Musculus flexor digitorum longus auf. Vorm ist das untere, durch die kräftige Entwicklung der 1 NEHRING, Neues Jahrbuch für Mineralogie usw. Stuttgart 1898. Bd. I. Sr: Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 337 Malleoli verdickte Ende der Tibia ziemlich stark ausgehöhlt. Nach dem Malleolus lateralis, einem seitlich und vorn an der Tibia sitzenden Knoıren, zieht ein schwacher Knochengrat; ein andrer strebt dem Malleolus medialis zu. Auf diesem letzteren erhebt sich etwa 4—5 mm vor der Endfläche der Tibia ein Knochenvorsprung (Taf. VII Fig. 3 7), der sich nach außen zu rechtwinklig umbiegt und so einen Haken bildet, welcher nach dem, dem Malleolus late- ralis angehörigen, oben erwähnten Knochengrate gerichtet ist. Von diesem Knochenhaken verläuft schräg abwärts, nach dem Malleolus lateralis zu, ein starkes Band und heftet sich oberhalb desselben an die Außenfläche der Tibia. Es ist das Ligamentum transversum eruris, unter dem die Sehnen des Musculus extensor digitorum lon- gus dahinziehen. Eine gleich gute Führung, wie sie die letztge- nannten Sehnen durch den obenerwähnten hakenartigen Knochen- vorsprung bei den Springmäusen erhalten, ist mir bei keinem an- dern Säugetier bekannt geworden. In der Literatur finde ich den Knochenhaken bloß von NEurıng! bei Alactaga erwähnt und abge- bildet, einer auffallend stärkeren Entwicklung desselben aber be- gegnet man in der Klasse der Vögel. Ich selbst sah beim Pinguin die Sehnen des Extensor digitorum oberhalb des Unterendes vom Tibiotarsale unter einer Knochenbrücke hinwegziehenv, die man bei Dipus erhalten würde, wenn der Haken in lateraler Riehtung durch Verknöcherung des Ligamentum transversum cruris wüchse. Auch bei andern Vögeln ist die Knochenbrücke vorhanden, wenigstens sagt SELENKA im BRONN?: »Nach außen liegt öfters eine knöcherne Schleife oder Tubulus, durch welchen die Sehne des Musculus ex- tensor digitorum communis läuft«, und Baur? bestätigt die Beob- achtungen von MorsE, daß die knöcherne Brücke, welehe sich später über die Grube am distalen Ende der Tibia legt, nichts mit dem Tarsus zu tun hat. Jedenfalls darf man in dem Knochenhaken bei Dipus eine Einrichtung sehen, durch welche die Ähnlichkeit des Beines der Springmaus mit dem der Vögel um einen weiteren Zug vermehrt wird. Es erübrigt noch die Beschreibung der oberen und der unteren 1 NEHRING, Neues Jahrbuch für Mineralogie usw. Stuttgart 1898. Bd. 11. S. 20. ®2 Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Leipzig 1881. Bd. Vl. 4. Abteilung. Aves. S. 82. 3 Baur, Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. Morpholog. Jahrbuch. Leipzig 1883. Bd. VIII. pag. 427. 238 Alfred Schumann Gelenkfläche der Tibia. Die gegen das Femur gerichtete Fläche ist beträchtlich größer, als der Querschnitt des Schienbeinteils dicht unter ihr, indem der Rand ihrer Rück- und Außenseite simsartig vorspringt. Die Gelenkflächen für die Condyli des Oberschenkels sind flach konkav und dehnen sich hauptsächlich in sagittaler Rich- tung aus, so daß die Tibia zu ausgiebiger Schwingung von vorn nach hinten befähigt erscheint. Eine außerordentlich kräftige Ent- wicklung weist, wie bereits erwähnt, die Tuberositas tibiae auf. Dieselbe wulstet sich so weit empor, daß ihre obere Fläche mit den Gelenkflächen in gleiche Höhe zu liegen kommt, ja die letzteren mit ihrem Vorderteil um etwa 1 mm überragt. . An dem Knochen- rand, welcher, die proximale Tibiafläche vergrößernd, um deren laterale und hintere Seite herumzieht, befindet sich da, wo diese beiden Seiten zusammenstoßen, eine kleine ausgehöhlte Fläche, welche das Widerlager für die Fibula darstellt. Der Umriß der unteren Fläche der Tibia hat annähernd die Form eines Quadrates, an welches nach außen und vorn sich haken- artig die Endfläche des Malleolus lateralis setzt. Für die in sagit- taler Richtung mit einer tiefen Rille versehene Trochlea astragali sind an der unteren Endfläche der Tibia zwei tiefe Aushöhlungen vorhanden, so daß auch das Gelenk zwischen Unterschenkel und Fuß ausschließlich und sehr ausgiebig für Bewegungen in sagittaler Richtung ausgebildet ist. Die beiden Malleoli sind nur schwach ent- wiekelt, indem sie seitlich nicht über die Endfläche der Tibia ragen. Das Wadenbein (Fibula) (Taf. VII Fig. 1 5) ist, wie bereits erwähnt, zu einer schwachen Knochengräte reduziert, welche in der kleinen Aushöhlung am hinteren und äußeren Rande des proximalen Tibiaendes ruht und von hier bei manchen Exemplaren gerade, bei andern aber auch nicht unbeträchtlich nach außen gebogen, bis zum Ende des zweiten Fünftels der Tibia sich erstreckt und hier mit letzterer vollständig verschmilzt. Wie die menschliche, so weist auch die Fibula von Dipus mehrere Abflachungen auf, welche sich etwas um deren Längsachse winden und als Insertionsstellen für die Mus- keln dienen. Zwischen diesen Abflachungen erheben sich leichte Cristen, von denen die nach der Tibia zu gerichtete Ürista inter- ossea am stärksten entwickelt ist. Dicht unter dem Capitulum, also höchstens 1 mm unter ihrer proximalen Endfläche, verbreitert sich die Fibula in annähernd sagittaler Richtung zu einem nach außen und vorn gerichteten kleinen Knochenhaken, der als Ansatzpunkt für den Musculus peronaeus longus dient. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 339 e. Das Fußskelett. Das Fußskelett bei Dipus gliedert sich in die Fußwurzelkno- chen (Tarsalia), den einheitlichen Mittelfußknochen (Metatarsus) und die Zehen (Phalangen). Eine leidlich gute Abbildung des Fußskeletts von Dipus aegyptius gibt FLOWER!. Die Fußwurzelknochen und das Os metatarsale sind so innig miteinander verbunden, daß zwischen ihnen nur eine geringe Be- weglichkeit möglich ist. Sie treten also zu einem Knochenstabe zu- sammen, der vom Ende des Fersenbeins bis zu dem distalen Ende des Metatarsale gemessen, nahezu dieselbe Länge erreicht wie die Tıbia, und auf dem letztere am Ende des ersten Siebentels in der Trochlea astragali in ausgiebiger Weise beweglich aufsitzt. Eine gleich gute gelenkige Verbindung wie zwischen Unterschenkel und Tarsus ist dann wieder zwischen dem Metatarsus und den Phalangen vorbanden. Der Tarsus (Taf. VII Fig. 6 und 7) besteht aus acht einzelnen Knochen, welche unter Zugrundelegung der von LECHE? gewählten Bezeichnungsweise folgende Namen tragen: 1) Caleaneus, 2) Astragalus (Talus der menschlichen Anatomie), ) Os navieulare, ) Os ceuboideum, 5) Cuneiforme primum (Entocuneiforme), ) Cuneiforme seecundum (Mesocuneiforme), ) Cuneiforme tertium (Eetocuneiforme), ) Os tibiale. Diese acht Fußwurzelknochen sind, mit Ausnahme des Astra- galus und Calcaneus, sehr’ klein, so daß der gesamte Tarsus nur etwa ein Sechstel von der Länge der Tibia erreicht, während, wie oben erwähnt, Tarsus und Os metatarsus zusammen an Länge nahe- zu dem Unterschenkel gleichkommen. Das Fersenbein (Calcaneus) (Taf. VII Fig.6 und 7 ca) ist bei weitem der ansehnlichste der Fußwurzelknochen; es besitzt bei dem größten der mir zur Verfügung stehenden Skelette 10 mm Länge, aber nur 3 mm Höhe und 2 mm Breite. An seinem hinteren ı FLOWER, Einleitung in die Osteologie der Säugetiere. Nach der dritten, unter Mitwirkung von Dr. Hans GApow durchgesehenen Originalausgabe. Leipzig 1888. 8.319. 2 Bronn, l.c. Bd. VI. 5. Abteilung. Mammalia. S. 606—608. Morpholog. Jahrbuch. 32. 16 240 Alfred Schumann Ende ist es knorrig verdickt und bietet der Achillessehne, in wel- cher sieh dieht über ihm stets ein Sesambein! befand, eine günstige Insertionsfläche. Das Corpus calcanei ist nach oben und unten zu- geschärft, hat also einen spindelförmigen Querschnitt und weist zwei zahnartige Fortsätze auf. Der erste derselben ragt in der Mitte der Außenfläche nach oben, der zweite senkrecht dazu etwas unter der Mitte nach innen. Beide Fortsätze sind nach innen bzw. oben mit konkaven Flächen versehen, auf denen der Astragalus sitzt, verhin- dern also in viel ausgiebigerer Weise, als dies beim Menschen der Fall ist, seitliche Bewegungen der Fußwurzelknochen. An dem lateral gerichteten Zahn, welcher dem Sustentaculum astragali der menschlichen Anatomie entspricht, befindet sich nach vorn und unten noch eine konkave Fläche, an welche sich das Os naviculare an- legt. Schließlich ist das untere abgestutzte Ende des Corpus cal- canei ausgehöhlt und dient dem Os cuboideum als Widerlager. Das Sprungbein (Astragalus, Talus der menschlichen Ana- tomie, Taf. VII Fig. 6 und 7a) setzt sich aus dem kräftig ent- wiekelten Sprungbeinkörper, dem Corpus astragali und dem diesem nach vorn angesetzten Kopf, dem Caput astragali, zusammen. In dem walzenartig gestalteten Körper verläuft schräg nach innen die tiefe Gelenkfurche für die Tibia, die Trochlea astragali. Mit seiner äußeren und hinteren Fläche legt sich der Astragalus innig an die zahnartigen Fortsätze des Calcaneus an. Das Caput astragali, wel- ches nur die Hälfte der Breite des Corpus besitzt, greift mit seiner vorderen, stark konvexen Fläche in das Os naviculare ein. Zwi- schen diesem Kopf des Astragalus und dem unteren Ende des Cal- caneus verbleibt ein Hohlraum, durch welchen die sehr kräftigen, beide Knochen zusammenhaltenden Ligamente laufen. Das Kahnbein (Os naviculare, Taf. VII Fig. 6 und 7 ») ist ein kleiner, flacher Knochen von nierenförmiger Gestalt, der sich mit konkaver Fläche an das Caput astragali anlegt und unter ! Diese Verknöcherung der Achillessehne erwähnt EımEr (Vergleichend- anstomisch-physiologische Untersuchungen über das Skelett der Wirbeltiere. Leipzig 1901. 8.146) als neuen Knochen bei den Springmäusen und fügt bei: »Der ganze Apparat der Hintergliedmaßen ist zum Emporschnellen des Tieres eingerichtet und steht in doppeltem Winkel wie beim Frosch.« EIMERSs Schüler, VogTr (Über die Verknöcherung des Hohlhandbandes und andere Sesambeine der Säuger. Inaugural-Dissertation. Tübingen 1894), gibt S. 24 eine genaue Be- schreibung dieser Sehnenverknöcherung und leitet ihre Entstehung von der starken Inanspruchnahme der Achillessehne beim Auffangen des Körpers nach jedem Sprunge her. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 341 letzterem höckerartig bis zum seitlichen Zahn des Calcaneus empor- greift. Mit seiner distalen Fläche reicht es etwa bis in die Höhe des abgestutzten Endes vom Calcaneus. Die untere Endfläche des Os naviculare weist drei flache, grubenförmige Vertiefungen für die Ossa euneiformia auf. Das Würfelbein (Os ceuboideum, Taf. VII Fig. 6 und 7 cd) liegt in der Fortsetzung des Körpers vom Calcaneus, besitzt etwa dieselbe Höhe wie letzterer und biegt sich um einen knorrenförmigen Fortsatz des Os metatarsale nach unten. Die Keilbeine (Ossa cuneiformia) setzen sich proximal an das Os navieulare an und grenzen lateral nach außen an das Os cu- boideum. Das Os euneiforme primum (Entocuneiforme, Taf. VII Fig. 6 und 7c,) ist eine messerklingenartige, auffallend lange, näm- lich bei kräftigen Exemplaren mehr als 5 mm messende Knochen- lamelle.. Die auffallende Längserstreckung, durch welehe dieses Cuneiforme die beiden anderen Ossa euneiformia um das Drei- bzw. Vierfache übertrifft, bewirkt, daß dasselbe dem Tarsus nach innen und hinten mehr an- als eingelagert ist. Es stößt mit seinem proxi- malen Ende an das Os naviculare und ragt dann distal so weit über das Cuneiforme II und III hinaus, daß es sich mit drei Viertel seiner Länge an das Os metatarsale auflegt, ohne hierbei nach außen hin den hakenförmigen Fortsatz des Os euboideum zu berühren. Von FLOWER wurde das Entocuneiforme als Metatarsus I aufgefaßt, ein Irrtum, den LEcue in BRONX! berichtigt. Das Cuneiforme secundum (Mesocuneiforme, Taf. VII Fig. 6 c,,) ist das kleinste der in den Tarsus eingefügten Knöchel- chen und von etwa würfelförmiger Gestalt. Es ist an der Innenseite des Fußes gelegen und füllt die Lücke zwischen dem Os navieu- lare, dem Cuneiforme primum et tertium bis zum Os metatarsale aus. Das Cuneiforme tertium (Eetocuneiforme, Taf. VII Fig. 6 und 7 c,,,) ist ein ziemlich kräftiger Knochen, dessen Außenfläche auf dem Fußrücken durch das Os naviculare, das Os cuboideum, das Cuneiforme secundum und das Os metatarsale begrenzt wird. Mit einem taillenförmig eingeschnürten Zapfen erstreckt es sich durch den Tarsus hindurch, bis nahezu an die Rückfläche desselben, wird aber hier durch das Cuneiforme primum und den hakenförmigen Fortsatz des Os ceuboideum bedeckt. ! BRoNN, ]. c., Mammalia. Bd. VI. 5. Abteilung. S.615. 16* 242 Alfred Schumann Das Tibiale (Taf. VII Fig, 6 2) ist als winziges Knöchelehen dem Kopfe des Astragalus dort aufgelagert, wo der seitliche Zahn des Calcaneus mit dem proximalen Rande des Naviculare einen stumpfen Winkel bildet. Der Mittelfußknochen (Os metatarsale, Taf. VII Fig. 4 und 5 met) ist ein schlanker Röhrenknochen, der am proximalen sich an den Tarsus anlegenden Ende nur wenig verdickt ist, am distalen Ende hingegen sich ziemlich stark verbreitert und gabel- artig in drei voneinander getrennte Gelenkköpfe ausläuft. Zwei seichte, aber doch stets deutlich erkennbare Rinnen ziehen oben auf der ganzen Länge des Metatarsus hin und endigen da, wo sich die drei Gelenkköpfe voneinander trennen. Auf der Mitte der Unter- seite läßt sich von oben ab nur eine derartige Längsrinne erkennen, die sich jedoch im unteren Viertel des Metatarsus gleichfalls in zwei Äste teilt. Diese über den Metatarsus hinziehenden Rinnen sind übrigens nicht bei allen Individuen in gleicher Ausbildung vorhan- den; es kommt vor, daß man selbst mit der Lupe nur schwache Andeutungen von ihnen entdeckt, während sie bei andern Tieren als scharf eingeschnittene Furchen sofort in das Auge fallen und auch auf der von FLOWER! gegebenen Abbildung sofort erkennbar sind. Gleiche Schwankungen kann man übrigens auch in bezug auf die allgemeine Gestalt des Metatarsus konstatieren. Während der- selbe bei manchen Individuen eine bis auf seine beiden Enden über- all gleichweite Röhre bildet, verjüngt er sich bei andern nach dem unteren Ende zu deutlich. Die proximale Endfläche weist drei nebeneinander liegende, flach grubenartige Vertiefungen auf. Die kleinste, innen gelegene, arti- kuliert mit dem Cuneiforme seeundum, die mittlere stößt an das Cuneiforme tertinm, und die äußere und größte legt sich an das Cuboid an und ist infolgedessen, der Gestalt dieses Fußwurzelkno- chens entsprechend, hinten mit einer abfallenden Fläche für den hakenartigen Fortsatz des Os euboideum versehen. Die untere Fläche des Metatarsus zeigt eine längliche Vertiefung, in welche sich ‚das Cuneiforme primum legt. Namentlich der median gerichtete Rand dieser Vertiefung springt eristenartig hervor, so daß auch die Ver- bindung des Cuneiforme primum mit dem Metatarsus eine ziemlich innige ist. Da die von dem Cuneiforme secundum et tertium, sowie dem Cuboid gebildete Endfläche des Tarsus größer ist als. die 1 FLOWER, l.c. 8.319. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 243 Proximalfläche des Metatarsus, so verdickt sich letzterer an diesem oberen Ende sowohl medialwärts, wie namentlich nach außen und hinten. Von den drei Gelenkköpfehen am distalen Teil des Metatarsus (Taf. VII Fig. 8) ist der mediale, d.h. innere, am stärksten entwickelt, der laterale steht diesem wenig nach; dahingegen ist der mittlere erheblich schwächer als seine Nachbarn. Alle drei Gelenkköpfe be- sitzen distalwärts eine schön konvex gebogene Gelenkfläche, vor welcher auf der Oberseite, namentlich bei den beiden seitlichen, meist eine grubenartige Vertiefung erkewnbar ist. Komplizierter als die distale, ist die nach unten gerichtete Fläche der Gelenkköpfe gebaut. Hier erhebt sich auf der Mitte jedes derselben zahnartig eine senkrecht nach unten gerichtete kleine Crista und außerdem an der Außenseite des ersten und dritten Gelenkfortsatzes noch je ein kleiner gleichfalls nach unten gerichteter Gelenkknorren. Es wird später gezeigt werden, daß diese zahnartigen Höcker wesentlich dazu beitragen, daß die Zehen nur in sagittaler Richtung beweg- lich sind. Die Phalangen. Die Zahl der Zehen ist bei Dipus auf drei reduziert, welche also der zweiten, dritten und vierten andrer Säuge- tiere entsprechen. Jede dieser drei Zehen besteht aus drei Pha- langen. Diese Zahl wurde bis jetzt von allen Beobachtern bis auf LICHTENSTEIN! konstatiert, welcher merkwürdigerweise schreibt: » Die drei Zehen, die sich durch tiefe Gelenke mit dem einfacheren Mittel- fußknochen verbinden, haben in der Regel nur zwei Phalangen und sind ungemein kurz. « Bezüglich der Längsentwicklung steht die mittlere Zehe oben an; sie maß beispielsweise bei einem Exemplar 16 mm, die zweite Zehe hin- gegen 14 mm und die vierte 14,5 mm. Dieser Längenunterschied wird namentlich durch die erste Phalanx bewirkt. Dieselbe erreichte nämlich bei dem eben genannten Tiere 9,5 mm, dagegen ist sie bei den beiden Seitenzehen nur etwa Smm lang. Umgekehrt wie die Längen- verhält sich die Diekenentwicklung der Zehen. Die mittlere, längste Zehe ist auffallend schlank gebaut, während die beiden äußeren wesentlich kräftiger, knorriger erscheinen, und zwar ist die zweite noch etwas stärker als die vierte. Eigentümlich und charakteristisch ist die Stellung der einzelnen Phalangen in der Ruhelage. Die ersten Pha- langen erstrecken sich dabei annähernd in derselben Richtung wie 1 LICHTENSTEIN, ].c. S. 144. 244 Alfred Schumann der Metatarsus, die zweite Phalangenreihe strebt im stumpfen Winkel zur ersten dem Boden zu, während die krallentragenden End- phalangen sich vom Boden weg nach oben erheben, so daß die Krallen geschont werden. Auch von oben gesehen, erscheinen die einzelnen Zehenglieder in charakteristischer und merkwürdiger Weise zueinander gestellt. Man sieht hier die schlanke Mittelzehe genau in der Richtung des Metatarsus nach vorn verlaufen; die ersten Pha- langen der lateralen Zehen setzen fächerartig die seitlichen Gelenk- enden des Metatarsus fort, die zweiten Phalangen dieser Seitenzehen aber streben dann nicht weiter von der Mittelzehe ab, sondern nähern sich derselben im Gegenteil, und noch mehr ist dies bei den End- phalangen der Fall, so daß, wenn man das Fußskelett von Dipus mit einer Speisegabel vergleicht, die seitlichen Zinken derselben nach der mittleren zu eingebogen erscheinen. In FLOwers Figur! sind diese Verhältnisse annähernd richtig gezeichnet, eine Beschreibung derselben habe ich aber nirgends gefunden. Im Zusammenhang mit dieser auffallenden Anordnung der Phalangen steht die Gestalt der die Verlängerung der Zehenspitzen bildenden Krallen. Die Kralle der Mittelzehe ist schlank pfriemartig und leicht ge- bogen, die gleichfalls schwach gebogenen Krallen der Seitenzehen sind wesentlich höher als breit, vorn schräg abgestutzt, besitzen also mehr meißelartige Gestalt, wobei ihre Außenflächen schräg nach unten und außen gerichtet sind. Da nun, wie beschrieben, die mitt- lere Zehe am längsten ist, und da ferner die Enden der Seitenzehen sich der Mittelzehe zuwenden, so legen sich die Krallen der letzteren seitlich an diejenige der Mittelzehe an und überragen dieselbe etwas. Werden die Zehen, wie es beim Springen geschieht, durch die Sehnen des Musculus flexor digitorum nach unten gezogen, so legen sich die Krallen zu einer dreiseitigen Pyramide zusammen, so daß das Tier in ganz ähnlicher Weise den Boden berührt, als wenn die drei Krallen zu einem Hufe verschmolzen wären. Offenbar wird dureh diese Einrichtung, vermittels welcher jede Zehe durch die andern geschützt wird, das Tier bei seinen wilden Sprüngen viel eher vor Verrenkungen und Verletzungen bewahrt, als wenn die Zehen sich fächerartig auseinander spreizend, den Boden berührten. Aus dieser allgemeinen Beschreibung der Zehen und ihrer Stellung ergibt sich der vollkommen symmetrische Bau derselben und zwar zerfällt die Mittelzehe durch einen Längsschnitt in spiegel- 1 FLOWER. l.c. 8. 319. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 245 bildlich gleiche Hälften, während die zweite Zehe das um eine Kleinigkeit vergrößerte Spiegelbild von Zehe IV ist. Es läßt sich also keinerlei Unterschied in bezug auf die Funktion der einzelnen Zehen erkennen, dieselben wirken, wie bereits erwähnt, ganz so, wie die infolge weiter gegangener Reduktion bei den Pferden einzig übrig gebliebene Mittelzehe. Da jede der Zehen aus drei Pha- langen besteht, können wir von einer am Metatarsus ansitzenden ersten oder proximalen, von einer zweiten oder medialen und von einer dritten oder distalen Phalangenreihe sprechen, welch letztere aus den krallentragenden Endphalangen besteht. In der ersten Pha- langenreihe sind die Unterschiede zwischen der mittleren Phalanx und den beiden seitlichen Phalangen groß und fallen sofort in das Auge. Die zweite Phalangenreihe weist nur unbedeutende Ab- weichungen im Bau ihrer einzelnen Glieder auf, und ebenso sind die Krallenglieder nur wenig voneinander verschieden. Sehon LICHTENSTEIN ! konstatierte, daß die Zehen der Spring- maus keine Seitenbewegung haben und sich nur gleichzeitig zu be- wegen vermögen. Aus dieser ganz richtigen Beobachtung ergibt sich, daß die Verbindung der Phalangen mit dem Metatarsus eine wesentlich innigere sein muß, als bei andern Säugetieren und beim Menschen. Wenn hierdurch aber der Fuß von Dipus in bezug auf Vielseitigkeit der Bewegung dem nahestehender Tiere nicht gleich- kommt, so bewirkt bei ihm andrerseits die innigere Verbindung und komplizierte Entwicklung der in Frage kommenden Skelett- elemente, daß die Aufwärts- und Abwärtsbewegung der Zehen in wesentlich exakterer und ausgiebigerer Weise erfolgt als bei andern Säugetieren. Da diese Verhältnisse augenscheinlich in der Literatur bisher noch nicht berücksichtigt worden sind, so dürfte ihre speziellere Beschreibung nicht unberechtigt sein. Mittelzehe (Taf. VII Fig. 4 u. 5 ZZZ). Das Corpus der ersten Phalanx der Mittelzehe ist ein Rohr mit elliptischem Querschnitt, welches sich distalwärts allmählich verjüngt. Seine ausgehöhlte Basis paßt auf den oberen konvexen Teil der Gelenkfläche des mittleren Metatarsalkopfes. Nach unten erscheint die Basis durch zwei rund- liche Vorsprünge verdickt, zwischen denen eine tiefe Rinne nach dem konvexen Teil der Gelenkfläche verläuft. Das distale Ende dieser Phalanx gestaltet sich zu einer quergerichteten Rolle (Trochlea', über welche eine leichte Vertiefung läuft und die seitlich kleine 1 LICHTENSTEIN, l.c. $. 144, 246 Alfred Schumann Grübchen als Ansatzpunkte für die nach dem Kopfe der nächsten Phalanx ziehenden Gelenkbänder aufweist. Die zweite Phalanx der mittleren Zehe ‚wiederholt in wesentlich kleineren Verhältnissen im allgemeinen den Bau der ersten; sie weicht von letzterer nur insofern ab, als die beiden Gelenkknorren am unteren Teile der Basis fehlen, und die mit der Trochlea der ersten Phalanx artikulierende Fläche auf der Oberseite etwas nach dem Metatarsus hin verlängert ist und so über die Trochlea der ersten Phalanx hinweggreift. Durch dieses leichte Übergreifen der zweiten Phalanx über die erste wird naturgemäß der Zusammenhang beider erheblich inniger, als wenn beide, wie es sonst wohl allge- mein bei den Säugetieren der Fall ist, ziemlich gerade abgestutzt wären. Die Endphalanx ist, wie bereits erwähnt, ziemlich schwach ent- wickelt. Sie besteht in der Hauptsache aus einem dick pfriemen- förmigen Knochen mit etwas höckeriger und rauher Außenfläche, über den sich die Kralle wie ein Schuh stülpt und der nach hinten mit der Trochlea der zweiten Phalanx artikuliert. Unten an diesem sich zuspitzenden Knochen ist eine nur reichlich die Hälfte seiner Länge erreichende Knochenlamelle angewachsen und zwar so, daß sie nach hinten zu mit der Gelenkfläche des Krallengliedes ab- schneidet, nach vorn zu unter dessen Wölbung einen Vorsprung bildet. Die Verwachsungsfläche des eigentlichen Krallengliedes mit dieser basalen Lamelle wird etwa auf der Mitte durch einen quer zur Längsrichtung der Zehen verlaufenden rundlich gestalteten Spalt unterbrochen. Zehe 2 und 4 (Taf. VIL Fig. 4,5 u. 9 // u. /V‘). Das Corpus der ersten Phalanx der zweiten Zehe hat einen rundlichen Querschnitt und erscheint namentlich dadurch gedrungener, als das entsprechende der Zehe 3, weil die beiden an der Basis gelegenen und nach unten gerichteten condylusartigen Knochenansätze außerordentlich kräftig ent- wickelt sind und bis unter die S. 242 und 243 erwähnten, basalwärts gerichteten Gelenkflächen am entsprechenden Metatarsuskopfe nach hinten greifen. Diese beiden Knochenvorsprünge tragen wesentlich mehr zur Artikulation der Phalanx mit dem entsprechenden Meta- tarsuskopfe bei, als die verhältnismäßig kleine konkave Fläche am Hinterende des Phalanxkörpers. Ungleichmäßig sind die beiden condylusartigen Gelenkknorren insofern entwickelt, als der in bezug auf den ganzen Fuß nach außen gerichtete, einen mit dem Pha- langenkörper gleichsinnig laufenden Höcker darstellt, während der Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 247 medial gelegene im stumpfen Winkel dazu nach unten weist. Die Gelenkverbindung zwischen dem entsprechenden Metatarsuskopfe und dieser Phalanx erfolgt nun in der Weise, daß die konkave Endfläche der letzteren auf der konvexen des ersteren von oben nach unten gleitet, daß die Rinne zwischen den beiden condylusartigen Knorren die an der Basis des Metatarsalkopfes befindliche Leiste (S. 243) auf- nimmt, und daß der mediale Knorren mit kleiner Gelenkfläche an der Basis des Mittelfußkopfes dahingleitet. Der auswärts gelegene und nach unten gerichtete schiebt sich in die Gelenkrinne ein, welche an der Basis des Metatarsalkopfes durch den dieselbe seitlich überragenden kleinen Höcker gebildet wird. Das distale Ende, die Trochlea der ersten Phalanx von der zweiten Zehe, die zweite Phalanx derselben, sowie deren Krallen- glied unterscheiden sich bis auf den gedrungeneren Bau und die aus der oben beschriebenen Drehung namentlich des Krallengliedes nach der Mittelzehe hin sich ergebenden Verschiedenheiten nicht von den entsprechenden Teilen der Mittelzehe. Die spezielle Beschreibung der Phalangen der vierten Zehe ist nicht notwendig, da dieselbe nur eine Kleinigkeit länger als die zweite Zehe, sonst aber in allen Einzelheiten der letzteren symmetrisch gleich ist. Die Sesambeine an den Phalangen (Taf. VII Fig. 5 und 90.5). Die einzigen Notizen über Sesambeine an den Phalangen von Dipus finden sich bei TUrxeEr!, doch geht derselbe weder auf deren spezielle Gestaltung noch auf ihren Einfluß auf die Bewegung der Zehen ein, sondern konstatiert nur, daß an jeder Zehe deren zwei vorhanden sind. Meine Untersuchungen bestätigen die Angabe von TURNER hinsichtlich der Zahl, indem ich stets sechs Ossa sesamoidea auffand, und zwar liegt je eins an der Basis der ersten Phalanx jeder Zehe, und wiederum je eins an der Basis des Krallengliedes jeder Zehe. Während bei dem Menschen und den meisten Säuge- tieren diese Ossa sesamoidea in Bänder und Sehnen eingehüllt, lose den Knochen aufliegen, also für deren Verbindung bedeutungslos sind, treten dieselben bei Dipus mit den Phalangen innig verbunden auf, gewinnen dadurch für die Abwärtsbewegung der Zehen eine große Bedeutung und haben infolgedessen eine so komplizierte Ge- ı H. N. TURNER, Notes on the dissection of the Paradoxurus Typus, and of Dipus aegyptius. Proceedings of the Zoological Society of London. London 1819. Part XVII. 'pag. 27. 248 Alfred Schumann stalt erhalten, daß sie als wesentliche Skelettelemente zu be- trachten sind. Jedes der Sesambeine an der Basis der ersten Phalangen (Taf. VII Fig. 5 und 9 o.s./) ist aus zwei getrennten Knorpelkernen entstanden (S. 266). Von dieser Entstehung läßt sich bei völlig er- wachsenen Tieren selbst mit der Lupe nichts erkennen, vielmehr er- scheinen deren Ossa sesamoidea als einheitliche Knöchelchen, die knackend auseinanderspringen, wenn man energisch auf ein in der Längsrichtung der Zehen aufgesetztes Messer drückt, Ob sich mikroskopisch eine Symphyse nachweisen läßt, vermag ich nicht anzugeben, da es mir nicht gelang, Dünnschliffe von den zarten Ge- bilden anzufertigen. Das basale Sesambein der mittleren Zehe (Taf. VII Fig. 5) unter- scheidet sich in bezug auf Gestalt und Stellung von denen der zweiten und vierten Zehe, während diese wieder unter sich spiegel- bildlich gleich sind. Jenes sitzt als 1 mm breiter und 2 mm hoher Knochenzapfen senkrecht so auf der Unterseite der ersten Phalanx der Mittelzehe, daß es noch etwas über die Basis derselben nach hinten reicht. Seine nach der Kralle zu gerichtete Fläche ist tief eingekerbt. Gleiches gilt von der gegenüberliegenden, nach dem Metatarsus zu gerichteten Fläche. Die erstgenannte Einkerbung dient als Leitrinne für die Sehne des entsprechenden Beugemuskels. Wird durch Kontraktion dieses Muskels die Zehe nach unten ge- zogen, so gleitet das mit ihr fest verbundene Sesambein mit seiner tarsalwärts gelegenen Einkerbung über die Crista an der Unter- seite des mittleren Metatarsalkopfes, so daß die Einwärtsbewegung der Zehe genau in der Richtung des Metatarsus erfolgt. Wie auf S. 246 hervorgehoben wurde, stehen nicht die gesamten Basalflächen der ersten Phalangen von Zehe 2 und 4 mit den seit- lichen Gelenkköpfen des Metatarsus in Verbindung, sondern ragen infolge der plantarwärts gerichteten Verdiekungen der betreffenden Zehenglieder über jene Gelenkköpfe nach unten vor. Auf diesem freien Teil der proximalen Phalanxfläche jeder der beiden Zehen sitzt ein parallelepipedisches Sesambein und bildet also gewisser- maßen eine Verlängerung der Phalangen nach dem Tarsus hin. Auch diese Ossa sesamoidea sind plantarwärts tief eingekerbt, wäh- rend volarwärts, wo sie nach dem Gesagten an die untere Fläche der Metatarsalköpfe stoßen, eine Einkerbung für die Crista der letz- teren vorhanden ist, und ihrem lateralen Teil eine Gelenkrinne durch die seitlich am Metatarsus sitzenden Knorren (S. 243) geboten wird. N Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 349 Die nach der Fußsohle gerichtete tiefe Einbuchtung dient zur sicheren Führung der entsprechenden Beugemuskelsehnen. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß diese mit den Phalangen fest verbundenen Sesambeine zunächst vermöge ihrer nach unten ge- riehteten tiefen Einkerbung jedes Ausspringen der Sehne des Beuge- muskels bei dessen Kontraktion verhindern, daß aber anderseits infolge der doppelten Gelenkverbindung der Sesambeine mit dem Metatarsuskopf die Abwärtsbewegung der Zehen nur genau in der Richtung des letzteren erfolgen kann. Bei der Abwärtsbewegung der Zehen müssen sich entsprechend der Richtung der Gelenkflächen am Metatarsus naturgemäß die beiden seitlichen Sesambeine einander nähern, der Spalt zwischen ihnen muß sich mit andern Worten ver- engern, und in ihm findet dann das schwächere, zapfenartige Sesam- bein der Mittelzehe einen Widerhalt. Daraus ist ersichtlich, wie ausgiebig dafür Sorge getragen ist, daß die Bewegung der Zehen nur gleichzeitig und nur nach unten, nie seitlich erfolgen kann. Die Sesambeine an der Basis der Krallenphalangen (Taf. VII Fig. 9 0.5.7) sind kleine viereckige Knochenplatten, welche mit der unteren Fläche der Trochlea der zweiten Phalangenreihe artikulieren und mit den unten an die dritten Phalangenreihen angewachsenen Knochenleisten in fester Verbindung stehen; ihre Befestigung und Artikulation entspricht also vollständig derjenigen, welche oben für die Ossa sesamoidea an der Basis von Zehe 2 und 4 beschrieben wurde. Die plantarwärts gerichteten Flächen weisen eine furchen- artige Vertiefung auf, und dienen den die Krallen nach abwärts ziehenden Sehnen als Leitrinne, was beispielsweise das winzige rundliche Sesambein an der Basis der zweiten Phalanx der großen Zehe des Menschen für die Sehne des Musculus Flexor hallueis longus nicht zu tun vermag. Die Sesambeine von Dipus haben nach alledem für die Bewegung des Tieres eine nicht zu unterschätzende Bedeutung gewonnen und können nicht, wie es von TURNER! ge- schieht, als »supernumerary bones« bezeichnet werden. d. Die Dieke der Röhrenknochen von Dipus aegyptius. LICHTENSTEIN ? schreibt: »Fast alle Knochen der hinteren Hälfte des Leibes sind an den ausgewachsenen Exemplaren hohl, ohne alle HN. TURNER, 1. c. 8. 27 2 LICHTENSTEIN, l.c. 8.143 250 Alfred Schumann Diplo&e, dabei spröde. und hart wie Vögelknochen, daher die von so vielen Beobachtern gerühmte zarte Durchsichtigkeit der Tarsen.« Diese Beobachtungen sind vollkommen richtig. Quer- und Längs- schnitte durch die Röhrenknochen der Springmäuse sind nur schwierig zu erhalten, da die zarten Knochenwandungen fast ebenso spröde sind, wie der Schmelz mancher Zähne. An gelungenen derartigen Längsschnitten fällt die Zartheit der Knochenwandung und die außer- ordentlich sparsame Entwicklung der Substantia spongiosa sofort in das Auge. Letztere erstreckte sich beispielsweise an einem 36 mm langen Femur nur 6 bis 7mm weit von den Enden nach der Mitte zu, war dabei nur etwa bis 1 mm von der Gelenkfläche verhältnis- mäßig dicht, sonst aber nur aus sehr spärlichen, dafür aber ziemlich kräftigen Bälkehen und Lamellen zusammengesetzt; von der Epi- physengrenze war nichts zu erkennen. Auf den ersten Blick glaubt man, daß die Substantia compacta bei Dipus wesentlich schwächer entwickelt wäre, als bei andern Säugetieren, eine Vermutung, die jedoch durch sorgfältige vergleichende Messungen nicht bestätigt wird. Ich maß die Dicke des Oberschenkels von Dipus mit Hilfe eines Zeissschen Objektmikrometers und fand, daß derselbe in der Mitte einen Durchmesser von 2,13 mm hatte, während die durch die Sub- stantia compacta aufgebaute Wandung nur 0,44 mm dick war. Die Länge dieses Femur betrug, wie oben angegeben, 36 mm. Zum Ver- gleich wurden Femora vom Kaninchen und von Menschen gemessen. Der Kaninchen-Oberschenkel war 83 mm lang, hatte einen mittleren Durchmesser von 5,755 mm und besaß eine Wandungsstärke von 0,9mm. Beim Menschen wies der 469 mm lange Oberschenkel einen mittleren Durchmesser von 27,8 mm auf, während die Substantia compacta 6 mm mächtig war. Rechnet man aus, welchen Durch- messer und welche Wandungsstärke ein Femur von Dipus haben würde, wenn er die Länge desjenigen des Kaninchens und weiterhin des Menschen erreichte, so erhält man folgende Zahlen: ein 88 mm langer Dipus-OÖberschenkel würde 5,2 mm Durchmesser und 1,07 mm Wandungsstärke, ein 469 mm langer aber 27,7 mm Durchmesser und 5,73 mm Wandungsstärke besitzen. Der Vergleich dieser Zahlen liefert das überraschende Ergebnis, daß die Femora vom Dipus aegyptius, Lepus cuniculus und Homö sapiens relativ gleich stark sind. Zum mindesten sind die Abweichungen unter den sich ent- sprechenden Zahlen nicht erheblich genug, als daß man der Spring- ° maus in bezug auf die Knochenstärke eine besondere Anpassung an ihre Bewegungsweise zuschreiben könnte. Über die mikro- Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 251 skopische Beschaffenheit der Röhrenknochen von Dipus aegyptius wird S, 257 und S. 264 berichtet werden. 1. Skelett der Hinterextremität des geburtsreifen Dipus aegyptius Hempr. et Ehrbg. »Auch der an mancherlei Seltsames im weiten Gebiete der Tier- welt gewöhnte Zoologe muß erstaunen, wenn er das erstemal einen neugeborenen Dipus zu sehen bekommt. Das kleine, nackte, blut- rote Geschöpf, das sich hilflos und mauseartig piepend hin- und herwälzt, hat zunächst gar keine Ähnlichkeit mit seinen Eltern. Es könnte gar mancherlei daraus werden.« Mit diesen Worten beginnt SCHMIDTLEIN! seine Beschreibung der einen Tag alten Wüstenspring- maus. In der Tat läßt die beigefügte Abbildung von den Eigen- tümlichkeiten des ausgebildeten Drpus-Körpers absolut nichts er- kennen. Während nämlich bei der erwachsenen Springmaus der Oberkörper wesentlich schwächer entwickelt ist als der Hinterkörper, weist das neugeborene Tier gerade das umgekehrte Verhältnis auf. Ein dicker plumper Kopf sitzt an einem gedrungenen Rumpf, der nach hinten sich verjüngt und in der Beckengegend geradezu dürftig entwickelt ist. Die uns hier vor allem interessierenden Hinterextremitäten über- treffen mit 15 mm Länge nach SCHMIDTLEINS Messung die Vorder- beine nur um 2mm und nähern sich mit dem Metatarsus der Bauch- seite des Tieres. Wie bereits oben (S. 233) angegeben, waren für die vorliegende Untersuchung der Hinterextremitäten von Drpus aegyptius Hempr. et Ehrbg. das von SCHMIDTLEIN beschriebene Stadium, sowie aus dessen später eingegangener Zucht zwei Embryonen vorhanden. Es stellte sich heraus, daß diese geburtsreifen Embryonen hinsichtlich der Hinterextremitäten nur unerheblich von dem neugeborenen Tiere abwichen. Wenn mir hiernach für das Studium der Entwicklung der so interessanten Hinterbeine von Dipus aegyptius eigentlich nur zwei Stadien, das sehr jugendliche und das erwachsene zur Ver- fügung standen, so sind doch die zwischen beiden — ganz abge- sehen von den Maßen, über die im nächsten Teil eingehend be- richtet werden wird — ermittelten Unterschiede erheblich genug, 1 SCHMIDTLEIN, Beobachtungen an Wüstentieren. Zoologischer Garten. Frankfurt a. M. 1895. Jahrgang XXXVI Heft3. 8.7. 252 € Alfred Schumann um näher beschrieben zu werden und einen Einblick in die nach der Geburt vor sich gehenden Veränderungen der einzelnen Skelett- elemente zu gewähren. Die Ober- und Unterschenkel der jugendlichen Exemplare wur- den präpariert, und die bis auf den Metatarsus winzigen und durch- aus knorpeligen übrigen Knochenanlagen an Schnittserien in querer und frontaler Richtung studiert. Die von der Muskulatur tunlichst befreiten Skelettstücke der fötalen Hinterextremität von Depus (Taf. VII Fig. 2) erscheinen we- sentlich plumper als die des erwachsenen Tieres. Es ist das weniger eine Folge des Verhältnisses der Länge zur Dicke der Röhrenkno- chen, welches Verhältnis beim Femur des erwachsenen Tieres gleich 14:1 und beim Fötus gleich 13,6:1 bestimmt wurde — vielmehr wird der Eindruck größerer Gedrungenheit hervorgerufen durch die relativ wesentlich mächtigere Entwicklung der Gelenkenden, auf die beim Femur des Fötus die Hälfte, bei dem des erwachsenen Tieres aber nur ein Drittel der Gesamtlänge kommt. Trotz dieser verhält- nismäßig bedeutenden Größe sind die knorpeligen Gelenkenden der jungen Iudividuen aber bei weitem nicht so scharf modelliert, wie die bis auf die eigentlichen Gelenkflächen völlig verknöcherten des erwachsenen Tieres. a. Der fötale Oberschenkel. Am jugendlichen 8 mm langen Femur (Taf. VII Fig. 2 fe) ist vom Collum fast nichts zu erkennen, vielmehr sitzt das Caput dieses Knochens als halbkugelige Erhöhung seitlich an dem durch die Trochanterenanlagen dick aufgetriebenen proximalen Oberschenkel- ende. In gleicher Weise ist mehr als das Viertel des distalen Femurrandes durch die Condyli fast kugelig gestaltet. Wie bereits erwähnt, sind die Gelenkenden des Oberschenkelbeines noch voll- kommen knorpelig. Die zwischen ihnen befindliche Anlage des Schaftes aber ist in der Entwicklung bedeutend weiter vorgeschritten. Unter dem Periost ist hier schon ein vollständiges Knochenröhrchen ausgebildet, das bei der Behandlung mit einem Gemisch von Al- kohol, Glyzerin und Essigsäure durch seine dunkle Färbung auf- fällt. Auf den histologischen Stand dieser Knochenanlage wird bei der Tibia und dem Metatarsus näher eingegangen werden. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 353 b. Der fötale Unterschenkel. Die Tibia (Taf. VII Fig. 2 tb) mißt beim Fötus 7 mm, von denen nahezu 4 mm auf den im Stadium beginnender Verknöcherung befindlichen Schaft, die übrigen 3 mm auf die knorpeligen Gelenk- enden kommen. Wie das Femur, so ist auch die fötale Tibia we- sentlich plumper als die völlig ausgebildete; insbesondere ist von der leichten S-förmigen Krümmung, welche die letztere auszeichnet, bei jener nichts zu bemerken. Auffallend gut modelliert ist bei diesem frühen Entwicklungsstadium bereits das distale Gelenkende, welches nach den Quer- und Längsschnitten fast kapselartig über die knorpelige Trochlea des Astragalus hinweggreift. Von der Fibula (Taf. VII Fig. 2 #5) ließ sich an einer tunlichst rein skelettierten und alsdann in Kanadabalsam gelegten rechten fötalen Hinterextremität erkennen, daß dieselbe als zartes Stäbchen auf der Außenseite der Tibia lag, aber auffallenderweise sich von letzterer bereits am distalen Gelenkende abhob. Im Gegensatz hier- zu wurde bei der Untersuchung der Hinterextremitäten des erwach- senen Tieres konstatiert, daß die Fibula mit der Tibia auf der größeren Hälfte der Länge des Unterschenkels verschmolzen war und sich von letzterer als zarte Knochengräte nur in den proximalen zwei Fünfteln der Gesamtlänge des Unterschenkels (S. 238) trennte. Aus diesen Angaben geht hervor, daß das Längenwachstum von Tibia und Fibula vor allen Dingen nahe an deren distalen Enden erfolgen muß. Genaueres hierüber ließ die Schnittserie erkennen, welche den Metatarsus in frontaler Richtung zerlegt und infolge- dessen von dem unteren Ende des Unterschenkels Querschnitte ge- liefert hat. In diesen Querschnitten, und zwar in solchen, die etwa durch die Mitte des Unterschenkels gehen, besitzt die Tibia rhom- bische Gestalt, und von ihr vollständig getrennt liegt die elliptisch erscheinende Fibula. Geht man in der Reihe der 15 « dieken Schnitte von dem- jenigen Schnitte, in dem die Tibia am Calcaneus verschwindet, also vom äußersten Unterschenkelende aus, um 90 Einzelschnitte, d.h. um 1,3 mm nach oben, so sieht man die Tibia (Taf. VIII Fig. 15 zb) von einem dünnen perichondralen Knochenringe umgeben, von dem kräftige, teilweise durch Brücken verbundene Zapfen in die innere Faserschicht des stark entwickelten Periosts ausstrahlen. Bekannt- lich stellt dieser spongiöse Überzug des perichondralen Knochens die 254 Alfred Schumann Anlage des HAversschen Kanalsystems dar!. In dem von diesem perichondralen Knochenringe umgebenen Raum, und zwar dem Rande nahe, sieht man ein Netzwerk von Bälkchen und Lamellen enchon- dralen Knochens den in der Entwicklung begriffenen primordialen Markraum durchziehen. In der Mitte der Tibia aber liegt noch ein Rest von verkalktem Knorpel, dessen stark vergrößerte Zellen auf- fallend schwach gefärbt sind. Die Anlage der Fibula (Taf. VII Fig. 15 %5) weicht auf dem- selben Schnitt ziemlich erheblich von der eben beschriebenen der Tibia ab. Die junge Fibula stellt nämlich einen geschlossenen, kräftigen perichondralen Knochenring dar, von. dem nur äußerst spärliche und niedrige Zapfen in das dünne Periost hineinragen. In gleicher Weise sitzen auf dem Innenrande nur vereinzelte Zacken und Höckerehen von enchondralem Knochen, und durchzieht nur hier und da ein einzelnes Bälkchen von solchem den von einer fein- körnigen, gleichmäßig gefärbten Masse erfüllten primordialen Mark- raum. Die Periosthüllen beider Unterschenkelknochen verlaufen auf diesem Schnitt vollständig getrennt voneinander und werden nur durch einige schwache Bindegewebsfasern zusammengehalten. Wie bereits erwähnt, ist die Periosthülle der Tibia wesentlich dieker als diejenige der Fibula und weist eine deutliche Trennung in eine aus Fasern bestehende Inner- und eine aus mehreren La- gen von Bindegewebszellen mit lang spindelförmigen, der Längs- richtung des Knochens parallel gestellten Kernen bestehende Außen- schicht auf. Geht man in der Serie etwa 36 Schnitte, also ungefähr einen halben Millimeter nach unten, so machen Tibia und Fibula einen wesentlich andern Eindruck. Die perichondrale Knochenhülle ist bedeutend dünner, die Zapfen, welche bestimmt sind, die HAVERS- schen Kanäle abzuschnüren, ragen viel weniger zahlreich in das Periost hinein, an welch letzterem die Scheidung in eine Faser- und eine Zellenschicht nicht scharf ausgesprochen ist. Von dem primor- dialen Markraum ist hier weder bei der Tibia noch bei der Fibula etwas zu bemerken, vielmehr sind beide von im Innern stark, nach der Peripherie zu weniger auffällig vergrößerten, außerordentlich schwach gefärbten Knorpelzellen erfüllt, zwischen welchen der hya- line Knorpel ein dünnwandiges, durch eingelagerte Kalksalze nur wenig getrübtes Maschenwerk bildet. Zwischen den vollständig t StÖöHr, Lehrbuch der Histologie. 8. Aufl. Jena 1898. S. 130. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 255 getrennten Periosthüllen beider Knochen verlaufen auch auf diesem Schnitte nur vereinzelte schwache Bindegewebsfasern. Geht man noch 27 Schnitte weiter abwärts, so daß man sich also nur #/,, mm über dem distalen Ende der Unterschenkelknochen befindet, so hat man den Schnitt vor sich, auf dem die rein knor- pelige Anlage der Tibia eben mit der histologisch gleich gebauten Fibula verschmilzt. Von perichondralen Verknöcherungen ist auf diesem Schnitt absolut nichts zu sehen. Die peripher gelagerten Knorpelzellen sind um ein weniges kleiner als die zentralen, welch letztere bereits etwas gequollen erscheinen, so daß die zwischen ihnen befindliche Knorpelsubstanz ein zwar dünneres, aber festeres Maschenwerk bildet, als man es im allgemeinen in den ersten An- lagen der Knochen zu sehen gewöhnt ist. Von einer durch einge- lagerte Kalksalze hervorgerufenen Körnelung läßt sich hier in der gesamten Knorpelgrundsubstanz absolut nichts mehr erkennen. Nach außen erscheinen die Tibia- und Fibulaanlage, wie erwähnt, durch das Kleinerwerden der Zellen scharf begrenzt und werden von einer Periosthülle umgeben, die als solche zwar schon deutlich erkennbar ist, aber noch weniger deutlich als beim vorher beschriebenen Schnitt in eine Faser- und Zellenzone getrennt erscheint. Die gleiche Beschaffenheit weist der verschmolzene Tibia- und Fibulaknorpel in den folgenden Schnitten auf. Die Tibiaanlage be- sitzt dabei einen trapezähnlichen Querschnitt. An einer Ecke der kürzeren der beiden parallelen Seiten dieses Trapezes sitzt, infolge einer Einschnürung sich deutlich abhebend, die Fibula. Auch bei starker Vergrößerung läßt sich zwischen Tibia und Fibula keinerlei Abgrenzung, etwa durch die Anordnung der Zellen oder durch eine die Knorpelgrundsubstanz durchziehende Linie, erkennen, vielmehr stellt der ganze durch Tibia und Fibula gebildete Querschnitt eine vollkommen einheitliche Knorpelmasse dar. Betrachtet man die distale Endfläche des Unterschenkelbeines eines erwachsenen Dipus aegyptius und vergleicht man dieselbe mit dem eben geschilderten Querschnitt, so ergibt sich ohne weiteres, daß der Malleolus lateralis des ersteren aus der Fibula hervorge- gangen ist, denn bereits auf dem fünften Schnitte, von demjenigen an gezählt, der zuerst die Verschmelzung von Tibia und Fibula zeigt, sieht man die Tibia + Fibula nicht mehr als einheitliche Fläche, vielmehr weist dieselbe erst zwei, bei weiteren Schnitten nur noch einen rundlichen Ausschnitt auf, in dem die knorpelige Anlage eines weiteren Skelettelementes liegt. Es ist mit andern Worten bereits Morpholog. Jahrbuch. 32, 17 356 Alfred Schumann hier die Gelenkkapsel durchschnitten, mit welcher der Unterschenkel über die Trochlea astragali hinweggreift. Auf dem 18. Schnitte, unterhalb der Verschmelzungsstelle zwi- schen Tibia und Fibula, verschwindet die letztere vollständig, und noch 10 Schnitte weiter auch die Tibia. Aus der vorstehenden Beschreibung der Querschnitte durch den distalen Teil des Unterschenkels ergibt sich, daß bei dem kurz vor der Geburt stehenden Fötus von Dipus aegyptius Tibia und Fibula 1,3 mm oberhalb der distalen Endfläche perichondrale Knochenhülsen mit bei der Tibia ziemlich reichlichen, bei der Fibula höchst spär- lichen, enchondralen Knochenbälkchen darstellen; daß ferner diese Verknöcherungen weiter nach unten rasch verschwinden, und daß Tibia und Fibula in rein knorpeligem Zustande erst 0,36 mm ober- halb ihres äußersten distalen Endes miteinander zu einer vollkommen einheitlichen Knorpelmasse verschmelzen. Vergleicht man diese Befunde mit den bei der Beschreibung des völlig ausgebildeten Unterschenkels gemachten Angaben (S. 238), so ergeben sich für dessen Skelettelemente höchst auffällige Wachs- tumsverhältnisse. Der ausgebildete Unterschenkel wurde 53 mm lang gefunden. Dabei stellt die Fibula bis 23 mm von oben herab eine von der Tibia getrennte Knochengräte dar, die weiterhin mit dem Schienbein verschmilzt, so daß auf 30 mm Länge der Unter- schenkel nur aus einem einzigen Skelettelement besteht. Auf Pro- zente umgerechnet, ergibt sich demnach, daß 43,4 % von der Ge- samtlänge des Unterschenkels aus zwei, dagegen 56,6 % aus einem Knochenschaft bestehen. Im schroffsten Gegensatz hierzu mißt bei dem 7 mm langen fötalen Unterschenkelbein der Teil, in welchem Tibia und Fibula verschmolzen sind, nur 0,36 mm, so daß für den Abschnitt mit ge- trennter Tibia und Fibula 6,64 mm verbleiben, mit andern Worten: beim Fötus sind 5 % der Unterschenkelknochen verschmolzen, 95 % ihrer Länge aber getrennt. Es ergibt sich demnach, daß der ganze Unterschenkel vom nahezu geburtsreifen Zustand an bis zu seiner völligen Ausbildung um das 7,6fache wächst, daß aber dabei das Wachstum für den oberen, aus getrennter Tibia und Fibula be- stehenden Teil das 31/gfache, dahingegen dasjenige für das untere, aus verschmolzener Tibia + Fibula bestehende Ende das S3fache beträgt. Da die Frage nahe lag, ob in dem unteren Teile des ausge- bildeten Unterschenkelbeines irgendwelche Spuren der Entstehung Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 357 aus zwei Knochenanlagen vorhanden sind, wurden von diesem Kno- chen Querschliffe aus dem distalen Abschnitt, sowie aus demjenigen, in welchem sich die Fibula von der Tibia trennt, angefertigt. Die Herstellung dieser Schliffe wurde durch die außerordentliche Dünnheit der Knochenwandung und die fast glasartig zu nennende Sprödigkeit des Unterschenkelbeines ziemlich erschwert, doch wurden nach einiger Übung für die mikroskopische Untersuchung hinreichend dünne, vollständig geschlossene Knochen- ringe erhalten. Obwohl solche auch von Stellen nahe dem distalen Ende angefertigt wurden, ließ doch keiner derselben etwas von spongiöser enchondraler Knochensubstanz erkennen. Da aber, wie S. 254 angegeben ist, derartiges Maschenwerk in der fötalen Tibia bis weit über deren Verwachsungsstelle mit der Fibula zu beob- achten war, so ergibt sich, daß dasselbe während des Wachstums einer weitgehenden Resorption unterliegt, der Unterschenkel also gerade wie der Oberschenkel (S. 250) fast in seiner ganzen Länge frei von Substantia spongiosa ist (Taf. VIII Fig. 10). Die im Mittel etwa nur 0,33 mm dieke Wandung der aus- gebildeten Tibia setzt sich deutlich aus drei verschiedenen Schichten zusammen. Die innerste dieser Lagen weist eine schwach ent- wickelte lamellare Struktur auf. Die Höhlen der diesen inneren Grundlamellen eingelagerten, nicht besonders zahlreichen Knochen- körperchen besitzen dick spindelförmigen bis runden Querschnitt. Nur selten sieht man durch diese innerste Schicht Haverssche Kanälchen nach dem Innenraum in radiärer Richtung ziehen. Dabei fällt auf, daß solche Kanälchen nicht von Speziallamellen umgeben sind, son- dern daß vielmehr die direkt an sie stoßenden Knochenkörperchen- höhlen sich in konzentrischer Richtung erstrecken, wie alle übrigen der inneren lamellaren Knochenschicht. Die mittlere Schicht der Tibiawand ist diejenige, in welcher sich die Haverrsschen Kanäle in ziemlich reicher Anzahl vorfinden und miteinander dichotomieren. Das Lumen der Haversschen Kanäle ist außerordentlich klein, indem es im Durchschnitt nicht über 10 « mißt, während StöHr in seinem Lehrbuch der Histologie beim Menschen den Durchmesser zu 22 bis 110 « angibt. In dieser mittleren Zone sind die Haversschen Ka- nälchen von spärlichen Speziallamellen umgeben, innerhalb deren sich die Knochenkörperchenhöhlen zu dem Kanälehenlumen kon- zentrisch stellen. Der nicht durch die Havzrsschen Kanäle und deren lamellare Umgrenzung erfüllte Raum wird durch Schaltlamellen mit zur Umrandung des Knochens parallel gestellten Knochen- 17* 258 Alfred Schumann körperehen ausgefüllt. Die äußere Schicht ähnelt der inneren, da sie aus konzentrisch verlaufenden Grundlamellen besteht. Dieselben enthalten parallel zur Knochenperipherie gestellte dünnspindelförmige Knochenhöhlen, so daß diese äußere Knochenschicht die festeste sein dürfte. Ganz wie die Schicht der inneren Grundlamellen wird auch diese äußere Schicht von radiär gestellten Haversschen Ka- nälen hier und da durchbohrt, ohne daß diese Röhrchen einen Ein- tluß auf die Stellung der Knochenhöhlen ausüben. Diese eben beschriebene mikroskopische Beschaffenheit weist das Unterschenkelrohr innerhalb des ganzen Abschnittes von 2 mm über der distalen Gelenkfläche bis dahin auf, wo die Lostrennung der Fibula von der Tibia sich als Hervorwölbung auf der Knochenober- fläche bemerkbar zu machen beginnt. . Aus dieser ganzen, bei einem erwachsenen Tiere etwa 25 mm messenden Strecke läßt sich in dem Knochenrohr also nicht die Spur von zwei Knochenanlagen er- kennen, jeder einzelne Schliff macht vielmehr den Eindruck, als sei er nur der Tibia entnommen. An der Stelle, an welcher sich die Fibula von der Tibia zu trennen beginnt, hat ein Schliff etwa die Gestalt eines Siegelringes: Der innere Hohlraum besitzt dieselbe rundliche Gestalt wie weiter unten, während die sich hervorwölbende Fibula dem Knochen auf- gesetzt erscheint, wie der Stein dem Ringe. Mit Hilfe des Mikro- skops erkennt man auf diesem Querschnitt (Taf. VIII Fig. 11), daß die Schicht der inneren Grundlamellen die Tibiahöhle ringförmig umgürtet, und daß die Schicht der äußeren Grundlamellen ohne Unterbrechung oder Verdickung sowohl die Tibia, wie den Höcker, welcher sich durch die beginnende Ablösung der Fibula bildet, um- schließt. Der innere Teil dieses Höckers ist vollkommen durch Knochensubstanz mit der Struktur der mittleren Tibiaschicht aus- gefüllt, weist also Haverssche Kanälchen, von Speziallamellen um- zogen, sowie Schaltlamellen auf. Von einem zentralen Hohlraum ist also in dem Fibulaansatz absolut nichts zu entdecken. Auf einem etwas weiter nach oben gelegenen Querschnitt hat sich zwischen der Tibia und der Fibula bereits eine deutliche Einschnürung gebildet. Die drei unterscheidbaren Knochenschichten legen sich hier voll- kommen konzentrisch um den Tibiahohlraum herum. Die Fibula weist im Innern regellos gestellte und gestaltete, bald rundliche, bald drei- oder mehreckige Knochenhöhlen auf, sowie hier und da ein Haverssches Kanälchen mit Speziallamellen. Die zentrale Masse wird von einem geschlossenen Gürtel von äußeren Grundlamellen Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 359 mit winzigen, dünn spindelförmigen Knochenhöhlen umgeben. Von einem zentralen Markraum läßt also auch dieser Querschnitt der Fibula nichts erkennen. Der zwischen der Tibia und Fibula ge- legene Raum wird in diesem Querschnitt von Knochenmasse erfüllt, die Haverssche Kanälchen mit Speziallamellen, sowie interstitielle La- mellen aufweist und nach außen durch einige sich von der Tibia los- lösende und nach der Fibula hinziehende Grundlamellen bedeckt ist. Eine Fibula eines erwachsenen Tieres wurde in ihrer gesamten Länge in zahlreiche Stücke zerbroehen und die Bruchflächen mit starker Lupe auf die Existenz eines zentralen Hohlraumes unter- sucht. Dabei stellte sich heraus, daß die Fibula eine überall voll- kommen kompakte Knochengräte ist. Da nun im fötalen Stadium das Wadenbein (Taf. VIII Fig 15 #0), wie oben angegeben, eine zarte Hülse von perichondralem Knochen darstellt, durch welche sich sehr spärliche Bälkchen enchondralen Knochens hindurchziehen, so ergibt sich die interessante Tatsache, daß die Fibula bei Dipus zwar in der gewöhnlichen Weise als Röhrenknochen angelegt wird, diesen ihren Charakter aber nach der Geburt des Tieres während des Wachstums vollständig verliert. e. Das fötale Fußskelett. Die Tarsalia sind samt und sonders als Knorpel so gestaltet und angeordnet, wie beim erwachsenen Tier beschrieben wurde. Keines derselben läßt von beginnender Verknöcherung etwas erkennen, vielmehr werden sie alle aus hyalinem Knorpel aufgebaut. Auch das Entoeuneiforme (Ouneiforme primum), welches durch seine La- gerung auf der Hinterfläche des Os metatarsale beim erwachsenen Tier etwas aus dem festen Verbande der Fußwurzelknochen losgelöst erscheint, ist beim Fötus genau an derselben Stelle und in der näm- lichen Gestalt als hyaline Knorpellamelle präformiert. Das Os metatarsale, jener lange Knochenstab, der das Hinterextremitätenskelett von Dipus demjenigen der Vögel so außer- ordentlich ähnlich macht, weicht beim Fötus und auch noch beim neugeborenen Tiere in höchst auffälliger und merkwürdiger Weise von seiner definitiven Gestaltung ab. Während nämlich das er- wachsene Tier ein einziges Os metatarsale besitzt (Taf. VII Fig. 1, 4 und 5), das proximal an die vorderen Tarsalknochen stößt, distal dagegen sich in drei Gelenkenden gabelt, an denen die Zehen arti- kulieren, stoßen beim Embryo und auch beim jungen Tiere drei Ossa metatarsalia an die Fußwurzelknochen, verlaufen vollständig 260 Alfred Schumann getrennt nach unten und setzen sich jedes mit den Phalangen einer Zehe in Verbindung. Der Embryo und das neugeborene Tier haben also ein Entwieklungsstadium festgehalten, welches in der phyloge- netischen Entwicklungsreihe jedenfalls weit zurückliegende Formen im Zustand der Reife aufgewiesen haben. Bei einzelnen erwachsenen Dipus-Exemplaren waren auf dem Os metatarsale leichte Längsfurchen zu beobachten und zwar zogen zwei auf dessen Oberseite (Taf. VII Fig. 4) von der Fußwurzel aus bis dahin, wo sich der Mittelfuß in seine drei distalen Gelenkköpfe zu gabeln beginnt, während eine Furche auf der Mitte der Unterseite entlang zog (Taf. VII Fig. 5) (vgl. S. 242). Denkt man sich die oberen Furchen durch das Os metatarsale hindurch vertieft, bis sie die mittlere untere Furche erreichen, so wird der einheitliche Knochen in drei getrennte Knochenröhren zerlegt und man hat als- dann am erwachsenen Tier genau diejenigen Verhältnisse, welche am Embryo und am junggeborenen Tier zu konstatieren sind. Die in soleher Weise resultierenden drei Metatarsen würden dem Meta- tarsus II, III und IV der übrigen Säugetiere völlig entsprechen und nur durch ihre außerordentliche Länge auffallen. Aus dem Ver- gleich eines völlig ausgebildeten, entsprechend den Furchen in drei Teile zerlegt gedachten Mittelfußes mit einem jugendlichen ergibt sich zugleich die Verbindung der drei getrennten Metatarsalien des letzteren mit den Tarsalien. Es stößt nämlich, wie man auch auf Längsschnitten unter dem Mikroskop sieht, das jugendliche Metatar- sale secundum gegen das Cuneiforme secundum, das Metatarsale tertium gegen das Cuneiforme tertium und das Metatarsale quartum gegen das Cuboid. Unten an das Metatarsale secundum (Taf. VIII Fig. 16) aber legt sich als solider Knorpelzapfen das Cuneiforme primum in ganz entsprechender Weise wie beim erwachsenen Tier, bei welchen dieses zur Knochenlamelle gewordene Keilbein sich unten und innen auf das Proximalende des Mittelfußknochens lagert. Durehmustert man eine Serie von Querschnitten durch den ju- venilen Mittelfuß vom proximalen Ende distalwärts, so sieht man zunächst die drei Metatarsalia sich so dicht aneinander legen, daß sie sich gegenseitig abplatten. Derartige Querschnitte durch den Mittelfuß haben infolgedessen annähernd fächerförmige Gestalt, weil jedes einzelne Os metatarsale im Schnitt, wie sich aus dem eben Er- wähnten ergibt, dreieckig aussieht. Der fächerartige Eindruck wird noch dadurch erhöht, daß der Schnitt durch das Cuneiforme primum sich als viertes, annähernd dreieckiges Blatt an die drei Mittelfuß- Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 361 knochenschnitte legt. Alle vier Querschnitte stoßen dort aneinander, wo bei manchen völlig ausgebildeten Extremitäten die Längsfurche auf der Unterfläche des einheitlich gewordenen Os metatarsale dahin- zieht. Geht man in der Schnittreihe weiter nach unten, so ver- schwinden zunächst die Schnittbilder durch das erste Keilbein, dann runden sieh die beiden äußeren Metatarsalien ab, so daß deren Querschnitte sich als elliptische Flächen darstellen und einander so nahe rücken, daß sie sich fast berühren. Das mittlere Os meta- tarsale hat einen abgerundet dreieckigen Querschnitt (Taf. VIII Fig. 17 met.III) und schiebt sieh zwischen die äußeren Mittelfuß- knochen ein, gelangt aber bei weitem nicht so weit nach unten, wie die beiden andern. Die drei Mittelfußknochen liegen also im ganzen proximalen Teil nicht nebeneinander, sondern erscheinen nach hinten bündelartig zusammengedrückt (Taf. VIII Fig. 16). Dabei ist das mittlere Metatarsale erheblich schwächer entwickelt als die beiden seitlichen. Diese eigenartige Stellung der drei Knochen- anlagen verliert sich nach unten mehr und mehr. Letztere runden sich allmählich, gleichzeitig büßen die seitlichen an Umfang ein und rücken nach oben, so daß alle drei etwa in der Mitte ihrer Gesamt- länge annähernd gleich große Querschnitte aufweisen, von denen der mittlere nur wenig über den beiden seitlichen liegt, und die sich gegenseitig nur wenig abplattend, fast kreisrund sind. Noch weiter distalwärts rücken die Mittelfußknochen so weit auseinander, daß sich die gegenseitige Abplattung vollständig verliert, gleichzeitig geht aber auch die Rundung des Querschnittes verloren, indem sich an jeder der Knorpelleisten der Gelenkkopf zu bilden beginnt, an dem die proximalen Phalangen je einer Zehe artikulieren. Diese Gelenkköpfe lassen, obwohl sie sich in rein knorpeligem Zustande befinden, alle Einzelheiten erkennen, welehe von den Gelenkköpfen des ausgebildeten Os metatarsale (S. 243) beschrieben wurden, auch steht der mittlere den beiden seitliehen hinsichtlich der Größe in diesem Jugendzustand um ebensoviel nach, wie dies beim er- wachsenen Tier der Fall ist. Zum Studium der histologischen Verhältnisse der jugend- lichen Metatarsalien wurden Quer- und Längsschnitte durch dieselben angefertigt. Derartige Schnitte (Taf. VIII Fig. 17) zeigen, daß jedes Metatarsale für sich verknöchert und zwar befinden sich alle drei in demselben Stadium der Ossifikation, so daß die letztere nur von einem der drei Knochen geschildert zu werden braucht. Die beiden Enden jedes Metatarsale bestehen aus hyalinem Knorpel 262 Alfred Schumann (Taf. VIII Fig. 16 und 18 A%), dessen Zellen am Rande etwas diehter angeordnet sind als in der Mitte. Die Kerne dieser Knorpelzellen haben rundliche oder ovale Gestalt. In letzterem Falle ist ihre Längsachse bald senkrecht, bald wagrecht, oder schräg zur Längs- richtung der Knochenanlage gestellt. Etwa auf dem sechsten Teil der Gesamtlänge der letzteren finden offenbar Teilungsvorgänge in den Knorpelzellen statt, da man vielfach zwei oder mehrere von ihnen in einer Knorpelhöhle liegen sieht (Taf. VIII Fig. 18). Viel- leicht infolge des durch diese Teilungen hervorgerufenen Druckes nehmen die Knorpelkerne nun spindelartige Gestalt an und stellen sich so, daß ihre Längsachse orthogonal zu derjenigen des sich ent- wickelnden Knochens gerichtet ist. Gleichzeitig rücken die Knorpel- höhlen gruppenweise zusammen, so daß man innerhalb solcher Gruppen im Schnitt die Knorpelgrundsubstanz sich fadenartig um die einzelnen Höhlen herumziehen sieht, während die Höhlengruppen durch dieke Massen von Knorpelgrundsubstanz getrennt werden. Noch weiter nach der Mitte der Knochenanlage zu beginnen die Knorpel- zellen sieh zu vergrößern und ihre Kerne wieder abzurunden. Durch diesen Vorgang erscheint der werdende Knochen hier wie blasig aufgetrieben, während gleichzeitig die Knorpelgrundsubstanz sich zwischen die geteilten Knorpelzellen einschiebt, so daß sich letztere meist einzeln in je einer Höhle befinden; dabei liegen aber noch immer die Zellen gruppenweise zusammen. Allmählich ändert sich nun die Knorpelgrundsubstanz, was am besten daran zu erkennen ist, daß dieselbe anfängt Hämatoxylin aufzunehmen. Man sieht auf dem Schnitt schwach gefärbte Maschen von solcher Knorpelgrund- substanz und innerhalb derselben die Gruppen von gequollenen Knorpelzellen. Gleichzeitig mit diesem allmählichen Festerwerden büßt die Knorpelgrundsubstanz an Volumen ein, so daß die junge Knochenanlage wieder auf ihren normalen Umfang zusammen- schrumpft. Ziemlich unvermittelt färbt sich die weiterhin folgende Knorpelgrundsubstanz sehr intensiv und erscheint bei stärkerer Ver- größerung feinkörnig, weil sich Kalksalze in ihr abgelagert haben. In der Zone, in der sich dieser verkalkte Knorpel befindet (Taf. VIII Fig. 18 4%), ändert sich auch das histologische Bild in der Peripherie des verknöchernden Knorpelstabes vollständig. Oben an den Gelenkenden wird der Knorpel außen von mehrsehichtigem Bindegewebe umgeben, dessen spindelförmige Zellen parallel zur Längsachse des Knorpels angeordnet sind. Mehr nach der Mittel- zone des Metatarsus hin vergrößern sich einzelne dieser Binde- Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 263 gewebszellkerne und stellen sich rechtwinklig zu jenem: es sind dies die Osteoblasten, welehe nunmehr perichondrale Knochensub- stanz auf den Knorpelstab abzulagern beginnen. In schroffem Gegensatz zu den bei der Tibia herrschenden Verhältnissen bildet nun aber dieser perichondrale Knochen hier nicht eine nur hin und wieder durch die Anlage Haversscher Kanälchen unterbrochene Hülse, sondern umgibt vielmehr den Metatarsus als weitmaschiges Netzwerk. Durch die weiten Hohlräume in diesem perichondralen Balkenwerk wandern zahlreiche Osteoblasten in das Innere und heginnen den verkalkten Knorpel zu resorbieren, so daß ein rasch wachsender, primordialer Markraum gebildet wird. Auf den vorliegenden Stadien von Dipus nimmt der Knorpel mit seinen Übergangsstadien bis zur beginnenden Verkalkung das distale und proximale Drittel jedes der drei Metatarsalia ein, wäh- rend das mittlere Drittel proximal- und distalwärts aus verkalktem Knorpel besteht, seine mittlere Partie aber von dem entstehenden Markraum eingenommen wird (Taf. VIII Fig. 16) und sich über beide, d.h. den verkalkten Knorpel und den Markraum das lockere Flecht- werk von perichondraler Knochensubstanz legt. Verfolgt man die Verknöcherung der drei Metatarsalia auf Quer- schnitten, so fällt naturgemäß die Zusammenquetschung der Knorpel- zellen nicht auf, da man dieselben alsdann von der Fläche aus sieht. Übrigens ist auf solchen Schnitten zu konstatieren, daß die Verkalkung des Knorpels und die perichondrale Verknöcherung nicht bei allen drei Metatarsalia in derselben Höhe beginnt, vielmehr zeigt sich, daß bei Metatarsus II und IV, wenn man vom proximalen Ende aus- geht, der Knorpel früher verkalkt und mit einer an breiten Lücken reicheren perichondralen Knochenhülse bedeekt ist, als dies beim Metatarsus III der Fall ist. Dafür reicht aber bei letzterem die Verknöcherung weiter nach unten als bei den seitlichen Mittelfuß- knochen. Aus dieser kurzen histologischen Beschreibung ergibt sich, daß das einheitliche Os metatarsale von Dipus sich nicht nur in Form dreier voneinander vollständig getrennter, den Metatarsalien II bis IV der übrigen Säuger entsprechender Knorpelstäbe anlegt, sondern daß jeder der letzteren auch noch ziemlich stark verknöchert (Taf. VIII Fig. 16), ehe die Verwachsung zu einem soliden Röhrenknochen vor sich geht. Leider fehlen die Übergangsstadien zwischen dem jung geborenen und dem erwachsenen Tier, so daß nicht konstatiert wer- den konnte, in welchem Alter die Springmäuse eigentlich ihr ein- 264 Alfred Schumann faches Metatarsale erhalten. Es konnte nur Gewißheit darüber zu erlangen gesucht werden, ob das Metatarsalrohr des erwachsenen Dipus noch Spuren seiner ursprünglich in der Dreizahl vorhandenen Anlage erkennen läßt. Zu diesem Zwecke wurde ein Stück des Metatarsus einer er- wachsenen Springmaus in verdünnte Salpetersäure, ein anderes in wässrige gesättigte Pikrinsäurelösung gelegt und letzterer nach und nach bis 8% Essigsäure zugesetzt. Der Knochen wurde in den eben erwähnten Entkalkungsflüssigkeiten zwar weich, sobald ich denselben aber in Paraffin einbettete, wurde er wieder spröde und hart und trotz aller möglichen Versuche mit schwer schmelzbarem Paraffın (Schmelzpunkt 68° C.) oder mit Kollodium gelang es nicht, mittels des Mikrotoms Schnittserien anzufertigen. Da diese Versuche fehlgeschlagen waren, wurden mit der Laub- säge, wie bei der Tibia, Blättchen in verschiedener Höhe aus dem ausgebildeten Metatarsus herausgeschnitten und dann zu mikroskopi- schen Präparaten verschliffen. Die so erhaltenen Querschnittsbilder ergaben, daß das ausge- bildete Metatarsale eine Knochenröhre darstellt, deren Wandung an den dieksten Stellen 0,3 mm, im Mittel 0,25 mm, stellenweise aber auch nur 0,15 mm mißt. Vom proximalen Ende an bis nahezu zur Gabelung in die drei distalen Gelenkköpfe ist keinerlei Substantia spongiosa entwickelt. Man sieht bloß bei manchen Exemplaren eine schmale, zarte Knochenlamelle (Taf. VIII Fig. 127) in das Lumen dort hineinragen, wo bei den nämlichen Tieren die mehrfach er- wähnten leichten Furchen S. 242 und 260 auf der Außenfläche zu beobachten sind. In diesen schwachen Knochenleisten dürfte man berechtigt sein, Andeutungen der ursprünglich in der Dreizahl an- gelegten Mittelfußknochen zu sehen. Deutlicher sind am distalen Ende die vom Embryo und jungen Tier beschriebenen Verhältnisse zu erkennen, indem man hier vor der Spaltung in die drei Gelenk- köpfe das Lumen des Mittelfußknochens durch längsverlaufende Scheidewände in drei vollständig voneinander getrennte Höhlungen mit rundem Querschnitt geteilt sieht (Taf. VIII Fig. 13). Die Scheide- wände entstehen dadurch, daß jeder der drei Hohlräume von einem Knochenröhrehen umgeben ist, welch letzteres bei der Berührung mit seinem Nachbar verschmilzt, während über und unter der Ver- schmelzungslinie je ein im Querschnitt dreieckig erscheinender Hohl- raum zwischen der Wandung des ganzen Metatarsalknochens und derjenigen der drei abgeschnürten Höhlungen verbleibt. Bis auf Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 265 diese nur auf eine kurze Strecke vorhandene Teilung des Metatarsus- lumens ist von der ursprünglichen Anlage des Mittelfußes absolut nichts zu erkennen und auch beim Studium der feineren histolo- gischen Verhältnisse nichts zu entdecken. Querschliffe durch die mittlere oder obere Partie des Mittelfußknochens zeigen nämlich fol- gende histologische Verhältnisse: Das weite Lumen wird von einer ziemlich mächtigen Schicht von inneren Grundlamellen umgeben. In diesen Lamellen besitzen die Knochenhöhlen dünn spindelförmige Gestalt und sind mit ihrer Längsachse der Peripherie des Quer- schnittes parallel gestellt (Taf. VIII Fig. 14 gl.x). Hier und da durch- zieht ein Haverssches Kanälchen, ohne von Speziallamellen um- geben zu sein, und ohne die Stellung der Knochenhöhlen zu be- einflussen, diese ganze lamellare Schicht und mündet unter meist rechtem, gelegentlich aber auch spitzem Winkel in das Lumen. Auf diese innere Schicht legt sich eine zweite, in der die HAvErSs- schen Kanälchen in größerer Zahl auftreten, sich nicht selten ver- zweigen und von Speziallamellen umgeben sind (Taf. VIII Fig. 14 h.s). Für interstitielle oder Schaltlamellen bleibt meist kein Raum übrig, da die Haversschen Kanälchen mit ihren Lamellenschichten gewöhnlich direkt zusammenstoßen. Diese kanälchenreiche Schicht erstreckt sich fast bis zur Peripherie des Knochens, indem äußere Grundlamellen nur so weit entwickelt sind, als es zur Glättung der Oberfläche des Metatarsalrohres erforderlich ist. Natürlich münden Haverssche Kanälchen auch nach außen, da in ibnen die Blutge- fäße verlaufen, denen die Ernährung des Knochens obliegt. In der Hauptsache besteht also die Metatarsuswandung aus zwei abweichend gebauten, gleichstarken Knochenschichten, nämlich einer inneren lamellaren und einer äußeren, aus verschmolzenen Röhrchen aufge- bauten Lage. Das Os metatarsale weicht hiernach histologisch von der Tibia insofern ab, als bei ihm die Schicht äußerer Grundlamellen fast ganz fehlt, während letztere beim Schienbein dieselbe Mächtig- keit aufweist, wie die Röhrchenschicht und die innere Lamellen- schicht. In Schliffen vom distalen Ende, also aus der Gegend, in der das Lumen des Metatarsus in drei Einzelhöhlen gespalten ist, sieht man jede der letzteren von wenigen inneren Grundlamellen um- geben, während die Röhrchenschicht mehr als drei Viertel der Kno- chendicke ausmacht und ohne Einschnürung die Höhlungen umzieht. Die ersten beiden Phalangen jeder Zehe sind gleichweit entwickelt: ihre Enden bestehen aus unverändertem hyalinen Knorpel 266 Alfred Schumann (Taf. VIII Fig. 19 ph.T und /7), ihre mittlere Partie aber erscheint stark blasig aufgetrieben, indem sich hier die Zellen bereits genau in derselben Weise geteilt und vergrößert haben, wie es beim Meta- tarsus von den, den Gelenkenden benachbarten Partien beschrieben worden ist. Im Zentrum jeder dieser Phalangen hat der Knorpel bereits etwas von dem Färbmittel (Hämatoxylin) angenommen, doch läßt sich eine auf beginnende Verkalkung deutende Körnelung nicht erkennen. In sehr auffallender Weise heben sich die Krallenglieder der Zehen von den übrigen Phalangen insofern ab, als sich ihr distales Ende fast auf demselben Stadium der Verknöcherung be- findet, welches der Metatarsus aufweist, während ihr proximales Ende noch aus rein hyalinem Knorpel besteht. Ein Längsschnitt (Taf. VIII Fig. 19 »4./IT) dureh eins dieser Endglieder zeigt folgende höchst eigenartige histologische Verhältnisse: Auf einem kurzen, gleichmäßig dieken soliden Knorpelzylinder sitzt, ähnlich wie der Fingerhut auf dem Finger, eine zugespitzte Kappe von perichon- dralem Knochen, deren Außenwand durch die Anlage der ersten Haversschen Kanälchen an mehreren Stellen tief ausgebuchtet ist und von einem derbfaserigen Periost überlagert wird. Die Spitze dieser perichondralen Knochentüte wird von etwas stark verkalktem Knorpel ausgefüllt, auf dem proximalwärts rasch die Übergangs- stadien bis zum völlig hyalinen Knorpel folgen (s. Fig. 19). Die Ossa sesamoidea sind paarig, als linsenförmige Knorpelkerne an- gelegt, und die Zehen miteinander noch so weit verwachsen, daß nur die Spitzen der Krallenglieder frei nach außen ragen. Vergegenwärtigen wir uns nach Vorstehendem das Hinterextre- mitätenskelett des geburtsreifen oder eben geborenen Dipus, so haben wir folgendes: Das kurze plumpe Femur bat in der Mitte eine perichondrale Knochenhülse, im Inneren einen Markraum, alles übrige ist hyaliner Knorpel. Tibia und Fibula besitzen beide einen primordialen Markraum, sind nur am distalen Ende 0,36 mm weit miteinander verschmolzen, verlaufen im übrigen völlig getrennt und haben gleichfalls eine, die knorpeligen Gelenkenden nicht erreichende perichondrale Knochen- hülle. Die Tarsalia sind samt und sonders in ihrer definitiven Gestalt als völlig hyaliner Knorpel vorgebildet. An sie setzen sich drei Metatarsalia, deren jedes selbständig im Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 267 mittleren Teile seiner Längserstreckung perichondral zu verknöchern begonnen hat. Mit jedem dieser Mittelfußknochen stehen drei Phalangen in Verbindung, von denen die ersten beiden die Anfänge beginnender Knorpelverkalkung im Zentrum aufweisen, während die Spitze jeder dritten, später eine Kralle tragende Phalanx bereits ziemlich stark perichondral verknöchert ist. Im allgemeinen steht das Hinterextremitätenskelett der geburts- reifen, bzw. jungen Springmaus in bezug auf den Grad seiner Ent- wieklung wesentlich gegen das des neugeborenen Kindes zurück. Nach ©. Herrwis! ergibt sich folgender Vergleich: Während bei Dipus das Femur wie die übrigen Röhrenknocher nur in der Mitte von einer perichondralen Knochenhülse umgeben ist und unter derselben alle Veränderungen des Stützgewebes vom völlig hyalinen Knorpel an bis zur Ausbildung eines Markraumes in ganz allmäh- lichem Übergange zu beobachten sind, ist beim neugeborenen Kind das Oberschenkelbein, dessen Verknöcherung bereits in der siebenten Embryonalwoche beginnt, bis auf die Epiphysen schon völlig ver- knöchert, ja in der distalen Epiphyse hat sich schon ein Knochen- kern angelegt. Den gleichen Unterschied im Entwicklungsgrad weisen Tibia und Fibula auf, doch ist bei diesen Knochen zu konstatieren, daß dieselben bei den Springmäusen gleich weit vorgeschritten sind, während beim Menschen die Fibula gegen die Tibia zurückbleibt. Die Fußwurzelknochen, von denen beim Menschen Calcaneus und Astragalus bereits im 2.—3. Monat, das Cuboid aber kurz vor der Geburt zu ossifizieren beginnt, sind bei Dipus wahrscheinlich bis ziemlich lange nach der Geburt nur als hyaliner Knorpel an- gelegt. h Bei den Metatarsalien, deren Entwicklung beim Menschen der- jJenigen der Metacarpalien parallel läuft und deren Verknöcherung von der 9. Embryonalwoche an beginnt, herrschen zwischen Mensch und Springmaus dieselben Unterschiede, wie sie bei Ober- und Unter- schenkel zu konstatieren waren. Höchst abweichend verhalten sich schließlich die Phalangen: während dieselben nämlich beim Menschen gleichzeitig mit den Meta- tarsalien zu verknöchern beginnen und in der Entwicklung allge- mein die erste, also proximale Phalangenreihe, der zweiten, und 1 0. HerTwıG, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. Jena 1898. S. 609. 268 Alfred Schumann diese der dritten vorangeht, sahen wir bei Dipus, daß die erste und zweite Phalangenreihe nur die Anfänge der beginnenden Knorpel- verkalkung zeigen, während die distalen Phalangen, die Krallen- glieder, bereits mit einer kräftigen Kappe von perichondralem Kno- chen ausgestattet sind. Ill. Längen- und Wachstumsverhältnisse der Hinterextremitäten von Dipus; Vergleich derselben mit den Sprung- und Laufbeinen andrer Tiere, So auffällig auch bei Dipus erstens die Gesamtlänge der Hinter- extremitäten von derjenigen der vorderen abweicht, zweitens die einzelnen Skelettelemente beider Extremitätenpaare sich hinsichtlich ihrer Längenentwicklung unterscheiden, drittens die Hinterbeine gegenüber dem Rumpf und Kopf entwickelt sind, so hat doch meines Wissens nach niemand diese höchst charakteristischen Eigentümlich- keiten des Springmauskörpers durch Messungen an ein und dem- selben Skelett zahlenmäßig festgestellt und dargetan, wie sich die in Betracht kommenden Skeletteile bei Tieren mit ähnlicher Fortbe- wegungsweise gestalten. LICHTENSTEIN! gibt Maße für Dipus aegyptius Hempr. et Ehrbg. an und sagt, daß die Vorderfüße »um das Sechsfache von der Länge der Hinterfüße übertroffen« werden. Seine Beschreibung der ägyp- tischen Springmaus lautet: »Leibeslänge 6'/, Zoll; Ohren 2/; der Kopf- länge; Schwanz 71/; Zoll mit deutlicher Pfeilzeichnung, die Spitze 1 Zoll weiß, vor derselben 1!/, Zoll schwarz; Fuß 27/;, Zoll auf der Sohlenseite mit braunem Haar bewachsen, auch das längere Borstenhaar unter der Zehenwurzel dunkelbraun, gegen die Spitze der Zehen weiß; die Zehen selbst von fast gleicher Länge; Farbe gelblich, aschgrau.« Auch bei NEHRING? finden sich viele Zahlenangaben über Alac- taga und Dipus. Da dieselben sich auf fossiles Material beziehen, bei dem die Zugehörigkeit zu dem nämlichen Individuum wohl nur in seltenen Fällen feststeht, so können sie hier nicht berücksichtigt werden. Eımer3 beschreibt die Längenverhältnisse der Extremitäten von Dipus jacuhıs mit folgenden Worten: »Welch mächtige Entwicklung 1 LICHTENSTEIN, l.c. 8.145 und 15l. 2 NEHRING, Neues Jahrbuch für Mineralogie usw. Stuttgart 1898. Bd. II. S. 1-38. 3 EIMER, l.c. 8. 146. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 269 der Beine gegenüber den Armen bei den Springmäusen! Die Vor- dergliedmaßen samt Schulterblatt sind bei Dipus jaculus so klein, zart und zierlich, daß sie einem ganz andern Tiere anzugehören scheinen, als die hinteren. Etwa 6!/, cm sind Oberarm, Vorderarm und Hand zusammen. Fast ebenso lang ist der Oberschenkel allein, der Unterschenkel aber 71/, em, der Lauf ohne Calcaneus etwa 6 em. Der Oberschenkel ist also verhältnismäßig so lang wie beim Frosch und den hüpfenden Vögeln.« Wie bereits erwähnt, standen mir ein aus SCHMIDTLEINS Zucht stammendes neugeborenes Exemplar und zwei Embryonen von fast gleicher Größe, sowie die Skelette erwachsener Tiere aus dem zoo- logischen Museum zur Verfügung, so daß ich sowohl die Vorder- und Hinterextremitätenknochen unter sich vergleichen, als auch die für beide Entwicklungsstadien ermittelten Maße zueinander in Be- ziehung setzen, d.h. also das Wachstum der einzelnen Extremitäten- knochen sowohl wie dasjenige des ganzen Körperskeletts ermitteln konnte. a. Maße am erwachsenen Tier. Die Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel wurde bestimmt, indem ich von dem Vorderende der Ossa nasalia gerad- linig nach dem Foramen oceipitale magnum maß und dann dem Verlauf des Rückenmarks bis zum letzten Sacralwirbel folgte, die- selbe betrug 130 mm. Der Abstand vom letzten Sacralwirbel be- ziehentlich Vorderende des ersten Schwanzwirbels bis zur Schwanz- spitze, also die Gesamtlänge des Schwanzes, betrug 122 mm, dem- nach maß das ganze Tier 252 mm. Der Humerus, dessen äußerer Tuberkel gleiche Höhe mit dem Gelenkkopfe hat, ist in seiner ganzen Länge am Außenrande gemessen worden, es ergaben sich für den- selben 14 mm. Bei Ulna und Radius wurde die geradlinige Ent- fernung ihrer beiden Endpunkte festgestell. Der Radius ist der kleinere von beiden: er ist 20 mm lang, während die Ulna durch das ÖOleeranon ihn an Ausdehnung übertrifft und eine Länge von 23 mm erreicht. Die Gelenkflächen zwischen dem Radius und den Handwurzel- knochen waren von der äußersten Phalanxspitze 13 mm entfernt, hiervon kamen auf den längsten Metacarpus 4 mm. Das gesamte Armskelett besaß nach alledem eine Längserstreckung von 47 mm. Am Femur wurde von der Spitze des Trochanter major bis zum distalen Ende des Condylus lateralis eine Länge von 36 mm kon- 270 Alfred Schumann statiert, die Tibia maß vom Condylus medialis bis zum Malleolus medialis 53 mm. Das Os metatarsale besaß von der rundlichen Gelenkfläche des Metatarsus III bis zum Ende des mittelsten der drei getrennten distalen Gelenkköpfe eine Länge von 40 m. Die Mitte der Trochlea des Astragalus war von der äußersten Zehenspitze 73 mm entfernt, diese Entfernung entspricht bei der Hinterextremität derjenigen, die beim Vorderfuß vom proximalen Ende des Metacarpus bis zur distalen Fingerspitze festgestellt wurde. Für die Gesamtlänge der Hinterextremitäten ergeben sich demnach 36 +53 + 73 = 162 mm. Selbstverständlich wurden alle diese Messungen an einem und demselben Exemplar vorgenommen, sie stellen also keine Mittelwerte dar, wollte man solche festsetzen, so würde man eine große Anzahl von Individuen messen müssen, da ich beispielsweise allein beim Metatarsus erwachsener Tiere Längen- unterschiede von 7 mm = 17 % konstatieren konnte. b. Maße am neugeborenen Tier. Am neugeborenen Tier wurden in der gleichen Weise wie beim erwachsenen Messungen vorgenommen, welche folgende Zahlen er- gaben: Abstand der Ossa nasalia vom letzten Sacralwirbelende 48 mm, Schwanzlänge 25 mm, Gesamtlänge (Körper + Schwanz) 73 mm, Humerus 7,3 mm, Radius 5,3 mm, Ulna 7,0 mm. Hand (Handwurzel bis äußerste Phalanxspitze) 6 mm. Gesamtlänge des Vorderbeines 18,6 mn, Femur 8 mm, Tibia 9 mm, Metatarsus 5,5 mm. Fußlänge (Trochlea astragali bis äußerste Phalanxspitze) 14,0 mm. Gesamtlänge des Hinterbeines 31 mm. Die für das erwachsene und das junge Tier erhaltenen Maße lassen sich zu folgender Tabelle vereinigen, in deren letzten beiden Rubriken berechnet ist, wie sich die Zahlen gestalten, wenn man die Längenmaße des jungen Tieres gleich 100 setzt, also den prozentarischen Unterschied ermittelt (Rubrik 3), und wenn man die nämlichen Längen gleich 1 setzt, also ausrechnet, auf das Wievielfache Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. a7ı nach der Geburt der ganze Körper, sowie seine Teile heranwachsen (Rubrik 4). Tabelle 1. Penlänschan Abgerundetes Br Erwachsenes use Au Sbeglules grapen: Junges Tier FR e verhältnis des er- Tier ee) TR DIRT EN N dem jungen Tier : EEE jungen Tier Ossa nasalia bis letzten Sacralwirbel 48,0 130,0 271,0 23/4 Schwanz 25,0 122,0 488,0 5 Gesamtlänge (Körper + Schwanz) 73,0 252,0 345,0 31/5 Humerus 7,8 14,0 192,0 2 Radius 5,3 20,0 377,0 33/4 Ulna 7,0 23,0 329,0 31/a Hand (Handwurzel bis äußerste Phalanx- spitze) 6,0 13,0 217,0 21/4 Arm im ganzen 18,6 47,0 252,7 21), Metacarpus — 4,0 _ — Femur 8,0 36,0 450,0 All, Tibia 9,0 53,0 589,0 6 Metatarsus 5,9 40,0 727,0 71 Fuß (Trochlea astragali bis äußerste Pha- lanxspitze) 14,0 73,0 521,0 51/g Hinterextremität im ganzen 31,0 162,0 523,0 51/y Namentlich aus der letzten Rubrik dieser Tabelle ist ersichtlich, in welch außerordentlich verschiedenem Grade die einzelnen Skeletteile wachsen. Vor allen Dingen betrifft dieses Wachstum die Hinterextremität: während nämlich Kopf und Rumpf, sowie die Hand, noch nicht auf das Dreifache heranwachsen, verlängert sich die Hinterextremität um das 51/, fache. Auch die Wachstumsgeschwindigkeit der einzelnen Knochen muß sehr verschieden sein. Ich selbst war nicht in der Lage, die- selbe durch fortlaufende Messungen zu verfolgen, da aber SCHMIDTLEIN! in seiner schon öfters erwähnten Arbeit darauf be- zügliche Angaben publiziert hat, so sei es gestattet, die von dem- selben gewonnenen Resultate hier einzufügen. Nach SCHMIDTLEIN sind es namentlich die ersten Wochen des freien Lebens, in denen 1 SCHMIDTLEIN, l.c. 8. 8—11. Morpholog. Jahrbuch. 32. 18 272 Alfred Schumann das Tier die großen Verschiedenheiten der Längenverhältnisse zwi- schen dem postembryonalen und geschlechtsreifen Stadium auszu- gleichen beginnt. ScHmIiDTLEIN maß den Abstand bei dem stark sekrümmten Tier von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel und ebenso die Länge der Hinterextremitäten vom Hüftgelenk bis zur Zehenspitze geradlinig, wie es die Rücksicht auf die zarten und wahrscheinlich schon sehr unruhig zappelnden Tierchen mit sich brachte. Infolgedessen weichen seine Angaben erheblich von einigen der oben von mir gegebenen ab, was aber im vorliegenden Falle belanglos ist, da es sich um die Ermittlung von Verhältniszahlen handelt. SCHMIDTLEINS Messungen sind in der folgenden Tabelle zu- sammengestellt; in der letzten Rubrik derselben ist angegeben, wie sich die Gesamtlänge einschließlich des Schwanzes zu der des er- wachsenen Tieres verhält. Der Ermittlung dieses Verhältnisses sind für das erwachsene Tier 252 mm zugrunde gelegt, die ich, wie S. 269 er- wähnt, an einem ungewöhnlich starken Skelett maß. SCHMITDLEIN würde wahrscheinlich eine etwas kleinere Zahl erhalten haben, wenn er das betreffende Junge im erwachsenen Zustand gemessen hätte. Tabelle I. Verhältnis der Länge von Gesamtlänge Kopf der (nach Rubrik 3) -. Sel Schnauze | Vorder- | Hinter- | zu der gleich ae £ ET bis zur bein bein | 252 mm ange- nr Schwanz- nommenen des spitze erwachsenen Tieres nn — — u = nn 5 Dipus aegyptius, 1 Tag alt 40 20 60 13, | 157 9233232 - - 10 Tage - 50 30 80 En 1:32,15 E A - 70 35 105 DB un = ON ee 80 40 120 30" io etwas, über | | - ln) = - 90 70 160 30 | 80 TEE i Eagle ti) 100 90 190 BE 005 5 Er Bar 120 110 2301| — 110 RE Zi Die Tabelle zeigt deutlich, wie rasch das Tier, vor allen Dingen aber seine Hinterextremitäten wachsen. Während sich beispiels- weise die Körperlänge vom 1.—20. Tage verdoppelt, verfünffachen die Hinterbeine ihre Länge, und einem Körperwachstum zwischen dem 15.—20. Tag um 14% steht ein solches der Hinterextremitäten Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 373 um 40% gegenüber. Ähnliche Verhältnisse beschreibt Semon! von den Maeropodiden in folgender Weise: »In den Beutelstadien von Ma- eropodiden, die ich untersuchen konnte, hat der Fuß mehr oder weniger seine definitive Struktur erlangt. Im Macropus von 29 mm (Scheitel- Steißlänge) und im jüngeren Stadium von Betongia (38,50,60 mm Maß von der Schnauze bis zur Schwanzbasis) ist er noch kurz und plump, besonders der Metatarsus wächst aber von jetzt an tüchtig in die Länge: Dadurch wird der Fuß immer schmaler und schlanker und nähert sich immer mehr seiner definitiven Gestalt.« Wurden bis jetzt die Extremitätenknochen des jungen Tieres mit denen des erwachsenen Tieres verglichen und die Wachstums- geschwindigkeiten ermittelt, so erübrigt noch der Vergleich der Elemente der Vorderextremität mit den entsprechenden der Hinterextremität. Auf Grund der in Tabelle I gegebenen absoluten Maße verhält sich beim Tabelle II. neugeborenen erwachsenen Tier Tier Humerus: Femur 7,8:8,0 14,0 : 36,0 Radius: Tibia 5,3:9,0 | 20,0:53,0 Metacarpus: Metatarsus — 4,0:40,0 Handlänge: Fußlänge |, .6,0:514,0 13,0: 73,0 Vorderextremität: Hinterextremität | 18,6:31,0 | 47,0:162,0 Übersichtlicher werden die Zahlen dieser Tabelle, wenn man die an der Vorderextremität genommenen Maße jedesmal gleich 1 setzt, man erhält dann bei Abrundung auf eine Dezimale folgende Zahlen: Tabelle IV. \ Neugeborenes Erwachsenes Tier Tier Humerus: Femur 1,0:3,1 1,0:2,6 Radius: Tibia 1,0:1,7 1,0: 2,7 Metacarpus: Metatarsus — 1,0:10,0 Handwurzel bisl .J Fußwurzel bis i BR: Phalanxspitze [ \ Phalanxspitze 29 HP Vorderextremität: Hinterextremität | 1,0: 1,7 1,0: 3,5 1 SeMmon, Zoologische Forschungsreise in Australien und dem Malayischen Archipel. Denkschriften der medic.-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Jena 1894. V. Bd. S. 384. 18* 274 Alfred Schumann Aus dieser Tabelle ist klar ersichtlich, wie außerordentlich viel näher sich beim jungen Tier in bezug auf ihre Länge die ent- sprechenden Skelettelemente der Vorder- und Hinterextremität stehen als beim erwachsenen Tier, ist doch, um die letzten Verhältniszahlen in Worte zu kleiden, beim jungen Tier die Hinterextremität nur 1,7 mal so groß als die Vorderextremität, während sie beim er- wachsenen Dipus die letztere um das 3,5fache übertrifft. Die Springmaus bewegt sich, wie wir gesehen haben, aus- schließlich vermittels ihrer Hinterextremitäten fort und zwar so, daß stets, wenn die Ortsveränderung eine rasche ist, beide Hinterbeine gleichzeitig den Körper vom Boden abschnellen, so daß die Orts- veränderung durch eine Aneinanderreihung von Springbewegungen erfolgt. Zur Ausführung dieser Fortbewegung stehen dem Dipus in den Hinterbeinen drei bewegliche Hebelarme zur Verfügung: das Femur, die Tibia und der Metatarsus. Die Drehpunkte dieser Hebel- arme befinden sich, wenn wir das Hüftgelenk außer Betracht lassen, im Kniegelenk, in dem zwischen der Tibia und der Trochlea astra- gali befindlichen Fersengelenk und in dem Gelenk zwischen Meta- tarsus und Phalangen. Dureh die Innervation der an den drei Hebelarmen sowie nach unten an den Phalangen, nach oben am Becken und der Wirbelsäule inserierenden Muskeln wird die Springmaus zu geradezu erstaun- lichen Sprüngen befähigt. In der Literatur finden sich hierüber weit auseinandergehende Angaben. So schreibt LICHTENSTEIN !: »Jeder Sprung beträgt nämlich mehrere Körperlängen und kann bei einiger Anstrengung so vergrößert werden, daß man nach den un- gefähren Angaben sein höchstes Maß auf etwa zwanzig Körperlängen festsetzen darf.« Dabei folgen sich die Sprünge so rasch, und ist die dadurch bewirkte Flucht eine so behende, daß die Araber ihre Jagdhunde Springmäuse jagen lassen, um sie für die Antilopenjagd geschickt zu machen und an schnelle Wendungen zu gewöhnen. AsBorH hält nach ALDRICH? eine Sprungweite von 5 oder 6 Fuß bei der »kangaroo or jumping mouse« für zu hoch und die Hälfte, also 21/, bis 3 Fuß, für richtiger. Dem gegenüber aber bemerkt AupricH, daß die Springmaus »leaped at least five or six feet«, und fügt hinzu, daß es jedenfalls viel auf das Alter der Tiere ankomme. 1 LICHTENSTEIN, l.c. S$. 144. 2 AnprıcH, How far does the Jerboa jump? The American Naturalist. Philadelphia 1885. Volume XIX. 8. 514. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 375 PETTIGREwW! geht über 6 Fuß Sprungweite noch bedeutend hinaus. In einer Anmerkung schreibt er: »Die Springmaus kann, wenn sie verfolgt wird, 9 Fuß weit springen und ihre Sprünge so schnell wiederholen, daß man sie selbst mit einem schnellen Pferde nicht überholen kann.« Nach den Beobachtungen an meinen Tieren halte ich die An- gaben LICHTENSTEINsS und PETTIGREws, nach denen das Tier 2,5 bzw. 2,9 m weit springt, für wahrscheinlich, so daß man also mit ersterem sagen darf, die Sprungweite beträgt etwa das zwanzigfache der Körperlänge. Was die Elevation über dem Boden beim Sprung anlangt, so sah ich meine Springmäuse sich von der platten Diele 50 bis 60 em hoch emporschnellen. Der Schluß lag nahe, daß die Springmäuse zu der erwähnten außerordentlich raschen Lokomotion durch das Längenverhältnis der drei als Hebelarme in Frage kommenden Röhrenknochen befähigt werden. Ist das richtig, so steht zu erwarten, daß dieses Verhältnis bei sich in andrer Weise bewegenden Tieren wesentlich abweichen, dagegen bei in ähnlicher Weise ihren Ort ver- ändernden Tieren annähernd wiederkehren muß. Es war also zu prüfen, ob Eımers? Satz: »In allen Fällen haben dieselben mechanischen Ursachen dieselben Wirkungen, dieselben Umbildungen der Teile erzielt<, zu Recht bestünde. Aus der Klasse der Säugetiere steht Macropus giganteus so- wohl in bezug auf die allgemeine Körpergestalt, wie bzw. der Fort- bewegung der Springmaus am nächsten. Nennt doch ZIMMERMANN das Riesenkänguruh — an die arabische Bezeichnung Jerboa für Springmaus anknüpfend — Yerboa gigantea, Kanguroo und beschreibt dasselbe folgendermaßen: » Yerboa gigantea. Animal istud, ex Cokii vel Banckii relatione, quod ad formam, Yerbuae simillimum est, eujus etiam progrediendi vel saliendi potius mores modumque exacte imitatur.« In wilder Flucht, führt auch das Känguruh gewaltige Sätze aus und berührt nach jedem derselben nur mit den Hinterfüßen den Boden. BrEHMm? gibt die Sprungweite beim 1 PETTIGREW, Die Ortsbewegung der Tiere nebst Bemerkungen über die Luftschiffahrt. Leipzig 1875. 8.30 und 31. 2 EIMER, l.c. S. 145. 3 EBERH. AUG. ZIMMERMANN, Specimen zoologiae geographicae, quadru- pedum domieilia et migrationes sistens. Lugduni Batavorum 1777. 8. 526. 4 BREHM, l.c. Bd. 1II S. 648. 276 Alfred Schumann Macropus zu 6 bis 10 m, die Sprunghöhe zu 2 bis 3m an. So ge- waltig dieses Maß auch erscheint, so steht das Känguruh doch dem Dipus relativ ganz bedeutend nach, da eine Springmaus, falls sie auf die gleiche Größe, nämlich 1,75 cm heranwüchse und propor- tional ihre Sprungfähigkeit steigerte, alsdann über 30 m weit springen würde. Das Skelett der Hinterextremität vom Macropus besteht natürlich aus denselben Teilen wie dasjenige von Dipus, nur sind die Mittelfußknochen voneinander getrennt. Es ist auf S. 278 hinsichtlich seiner Maße mit Dipus verglichen. Eine Hüpfbewegung führt ferner der Hase aus: er schnellt sich mit seinen beiden langen Hinterbeinen gleichzeitig vom Boden ab und fällt nach jedem Sprunge auf alle vier Füße. Bei sehr vielen andern Säugetieren erfolgt die Ortsbewegung insofern auf abweichende und doppelte Weise, als dieselben schrei- ten, wenn sie sich langsam fortbewegen, dagegen springen, wenn sie rasch von der Stelle zu kommen suchen. Als Bei- spiel sei das Pferd genannt. Führen wir im Anschluß an die Säuger noch den Menschen an, so ist über dessen Hinterextremität zu bemerken, daß beim Gang nach jedem Schritt der gesamte Fuß den Boden berührt, daß bei jedem, dem schnellen Laufe einge- fügten Weitsprunge das Abschnellen nur durch ein Bein be- wirkt wird, und schließlich die menschliche Hinterextremität auch zu ganz abweichenden Verrichtungen, wie zum Klettern, befähigt ist. Was die Klasse der Vögel anlangt, so weicht der Bau ihres Hinterextremitätenskeletts insofern wesentlich von dem der Säuger ab, als die Anlagen der Fubwurzelknochen zum Teil mit dem Unter- schenkel, zum andern Teil mit dem Mittelfußknochen verschmelzen '. Das Fersengelenk liegt bei ihnen also zwischen dem Tibio-Tarsale und dem Tarso-Metatarsale. Bei manchen Vögeln kehrt bei der Ortsveränderung auf dem Boden genau dieselbe Bewegungsweise wieder, die wir von den Springmäusen her kennen. Sehen wir bei- spielsweise eine Amsel oder einen Hänfling hüpfen, so werden wir in hohem Grade an die Bewegung der Springmaus erinnert. Andre Vögel dagegen führen konstant Schreitbewegungen aus, ich verweise als Beispiel auf einen so ausgezeichneten Läufer wie den Strauß, sowie auf den wie auf Stelzen gehenden Flamingo. 1 GEGENBAUR, Vergleichend-anatomische Bemerkungen über das Fußskelett der Vögel. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin. Leipzig 1863. S 463. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 1 Unter den Reptilien fehlen die Springer, bis auf den wenig bekannten australischen Chlamydosaurus Kingi und fossile Dino- saurier (Campsognathus longipes Wagn.), dagegen sind sie in der Klasse der Amphibien zahlreich (Frösche). Auch bei diesen letz- teren sind in der Hinterextremität im wesentlichen drei Hebel- arme entwickelt, die sich zu denen der [springenden Säuger in Parallele setzen lassen. Es entspricht nämlich der Oberschenkel, sowie der aus der Verwachsung des Schien- und Wadenbeines her- vorgegangene Unterschenkel der Anuren vollständig den gleichnami- sen Hinterextremitätenknochen der Säugetiere. Der dritte Hebelarm aber wird bei den Anuren im Gegensatz zu den Säugern durch das außerordentlich in die Länge gezogene Tibiale und Fibulare gebildet, und das Gelenk, welches demjenigen zwischen Metatarsus und Pha- langen bei Dipus entspricht, befindet sich bei den springenden schwanzlosen Lurchen zwischen Fußwurzel und Mittelfuß. Über die Sprungfähigkeit von Rana mugiens, den Ochsenfrosch, macht PrTTI- GREW! die überraschende Angabe, daß derselbe, wenn er bedrängt wird, 6—8 Fuß weit und über eine 5 Fuß hohe Hecke zu springen vermag. Interessant und bedeutungsvoll ist schließlich, daß die Dreizahl der Hebelarme auch in der Klasse der Gliederfüßler, und zwar bei einem so typischen Springer, wie dem Floh, auftritt. Dadurch nämlich, daß die Hüfte (Coxa)? eine ganz außergewöhnliche Ent- wicklung zeigt und »in der Größe ziemlich diejenige des Schenkels erreicht«, erscheint es natürlich, für die Springbewegung die Coxa des Flohes dem Femur der Springmaus, den Schenkel (Femur) des ersteren der Tibia, und schließlich die Schiene (Tibia) des Gliedertieres dem Tarsus-Metatarsus des springenden Säugers in Parallele zu setzen. Nach alledem finden sich also bei den namhaft gemachten Tieren allenthalben drei frei bewegliche Hebelarme am Hinterbein- paar, deren Analogie aus folgender tabellarischer Zusammenstellung ersichtlich ist: 1 PETTIGREW, l.c. 8.31. 2 TASCHENBERG, Die Flöhe. Halle 1880. S. 19. 278 Alfred Schumann Tabelle V. Säugetiere | Vögel | Froschlurche GUASEE füßler Il. Hebelarm Femur Femur Femur ’ Coxa Tibia : Tibia (Fibula), ur II. Hebelarm (Fibula) Karabaten Tibia Femur Calcaneus Markus Distale Tar- III. Hebelarım & salknochon;;) Tibäsle ui Marsa reihe + Me- | Fibulare Metatarsus tatarsus Nach dem von EIımEr in seiner oben zitierten verdienstvollen Schrift entwickelten Gedanken müßte nun erwartet werden, daß die relativen Längen der drei Hebelarme bei den oben als Beispiele herangezogenen Tieren um so mehr übereinstimmen, je mehr Ähnlichkeit hinsichtlich der Lokomotion zu beobachten ist. Um hierüber Aufschluß zu gewinnen, wurden die sich entsprechenden Hebelarme der verschiedenen oben angeführten springenden und schreitenden Tiere gemessen. Die hierbei gewonnenen Zahlen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Tabelle VI. 1 11. DIE, Gesamt- Hebelarm | Hebelarm | Hebelarm länge ın ın ın ın mm mm mm mm Dipus aegyptius | 36 53 47 136 Macropus giganteus | 225 445. | 180 850 Lepus limidus | 140 151 81 372 Equus caballus | 470 365 370 1205 Homo sapiens | 469 330 | 151 1000 Turdus merula 28 45 31 104 Fringilla canahina 16 2 17 58 Struthio camelus | 240 465 400 1105 Phoenicopterus ruber 85 310 270 665 Rana temporaria 25 30 15 70 Rana mugiens 63 66 | 31,5 160,5 Pulex irritans | 0,5 | 0,525 0,515 Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 379 Aus dieser Tabelle kann, da sie die an je einem Individuum festgestellten absoluten Längenmaße enthält, die vermutete relative Übereinstimmung oder Annäherung nicht hervorgehen, infolgedessen wurde bei jedem der Tiere die Totallänge der Extremität gleich 100 gezetzt und der prozentarische Anteil jedes Hebelarmes berechnet. Die Tabelle nimmt dann folgende Gestalt an: Tabelle VI. 1, I. III. Hebelarm | Hebelarm | Hebelarm Dipus aegyptius | 26,5 39,0 34,5 Macropus giganteus 26,5 92,3 21,2 Lepus timidus BE Br, 40,6 21,8 Equus caballus 39,0 30,3 | 30,7 Homo sapiens 46,9 38,0 15,1 Turdus merula 26,9 43,3 29,8 Fringilla canabina 27,6 43,1 293 Struthio camelus Im 42,1 36,2 Phoenicopterus ruber 12,8 46,6 40,6 Rana temporaria le | alas 21,4 Rana mugiens sg. | all 19,6 Pulex irritans EA a a 33,4 Zunächst überrascht es, daß diese Tabelle, im ganzen genom- men, keine gute Übereinstimmung der einzelnen Hebelarme auch bei Tieren mit sehr ähnlicher Fortbewegung erkennen läßt, obwohl sich beispielsweise die für Dipus aegyptius ermittelten Zahlen: 26,5; 39,0; 34,5 wenigstens nicht allzuweit von denen bei Turdus merula, nämlich: 26,9; 43,3; 29,8 entfernen. Da aber andrerseits Macropus giganteus mit den Zahlen: 26,5; 52,3; 21,2 ganz erheblich von der Springmaus abweicht, so wurde geprüft, ob sich durch die Summierung zweier Hebelarme eine bessere und allgemeinere Über- einstimmung ergibt. Werden die Hebelarme 2 und 3, also bei den meisten Tieren Tibia, Tarsus nebst Metatarsus addiert, so resultiert folgende Tabelle, in der die Tiere auf Grund der sich ergebenden Resultate in von der oben gewählten abweichender Reihenfolge auf- geführt sind: 280 Alfred Schumann Tabelle VII. T. Il. + III. Hebelarm | Hebelarm Dipus aegyptius 26,5 | 73,5 Macropus giganteus 26,5 | 13,5 Turdus merula 26,9 | 73,1 Fringilla canabina 27,6 72,4 Lepus timidus 37,6 62,4 Equus caballus 39,0 61,0 Rana mugiens 39,3 60,7 Rana temporaria 35,7 64,3 Pulex irritans 32,5 67,5 Homo sapiens 46,9 53,1 Struthio camelus 241,7 18,3 Phoenicopterus ruber | 12,8 87,2 In dieser Tabelle tritt sofort eine gruppenweise, geradezu über- raschende Übereinstimmung in der Länge des ersten Hebelarmes und der Summe der beiden andern hervor. Zunächst ist es die Gruppe: Dipus, Macropus, Turdus und Fringilla, bei deren sämtlichen Glie- dern der Oberschenkel nur zwischen 26,5 und 27,6%, die Summe von Tibia + Tarsus-Metatarsus zwischen 72,4 und 73,5 4 schwankt. Im Mittel mißt hier das Femur 26,9, Tibia-Tarsus-Metatarsus aber 73,1% der Gesamtlänge des Fußes. Die zweite sehr — aber immerhin weniger als die erste — übereinstimmende Gruppe bilden: Lepus, Equus, Rana, Pulex; bei ihr schwankt das Femur von 32,5 bis 39,3%, Tibia-Tarsus-Meta- tarsus von 60,7 auf 67,5% der Gesamtlänge der drei Hebelarme; ersterer mißt also im Mittel 36,8, letzterer 63,2% von der Hinter- extremität. Völlig abweichend von diesen beiden Gruppen sowohl wie unter sich sind Homo, Struthio, Phoenicopterus.. Wenn wir uns an die oben, S. 275 bis 277 geschilderte Fortbewegungsweise aller der Tiere erinnern, so sehen wir nun, daß diejenigen Tiere, welche sich ausschließlich oder vorwiegend springend und hüpfend auf nur zwei Beinen fortbewegen, die vollkommenste Übereinstimmung in dem Verhältnis Femur zu Tibia + Tarsus + Metatarsus zeigen und daß dieses Verhältnis 2:5 ist, die zweite Gruppe umfaßt diejenigen Tiere, welche bei schneller Ortsveränderung sich namentlich mit den Hinterextremitäten vom Boden abschnellen und nach Vollführung Jedes Sprunges auf alle vier Füße niederfallen; bei dieser Gruppe ist das Verhältnis von Femur zu Tibia + Tarsus + Metatarsus Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 381 gleich 4:7. Die Übereinstimmung ist hier nicht ganz so groß wie bei der ersten, was darin seinen Grund haben dürfte, daß die Fort- bewegungsweise hier bei weitem nicht so einseitig ist als bei der ersten Gruppe, indem ja Eguus und Pulex nicht nur vortreffliche Springer, sondern auch gute Läufer sind. Daß Homo, Struthio und Phoenicopterus weder unter sich noch mit den erwähnten Gruppen irgendwelche Übereinstimmung zeigen können, ist natürlich, wenn man an den vielseitigen Gebrauch der Hinterextremität des Menschen, an die einseitige Anpassung der Beine des Straußes an den Schnellauf und derjenigen des Flamingo an das langsame Waten im Wasser denkt. Nach alledem hat sich also ergeben, daß bei im System weit auseinander stehenden Tieren gleiche Ursachen die gleichen Folgen gehabt haben, daß aber für das Springen sich nicht ein konstantes Verhältnis der drei wesentlich in Frage kommenden Hebelarme herausstellt, sondern daß ein solches nur zwischen dem Oberschenkel und der Summe aus Unterschenkel und Fuß besteht und daß dies durch die Zahlen 2:5 ausgedrückt wird. Ergebnisse. 1) Das Skelett der Hinterextremität von Depus ist dem der Vögel außerordentlich ähnlich. Dies beruht hauptsächlich darauf, daß nur ein auffallend langes Metatarsale und namentlich an drei Stellen gute gelenkige Verbindungen vorhanden sind, nämlich am Knie, zwischen Unterschenkel und Fuß und schließlich zwischen Mittelfuß und Phalangen. 2) Die Gelenke am Dipus-Bein sind so eingerichtet, daß die Be- wegung fast nur in sagittaler Richtung möglich ist. Dies wird vor allen Dingen durch die zwei tiefen Aushöhlungen am Distalende der Tibia und die in dieselben eingreifenden hohen Gelenkrollen des Astragalus, sowie durch Cristen am unteren Teile der drei Gelenk- enden des Metatarsus bewirkt, welch letztere die Phalangen und die mit ihnen verbundenen Sesambeine zu Bewegungen in rein sagittaler Richtung zwingen. 3) Mit dem längsten der Extremitätenknochen der schwach S-förmig gekrümmten Tibia ist die nur grätenartig entwickelte Fibula in den distalen drei Fünfteln verschmolzen. Kurz vor dem Distal- ende der Tibia erhebt sich auf deren Vorderfläche ein Knochenhaken und krümmt sich nach dem Malleolus lateralis hin. Unter dem- 282 Alfred Schumann selben und dem von ihm auslaufenden Ligamentum transversum cruris liegen die Sehnen des Musculus extensor digitorum longus. Da bei manchen Vögeln sich an der entsprechenden Stelle eine Knochenbrücke quer über die Tibia zieht, so kann in dem Knochen- haken eine Einriehtung gesehen werden, welche die Ähnlichkeit des Hinterextremitätenskeletts von Dipus mit dem der Vögel erhöht. 4) Der Tarsus erreicht nur den sechsten Teil der Länge der Tibia und besteht aus acht Knochen: dem Astragalus, dem Cal- caneus, dem Naviculare, dem Cuboid, dem Cuneiforme primum, secundum und tertium und dem Tibiale. Letzteres sowie das Cunei- forme primum sind mit den übrigen Fußwurzelknochen nur lose verbunden, indem das Tibiale als kleines tetraedrisches Knöchelchen in einer Lücke zwischen Astragalus, Caleaneus und Naviculare liegt, während das Cuneiforme primum als meißelförmiger Knochen auf dem Metatarsus ruht und proximalwärts gegen das Naviculare stößt. 5) Der einheitliche Metatarsus der erwachsenen Springmaus weist bei manchen Individuen durch zwei leichte Längsfurchen auf der Oberseite und eine solche auf der Unterseite, sowie durch ent- sprechende niedrige Längslamellen in seinem Lumen und durch die Teilung des letzteren in drei getrennte Höhlen am Distalende An- klänge an seine bis nach der Geburt persistierende Anlage in Ge- stalt dreier getrennter Knorpelstäbe bzw. Knochenhülsen auf. 6) Femur, Tibia und Metatarsus sind typische Röhrenknochen, in denen nur in den Epiphysen eine aus wenig Bälkchen und La- mellen bestehende Substantia spongiosa entwickelt ist. Mikroskopisch erweisen sich Femur und Tibia aus drei Schichten zusammengesetzt, nämlich aus einer Schicht äußerer Grundlamellen, einer Schicht innerer Grundlamellen und einer an Haversschen Kanälen reichen Schicht zwischen beiden. Beim Metatarsus fehlt die Schicht äußerer Grundlamellen. Die Fibula wird gleichfalls als Röhrenknochen an- gelegt, entwickelt sich aber nach der Geburt zu einer völlig soliden Knochengräte. 7) Jede Zehe von Dipus ist mit zwei Sesambeinen ausgestattet, von denen eins mit der ersten Phalanx, das andre mit der dritten fest verbunden ist und die plantarwärts zur Aufnahme je einer Sehne des Beugemuskels der Zehen tief ausgefurcht sind. 8) Die Phalangen der drei Zehen von Dipus sind so miteinander verbunden, daß die krallentragenden Endglieder durch die Sehnen des Museulus flexor digitorum bei der Abwärtsbewegung aneinander x Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 383 gepreßt werden und infolgedessen beim Sprung den Boden so be- rühren, als ob sie zu einem Hufe verwachsen wären. 9) Das Hinterextremitätenskelett des neugeborenen Dipus unter- scheidet sich dadurch von dem des erwachsenen, daß Tibia und Fibula nur am distalen Ende verschmolzen sind, im übrigen aber vollkommen getrennt voneinander verlaufen, und daß der Mittelfuß aus drei getrennten Knochenanlagen, nämlich einem Metatarsale secundum, tertium und quartum besteht, von denen jedes für sich eine perichondrale Knochenhülse aufweist. 10) Bei der Geburt ist das Skelett der Hinterextremität von Dipus gegenüber dem andrer Säuger auffallend in der Entwicklung zurückgeblieben. Während nämlich beispielsweise beim Menschen bis auf das Naviculare und die drei Cuneiformia sämtliche Skelett- elemente auf diesem Stadium bereits zum großen Teil verknöchert sind, weisen bei Dipus nur der Oberschenkel, Unterschenkel, Mittel- fuß und die Krallenphalangen Hülsen oder tütenförmige Ossifi- kationen auf. Die sämtlichen Epiphysen, Tarsalien und ersten beiden Phalangenreihen dagegen sind noch rein hyaliner Knorpel. 11) Da bei der erwachsenen Springmaus das Femur 36 mm, die Tibia 53 mm, der Metatarsus 40 mm lang gefunden wurde, während bei der neugeborenen die entsprechenden Zahlen 8,0; 9,0; 5,5 lauten, so ergibt sich, daß das Femur nach der Geburt auf das 4!/,fache, die Tibia auf das 6fache und der Metatarsus auf das 7'/‚fache heranwächst; bei der Tibia beträgt das Wachstum für den ver- schmolzenen Teil das S3fache und für den getrennt bleibenden das 31/2fache. 12) Der Vergleich der Sprungbeine von Dipus mit denen andrer Springer ergibt das interessante Resultat, daß der Oberschenkel zur Gesamtlänge von Unterschenkel und Fuß in einem festen Verhältnis steht, und zwar ist dieses Verhältnis bei den Tieren, welche nach dem Sprung nur auf die Hinterbeine fallen (Dipus, Macropus, Turdus, Fringilla), gleich 2:5, bei den Tieren hingegen, welche auf alle Füße niederfallen (Lepus, Eguus, Rana, Pulex), gleich 4:7. 284 1885. 1637. 1883. 1890. 1901. 1888. 1881. 1863. 1898. Alfred Schumann Literaturverzeichnis. ALDRICH, How far does the Jerboa jump? The American Naturalist. XIX. Volume. Philadelphia. ALDROVANDI, De quadrupedibus digitatis viviparis. Bonon. BAUR, Der Tarsus der Vögel und Dinosaurier. Morpholog. Jahrbuch. Bd. VIII. Leipzig. BrEHMm, Tierleben. Bd. II und III. Leipzig und Wien. EımEr, Vergleichend -anatomische -physiologische Untersuchungen über das Skelett der Wirbeltiere. Leipzig. FLOWER, Einleitung in die Osteologie der Säugetiere. Nach der dritten unter Mitwirkung von Dr. Hans GADow durchgesehenen Original- ausgabe. Leipzig. GApow in BronN, Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Bd. VI. 4. Abteilung. Aves. Leipzig. GEGENBAUR, Vergleichend-anatomische Bemerkungen über das Fußske- lett der Vögel. Archiv für Anatomie, Physiologie und wiss. Mediein. Leipzig. HErTwIG, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. Jena. 1874/1900. LECHE in BRonn, Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Bd. VI. 1825. 1876. 1898. 1575. 1895. 1894. 1898. 1890. 1849. 1591. 1777. 5. Abteilung. Mammalia. Leipzig. LICHTENSTEIN, Über die Springmäuse oder die Arten der Gattung Dipus. Abhandlungen der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin. NEHRING, Beiträge zur Kenntnis der Diluvialfauna. Zeitschrift für die gesamten Naturwissenschaften. Bd. XLVII. Halle. —— Über Alactaga saliens fossilis Nehring (= Alactaga jaeulus fossilis Nhrg.). Neues Jahrbuch für Mineralogie usw. Bd.II. Stuttgart. PETTIGREw, Die Ortsbewegung der Tiere nebst Bemerkungen über die ' Luftschiffahrt. Leipzig. SCHMIDTLEIN, Beobachtungen an Wüstentieren. Zoologischer Garten. Jahrg. XXXVI Heft3. Frankfurt a. M. Szmon, Zoologische Forschungsreise in Australien und dem Malaiischen Archipel. Denkschriften der medic.-naturwissenschaftl. Gesellschaft zu Jena. Bd. V. Jena. Stöhr, Lehrbuch der Histologie. Jena. STUDNICZKA, Cyrene, eine altgriechische Göttin. Leipzig. TURNER, Notes on the dissection of the Paradoxurus Typus, and of Dipus aegyptius. Proceedings of the Zoological Society of London. Part XVII. London. Vocr, Über die Verknöcherung des Hohlhandbandes und andrer Sesam- beine der Säuger. Inaugur:l-Dissertation. Tübingen. ZIMMERMANN, Specimen zoologiae geographicae, quadrupedum domieilia et migrationes sistens. Lugduni Batavorum. ‘st Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 285 Erklärung der Abbildungen. Tafel VII—VIII. Erklärung der bei den Figuren häufiger wiederkehrenden Buch- stabenbezeichnungen. Anatomische Bezeichnungen. fe Femur. t.ma Trochanter major, ep Epicondylus, t.mi Trochanter minor, co Condylus. e.f Caput femoris, pa Patella, £b Tibia, /b Fibula, ia Tarsus. a Astragalus, cb Cuboid, ca Calcaneus, C, Er, Crrr Cuneiformia, n Naviculare, t Tibiale. met Metatarsus. met,,, met,,;;, met,; beim neugeborenen Tier. ph Phalangen. ph, erste Phalangenreihe, ph; dritte Phalangenreihe, ph,;, zweite Phalangenreihe, 0.5 Ossa sesamoidea. 0.5; Ossa sesamoidea an der Basis 0.57; Os8a sesamoidea an der Basis der ersten Phalangenreihe. der dritten Phalangenreihe. Histologische Bezeichnungen. gl.a Schicht der äußeren Grundlamellen, gl.‘ Schicht der inneren Grundlamellen, hs an HAvErSschen Kanälen reiche Schicht, pe Periost, pch perichondraler Knochen, ech enchondraler Knochen, pr primordialer Markraum, h.k hyaliner Knorpel, kk verkalkter Knorpel. Tafel VII. Skelett der rechten Hinterextremität eines erwachsenen Dipus aegyptius (natürliche Größe). An der Tibia ist der S. 237 beschriebene Haken sichtbar. Die Ossa sesamoidea sind fortgelassen. Die Zehen sind durch aufrecht stehende römische Zahlen bezeichnet. Skelett derrechten Hinterextremitäteinesneugeborenen Dipus aegyptius (Vergr. 3,5). Nach einem tunlichst rein skelet- tierten, in Kanadabalsam eingebetteten Präparat unter Zuhilfenahme von Quer- und Längschnittserien gezeichnet. Tibia und Fibula sind 286 Alfred Schumann nur am distalsten Ende verschmolzen, der Mittelfuß weist drei von- einander vollständig getrennte Metatarsalia (met,,, met,,, und met,,) auf. Die Verknöcherung des Femur, der Tibia, der Fibula, der drei Metatarsalia und der drei Krallenphalangen sind durch dunkle Fär- bung gekennzeichnet. Fig. 3. Distales Ende des Unterschenkels (Vergr. 3). mm Malleolus medialis, m/ Malleolus lateralis, oberhalb derselben der Knochen- häken A, welcher sich über die Furche für die Sehne des Musculus extensor digitorum longus biegt. Fig. 4. Fußskelett des erwachsenen Dipus aegyptius von oben (Vergr. 2). Auf dem Metatarsus sind die leichten Längsfurchen sicht- bar, welche auf die Entstehung aus den drei getrennten Knochen hin- deuten. Die Zehen sind mit aufrecht stehenden Ziffern bezeichnet. Fig. 5. Fußskelett des erwachsenen Dipus aegyptius von unten (Vergr. 2). Auf dem Metatarsus ist die bei manchen Exemplaren vor- handene leichte Längsfurche sichtbar. Die Sesamoidea an der Basis der Krallenphalangen sind fortgelassen. Aus der gegenseitigen An- ordnung der Phalangen ist ersichtlich, daß deren Krallenglieder sich aneinander legen, gleichsam einen einheitlichen Huf bilden müssen, wenn die durch die tiefen Furchen auf der ersten Reihe der Sesamoid- beine laufenden Sehnen des Musculus flexor digitorum longus die Zehen plantarwärts ziehen. Gleichzeitig leuchtet ein, daß die seitlichen Se- samoidea bei der beschriebenen Bewegung sich nähern und dem mitt- leren ein Widerlager bieten müssen. Fig. 6. Rechter Tarsus deserwachsenen Dipus aegyptius voninnen (Vergr. 3). Fig. 7. Derselbe von außen. Fig. 8. Distales Ende des Metatarsus (Vergr. 3). Man sieht die Cristen (er) unten an den Gelenkköpfen, sowie bei denjenigen für Zehe II und IV die Gelenkknorren (g%) und die Gelenkrinnen (gr), welche die Bewegung der Ossa sesamoidea bestimmen. Fig. 9. Zehe IIdeserwachsenen Dipus aegyptius von innen (Vergr. 2). Tafel VIII. Fig. 10—14. Querschliffe durch Tibia und Metatarsus des erwach- senen Dipus aegyptius, und zwar Fig. 10 durch die gesamte Tibia (Vergr. 22), Fig. 11 durch die Tibia da, wo sich die Fi- bula abzuschnüren beginnt (Vergr. 50), Fig. 12 durch den Me- tatarsus (Vergr. 22), Fig. 13 durch das distale Ende des Meta- tarsus (Vergr. 22, Fig. 14 durch einen Teil des Metatarsal- rohres (Vergr. 75). Aus diesen Figuren ist ersichtlich, wie sich Tibia und Metatarsus histologisch unterscheiden (bei der Tibia drei Schich- ten, gl.a, gl. und hs; beim Metatarsus nur zwei Schichten, As und gl.:). Bei Fig. 12 sieht man die leichten Längslamellen quergeschnitten, _ welche auf die ursprüngliche Anlage hindeuten (2), und bei Fig. 13 ist das Lumen in drei getrennte Höhlen zerteilt. Fig. 15. Querschnitt durch die juvenile Tibia und Fibula (Vergr. 50). Die Fibula ist hohl, in dem primordialen Markraum der Tibia ist noch etwas verkalkter Knorpel vorhanden. Momholog. Jahrbuch Bd. ma frib-- Vornholog. Jahrbuch BaLNXXH, Tar vr st nlun » num | metll — met. metll Taf vun. ph | Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Das Skelett der Hinterextremität von Dipus aegyptius. 387 Längsschnitt durch den juvenilen Fuß (Vergr. 11). Die drei Metatarsalia weisen perichondrale Knochenhülsen auf, und zwar sind dieselben, da der Schnitt etwas schräg geführt ist, so getroffen wor- den, daß man beim Metatarsus II den gesamten primordialen Mark- raum sieht, während man beim Metatarsus IV die Oberfläche der Knochenhülse erblickt. Über und unter der Verknöcherung ist der Knorpel deutlich gequollen, während das distale und das proximale Ende der Metatarsalien wie die gesamten Tarsalien aus rein hyalinem Knorpel besteht. In den Phalangenreihen I und II ist noch keinerlei Verknöcherung vorhanden, wohl aber ist der Knorpel im mittleren Teile bereits blasig aufgetrieben. Die Verknöcherung der Krallen- glieder ist nicht sichtbar, da die perichondralen Knochentüten sich nach unten biegen und infolgedessen nicht vom Schnitt getroffen wurden. Querschnitt durch den juvenilen Mittelfuß (Vergr. 50). Die drei getrennten Metatarsalia besitzen je ein Periost, eine perichondrale Knochenhülse, einen primordialen Markraum mit Resten von verkalk- tem Knorpel. Längsschnitt durch das distale Ende des juvenilen Meta- tarsus II (Vergr. 50). Der hyaline Knorpel %% quillt nach unten all- mählich auf und wird zu verkalktem Knorpel %%, welcher der Re- sorption unterliegt, so daß auf der Figur ganz unten der primordiale Markraum innerhalb des perichondralen Knochens sichtbar ist. Längsschnitt durch eine juvenile Zehe (Vergr. 50). In der blasigen Auftreibung der Phalanx I und II sind die ersten Anfänge der beginnenden Verkalkung des Knorpels erkennbar. Phalanx III be- sitzt am distalen Ende eine perichondrale Knochentüte, innerhalb deren verkalkter Knorpel sichtbar ist, welcher proximalwärts ganz allmählich in rein hyalinen Knorpel übergeht. Morpholog. Jahrbuch. 32. 19 Beiträge zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. Von Prof. Hermann Dexler. (Aus dem tierärztlichen Institut der k. k. deutschen Universität in Prag.) Mit 46 Figuren im Text. Unter den prinzipiellen Schwierigkeiten, die sich der Durch- führung jener Art experimenteller Untersuchungen entgegensetzen, welche mit dem Baue und den Funktionen des Zentralnervensystems der Huftiere beschäftigen, ist unter anderm auch unsre zu ge- ringe Kenntnis des normalen Zustandes zu nennen. ‚Aber nicht nur dem Physiologen und dem Experimentalpathologen, sondern auch jenen Beobachtern, die einschlägige Gebiete der komparativen Pa- thologie bearbeiten, macht sich häufig genug dieser Mangel störend bemerkbar. Da wir nicht über ähnliche Spezialuntersuchungen ver- fügen, wie über das Gehirn des Frosches, des Kaninchens und des Hundes, so sind wir entweder gezwungen, ad hoc zeitraubende Vor- arbeiten anzustellen, oder zu Analogieschlüssen zu greifen, die immer den Verdacht der Ungenauigkeit an sich haben. Es ist ja richtig, daß in vielen Hauptpunkten eine Übertragung der morphologischen Verhältnisse des menschlichen Gehirns auf die- jenigen der höheren Säuger und von diesen auf die Ungulaten ge- stattet sein müsse. Zahlreich sind aber auch hiervon abweichende Befunde und je weiter sich unsre Umschau über den feineren Bau der Nervenorgane der verschiedenen Tierordnungen erstreckt, um so vorsichtiger wird man mit solchen Vergleichen zu Werke gehen. Ich erinnere nur an die Aufklärungen, welche wir in den letzten Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 989 Jahren über die zentralen motorischen Bahnen bei den Säugetieren, über die Morphologie ihrer Hirnrinde und über jene Variationen im Bauplane der Gehirne erhalten haben, die auf die Prävalenz des einen oder des andern Sinnesnerven zurückzuführen sind. Ein wei- terer Ausbau unsrer diesbezüglichen Kenntnisse scheint daher gewiß geboten. Das Gehim der Ungulaten ist bisher hinsichtlich seiner feineren Anatomie sehr wenig bearbeitet worden. Der elementare Bau ist nur bruchstückweise, meistens gelegentlich andrer Fragen studiert, und die ihn betreffenden Mitteilungen in die verschiedensten Zeit- schriften verteilt worden, so daß es sehr schwierig ist, ein zusammen- hängendes Bild zu gewinnen. Die meisten Arbeiten befassen sich mit den gröberen anatomischen Verhältnissen, mit der Konfiguration der Rinde des Groß- und Kleinhirns; neuestens ist uns auch von SCHELLENBERG eine Darstellung des Großhirnmarkes gegeben worden. Hingegen fehlen Arbeiten über die feinere Anatomie des Hirnstammes beinahe gänzlich. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, meine sich über eine Reihe von Jahren erstreckenden einschlägigen Untersuchungen unter möglichst weitgehender Bezugnahme auf die in der Literatur bereits niedergelegten Ergebnisse zu einem Ganzen zusammenzutragen, um so eine Handhabe oder Grundlage für jene Ergänzungen zu ge- winnen, die sich in Zukunft aus der embryologischen, experimentell physiologischen und der vergleichend anatomischen Methodik ergeben werden. Meine Untersuchungsresultate sind aus dem Studium teils kon- tinuierlicher teils unterbrochener Schnittserien gewonnen worden, die in frontaler, horizontaler und sagittaler Richtung geführt und nach WEIGERT-PAL gefärbt wurden. Zur Feststellung der Ausdehnung der Nervenkerne haben einige kontinuierliche Schnittserien gedient, die nach NıssL behandelt wurden. Endlich standen mir einige Beobach- tungen zur Verfügung, in denen ich die auf natürlichem, sowie auf künstlichem Wege veranlaßten sekundären Degenerationen be- nutzte. Ihre Zahl ist allerdings eine geringe. In Durchschneidungs- versuchen ist der Wert der Huftiere gewöhnlich ein zu hoher. Lokale, chronische Erkrankungsprozesse im Gehirn und Rückenmark kommen zwar vor; solitäre Tuberkel, Parasiten und Tumoren werden aber selten aufgedeckt. Auch pflegt man trotz zahlreicher, von mir wie von andern gegebenen Anregungen solche Vorkommnisse beinahe niemals zum Studium der Degenerationen zu verwenden, sondern 19* 290 Hermann Dexler sich mit der Darstellung der primären Schädigung zu begnügen. Damit begibt man sich eines Hilfsmittels, das in der Anatomie des menschlichen Gehirns zu den wichtigsten Konstatierungen die Wege gebahnt hat und andauernd zu neuen Resultaten führt. Meinen Darstellungen werden die makroskopischen Verhältnisse vorausgeschiekt, aber nur kursorisch, soweit sie zum Verständnis des inneren Baues beitragen. Eine genauere Beschreibung erfahren nur jene Organe, über deren Oberflächengestaltung keine einheitliche Auffassung existiert oder die meines Erachtens nicht so genau unter- sucht worden sind, als wir dies allgemein anzunehmen berechtigt wären. Fast alle Abbildungen sind von mir nach Photograpbien von in Wasser suspendierten Organen angefertigt. Je nach dem Zwecke wurden gehärtete oder frische Gehirne verarbeitet. Zur Erhaltung der Oberflächengestaltung habe ich stets eine Härtung der Gehirne im Schädel durch Formolinjektionen und sukzessives Ausbrechen der Schädelwand vorgenommen. Die Gefriermethode habe ich angesichts der von Ürıstmass gezeigten Fehler dieses Ver- fahrens nicht in Verwendung gezogen. Als Leittier dient das Pferd. Über sein Gehirn besitzen wir verhältnismäßig mehr Untersuchungen als über dasjenige des Schweines, Schafes und Rindes; auch bin ich von ihm bei der seinerzeitigen Anlage meiner Samm- lung ausgegangen. Rhombencephalon. Beim Pferde geht das in der Intumescentia cervicalis ' Z/ flachrunde Rückenmark im oberen Hals- teile in einen Strang von halbeylindri- schem Querschnitt über. Seine Dorsal- seite ist namentlich im Bereiche des II. JY und I. Cervicalsegments nur ganz wenig gewölbt oder selbst eben; bloß die Keil- en stränge treten deutlicher hervor. Ventral Querschnittkonfiguration ist die Begrenzungsfläche drehrund und des Halsmarks ner ST in der Mitte von der Fissura mediana ven- I erstes Cervicalsegment; I/ drittes tralis durchzogen. In der Höhe des Hinter- Corviealsegmont; 77 achtes Rücken hauptloches wird der Markstrang ganz flach markssegment. und geht etwa 1,5 cm weiter oral, also schon im Bereiche der Schädelhöhle in die sich schaufelförmig verbreiternde Medulla oblongata über; dabei wäre vorausgesetzt, daß wir ihren ER Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 291 Anfang an das äußerlich noch siehtbare caudale Ende der Pyramiden- kreuzung verlegen würden. An dieser Stelle ist das Rückenmark, ohne Knochenzerstörungen notwendig zu machen, von außen leicht zu erreichen. Dorsal findet sich zwischen dem oberen Rande des Hinterhauptloches und dem Arcus posterior des Atlas eine viereckige, nur von der Membrana atlanto-oceipitalis dorsalis verschlossene Öff- nung, die bei stärkster Flexion des Kopfgelenkes etwa 3,5 cm breit und 3em lang ist; durch sie kann man in beiläufig 2 cm Tiefe die Austrittsstelle der sensiblen Wurzeln des I. Cervicalsegments erreichen, nachdem man den hier sehr weiten Dural- sack eröffnet hat; bis zum Calamus seri- Fig. 2. ptorius hat man jedoch noch 2,5 em weiter ——ı proximal vorzudringen. Ventral besteht EERRT zwischen dem aboralen Rande des Hinter-- X = Nr ( 5‘ 2 hauptloches und dem Arcus anterior des Atlas ein, bei stärkster Extension 4,5 em langes und 4 cm breites, durch die Mem- ee brana atlanto-oceipitalis ventralis ver- „uerschnittäurch das oberste decktes Loch, durch das man in etwa Halsmark samt Duralsack nach 3 cm Tiefe das ventro-orale Ende des er- ""Mrtung in cadavere. Nat. Gr. ld Lig. longitudinalis; d Dura mater sten Cervicalsegments erreicht. Bis zum spinalis. caudalen Ende der Pyramidenkreuzung hat man von hier noch 1,5 em weit schädelwärts vorzudringen; auch treten die obersten motorischen Wurzeln des ersten Cervicalsegments im Bereiche dieser Öffnung aus. Die Medulla oblongata des Pferdes ist im Gegensatz zu der- jenigen des Menschen flach und breit. Ihr Caudalende ist ventral von einer starken, langgestellten, deltoidförmig gestalteten Arach- noidalfalte bedeekt, die nach vorn in ziemlich stumpfem Winkel in die Fissura mediana ventr. verläuft, seitlich sich als breite Ver- stärkung des ersten Zahnes des Ligamentum dentieulatum an der duralen Perforationsstelle des zwölften Gehirnnerven bis zu der des elften an die harte Rückenmarkshaut ansetzt und, caudal spitz zu- laufend, in der Höhe des zweiten Zahnes des Ligamentum dentieu- latum in das Septum der Fissura mediana ventralis übergeht. Es bildet diese Falte eine beträchtliche Verstärkung des Aufhänge- apparates der Oblongata, ein Ligamentum suspensorium, das es schürzenartig von ventral her umfaßt und gegen ein zu weites Heraus- ziehen aus dem Schädelinnern schützt. Seine Anlegungsstelle an den Markstrang, welche sehr innig mit der Pia mater verbunden ist, 292 markiert sich als eine ventrale Abflachung des ersteren. Hermann Dexler Oral von ihm stößt man auf das caudale Ende der Pyramiden. Das wirkliche Fig. 3. Sm y f ä \ 7 B = >= N he : —_ Ze - x RE ERTINN aan man E > { z TEN | ! | Medulla oblongata; Ventralfläche. Nat. Gr. Svm Suleus interpeduncularis; Rm Ramus mot. nervi trig.; Rs Ramus sensib. nervi trig.; KR Austritt des Nerv. facialis; Wr Nervus Wrisbergii; Rv Radix vestibularis nervi acust.; Tv Tuberculum acusticum; 79 spinale Trigeminuswurzel; Fa Fibrae arcuatae externae; 7d Tractus diagonalis; Hy Hy- poglossuslinie; Pp Pes peduneuli; P Pons; Tr Corpus trape- zoides; 7f Tuberculum faeiale; ?Py Pyramide; D Decus- satio pyram.; XI Nervus accessorius; Sin Sulcus margin. ventralis; RCı Wurzellinie der ventralen Wurzel des ersten Cervicalsegments; Sv Fissura med. ventralis; ZZ] Nerv. ocu- lomotorius; VI Nerv. abducens; VII Nerv. facialis; c Nerv. cochlearis; » Nerv. vestibularis; 7a Tuberculum acustic.; IX Vaguswurzel; X, XI Vago-Glossopharyngeuswurzeln; XII Hypoglossuswurzeln; Cı ventrale Wurzel des ersten Cervical- segments. caudale Ende der Oblon- gata hingegen müssen wir noch beinahe 1 em weiter nach rückwärts in jene Frontalebene verlegen, wo sich die Querscehnitts- form des Rückenmarkes bereits wesentlich ändert und die Tubereula Ro- landi sich zu differen- zieren beginnen. Wenn wir diese Grenze, die also bereits nahe an den Aus- tritt der oralsten Fasern der ersten motorischen Cervicalnervenwurzel heranreicht, festhalten, so hat die Medulla oblon- gata eine Länge von 5 cm. Ihre größte Breite er- reicht sie am caudalen Ponsrande mit 4!/, em; dort läuft die erwähnte Herz- oder Schaufelform in zwei laterale Zipfel aus, die von den Stäm- men des siebenten und achten Nervenpaares ge- bildet werden. Die Ven- tralseite der Medulla oblongata hat ein sehr flaches Relief. In der Mitte verläuft die Fis- sura- mediana ante- rior s. ventralis, die ihre tiefste Stelle am Caudalrande des Corpus trapezoideum erreicht, ohne jedoch dort ein eigentliches Foramen coecum zu bilden. Darüber hinaus in oraler Richtung weichen die Randgebilde der Längsfurche, Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 293 die Pyramiden, auseinander, legen das Mittelstück des Corpus tra- pezoides frei, und die Fissur endet in einer breiten Delle am cau- dalen Ponsrande. Die in sanfter Wölbung nach dorsal und lateral aufsteigenden Ventralflächen jeder Seite tragen medial die Pyra- miden als gut umschriebene, am caudalen Ponsrande hervorbre- chende flachrunde Stränge, die nach 2 em langem Verlaufe sich etwas verbreitern, flacher werden und sich allmählich zuspitzend, etwa 4 em vom caudalen Ponsrande entfernt, in der Fissura mediana verlieren. Sie haben zusammen die Gestalt einer vom Pons nach rückwärts gerichteten Lancette, deren Spitze unter dem Ligamentum suspensorium verschwindet. Außer diesem Medialstrang ist noch ein dem Ponsrande vor- gelagerter Querstrang stärker ausgeprägt, der sich, wie oben erwähnt, seitlich in den siebenten und achten Hirnnerven scheinbar fortsetzt — Corpus trapezoides. — In dem Winkel der Pyramide und des Corpus trapezoides jeder Seite findet man des weiteren noch eine ganz flache, runde, durch seitliche Beleuchtung besser abgrenzbare Hervorwölbung; es ist das Gebiet des Facialiskernes, — Tuber- eulum faciale ventrale. Lateral von ihm trifft man eine, bei manchen Individuen ziemlich gut ausgebildete Hervorwölbung, die aus dem Corpus trapezoideum hervorkommt und caudal mit einer 0,5 em langen Spitze wieder im Markkörper der Oblongata ver- schwindet; es ist der Außenkontur der spinalen Trigeminuswurzel, die hier auf einer kleinen Strecke frei zutage liegt. An der gehärteten und von der Pia mater entblößten Ventral- fläche kann man noch einige feinere Details erheben. Ganz an ihrem Seitenrande kommt vom ersten Segment des Hals- markes her, dorsal von der Austrittszone der motorischen Wurzel- bündel des zehnten Hirnnerven und ventral vom Seitenrande, eine ziemlich deutliche Längsfurche, die, parallel zur Fissura mediana anterior laufend, in der Höhe der Pyramidenkreuzung verflacht und zwar dorsolateral von der Austrittsstelle des zwölften Gehirnnerven; es ist der Suleus marginalis ventralis med. oblongatae. Ven- tral von ihm liegt dann der Suleus lateralis ventralis, der die Wurzelaustrittszone des Nervus hypoglossus birgt und dann aufhört. Von seinem oralen Ende bis zum Austritte des sechsten Gehirn- nerven können wir einen ganz flachen Streifen verfolgen, der in diagonaler Richtung über die Ventralfläche der Medulla oblongata zieht und zwischen medialer Grenze des Tuberculum faciale exter- num und dem Lateralrande der Pyramide mit einer Spitze unter 294 Hermann Dexler « das Oorpus trapezoides tritt; wir bezeichnen ihn rein deskriptiv als Traecetus diagenalis medullae oblongatae. In dem dreieckigen Felde, das der Tractus diagonalis mit der gleiehseitigen Pyramide einschließt, liegt lateral die Hypoglossuslivie und medial von ihr häufig noch eine ganz flache Emporwölbung von ganz geringer Ausdehnung. Die Seitenfläche der Medulla oblongata ist zum größten Teile von den Wurzeln des X., IX. und XI. Hirnnervenpaares verdeckt. Reißt man diese ab, so bemerkt man namentlich an Chrompräparaten Seitenansicht der Medulla oblongata eines erwachsenen Pferdes. Härtung im Schädel. Nat. Gr. VII Nervus facialis; c Nervus cochlearis; $ Schnittfläche der Kleinhirnschenkel; 7ae Tuberculum acusticum; 7«ae Taenia ventrieuli quarti; IX Nerv. vagus; X Glossopharyngeuswurzeln; SI Sulcus lateralis dors. int.; XI Nervus accessorius; Csı sensible, Cmı motorische Wurzel des ersten Cervicalseg- ments; I/I Nervus oculomotorius; Vs sensibler, Vm motorischer Trigeminus; P, P’ Pons; VI Nervus abducens; Fa Facialisaustritt; 7'p Corpus trapezoides; 7g spinale Trigeminuswurzel; 7a Tuberculum faciale ventr.; Zd Tractus diagonalis; ?Py Pyramis; XII Hypoglossuswurzel; Dp Pyramidenkreuzung. deutlich eine ganz feine Furchung oder Fältelung, die von ventro- medial über die drehrunde Seitenfläche schief nach dorsal und oral zieht und makroskopisch über dem Suleus lateralis dorsalis internus nicht mehr zu sehen ist. Diese feine Riffung wird durch die Fibrae arcuatae externae hervorgerufen. Sie ist im Vergleich zur mensch- lichen Medulla nur ganz schwach entwickelt. Der von caudal an der Seitenfläche der Oblongata heraufstei- gende Suleus lateralis dorsalis internus endet ziemlich inkon- stant; gewöhnlich ist er in der Höhe des Tubereulum acustieum nicht mehr zu sehen; in andern Fällen geht er in jene seichte Furche über, die jenes Stück der spinalen Trigeminuswuırzel dorsal abgrenzt, das wir früher erwähnt haben. Die Dorsalfläche der Medulla oblongata wird caudal durch re Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 295 den Suleus medianus dorsalis in zwei Hälften geteilt. Vorn endet dieser an der Rautengrube an einer quergestellten, kleinen Mark- leiste, die in die Trela chorioidea posterior übergeht. Das Oberflächenbild caudal vom Calamus scrip- torius ist gegenüber dem- jenigen der menschlichen Medulla oblongata da- durch völlig verändert, daß diezarten Stränge von den Keilsträngen in die Tiefe des Sul- euslongitudinalisdor- salis gedrängt und überlagert werden. Die Ränder dieser Furche werden also hier auf eine kurze Strecke von den sich berührenden Keil- strängen gebildet; außer- dem wird die gelatinöse Kappe der grauen Hinter- säule ungemein breit und schwillt in der Gegend des Strickkörperanfanges zu einem wohlausgebil- deten Knoten, dem Tu- bereulum Rolandi, an; die Kerne der Hinter- stränge hingegen bleiben klein, die der zarten Stränge. von außen oft kaum abgrenzbar; es fehlt eine Clava als außen vor- tretende Erhebung in den allermeisten Fällen. Die Umformung be- ginnt bereits im Hals- marke in der Höhe des zweiten Öervicalsegments. Fig. 5. fe Im V il. ji X Sn [X Um ’ nr Dorsalansicht der Medulla oblongata eines erwach- senen Pferdes. Nat. Gr. Sm Suleus medianus lamin. quadrig.; IV Nerv. trochlearis; VII Nerv. facialis; vo Nerv. vestibularis; c Nerv. cochlearis; IX Nerv. vagus; X Nerv. glossopharyngeus; Spd Sule. paramed. dorsalis; Cmı ventrale Wurzel des ersten Üervicalsegments; XI Nerv. accessorius; C Fascieulus cuneatus; Sd Fissura median. dorsalis; Sld Suleus lateralis dorsalis internus; Sid’ Sulcus later. dorsalis ext.; V Nerv, trigeminus; Bl Brückenarm des Kleinhirns; Sr Schnittfläche der Kleinhirn- schenkel; 7a Tubere. acusticum; Cr Corpus restiforme; Fu Fibrae arcuatae externae; #y orales Ende des Fasc. gracilis; TR Tuberculum Rolandi; Csı dorsale Wurzel des ersten Cer- vicalsegments. 296 ER ERZ, N MIR & A u z = 5" ee le 2 u 21a 8 v2 | I 37 \ sld spd n = eg Na? = Hermann Dexler Bis zu dieser Stelle finden wir wie beim Men- schen die Hinter- und Seitenstränge durch den ziemlich tiefen Suleus dorsalis lateralis ge- schieden. In ihn senken sich die sensiblen Wurzeln ein. Die zarten Stränge sind an der Markoberfläche noch als ganz schmale Leiste sichtbar, so daß wir hier noch einen Suleus long. medianus dorsalis und daneben einen Sulecus paramedianus dorsalis unterschei- den können. Unmittelbar oberhalb des zweiten Cerviealsegments oder noch im Bereiche des- selben verlieren sich die zarten Stränge ganz, in die Tiefe und werden von den sich an Chrompräparaten breit vorwölbenden BURDACH- schen oder Keilsträngen überdeckt, so daß der Suleus medianus dorsalis und der Suleus paramedianus in eine tiefe Furche zusam- menfließen. Wir haben deshalb hier von einer Fissura mediana dorsalis zu sprechen. Zu- gleich aber beginnt hier der Suleus dorsalis lateralis durch Einschiebung eines schmalen Keiles von flacher Oberfläche in zwei Furchen zu zerfallen, so daß man im ersten Cervicalseg- ment und dem Caudalteile der Medulla oblon- gata von einem Sule. dors. lat. internus und externus zu reden hätte. Der Keil ent- spricht der Oberfläche der großen und beim Pferde breiten spinalen Trigeminuswurzel; er endet scheinbar vor der Rautengrube in dem früher erwähnten, längsgestellten, meist 1 cm langen Buckel, der stets wohl ausgebildet ist, in dem Tubereulum Rolando. Seine mediale Randfurche, der Sulcus dorsalis Dorsalfläche des Rückenmarks des Pferdes am Übergange in die Medulla oblongata. 1/2 der nat. Gr. Cs Calamus seriptorius; Fig oralstes Stück des Funieulus gracilis; ZR Tuberculum Rolando; Fe Funi- eulus cuneatus; Fl Funiculus lateralis; Rs spinale Trigeminuswurzel; spd Sulcus paramedianus dor- salis; sid Sule. medianus dorsalis; slad Sule. lateralis dorsalis internus; s/ae Sule. lateralis dor- salis externus; sla Sule. lateralis dorsalis; #9 Funiculus gracilis; 2—3 die obersten drei Halssegmente des Rückenmarks. ee ee er ee u Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 297 lateralis internus scheidet ihn gegen den Strickkörper und wendet sich im schlanken Bogen nach der Seitenfläche der Oblongata, wo er am Austritte des achten Hirnnerven verschwindet. Die laterale Begrenzung, der Suleus dorsalis lateralis externus, hört außen und vor dem Tubereulum Rolando auf; er wird durch die hier auf- tauchenden Fibrae arcuatae externae ausgefüllt. Ihrer Lage entsprechend, steht diese Markzunge mit der Aus- bildung der Substantia gelatinosa Rolando in engster Beziehung. Im zweiten Cervicalsegment überdeckt die gelatinöse Substanz, wie Querschnitte zeigen, den Kopf des Hinterhornes als schmale Kappe. Oralwärts nimmt sie rasch an Breitenausdehnung zu, bis sie zu der Ganglienanhäufung wird, die unter dem Markfaserbezuge des Tub. Rolando verborgen ist. Während im ganzen Rückenmarke der Suleus dorsalis lateralis die Eintrittsfurche für die hinteren Wurzeln darstellt, sehen wir die dorsalen Wurzelbündel des ersten Cervicalsegments über die ganze Breite der spinalen Trigeminuswurzel den Markstrang perforieren. Zwischen dem Endstück des Sule. lat. dors. internus und der Rautengrube liegt ein sich nach vorn verbreitender Wulst, das Corpus restiforme, das aus der Fortsetzung der seitlich aus- biegenden Hinterstränge hervorzugehen scheint. Es trägt bis zu seinem Eintritte ins Kleinhirn gewöhnlich zwei Erhabenheiten: 1) Cau- dal eine längsgestellte und meist undeutlich ausgebildete, kaum 1 cm lange, nach vorn und innen vom Tub. Rolando; sie fehlt, wie er- wähnt, zuweilen ganz — das Tuberculum cuneatum. 2) Proxi- mal eine quergestellte, besser umschriebene, die unmittelbar dem Corpus restiforme aufliegt und ventral wie lateral einen zugeschärften Rand, die Fortsetzung der Taenia ventrieuli quarti, trägt. Es ist das Tubereulum acustieum, das medial allmählich in den Boden der Rautengrube übergeht. Bei manchen Individuen ist es so nach oral verschoben, daß es in die Fasermasse des Corpus restiforme gleichsam versenkt, also außen nicht sichtbar ist. Seine Lage er- kennt man in solehen Fällen nur an der Einstrahlungsstelle des Nervus cochlearis. Kaum 1 em caudal vom Calamus seriptorius zweigt von der Fissura mediana dorsalis jederseits noch eine kurze Furche ab, die sich gegen den Rand der Rautengrube verliert und mit der gegenseitigen das oralste Hinterstranggebiet in Form eines spitzen Zwiekels umschließt. Der Zwickel wird von den durch das Aus- einandertreten der Funiculi cuneati wieder an die Oberfläche kom- 298 Hermann Dexler menden Funieuli graciles, beziehungsweise deren Kernen dargestellt. Er entspricht also den Clavae hom. und seine seitlichen Begrenzungs- furechen sinngemäß dem Suleus paramedianus dorsalis hominis und drängt den Suleus limitans sin. rhomboidalis gegen die Mitte etwas vor. Das Relief der Rautengrube ist an frischen Präparaten kaum vollständig abzulesen. Die verschiedenen Hervor- wölbungen und Furchen sind nieder und seicht und werden durch das Eigen- gewicht des Organs leicht so verzerrt und abgeflacht, daß man ihre Umgren- zung nicht gut durchführen kann. Auch die übliche Quellung der Formolprä- parate ist hinderlich. Am besten eignen sich für diesen Zweck alte Chromprä- parate, die in Alkohol nachgehärtet wurden. Die Rautengrube ist in ihrer Mitte von dem Sulcus medianus sinus rhomboidalis der Länge nach durch- Smp zogen. Seitlich von der Einmündung Schema der Rautengrube des des Zentralkanals des Rückenmarkes be- 2 iR Re ne „, giant jederseits eine anfänglich seichte, Eminentia teres: 6fa Stelle, wo das Proximal und innen vom Tubereulum ge a acustieum aber tiefe Furche, der Sul- aeustica; SI Suleus limitans; x kaum cus limitans sinus rhomboidalis, aa a den ve der sich gegen den Ansatz des hinte- limit. führt; 0 Obex; Ac Area cinerea; ren Marksegelsallmählich verliert. Seine 0 Columna kems; y orale eure nroximale Vertiefung ist der Fovea der Area hypoglossi; 7» Taenia ventr. quarti; $ Schnittfläche der Kleinhirn- anterior hom. homolog. An ihrer tief- Sr a sten Stelle erblickt man durch die ober- ns as flächlichen Markschichten durchschim- mernde, größere, venöse Gefäße. Jede Hälfte der Rautengrube wird dadurch in zwei Längsstreifen zerlegt, von denen der mediale bis zur Mitte, der laterale bis an den Rand, d.i. zur Taenia ventrieuli quarti bzw. bis zum Ansatze des Velum medullare anterius an die Bindearme reicht. Während im lateralen Streifen das orale und caudale Drittel glatt und ohne besondere Merkmale sind, wird das mittlere Drittel gerade an dem Übertritts- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 299 winkel des Corpus restiforme ins Kleinhirn durch eine axial ge- stellte, 1,5 em lange Erhabenheit emporgedrängt. Sie liegt am Ab- hange der Rautengrube teils intra- teils extraventrieulär und setzt sich lateral in das Tubereulum acusticum fort. Sie besteht vor- wiegend aus dem dreieckigen Acustieuskerne und der spinalen Acustieuswurzel und ist daher als eine der äußeren Gestalt nach allerdings etwas veränderte Area acustica aufzufassen. Der mediale Streifen ist teilweise mit der Columna teres von ZieHEN homolog und enthält caudal eine ganz flache, oft mit bloßem Auge kaum differenzierbare oder nur bei seitlicher Beleuchtung zu umgrenzende Emporwölbung von 1,5 cm Länge. Als Teil des Kern- gebiets vom zwölften und zehnten Gehirnnerven wäre sie als Area Hypoglossi bzw. A. Vago-glossopharyngei zu benennen. Seit- lich von ihr, unmittelbar an dem Medialabhange des Corp. restiforme, ist die Ala einerea, die von ihr durch eine Spur des Sule. limitans wie auch durch ein äußerst zartes, weißes Diagonalbündel abgegrenzt erscheint. An ihrer caudo-lateralen Grenze differenziert sich zuweilen eine bräulich pigmentierte, streifenförmige Area postrema, die la- teral in den Pontieulus übergeht. Proximal setzt sich die Area Hypoglossi mit einer seichten Furche gegen die Col. teres ab. Letz- tere läuft von da als ein von kleineren Quergefäßen durchsetzter Streifen ganz glatt nach oral bis in die Höhe des Tubereulum acusti- cum. Jenseits dieses Bereiches fällt sie, sich mit der gegenseitigen zu einer seichten, kahnförmigen Grube vereinend, ziemlich steil gegen die Mitte ab und steigt dann oral nach dem Aquaeductus cerebri im schlanken Bogen auf. An diesem Ende ist sie etwas cylindrisch gewölbt und läßt daher im Verein mit dem gegenüberliegenden das Oralende des Sulecus medianus etwas tiefer erscheinen. Der median abfallende Teil ist von einer Prominenz eingenommen, die lateral durch einen 1,5 mm dicken, gut hervorragenden weißen Strang um- säumt wird; das Bündel ist das Mittelstück des Facialis, das vor- genannte Tubereulum faciale dorsale, der etwas oral vom Tuber- culum acusticum aus dem Ventrikelboden auftaucht und 1,5 cm weit nasal verfolgbar ist, ehe er wieder in ihm verschwindet. Die seiner Konkavität anliegende flache Hügelformation wird durch eine An- sammlung des zentralen. Höhlengraues erzeugt und ist der Emi- nentia teres homolog. In seltenen Fällen kann man sie noch von einer weißen, äußerst zarten Querkante überlagert finden. Das den vorderen Teil der Rautengrube überdeckende Velum medullare anterius steigt von der Vierhügelplatte zwischen den 300 Hermann Dexler Bindearmen herab und geht in den ventralen Saum der Lingula cerebelli über. Seine Dorsalfläche liegt der Konvexität des Lobulus centralis cerebelli innigst an, der die Membran gegen den Boden der Rautengrube vorbaucht. In dem ziemlich dünnen Marksegel ziehen zahlreiche Nervenfaserbündel in longitudinaler Richtung oder sie be- wegen sich in schön geschwungenen Bögen gegen die Mittellinie, um auf die andre Seite zu gelangen. Die Kreuzungsstelle tritt als mehr oder minder deutliche Mittelrippe an der Ventralseite des Mark- segels hervor. Der mittlere Abschnitt der Rautengrube wird von jener Ependym- schicht überragt, die den Markkern des Kleinhirns ventral über- zieht; als Rest der embryonalen Vela medullaria posteriora ist sie als eigentliche Decke in genetischem Sinne aufzufassen. Das gleiche hat zu geschehen mit jenem Flimmerepithelbelage, der, den Caudalteil der vierten Kammer überspannend, an der Ventralseite der sich zwi- schen Kleinhirn und Medulla oblongata hineinlegenden Piafalte an- gewachsen ist. Dieses Gefäßblatt überdacht hier die Rautengrube als lockerer, mit der Spitze häufig nach links gerichteter kleiner Beutel, Recessus medianus, der durch die schiefstehende Uvula gegen die Rautengrube gedrückt und etwas seitlich verschoben wird. Bei vorsichtiger Präparation zeigtersich niemals perforiert. In den Ventrikelraum eingegossene Flüssigkeiten wölben ihn bei ge- nügendem Drucke kugelförmig vor, können aber nicht entweichen; ein Foramen Magendii existiert beim Pferde nicht. Die Ventralseite der Tela chorioidea cerebelli ist in ihrem ganzen Umfange — also nicht bloß streifenweise wie beim Menschen — von dichtstehenden Gefäßzotten bedeckt. Die Plexus chorioidei cerebelli mediales sind also ebenso groß wie die Tela chorioidea selbst. An der lateralen Verbreiterung der Rautengrube am Tubereulum acusticum schlägt sich die Tela nach außen um und bildet eine sackförmige Ausbuchtung, die knapp über dem genannten Nerven- knoten durchlöchert ist — Apertura lateralis ventrieuli quarti oder Foramen Luschkae. — Diese Lücke verbindet als einzige Kommunikation die zentralen Höhlen des Gehirns mit den seitlichen Lymphzisternen resp. dem Subarachnoidalraum des Schädels. Caudal von ihr zieht das seitliche Adergeflecht, Plexus chorioideus cere- belli lateralis, nach rückwärts bis unter den Lobulus semilunaris inferior cerebelli. Er steht dort etwa 5 mm vom Strickkörper ab. Die Ansatzlinie der Tela chorioidea nimmt ihren Ausgang caudal Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 301 unmittelbar über dem Calamus seriptorius; nach leichtem seitlichen Ausbiegen wendet sie sich an der Medialseite des Corpus restiforme nach vorn, zieht in halber Höhe zwischen dessen First und dem Suleus medianus fossae rhomboidalis nach vorn, biegt knapp am Tubereulum acusticum lateralwärts aus und läuft dessen Caudal- rande entlang nach außen, so den Rand der Rautengrube über- setzend. Von dort springt die Linie am Rande der Apertura lateralis nach dem Kleinhirn über, wo sie an der Unterseite der la- teralen Hemisphärenportion nach innen zum Ansatze der Uvula und von da zum Nodulus zieht, an dessen Ventralkante sie auf die andre Seite übertritt. Reißt man die Teela chorioidea, die beim erwachsenen Pferde oft kleine Perlgeschwülste enthält, von ihrer Anheftung ab, so bleiben kleine, aus grauer Substanz bestehende Säume, die Reste der embryonalen Ventrikeldecke zurück. Ein stärkeres Markblättchen steht gewöhnlich quer über dem Calamus seriptorius; es ist der Obex; von ihm zieht distal am Rautengrubenrande eine feine Leiste als Taenia ventrieuli quarti seu Ponticulus bis zum Tubereulum acustieum. Ihre Fortsetzung kann man zuweilen auch am Klein- hirn mit freiem Auge ablesen. An der Ventral- und Lateralseite der Medulla oblongata liegen die Wurzeln des XIL, X., IX., VIIL, VIL, VI. und teilweise auch des XI. Gehirnnerven. Der XII. tritt mit zahlreichen Wurzeln aus der früher erwähnten, über 2 cm langen Hypoglossuslinie aus. An der Seitenfläche erscheinen dann die Wurzeln des X., IX. und des XI. n einer dichten Reihe von Bündeln, deren caudalste sich dem vom Rückenmark kommenden Stamme des Nerv. accessorius anlegen. Sie bilden eine so gleichmäßige Aufeinanderfolge von Wurzeln, daß ohne Präparation von der Peripherie her ihre Zugehörigkeit zu den einzelnen Nerven nicht entschieden werden kann. Eine Ausnahme hiervon machen nur die oralsten Wurzelbündel dadurch, daß sie sehr oft viel weiter ventral, scheinbar aus dem Tubereulum faciale externum hervorkommen. Sie dürfen ausschließlich dem Vagus zugerechnet werden. Der Nervus abdu- cens taucht aus dem Corpus trapezoides an der lateralen Pyra- midengrenze mit einer sagittal gestellten Wurzelreihe empor. Lateral von ihm tritt ebenfalls im Bereiche des Corpus trapezoides der Nervus facialis aus. Seine meist zu zwei dieken Bündeln ver- einigten Wurzelfasern wenden sich sogleich nach dem Verlassen des Hirnstammes, knapp an ihn angepreßt, seitlich gegen den Stamm des achten Nervenpaares. 302 Hermann Dexler Der Nerv. acustieus besteht aus zwei so eng aneinanderliegen- den Teilen, daß es einer genauen Präparation bedarf, um ihre gegen- seitige Lage darzustellen. Am klarsten überbliekt man die betreffen- den Verhältnisse, wenn man den Subarachnoidalraum bei vertikal aufgehängter Wirbelsäule mit 5% Formol füllt, nach 24 Stunden den Schädel von der Basis her eröffnet und das Felsenbein durch leichte Meißelschläge über dem Meatus acusticus internus abträgt. Die Nerven- stämme sind in schwach gehärtetem Zustande gespannt und man sieht folgendes (vgl. Fig. 3 und 4): Dorsal am Rande der Rautengrube liegt das Tubereulum acustieum; von ihm zieht ein weißer Strang — Nerv. coehlearis — in ventro-oraler Richtung nach dem Porus acustieus internus. Weiter ventral kommt dann aus dem Corpus trapezoideum der Nerv. facialis hervor und verschwindet gleichfalls in der genannten Öffnung, unmittelbar oral von dem vorigen liegend. Zwischen den Aus- trittsstellen des Nerv. facialis und der Eintrittsstelle des Nerv. coch- learis in die Medulla oblongata liegt dann ein dritter Nervenstamm, der Nervus vestibularis, der, etwas dorsal aufstrebend, in gerader Linie zum Porus zieht. In letzterem liegt der Stamm des Nervus facialis oral, der des Nervus eochlearis caudal und der des Nervus vestibularis genau über dem des Nervus cochlearis, also dorsal von ihm. Letzterer unterfährt gleichsam den Nervus vestibularis in einer Vierteldrehung. Beide Portionen des Nervus acusticus treten sonach beim Pferde nicht nebeneinander, sondern übereinander in den Hirnstamm ein, so daß wir nicht wie beim Menschen von einer me- dialen und lateralen, sondern von einer dorsalen und ventralen Wurzel sprechen können. Sie liegen aber an ihrer Einstrahlungsstelle in die Medulla oblongata auch nicht genau in einer Frontalebene; vielmehr treffen wir in der vom Rückenmark aufsteigenden Schnitt- folge zuerst das Tubereulum acusticum, dann den Nervus cochlearis, hierauf das Corpus trapezoideum mit dem Stamm des Nervus vesti- bularis und mit ihm zugleich oder noch weiter oral denjenigen des Nervus facialis. Um daher die ohnehin so vieldeutige Nomenklatur der Acustieuswurzeln nicht noch mehr zu komplizieren, empfiehlt sich das strenge Festhalten an der Bezeichnung Radix vestibularis und Radix cochlearis nervi acustici um so mehr, als über die funk- tionelle Scheidung beider Organe wohl eine ziemlich einheitliche _ Auffassung herrscht. An ganz frischen Präparaten erscheint die Radix cochlearis drehrund und ganz weiß, die Radix vestibularis etwas grau und flach. An der Oralseite ihrer Einpflanzung in das verlängerte Mark eruiert man bei genauem Zusehen eine kaum millimeterdicke graue Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 303 Einlagerung, das Ganglion accessorium nervi acustici. Es ist jedoch so klein, daß es kaum Gegenstand einer makroskopischen Präparation sein kann; seine Ausdehnungsverhältnisse wird man erst an Serienschnitten gewahr. Zwischen den beiden Wurzeln des Nervus acustieus und der des Nervus facialis brechen aus dem verlängerten Marke 4—5 feinste Faserbündelchen hervor, die sich im Bereiche des Porus acusticus internus einem der drei Nervenstämme anlegen und mit dem Ner- vus Wrisbergii identisch sind. Genaueres ist mit freiem Auge nicht zu eruieren. Maße: Seitliche Höhe der Medulla oblongata zwischen dorsalem First des Corpus restiforme und dem tiefsten Punkte der Ventral- fläche 2 em; Dieke der Markmasse in der Mitte der Rautengrube ge- messen 1 cm. Abstand des Eingangs in den Zentralkanal vom Tubereulum acusticum 2,2 em. Länge der Rautengrube 4,5 em. Breite der Rautengrube 1 em. Distanz zwischen beiden Sulei limitantes sinus rhomb. 1 em. Breite des Corpus trapezoides 0,5 cm. Breite der Pyramide 0,5 em. Länge des Tubereulum faciale ventrale 1,4 em. Länge des Tubereulum faciale dorsale 1,5 em. Länge des Tubereulum acusticum 0,4 cm. Breite des Tubereulum acusticum 1,2 cm. Breite des Corpus restiforme 1,4 em. Cerebellum. Das Kleinhirn des erwachsenen Pferdes ist von kugeliger Gestalt und liegt, von dem Caudalende der Großhirnhemi- sphären nur wenig überlagert, im hinteren Schädelraume. Eine direkte Berührung mit jenen findet nirgends statt, weil das knö- cherne Tentorium cerebelli bis nahe über die Vierhügeloberfläche herabreicht. Im Tentorialausschnitt ist von vorn her nur der Dorsal- teil des Lobus centralis des Wurmes zu erblicken. Am lebenden Tiere ist das Organ schwer zugänglich. Basal schützen es die breiten Weichteilmassen der Parotisgegend und das mächtig entwickelte Schläfen- und Hinterhauptsbein; die Genickwand ist durch das starke Ligam. nuchae, die dieke Nackenmuskulatur und außerdem durch die, auch bei alten Individuen diploereiche Oceipitalschuppe gedeckt; seitlich und dorsal ist es von der fast fingerdieken und blutreichen Schläfengräte und dem Hinterhaupts- Morpholog. Jahrbuch. 32. 20 304 Hermann Dexler kamme hufeisenförmig umfaßt. Unterhalb dieses Kammes liegt die höchste Erhebung des Kleinhirnwurmes, von einer beinahe 3 cm dieken Knochenleiste überwölbt. In der Tiefe der Schläfengräten- basis geht das Tentorium cerebelli ab — und diesem entlang, zum Teil in einer Halbrinne, zum Teil ganz in den Knochen versenkt, läuft der Sinus transversus. Knapp am Oralrande der Schläfen- gräte eingehend, kann man, im Falle sich keine Verlaufsvarianten des Querblutleiters vorfinden, schief ventro-medial vordringend, an die Seitenteile des Kleinhirns und auch der Medulla oblongata in der Gegend des Tuberculum acusticum herankommen. Das Kleinhirn reitet als rundlicher Knollen, ziemlich stark caudal zurückgelehnt, auf dem Hirnstamme, mit dem es durch drei Paare von Kleinhirnarmen verbunden ist. Beim Pferde sind die Brückenarme, die Brachia cereb. lateralia, am stärksten; ihnen folgen die Strickkörper, Brachia cereb. eaudalia. Am dünnsten sind die Bindearme — Brachia cereb. nasalia. Über die Einteilung der Oberflächenkonfiguration des Kleinhirns herrscht eine sehr geteilte Auffassung, die in der Verschiedenheit, mit der eine Orientierung vorgeschlagen wurde, ihren Ausdruck findet. Die Gliederungen der Rindenoberfläche sind solange ziem- lich leicht zu übersehen, als man sie vom rein deskriptiven Stand- punkte auffaßt. Wirkliche Schwierigkeiten erwachsen erst bei dem Versuche einer allgemeinen Homologisierung, wenn diese kritisch gehandhabt wird. Es hat zwar LÖwE sogar in einem so einfachen Kleinhirn, wie das des Kaninchens, die Lappen des menschlichen Kleinhirns wiederzufinden geglaubt. Seine Bemühungen haben aber im Verein mit andern Arbeiten den unmittelbaren Anstoß zu jenen Ausführungen gegeben, die die meisten Homologien leugnen. Auch damit ist über das Ziel hinausgeschossen, wenn nicht andre, viel- leicht didaktische Gründe, ins Treffen zu führen sind, wie etwa bei MaArTın. Er sieht von einer Homologisierung ganz ab und nimmt Jederseits drei Sagittalwindungen an — den Tabulationen ZIEHENS ähnlich —, die durch schlangenartig verlaufende Furchen vonein- ander getrennt sind. Es wäre dies das einfachste Oberflächenschema. ELLENBERGER stellte, vom Raubtiere ausgehend, zahlreiche Ver- gleichungen auf, und FLATAU-JACOBSON behaupteten, mit derselben Methode, jedoch an einem viel größeren Material arbeitend, die Existenz einer Homologie des Kleinhirns im weitesten Umfange durch die ganze Säugetierreihe. Wie die Betrachtung mancher Abschnitte ergibt, ist damit entschieden zu weit gegangen, und ZIEHEN hat, Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 305 ebenfalls von phylogenetischer Basis ausgehend, diese Homologien zum Teil anerkannt, für eine Reihe von Organen aber neue Bezeich- nungen aufzustellen sich bemüßigt gesehen, die einen doppelten Vor- teil gewähren. Sie nehmen auf die äußere Gestalt mehr Rücksicht — ermöglichen also eine leiehtere Orientierung — und schließen die wahrscheinlichen Homologien ein, ohne sich jedoch in den Unmöglichkeiten totaler Homologisierungsversuche zu zersplittern. Naturgemäß ist auch dadurch ein Abschluß noch nicht erreicht. Es fehlt noch an genügendem entwicklungsgeschichtlichem Material, ganz abgesehen davon, daß die als Ausgang dienende geläufige morpho- logische Deutung des menschlichen Kleinhirns, wie schon von vielen Seiten betont wurde, nicht einwandsfrei ist. BOLK bezeichnet es geradezu als einen Mißgriff, die beim Menschen vorhandenen Ver- hältnisse zum Ausgangspunkte komparativer Untersuchungen zu ma- chen, denn das menschliche Kleinhirn weicht durch seine ganz spe- zielle Differenzierung sehr beträchtlich von jenem Grundtypus ab, nach dem die Cerebella der Mammalier gebaut sind. Bork führt uns auf dem Wege der Entwicklungsmechanik zu Ergebnissen, die uns zweifellos einen rationelleren Einblick in den verwickelten Bau des Cerebellums gestatten, als dies bisher geschehen ist. Indessen bringen uns auch sie nicht ganz über den Wunsch einer exakten Homologisierung hinaus, der aller Wahrscheinliehkeit nach erst durch vergleichend -entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen befriedigt werden dürfte. Wenn wir also heute noch nicht jenes Einteilungs- prinzip annehmen können, so bleibt uns nur noch der Versuch eines Durchschnittsschemas, einer Kompilation, die genetischen wie mor- phologischen Gesichtspunkten soweit als möglich gerecht werden soll. Ich halte es dabei für unangebracht, die Mängel der zur Grund- lage dienenden Schemen ausführlich zu diskutieren, solange nicht die Klärung so vieler damit zusammenhängender Fragen eingetreten ist. Für unsre Zwecke scheint es ausreichend, sich klar zu sein, daß zahlreiche Ergänzungen den im Laufe der Zeit gefundenen Män- geln werden abhelfen müssen. Sie betreffen vorwiegend ungenü- gende Belege für die Homologie einiger Organteile und eine nicht einheitliche Nomenklatur. Sie sind so zahlreich, daß wir nach dem Studium der bekannten Schemen sagen dürfen, daß eine einheitliche Auffassung eigentlich nur für die Verbindungsorgane des Kleinhirns mit dem Hirnstamme und für jene Abschnitte des Wurmes einge- halten wird, die eaudal vom Culmen liegen. Über alle sonstigen Oberflächengebilde gibt es beinahe ebensoviele Ansichten, als sich 20* 306 Hermann Dexler Autoren mit dem Gegenstande beschäftigt haben. Eine Aufklärung vieler hiermit im Zusammenhange stehender Fragen muß noch zu- künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Zur gröberen Orientierung verwendet man am vorteilhaftesten ganz frische oder nur wenige Tage in Formol gehärtete Kleinhirne. Man entfernt sorgsam die Arachnoidea und das arachnoidale Faser- werk zwischen den Lappen und drängt diese mit den Fingern unter Nachhilfe des Skalpellstieles bis auf den Grund ihrer Furchen aus- einander. Man erhebt dann folgendes: An jedem Brückenarme, der von vorn und ventral nach dem Kleinhirn aufsteigt, sitzt seitlich eine flache Doppelscheibe kleiner Läppchen, die von den übrigen Rinden- teilen leicht seitlich ab- gebogen und von ihrer Unterlage losgelöst wer- den kann. Es ist das die laterale Portion der Kleinhirnhemisphäre. Medial liegt, die Kleinhirnoberfläche wie ein Wulst überragend, der Wurm, der sich leicht Seitenansicht des Kleinhirns einer 6jährigen Stute, VON den ihm seitlich an- nach einer Photographie gezeichnet; wenig verkleinert. liegenden Rindengebilden Li Lingula5 Ze Lobus centralis; Ze Lobus ascendens; Cu u Culmen; 7 Tuber vermis; Py Pyramide; Uv Uvula; No No- trennen läßt. dulus; Ssa Suleus superior ant.; Ssp Suleus superior post.; Nach dem Losreißen Sip Suleus inferior post.; Sia Suleus inferior ant.; Al Alae lobi ascendentis dext.; Zy Lobus quadrangularis; Ss Lo- der lateralen Portion der a enter} Hemisphäre und dem Ab- Bp Brückenarm. tragen des Wurmes mit dem Messer bleibt die mediale Portion der Hemisphäre stehen, die mit dem Wurme durch dünne, brückenartige Markblätter mehrere Verbindungen eingeht. Der Wurm erhält durch tiefe Einschnitte seine Gliederung, die an Medianschnitten leicht abzulesen ist. Von der Verteilung der Einschnitte und Markstrahlen des Wurmes ausgehend, ist die Um- grenzung seiner einzelnen Lappen der caudalen Hälfte oft leicht vorzunehmen. Absoluten Wert hat aber diese Charakteristik nicht, weil häufig die Markblätter der einzelnen Lappen nicht getrennt, sondern zu einem Stamme vereint vom Markkörper abgehen. Auch Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 307 verlangen die häufigen Asymmetrien und Variationen der Alae, der Unterabteilungen des Tuber vermis, der Läppchenzahl des Lob. cen- tralis und Lob. ascendens, daß jede Oberflächenorientierung am Kleinhirn durch einen medianen Schnitt kontrolliert werde. Ventral dringt gegen den Markkern des Klein- hirns ein Spalt, die In- eisura fastigii vor, die dorsale Ausbuchtung des Raumes des vierten Ven- trikeis, der mit dem Fa- stigium blind endet. Ihm gegenüber senkt sich von dorsal ebenfalls ein sehr tiefer Spalt, der Suleus cereb. superior ante- rior = Sulcus prima- rius von KnItHAnN ein. 1 Wurm in Hr teilt den 5 Dorsalansicht des Kleinhirns eines 4jährigen Walla- einen Vorder- und Hin- chen. Nach einer Photographie. Nat. Gr. terwurm. Ersterer setzt 2 Deelive; Zla Lobulus lunatus anterior; Zp Lobul. lunatus e posterior; m mediale, / laterale Scheibe des Lobus cuneatus; sich zusammen aus der Fp Fissura paramediana; Sp Fissura sagittalis profunda; - Fs Fissura sagittalis superficialis; Z Ala sin. Lobi ascenden- ventralen Lingula, dem ; ent ia 2 tis, rechterseits nur rudimentär entwickelt; 2, 5 Alae des zwei- bis dreilappigen Culmen. Die übrigen Bezeichnungen wie bei Fig. 8. ventronasalen Lobus centralis, dem zweilappigen dorsonasalen Lobus ascendens und dem zweilappigen dorsalen Culmen montieuli, einschließlich Lo- bulus lunatus ant. = Lobus anterior von BOLk. Letzterer (Lobulus medianus posterior von BOLk) wird ge- bildet von dem dorsalen Tuber vermis (dem oralen Declive und dem caudalen eigentlichen Tuber vermis, die am Tierhirn als zu- sammenhängend zu betrachten sind), der ein- bis zweilappigen Py- ramis, der Uvula und dem Nodulus. Die Vorderfläche des No- dulus und die von einem dünnen Markblatte überzogene Hinterfläche der Lingula bilden die Vorder- und Hinterwand der Ineisura fastigii. Vom zentralen Markkern des Kleinhirns ziehen verschieden dicke Strahlen in das Innere der Wurmlappen; die stärksten gehen vor und hinter jener tiefen Furche vom Markkern ab, die zwischen Culmen und Tuber vermis zu liegen kommt. Der orale teilt sich oft in zwei Äste und begibt sich zum Culmen. Die ventro-oral von 308 Hermann Dexler ihm nacheinander vom Kern ausgesendeten Strahlen werden suk- zessive kleiner und gehen in die Abteilungen des Lobus ascendens und Lobus centralis; der letzte, der Lingula angehörige, hängt orga- nisch mit dem Velum medullare ant. zusammen. Der caudal von der tiefen Dorsalfurche ab- zweigende Markast geht zunächst horizontal (Trun- cus horizontalis arboris vitae) und biegt dann dorsal um, sich erst ganz peripher in zwei Neben- äste teilend, wovon der vordere in das Declive (Pars anterior tub. ver- mis), der hintere in das eigentliche Tuber vermis (Pars posterior tub. ver- mis) führt. In eaudo-ven- Ansicht des Kleinhirns eines erwachsenen Pfer- traler Richtung folgen des von vorn; nach einer Photographie. Nat. Gr. Fig. 10. Bc Bindearm des Kleinhirns; R; Trigeminuswurzel. Die übri- dann noch weitere drei gen Bezeichnungen wie bei der Fig. 9. Markstrahlen für Pyra- mis, Uvula und Nodulus. An letzteren heftet sich, wie erwähnt, die Tela chorioidea an. Ihre Ansatzlinie wendet sich knapp an der Wurzel des Nodulus nach hinten zur Uvula, springt dort nach dem medial gewendeten Ende der lateralen Hemisphärenportion über und geht dann proximal nach der Vorderkante des Tubereulum acustieum. Was die Gestalt der einzelnen Lappen des Wurmes betrifft, so ist zu bemerken, daß als Lingula herkömmlich das erste vor der Ineisura fastigii liegende Vertikalläppchen verstanden wurde, das, mit einem dünnen Markstrahl versehen, drei bis vier Paare von Querwindungen aufweist. Untersucht man genauer, so findet man, daß die Frage nach der Homologie dieses Organs durchaus nicht so einfach zu beantworten ist. In einer Reihe von Fällen kann man konstatieren, daß sich das Velum medullare anterius an den Rand jenes Gyrulus der sogenannten Lingula ansetzt, der ganz an deren Basis, am Abgange ihres Markstrahles vom Markkerne des Kleinhirns, sich vorfindet. Hier wäre gegen die Zurechnung dieses Gyrulus zu dem betreffenden Läppchen zu stimmen und demnach die Auffassung Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 309 des ganzen Organs als Lingula vielleicht zu verteidigen. Wie aber Fig. 11 erkennen läßt, kann der Ansatzgyrulus an Umfang so zu- nehmen, daß er einen eignen Markstrahl erhält. Er bildet dann einen Körper, der mit dem Velum anterius an seiner zustehenden Fläche breit verwachsen, an seiner Oberseite zwei bis drei Gyruli oder sogar kleine Subläppchen trägt und daher eine gewisse Ähnlichkeit mit der Lingula hom. ersehen läßt; nur fehlen ihm die Hemisphären- teile. Das erste Vertikalläppchen müßte dann dem Gebiete des Lobus ceniralis beizuzählen sein. Da ich dieses Verhalten an 19 Klein- hirnen achtmal vorweise, glaube ich diese Formation als eigentliche Lingula bezeichnen zu sollen, da wir vorläufig ein andres Kriterium wie die äußere Gestalt nicht besitzen. Jedenfalls rechtfertigt die bestehende Unsicherheit die ELLENBERGERSche Zusammenfassung der oralen Läppehenformationen zu einem Lobulus nasoventralis, wozu Lingula + Lobulus centralis gehören. Fig. 11. Verschiedene Bildungen der Lingula cerebelli des Pferdes. 3/1 der nat. Gr. Nach WeısErt-Präparaten mit der Leitzschen Kamera gezeichnet. Die Serien stammten von erwachsenen Tieren. n Markkern; Li Lingula; Va Velum anterius. Während bei / die Lingula ein eignes Läppchen dar- stellt mit besonderem Markstrahl, ist bei #3 kaum mehr zu entscheiden, ob es sich um ein rudimen- täres selbständiges Gebilde handelt oder um eine Umwandlung des basalen Gyrulus des ersten Ver- tikalläppchens. Der Lobulus centralis ist zwei- oder dreiteilig; der ventralste Abschnitt ist beinahe so schmal wie die Lingula, weil er noch zwi- schen den Bindearmen über der Rautengrube lagert; der dorsalste trägt seitliche, knopfförmige Verdiekungen, die Alae lobuli centralis. Von seinen Markstrahlen ist gewöhnlich der unterste der dickste und kürzeste, der dorsalste am dünnsten. Doch kommt auch ein abweichendes Verhalten vor. Die Peripherie des Lappens liegt bei- nahe in ihrer ganzen Ausdehnung dem Velum medullare anterius an. Hermann Dexler 310 Lobus ascendens und Culmen monticuli sind gewöhnlich je zweiteilig. Jeder Teil zeigt oberflächlich vier bis fünf breite Rinden- wülste und eine dreieckige Grundfläche. Eine exakte Abgrenzung zwischen Lobus centralis, Lobus ascendens und Culmen ist nicht bekannt. Die allgemein übliche folgt nur äußeren Momenten und hat mit Homologien kaum viel zu tun. Die Strahlenfolge vom Sul- eus superior anterior nach vorn gezählt, ist ebensowenig maßgebend wie die Entwieklung der Alae, die häufig nur einseitig ausge- bildet sein können. Die übliche, auch auf un- sern Figuren beibe- haltene Einteilung ist mehr nach äußeren Merkmalen vorgenom- men, wonach der Lo- bus centralis bis zu der durch die Vier- hügel bedingten Ein- buchtung, der Ineisura cerebelli anterior der Vorderwurmperipherie reicht, während das Medianschnitt durch das Kleinhirn eines 3jährigen Culmen dem ersten ; Glas s im Schä ie -j >räpa- x Pferdes; Glaspause 2: = Schädel liegenden frischen Präpa oral vom Suleus su- rates. Nat. Gr. Kurzer Typus des Kleinhirns. E A 1 Lingula; 2 Lobus centralis mit undeutlicher Dreiteilung; 3 Lo- perıor anterior auf- bus ascendens; 4 Culmen mit schmächtiger, und 5 Declive mit strebenden Markast starker Entwicklung der Unterlappen; 6 'Tuber vermis; 7 Pyra- £ A mis; 8 Uvula; 9 Nodulus; Pi Pars intermedia ventriculi quarti; entspricht; zwischen n Markkern des Kleinhirns; Ssa Sulc. sup. anterior; Ssp Sule. sup. posterior; Sip Sule. inferior posterior; Sia Sule. inferior anterior. beiden wäre dann der Lobus ascendens ein- zuschalten. Durch die sehr variable Verteilung der Markstrahlen, die den Lappen zugrunde liegen, wird deren Peripherie im Medianschnitte sehr verschieden breit, was auch aus den Zeichnungen abgelesen werden kann. Es kann ferner der Fall eintreten, daß durch Variation der Tiefe der Trennungsfurchen und stärkere Ausbildung der Seitenanhänge eine Verschiebung der Lappenzahl eintritt. Finden sich alle Unterlappen des Culmen und Lobus ascendens voll ausgebildet und ist außerdem noch die Pars anterior tuberis vermis, das Declive auch noch kräftig Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 311 entwiekelt, wie in Fig. 13, so erhalten wir ein langes Kleinhirn im Gegensatze zu den nicht minder häufigen kugeligen und kurzen Typen. Das Declive, die Pars anterior tuberis vermis von FLATAU- JACOBSON, hat mit dem eigentlichen Tuber vermis einen gemein- samen Markstrahl als Grundlage und besteht der Mehrzahl nach aus quer verlaufenden, der Oralseite des Markastes aufgesetzten Win- dungen. Oberflächlich kommen deren vier bis acht zur Ansicht. Fig. 13. Medianschnitt durch das Kleinhirn eines 10jährigen Pferdes. Glaspause des im Schädel liegenden frischen Präparates. Nat. Gr. Langer Typus des Kleinhirns. If Pars interm. ventr. quarti; 7v caudaler Blindsack der Tela chorioidalis cereb. medialis. Die übrigen Bezeichnungen wie bei Fig. 12. Die dorsale Portion des Lobus centralis, die Unterlappen des Lobus ascendens, Culmen und Declive besitzen laterale, knopf- oder flügelförmige Anhänge, Alae, die, von vorn nach hinten an Umfang zunehmend, am Declive zu jenem knotenförmigen Organ werden, das FLATAU-JACcoBsoNn mit dem Lobulus lunatus anterior cerebelli homologisieren. Es ist jedoch zu betonen, daß der äußeren Gestalt nach alle diese Anhänge gleich oder ähnlich geformte Bil- dungen repräsentieren. Von den Alae lobi centralis bis zum Lobulus lunatus anterior steigen sie in ununterbrochener Sukzession von ven- tral nach dorsal auf, sich nur in der Größe verändernd. An män- chen Präparaten kann man sogar die Beobachtung machen, daß der 312 Hermann Dexler sogenannte Lobulus lunatus anterior genau dieselbe plump gefingerte Gestalt hat, wie die Seitenfortsätze der vor ihm liegenden Lappen, und nicht, wie dies allerdings häufiger der Fall, halbkugelig vor- sewölbt ist. Erst caudal von dem Declive verändert sich das Ober- flächenbild völlig. Das eigentliche Tuber vermis oder Pars posterior tub. verm. von FLATAU-JACOBSON besteht aus drei Läppchen, die keine sym- metrische Lage haben, sondern unregelmäßig ineinander geschoben sind, so daß der Wurm an dieser Stelle an Medianschnitten eine Unterbrechung zeigt. Zuweilen konstatiert man in der Tiefe der Furche zwischen Declive und Tuber vermis noch ein dünnes Mark- blatt von doleh- oder breit zungenförmiger Gestalt, das mit der Kleinhirnhemisphäre in Beziehung tritt und als Folium vermis aufgefaßt wird. Häufig kann es nicht nachgewiesen werden. Die Pyramis hat keine eigentlichen Seitenflügel; es sind nur die mitt- leren ihrer zehn Rindenwülste etwas länger als die übrigen. Ich finde jedoch an vielen Präparaten in der Tiefe der seitlichen Tren- nungsfurche des Wurmes vom Hemisphärenteile eine rindenlose, zu- weilen 4 mm hohe, dünne Marklamelle, die um das Caudalende des Lobulus semilunaris posterior zu einem kleinen Querläppchen führt, das zum Floceulus hinüberreicht. Zuweilen kann sie jenes Läpp- chen nur tangieren und verschwindet dann seitlich von ihm. Die Zugehörigkeit des letzteren zur Pyramide wäre anzunehmen. Wenn es fehlt, vermag man ein Hinüberziehen des Kammes zur Flocke direkt nachzuweisen. FLATAU-JACOBSON lassen den ebenerwähnten verschmälerten Seitenteil der Pyramide in Form eines schmalen Windungszuges von unten her bogenförmig den Lobulus semilunaris inferior umziehen, nach vorn wenden und, an dem Lobulus semilunaris anterior vorbei- gehend, lateral vom Lobus lunatus posterior am Brückenarm enden. An sechs daraufhin untersuchten Präparaten habe ich ein solches Ver- halten nicht wiederfinden können. Auch ZIEHEN tut seiner keine Erwähnung. Möglicherweise ist diese Formation, die von der Pyra- mide ausgeht, auf den zuweilen gut ausgebildeten Oberflächenaus- druck einer Faserschlinge zurückzuführen, die man an Formolgehirnen ziemlich leicht durch Delamination darstellen kann. Bricht man die äußere Scheibe des Lobulus cuneiform., von vorn beginnend, sorg- fältig los, so kann man ein schön geschwungenes, bis 5 mm breites, ganz oberflächlich gelegenes Faserbündel freilegen, das, der Außen- kontur des Brückenarmes angeschmiegt, im Bogen unter dem Caudal- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 313 ende der Kleinhirnhemisphäre nach der Basis der Pyramide zieht und dort in die Tiefe tritt. Die Uvula ist lang und schmal und weist gewöhnlich zwei Unterlappen auf. Ich habe zwei Präparate vor mir, wo von der Uvula ein niederer, rindenloser Markkamm parallel mit dem Pyra- midenkamme, zur sogenannten Flocke zieht. Medialer Hemisphärenteil. Zu ihm rechnen FrArAu- JACOBSON 1) den neben dem Tuber vermis liegenden Lobus qua- drangularis, 2) den sich ihm caudal anschließenden Lobulus semilunaris sup. und 3) den darunter folgenden Lob. semilu- naris inferior. 1) Der Lobus quadrangularis zerfällt durch eine mäßig tiefe Querfurche in zwei Teile: den Lobulus lunatus anterior und Lobul. lunat. posterior. Beide Abschnitte sind durch die laterale Fortsetzung des Suleus superior anterior geschieden. Ich kann dieser Darstellung nicht beipflichten, sondern sehe in ihr eine Konzession an versuchte Homologien, die aber zu sehr der materiellen Stütze entbehren. Wenn man nämlich aus dem Sulcus superior ant. in die Teilungs- furche des Lobus quadrangularis gelangen will, so hat man die mit Gangliengrau überdeckten Windungsblätter vom Declive zum Lobulus lunatus anterior in der Tiefe der Fissura paramediana zu übersteigen. Die räumliche Kontinuität der erwähnten Teilungsfurche führt in den Suleus superior posterior, was wieder der Oberflächengliederung des menschlichen Kleinhirns nicht entspricht, bei dem der Lobul. lunat. anterior dem Culmen und nicht dem Declive angehört. Wir sehen hier ein Beispiel der Folgen eines zu weit getriebenen Homologisierungs- versuchs. Entweder ist die Fortsetzung des Suleus sup. ant. gene- tisch nicht identisch mit der Teilungsfurche des Lobus quadran- gularis, trotzdem sie am Pferdekleinhirn formal besteht, oder aber die Grundelemente dieses Lappens sind nicht oder nur unvollständig homolog mit dem Lobus quadrangularis. Das vordere Läppchen, der Lobul. lunat. ant., ist flachkugelig gewölbt, aus vier bis fünf Querwülsten bestehend, hat meist den Grundriß eines Bogenzweiecks und geht durch zwei bis drei ober- flächlich gelagerte Windungskämme in das Declive über. Wie vor- hin schon erwähnt wurde, ähnelt es manchmal sehr der Gestalt der Seitenanhänge des Culmen, so daß es an einem beliebigen Präparate schwer werden kann, nachzuweisen, was bereits dem Gebiete des Lobulus lunatus anterior und was noch dem Culmen zuzuzählen ist. 314 Hermann Dexler Nach Zıenen läßt sich dieser Lobus von den vor ihm liegenden Alae überhaupt nicht trennen. Der Lobulus lunatus posterior ist breiter und größer wie der vorige, bildet den die übrige Hemisphäre am meisten über- ragenden oder vorspringenden Pol und geht ebenfalls in den vor- deren Teil des Tuber vermis über. Die Verbindungsbrücke ist aber viel schmäler als bei diesem und verliert sich manchmal in die- jenige des Lobul. lun. ant. oder ist rindenlos und weiß und daher in ihrem weiteren Verlaufe überhaupt nicht zu verfolgen. Seitlich reicht er, sich etwas verdickend, an jene tiefe Sagittalfurche heran, die den lateralen Hemisphärenteil abgrenzt. Beide Lobuli faßt ZIEHEN wegen ihrer Gestalt als Lobulus palpiformis zusammen. 2) Der Lobulus semilunaris superior ist am Pferdegehirn quergestellt, zerfällt in zwei Unterläppchen und verschmälert sich medial in eine in das Folium vermis einfließende Spitze, wenn ein solches vorhanden ist; er hängt also dadurch mit dem Wurm zu- sammen. Zuweilen konstatierte ich auch ein abweichendes Ver- halten, indem sich statt eines Querwulstes zwei getrennte Sagittal- wülste vorfinden. 3) Der Lobulus semilunaris inferior liegt caudal vom vorigen und lateral von Tuber vermis und Pyramis, an der hinteren Fläche des Kleinhirns. Er besteht aus zwei Abteilungen, die in ziemlich breite Verbindung mit der Pars caudalis des Tuber ver- mis treten. Dem Lobus quadrangularis hängen die Lobuli semilunares an- terior et posterior wie ein schlangenartig gewundener Schwanz an, der neben Tuber vermis, Pyramis und Uvula an die untere Klein- hirnfläche herabsteigend, eine vordere äußere und eine hintere innere Knickung erhalten hat. Die äußere wird vom Caudalende des Lo- bulus quadrangularis und dem Oralende des Lobulus semilunaris su- perior, die innere von dem Medialende des letzteren mit dem Oral- ende des Lobulus semilunaris inferior gebildet. Wegen der durchaus nicht genügend klargelegten Homologieverhältnisse empfiehlt sich die Zusammenfassung beider Läppchen nach dem Vorschlage von ZIEHEN zu einem Lobulus erueiformis. Der laterale Hemisphärenteil besteht aus zwei eng an- einandergedrückten, sagittal stehenden Scheiben kleinster Läppchen, über deren Homologien nichts näher bekannt ist. Da sie phylo- genetisch zum Lobulus ceuneiformis in Beziehung stehen, so ist die Einbeziehung des gesamten Gebildes unter diesem Namen zu recht- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 315 fertigen. ZIEHEN sieht in ihm eine teilweise Homologie mit der Tonsille.. Nach dem Vorgange von FLArTAu-JAcoBson werden wir einen medialen und lateralen Teil des Lobulus cuneiformis anzu- nehmen haben. Es sei hier aber noch einmal wiederholt, daß damit die Stellung dieses Lappens durch- aus nicht vollständig klargelegt ist. Die äußere Scheibe ist meist vier- oder fünfstrahlig und ventral von einem kleinen, caudal gerichteten Zäpfchen gefolgt, das mit dem Floc- eulus hominis homolog zu sein scheint; sicheres ist hierüber nicht auszusagen. Auch FLATAU-JACOBSON äußern sich nicht bestimmt. Wäh- rend in Fig. 82 ihres Buches eine Tonsille von einem Lobulus cunei- formis überlagert erscheint, werden auf S. 421 beide Windungskonvolute dem Lob. euneiformis zugerechnet und der fragliche Hemisphärenteil wird mit der Flocke oder mit der Tonsille homologisiert. Der Un- sicherheit in der Bestimmung die- ser Läppchenscheiben gibt ZIEHEN dadurch Ausdruck, daß er für sie den Namen Tabulationen vor- schlägt. Hier wäre auch noch das schon früher erwähnte Läppchen- zu nen- nen, das sich am caudoventralen Ende der medialen Windungsscheibe quer über das Kleinhirn lagert. Meistens läßt es sich als eignes, gesondertes, mit vier bis sechs Gy- ruli ausgestattetes Läppchen los- trennen, das zur Pyramide hinüber- zieht und mit dieser häufig durch einen Markkamm verbunden ist. Zuweilen fehlt es gänzlich, in andern Fig. 14. Abgerollte Oberfläche hirns des Pferdes. des Klein- Schematisch. Li Lingula; Ce Lobus centralis; As Lobus as- cendens; Cu Culmen; a Declive, p Tuber ver- mis = Pars anterior und Pars posterior tu- beris vermis;- Py Pyramide; Uv Uvula; No Nodulus; Bp Brückenarm; Ze Lobus cunea- tus; Fl Floceulus; La Lobul. lunat. ant.; Zp Lobul. lun. post.; Ss Lobulus semilunaris superior; Si Lobulus semilunaris inferior; Bi Lobulus biventer?; Sö+ Ss Lobulus eru- eiformis ZIEHEN. 316 - Hermann Dexler Fällen scheint es eine Brücke von der Flocke zur Pyramide dar- zustellen. Vielleicht ist es als Rudiment eines Lobulus biventer aufzufassen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß, wenn wir den - Lobulus lunat. ant. als Seitenanhang des Declive zur Hemisphäre zählen und die Seitenanhänge des Lobus centralis mit den Alae lob. eentr. hominum identifizieren, wir die letzteren auch der Hemi- sphäre folgeriehtig einreihen müssen. Das Furchenschema des Equidenkleinhirns ist noch viel un- genauer zu differenzieren wie dasjenige seiner Windungen. Durch die unverhältnismäßig starke Reduktion des Hemisphärenteils gegen- über dem Wurm findet ein häufiges Ineinandergehen mehrerer Fur- chen zu einer statt; außerdem ist, wie ZIEHEN besonders hervorhebt, eine Zuordnung oft nicht möglich, weil die Wurmfurchen bei ihrem Durchgange durch die Lateralsulei nach den Hemisphären von nackter Marksubstanz unterbrochen werden. Zweckmäßig unterscheiden wir Längs- und Querfurchen. Von den Längsfurchen ist die auffallendste die den Hinterwurm seitlich begleitende Fissura paramediana. Sie ist im oberen und hinteren Drittel des Wurmes steil und tief und verläuft flach am Culmen. An ihrem Grunde wird sie von jenen Markkämmen unter- brochen, die vom Wurme zu den Hemisphären ziehen. Zwischen medialer und lateraler Hemisphärenregion liegt die Fissura sagittalis profunda, der Suleus arcuatus superior von ZIEHEN. Phylogenetisch aus vielen Gliedern aufgebaut ist sie morphologisch am Kleinhirn des erwachsenen Pferdes eine einfache Furche, die oral über der Einstrahlung des Brückenarms ins Klein- hirn beginnt und caudal an der Wurzel der Uvula in der dort be- findlichen Plexusnische endigt. Ihr vorderster Abschnitt repräsentiert nach FLATAU-JACOBSON die sagittal umgebogene Fortsetzung des Suleus horizontalis magnus hom. Auch ein Teil des Suleus superior posterior dürfte in dieser Furche verlaufen. Seitlich von ihr, zwischen lateraler und medialer Scheibe des Lobulus ceuneatus findet sich die Fissura sagittalis super- fieialis. Von den Querfurchen können eigentlich nur diejenigen des Wurmes im Sinne einer Homologie diskutiert werden. Die Ver- gleichungen der Furchen des medialen Hemisphärenteils lassen sich zurzeit kaum mit einiger Wahrscheinlichkeit durchführen. Eine Aus- nahme hiervon machen vielleicht nur jene der oralen Hemisphären- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 317 region, von der mit grauer Substanz überzogene Markblätter ununter- brochen in den Wurm eintreten und als Leitwände dienen können. Doch ist auch da eine volle Sicherheit nieht zu gewinnen und ein einfaches Zuordnen zusammengehöriger Wurmabschnitte nicht möglich. Wie beim Menschen hätten wir von caudal nach dorsal und oral fortschreitend am Wurme zu unterscheiden: Zwischen Uvula und Nodulus einen Suleus praeuvularis; zwischen ersterer und Pyramis einen Sulcus inferior anterior, zwischen dieser und dem Tuber vermis einen Suleus inferior po- sterior. Alle drei enden steil abfallend an der medialen Wand der Fissura paramediana. Oral vom Tuber vermis fallen durch die Inkonstanz eines Folium vermis Suleus horizontalis und Suleus superior posterior zusammen. Die dort befindliche Furche wird übereinstimmend als Suleus su- perior posterior aufgefaßt. Sie ist ziemlich tief und hängt or- ganisch mit einer Hemisphärenfurche zusammen, die den soge- nannten Lobus quadrangularis quer teilt. Zwischen Declive und dem Culmen folgt dann der Suleus superior anterior, der den Wurm als tiefste Querfurche bis an den Markkern einschneidet und als Grenzlinie zwischen Vorder- und Hinterwurm dient. FLATAU-JAcoBson lassen ihn lateral, den Isthmus zwischen Deelive und Lobulus lunatus anterior über- steigend, nach der Querteilungsfurche des Lobus quadrangularis gelangen. Ich kann mich, wie schon früher erwähnt, dieser An- schauung nicht anschließen, sondern wiederhole, daß sich dieser Suleus als ganz tiefer, kontinuierlicher Spalt seitlich durch die Fissura paramediana hindurch begibt, den Lobus lunatus scharf von den Seitenflügeln des Culmen abschneidet und in der Fissura sa- gittalis profunda endet. Hieraus ergibt sich neuerdings, dab die Homologie des dorsalen Hemisphärenlappens, der Lobus quadrangu- laris equi nicht einwandfrei ist. Die Homologa der Trennungsfurchen des Lobus ascendens und Lobus centralis sind nicht bekannt. Mit der unsicheren Auffassung der Lingula hängt die Unmöglichkeit zusammen, die Lage eines Suleus postlingualis zu fixieren. Caudal vom Kleinhirnarme zur Med. oblongata treten die Hemi- sphärenteile Lobulus semilunaris inferior und Pars ventralis caudalis Lobuli euneiformis in dorsaler Richtung so weit vom Rande der Rautengrube, dem Corpus restiforme zurück, daß eine kleine Höhlung 318 Hermann Dexler entsteht, in welcher der Plexus chorioideus cerebelli lateralis seine Lage hat. Der Markkörper des Kleinhirns steht durch die früher ge- nannten drei Paare von Kleinhirnstielen mit dem Hirnstamme in Verbindung. Peripherwärts teilt er sich in jene sternförmig von ihm abziehenden Blätter, die der Lappengliederung zugrunde liegen. Seine stärkste Entwicklung hat er oral vom Fastigium. Die größte Dieke des Markkernes, den wir uns in Form eines plumpen, herz- förmigen Blattes vorstellen können, beträgt etwa 8 mm, die größte Flächenausdehnung wird in einer Horizontalebene erreicht, die etwa dureh die Ineisura anterior cerebelli gelegt wird. Die in die weiße Marksubstanz eingelagerten Ganglienmassen lassen sich nicht wie diejenige des Primaten-Kleinhirns mit freiem Auge in genügender Schärfe umgrenzen. Die Ganglienzellenschwärme sind so stark von Nervenfasern durchschlungen, daß sie erst durch die mikroskopische Untersuchung genauer umschrieben werden können. Am frischen Präparate läßt sich mit freiem Auge nur eine größere Kernmasse demonstrieren, die durch ihre Färbung auffällt. Sie wird getroffen, wenn man die Kleinhirnhemisphären in den Stielen ab- trägt und präsentiert sich an der Schnittfläche der Bindearme gerade dort, wo Bindearme und Corpus restiforme zusammentreffen und nach dem Kleinhirn aufsteigen, als ein bräunlichrotes Areal, das in der Richtung des Culmen etwa 1,5 cm weit nach aufwärts strebt. Das la- teral angrenzende Einstrahlungsgebiet der Brückenarme ist ganz weiß. Führt man durch den Stamm des VIII. Hirnnerven einen Fron- talschnitt, so bemerkt man, daß jene braungraue Verfärbung, an der Seitenwand des vierten Ventrikels schmal aufsteigend, sich im Klein- hirnmarke gerade in der Tiefe des Lobulus lunatus anterior seit- lich ausbreitet und durch hellere Faserwurzeln von einer andern, medial liegenden kleinen Gänglienmasse abgeschnitten wird, die über dem Zelte liegt, die Medianebene aber nicht zu überschreiten scheint. In horizontaler Richtung erstreckt sich die größere laterale Kernmasse im Bereich des Hemisphärenmarkes halbkugelig caudal- wärts und in Form einer nach dem Lobulus centralis gerichteten Zunge nach oral, die sich scheinbar mit einem ventralen Ausläufer zwischen Bindearm und Brückenarm verliert. Die Abgrenzung dieser Areale gegen die weiße Substanz ist meistens verschwommen. Die Brücke zieht als plattrunder Strang quer über den Hirn- stamm und strahlt seitlich in Form der Brückenarme, Brachia cere- belli lateralia, nach außen vom Bindearmeintritt ins Kleinhirn. Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 319 In der Mittellinie wird die Ventralseite des Pons durch die Arteria basilaris ziemlich tief eingedrückt. Er erreicht dort in seiner größten Breitenausdehnung etwa 2 cm. Lateral sich rasch verschmä- lernd, läßt er den mächtigen Trigeminusstamm durchtreten und wendet sich zwischen der Medialseite der fünften Wurzel und La- teralseite des Bindearmes nach dorsal als drehrunder, weißer Strang, dessen Verlauf am Kleinhirn in der Tiefe der Fissura sagittalis profunda noch eine Strecke weit verfolgt werden kann. Der Über- gang der eigentlichen Brücke in die Kleinhirnarme wird in die Höhe der Dorsalkante der Trigeminuswurzel verlegt. Doch muß bemerkt werden, daß das quergefurchte, mit vielen Gefäßlöchern versehene Relief der ventralen Brückenfläche bereits medioventral von dieser Gehirnnervenwurzel in jene glatte, weiße Fläche über- geht, welche die Rundung der Brückenarme auszeichnet. Der fünfte Gehirnnerv ist hier so umfangreich, daß er wie ein Keil die Seiten- flügel der Brücke auseinander treibt, mit seiner Spitze seitlich an der Medulla oblongata bis zum Austritt des X. und IX. Hirnnerven reicht, wo er, wie schon früher gesagt, lateral vom VII. Hirnnerven- kerne bloß zutage liegt und auch das Corpus trapezoideum sowie den Austritt des VIL. Nerven merklich nach außen drängt. Sein Stamm zerfällt schon makroskopisch in zwei Teile, von denen der schwächere dem stärkeren medial anliegt. Er mißt im Querschnitte kaum 1/, des letzteren und tritt sehr nahe am caudalen Ponsrande gewöhnlich nur in zwei bis drei Bündeln, oft kaum 3—4 mn von ihm entfernt, aus; es ist die motorische Wurzel. Der stärkere Stamm, die sensible Wurzel, ist von ihr durch eine kleine Arterie und Vene geschieden und strahlt 2—3 mm weiter oral als die vorige in die Brücke ein. An manchen Präparaten finde ich den Stamm des Trigeminus so weit lateral am Hirnstamme liegen, daß man korrekter zu sagen hätte, die spinale Wurzel dieses Nerven wird lateral vom Tuberc. fac. ventrale an der Oberfläche sichtbar und bis zu ihrem wirklichen Abgange vom Gehirnstamme bloß von dem schmalen Corpus trapezoideum und einigen ventrolateralen Bündeln der Brücke überlagert. An einem von etwa 25 Hirnstämmen des Pferdes habe ich aus dem Winkel zwischen Bindearm und Brückenarme ein schmales, etwa 1 mm starkes, weißes Bündel hervorbrechen gesehen, das in leichtem Bogen die Außenseite des Istımus übersetzend, in 3 mm Entfernung vom oralen Ponsrande, diesem parallel nach medial und ventral zog und sich ohne scharfe Grenze noch vor der Mittellinie dem Pons Morpholog. Jahrbuch. 32, 21 320 Hermann Dexler wieder anlegte; wir dürfen es der Taenia pontis homin. gleich- wertig erachten und annehmen, daß es gewiß viel seltener ist als beim Menschen. Maße: Größter Breitendurchmesser der Brücke 2 cm, Breite am medialen Rande des V. Hirnnerven 1,2 em, - der sensiblen Trigeminuswurzel 1,3 - Dicke - - - 0,6 - Breite - motorischen - 0,3 - Durchmesser der Brückenarme am Kleinhirn gemessen 0,9 - Was das Hohlraumsystem des Hinterhirns und Nachhirns an- betrifft, so ist die Gestaltung des vierten Ventrikels aus der vorange- gangenen Schilderung der Dorsalfläche der Medulla oblongata größten- teils abzulesen, und es wären nur noch einige Bemerkungen hin- sichtlich der, diesen Gehirnabschnitt peripher umlagernden großen Lymphräume zu machen. Der vierte Ventrikel ist beim Pferde ein ganz schmaler Spalt- raum, dessen Decke und Boden bis auf eine capillare Lymphschicht größtenteils einander genähert sind. Ein weiterer, allerdings nur wenige Millimeter betragender Abstand ergibt sich nur in der nasal- sten, bereits im Gebiete des Mesencephalon liegenden Region der Rautengrube und in ihrer Pars intermedia, zwischen den beiden Tubereula acustica, wo sich ihr Raum in der Ineisura fastigii, gegen den Kleinhirnkörper aufsteigend, zu einem dorsal gerichteten kleinen Recessus, der Dachkammer erweitert. Wie bereits früher gezeigt wurde, kommuniziert er durch die Aperturae laterales mit dem Sub- arachnoidalraum des Gehirns. Alle diese Verhältnisse lassen sich sehr übersichtlich an einem Me- tallausgusse aller Höhlen darstellen. Derjenige des vierten Ventrikels (Fig. 45 und 46) stellt ein kahnförmiges, schmales Gebilde dar, das nasal einen flachen Fortsatz — den Übergang in den Aquaeduetus cerebri — trägt und caudal in eine feine kurze Spitze — den Ein- gang in den Zentralkanal — übergeht. Ventral hat der Kahn einen stumpfen Kiel, als Abklatsch des Sule. medianus, und lateral von ihm läuft eine grobe Längsrippe jederseits, als derjenige des Sule. limi- tans. Die nahezu senkrecht stehende Bordwand ist in der Mitte etwas eingedrückt, als Negativ der Area acustica. Vorn ist sie scharf und schmal; caudal ist sie von einem stumpfen, nach links gerichteten Läppchen überragt, das den Ausguß des Recessus median. der Tela chorioidea medialis cerebelli darstellt. Mitten im Kahne steht eine quere Scheidewand, die sich mit verbreiterten Flügeln in die Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 321 Bordwand einläßt; es ist das Negativ der Dachkammer, deren Giebel- kante nicht nach oben, sondern nasalwärts gerichtet ist. Sieht man in den so in eine orale und caudale Hälfte geteilten Kahn von oben hinein, so bemerkt man am Boden der ersteren eine grobe Quer- riffung, von den Läppcehen des Lobulus centralis herrührend, wo- gegen der letztere unregelmäßig gekörnt erscheint, durch den Ab- druck des Plexus chor. eerebelli medialis. Dorsolateral geht die Querwand in zwei seitwärts abstehende Hörner über, die mit einer breiten Bruchfläche zu enden scheinen. Sie stellen das Negativ des Verbindungsweges des vierten Ventrikels mit den Lympbhzisternen (Foramen Luschkae) dar. Der Ausguß der seitlichen Lymphräume des Rautenhirns reitet auf der Medulla oblongata wie ein Sattel, der an den Seitenhörnern der hier erwähnten Querwand befestigt ist und ventral in den schmalen Spaltraum eindringt, der zwischen der Ventralfläche der Medulla oblongata und der Arachnoidea seine Lage hat. Die ganze Partie zwischen Schädelwand, Pyramis cerebelli und Tela ehorioidea medialis einerseits und zwischen der Seitenfläche des verlängerten Markes und dem Porus acusticus internus anderseits kann von einer oft über 1,5 cm dicken Metallschicht ausgegossen werden, die sich dann ventral von der Trigeminuswurzel bis in die Gegend der Py- ramidenkreuzung als dünnes Blatt in jenen großen Lymphspalt fort- setzt, der die ganze Gehirnbasis und auch dessen sonstige Oberfläche überzieht. Dort ist seine Umgrenzung wegen der begrenzten Schmelz- barkeit der Injektionsmasse immer unregelmäßig abgeschlossen. Eine scharfe Abgrenzung besitzt der große quer über das Rhomben- cephalon hinziehende Lymphraum nur dorsal in einer Linie, die etwa in halber Höhe der Pyramis cerebelli sich ansetzt, dann hori- zontal und lateral ziehend, den Lobulus semilunaris inferior und Lobulus ceuneiformis tangiert und hierauf knapp über der Acustieus- wurzel nach vorn zu den Vierhügeln aufsteigt.. Über diese Grenze dringt dorsal am Kleinhire — etwa in der Tiefe der Fissura para- mediana — keine gröbere Injektionsmasse unter dem Arachnoidal- überzug vor. Möglicherweise ist dort die Lymphzisterne organisch abgeschlossen oder die Kleinhirnrinde so in den Knochen bei hän- gendem Schädel angedrückt, daß ein Einströmen verhindert wird. Jedenfalls möchte ich hervorheben, daß diese Partien auch in Fällen frei blieben, wo das Injeetum — TEıcHnmannsche Masse, Woopsches Metall — im Zentralkanale zwei bis drei Nervensegmente weit vor- getrieben worden war. 21* 322 Hermann Dexler Maße am Ausgusse des vierten Ventrikels: Länge 4,8 cm, Breite 1 cm, Abstand des Kieles von der Seitenlängsrippe 0,6 cm, Höhenunterschied zwischen Kiel und Bordrand 0,6 em, Höhenunterschied zwischen Kiel und Fastigium 1,3 em, Höhe der Querwand über dem Boden 1,1 cm, Breite der Wand 1 cm, Breite der Seitenhörner am Abgange von der Querwand 0,5 em, Dicke der Wand in der Mitte 0,05 cm, an der Dorsalkante 0,3 em. Der Teil des Hirnstammes, den wir unter Isthmus und Mittel- hirn zusammenfassen, ist beim Pferde etwa 2,5 cm lang und durch die deutlich ausgesprochene Seitenfurche, den Suleus lateralis mesencephali, in einen dorsalen Abschnitt, der die Vierhügelplatte und die Haubenregion, und in einen ventralen Abschnitt, der die Großhirnschenkel in sich schließt, geteilt. Die vorderen Vierhügel sind beim Pferde etwa 14 mm lang und 12—14 mm breit, ziemlich flach, gleichmäßig gerundet und im frischen Präparate außen grau gefärbt. Sie übertreffen die hinteren, weiß erscheinenden Vierhügel an Größe ganz beträchtlich, die in caudaler Richtung 4—5 mm weit unter ihnen hervorragen. Ventral von den hinteren Vierhügeln verschwinden die vom Kleinhirn kom- menden Bindearme im Mittelhirn. Im Bereiche des Mittelhirns ist jeder Bindearm lateral von einem flachen, breiten Faserzuge bedeckt, der, vom oralen Ponsrande kommend, schief nach aufwärts gegen den hinteren Vierhügel zieht und unter diesem ohne scharfe Grenze verschwindet. Es ist das die Schleife, deren dorsaler Rand sich ziemlich gut abhebt. Bei manchen Individuen ist die Mitte des Schleifenfeldes als kleine, gut umgrenzbare Erhebung kugelig vorgetrieben. Sie birgt den Nucleus lemnisei lateralis. Die linken Vierhügel sind von den rechten durch den tiefen Suleus medianus quadrig., die vorderen von den hinteren durch den auf ersterem senkrecht stehenden Suleus transversus quadrig. getrennt. Auch setzen sich die vorderen Vierhügel des Pferdes ebenso scharf von der steil aufsteigenden caudalen Thalamus- fläche und dem Corpus genieulatum mediale ab, wie die hinteren Vierhügel gegen die Bindearme. Setzen wir diese Trennungslinien Furchen gleich, so ist die Vierhügelplatte vorn durch eine nasale, hinten durch eine eaudale und in der Mitte durch eine eigent- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 323 liche Querfurche zergliedert. Von ihnen ist die letzte die mar- kanteste und längste; ihre Schenkel verlieren sich, zum medialen Kniehöcker verlaufend, als Suleus interbrachialis zwischen den Vierhügelarmen. An der Stelle, wo der caudale Rand des hinteren Vierhügels, die dorsale Fläche des Bindearmes und die dorsale Kante der Schleife zusammenstoßen, verläßt der Nervus trochlearis den Hirnstamm. Von jedem Vierhügel geht ein Faserzug ab, der Fig. 15. Seitenansicht des Hirnstammes eines 6jährigen Pferdes; in nat. Gr. nach einem im Schädel gehärteten Präparat gezeichnet. Cr Corpus restiforme; N VIII Tuberculum faciale ventr.; D Pyramidenkreuzung; Hy Hypoglossuslinie; PyPyramide; Pp Propons; VII Faecialisstamm ; & Schnittfläche der Kleinhirnstiele; PPons; 7p Taenia pontis; Be Brachium conjuncetivum; Sl Suleus lateralis mesencephali; Pd Pedunculus cerebri; 7% Tractus peduncularis transversus; Bp hinterer Vierhügelarm; Z Lemniseus; gp hinterer, q« vorderer Vierhügel; gm Sulcus transversus proprius; Sa Suleus transversus frontalis; € Conarium; R Epi- physenschlauch, bei diesem Individuum von besonderer Kleinheit; gl äußerer, gm innerer Knie- höcker; 7o Tractus optieus; Pr Gegend des Pulvinar thalami; J Infundibulum; II Chiasma opticum. vordere und hintere Vierhügelarm, Brachium corporum quadri- seminum nasale et caudale; der erstere setzt sich zum Teil gegen den Traetus optieus fort, zum Teil geht er unter den medialen Knie- höcker. Das Brachium caudale zerfällt in zwei sehr undeutlich, meist nicht abgrenzbare geschiedene Abteilungen, von denen die vordere zum medialen Kniehöcker, die hintere zum Suleus lateralis mesencephali zieht. Die Crura cerebri sind an ihrem Austritte aus dem oralen Ponsrande etwa 12 mm breit und verschwinden nach 2,5 em langem 324 Hermann Dexler Verlaufe unter den Tractus optiei. Ihre striekförmige Oberflächen- konfiguration ist nicht so markant wie beim Menschen, insbesondere kann man nicht wie dort ein Überwandern medial gelegener Faser- bündel nach lateral wahrnehmen. Die divergenten, sehr schwach abgrenzbaren medialen Ränder der Crura lassen ein Feld frei, das erfüllt wird von der den Boden des dritten Ventrikels darstellenden Substantia perforata posterior. Dieser Raum ist dem Trigo- num intererurale hom. homolog, kann aber beim Pferde kaum so bezeichnet, sondern muß Fossa interpeduncularis genannt werden, weil die Cruraränder hier nicht divergieren, also kein Dreieck ein- schließen. Er ist mediaun durch einen deutlich ausgesprochenen Suleus medianus ventr. mesenceph. in zwei Hälften geteilt; nasal stößt er an das Corpus mamillare. Am medialen Rande der Crura cerebri kommt jederseits der dritte Gehirnnerv mit einer unregelmäßigen Reihe von Bündeln zunı Vorschein. Sie ziehen sich von der Mittellinie schief nach caudo- lateral. Nach ihrem Zusammenlegen zu dem bandförmigen Stamm wendet sich dieser, nachdem er 4—5 mm der angedeuteten Richtung gefolgt ist, mit einer winkligen Umbiegung nasal. Bei vielen Individuen sieht man an der Grenze zwischen Sub- stantia perforata posterior und Crus cerebri noch ein, namentlich an Chrompräparaten deutliches, 3 mm breites Bündel über die Ober- fläche sich etwas emporheben. Es kommt an der oralen Ponskante hervor und verschwindet am Oculomotoriusaustritte. An ganz frischen Gehirnen sieht man medial von diesem noch zwei zarte Bündelcehen am Grunde der Fossa interpeduneularis. Ihre Spur verliert sieh nach 4 mm langem Verlaufe vom oralen Ponsrande. Das übrige Areal der Substantia perforata posterior ist teils durch sagittal verlaufende Gefäßäste, sowie durch oberflächliche zarte Faserbündel in longitu- dinaler Richtung fein gefurcht. Der Traetus peduncularis transversus — jener Faserzug, der in der seiehten Grube beginnt, die sich im vorderen Drittel des Suleus lateralis mesencephali befindet, knapp, wo der eaudale Vier- hügelarm unter den medialen Kniehöcker tritt, — ist etwa 3 mm breit und wendet sich in ventro-nasaler Richtung, über den Hirn- schenkelfuß dahinziehend, gegen die Substantia perforata posterior. Je weiter er in seinem Verlaufe fortschreitet, um so mehr gibt er zwischen die Stränge des Hirnschenkels Fasern ab, so daß er von der Oberfläche völlig verschwindet, ehe er an den medialen Rand des letzteren gelangt. Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 325 Im Mittelhirn liegt der Verbindungskanal des dritten Ventrikels mit dem vierten, der Aquaeductus cerebri. Seine Gestalt, am Me- tallabgusse abgelesen, ist die eines etwa ? em langen Bogenstückes, das ventral einen undeutlich ausgeprägten Längskamm — die orale Fortsetzung des Suleus medianus Fossae rhomboidalis — und zwei schärfer entwickelte Seitenkämme aufweist. In der Mitte besitzt der Bogen zwei Verdickungen: die orale schmälere und höhere entspricht dem Abklatsche des unter dem vorderen Vierhügelpaare befindlichen Teils, der breitere und niedere dem des unter dem hinteren Vier- hügelpaare liegenden Teils des Aquaeductus, beziehungsweise seiner ampullenförmigen Erweiterungen. Das caudale Ende des Bogenstückes, unter dem Ansatze des vorderen Marksegels gelegen, trägt an der Dorsalseite quere Eindrücke, das Negativ einiger Läppchen des Lo- bus centralis cerebelli. Das vordere Ende ist zu einer vertikal stehenden, 2 mm hohen, kaum 0,5 mm dieken Wand umgeformt, ehe es in den Ausguß des dritten Ventrikels übergeht. Hier befindet sich die engste Stelle des gesamten zentralen Kammersystems des Großhirns. Dieneephalon. Dorsal vom Nasalende des Sulcus lateralis mesencephali liegt das relativ große Corpus geniculatum me- diale und zwar gerade an der Stelle, wo sich der Sule. lamin. quadrig. transv. propr. und der Sule. 1. qu. trans. nasalis zu vereinen streben, als eine kugelige Prominenz von etwa 1 em Durchmesser, die sich nasal mit wenig scharfer Grenze von der Caudalwand des Zwischenhirns bzw. vom Tractus optieus abhebt. Zu letzterem sieht man zarte, leichtgewellte Stränge ziehen. Nasal von dem genannten Ganglion steigt die Rückwand des Thalamencephalon steil zu einer wulstartigen, lateral gerichteten Erhöhung auf, die ventronasal in den bandförmigen Traetus optieus, medial in die sanft gegen die Mittellinie abfallende Dorsalfläche des Thalamus übergeht. Dieser Randwulst entspricht zum größten Teile dem Corpus geniculatum laterale. Seine mediale Region wäre mit dem Pulvinar hom. viel- leicht identisch. Jedenfalls kann ein Pulvinar am Pferdehirn äußer- lich nicht von dem lat. Kniehöcker getrennt werden. Die weiße, von einem dünnen Faserbelage, dem Stratum zo- nale, überzogene Dorsalfläche des Thalamus optieus hat die Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Basis caudal, dessen Spitze nasal neben der Mittellinie liegt. Innen wird sie an der Umbeuge- kante nach der medialen Thalamusfläche von der weißen, etwa 3 mm breiten Habenula, Stria medullaris oder Taenia thalami 326 Hermann Dexler umsäumt und lateral von einer tiefen Furche abgeschnitten, die Thalamus und Nucleus caudatus voneinander scheidet, Suleus tha- lamo-striatus. Diese Furche beginnt ganz vorn am Foramen Fig. 16. Dorsalansicht des Hirnstammes eines 1jährigen Pferdes. Nach einer Photogr. Nat. Gr. Nc Kopf des Nucleus caudatus; S Schnittfläche zwischen End- und Zwischenhirn; 7a Tubereulum anterius thalami; @h Ganglion habenulae; 71 Tubereulum laterale thalami; Z Rißlinie des Epiphysen- schlauches am Conarium: Ca vorderer Vierhügel; @G@ Ganglion Gasseri; Be Brachium cerebelli na- sale; S’ Schnittfläche durch die Kleinhirnschenkel; 7o Thalamus opticus; # Suleus thalamo- striatus; H Habenula; 61 Ganglion geniculatum laterale; @Wm Gangl. genie. mediale; P Dorsalrand des Pes peduneuli; Bce hinterer Vierhügeların; IV Nervus trochlearis; Bp Brachium cerebelli me- diale; Cr Corpus restiforme. ö interventrieulare, umkreist im ?/, Bogen den Thalamus bis in die Spitze des Lobus pyriformis, nimmt den Plexus lateralis und den Rand der Fimbria auf und birgt an ihrem Grunde einen weißen Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 327 Markstreifen, die Stria terminalis oder Taenia semicireularis, die jedoch oberflächlich nicht so hervortritt wie beim Menschen. Die nasale Spitze der dorsalen Thalamusfläche läßt ein deutliches, bohnen- förmig vorragendes Tubereulum anterius erkennen. Oft kann man zwischen ihm und dem Corpus geniculatum laterale noch eine kleine, die Dreieckseite begleitende Erhöhung nachweisen — Tubereulum laterale, — die aber ebenso oft fehlen kann. Ebenfalls nieht konstant ist die Formiernng eines dritten, oberflächlich aufscheinen- den Hügelehens, das man zuweilen am Zusammenstoße beider Ka- theten, lateral von der Epiphyse, wahrzunehmen glaubt. Im ganzen ist aber die obere Thalamusfläche viel flacher als beim Menschen. Ihr fehlt auch ein Suleus chorioideus. Der dorsale Suleus medianus mesencephali geht am Nasal- ende der Vierhügelplatte in eine trichterförmige Vertiefung über. Aus dieser Grube ragt die zapfenförmige, ziemlich große Epiphyse empor. Reißt man die häutige Decke des dritten Ventrikels ab, so bemerkt man an der Nasalfläche der Epiphyse zwei dünne Mark- platten gegen die Zwischenhirnspalte herabsteigen und dort in zwei spindelförmige kleine Knoten übergehen, die sich weiter ohne Unter- breehung in jene oben erwähnte Markleiste fortsetzen, die wir an der Trennungskante der dorsalen und medialen Thalamusfläche als Stria medullaris oder Habenula kennen gelernt haben. Die weißen, 3 mm langen, etwa 2 mm dicken Nervenknoten entsprechen den Ganglia habenularum, die von ihnen zur Epiphyse ziehenden Markleisten den Zirbelstielen oder Peduneuli habenularum. Die völlig glatte, mediale Fläche des Thalamus fällt von seinem mediodorsalen Rande senkrecht ab und ist mit der gegenüberliegen- den durch. die breite Massa intermedia verbunden. Der kaum 1 mm breite Zwischenhirnspalt wird so in einen Ringkanal umge- wandelt, der den dritten Ventrikel oder die Zwischenhirnkammer darstellt. Die Decke des Zwischenhirns, die also den dorsalen Abschluß der Zwischenhirnkammer bildet, bleibt zeitlebens auf der Stufe der ‘ embryonalen Wand des Hirmbläschens stehen; sie wird durch ein meist einzelliges, kubisches Epithel repräsentiert, das an der Stria medullaris der mediodorsalen Thalamuskante jederseits in diese übergeht. Die Epithelschicht erhält ihre Stütze durch die Tela cehorioidea, die durch den Querschlitz des Gehirns an die Thalamus- oberfläche gelangt und diese, ihrer Formation folgend, bis in die Ge- send der Foramen interventriculare als Velum triangulare über- 328 Hermann Dexler zieht. Der mediale Streifen des Velum triangulare trägt an seiner Ventralseite umfangreiche, bürstenförmige Gefäßzotten, die das Ependym vor sich herschiebend nach dem Lumen der Zwischenhirn- kammer vordrivgen — Plexus medialis. Sein eaudaler, über und vor der Epiphyse liegender Abschnitt stülpt sich zu einem individuell verschieden großen, gewöhnlich aber 2 cm langen, äußerst zart- wandigen Blindsacke aus, der die Oralseite der Epiphyse in seine Wand mit einbezieht. Es ist der Epiphysenschlauch, Recessus suprapinealis, der von der Epiphyse ab in einem flachen Bogen dorsal in jenem bindegewebigen Septum gegen den Längsblutleiter aufsteigt, in welchem der Sinus reetus mit seinen vom Hirnstamme kommenden Nebenästen verläuft. Knapp ventral von der Epiphyse liegt in der Ventrikelwand ein zweiter kleiner Blindsack, der Re- cessus infrapinealis, der durch die Commissura posterior vom Eingange in den Aquaeduetus Sylvii getrennt ist. Die Basis des Zwischenhirns, Regio hypothalamica, ist zum srößten Teile von der stark entwickelten Hypophyse bedeckt. Trennt man diese ab, so bemerkt man, wie die Fossa interpeduneularis nach vorn an einem herzförmigen, großen Körper ein Ende findet, der sich zwischen die nasalen Enden der Crura cerebri und der caudalen Kante der zusammenstoßenden Traetus optiei einschiebt. Die eaudale Partie dieses Körpers, das äußerlich meist ungeteilte Corpus mamillare ist schwach abgerundet, an der Kuppe meist etwas flachgedrückt. Bei vielen Individuen ist es durch die Hypo- physe so stark in die Hirnbasis eingepreßt, daß es außen nicht vor- ragt, sondern ganz abgeplattet in einer Flucht in das Tuberculum einereum übergeht; an andern Gehirnen finde ich es hingegen stärker prominent und undeutlich in zwei seitliche Portionen geteilt. Die orale Portion, das Tuber einereum, ist beinahe ganz flach und trägt in der Mitte, knapp hinter dem Chiasma nervorum opticorum, eine von grauer Substanz umwallte Öffnung, die durch das Abtragen der Hy- pophyse entstanden ist. Es sind die Reste des beim Pferde verhältnis- mäßig großen Trichters. Betrachtet man die Zwischenhirnbasis von der Seite und zieht die Hypophyse etwas ab, so wird man gewahr, daß der Trichter als $S mm langer, sich rasch verjüngender Schlauch von der caudalen Kante des Chiasma nach rückwärts über die Dorsalfläche der Hypophyse sich begibt und sich in diese erst in der Höhe der Kuppe des Corpus mamillare inseriert. Hier ist der Zwischenhirn- boden am dünnsten, kaum 1 mm stark; auch die Gegend hinter dem Corpus mamillare wird nur von einer, median nur wenige Millimeter Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 329 dicken Markmasse gebildet, die seitlich allerdings durch den Thala- mus sogleich mächtig verstärkt wird. Die Tractus optiei verlassen als drehrunde Stränge das Chiasma, werden von dem Momente an, wo sie unter dem Uncus verschwinden, ganz flach und wenden ihre Faserbündel, schon mit freiem Auge sichtbar, dem Corpus geniculatum laterale, zum ge- ringen Teile auch dem Corpus genieulatum mediale zu. Die Gegend des Epiphysenschlauches und des Tentorium cerebelli eines Pferdes, dessen Schädel etwa 1 cm links von der Mittellinie sagittal durchsägt wurde, nachdem zuvor das Gehirn in situ gehärtet worden war; etwas verkleinert, Sf Sinus frontalis; S Crista parietalis; 7Tc Tentorium cerebelli; ©, C Cerebellum; V oraler Pol des Kleinhirnwurmes; a vorderer Vierhügel; 7 Bruchfläche des linken Thalamus opticus; Ce Corpus eallosum; @ Sinus rectus; E, # Epiphysenschlauch, aufgebläht und von zahlreichen venösen Gefäßen umsponnen; P Epiphyse; x jene Stelle der medianen Wand des Oceipitalhirns, an der es beim Pferde häufig zu Verwachsungen mit der gegenüberliegenden Cortexpartie kommt, weil die Hirnsichel sich nicht dazwischen schiebt; letztere endet caudal mit einem ausgeschweiften Rande bei y. Die Hypophyse ist ein bohnenförmiger Körper von sehr wech- Selnder Größe. Die Breite schwankt zwischen 1,5 und 2,2 em, die Dieke von I em bis 1,6 em und demgemäß das Gewicht von 1,2 bis 3,5 g. Ihre Ventralfläche ist eben, von dem Duraüberzuge weiß und trägt nasal manchmal ein kleines, kaum millimeterhohes Kegel- chen, dessen Spitze im Os sphenoidale blind endet; es muß als Rest des Stieles der embryonalen Hypophysenausstülpung im Sinne Minors aufgefaßt werden. Die Dorsalfläche ist kugelig, nasal nieder, caudal 330 Hermann Dexler stumpf, wulstförmig vorgebaucht und im allgemeinen graubraun bis graurot gefärbt. In der Mitte trägt sie den Triehteransatz, der sich noch als weißliche Erhebung auf 3 bis 4 mm nach caudal fortsetzt. Von ihm zieht gegen den Caudalrand ein grauweißer, sich allmählich verbreitender Streifen, der bis zur Einsenkung der Hypophysis in die Dura mater verfolgt werden kann. Durch die Öffnung dieses Fort- satzes gelangt man in einen kleinen, kaum 3 mm breiten und 2—5 mm langen Lymphspalt, den Recessus hypophyseos ventr. tertii. Auf Quer- und Sagittalschnitten lassen sich beide Teile durch ihre Färbung weit besser abgrenzen. Der weiße Markteil bildet die scheinbare Fortsetzung des Trichters in Gestalt einer dieken Keule oder eines Tropfens. Er beginnt am Trichter und endet mit seinem dicken Kopfe ventrocaudal an dem hinteren Umfange der Dura mater. Er stellt die dorsale Begrenzung des sogenannten Markteiles der Hypophyse dar, dem sich der dunkel gefärbte Drüsenteil seitlich anschließt. Der rotbraune Drüsenteil umfaßt ihn von vorn wie ein plumpes Hufeisen als kurzer Bogen. Anders ausgedrückt, es senkt sich der tropfenförmige Markteil von dorsal und caudal in die drüsige Portion ein. Eine lappige Gliederung läßt sich der Gestalt nach beim er- wachsenen Individuum kaum ablesen; der als vorderer Lappen auf- gefaßte Teil, der Abkömmling der Abschnürung der Mundbucht, umfaßt den vom Gehirn stammenden beinahe vollständig. Die Zwischenhirnkammer ist ein ganz schmaler, sagittal gestellter Spalt, der sich als Ring um die Massa intermedia herum- legt und an seiner Peripherie mehrere Eingänge und Ausbuchtungen besitzt. Ich unterscheide vier Quadranten, von denen die beiden dorsalen der oberen Ventrikeletage der Autoren, die beiden ventralen der unteren Etage entsprechen. Der dorsonasale Quadrant liegt oberhalb der Commissura anterior und enthält links und rechts je eine Öffnung, die zu dem Seitenventrikel führt (Foramen Monroi). Der dorsocaudale Quadrant weist eine große dorsale Ausbuchtung, den oben erwähnten Epiphysenschlauch, Recessus suprapinealis auf. Knapp unter seinem Eingange gelangt man in einen kleinen Blind- sack, den Recessus infrapinealis. Die übereinander liegenden Mün- dungen beider werden durch einen schwachen Querfaserzug, der wahr- scheinlich einer Commissura habenularum entspricht, getrennt. Hier schließt sich der ventrocaudale Quadrant an; von ihm ge- langt man unterhalb der Commissura posterior in den Aditus ad aquaeductum, von welchem an der Ventrikelboden schräg nach Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 331 vorn gegen den ventronasalen Quadranten abfällt; dieser reicht vom Corpus mamillare bis zur Commissura anterior. Er ist der größte und enthält zwei ventrale Blindsäcke, die Höhle des Infun- dibulum und den Recessus optieus. Aus der Triehterhöhle zweigt der Überrest der embryonalen Hypophysenhöhle ab, die am erwachsenen Tiere nur einen kleinen, etwa linsenförmigen Spaltraum darstellt — Recessus Hypophyseos. Unmittelbar nasal vor der Triehterhöhle liegt an der Dorsalfläche des Chiasma nervorum opti- corum der Recessus optieus, der in zwei spitz zulaufende Taschen Fig. 18. Medianschnitt durch das Gehirn eines erwachsenen Pferdes; Härtung im Schädel. 1/2 der nat. Gr. IV vierter Ventrikel; $ Aquaeduetus Sylvii; /II ventrale Etage des dritten Ventrikels; C£ mittlere Kommissur; M Foramen Mouroi; R Recessus suprapinealis; Ca Commissura anterior; VYm Sinus rectus; Va Velum medullare anterius; P Pons; Cm Corpus mamillare; HZ Hypophysis; No Chiasma nerv. opti- corum; Bo Bulbus olfactorius; F Fissura callosomarginalis; Rce Genu corporis callosi; Sce Splenium corporis callosi; Pa Balkenwindung; C Conarium; (Qa vorderer, Qp hinterer Vierhügel. endigt, die auf den Ansätzen der Neryi optii an dem Chiasma liegen. Vom Recessus optieus steigt als orale Begrenzungswand des ventronasalen Quadranten die graue Schlußplatte, Lamina termi- nalis, bis zur Commissura anterior auf, Am Ausgusse des dritten Ventrikels nimmt die Hauptmasse der Abklatsch des Recessus opticus und der des Infundibularteiles ein. Ersterer legt sich in dem mir vorliegenden Exemplare (siehe Fig. 45) als ein 1,5 em langes, an der Basis 6 mm breites, längsgefurchtes Horn vorn dem Ausgußringe an. Letzterer läuft in einen kurzen 332 Hermann Dexler Dreifuß aus. Die vorderen spitzen Schenkel bildeten den Inhalt des Recessus optieus, der hintere mit seiner linsenförmigen Verdickung den der Hypophysenhöhle. Ventral vom Ansatze des Epiphysenschlauch-Ausgusses steht eine kurze Warze nach caudal ab — das Negativ des Rec. infrapinealis. Der übrige Ausgußring ist ziemlich gleichmäßig diek und trägt an seiner zentralen Begrenzung eine scharfe Kante. Eine ähnliche Kante ist an der Peripherie des ventrocaudalen Quadranten vom Aditus ad aquaeductum bis zum Trichter zu finden. Am stärksten ist er an der Übergangsstelle nach den Seitenventrikeln, am dünn- sten im ventrocaudalen Quadranten. Unterhalb des Zusammenhanges mit den Seitenventrikeln weist der ventronasale Quadrant eine kurze Querrinne oder Kerbe auf, als Abdruck der Commissura anterior. Maße: Länge des Zwischenhirns von der Frontalebene des inneren Kniehöckers bis zur Commissura anterior 3,5 em. Größte Breite zwischen beiden Corp. gen. lateralia 5 em. Größte Höhe zwischen Corp. gen. lat. und Trichtergebiet 3,5 em. An der dorsalen Dreieckfläche des Thalamus optieus: Querkathete 2,4 cm. Längskathete 2,7 cm. Hypothenuse 3,5 em. Breite der Epiphyse 0,7 cm, Länge der Epiphyse 1 cm, Breite der Stria medullaris 3 mm, Länge des Tubereulum anterius 1 cm, Breite des Tubereulum anterius 0,7 cm, Länge des Tubereulum laterale 1,4 em, Breite des Tubereulum laterale 0,7 em, Länge des Ganglion habenulae 0,6 em, Dicke des Ganglion habenulae 0,4 cm, Höhe des Corpus gen. mediale 1 cm, Breite des Corpus gen. mediale 0,6 cm, Breite des Tractus opticus vor dem Sule. lat. mesene. 0,8 em, Breite des Traetus opticus hinter dem Chiasma 0,5 cm, Durchmesser der Massa intermedia 0,5 cm, Breite des Tuber cinereum 1,5 em, Länge des Tuber einereum 1,8 em, Breite des Infundibulum 0,8 em, Länge des Infundibulum bis zur Inserierung an die Hypophyse 0,6 em, Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 333 Breite des Corpus mamillare 1 cm, Breite des Chiasma optieum 1,2 em, Länge des Chiasma opticum 0,8 cm, Dicke des Chiasma optieum 0,4 em. Telencephalon. Wenn wir die Oberflächengestaltung der Groß- hirnrinde eines erwachsenen Pferdes betrachten, so bietet sich uns eine so verwirrende Fülle von schlangenartig und winkelig verlaufenden Furchen und Windungen dar, daß es tatsächlich schwer fällt, uns nur einigermaßen zu orientieren. Es ist schon eine gewisse Mühe notwendig, um der Auffassung der verschiedenen Schemen gerecht werden zu können. Die Feststellung der Hauptfurchen in ihren gröbsten Zügen ist allerdings bei einigem Nachsuchen leichter mög- lich. Darüber hinaus aber gibt es eine so beträchtliche Menge von Neben- und Parallelfurchen, Übergangswindungen und Variationen, daß das Herauslesen des Grundplanes der Architektonik ganz wesent- lich erschwert sein kann. Hinsichtlich ihrer Details verweisen die meisten einschlägigen Arbeiten entweder auf das Carnivorenhirn- schema, ohne sich mit einer tatsächlichen Übertragung abzumühen, oder sie wenden diesem Punkte als nebensächlich überhaupt keine Aufmerksamkeit zu. Als Beweis der Schwierigkeiten einer durchgreifenden Schema- tisierung möchte ich nur den Umstand erwähnen, daß man heute nicht einmal über die Lage der Fissura cruciata (SCHELLENBERG), Fiss. Sylvii (HoLt) und Fiss. suprasylvia (BRADLEY) zu einer ein- heitlichen Auffassung gelangen konnte. Die Rückführung des Fur- chenschemas des Pferdehirns auf dasjenige der Carnivoren selbst in seinen Hauptzügen hat immer etwas Gewaltsames und ist in seinen letzten Konsequenzen vielfach gar nicht möglich. Der Abstand zwischen beiden Objekten ist ein ganz beträchtlicher; er ist aber überbrückt worden, und das konnte ohne wesentliches Schematisieren nicht geschehen. Schon die starke Vergrößerung des Längendurch- messers des Großhirns gegenüber dem viel kürzeren Hundegehirn trägt dazu vieles bei. Rein objektiv genommen, sind die Windungen des Pferdehirns keine Bogenwindungen, sondern winkelig gebrochene, vielfach geteilte Windungszüge. Bogenwindungen bleiben sie nur im genetischen, nicht im formalen Sinne. Sie verlaufen nicht im Bogen um eine Syuvische Furche, sondern sind mehr oder weniger longitudinal gestellt, namentlich die weiter dorsal liegenden. Da- gegen vermag der Horısche Einwand wenig, daß der Scheitelan- teil der Bögen, wie bei den Ungulaten überhaupt, stark gekrümmt ist. 334 Hermann Dexler Das Pferd macht eine Ausnahme; denn seine vierte Bogenwindung hat keinen Scheitelanteil, weil sie früher endet, und die erste hat nach Horıs eignem Ausspruche den Charakter einer Bogenwindung ‘ verloren. Endlich findet man die homologisierten vier Bogenwin- dungen an manchen Stellen — laterocaudal und mediocaudal — auf ein so großes Areal verbreitet, daß man innerhalb desselben neue selbständige Furchen annehmen mußte, die sich trotz aller Mühe nicht homologisieren lassen. Viele der gangbaren Schemen unterstützen unsre Bestrebungen, uns in dem Labyrinth zurechtzufinden, nicht genügend. Entweder sind sie zu einfach — ein Vorwurf, der dem von ELLENBERGER ge- gebenen vielleicht nicht zu ersparen ist — oder sie sind zu gewalt- sam. Der Theorie zuliebe wird das Objekt in die gewünschte Form gepreßt. SCHELLENBERG findet die Gliederung des Stirnendes der Hemisphärenpole der Ziege demjenigen des Menschen ähnlich. In der konsequent durchgeführten Homologisierung überträgt er sie auch auf die entsprechende Rindenformation des Pferdes. Wenn ihm die gewünschte Übertragung vom Menschen auf die Ziege zugegeben werden soll, so kann dies nicht beim Pferde geschehen. Morpho- logisch das Stirnhirn des Menschen mit dem des Pferdes zu ver- gleichen, entbehrt jeder Begründung. Es stimmt daher das Schema bei aller Toleranz mit den objektiven Befunden nicht überein. Ein andrer weniger prinzipieller Einwand ist der, daß manche Schemen — namentlich dasjenige der Lateralfläche — so erude gezeichnet sind, daß sie beinahe kaum eine Ähnlichkeit mit dem Pferdehirn erkennen lassen. Aber selbst dann, wenn man durch aufmerksame Präparation vieler Gehirne in die Lage gekommen ist, sich über die Haupt- momente des Furchenplanes Rechenschaft zu geben, kommt man nicht über jene zahlreichen Fragepunkte hinaus, welche der persönlichen Auffassung unterliegen, und wir begreifen nun erst die Schwierig- keiten, die sich einer klaren Sichtung dieser Verhältnisse entgegen- stellen. Wir erkennen zwar auch beim Pferde die für alle Säugetiere geltenden Homologien — Medianspalt, Fissura chorioidea, Fissura hippocampi und Fissura rhinalis; wir erkennen ferner, daß die Homologisierung mit dem Carnivorengehirn das vorteilhafteste Ver- fahren ist, um so mehr, als Marrın wenigstens für das Rinderhirn ge- zeigt hat, daß ein solcher Vorgang auch vom entwicklungsgeschicht- lichen Standpunkte begründet ist. Daneben aber bleiben eine ganze Reihe von Fragen trotz der regen Aufmerksamkeit, die man dem Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 335 Gegenstande geschenkt hat (KÜKENTHAL, ZIEHEN, TURNER, ÜLARKE, SMITH, MArrın, HoLL, SCHELLENBERG usw.) offen, so daß unsre Schematisierungen als unvollkommen oder nicht ausreichend ange- sehen werden müssen. Selbst bei der versuchten groben Einteilung nach Lappen ergeben sich uns eine Menge von Einwänden. Schon die Frage nach denjenigen Momenten, die eine Abgren- zung einzelner Rindenteile leisten sollen, birgt deren eine ganze Reihe in sich. Wenn beispielsweise SCHELLENBERG den von ELLEN- BERGER gegebenen Begriff des Oceipitalhirns weiterfaßt und ihm nicht nur jene Partie zuzählt, die durch den Suleus oceipitotemporalis und collateralis abgegrenzt ist, sondern auch jene, die caudal von einer den Balkenwulst tangierenden Frontalebene abgeschnitten wird, so ist dem gewiß eher zuzustimmen. ELLENBERGER hat aber schon früher. diesem Umstande Rechnung getragen und einen anatomischen kleineren Oceipitallappen von einem funktionellen größeren unter- schieden (S. 757 der neuesten Auflage seines Handbuches). - Wir müssen für ein größeres Oceipitalfeld eintreten, wenn wir bloß die Einstrahlungsgebiete des GRATIOLETTschen Bündels in Betracht ziehen. Leider ist aber auch damit noch kein Abschluß gegeben, da die anatomische Abgrenzung eines Sehrindenareals noch nicht bekannt ist. Das dem rein morphologischen Einteilungsprinzip in vieler Hin- sicht weit überlegene physiologische zeigt gerade hier sehr bald seine Grenzen. SCHELLENBERG will aus dem feineren Baue der Sigmoidal- rinde der Carnivoren und Ungulaten homologe Rindenfelder er- schließen. Das Ergebnis seiner Bemühungen ist. noch ausständig. In den alten Auflagen von FRANnKs »Anatomie der Haustiere« sind die von Marcaccı durch elektrische Reizung herausgefundenen mo- torischen Rindenfelder ins Schema des Schafgehirns als scharfe Kreise eingetragen, die ganz vorn im Stirnhirn zu beiden Seiten der Fis- sura coronalis liegen. Ähnliches stellte ArLoıng am Pferdegehirn im Jahre 1878 dar, welcher fand, daß die Faradisation der die Fissura eruciata umgebenden Rindenpartien keine Bewegungserscheinungen nach sich zog. Diese genaue Lokalisierung der motorischen Zentren gewisser Muskelgruppen bei den Ungulaten ist nach dem, was ich seinerzeit im Verein mit KreıpL am Pferde und später teils allein, teils in Verbindung mit MARGULIES an der Ziege und am Schafe gesehen habe, jedenfalls im hohen Grade einer Nachprüfung be- dürftig. ZIEHEN, der Gelegenheit hatte, eine elektrische Rinden- reizung beim virginianischen Opossum zu machen, betont die teil- weise Überdeckung der gefundenen Zentren. Morpholog. Jahrbuch. 32. 22 336 Hermann Dexler Wollte ich nach den mir zugänglichen Befunden eine motorische Zone beim Pferde umschreiben, so müßte ich vorläufig beinabe das ganze Stirnhirn und Parietalhirn bis zur Sehrinde mit einbeziehen. Eine solehe Behauptung ginge aber entschieden zu weit, solange sie nicht durch exakte Untersuchungen unterstützt wird. Eine gewisse Übereinstimmung dieser funktionell homologen Rindenpartien in dem Sinne, daß wir in der Hirnrinde des Pferdes vorwiegend ein sensitiv- motorisches Rindenfeld in der vorderen Hemisphärenhälfte und ein vorwiegend sensibles in den hinteren Abschnitten der Hemisphären annehmen, ist gewiß nicht zu leugnen. Wir können noch weiter gehen und sagen, daß jeder, dem es darum zu tun ist, bei einem beliebigen Säuger Muskelzuekungen von der Hirnrinde aus hervor- zurufen, zunächst jenes Gebiet freilegen und abtasten wird, das der vorderen Dorsolateralfläche der Hemisphären entsprechen wird. Man wird dabei mit Recht eine gewisse Aufeinanderfolge der drei motorischen Hauptzentren, wie Hinterbein, Vorderbein und Facialis- gebiet erwarten dürfen, der nach der von ZIEHEN gegebenen For- mulierung bei den Primaten ein transversaler, bei den Carnivoren ein Übergang zu den longitudinalen und bei den niederen Säu- gern ein longitudinaler Typus anhaftet. Die Anordnung der Moti- litätszentren kann aber doch ganz wesentliche Abweichungen er- leiden, wie bei den Nagern, bei denen das Vorderbeinzentrum_ vor dem Hinterbeinzentrum sich befinde. Nach dem ArLoInsschen Schema wäre beim Pferde sogar noch eine weit stärkere Verschie- bung anzunehmen. Jedenfalls aber dürfte dieses Tier, wie das Schaf, hinsichtlich der Zahl der motorischen Zentren wahrscheinlich unter dem Hunde stehen. Gewiß ist, daß es falsch wäre, sich diese Zen- tren so erstaunlich fein differenziert vorzustellen, wie sie am Gehirn der Menschen, der höheren Affen oder selbst noch des Hundes vcr- kommen. Aber selbst, wenn unsre Kenntnisse der Lokalisation dieser Zentren am Ungulatenhirn viel weiter vorgeschritten sein werden, wie sie es zurzeit sind, dürfte ihre Verwendung zur exakten Abgrenzung funktionell homologer Gebiete immer noch nicht möglich sein. Die erwiesene Überlagerung einzelner Zentren, die nicht durch eine Linie sondern durch gemischte Zonen begrenzt gedacht werden müssen, ihre verschiedene Bedeutung für homolaterale und kontralaterale Be- wegungen bei verschiedenen Tieren, ihre innige Verquiekung mit sensiblen Arealen, endlich die bis heute noch nicht endgültig entschie- dene Funktion der Pyramidenbahn geben Gründe genug dafür ab. Nicht viel besser geht es uns bei der Betrachtung der corti- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 337 calen Endigung der Geruchsbahn. Der Brocasche Vorschlag, den gesamten Gyrus fornicatus in das Geruchszentrum mit einzubeziehen, hat sich nicht halten können, da er die Inkongruenz zwischen Ent- wicklung dieser Windung und der rudimentären Entwicklung des übrigen zentralen Geruchsapparates nicht zu erklären vermochte. Es gilt das auch gegenüber der Wiederbenutzung des Brocaschen Sche- mas durch LüsßrE und FORGEOT. EDINGER spricht sich in seinen Vorlesungen dahin aus, daß ihm die Zugehörigkeit des Gyrus forniecatus zum Riechhirn zweifelhaft sei, und ZIEHEN ist der autoritative Vertreter jenes Standpunktes, daß sowohl eine physiologische Charakterisierung wie auch eine scharfe anatomische Definition des Riechhirns zurzeit nicht möglich ist; die Bezeichnung Riechhirn dient nur zur oberflächlichen „topo- graphischen Orientierung. Für diesen Zweck ist der Begriff Rhin- enecephalon nur auf jene basalen Hemisphärenteile übertragen wor- den, welche vor dem Chiasma optieum ihre Lage haben, als: Pars anterior Rhinencephali mit dem Bulbus, Tractus olfaetorius und dem Trigonum olfactorium, und Pars posterior mit der Substantia perfo- rata anterior und dem Gyrus subeallosus. Endlich wäre als Hauptmoment die zuerst von ZIEHEN ins Treffen geführte Tatsache zu betonen, daß bestimmte Funktions- zentren nicht immer gleichmäßig um bestimmte Lappen und Furchen lokalisiert sind. Vollends im Stiche läßt die physiologische Orien- tierung in den Regionen des nasalen Hemisphärenteils. Es genügt bloß die ungemein vorsichtige Fassung von Anton über die Be- deutung des Stirnhirns beim Menschen zu lesen, um sich zu hüten, eine solche desjenigen der Säugetiere funktionell und danach topo- graphisch umgrenzen zu wollen. Diese wenigen Beispiele mögen zeigen, daß ein physiologisches Einteilungsprinzip der Großhirnrinde uns nieht genügen kann, am allerwenigsten beim Pferde, bei dem wir mit Ausnahme weniger experimentalphysiologischer Daten ganz auf Analogieschlüsse angewiesen sind. Ähnliches gilt teilweise auch von der Verwendung der anatomi- schen Gliederung des Hirninnern in seinen Beziehungen zur Rinde. Bleiben wir z.B. bei der gebräuchlichen Supposition, daß als Inselgebiet jener Rindenteil definiert werden müsse, der dem Claustrum anliegt, so hätten wir damit allerdings einen festen Anhaltspunkt für die Aus- dehnung dieses Areals gefunden. Allein die Homologieverhältnisse der dritten und vierten Bogenwindung werden dadurch nicht weiter ge- bracht, und außerdem wird die Nomenklatur der ersten und zweiten 22# 338 Hermann Dexler Bogenwindung so verschoben, daß sie ganz aus dem Zusammenhange mit den in der Literatur niedergelegten Bezeichnungen gedrängt wird. Wollen wir also zu einem Schlusse kommen, so müssen wir hervor- heben, daß uns bei der Klassifizierung der Windungen, Furchen und Lappen des Pferdegehirns noch mehr wie bei jener andrer gyrence- phaler Tiere ein einheitliches Einteilungsprinzip fehlt. Die ge- wünschten Homologien werden zuletzt vorwiegend aus dem Vergleiche der Örtlichkeit, Tiefe und Konstanz der betrachteten Gebilde er- schlossen, dabei aber kor- rigiert werden müssen durch die Ergebnisse der entwicklungsgeschicht- lichen und physiologi- schen Methode. Durch die Heranziehung aller dieser Faktoren hat sich, trotz wesentlicher Ein- wände berufener Autoren, seit der grundlegenden Stellungnahme ELLEN- Furchenplan der Medialseite des @roßhirns eins BERGERS in dieser Frage Pferdefötus von 56 cm Länge. Nat. Gr. ein Schema der Ober- c Schnittfläche des Zwischenhirns zur Entfernung des Hirn- FR stammes ; ca Commissura anterior; emo orales Ende der Fiss. flächengestaltung der callosomarginalis; sla Fiss. sublimbica anterior; 8, 2, 1 Ra- Großhirnrinde des Pfer- diäräste der Fiss. callosomarginalis; /,! Fiss. lateralis;- slp des herausgebildet das ’ Fiss. sublimbica posterior; enl Fiss. entolateralis; emc cau- dales Ende der Fiss. callosomarginalis; ecl Fiss. ectolateralis; wir als das gebräu ch- Bw Balkenwindung; ss Caudalende der Fiss. suprasylvia; = h = ] sp Caudalende der Fiss. postrhinalis; A Fiss. hippocampi; lie ste bezeichnen wol- GiGzuea Hansen A ürbrin, len. Diese Resultierende soll mit einigen mir not- wendig erscheinenden Beifügungen als Grundlage unsrer Betrach- tungen dienen. Als Stütze des Textes verwende ich Fausen von Photogrammen, in denen die angedeuteten Linien des Schemas zu- gunsten der natürlichen Formation zurücktreten müssen. Zur leichteren Orientierung beginne ich mit dem Gehirn eines Pferdefötus von 56 cm Nasenschwanzspitzenlänge. Der Stirnpol der Hemisphäre war vom Ende des Sacralmarkes 38 cm entfernt. Letzteres lag 3 em caudal vom Ansatze des inneren Darmbeinwinkels, also noch im Bereiche der Schwanz wurzel. Die Orientierung an dem jungen, bereits gefurchten Großhirne, dessen Furchenverhältnisse ohne Hinweglassungen in den nach- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 339 stehenden Figuren wiedergegeben sind, war deswegen eine ein- fache, weil die Entwicklung der Nebenfurchen noch wenig begonnen hatte. Länge der Hemisphäre 5 em. Medianfläche. Der Suleus corporis callosi ist noch sehr seicht, verhältnismäßig am tiefsten in seinem genualen Anteile aus- geprägt; sowohl dort, wie auch am Splenium des Balkens ist er von einer ganz seichten Nebenfurche begleitet; ihr nasaler Anteil ent- spricht der Fissura sublimbica anterior, die caudale der Fis- sura sublimbica posterior; ein Verbindungsstück beider Teile ist bereits angedeutet. Weiter peripher umkreist die Fissura callosomarginalis in einem Abstande von 4 mm den Balken. Sie beginnt ganz nahe der Hirnbasis mit einer Gabelung und wendet sich mit ihrem caudalen Ende an die Vierhügelfläche der Hemisphären, wo sie sich in zwei kurze Ausläufer spaltet, beziehungsweise mit der Fissura entolateralis in Verbindung tritt. An der Konvexität dieses Linienbogens, dessen nasalen Abschnitt FLATAU-JAcoBsoN mit der Fissura genualis iden- tifizieren, zweigen mehrere kurze Radialstrahlen von der Mantelkante ab, von denen nur einer, ganz nasal gelegener, diese auch ein- schneidet. Er wäre als Suleus cruciatus aufzufassen. Von dem Mittelstück steigt gleichfalls ein ziemlich tiefer Ast auf, der bis zur Mantelkante geht. Da auch er noch keine weitere Verbindung be- sitzt, kann er nur mit Wahrscheinlichkeit der Fissura transversa von SCHELLENBERG homolog erklärt werden. Am Caudalende der Medianfläche ragen noch die Enden der Fissura entolateralis, late- ralis, ectolateralis und postrhinalis herein, die alle am Gyrus hippo- campi auslaufen. Am weitesten dringt die vorletzte vor, wogegen die Fissura lateralis an der Umbeugekante der Hemisphärenseiten- fläche endet. An der Innenseite des Gyrus hippocampi ist eine Fissura hippocampi neben dem Gyrus dentatus deutlich ausgeprägt; sie beginnt am hinteren Ende des Balkenkörpers und endet an der Innenseite des Lobus pyriformis, noch ehe sie die Gehirnbasis erreicht. Dorsalfläche. Ganz innen am Caudalpole der Hemisphäre verläuft zur Medianspalte nahezu parallel die kleine Fissura ento- lateralis; von ihrer früher erwähnten eaudalen Vereinigung mit der Fissura callosomarginalis steigt ein dünner Furchenast dorsonasal auf, der vielleicht als die Anlage einer Fissura postsplenialis angesehen werden kann. Außen von der Fissura entolateralis folgen 340 Hermann Dexler nacheinander die Fissura lateralis, ectolateralis, suprasylvia und ectosylvia. Die erste verläuft ziemlich gestreckt, fast parallel zur Mantelkante, und verbindet sich am vorderen Drittel der Hemisphäre oberflächlich durch eine ganz seichte Furche mit der Fissura suprasylvia. Die zweite ist ebenfalls in ihrem eaudalen Anteile noch gestreckt, vorn jedoch mehr winklig gekniekt und Fig. 20. endet an der Vereinigungs- stelle der beiden ebenge- nannten Furchen. An der lin- ken Hemisphäre greift sie mit einem Nebenaste zur Fis- sura suprasylvia über. Die iss dritte ist noch mehr im Ziek- el’ , zack verlaufend und zugleich Furchenplan der Dorsalseite der Großhirn- die längste. Sie beginnt ven- hemisphäre eines Pferdefötus von 56 cm Nasen- . s Schwanzspitzenlänge. Nat. Gr. tromedial am Gyrus hippo- i Fissura lateralis; ss Fiss. suprasylvia; c Fiss. coro- campi an der Kleinhirnfläche nes sn Tin ai anerre Hi wies @ Ei der Hemisphäre, umgeht den ectolateralis; el Fiss. entolateralis, caudalen Hemisphärenrand, schlängelt sich dann, schief über die Seitenfläche dorsonasal aufsteigend, im vorderen Drittel der Hemisphäre bis nahe zur Mantelspalte und wendet sich am Stirn- hirn wieder nasolateral, endlich ventrolateral der Fissura Sylvii zu. Sie umkreist also die ganze Hemisphäre. Von ihrer Kantennähe an- gefangen, ist der absteigende Schenkel schon in diesem frühen Sta- dium von einer Kette von Nebenfurchen begleitet, so daß es nicht möglich ist, zu behaupten, daß er der Fissura praesylvia entspricht. Eine Verwechslung mit einem Processus anterior fissurae Sylvii wäre möglich, eine solche mit der Fissura diagonalis jedoch ausgeschlossen. Die Fissura ectosylvia ist in der Dorsalansicht der Hemisphäre nur unvollkommen zu überblicken. Lateralfläche. An ihr fällt auf, daß der von einer wohlent- wickelten Fissura rhinalis als Riechhirn abgetrennte Hemisphären- teil weit höher dorsal hinaufreicht, als dies am erwachsenen Tier der Fall zu sein pflegt. Die Furchenbildung ist hier schon kom- plizierter und daher schwieriger zu klassifizieren. Betrachten wir den Caudalschenkel der Fissura rhinalis näher, so sehen wir, wie der ganze Rand jenes Hemisphärenteils, der sich dorsal von ihr befindet, wie ein dicker Saum über sie herabhängt; hebt man ihn empor, so Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 341 gelangt man in einen tiefen Spalt, der nach FLAarAu-JAcoBson dem Processus posterior fissurae Sylvii entspricht. Die mediale Wand des Spaltes, die Insula, ist noch nicht zu Falten differenziert wie am erwachsenen Tiere, sondern völlig glatt. Nahezu in der Mitte der Fissura rhinalis bildet diese eine ventral gerichtete Knickung; gerade an dieser Stelle tritt ein vom Stimhirn herabkommender Windungszug unter dem Fig. 21. . Ventralrand des Hirnman- el es tels. Der Mantelrand ist an j dem Orte des Untertauchens der genannten Windung in die Tiefe mit mehreren Ker- ben versehen, die oder von denen eine mit der Fissura Sylviizu identifizieren sind. Die nach rückwärts ziehende Fortsetzung des Spaltes ist der Processus posterior Euch an pilaundiez aeg der Ga, rn hemisphäre eines Pferdefötus von 56 cm Nasen-Schwanz- fissurae Sylvii, die dorso- spitzenlänge. Nat. Gr. nasal abgehende Verlänge- s Fissura sylvia; vha Fiss. rhinalie anterior; sa Ramus anterior Fiss. sylviae; ps Fiss. praesylvia; d Fiss. diago- rung der Processus ante- nalis; ss Fiss. suprasylvia; es Fiss. ectosylvia; el Fiss. rior dieser Furehe. Er ist ectolateralis; ssp Fiss. suprasylvia posterior; 1 Fiss. la- teralis; & H-Furche nach Frarau-Jacogson; sp Fiss. in der Figur durch einen sylvia posterior; !!p Längsfurche des Lob. pyriformis. Windungszug unterbrochen. Vor ihm, als ventrale Grenzlinie der zur Insel strebenden Windung, geht eine andre tiefe Furche nasodorsal zur Mantelkante, die der Fissura praesylvia und coronalis entsprechen dürfte. Hinter ihm zieht ebenfalls eine tiefe Furche quer über den Rindenmantel, die sich mit der Fissura suprasylvia verbindet und wohl als Fissura dia- gonalis aufzufassen ist. Endlich trifft man dorsal von der Gegend der Fissura Sylvii, diese im Ziekzack umgehend, noch eine Furche, die mit der Fissura eetosylvia zu identifizieren wäre. Vollständige Sicherheit konnte über diese Annahme nicht gewonnen werden, weil sie als tiefe Furche zu einer Fissur führt, die vielleicht der Neben- furche a von FLATAU-JACOBSoN entsprechen dürfte. Sie ist von einem Vertikalschenkel der Fissura suprasylvia, nämlich der Fiss. supra- sylvia posterior dieser Autoren gekreuzt. Eine weitere Speziali- sierung an den vorliegenden Hemisphären ist namentlich an seinem Stirnpol kaum möglich, weil zu bedeutende Asymmetrien bestehen; 342 Hermann Dexler sie sind beispielsweise so groß, daß auf der nicht abgebildeten He- misphäre die vermutlichen Analoga der Fissura ectosylvia und Fissura «a FLATAU-JACcoBsoN als gestreckte, einheitliche Furche ver- liefen, die zu den caudalen zwei Dritteilen der Fissura suprasylvia voll- kommen parallel gerichtet waren; dadurch wurde die Vorstellung unge- mein deutlich, daß die caudalen Rindenabschnitte durch fünf Parallel- furchen in sechs ganz gestreckte, längs verlaufende Wülste zerfielen, die aber im Stirnhirn durch eine Reihe unregelmäßiger, vorwiegend quergeordneter und S-förmiger Windungen abgeschlossen wurden. An der Basis des Großhirns ragen die Bulbi olfactorii stark hervor. Eine als Trigonum olfactorium aufzufassende Erhebung ist gleichfalls gut entwickelt, an ihr jedoch die Differenzierung der viechwurzeln mit der Lupe noch nicht nachweisbar. Lateral von dem Tuber einereum, das sich wie eine wohlumschriebene Halbkugel aus dem Boden des Zwischenhirns vorwölbt und von den Tractus optiei umgürtet ist, geht das Riechhirn in die sehr breiten Lobi pyriformes über, die bereits an ihrer Lateralfläche durch einen Sul- cus longitudinalis gyri pyriformis gefurcht sind. So sehr die Asymmetrie des seitlichen Furchenplans des Pallium uns von einer vollständigen Erörterung der Windungsverhältnisse abzusehen zwingt, so möchte ich doch auch diesen Gegenstand kurz berühren, weil die relativ klare Anordnung der übrigen Furchen uns eine nicht zu verachtende Erleichterung in die Hand giebt. Durch die zahlreichen Seitenäste und Nebenfurchen des Gehirns des er- wachsenen Individuums können diese Verhältnisse nicht so klar zu- tage treten wie hier. Über den Gyrus sylviacus und Gyrus ectosylvius kann nur ausgesagt werden, daß beide zusammen selbst an diesem jungen (Gehirn bereits ein so vielfach geteiltes Windungskonvolut bilden, daß die Schwächen der Einkleidung des equinen Furchenschemas in das der Carnivoren auf das gröbste empfunden werden. Der Gyrus suprasylvius, zwischen Fissura lateralis und Fissura suprasylvia, beziehungsweise deren oraler Fortsetzung, der Fissura coronalis, ist wenigstens in seinem medialen und seinem caudalen Teile als eine gedoppelte Windung zu überblicken, die im oralen Drittel sich der Mantelkante nähert und dort durch eine tiefe Furche abgeschnitten wird; welches Windungsstück als seine orale Fortsetzung aufzufassen ist, kann nach dem Präparate nicht gesagt werden. Der Gyrus marginalis zwischen Fiss. lateralis und Fiss. Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 343 callosomarginalis ist der größte und bestausgebildetste. Er zieht der Mantelkante entlang über die ganze Hemisphäre. Sein caudaler Be- ginn ist an der dorsomedialen Region des Gyrus hippocampi zu finden; von dort steigt er, durch die Fissura entolateralis in zwei Längsgyri geteilt, nach aufwärts und nasal, wird in der Gegend des medialen Tiefenastes der Fissura callosomarginalis ganz schmal, weiter vorn wieder breiter, am Stirnpol der Hemisphäre durch die Anlage der Fissura eruciata eingekerbt und tritt dann seitlich nicht mehr von der Fissura lateralis, sondern von der Fissura suprasylvia Fig. 22. ssa bo CM f Gehirn eines Pferdefötus von 30 cm Nacken-Steißlänge. 5/s der nat. Gr. a Dorsalansicht. cm Fissura callosomarginalis; ss Fiss. suprasylvia; ssa orale Umbiegung derselben; Fiss. lateralis; el Fiss. entolateralis, db Ventralansicht. rha Fiss. rhinalis anterior; bo Bulb. olfactorius; pp Fiss. postrhinalis; pa vermutliche Anlage des Ramus anterior fiss. sylviae; fo Trigonum olfactorium. begrenzt, in ein Konvolut von Querwindungen ein, die den Stirnpol der Hemisphären bedecken. Zentral von ihm, ganz an der Medialseite der Hemisphären, liegt zwischen Fiss. callosomarginalis und Sule. corporis callosi der Gyrus fornicatus; caudolateral gehören zu seiner Begrenzung noch das Endstück der Fissura ectolateralis und des Processus posterior fissurae Sylvii. Es ist ein ununterbrochener Windungszug, an dem man schon in diesem Stadium die übliche Dreiteilung durchführen kann: Ein vorderes Drittel, zwischen der Pars anterior fissurae callo- ‚somarginalis und dem Balkenknie gelegener Anteil, der Gyrus genualis; ein mediales, zwischen dem Mittelstück der Fissura 344 Hermann Dexler callosomarginalis und dem Balkenkörper liegend, den Gyrus ein- guli; endlich ein drittes, caudal gegen die Hirmbasis sich bewegen- Fig. 23. y [EA 7 sIp C SAL lo Hemisphaerium eines Pferdefötus von30 cm Nacken-Steißlänge. 5/6 der nat. Gr. a Dorsalansicht. cm Fissura callosomarginalis; 2 Fiss.. late- ralis; © Kantennähe der Fiss. suprasylvia; ssa orale Umbiegung der Fiss. suprasylvia; ssp deren caudales Ende. b Seitenansicht. dı Anlage einer ersten Kerbung des Gyrus secundus; da Anlage einer Fissura ectosylvia; ssa orale Umbiegung der Fiss. suprasylvia; ssp deren caudales Ende; rha Fiss. rhinalis anterior; rhp Fiss. postrhinalis; © Inselgebiet. c Medialansicht. ji Kantennähe der Fissura suprasylvia; cm Fiss. callosomarginalis; cc Fiss. corporis cal- losi; 1 Fiss. lateralis; el Fiss. entolateralis ; slp Fiss. sublimbica post.; h Fiss. hippocampi; to Trigonum olfact. scheinend vom Suleus corporis Die Fissura hippocampi ist des, der Gyrus hippocampi und Lobus pyriformis. Am Übergange des Gyrus einguli in den Gyrus hip- pocampi ist eine Einengung, ein Isthmus Gyri fornicati bereits angedeutet. Auch sieht man am Balkenwulste anscheinend von der Fissura sublimbica noch eine kleine Windung abgeschnitten, die unter den Balkenwulst geht, die Balken- windung, Gyrus callosus. Eine Gliederung der oralen Gegend des Gyrus hippocampi ist makrosko- pisch noch nicht möglich. | Da die Oberflächengliederung in dem hier demonstrierten Stadium schon so weit vorgeschritten ist, daß sich in manchen Punkten Ungenauig- keiten ergeben — caudolaterale He- misphärenfläche, — so müssen wir zu einfacheren Entwieklungsstufen greifen, um unsre Orientierung weiter ausgestalten zu können. Ich wähle zu diesem Behufe das Gebirn eines Fötus von 30 cm Nacken-Steiß- länge. Länge der Großhirnhemi- sphäre 3 cm. Kleinhirn und Vier- hügelplatte liegen noch frei zutage. Medialseite. Ein Suleus cor- poris eallosi ist bereits angedeutet, die Fissura callosomarginalis schon tief, ihre Ränder abgerundet und klaffend. Auch eine Fissura entolateralis ist als linienförmige Depression bereits angelegt und die Balkenwindung durch eine, an- callosi kommende Rinne abgegrenzt. scharf und tief. An der Mantelkante Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 345 zieht über deren dorsalster Wölbung das Nasalende der Fissura lateralis so weit herein, daß sie von medial gesehen werden kann, und im vorderen Drittel überblicken wir auch von medial ein Stück der Böschung der Fissura suprasylvia. Eine Fissura erueiata fehlt. Dorsalseite und Lateralseite. Die Fissura lateralis reicht am caudalen Hemisphärenpole bis nahe an die Mitte der Mantelkante. Außen von ihr ist die Fissura suprasylvia bereits markiert. Als ihr Anfangsstück dürfen wir eine eben wahrnehm- bare, ganz flache Einsenkung im caudalen Areale der Hemisphären- seitenfläche auffassen, von der eine gut ausgeprägte Furche nach dorsal und medial aufsteigt, im nasalen Drittel der Hemispbäre ganz nahe an die Mantelkante gelangt — Kantennähe, — sich dann naso- lateral, nasoventral und ventrocaudal umschlägt und hierauf, seichter werdend, in der Höhe des Anfangsteils verschwindet. Der Übergang des dorsalen Schenkels in den ventralen ist so seicht und undeutlich ausgeprägt, daß die Deutung dieser Furche von hier bis zu ihrem caudalen Ende nicht ganz klar ist; ihr dorsaler Schenkel darf wohl ungezwungen als Anlage der Fissura suprasylvia und Fissura eoro- nalis aufgefaßt werden. Jenes Schaltstück, das ihn mit der Fissura coronalis verbindet, gehört vermutlich der späteren Fissura prae- sylvia, gewiß aber nicht dem Processus anterior fissurae sylviae an, da dieser sich erst später entwickelt. Beim Pferdefötus von 129 Tagen läßt Branprey (s. Fig. 33) erst einen solchen Ast sich zwischen dorsalem und ventralem Schenkel dieser großen Furche einschieben. Dorsal von der Konkavität des ventralen Schenkels zieht eine kleine Längsdelle dahin; wollen wir sie als den Vorläufer einer Fissura ecetosylvia auffassen, so gelangen wir zu dem Schlusse, daß der caudale Abschnitt des ventralen Schenkels dem nachmaligen Processus posterior fissurae Sylvii angehört. Am Ansatze des Bulbus olfactorius entspringt die Fiss. rhinalis anterior, die ohne Unterbrechung in die Fissura rhinalis posterior sich fortsetzt; diese ist von einem sehr zarten Leistehen begleitet und zieht bis an die Grenze der Kleinhirnfläche, wo sie unter einem spitzen Winkel mit dem Processus posterior fissurae Sylvii zusam- menstößt. | Windungen. Der Sichellappen ist in allen seinen Abschnitten bereits scharf umgrenzt und seine Gliederung schon weit vorge- schritten; die Fimbria ist breit, der Gyrus dentatus springt als ‚fadenförmiger Kamm neben der scharfen Fissura hippocampi hervor, 346 Hermann Dexler das Trigonum olfactorium ist gut differenziert. Der Processus mamil- laris lobi pyriformis ist noch vollständig glatt. Jener Längswulst der Hemisphäre, der dorsal von der Fissura suprasylvia und ventral von deren scheinbarer Fortsetzung um- schlungen ist, ragt aus der Hemisphärenwölbung weit hervor und weist in seinem Mittelstück die Andeutung dreier kugeliger Buckel auf. Sein nasales Ende ist auffallend prominent. Zwischen ihm und dem Riechhirn liegt ein zungenförmiges, mit der Spitze caudal gerichtetes Feld, das ohne jede Abgrenzung am Stirnpol der Hemisphäre aus der Randwindung hervorgeht; seine caudale, voll- ständig flache Region ist dem Inselgebiet zuzurechnen. Wenn wir nach obigem die allgemeinen Formverhältnisse an diesem Gehirn ins Auge fassen, so treffen wir eine vom rein for- malen Standpunkte eklatante Dreiteilung der ganzen Hemisphäre. 1) Einen Lobus faleiformis mit weit vorgeschrittener Differen- zierung. 2) Einen Gyrus primus, der auf dem Sichellappen lie- send die Hemisphäre caudal, dorsal, frontal und ventrolateral um- kreist und 3) einen Gyrus secundus, der dem G. primus lateral in longitudinaler Richtung aufruht. Von den Hauptfurchen fehlen eine Fissura eruciata und eine eigentliche Fissura Sylvii, während die vermutete Fissura eetosylvia eben in ihrer ersten Anlage existiert. Das Gebiet der Insel ist vollständig unbedeckt. Der Mangel einer Fissura eruciata und eines vertikalen Astes einer Fissura Sylvii zu einer Zeit, wo alle übrigen Haupt- furchen bereits erschienen sind, und das Offenliegen des ganzen Inselgebietes sind die markantesten Momente dieses frühen Entwiceklungsstadiums. Jüngere Embryonen, an deren Großhirnkonvexität bereits Furchen- bildung eingetreten war, standen mir nicht zur Verfügung. Der jüngste Embryo hatte 4,Scm Nacken-Steißlänge; sein Schädel, in eine kontinuierliche Serie zerlegt, enthielt, wie vorauszusehen, ein glattes Endhirn. Dasselbe Verhalten konstatierte ich an dem Hirnmantel eines jungen Pferdefötus, dessen Rumpf aus der ventro-konkaven Biegung bereits so weit gestreckt war, daß die dorsale Hals-Rücken- kontur nahezu eine gerade Linie bildete. Die Konvexität der Stirne war das vordere Längenende des Körpers; die Distanz vom Stirn- pol zum Sitzbeinhöcker betrug 14,2 em, die Länge des Kopfes von der Nase bis zum Nacken zwischen den Ohren 4 cm. Die Großhirn- hemisphären waren, wie die nebenstehenden Figuren zeigen, noch klein, das Cerebellum nur durch einen fünfgelappten Querwulst angedeutet. Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 347 Das Pallium setzte sieh proximal vom Riechhirn durch eine mit der Lupe eben noch wahrnehmbare Leiste ab; auch medial war durch das Überhängen der inneren Hemisphärenwand über das Zwischenhirn eine Bogenfurche angedeutet. Die gesamte übrige Hemisphäre war glatt. Wir dürfen also in diesem Sta- dium den Beginn der Rindenfurchung des Pferdehirns setzen. Am Gehirn des erwachsenen Pferdes erfahren diese Ver- hältnisse bei ihrer definitiven Ausgestaltung eine solche Kompli- zierung, daß wir nicht umhin können, sie einer besonderen Be- trachtung zu unterziehen. Ich schicke hier die sachliche Bemerkung voraus, daß die Angaben, soweit sie auf eignen Beobachtungen be- ruhen, aus einem Materiale von weit über vierzig Hemisphären des Fig. 24. Ansicht des Gehirns eines 14 cm langen Pferdefötus von medial, dorsal und lateral. Nat. Gr, B Furchenspur über dem Balken; R seitliche Abgrenzung des Riechhirns: ZH Hemisphäre, Pferdegehirns geschöpft wurden, die sich zu den betreffenden Unter- suchungen eigneten. Die Verwendbarkeit ist nämlich nicht immer die gleiche; ziemlich oft findet man, besonders an Gehirnen älterer und solcher Tiere, die an acquiriertem Hydrocephalus litten, eine so feste Aneinanderlagerung und Verlötung der Gyri, daß die Furchen nicht auseinandergezogen werden können. Derartige Präparate mußten natürlich außer Betracht gelassen werden, da mit der bloß oberflächlichen Zeichnung des Rindenreliefs nicht ausgekommen wer- den kann. Die Untersuchung der tauglichen Gehirne wurde ent- weder ganz frisch oder nach Formol-, auch Chromhärtung vor- genommen, die Tiefendimensionen mancher Furchen an zwei WEIGERT-Serien durch das ganze Gehirn kontrolliert. Mediale Hemisphärenfläche. Der Suleus corporis cal- losi ist über der Balkenmitte am tiefsten. Sein orales Ende ver- 348: Hermann Dexler schwindet genau ventral vom Balkenschnabel; von seinem eaudalen zweigt sich eine Furche ab, welche die Balkenwindung vom Isthmus Gyri fornieati scheidet und sich ventrolateral mit der Fissura hippocampi vereint; mitunter wird diese Abtrennung auch von der nächsten peripheren Furche besorgt; es ist dies die kaum 5 mm vom Suleus corporis callosi entfernte Fissura sublim- bica, deren Mittelstück häufig verstrichen ist. Ihre orale Portion wird auch als selbständige Fissura sublimbica anterior seu entogenualis, die das Balkensplenium umkreisende Portion Fis- sura sublimbica posterior seu entosplenialis aufgeformt. Fig. 25. Ze UST, AD Tri VA td fh Furchenschema des Großhirns eines erwachsenen Pferdes. Mediale Fläche. 1/2 der nat. Gr, S Schnittfläche im Zwischenhirn zur Entfernung des Hirnstammes; Spll Sept. pellueidum; Gse Gy- rus subcallosus; Ch median durchschnittenes Chiasma opticum; Tri Trigonum olfactorium; AB Area Brocae; Z’ro Tractus olfactorius; Fr Fiss. rostralis; #sla Fissura sublimbica anterior; Sce Suleus cor- poris callosi; Fpsa Fissura praesylvia anterior; Fer Fiss. eruciata; Scm Suleus eallosomarginalis; Ftr Fiss. transversa; Fslp Fiss. sublimbica posterior; Fenl Fiss. entolateralis; Fecsp Fiss. ectosple- nialis; Fl Fiss. lateralis; x Verlötungsstelle der Hemisphären; Bw Balkenwindung; Gyrhi Gyrus hippocampi; Fh Fiss, hippocampi; Gd Gyrus dentatus; Fi Fimbria. Peripher von ihr, vom Balkenschnabel 2 em, vom Balkenwulst kaum 1 cm entfernt, zieht eine dritte Kranzfurche, die sehr tiefe Fissura callosomarginalis sive Fissura splenialis. Wie die beiden vorigen, beginnt auch sie ganz oral an jenem flachen Felde, das sich ventral vom Genu corporis callosi befindet, und endet eau- dal ganz typisch mit einer Gabel an der Vierhügeldelle der Groß- hirnhemisphäre. Ihr orales Stück ist oft noch von einer kurzen, der Mantelkante parallel laufenden Furche, der Fissura rostralis Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 349 Fig. 26. } ’ e h % Fig. 26. Variationen der Fissura eruciata des Pferdes, Medio-dorsale Ansicht. 3/; der nat. Gr. ww! sigmoideus-ähnliche Windungsformation; ce Ansatz der Fissura cruciata an die Fissura calloso- marginalis cm, die bei Fc zu einer tiefen Bucht wird; kn Kantennähe der Fissura suprasylvia 7s; co Übergang der Fissura transversa mn in die Fissura suprasylvia; v Konfluenz des aufsteigenden Astes der Fissura transversa mit deren horizontalen. Fig. 27. Abfuserungspräparat. mn medialer Schenkel der Fissura transversa; ?, i laterale Wand der Fissura callosomarginalis, nach dem Losbrechen des Gyrus einguli; a radiäre Furche, die der Lage nach als Fissura eruciata bei intaktem Gehirn imponieren würde; sie ist seicht und verschwindet bald nach Eintritt in die Fissura callosomarginalis; die Radiärfurche b ist weit tiefer und länger und ist deshalb als Fissura ceruciata anfzufassen, obgleich sie sehr weit nach nasal vorgerückt erscheint; Ds Balkenstrahlung. Fig. 29. ig. 28. Fig. 28. rr’ oraler Teil der Randwindung, um die tiefe und gerade Fissura ceruciata fc eine sigmoideus- artige Windung bildend; c Fissura coronalis; p Gyrus prominens; z zahnartiger Windungsfortsatz an der Kantennähe kn der Fissura suprasylvia; o Verbindung des aufsteigenden Furchenastes der Fis« sura transversa mn mit dem Horizontalaste. Fig. 29. mn Fissura transversa; v Konfluenz dieser mit der Fissura suprasylvia; kn Kantennähe der Fissura suprasylvia; o Chiasma opticum; a, b, c verschiedene Radiäräste der Fissura callosomarginalis, die bei der Feststellung der Fissura eruciata in Betracht kommen; die tiefste Radiärfurche liegt unter dem deckelartigen Gyrulus bei d. 350 Hermann Dexler begleitet. Sie beginnt ventro-oral vor der Fissura callosomarginalis und schneidet mit ihrem gabeligen Ende die Mantelkante ein; häufig fehlt sie ganz oder ist nur durch eine Kette seichter Kerben an- gedeutet. Das Gebiet zwischen diesen drei Furchen ist oft von vielen kleinen Einsenkungen der Rinde durchquert. Auch von der Kon- vexität der Fissura callosomarginalis strömen in radiärer Richtung zahlreiche, kurze Furchenäste nach der Mantelkante. Hiervon ist ein vom hinteren Drittel schräg nach dorsal aufsteigender Ast wichtig und besonders leicht auffindbar, der den Mantelrand einschneidend, auf die dorsale Hemisphärenfläche bis zur Fissura suprasylvia zieht. Es ist der mediale Schenkel der Fissura transversa von SCHELLEN- BERG; FLATAU-JACOBSON fassen ihn als einen zur Fissura ceruciata ziehenden Nebenast, FORGEOT-LESBRE als Fiss. eruciata accessoria auf; ELLENBERGER scheint ihn, nach seinen Schemen zu urteilen, der Fiss. erueiata zuzurechnen; ähnlich verhalten sich BRADLEY, Kruse und seine Nachfolger. Als Repräsentant der Fissura eru- eiata bezeichnet SCHELLENBERG einen Ast, der nahezu im Be- reiche des vorderen Hemisphärendrittels die Mantelkante kerbt und an der Dorsalseite nach kurzem Verlaufe endet. Ich möchte mich aus der Nebeneinanderstellung meiner Befunde am erwachsenen Pferdegehirn und besonders des früher erwähnten aus der Fötal- periode der SCHELLENBERGSchen Auffassung anschließen. Diese Fis- sura cruciata ist an vielen Gehirnen besonders tief, ja bei einigen Exemplaren meiner Präparate finde ich eine ganze Bucht an der Mantelkante, die an der Dorsalfläche der Hemisphäre 1,5 cm weit hineingreift. Ich fand im Gegensatze zu SCHELLENBERG eine hier- durch bedingte Processus sigmoideus-ähnliche Formation in mehr als 20% meiner Präparate ausgeprägt. Ich betone aber hier ausdrücklich, daß man ebensoviele Hemisphären findet, bei denen von einer Differenzierung einer Fissura eruciata nicht die Rede sein kann. Ast um Ast steigt oral aus der Fis- sura eallosomarginalis gegen die Mantelkante auf und schneidet die Rinde entweder nicht tief ein oder bildet nur eine flache Delle oder auch kurze, kahnartige Vertiefungen, die nach wenigen Millimetern wieder in die glatte Rindenoberfläche übergehen. Von einer Ab- grenzung einer distinkten Fissura eruciata kann dann an vielen Präparaten keine Rede sein. FORGEOT-LESBRE gehen noch weiter und sagen, es existiert beim Pferde keine ausgesprochene Fissura eruciata und daher auch kein Gyrus sigmoideus; dafür aber wäre Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 351 eine akzessorische Kreuzfurche — unsre Fissura transversa sehr gut entwickelt. Mit der Annahme einer Fissura eruciata accessoria ist natürlich die bestehende Schwierigkeit der Homologisierung keines- wegs behoben, weil hier nur ein formales Auskunftsmittel benutzt wird, das entwicklungsgeschichtlich nicht gestützt ist. Fig. 30. Fig. 31. A Ei SR Fig. 30. Furchenplan der Hemisphäre eines erwachsenen Pferdes. Dorsalansicht. Nach der Photographie eines im Schädel gehärteten Gehirns. 2/3 der nat. Gr. Eprs Fissura praesylvia; XN Kantennähe der Fiss. suprasylvia; Fer Fiss. cruciata; Fir Fiss. trans- versa; Fenl Fiss. entolateralis; #1 Fiss. lateralis; / laterale Impression des Oceipitalhirns; ss Fiss. suprasylvia; Zecl Fiss. ectolateralis; #ssp Fiss. suprasylvia posterior; Gypr Gyrus prominens. Fig. 31. Furchenplan der Hemisphäre eines erwachsenen Pferdes. Dorsalansicht. Präparation und Bezeichnung wie oben. An diesem Präparate war eine Fiss. diagonalis #d gut aus- gebildet. Die Fiss. suprasylvia post. war unterbrochen. Als Fiss. eruciata mußte eine Furche aufgefaßt werden, die ganz oral lag, sehr tief war und einem Process. sigmoideus-artigen Windungskonvolute eingelagert war, das die Fiss. suprasylvia nach lateral verdrängte. Würde man diese Furche nicht als die Kreuzfurche annehmen, so blieben noch drei caudal von ihr liegende radiäre Kerben, die alle die Rinde der medialen Hemisphärenfläche nicht einschnitten, sondern nur in Form einer Delle eindrückten. Dorsalfläche und Lateralfläche. Beiläufig in der Mitte wird die Mantelkante von der ebenerwähnten Fissura transversa etwa 2 cm weit eingeschnitten und so die drei vom Caudalpol kommenden Längsfurchen, nämlich die Fissura entolateralis, die Fissura lateralis und die Fissura ecetolateralis beendet. Diese Abgrenzung wird dadurch noch vollständiger, daß mit wenigen Aus- Morpholog. Jahrbuch. 32. S 33 352 Hermann Dexler nahmen ein direkter Übergang des lateralen Schenkels der Fissura transversa in die Fissura suprasylvia stattfindet. Ich finde eine Unterbrechung durch einen zwischen diese beiden Furchen einge- schobenen Windungszug — Übergangs- oder w — Windung ScHEL- LENBERGS — an 24 Gehirnen einmal, und zwar einseitig. Die Fissura entolateralis beginnt mit einer tiefen Gabelung ander Übergangskante der medialen Hemisphärenfläche nach deren Kleinhirnfläche und wendet sich knapp an der Mantelkante nach vorn, wo sie nach etwa 7 cm langem Verlaufe verschwindet. Ihr caudalstes Stück wird gegen die Fissura callosomarginalis zu von einem kurzen Bügel der Fissura ectosplenialis begleitet. Seitlich zieht mit ihr parallel die Fissura lateralis; sie be- ginnt ganz basal am Mittelstücke des Gyrus hippocampi, zieht in gestreckter Form nach dem caudalen Hemisphärenpol und von da gerade nach vorn zur Fissura transversa, vor der sie gabelig oder ungeteilt endet. Der Auffassung FLATAU-JACOBSoNs, die eine nasale Fortsetzung der Fissura lateralis in der Fissura coronalis sehen, stimme ich für das Pferdegehirn nicht zu, weil ich sie niemals gesehen habe. Daß ein Übergang trotzdem zuweilen möglich ist, kann bei der hohen Variabilität der Nebenwindungen zugegeben werden; zur Regel ge- hört er gewiß nicht. Vom caudalen Hemisphärenpole angefangen, wird die Fissura lateralis etwa 5 cm weit von einer Nebenfurche begleitet, die ebenfalls gestreckt, oft aber nur andeutungsweise angelegt ist; nach außen von dieser folgt dann erst die Fissura ectolateralis, die mit einer kurzen Gabel am Übergangsrande der seitlichen Hemisphärenfläche in die Kleinhirnfläche beginnt und, gerade verlaufend, in der Höhe des Oralendes der Fissura entolateralis mit einem breiten Querstück endet. Gewöhnlich ist auch sie außen von einer Längsfurche oder einer Kette kleiner Furchen begleitet. Lateral von ihr folgt die lange und tiefe Fissura suprasylvia, welche die ganze Hemisphäre in eine mediale und laterale Portion trennt. Ihren Ausgang nimmt sie gewöhnlich von einer 4 em langen Querfurche, die am Übergangsrande zur Kleinhirnfläche schief von dorsal nach ventrolateral dahinzieht. Von ihr steigt sie in einer Zickzacklinie schief über die laterale Hemisphärenfläche, bis sie oral von der Fissura transversa der Mantelkante auf etwa 1 cm nahe kommt. Von dieser Position, welche wir als ihre »Kanten- nähe« bezeichnet haben, zieht sie 1—2 em gerade oral, wendet Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 353 sich dann etwas lateral, schlägt im Bogen ventrocaudal um und zieht ohne jede Unterbrechung ventral von der Inselwindung in die Fis- sura rhinalis anterior. Das mediale, längs der Mantelkante liegende Stück, die »Kantennähe« der Fissura suprasylvia, entspricht der Fissura coronalis von ELLEN- BERGER, das bogige Nasalende der Fissura praesylvia. Diese ganze tiefe Furche, die an fri- schen sowie an halbmacerierten Gehirnen auf Fingerbreite aus- einander gezogen werden kann, ohne die Gehirnsubstanz an ihrem Grunde einzureißen, umkreist die Hemisphäre genau so, wie dies BRADLEY angibt, und wie es das Krueessche, das ELLEN- BERGERSche Schema und das- jenige von FORGEOT und L&spBrE darstellen; nur ist dort eine Fig. 32. Feld Fl schärfere Trennung in drei Stücke markiert. Eine engere Ausein- andersetzung gegen das FLATAU- JacoBsonsche Schema, das einen Furchenplan des Caudalpoles der rech- ten Großhirnhemisphäre eines erwach- senen Pferdes. 1/2 der nat. Gr. S Schnittfläche im Zwischenhirn zur Entfernung des Hirnstammes; Feesp Fissura ectosplenialis; Fenl Fiss. entolateralis; Fl Fiss. lateralis; Feel Fiss. ectolateralis; ss Fiss. suprasylvia; Frhp Übergang der Fissura coronalis in die Fissura lateralis lehrt, so- Fiss. postrhinalis. wie gegen dasjenige von SCHELLENBERG, das seiner am Ruminantier- gehirn existierende w-Windung zuliebe eine Unterbrechung der Fissura suprasylvia als Regel annimmt, scheint mir nach der auffallenden Übereinstimmung meines Ma- terials mit der BRADLEY-, KRUEG- ELLENBERGERSchen Auffassung ge- genstandslos; es genügt der Hinweis auf die Photogramme. Auch FoRGEoOT und L£SBRE nennen den Sillon anterieur (Fiss. coronalis) die Fortsetzung des Sillon eetosagittal (Fiss. Fig. 33. Lateralfläche der Großhirn- hemisphäre eines 4 Monate alten Pferdefötus nach Branter. lateralis), deren Zusammenhang wohl durch die Fiss. transversa und den sie begleitenden Quergyrus unterbrochen wäre. Trotzdem zeichnen sie mit der dieksten Linie des Schemas nicht diese beiden Stücke, 23* 354 Hermann Dexler sondern exakt den Verlauf der Fissura suprasylvia, wie ihn unsre Figuren aufweisen. Ihre Abbildung, welche der Be- obachtung treu geblieben ist, widerspricht der Erklärung. Ähnlich verhalte ich mich Horu gegenüber, der diese Fis- sur oral mit der Fissura diagonalis anastomosieren und in einer Fissura suprasylvia anterior accessoria ihre Endigung finden läßt. Als Ausnahme habe ich (zweimal beiderseits, einmal einseitig) eine Überbrückung der Furche durch eine Schaltwindung im Bereiche der Fissura coronalis gesehen; auch scheint die linke Hemisphäre des ELLENBERGERSchen Schemas ein solches Vorkommuis auf der einen Seite festzuhalten; als Norm kann ich es auf Grund meiner Befunde nicht anerkennen. Die Kontinuität der Furche wird auch nicht durch tiefliegende Querwände unterbrochen. Vielmehr klafft der ganze Spalt nach dem Lösen der pialen Verbindungen beim Herausheben aus dem Wasser weit und tief; sogar an alten Formol- gehirnen, die einen gewissen Grad von Zähigkeit erlangt haben, kann man die ganze Furche gut zum Klaffen bringen und zeigen, daß zuweilen kleine, quergelagerte Windungsstücke, welche viel- leicht oberflächlich als ihre Überbrückung imponieren könnten, nichts andres sind als klauenartig sich in die Wandnischen der Fissura suprasylvia einpflanzende Windungsfortsätze, die aber überall bis an den Boden der Furche abfallen. In der Gestaltung dieser großen Furche — BRADLEY nennt sie eine der tiefsten — sehen wir ein sehr wichtiges Argument gegen die zu weit gehende Homologisierung der Pferdehirnfurchen. Die Fissura lateralis der Carnivoren geht ganz direkt in die Fissura coronalis über. Beim Pferde ist das nicht der Fall, sondern das, was wir herkömmlich als Fissura supra- sylvia auffassen, bildet dort die Fortsetzung der Fissura coronalis. Ob dabei die Homologie der Fissura suprasylvia oder diejenige der Fissura coronalis, oder beide falsch sind, mag dahingestellt bleiben; zurzeit ergibt sich wenigstens kein stichhaltiger Grund für eine dieser Annahmen. Sicher ist jedoch, daß die Darstellung FLATAU-JACOBSONS über den Zusammenhang der Fissura coronalis mit der Fissura la- teralis des Pferdes nicht aufrecht erhalten werden kann. Das er- gibt sich nicht nur aus meinem Material und aus den Darsteliungen ELLENBERGERS und KRUEGS, sondern auch aus der Erklärung BRADLEYS, der gerade wegen des Überganges der Fissura suprasylvia in die Fissura coronalis erstere als Fissura lateralis aufgefaßt haben will und sich dabei in Gegensatz zu OwEn und seinen Nachfolgern stellt. Endlich ist nicht zu vergessen, daß die in Frage stehende Furche Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 355 von ihrer ersten Anlage im Fötalgehirne nicht aus einzelnen Stücken sich aufbaut, sondern von allem Anbeginne als einheitliches Gebilde auftritt. Zum Unterschiede von den ziemlich einfachen Furchungsverhält- nissen, die dorsal von der Fissura suprasylvia gezeigt werden konnten, sind diejenigen ventral von ihr durch Hinzutreten vieler atypischer Furchen oft so kompliziert, daß ein scheinbar regelloses Durchein- ander sich vor unsern Blicken auftut. DBegeben wir uns entlang der schon gezeigten Fissura praesylvia nach jener langen Trennungs- furche, welche das Pallium vom Riechhirn scheidet, so begrenzen wir mit ihrem Ende ventral eine bleistiftdieke Windung, die über den Lobus pyriformis unter den Rand des Rindenmantels schlüpft, der sie deckelartig überlagert. Der Deckelrand ist durch drei bis Furchenschema des Großhirns eines erwachsenen Pferdes. Seitenansicht. ; 2/3 der nat. Gr. @ypr Gyrus prominens; Fss Fiss. suprasylvia; Av Fiss. suprasylvia posterior; Feel Fiss. ectolateralis Epr Fiss. praesylvia; I freiliegender Teil der Insel; Bo Bulbus olfactorius; Zpra Fiss. praesylvia anterior; Srha Fiss. rhinalis anterior; Sprh Fiss. rhinalis posterior; Ch Chiasma opticum ; Hy Hypophyse; Pra Proc. ant. fiss. Sylvii. vier kurze Furchen eingeschnitten; diejenige, die ihn am tiefsten spaltet, wird herkömmlich mit der Fissura Sylvii homologisiert. An meinen Gehirnen finde ich sie gewöhnlich schief in caudodorsaler Richtung auf etwa 1 cm Länge sichtbar. Löst man den Deckel vorsichtig von seiner Unterlage ab, so kommt man in eine tiefe Spalte, deren mediale Wand zum Teil von der Insel gebildet wird. Diese lange und tiefe Furche vergegen- wärtigt den vorderen und hinteren Schenkel der Fissura Sylvii; der erstere, Processus anterior fiss. Sylvii, steigt in geschwungenem Bogen von der Seitenfläche des Stirnhirns nach aufwärts, wo sein 356 Hermann Dexler Ende entweder bis nahe an die Kantennähe der Fissura suprasylvia heranreicht — KruEG, FLATAU-JACOBSON — oder er endet schon weit früher — ELLENBERGER, SCHELLENBERG —; für beide Modifikationen besitze ich materielle Belege. Der Processus posterior fiss. Sylv. wendet sich zwischen Pallium und Rhinencephalon nach caudal und endet an der Klein- hirnfläche der Hemisphäre nach kurzem, deren lateralem Rande parallelem Verlaufe. Drängt man die Wände dieses Spaltes aus- einander oder bricht man den Deckelrand aus, so konstatiert man zunächst, daß die Fissura postrhinalis innerhalb dieses Spaltes ver- läuft, beziehungsweise vom Deckelrande und seiner Fortsetzung gänzlich überlagert ist. In ihrem caudalen Verlaufe wird sie sehr bald seicht und flacht etwa in der Höhe des Processus mamillaris Lob. pyr. ab; zuweilen zieht sie bis nach der caudalen Umschlags- kante der seitlichen Hemisphärenfläche, ja sogar noch etwas darüber hinaus. In jedem Falle wird aber ihre Länge durch diejenige des sie bergenden Processus posterior fiss. Sylv. überragt. Das, was man auf den gebräuchlichen Schemen des Pferdegehirns als Fis- sura rhinalis posterior bezeichnet findet, kann ebenso als Pro- cessus posterior fissurae Sylvii aufgefaßt werden. Medial von der freigelegten Fissura postrhinalis streben nun eine Reihe niederer, bis 2 cm langer, palisadenartig, schief nach dorsocaudal gerichteter Windungsstücke auf, die dem Inselgebiete zugerechnet werden. Die ventralen Kerbungen des Deckels werden caudal, dorsal und oral von einigen tiefen, meist konfluierenden Furchenstücken umzogen, deren Gesamtheit man der Fissura ectosylvia gleich- stellt. Wegen der Regellosigkeit, mit der diese Furchen auftreten, enthalte ich mich einer resümierenden Einteilung; man kann in der Tat an vielen Gehirnen Furchenketten um eine jener Kerben auf- treten sehen, die wechselnd eine Fissura Sylvii markieren. Ihre Existenz ist zwar ganz zweifellos, ihre Zugehörigkeit zu einem ge- meinsamen Furchenbogen rein formal nicht sicher; genetisch ist ihre Zugehörigkeit noch nicht gezeigt worden. An dem demonstrierten fötalen Gehirn war ein Bogentypus nicht abzulesen, und an den Gehirnen erwachsener Pferde bestanden so zahlreiche Verlaufsarten, daß ich mich begnügen muß, in dieser Frage auf die Schemen von ELLENBERGER und KRruEG hinzuweisen. Caudal vom Processus anterior fiss. Sylvii und oral von dem Homologon der Fissura ectosylvia begibt sich noch ein häufig unterbrochener Furchungszug nach der Dorsalseite der Hemisphäre, Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 357 der nach der Kruzsschen Auffassung auch von SCHELLENBERG als ein oraler Schenkel der Fissura eetosylvia angesehen wird; es ist dies die Fissura diagonalis, die von FLATAU-JACOBsoN als vorderer Schenkel der Fissura suprasylvia erklärt wird. Die SCHEL- LENBERGSche Angabe finde ich an den meisten meiner Präparate bestätigt; an andern steht sie mit allen drei Nachbarfurchen in Kommunikation, an wieder andern mit keiner, so daß es unmöglich ist zu sagen, welcher Hauptspalte diese Furche zuzurechnen ist. Eine hinsichtlich ihrer Gestalt weit konstantere Furche ist in jenem Schenkel zu erblieken, der vom vorderen Ende des caudalen Drittels der Fissura suprasylvia senkrecht zum Deckelrande hinab- zieht und die Umlegung der Sylvischen Furche von dem caudo- lateralen Felde der Hemisphärenseite scheidet; er ist sehr tief und konstant und entspricht der Fissura suprasylvia posterior von FrATAU-JACOBSON bzw. dem Ramus descendes fissurae Sylvii nach Hort. Auf dem CnuauvEauschen Schema figuriert er unter dem un- verdienten Namen Fissura Rolando. Manchmal trennt ihn eine tiefer oder auch seichter gelegene Übergangswindung von der Haupt- windung ab. Endlich haben wir ganz vorn am Stirnpol noch eine Furche, den Suleus olfactorius, nachzutragen, der ziemlich regelmäßig verläuft und den man erst beim Abpräparieren des Tractus olfac- torius gewahr wird. Er beginnt gerade dort, wo sich dieser in das Gehirn einpflanzt und zieht einfach oder gedoppelt in etwa 1 cm Ent- fernung von der Mantelkante mit dieser parallel nach dorsal bis in die Nähe der Fissura eruciata. Häufig ist sie auch von ihr durch zwei oder drei quergelagerte Rindenwülste getrennt und daher sehr kurz. Ventrolateral konfluiert er mit dem oralen Ende der Fissura rbinalis anterior. Damit sind wir in das Grenzgebiet der ventralen Großhirnhemisphärenfläche eingetreten. Graben wir an einem angehärteten Gehirn den Hirnstamm bis zu jener Trennungslinie, welche die Stria terminalis markiert, heraus und betrachten die Hemisphäre von unten, so sehen wir (vgl. Fig. 36 und 42), daß das von uns geschaffene Loch oral einen scharfen, caudal einen stumpfen und wulstförmigen Rand aufweist; das, was oral vom scharfen Rande, der an der Vorderkante des Tractus optieus ver- läuft, folgt, ist das Rhinencephalon des Hısschen Schemas; das, was sich caudal dem dicken glatten Wulste, dem Gyrus pyriformis, anschließt, ist die von zahlreichen Furchen durchzogene Kleinhirn- fläche der cerebralen Hemisphäre. 358 Das Großhirn eines erwachsenen Pferdes. Ventralansicht. *%s der nat. Gr. Fpr Fissura praesylvia; #pa Fiss. praesylvia anterior; Bo Bulbus olfactorius; 7Zo Tractus olfactorius; Ri laterale, Em mediale Riechwurzel; Tri Trig. olfaetorium; G@n na- saler Fortsatz des Lobus pyriformis; Av Fiss. supra- sylvia posterior; I freiliegender Teil der Insel; G1p Sul- cus longitudinalis lobi pyriformis; Pv Spitze des Lobus pyriformis; Sa Substantia perforata anterior; Cho Chi- asma opticum; Zr Trichter; @p Hypophysis; Pt Tractus peduncularis transversus; 3 Nerv. oculomotorius; Bm me- diales, Bl laterales Begrenzungsbündel der Fossa inter- peduncularis; #p Fissura postrhinalis; @9 Ganglion Gas- seri; 6 Nerv. abducens; Po Brücke; Ct Mittelstück des Corpus trapezoideum; 7b Tabulationen des Kleinhirns; Tp Ansatz des Plexus chorioideus cerebelli Pl; 7f Tuber- eulum faciale; Dp Pyramidenkreuzung; Hy Hypoglossus- wurzeln; Cı ventrale Wurzel des ersten Cervicalsegments. Hermann Dexler Die Kleinhirnfläche der cerebralen Hemisphäre ist dreieckig und von den Endstücken jener Hauptfur- chen durchschnitten, die wir auf der medialen, dorsalen und lateralen Seite kennen gelernt haben. Ventrolateral erblicken wir als erste das Ende der Fissura longitu- dinalis lobi pyriformis. Ihr folgt nach außen das Ende des Processus posterior fis- surae Sylvii. Gegen me- dial folgt dann eine lange Furche, welche das ganze Feld in zwei seitliche Hälf- ten spaltet; es ist der End- schenkel der Fissura late- ralis. Am medialen Rande reicht noch die Fissura cal- losomarginalis und entolate- ralis herein. Damit sind jene Fur- chen genannt, die an der Manteloberfläche entweder ganz regelmäßig oder doch bei den meisten Individuen vorkommen und die, wie unsre Ausführungen gezeigt haben, mit mehr oder we- niger Glück mit den Fur- chen der übrigen Säuger homologisiert worden sind. Außer ihnen existieren noch weitere Furchen oder Fur- chenkomplexe, die, wenn auch nicht absolut konstant zu nennen, doch sehr häufig zu treffen sind. Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 359 FrArAU-JAcoBson erwähnen deren fünf. «. Ein Furchenzug, den ich sowohl am fötalen, wie in zahl- reichen Varianten auch am erwachsenen Gehirn in jenem Felde stets gefunden habe, das von dem caudalen Teile der Fissura supra- sylvia und ihrem ventralen Aste abgegrenzt wird. Meist besteht er aus einer longitudinalen Achse, die zuweilen durch Anfügung mehrerer Queräste entfernt die Gestalt eines lateinischen H nach- ahmen, oder ist mit der Fissura suprasylvia verbunden. Sie entspricht der Fissura posterior von Krure (Fiss. obliqua). ß. Eine Longitudinalfurche außen von der Fissura lateralis, entweder einfach oder gedoppelt, zuweilen aus einer Reihe kurzer Furchenstücke dargestellt; nicht minder konstant finde ich die Fissura ectolateralis mit einer äußeren parallelen Begleitfurche ver- sehen. y. Zwischen Fissura coronalis und Fissura diagonalis treten ebenfalls mehrere Furchenschenkel auf, die sich zu einer Linie oder auch zu einer Sternform gruppieren können. d. Zwischen Fissura coronalis und der Mantelkante weisen die Autoren auf eine tiefe, geschlossene Furche hin, die auf die Me- dialfläche übergeht, die Fissura callosomarginalis aber nicht erreicht; vermutlich beziehen sie sich damit auf die Fissura cruciata von SCHELLENBERG. &. Zwei kurze Furchen zwischen der Fissura praesylvia und der Fissura rhinalis anterior. Eine besondere Konstanz kann ich an ihnen nicht finden. Weit häufiger eruiert man eine einheitliche Furche, die nahe dem ventralen Stücke der Fissura praesylvia entspringt und bogig gekrümmt, schief über den Stirnpol nach der Mantelkante sich wen- det, wo sie häufig mit der Fissura eruciata konfluiert oder oral von ihr die Mantelkante einschneidend, oft gabelig endet. Es ist die Fissura praesylvia anterior (Sulcus supraolfaetorius nach HoLr, Fissura infraorbitalis nach BrAnDLey), die einem der Sulei praesylvii lateroventralis von MArrın entsprechen dürfte. Ich möchte hier noch eine Furche nennen, die ich wiederholt an der Kleinhirnfläche der cerebralen Hemisphäre medial von der Fissura lateralis mit dieser parallel von der eaudalen Hemisphärenspitze bis zum Gyrus hippocampi ziehen sah; häufig ist sie ganz isoliert; ebenso- oft aber konfluiert sie mit der Fissura callosomarginalis, ectosplenialis und entolateralis, so daß sie auch als aus einer Vereinigung der Fußbügel dieser Furchen hervorgegangen angesehen werden kann. 360 Hermann Dexler Trotz wiederholten Hinweises hebe ich hier nochmals hervor, daß schon die bei einigen Hauptfurchen — Ff. cruciata, coronalis, diagonalis, olfaetoria usw. — vorkommenden Variationsmöglichkeiten bei den Nebenfurchen sich so steigern, daß man, von den allergröbsten Verhältnissen abgesehen, selbst an einem ziemlich großen Materiale kaum je zwei gleiche Furchenbilder wird produzieren können. Das Furchenschema kann immer nur aus mehreren Hemisphären mit rela- tiver Genauigkeit zusammengestellt werden. Die Hauptfurchen werden bis auf die Fissura eruciata und Fissura Sylvii überall leicht nachzuweisen sein. Von allen andern Furchen muß aber gesagt sein, daß wir bei der Besichtigung eines beliebig herausgegriffenen Pferdegehirns stets gefaßt sein müssen, deren zwei oder auch meh- rere nicht demonstrieren zu können. Dieser Umstand erklärt es, daß die Windungsverhältnisse noch viel komplizierter und nicht so leicht zu übersehen sind, als dies von vielen Autoren behauptet wird, ohne jedoch auf das Thema näher einzugehen. FLATAU-JACOBSoN bezeichnen die Windungsbögen gegenüber denjenigen des Carnivorengehirns als atypisch und unklar; ihre Benennung stimme aber nach ihnen mit den Urwindungen überein und bedürfe daher keiner besonderen Beschreibung. SCHELLENBERG spricht sich ebenfalls gegen diese gangbare Unterlassung aus, hält aber ebenso wie Hour dafür, daß sich die Grundtypen der Windungen trotz mancher Schwierigkeiten bei den Ungulaten, also auch beim Pferde, leicht wiedererkennen lassen. Nichtsdestoweniger sieht er sich veranlaßt, aus rein formalen Gründen drei neue Stirnwindungen zu kreieren, um den Windungswirrwarr einigermaßen zu klären. Er findet eine Übergangswindung zwischen der zweiten und dritten Ur- windung und läßt die dritte oral durch die Fiss. transversa abschnei- den, was bei den Carnivoren nicht der Fall ist. Nach den Darlegun- gen Horvs ist die bisherige Annahme einer ersten Bogenwindung falsch, und wir müssen als diese die Insel bezeichnen. Wenn in so elementaren Dingen seitens der einzelnen Autoren so weit auseinander- gehende Auffassungen Platz greifen konnten, so beleuchtet dies, zu- sammengehalten mit der ganz ungleichartigen Deutung der Haupt- furchen (F. Rolando CuAuveat, F. eruciata MArrın, F. Sylvii Hort, F. lateralis BRADLEY usw.), aufs grellste die vielbetonte leichte Über- tragungsmöglichkeit des Rindenschemas der Carnivoren auf den Cortex des Pferdes. Wenn wir die Benennung der Windungen mit derjenigen des Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 361 Carnivorengehirns übereinstimmen lassen wollen, so haben wir zu unterscheiden: I. Einen Gyrus sylviacus. Meist ist er ein schlangenförmig ge- wundener Wulst, dessen Position manchmal um so schwerer bestimm- bar ist, als ja diejenige der Fissura Sylvia nicht immer gesichert ist. Wir müssen ihn also ganz allgemein als in der Umgebung der Fis- sura Sylvia liegend erklären und dabei festhalten, daß er auch über ihr, caudal oder oral von ihr liegen kann. Zuweilen hat er die Ge- stalt eines hufeisenförmigen Bogens, der um die Fissura Sylvia her- umgeschlungen ist. Er wird von HoLL Gyrus suprainsularis genannt. U. Der Gyrus eetosylvius kann zuweilen eine bogige Form besitzen; besser jedoch fassen wir ihn als hantelförmigen Windungs- körper auf. Der gut abgrenzbare, schmale Teil des Hantels wäre als Gyrus ectosylvius medius zwischen Fissura eetosylvia und Mittel- stück der Fissura suprasylvia abzugrenzen. Oral folgt dann als Gyrus eetosylvius anterior jenes große Windungsgebiet, das von der Fis- sura praesylvia und coronalis umzogen und durch die Fissura dia- gonalis, dem -Processus anterior fissurae Sylvii und mehreren Neben- furchen vielfach eingeschnitten wird. Caudal hängt dem Hantelgriffe ein großes, viereckiges, von der Fissura suprasylvia posterior FLATAU-JACOBSoN, dem caudalen Teil der Fissura suprasylvia selbst und von dem Processus posterior fis- surae Sylvii umgrenztes Windungskonvolut an, das durch die «-Win- dung FrArTAU-JAcoBsons in eine Menge von Teilen zerlegt wird, in denen der Gyrus ectosylvius posterior des Carnivorengehirns wohl kaum mehr zu erkennen ist. III. Die nächste Windung, kantenwärts von der Fissura lateralis begrenzt, wäre der Gyrus suprasylvius. Er besteht aus zwei daumenbreiten Windungen, die caudal mit dem Gyrus hippocampi zusammenfließen und oral sich wie ein Keil verschmächtigen. In der Kantennähe der Fissura suprasylvia hören sie auf oder kon- flnieren mit dem Homologon der vierten Urwindung, um dann ge- meinsam mit dieser in jenes Windungslabyrinth überzugehen, das von der Fissura coronalis, praesylvia und callosomarginalis umgrenzt ist. Der gemeinsame Windungszug passiert die Kantennähe der Fissura suprasylvia nicht in einem Ganzen, sondern ist meistens durch die Fissura transversa oder auch die Fissura eruciata eingeschnitten. IV. Wenn wir anderseits, um der Darstellung von FrLArAu- JACOBSON gerecht zu werden, die Fissura lateralis nicht an der Fissura transversa enden, sondern sie in die Fissura coronalis übergehen 362 Hermann Dexler lassen (l. e., S. 410 I. Bd.), so erhalten wir wie am Carnivorengehirn eine komplette vierte Ur- oder Randwindung, Gyrus marginalis; dann aber wird wieder die dritte Bogenwindung an dem Übertritte der Fissura lateralis in die Fissura suprasylvia abgeschnitten und sie wird zu jenem früher erwähnten Keil, der sich zwischen dritter und vierter Bogenwindung einschiebt. Im vorderen Drittel der Hemi- sphäre existiert dann eine gesonderte dritte Bogenwindung nicht. Die Unmöglichkeit der ins Detail gehenden Übertragung der Windungsverhältnisse vom Carnivorengehirn zeigt sich gerade an dieser Region am deutlichsten. Die Hemisphäre des Pferdegehirns ist im Vergleich zu der des Hundegehirns schmal und lang. Bei einem gleichmäßig stark entwickelten Gyrus fornicatus steigt der Gyrus eetosylvius von außen so weit gegen die Mantelkante heran, daß an ihr im vorderen Drittel, in der Region der Kantennähe der Fissura suprasylvia, eine Enge erzeugt wird, durch welche die suppo- nierten zwei dorsalen Urwindungen abgeschnürt oder ineinander über- zugehen gezwungen werden. Der orale Abschnitt, der von der Kan- tennähe der Fissura suprasylvia angefangene, genetisch unklare marginale Gyrus läßt sich an manchen Gehirnen seitlich durch die Verlängerung des Suleus olfactorius vielleicht als Homologon des Gyrus reetus hom. abgrenzen, an andern Gehirnen — ich besitze zahlreiche Repräsentanten solcher — nicht; oder es wird durch eine Verdoppelung des Suleus olfaetorius und seine schiefe Einpflanzung in die Mantelkante, sowie auch durch eine stärkere Entwieklung einer Fissura praesylvia anterior eine schiefe, oft sogar quere Seheitelung des Stirnpoles erzeugt; sie kommt der sche- matischen Zeichnung SCHELLENBERGS (l. c. Fig. 16) mehr oder weniger nahe und entspricht der gewöhnlichen Gestaltung. Daneben aber existieren sehr zahlreiche Ausnahmen, von denen ich namentlich eine häufigere anführen möchte: Die Randwindung spaltet sich etwas oral von der Kantennähe der Fissura suprasylvia in zwei Windungskonvolute, die durch eine tiefe, schief oder rein vertikal am äußersten Stirnpol verlaufende Furche geschieden werden, und zwar in einen lateralen, der als scheinbare Fortsetzung der Randwindung sich im Bogen nach ventrocaudal gegen die Fissura rhinalis anterior wendet, und einen medialen, der sich wie ein Keil an die Innenseite des Stirnpols einschiebt. Ventralwärts finden sich beide Windungszüge meistens durch eine oder auch zwei Querwindungen verbunden, .die die Wurzel des Bulbus olfaetorius überbrücken. Die Trennungsfurche ist hinsichtlich ihrer Länge und Verbindungsverhältnisse ganz inkonstant. Zur®Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 363 Mit ihrem dorsalen Ende schneidet sie entweder die Mantelkante oral von der Fissura erueiata ein oder verbindet sich mit dieser un- mittelbar. Anderseits bewegt sich ihr ventrales Ende zum Suleus olfactorius, in den sie übergeht, oder es konfluiert mit der Fissura rhinalis anterior, so eine lange Fissura praesylvia anterior vorstellend, In jedem Falle ist die Stellung der regionären Gyri verschieden. Wir können nur ganz allgemein den lateral liegenden Windungs- komplex wegen seiner räumlichen Beziehungen zur Fissura coronalis als Gyrus coronalis bezeichnen, der aber nicht in allen seinen Teilen denjenigen des gleichnamigen Gyrus des Hundes entsprechen kann, und den medialen als Gyrus frontalis. Die Deutung eines Gyrus reetus ist dann wohl nur sehr gezwungen oder gar nicht möglich. Ihm würde das ventralste Stück des Gyrus frontalis, zwischen Fissura rostralis und Sulcus olfactorius entsprechen, wo- gegen das ventralste Ende des Gyrus coronalis beiläufig dem Gyrus infraorbitalis BRApLey gleichkommen würde. Ich halte übrigens gerade bei diesem Teile des Rindenareals lange Betrachtungen über bestehende Homologien so lange für unersprießlich, als wir nicht eine dichtere Kette von Vergleichsschemen zur Verfügung haben, als dies dermalen der Fall ist. Die Variationen sind hier so zahlreich, daß sie die Behauptung abermals unterstützen, daß das Windungs- schema des Hundegehirns mit demjenigen des Pferdegehirns nicht vollständig übereinstimmt. Geordneter liegen die Verhältnisse in der caudalen Region der Randwindung, die an der Umbeugekante der medialen zur lateralen Hemisphärenfläche dahinzieht, an die Kleinhirnfläche gelangt und dort entweder mit dem Gyrus hippocampi anastomosiert oder von der medialen Begleitfurche des Endschenkels der Fissura lateralis scharf abgeschnitten wird. V. Um den Balken schlingt sich der mächtige Gyrus fornicatus. Sein vorderer Bogen liegt zwischen Balkenknie und dem oralen An- fangsstück der Fissura callosomarginalis; er konfluiert hier als Gyrus genualis mit einem flachen Gebiete der medialen Hemisphären- wand, das vor der grauen Schlußplatte liegend, ventral in das Tri- gonum olfactorium übergeht und eine genauere Betrachtung verdient. Oral-ist dieses Feld gekennzeichnet durch das Einstrahlen der von ventral kommenden medialen Riechwurzel. Diese geht hier in ein 5 mm breites, schief nach dorsal verlaufendes Band über, dessen vorderer Rand ganz undeutlich, dessen hinterer jedoch ziemlich scharf durch je eine Furche markiert ist. Die vordere, häufig nicht 364 Hermann Dexler nachweisbare Rinne homologisieren FLATAU-JACOBson mit dem Sul- eus parolfactorius anterior, die hintere haben wir als die Fort- setzung jener seichten Rinne zu betrachten, die ventral das Tri- sonum olfactorium von der Riechwurzel trennt. Knapp vor der Lamina terminalis zieht vertikal ein 4 mm breiter, makroskopisch schwer differenzierbarer, grauweißer Streifen, der oben an die Ventralseite des Rostrum corporis callosi beziehungsweise an die Basis des Septum pellueidum stößt; es ist die mediale Fort- setzung der Substantia perforata anterior, der Gyrus subcallosus, dessen orale, wenig ausgeprägte Grenzfurche dem Sulcus parolfac- torius posterior entspricht. Die makroskopisch nicht sichtbaren Nervi Laneisii, der Gyrus subcallosus und die mediale Riechwurzel fließen knapp unter dem Balkenknie in ein ganz flaches, grauweißes Feld, die Area Brocae oder dem Carrefour olfaetif zusammen; ventral lassen der Gyr. sub- callosus und die mediale Riechwurzel den medial umbiegenden Flügel des Trigonum olfactorium zwischen sich. Das über dem Balkenkörper befindliche Stück des Gyrus forni- catus, der Gyrus einguli, ist vorn breiter als hinten und durch die Fissura sublimbica meistens in eine dorsale und ventrale Etage geteilt. Am caudalen Ende vom Balkenwulst zieht quer über ihn eine flache Rinne dorsal zur Mantelkante. Sie ist der Abdruck des Epiphysenschlauches und des Sinus rectus, der am Splenium corporis callosi durch die Balkenwindung von diesem abgedrängt wird und im flachen Bogen zum Längsblutleiter sich wendet. Unmittelbar hinter jener Rinne finden wir beide Hemisphären häufig fest verlötet. Vom Balkenwulst angefangen, geht der Gyrus formieatus zwi- schen diesem und dem Caudalaste der Fissura callosomarginalis eine kaum 1 cm breite Enge, den Isthmus gyri fornicati passierend, zum Gyrus pyriformis. An der Kleinhirnseite der cerebralen Hemisphäre wird dieser, beim Pferde große, daher auch als Lobus pyriformis bezeichnete Windungsabschnitt von einer Linie begrenzt, die man sich zwischen den Enden der Fissura callosomarginalis und des Processus posterior fissurae Sylvii ausgespannt denkt; diese Trennungslinie ist um so wichtiger, als sie einen Teil des Rhinence- phalon, die Hippocampusformation vom Pallium abspaltet, dem sie früher zugerechnet wurde. Im Bereiche dieser Trennungslinie steht der Lobus pyriformis durch eine und auch mehrere Windungen sowohl mit dem Gyrus Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 365 marginalis wie auch mit dem Gyrus suprasylvius (Pli de passage retro-limbique von BrocA) in Verbindung. Lateral ist er von der Fissura longitudinalis Lobi pyriformis sowie von kleineren inkonstanten Furchen eingeschnitten. Im Gegensatze zu dieser gewulsteten Oberfläche ist der Teil des Lobus pyriformis, der den Hirnstamm umkreist, ganz glatt; es ist der Gyrus hippocampi oder das Subiculum cornu Ammonis. Geht man von der Gegend des Balkenwulstes der glatten Rundung des Gyrus hippocampi entlang nach ventronasal, so beobachtet man, daß Fig. 36. ENER ET En ar > Ansicht der rechten Großhirnhemisphäre eines jungen Pferdes von medio-ventral nach Entfernung des Hirnstammes. 1/; der nat. Gr. S Schnittfläche im Zwischenhirn ; 5p Septum pellucidum; #0 Fornixkörper ; #s Crus fornieis; 7o Trig. olfaetorium; Co Chiasma opticum; Gd Gyrus dentatus; #% Fissura hippocampi; @yh Gyrus hippo- campi; Fllp Caudalende der Fissura longitudinalis lobi pyriformis; Fprh caudales Ende der Fiss. post- rhinalis; Yd Vierhügeldelle; #l Umbeugestelle der Fiss. lateralis; U Uncus; Bw Balkenwindung. man von der Innenseite der ausgezogenen Ventralspitze des Lobus pyriformis eine schmale, graue Windung wider die Fissura hippo- campi entlang nach oben umschlagen und in zwei Rindenläppchen fortsetzen sieht, die ventronasal vom Balkenwulste ihre Lage haben. Diese ventral etwas verdickte, dorsal aber schmale Windung ist der Gyrus dentatus oder Fascia dentata Tarini, die unter dem Balken- ende befindlichen Läppchen stellen die Balkenwindung dar. Die Furche zwischen Gyrus dentatus und Gyrus hippocampi ist die Fis- sura hippocampi. Sie zieht bis unter das Balkensplenium, wo sie entweder mit dem Sule. corp. callosi oder mit der Fissura sublimbica 366 Hermann Dexler posterior kommuniziert. Die undeutlich hakenförmige Umbeugung des Gyrus hippocampi in den Gyrus dentatus wäre als Uncus an- zusehen, der beim Pferde nur von ventromedial gesehen werden kann. Der letzterwähnte Gyrus dieses Tieres ist nur wenig gekerbt und trägt am oralen Rande den weißen Marksaum, die Fimbria, die dorso-nasal zum caudalen Fornixschenkel wird. Sein dorsales Ende ist oft ganz abgeflacht und bildet mit der Fimbria eine seichte Grube, in die sich das Corpus geniculatum laterale hineinlegt. Der Bogen des Gyrus hippocampi trägt in seiner dorsalen Hälfte eine flache, meist von einer kurzen Furche halbierte Delle, die durch die Konvexität des vorderen Vierhügels erzeugt wird. Sein dorsales Ende reicht nicht an den Balken heran, sondern ist von diesem durch die obenerwähnte Balkenwindung, Gyrus callosus, ge- trennt, die nach SMITH und JAKOMINI nichts weiter ist als veränderte Hippocampusformation, die unter dem Splenium corporis callosi ihre Lage hat. Die Windung ist beim Pferde 11,5 em lang, 7 mm breit und keulenförmig. Sie zerfällt in einen dorsalen und einen ven- tralen Teil; der nasale Abschnitt des letzteren geht bei vielen In- dividuen äußerlich nicht in dasjenige des dorsalen über, sondern wird von ihm durch eine Umbeugung der Fissura hippocampi ge- trennt; caudal vereinigen sich beide Portionen und wenden sich gegen den Isthmus gyri fornicati, von dem sie durch den Suleus corporis callosi oder auch von einer sie begleitenden kleinen Neben- furche geschieden bleibt. Nach ihrem Zusammenfließen biegen sie, sich rasch verschmälernd, um das Splenium nach der Dorsalseite des Balkens um, auf der sie nach längerem Verlaufe für das unbe- waffnete Auge verschwinden. In andern Fällen wieder geht die Fascia dentata ohne jede äußerliche Unterbrechung in die dorsale Portion der Balkenwindung über. Die ventrale Portion des Lobus pyriformis bildet eine 1,5 em hohe Erhebung an der Gehirnbasis, die wegen ihrer entfernten Ähn- lichkeit mit einer Zitze mit dem gebräuchlichen Namen Zitzenfort- satz, Processus mamillaris Lobi pyriformis belegt wurde. An der Lateralseite zeigt hier der Lobus pyriformis zwei oder auch mehr Längsfurchen, die zur Fissura postrhinalis, beziehungsweise Processus posterior fissurae Sylvii parallel laufen. Es ist der Sul- eus longitudinalis lobi pyriformis mit seinen Nebenfurchen. Oral fällt der Zitzenfortsatz gegen das Riechhirn steil ab und lateral setzt er sich in jene Verlängerung des Lobus pyriformis fort, welche in einem 1 cm breiten, 3 cm langen, flachen Windungsfortsatz an Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 367 der Fissura rhinalis entlang nach vorn läuft und sich an die weiß gefärbte laterale Riechwurzel anlegt; es ist dies der bajonettförmige Processus nasalis Lobi pyriformis. Ist die Trennungslinie, wie dies zuweilen vorkommt, durch die Färbung und Fixierung nicht deutlich ausgeprägt, so hat es den Anschein, als ob die genannte Riechwurzel direkt in den Fortsatz des Lobus pyriformis übergehen würde; eine Scheidung ist dann nur auf histologischem Wege möglich. Der Außenrand des Processus nasalis Lobi pyriformis ist häufig ziemlich stark gekerbt und grau; die anliegende Riechwurzel weiß und glatt und sendet einen feinen Faserbelag über das Grau der anliegenden Windung. Um Verwechselungen mit der älteren Nomenklatur hintanzuhalten, sei hier nochmals hervorgehoben, daß man unter Lobus pyriformis nicht nur die knopfförmige Erhebung an der Ventralseite des Ge- hirns im Bereiche der. Schläfenregion zu verstehen hat, sondern die ganze Partie, die sich ventral vom Isthmus gyri fornicati nach ven- tronasal zwischen den Hirnstamm und die Fissura rhinalis hineinlegt und bis zur Substantia perforata nasalis erstreckt, beziehungsweise in den Lateralrand der äußeren Riechwurzel übergeht. Die oral hiervon befindlichen Gebilde sind nach dem Hisschen Schema dem eigentlichen Rhinencephalon zuzurechnen. Es liegt oral von jener Linie, der entlang sich der vordere Rand des Tractus opticus, beziehungsweise das Chiasma opticum an die Hirmbasis an- heftet. Unmittelbar vor dieser Linie finden wir einen S mm breiteren weißen, bis weißgrauen Querstreifen, die Substantia perforata nasalis, die, von zahlreichen Gefäßlöchern durchbohrt, medial in den Gyrus subeallosus übergeht; lateral endet sie am Abgange des Proe. nasalis Lobi pyriformis von seiner Basis. Oral von ihr liegt, nur durch eine seichte Rinne geschieden, das Trigonum olfactorium. Es bildet eine flache, kugelige Vorwölbung von grauer, durch Ge- fäßlöcher grubig vertieften Oberfläche und dreieckigem Grundrisse. Die längste Dreieckseite bildet die Grenzrinne gegen die Substantia perforata nasalis, die kürzeste die Furche gegen die laterale Riech- wurzel, die mittlere diejenige der medialen Riechwurzel; sie lassen das Trigonum zwischen sich eingeklemmt. Die mediale Dreiecks- spitze biegt auf die mediale Hemisphärenfläche über. Die laterale Wurzel ist außen von einer seichten Rinne begrenzt, die sie von der Spitze des nasalen Fortsatzes des Lobus pyriformis abtrennt und eine größere Vene birgt. Medial kann man ebenfalls eine flache Furche zwischen lateraler Riechwurzel und Trigonum olfactorium Morpholog. Jahrbuch. 32. 24 368 Hermann Dexler erheben, die in der Gegend der Substantia perforata anterior aus- läuft. Die mediale Riechwurzel ist innen durch den flachen Suleus parolfaetorius von dem anstoßenden Rindengebiete, und lateral durch eine gleichfalls sehr seichte Rinne vom Trigonum ol- factorium abgesetzt. Vorn, am Zusammenflusse beider Riechwurzeln, sieht man an manchen Gehirnen ziemlich deutlich zarte, wellig ge- schwungene, weiße Faserbündchen aus dem Traetus olfactorius kommen und sich in der grauen Oberfläche des Trigonum olfactori- um verlieren. Man kann sie als die Andeutung einer dritten Riechwurzel auffassen. Aus der Vereinigung der Riechwurzeln geht der über 1 cm breite und flache Tractus olfactorius hervor, dem der große Geruchs- kolben als Endorgan aufgesetzt ist. Die Bulbi olfactorii sind beim Pferde bis 1,5 cm breit und 4,5 cm lang. Ihre weiße, aus den Fasern des Tractus olfactorius und der Pars olfactoria Commissurae nasalis aufgebaute Wand umschließt eine geräumige Höhle wie ein steifwandiger Sack. Dieser Lymphraum kommuniziert durch einen dünnen, den Traetus olfaetorius durchziehenden Kanal mit den Seitenventrikeln des Großhirns. Ventral trägt der. Bulbus olfaetorius eine 2 mm dicke, aus der Schicht der Fila olfactoria und dem dar- unterliegenden Stratum griseum geformten, zottig-bürstenförmigen grauen Überzug, der seinen Dorsalrand sowohl medial wie lateral etwas umgreift und caudal mit einer stumpfen Spitze bis auf 1 cm an das Trigonum olfaetorium heranreicht. Es erübrigt sich noch einige besondere Windungen hervorzu- heben, die außerhalb des gangbaren Schemas stehen, jedoch für die Charakterisierung der Oberflächenkonfiguration des Pferdes bedeu- tungsvoll sind. Die wichtigste ist die Inselwindung. Sie differenziert sich, wie wir gesehen haben, in einem sehr frühen Entwicklungsstadium von dem übrigen Cortex. Wie wir bereits bei der Besprechung des Furchenschemas er- fahren haben, kann man von der Fossa sylvia aus einen Spalt an der Seitenfläche der Hemisphäre auseinanderzwängen, der dem na- salen und caudalen Aste der Fissura Sylvii entspricht, deren dor- saler Rand durch das Überhängen jener Portion des Pallium geformt wird, die wir als Operculum bezeichnen; hebt man dieses vom Gehirn ab oder bricht es los, so liegt das Inselgebiet frei zutage. Nach außen ist es begrenzt durch den dorsolateralen Rand des Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 369 Lobus pyriformis, der sich durch die Fissura postrhinalis vom eigent- liehen Rindengebiete absetzt. Medial von dieser Furchenlinie erhebt sich die Hemisphärenfläche in einer steilen, palisadenartig gerieften Wand; die vertikal stehenden Wülste erscheinen als Fortsetzung jener Windung, die zwischen dem Processus anterior fissurae sylviae und der Fissurae praesylviae dahinziehend, mit stärkerer Schlängelung unter den Deckelrand tritt. Wegen der räumlichen Beziehung dieser Windung zum Inselgebiete scheint es angemessen, diese Windung als Inselstiel oder Gyrus praeinsularis zu bezeichnen. Die Fig. 37. Freigelegtes Inselgebiet der Hemisphäre eines jungen Pferdes. 2/3 der nat. Gr. ss Schnittfläche im Opereularteile zur Aufdeckung des Inselgebietes; op oraler Rand des Deckels; ssp Fissura suprasylvia posterior; pr Fiss. praesylvia; rha Fiss. rhinalis anterior; gp Gyrus praeinsu- laris; a unbedeckter Inselteil; 2 Inselpol; r%p Grund der Fiss. rhinalis posterior; rw ventraler Randwulst dieser Furche; eg caudaler Abschnitt der Inselrinde. Benennung nach seinen Grenzfurchen möchte ich wegen der großen Variationsfähigkeit dieser vermeiden. Knapp unter dem Rande sieht man noch zwei deutlich abgrenzbare Querwülste, von denen einer oder auch beide auf älteren Schemen fälschlich als eigentliche Insel bezeichnet werden; die weiter eaudal folgenden, bereits opereules- eierten sind weniger hoch, dafür aber länger, gegenseitig nicht so scharf abgesetzt und bilden zwei Gruppen: Einen nasalen, dem Rande des Lobus pyriformis aufgesetzten, aus drei bis vier neben- einander gelegten, 1,5 em langen Stücken, Gyri breves bestehenden Windungskomplex, und einen caudalen, der gegenüber dem er- steren etwas tiefer gegen die Großhirnrinde zurücktritt. Die nasale 24* 370 Hermann Dexler Gruppe zeichnet sich durch große Regelmäßigkeit aus. Ihre Strah- len fahren fächer- oder fingerförmig von einer ventralen, etwas schwächeren Basis, dem sogenannten Inselpole, nach dorsal ausein- ander. Der caudale Komplex ist weit unregelmäßiger und besteht ‚aus fünf bis acht Stücken, die in strickartiger Anordnung vorwie- gend caudodorsal emporsteigen, zuweilen aber, wie FLATAU-JACOBSON angeben, auch ganz fehlen können, so daß das ganze Feld glatt bleibt. Der nasale Komplex wird mit der Insel des Menschen ho- mologisiert; der caudale wird von Hour der oberen Fläche des Rhin- encephalon zugerechnet. Zur Insel gehörig kann er nicht betrachtet werden, wenn für deren Umgrenzung die Lagebeziehung ihrer Rinde zum Claustrum und zum Linsenkerne als maßgebend angenommen wird, wie dies beim Menschen üblich. Nach meinem Materiale ist die Insel 1,5 cm hoch, ebenso breit und kann nach dem caudalen Abschnitte noch zwei Windungen angesetzt haben, die eine Art Übergang zu den letzteren bilden. Am intakten Gehirn ist die Insel bis auf ihren oralen Teil ganz verdeckt. Ich habe oben die Scheinbarkeit des Übergangs der Inselforma- tion in den Inselstiel deswegen besonders hervorgehoben, weil häufig tiefe Querfurchen die Kontinuität jener ziemlich beträchtlich unter- brechen und weil das ganze Aussehen der Insel, soweit es sich um eine Prüfung desselben mit unbewaffnetem Auge dreht, vielmehr auf die Zugehörigkeit zum Lobus pyriformis als zum übrigen Cortex schließen läßt. Hier sei auch eingeflochten, daß die Umgrenzung der Insel nach der Claustrumfläche beim Pferde kein befriedigendes Re- sultat ergibt, da, wie HoLL selbst betont, die Vormauer sich über die Fissura rhinalis hinaus in das laterale Gebiet des Riechhirns er- streckt, das demnach noch zur Insel geschlagen werden müßte. Außerdem reicht die Vormauer so weit ins Stirnhirn hinein, daß auch nach proximal eine Vergrößerung des Inselgebietes notwendig gemacht wurde, so dab wir sagen können, daß das distale Ende des Inselstiels als freiliegender Inselteil auf eine etwa 1—2 cm lange Strecke noch zur Insel zu rechnen ist. Wir können aber der Auffassung von FORGEOT-LESBRE nicht zustimmen, in dieses Areal auch noch die proximalen Verbindungen des Gyrus praeinsularis mit dem Orbital- und Stirnhirne zu zählen; auch scheinen die Autoren nur den unbedeckten Inselteil zu betrachten. So fasse ich wenigstens ihre Äußerung auf (l. e. S. 118): »On voit .... l’insula sortir de la base de la seissure de Sylvius et se diviser bientöt en deux plis, qui se bifurquent & leur tour pour se continuer d’une part avec le Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 371 lobule orbitaire, d’autre part avec la eirconvolution commune an- terieur.« Eine andre, mir erwähnenswert erscheinende Windung liegt im Gebiete der zweiten Bogenwindung dort, wo sie nach dem Stirnpole der Hemisphäre abfällt. Sie ist medial durch jenes Stück der Fissura suprasylvia be- grenzt, das sich in größter Nähe der Mantelkante befindet, caudal durch das obere Ende der Fissura diagonalis und oral von dem Furchenkomplex y von FLATAU-JACOBSoN umschrieben. Bei der großen Unregelmäßigkeit der letztgenannten zwei Furchen ist seine caudo- ventrale Grenzlinie oft ziemlich schwer nachzuweisen. Der Gyrus ist 1 cm breit, 3 cm lang und wendet sich von der Kantennähe der Fissura suprasylvia nach lateral, wo er nach kurzem Verlaufe steil abfällt und endet. Er ist selbst dadurch aus dem diffusen Windungs- gewirr, durch die Pia mater hindurch, leicht herauszufinden, daß er sich weit emporwölbt und sich aus der Umgebung schärfer abhebt, als die übrigen Windungen der dorsolateralen Hemisphärenfläche; zuweilen ist er so prominent, daß für ihn eine eigne Vertiefung im Schädeldache sich vorfindet, die sogar außen, d. h. am Boden des Sinus frontalis, wahrgenommen werden kann. Wie unser Vergleich mit den fötalen Gehirnen zeigt, ist er aus dem vordersten Pole des Gyrus secundus hervorgegangen und kann seiner Gestalt nach als Gyrus prominens bezeichnet werden (vgl. Fig. 34, 30, 31 und 38). Ein Gyrus sigmoideus ist der Häufigkeit des Übertritts der Fissura eruciata auf die dorsale Hemisphärenfläche entsprechend oft und deutlich ausgeprägt, wenn auch seine Größe mit demjenigen des Hundes in keinem Vergleiche steht. Eine sigmoideus-ähnliche For- mation ist nicht nur auf den Figuren ersichtlich, sondern sie wird auch auf dem meist so rudimentären Hirnschemen des CHAUVEAU- schen Handbuches angegeben. Sie kann in vielen Fällen fehlen, aber durchaus nicht immer, wie SCHELLENBERG meint. Hier möchte ich noch auf eine Windung hinweisen, die gerade dort erscheint, wo die laterale Hemisphärenfläche nach der Klein- hirnfläche umschlägt. Der dieser Kante entlang vom caudalen Ende des Lobus pyriformis bis zum Oceipitalpole der Hemisphäre in einer Länge von 4 cm dahinziehende, kaum 0,5 cm breite gerade Gyrus ist bereits in das ELLENBERGERsche Schema (S. 796) als Ausnahme eingetragen, weil er zuweilen von der Fissura ectolateralis oder der Fissura suprasylvia eingeschnitten wird. Ich finde ihn an etwa 20 % meines Materials ganz typisch und an weiteren 50 % zwar 372 Hermann Dexler von seichten Furchen eingeschnitten — aber seine Teilstücke so geradlinig hintereinander angeordnet, daß sie als einheitliche Win- dung imponieren. Es wäre vielleicht daran zu denken, daß an seiner Bildung die Formation der Schädelkapsel insofern beteiligt ist, als durch das Hineinwachsen der Hemisphäre in jenen verhältnis- mäßig tiefen Winkel, den die Tentoriumbasis mit der Schädelseiten- wand bildet, die Vereinigung ursprünglich nicht zueinander gehöriger Windungen zu einem gemeinsamen Gyrus angeregt wurde. Von den allgemeinen Formverhältnissen der äußeren Gestal- tung des Hemisphäriums ist hervorzuheben, daß es langgestreckt und schmal ist. Die mediale Seite ist bis auf die den Sinus rectus enthal- tende, hinter-dem Balkensplenium aufsteigende Rinne ganz flach; cau- dal von ihr verlöten die beiden Hemisphären sehr häufig an einer klei- nen Stelle. Die Kleinhirnfläche ist gleichfalls ziemlich eben und ent- hält nur dem vorderen Vierhügel gegenüber eine seichte Impression, die Vierhügeldelle. Die größte Hemisphärenwölbung findet sich in der Um- gebung der Kantennähe der Fissura suprasylvia und über dem Lobus pyriformis. Hingegen ist die laterale Region des Stirnhirns und die- jenige, welche sich medial von der Fissura ectolateralis ausdehnt, ziemlich flach zu nennen. Demgemäß ist der Querschnitt des Stirn- hirns im Vergleich zu dem der caudalen Hälfte hoch und schmal. An der Stelle, wo die flache Stirnhirnseite nach der Dorsalfläche umbiegt, zeigt die Hemisphäre durch den Gyrus prominens eine starke Hervorwölbung, die wie ein Buckel aus der Umgebung her- vorragt. Caudal schließt die Hemisphäre mit einer stumpfen Ecke ab. An Gehirnen alter Pferde findet man manchmal an der Ventro- lateralseite des caudalen Hemisphärenabschnittes zwischen Fissura lateralis und Fissura suprasylvia eine gegen den Lobus pyriformis ziehende seichte, rinnenförmige Impression. Was die Abgrenzung der Lappen anbelangt, so kann sie, wie dies schon früher erwähnt worden ist, nicht ganz so durchge- führt werden wie beim Hunde. Am besten umgrenzt ist der Sichel- lappen, Lobus faleiformis; er begreift, wie bei den Carnivoren, das eigentliche Rhinencephalon, den Gyrus fornicatus und den Lobus pyriformis in sich. Das übrigbleibende Rindengebiet, das Pallium, wäre zu zerlegen in ein Oceipitalhirn oder Lappen, nach dem Vor- schlage SCHELLENBERGS abgeschnitten von einer Frontalebene, die das Splenium des Balkens tangiert. Analog.könnte man einen Stirn- hirn- oder Frontallappen durch eine das Balkenknie treffende Par- allelebene abtrennen. Das zurückbleibende Zwischenstück läßt eine Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 373 weitere Teilung nur insofern zu, als man das die Insel überlagernde Opereulum mit einem Teil des Temporallappens homologisiert. Fig. 38. Dorsalansicht des Gehirns eines erwachsenen Pferdes, nach der Photographie eines im Schädel gehärteten Präparates. 3/, der nat. Gr. Eine natürliche Grenze des letzteren gegen einen übrigbleibenden Pa- rietallappen ist am Rindenmantel ebensowenig ausgedrückt, als die- jenige des Stirn- und Oceipitalbirn.. Wenn wir daher den Ausdruck Operceulum der Kürze halber eingeführt wissen wollen, so müssen wir 374 Hermann Dexler stillschweigend der Einschränkung gedenken, daß es nicht entscheid- bar ist, welcher Teil dem Opereulum fronto-orbitale, parieto-frontale et temporale hom. entspricht. Vermutlich ist es dem letzteren homolog. Endlich wäre noch die Insel zu nennen. Sie als Lobus in- sulae aufzufassen, entspricht ihrer Abstammung, da sie bei den Primaten einen wirklichen Lappen, beim Pferde aber nur eine rudi- mentäre Form darstellt. Nach Horı ist die Insel phylogenetisch der ersten Urwindung des Carnivorengehirns homolog. Konsequent wird dann die herkömmlich als erste Bogenwindung bekannte Windung zur zweiten, die Fissura Sylvii der Autoren zur Fissura ectosylvia usw. Als Andeutung einer Sylvischen Furche wäre nach ihm jene kleine Furche zu betrachten, die von der Insel vertikal von dem Riechhirnanteile dieser in die Fissura rhinalis zieht. Sie ist manchmal etwas tiefer wie die von den Gyri breves eingeschlosseneu Furchen, oft aber. auch kaum mehr nachweisbar. ÜLARKE nennt sie die Fissura transinsularis. Bei dem dermaligen Mangel verläßlicher Anhaltspunkte in ent- wicklungsgeschichtlicher und funktioneller Richtung zu einer homo- logisierenden Abgrenzung des Temporallappens und des Parietal- lappens steht ein rein topographisches Einteilungsprinzip zu Recht: Als Temporallappen wäre der Opercularteil der Hemi- sphäre dorsal bis zur Fissura suprasylvia aufzufassen. Dorsal von ihm läge dann der Parietallappen, der nasal von dem horizontalen Schenkel der Fissura transversa scharf abge- schnitten wäre. Hiermit sind wenigstens zur Oberflächenorien- tierung einige leicht auffindbare und konstante Grenzen gegeben, die so lange zu gelten hätten, als nicht morphologische wie physiolo- gische Untersuchungen über ihre Homologie weiteren Aufschluß ergeben haben werden. Die genannte nasale und laterale Grenze des Parietal- oder Dorsallappens scheint mir um so annehmens- werter, weil sie bei den Ruminantiern mit noch größerer Deutlich- keit hervortritt. Unterziehen wir die Befunde am Fötengehirn und an dem- Jenigen erwachsener Individuen einer vergleichenden Betrachtung, so ergeben sich einige allgemeine Folgerungen. Hinsichtlich der Furchen sehen wir, daß die sogenannten Hauptfurchen in einem ziemlich frühen Entwicklungsstadium der Fötalperiode angelegt sind und von da bis zum fertigen Zustande eine immer weitergehende Gliederung erfahren. Die Rindenfurehung beginnt im vierten Embryonalmonat. Es ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß irgendeine der Furchen im Laufe der Entwicklung wieder ver- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 375 schwindet. Diejenigen des Sichellappens scheinen neben der Ab- grenzung des Inselfeldes am frühesten aufzutreten. Ihnen reiht sich Fig. 39, Ventralansicht des Gehirns eines erwachsenen Pferdes. Nach der Photographie eines im Schädel gehärteten Präparates. 3/; der nat. Gr. die Fissura suprasylvia als nächst jüngere und dann die Fissura lateralis und ectolateralis an. Die Fissura Sylvii erscheint verhält- nismäßig spät; ihr folgt dann erst die Fissura eruciata, wenn es überhaupt zu einer Entwicklung einer solchen kommt. Hinsichtlich 376 Hermann Dexler dieser Furche sind wir beim Pferde nicht in der Lage, über ihre Existenz ohne weiteres zu entscheiden, wenn wir an der Cha- rakteristik der Hauptfurchen, wie: Lokalisation, Tiefe, Konstanz und frühe Anlage festhalten wollen. Wir wissen zunächst nur, daß die bisher als Kreuzfurche ange- sehene Bildung dieser nicht entspricht, sondern eine Furche für sich, die Fissura transversa, darstellt. Durch die Schule MArTIns ist die Stichhaltigkeit der alten Angaben von CHuAuvEAu bewiesen worden, daß die genannte Furche weiter nasal zu suchen ist und die Kraft der Komparationen SCHELLENBERGS, vom Ruminantiergehirn aus- gehend, hat die Richtigkeit dieser Annahmen dargetan. Allein es muß besonders betont werden, daß die Entwicklung der Fissura cruciata beim Pferde eine solche ist, daß es, um an ihrer Existenz festzuhalten, nicht nur unausgesetzter Vergleiche mit den Gebirnen der Ruminantier und Suiden, sondern zugleich aller Möglichkeiten des ZıeHenschen Variationsgesetzes bedarf. Sie ist auch nicht als vorübergehende Furche im Sinne ECKERTs anzusehen, die we- nigstens in einem Fötalstadium vorhanden ist und dann wieder ver- schwindet; denn sie erscheint später wie alle Hauptfurchen — und hat eine progrediente Entwicklung. Ihre definitive Ausbildung ist ungleichmäßig. Ausgesprochene tiefe Furchenbildung mit sigmoi- deusähnlicher Begrenzungswindung ist ziemlich häufig; sie kann aber auch vollkommen fehlen. Wir müssen daher mit dem Satze schließen: Die Fissura eruciata des Pferdes ist in ihrer Entwick- lung auf einem gewissen Tiefstande angelangt; sie ist rudimentär und nicht mehr vollkommen konstant. Die Windungen sind am Sichellappen sehr typisch und früh angelegt. An dem embryonalen, vollständig glatten Pallium kommt es anfänglich zu einer großen Randwindung und Seitenwindung, Gyrus primus und Gyrus secundus. Der caudale Teil der Randwindung zerfällt bereits zu einer Zeit in zwei Längswülste, in der ihr nasaler Teil noch vollständig glatt ist. Erst später tritt dann in den letz- teren eine Querteilung von ziemlich geringer Konstanz ein. Das Inselgebiet wird erst im späteren Fötalleben vom Cortex überdeckt und gefurcht. Die Formation eines Gyrus sigmoideus ist inkonstant, die- jenige einer »-Windung (SCHELLENBERG) sehr selten und einer späten Fötalperiode angehörend. Die Einteilung des Pallium in vier Bogenwindungen ist am Pferdegehirn ungezwungen nicht vollständig, und nur dann durch- Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 377 führbar, wenn wir eine Reihe von Annahmen machen, wie: Totale Reduzierung des oralen Abschnitts eines dritten oder vierten Win- dungsbogens, enorme Vergrößerung und Streckung des zweiten und starke Rückbildung des ersten Bogens der Urwindungen im Laufe der Entwicklung. Belege für eine solche Sukzession von Gliedern in der Kette der Entwicklung in der absteigenden Tierreihe sind bisher nicht gezeigt worden. Die Bildung von Nebenwindungen geschieht am Sichellappen am frühesten, dann scheint die feinere Gliederung der fötalen Randwindung und darauf die des fötalen Gyrus secundus aufzutreten. Zuletzt folgt die des Stirnpols. Maße. Ich habe bei den Furchen und Windungsverhältnissen deshalb keine Maßzahlen angegeben, weil dies bei der großen Va- riabilität ziemlich wenig Wert besitzt. Auch die hier folgenden Ziffern entsprechen nur schwankenden Mittelzahlen, da schon das Gewicht des Gehirns erwachsener Pferde (62 Wägungen) zwischen 560—715 g liegen kann. Länge der Hemisphäre 12 cm. Höhe der Hemisphäre in der Gegend der Spitze des Lobus pyri- formis gemessen 7,5 cm. Medialer Durchmesser der Hemisphäre über der Insel 5 em. Länge der Kleinhirnfläche 5 em. Breite der Kleinhirnfläche 4,5 em. Dicke des Gyrus dentatus 0,5 cm. Länge des Gyrus hippocampi 4,5 em. Dicke des Gyrus hippocampi 1 cm. Größte Breite des Riechhirns an der Hirnbasis 4 em. Distanz zwischen beiden Processus mamillaris gyri pyriformis 3,9 cm. Die unterhalb des Cortex liegende weiße Substanz des Groß- hirns ist beim Pferde sowohl im Stirn- wie im Oceipitalhirn in ziem- licher Menge angesammelt, so daß SCHELLENBERG ein nasales sowie ein eaudales Centrum semiovale annimmt. Beide Zentren sind durch jene mächtigen Faserungen ineinander übergehend, welche sich seitlich von dem Großhirnventrikel befinden und unter dem Begriffe sagittales Marklager zusammengefaßt werden. Die Peripherie dieses sroßen Markkerns wird durch die tiefen und zahlreichen Furchen in lange, schmale Markzungen aufgelöst. Eine Schichtung der zentralen Markmassen ist mit freiem Auge sowohl an ganz frischen Präparaten, sowie auch an Chrompräparaten deutlich ablesbar. Die 378 Hermann Dexler übliche Dreiteilung des sagittalen Marklagers in Tapetum, Sehstrah- lung und Fascieulus longitudinalis inferior und die Balkenstrahlung kann an frontalen Durchschnitten zuweilen auch durch Ausbrechen an gehärteten Gehirnen demonstriert werden. Die Lage der zentralen Ganglienmassen: Die Begrenzung Fig. 40. Horizontalschnitt durch das Großhirn eines neugeborenen Pferdes. 3/ der nat. Gr. Fpa Fissura praesylvia anterior; Zpr Fiss. praesylvia; Cs Centrum semiovale; 7m nasales, Te cau- dales Ende der Vormauer C; Ce Capsula externa; Ce Corp. callosum; Ne Nucleus caudatus; N! Nuel. lentiformis; Ci Knie der Capsula interna; rn ihr nasaler, c ihr caudaler Schenkel; 70 Thalamus op- ticus; # Ast der H-Furche von FrarAau-JAcogBson; Ec zentrales Marklager des Oceipitalhirns; Gl Gangl. genic. laterale; Qa vorderer Vierhügel; V3 Dritter Ventrikel; 0 Operculum; Co verdeckter Teil der Inselrinde; I freiliegender Abschnitt der Insel; V» Cornu anterius der Großhirnseitenkammer, durch das Foramen Monroi in Zusammenhang mit dem gegenseitigen. des Nucleus caudatus, Nucleus amygdalae, Nucleus lentiformis und der Verlauf jener Faserbahnen, die dem Stabkranze oder den Kom- missuren des Großhirns angehören, kann an frischen Präparaten nur unvollkommen studiert werden. Der Nucleus caudatus ragt mit seiner medialen Seite in den Seitenventrikel hinein; ein geringer Teil ist im Hemisphärenmark Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 379 eingelassen. Seine intraventriculäre Oberfläche ist glatt, grau, zu- weilen auch mit seichten Findrücken versehen: sein Kopf ist seitlich zusammengeschoben und ziemlich flach. Nasal trifft man dieses Ganglion in einer Querschnittsebene, die '/; em oral vom Balken- knie geführt wird, als mandelförmiges Gebilde, im Bereiche des Balkenknies ist es bereits 3 cm hoch und 0,5 cm breit und beginnt sich lateral durch dicke Faserbündel von dem Nucleus lentiformis loszutrennen, mit dem es an seinem nasalen Pole konfluiert. Seine ventrale Fläche ist von dem kaum 2 mm dicken Grau des Trigonum olfactorium durch einen dünnen Faserbelag geschieden und trägt zur Vorwölbung dieses Gebildes bei. In der Höhe der nasalen Chiasma- kante hat sich der Kopf des Nucleus caudatus bereits weit von der Gehirnbasis zurückgezogen und erscheint im Querschnitt als ein Bogenzweieck von sehr flachem Außenkontur. Dieses ruht der dieken Schicht weißer Substanz auf, die sich zwischen ihm und der weißen Substanz einschiebt und die innere Kapsel repräsentiert. In der Höhe des Corpus mamillare ist er bereits mit seinem Schweife über die Dorsalfläche des Thalamus optiecus emporgestiegen und nur mehr 1 em hoch und 0,4 cm breit. Caudal nimmt er nun rasch an Umfang ab und zieht als kaum 3 mm dicker grauer Faden in einem nach unten offenen Bogen in das Unterhorn des Seitenventrikels bis in die Nähe des Uneus. Der Nucleus lentiformis, der, wie erwähnt, oral von dem früher genannten Ganglion nicht zu trennen ist, liegt caudoventral von ihm, ist 3 cm lang, 2 cm hoch und 5 cm breit; er erreicht seine srößte Entwicklung in der Höhe des Tuber einereum und ist in der- jenigen des Corpus mamillare wieder stark reduziert. Die gegen- seitige Lage beider Ganglien überblickt man an frischen Gehirnen am besten an einem Schnitte, der horizontal etwa 1 cm über dem Trigonum olfactorium so geführt wird, daß man die Epiphyse oder den vorderen Vierhügel trifft. Man sieht dann nasomedial den Nu- eleus caudatus und caudomedial den Thalamus optieus. Zwischen beiden, von ihnen durch die 6 mm breite innere Kapsel geschieden, liegt der Nucleus lentiformis, an dem man undeutlich ein äußeres und ein inneres Glied wahrnimmt. An seiner Außenseite zieht sich eine schmale weiße Leiste, die äußere Kapsel, und lateral von dieser noch eine schmale graue Leiste dahin, die von der Rinde der Fissura Sylvii posterior durch eine dünne Markfaserung geschieden wird. Sie ist dem Claustrum hom. homolog. Ganz caudal schließt sich an den Linsenkern der Nucleus 380 Hermann Dexler amygdalae, der in der Frontalebene des Ganglion habenulae am stärksten entwickelt ist und von oral her in die Spitze des Unter- horns des Seitenventrikels etwas hineinragt. Er ist 1 cm lang, ebenso hoch, 6 mm breit und im frischen Präparate von dem Nucleus lenti- formis nicht zu trennen. Die Ammonshörner stellen zwei, S—12 mm dicke Bogen- wülste dar; der im Gyrus hippocampi sich nach innen umschlagende Hemisphärenrand wendet sich nach kaum 1 cm langem Verlauf wie- der im Gyrus dentatus zurück und formiert jenen dieken Strang, den wir als Ammonshorn beim Pferde in so kräftiger Entwicklung sehen. Die Grenze zwischen dem Gyrus hippocampi und dem eigent- Fig. 41. Seitenansicht der rechten Ammonswindung eines Pferdes. ?/s der nat. Gr. v ventrales, d dorsales Ende des Ammonshorns; Hr abgeschnittener Hemisphärenrand; Pl Plexus- streifen des Ventrikel-Unterhornes; S Schnittfläche zur Entfernung des Stirnmantels. lichen Ammonshorn oder Seepferdefuß ist an jene Stelle zu ver- legen, wo der Gyrus dentatus mit dem Gyrus hippocampi durch eine gefäßreiche Duplikatur der Pia mater verwachsen ist. Beide Cornua Ammonis umkreisen als Caudalwand der Hinterhörner der Seiten- ventrikel den Hirnstamm in einem nach vorn offenen Bogen, der seinen Anfang am Uneus und sein Ende unter dem Balkenwulst hat. Ihre dorsalen Enden berühren sich median über den Sehhügeln. Bei sorgsamer Präparation überzeugt man sich, daß nicht die ganze Ammonsformation unter dem Balken endet, sondern daß sich krapp hinter dem Splenium das caudale Ende der Balkenwindung resp. die Fortsetzung des Gyrus dentatus jeder Seite rasch zu einem dünnen, makroskopisch nicht weiter differenzierbaren Strang um- formt und als feine, graue Leiste, über der Balkenmitte liegend, als Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 381 Gyrus supracallosus oder Stria longitudinalis Laneisii nach vorn zieht, wo ihr weiterer Verlauf nur an Serienschnitten festge- setzt werden kann. Die Ammonshörner sind an der, dem Ventrikelinnern zugewen- deten Seite von einem weißen Faserbelage, dem Muldenblatte oder Fig. 42. Ventralansicht des Großhirns eines Pferdes nach Wegnahme des Hirnstammes. 2/3; der nat. Gr. Tela chorioidea samt Plexus sind entfernt. S,S Sehnittläche im Zwischenhirn; Fo Fornix ventralis; (€ Columna fornieis; #5 Crus fornieis; Bw Balkenwindung; V Verlötungsstelle der Hemisphären; Re Hohlraum zwischen beiden Hemisphären in der der Epiphysenschlauch seine Lage hat; #rh Fissura rhinalis posterior; Fl Fiss. longitudinalis lobi pyriformis; U Uncus; Ch Chiasma opticum; Sp Plexusspalte zwischen Fornixrand und Nucleus caudatus. Alveus bedeckt, dessen Elemente an der oralen Hippocampuskante sich zu einem weißen, schmalen Streifen, der Fimbria, zusammendrängen. Diese wird nach dorsonasal allmählich breiter, fließt mit der gegen- seitigen unmittelbar vor der Balkenwindung zu einem dreieckigen Faser- blatte, dem Körper des Fornix ventralis, zusammen. Beide Fimbrien werden auch als caudale Schenkel des Fornix, Crura fornie. be- zeichnet. Von dorsal, nach Eröffnung der Seitenventrikel überblickt, 382 Hermann Dexler stellt sich der Fornix ventralis als weißes, 4 mm dickes, sich pfeil- förmig zuspitzendes Blatt dar, das, von der Konvexität der dorsalen Hippocampusenden herabsteigend, sich über den vorderen Abschnitt der Thalamusoberfläche hinüberwölbt und von ihr nur durch die Tela chorioidea getrennt ist. Mit seinen Seitenkanten in den tiefen Furchen aufruhend, die zwischen Thalamus und Nucleus caudatus jederseits hinziehen, Thalamus-Striatum- furche, verschmälert er sich nasal sehr rasch und wendet sich in seinem Verlaufe nach der Hirnbasis immer mehr vom Balken ab. Ganz nasal hat er nur mehr die Breite ven 4 mm, schließt mit dem Thalamus den Kreuz- weg von dem dritten Ventrikel zu dem Sei- tenventrikel, das Fo- ramen interventri- culare Monroi, ein und teilt sich in zwei drehrunde Bündel, die Columnae fornieis, 3oden der Seitenventrikel eines Pferdes nach Ab- die das Mielsiiek kappung der Hemisphären. ?/3 der nat. Gr. eines weißen Querfa- Ne Nucleus caudatus; Sp Septum pellucidum; Pl Plexus lateralis serzuges, der Commis- mit kleinem Cholesteatom ; d dorsales Ende der Ammonswindung; 5 - v deren ventrales Ende; E quergetroffener Epiphysenschlauch. sura nasalis passıeren und sich dann in die basale Region des Gehirns einsenken. Im allgemeinen ist der Fornix ventralis des Pferdes gegenüber den sonstigen in die Seitenventrikel ragenden Organen so unbedeutend, daß, wenn man diesen Raum ab- deckt und das Gehirn nicht auseinanderzieht, man eigentlich nur den Nucleus caudatus und die Ammonshörner erblickt. Zwischen beiden liegt der umfangreiche Plexus lateralis, der erst wegge- schoben oder abgetrennt werden muß, um den an seiner Basis kaum Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 383 1,5 cm breiten Fornixkörper zu sehen, dessen Ränder gewöhnlich ventral umgeschlagen in der Thalamusstriatumfurche liegen. Zwischen der Mitte der ventralen Balkenfläche und der dorsalen Fornixfläche ist das beim Pferde ventrikel- lose Septum pellu- eidum aufgespannt. Der Balken ist verhältnismäßig wenig entwickelt; er ist etwa 6cm lang und 5 mm diek; sein Splenium ist nur ganz wenig stärker als sein Körper. Das dünne nach oral um- geschlagene Ende des Spleniums schärft sich rasch zu und legt sich als queres,weißesBand zwischen die dorsalen Enden der Ammons- hörner. Soviel man anAbfaserungsprä- paraten und Schnitt- scheibensehenkann, begibt sich der oralste Abschnitt der Um- schlagsportion ganz an der Oralspitze der Am- monshörner in dasMark der Balkenwindung; weiter caudal über- brücken seine Fasern diese und strahlen in das Mark des Gyrus hippocampi ein. Zwischen- und Mittelhirn eines jungen Pferdes, von dorsal und caudal gesehen. ?/; der nat. Gr. Cf Crus fornieis; Gl Gangl. genicul. laterale; @m Gang]. geni- culat. mediale; Br hinterer Vierhügelarm; 7% Tractus peduneu- laris transvers.; IV Nerv. trochlearis; S4 Terminalfurche zwi- schen Thalamus und Nucleus caudatus; 7 Tuberculum laterale thalami; Nc Nucl. caudatus; 7a Tubercul. anterius thalami, Ce Corpus callosum; Sm Längsspalte des Großhirns; S Fornix longus. Selbst die schon vom Splenium unmittelbar kom- menden Bündel nehmen diesen Weg und bilden so einen Bogen, der mit seiner Öffnung nach hinten, mit seinem, im Splenium liegenden Pol nach vorn sieht. Die Fasern des oralsten Abschnitts sind kurz und rein quergerichtet; die caudaleren werden immer länger und Morpholog. Jahrbuch. 32. 25 384 Hermann Dexler dabei nach hinten und ventral ausgebogen. Sie stellen also in ihrer Gesamtheit eine Faserplatte dar, die in querer Richtung von caudal und ventral die Dorsalenden der Ammonshörner umgeht, sich mit einer Zunge zwischen sie hineinlegt und die mediale und ventrale Wand der Seitenventrikel bilden hilft. Jene Portion, die zwischen den Enden der Ammonshörner ihre Lage hat, entspricht dem Psal- terium, der Commissura Ammonis; seine Elemente gehen ohne äußerlich sichtbare Trennung nach dem Splenium zu in die ven- trale Faserung des Forceps caudalis über. Das ganze caudale Umschlagsstück des Balkens ist also von dessen Körper um die Höhe der unter dem Balken eindringenden Ammons- hörner abgedrängt, wodurch wesentlich andre Verhältnisse geschaffen werden als beim Menschen. Der Fornixkörper wie das Psalterium liegen nämlich nicht wie dort unmittelbar an den Balken an, son- dern bleiben von ihm 2—3 mm weit entfernt. Der so entstehende Raum ist medial durch eine 3 mm dicke, weiße Scheidewand geteilt, die sich nasal ohne schärfere Trennung in das Septum pellueidum einpflanzt; es ist der Fornix longus seu dorsalis, der sich im Bereiche der Ammonshornenden mit dem Körper des Fornix ventralis verbindet. Ihm ruht die caudalste Portion des Septum pellu- cidum auf. Jede Hemisphäre besitzt einen Hohlraum, die Seitenkammer, die mit der Zwischenhirnkammer und derjenigen der andern Hemi- sphäre durch das Foramen beziehungsweise den Canalis Monroi einerseits und durch einen engen, langen Kanal mit der Höhle des Bulbus olfactorius anderseits in Verbindung steht. Jede Kammer stellt einen großen, capillaren Lymphspalt dar, der bogig gekrümmt der Konvexität des Nucleus caudatus und des Ammonshorns anliegt. Nur in dem unter dem Balkenkörper liegenden Mittelstück der Pars centralis oder Cella media ventrieuli lateralis weichen die Wände mehr voneinander, so daß der ihr 2 cm breite Raum lateral 3 mm hoch wird. Oral schließt sich ihm ohne Abgrenzung das Cornu anterius seu nasale, caudal das Cornu inferius seu caudale an, die über der inneren Riechwurzel bzw. im Processus mamillaris lobi pyriformis ihre ventralste Position erreichen. Ein Cornu po- sterius fehlt. Das Cornu nasale ist schief von medioventral nach dorsolateral gestellt; die Pars centralis ist vorwiegend horizontal gerichtet und außen etwas höher als innen, und das Cornu inferius bildet einen engen Gang von halbmondförmigem Querschnitt; sein ventralstes Ende ist zu einer quergestellten, 6 mm breiten, 2 mm Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 385 tiefen Kammer erweitert, in die von oral her die Oberfläche des Nucleus amygdalae hineinragt. Die gegenüberliegende Wand be- sitzt zuweilen einige kleine, unregelmäßige Längseindrücke. Durch Anlötung der Kuppe des Hippocampus an die hintere Wand des Cornu caudale, die ich in etwa 30 % aller Gehirne finde, erfolgt eine Teilung des Raumes seiner ganzen Länge nach in zwei enge Kanäle, die im Lobus pyriformis aber wieder zusammenfließen. Vom Foramen interventriculare angefangen, ist der Seitenven- trikel durch einen schmalen Streifen einer sehr zarten Deckhaut geschlossen, die ihren Ansatz medial am Rande des Fornix ventralis und weiter caudal an der Fimbria findet. Es verschmächtigt sich nämlich die Fornixkante plötzlich zu einem einschichtigen, der Tela chorioidea angelegten Epithelblatt, das sich an der ihr gegenüber- liegenden Stria terminalis ansetzt; daher sieht nur die nasolaterale Fimbriafläche in den Ventrikelraum. Der so geschaffene membra- nöse Abschluß liegt dem Tractus optieus gegenüber und verläuft diesem entlang bis in die Höhe des Corpus genieulatum externum. Er erreicht sein ventrales Ende beiläufig 1 cm dorsal von der Spitze des Uncus. Oral verschmälert er sich sehr bald, weil die Fimbria ganz nahe an die Stria terminalis herantritt, und zieht in dieser verjüngten Breite von kaum 4 mm bis zum Foramen interventrieu- lare. Während im Bereich des Unterhorns jener Teil der Tela chorioidea, der die hier in Rede stehende Lamina epithelialis stützt, im mittleren Drittel des Ammonsbogens zart und wenig längsgefaltet ist, schwillt sie beim Eintritte in die zentrale Kammerregion zu einem weichen, graurötlichen bis graugelblichen Körper von dru- siger, sammetartiger Oberfläche, dem Plexus cehorioideus late- ralis an, der seine größte Dicke von 3—4 mm gerade über dem Zwischenkammerloch mit einer keulenförmigen Auftreibung erreicht, in die sehr häufig perlmutterglänzende oder gelbe harte Einlage- rungen von Sand- oder Hanfkorngröße eingelagert sind. Die Keule ist seitlich etwas abgeflacht, ragt noch eine kurze Strecke in das Cornu nasale hinein und fällt dann steil gegen das Foramen inter- ventrieulare ab, wo ihr Stiel in einem kleinen horizontalen Bogen nach medial zieht, um sich mit der Spitze der Tela chorioidea media zu vereinen. Wie schon früher angeführt, füllt der Plexus lateralis die Thalamus-Striatumfurche vollkommen aus und verdeckt den Fornix. Einen zweiten Plexus finden wir im ventralsten Drittel des Cornu caudale, wo die Tela zu einem mit Chorioidalzotten besetzten Streifen von 2 cm Länge und 3 mm Dicke anschwillt, der ventral 25* 386 Hermann Dexler mit mehreren Ästehen der Arteria chorioidea anterior zusammen- hängt. Die Plexus lateralis zerfallen daher beim Pferde in eine dorsale und ventrale Portion. Auch das zwischen ihnen be- findliche Mittelstück der Chorioidea enthält wenige, mikroskopisch kleine Gefäßschlingen, die jedoch nicht zu einem eigentlichen Plexus zusammentreten. Zur Begrenzung der Seitenkammern dienen im Bereiche des Cornu anterius die Oberfläche des Nucleus caudatus, das Septum pelluei- dum und der Balken nebst einem Teil des Fornix ventralis; in der Metallausguß der zentralen Hirnhöhlen eines 14jährigen Pferdes, bis zur Median- ebene aus dem gehärteten Organe ausgegraben. Nat. Gr. Bo Ausguß des Ventrieulus bulb. olf.; 7 Isthmus zum Cornu anterius des Ausgusses des linken Seitenventrikels mit dem Mittelstück Cm und dem Ventralhorn C%; M Verbindungsarm zum dritten Ven- trikel, Canalis Monroi; Ep Ausguß des Recessus suprapinealis, Ro Ausguß des Recessus opticus und des - Recessus hypophyseos Rh; $ Ausguß des Ventriculus mesencephali; #1 Negativ des Suleus limitans fossae rhomboidalis, Rm des Recessus medianus, und Ca der Schreibfederspitze des vierten Ven- trikels; Rl Verbindungsarın aus diesem in die seitlichen Lymphzisternen. Pars centralis tritt an Stelle des immer dünner werdenden Schweifes des Nucleus caudatus das an Breite zunehmende Tapetum, welches nun die Lateralwand bis ans Ende des Unterhorns bildet; wogegen dessen Boden von dem Alveus des Ammonshorns, die mediale ventrale Wand hingegen von jenem Teil der caudalen Balkenstrah- lung gebildet wird, die durch das Splenium und dessen ventrale Verlängerung zieht. Lateral findet sich dann der früher beschriebene häutige Abschluß. Besichtigt man den Metallausguß der Seitenventrikel, so treten uns diese wie zwei dem Ausgußringe der Zwischenhirnkammer mit Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 387 je einem Arme aufsitzende muschelartige Flügel entgegen, deren Konkavität nach der ventralen Seite des Gehirns gerichtet ist; oral hängt jeder von ihnen mit- tels eines dünnen Stiels mit zwei flachen, keulenförmigen Körpern zusammen. Dort, wo sich dieser Stiel in den Flügel einpflanzt, gehen drei Kanten ab: eine kurze, ganz scharfe, ventral zum Ver- bindungsarm mit dem Zwi- schenhirnausguß; eine an- dre dorsolateral ziehende, die den Seitenkontur, und eine dritte stumpfe, dorso- medial verlaufende, die den Innenkontur des Gußkerns darstellt. Beide letztge- nannten Kanten ziehen an seinen Seitenrändern ent- lang bis zum Ende der cau- dalen Umbiegung und tren- nen die konvexe Dorsalseite von der konkaven Ventral- seite des Flügelausgusses. Erstere ist in ihrer vorderen Hälfte ganz schwach quer gerieft, sonst ganz glatt; letztere setzt sich aus einer vorderen seichteren und einer hinteren tieferen Exkavation zusammen, die durch eine unregelmäßig umsäumte, von medionasal nach caudolate- ral ziehende tiefe Furche voneinander getrennt sind. Die Deutung der be- schriebenen Flächen und Linien ergibt sich unge- zwungen von selbst. Die Fig. 46. Konturzeichnung eines Metallausgusses der zentralen Höhlen des Gehirns eines Pferdes. Ansicht von oben; etwas verkleinert. Die Seitenven- trikelkörper sind absichtlich etwas auseinandergebogen, um zur Aufsicht des dritten Ventrikels gelangen zu können; de norma nähern sie sich auf etwa 3 mm — die Dicke des Septum pellucidum. Vi Cella media; Vs vierter Ventrikel; seine Moulage zeigt eine mediane Furche und eine schwache Querriefung als Ausdruck der Läppchen des Unterwurmes; Cu die höchste Erhebung der vierten Hirnkammer am Markkerne des Kleinhirns; Cl Cornu ven- trale des Seitenventrikels; die übrigen Bezeichnungen wie bei Fig. 45. 3883 Hermann Dexler orale Keule entspricht dem Ausguß des Riechkolbenventrikels mit dem Verbindungskanal nach der Seitenkammer. Die Dorsalfläche der Flügelkonvexität ist ihre, dem Balken anliegende, seine Querfaserung leicht andeutende Dorsalwand. Die orale Abteilung der Konkavität rührt vom Kopfe des Nucleus caudatus, der caudale vom Ammons- horn her, und die Diagonalfurche vom Plexus chorioideus lateralis. Maße: Dorsoventraler Durchmesser des Ammonsbogens 5 em)! Breite des Ammonshorns 1,2 cm. Länge des Fornix ventralis von seiner Basis bis zur Fissura anterior 2,2 cm. Breite des Fornix ventralis an seiner Basis 1,5 cm. Breite des Fornix ventralis über der Commissura anterior 0,5 em. Länge des im Seitenventrikel sichtbaren Kopfes des Nucleus caudatus 4 cm. Größte Dicke des Kopfes des Nucleus caudatus 1,2 cm. Größte Breite des Seitenventrikels über dem Ammonshorn 1,7 em. Größte Breite des Seitenventrikels über dem Nucleus caudatus 1,5 em. Größte Länge des Seitenventrikels unter dem Balken 5,5 cm. Dicke der Fimbria 0,2—0,4 cm. Dicke des Fornix longus 0,3 em. Dicke des Fornix ventralis 0,3 cm. Dicke des Septum pellueidum 0,1—0,3 em. Länge des Septum pellueidum 4 em. Größte Höhe des Septum pellueidum 1,2 cm. Größenverhältnisse von zwei Metallausgüssen: Cavum bulbi olfactorii: Länge 3,0 cm, Breite 1,2 em, Dicke 0,5 cm. Durchmesser des Verbindungskanals mit dem Seitenventrikel 0,1 cm. Länge des Verbindungskanals mit dem Seitenventrikel 2,5 em. Seitenventrikel: Länge zwischen oralem und caudalem Pole 5,7 em. Breite über dem Nucleus caudatus 1,7 em. Breite über dem Ammonshorn 1,7 cm. Breite der Konvexität des Ammonshorns 1,3 cm. Breite der Furche des Plexus lateralis dorsalis 0,6 cm. Länge der Furche des Plexus lateralis dorsalis 0,3 em. Breite des Verbindungsarmes zur Zwischenhirnkammer 0,5 em. Dicke des Verbindungsarmes zur Zwischenhirnkammer 0,15 em. Länge des Verbindungsarmes zur Zwischenhirnkammer 0,5 cm. (Fortsetzung folgt.) Zur Kenntnis des feineren Baues des Zentralnervensystems der Ungulaten. 389 Literaturverzeichnis. ArroımgG, Die motorischen Rindenfelder des Pferdes. Association frangaise pour l’avancement des sciences. Paris 1878. BoLk, Das Cerebellum der Säugetiere. 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Es waren insbesondere Fragen der Oogenese, die mich beschäftigten, und da mein Material eine ziem- lieh vollständige Reihe aller der Stadien enthielt, welche das Ova- rialei in der sog. Wachstumszone seiner Entwicklung (es wird wäh- rend derselben gemeinhin als Ooeyte erster Ordnung bezeichnet) durchläuft, ermöglichte es mir einigen noch ungeklärten Fragen in der Tunicatenoogenese näher zu treten. Die meisten Autoren unterscheiden in der Entwicklung der Ge- schlechtszellen die drei Perioden der Keim-, Wachstums- und Reife- zone, ein Sprachgebrauch, der sich fast allgemein eingebürgert hat. Neuerdings ist LusoscH (1902) gegen ihn aufgetreten und hat be- tont, daß er das Wesentliche nicht treffe und darum aufzugeben sei. Er selbst führt statt dessen die Perioden der Vermehrung, der Rei- fung und die Endperiode der Reifung ein. Man muß zugeben, dab er bis zu einem gewissen Grade mit seiner Argumentation recht hat. Je mehr sich von Jahr zu Jahr die Beobachtungen an Ovarialeiern Morpholog, Jahrbuch. 32. 26 392 H. Bluntschli mehren, um so klarer wird immer mehr die Tatsache, daß jene Reifezone der Autoren, welehe in so prägnanter Weise durch zwei Teilungsvorgänge und die daraus resultierende Bildung der Polzellen charakterisiert ist, nur das Endresultat langdauernder und tiefgrei- fender Veränderungen, welche insbesondere das Keimbläschen, in bescheidenerem Maße auch das Ooplasma betreffen, darstellt. So charakterisiert sich diese Periode tatsächlich als ein Endstadium, und es wäre wohl am besten, diese beiden Abschnitte zu vereinen und nur in zwei Unterabschnitte zu zerlegen. Da wir nun aber einmal in den Begriff der Reifung nicht alle die Prozesse einbeziehen, welche das Endresultat erst ermöglichen, so halte ich auch LuBoscHs Vorschläge nicht für besonders glücklich. Ob wir überhaupt die alt eingebürgerten Bezeichnungen so leicht aus der Welt schaffen können ? Jedenfalls müssen wir in Zukunft stets festhalten, daß die sogenannte Wachstumsperiode mehr als bisher das Interesse der Forschung ver- dient, wenn das Problem der Oogenese, mit dem ja so manche Frage allgemeinster Bedeutung zusammenhängt, der Lösung näher gebracht werden soll. Lange Zeit war diese Periode nur allzusehr vernachlässigt, und erst in neuerer Zeit haben die Bemühungen, welche Born (94), CARrNOY und LEBRUN (97) und Fıck (99) dem Keim- bläschen dieser Ooeyten erster Ordnung schenkten, etwelchen An- klang gefunden und zu weiteren Studien angeregt. Mit der Erfor- schung der Prozesse, die sich zu gleicher Zeit im Ooplasma ab- spielen, steht es kaum besser. Bis zu einem gewissen Grad liegt dies ja zweifellos an den Schwierigkeiten, welche die Technik bietet, zum andern wohl auch daran, daß die Untersuchung der Poloeyten- bildung, insbesondere in Zusammenhang mit dem Problem der Ver- erbung, im Vordergrund des Interesses stand. Wenn ich also auch im folgenden, im äußerlichen Anschluß an die ältere Einteilung, zwischen die Keimzone und die Periode der Polzellenbildung die langdauernde Wachstumszone einschiebe, so möchte ich dies doch voll und ganz in dem Sinne tun, daß ich wie LusoschH in ihr nicht eine Periode relativ geringer Zelltätigkeit sehe, sondern dieselbe als die wichtigste in der ganzen Entwicklungsge- schichte des Ovarialeies betrachte. Einen kleinen und anspruchs- losen Beitrag zur Kenntnis aller der Prozesse, die sich in ihr ab- spielen, stellt auch die vorliegende Studie dar, welche, wie ich mir wohl bewußt bin, in mancher Beziehung große Lücken aufweist und um Nachsicht bitten muß. Immerhin vermag sie vielleicht einiges Neues über die Entwicklung der Oocyte selber, das Verhalten Beobachtungen am Ovarialei der Monasecidie Cynthia mierocosmus. 393 des Ooplasmas und die Vorgänge der Dotterbildung zu bringen und vielleicht für weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet Inter- esse zu wecken. Die Wandlungen in der Struktur des Keimbläs- chens während dieser Wachstumsperiode glaubte ich bei dem großen Interesse, das gerade neuerdings dieser Frage zugewandt wird, eben- falls in Kürze beschreiben zu sollen. Schließlich habe ich der alten Streitfrage über die Genese der Eihüllen bei den Tunicaten mein Augenmerk zugerichtet (ein Abschnitt, den ich aus äußeren Gründen an die Spitze der Untersuchungen stellen werde). Diese Frage ist eine sehr alte, sie dreht sich im wesentlichen darum, ob alle oder ein Teil der Eihüllen ovulären Ursprungs sind, oder wie andre, meist neuere Forschungen es annehmen, durchwegs follikuläre Genese besitzen. Noch im letzten Jahrzehnt sind mehrfach wieder die alten, scheinbar überwundenen Anschauungen von der ovulären Genese eines Teils der Eihüllen aufs Neue vertreten worden. So wird auf diesem Gebiet jede eingehende Einzeluntersuchung, auch wenn sie nicht viel Neues bietet, beitragen können, die Frage der endgültigen Lösung näher zu bringen. Technische und orientierende Vorbemerkungen. a. Die Technik der Untersuchung. Das meinen Untersuchungen zugrunde liegende Material stammt von der in der Adria so häufigen Monaseidienspecies Oynthia micro- cosmus Sav. (wohl identisch mit Microcosmus vulgaris Hell.) und wurde teils mit schwacher FrLemmingscher Lösung, teils mit einem Pikrinsublimatessigsäuregemisch (50 eem konz. wässr. Sublimatlösung, 50 cem konz. wässr. Pikrinsäurelösung, 2 cem Essigsäure) konserviert. Beide Methoden ergaben befriedigende Resultate, wie solche an ihrem Aseidienmaterial ja auch FLODErUS (96) für die FLemmingsche Lösung und derselbe mit von DAvIiporr (89) und MorGAN (91) für ein Pi- krinsublimat- resp. Sublimatessigsäuregemisch konstatieren konnten. Der große Dottergehalt der Eier bot mir weder beim Einbetten noch beim Schneiden der Paraffinobjekte, fast wider Erwarten, irgend- welche Schwierigkeiten, und so war ich imstande, meine Unter- suchungen fast durchgängig an 5 « dicken Serienschnitten anzustellen sowie für gewisse Spezialstudien auch 2 und 3 « dicke Schnitte her- anzuziehen, bei welch letzteren allerdings manchmal ein Teil der Dotterkugeln ausfiel, ohne jedoch die Bilder, wie ich sie insbeson- dere für das Studium der Dottergenese brauchte, wesentlich zu stören. 26* 394 H. Bluntschli Zur Färbung diente, je nach der beabsichtigten Wirkung, DELA- FIELDS Hämatoxylin mit Eosinnachfärbung, HEıDEnHAIns Eisenhäma- toxylin mit Nachbehandlung in einem Orange-Fuchsingemisch, BIONDIs Dreifarbenmethode, Carmin-Bleu-de Lyon, sowie insbesondere Sa- franin mit Kontrastplasmatinktion durch Lichtgrün!. Gerade diese letzte Methode, welche BENDA zuerst angab und die in mehreren neuen Arbeiten über die Oogenese, wie z. B. von GIARDINA (01), mit viel Erfolg angewandt wurde, hat mir außerordentlich klare Bilder gewährt, denen ich Aufschlüsse verdanke, welche die andern Me- thoden nicht zu geben vermochten. b. Über die Entwicklung und Topographie des Ovariums. Alle Tunicaten sind Zwittertiere, besitzen aber im erwachsenen Zustand meist wohl differenzierte Geschlechtsdrüsen, deren Produkte in der Mehrzahl der Fälle nicht gleichzeitig zur Reifung gelangen. Von allen Tunicaten haben die Monascidien die kompliziertest gebauten Keimdrüsen, welche, im Mesoderm eingelagert, eine mehr oder we- niger starke Verästelung zeigen, die nur durch die Ontogenese ver- ständlich wird. So möchte ich, bevor ich an der Hand eines Photo- grammes, das ich nach einem Präparat von Cynthia microcosmus Sav. herstellte, die Verhältnisse, wie sie sich bei schwachen Vergröße- rungen ergeben, beschreibe, in kurzen Zügen den Entwicklungsgang dieses Organs darstellen, der uns durch die ausgezeichnete Unter- suchung von vAN BENEDEN und JULIN (87) bekannt geworden ist. Diese Autoren haben von Monascidien die Species Phallusia scabrordes genauer erforscht, aber ebenso eingehend auch verschie- dene soziale Ascidien untersucht und bei diesen entsprechende, je- doch relativ einfachere Verhältnisse gefunden. Bei allen Formen ist die früheste Anlage der Generationsorgane in einer Ansammlung von mesodermalen Zellen in der Schleife der primitiven Darmschlinge erkennbar, welche, wie die genannten Autoren ausdrücklich betonen, sich noch längere Zeit hindurch geweblich von andern Mesoderm- zellen nicht unterscheiden und durch amöbenartige Fortsätze noch mit solchen zusammenhängen. Diese Zellanhäufung läßt alsbald in sich eine zentrale Höhlung entstehen und treibt gegen das Darmende hin einen massiven Zellstrang, welcher sich mit der Wandung der Kloake verbindet. Alle weiteren Verhältnisse lassen sich aus diesem Stadium einer einheitlichen Anlage der Generationsorgane unschwer 1 Licehtgrün F.S von Dr. G. Grübler & Co. in Leipzig bezogen. Beobachtungen am ÖOvarialei der Monascidie Cynthia mierocosmus. 5 5 y ableiten; die Blase repräsentiert in ihrer Wandung die primitivste Form der Keimdrüsen (Ovotestis), der Zellstrang (Genitalstrang) die Wachstumsbahn für die erst später sich differenzierenden Ausführ- wege. Alsbald sproßt bei Phallusia aus der Wandung der primiti- ven Geschlechtsblase eine zweite kleinere, welche unter Umständen sich auch zuerst als massive Knospe anlegen kann, und zu gleicher Zeit nehmen die Zeilen der Wandung epithelialen Charakter an. In der größeren Blase haben wir die Ovarialblase (vesieule sexuelle femelle), in der kleineren die männliche Geschlechtsblase vor uns; die erste Trennung der einheitlichen Anlage ist erfolgt, und nun- mehr differenziert sich jede Blase unabhängig von der andern. Die größere weibliche Geschlechtsblase nimmt unregel- mäßigere Gestalt an, zeigt da Einbuchtungen, dort Vorwölbungen ihrer Wandung, und Hand in Hand da- mit eine gewebliche Differenzierung in der Weise, daß an den Ausbuchtungen, welche sich bald zu primären und sekun- dären Lappen ausgestalten, das Epithel höhere und größere Zellen aufweist, d.h. zum Keimepithel sich umgestaltet, wäh- rend die Zwischenpartien, welche die Lappen miteinander verbinden, einfaches Plattenepithel besitzen. Zu gleicher Zeit buchtet sich der Teil der Ovarialblase, wo der Genital- „,, Stadium ans der a strang dieselbe berührt, trichterförmig aus, der Geschlechtsorgane von Phallusia und mit zunehmender Verkürzung des letz- Fa ne teren wird aus diesem Trichter (Text- QOGb weibl. Geschlechtsblase (Ova- figur 1 Tr) ein längerer Schlauch, der N N ee schließlich Beziehung zur Kloakenwand strang. bekommt. Größere Umwandlungen macht die männliche Geschlechts- blase durch, welche, wie wir sahen, kleiner als die weibliche und nach innen von dieser gelagert war. Sehr bald verdickt sich ihre Wandung, zeigt anfangs, wenn auch nur andeutungsweise, eine Aus- buchtung in zwei Blasen, und nun sprossen diechotomisch hohle Fort- sätze, welche sich mehr und mehr auswachsen, bis sie ein reich verzweigtes Astwerk darstellen. Während auf dem Stadium der un- geteilten männlichen Genitalblase deren Lumen offen mit der Ova- rialblase dort, wo der Genitalstrang sich ansetzt, in Verbindung 396 H. Bluntsehli stand (Textfig. 1), hörte inzwischen diese Kommunikation mit der weiblichen Genitalblase auf. Denn zugleich mit dem Auftreten des obenerwähnten Trichters und dem Auswachsen desselben zu einem Schlauch deh»t auch dieser Verbindungskanal sich gegen die Kloake zu aus. Anfangs noch in den Eileiter (denn diesen repräsentiert der von der Ovarialblase aus entstandene Schlauch) einmündend, erlangt er selbständige Kommunikation mit der Kloake, nachdem auch der Eileiter sich in diese ge- öffnet hat. Auch bei der männlichen Sexualblase, resp. dem aus ihr hervor- gegangenen Astwerk, hat eine gewebliche Differen- zierung eingesetzt, die En- o. den der zahlreichen, dicho- tomisch verästelten Fort- sätze zeigen eine Auftreibung und ein typisch ausgebilde- tes Keimepithel (Hodenläpp- chen), die zahlreichen Kanäle (Hodenkanälchen) ein ein- schichtiges Plattenepithel, und am Vas deferens hat sich eine Wandung kubischer Zel- len ausgebildet (Textfig. 2). Die Generationsorgane, die wir so aus einer ein- Älteres Stadium als Textfig. 1, ebenfalls nach van Bese- heitlichen Anlage entstehen 0b Ovarialblase, we A ne al (El); KE sahen, haben währenddem Keimepithel; 41 Hodenläppchen; Hk Hodenkanälchen; Auch topographisch ihre La- ee De 9 el dm Imeren Un“ gerung geändert, Anfangs in der Schleife der Darm- schlinge, die ihrerseits ins Mesoderm der Körperwandung eingebettet sich fand, gelagert, haben sie sehr bald keinen Raum mehr in der- selben, die Sprossen der Hodenschläuche und die Ovarialläppehen umwachsen den Darm und breiten sich immer weiter im Bindege- webe, dem Eetoplerom Burnes (03) aus. Während anfangs das weib- liche Organ sich stets nach außen von dem männlichen befand, durch- flechten sich deren Partien mehr und mehr, bis schließlich ein »Zu- stand der Verwirrung«, wie VAN BENEDEN und JULIN sagen, resultiert. Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia microcosmus. 397 Dieser Zustand kommt dem ausgewachsenen Tier, von dessen Verhältnissen nebenstehendes Photogramm einige Aufklärung zu geben vermag, zu. Das, was das Bild darstellt, ist ein Teil der inneren Körperwandung, nach rechts überdeckt von dem teilweise lamellös geschiehteten Gallertmantel, nach innen begrenzt von dem nur auf eine kurze Strecke sichtbaren Cölomepithel (CZ). Zwischen diesen Fig. 3. GH El, KM. Schnitt durch einen kleinen Teil der Körperwand von Cynthia microcosmus. Photogramm bei 20 facher Vergrößerung. H Hodenschläuche; J.O junge, Ä.O ältere Ooeyten zu Einestern vereinigt; #1 Eileiter; X.M Körper- muskelschlauch; M Körpermesoderm (Eetoplerom); CE Cölomepithel; @.W Gallertmantel. beiden Grenzmarken dehnt sich ein eigenartig differenziertes Binde- gewebe mit zahlreichen fibrillären Fasern, großen Flüssigkeitsvacuolen und ziemlich spärlichen, durch stark vacuolisiertes Protoplasma cha- rakterisierten Zellelementen. Es ist das Grundgewebe des inneren Mantels der Tunicaten und in ihm liegen die Gonaden, Nieren, Blutsinus, ein Teil des Darmkanals, sowie die zahlreichen teils mehr zirkulären, teils longitudinalen Züge des Muskelschlauches 398 H. Bluntsehli eingebettet. Als dunkle, unregelmäßige Flecken nur erscheinen die angeschnittenen Hodenschläuche, während die größeren Gruppen von Ooeyten, die man sehr gut als Einester bezeichnen kann, auf dem Bilde recht gut differenziert hervortreten. Der Prozeß, in den wir das primitive Ovarialbläschen eintreten sahen, den wir bis zum Auftreten primärer und sekundärer Läppchen verfolgen konnten, muß hier noch viel weiter geschritten sein, aber, daß er in fort- laufender Linie erfolgte, in weiterer Lappenbildung und stärkerer Wanddifferenzierung bestand, das geht aus der Topographie dieser Einester ganz zweifellos hervor. Zur Genüge beweisen dies auch die Bilder, welche stärkere Vergrößerungen von diesen Eihaufen bieten und die so an van BENEDEN und JuLins Abbildungen auf Taf. XV erinnern, daß ich sie hier nicht zu wiederholen brauche. Die jungen, dunkler sich färbenden Eier finden sich stets im Zentrum des Haufens, je reifer und größer aber eine Oocyte geworden, desto mehr hat sie sich vom Lumen des Ovarialschlauches zurückgezogen und ins umgebende Bindegewebe versenkt. Stets jedoch bleibt sie mit den niederen, manchmal fast platten Zellen des Ovarialschlauches (BANCROFTS superfiecial wall of the ovary), welcher ihnen inzwischen selbst eine Hülle (primäre Follikelhülle) gegeben, in direktem Zu- sammenhang. Kein einziges Ei hat sich gänzlich von dem Ovarial- schlauch losgelöst, auch wenn der Zusammenhang nur noch in einem hohlen, epithelialen Stiel (BAncRoFTs stalk or peduncle), der seiner- seits sich ins Follikelepithel fortsetzt, bestehen sollte. Es geht also aus alledem unzweifelhaft hervor, daß wir unter dem Ausdruck Ovarium bei Cynthia nicht ein scharf begrenztes Organsystem verstehen, sondern mit vAN BENEDEN und JULIN sagen müssen: »ce que l’on apelle l’ovaire c’est ensemble des follieules ovariens en voie de developpement, l’epithelium germinatif qui les engendre et le tissu conjonetiv richement vascularise qui les r&unit. L’oviduete se comporte iei vis-a-vis de l’ovaire comme la cavit& peri- toneale A l’egard de l’ovaire d’un Vertebre«. Die unscharfe Be- grenzung erschwert insbesondere bei makroskopischen Untersuchungen ein genaues Analysieren und nur dadurch kann ich es mir erklären, daß sich in fast allen zoologischen Lehrbüchern die Angabe einer regelmäßigen Duplizität der Gonaden bei den Aseidien findet. Sie ist in dieser allgemeinen Form jedenfalls nicht richtig. Ich meiner- seits konnte mich bei Cynthia wenigstens davon nicht überzeugen und stehe so in Widerspruch zu HELLER (87), Was ich bei ma- kroskopischer Präparation sah, das waren je nach dem Reifezustand Beobachtungen am ÖOvarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 399 größere oder kleinere, halbkugelige, nicht mehr als haselnußgroße Vorwölbungen gegen den Peribranchialraum, welche in den aller- meisten Fällen gar keine Regelmäßigkeit erkennen ließen. In jeder dieser Vorwölbungen liegt eine Anzahl Eihaufen und diese alle hängen durch ein gemeinsames Kanalsystem, das schließlich in dem unpaaren Eileiter endet, zusammen. Auch SELYS-LonGcHAMmPs und Damas (00) erklären ausdrücklich, bei Molgula ampulloides keine bilaterale Symmetrie des Keimepithels und seiner Derivate konsta- tieren zu können. Damit stimmen auch die entwicklungsgeschicht- lichen Beobachtungen van BENEDENS und JuuLms überein (Text- fig. 2 Ov). Sehr wohl aber können diese Monaseidien von Formen abstammen, welche eine bilaterale Symmetrie auch der weiblichen Keimdrüsen besaßen, wie sie für die männlichen noch in der dicho- tomischen Verzweigung der Hodenschläuche ausgesprochen ist und in dieser Vermutung glaube ich, wenn ich van BENEDEN und JULIN recht verstehe, mit diesen belgischen Autoren in Übereinstimmung zu sein. 1 Nicht uninteressant ist, daß, nach den Angaben FLODERUS’, zwei nahe ver- wandte Cynthiiden, Styelopsis grossularia und Styela nustica ganz verschiedenen Bau der Ovarien zeigen, daß bei ersterer eine einseitige, hermaphroditische Ge- nitaldrüse, bei letzterer zwei kompakte Ovarialschläuche vorkommen. Der Grund für dies verschiedene Verhalten erscheint zunächst nicht ersichtlich, wenn man aber bedenkt, daß beide Formen eine gänzlich verschiedene Embryonalentwick- lung aufweisen, daß bei Siyelopsis die Eier sich in der Kloake des Muttertieres zum Larvenstadium entwickeln, bei Styela aber sofort nach der Befruchtung nach außen abgegeben werden, wenn man ferner in Berücksichtigung zieht, daß mit dem verschiedenen Entwicklungsmodus auch eine verschiedenartige Ausbildung der Follikelhülle Hand in Hand geht — so muß man den Asecidien eine nieht unbedeutende Variabilität und Anpassungsfähigkeit zubilligen. Auch für Cynthia wird von KORSCHELT und HEIDER (spez. Teil. I. Aufl.) angegeben, daß die Eierihre Embryonalentwicklung im mütterlichen Kloakalraum durchmachen sollten. Ich konnte keine Beobachtung machen, welche diese Angabe bestätigen würde. Da ich aber die Frage nicht systematisch genug prüfte, um das Faktum ent- schieden in Abrede stellen zu können, — eine Reihe von Beobachtungen und die ebenerwähnten Parallelen in der Literatur würde doch daran etwelchen Zweifel hegen lassen, — möchte ich vermutungsweise aussprechen, daß die ver- schiedenartige Ausbildung der Ovarien bei verschiedenen Cynthienarten viel- leicht durch Anpassung an eine verschiedene Embryonalentwicklung bedingt sein könnte. Während Formen wie Siyelopsis grossularia die Anpassung an eine Embryonalentwicklung im Mutterleibe an einer typischen Rückbildung des Follikelepithels erkennen lassen, hat bei Cynthia mierocosmus, wie wir sehen werden, eine solche nicht statt. Das stützt also die geäußerte Vermutung, daß bei dieser Form eine freie Embryonalentwicklung außerhalb des mütter- lichen Körpers vorkomme. 400 H. Bluntschli I. Die erste Entwicklung der Ooeyten und das Schicksal der Eihüllen. Geschichtliche Übersicht. Die Literatur über die Entwicklung der Ovarialeier und die Bildung der Eihüllen bei den Tunicaten ist eine recht beträchtliche; zugleich existieren einige gute Zusammenfassungen der Ergebnisse. In erster Linie hat FLoDErUS (96) mit viel Mühe und Liebe zur Sache alles zusammengetragen, was bisher über dieses Gebiet publi- ziert wurde. So kann ich es nicht als meine Aufgabe ansehen, hier eine Wiederholung zu geben, sondern möchte nur in großen Zügen die Hauptgesichtspunkte erwähnen und dabei die neuere Literatur mehr als die ältere, deren Resultate zum Teil doch auf unzuläng- lichen Methoden basieren, berücksichtigen. Nach dem Vorgang van BENEDENs und JuLıns unterscheiden die neueren Arbeiten am reifen Ascidien-Ovarialei folgende Hüllen. Zu innerst findet sich die mehr oder weniger einheitliche Zelllage (die aber sehr häufig nicht mehr Schichtcharakter trägt und dann in Zellgrüppehen oder isolierte Zellen aufgelöst erscheint), welche wir als Testazellenschicht! bezeichnen, es folgt das Chorion (fälschlich auch Eimembran benannt), eine strukturlose Kutikular- bildung, welche offenbar von der folgenden inneren Lage der Follikelhülle aus entstand, nach außen von dieser reiht sich die äußere Lage derselben an, und schließlich wäre als letzte Bildung wieder eine äußerste hyaline Membran, die Follikelmembran (»membrane anhyste du follieule« oder »membrane delimitante« JULIN 93a) zu erwähnen, offenbar nur eine sehr undeutliche oder wechselnde Bildung; weder BAncrorT (99) noch ich haben sie gefunden. Ungemein verschiedenartig wurde die Genese dieser verschiedenen Eihüllen gedeutet. »Es gibt jedenfalls nur wenige Fragen in der 1 Der Name Testazellen ist eigentlich veraltet und unberechtigt. Er rührt daher, daß MıuLne EDWwARDS (42) in ihnen die Bildner des Zellulosen- mantels (Teesta) der erwachsenen Ascidien sah, eine Anschauung, die später von O0. Herrwig (73) widerlegt und durch KowALEvsky (92) nochmals rektifiziert wurde. Neuerdings ist allerdings SALENSKY (92) wieder in gewissem Grade zu der älteren Auffassung zurückgekehrt, ohne jedoch viel Anklang gefunden zu haben. Nach ihm sollen die Kalymmocyten (Schleierzellen, Testazellen) in den kutikular vom Ektoderm gebildeten Zellulosemantel einwandern. CAULLERY (95) ist dieser Ansicht scharf entgegengetreten. Ich behalte den alten Namen nur deshalb bei, weil er mir zu sehr eingebürgert erscheint, um mit Aussicht auf Erfolg abgeändert zu werden. Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia microcosmus. 401 Zoologie, die Gegenstand so vieler verschiedener und einander wider- sprechender Deutungen gewesen, wie die nach der Bildungsweise der verschiedenen Follikelhüllen bei den Ascidien« (FLODERUS 96, S. 163). Die kritische, am meisten umstrittene Frage ist: Stammen alle oder ein Teil der zelligen Eihüllen vom Ei selber her oder sind sie alle Derivate jener kleinen Follikelzellen, die sich schon auf ganz frischen Stadien in der Keimschicht zwischen den Primordialeiern gelagert finden. Einen ovulären Ursprung aller Follikelhüllen nahmen nur For (77, 83, 84), RouLe (83, S4) und SABATIER (83 a und b, 84) an, alle andern Autoren widersprachen ihnen, womit ihre Auffassung wohl haltlos geworden sein dürfte. Dagegen haben sich für einen ovulären Ursprung der Testa- zellen erklärt: KupFrer (70, 72), METSCHNIKOFF (72), GIARD 72a und b), SemPper (75) PLayFraır MAcMürRIcH (82), FoL (83, 84), SABA- TIER (84), ROULE (83, 84, 85), MAURICE et SCHULGIN (84), von DA- VIDOFF (87, 89) und Pızon (93, 96), wobei RouULE und von DAavI- DOFF eine wesentliche Beteiligung des Keimbläschens bei der Testazellenbildung annehmen, während die andern Autoren eine freie Zellbildung im Ooplasma zu einer Zeit, wo sich bereits granu- lierter Dotter findet, als Ausgangspunkt ansehen. Der follikuläre Ursprung der Testazellen steht fest für: KowALEvsKY (66, 71), STEPANOFF (69), GANIN (70), Ussow (75), GIARD (81*), SEELIGER (82), VAN BENEDEN und JuLIn (87), MAURICE (88*), MorGAn (90), JULIN (93), SALENSKY (94), CAULLERY (95), FLO- DERUS (96) und Banckorr (99). Die Art und Weise der Genese scheint dabei bei verschiedenen Spezies zu variieren, indem entweder die ursprünglich einschichtige Follikelepithelschicht durch mitotische Teilung sich verdoppelt, worauf die innere Lage sich zur Testa- zellenschicht umbildet und zwischen beiden das sogenannte Chorion entsteht (JuLınscher Modus der Testazellenbildung), oder indem aus der primären Follikelepithelschicht durch Mitosen entstandene Zellen segen das Ei zu aus- und in das letztere einwandern, wo sie nahe der Peripherie bald vereinzelt, bald zu Zellhäufchen aggregiert, bald zu eiuer kontinuierlichen Schicht aneinander gereiht, angetroffen werden. Die meisten Autoren, welche diesen letzteren Modus be- obaehten konnten, lassen das Chorion erst nach der Ausbildung der Testazellen auftreten, FLODERUS hingegen gibt an, daß manchmal Anm. * Diese Autoren haben früher gegenteilige Ansichten vertreten. 402 H. Bluntschli schon vor diesem Zeitpunkt ein deutliches Chorion sich finden lasse. So ganz unverständlich, wie diese Angabe KorSCHELT und HEIDER (02, 5. 322) erscheint, kann ich sie nicht betrachten, es gibt doch Fälle genug, wo durch scheinbar völlig geschlossene, kutikulare Membranen eine Zelldurchwanderung erfolgt. Eigne Beobachtungen. Die kurze geschichtliche Übersicht ergab ein Resultat, wonach die Mehrzahl der neueren und eine nicht unbeträchtliche älterer Untersuchungen einen follikulären Ursprung aller Eihüllen als sicher betrachten. Auch bei allen andern Tierkreisen müssen wir die zelligen Eihüllen als follikuläre Bildungen ansprechen. Es ist ver- ständlich, daß bei derartiger Sachlage es wohl nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis wir mit Sicherheit eine Genese der Testa- zellen durch freie Zellbildung ausschließen können. Auch meine Untersuchungen, die sich ja leider nur über eine Spezies erstrecken und somit ein allgemeines Urteil nicht zulassen, ergeben unzweifel- haft einen follikulären Ursprung der zelligen Eihüllen. Aber auch mir ist es bei meinen Untersuchungen so wie FLODERUS (96, 8.173) gegangen, ich glaubte erst Bilder zu sehen, welche mir für den ovu- lären, uncleären Ursprung beweisend erschienen, wurde dann bei ge- naueren Untersuchungen skeptisch und schließlich durch absolut ein- deutige Bilder überzeugt, daß ich mich durch Verhältnisse hatte täuschen lassen, welche in einer Zeit, da die Testazellen längst ge- bildet sind, sich am Keimbläschen bemerkbar machen. In diesen Fehler sind aber auch eine Reihe älterer Autoren verfallen, welche den follikulären Ursprung der zelligen Eihüllen leugneten. a. Die Bildung des primären Follikelepithels. In den Einestern des Cynthienovariums lernten wir schon bei schwachen Vergrößerungen (Textfig. 3 JO) dunkel gefärbte ovale oder rundliche Ooeyten kennen. Starke Vergrößerungen beweisen, daß wir in ihnen schon beträchtlich herangewachsene Eichen vor uns haben und daß die frühesten Stadien, die sich als jüngste Ooeyten erkennen lassen, außerordentlich viel kleiner sind. Die Fi- guren 2—5 auf Taf. IX enthalten solche Jugendstadien. Fig. 1 zeigt uns zunächst ein Stück des Cilienepithels, das für den Eileiter und die Äste desselben charakteristisch ist (auch FLopErus fand solches Epithel bei Clavellina im Eileiter), und nach unten zu den Übergang in das typische Plattenepithel der indifferenten Partien der Ovarial- Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia mierocosmus. 403 höhle, das wir schon auf Jugendstadien des Ovariums (Textfig. 2) kennen lernten. An dieses Plattenepithel schließt sich kontinuierlich das Keimepithel (Fig. 2, Textfig. 2 KE) an, welches aus zweierlei Zellen sich zusammensetzt. Einmal finden sich meist ovale, seltener runde, stets aber abgerundete Zellen mit einem feinstgranulierten oder fast homogenen Plasma, das bei Hämatoxylin - Eosintinktion einen schmutzigen Mischton annimmt, und großem, rundlichen Kern, der eine deutliche, chromatische Kernmembran und einen deut- lichen Nucleolus besitzt. Es sind diese Zellen die jüngsten Eichen, wohl Ooeyten, vielleicht aber doch noch Oogonien, obgleich ich nie- mals Teilungsfiguren an ihnen fand. Die Unterscheidung dieser Ge- bilde ist aber bekanntlich nur dann möglich, wenn man Mitosen zu Gesicht bekommt. Da diese Frage für vorliegende Studie ganz nebensächliche Bedeutung hatte, schenkte ich ihr auch nur unter- geordnetes Interesse. Wichtig ist, daß sich zwischen diesen kleinsten Eichen noch kleinere längliche Zellgebilde mit recht kleinem, lang- gestrecktem, nucleolenfreiem Kern und schmalem, klarem, oft spin- delig verlängertem Plasmasaum finden. Sie stellen die jüngsten Follikelzellen dar (Fig. 2F) und sind zwischen die kleinen Eichen eingelagert oder an diese angeschmiegt (Fig. 2 F'!). Andre Partien des Keimepithels lassen die Scheidung in Follikel- und Eizellen nicht zu, hier finden sich mehr indifferente Zellen, denen es nicht anzu- sehen ist, ob aus ihnen später Eichen oder Follikelzellen werden (Fig. 2 JE). Je mehr die jungen Eichen, jetzt zweifellos Ooecyten, sich dehnen (Fig. 3—5), um so stärker wird der Gegensatz gegen- über den klein bleibenden, immer mehr in die Länge gezogenen Follikelzellen (Fig. 5 F, 6 7), welche sich unter und um die Ooeyten fortschoben und diese allmählich mehr und mehr einhüllen. Sie prominieren dabei meist gar nicht über die äußere Begrenzung der Oocyte, haben sich vielmehr nach innen in deren Plasma eingedrückt und sind oft sebr schwer zu erkennen. Das wird auch bedingt durch eine Veränderung der Plasmastruktur der Oocyten, welche zu dieser Zeit eingetreten ist, die in späteren Kapiteln näher verfolgt werden soll und im wesentlichen sich in einer starken Basophilie den Farblösungen gegenüber äußert. Dieses Verhalten erschwert die Untersuchung in hohem Maße. Denn einmal sind die jungen Follikelzellen mit ihrem so spärlichen Zellplasma fast nur erkennt- lich, wenn ihre Kerne auffindbar werden — man kann also eine Kernfärbung nicht unterlassen —, anderseits aber erreicht man da- durch auch eine starke Tinktion des Ooeytenzellleibes, — kurzum, 404 H. Bluntschli es ist leichtverständlich, daß man nicht von jedem Sehnittbild Auf- klärung erwarten kann und oft genug (Fig. 6) Bilder zu sehen be- kommt, wo nur auf der einen Seite einige Follikelzellen der Ooeyte angeschmiegt erscheinen, oder wo solche aufzufinden überhaupt nicht gelingt. In diesen Fällen muß man sich vergegenwärtigen, daß sehr leicht Follikelzellen übersehen werden können, vor allem dann, wenn sie vom Schnitt nicht quer, sondern schräg getroffen werden und daß anderseits ihre Zahl auf einem Schnitt nur sehr gering zu sein braucht. Plastisch gedacht stellen sie ja wohl zweifellos stark ab- geplattete Elemente dar, die wie eine Kugelkalotte den Ooeyten auf- sitzen und nur dann auf Schnittbildern sichtbar werden, wenn ihr zentral gelegener Kern vom Schnitt getroffen wurde. Jedenfalls kann man bei etwelcher Geduld stets unschwer Oocyten mit einer partiellen Follikelzellhülle (Fig. 7) finden, in älteren Stadien wird ihr Erkennen immer leichter (Fig. 9, 23) und es ist keine Frage, dab eine ganz allmähliche Zunahme ihrer Zahl schließlich eine kontinuier- liche Zelllage entstehen läßt. Niemals aber waren irgendwelche An- deutungen von freier Zellbildung im Ooplasma zu erkennen. Auch das Keimbläschen blieb immer von runder Gestalt und wies weder Ausbuchtungen noch Sprossungen, wie sie voN DAVvIDorFF (89) sah, auf. So resultiert bei weiterem Wachstum der Oocyten und Follikel- zellen schließlich ein Zustand, wo jede Oocyte von einer geschlos- senen Zelllage umgeben ist; die primäre Follikelepithelhülle ist gebildet. Ganz so, wie ich es eben beschreiben konnte, sahen auch vAn BENEDEN und JuLın (87), sowie MorGAN (91), in Einzel- heiten unbeträchtlich abweichend FLopkrus (96) und BANCROFT (99) die primäre Follikelhülle entstehen. Entsprechend den Angaben dieser Autoren erfolgt im Laufe der Entwicklung eine fernere Ver- mehrung der Follikelzellen und eine Größenzunahme derselben, bis schließlich aus dem sehr platten Follikelepithel jüngerer Stadien eine Lage kubischer oder wenig in die Länge gestreckter Zellen (Fig. 23 und 24) hervorgeht. Von einem Chorion ist in diesen Stadien noch nichts zu sehen. b. Die Bildung der mehrschichtigen zelligen Eihüllen. Sobald die Zellen des primären Follikelepithels durch starke Größenzunahme -— eine Erscheinung, die wir im nächsten Abschnitt weiter verfolgen werden — etwa kubische Gestalt erreicht und sich an Zahl zu einer dichten Zellreihe vermehrt haben, beginnen da und Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia mierocosmus. 405 dort nach innen und nach außen einzelne Zellen aus derselben aus- zutreten. Die ersteren Elemente sind nichts andres als Testa- oder, wie französische Autoren sie meist nennen, Granulosazellen. Solche Stadien von nach innen, ovularwärts austretenden Follikel- zellen zu sehen, ist nicht immer leieht (Fig. 24 7‘), man muß vor allem sorgfältig darauf achten, nur Medianschnitte durch die betreffen- den Ooeyten zur Betrachtung zu wählen, da durch Schräg- oder Tangentialschnitte gar zu leicht entsprechende Bilder nur vorgetäuscht werden. Mit dieser Vorsichtsmaßregel wird man sich von dem ge- schilderten, tatsächlichen Verhalten schließlich unschwer überzeugen können. Der Vorgang dieses Austritts von Zellen aus dem primären Follikelepithel spielt sich zeitlich zusammen mit einer reichlichen Vermehrung der schon vorher zu findenden peripheren Dotternieder- schläge ab. Die Testazellen bleiben nun an der Eiperipherie liegen, nur recht selten sah ich einzelne tiefer in das Ooplasma eindringen (vgl. Mor@An [91] und Bancrorr [99]), niemals aber fand ich sie in den zentraleren Partien des Eichens liegend. Daß ihre Struktur sich sehr bald nach ihrer Bildung ändert, ihre Färbbarkeit zunimmt, das werden wir in kurzem kennen lernen. Ihre Zahl erreicht bei Cynthia niemals eine beträchtliche Höhe, nie kommt es zur Bildung einer einheitlichen Testazellenlage und selten nur liegen die Gebilde nieht isoliert, sondern zu zweien oder dreien zu Grüppchen vereinigt (Fig. 28). Die Frage, ob alle Testazellen eingewanderte Follikel- zellen darstellen, oder ob sich die eingewanderten Zellgebilde mito- tisch vermehren, muß ich offen lassen. Daß ich niemals Mitosen an Testazellen beobachten konnte, spricht ohne weiteres noch nicht gegen die Möglichkeit eines derartigen Vorkommens, wenn es dasselbe auch nicht wahrscheinlich macht. Zur selben Zeit, da nach dem Ovulum zu aus der primären Follikelhülle die Testazellen auswandern, platten sich in derselben Schicht einzelne Elemente ab und werden nun nach außen ver- drängt, wo sie nach und nach eine dünne, platte Zellenhülle dar- stellen. Auch sie wird als Follikelzelllage bezeichnet, doch müssen wir sie jetzt als äußere Follikelepithelsehicht! der inneren 1 Die Bezeichnung der sekundären Follikelzellhülle, welche viele Autoren für diese Schicht gebrauchen, vermeide ich absichtlich, es liegt darin ein ge- wisser Gegensatz zur primären Follikelzelllage ausgedrückt, der tatsächlich nicht besteht. Sowohl die äußere als die innere Follikelzelllage und die Testa- zellenschicht sind ihrer Genese nach sekundärer Natur, die Bezeichnung »se- kundäre Hülle« also nur einer von ihnen zuzuschreiben, ist falsch, und man wird diesen Namen wohl am besten ganz fallen lassen. 406 H. Bluntschli Follikelzelllage gegenüberstellen, welch letztere durch die in loco gebliebenen, aber vergrößerten Zellen des früher erwähnten pri- mären Follikelepithels dargestellt wird. Als innerste zellige Follikel- hülle wäre die Testaschicht zu erwähnen, wenn nicht durch das Auftreten einer stark lichtbrechenden, doppelt konturierten, struktur- losen Membran, dem Chorion (Fig. 25, 26 CR), das sich inzwischen, als kutikulare Ausscheidung vom Follikelepithel her gebildet hat, eine scharfe Grenzlinie gegeben wäre, welche es als wünschens- wert erscheinen läßt, diese innerste Lage mit einem besonderen Namen zu belegen, den sie denn auch im Sprachgebrauche allgemein bekommen hat (Testazellenschicht). ec. Das Schicksal der zelligen Eihüllen. Von den drei zelligen Eihüllen, die wir soeben kennen lernten, bieten für uns nur die innere Follikelzellhülle und die Testazellen- schicht (sofern man bier überhaupt von einer Schicht zu sprechen berechtigt ist) auch fernerhin größeres Interesse. Die äußere Follikelhülle bleibt während der ganzen Ovarialentwicklung der Ooeyten eine platte, oft schwer erkennbare Zelllage (Fig. 25 F2), die erst dann eine Bedeutung erlangt, wenn das Ei, der Reifung nahe, aus dem Ovarialstroma in den Eileiter übertritt. Die Lösung erfolgt nämlich zwischen innerem und äußerem Follikelepithel, von denen das äußere nach dem Austritt des Eies im Stroma zurückbleibt und zur Bildung des gelben Körpers Veranlassung gibt (BANCROFT, 99), dieweil die innere in vielen Fällen sich eigenartig differenziert, als Papillär- oder Schaumzellenschicht in der Literatur bekannt geworden ist und dann in der Hauptsache wohl dazu dient, das aus dem Eileiter entleerte Ei im freien Wasser flottierend zu erhalten. Doch beobachten wir die Veränderungen, welche diese Schicht erleidet, etwas genauer. Noch bevor, die Testazellen von der primären Follikelzell- hülle aus gebildet werden, setzen an dieser hochgradige Verän- derungen ein. Ihr Zellplasma lockert sich stark auf und in ihm treten bald rundliche, bald unregelmäßig begrenzte Gebilde auf, welche sich anfangs schwächer, später intensiver als das Zellplasma selber färben. So erscheint im ersteren Fall auf Saffranin-Licht- grünobjekten ein schön grün tingiertes weitmaschiges Plasmanetz- werk mit hellgrünen, wohl in vivo mit Flüssigkeit erfüllten Lakunen zwischen den Protoplasmazügen, im letzteren umgekehrt stark licht- brechende Massen von dunkelgrüner Farbe, dieweil das Plasmanetz- Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia microcosmus. 407 werk, das eine dichtere Ansammlung nur um den Kern zeigt, als helles grünes Netz weniger hervortritt. Der Kern ist in beiden Fällen, welche ich als aufeinanderfolgende Stadien einer intensiven Zelltätigkeit auffasse, im Verhältnis zu den großen Zellen klein (sein Durchmesser beträgt höchstens ein Drittel des Zelldurchmessers, oft aber viel weniger), besitzt eine deutliche Kernmembran und ein grob- maschiges Kerngerüst. Sein Chromatin ist in Gestalt zahlreicher, kleiner, rundlicher Chromatinflocken vor allem der Kernmembran, daneben aber auch einzelnen Strängen des Kerngerüstes angelagert. Auch dieses Aussehen der Follikelzellen, wie es etwa dem Zustand auf Fig. 24 entsprechen würde, erhält sich nicht lange. Aus dem primären Follikelepithel ist inzwischen durch den Zellaustritt nach innen und außen eine mehrschichtige Hülle geworden. Von diesen zelligen Lagen muß uns, im Anschluß an die bereits geschilderten Veränderungen, zunächst das innere Follikelepithel beschäftigen. Was bei etwas älteren Oocyten sehr bald auffällt (Fig. 25 und 26) ist zunächst eine nicht unbeträchtliche Abplattung der ganzen Zelllage und ein Undeutlicherwerden der einzelnen Zellgrenzen zwischen den dicht aneinanderliegenden Zellelementen. Die Bilder, welche starke Vergrößerungen ergaben, lassen mich annehmen, daß dieser Zustand vor allem als eine Folge des gänzlichen Verschwindens der dunkel- grünen Niederschlagsmassen sich darstellt. Dafür spricht auch, daß das - Aussehen der einzelnen Elemente ein viel homogeneres ge- worden ist. Die Färbbarkeit der Kerne hat dabei bedeutend ab- genommen. Das Bild, das jetzt die innere Follikelhülle darbietet, entspricht fast vollkommen demjenigen, welches FLODERUS von Corella parallelogramma auf Taf. X Fig. 14 abbildet. Auch hier findet sich ein ziemlich homogenes Aussehen der Zellen, vermutlich bedingt durch den Gehalt an großen Flüssigkeitstropfen, die nur durch einzelne Plasmafäden voneinander getrennt bleiben. Über die abschließenden Veränderungen, welche das innere Follikelepithel annähernd reifer Ovarialeier betreffen, haben mir meine Präparate leider nicht genügende Klarheit geschaffen. Die einzelnen Follikelzellen wiesen hochgradige Schrumpfungserschei- nungen auf, welche ich mir, da im übrigen die Gewebe ja gut kon- serviert erschienen, nur durch ihren ganz eminenten Flüssigkeitsgehalt und ihren Mangel an reichlicherem Protoplasmagerüst erklären kann und hatten sich von ihren Nachbarzellen stets gänzlich losgelöst Ein Kern war an diesen geschrumpften Massen niemals mehr nach- Morpholog. Jahrbuch. 32. 237 408 H. Bluntschli zuweisen. Ob eine homogene glänzende sich mit Safranin-Lichtgrün braunfärbende Kugel, die sich öfters darin eingeschlossen fand, als ein Degenerationsprodukt des Kernes zu deuten ist, vermag ich nicht zu sagen!. Tatsache ist, daß auch am lebenden Eileiterei von Cynthia (Textfig. 4) die innere Follikelzellhülle noch einheitlichen Charakter aufweist, die einzelnen Zellen dagegen weder einen Kern noch einen schwammigen Bau, wie er meist für die Follikelhülle reifer Ascidieneier angegeben und abgebildet ward, zeigen. Es ähnelt also die fertige Follikelzellhülle von Oyat/ra derjenigen, welche ich bei Phallusia mammilata feststellen konnte, auch hier finden sich keine verlängerten Papillär- resp. Schaumzellen, sondern homogene rundliche Follikelzellelemente. Wenn die Angaben KORSCHELTS und HEIDERs (93) in ihrer All- gemeinheit richtig sind, daß nämlich für die Gattung Cynthia eine Embryonalentwicklung im mütterlichen Kloakalraum regel- mäßig vorkommt, dann würde sich also die Follikelzellhülle dieser Form und diejenige von ee entre Phallusia, deren Eier zweifellos KB Keimbläschen; Ch Chorion; F Follikelhülle; außerhalb des Mutterleibes sich 1 Testazellen, leicht erkennklich an Bine im entwickeln, trotz der verschie- Leben gelbroten Pigmentfleck. (Teils Oberflächen- E ansicht, teils optischer Querschnitt.) denen Embryonalentwicklung gleich verhalten. Unmöglich wäre das ja nicht, aber da wir durch JuLın (93) von Styelopsis gros- sularia, wo ebenfalls die Embryonalentwicklung im Muttertier statt- hat, wissen, dab hier das Follikelepithel anstatt vacuolisiert zu werden an Volumen abnimmt und zu einer ganz dünnen Hülle wird, erscheint jene Parallele nicht gerade wahrscheinlich und meine auf S. 399 ge- äußerte Vermutung, daß die einzelnen Arten der Gattung Cynthia sich in betreff der Embryonalentwicklung verschieden verhalten möchten, gewinnt so eine neue Stütze. Wie mir scheint, wäre die Erforschung der genaueren Beziehungen zwischen Embryonalent- wicklung, Eihüllen und Ovarienbau bei den Aseidien eine recht dankbare Aufgabe, zu deren Lösung ich meinen Teil gern beige- tragen hätte, wenn nicht die meisten dieser Fragen sich erst ergeben 1 BANCROFT sah etwas Ähnliches bei Styela montereyensıs. Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia mierocosmus. 409 hätten, als mein Studienaufenthalt am Meeresstrand längst beendet war. Die genannten Beziehungen zu analysieren, wird aber nur durch Untersuchungen eines reichlicheren Materials an Ort und Stelle möglich sein. Es fragt sich, wie wir die schon so frühzeitig einsetzenden Ver- änderungen an der Follikelhülle zu deuten haben. Bisher ist dies meines Wissens stets nur im Sinne der Degeneration geschehen, und dabei wurde gewöhnlich der ganzen Frage nur sehr wenig Aufmerk- samkeit geschenkt. Es spielen aber gerade die Follikelzellen beim Wachstum des Eies eine nicht unbedeutende Rolle, sei es, daß man in ihnen Elemente sieht, welche Nährstoffe für das Ei bilden und an dieses abgeben, oder, daß man sie nur als Durchgangsstationen für diese Nährstoffe, welche wir uns in flüssigem Zustand denken müssen, ansieht. Daß ihnen eine derartige Bedeutung zukommen muß, dazu berechtigen uns die Erfahrungen an andern Evertebraten- und Vertebrateneiern; auch ist es selbstverständlich, daß das Wachs- tum der Eier doch nur auf Kosten eines fortlaufend von außen ihnen zugeführten Materials möglich ist. In den frühesten Stadien kann dies ohne Vermittlung der Follikelzellen direkt mit der Eiperipherie in Berührung treten, später ist eine Nahrungsaufnahme ohne diese Ver- mittlung undenkbar. Und diese Tätigkeit der Follikelzellen scheint mir auch objektiv nachzuweisen zu sein. Wir sahen gerade zu den Zeiten, wo das Ei am meisten wächst, d. h. mit Beginn der Dotterbildung, das Auftreten von erst heller, dann stärker sich färbenden Niederschlägen im Zellplasma der Follikelhülle!, ich deutete sie als Bildungen durch aktive Zelltätigkeit, indem ich an ähnliche Veränderungen in tätigen Drüsenzellen denke. Ob aber die Tatsache, daß gerade zu der Zeit, wo die Dotterbildung auf der Höhe steht (Fig. 24), auch die stärkste Volumentfaltung der Follikelzellhülle und die größte Zahl an Niederschlagsmassen sich konstatieren läßt im Sinne einer besonders hochgradigen Aktivität der Follikelepithelelemente aufzu- fassen ist, scheint mir nicht gerade wahrscheinlich, vielmehr möchte ich diesen Zustand mit dem schleimerfüllter mueöser Drüsenzellen vergleichen, der wohl von den meisten Autoren als der einer Er- schöpfung des Protoplasmas aufgefaßt wird. Dieser Zustand — nicht aber die Erscheinungen von Niederschlägen in noch nicht so volu- minösen Follikelepithelzellen — könnte also im Sinn der meisten 1 Auch in den Follikelzellen der Fig. 23 ließen sich diese Niederschläge mit stärkeren Systemen unschwer nachweisen. 27* 410 H. Bluntschli Autoren, die sich mit den Eihüllen der Tunicaten beschäftigt haben vielleicht als eine Degenerationserscheinung gedeutet werden. Daß es sich in späteren Stadien der Follikelzellen älterer Eier um einen solchen Prozeß tatsächlich handelt, geht aus der Abnahme der Kernfärbbarkeit und dem Homogenerwerden des ganzen, offenbar gequollenen Zellleibes hervor. Unter allen Umständen liegt es mir fern, die grünen Niederschlagsmassen der Follikelzellen mit den an- fangs ebenfalls schön grün erscheinenden Dotterkügelehen im Oo- plasma (Fig. 23 D) chemisch identifizieren zu wollen, etwa aus der gleichen Färbbarkeit zu schließen, daß der Dotter eigentlich ein Produkt der Follikelzellen sei und erst sekundär ins Ei gelange, aber darin schließe ich mich Lugosca (03) vollkommen an, daß ich zwischen der Tätigkeit der Follikelzellen, wofür ich objektive Anzeichen ge- funden zu haben glaube, und der Dotterbildung im Ei selber einen Zusammenhang erkenne, in dem Sinne, daß von seiten der Follikel- zellen eine die »Vorstufe des Dotters bildende Substanz« produziert wird, welche durch das Chorion hindurch diffundiert. Wie und unter welchen Bedingungen aus dieser Vorstufe dann tatsächlich Dotter gebildet wird, das wird vorerst zu erklären bloß versucht werden können, hier möchte ich nur hinzufügen, daß für andre Tierklassen eine Reihe von Angaben eine entsprechende Tätigkeit des Follikel- epithels bezeugen (vgl. das Sammelreferat von LuBoscH, 02). Wie weit die degenerativen Erscheinungen der Follikelzellhülle gehen und ob diese Elemente nicht in späterer Periode (zum Teil vielleicht) ein zum Aufbau des Embryos dienendes Material liefern, ist eigentlich noch nicht genügend untersucht worden. Auch sind die Bilder, welche die Autoren von der Follikelzellhülle der ver- schiedenen Asceidien geben außerordentlich wechselnde. Dort, wo es zur Ausbildung von sogenannten Schaum- oder Papillörzellen kommt, scheint allem Anschein nach von direkt degenerativen Veränderungen dieser Elemente während der Wachstums- und Reifungsperiode des Eies nicht gesprochen werden zu können, die deutliche Plasmastruktur und die gute Färbbarkeit des Kernes (vgl. z. B. KORSCHELT und HEiDErs Lehrbuch. Allg. Teil, Fig. 182, S. 324 nach von KUPFFER) würden eine derartige Annahme eher ausschließen. Wenn meine Untersuchungen und Deutungen auch sehr unvollständig genannt werden müssen, so dürften sie, wie ich hoffen möchte, doch für nachfolgende Untersuchungen an reichhaltigerem Material einen Fingerzeig abgeben, dem Verhalten der Follikelzellen in der Ei- wachstumsperiode größere Aufmerksamkeit zu schenken. Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 411 Das Schicksal der Testazellen zu verfolgen, bietet nicht minderes Interesse. Auch frühere Autoren haben mehr als einmal versucht, aus ihrem Schicksal auf ihre Bedeutung zu schließen. Seit MiıLNnE-EDWARDS (42), KOwALEVSKY (66) und KuPpFFer (70) aus ihnen den Gallertmantel erwachsener Aseidien ableiten zu können glaubten, sind sie mehr als einmal als besonders wichtige Elemente angesehen worden. Nach dem heutigen Stand der Forschung deutet alles darauf hin, daß sie sich weder an der Bildung des Gallertmantels beteiligen, noch als ausgesprochene Schutzhülle zu betrachten sind. Vielleicht spielten sie in der Phylogenese einst eine größere Rolle, denn die Beobachtungen SALENSKYS (02), der bei gewissen Aplidi- den, Pyrosomen und Salpen unter Beteiligung der »Kalymmoeyten« )Testazellen) eine Placentarbildung nachwies, scheinen mir recht interessant und beachtenswert. So würde womöglich die Bedeutung der Testaelemente verständlich, wenn man die Embryonalentwick- lung im mütterlichen Leib als die primitivere, die freie Embryonal- entwicklung als Neuerwerb ansähe. Doch diese Fragen lassen sich vorerst nicht lösen, alle Vermutungen gehören ins Gebiet der Spe- kulation. Wahres Verständnis aber können nur tatsächliche Beob- achtungen bringen, deren Zahl leider noch eine recht kleine, jeden- falls vollkommen ungenügende ist. FLoDErus und Bancrorr haben sich bemüht, die frühzeitigen Veränderungen an den Testaelementen, welche ihnen den Eindruck degenerativer Veränderungen machten, genauer zu verfolgen, sie sahen ersterer bei Styela rustica, letzterer bei Styela montereyensis das Auftreten chromatophiler Körner im Protoplasma der Testa- zellen, kamen aber auf Grund verschiedener Beobachtungen zu diffe- renten Resultaten, FLODERUS beschreibt sie als an lebendem Ma- terial hell und stark lichtbrechend, an konserviertem als anfangs mit Dotterkugeln sehr übereinstimmend. Wie letztere färben sie sich anfangs mit Eosin und erlangen erst später eine erhebliche Affinität für Kernfarben. »Mitunter finde ich in solchen Zellen ver- einzelte Körner, die schon die blaue Farbe (des Hämatoxylins) an- genommen haben, während die übrigen noch die hellrote (des Eosins) beibehalten, und es ist offenbar, daß erstere aus letzteren durch irgendeinen Umwandlungsprozeß hervorgehen, der sich durch diese verschiedenen Färbungsverhältnisse kundgibt. Die eosinophilen Kör- ner ihrerseits sind — allem Anschein nach — lediglich wahre Dotter- kugeln, die aus dem umgebenden Dotter in die junge Testazelle sekundär eingewandert sind.« 412 H. Bluntschli Ganz anders sind die Erfahrungen, welche BAncRoFT an seinem Material von Styela montereyensis machen konnte. Er sieht, zur Zeit da die ersten Dotterkugeln auftreten, eine unregelmäßige Vaeuoli- sierung des Cytoplasmas junger Testazellen und in den Vacuolen alsbald Intravacuolarkörper erscheinen, welche sich mit Kernfarben hell tingieren. Ihre Zahl nimmt fortwährend zu, und in ihrem Innern treten stärker lichtbrechende und stärker chromatophile Cor- puscula auf, die auf Kosten der Intravacuolarkörper an Größe zu- nehmen. Sogenannte Intralamellarkörper von gleicher Färbbarkeit und vermutlich gleicher Genese, an der der Kern nicht beteiligt ist, bilden sich währenddem ohne Beziehung zu Vacuolen im Cytoplasma und erfüllen schließlich mit den erstgenannten Corpuseula den gan- zen Zellleib. Was den Nucleus betrifft, so erhält er sich während dieser degenerativen Prozesse relativ lang, nimmt allmählich an Färbbarkeit ab und ist schließlich nicht mehr zu sehen. Über die Bedeutung und Funktion der Testazellen äußert sich BAncRoFT fol- sendermaßen: »Starting as normal and vigorous cells in the folli- eular epithelium, their activity (als Lieferant von Nährmaterial für das Ei) is so great that degenerative changes in the shape of va- euolation appear in them, while the follicle cells proper still retain their normale appearance. The early occurence and complexity of these processes offer the best possible evidence for the intensity of the activity. It is not surprising, therefore, and I think we have no right, a priori, to expect that cells which have worked so hard that they have lost their vitality — cells in which degenerative changes have set in — should become further involved in the de- velopmental processes of the embryo.« Meine Beobachtungen an Cynthia microcosmus schließen in man- chen Punkten sich an die Angaben genannter Autoren an. Die Testa- zellen bilden sich, wie wir sahen, zu einer Zeit aus der primären Follikelhülle, da diese sich bereits im Zustand einer gewissen Akti- vität befindet (Fig. 24). Auch in den jungen Testazellen finden sich ähnliche grüne Niederschläge, wie sie in den primären Follikelzellen (5. 406) beschrieben werden konnten, es sind wohl die eosinophilen Körner FLoDErus’, welche dieser als eingewanderte Dotterkugeln er- klärt. Ihre Zahl ist nur in solchen Testazellen eine einigermaßen be- trächtliche, welche sich noch nicht ganz aus der Follikelzelllage los- gelöst haben, bald nimmt sie — offenbar durch Verflüssigung der Niederschläge — ab und es ist nun dem Zufall überlassen, ob in jungen, freien Testaelementen sich noch eine größere oder kleinere Anzahl dieser Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mieroscosmus. 413 grünen Kugeln findet oder ob sie bereits ganz verschwunden sind, wie dies späterhin immer der Fall ist. Schon bevor es aber zu diesem Zustand kommt, alsbald nachdem die Testazelle aus der Follikelbülle ausgewandert ist (Fig. 24 7’), verändert sich das Aussehen derselben noch in andrer Weise. Einmal verliert das Cytoplasma fast plötz- lich seine Färbbarkeit für Plasmafarben, wenigstens tingiert es sich nur ganz minimal und kontrastiert so ganz beträchtlich zum Plasma der inneren Follikelzellhülle (Fig. 24 7), und dann treten zunächst ein bis zwei, bald mehr kleine, stark lichtbrechende, mit Safranin und Hämatoxylin sich außerordentlich stark färbende Kugeln im Cytoplasma auf, zunächst kleiner, dann größer werdend, jedoch nie Dimensionen wie sie der Kern zeigt, erreichend. Dieser letztere hat sieh während all dieser Vorgänge nicht verändert, hat noch voll- kommen das Aussehen, wie ich es oben von den Kernen der inneren Follikelhülle zu schildern Gelegenheit hatte, und ist bald zentral, bald exzentrisch gelagert. Es ist klar, daß nach dieser Schilderung sich Bilder finden können, wo sich, wie’ es FLODERUS sah, im Cyto- plasma zweierlei Körner, solche, die sich mit Kernfarben und solche, die sich mit Plasmafarben tingieren, erkennen lassen, — für den Übergang der einen in die andern habe ich keine einzige Beob- achtung machen können, vielmehr die allmähliche Lösung der eosino- philen Körper FLoDErus’ (bei mir waren sie grün gefärbt) mehr als einmal in Abblassung der Färbbarkeit und Unscharfwerden der Be- grenzungen gesehen. Ebensowenig halte ich natürlich diese grünen Kugeln für eingewanderte Dotterelemente. Vielmehr glaube ich, daß, nachdem die Follikelzelle zur Testazelle geworden, ihre frühere Zelltätigkeit allmählich abklingt und aufhört, dagegen ein andrer Prozeß mit steigender Intensität sich einleitet, welcher in Verände- rung des Cytoplasmas und vor allem in der Bildung der »safranin- ophilen Kugeln«, wie ich diese Gebilde im folgenden der Kürze halber nennen werde, besteht. Während ihre Zahl z. B. auf Fig. 24 noch eine recht geringe ist, sind die Testazellen auf Fig. 25 schon reichlicher mit solchen erfüllt und schließlich ist der ganze Zellleib vollkommen mit ihnen durchsetzt, so daß es unter Umständen schwer wird, eine protoplasmatische Zwischensubstanz aufzufinden oder zu konstatieren, ob diese Gebilde (Fig. 23) überhaupt noch einen Kern besitzen. Daß es gänzlich falsch wäre, etwa die blauen, mit 7 be- zeichneten Gebilde auf Fig. 25 selber als Kern anzusehen, dürfte schon aus der bisherigen Beschreibung zur Genüge hervorgehen und ich kann, um dies zu beweisen, gleich beifügen, daß es mir mit 414 H. Bluntschli geeigneten Methoden, z. B. Bıowpıs Dreifarbengemisch, gelang den Kern den safraninophilen Kugeln gegenüber dureh kontrastierende Färbung darzustellen. Dabei ergab sich, daß dessen Struktur in keiner Weise Veränderungen erlitten hat. Ob, wie mir es manch- mal schien, die Färbbarkeit tatsächlich etwas herabgesetzt worden ist, läßt sich natürlich schwer sagen, wo die Menge der umlagern- den safraninophilen Kugeln schon als mechanisches Hindernis für ein reichliches Eindringen der Farblösung angesehen werden muß. Im allgemeinen erschienen mir die safraninophilen Körner oder Kugeln homogen zu sein, nur ganz selten besaßen sie ein helleres Körnchen im Zentrum oder umgekehrt einen helleren Ring um ein dunkleres Zentrum und erinnerten dann an die Angaben BAncroFTs. Aber das waren sehr seltene Ausnahmen. Die Größe der Körnchen ist nur geringem Wechsel unterworfen, ihre Gestalt stets schön kugelig. Woher sie entstehen, ist mir ein Rätsel geblieben, denn weder von seiten des Cytoplasmas noch des Kerns zeigte sich irgendwelche Reaktion, die eine Beziehung zu ihnen auch nur angedeutet hätte. Daß sie von außen eingewandert seien, halte ich für so gut wie unmöglich, weder die Dotterkugeln noch die Cytosomen des Ooplas- mas können meines Erachtens mit ihnen in Beziehung gebracht werden. So ist es immerhin noch am wahrscheinlichsten, daß sie in loco entstehen und sich durch Apposition vergrößern. Um eventuell nähere Aufschlüsse über ihre Natur zu erlangen, habe ich systema- tisch eine Reihe von Färbungen angewandt und dadurch eigenartige Resultate erzielt, die zwar keine definitiven Schlüsse zulassen, aber immerhin einiges Interesse boten. Neben Hämatoxylin (nach DELA- FIELDS Methode dargestellt) und dem basischen Safranin war es das basische Methylgrün in EurLicH-BionDis Dreifarbengemisch, zu wel- chem diese Körner eine starke Affinität zeigten (die Kerne färbten sich bei letzterer Methode ebenso wie das Chromatin der Oo- eyten mit Fuchsin rot), während das ebenfalls basische, wässrige Borax-Karmingemisch sie absolut nicht tringierte!. Absolut basophil sind diese Kömer also zweifellos nicht, daß sie daher auch kein echtes Chromatin darstellen, ist damit natürlich implizite gesagt. Jeden- falls enthalten aber die Testazellen einen Stoff, weleher den andern Follikelhüllen nicht zukommt, und was noch eigenartiger ist, das ist 1 Daß die Nachbehandlung mit Salzsäurealkohol hieran nicht schuld sein kann, entnehme ich daraus, daß die saure Nachbehandlung nach der BIONDI- schen Färbung das Resultat durchaus nicht alterierte. Beobachtungen am Ovarialei der Monasceidie Cynthia micerocosmus. 415 die Tatsache, daß sich auch im lebenden Zustand die Testazellen in einem chemischen Gegensatz zu den Follikelzellen befinden. Diese Beobachtung konnte PrROWAZER (02) machen, welcher an dem Tier entnommenen Ctona-Eiern, die mit Neutralrot in Berührung kamen, sah, daß der Kern der Schaumzellen eine gelbrote, der der Testa- zellen eine mehr blaurote Nuance annahm, — das deutet eine Al- kaleszenz in einem, eine Anwesenheit von Säuren im zweiten Fall an. Dazu kommt, daß die Testazellen von Cynthia durch einen eigenartigen Farbstoffgehalt charakterisiert sind, der den Follikel- zellen nicht zukommt. Textfig. 4 läßt unter dem Chorion gelegen an der ganzen Oocytenoberfläche schwarze Pünktchen erkennen, die im Leben durch gelbrote Farbe sich auszeichneten und ganz zweifel- los zu Testazellen gehörten. Denn sobald ein Ovulum durch längeres Liegen im Wasser sich etwas vom Chorion zurückzog, waren die ovalen Testazellen mit ihren kleinen, gelbroten Fleckchen leicht zu sehen. An fixiertem Material habe ich nirgends etwas von Farbstofl- gehalt gemerkt. Dies alles vermag üns die Bedeutung der Testazellen kaum ver- ständlicher zu machen — haben wir die Vorgänge im Sinne einer regen Zelltätigkeit, also etwa einer Produktion von Nährmaterial zu deuten — dann müßten wohl die safranophilen Körner ein solches für die Ooeytenernährung bereitetes Produkt darstellen, — oder sind es degenerative Prozesse, die sich hier abspielen? Auch mir ist es nicht möglich, die Frage zu beantworten. Für die erstere Möglich- keit spricht die so rasche Anhäufung der Körnchen und ihr allmäh- liches Wachsen, dafür auch eine merkwürdige Beziehung des Keim- bläschens zu den Testazellen (vgl. Fig. 19 und 20), welehe später noch zu besprechen sein wird, für die letztere die Tatsache, daß eine Ab- nahme der Zahl der Körner, ein Einwandern oder Austreten der- selben auch nicht ein einziges Mal zu konstatieren war. So muß also die Frage nach der Bedeutung und Aufgabe der Testazellen offen bleiben. Ob nicht das Verhalten dieser Elemente beim frühen Em- bryonalleben der Eier mehr Einblicke ermöglichen könnte? Die Tat- sache, welche MErcALr (00) angibt, daß die Testazellen bei ZLepto- elinum und Salpa aufgefressen, in toto in das Plasma der sich teilenden Blastomeren aufgenommen würden, spricht ebenso wie eine ältere Beobachtung von Daviporrs (89) dafür, daß sie kein un- wesentliches, wenigstens kein zu weiterer Verwertung unbrauchbares Material enthalten. 416 H. Bluntschli II. Die weitere Entwicklung der Oocyten. A. Das Verhalten des Ooplasmas und die Dotterbildung. a. Geschichtliche Übersicht. Die objektiven Tatsachen, welche heutzutage von der Dotter- bildung im tierischen Ei — in betreff der Deutung dieser Prozesse sei auf ein späteres Kapitel verwiesen — bekannt sind, werden in den zusammenfassenden Werken KorRSCHELTsS und HEIDERS (02) und WALDEYERS (02) etwa folgendermaßen geschildert. Während in frühen Stadien der Oocyten das Cytoplasma gleichmäßiges, meist fein granuliertes Aussehen und dabei wabigen oder alveolären Bau besitzt, treten zu einer bestimmten Zeit Va- cuolen in demselben auf, welche verflüssigte Eiweißmassen (viel- leicht schon eine Vitellinsubstanz) repräsentieren. In diesen Vacuolen schlagen sich alsbald die ersten Dotterelemente nieder, Körnchen, im wesentlichen aus Eiweißkörpern und nucleinhaltigen Substanzen, den Paranucleinen KosseEus (86) bestehend, welche sich durch Appo- sition vergrößern und dann in den verschiedenen Tierklassen ganz wechselnde Gestalt annehmen. Die Zahl der Dotterniederschläge nimmt rasch zu und erreicht ebenfalls sehr verschiedene Grenzen. Das Cytoplasma wird so zu einem feinen Netz- oder Maschenwerk (sekundäre Alveolärstruktur) und umfaßt in seinen Maschen die Dotterelemente. Für das Wesen des Prozesses scheint es ziemlich irrelevant zu sein, ob die erste Dotterbildung von dieser oder jener Partie des Ooplasmas ihren Ausgangspunkt nimmt, — immerhin lassen eine Reihe von Angaben vermuten, daß eine Beteiligung des Keimbläschens bei der Dotterbildung anzunehmen sein dürfte. Die Dotterbildung der Tunicaten haben mehr oder weniger ein- gehend — abgesehen von den älteren Arbeiten, die jedoch mit un- genügenden optischen Mitteln entstanden — vOoN DAviDorr (89), MorGAN (91), Froperus (96), BAncRoFT (99) und CRAMPTON (99) studiert. DaAvivorr (89) fiel schon die starke Granulierung und Färbbar- keit des Ooplasmas junger Oocyten auf. Bald verlor sich aber die- selbe und plötzlich, noch vor dem Ausstoßen der Abortiveier, sah er alles Ooplasma zu Dotter zerfallen. Die Gestalt der Dotterkörper ist wechselnd, sie platten sich gegenseitig ab und werden nicht sel- ten sogar eckig, auch ihre Größe variiert sehr. Da alles Ooplasma in toto zu Dotter geworden, findet sich zwischen den einzelnen Ele- rn Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia microcosmus. 417 menten zu dieser Zeit keine Zwischensubstanz. Eine solche wandert aber allmählich vom Keimbläsehen her ein. Diese entsteht aus dem Karyoblast als ein fein granuliertes Plasma, welches DAvınorr im Hinblick auf seine spätere Aktivität als Ergoplasma bezeichnet. Das Ergoplasma tritt in Beziehung zum Dotter, bildet ein feines Netzwerk zwischen den Dotterelementen und durchsetzt schließlich das ganze Ovulum. Nach der Befruchtung des Eies und den ersten Teilungen läßt es sich stets in allen Teilungsprodukten nachweisen. MorGans (91) Angaben sind nicht sehr detailliert, es interessiert uns davon einmal diejenige, wonach das Ooplasma junger Ooeyten von Cynthia ocellata sich mit Kernfarben sehr dunkel tingiert und dann, daß er die Dotterbildung bei Olavellina in der Peripherie des Kernes einsetzen sah. FLoDErus (96) gibt eine Reihe feiner Beobachtungen. Bei all den vielen Spezies, die er untersuchte, fiel ihm das Verhalten des Ooplasmas der jüngsten Eier auf. In lebendem Zustand nahezu ho- mogen, hell und durchsichtig, fand er es bei der Behandlung mit Fixierungsmitteln aus einer Menge von Körnchen zusammengesetzt, die in einer hellen Zwischensubstanz liegen. Die »Kornsubstanz« zeigt starke Affinität der Kernfarben, die Zwischensubstanz färbt sich mit Plasmafarben kaum merklich, mit Kernfarben gar nicht. Die Zahl der Körnchen nimmt mit dem Wachstum der Oocyten zu, sie rücken näher zusammen, so wird das Aussehen des Plasmas ein mehr feinkörniges, gleichförmiges, dieweil die Zwischensubstanz nur sehr spärlich vorhanden zu sein scheint. Bei Crona und Styela, im Gegen- satz zu COlavellina, finden sich die ersten Dotterelemente in der Um- gebung des Keimbläschens und »zwischen den eosingefärbten Dotter- kugeln sieht man wenigstens anfangs, selbst wenn die Dotterbildung im ganzen Plasma des Eies fortgeschritten ist, ein deutliches Netz von einer körnigen oder fast fadenähnlichen Substanz, die sich durch Hämatoxylin begierig färbt und ohne Zweifel der Rest des ursprünglichen Eiprotoplasmas ist.« Am Ei von Distaplia oceidentalis hat BAncroFr (99) die Granula- färbung jüngster Oocyten ebenfalls bemerkt. Er konstatiert zunächst große, stark färbbare Granula, dann eine Abnahme der Tingierbar- keit und der Größe, wobei zugleich das Netzwerk des Plasmas deutlicher wird. An den Knotenpunkten erscheinen allerfeinste Gra- nula. Eine Korrelation dieser Veränderungen mit der Größe des 1 Im Original nicht gesperrt. 418 H. Bluntschli Eies scheint ihm nicht zu bestehen. Die Dotterbildung setzt zunächst an der Peripherie des Eies ein, zugleich wird dort das Netzwerk im Cytoplasma undeutlicher und verschwindet schließlich ganz, während in den zentraleren Teilen des Eies dasselbe noch fortbesteht. In zentraler Richtung schreitet inzwischen die Dotterkörnerbildung fort, so daß Bilder resultieren, wo gegen das Chorion hin die größten, gegen das Keimbläschen hin sich immer kleinere Dotterniederschläge finden. Die Intervalle zwischen den einzelnen Elementen sind im Gegensatz zu jüngeren Stadien nicht mehr von Cytoplasmanetz- zügen, sondern einer hyalinen Substanz, offenbar einer Vorstufe des Dotters, ausgefüllt. Aber auch um den Kern herum setzt nun eine Dotterbildung (zentrale im Gegensatz zur obenerwähnten peripheren) ein, das Keimbläschen erscheint von einem homogenen Mantel um- geben und verkleinert sich allmählich, während der homogene Mantel bald ebenfalls in Dotterkörper zerfällt, welche bald von sphärischer, bald mehr eckiger Gestalt nunmehr das ganze Ooplasma erfüllen, bevor noch die Oocyte ihre definitive Größe erreicht hat. Die eingehendsten Berichte über die Dottergenese im Aseidienei endlich gibt CRAMPTON (99) in seinen studies upon the earley history of the asceidian egg, einer interessanten Arbeit, welche LuposcH bei seinem Sammelreferat über die Dotterbildung entgangen zu sein scheint. Mit ihr müssen wir uns etwas eingehender befassen. Wie alle andern zitierten Autoren, sah auch er in jüngsten Oocyten (seine Beobachtungen beziehen sich auf Molgula manhattensis, deren Ovarien mit Sublimat-Eisessig konserviert waren) eine dunkle Färbung des Cytoplasmas, die jedoch eine kleine Zone, kappenförmig dem Kern aufsitzend, nicht betraf, diese zeigte eine starke Affinität zu Plasma- farben und eine Zusammensetzung aus einzelnen, stark lichtbrechen- den Körnchen. Sie ist es, welche nach ihm mit der Dotterformation in direkten Zusammenhang gebracht werden muß, welche dem Dotter- kern der Autoren entsprechen soll und die ÜRAMPTON mit dem Namen der Dottermatrix belegt. Ihre Lagerung zeigt, daß sie entweder vom Kern oder: unter direktem Einfluß desselben entsteht, ihre Far- benreaktion, kombiniert mit Verdauungsproben, ergibt, »daß diese Granula albuminöser Natur sind, im Gegensatz zum Cytoplasma, welches .... vermutlich aus Pseudo-Nuclein besteht.« (Ich möchte schon an dieser Stelle betonen, daß ich mich ‘der Deutung dieser Dottermatrix nicht anschließe, — ihre Affinität zu Plasmafasern er- gibt wohl zur Genüge, daß sie eben dem Dotterkern der Autoren nicht entsprechen kann, ihre Zusammensetzung aus lichtbrechenden Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia mierocosmus. 419 Granula aber läßt sie meines Erachtens als eine Ansammlung sehr frühzeitig entstandener Dotterkügelchen erkennen. Doch wir werden uns später noch mit diesen Gebilden zu beschäftigen haben). Die Dottermatrix wird bei weiterem Wachstum des Eichens von fort- schreitend loserem Gefüge, die einzelnen Körnchen fangen an, sich nach allen Seiten zu zerstreuen und gleichzeitig lockert sich das früher ziemlich homogene basophile Cytoplasma auf, läßt Vaeuolen entstehen und bekommt so ein alveoläres Aussehen. »The albuminous granules lie imbedded in this vacuolated interalveolar substance, and are not to be confounded with the vacuoles themselves, which show a quite different staining reaetion.« Die zerstreuten Granula der ur- sprünglichen Dottermatrix vergrößern sich zu Dotterkugeln offenbar auf Kosten der Zellflüssigkeit, welche sich in den Vacuolen fand, das Interalveolarplasma (Cytoplasma) tritt mehr und mehr zurück und zwischen den großen Dotterkugeln werden in ihm nunmehr kleine, ebenfalls acidophile Granula sichtbar, Mikrosomen, welche CRAMPTON, wie mir scheint ohne genügende Begründung, zu den eigentlichen Dotterkörnern, welche der Dottermatrix entstammten, in einen gewissen Gegensatz bringt. Auch sie werden offenbar später zu Dotterelementen. b. Eigne Beobachtungen. Meine Beobachtungen lehnen sich in manchen Punkten an die zitierten Autoren und ihre Resultate an, in wesentlichen Fragen glaube ich aber doch jenen gegenüber einen andern Standpunkt ein- nehmen zu müssen. Leider kann ich, ihn zu stützen, auch auf keine ganz vollständigen Untersuchungen hinweisen. Sie beziehen sich nur auf konserviertes Material und sind daher immerhin etwas einseitig, die Untersuchung an frischem Material, deren Wert gerade neuerdings wieder von Hıs (00) betont wurde, fehlt gänzlich. Sie ist besonders wichtig dann, wenn es sich darum handelt, die Form und Zusammensetzung der Dotterelemente näher zu ergründen. Ob sie auch für die Lösung der Fragen, mit denen ich mich aber in erster Linie beschäftigt habe, die Relationen zwischen Deuto- und Ooplasma zu ergründen, von so einschneidender Wichtigkeit ist, möchte ich allerdings bezweifeln und so gebe ich mich der Hoffnung hin, daß man die hier niedergelegten Beobachtungen, trotzdem sie kein ganz vollständiges Bild bieten, doch als einen bescheidenen Beitrag zur Klärung dieser wesentlichen Fragen betrachten möge. Aus äußeren Gründen werde ich den Werdegang der Verän- 430 H. Bluntschli derungen im Zellleib der Oocyten in vier Perioden einteilen, betone aber ausdrücklich, daß diese keine scharfen Grenzen zeigen, viel- mehr allmählich fortlaufende Prozesse darstellen. 1. Periode. Bis zum Auftreten der ersten Symptome von Dotterbildung. Schon eingangs, bei der Schilderung der primären Follikelhülle, hatte ich Gelegenheit, auf die kleinsten Ooeyten und ihre Struktur, wenigstens andeutungsweise, hinzuweisen. Wir fanden bei den ersten Stadien, welche als Oocyten anzusprechen wir berechtigt zu sein glaubten, die längliche Gestalt und einen größten Durchmesser von etwa 10—13 u besaßen (vgl. Fig. 20), einen relativ großen, rund- lichen Kern und ein anscheinend homogenes, sich weder mit Kern- noch Plasmafarben rein färbendes Ooplasma, welches einen Mischton angenommen hatte. Bald aber ändert sich dieses Verhalten. Jetzt treten im Ooplasma kleinste Körnchen auf (Fig. 3 und 4), welche eine starke Affinität zu Hämatoxylin und Safranin aufweisen (basophile Körnchen), dazwischen eine netzige oder wabige Grundsubstanz, welche sich mit Eosin leicht tingiert und schließlich farblose Partien, — offenbar Flüssigkeitsvacuolen — die in das Netz der Zwischen- substanz eingelagert sind. Das Bild wird mit der Größenzunahme der Ooeyten deutlicher (Fig. 5 und 6), die basophilen Körnchen — die Kornsubstanz FLODERUS’ — werden größer und stellen jetzt bald rundliche, bald ovale Gebilde dar, sind öfters grüppchen- weise aneinandergelagert und ihrerseits in die erwähnte Zwischen- substanz eingebettet. Nicht selten zeigen sie in der Nähe des Kernes eine reichlichere Anhäufung (Fig. 6). Es fragt sich, was für Zell- gebilde wir in diesen Körnern und Schollen — die von fast allen Beobachtern des Tunicateneies gesehen wurden — vor uns haben. Meines Erachtens gehören sie zu den weitverbreiteten basophilen Granula der Evertebrateneier, die so oft gefunden, so wenig in ihrer Bedeutung erforscht wurden, und so möchte ich sie den Mikrosomen Herrwiss (93) oder den damit identischen Cytosomen PRENANTS (99) gleichstellen, sie auch mit diesen Namen belegen oder im Hin- blick auf Veränderungen und Wandlungen, die sie später erleiden, schon als Mitochondrien nach dem Vorgang BEnDAs (98) bezeichnen. Auf ihre chemische Natur und ihre Genese werden wir später zu sprechen kommen. — Nach den geschilderten Stadien (Fig. 6, 21) kommt nicht mehr ein weiteres Wachstum der Cytosomen, sondern ein ziemlich rasch einsetzender Zerfall derselben, ein Kleinerwerden Hand in Hand mit einer starken Vermehrung ihrer Anzahl zustande. Beobachtungen am ÖOvarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 421 Jetzt erfüllen sie zunächst als feine Körnchen, dann mit Vorliebe zu mehreren in einer Reihe aneinandergeschmiegt und so kleinste Fädchen darstellend, das ganze Cytoplasma, welches in seiner Grundmasse ein vollkommen homogenes Aussehen bekommen hat. Daß das Gesamtbild solcher Ooeyten (Fig. 7, 9, 22) durch eine hellere Tönung — die Abnahme der Färbbarkeit andrer Autoren — gegen- über dem Stadium grobscholliger Cytosomen (Fig. 21) sich unter- scheiden muß, ist ohne weiteres einleuchtend. Nicht immer aber erfolgt diese Umwandlung durch den ganzen Zellleib in solch gleich- mäßiger Weise und der angegebenen Reihenfolge, daß aus grob- scholligen Cytosomen feinkörnige, aus diesen ganz kurze Fädchen- gebilde werden. Vielmehr sah ich, allerdings recht selten, auch Bilder, wo in der Kernnähe sich schon fädige (und zwar für so frühe Stadien schon merkwürdig lange Fädchen) Gebilde fanden, dieweil in den peripheren Partien des Eichens noch grobschollige, dunkle Cytosomen gelagert waren (obere, kleinere Oocyte auf Fig. 6 a), der Umwandlungsmodus also ein gleichsam abgekürzter ist. Daß das Bild, welches die untere Oocyte auf Fig. 6 « darstellt, nur einen etwas fort- geschritteneren Typus der oberen repräsentiert, braucht kaum noch hervorgehoben zu werden. Außerordentlich deutlich ist auf beiden Figuren, wie die Fädehengebilde (Chondromiten), soweit sie in be- sonderer Nähe der Kernmembran sich finden, sich der Kernform durch eine leichte Krümmung angepaßt haben, während die weniger zentralen eine solche konzentrische Anordnung um das Keimbläschen nicht erkennen lassen. Nicht ganz klare Auskunft vermag ich über die Struktur der Grundmasse in diesen Oocyten zu geben, wohl schien mir bisweilen ein alveolärer Bau vorzuliegen und die Mikro- somen dann den Wänden aufgelagert, ein sicheres Urteil mag ich aber nicht abgeben, da in den früheren Etappen dieser Periode die Grundsubstanz sich kaum färbt, in den späteren die Cytosomenzahl so enorm vermehrt ist, daß selbst dünne Schnitte von 2 u Dicke mich zu keinem sicheren Urteil bringen konnten. Ausdrücklich be- tont sei, daß das Keimbläschen während dieser Periode stets lang- sam an Größe zunimmt, einen typischen, fast immer völlig gleich- bleibenden Bau zeigt und eine größere Aktivität dem Cytoplasma gegenüber eigentlich nicht erkennen läßt. 422 H. Bluntschli 9. Periode. Das Erscheinen von Vacuolen im Ooplasma und die ersten Dotterniederschläge. Kaum haben sich die Cytosomen zu den ganz kurzen Chondro- miten, welche also das ganze Plasma des Oocytenleibes dicht er- füllen, aneinandergereiht, eine Tatsache, die erst allmähliches Ver- tiefen in die Bilder und gründliches Studium sicher erkennen läßt — im Gegensatz zu den späteren Stadien und den langen, verdickten Körnerfäden, welche auch das ungeübte Auge unschwer erkennen wird — da beginnt ein gänzlich andrer Prozeß sich einzuleiten, der in Beziehung mit der Bildung von Dotterkörnern steht. Die Ooeyten, an welchen sich die ersten Anzeichen davon finden, haben etwa einen größten Durchmesser von 0,06—0,09 mm, besitzen ein großes rundes oder ovales Keimbläschen, dessen Chromatin fast stets gänz- lieh in Nucleolen aufgespeichert ist, während ein achromatisches Kerngerüst unschwer sichtbar wird. Ihr Zellleib hat nicht mehr durchgehends gleichartigen Charakter in seinem Aussehen, denn da und dort, mit Vorliebe in der Umgebung der Kernmembran, zeigt - das Ooplasma Auflockerungen; rundliche, farblose Räume von 3—6 u Durchmesser treten auf, in ihrer Umgebung erscheinen bald neue, so konfluieren sie und bekommen allmählich eine unregelmäßigere, durch Kreislinien begrenzte Gestalt. Wie CURAMPTON, sehe ich in diesem Vorgang eine Auflockerung, Vacuolisierung des Proto- plasmas. Eine bestimmte Lokalisation für den Beginn dieses Pro- zesses, wie er ihn in seiner kappenförmig dem Kern aufsitzen- den Dottermatrix sah, konnte ich niemals beobachten. Nur in wenigen Bildern fanden sich derartige Vacuolen gleich von An- fang an auch in der Zellperipherie oder der intermediären Zone- des Zellleibes. Wahrscheinlich nur um eine geringe Spanne Zeit älter sind die Bilder, wo in den bisher klaren, hellen Vacuolen zartgrüne (Safra- nin-Lichtgrünfärbung) Niederschläge mit verschwommenen Rändern und weit mehr zartflockiger, als rundlicher Gestalt (es ließ sich dies auf Fig. 22 bei der angewandten Vergrößerung nur ganz ungenü- gend zur Darstellung bringen) auftreten, wohl Gerinnungsbilder eines in vivo flüssigen Stoffes, der sich durch seine Färbung mit großer Wahrscheinlichkeit als ein Vitellin dokumentiert. Sehr eigenartig ist es, daß diese zentrale Dotterbildung — von der wir ja bisher einzig und allein sprachen — damit zunächst ihren Höhepunkt er- reicht hat, ja daß bei wieder etwas älteren Oocyten es sehr oft nicht mehr gelingt, etwas von Vacuolen oder feinsten Dotterflocken Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia mierocosnus. 423 in der Umgebung des Keimbläschens nachzuweisen. Diese Be- obachtungen habe ich an einer ziemlich beträchtlichen Zahl von Einzelfällen anstellen können, somit scheint es mir, trotz der seltenen Ausnahmefälle, wo die ersten Dottervacuolen sich mehr unregelmäßig im Ooplasma oder gar hauptsächlich im peripheren Teil desselben fanden, berechtigt, von einer zentralen Dotterbildung zu sprechen. Sehr eigentümlich ist es, daß dieser Prozeß nur sehr kurze Zeit zu verfolgen ist und hernach scheinbar wieder rückschreitet. Dieser Befund läßt sich aber auch eventuell so deuten, daß die ersten Dotterniederschläge durch Bewegung des Protoplasmas verschoben werden, deshalb an der alten Stelle nicht mehr aufzufinden sind und sich später äls periphere Niederschläge erkennen lassen. Immerhin möchte ich diese Möglichkeit nur mit großem Vorbehalt zugeben. Eher scheint es mir berechtigt, den Stillstand des zen- tralen Prozesses (vielleicht sogar Rückschritt) etwa so aufzufassen, daß gegen das Zentrum der Zelle hin es an den zum Dotteraufbau nötigen Stoffen eher fehlt, als an der Peripherie. Damit wird diese erste, nur wenig ergiebige, bald wieder aussetzende Dotterbildung vielleicht, da sie in der Umgebung des Kernes einsetzt, in eine ge- wisse Relation zu diesem gebracht werden können. Diese Frage soll weiter unten ventiliert werden. Daß es mir gelang, die zen- trale, wenn auch nur minimale und eigentlich nur eingeleitete, sehr bald aussetzende Dotterbildung zu erkennen, ist nur der ungemein günstigen Safranin-Lichtgrünfärbungsmethode zu danken, welche im Gegensatz zu den roten Chondriomiten selbst die kleinsten Dotter- mengen zartgrün tingierte, dieweil eine Färbung mit Eosin oder an- dern Plasmafarben diese zartesten Anfänge von Dotterniederschlägen nicht zur Darstellung brachte. Weit ergiebiger und auffälliger ist die sehr bald nach diesem zentralen Anlauf einsetzende periphere Dotterbildung. Ein auf- fälliges Vacuolisieren des Ooplasmas geht ihr meist nicht voran. Der Beginn des Prozesses wird, wie vorhin bei der zentralen Dotter- bildung, wo er im Auftreten typischer Vacuolen deutlicher ausge- prägt erschien, im Auftreten zarter sich färbender Protoplasmapartien, welche von den zarten Chondriomiten ausgesperrt erscheinen, erkennt- lich. Sehr bald treten dann unregelmäßige Dotterflocken in diesen in vivo wohl verflüssigten Ooplasmapartien auf, auch hier zunächst nur durch einen grünlichen Schimmer erkenntlich. Doch dauert dieses Stadium nur ganz kurze Zeit, statt der unregelmäßigen Flocken bilden sich dunklere grüne Kugeln. Diese sind erst klein, wachsen dann aber Morpholog. Jahrbuch. 32. 28 424 H. Bluntschli heran und finden sich meist, wie es Fig. 23 darstellt, häufechenweise beieinander und insgesamt von einem hellen Hof umgeben. Erst außerhalb des letzteren sind zu dieser Zeit Chondriomiten zu finden. 3. Periode. Die reichliche Dotterproduktion. Fortlaufend nimmt das Eichen an Größe zu, ein Wachstum das allem Anschein nach Kern und protoplasmatischen Zellleib in unge- fähr gleichem Maße betrifft, und gleichzeitig steigt sein Gehalt an Dotterkugeln. Dieser Prozeß der Dottervermehrung verläuft in einem beschleunigten Tempo, denn es fällt außerordentlich schwer zahl- reiche Bilder, wie sie etwa Fig. 24 oder 25 zeigen, zu finden, während es wenig Mühe bereitet, jüngere resp. ältere Oocyten mit den ent- sprechenden Phasen an Dottergehalt zu erkennen. Die Veränderungen, die sich zur Zeit dieses reichlichen Dotterzuwachses neben den Dotter- niederschlägen selber erkennen lassen, betreffen in erster Linie die Chondriomiten, deren Verhalten noch genauer geschildert werden muß. Wir verließen sie, nachdem, zu Ende der ersten Periode, aus den feinen Cytosomen kurze, feinste’ Körnchenreihen (Chondriomiten) entstanden waren (Fig. 6a, 7, 22), die in eine homogene Grund- masse, das Ooplasma im engeren Sinn, eingebettet erschienen. Schon Fig. 23 beweist, daß diese safraninophilen Fädchengebilde an Länge zugenommen haben (es haben sich mehrere der primären Körnchen- reihen aneinandergelegt) und gegen den Kern hin sich in etwas diehterer Anordnung als gegen die Zellperipherie zeigen, doch wird erst Fig. 24, die als ein charakteristisches Bild dieser Periode gelten kann, diese Wandlungen ganz verständlich machen. Die genannte Figur stellt eine Oocyte von 0,13 auf 0,09 mm Durchmesser auf einem genauen Medianschnitt dar. An der Zellperipherie ist schon reichlicher Dotter vorhanden, dessen einzelne Elemente nicht mehr (wie auf Fig. 23) grüppchenweise, sondern ziemlich regellos aber jedes für sich isoliert gelagert erscheinen, und eine gewisse Änderung in ihrem chemischen Charakter dadurch dokumentieren, daß sich eine Anzahl von ihnen mit Osmiumsäure schwärzt (Fig. 24). Das ovale Keimbläschen liegt nicht ganz in zentraler Lage, und ist zu mindestens zwei Drittel seines Umfanges, auf zahlreichen andern Bildern gänzlich von einer dotterfreien Zone umgeben, welche durch ihren bräunlichen Ton und die eigenartige Streifung schon bei schwachen Vergrößerungen auffällt. Wendet man stärkere optische Systeme an, so ergibt sich, daß in ein ziemlich helles, feinst granu- liertes Plasma, längere Fädchen von braunroter Farbe und wechselnder, E To NUN ET nn Beobachtungen am ÖOvarialei der Monascidie Cynthia mieroeosmus. 495 vielfach leicht geschwungener Form eingebettet erscheinen. Um den Kern zeigen sie mit Vorliebe konzentrische Lagerung, nach außen hin wird ihre Verlaufsrichtung mehr regellos, sie dringen zwischen den Dotterkugeln ein und lassen sich bis gegen das Chorion im Oo- plasma verfolgen. Hier und da gewann ich den Eindruck, als wenn eine bestimmte Grundrichtung den Chondriomiten in ihrem Verlauf zukäme und als wenn dieselbe in der Richtung der Eiachse, der zu dieser Epoche ja fast regelmäßig ellipsoiden Oocyten gegeben wäre. Es ist klar, daß dann ein medianer Längsschnitt (Fig. 24) die Fädchen in ihrer Verlaufsebene enthalten, ein Quer- oder Schrägschnitt — und dafür halte ich Fig. 25 — dieselben mehr quer treffen müßte. Die beiden Figuren stellen in ihrem Alter wohl nur wenig differente Stadien dar und gewähren doch so verschiedene Bilder, sei es in der Verteilung der Dotterelemente oder in der der Chondriomiten, die auf Fig. 25 nur als ganz kurze Gebilde erscheinen. Dafür ist hier besonders deutlich zu sehen, wie sie sich zwischen die einzelnen Dotterkugeln eingeschoben haben. Ein kardinaler Unterschied zwischen den beiden Bildern besteht nicht und die mehr diffuse Verteilung der Dotterelemente repräsentiert, wie mir scheint, ein vereinzeltes Verhalten. Die Dotterbildung selbst ist meist in den äußersten Ei- partien am reichlichsten, es erscheinen zwischen den schon vorhan- denen und durch Anlagerung neuer Stoffe offenbar allmählich wach- senden Dotterkugeln wieder glasigere Stellen im Ooplasma, bald findet sich ein grünes Körnchen darin und dieweil sich außen um die aufgehellte Ooplasmapartie benachbarte Chondriomiten herum- legen, wächst dieses zu einer größeren, immer deutlicher und rund- licher werdenden Dotterkugel heran, wobei das glasige Dotter- bett an Masse abnimmt. Eine bestimmte Größe überschreiten die einzelnen Dotterkugeln niemals, im übrigen scheint dieselbe aber nicht bei allen Eiern genau dieselbe zu sein, sondern unbeträchtlich schwanken zu können. Die Zahl der Dotterkörper aber vergrößert sich fortwährend, die dotterfreie, chondriomitenreiche Partie nimmt rapid ab und es resultieren Bilder, wie Fig. 26 eines darstellt, wo nur an der einen Seite des Kernes, spitzkappen- oder halbmond- förmig ein fremdartiges Gebilde aufsitzt, im übrigen der ganze Zell- leib mit Dottermassen erfüllt ist. Ich kann auch diese Wandlungen an Hand genauester und zahlreicher Beobachtungen hier schildern und möchte dabei auf die mit sehr starken Vergrößerungen gezeich- neten Fig. 10—13 verweisen. Besonderes Interesse müssen uns stets die Eipartien gewähren, wo an der Grenze von dotterfreier 28* 426 } H. Bluntschli und dotterhaltiger Zone neue Dotterbildung zu erwarten ist. Darüber orientiert uns Fig. 10 und die nur ein Detail desselben Schnittes in größerem Maßstab wiedergebende Fig. 11. In dem leicht getönten Ooplasma erscheinen scheinbar vollständig homogene Fädehen, die sich bei ausgiebigem Gebrauch der Mikrometerschraube als recht lange Gebilde (Fig. 12) erkennen lassen. Sieht man sie sich mit stärkeren Okularen genauer an, so wird es ersichtlich, daß ihre Konturen nicht scharf, sondern eigentümlich unregelmäßig erscheinen (Fig. 12), ein Zustand, der sehr für ihre Genese aus einzelnen Körn- chen (Mitochondrien) spricht. Öfters fallen rechts und links von jedem der braunroten Fäden helle Säume auf (Fig. 11), die ich für Alveolarsäume halten möchte. Möglich auch, daß sie ein rein op- tisches Symptom darstellen. Mehr nach außen, vom Keimbläschen peripherwärts, lassen sich die bald kleineren, bald größeren Dotter- elemente (teils Schnittbilder, teils verschiedene Altersstadien), zwischen ihnen wieder jenes leichtgetönte, aber im übrigen strukturlose Cyto- plasma und eine Anzahl schön geschwungener Chondriomiten er- kennen, die mit den Dotterkörpern nie in direkten Kontakt treten, durch ihre Lagerung aber doch ihre Bedeutung für den Prozeß der Dotterbildung erkennen lassen. Untersuchen wir endlich eine ganz periphere Partie des Eichens, so werden wir dort nur schön runde große Dotterkugeln eingelassen in das mehrfach beschriebene homo- gene Ooplasma finden und in dem letzteren da und dort braunrote Körnchen, meist in Häufchen oder Reihen gelagert, antreffen. Daß diese nichts andres als wieder in ihre Elemente zerfallene Chon- driomiten (jetzt also Mitochondrien zu nennen) darstellen, werden wir bei der Schilderung der Prozesse der vierten Periode alsbald kennen lernen. Noch sei auf eine Veränderung in der Färbbarkeit der Fädchen- gebilde hingewiesen. In der ersten und zweiten Periode fanden wir sie als schön safraninophile, rein rote Körnchen oder Fädchen, in der dritten Periode (Fig. 24, 25, 26) haben sie einen mehr braun- roten Ton angenommen und sind, anscheinend weil sie durch An- lagerung aneinander länger und breiter wurden, trotzdem viel auf- fälliger und deutlicher sichtbar geworden. Das kann vielleicht auf eine Änderung ihrer chemischen oder physikalischen Zusammensetzung hindeuten, es kann aber auch vielleicht nur deshalb so erscheinen, weil das etwas homogener gewordene Ooplasma und das durch- scheinende Grün benachbarter Dotterelemente eine Mischfarbe resul- tieren läßt. Daran zu zweifeln, daß diese Chondriomiten mit den er Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 427 früher beschriebenen chromatophilen Körnchen und feinsten Fädehen identisch sind und nur ein Umwandlungsprodukt derselben darstellen, liegt kein Anlaß vor. 4. Periode. Der Zerfall der Chondriomiten und der Bau des ausgewachsenen Ovarialeies. Was sich schon in der vorigen Periode in den peripheren Ei- partien nachweisen ließ, ein Zerfall der Chondriomiten in ihre Elementarkörnchen, in rücklaufender Reihenfolge also derselbe Prozeß, welchen wir in der ersten, zweiten und dritten Periode ver- folgen konnten, betrifft nunmehr die Chondriomiten auch in der Um- gebung des Keimbläschens.. Durch immer neue, reichliche Dotter- produktion, fortschreitend von der Peripherie gegen das Keimbläschen hin, sind diese Körnerfäden peripher immer mehr unterdrückt worden, so daß sie nur noch in der Nachbarschaft des Kernes in größeren Ansammlungen existieren (Fig. 13), sehen bei schwächeren Ver- srößerungen anscheinend noch homogen aus, lassen aber bei stär- keren doch schon das erkennen, was wir als einen körnigen Zer- fall bezeichnen müssen (Fig. 14) und indem die einzelnen Körnchen immer mehr auseinanderweichen, wird schließlich das Bild immer deutlicher (Fig. 15), bis sich zuletzt außerhalb der Kernmembran nur noch Ansammlun- gen basophiler Körnchen (Fig. 27) erkennen lassen. Auch all die einzelnen Chondriomiten, die wir zwischen den Dotterelementen im ganzen Ooplasma liegend fanden, haben diesen körnigen Zerfall erlitten, und in den Straßen der Plasmagrundsubstanz, die überall zwischen den Dotterelementen sich nach- Partie aus dem Ooplasma einer annähernd reifen Oocyte mit exzentrisch gelagertem weisen läßt, sind diese Körnehen auf- Kern. Carmin-Bleu de Lyon - Färbung. zufinden, öfters häufchenweise, so daß ui uh T Testazelle; Ch Chorion; KM Kernmem- schwächere Vergrößerungen dreizipflige bran; #7Mitochondrienhäufchen; DDotter- oder unregelmäßig gestaltete, gefärbte en Gebilde erkennen lassen. Textfig. 5 sucht dieses Verhalten so gut wie möglich darzustellen. Alles spricht dafür, daß diese Erscheinungsform die Folge einer Anlagerung der basophilen Körnchen an die Wände und Knotenpunkte der sekun- dären Plasmavacuolen (WıLson, 99) darstellt. 428 H. Bluntschli Mit Ablauf dieser Wandlungen hat das Ovarialei seine definitive Größe erreicht, und in diesem Zustand ist es im Eileiter leicht auf- zufinden. Es besteht also aus einem protoplasmatischen Wabenwerk mit eingestreuten großen Dotterkugeln und mit Anlagerungen baso- philer Körnehen (Cytosomen, Mitochondrien), welche besonders in der direkten Nachbarschaft des Kernes bald einen dunkleren Halbmond, bald eine kegelförmige Kappe in ihrer äußeren Begrenzung dar- stellend, sich in reichlicher Menge auffinden lassen und, wie ich nicht bezweifle, von mehr als einem Untersucher gesehen und als Dotterkern beschrieben wurden. . Zusammenfassung der Beobachtungen über das Verhalten des Ooplasmas und die Dotterbildung. 1. Periode. Das Ooplasma jüngster Oocyten ist homogen, sehr bald aber treten darin grobschollige Cytosomen auf, die sich mit Kernfarben intensiv färben, später in feinere Körnchen zer- fallen und sich zu feinsten, kurzen Fädchen aneinander- reihen. 2. Periode. Haben die Oocyten einen größten Durchmesser von 60—90 u erreicht, dann setzt eine Vacuolisierung des Plasmas in der Umgebung des Keimbläschens ein und in einzelnen dieser Vacuolen erscheinen die ersten deutlichen Niederschläge von Dottermassen. Damit hat die zentrale Dotterbildung ihren Höhepunkt erreicht, sie zessiert und offenbar bilden sich die erwähnten Erscheinungen bei weiterem Wachstum in den meisten Fällen wieder zurück. Dafür setzt nun eine peri- phere Dotterbildung ein. An einzelnen Partien des peripheren Ooplasmas weichen die kurzen feinen Chondriomiten zurück, es tritt eine glasige, kugelige Masse auf und in ihr erscheint bald der erste Dotter in Form eines oder mehrerer Tröpfechen. 3. Periode. Die vorhandenen Dotterkügelchen wachsen durch Apposition und zwischen ihnen treten neue, kleinere auf, die ebenfalls größer werden. In einer dotterfreien Zone um den Kern herum haben sich die kleinen Chondriomiten zu größeren, stärkeren Fäden zusammengelegt, bilden eine fädige Hülle um die Kernmembran und ziehen bis gegen das Chorion zwischen den Dotterelementen durch das Ooplasma. 4. Periode. Das ganze Ooplasma ist nun mit Dotterelementen erfüllt, nur in der Umgegend des Kernes sind noch kleinere, ee ne ns N 7 AT E ai Za Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 429 dotterfreie Partien und in ihnen finden sich die zusammen- gedrängten Chondriomiten. Diese erleiden nunmehr nach Ab- schluß der Dotterbildung, ebenso wie die oben erwähnten Fädehen, welche zwischen den einzelnen Dotterkugeln ge- lagert waren, einen körnigen Zerfall, der sehr bald in nichts mehr an Fädcehenbildungen erinnert. Im erwachsenen Ova- rialei endlich findet sich das ursprüngliche Ooplasma in Gestalt heller Straßen zwischen den Dotterniederschlägen, ihm sind da und dort einzelne oder gehäufte Mitochondrien angelagert. Die letzteren bilden gar nicht selten auch an der Außenseite der Kernmembran stärkere Ansammlungen. ec. Ergebnisse der Beobachtungen und Folgerungen. Mit Absicht habe ich von den Beobachtungen, die ich am reifenden Cynthienovarialei machen konnte, bisher nur eine rein beschreibende, genaue Schilderung gegeben. Es erübrigt mir nun- mehr, die Beobachtungen mit unsern bisherigen Erfahrungen zu vergleichen, das Wesentliche an den Vorgängen herauszuschälen und womöglich zu deuten. Dabei werden sich zwei Fragen in den Vordergrund stellen, die eine nach dem Wesen und der Bedeutung der »safraninophilen Substanz« im Ooplasma — ich wähle hier mit Absicht eine so all- gemein gehaltene Bezeichnung um bei einer späteren Deutung mög- lichst vielseitige Beziehungen ventilieren zu können — die andre darüber, ob zwischen der eben genannten Substanz und der Dotter- bildung eine Relation besteht und wie diese eventuell aufzufassen sei. Die eingangs gegebene Übersicht über die Ergebnisse früherer Untersuchungen an Ascidienmaterial hat uns manche Beobachtungen vermittelt, welche mit den unsrigen sehr wohl in Einklang zu bringen sind. Wir fanden, daß fast allen Untersuchern jene eigenartige ba- sophile (safraninophile) Körnchensubstanz aufgefallen war, dab FLODERUS dieselbe in späteren Stadien als hämatoxylinophiles Netz »einer körnigen oder fast fadenähnlichen Substanz« zwischen den Dotterkörnern wieder erwähnt!, wir erinnern uns, daß von DAVIDOFF nach Abschluß der Dotterbildung um den Kern und aus diesem ein eigenartiges körniges »Ergoplasma« entstehen sah, welches durch aktive Wanderung sich zwischen den Dotterkugeln verbreitete und 1 Auch JuLin 93a soll nach FLODERUS ähnliches EUnen haben. Ich konnte die Originalarbeit leider nicht erhalten. Er H, Biuntsehli schließlich das ganze Ei als feines Netzwerk durchsetzte. Alle diese Angaben klingen in gewissem Grade an unsre oben geschilderten Beobachtungen an; ob aber die Deutung derselben auch im Sinne jener Autoren ausfallen muß, ist eine andre Frage. Wesentlich neu erscheint mir der soeben durchgeführte Versuch, die safraninophile Substanz des Ooplasmas in all ihren Wandlun- gen beim Wachstum des Eies zu verfolgen. Dabei ergaben sich eigentümliche, synchronische Beziehungen zur Dotterbildung. Wenn die Körnchensubstanz für jene Forscher ein temporärer, offenbar un- wesentlicher Zellbestandteil war, so ist sie für mich ein dauerndes Organ der Ascidieneizelle und da ihre Struktur zu manchen Zeiten an entsprechende körnige Bestandteile andrer Gewebselemente er- innert, wird es sich bei der Frage nach ihrer Natur und Bedeutung lohnen, auf möglichst weiter Basis vorzugehen. Körnige Bestandteile im Cytoplasma sind seit der Entdeckung der tierischen Zelle beschrieben worden, aber bis heute ist es uns nieht gelungen, über die verschiedene Genese und Bedeutung dieser nicht gleichartigen Elemente volle Klarheit zu erlangen. Je nach der Wertschätzung, welche man dieser oder jener Protoplasmatheorie zuteil werden ließ, wurde ihnen eine geringere oder bedeutendere Rolle zugeschrieben. Erst elektive Färbungsmethoden haben uns dazu gebracht, den verschiedenen morphologischen Wert der Granula- oder Körnchengebilde mit zunehmender Sicherheit zu erkennen. Durch Eurricus Forschungen wurde das Gebiet der Sekretgranu- lationen mehr und mehr erschlossen, BEnpAs und PRENANTs Ver- dienst ist es, den Zellmikrosomen, soweit sie keine Sekretionser- scheinungen darstellen, größere Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, und ihre Beobachtungen lassen wenigstens einen gemeinsamen Schluß zu, daß wir in jenen weder Kunstprodukte noch akzidentelle Er- scheinungen, sondern mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein Primi- tivorgan der Zelle vor uns haben, das »für mannigfache funk- tionelle Differenzierungen des Zellleibes, besonders auch für motorische Organe, das Bildungsmaterial liefert«! (BenDA, 99, S. 7). Von gar vielen Autoren sind diese Körnelungen ge- sehen worden »wir werden nicht feblgehen, wenn wir in ihnen die Mikrosomen vAN BENEDENS, M. HEIDENHAINS und VON KOSTANECKIS die Plasmosomen ARNOLDs, besonders auch die Zone cortieale der Attraktionssphäre E. van BENEDENs wiederfinden« (BENDA, 99, S. 5) ı Im Original nicht gesperrt gedruckt. Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 431 und eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Ergastoplasma Buins, GARNIERS, PRENANTS steht außer Frage. Wenn trotz dieser zahlreichen verschiedenen Bezeichnungen für dieselben Gebilde (es käme noch der Name Cytosomen, den PRENANT anwendet, und wohl auch R. Herrwıgs Chromidialsubstanz hinzu) BEnpA die Nomen- klatur durch weitere Namengebungen bereichert, so hat er es, das sei unumwunden anerkannt, nur auf Grund exakter Methodik getan. — Gerade um Klärung zu schaffen, hat er eine elektive Färbungs- methode ausgebildet und definiert nun alles, was diese durch spe- zifische Färbung darstellt, als Mitochondria, die einzelnen Faden- körnchen als Mitochondrien, die aus ihnen entstehenden Körner- fäden als Chondriomiten. Die Namen sind recht günstige; wenn wir sie aber nur auf die Gebilde anwenden wollten, welehe durch die Bexpasche Tinktionsmethode tatsächlich als solche erkannt wur- den, würden wir der Wissenschaft wohl kaum einen sehr großen Dienst tun. Die Metkode BENDAs ist eine sehr umständliche und teilweise unbereehenbare, das Vorkommen der Mitochondria ein sehr allgemeines, ihre Erkennung durch einfachere technische Eingriffe, wie BEnDA selbst sagt, sehr häufig möglich — kurzum, wir werden zu dem Schluß geführt, daß BenxpAs technisches Vorgehen zwar in allen zweifelhaften, zweideutigen Fällen als ausschlaggebendes Mo- ment in Frage kommt, BEenpas Namengebung aber auch dort ange- wandt werden darf und muß, wo uns Vergleichsmomente zu gut fundierten Schlüssen berechtigen. Diesen Schluß möchte ich, nachdem auch andre Autoren in gleicher Lage so vorgingen, unbedenklich für die safraninophile Substanz des Cynthieneies ziehen. Wenn auch die Forschungen BEnDAs, MEves (00) u. a. sich in allererster Linie auf die Mitochon- dria in den männlichen Sexualzellen beziehen, so hat ersterer Autor doch selber mehrfach dieselbe Substanz in Wirbeltiereiern nachweisen können und sagt an andrer Stelle: »ich zweifle nicht, daß der größte Teil der bei Echinodermen, bei Nematodeneiern bekannten Körnungen, die an diesen Objekten teils ohne besondere Färbung (vAn BENEDEN), teils mit Eisenhämatoxylin (so besonders von KosTaAneckı) als Mikro- somen bereits beschrieben wurden, mit der Mitochondria identisch sind«e. Auch PrEnAnT zählt eine Reihe von Arbeiten auf, welche in Ooeyten ergastoplasmatische Bildungen — und es ist wohl kein Zweifel, daß in diesem Fall der Ausdruck Ergastoplasma dasselbe aussagt wie BEnDAs Mitochondria — nachweisen konnten. Was mir aber die Zugehörigkeit der basophilen Körnchen und Fädehen zur 432 H. Bluntschli Mitochondria oder dem Ergastoplasma beweist, das ist die charakteri- stische Erscheinungsform, die Wandlungen der Körnchen zu Körner- fäden und deren Zerfall zu Elementarkörnchen. In auffälliger Weise erinnert diese an die Genese des Spiralfadens im Wirbeltierspermium und ähnliche Beobachtungen an Hodenzellen und Spermatozoen. So glaube ich, daß ich auch ohne den Nachweis mit der BEN- paschen Elektivmethode — die ich an dem anders konservierten Material leider nicht anwenden konnte — die Zugehörigkeit der safraninophilen Substanz zur Mitochondria behaupten darf. Da- gegen sage ich mir selber, daß ohne die Spezialfärbungsmethode der innere Zusammenhang der Chondriomiten und Mitochondrien mit etwa präexistenten Plasmastrukturen, etwa der Filarmasse oder dem Waben- werk nicht aufzudecken ist — daß also dieser Teil meiner Unter- suchung lückenhaft bleibt. — Ist die Zugehörigkeit zur Mitochondria entschieden, dann kann es uns durch vergleichende Betrachtung vielleicht möglich sein, etwas über die Bedeutung und Aufgabe dieser Substanz im Ooplasma zu erfahren. Haben BEnDAs Spermienuntersuchungen diesen dazu ge- führt, in der chondriogenen Hülle, deren Bau und Anordnung übrigens innerhalb der einzelnen Tierklassen sehr verschieden gestaltet sein kann, vor allem ein motorisches Organ zu sehen, so ist PRENANT weitergegangen, indem dessen Ergastoplasma bei der Histiogenese zahlreicher funktioneller Zellstrukturen der verschiedensten Art den wesentlichen Faktor ausmachen soll. Für ihn stellen die mit Farb- lösungen tingierbaren Fädchengebilde, welche in Spermatoeyten als Archoplasmaschleifen und Nebenkern, in jungen Knorpel- und tätigen Drüsenzellen (Basalfilamente, fibres eytoplasmique) gefunden wurden, den stärksten Grad von Plasmadifferenzierung dar. Man wird mir, denke ich, zugeben, daß die Chondriomiten im Cynthienei ganz außer- ordentlich an die erwähnten Fädchengebilde in Drüsenzellen erinnern. Ähnliche mit Kernfarben tingierbare Fadenbildungen in Oceyten haben übrigens schon mehrere Forscher gesehen. MAD (97) beschreibt derartige um das Keimbläschen sich anschmiegende, nach außen mehr irregulär verlaufende Fäden vom Ei einer Annelide (C'hoeto- pterus pergamentaceus). Seine Abbildung ist leider recht schematisiert; immerhin kann man aus ihr und dem begleitenden Text entnehmen, daß diese Körnerfäden gegen die Eiperipherie in ein feinkörniges Plasmanetzwerk (offenbar so zu verstehen, daß sich feinkörnige Ge- bilde an ein achromatisches Plasmagerüst anlagern) sich fortsetzen. MEAD hält die Fäden für vorübergehende Bildungen und leitet aus Be Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia mierocosmus. 433 ihnen resp. dem chromatischen Plasmanetzwerk die Astrosphären und Centrosomen ab. GIarDINA (01) hat ähnliches gesehen. Zahl- reiche feine safraninophile Fädchen erfüllen das Ooplasma der Ei- und Nährzellen von Dytiscus, bilden um das Keimbläschen ein dichtes Geflecht und lösen sich gegen die Eiperipherie mehr und mehr auf. Es ist interessant, daß dieser Zustand sich gleichzeitig mit einem außerordentlichen Chromatinmangel im Keimbläschen und mit einer selbst morphologisch sehr deutlich nachweisbaren, reichlichen Nah- rungszufuhr von den Nährzellen zu den Oocyten findet (vgl. insbe- sondere Fig. 77—81). Über die Natur dieser Gebilde äußert sich GIARDINA nur sehr reserviert, betont, daß er niemals den Austritt chromatischer Bestandteile aus dem Kern ins Ooplasma gesehen habe, daß man aber vielleicht an einen Austritt gelösten Chromatins denken könne. Während er somit diese Frage offen läßt, glaubt Lusosch (02) sich zu dem Schluß berechtigt, daß die Safraninophilie des Ooplasmas durch Übertritt des Chromatins der Nährzellenkerne in die Eizellen sich ungezwungen und deutlich erklären lasse. Ich muß demgegenüber betonen, daß weder die Figuren noch die Angaben GIARDINAS für diese Folgerung irgendwelche Anhaltspunkte abgeben können, vielmehr alles dafür spricht, daß auch hier es sich um eine Differenzierung des Ooplasmas selber handelt. Und bemerkenswert vor allem ist es, daß diese Differenzierung gerade zu der Zeit ein- getreten ist, wo ein besonders reichlicher Nahrungszustrom erfolgt und jedenfalls eine außerordentliche Aktivität des Ooplasmas besteht (vgl. auch KorscHELrt (91) über diese Verhältnisse bei Dykscus). Wie in den Drüsenzellen eine erhöhte Tätigkeit des Protoplasmas sich in deren Auftreten von Fädchengebilden bemerklich macht und mit Abnahme der Sekretionsvorgänge deren Zahl wieder abnimmt, so müssen wir meines Erachtens aus dem Auftreten von Fädchen- gebilden in Oocyten unbedingt Rückschlüsse auf die Aktivität des Ooplasmas ziehen. Daß wir einen Zustand erhöhter Tätigkeit mit Recht annehmen können, das geben vor allem auch die zeitlichen Zusammenhänge zwischen den Umwandlungsformen der Faden- körnehen und den Vorgängen der Dotterbildung an die Hand. Wir sahen die Mitochondrien sich reichlich vermehren, bevor jegliche Er- scheinungen von Dotterbildung zu konstatieren waren, wir sahen sie mit dem Anftreten von Dotterelementen zu immer längeren Chondrio- miten zusammentreten, mit der Dotterzunahme in den peripheren Ei- partien, wo offenbar die Dotterbildung ihren Höhenpunkt erreichte, körnig zerfallen, in der zentraleren, dotterfreien Zone noch zahlreich 434 H. Bluntsechli auftreten, bis auch dort nach Beendung der Dotterbildung schließlich der Zerfall in die Elementarkörnchen einsetzte. Diese Tatsachen machen es wahrscheinlich, daß die Mitochondrien von Ein- fluß auf die Dotterbildung sein dürften. Wie man sich aber diese Wirkung vorzustellen haben wird, das wird vorerst nur ver- mutungsweise ausgesprochen werden können. Wir müssen festhalten, daß der Dotter stets eine Bildung des Protoplasmas im Eichen selber darstellt, daß aber die Zufuhr von Nährstoffen von außen her — in unserm Fall von seiten oder durch das Mittel der Follikelzellen — die wichtigste Vorbedingung zur Dotterbildung ist. Noch bis vor kurzem herrschte die Anschauung, daß der Prozeß der Assimilation der Nährstoffe und der Bildung von Dotterelementen (zum mindesten wenigstens der letztere) unter direktem Einfluß des Keimbläschens und weitgehender Beteiligung seines Chromatins vor sich gehe. Ge- wiegte Autoren wie BorN haben die Phase des Keimbläschenstadiums geradezu als gesteigertes Stadium der Kernruhe zum Zweck der Dotterbildung im Eileib erklärt. Die natürliche Folge dieser Auf- fassung war die Annahme einer Abgabe nucleinhaltiger Kernbestand- teile an das Oytoplasma. Man wollte diese in austretenden Nucleolen sehen, man erklärte die basophilen Körnchenbestandteile des Ooplas- mas als Produkte des Kernes, als Chromatinteilchen, welche in ge- löster Form den Kern verlassen und sich nachher im Cytoplasma wieder organisiert hätten, man kam dazu, in den sogenannten Dotterkernen, die sicher ganz verschiedenartige Bildungen darstellen, Elemente zu sehen, die dem Kern entstammen sollten — und heute kann man ruhig sagen, daß der größte Teil aller dieser Annahmen und Folgerungen direkt widerlegt worden ist, daß vielleicht vereinzelt Austritte von Kernbestandteilen vorkommen, ein regelmäßiger Vor- gang dieser Art aber nicht besteht, und wir aus all den oben zitierten (und zum Teil auch durchaus glaubwürdigen) Beobachtungen, wie LugoscH (02, S. 774) es ausspricht, nichts andres schließen können, als »daß lebhafte Stoffwechselvorgänge zwischen Keimbläschen und Eileib sich wechselweise vollziehen«. | Wenn somit LuBoscH, gestützt auf diese negativen Erfahrungen und andrerseits auf die Tatsachen, welche ihm geradezu eine aktive Tätigkeit des Keimbläschens bei der Dotterbildung auszuschließen schienen — wie die meist periphere Entstehung der ersten Dotter- elemente und die Inkongruenz zwischen dem Zustand des Kernes und dem Grade der Dotterbildung —, 1902 (a) dazu kam, die Dotter- bildung als einen vom Kern ziemlich unabhängigen Prozeß zu be- Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 435 zeichnen, den Kern selber als ernährungsbedürftig zu erklären und das Keimbläschenstadium als eine »Anpassung an veränderte bio- logische Momente seiner Umgebung, zum Schutze, zur Erhaltung und zur Ernährung seiner Erbmasse« zu definieren (02 b, 8. 775), so z0g er damit nur die notwendige Konsequenz aus den bisherigen For- schungen, welche eben das Gegenteil nicht beweisen konnten. Man muß zugeben, daß eine Reihe von Tatsachen bei näherer Überlegung sehr für LugoscHs Auffassung, die übrigens in der älteren Literatur wenn auch nieht direkt ausgesprochen so doch in umschriebener Form schon zu finden ist, zu sprechen scheint — wir werden bei Bespre- chung des Keimbläschens von Cynthia sehen, daß auch hier eine zeitliche Koinzidenz zwischen dem sogenannten Synapsisstadium und der Dotterbildung nicht immer besteht —, sie ist wahrscheinlicher ge- worden, dadurch, daß unabhängig und kurz vor ihm LECAILLON (01) zu ähnlichen Resultaten gelangte, und hat endlich eine mächtige Stütze dureh die ungemein interessanten Angaben R. HERTWwIGS (02) über die Kernplasmarelation im allgemeinen erhalten. Der von diesem Forscher erbrachte Nachweis von chromatinähnlichen Sub- stanzen (Chromidialsubstanz) im Zellleib von Protozoen und die gut fundierte Folgerung, daß auch im Metazoenprotoplasma chromatische Brocken enthalten sein müßten, erwiesen sich als bedeutungsvoll. Er selbst sprach als solche chromatinähnliche Substanzen die baso- ‚philen Körnehen in tierischen Eizellen direkt an und seine Anschau- ungen gipfeln in den Sätzen: »Es kann kein Zweifel bestehen, daß das Chromatin aus dem Protoplasma stammt«. »Wir kommen mit den geäußerten Vermutungen zu einer bestimmten Vorstellung von den zwischen Kern und Protoplasma bestehenden Wechselwirkungen. Wir können dieselben so fassen, daß unter der Einwirkung des Kernes Teilchen vom Protoplasma abgespalten werden. In der Fort- pflanzungszeit der Zellen werden diese Teilchen dem Kern zugeführt und dienen zu seiner Ernährung, zur Vermehrung seines Chromatins. Es ist aber höchst wahrscheinlich, daß derselbe Spaltungsprozeß auch bei allen formativen Leistungen der Zelle eintritt, wenn Verdauungs- säfte oder histologische Differenzierungen gebildet und Schäden oder Defekte ausgebessert werden sollen.« Wenn wir nun bedenken, daß das genauere Studium der Mito- chondria Beziehungen zu dieser chromatinähnlichen Substanz —- viel- leicht würde man sie am besten im Gegensatz zum Karyochromatin als Plasmachromatin bezeichnen, wobei beide Ausdrücke natürlich nur morphologische oder topographische Relationen, nicht chemische 436 H. Bluntschli Eigenarten ausdrücken — ergeben hat, daß sie BEenpA (99) im Pro- tozoenzellleib nachweisen konnte, daß er beim Studium in Mitose begriffener Spermatocyten der Coleoptere Blaps sogar deutliche Zeichen einer Sondermitose der Mitochondria (BENDA, 03, Taf. I Fig. 4) fand, daß die Mitochondria ganz zweifellos bei »allen formativen Leistungen der Zelle« eine Rolle spielt — dann wird es recht naheliegend, die Mitochondria mit R. HerrwIgs Chromidialsubstanz in Parallele zu setzen. Diese Auffassung kommt jedenfalls den realen Verhältnissen näher als PrEnANTs Ableitung des »Plasma superieur« (wozu nicht nur Ergastoplasma, sondern auch Kinoplasma und Archoplasma ge- rechnet werden) vom Kern direkt. Daß bei Anwendung der BENDA- schen Methode die gesonderte Färbbarkeit der Mitochondria gegenüber dem Kernchromatin — mit dem sie ja sonst die meisten Farben- reaktionen gemein hat — keineswegs die geäußerte Anschauung ausschließt, ergibt sich sofort, wenn wir bedenken, daß das soge- nannte Chromatin bisher trotz vieler Versuche sicherlich nicht mit einer chemisch wohl charakterisierten Substanz identifiziert werden konnte, sondern daß verschiedene Nucleine eine Affinität zu Safranin und andern sogenannten Kernfarben aufweisen, Nucleinsubstanzen, sogenannte Paranucleine, aber durch KossEL (86) auch im Ooplasma nachgewiesen wurden. So würde also die Mitochondria ein Ergastoplasma im wahren Sinne des Wortes darstellen; ihre Tätigkeit im Plasma der Drüsen- zellen ist es, welche die Sekretionsvorgänge bedingt, ihr Produkt würde also auch der Dotter darstellen. BEnpA sah aber, so wird man mir entgegnen, in ihr bisher vor allem ein Organ motorischer Leistungen, wies ihre Beteiligung an den Wimperorganen und dem Spiralfaden der Spermien nach, gewiß Bildungen, die sich mit den obigen nicht vergleichen lassen. Demgegenüber sei betont, daß von BEnDA selber Befunde an Drüsenzellen herrühren, und daß er selber es ausspricht: »Auch die Befunde während der Mitose sowie an Drüsenzellen (Nierenepithel, Fußzellen des Hodens) stehen in keinem Widerspruch zu jener Deutung«. Auch für die Tätigkeit der Mitochondria im Ooplasma ist eine motorische Leistung a priori ganz gut anzunehmen, man darf hierbei nur nicht einen zu speziali- sierten Sinn in die Worte hineinlegen. Vielleicht hat sie Beziehung zum Transport der Nährstoffe, dafür scheint mir GIARDINA (01) einige 1 »Mit den motorischen Leistungen der Zelle in einem prinzipiellen Zu- sammenhang.« >»Sitz der motorischen Kraftleistung.«< BENDA, 99, S. 8. | Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 437 Belege erbracht zu haben, vielleicht zu den Mischungs- und Be- wegungsvorgängen der Ooplasmagrundmasse, vielleicht aber auch kommt ihr eine chemische, mehr fermentative Aufgabe bei der Dotter- ausfällung zu — kurzum, diese Fragen sind einer Lösung noch sehr bedürftig, was wir wissen ist außerordentlich wenig und der Speku- lation bleibt ein nur zu großer Spielraum. Auch die Fadenkörner selber müssen in gewissem Grade beweglich sein; daß sie sich zu Fäden ordnen, die Fäden selber bei Ansammlung der Sekrete oder Dottermassen an die Zellbasis resp. die Kernperipherie zusammen- rücken — das alles spricht dafür. Aber wie im einzelnen dieser Prozeß sich abspielen dürfte, ist uns vorläufig ein vollkommenes Rätsel. Das aber halte ich für sicher feststehend, daß die Mitochondrien des Ooplasmas, nicht wie es frühere Forscher annahmen, aus dem Kern ausgewanderte Gebilde sondern echte Differenzierungen des Plasmas, Plasmosomen im Sinne J. ARNOLDSs, darstellen. Außer den bereits angeführten Gründen sprechen hierfür die von BEnDA ge- machten Funde von Mitochondrien in Follikelzellen, und die schönen Chondriomiten im Corpus luteum von Säugern (REGAuD und PoLi- CARD, 01). Gerade diese Befunde aber zeigen meines Erachtens ziemlich deutlich, daß die Aufgabe der Mitochondria in der Eizelle keine chemische, jedenfalls keine rein chemische sein kann — sonst müßten wir eine verschiedene Qualität der einzelnen Körnchenmassen in verschieden differenzierten, wenn auch genetisch gleichwertigen Zellen annehmen — sondern zeigen, daß ihre Aufgabe wohl mehr im Sinne BENDAs eine motorische sein dürfte. Das starke Auftreten der Mitochondria bei der Dotter- bildung scheint also mehr der Ausdruck einer physikalisch bedingten Plasmaorganisation als der eines chemisch be- deutsamen Körpers zu sein, und der Ausgangspunkt, der doch wohl als durch Fermentwirkung entstandenen Dotterniederschläge, bleibt vorerst ungewiß. Wir erinnern uns jetzt an die oben $. 422 beschriebene Einleitung einer zentralen Dotterbildung und es ent- steht die Frage, ob diese vielleicht unter dem Einfluß des Keim- bläschens zustande gekommen sein könnte, weil sie in so auffälliger Weise lokalisiert erscheint. Daran könnte man sehr wohl denken, besonders wenn man den Beobachtungen und Deutungen HAECKERS! folgt, welcher gewisse Niederschläge im Ooplasma als Stoffwechsel- 1 Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XLV. 438 H. Bluntschli produkte des Kernes betrachtet, die in gelöster Form den letzteren verlassen haben. Aber irgendwelche Beweise für eine solche Mög- lichkeit fehlen — ich möchte daher von einem kardinalen Unter- schied der zentralen und peripheren Dotterproduktion nicht sprechen und die Frage, ob die erstere einen vom Kern direkt abhängigen Prozeß repräsentiert, offen lassen. Überblicken wir jetzt nochmals die Resultate, welche sich uns betreff der Dotterbildung ergaben, so müssen wir das Ergebnis dahin zusammenfassen, daß von den morphologisch wohl charakterisierten Bestandteilen des Ooplasmas vermutlich ebenso wenig die Dotter- bildung ausgelöst wird, wie von seiten direkter Beteiligung des Keimbläschens. So müßten wir in dem farblosen Ooplasma selber den dotterbildenden Faktor suchen. Ihn dort aufzufinden, wird viel- leicht dem Physiologen eher als dem Morphologen gelingen. Einem vorhin zitierten Satz R. HERTWIGs war zu entnehmen, daß dieser Autor in den basophilen Körnchen Zellbestandteile sieht, welche in der Fortpflanzungszeit dem Kern zur Nahrung, zur Ver- mehrung seines Ohromatingehaltes dienen. Meine Untersuchungen haben dafür keinen einzigen Anhaltspunkt ergeben, ebensowenig wie ich die Mitochondrien als solche etwa im Protoplasma allmählich untergehen und degenerieren sah. Beide Möglichkeiten bleiben aber bestehen, da es bei diesen feinen Gebilden einfach ein Ding der Unmöglichkeit ist, eine allmähliche, partielle Lösung etwa zu kon- statieren. Wie sie aber Differenzierungen des Protoplasmas dar- stellen, so könnten sie natürlich ebensogut wieder im Plasma in Lösung gehen. Aber — das sei festgehalten — ein Überwandern von Fadenkörnern vom Plasma in den Kern, von Follikelzellen ins Ooplasma oder der Austritt von Kernbestandteilen ins Ooplasma konnte auch nicht ein einziges Mal konstatiert werden. Verschiedene Autoren haben in Ascidieneiern Dotterkerne, Intra- vitellinkörper und ähnliche Gebilde beschrieben. Ich konnte solche Bildungen nicht beobachten und möchte darum hier auf das so um- fassende, aber noch so völlig ungeklärte Kapitel Dotterkern nicht näher eingehen. Es wird in der vergleichenden Histologie nicht viele Abschnitte geben, die noch so wenig geklärt sind und dem so hete- rogene Gebilde untergeordnet werden wie gerade diesem. Bloß referierende oder rein kritische Besprechungen sind deshalb nicht am Platz — umfassende Untersuchungen an möglichst vielseitigem Tl Fass Wise rc Beobachtungen am Ovarialei der Monascidie Cynthia microcosmus. 439 Material unter Heranziehung der modernen Fixierungs- und Spezial- färbungsmethoden (z. B. Benpas Mitochondriamethode) sind hier sehr vonnöten — erst dann wird eine) allmähliche Läuterung zu er- warten sein. Vorerst aber muß die Bezeichnung Dotterkern oder Dottermatrix (resp. ähnliche) für die Gebilde reserviert bleiben, welche wenigstens in ihrem Färbungsverhalten an Kerngebilde Anklänge zeigen. Be- dauerlich aber ist es, wenn dieselbe Bezeichnung ohne weiteres auch auf Gebilde, die ganz andre Farbenaffinität haben, angewandt wird. Das kann die schon vorhandene Verwirrung nur noch größer machen. So kann ich mit bestem Willen nicht einsehen, warum ÜRAMPTON (99) die erste, zentrale Dotterbildung mit solchem Namen belegt. — Daß einzelne Autoren auch ähnliche Bildungen wie die Mitochondrien- ansammlungen auf Fig. 26 und 27 den Dotterkernen zurechneten, ist mir bei Durchsicht der Literatur mehr als einmal sehr wahr- scheinlich geworden; andre wie FOOT und STROBELL (02) scheinen basophile Körnchen dem Archoplasma zuzuzählen, die wohl auch eher zur Mitochondria gehören. B. Das Keimbläschen. Die genauere Struktur des Keimbläschens zu erforschen, ist in den letzten Jahrzehnten, namentlich beeinflußt durch die Vererbungs- theorien, die Aufgabe ungemein zahlreicher Forschungen gewesen. Je mehr man in das Gebiet eindrang, als um so verwickelter wurden die tatsächlichen Verhältnisse erkannt, um so vielseitiger war aber auch die Deutung. Es liegt nicht in meiner Absicht, auf diese Schlüsse und die ihnen zugrunde liegenden objektiven Befunde hier näher einzugehen, vielmehr beschränke ich meine Aufgabe bei der Schilderung des Keimbläschens für jetzt darauf, die gerade be- treffs der Aseidieneier keineswegs sehr genauen und vollständigen Angaben der Literatur (insbesondere FLopErus und BANCROFT) in kurzer Beschreibung soweit möglich zu ergänzen. Je zahlreicher die tatsächlichen Angaben werden, um so eher lassen sich Schlüsse allgemeinerer Natur ziehen; vorerst fehlen hierzu vielfach noch die nötigen Grundlagen. In den allerjüngsten Oocyten enthält der rundliche, kleine Kern ein zartes, chromatisches Gerüst, dem einzelne größere Chromatin- schollen angelagert erscheinen. Solche sind auch in der Peripherie an der Kernmembran nicht selten sichtbar. Stets läßt sich schon auf den jüngsten Stadien ein rundlicher Nucleolus nachweisen. Von Morpholog. Jahrbuch. 32, 39 440 . — H. Bluntschli verschiedenartigem Chromatin (Oxy- resp. Basochromatin) ist in diesen Stadien (etwa Fig. 2 und 3 entsprechend) auch bei Differenzierungs- tinktion nichts zu bemerken. Allmählich mit dem Auftreten und der Vermehrung der grob- scholligen, basophilen Cytosomen im Ooplasma ändert sich die Er- scheinung des Kernes. Jetzt wird ein sehr zartes, oxychromatisches Netzwerk aus feinen Fädchen bemerkbar, das nur ganz spärlich in den peripheren Kernpartien noch Chromatinbrocken angelagert ent- hält (Fig. 21). Dagegen sammeln sich die einzelnen basochroma- tischen Körnchen mit Vorliebe in der Umgegend des (oder seltener der beiden) großen, rundlichen, sich mit sogenannten Kernfarben intensiv färbenden Nucleolus und werden, ähnlich wie es GUENTHER (03) am Echinodermeneikern sah, offenbar allmählich von demselben aufge- nommen; wenigstens resultieren zur Zeit der feinsten Mitochondrien im Ooplasma Bilder, wo es unmöglich ist, außerhalb des (resp. der) Nucleolus basochromatische Bestandteile im Kern zu finden. Die Figuren 6@4 und 16 zeigen solche Stadien. Alles Basochromatin ist, wie eine Kontrolle der fortlaufenden Serienschnitte ergibt, in den Nucleolen resp. bei Fig. 16 in einem exzentrischen Nucleolus aufge- speichert, während im übrigen ein zartes, oxychromatisches Geflecht- werk den ganzen übrigen Keimbläscheninhalt erfüllt. Es sind vor allem zwei Beobachtungen, die diesen ersten Synapsiszustand besonders interessant erscheinen lassen. Einmal war er in allen den Fällen typisch ausgeprägt, wo die Mitochondria des Ooplasmas in der Umgebung des Keimbläschens diehtere Anordnung und zum ersten Male scharf ausgeprägte Fädchenstruktur zeigte (Fig. 6a, ver- gleiche auch S. 421), das läßt, wie ich schon früher andeutete, ver- muten, daß das Keimbläschen vielleicht einen gewissen auslösen- den Einfluß auf die Bildung und Wandlung der Fadenkörnchen aus- übt (Herrwig, 021), zum andern fanden sich in solehen Keimbläschen zum ersten Male Andeutungen von sogenannten zusammengesetzten Nucleolen. Fig. 16 zeigt einen solchen Nucleolus mit peripherem, farb- losem Ring und einem basochromatischen Zentrum, — aber auch die umgekehrten Bilder mit basochromatischem Ring und farblosem oder undeutlich gefärbtem Zentrum waren auf denselben Schnitten in gleichaltrigen Oocytenkernen hier und da zu finden. Das spricht jedenfalls dafür, daß es sich bei diesem Färbungsverhalten nicht nur um verschieden starke Farbenextraktion bei der Differenzierung, ! Siehe das Zitat auf S. 435 vorliegender Arbeit. Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia microcosmus. 441 sondern tatsächlich um eine verschiedene Färbbarkeit der Nueleolar- substanz handelt. Der eben geschilderte Zustand des Keimbläschens scheint ver- schieden lang dauern zu können. Manchmal war er noch erhalten, wenn bereits die zentrale Dotterbildung einsetzte; so zeigt Fig. 22 außer einem kleinen, peripheren Nucleolus und einem zweiten, der von dem Schnitt nicht getroffen wurde, beinahe noch den geschil- derten Synapsiszustand, indem nur ganz minimale Basochromatin- stäubehen sich in dem oxychromatischen Kerngerüst nachweisen lassen. In den meisten Fällen (Fig. 7—9) ist schon vor dem Er- scheinen der ersten Dotterniederschläge neben den basophilen Nucle- olen eine Anzahl basophiler Körnchen zu finden. Dabei hat auch die oxyphile Kernmasse den Charakter von einem zarten Gerüstwerk abgelegt und erscheint nunmehr in Form unscharf konturierter Straßen (Fig. 8) oder Netzstränge, welchen die basophilen Chromatin- bröckehen angelagert sich finden. Mehr und mehr werden die baso- chromatophilen, extranucleolären Brocken oder Schollen größer, nehmen rundliche oder ovale Gestalt an und können nun gar nicht selten zu Reihen aneinandergelagert (Fig. 24) gefunden werden. In einzelnen Nucleolen treten jetzt bisweilen stärker lichtbrechende, basophile, bald exzentrisch gelagerte, bald mehr zentral sich findende Körn- chen auf, doch muß betont werden, daß einheitliche basochromatische Nucleolen viel zahlreicher als jene Erscheinungsformen sind. In der Periode reichlicher Dotterzunahme gewährt die Struktur des Keimbläschens kaum größeres Interesse (Fig. 10, 13—15 und 26), dagegen ist es interessant, daß an Oocyten, welche scheinbar ihre definitive Größe erreicht haben, nochmals ein ausgesprochener Sy- napsiszustand zu konstatieren war. Auch hier (Fig. 17) durchzog eine feine, oxychromatophile Masse das rundliche Keimbläschen, die- weil in peripherer Lage seltener ein, meist zwei bis drei auffallend kleine, öfters geschichtete Nucleolen zu sehen waren. An gleich großen Eiern hatten aber andre Keimbläschen die Struktur der Fi- guren 19, 20 und 28 und ich bin mir nicht ganz klar geworden, ob diese Stadien Vorläufer des zweiten Synapsisstadiums darstellen oder als spätere Erscheinungsformen des Keimbläschens anzusehen sind. Es sei betont, daß sowohl die letzteren, als die Synapsisbilder an direkt nebeneinanderliegenden Ooeyten aufgefunden wurden. Da an Eiern, welche sich auf den Ovarialschnitten als frei im Ei- leiter liegend erwiesen, ähnliche Kernstrukturen wie auf Fig. 28 zeigten, möchte ich erstere Annahme für die wahrscheinlichere 29* 442 H. Bluntschli halten. Über das Verhalten des Kernes bei der Bildung der Chro- mosomen und über die Reduktionsteilungen selber konnte ich keine Beobachtungen machen. | Die Kernmembran ist während aller Wandlungen des Keim- bläschens stets deutlich zu verfolgen und zeigt in älteren Oocyten oft jene starke Fältelung, die schon von DAvıpDorF und BANCROFT erwähnten (Fig. 19, 20, 27 und 28), ich muß aber gestehen, daß ich in diesem Verhalten keinen Zustand, wie er im Leben vorkommt, erkennen kann, sondern vielmehr vermuten möchte, daß es sich um einen durch die Behandlung bedingten Artefakt handelt. Daß das Keimbläschen in diesem Alterszustand der Oocyten der Peripherie stark genähert ist und, wie es die Fig. 19 und 20 zeigen, in di- rekte Berührung selbst mit Testazellen gelangt, ist eine Beobachtung, die mit der Lagerung des Kernes im nahezu reifen Ovarialei nach zahlreichen Angaben der Literatur vollkommen übereinstimmt. Schließlich seien noch Bilder erwähnt, die auf den ersten Blick an eine amöboide Beweglichkeit des Keimbläschens denken lassen. Obgleieh ich diese Auffassung längst aufgegeben habe, den Zustand vielmehr als einen künstlich durch die Fixierungsmittel hervorge- rufenen ansehe, habe ich eine Abbildung von einem derartigen Ob- jekt in Fig. 18 gegeben, weil ich glaube, daß ähnliche Beobachtungen es waren, welche einzelne frühere Autoren vielleicht zu der An- nahme von Kernsprossungen und Kernabschnürungen und damit zur Lehre einer karyogenetischen Abstammung der Testazellen geführt haben dürften. Die eigenartige, homogen erscheinende Ooplasma- partie, die den Kern umgibt, zeigt aber wohl zur Genüge, daß es sich hier weder um eine natürliche amöboide Beweglichkeit des Kernes noch um eine normale Erscheinungsform desselben überhaupt handeln kann. Meinem hochverehrten Chef und Lehrer, Herrn Geh. Hofrat Professor Dr. M. FÜRBRINGER, möchte ich auch an dieser Stelle für die freundliche Anteilnahme an meinen Untersuchungen und die mehrfachen guten Ratschläge meinen tiefgefühlten Dank aussprechen. Heidelberg, 23. März 1903. Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 443 Literaturverzeichnis'. 1) BANCROFT, F. W., Ovogenesis in Distaplia oceidentalis with remarks on other species. Bull. Mus. Comp. Zool. at. Harvard Coll. Vol. XXXV. pag. 57—111. Taf. I—VI. 1899. 2) BEenpa, C., Über die Spermatogenese der Vertebraten und höherer Everte- braten. Verhandlungen der physiol. Gesellschaft Berlin. 1897/98. 11. 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ER Fest PEN 1e’n ı rn ne rag v Wilhelm Engelmann in leipzig Een Een y H-Blimtschli gez Veraov | L Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 447 4 mm mit Komp.-Oe. 4, für die Fig. 8, 10, 13, 15 und 16 die Apochr.-Immersion 2 mm mit Komp.-Oc. 4 und für die Fig. 11, 12 und 14 dieselbe Immersion mit Kompensation-Ocular 12 benutzt. Die teilweise verschieden lautenden linearen Vergrößerungen, welche bei gleichen angewandten optischen Systemen erzielt wurden, rühren von verschiedener Einstellung der Zeichentischhöhe her. Folgende Abkürzungen gelten für alle Figurenbezeichnungen: CH Chorion, S.P.E Fixierung mit Sublimatpikrin- F Follikelzellen, essigsäure, KM Kernmembran, Fi Fixierung mit schwacher FLEMMING- T Testazellen, scher Lösung. Tafel IX und X, Fig. 1. Übergangspartie des Cilienepithels (CZ) des Eileiters in das Platten- epithel (PE) der Ovarialhöhle. Unter dem Epithel das lockere Meso- dermgewebe (Plerom BournEs, 03). 8.P.E Hämatoxylineisen nach M. HEIDENHAIN — Orange-Fuchsin. Fig. 2. Keimepithel mit kleinsten Oocyten O (Oogonien? vgl. Text S. 403), und Follikelzellen (F), J.E indifferente Partie des Keimepithels, $8.P.E Färbung wie Fig. 1. Fig. 3—5. Junge Oocyten. $.P.E Färbung wie bei Fig. 1. Fig. 6. Oocyte, bei welcher sehr deutlich die groben basophilen Körner (Mito- chondrien) im Zellleib kenntlich sind. $S.P.E Färbung wie oben. Fig. 6a. Oocyten mit dem abgekürzten Modus (vgl. Text $. 421) der Mito- chondrienumwandlung. Während in den peripheren Eipartien nur grobe resp. feinere Körnchen sich finden, haben sich in der Umgebung des Keimbläschens die Mitochondrien zu Chondriomiten aneinander- gereiht. Die größere Ooeyte zeigt den Proceß im Ooplasma der klei- neren in gleichsam fortgeschrittenerem Stadium. Das Keimbläschen enthält bei beiden Oocyten eine zart-faserige Grundmasse aus Oxy- chromatin und alles Basochromatin in Nucleolen aufgespeichert (erster Synapsiszustand). 8.P.E DELAFIELDs Hämatoxylin-Orange-Fuchsin. Fig. 7. Ooeyte mit zahlreichen feinsten und ganz kurzen Chondriomiten, um- geben von platten Follikelzellen. $.P.E Eisenhämatoxylin-Orange- Fuchsin. Fig. 8. Keimbläschen einer Oocyte von etwas größeren Dimensionen als die vorige, aber in gleichem Zustand des Plasmaleibes. Die Färbung mit DrrtArıeLpschem Hämatoxylin und Orange-Fuchsin tingierte den Nu- cleolus dunkelblau, fast schwarz, die zarten Netzzüge orange, die Chromatinflocken- auf den Netzstraßen violett (Mischfarbe) (8.P.E). Fig. 9. Oocyten mit der Follikelhülle.. 8.P.E sehr schwache Hämatoxylin- (DELAFIELD) Eosinfärbung. Fig. 10. Zentrale Partie aus einer Oocyte von 0,13 auf 0,12 mm mit ziemlich der Zellperipherie genähertem Kern. Die Chondriomiten sind sehr deutlich in der dotterfreien Partie des Ooplasmas um den Kern und zwischen den Dotterniederschlägen zu verfolgen. FZ Safranin-Licht- grün. Fig. 11. Stärker vergrößertes Detail von Fig. 10. Die Chondriomiten er- scheinen von zarten hellen Säumen begrenzt (Alveolarsäume? Waben- reihen?). 448 Fig. Fig. ig. 15. Fig. Fig. ig. 18. Fig. Fig. Fig. ig. 24. 13. 14 16. izle 22. H. Bluntschli Chondriomiten aus derselben Ooceyte mittels ausgiebigen Gebrauches der Mikrometerschraube, in ihrer ganzen Länge dargestellt. Partie aus einer Oocyte von 0,15 auf 0,1 mm mit exzentrisch gelager- tem rundlichen Kern. Die Chondriomiten sind gegen den Kern zu stark zusammengedrängt und erscheinen noch ziemlich scharf konturiert (vgl. folgende Figur), zwischen den Dotterkugeln (DX) (OD osmierter Dotter) sind hier und da einzelne Körnchen (Mitochondrien) sichtbar. F Follikelepithel (innere Schicht), darunter zwei Zellen der äußeren Follikellage. Die Follikelzellen im Zustand der Aktivität. 7' Testa- zelle, #7 Safranin-Lichtgrün. Detail der vorigen Figur bei stärkerer Vergrößerung, jetzt wird der begonnene körnige Zerfall der Chondriomiten leicht erkenntlich. Detail von einer Oocyte von 0,2 auf 0,15 mm Größe mit stärker vor- geschrittenem Körnchenzerfall der Chondriomiten. Das große ovale Keimbläschen enthält einen basochromatischen Nucleolus, zahlreiche ebenso sich verhaltende Chromatinschollen und spärliche oxychroma- tische Fäserchen. F7 Safranin-Lichtgrün. Oocyte von ähnlicher Größe wie die Oocyten von Fig. 6a. Kern im Synapsisstadium, oxychromatisches zartes Netzwerk, großer nur in seiner zentralen Partie basochromatischer Nucleolus.. 77 Safranin- Liehtgrün. Kern einer nahezu reifen Oocyte im zweiten Synapsisstadium. Ein zartes oxychromatisches Netzwerk erfüllt das ganze Keimbläschen, das sonst nur einen kleinen, geschichteten basochromatophilen Nu- eleolus erkennen läßt. F7 Safranin-Lichtgrün. Kern einer nahezu ausgewachsenen Oocyte, amöboide Beweglichkeit vortäuschend. Es handelt sich offenbar um ein Kunstprodukt (vgl. Text S. 442). Fl Safranin. . 19 und 20. Nahezu ausgewachsene Oocyten, mit der Eiperipherie genäherten Kernen. Kernmembran eigentümlich gefältelt, nach außen von ihr und auch zwischen den Dotterkugeln zahlreiche Mitochondrien als kleine gefärbte Körnchen erkennbar. Auf Fig. 19 enthält das Keim- bläschen einen geschichteten Nucleolus. Bei beiden Figuren stehen Testazellen in direktem Kontakt mit der Kernmembran. $.P.E Car- min-Bleu de Lyon. Junge Oocyte mit grobscholligen, basophilen Schollen im Cytoplasma. Fl Safranin-Lichtgrün. Ältere Oocyte. Im Zellleib zahlreiche feinste rote Strichelchen (kurze Chondriomiten), an einigen Stellen, vor allem in der Nähe des Keim- bläschens, zartgrüne Dotterniederschläge, die noch nicht organisiert erscheinen und jeweils mit einem hellen Hof umgeben sind. Das Keimbläschen enthält außer im Nucleolus nur minimale Mengen von basochromatischer Substanz, dagegen zahlreiche oxychromatische Ge- rüstfäden. F7 Safranin-Lichtgrün. Von der zentralen Dotterbildung ist nur in der Umgebung beider Kernpole noch etwas zu sehen, dafür hat eine periphere Dotterbil- dung eingesetzt. Die Fädchengebilde im Zellleib sind deutlicher ge- worden. Fl Safranin-Lichtgrün. Oocyte im Stadium der Testazellenbildung. Bei 7” tritt gerade eine Zelle aus dem primären Follikelepithel, bei 7’ Testazellen, die schon ihre Beobachtungen am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. 449 Färbbarkeit mit sauren Farben verloren haben und vereinzelte safra- ninophile Körnchen enthalten. Die Follikelhülle in sehr aktivem Zu- stand. Die Dotterbildung hat Fortschritte gemacht, auch hat sich die Natur einzelner Dotterniederschläge geändert, so daß sie jetzt durch Osmium geschwärzt werden. Um das Keimbläschen und zwi- schen den Dotterkugeln finden sich zahlreiche braunrote Fädchen- gebilde. F7 Färbung wie oben. Fig. 25. Oocyte von ähnlichem Verhalten wie in voriger Figur. Das Chorion hat sich ausgebildet, die Testazellen enthalten schon reichliche safra- ninophile Körnchen, der Dotterreichtum ist noch relativ geringgradig, darum sind die Fädchengebilde besonders deutlich sichtbar. Sie sind aber kürzer als in Fig. 24 (Schrägschnitt durch die Oocyte? vgl. Text S. 425). Fa äußere Follikelzelllage, F7 Färbung wie oben. Fig. 26. Ooeyte mit schon zahlreichen Dotterniederschlägen. Ein Teil der- selben bei x ausgefallen (Schnitt von 2 « Dicke!) An der einen Seite des Keimbläschens noch sehr deutlich entwickelte Chondriomiten, auch zwischen den Dotterkugeln sind noch hier und da solche erkennbar. Fl Färbung wie oben. Fig. 27 und 28. Oocyten, die wohl ihre definitive Größe erreicht haben dürften. Rundliches Keimbläschen mit gefältelter Kernmembran. Außerhalb derselben und in kleineren Häufchen (Dreizipfel) finden sich zahlreiche schön blau gefärbte Mitochondrien. Die Testazellen erscheinen ob ihres Gehaltes an basophilen Körnern ganz dunkel tingiert. $.P.E DELAFIELDsches Hämatoxylin-Eosin. : Fig. 29. Oocyte mit EnrLicH-BıonDıs Dreifarbengemisch gefärbt, um die aus- gesprochene Basophilie der Testazellen zu zeigen. $.P.E. Nachtrag. Während der Korrektur kam mir die vorläufige Mitteilung R. GOLDSCHMIDTS über den Chromidialapparat lebhaft funktionierender Gewebezellen?! zu Gesicht. Dieser Autor macht über die Chromidial- substanz, Mitochondria, oder wie man nun diese identischen Struk- turen nennen will, sehr interessante Angaben allgemeiner Natur. Seine Deutung der Fädchengebilde als allgemein-funktioneller Strukturen, d.h. solche, die sich »auf das Funktionieren der Zelle als solcher beziehen, Strukturen, die also von der spezifischen Funk- tion der Zelle unabhängig sind und nur mit dem Grade der Funk- tionsintensität zusammenhängen«, entspricht im wesentlichen auch dem Ergebnis der vorliegenden Arbeit. Allgemeinere Schlüsse, wie sie jetzt GOLDSCHMIDT zieht, waren bei der Spezialuntersuchung, die ich unternahm, naturgemäß nur in sehr geringem Grade zulässig. 1 Biolog. Centralblatt. Bd. XXIV. S. 241—251. 1904. 450 H. Bluntschli, Beobacht. am Ovarialei der Monaseidie Cynthia mierocosmus. Inhaltsverzeichnis. Seite Binleitain®. .. sn go näneiae in. > ae mrncheht Sorrinn a Ke e 391 Technische und orientierende Vorbemerkungen. . ... 2. 2 22 2 2 02. 393 a) Die Technik der Untersuchung. . ... 2.0... n 10, 2 nur Dr 393 b) Über die Entwicklung und Topographie des Ovariums. ...... 394 I. Die erste Entwicklung der Oocyten und das Schicksal der Eihüllen 400 Gesehiehtliche Übersicht. „=. m nu 2 oe 400 Eigene Beohachtungen ... .. :; e au. zu ae aema.on er os 402 a) Die Bildung des primären Follikelepithels ..... 2.2... 402 b) Die Bildung der mehrschichtigen zelligen Eihüllen. .. .. 404 c) Das Schicksal der zelligen Eihüllen . ...... 2.2.2... 406 II. Die, weitere Entwicklung der VDocyten . .. . . . „oc ss 416 A. Das Verhalten des Ooplasmas und die Dotterbildung. .... 416 a).Geschichtliche Übersicht... „ ...» “u. cum nn Mr 416 b) Eigene Beobachtungen. „2% sn 0m. Tee 419 1. Periode. Bis zum Auftreten der ersten Symptome von Dotterbildung . »...... 0 .u2= url. 420 2. Periode. Das Erscheinen von Vacuolen im Ooplasma und die ersten Dotterniederschläge . . -. 2.2. 2» „m. 422 3. Periode. Die reichliche Dotterproduktion. . .. 2»... 424 4. Periode. Der Zerfall der Chondriomiten und der Bau des ausgewachsenen Ovarialeies .. . . 2... um oe nis 427 Zusammenfassung der Beobachtungen . . . .».».. 2.2... 428 e): Ergebnisse und: Folgerungen ... ;....!% ui, .-gmde) Sram: 429 ‚B. Das Keimbläschen, . . o.-.2...u... 10 1a eu: ae 439 Literaturverzeichnis » u.a 2 2:0 0 @0m 0 0 na won, Se 443 Erklärung der Apbildungen .'.'. 2... 22 NUR 446 449 Nachtrag IE IB. BODEANE ORTSARI TUE 102 2 Das Kopfskelett der Amnioten. Morphogenetische Studien. (1. Fortsetzung.) Von Dr. A. Fleischmann, Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen. Nachdem ich im ersten Teile dieser Studien das gemeinsame Formgesetz des N für einige Gruppen der Amnioten durch meinen Schüler AYBEEckER habe darstellen lassen, veröffent- liche ich jetzt die Stilanalyse der Siebbeinregion der Säugetiere, welche mein Schüler W.”BLENDINGER unter meiner Leitung ausge- arbeitet hat. Um eine sichere Basis für den Vergleich zu gewinnen, habe ich von dem mir vorliegenden reichen Material je eine Art aus der Ordnung der Beuteltiere, Edentaten, Wiederkäuer, Raubtiere, Insektenfresser und Nager genau untersuchen lassen. So wurde es möglich, das Wesen des morphogenetischen Prozesses für den eri- bralen Abschnitt des Nasenschlauches zu erkennen und damit die Lücken der ersten Mitteilung zu beseitigen. In Anbetracht der Unter- suchungsschwierigkeiten und der zeitraubenden Rekonstruktions- arbeiten mußte ich meine Absicht aufgeben, die Fledermäuse und Affen in den Kreis der Betrachtungen einzubeziehen. Doch kann man im Verein mit den Untersuchungen anderer Forscher bereits ein einfaches Bild von dem morphologischen Bau der Cribralzone entwerfen. Ich lasse zunächst die tatsächlichen Befunde darlegen und werde hernach die früher erschienenen Abhandlungen besprechen. IH. Das Gribrum der Säugetiere. Von Dr. W. Blendinger, prakt. Tierarzt aus Gleisenau. Mit Tafel XI und XII und 6 Figuren im Text. Der Nasenschlauch der Säugetiere unterscheidet sich von dem gleichnamigen Organ bei den Sauropsiden durch die Kürze des Vor- hofs und die bedeutende Länge der Muschelzone. Die einzelnen Bestandteile der letzteren sind durchweg sehr groß. Die Choanen- öffnung an der später zum Ductus nasopharyngeus geschlossenen Gaumenrinne des Munddaches, sowie der Choanengang sind sagittal ausgezogen, ebenso wird die Aulax durch sagittales Wachstum eine langgestreckte Seitennische, der Muschelwulst sehr kräftig und meist sowohl dorsal wie ventral eingerollt. Am meisten charakteristisch aber ist die ungeheure Entwicklung des Sakters, welcher einen sehr bedeutenden Massenanteil am Aufbau der Muschelzone nimmt. Denn er ist sowohl dorsal, wie lateral, wie sagittal stark ausgedehnt und die dem Riechhügel der Vögel homolog erkannte Einbuchtung seiner lateralen Wand zwischen dem Gesimsgrat und dem Dorsalgrat ist zum Rhachiswulst, Nasoturbinale, geworden. Damit nicht genug wird hinter der Muschelzone ein stilistisch neuer, den Sauropsiden anscheinend durchaus fremder Abschnitt, die Siebbeinzone oder kurz- weg das Cribrum entwickelt. Da mein Kollege Dr. A. BEECKER, welcher die eben rekapitu- lierten morphologischen Merkmale zuerst klar ausgesprochen hat, aus äußeren Gründen die genauere Beschreibung des Cribrums unterlassen mußte, habe ich auf den Rat des Herrn Professor Dr. A. FLEISCH- MANN gern die Aufgabe übernommen, diese Lücke unsrer Kenntnisse W. Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere. 453 durch genaue Untersuchungen auszufüllen, und die Studien gerade da weiter geführt, wo Dr. BEECKER (2) sie abzubrechen gezwungen war. Bevor ich die Schilderung der neuen Resultate beginne, drängt es mich, an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer für die An- regung und die reich gewährte Unterstützung bei der Bearbeitung des schwierigen Stoffes meinen herzlichen Dank auszusprechen. Ebenso danke ich Herrn Privatdozenten Dr. E. ZANDER für die große Hilfe, welche er mir bei der Ausführung der technischen Arbeit zuteil werden ließ. 5. Allgemeine Charakteristik des Oribrums. Das Cribrum (Textfig. 1 Or), der hintere Teil des Nasenschlauches, hängt an der Muschelzone als ein Blindsack von etwa hufeisenförmigem Seitenprofil. Seine Existenz bedeutet einen wesentlichen Unterschied gegen den Stilcharakter der Sauropsiden, welche nur die Vorhofs- und Muschelzone ausgeprägt haben. Bei den Säugetierembryonen aber wächst die epitheliale Nasenwand caudalwärts in die Keilbeingegend hinein. So entsteht eine schmale, dem Nasenseptum parallel gerichtete Ausbuchtung, eben das Cribrum, welches über den der Muschelzone (Textfig. 1 Mz) angehörigen ChoanengangunddieChoane _. ' \ 2 Seitenansicht des linken Nasenschlauches vom Schwein. selbst nach hinten ragt. Nur Schematisiert. Das Cribrum und seine Seitensäcke mit der. Anfangsteil hängt mit Kunam en len dsl, dio Aschau dem Choanengang zusam- _schraffiert. Au Aulax; an äußere Nasenöffnung; Cy Cho- men, der, größere Teil des umEEi 9 Chase; 0 Onbrun: ar Dermierat; g Cribrums liegt als ventral ge- exibrum; Me Metacribrum; Pe Procribrum; + Rhachis. schlossene, wirkliehe Blind- Vgl. dazu ap Eu XXXI. Taf. XXIV bucht der Nase, an welcher die Äste des Nervus olfactorius sich ausbreiten werden, innerhalb des knorpeligen, bzw. knöchernen Skeletts unter dem Gehirn. Der ganze Nasenschlauch erhält dadurch eine charakteristische Gestalt; er erweitert sich vom äußeren Nasenloch ganz allmählich bis zur caudalen Grenze der Muschelzone und verengt sich von da bis zum eribralen Blindende in der Sphenoidalregion. Besonders deutlich ist diese Eigenschaft an dem Dorsalgrat (dg) und dem Fig. 1. 454 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Gesimsrand (gs) des Sakters abzulesen. Wenn man beide in ihrer ganzen Ausdehnung verfolgt, so sieht man sie caudal auseinander weichen, weil der Dorsalgrat schräg aufwärts gegen das Frontale steigt, das Saktergesimse lateral immer weiter von der Mediane ab gegen das Laerymale zieht und damit der dorsoventrale Abstand beider allmählich zunimmt. In der Region des Cribrums findet das Umgekehrte statt. Die schmale Dorsalwand fällt schräg gegen die Sphenoidalregion ab und die laterale Wand ist schräg medianwärts gegen das Septum geneigt. Darum wird der Nasenschlauch nach hinten eng und klein und man konnte sein caudales Ende lange Zeit gar nicht als Raum der Nasen- höhle, sondern als Sinus oder Keilbeinnische betrachten. An der hinteren Grenze der Muschelzone hat der Dorsalgrat und das Saktergesimse das höchste Maß der Divergenz, der zwischen beiden eingeschlossene Rhachiswulst (Textfig. 17) seine größte Breite und der Nasenschlauch seine größte Höhe erreicht. Hier beginnt das Cribrum verhältnismäßig hoch und verjüngt sich nach hinten. Man kann also die Muschelzone und das Cribrum zwei dreieckigen Schmalsäcken vergleichen, die mit ihrer Basis aufeinander stehen, deren Spitzen jedoch gerade entgegengesetzt, d.h. nach dem äußeren Nasenloch, bzw. dem Keilbein schauen. Freilich ist es schwer, eine ganz bestimmte Grenze beider Regionen anzugeben. Denn zwei typische Formencharaktere der Muschelregion greifen noch eine Strecke weit auf das Cribrum über, nämlich der Dorsalgrat und der Rhachiswulst des Sakters. Das Cribrum selbst ist frei von den stilistischen Merkmalen des Sakters und beginnt seine eigne Differenzierung vorzüglich durch Produktion lJateraler Ausstülpungen, der Cribralsäcke?! und pneumatischen Blasen oder Sinus. Im allgemeinen werden zwar sämtliche Formeigenschaften, welche die Komplikation des Nasen- schlauches im Stilkreise der Amnioten bedingen, durch Ausbuch- tungen der lateralen Wand eingeleitet, aber während die morpho- logischen Differenzierungen in der Muschelzone langgedehnten, schmalrinnenähnlichen bzw. wulstähnlichen Charakter tragen (man betrachte bloß am Modell des Schweines [2, Taf. XXIV, Fig. 36 und 37] die lange Aulaxnische, das noch längere Saktergesimse und 1 Statt des Ausdrucks >Cribraltasche«, welche BEECKER (2, 8. 601) ge- braucht, verwende ich aus später erhellenden Gründen die Bezeichnung »Cri- bralsack«. W. Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere. 455 den langen Rhachiswulst), fehlt dem Cribrum die Neigung für sagittal gestreckte Nebenräume. Seine lateralen Ausstülpungen entspringen an schmalen Stellen der Seitenwand, wachsen energisch lateralwärts, d. h. in transversaler und dorsoventraler Richtung. und besitzen außerdem die Eigenschaft, sich vielfach zu falten, so daß kleinere und größere Nebenräume entstehen. Die Ursprungsstellen der Seitensäcke an der lateralen Wand des Cribrums sind ferner dadurch charakterisiert, daß sie quer zur Längsachse des Nasen- schlauches liegen als länglich ovale Bezirke von fast vertikaler Richtung. In früher Embryonalzeit erscheinen, wenn auch nicht gleich- zeitig, drei Seitensäcke (2, Taf. XXIV Fig. 36 und 37), schräg hintereinander an der lateralen Wand geordnet und an Größe ent- sprechend ihrer Ursprungsstelle verschieden, weil ja die Ausdeh- nung des blind geschlossenen Cribrums caudalwärts mehr und mehr abnimmt. Darum ist der erste an der Grenze gegen die Muschel- region auswachsende Cribralsack der größte und der dritte dem Blindende des Cribrums benachbarte Sack am kleinsten. Im Inter- esse klarer Schilderung sind besondere Namen für dieselben er- wünscht; ich schlage vor, die drei Hauptseitensäcke nach ihrer Reihenfolge (Textfig. 1), den vordersten Procribrum (Pe), den mitt- leren Mesocribrum (Msc) und den hinteren Metacribrum (Mie) zu heißen. Zwischen je zwei Hauptsäcken sprossen später zwei weitere Seitensäcke hervor, so daß die Gesamtzahl der Cribralsäcke auf fünf erhöht wird. Die beiden intermediären Säcke entwickeln sich jedoch weniger stark, weil die drei primären Hauptsäcke ihnen den Raum beschneiden. Immerhin sind sie als Seitenräume des Cribrums wichtig und müssen durch besondere Namen unterschieden werden. Ich nenne den vorderen intermediären Sack, welcher zwischen Pro- eribrum und Mesocribrum eingeschoben wird, das Epicribrum und den hinteren intermediären Sack, welcher zwischen Mesocribrum und Metacribrum entsteht, das Paracribrum. Die typische Reihenfolge der Säcke an der Seitenwand des Cribrums wird kurz durch folgende Formel ausgedrückt: Proeribram + Epieribrum + Mesoeribrum + Para- eribrum + Metacribrum. Da die Cribralzone an dem Nasenschlauch eines Schweineembryos von 2,9 em Länge (2, Taf. XXIV, Fig. 37) ungefähr ebensogroß wie die Muschelzone ist, aber fünf Säcke in orocaudaler Reihe hintereinander bildet, so leuchtet es ein, daß deren in späterer Embryonalzeit erfolgendes Größenwachstum weniger Morpholog. Jahrbuch. 32. 30 456 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. sagittal als vielmehr dorsoventral und lateral geschehen muß (Fig. 1a und c, 11a, 15a und ce, 17a, 19a, 21a). Die meisten Figuren der Taf. Xl und XII, welche nach Rekonstruktionsmodellen photograpbhiert sind, zeigen die Cribralsäcke deutlich nebeneinander liegend und durch tiefe Einschnitte getrennt. Dadurch könnte beim Leser die Vorstellung erweekt werden, als bestünden solche trennende Räume in Wirklichkeit. Ich bemerke daher, daß die Modelle lediglich die l Ze Der hintere Teil der linken Nasenhöhle von einem 3/s Jahre alten Schwein. Die Nasenscheidewand und ein Teil des Nasoturbinale sind entfernt worden. I—VII erster bis achter Riechwulst; I’ pneu- matischer Raum im Stirnbein; sm die Öffnung in die Kieferhöhle; mt Maxilloturbinale; 7 Lamina transversalis. In dem Körper des Präsphenoids sieht man die Anlage der pneumatischen Höhle F', (Nach S. Paurzı, Morpholog. Jahrbuch, Bd. XXVIII, S. 198.) Epithelwand des Nasenschlauches, nieht aber deren mesodermale Stütze wiedergeben. Am natürlichen Objekt umhüllen dicke Meso- dermschichten das ganze Cribrum samt seinen Seitentaschen so innig, daß man die zierliche Modellierung seiner Wand gar nicht wahr- nehmen könnte, wenn man die epitheliale und bindegewebige Grund- lage ungetrennt studieren wollte. Der Leser muß sich also in sämt- lichen Furchen und Spalten zwischen den Cribralsäcken und ihren kleineren Buchten (Fig. 1a und c, 11a, 15a und c, 17a, 19a und W. Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere. 457 21a) solide, die Epithelwand der Hohlräume stützende Mesoderm- lamellen liegend denken. Ich will nun das Cribrum von der inneren Lichtung (Cribralhöhle) aus kurz betrachten (Taf. XI Fig. 15). Die Seitensäcke prägen näm- lich auch der Innenfläche der lateralen Cribralwand ein eharakteri- stisches Relief auf; genau so, wie die beiden Seitennischen der Mu- schelzone, Aulax und Sakter den Muschelwulst abgrenzen, so bilden sich zwischen den Eingängen in jeden Cribralsack mehr oder weniger starke Wülste, jedoch von ganz andrer Richtung als die wahre Muschel und die Rhachis. Das sind die bisher so ausführlich be- schriebenen Rieehwülste (Fig. 2). Entsprechend der transver- salen Stellung der Cribralsäcke und ihrer Eingangslumina sind die Cribralwülste mehr oder minder senkrecht gestellt. Um nicht zu viel neue Termini einzuführen, will ich die Wülste Turbinalia nennen. Ich verstehe darunter aber nicht bloß die Oberfläche der zwischen je zwei Tascheneingängen liegenden (auf Fig. 12, 115, 155, 195 und 215 siehtbaren) Wülste, sondern im Einklang mit Pauruı (9) auch die Mesodermmassen, welche die Wülste stützen und als Scheidewände zwischen zwei benachbarten Säcken lateralwärts ziehen. Eine mittlere Zone dieser Zellenlagen verknorpelt und verknöchert später, um die Basallamellen zu bilden, welehe von der lateralen Wand des Siebbeins vordriagen und innerhalb eines Riechwulstes eingerollt sind. Während an den Modellen bloß die Wülste sichtbar sind, bedeutet der Terminus »Turbinale« auch die zugehörige, zwi- schen zwei Säcken liegende Basallamelle und zwar sowohl deren Skelettgrundlage als ihre Schleimhautbekleidung. Bisher hat man die Riechwülste einfach nach ihrer Reihenfolge bezeichnet und mit SCHWALBE (12) das Nasoturbinale als ersten Riechwulst, die übrigen als zweiten, dritten, vierten usw. Riechwulst gezählt (Fig. 2). Aber nachdem ich ihre Beziehung zu den Cribral- säcken nachgewiesen habe, empfiehlt es sich, statt der auch noch von Paurrı (9) unverändert beibehaltenen Numerierung bestimmte Namen einzuführen. Das ist um so mehr notwendig, als es nicht angeht, die nebeneinander liegenden Rieechwülste bei verschiedenen Arten ohne weiteres für homolog zu erklären, wie die spezielle Be- schreibung weiter unten bezeugen wird. Indem ich für alle Wülste der lateralen Cribralwand den gemeinsamen Namen Turbinale ver- wende, gebe ich ihnen, welche morphologisch untrennbare Stücke der Cribralsäcke sind und niemals fehlen, dieselben Epitheta, wie den Säcken selbst, nämlich Proturbinale (?%), Epiturbinale (Zt), 30* 455 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Mesoturbinale (Mst), Paraturbinale (Pat), Metaturbinale (Mt) (Taf. XI Fig. 1). Die Riechwülste liegen stets am caudalen Rande jedes Sack- einganges, also trifft man bei einer Wanderung durch die Nasenhöhle von der Nasenöffnung her am Ende der Muschelzone den Eingang in das Procribrum, dann das Proturbinale, hierauf den Eingang in das kleine Epieribrum, dahinter das Epiturbinale usw. (Taf. XI Fig. 8, 9). Die Synonymik mit Pauruıs (9) Nomenklatur, der die Zählung der Riechwülste am konsequentesten durchgeführt hat, ist leicht fest- gestellt. Das Pro- und Epiturbinale entsprechen dem medialen Ende der vorderen (/Z’) und hinteren (/Z”) Lamelle seines II. Endoturbi- nale — 2. und 3. Riechwulst (Textfig. 3, S. 464), das Mesoturbinale dem medialen Ende des Ill. Endoturbinale = 4. Riechwulst Paraturbinale - - - - W. - —5. - Metaturbinale - - - NV. - —=6. - Wenn ich fünf Cribralsäcke unterscheide, so stütze ich meine Behauptung auf die Analyse der Cribralregion von Säugetieren ver- schiedener Ordnungen (ausgenommen die Affen und den Menschen), welche ich auf Taf. XI, XII abgebildet habe. Da meine Beobachtun- gen bloß Embryonen, in seltenen Fällen kurz geborene Tiere betreffen, kann ich nicht entscheiden, ob später noch mehr als fünf Säcke gebildet werden. Das müssen neue Untersuchungen klären. Jedoch scheint mir die spätere Entfaltung des Cribrums mehr durch Differen- zierung der typischen fünf Cribralsäcke, als durch Neubildung weiterer Seitensäcke gefördert zu werden. Die Cribralsäcke erfahren in der späteren Embryonalzeit eine feinere Gliederung, indem ihre Wand zu neuen, kleineren Seitentaschen gefaltet wird, zwischen denen natürlich neue Wülste, gestützt von Fortsätzen der knorpeligen Wand, einragen. Letztere entsprechen den Bildungen, welche PAuLLı Ecto- turbinalia, andere Autoren verdeckte Riechwülste genannt haben. Meine durchaus auf ontogenetischen Studien basierte Vorstellung von der Morphologie der Cribralregion ist teilweise schon von frühe- ren Untersuchern vorweggenommen worden; nur haben diese den Gedanken nicht vollständig durchgeführt, weil sie die Entwieklungs- geschichte zu wenig beachteten. Zuerst hat O. SEYDEL, 1891, die ganz richtige Ansicht geäußert (13 a, S. 49): »Wenn man sich die ein- gerollten medialen Enden, d.h. die Riechwülste der Basallamellen fortdenkt, so würde die Regio olfaetoria durch die Basallamellen in eine Reihe von Kammern geteilt, deren jede von vorn und von der N EEE W. Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere. 459 Seite des Septums her zugänglich ist.«e Unzweifelhaft entsprechen diese Kammern direkt den eben beschriebenen Cribralsäcken und ihre Scheidewände (»die Basallamellen«) den Mesodermmassen, welche zwischen je zwei angrenzenden Cribralsäcken liegen. PAuruı (9) schildert im Jahre 1900 die gleiche Vorstellung mit etwas andern Worten: »In den beiden vom Plattensystem der La- mina perpendicularis, lateralis und terminalis umschlossenen Räumen werden die Seitenmassen des Siebbeins, das Labyrinth der Ethmotur- binalien, aus den obersten, dicken Teilen der Seitenplatten ent- wickelt. Die Ethmoturbinalien entstehen in Form parallel laufender, abgerundeter Wülste, die sich von der Lamina cribrosa auf der inneren Fläche der Seitenplatte hervorstrecken. In den Wülsten wird später ein unterstützender Knorpelstreifen gebildet, der mit den knorpeligen Sieb- und Seitenplatten zusammenwächst. Während der folgenden Entwicklung wächst jeder Wulst samt seinem Knorpel- streifen durch den einen Raum des Plattensystems gegen die Lamina perpendieularis und bildet nun eine transversal gestellte Platte, »das Ethmoturbinale« (Textfig. 3, S. 464 und Taf. XI Fig. 8, 9). Die Ethmoturbinalplatten ziehen »radial geordnet durch den Raum des Plattensystems; von der Decke der Regio olfactoria strecken sich die oberen Lamellen vertikal nach unten, während die unteren sich von der Lamina transversalis emporheben«. Da nicht alle Eth- moturbinalia bis zum Septum reichen (Textfig. 3), unterscheidet PAuLuı die breitesten, d. h. die bis zum Septum reichenden Platten als Endo- turbinalia (/—V). In den Zwischenräumen zwischen den Endo- turbinalien liegen schmälere Ethmoturbinalien (I—13) (er nennt sie Eetoturbinalia), welche erst nach Entfernung der Riechwülste zum Vorschein kommen. Indem PAaurrı Ectoturbinalien und Endoturbinalien streng aus- einander hielt, hat er am knöchernen Siebbein eigentlich schon die Grenzen der verschiedenen Cribralsäcke erkannt; denn die Endotur- binalien entstehen aus den Mesodermmassen zwischen den fünf Hauptsäcken, die Eetoturbinalien aus den Mesodermmassen zwischen den kleineren Nebentaschen derselben. 6. Das Cribrum von Ovis aries. Fig: 16, d, 05,23 35:43-5,116,,7, ‚8: und! 9; Nach der allgemein orientierenden Charakteristik will ich das Cribrum des Schafes beschreiben, weil ich es am genauesten unter- sucht habe, teils an Schnittserien durch Embryonen von 3,0, 3,9, 4,0, 460 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. 4,2, 5,0, 6,0, 17,5 und etwa 35 cm Schnauzen-Steißlänge (letzterer mit 7 cm Scehnauzen-Scheitellänge) und an Köpfen von fast geburts- reifen und ausgewachsenen Schafen. Meine Schilderung geht am besten von dem Rekonstruktions- modell des linken Cribrums eines 4,2 em langen Schafembryos aus, welches BEECKER (2) im 31. Bd. dieses Jahrbuches (Taf. XXIV Fig. 38 a und 5 und S. 601—602) abgebildet und vorläufig bespro- chen hat, hauptsächlich, um den besonderen Stileharakter der Säuge- tiere in ein helleres Licht zu rücken. Von der eingehenden Analyse dagegen mußte er absehen, weil ihm andre Entwieklungsstadien fehlten. Doch hat der Vergleich mit den später von mir ausgeführten Rekonstruktionsmodellen gezeigt, daß gerade dieses Modell die beste Übersieht über die Cribralregion bietet. Die allgemeine Form des Cribrums ist an den Fig. 1a,b und e der Taf. XI ohne weiteres zu erkennen. Bei der Ansicht von der Dorsalseite fallen auch die Haupteribralsäcke und ihre Größen- unterschiede deutlich in die Augen und die Fig. 15 im Zusammen- halt mit Fig. 1 @ zeigt die Lage der Riechwülste jeweils am cau- dalen Rande jeder Sacköffnung. Das Procribrum zeichnet sich durch mächtige Entfaltung und Gliederung vor allen übrigen aus; denn es ist nicht eine einfache Blase, sondern in viele kleinere Taschen und Nischen gebuchtet. Um die stilistische Ordnung des scheinbaren Gewirres derselben zu erkennen, ist es notwendig, Querschnittsbilder zu Hilfe zu nehmen (Fig. 3—6). Diese lehren ohne weiteres, daß das Procribrum drei periphere Nebentaschen besitzt, von welchen eine dorsalwärts, die zweite lateral und die dritte ventral gerichtet ist. Wie die Ab- bildung und Beschreibung andrer Modelle zeigen wird, ist der Besitz von drei Nebentaschen ein gewöhnlich erscheinender Formcharakter des Procribrums (bloß beim Ameisenfresser und der Maus fand ich statt drei nur zwei Hauptnebentaschen). Da die Ursprungsstellen derselben in dorso-ventraler Richtung untereinander liegen, will ich sie einfach nach ihrer Lage als Bursa dorsalis, externa und ventralis bezeichnen. Die Seitenansicht des Modells (Fig. 1 a) zeigt sehr schön, daß die Taschen ein klein wenig verschoben sind; die tiefste Tasche (Bursa ventralis) steht am weitesten caudal, die höchste (Bursa dor- salis) am weitesten oral. Diese kleine Unregelmäßigkeit verleiht dem Procribrum selbst einen hohen Grad künstlerischer Anmut und Eleganz. W. Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere. 461 Die Wand der drei typischen Taschen erscheint an dem Modell durch schmale, aber tief einschneidende Buchten getrennt. Das könnte die Vorstellung erwecken, als lägen hier wirkliche Hohlräume außerhalb der Wand des Proeribrums. Ich will daher nochmals daran erinnern, daß das Modell insofern eine Abstraktion der Wirklich- keit ist, als es die Epithelwand ohne das stützende Mesoderm dar- stell. Am embryonalen Kopfe aber sind die scheinbaren Lücken der Außenfläche des Modells durch Gewebsmassen mesodermaler Her- kunft ausgefüllt. Daher muß sich der Leser alle Räume zwischen den Cribralsäcken und ihren Nebentaschen als solide Scheidewände und den Nasenschlauch selbst von Bindegewebe ganz umhüllt denken. Wenn man statt von außen, wie wir es bisher taten, die Wand des Procribrums von innen her, d. h. von der Lichtuug aus betrachtet (Fig. 4 und 5), so sieht man die Stellen zwischen den Eingängen in die drei Bursae stärker vorgewulstet. Das sind die verdeckten Riech wülste (ZUCKERKANDL) oder Ectoturbinalia (Paurrr). Dieselben setzen sich ohne Grenze in die Wand der be- nachbarten Nebentaschen fort. Daher liegt ein Wulst, beziehungs- weise die seine Masse bedeckende Ektodermschicht und ein meso- dermaler Keil zwischen der Bursa dorsalis und externa als Eetoturbinale dorso-externum, kurzweg Eetoturbinale A, ein zweiter Wulst zwischen der Bursa ventralis und. externa als Eetoturbinale ventro-externum, kurzweg Eetoturbinale 3. Zwischen der Bursa dorsalis und dem eine Strecke weit auf das Cribrum fortgesetzten Dorsalgrat des Sakters liegt ebenfalls eine Mesodermlamelle, die wulstartig den dorsalen Rand des Eingangs in das Procribrum deckt, das ist das hinterste Ende des Nasoturbinale. Die drei Bursae dorsalis, externa und ventralis werden an ihrem peripheren Gewölbe nochmals gefurcht (Fig. 4), so daß in ihre Höhle je ein kürzerer Wulst einragt und jede Tasche in zwei kleine Nischen ab- teilt. Als sonderbare Stileigentümlichkeit aller dieser Taschen und Nischen hebe ich ihre sagittale, dem Nasenseptum mehr oder we- niger parallele Richtung hervor (Fig. 1a). Dadurch erhalten die Seitenräume eine gewisse Ähnlichkeit mit den gleichfalls sagittal orientierten Nebennischen der Muschelregion, der Aulax und dem Saktergesimse. Die vom Lumen der Nasenhöhle in das Procribrum führende dreieckige Öffnung (Fig. 1 5) ist zwar sehr groß, aber es ist recht schwer, sich davon durch Betrachtung der Abbildung allein zu über- 462 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. zeugen, weil das Proturbinale am caudalen Rande der Öffnung sehr stark entfaltet in die Sakterhöble der Muschelregion vorwächst und dadurch die procribrale Eingangsspalte deckt. Der vordere Rand der Spalte geht ohne scharfe Grenze in die seitliche Sakterwand über. Der obere Rand wird vom Nasoturbinale und der untere, beziehungsweise hintere Rand von dem Proturbinale begrenzt, das in einem Winkel von etwa 45° gegen den harten Gaumen ge- stellt ist. Der mittlere Cribralsack, das Mesocribrum (Mse, Fig. 1a, 1e), ist‘ gleichfalls gekammert, jedoch in geringerem Grade als das Pro- eribrum. Man kann nur zwei durch einen größeren Wulst (Eetotur- binale) getrennte Seitentaschen (Fig. Ic) wahrnehmen, von denen die oral gelegene durch zwei, die caudal gelegene durch einen kleineren Kamm (Eetoturbinalia lateralia) in drei, beziehungsweise zwei klei- nere Nischen geteilt wird. Diese beiden Seitentaschen sind denen des Procribrums im allgemeinen parallel gerichtet und bilden mit dem Gaumendache einen Winkel von etwa 45°. Der hinterste der drei Haupteribralsäcke, das Metacribrum (Mte, Fig. 1a, 1c), ist am einfachsten. Er entbehrt vorerst sekun- därer Seitentaschen und biegt sich augenscheinlich aus Platzmangel caudalwärts, so daß seine Lichtung dem Lumen der Nasenhöhle pa- rallel steht. Das Epieribrum wird von dem mächtigen Proeribrum und Mesoeribrum stark überwuchert, daher ist es an der Seitenansicht (Fig. 1a) schwer zu sehen. Doch an der Dorsalansicht (Ee, Fig. 1e) überzeugt man sich leicht von dessen Existenz und seiner verhältnis- mäßig ansehnlichen Länge in schräg dorso-ventraler Richtung. Es ist ein einfacher, unverzweigter Sack, der parallel den übrigen Säcken steht. Ebenso wird das Paracribrum (Pac), ein noch viel kleinerer Sack, von dem Meso- und Metacribrum verdeckt. An der Innenseite (Fig. 1 5) fallen fünf Endoturbinalia, “das Pro-, Epi-, Meso-, Para- und Metaturbinale oder eigentlich drei Gruppen von Endoturbinalwülsten auf. Das Pro- und Epiturbinale stellen die erste Gruppe, das Meso- und Paraturbinale die zweite Gruppe und das Metaturbinale für sich allein die letzte vor. Das rührt daher, daß der Eingang in die stark verästelten Säcke des Pro- und Mesoeribrums weiter ist als die Eingänge in die übrigen Säcke und von stärkeren Randwülsten flankiert wird. Darum erscheint das Epiturbinale, der hintere Randwulst des kleinen Epieribrums mehr wie ein Anhängsel des mächtigen Protur- W. Blendinger, Das Cribrum der Säugethiere. 463 binale und das Paraturbinale, der hintere Randwulst des kleinen Paraeribrums, mehr wie ein Anhängsel des kräftigeren Mesoturbinale. Wenn man die fünf Cribralwülste genau betrachtet, überzeugt man sich von der Notwendigkeit, das Nasoturbinale nicht mit ihnen in eine Gruppe zu vereinigen; denn dasselbe liegt an einer andern Zone der lateralen Nasenwand und hat auch eine ganz andre Richtung. Das scheint mir ein weiteres Moment zugunsten des nomen- klatorischen Vorschlags zu sein, es überhaupt nicht Nasoturbinale, sondern Rhachis zu nennen. Zum Schluß will ich noch darauf hinweisen, daß die Aulax und das Saktergesimse an die unterhalb des Cribrums liegende Zone des Nasenschlauches caudalwärts ziehen. Die Aulaxnische endet un- gefähr in der Mitte des Cribrums, das Saktergesimse reicht bis zum hinteren Choanenrand. Das Cribrum ist allseitig von den Knorpelmassen der Ethmoidal- region umhüllt, natürlich viel vollständiger als die Muschelzone, weil der Choanengang in einem tieferen Niveau liegt. Der von dem ver- tikalen Septum seitwärts liegende Knorpelmantel der dorsalen und lateralen Cribralwand ladet wegen der lateralen Entfaltung der Cri- bralsäcke mächtig nach der Seite aus. Ich habe den Knorpelmantel des 4,2 cm großen Schafembryos in Wachs rekonstruiert und gebe die Innenansicht des Modells in Fig. 2 wieder. Die Innenfläche des Knorpelmantels spiegelt das negative Relief der Cribralzone des Nasenschlauches (Fig. 1«a)., Beim Studium der Modelle überzeugt man sich, daß die Knorpellamellen zwischen den Hauptcribralsäcken vordringen und schmälere Knorpelzungen zwischen den Seitentaschen der Hauptsäcke. Es ist daher überflüssig, die Einzelheiten zu be- schreiben. Zudem erläutern die Transversalschnitte durch das Cri- brum (Fig. 8, 9) die enge Beziehung zwischen dem Knorpelgerüst und den Hauptsäcken ohne weiteres. Mit dem Wachstum des Embryos kompliziert sich der cribrale Abschnitt des Nasenschlauches, indem, abgesehen von der Ver- größerung der Hauptsäcke, an den Seitentaschen neue kleinere Seitennischen auftreten. Obwohl ihre Zahl nicht sehr groß ist, empfangen diese Nebenbuchten eine sehr mannigfache Krümmung und Biegung, so daß es außerordentlich schwer ist, in dem eribralen Labyrinth geburtsreifer oder junger Schafe die Orientierung zu be- halten. Das vergleichende Studium der Querschnittsserien hat mir jedoch das Wesen des verwickelten Prozesses in verhältnismäßig rascher und bequemer Weise enthüllt. Ich habe zwar auch einige 464 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Wachsmodelle von älteren Embryonen entworfen, allein die enge Lagerung der enorm gebuchteten Cribraltaschen verbietet es, sie ab- zubilden, noch weniger könnte der Leser an den Abbildungen solcher Modelle sich zurecht finden. Ich halte es daher für das beste, die fortschreitende Vergrößerung der Cribralsäcke an schematischen Querscehnitten (Fig. 3—7) durch das Procribrum zu erläutern, an welchen die homologen Räume mit den gleichen Farben bezeichnet sind und zwar die Bursa dorsalis blau, die Bursa externa schwarz und die Bursa ventralis rot. - Die in ähnlicher Weise erfolgenden Vorgänge am Meso- und Fig. 3. Metacribrum bedürfen kei- ua a I ner ausführlichen Beschrei- - 7? = 2 / bung. Um an einer Figur Ta 9 VI S/; das Verhalten sämtlicher ZI drei Seitentaschen zu zei- Fr 7 gen, muß man passende 7 Querschnitte der etwas ver- Bi 7, schoben hintereinander 31% stehenden Seitenräume \ durch verschiedene Zonen des Procribrums bei glei- cher Vergrößerung aufein- ander zeichnen. Jeder wird ohne weitläufige Darstel- lung das Auftreten von neuen Seitenbuchten, sowie ihre Vergrößerung und wei- tere Aussackung in jedem älteren Stadium begreifen, wenn er die Fig. 3—7 der Taf. XI nebeneinander be- Schematischer Schnitt durch die Nasenhöhle eines Schafes vor der Bieten era ne trachtet. turbinalia; /—13 Ectoturbinalia; I’. 2—13' pneumati- Man erkennt dann zu- sche Räume. Nach S. Ka Synonymik siehe oben gleich, . ae Wucherung der Mesodermhülle und des Knorpelmantels gleichen Schritt mit der Ausbildung der sekun- dären und tertiären Buchten halten. Durch die Farbenbezeichnung ist ferner leicht ersichtlich, daß die starke Komplikation des Proeri- brums bei dem ältesten Schafembryo (Fig. 7) schon bei wesentlich Jüngeren Embryonen (Fig. 5, 6) angedeutet ist. Der Transversal- N = N, > aa SEN > RR nach hinten, sondern dehnt sein 7 caudales Blindende enorm dorso- ventral. Darum sind Meso- und besonders Metacribrum hohe, halb- mondförmige Taschen. Myrmecophaga jubata. Sehematischer Schnitt . . R durch die Nasenhöhle, dicht vor der Siebplatte Das Proeribrum zeigt zwei und ihr parallel. Nach S. Paurur. große, weiteSeitentaschen (Fig. 20), die durch ein mäßig hohes Eetoturbinale getrennt sind. Durch die plumpe Gestalt der Seitentaschen und das breite Gewölbe derselben 470 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. wird man an die Form des Procribrums beim Oppossum erinnert, aber zugleich erkennt man den Unterschied, daß statt drei Bursae nur zwei vorhanden sind. Trotz vieler Mühe ist es mir nicht gelungen, die Homologie der Seitentaschen bei beiden Tierarten zu ergründen. Ich lasse es daher unentschieden, ob die obere Tasche bei Myrme- cophaga (Fig. 20) der Bursa dorsalis oder der Bursa dorsalis + ex- terna des Oppossum entspricht. Wie die beistehende Textfig. 5 von PAuruı bezeugt, wird die Procribralhöhle später noch stärker ge- buchtet, so daß fünf Endoturbinalien einragen. Mangels älterer Sta- dien kann ich über die Homologie nichts aussagen. Das Proturbinale (Fig. 195) ist ein seitlich stark komprimierter, kegelförmiger Wulst, der ziemlich weit in die Muschelzone reicht. Das Epieribrum ist seicht, aber deutlich abgegrenzt und sehr langgezogen. Das Pro- und Mesocribrum schieben sich aber so nahe zusammen, daß an der Seitenansicht des Modells nur sein oberer Rand sichtbar wird. Das Epiturbinale ist ein langgezogener, rundlicher Wulst. Das Meso- cribrum ist eine weite, langgestreckte Tasche, deren Gewölbe durch ein schwaches Eetoturbinale in zwei Seitentaschen getrennt ist. Hinter dem sehr scharf geschnittenen Mesoturbinale liegt das ein- fache, aber sehr lange und flache Metacribrum. Das Metaturbinale ist nicht hoch. 11. Das Cribrum von Talpa europaea. 2,75 cm Schnauze-Steißlänge. Fig. 21a, d, 22 und 23. Das letzte meiner Rekonstruktionsmodelle, das linke Cribrum von Talpa europaea, ist ein sehr einfaches Gebilde. Es zeigt die Haupt- säcke in typischer Weise wie das Modell von der Feldmaus. Doch finden wir an ihnen eine reichere Gliederung, die etwas an die des embryonalen Schafes erinnert. Das Proeribrum (Fig. 21a) zeigt seine drei typischen Seiten- taschen, Bursa dorsalis, externa, ventralis. Der Eingang (Fig. 215) ist wie bei Arvicola arvalis durch ein großes, stumpfes Proturbinale zu einem Spalt verengt. Hinter dem Procribrum folgt das Epieri- brum, ein einfacher, schmaler Saek mit ziemlich weitem Eingang. Dorsal lehnt sich das Epieribrum an das Mesocribrum an. Das Meso- eribrum zeigt drei Seitentaschen. Sein Eingang ist durch das breite Mesoturbinale flankiert. Das Paracribrum fehlt. Das Metacribrum bildet einen einfachen, schmalen, ziemlich langen Sack. W. Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere. 471 12. Die pneumatischen Nebenhöhlen (Sinus) des Cribrums. Nach der allgemeinen Beschreibung der Modelle erübrigt die Schilderung der pneumatischen Nebenhöhlen oder Sinus, auf welche S. Pauruı durch eine ganz hervorragende Untersuchung (9) die Auf- merksamkeit gelenkt hat. Da Paurrı deren Ursprungsort, Lage und Ausdehnung bei einer sehr großen Anzahl von Säugetieren vorzüg- lich festgestellt hatte, bemühte ich mich, gewissermaßen zur Er- gänzung seiner Angaben, die Entwicklungsgeschichte der Neben- höhlen zu verfolgen. Aber bald mußte ich einsehen, daß dazu ein außerordentlich reichliches Material sowohl an Embryonen als von Individuen der verschiedensten Jugendstadien notwendig ist. In Er- mangelung desselben dürfen die folgenden Angaben nur den Wert einer vorläufigen Mitteilung beanspruchen. Ich schicke meinen Betrachtungen die Definition der lufthaltigen Sinus voraus, welche S. PaurLı gegeben hat: Die pneumatischen Höhlen entstehen als kleine, wohlabgegrenzte, leere Ausstülpungen der Nasenschleimhaut. Sie bilden Räume, die sich von der Nasen- höhle ganz emanzipieren und mit ihr später durch scharfbegrenzte, meist kleine Öffnungen kommunizieren. Die Vergleichung dieser Räume bei verschiedenen Säugetieren muß, wie SCHWALBE (12) schon richtig betont hat, auf die Lage der Öffnungen basiert werden, d. h. auf die Punkte der Nasenhöhlenwand, von denen die Sinus entwickelt worden sind. Homolog liegende Ausfaltungspunkte zeigen homologe pneumatische Räume an. Alle übrigen Verhältnisse, z. B. die Ausbildung der Höhlen in den Knochen haben für die Ver- gleichung keine Bedeutung. Zuerst will ich den vordersten Sinus maxillaris, die Kieferhöhle, besprechen. Sie findet sich nach Paurui (9, S. 555 und 556) kon- stant bei allen Placentaliern (ausgenommen die Pinnipedier) und fehlt nur ganz wenig Arten innerhalb sehr verschiedener Ordnungen Hauptsächlich im Oberkiefer liegend verlängert sie sich meistens in mehrere Knochen des Schädels (Jugale, Palatinum, Laerymale, Na- sale, Frontale, Prae- und Basisphenoid). Sie wird im mittleren Gang der Nasenhöhle an der Grenze zwischen dem Nasoturbinale und der Seitenplatte des Siebbeins entwickelt, so daß ihre Ein- gangsöffnung von bogenförmigen Ausschnitten beider Knochen um- rahmt ist. Nach diesen Angaben muß der Sinus maxillaris ein Produkt des Cribrums sein; denn seine Bildungsstätte liegt hinter dem Naso- Morpholog. Jahrbuch. 32. 31 472 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. turbinale, d. h. hinter der Muschelzone. In der Tat entsteht er aus dem Procribrum als ein ovaler, etwas hakenförmig ventral ge- krümmter Nebensack, den ich bisher nicht weiter besprochen habe. Bei allen von mir untersuchten Arten ist die orale Wand des Pro- ceribrums wie ein schmaler, oralwärts vorspringender, hohler Kamm gestaltet, der einer Verlängerung der Bursa dorsalis zu vergleichen wäre, wenn sich an ihm Eetoturbinalfalten entwickeln würden, und wenn der Hohlkamm nicht unterhalb der procribralen Seitentaschen und unabhängig von ihnen ventral herabsteigen und sich mehr oder weniger weit caudalwärts aufblähen würde. Ich werde diesen Sei- tenraum kurzweg Sinus maxillaris nennen, obwohl ich sein weiteres Schieksal nicht verfolgt habe und eine Korrektur durch spätere, ge- naue Studien nicht ausgeschlossen erscheint. Denn er liegt gerade an der Stelle, welche durch Pauruis Beschreibung genauer bekannt wurde, nämlich hinter dem Nasoturbinale und vor dem oralen Rande der Seitenplatte des Siebbeines. Er ist unzweifelhaft ein Produkt des Proeribrums, weil er mit dessen Höhle direkt zusammenhängt und weil seine Lichtung durch den Eingangsspalt des Procribrums zugänglich ist. Bei Didelphis azarae (Fig. 15 a) setzt sich der Sinus durch eine kleine Einkniekung von der Bursa dorsalis ab und entwickelt sich unterhalb der Bursa externa und ventralis zu einem plumpen, großen Hohlsack. Bei Myrmecophaga didactyla (Fig. 19 a) zeigt der Sinus ähnliche Gestalt; er bildet einen mächtigen Hohlsack. Bei Arvieola arvalıs (Fig. 17 a) ist der Sinus maxillaris eine hohe, schmale, ener- gisch gebogene und etwas schräg gestellte Tasche. Oral von ihr fällt eine kleine Nische in der Sakterwand auf, deren Bedeutung und Homologie ich nicht feststellen konnte. Bei Felis domestica (Fig. 11 a) ist der Sinus maxillaris des Procribrums schmal und un- ansehnlich. Er steigt zu einem caudal spitzgeschlossenen Seiten- wulst des Nasenschlauches herab, der beim ersten Anblick an den Hohlsack des Sinus maxillaris vom Oppossum und Ameisenfresser erinnert. Aber die Betrachtung von innen her zeigt, daß die Aus- buchtung noch zum Sakter gehört; denn sie liegt ventral unterhalb der Proeribralöfinung. Durchaus abweichend von den bisher geschilderten Verhältnissen ist der Befund beim Schaf (Fig. 1 a). Hier hängt der Sinus maxillaris als eine langstielige, birnförmige Blase an der Sei- tenwand des Nasenschlauches vor dem Proeribrum. Es ist ganz un- möglich, eine engere Beziehung zum ersten Cribralsacke nachzu- weisen. Neue Untersuchungen bei andern Wiederkäuern und Huf- W. Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere. 473 tieren müssen die Frage entscheiden, ob der Sinus maxillaris der Huftiere und der übrigen von mir geprüften Säugetiere homolog ist, oder ob hier eine ganz eigenartige, stilistische Differenzierung vorliegt. Die Bildung der übrigen Sinus habe ich bloß beim Schaf bruch- stückweise verfolgen können. Da meine Beobachtungen die Angaben PAurLis bestätigen, schieke ich seine Fig. 6. Beschreibung vor- aus (9, 5.224 u. 225). »Von der Regio ol- factoria geht ein System von pneuma- tischen Räumen her- vor, deren kleine, abgerundeten und ovalen Öffnungen in den Zwischenräu- men zwischen den Basallamellen lie- gen. Die Höhlen breiten sich im For- nix eranii und in medialer Orbital- wand aus und ihre Ursprungsteile sind in typischer Weise angeordnet: im For- nix liegt die eine Kopf eines Widders, von oben gesehen, mit dem Umriß der pneu- Höhle lateral von matischen Höhlen. Nach S. Pavurır. der andern, in me- dialer Orbitalwand die eine unterhalb der andern, aber während der folgenden Ausbreitung der Höhlen in den Knochen schlängeln sie sich in sehr unregelmäßiger Weise zwischen einander und die typische Lagerung geht verloren. Die Systeme zeigen große Va- riationen. Die Zahl der Höhlen ist sehr verschieden bei den ver- schiedenen Individuen, sieben bis acht Höhlen kommen am häufigsten vor, aber die Zahl kann sich bis zu elf vergrößern und mitunter bieten die beiden Hälften eines Kopfes Variationen dar.« Die obe- ren Höhlen 7’, 1’, 37,5’ und 7’ zeichnen sich durch ihr regelmäßiges 31* A $ SE 474 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Auftreten aus, nur selten kommen hier neue Höhlen vor, während die unteren »orbitalen« Höhlen 7’—13' dagegen einem lebhaften Vari- ieren der Nummern unterworfen und in der Regel sehr klein sind. Auch erreichen sie nur bei Reduktion ihrer Anzahl einen größeren Umfang. Die frontalen Höhlen haben eine sehr konstante Aus- breitungsweise, wie sie die Textfigur 6 erläutert (vgl. Textfig. 3). Bei einem Embryo von 17,2 cm Schnauzen-Steißlänge fand ich einige und bei einem Embryo von etwa 35 cm Schnauzen-Steißlänge sechs der von PAuLLı beschriebenen Höhlen als Produkte des Pro- ceribrums sicher angelegt. Weiter caudal liegende Sinusanlagen waren noch so wenig differenziert, daß ich keine bestimmten Angaben dar- über machen kann. Um völlige Klarheit zu gewinnen, habe ich zwar die Serien teilweise rekonstruiert, doch verbietet die Kompli- ziertheit der Modelle, sie abzubilden. Ich bin dadurch zu der Über- zeugung gekommen, daß die pneumatischen Höhlen Differenzierungen der Seitennischen von Cribralsäcken sind und daß der größte Teil aus dem Procribrum entsteht. Im allgemeinen liegen die Ursprungs- stellen der Sinus beim Schafe an einer bestimmten Zone der late- ralen Cribralwand, nahe dem ventralen Ursprunge der Cribraltaschen, also in dem Raum zwischen der Reihe der Cribralsäcke einer- seits und der lateralen Kante des Saktergesimses anderseits (Taf. XI Fig. 1 a). Aus der Bursa dorsalis entspringen drei Sinus und zwar ein Sinus aus dem oralen Rande der medialen Nische — Sinus Bursae dorsalis internus; er pneumatisiert später das Nasoturbinale. PAuLLı bezeichnet ihn in seinen Abbildungen als pneumatische Höhle 7’ (Textfig. 3). Im diehter Nachbarschaft entspringen zwei Sinusblasen gemeinsam aus der lateralen Nische der Bursa dorsalis. Sie ent- sprechen den pneumatischen Höhlen /’ und ZZ’ Pauruıs. Ich muß sie Sinus Bursae dorsalis externus « und 5 nennen. Bei den meisten Schafen fand sie PAULLI, wie auch ich, verschmolzen. Im ausgebil- deten Schädel werden sie vom nächsten Sinus von hinten und an den beiden Seiten umfaßt. Der vierte Sinus kommt aus der medialen Nische der Bursa externa und entspricht der pneumatischen Höhle 3” Pauruıs, welche die übrigen an Größe bedeutend übertrifft, zum eigentlichen Sinus frontalis wird und auch die Hornzapfen pneumatisiert, wie ich an einem behörnten Widderschädel feststellen konnte. Er steigt dorsal, breitet sich im Frontale bis zur medianen Scheidewand aus und kommt zum Teil sogar über die pneumatisierte Rhachis zu liegen. W, Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere. 475 Die Ausbreitung hängt ganz von der Ausbreitung des Sinus Bursae dorsalis externus ab. Dieht daneben entspringt aus der lateralen Nische der Bursa externa ein fünfter Sinus, entsprechend der pneumatischen Höhle 5’ Paurzıs. Am ausgebildeten Schädel liegt er zum größten Teil zwi- schen der Gesichts- und Augenhöhlenfläche des Tränenbeins und erstreekt sich noch etwas ins Frontale. Der letzte Procribralsinus, entsprechend der pneumatischen Höhle 7’ PauLuis, entspringt an der unteren Vereinigungsstelle der drei Nischen der Bursa ventralis; er liegt beim erwachsenen Tiere lateral und unter dem vorigen als ein kleiner, schmaler, ziemlich langer Sack fast ganz im Os lacrymale. Resümee der morphogenetischen Resultate. 1) Der Stileharakter des Cribrums liegt in der Bildung lateraler, mehr oder weniger vertikal stehender Ausstülpungen, der Cribral- säcke, während die Muschelzone des Nasenschlauches sagittal ge- streekte Seitenräume, die Aulax und das Saktergesimse produziert. 2) Am embryonalen Cribrum sprossen drei Hauptseitensäcke, Pro-, Meso- und Metacribrum, deren Eingänge senkrecht zur Längs- achse des Nasenschlauches stehen. Dazu treten in älteren Wachs- tumsstadien noch zwei intermediäre Säcke, das Epi- und Para- eribrum. 3) Das Wachstum aller fünf Seitensäcke erfolgt in lateraler und dorso-ventraler Richtung. 4) Der hintere Rand jedes Einganges in einen Cribralsack wird durch einen Wulst, den Riechwulst, flankiert. Wir bezeichnen sie als Endoturbinalwülste und unterscheiden sie entsprechend den Säcken als Pro-, Epi-, Meso-, Para- und Metaturbinale. 5) Das Nasoturbinale sive Rhachis gehört zur Muschelzone. Es darf nicht als erster Riechwulst gelten, wie alle früheren Autoren glaubten. 6) Die Form der Cribralsäcke wird später noch mehr kompliziert (freilich in verschiedenem Grade bei verschiedenen Arten), indem homologe Seitentaschen entstehen, z. B. am Proeribrum meist drei Seitentaschen, Bursa dorsalis, externa und ventralis, welche wieder sekundäre Nischen bilden. 7) Zwischen allen Seitenräumen des Cribrums liegen knorpelige und verknöchernde Scheidewände: die Endoturbinallamellen zwischen 476 A. Fleischmann, Das Koplskelett der Amnioten. den Haupteribralsäcken, die Ectoturbinallamellen zwischen den Taschen und Nischen der Hauptsäcke. 8) Der Sinus maxillaris ist ein Produkt des Procribrums. Die übrigen pneumatischen Höhlen wachsen zum Teil aus dem Proecri- brum, zum Teil aus den andern Cribralsäcken heraus. Erklärung der Tafeln XI und XI. In allen Querschnittsbildern ist der Knorpel durch violetten Ton, das Lumen durch grauen Ton, die drei Seitentaschen des Procribrums durch Farben, und zwar die Bursa dorsalis durch blauen, die Bursa externa durch grauen, die Bursa ventralis durch roten Ton bezeichnet, während das Mesoderm punk- tiert ist. Die Fig. 1a, 5, c, 2, 1la, 5, 15a, b, c, 17a, 5b, 19a, b, 21a, 5 sind Photographien der Rekonstruktionsmodelle, welche stets nach dem linken Nasenschlauch gearbeitet wurden. Aber um die Vergleichung der Außen- und Innenansicht zu erleichtern, wurde das Spiegelbild der medialen Cribralwand photographiert, so daß die Fig. 15, 115, 155, 175, 195, 215 das Aussehen des rechten Nasenschlauches (vom Septum her betrachtet) wiedergeben. Gemeinsame Buchstabenbezeichnung. 4A Eectoturbinale A, Mte Metacribrum, Au Aulax, Mtt Metaturbinale, B Ectoturbinale 2, Pac Paracribrum, Bd Bursa dorsalis, Pat Paraturbinale, Be Bursa externa, Pe Proeribrum, Bv Bursa ventralis, Pt Proturbinale, C Ductus nasopharyngeus, r Rhachis, D Blindende des Cribrums, S Septum, dg Dorsalgrat, S.Be.a Sinus Bursae externae a. Ee Epieribrum, S.Be.b Sinus Bursae externae b. Et Epiturbinale, S.Bd.e Sinus Bursae dorsalis externus, gs Gesimsgrat des Sakters, S.Bd.i Sinus Bursae dorsalis internus, J.O JacoBsonsches Organ, S.B.v Sinus Bursae ventralis, M Muschel, S.m Sinus maxillaris, Mse Mesocribrum, Sr Sakter. Mst Mesoturbinale, Ovıs aries. Fig. 1a, b, ce. Rekonstruktionsmodell des linken Cribrums eines 4,2 cm langen Schafembryos. a Außenansicht, 5 Innenansicht (Spiegelbild), e Dorsal- ansicht. Vergr. 16,5/1. Fig. 2. Innenansicht des Knorpelmantels vom linken Cribrum des Schaf- modells 1 (Spiegelbild). Vergr. 15/1. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. W. Blendinger, Das Cribrum der Säugetiere: 477 Fig. 3—7. Querschnitte durch das Procribrum von Schafembryonen verschiedener Entwicklungsstadien, meist nach mehreren Schnitten kombiniert, um den Typus der Taschenbildung zu zeigen. 3. Proeribrum eines 3,9 cm langen Schafembryos, nach zwei Schnitten im Abstand von 50 « kombiniert. Vergr. 10/1. 4. Procribrum eines 4,2 cm langen Schafembryos, nach zwei Schnitten im Abstand von 240 « kombiniert (Modellserie). Vergr. 10/1. 5. Procribrum eines 6 cm langen Schafembryos, nach mehreren Schnitten kombiniert. Vergr. 10/1. 6. Procribrum eines Schafembryos mit 13 mm Schnauze - Scheitellänge. Vergr. 5/1. 7. Procribrum eines Schafembryos mit 7 em Schnauze-Scheitellänge. Vergr. 5/1. 8. Transversalschnitt durch das Cribrum eines Schafembryos von 4—5 cm Größe. Zwei Schnitte im Abstand von 180 « kombiniert. Vergr. 10/1, 9. Transversalschnitt durch das Cribrum eines Schafembryos von 17,2 cm Steiß-Schnauzen- und 5 cm Schnauze-Scheitellänge. Mehrere Schnitte kombiniert. Vergr. 10/1. Sus serofa domesticus. 10. Querschnitt durch das Procribrum eines Schweineembryos mit etwa 5 cm Schnanze-Scheitellänge. Nach drei Schnitten im Abstand von 910 « und 630 x kombiniert. Vergr. 5/1. Felis domestica. Ila, b. Rekonstruktionsmodell des linken Cribrums von einem 2,4 cm langen Katzenembryo. Vergr. 11,6/1. «a Außenansicht, 5 Innenansicht (Spiegelbild). 12. Querschnitt durch das Proceribrum desselben Embryos. Nach mehreren Schnitten kombiniert. Vergr. 10/1. 13. Querschnitt durch das Procribrum einer geburtsreifen Katze. Nach zwei Schnitten im Abstand von 360 « kombiniert. Vergr. 10/1. 14. Transversalschnitt durch das Cribrum eines Katzenembryos von 17,2cm Schnauze-Steiß- und 3,2 cm Schnauze-Scheitellänge. Nach zwei Schnit- ten im Abstand von 1,6 mm kombiniert. Vergr. 5/1. Didelphis azar.ae. 15a, b, ec. Rekonstruktionsmodell des linken Cribrums eines jungen Tieres von 2,8 cm Schnauze-Scheitellänge. Vergr. 7,3/1. a Außenansicht, db Innenansicht (Spiegelbild), e Dorsalansicht. 16. Querschnitt durch das Procribrum desselben Tieres, nach zwei Schnit- ten im Abstand von 320 u kombiniert. Vergr. 10/1. Arvicola arvalıs. 17a, 5. Rekonstruktionsmodell des linken Cribrums eines 16 mm langen Feldmausembryos. a Außenansicht, 5 Imnenansicht (Spiegelbild). Vergr. 23/1. 18. Querschnitt durch das Procribrum einer Feldmaus mit 5 cm Schnauze- Steiß- und 1,0 cm Schnauze-Scheitellänge. Vergr. 10/1. 478 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Myrmecophaga didactyla. Fig. 19a, 5. Rekonstruktionsmodell des linken Cribrums eines jungen Tieres von 11,3 em Schnauze-Steiß- und 2,4 cm Schnauze-Scheitellänge, Vergr. 7,4/1. a Außenansicht, 5 Innenansicht (Spiegelbild). Fig. 20. Querschnitt durch das Procribrum desselben Tieres. Vergr. 10/1. Talpa europaea. Fig. 21a, db. Rekonstruktionsmodell des linken Cribrums eines 27,5 em langen Maulwurfembryos. Vergr. 19/1. Fig. 22. Querschnitt durch das Procribrum eines 24 mm großen Maulwurf- embryos. Vergr. 10/1. Fig. 23. Querschnitt durch das Procribrum eines Maulwurfs mit 3,7 cm Schnauze- Scheitellänge. Vergr. 10/1. Die Knorpellamellen sind nicht einge- zeichnet. _Morpholog. Jahrb. Bd. XXX. Is Pat Pr #e Et At "Mic N N \ 8 ). 23 u Yy Y \ Et Msc Mst Par Pr Alte Pt Ecpe Mst ‘ he gen fi Mit Tr inleipzig Lith Anst vE.AFunkelei pä q | ' en: i Morpholog. Jahrb. Ba’. XXX. for: i NICTS. Lith AnstvE.AFınkeleipzia IV. Historisch-kritische Betrachtungen. Von Dr. A. Fleischmann. Mit 5 Figuren im Text. Dem Berichte meines Schülers W. BLENDINGER schließe ich einen historischen Rückblick auf die wichtigsten Abhandlungen über die Nasenhöhle an, um die Verwandtschaft unsrer Ergebnisse mit früher ausgesprochenen Ansichten, sowie die Verdienste andrer Forscher in das rechte Licht zu setzen. Auffallend lange ist man mit der oberflächlichen Kenntnis zu- frieden gewesen, daß mehrere Muscheln in die Nasenhöhle einragen und hat sie nach ihrer Lage einfach als untere, mittlere, obere Muschel unterschieden; aber niemand dachte daran, den Wert der- selben durch den Vergleich mit niederen Wirbeltieren festzustellen. Erst ©. GEGENBAUR (6a) hat, bahnbrechend wie auf vielen andern Gebieten, die Grundlage für die morphologische Deutung geschaffen, als er im Jahre 1873 die Frage aufwarf, ob die drei Muscheln der Säuger den drei Muscheln in der Nasenhöhle der Vögel entsprechen. Durch Untersuchung einer großen Anzahl von Vogelarten er- kannte er, daß zwei der als »Muscheln« bezeichneten Gebilde nichts mit den gleichnamigen Vorsprüngen in der Nasenhöhle der Säuge- tiere gemeinsam haben. Nur die mittlere Muschel darf als Homo- logon der unteren Säugermuschel gelten. Aus den Beziehungen zu einer bestimmten Lokalität der Nasenhöhle sei zwar kein Anhalts- punkt für diese Deutung zu gewinnen, aber die Erwägung, daß die differenzierteste der drei Muscheln die älteste und somit eine ererbte Bildung sein werde, spreche für den Vergleich. Auch münde der Tränennasengang bei den Vögeln unterhalb der unteren Muschel. Für die beiden oberen Muscheln der Säuger sei dagegen eine Neu- bildung im Vergleich zu den niederen Abteilungen anzunehmen. 480 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. C. GEGENBAUR wurde durch diese Studien veranlaßt, seinen Scharfsinn an der Definition des Begriffes »Muschel« zu erproben. Er hat, wie mir scheint, die Aufgabe in mustergültiger Weise gelöst, indem er forderte, man solle die Bezeichnung »Muschel« nicht allgemein auf jede Vorsprungsbildung der Nasenhöhle übertragen, gleichgültig wie die Nasenwand sich dazu verhalte, sondern nur ganz bestimmten Vorsprüngen zuerkennen. Nach seiner durch BEECKERS entwicklungsgeschichtliche Studien vollauf bestätigten An- sieht ist die Muschel ein einfacher, frei von der Wand in die Nasen- höhle ragender Vorsprung (oder Lamelle), der von einer einfachen Fortsetzung des Wandskelettes gestützt ist und sich terminal ver- schieden verhalten kann. Unter der Muschel zieht die respiratorische Bahn der Nasenhöhle hin. 1878 bestimmte er den Begriff »Muschel, Concha« noch schärfer (6b, S. 572) als einen lamellenartigen Vorsprung der vom primordialen Knorpel gebildeten lateralen Wand der Nasenhöhle. Von der Muschel sei der Riechhügel der Vögel scharf zu unter- scheiden als eine Vorsprungsbildung andrer Art. Er sei eine Ein- buchtung der Nasenhöhlenwand und entstanden durch einen von außen her einspringenden Sinus. Ebenso sei die Vorhofsmuschel oder Pseudoconcha durchaus von der wahren Muschel zu trennen; denn sie hänge nicht bloß mit dem die Nasenöffnung überdeckenden Knorpel, sondern auch mit dem Nasenseptum zusammen. Leider wurden die scharfsinnigen Bemerkungen des großen Anatomen von den meisten nachfolgenden Forschern achtlos über- gangen oder als falsch erklärt. SOLGER hat zwar in einer kleinen Studie (14) über die Nasenmuschel der Reptilien 1876 die Definition GEGENBAURS als Maßstab zur Beurteilung der Vorsprünge in die Nasenhöhle benutzt, aber G. Born (3) erklärte sie drei Jahre später für unzulässig, weil ein und dieselbe Einragung der seitlichen Nasen- wand bei Reptilien verschiedene, knorpelige Bildungen enthalte, die ineinander übergehen und weil entwieklungsgeschichtlich die Muschel bei Zacerta als Vorsprung von charakteristischer Form früher ent- stehe als der darin enthaltene Knorpel. Er empfahl daher den Begriff »Muschel« schlechtweg nur nach physiologischen Mo- menten zu definieren als eine »Einragung der Nasenwand zum Zweck größerer Ausbreitung der Riechschleimhaut« und die einzelnen Muscheln zu unterscheiden, indem man historisch verfolge, welche Einragung zuerst entsteht. Sie würde als primäre Muschel zu be- zeichnen sein. Natürlich müsse sie bestimmte anatomische Eigen- IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 481 schaften in bezug auf Lage und Verbindung besitzen, die sie als solche kenntlich machen. Träten später neue Einragungen auf, die ähnlichen Zwecken dienen, also das physiologische Prädikat »Muschel« verdienen, so würden sie sekundäre, tertiäre Muscheln heißen müssen. G. Borns Ansicht bedeutet einen großen Rückschritt gegenüber der klaren Begriffsbildung von C. GEGENBAUR. Letzterer hatte sich bemüht, den Mißbrauch, welcher mit dem Worte »Muschel« bis zum Jahre 1873 (man darf fast sagen, bis zum heutigen Tage) getrieben wurde, dadurch zu steuern, daß er bestimmte morphologische Merk- male dafür aufsuchte. Born verstand ihn aber gar nicht, und glaubte sogar, ein wissenschaftliches Verdienst zu erwerben, wenn er die von GEGENBAUR verdrängten, physiologischen Gesichtspunkte wieder in den Vordergrund stellte, obwohl die Geschichte der anatomischen Forschung an unzähligen Beispielen belegt, welch starkes Hemmnis die oberflächliche Spekulation mit physiologischen Gesichtspunkten der wirklichen Erkenntnis bereitet hat. Um so größere Bedeutung hat die im Jahre 1882 erschienene Mitteilung (12) G. SchwAuges. Trotz ihrer lakonischen Kürze hat sie die leitenden Gesichtspunkte für die morphologische Beurteilung der Siebbeinregion gegeben. Wahrscheinlich wurde SCHWALBE durch den Gebrauch der falschen Benennung »Muschel« für alle Vorsprünge in der menschlichen Nasenhöhle veranlaßt, vergleichende Studien an Säugetieren anzustellen. Zunächst bestimmte er die Ausdehnung der Nasenhöhle ganz richtig, indem er zwischen dem eigentlichen Cavum nasi und dem später durch Schluß des harten Gaumens der Nasenhöhle ein- verleibten Anteil der Mundhöhle (Ductus nasopharyngeus, KÖLLIKER) unterschied. Die Grenze beider ist in einer Linie zu suchen, welche vom Winkel zwischen der vorderen und unteren Fläche des Keilbein- körpers zur Nasenmündung des Canalis ineisivus reicht. Im Gegen- satz zur unteren Muschel, Maxilloturbinale (einem niemals von Geruchsschleimhaut überzogenen Gebilde eigner Art), sind die übrigen Muscheln Ethmoidalmuscheln (Ethmoturbinalia) oder Riech- wülste und (mindestens ihr Anfangsteil) mit gelber Riechschleim- haut bedeckt. Bei allen Säugern gehen fünf Riechwülste von der Lamina ceribrosa ab, was besonders bei den Beuteltieren zu sehen ist. Sie beginnen als schwächere Falten (sogenannter Stiel) von der Lamina eribrosa (Textfig. 7), ziehen eine Strecke weit senkrecht zu ihr weiter, verbreitern sich zu einer Anschwellung und biegen unter spitzem Winkel als sogenannte Haftfalte nach rückwärts, um 482 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten, in einer Leiste zusammenzufließen, welche von dem Winkel zwischen vorderer und unterer Fläche des Keilbeinkörpers ausgeht. »Stiel und Anschwellung oder nur ersterer enthalten einen mit der Nasen- höhle kommunizierenden Hohlraum (Siebbeinzelle)«. SCHWALBE be- tonte aber schon, daß die vorderste Ethmoidalmuschel, das Nasoturbinale, von den übrigen abweiche, weil sie als langer Wulst längs der Umbiegungsstelle der lateralen Nasenwand zum Nasendach weit nach vorn reicht und zum größten Teil mit gewöhn- licher, zum kleineren Teil mit Riechschleimhaut bekleidet ist. Also zählte SCHWALBE eigentlich vier typische Ethmoidalmuscheln. Die obere und mittlere Muschel des Menschen sind Ethmoidalmuscheln; denn sie zeigen die wesentlichen Merkmale der Riechwülste: sie wurzeln in der Lamina ceribrosa und besitzen Stiel, Anschwellung und Haftfalte. Er vergleicht die obere Muschel, welche bei Embry- onen fast immer durch eine dem oberen Nasengang parallele Furche in die SAnrorınısche und obere Muschel geteilt ist, den beiden hinteren (vierten und fünften) Riechwülsten und die mittlere Muschel, die eben- falls bei Embryonen nicht selten eine freilich schwächere Furche aufweist, den beiden vordersten (zweiten und dritten) Riechwülsten der Säuger. Endlich erkannte er in dem Agger nasi das Homologon des Nasoturbinale der Säuger. Als Beweis dafür weist SCHWALBE auf die Tatsache hin, daß bei Mensch und Säugetier die Eingänge zu Stirn- und Kieferhöhle in der tiefen Rinne zwischen dem vor- dersten der vier Riechwülste und dem Nasoturbinale liegen. Fünf Jahre später hat E. ZUCKERKANDL eine Monographie übe: das periphere Geruchsorgan der Säuger mit zehn Tafeln (15a) pu- bliziert, welche trotz der augenscheinlich darauf verwendeten Mühe die morpbologische Erkenntnis wenig förderte. Sie enthält die nicht besonders gründliche Beschreibung des knöchernen Nasenskelettes von ungefähr 60 Säugetierarten und ermangelt großer vergleichend- anatomischer Gesichtspunkte, obwohl der Verfasser einen Einblick in die Morphologie der Nasenhöhle eröffnen und die damals uner- klärten Eigentümlichkeiten der menschlichen Nase verstehen lehren wollte. ZUCKERKANDL hat hauptsächlich das Skelett der Riechwülste verfolgt, deren Deutung und Zählung er ebenso wie die Benennung ihrer einzelnen Teile von SchwAuLgBE übernahm. Dazu führte er den neuen Namen »Haftplatte« für die gemeinsame Insertionslamelle der Haftfalten (die Sammelleiste SchwALges) ein. Die Angabe von fünf, bzw. vier typischen Riechwülsten erklärte er für unrichtig, weil bei IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 483 einzelnen Ordnungen mehr als fünf Riechwülste vorhanden seien. SCHWALBE habe nur auf die mediale Reihe derselben Rücksicht ge- nommen, »während bei den meisten Tieren von ersterer gedeckt und lateralwärts von ihr noch mehrere solcher Reihen (laterale Reihen) auftretene. Zwischen je zwei Riechwülsten liegt ein schmaler Gang, welcher die Inspirationsluft gegen die mehr verborgen liegende Riech- wulstreihe hinleitet. Die mediale Reihe sei allerdings die am meisten charakteristische und es genüge für die Klassifikation, sie allein zu beachten. Aber im Gegensatz zu jenen Säugetieren, bei welchen zumeist nur die mediale Reihe auftritt, scheine es ihm angezeigt, die Mehrreihigkeit der Riechwülste zum mindesten anzugeben. Die spezielle Beschreibung der Nasenhöhle bei den einzelnen Ordnungen der Säugetiere ist ganz dürftig und ungenügend. ZUCKER- KANDL glaubte jedoch damit den unzweifelhaft richtigen Gedanken zu beweisen, daß der Bau der inneren Nase gleich dem Gebisse als taxonomisches Merkmal für die Klassifikation der Säugetiere ver- wendet werden kann. Indem er lediglich die Riechwülste der me- dialen Reihe beachtete, welche für einzelne Tierordnungen und Familien in Form, Zahl und Anordnung charakteristisch seien, er- weiterte er die von P. BrocA 1879. nach der Ausbildung des Zentral- riechlappens getroffene Gruppierung der Säugetiere durch Hinzu- fügung der Unterschiede der Riechwülste. Die Diagnosen der so gebildeten Gruppen lauten: 1) Anosmatische Tiere. Riechlappen und Riechwülste atro- phisch, Siebplatte klein und spärlich perforiert, geringe (1, 2, 3) Zahl der Riechwülste — Cetacea, Pinnipedia, Primates, wahrscheinlich auch Ornithorhynchus. 2) Osmatische Tiere. Riechlappen des Gehirns und Riech- wülste des Siebbeins beträchtlich entwickelt, Siebplatte groß und reichlich durchlöchert, große Zahl (5 oder 6—9) der Riechwülste. — Alle übrigen Säugetiere. Die pneumatischen Räume (Sinus maxillaris, frontalis, sphenoi- dalis), welche durch Verzweigung der Nasenhöhle in die nachbar- lichen Knochen entstehen, wurden wegen ihrer innigen Beziehungen zu den Riechwülsten und zur Nasenmuschel nicht übergangen. ZUCKERKANDL vertrat die Ansicht, daß bei der Mehrzahl der osma- tischen Tiere die Sinus vom Siebbeinlabyrinth und der Nasenmuschel ausgefüllt, ja teilweise verdrängt sind, während sie bei den menschen- ähnlichen Affen und dem Menschen leer und selbständige pneuma- 484 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. tische Anhänge sind. Er glaubte, dem Verständnis der Sinus etwas näher gerückt zu sein durch den Satz: das Siebbeinlabyrinth gebe den Anstoß zur Bildung des Sinus frontalis und sphenoidalis durch mächtige Entwicklung lateraler Riechwülste, welche von den Sinus aufgenommen werden sollen, daher sei deren Vorhandensein von dem Vorkommen lateraler Richwülste oder deren Derivate abhängig. Bei den anosmatischen Tieren aber genüge die Nasenhöhle zur Beher- bergung des Geruchsorgans. Die Sinus würden frei, um entweder zu schwinden oder als leere Höhlen zu dauern. Die Stirnbeinhöhle ist ein allen osmatischen Tieren zukommendes Attribut. Konstant finde sich eine untere geräumige Nische im Nasenteile des Frontale, die Pars nasalis sive inferior des Sinus frontalis, welche bei allen Osmatikern mit Riechwülsten mehr oder minder ausgefüllt werde. Minder konstant sei die Fortsetzung des Sinus in die aufsteigende Platte des Stirnbeins, Pars superior Sinus frontalis, sie diene bei den katzenartigen Tieren als Behälter für Riechwülste, in andern Fällen sei sie leer. Der Sinus sphenoidalis der osmatischen Säugetiere tritt entweder gering entwickelt als Nische an der vorderen Wand des soliden Keilbeinkörpers auf, oder bei besserer Ausbildung erweitert er sich zum Sinus des vorderen Keilbeins, einem dünnwandigen, geräumigen Hohlraum (eigentliche Keilbeinhöhle), der das ganze vordere Keilbein einnimmt und auch auf das hintere Keilbein übergreifen kann. Die Keilbeinhöhle oder Keilbeinnische habe offenbar die Aufgabe, Riech- wülste zu beherbergen; denn in der Keilbeinnische stecke bei Tieren mit fünf Riechwülsten ein Teilstück des fünften Riechwulstes, bei Echidna, Dasypus, Bradypus sogar mehrere Riechwülste.- »Die Kieferhöhle kommt bei den osmatischen Tieren nur teil- weise zur Entfaltung, weil sie von der Nasenmuschel verdrängt wird. Immerhin bildet sie aber im hinteren Anteile des Kiefers eine häufig sogar geräumige Cavität, in welcher ein mehr oder minder beträcht- licher Anteil des Siebbeinlabyrinths versteckt lagert.« Ich sehe von der Kritik der heute als irrig erkannten Ansichten ZUCKERKANDLS ab, weil die weiter unten zu besprechenden Unter- suchungen von S. PAuruLı dazu bessere Gelegenheit bieten. Die Arbeiten von V. von MIHALKOVICS (8, a—d) sind ein wei- terer Rückschritt gegenüber GEGENBAURS und SCHWALBES lichtvoller Deutung. Er will nämlich jede Einragung in die Nasenhöhle »Muschel« nennen und den Charakter einer Muschel nach der Art und Funktion des Vorsprungs, nicht nach seiner Bildungsweise ent- IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 485 scheiden. Daher spricht er von wahren oder Respirations- muscheln, Conchae und falschen oder Riechmuscheln, Pseudoconchae. Die Respirationsmuscheln der Oberkiefergegend sind mit Respirationsepithel bedeckt und entstehen als frei vorwachsende Du- plikaturen der Schleimhaut, nieht aus gebogenen Knorpellamellen. Diese Gegensetzung zeigt, daß Mınarkovics die Absicht GEGEN- BAURS nicht verstanden hat. Die Rieehmuscheln, Ethmoturbinalia, dagegen liegen in der Siebbeingegend, sind mit Riechepithel bedeckt und Vorsprünge der Schleimhaut, welche bogenförmige Ein- bauchungen des Skeletts enthalten. Daher sind sie keine Muscheln im Sinne der GEGENBAURSchen Definition, sondern Pseudoconchae. Streng genommen hat MiıHALKovıcs damit nichts Neues und Besseres gesagt, er hat den von GEGENBAUR und SCHWALBE längst erkannten Unterschied der Säugetiermuscheln durchaus bestätigt und lediglich andre Namen dafür gebraucht. Aber seine Ansicht, daB die Siebbeinmuscheln an entsprechenden Stellen der Nasenhöhle wie die muschelförmigen Wülste der Sauropsiden liegen, dieselbe Funktion, nämlich Vergrößerung der Riechfläche haben und darum homolog sein müssen, ist angesichts der richtigen Gedanken GEGENBAURS ein unbegreiflicher Fehler. Seine Studien in der Siebbeingegend ergaben trotz der aus- giebig benutzten Schnittmethode nichts Neues. Er beschrieb »die Riechmuscheln als wulstige Falten der Schleimhaut, welche durch mehr oder weniger parallele Spalten, Fissurae ethmoidales, von- einander getrennt sind«. Die Wülste bestehen zumeist aus doppelt gewundenen, gegen die laterale Wand der Nasenhöhle umgebogenen Muscheln. In der Seitenansicht sieht man nur die bis an die Ober- fläche vorragenden Teile der doppelt gewundenen Muscheln, die üb- rigen Teile und auch ganze Muscheln liegen von den übrigen ver- deckt in der Tiefe der Spalten; diese hat ZUCKERKANDL laterale Riechwülste, SEvpEL Nebenmuscheln genannt, MIHALKoVICS will sie verdeckte Muscheln nennen. Der übrige Inhalt der Abhandlung hat für unsre Studien keine Bedeutung. MiHAaLKkovics bemühte sich, die Homologie der Muscheln in der menschlichen Nasenhöhle mit den Säugermuscheln festzu- stellen. Doch wird die Frage erneuter Untersuchung bedürfen. Besseres Ergebnis bieten seine Studien über die Entstehung der Nebenhöhlen der Nase beim Menschen, die er auf der Anatomenver- sammlung 1896 kurz berichtete. Er hatte damals die ältere Ansicht, 486 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. daß die knorpelige Nasenkapsel resorbiert werde und die Nebenhöhlen durch Wucherung der Nasenwand in die so entstandenen Lücken einwüchsen, als irrig erkannt. Die Nebenhöhlen sind gerade die primär angelegten Gebilde. Schon im dritten Monat ist der mittlere Teil der lateralen Knorpelplatte der Nasenhöhle gegen den Ober- kiefer zu stark ausgebogen. Dort entsteht im vierten Monat eine winklige Knickung unter dem Boden der Augenhöhle, in deren Bruch die Schleimhaut als ein Rezeß der Nasenhöhle hineinzieht. Dieser Rezeß wird durch Auswachsen des oberen Randes der unteren Muschel zu einer schräg nach unten führenden Spalte. Das ist die Anlage des Sinus maxillaris. Die Keilbeinhöhle ist schon im dritten bis vierten fötalen Monat angelegt als das hinterste blinde Ende der Nasenhöhle, von der sie durch die Ausbildung der Keilbeinmuschel aus der Lamina termi- nalis geschieden wird. Die Stirnhöhle entsteht aus einem Fortsatz der Schleimhaut am Infundibulum ethmoidale. Diese Höhle und auch die Siebbeinzellen bilden sich durch sekundäre Ausstülpung des Epithels in das schwin- dende Bindegewebe, das an der inneren Seite der knorpeligen Nasen- kapsel liegt. Dort entstehen über der Decke der Nasenhöhle im sechsten bis siebenten Monat Knorpelbeläge, deren Lücken von Binde- gewebe ausgefüllt sind. Die Beläge verknöchern zu den Siebbein- zellen und das Epithel schiekt im siebenten bis achten Monat Fort- sätze in das schwindende Bindegewebe hinein. Die Stirnhöhle lagert sich in einen sekundären Knochen hinein, nachdem der Knorpel, welcher als Vorbau diente, resorbiert und Platz für die Höhle ge- schaffen ist. Man muß über das unbefriedigende Resultat der eben be- sprochenen Arbeiten um so mehr staunen, als HARRISON-ALLEN (1) in Philadelphia bereits 1882 den Begriff der Siebbeinmuscheln ganz aufgegeben und folgende, sehr zutreffende Vorstellung ausgesprochen hatte. Die lateralen Massen des Siebbeins bestehen aus einzelnen in die Nasenhöhle einspringenden und gegen das Septum gerichteten Platten (ethmoturbinals plates), deren freistehender medialer Rand ent- weder einfach oder doppelt gerollt ist. Nicht alle Platten reichen gleich weit median, ein Teil (endoturbinals plates) wird auf dem Sagittal- schnitt durch den Schädel sichtbar, die andern (ectoturbinals plates) liegen in einem vom Frontale und Maxillare begrenzten Raume, der mit der Nasenhöhle an dem Zwischenraume zwischen Nasoturbinale und erstem Endoturbinale kommuniziert. IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 487 Die kleine Abhandlung des amerikanischen Forschers blieb je- doch in Deutschland so unbekannt, daß O. SeYDEL, welchen (©. GE- GENBAUR angeregt hatte, die Formverhältnisse des Siebbeins der Affen und des Menschen von den Zuständen bei Säugetieren abzu- leiten, die dort geschilderten Tatsachen 1891 neu entdecken mußte. SEYDEL (13 a) hat die ihm gestellte Aufgabe in ausgezeichneter Weise gelöst nnd durch sorgfältige Beobachtung wie durch klare Reflexion wesentlich dazu beigetragen, daß die Morphologie der Nasen- höhle allmählich richtiger verstanden wurde. Während SCHWALBE und ZUCKERKANDL ihre Betrachtungen fast ausschließlich auf die Form der am Medianschnitt durch die Nasengegend sichtbaren Riechwülste gestützt haben, erkannte OÖ. SEYDEL, daß die Riechwülste die Teil- stücke von morphologisch viel wichtigeren Platten, den Basal- oder Ursprungslamellen sind, die an der lateralen Nasenwand bis zur Lamina cribrosa entspringen, gerade nach vorn Fig. 7. Lam. cribr. a. 2. b. Lam.ceribr. ‚Stiel. Anschwellung. =D A Haftfalte.- Seitenansicht von zwei Siebbeinmuscheln, schematisch nach O0. Server. (Morph. Jahrbuch. Bd. XVII). S. 51). oder wenig nach unten geneigt verlaufen und vorn durch eine mehr oder minder deutliche Sammelleiste an der seitlichen Nasenwand verbunden werden; der Rand jeder Lamelle schaut gegen das Sep- tum hin und trägt entweder eine einfache oder doppelte, je nach oben und unten gerichtete Einrollung, welche äußerlich als ein Riechwulst (SCHWALBE) erscheint. Außerdem kann die Lamelle noch andre seitlich abzweigende Einrollungen in verschiedener Zahl tragen, die lateral von den medialen Einrollungen liegen. Eine solche Basal- lamelle mit allen abzweigenden Einrollungen nannte SEYDEL »Sieb- beinmuschel« (Textfig. 7) und erklärte SchwALBeEs Termini: Stiel, Anschwellung, Haftfalte für überflüssig, weil sie sich ja nur auf Be- sonderheiten der median freiliegenden Oberfläche einer Siebbein- muschel bezögen. SEYDEL hat sich dadurch ein großes Verdienst erworben; denn die Erkenntnis der Basallamellen bot nieht bloß ein sicheres Mittel, um die verschiedenen Riechwülste nach der Lage Morpholog. Jahrbuch. 32. 32 488 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. und dem Ursprung ihrer Lamellen genau zu bestimmen, sondern er- öffnete auch einen besseren Einblick in die Morphologie der Sieb- beinregion überhaupt, weil, wie SEYDEL sehr richtig bemerkte, die Ba- sallamellen infolge ihrer transversalen Anordnung den Hohlraum der Regio olfactoria in eine Reihe von Kammern (identisch den oben S. 455 beschriebenen Cribralsäcken) teilen, welche für die Vergleichung der Skelettelemente von hoher Bedeutung sind. Wenn auch SEYDEL wegen seiner speziellen Forschungen an Affen und Menschen den Gedanken nicht eingehend behandelt hat, so ist er doch später durch PaurLıs Studien fruchtbar und durch unsre embryologischen Studien vollauf bestätigt worden. Abgesehen vom Nasoturbinale, dessen durch SCHWALBE erkannte Sonderstellung unbestritten bleibt, zeigen die übrigen Siebbeinmuscheln Unterschiede, insofern ein Teil der- selben, »eigentliche Siebbeinmuscheln«, die Nasenhöhle er- füllt und an ihrer Wand selbst angeheftet ist, während ein andrer Teil in den Sinushöhlen steckt und von deren Wand entspringt. Die eigentlichen Siebbeinmuscheln zerfallen wieder in zwei Grup- pen: 1) Die Hauptmuscheln, deren Endaufrollung (mediale Riech- wülste ZUCKERKANDLS) dem Septum benachbart liegt, 2) die Neben- muscheln, die weniger weit medianwärts ragen, so daß ihre Endaufrollung zwischen den Hauptmuscheln verdeckt ist. Diese Ein- teilung richtet sich gegen diejenige ZUCKERKANDLS; denn dessen laterale Riechwülste haben verschiedenen morphologischen Wert, sie entsprechen teils selbständigen Nebenmuscheln, teils seitlichen Ein- rollungen von Hauptmuscheln. Die Muscheln in den Sinushöhlen sollen nach den Knochen benannt werden, zu denen ihr Ursprung Beziehung hat, z. B. frontale Muscheln usw. Die Gesamtheit der Ethmoidalmuscheln faßt SEYDEL mit Recht als eine Einheit auf, weil alle von der knorpeligen Nasenkapsel aus gebildet werden und mit der Lamina cribrosa zusammenhängen. Ihre Verknöcherung erfolgt selbständig, erst später werden sie mit den von außen angelagerten Knochen verbunden. Mit ZUCKERKANDL meint er, der Anstoß zur Bildung des Sinus frontalis und sphenoidalis werde vom Siebbein gegeben, weil mit der höheren Entwicklung des Geruchsinnes der periphere Apparat eine mächtige Entfaltung gewinnt und dafür durch Ausbuchtung der Nasenhöhle Raum geschaffen wird. Der Sinus frontalis ist eine nischenförmige Ausbuchtung der Nasenhöhle nach hinten und oben ins Stirnbein; sie wird ganz oder nur ihre unteren Teile mit Mu- scheln erfüllt. Der Sinus sphenoidalis ist eine nischenförmige Aus- IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 489 buchtung in den Keilbeinkörper, ganz oder teilweise durch die hin- terste Partie der hintersten Muschel gefüllt. Die ausführlichen Untersuchungen über die Pneumatizität des Schädels bei den Säugetieren von S. PauLLur (9) eröffneten 1900 eine neue Epoche in der Geschichte des Problems. Es ist ein wahrer Genuß, den gründlichen Beobachtungen des jungen dänischen For- schers und seiner gediegenen, morphologischen Interpretation zu fol- gen, deren Resultate grundlegend für alle Zeiten bleiben werden. Die oben berichteten Untersuchungen meines Schülers BLENDINGER haben sie durch die Darlegung der ontogenetischen Vorgänge durchaus be- stätigt und nur an einzelnen Punkten vertieft. Gestützt auf langjährige eigne Studien, sowie auf die Ergebnisse der früheren Abhandlungen entwarf S. Paurzı eine vollendete Schilderung von der morpholo- gischen Struktur des Siebbeins (Ethmoidale), daser treffend einem Kästchen vergleicht; die lateralen Wände werden von den Seiten- platten, Laminae laterales (Dursy), sive Laminae maxillares (Sey- DEL) gebildet, die hintere Wand von der frontal gelagerten Sieb- platte, die Decke von flügelför- migen Verlängerungen des knö- chernen Septums, Alae laminae perpendieularis, der Boden von der quer liegenden Lamina trans- versalis. Eine vertikale Mittel- platte, Lamina perpendieularis, teilt den Binnenraum in zwei Hälften und jede derselben wird durch transversal gegen die La- mina perpendieularis gerichtete Platten des sog. Labyrinthes ge- Fig. 8. al kammert (Fig. 8). Für die morphologische Beur- teilung ist aber weniger das Kno- chenskelettals dasmitSchleimhaut überzogene Siebbein sowie seine Schematischer Schnitt durch ein einfach gebautes Siebbein, dicht vor der Siebplatte und ihr parallel. Nach S. Paurzı. s Septum; al Ala laminae per- pendicularis; !! Lamina lateralis; l# Lamina trans- versalis; vo Vomer; 7—Y Endoturbinalia. Genese zu studieren. Dadurch lernt man, daß aus der Seitenwand der Nasenhöhle parallel laufende, abgerundete Schleimhautwülste mit 32* 490 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. je einem unterstützenden Knorpelstreifen sprossen und als trans- versal gestellte Platten-Ethmoturbinalia selbständig gegen die Lamina perpendicularis vorwachsen. Wenn später der hintere Teil der knorpeligen Nasenkapsel zu den Wänden des Siebbeinkästchens verknöchert, ossifiziert auch das Knorpelblatt der Labyrinthplatten. PaurLı betrachtet das Ethmoturbinale, d. h. Knorpellamelle und Sehleimhautüberzug, als das morphologische Element des Siebbeins und definiert es wie folgt (S. 156): »Der Typus eines Ethmoturbinale ist eine Platte (Basallamelle, O. SEYDEL), die sich mit ihrem hin- tersten Rand an die Siebplatte und mit ihrem lateralen Rand an die Seitenplatte heftet, transversal durch eine Hälfte der Regio olfaetoria gegen die Lamina perpendieularis erstreckt; ihr vorderer, der Regio Fig. 9. Eine Endoturbinallamelle mit eingerolltem Rande, von der Fläche gesehen. Nach S. Paurı. respiratoria zugewandter Rand und ihr medialer, von der Lamina perpendieularis wenig entfernter Rand sind frei.« Die einfache Form findet sich freilich nur bei einzelnen Ethmo- turbinalien; in der Regel wird sie dadurch kompliziert, daß der freie mediale Rand der Platte sich tütenförmig einfaltet und den sogenannten Riechwulst (SCHWALBE) bildet (Textfig. 9). Wenn auch allgemein der Riechwulst das mediale Ende der Ethmoturbinalplatte bildet, so beobachtet man doch oft, daß eine Basallamelle ein kürzeres oder längeres Stück vom Ursprung an der Siebplatte sich in zwei Blätter mit zwei entgegengesetzt einge- falteten Riechwülsten spaltet. Das vorderste Ende eines Riechwulstes wird oft nach vorn als abgerundeter, zungenförmiger Fortsatz vor- getrieben. Die Oberfläche der Riechwülste bleibt sehr häufig glatt oder sie wird von Längsfurchen durchzogen. Größere Ethmoturbi- nalien besitzen Nebenblätter mit ähnlichen Einrollungen, welche von einer oder von beiden Flächen der Basallamelle entspringen und IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 491 abermals mit tertiären, eingerollten Blättern versehen sein können. In diesem Falle gleicht der Querschnitt des Ethmoturbinale einem stark verästelten Baum (Textfig. 10 /Z7, IV). Mit der auf AuLLens und SEYDELS Auffassung basierten De- finition beseitigte Paurzı endgültig die Überschätzung der Riech- wülste, durch welche ZucKERKANDLS Absicht vereitelt worden war. Die morphologische Analyse des Siebbeins muß, wie er mehrfach Ze: betont, von den Ethmoturbinalien ausgehen. Sie bilden die Basis jedes Homologisierungsversuchs, die Riechwülste aber sind va- riable Differenzierungsprodukte. Die von der Sieb- und Seitenplatte entspringenden Eth- moturbinalien ziehen in typi- scher Weise, nämlich radial geordnet durch den Raum der Regio olfactoria; von der Decke strecken sich die oberen Basal- lamellen vertikal nach unten, während die unteren von der Lamina transversalis emporstei- gen. Da nur eine geringe Zahl von Ethmoturbinalien einen me- dialen Riechwulst trägt (Text- Schematischer Schnitt durch das Siebbein, dicht vor figur 10), so unterscheidet der Siebplatte und ihr parallel, mit fünf Endotur- Pıurtı sie durch den Namen binalien (7—V) und mit einer einfachen Reihe von Eetoturbinalien (I—6). Die Basallamellen des zwei- Endoturbinale (= medialer ten und vierten Endoturbinale sind mit eingeroll- H ten, sekundären und tertiären Blättern versehen. Riechwulst ZUCKERKANDLS) VON Der zweite und fünfte Riechwalst (I und V) trägt den übrigen Lamellen, den Längsfurchen. Nach S. Paurtr. Ecetoturbinalia. In der syste- matischen Gruppierung der Endoturbinalia folgt PAurLı der bisher allgemein geteilten Ansicht ScHWALBES. Er bezeichnet das gewöhn- lich weit oralwärts durch die ganze Nasenhöhle reichende Naso- turbinale, dessen Basallamelle der Unterseite des Nasale angeheftet ist, als erstes Endoturbinale, bzw. ersten Riechwulst. Doch verkennt er dessen Sonderstellung durchaus nicht. Nur der hinterste Teil des knöchernen Nasoturbinale gehört dem Siebbein an und ist mit Sinnes- epithel bekleidet; der vordere, größte mit Flimmerepithel bedeckte 492 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. Teil dagegen werde vom Nasenbein entwickelt. Hinter dem Naso- turbinale folgen die Endoturbinalia ZZ, ZIZ, IV und V bzw. die vier eigentlichen Riechwülste. Lateral und verdeckt von ihnen liegen die Eetoturbinalien (laterale Riechwülste ZUCKERKANDL) in den Zwi- schenräumen der Endoturbinalia als einfache (Textfig. 10) oder doppelte (Textfig. 11) Reihe. Die meisten Eetoturbinalia fin- den sich zwischen dem ersten und zweiten Endoturbinale; in den folgenden Zwischenräumen nimmt ihre Zahl ab und im letzten oder in den beiden letz- ten fehlen sie. Die Endoturbi- nalia und die Ectoturbinalia re- präsentieren demnach Bildungen von sehr verschiedenem mor- phologischen Wert. Die Endo- turbinalia treten in der Fünfzahl auf. Da sie bei den Beuteltieren regelmäßig besteht, so vermutet er, die gemeinsame Stammform der Säugetiere dürfte mit fünf Endoturbinalien versehen ge- wesen sein. Eine größere Zahl ist durch vollständige Spaltung der Basallamellen von fünf ur- sprünglichen Endoturbinalien, ee ba u ge Sekt — eine Verminderung durch Ver- turbinalien in zwei Reihen geordnet sind. Nach schmelzung der Basallamellen Wlonidinls oder durch gänzliche Unter- drückung derselben entstanden. Unvollständige Spaltung der Basallamellen vermehrt bloß die Zahl der Riechwülste. Die Eetoturbinalien bieten so wesentliche Ver- schiedenheiten, daß sie sich nicht auf eine gemeinsame Form zu- rückführen lassen. Sie sind also analoge Gebilde. S. Paurtı hat außerdem die mit der Nasenhöhle verbundenen Sinus oder pneumatischen Räume in mustergültiger Weise studiert. Seine Klage, daß ihre Beschreibung und Entwiecklungsgeschichte bisher ganz vernachlässigt wurde, ja daß, abgesehen von den Tat- sachen der menschlichen Anatomie, die genaue Lagebestimmung der Eingangsöffnungen fehle, hat er mit seinen Studien gegenstandslos Fig. 11. IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 493 gemacht. Sein scharfer Tadel über ZuUCKERKANDLS Monographie ist durch seine eignen, besseren Resultate voll berechtigt. ZUCKER- KANDL hat nämlich die Lage der Eingangsöffnungen für die Sinus nicht bestimmt, er hat Teile der Nasenhöhle mit pneumatischen Räumen verwechselt, anderseits einen echt pneumatischen Raum, die Keilbeinhöhle, für einen Abschnitt der Nasenhöhle angesehen. Auch hat er sich der veralteten und schon längst verlassenen Ansicht angeschlossen, daß die pneumatischen Höhlen für den Geruchssinn bedeutungsvoll seien, weil sie Vergrößerung der Nasenhöhle zur Aufnahme des umfangreichen Siebbeins bezweckten, während leere Höhlen sekundär durch Reduktion des Siebbeins entstanden seien. Die Einteilung der Säugetiere in osmatische, anosmatische und eine zwischen beiden stehende Gruppe, die nach der Architektur der Sinus getroffen ist, bewertet PauLLı durch den Rat, sie aufzugeben. An Stelle der verworfenen Ansichten setzte er neue, außerordent- lich gründliche Schilderungen aller Eigenschaften der pneumatischen Höhlen, welche er durch sorgfältige Präparation erkannt hat. Man braucht nur seine Methode zu kennen, um die Gewißheit zu erhalten, daß die Resultate gut und zuverlässig sind. Während ZuUCKERKANDL noch über jene Anatomen, welche davor zurückscheuen, den Schädel durch einen medianen Sagittalschnitt entzwei zu teilen, spotten und seine vergleichenden Studien an solchen Medianschnitten als großen Fortschritt betrachten durfte, hat PauLLı die pneumatischen Höhlen durch Hinwegmeißeln der äußeren Knochentafeln geöffnet und hierauf den Kopf median durchsägt, die Riechwülste der Endoturbinalia, die Einrollungen der Eetoturbinalia, die sekundären und tertiären Blätter nach und nach abgeschnitten, bis die Basallamellen wie niedere Kämme zurückblieben und die Lagebeziehungen der nun sichtbaren Öffnungen der Höhlen leicht zu bestimmen waren. Außerdem stellte er Querschnitte und, dem Rate SeyDEus folgend, schräge, der Sieb- platte parallele und wenige Millimeter vor ihr gelegte Transversal- schnitte durch gefrorene Köpfe her, oder er kombinierte beide Me- thoden an den Hälften eines Kopfes. Als Resultat seiner mühevollen Arbeit steht jetzt fest, daß die pneumatischen Höhlen ursprünglich als leere, wohl abgegrenzte Ausstülpungen der Schleimhaut von sehr verschiedenen Stellen der Nasenhöhle, namentlich der Regio olfactoria, vorzüglich von den Zwischenräumen zwischen den der oberen und seitlichen Wand des Siebbeins angehefteten Rändern der Ethmotur- binalien entwickelt werden, daher mit Schleimhaut ausgekleidet sind. Sie emanzipieren sich ganz von der Nasenhöhle und stehen mit ihr 494 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. bloß durch scharf begrenzte Öffnungen in Verbindung. Wenn man sie bei verschiedenen Säugetieren vergleichen will, so muß, wie SCHWALBE und SEYDEL betont haben, die Lage der Öffnungen als Basis dienen. »Homolog liegende Ausfaltungspunkte geben homologe pneumatische Räume. Alle übrigen Verhältnisse, z. B. die Ausbreitung der Höhlen in den Knochen, haben für die Vergleichung keine Be- deutung. « An vielen Fällen beweist PAuULLI das allgemeine Gesetz, daß die Öffnungen der pneumatischen Höhlen an der Seitenwand des Siebbeins zwischen den Ursprungslinien der Basallamellen liegen, aber die Zahl der pneumatischen Räume ist meist viel kleiner als die Zahl der Ethmoidalzwischenräume. Die Ursprungsteile der Höhlen liegen in einer Reihe geordnet, im Fornix die eine Höhle lateral von der andern, in der medialen Orbitalwand die eine unterhalb der andern. Pautrı machte ferner die wichtige Entdeckung, daß die mit Rieehwülsten erfüllte Höhle im Stirnbein, welche ZUCKERKANDL als Pars nasalis des Sinus frontalis, SEYDEL und ALLEN als Sinus fron- talis gedeutet hatte, gar keine pneumatische Höhle, sondern nur der oberste, hinterste Teil der Regio olfactoria (entsprechend dem Pro- ceribrum, s. oben S. 454) ist, welche, von Ethmoturbinalien ausgefüllt, nach vorn unmittelbar in die Nasenhöhle sich fortsetzt; darum ver- warf er die Bezeichnung Sinus frontalis als morphologisch wertlos. Ebenso verhält es sich mit den Sinus sphenoidalis. Die Regio olfac- toria der Säugetiere reicht nach hinten in den Körper des vorderen Keilbeins hinein und bildet hier eine mehr oder minder tiefe Aus- höhlung, die beim erwachsenen Individuum ganz vom Siebbein aus- gefüllt (Keilbeinnische ZUCKERKANDL) und bei mehreren Primaten sekundär abgeschnürt wird. Dieser Raum ist also keine pneuma- tische Höhle, sondern der hinterste Teil der Nasenhöhle selbst, wie schon Dursy erkannte. Er empfiehlt den Ausdruck Sinus sphe- noidalis ganz fallen zu lassen. Im Keilbeinkörper mehrerer Säuge- tiere findet sich ausnahmsweise eine echte pneumatische Höhle, welche aber mit den Sinus sphenoidalis der Anthropoiden und Menschen nichts zu tun hat. Wahre pneumatische Höhlen fehlen den Monotremen. Von den untersuchten Beuteltierarten kommen sie nur Phascolaretus als selb- ständige Bildung zu. Die übrigen Ordnungen (abgesehen von den Insectivoren und Chiropteren) weisen entsprechend der Größe der Arten eine stärkere Pneumatisation auf. Die Behauptung ZUCKER- IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 495 KANDLSs, daß den pneumatischen Räumen die Aufgabe zufällt, ein- zelne Teile des bei den Osmatikern mächtigen Geruchsorgans auf- zunehmen, ist irrtümlich. Bloß bei einzelnen Säugetieren (Hyrar, Carnivoren) erstrecken sich Teile des Siebbeins in die pneumatischen Höhlen hinein, aber dieses Verhalten ist sekundär und zeigt keine Abhängigkeit zwischen der Entwicklung der pneumatischen Räume und dem Zustand des Siebbeins an. Der Sinus maxillaris, die w- sprüngliche Form der Pneumatizität, ist ein den placentalen Säuge- tieren typischer pneumatischer Raum, der vom mittleren Nasengang (oberhalb des Maxilloturbinale) unmittelbar vor dem Siebbein ent- wickelt wird, nach hinten durch den Vorderrand der Seitenplatte, nach vorn durch die Verlängerung des Nasoturbinale begrenzt. Der Sinus maxillaris liegt im Oberkiefer, verlängert sich aber bei den meisten in mehrere Knochen: Jugale, Palatinum, Lacrymale, Nasale, Frontale, Prae- und Basisphenoid. Bei verschiedenen Säuge- tieren (Ungulaten, Edentaten, Nagern) werden einzelne Ethmotur- binalien selbständig pneumatisiert, indem entweder die Nasenschleim- haut sich von einer kleinen, begrenzten Stelle in die ursprünglich solide Anlage des Ethmoturbinale hineinfaltet und in dieser eine oft ansehnliche Höhle bildet oder indem die pneumatischen Räume in den Schädelknochen Verlängerungen in die Basallamellen der Ethmo- turbinalien senden. Bei manchen Arten werden besondere pneuma- tische Höhlen von sehr verschiedenen Punkten der Nasenhöhle oder vom Schlundkopf aus entwickelt, z. B. der Sinus malaris der Perisso- dactylen. Der Umfang der Pneumatizität steht in direktem Verhält- nis zur Größe des Tieres; je größer die Art, um so größer der Be- reich der Höhlen; den kleinsten Arten fehlen sie vollständig. Die Bedeutung der Pneumatisation liegt in der Ersparung von Knochen- material und der durch die Anpassung bedingten Ausformung des Schädels. Entwicklungsgeschichtliche Studien. Nachdem ich die wichtigen Resultate, welche die Untersuchung der Nasenhöhle erwachsener Säugetiere in den letzten dreißig Jahren gefördert hat, übersichtlich besprochen habe, will ich die entwick- lungsgeschichtlichen Arbeiten kurz würdigen. Dieselben sind natur- gemäß in den siebziger und achtziger Jahren wegen Mangels der entsprechenden Technik spärlich gewesen und erst in den letzten fünf Jahren eifriger betrieben worden. Borns Schüler, E. LEGAL, hat im Jahre 1883 einige kurze, aber 496 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. treffende Bemerkungen über die Entwicklung der unteren Muschel beim Schwein veröffentlicht, welche von allen späteren Forschern bestätigt wurden. Sie lauten (7, S. 365): »Das Lumen der Nasen- höhle wird durch die mächtig dieken Muschelwülste anfänglich sehr beeinträchtigt. Durch Spalten, welche von der Nasenhöhle aus immer tiefer in dieselbe eindringen, findet erst allmählich eine Vergrößerung des Lumens statt. Die untere Muschel stellt bei Schweinsembryonen von etwa 4 cm Länge nur eine flache Erhebung an der äußeren Wand der Nasenhöhle dar und ist nur über dem vorderen Teil der primitiven Choane durch eine zunächst noch mit Epithel gefüllte Spalte besser abgegrenzt, welche von der Nasenhöhle aus bogen- förmig unter den unteren Muschelwulst eindringt. Diese Spalte wird bald tiefer und erhält ein deutliches Lumen; man kann sie mit einer Nische vergleichen. Bei Embryonen von etwa 5 cm Länge er- hält die untere Muschel aber auch von oben her durch eine in ähn- licher Weise erscheinende Spalte, die aufwärts konvex gebogen ist, eine scharfe Abgrenzung. Später wird die Muschel durch Ver- breiterung der Spalten und Nischen dünner und schlanker. « Neun Jahre später (1892) berichtete ZUCKERKANDL (15 e und d) über die Entwicklung der menschlichen Nasenhöhle. Bei einem Embryo von 2 Monaten ragen von der Seitenwand der Nasen- kapsel zwei Wülste, die Anlage des Maxilloturbinale und des Sieb- beins vor. Zwischen beiden zieht ein enger Spalt, der primäre mittlere Nasengang. Bei einem dreimonatlichen Embryo ist der ur- sprünglich glatte Siebbeinwulst durch eine seichte Furche (Fissura ethmoidalis inferior) in zwei Riechwülste geteilt. Der untere Wulst ist die spätere, mittlere Nasenmuschel, der obere Wulst die primäre obere Nasenmuschel. Bei einem 74 mm langen Embryo tritt an der primären oberen Muschel knapp über ihrem freien Rande eine zweite, kurze Rinne (Fissura ethmoidalis superior) auf, welche die primäre, obere Muschel in die größere, definitive obere Muschel und die mittlere Siebbeinmuschel teilt. »Drei Siebbeinmuscheln repräsentie- ren demnach die typische Faltungsweise des Siebbeins.« Die mitt- lere Siebbeinmuschel hat sehr wechselndes Schicksal. Anfangs oberflächlich gelagert, sinkt sie später zwischen den beiden Nach- barmuscheln ein oder bleibt im Wachstum zurück, dann wächst die obere Muschel deckelartig über die mittlere Muschel abwäitts. In einzelnen Fällen tritt an der definitiven, oberen Muschel abermals eine Faltung in zwei Muscheln auf, so daß die Siebbeinanlage vier Muscheln besitzt. IV. Historisch-kritische Betrachtungen, 497 Auf Anregung von H. Strasser hat A. SCHOENEMANN durch eine Arbeit (11) die Frage behandelt, ob die Muscheln als Duplikatur der Nasenschleimhaut vorwachsen, wie Herrwig, MiHALKowics und ScHuutze lehrten, oder ob Learn Recht habe. Er bestätigte die Angaben des letzteren und zeigte, daß nicht nur die untere Muschel, sondern sämtliche andre Muscheln gebildet werden, indem Epithel- kanäle bzw. Epithelzapfen, Epitheltaschen bzw. Epithellamellen von dem Epithel der Nasenhöhle in das Massiv der seitlichen Nasen- wand eindringen und einzelne Felder abspalten, welche zu Muscheln umgewandelt werden. Also fissurieren die vom Lumen vor- dringenden Epitheltaschen die laterale Nasenwand. SCHOENEMANN legt auf diese Tatsache ein ganz besonderes Gewicht und hebt mit Recht hervor, daß damit die ältere Meinung vom Einwachsen der Muschelfalten in das Lumen der Nasenhöhle widerlegt ist. Die Spalten der seitlichen Nasenwand bilden insgesamt ein System unter sich zusammenhängender Furchen, zwischen denen einwärts ragende Teile der Wandung als Muscheln stehen bleiben. Die obere Lesarsche Furche trennt das Gebiet der primordialen Nasenhöhlenseitenwand in eine untere, durch die untere LEGALsche Furche noch schärfer herausmodellierte Abteilung, die spätere untere Muschel und in eine obere Abteilung, welche von einer dritten Furche, der Fissura ethmoidalis lateralis, in ein hinteres, pyramiden- förmiges Feld, Basoturbinale, als Bildungsmaterial für die späteren Hauptsiebbeinmuscheln und ein vorderes Feld, Nasoturbinale, geteilt wird. Die Fissura ethmoidalis, eine bogenförmige, seitliche Spalte, grenzt das Basoturbinale nach außen hin ab. Eine andre Spalte streckt sich längs der Nasenscheidewand gegen die Decke der Nasen- höhle und der Schädelbasis hin, Fissura ethmoidalis medialis. Durch weiteres Eindringen von Spalten und Kanälen, welche von den Hauptfissuren ihren Ausgang nehmen, erhält die Nasenhöhlenseiten- wand ein kompliziertes Relief. Diese Gang- und Spaltbildungen werden später zu den eigentlichen Nebenhöhlen. Bei neugeborenen Katzen dringen von der Fissura ethmoidalis medialis drei Spalten in das Massiv des Basoturbinale hinein. Später aber vermehren sich die Spalten derart, daß das ganze Basoturbinale aus einem Komplex von Blättern zusammengesetzt erscheint. Auch die laterale Furche des Basoturbinale und die dieser zugekehrte Fläche der Seitenwand der Nasenhöhle, also die laterale Begrenzungswand der Fissura eth- moidalis lateralis, werden vom Epithel in Angriff genommen. So entstehen die zahlreichen Conchae obtectae. 498 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. K. PETER (Fig. 10a, b) bestätigte die Ansicht von SCHOENEMANN und LEe@AL: Die Muscheln entstehen nicht als aktive Einstülpungen ins Lumen der Nasenhöhle, sondern werden mittels Furchen aus der lateralen Wand herausgespalten. Zwei ganz verschiedene Stellen der Nasenschleimhaut dienen als Mutterboden für den hochentwickelten Muschelapparat. Beim Kaninchen bilden sich im vorderen Teil des Riechsackes durch Wachstum der zwischen ihnen liegenden Furchen zwei übereinander liegende, konvex ins Lumen hineinragende Wülste der lateralen Wand, das Maxillo- und Nasoturbinale. Die oberen Partien der septalen Wand der Riechgrube knicken sich in ihrem oralen Teile und bilden ein Dach der Nasenhöhle. Aus diesem werden von vorn nach hinten fortlaufende kegelförmige Wülste, die Anlagen der hinteren Muscheln (Ethmoturbinalia) abgegliedert. Zunächst entsteht aus der septalen Wand eine einheitliche Anlage, das »primäre Ethmoturbinale«, aber bald durch eine seichte Furehe in zwei »sekundäre Ethmoturbinalia«, nämlich die beiden ersten Riechwülste zerfallend. Dahinter werden vom Dach der Nasenhöhle noch zwei kegelförmige Wülste, »primäre Ethmoturbinalien« abge- gliedert und durch Furchen in sekundäre Ethmoturbinalien geteilt. Es sind also deutlich zwei Prozesse zu unterscheiden: die primären Ethmoturbinalien entstehen selbständig hintereinander, die sekun- dären werden durch Furchen auf den primären abgetrennt. PETER betrachtet diese Behauptung als wichtigen Fortschritt und wider- spricht sehr energisch der Behauptung SCHOENEMANNs, das Baso- turbinale — erstes primäres Ethmoturbinale (PETER) werde aus der lateralen Wand ausgefurcht. Ebenso scheint ihm die Angabe SCHOENE- MANNS falsch, daß die einzelnen Riechwülste durch Furchenbildung auf dem Basoturbinale entstehen. Denn nach seiner Beobachtung teilt sich nur das erste Ethmoturbinale und die übrigen Riechwülste entstehen ganz selbständig. PETER hat auch die Anlagen der Cribralsäcke an seinen Modellen gesehen, jedoch nicht recht verstanden, wie seine Darstellung zeigt: Lateral vom Ethmoturbinale / werden zwei nach hinten gerichtete Ausstülpungen angelegt und in weitgehender Weise umgebildet. »Da- durch entsteht ein verwickeltes Gangsystem, welches in der Seiten- ansicht buckelartige Hervorragungen, denen innen Spalten entspre- chen, erkennen läßt, zwischen denen Einbuchtungen stehen geblieben sind, welche innen als Wülste erscheinen.«e Dieses Gangsystem hat drei Ausbauchungen, welche durch tiefe Furchen geschieden sind. Sie bilden zwei aus der dorsalen Bucht ins Nasenlumen einragende IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 499 Wülste, die Conchae obtectae, laterale Riechwulstreihe (ZUCKERKANDLS) sive Eetoturbinalia (PAuLLi). Nach dem Ursprung aus verschiedenen Stellen des Riechsackes teilt PETER die Muscheln in die Gruppe der seitlichen Muscheln, Conchae laterales, welche aus der seitlichen Wand der Nasen- höhle entspringen, und in die Gruppe der medialen Muscheln, Conchae mediales sive Ethmoturbinalia, welche aus den hin- teren, oberen Partien der septalen Wand des Riechsackes entstehen. Die Gruppe der seitlichen Muscheln zerfällt wieder in zwei Unter- abteilungen, nämlich die Conchae laterales anteriores, Maxillo- turbinale und Nasoturbinale und die Conchae laterales posteri- ores sive Conchae obtecetae. Mit Recht erklärt er als ein wich- tiges Resultat seiner Untersuchungen die Erkenntnis, daß das Nasoturbinale wegen seiner Genese von den Ethmoturbinalien absolut verschieden ist und mit dem Maxilloturbinale größere Verwandtschaft zeigt. Ferner vertritt er die Meinung, die knorpeligen Stützen ent- wickeln sich zu spät, um für die Beurteilung des morphologischen Wertes der Muscheln benutzt zu werden. Letzterer sei lediglich nach der frühesten Genese zu beurteilen, und man dürfe dabei ganz vom Skelett absehen; einige Wülste mit ganz ähnlichen Stütz- lamellen entwickeln sich in differenter Weise. Darum verwirft er auch GEGENBAURS Definition. Für die Homologisierung der Mu- scheln müsse man von der ersten Entwicklung ausgehen und dürfe nieht die viel später entstandenen knorpeligen oder knöchernen Stützen derselben vergleichen. Er zieht zum Schluß, freilich etwas zögernd und unbestimmt, die Homologie ganz richtig. Die Unter- suchungen BEECKERS (2, S. 600) haben seine Ansichten durchaus bestätigt. Die verworrene Parallele, welche MıHALKOwICcS ausge- sprochen hatte, wird mit Recht verurteilt. Eine ganz abweichende Ansicht hat sich O. Seypeu (13b) durch Studien an Embryonen von Echidna gebildet. Er zweifelt, ob das Maxilloturbinale den Muschelbildungen der Sebildkröten, Saurier und Ophidier homolog sei. Die faltenartige Form, die horizontale Stellung und die Ausdehnung durch die ganze Länge der Nasenhöhle sprächen dagegen. Nach seiner Meinnng ist das Maxilloturbinale und seine faltenförmige Verlängerung, die sich nach vorn bis zur Apertura nasalis externa fortsetzt, homolog der Schleimhautfalte, welche bei Testudo und den Emyden als laterale Grenzfalte die Pars olfactoria von.der Pars respiratoria, bei den Urodelen (und Anuren) als obere Begrenzungsfalte die seitliche Nasenrinne vom Cavum nasale ab- 500 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. grenzt. Demnach wäre das Maxilloturbinale der Säugetiere aus der Gruppe der echten Muscheln zu streichen. Es entstehe in der Wirbel- tierreihe, ohne jemals eine Beziehung zur Endausbreitung des N. olfactorius zu haben, und charakterisiere sich hierdurch als unechte Muschel. Das Nasoturbinale scheint ihm eine erst im Säugetierstamme selbst entstandene Bildung zu sein, deren Genese noch durch spe- zielle Untersuchung aufgeklärt werden muß. Die erste Anlage der Siebbeinmuscheln tritt bei Echrdna-Embryo- nen als eine gegen das Lumen der Nasenhöhle gerichtete Vorwöl- bung der seitlichen Nasenwand auf. Durch ihre Lage im Bereich der Regio olfactoria, dem Dach und der hinteren Wand der Nasen- höhle angeschlossen, stimme sie mit dem Muschelwulst der erwach- senen Landschildkröte überein und liege ähnlich wie die Muschel- anlage bei Sauriern und Ophidiern. Daher erklärt er den Siebmuschel- wulst, der die echten Siebbeinmuscheln hervorgehen läßt, den echten Muschelbildungen der Reptilien homolog. Der weiter differenzierte Riechmuschelwulst des älteren Echidna- Embryos 47 ist durch zwei von oben nach unten verlaufende Furchen in drei hintereinander angeordnete Abschnitte, die Muschelanlagen, gegliedert. Die erste und zweite Muschel hat eine knorpelige Stütze. Wichtig erscheint ihm, daß die Siebbeinmuscheln aus einer einheit- lichen Anlage hervorgehen, welche sich vergrößert und gliedert. Er versuchte nun den einfachen Zustand der Riechmuschelanlage vom Beuteljungen 47 mit dem komplizierten Bau des Siebbeinlaby- rinths bei erwachsenem Echidna in Beziehung zu bringen und kriti- siert dabei SCHWALBES und ZUCKERKANDLS Ansichten. Zur Beur- teilung des Siebbeins genüge es nicht, von den Riechwülsten, sei es nun den medialen oder lateralen, auszugehen. Die feinere Ana- lyse des Siebbeinlabyrinths muß den Zusammenhang der Riechwülste untereinander und mit der lateralen Nasenwand feststellen. Dadurch findet man, daß eine kleinere oder größere Zahl von Riechwülsten miteinander und durch eine gemeinsame »Ursprungslamelle« mit der lateralen Nasenwand in Verbindung steht. Eine solche, oft sehr kompliziert gebaute Bildung muß als Einheit aufgefaßt und Muschel (— Ethmoturbinale) genannt werden. Bei osmatischen Säugetieren gibt es Hauptmuscheln (sie sind am stärksten entfaltet, ragen medianwärts bis an das Septum und besitzen ein oder zwei mediale und eine wechselnde Zahl von lateralen Riechwülsten), ferner Nebenmuscheln (sie erreichen das Septum nicht, sind geringer IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 501 entfaltet und besitzen einfachere Form als die Hauptmuscheln). Ihnen gehören ausschließlich laterale Riechwülste an. Die Hauptmuscheln erscheinen als der wesentliche, charakteri- stische, die Nebenmuscheln als zufälliger Bestandteil des Siebbein- labyrinths. Bei den von ihm geprüften Säugern stand der erste und zweite Riechwulst (— Proturbinale und Epiturbinale) durch eine gemeinsame Ursprungslamelle mit der lateralen Nasenwand in Ver- bindung. Beide gehören also einer Muschel an, der dritte und vierte Riechwulst dagegen sind jeder für sich je eine weitere Muschel, so daß drei Hauptmuscheln bestehen. Der historische Rückblick zeigte sicher zur Überräschung des Lesers, welch große Umwege zum morphologischen Verständnisse der Nasenhöhle führten und wie auffallend lange es dauerte, bis das einseitige Studium des knöchernen Skeletts durch die Beachtung der Weichteile und der Entwicklungsgeschichte ergänzt wurde. Nahe- liegende physiologische Erwägungen haben den Fortschritt wesent- lich verhindert, besonders was die Deutung der Nasenmuscheln an- langt. Trotz GEGENBAURS klarem Ratschlage blieben die meisten Forscher in der Ansicht befangen, daß die Muscheln in der Nase angebracht seien, damit die Nasenhöhle verengt und schmale Gang- spalten erzeugt würden, um die Atemluft in kleinere Ströme zu zerteilen und erwärmt an die Ausbreitungsstätte des Riechnerven zu leiten. Diese teleologische Auffassung hinderte die meisten, die Form des inneren Nasenreliefs zu erfassen und durch den Vergleich mit den Sauropsiden morphologisch zu bewerten. Jetzt aber scheinen mir durch die gemeinsame Arbeit von SEYDEL, PAULLI, SCHOENE- MANN, PETER und meinen Schülern die Grundzüge der Nasenstilistik sicher festgestellt. Nachtrag. Im vorigen Jahre ist es mir aus ganz zufälligen Gründen leider nicht möglich gewesen, die Abhandlung (13b) von O. SEYDEL in SEmons Reisewerk einzusehen. Daher wußte ich nicht, daß SEYDEL nicht bloß die Entwicklung der Nasen- und Mundhöhle bei Eehidna verfolgt, sondern auch allgemeine, vergleichend-anatomische Probleme, 2. B. die Frage diskutiert hat, warum das Jacogsonsche Organ der Säugetiere in den Canalis nasopalatinus, bei Sauriern und Ophidiern am Mundhöhlendache, bei Schildkröten und Amphibien in die Nasen- höhle selbst mündet. Durch Beobachtungen an Embryonen von Echidna gewann er den Eindruck, daß bei der Bildung des sekun- 502 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. dären Gaumens das vorderste Ende der Choanenspalte oder wie SEYDEL immer sagt, der Apertura nasalis interna, welches die Mün- dung des Jacogsonschen Organs enthält, als ein kurzer Kanal, Canalis nasopalatinus, erhalten bleibt. Da die Gaumenfortsätze sich in medianer Naht vereinigen und die lange Choanenspalte nebst einem erheblichen Teil des primären Rachendaches unterlagern, so werde die Apertura interna in das definitive Cavum nasale einbezogen, s0- wie die orale Fläche des Nasenseptums dem Mundhöhlendache ent- zogen. Bloß kleine Abschnitte beider Teile verbleiben dem Mund- höhlendache, nämlich ein unbedeutender vorderster Teil des Septums als Papilla palatina und der vorderste Rand der schräg gestellten Apertura interna als Canalis nasopalatinus. Also hat SEYDEL früher als ich und BEECKER die von uns selb- ständig gefundene Deutung vertreten, daß die Gaumenpapille die sichere Grenzmarke des Choanenvorderrandes ist. Seiner Ansicht, daß der übrige Teil der Choane durch die Verwachsung der Gaumen- fortsätze in das definitive Cavum nasale einbezogen werde, stimme ich dagegen nicht bei. Denn, wie mir scheint, bleibt die Choane, trotzdem sie auf eine gewisse Strecke durch den harten Gaumen unterbrochen wird, stets der ventrale Grenzrand des epithelialen Nasenschlauches. Wenn aus der Mundhöhle durch die Verwachsung der Gaumenfortsätze ein neuer Gang, Ductus nasopharyngeus, abge- schieden wird und die Choanen in dessen Lumen schauen, so ist dadurch nichts an ihrer Eigenschaft als Öffnungsrand der Nasenhöhle geändert worden. Ebensowenig halte ich SEYDELs Deutung der Zustände bei Sau- riern zutreffend, die er übrigens nicht auf eigne Untersuchungen gründete. Er glaubt: die Apertura interna und der ihr entsprechende Abschnitt der primären Nasenhöhle, sowie die Gaumenfortsätze jeder Seite haben sich erheblich in die Länge gestreckt. Der vordere Rand der Apertura interna ist samt dem primären Mundhöhlendache segen das Rachendach gesenkt worden. Mit der Entfaltung des Jacogsonschen Organs bilde sich ein sekundärer Nasenboden ober- halb der Apertura interna. Dadurch werde ein Teil des primären Cavum nasale, welcher der seitlichen Nasenrinne der Urodelen und der Pars respiratoria von Testudo homolog ist, von der definitiven Nasenhöhle abgeschlossen und als Gaumenrinne in die Mundhöhle einbezogen. Der laterale Rand der Apertura interna sei in die laterale Wand der Gaumenrinne aufgegangen und von den median- wärts vorwachsenden mittleren Teilen der Gaumenfortsätze von unten IV. Historisch-kritische Betrachtungen. 503 her verdeckt worden. Auch ein lateraler Streifen des Mundhöhlen- daches werde in die Wand der Gaumenrinne einbezogen. Die Öft- nung des Jacogsonschen Organs und der Tränenkanal verliere die Beziehung zur Nasenhöhle; sie würden vollkommen abgeschnürt und ihre Mündung in die Mundhöhle verlegt. Da die von meinem Schüler A. BEECKER angestellten Untersuchungen über die Entwicklungsge- schichte des Nasenschlauches und der lang gestreckten Choanenrinne bei Zacerta und Anguis ganz andre Vorgänge enthüllten, insbesonders die Gaumenrinne (im Sinne von MIHALKOVICS und SEYDEL) als einen wahren Abschnitt des epithelialen Nasenschlauches nachwiesen, emp- fiehlt es sich, die ziemlich verwickelte Lehre SevYveEus fallen zu lassen. Literaturverzeichnis. 1) Auen, H., On a Revision of the Ethmoid Bone in the Mammalia, with special Reference to the Description of this Bone and of the Sense of Smelling in the Cheiroptera. Bulletin of the Museum of compar. Zoology at Harvard Coliege. Cambridge. Vol. 10. No.3. pag. 135 —164. 1882. 2) BEECKER, A., Vergleichende Stilistik der Nasenregion bei den Sauriern, Vögeln und Säugetieren. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXXI. S. 565 —619. 1903. 3) BORN, G., Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbel- thiere. I—II. Morpholog. Jahrbuch. Bd. V. 1879. 4) Broca, P., Anatom. comp. des Circonvolutions eer&brales. Rev. d’Anthropo). III. Serie. Tom. 1. 5) Dursy, E., Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfes. Tübingen 1869. 6a) GEGENBAUR, (., Über die Nasenmuscheln der Vögel. Jenaische Zeitschrift. 1873. 6b) —— Grundriß der vergleichenden Anatomie. 1878. 6c) — Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere mit Berücksichtigung der Wirbellosen. Bd.I. Leipzig 1898. 7) LEGAL, E., Die Nasenhöhlen und der Thränennasengang der amnioten Wirbel- thiere. Morpholog. Jahrbuch. Bd. VIII. 1883. 8a) von MIHALKOVvIcCS, V., Bau und Entwicklung der pneumatischen Gesichts- höhlen. Verhandlungen der Anatom. Gesellsch. Bd. X. S. 44—63. 1896. 8b) — Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Nase und ihrer Neben- höhlen. Handbuch der Laryng. und Rhinol. Wien 1896. 8c) — Nasenhöhle und Jacogsonsches Organ. Anatom. Hefte. Bd. XI. 1898. 8d) — Untersuchungen über die Entwicklung der Nase und ihrer Neben- höhlen. Math.-nat. Berichte aus Ungarn. Bd. XV. 1899. Morpholog. Jahrbuch. 32. 33 504 A. Fleischmann, Das Kopfskelett der Amnioten. 9) Pauıuı, $., Über die Pneumatieität des Schädels bei den Säugethieren. I. Über den Bau des Siebbeines. Über die Morphologie des Siebbeines und die der Pneumatieität bei den Monotremen und den Marsupialiern. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXVIH. 8.147 —178. 1900. II. Über die Morphologie des Siebbeines und die der Pneumati- eität bei den Ungulaten und Proboseiden. 8. 179—251. II. Über die Morphologie des Siebbeines und die der Pneumati- eität bei den Insectivoren, Hyracoideen, Chiropteren, Carni- voren, Pinnipedien, Edentaten, Rodentiern, Prosimiern und Pri- maten. Nebst einer zusammenfassenden Übersicht über die Morphologie des Siebbeines und die der Pneumatieität des Schä- dels bei den Säugethieren. S. 483—564. 10a) PETER, K., Anlage und Homologie der Muscheln des Menschen und der Säugetiere. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. LX. 1902. 10b) —— Die Entwicklung des Geruchsorgans und JAcoBSonschen Organs in der Reihe der Wirbeltiere. Bildung der äußeren Nase und des Gau- mens. Handbuch der vergl. und experiment. Entwieklungslehre der Wirbeltiere von O0. HerrwıG. Jena, O. Fischer. 4. und 5. Lieferung. 1902. 11) SCHOENEMANN, A., Beitrag zur Kenntnis der Muschelbildung und des Muschel- wachstums. Anatomische Hefte. Bd. VIII. 1901. 12) SCHWALBE, G., Über die Nasenmuscheln der Säugetiere und des Menschen. Schriften der physikal.-ökonom. Gesellschaft zu Königsberg. 23. Jahrg. 1382. 13a) SeyDer, O., Über die Nasenhöhle der höheren Säugetiere und des Men- schen. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XVII. 1891. 13b) —— Über die Entwicklungsvorgänge an der Nasenhöhle und am Mund- höhlendach von Echidna, nebst Beiträgen zur Morphologie des peri- pheren Geruchsorgans und des Gaumens der Wirbeltiere. Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel von R. Semon. 3. Bd. Jena 1899. 14) SOLGER, B., Beiträge zur Kenntnis der Nasenwandung und besonders der Nasenmuscheln der Reptilien. Morpholog. Jahrbuch. Bd.I. Heft 3. 15a) ZUCKERKANDL, E., Das periphere Geruchsorgan der Säugetiere. Eine ver- gleichend-anatomische Studie. F. Enke. Stuttgart 1887. 15b) —- Über die morphologische Bedeutung des Siebbeinlabyrinths.. Nach einem im Verein der Ärzte zu Graz am 13. Juni 1887 gehaltenen Vor- trage. Dr. WITTELSHÖFERS Wiener med. Wochenschrift (Nr. 39 und 40). 1887. 15c) — Die Siebbeinmuscheln des Menschen. Anatom. Anzeiger. Bd. VII. 1892. S.13—25. 15d) —— Die Entwicklung des Siebbeines. Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft. VI. 1892. 15e) —— Normale und pathologische Anatomie der Nasenhöhle und ihrer pneu- matischen Anhänge. Bd.]I. 1893. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Leibes- höhle und der Genitalanlage bei den Salmoniden. Von Dr. U. Böhi in Zürich. (Aus dem anatomischen Institut in Zürich.) Mit Tafel XIII und 37 Figuren im Text. Der ursprüngliche Zweck meiner Arbeit war, die Genitalanlage der Salmoniden und zwar zunächst bis zur Differenzierung des Ge- schlechts einer systematischen Untersuchung zu unterziehen. Je mehr ich mich aber in diesen Gegenstand einarbeitete, um so mehr stellte sich das Bedürfnis ein, dieselbe durch Einbezug der Ent- wicklung der Leibeshöhle auf eine breitere Grundlage zu stellen. Immer schärfer trat nämlich zutage, in wie nahen Beziehungen in gewissen Entwicklungsstadien die Entwicklung der Leibeshöhle zu der Entwicklung der Genitalanlage steht, und wie es sozusagen unmög- lieh ist, über diese Verhältnisse eine klare Vorstellung zu gewinnen, ohne dieselben eingehender studiert zu haben. Jedoch nicht allein diese Wahrnehmung, sondern auch der Umstand, daß meines Wissens die Entwicklung der Leibeshöhle der Knochenfische bislang noch keine Bearbeitung gefunden hat, drängten mich dazu, an diese zwar allerdings sehr heikle Aufgabe zu gehen. Ich war mir von Anfang an der Schwierigkeiten, die meiner warteten, bewußt, und dies um so mehr, als mir dabei jede literarische Wegleitung fehlte. Diese Schwierigkeiten lagen aber noch weit weniger in den minimalen Größenverhältnissen, mit denen es zu rechnen galt, als vielmehr in der Deutung des Beobachteten und in 33* 506 U. Böhi der Klarlegung der oft sehr komplizierten Vorgänge, wie sie in den verschiedenen Entwicklungsstadien vorkommen. Ich bringe die Resultate meiner Untersuchungen nur soweit zur Veröffentlichung, als sie sich auf die Entwicklung der indifferenten Genitaldrüse beziehen, und behalte mir vor, in einer spätern Arbeit die Differenzierung eingehender zu besprechen. Diesen Anlaß benutze ich zugleich, Herrn Prof. FeLıx für das rege Interesse, das er meiner Arbeit stets entgegenbrachte, sowie für die kundige Wegleitung, mit der er mir zur Seite stand, meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen. Die Entwicklung der Geschlechtsdrüse von Trutta fario und Salmo salar. I. Teil. Die Entwicklung der indifferenten Keimdrüse. I. Entwicklung der Leibeshöhle. II. Entwicklung der ersten Genitalanlage. Ill. Entwicklung der Genitalfalte. 1. Genitalleiste. 2. Genitalfalte. 1. Entwicklung der Leibeshöhle. Eigne Beobachtungen. Das Material für meine Untersuchungen stand mir qualitativ sowohl als quantitativ in reicher Ausbeute zur Verfügung, und zwar stellte mir Herr Prof. RuGEe zu diesem Zwecke die Forellenserien des hiesigen anatomischen Instituts und Herr Prof. FeLıx die Lachs- serien seiner reichhaltigen Privatsammlung in freigebigster Weise zur Verfügung, wofür ich diesen beiden Herren meinen verbindlichsten Dank entbiete. Zum Studium der ersten Stadien der Cölomentwieklung ver- wendete ich Forellenserien. Da aber die Embryonen auf dem Dotter fixiert waren und beim Abpräparieren des Embryos vom Dotter Ver- letzungen der Leibeshöhle nur schwer oder auch gar nicht zu um- gehen waren, sah ich mich später veranlaßt, zu Lachsserien zu greifen. Bei diesen war der Dotter an lebenden Exemplaren entfernt worden. Die Embryonen wurden nämlich ohne Verletzung frisch aus der Eihülle heraus präpariert und kamen dann lebend in physiologische Kochsalzlösung, in welcher sie sich ziemlich lebhaft bewegten. Der Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 507 Dottersack wurde dann an einer Stelle eingeschnitten, worauf sich der Dotter unter Bewegung des Embryos entleerte. Forellenembryo vom 24. Tage. Die erste Anlage einer Leibeshöhle fand ich bei einem Embryo vom 24. Tage nach der Befruchtung, bei einer Körperlänge desselben von 2,4 mm (Serienmessung). Sie beschränkte sich jedoch nur auf den Kopf und fand sich hier als eine feine Spalte, die sich in eranio- eaudaler Richtung über 13—16 Schnitte zu 10 u erstreckte. Forellenembryo vom 26. Tage nach der Befruchtung. Bei einem Forellenembryo vom 26. Tage, mit 12 Ursegment- paaren und einer Körperlänge von 2,35 mm (Serienbestimmung) er- streckt sich die Leibeshöhle in einer Länge von 0,24 mm vom vorderen Rande des Gehörbläschens bis zum vorderen Rande des ersten Ur- segments. Sie ist also immer noch auf den Kopf beschränkt. Ihr eranio-caudaler Durchmesser beträgt, die Breite des Ursegments zu 0,07 mm berechnet, 31/, Ursegmentbreiten. Über die Ausdehnung des transversalen Durchmessers ist folgen- des zu bemerken: Die Leibeshöhle verhält sich im eranialen und caudalen Abschnitte des Kopfmesoderms verschieden und da das Kopfmesoderm dem Rumpfmesoderm analoge Verhältnisse erkennen läßt, so können wir dieselben in der Weise parallelisieren, daß wir, entsprechend der Ursegmentplatte, von einer Kopfplatte und ent- sprechend der Rumpfseitenplatte von einer Kopfseitenplatte des Mesoderms sprechen. Nur in der Kopfseitenplatte unsres Embryos beobachten wir zwischen Somatopleura und Splanchnopleura eine spaltförmige Trennung, die Leibeshöhle, die sich im eranialen Ab- schnitte über einen großen Teil des transversalen Durchmessers er- streckt (Fig. 1). Im eaudalen Abschnitte des Kopfmesoderms, wo sich dasselbe lateral über den Dotter vorzuschieben beginnt und dadurch im Vergleiche mit dem cranialen breiter wird, liegt die Leibeshöhle nur noch in der medialen Hälfte der Seitenplatte (Fig. 2). Als wirklicher Spaltraum läßt sich die Leibeshöhle nur bis zum ersten Ursegment verfolgen; von da an legen sich Somato- und Splanchnopleura der Seitenplatte in Gestalt zweier scharf gegen- einander abgesetzter Blätter aneinander. Wir können daher von einer offenen oder manifesten und einer geschlossenen oder latenten Leibeshöhle sprechen. Da auf dem Wege von Fig. 1 zu Fig. 2 die Kopfplatte des Mesoderms sich verschmälert, kommen die beiden 508 U. Böhi Kopfseitenplatten und mit ihnen die Leibeshöhle näher an die Median- ebene des Körpers zu liegen. Der Grund für die Verbreiterung der Kopfplatte im eranialen Abschnitte des Kopfes kann vielleicht in dem Fig. 1: Ectoderm Medullarrohr Mesoderm (Kopfplatte) mesodermale Kopf- rechts Entoderm links Leibeshöhle seitenplatte Forellenembryo vom 26. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt in der Mitte zwischen Augen- und Gehörbläschen; Kopfplatte durch dunkleres Grau, Kopfseitenplatte durch Schwarz markiert, Leibes- höhle nur im Bereich der Kopfseitenplatte vorhanden. Vergr. 150/1, reduziert 110/1. Fig. 2. Somatopleura Ectoderm Medullarrohr Kopfplatte Splanchno- Kopjseiten- rechts Chorda links Entoderm Leibeshöhle pleura platte Forellenembryo vom 26. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt, 17 Schnitte & 10 « caudalwärts von dem vorigen, zeigt Verschmälerung der Kopfplatte und ventral vom Medullarrohr die Chorda. Farbentöne wie bei Fig. 1. Vergr. 150/1, reduziert 110/1. Einflusse gesucht werden, welchen die sich entwickelnden Kiemen- taschen des Entoderms auf das Kopfmesoderm ausüben. Die latente Leibeshöhle erstreckt sich in diesem Embryo nicht bloß über die region sämtlicher ausgebildeter Ursegmente, sondern sogar noch Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 509 etwa 5 Ursegmentbreiten über das letzte Ursegment hinaus und würde folglich bis zur Anlage des noch nicht abgrenzbaren 17. Ur- Fig. 3. Ectoderm Ursegment primärer Harnleiter "Somatopleura \ Entoderm Venenstranganlage Dotter Splanchnopleura latente Genitalzelle Leibeshöhle Forellenembryo vom 25. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt der linken Körperseite, die latente Leibeshöhle bildet eine feine, die Somatopleura von der Splanchnopleura trennende Linie, Vergr. 260/1. segments reichen. In sämtlichen Ursegmenten ist keine Cölom- liehtung bemerkbar; die Seitenplatte wird jeweils gegen das ent- sprechende Ursegment durch ein Mittelblatt scharf abgeschlossen (Fig. 3). Forellenembryo vom 28. Tage nach der Befruchtung. Bei einem Forellenembryo vom 28. Tage mit 28 Ursegmentpaaren und einer Körperlänge von 3,56 mm (aus der Serie bestimmt) ist am Kopfe eine latente Leibeshöhle nicht mehr vorhanden, caudalwärts erstreckt sie sich bis zum 28. Ursegment. Die manifeste Leibeshöhle reicht in diesem Embryo von der Mitte zwischen Augenblase und Gehörbläsehen bis zum 18. Ursegment. Vergleichen wir die vordere Grenze der Leibeshöhle dieses Embryos mit der vorderen Grenze der Leibeshöhle des vorigen vom 26. Tage, so beobachten wir, daß sich dieselbe eranialwärts vorgeschoben hat, da sie ja beim Embryo vom 510 U. Böhi 26. Tage nur bis zur vorderen Grenze des Gehörbläschens reichte. Da in allen Serien der manifesten Leibeshöhle zunächst ein Stadium der latenten Leibeshöhle vorausgegangen ist, so ist wohl auch bei diesem Embryo die Annahme erlaubt, daß dem neu hinzugekommenen Stück der manifesten Leibeshöhle ein latentes Stadium voraus- gegangen sei, wenn wir dasselbe auch nicht direkt nachzuweisen im- stande sind. Die Lichtweite der manifesten Leibeshöhle verhält sich ver- schieden; im queren Durchmesser erstreckt sie sich allerdings gleich- mäßig durch den ganzen Körper, im dorsoventralen dagegen zeigt sie bedeutende Verschiedenheiten; sie ist am weitesten im Bereiche des 4. und 5. Ursegments (Fig. 4) und nimmt von da an, sowohl in eranialer wie in caudaler Richtung, allmählich ab. Fig. 4. Ectoderm Medullarrohr Ursegment Chorda Somatopleura, Splanchnopleura rechts Entoderm links Forellenembryo vom 28. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt im Bereiche des vierten Urseg- ments; manifeste Leibeshöhle erreicht hier das Maximum ihrer dorsoventralen Lichtweite. Vergr. 150/1. Neben dem Auftreten der Liehtung in der Leibeshöhle inter- essiert uns in diesem Embryo auch das Vorwachsen des rechten und linken Cölomsackes gegen die Medianebene hin. Dieses Vorwachsen ist ein an den verschiedenen Stellen des Embryos verschiedenes und müssen wir, da diese Verschiedenheit hauptsächlich durch die Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 511 Entwicklung des Darmrohrs bestimmt wird, zunächst kurz auf diese letztere eingehen. Die Salmoniden unterscheiden sich bekanntlich dadurch von den übrigen Meroblastiern, daß ihr Dotter nicht von Entoderm um- wachsen wird. Die Bildung des Darmes aus dem wenig ausgebreiteten Entoderm vollzieht sich in der Weise, daß vorerst in der Mittellinie des Ento- derms die Darmrinne auftritt, welcher eine dorsalwärts sich erhebende Kante entspricht. Die Darmrinne vertieft sich allmählich und zwar dadurch, daß immer mehr von dem peripheren Entoderm in die Mittellinie herangezogen wird; hat sich in der Mittellinie alles Ento- derm vereinigt, so schließt sich die Darmrinne zum Darmrohr ab. Damit ist alles Entoderm zur Bildung des primären Darmrohrs auf- gebraucht worden. Außerhalb des Darmrohrs findet sich im Embryo kein Entoderm mehr vor. Aus dem primären Darm entwickeln sich nach und nach die einzelnen Darmabschnitte, die durch ihre verschiedene Form von- einander unterschieden werden können. Im Interesse der nach- folgenden Beschreibung möchte ich den Darm willkürlich in vier Absehnitte einteilen: 1) in den Kiemendarm, 2) in das Darmstück, welches zwischen Kiemendarm und Leberanlage liegt, 3) in das Darmstück im Bereiche der Leberanlage und 4) in das Darmstück hinter der Leberanlage. Bei diesem Embryo ist erst der Kiemen- darm deutlieh abgegrenzt, die übrigen drei Abschnitte sind nicht bestimmbar, da die Leberanlage noch nicht aufgetreten ist. Im Bereiche des Kiemendarmes stellt der Darm einen breiten, plattgedrückten Sack dar; hinter dem Kiemendarm ist das Darmrohr erst im Begriffe sich zu schließen und geht unter allmählicher Ab- flachung und Ausbreitung im Bereiche des letzten Ursegments in das völlig flach ausgebreitete Entoderm über. Gegen diese Darmabschnitte wachsen jetzt von rechts und von links die beiden Cölomsäcke vor, indem sie die Kante, in welcher Somatopleura und Splanchnopleura ineinander übergehen, immer mehr medianwärts verlagern. Diese Kante bezeichne ich als innere Leibes- höhlenkante. Das Vorwachsen der inneren Leibeshöhle im Bereiche e des Kiemendarmes. Im Bereiche des Kiemendarmes schieben sich die beiden Cölom- säcke ventral vom Darm gegen die Mittellinie vor, dadurch kommt 512 U. Böhi der Kiemendarm von Anfang an retroperitoneal zu liegen. In dieser Serie liegt das Herz ungefähr der Mitte des Kiemendarmes an. Während cranial und caudal vom Herzen die beiden inneren Leibeshöhlenkanten sich auf Medullarrohrbreite einander nähern, treten sie im Bereiche des Herzens zunächst bis an dasselbe heran und schieben sich dann, sowohl dorsal als ventral, über dasselbe hinweg, so daß wir an dieser Stelle nicht mehr eine, sondern zwei Leibeshöhlenkanten haben. Cranial und caudal vom Herzen gehen dieselben, unter allmählicher Annäherung, in die einfache, innere Leibeshöhlenkante über. Hinter dem Kiemendarm, vom ersten Ur- segment an, schieben sich die inneren Leibeshöhlenkanten nicht mehr ventral, sondern dorsal vom Entoderm gegen die Mittellinie vor. Im Bereiche des ersten bis dritten Ursegments kommen sie bis an die dorsale Pankreasanlage, also bereits nahe an die Mittellinie heran; im Bereiche des vierten und sechsten Ursegments werden sie durch die sich entwickelnde Vorniere, die noch unmittelbar dem Entoderm anliegt, am Vorwachsen gehindert, so daß die inneren Leibeshöhlen- kanten im Bereiche der Vorniere ungefähr dreimal so weit von- einander entfernt liegen, wie im Bereiche der drei ersten Ursegmente. Im Bereiche des siebenten bis neunten Ursegments schieben sich die beiden Cölomsäcke wieder mehr medianwärts vor; vom neunten Ur- segment an ist das Vorwachsen gegen die Mittellinie nicht mehr so gleichmäßig, so daß sie in den folgenden Ursegmenten verschieden weit von ihr abstehen. Vom 20. Ursegment an hat in dieser Serie noch kein richtiges Vorwachsen nach der Medianlinie hin begonnen. Eine Vereinigung der beiden Cölomsäcke von rechts und links zur gemeinsamen unpaaren Leibeshöhle ist bei diesem Embryo nur auf zwei Schnitten und zwar unmittelbar hinter dem Herzen erfolgt. Forellenembryo vom 38. Tage nach der Befruchtung. Bei einem Forellenembryo vom 38. Tage mit 32 Rumpfsegment- paaren und einer Körperlänge von 3,9 mm (Serienmessung) läßt sich die craniale Grenze der Leibeshöhle nieht genau bestimmen, weil bei dem Präparieren des Embryos der Kopf verletzt wurde. Caudal er- streekt sich die latente Leibeshöhle bis zum 29., die manifeste bis zum 19. Rumpfsegmente. Der caudalwärts gerichtete Wachstums- prozeß hat sich somit, im Vergleiche mit dem Embryo vom 28. Tage, wesentlich verlangsamt, erreicht seine Zunahme doch, gleichgültig ob wir latente oder manifeste Leibeshöhle vergleichen, nur eine Ur- segmentbreite. Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 513 Was die Verhältnisse der Liehtungsweite in diesem Embryo an- belangt, so ist dieselbe zunächst im Querdurchmesser dem Wachstum der Seitenplatte, die ja bekanntlich allmählich den Dotter umwächst, gefolgt. Der dorsoventrale Durchmesser der Leibeshöhle ist wie bisher im Bereiche des vierten und fünften RKumpfsegments am größten, von da an nimmt er cranial- wie caudalwärts allmählich ab. In letzterer Richtung erfolgt die Abnahme derart, daß bereits in der Höhe des 14. Rumpfsegments die Leibeshöhle auf einen schmalen Spaltraum reduziert ist. Der dorsoventrale Durchmesser ist abhängig von dem Raume, welcher zwischen Eihaut und Dotter vorhanden ist und da wir uns mit diesem Raume noch eingehender zu beschäftigen haben, so möchte ich gleich an dieser Stelle etwas näher auf seine Entstehung eintreten. Das Ei der Salmoniden wird bekanntlich von einer außer- ordentlich festen und resistenten Eihülle umgeben. Diese Eihülle liest dem Ei so dicht an, daß sich zwischen ihr und dem Ei nur ein minimaler Spaltraum nachweisen läßt. Soll sich eine Embryonal- anlage entwickeln, so muß sie Raum beanspruchen, dieser aber steht ihr nur zur Verfügung, wenn sie sich denselben durch Dehnung der Eihaut und der dadurch bewirkten Vergrößerung des Spaltraumes zwischen ihr und dem Ei oder anderseits durch Eingrabung in den Dotter verschafft. Die Beobachtung aber lehrt uns, daß eine Aus- dehnung der Eihaut nicht eintritt, wahrscheinlich weil ihre Resistenz zu groß ist, daß dagegen aber der Embryo in den Dotter einsinkt. Dieses Einsinken ist die Folge stattgefundener Dotterresorption. Wir sehen daher den sich entwickelnden Embryo, solange er gestreckt ist, in einer Rinne der Eioberfläche liegen, welche einem Eimeridian entspricht. Die Tiefe dieser Rinne ist den einzelnen Abschnitten des Embryos entsprechend verschieden, die tiefste Stelle liegt im Be- reiche der Leberanlage, infolgedessen fällt der längste dorsoventrale Durchmesser der Leibeshöhle in das Bereich derselben, also in das des vierten und fünften Rumpfsegmentes. Vorwachsen der beiden Cölomsäcke gegen die Medianebene. Bildung der unpaaren Leibeshöhle. An dem Beschreibungsmodus, wie wir ihn beim Embryo vom 28. Tage begründet haben, festhaltend, beginnen wir unsre Darstellung wieder mit der Beschreibung des Darmes. Das Darmrohr ist in ganzer Ausdehnung vorhanden, jedoch die Entwicklung desselben in dieser Serie wesentlich weiter vorge- 514 U. Böhi schritten. Die vier Abschnitte, welche wir beim vorigen Embryo unterschieden haben, von denen sich aber dort nur einer, der Kiemen- darm, entwickelt fand, sind jetzt alle deutlich zu unterscheiden. Der Kiemendarm erstreckt sich bis zwei Rumpfsegmentbreiten vor das erste Rumpfsegment, der zweite Abschnitt von dort an bis zum vierten Rumpfsegment, der dritte, der durch die Anlage der Leber charak- terisiert ist, bis zum neunten und der vierte endlich von da an bis zum Schwanzdarm. Die Form des ersten Darmabschnittes, des Kiemendarmes, hat sich gegenüber den vorigen Serien nicht geändert, er stellt noch immer den plattgedrückten Sack dar, welcher in der ganzen Breite der Kopfanlage von rechts nach links hinüberzieht. Die Form des zweiten Abschnittes bildet eine Halbkugel, deren Basis dorsal, deren Peripherie ventralwärts sieht. Der Übergang der Form des ersten Abschnittes in die des zweiten vollzieht sich in der Weise, daß der @Querdurchmesser des Kiemendarmes von rechts nach links allmählich abnimmt und an der ventralen Seite eine Vorwölbung zeigt. Die Form des dritten Abschnittes stellt ein Rechteck dar, dessen Längs- achse in der dorsoventralen Richtung steht und dabei etwas nach links abweicht. Dieser Darmabschnitt zeichnet sich noch dadurch aus, daß die ventrale schmale Kante des Rechtecks mit dem Dotter fest verwachsen erscheint. Im vierten Abschnitt stellt er ein an- fänglich dem Dotter aufliegendes Queroval dar, das jedoch unter ziemlich rascher Abnahme des dorsoventralen Durchmessers und seitlicher Verbreiterung bandartig über den Dotter sich ausdehnt, dann aber, wieder an Masse zunehmend, die Gestalt eines stumpf- winkligen Dreiecks gewinnt und allmählich in die KupFrersche Blase ausläuft. Gegen diese vier Abschnitte wachsen jetzt die Cölomsäcke vor. Im Bereiche des ersten oder Kiemendarmabschnittes treten durch die Entwicklung des Herzens und seiner zuführenden Gefäße komplizierte Verhältnisse in der Bildung der Leibeshöhle ein, die nur zu verstehen sind, wenn gleichzeitig die Entwicklung des Herzens und der in dasselbe einmündenden Venen dargestellt wird, eine Darstellung, die uns indessen zu weit von unserm Thema ablenken würde und für sein Verständnis ohne weitere Bedeutung ist. Im zweiten Abschnitt schieben sich die beiden Cölomsäcke zwischen Darm und Dotter, entlang der halbkugeligen Peripherie des Darmes, gegen die Mittellinie vor und verschmelzen hier miteinander, so daß wir in diesem Bereiche die Bildung der unpaaren Leibeshöhle voll- Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 515 zogen sehen und der Darm in dieselbe vorspringend erscheint. Die Leibeshöhle liegt ventral vom Darm. Im Bereiche des dritten Abschnittes ist eine Vereinigung der beiden Leibeshöhlensäcke von rechts und links durch die Verwachsung des Darmes mit dem Dotter ausgeschlossen. Die Leibeshöhlensäcke wachsen bis an den Darm heran und da der Darm hier die Form eines Rechtecks besitzt, so können wir nicht mehr von einer inneren Leibeshöhlenkante sprechen, sondern müssen zwei unterscheiden, eine dorsale, in welcher der Cölomzellenüberzug des Darmes in den Cölomzellenüberzug der Leibeswand, und eine ventrale, in welcher der Cölomzellenüberzug des Darmes in den Cölomzellenüberzug des Dotters übergeht (Fig. 6). Der Umstand, daß die Bestimmung des Anteils, welchen Somatopleura und Splanchnopleura an dem Aufbau des Cölomzellenüberzugs nehmen, nicht so einfach ist, wie eine oberflächliche Beobachtung glauben machen könnte, mag die Wahl dieser etwas breit gewordenen Bezeichnung entschuldigen. Beim Embryo vom 28. Tage entsprach die innere Leibeshöhlen- kante auch der Grenze zwischen Somatopleura und Splanchnopleura. Bei diesem Embryo liegen die Verhältnisse anders. Wir besitzen nämlich in der Vorniere und zwar nur in ihrem Bereiche ein Mittel, den inneren Leibeshöhlenwinkel einwandfrei festzustellen. Die Vor- nierenfalte, welche aus der Vereinigung der fünf Vornierenkanälchen entsteht, liegt in der direkten Fortsetzung der Seitenplatte und ihre Einmündungsstelle entspricht dem inneren Leibeshöhlenwinkel der- selben. Solange nun die Vornierenfalte mit der Seitenplatte in offener Kommunikation steht, oder wenigstens während des Ab- schnürungsprozesses noch mit ihr verwachsen ist, ist uns die Mög- lichkeit gegeben, den inneren Leibeshöhlenwinkel zu bestimmen. Zur Klarlegung füge ich in der beigegebenen Fig. 5 a, 5, e die Zeichnung der Leibeshöhle in der Vornierengegend vom 32., 33. und 44. Tage an; die Somatopleura ist darin in einem grauen Ton, die Splanchno- pleura schwarz gezeichnet. Diese drei Figuren dürften wohl ohne weiteres dartun, welche Verschiebung der ursprüngliche innere Leibeshöhlenwinkel im Laufe der Entwieklung in dieser Gegend erfährt. Wir sehen aus der Figur vom 44. Tage, daß ein Teil des Cölomzellenüberzugs der dorsalen Leibeswand, der Cölomzellen- überzug an der Seite des Darmes und auch derjenige des Dotters von der Splanchnopleura geliefert werden. Aus der Darstellung geht somit hervor, daß der innere Leibeshöhlenwinkel eine gewaltige Ver- schiebung erfährt und daß keiner der beiden Leibeshöhlenwinkel des 516 U. Böhi Embryos vom 38. Tage in der Höhe der Leberanlage dem inneren Leibeshöhlenwinkel desjenigen vom 26. Tage in dieser Gegend ent- spricht. Was sich also medianwärts in dieser Gegend vorschiebt, ist nicht Somatopleura, sondern Splanchnopleura und die Cölomzellen zwischen der Mündung der Vornierenfalte in Fig. 5 e und der sich Vornierenanlage Somato- pleura rechts links Splanchnopleura Drei Querschnitte von Forellenembryonen verschiedenen Alters, jeweils in der Höhe der Vornieren- anlage, zur Demonstration der Verschiebung der Splanchnopleura in toto; die Somatopleura ist grau, die Splanchnopleura schwarz, die Vornierenanlage schraffiert eingetragen. Vergr. jeweils 150/1. Forellenembryo vom 32. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt; die Vornierenanlage markiert deutlich den inneren Leibeshöhlenwinkel, Splanchnopleura und Somatopleura erstrecken sich gleich- weit gegen die Mittellinie. Fig. 55. / Vorniere anlage Somato- x ; = c x 4 & B pleura Splanchnopleura Darm Splanchnopleuraüberzug innerer :Leibeshöhlenwinkel rechts des Dotters links Forellenembryo vom 37.- Tage nach der Befruchtung. Die Splanchnopleura überzieht den Dotter, den Darm und die dorsale Leibeswand zwischen Radix mesenterii und Vornierenfaltenöffnung. Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 517 Fig. 5 ce. DIN SIR 9 N Q Somato- pleura > Vornieren- innerer Leibeshöhlenwinkel anlage Splanchnopleur« rechts Darm links Forellenembryo vom 44. Tage nach der Befruchtung. Die Vornierenanlage ist durch Schematisierung scheinbar vollständig von der Seitenplatte abgelöst, steht aber in Wirklichkeit an der Stelle, wo die schwarze Splanchnopleura mit der grauen Somatopleura zusammentrifft, in untrennbarer Verbindung mit ihr. Die Splanchnopleura hat sich abermals verschoben, ihr Anteil an der dorsalen Leibkeswand ist gewachsen. Fig. 6. Medullarrohr Ectoderm Ursegment Chorda prim. Harn- leiter dorsale ; 'e Leibeshöhlenk ichirale | innere Leibeshöhlenkante Venenstamm rechts ’ Darm links Forellenembryo vom 38. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt im Bereiche des fünften Rumpf- segments, zur Darstellung der inneren Leibeshöhlenkanten resp. des Überganges des Cölomzellen- überzuges in denjenigen der Te en und in denjenigen des Dotters (ventral). ergr. 150/1. 518 U. Böhi ausbildenden Radix mesenterii sind nicht Abkömmlinge der Somato- pleura, wie man bei flüchtiger Durchsicht annehmen könnte, sondern Abkömmlinge der Splanchnopleura.. Ob eine gleiche Verschiebung auch hinter der Vornierengegend eintritt, können wir nicht mit Be- stimmtheit behaupten, da uns die Grenzmarke, nämlich die Mündung der Vornierenfalte, fehlt; immerhin sprechen Bilder aus meinen Serien, zwischen dem 28. und 38. Tage, für die Möglichkeit einer solchen Verschiebung. Diese eigenartige Verschiebung der Splanchno- pleura steht übrigens nicht vereinzelt da’ und verweise ich dies- bezüglich auf ähnliche Beobachtungen von FELIX bei Ganoiden (04), von WHEELER bei Petromyzonten (99) und von BRAUER bei Gymno- phionen (02), welche sämtlich in der Vornierengegend eine median- wärts vorwachsende Splanchnopleurafalte beschreiben. Diese Ver- schiebung der Splanchnopleura ist aber gerade für die Frage nach dem Wandern der Genitalzellen von ganz besonderer Bedeutung. Wir werden in den nachfolgenden Kapiteln eine Reihe von Autoren angeführt finden, welche an verschiedenen Wirbeltierembryonen ein Wandern der Genitalzellen nachweisen zu können glauben. Unserm Material aber entnehmen wir, daß neben einer vielleicht vorhandenen Wanderung der einzelnen Splanchnopleurazelle eine Wanderung der Splanchnopleura in toto eintritt. Die Autoren, welche ein solches Wandern der Genitalzellen annehmen, stützen ihre Hypothese auf die Beobachtung, daß dieselben in dem wachsenden Embryo zunächst an verschiedenen Stellen angetroffen werden und erst von einem be- stimmten Alter an die Lage einnehmen, die sie dann zeitlebens bei- behalten. Meine Beobachtungen lassen die Möglichkeit zu, diese verschiedenen Lagerungen auf eine andre Weise zu erklären und, ohne den angedeuteten Wanderungsmodus der betreffenden Autoren irgendwie angreifen zu wollen, muß ich doch daran festhalten, daß eine ganze Reihe von Genitalzellen, welche in der Splanchnopleura angetroffen werden, durch Verschiebung derselben passiv nach der dorsalen Leibeswand transportiert werden. Im Bereiche des vierten Abschnittes wachsen die Leibeshöhlen- säcke gleichfalls gegen die Medianebene vor und zwar an der dor- salen Seite des Darmes, so daß sie rechts und links dem auf dem Querschnitte dreieckigen Darm anliegen; dieses Vorwachsen erfolgt gleichmäßig bis in die Gegend des Schwanzdarmes. Aus dem Verhalten der beiden Cölomsäcke im Bereiche des vierten Darmabschnittes geht hervor, daß die mediane Verschiebung gleichmäßig, der ganzen Länge des Darmes entsprechend, erfolgt und Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 519 sich nicht etwa an die Ausdehnung der latenten oder manifesten Leibeshöhle bindet. Es wäre deshalb wohl zutreffender, in diesem vierten Abschnitte statt von einem Vorwachsen der Cölomsäcke von einem Vorwachsen der Seitenplatten zu sprechen, da ja eigentlich hinter dem 19. Rumpfsegment bis zum Schwanzdarm ein Hohlraum nicht vorhanden ist. Einfluß der Abschnürung des Embryos auf die Bildung der Leibeshöhle. Mesenterialfalten. In dieser Serie wird die Bildung der Leibeshöhle durch zwei gleichzeitig nebeneinander verlaufende Prozesse beeinflußt. Der eine Prozeß besteht in einer passiven Verlagerung von Teilen der Seiten- platte, der andre in einem aktiven Wachsen der Seitenplatte. Der letztere führt zur Bildung der Mesenterialfalten. Beide Prozesse treten auf, bevor die Bildung der Leibeshöhle vollendet ist und werden deshalb die verschiedenen Abschnitte der Leibeshöhle in ganz verschiedener Weise beeinflussen und dadurch komplizierte, die Beschreibung erschwerende Verhältnisse erzeugen. Obschon beide Prozesse gleichzeitig auftreten und nebeneinander verlaufen, liegt es doch im Interesse der Darstellung, dieselben gesondert zu besprechen und beginne ich mit der Abschnürung des Embryos. Abschnürung des Embryos. Die Abschnürung des Embryos erfolgt sowohl am Kopfe wie am Sehwanze. Wie schon die Form des ausgeschlüpften Fischchens zeigt, ist der Abschnürungsprozeß am Schwanze ein viel weiter- gehender, als der am Kopfe. ich beschränke mich auch hier wieder auf die Darstellung des Abschnürungsprozesses am Schwanze. Dieser Abschnürungsprozeß, der schon von FELIX (97) S. 270 beschrieben wurde, hat seine Besonderheiten. Er besteht darin, daß in gleicher Linie mit der lateralen Hälfte des Ursegmentes Eetodermzapfen in die Tiefe wachsen. Diese Zapfen sind regelmäßig zwei Zellen dick und wenn später zwischen den beiden Zelllagen ein Hohlraum auf- tritt, der mit der Außenwelt kommuniziert, so wandeln sich diese Zapfen in Falten um und dementsprechend gebrauche ich im folgen- den immer den Ausdruck »eetodermale Abschnürungsfalten«. Form und Ort dieser Abschnürungsfalten werden durch die Form der Embryonalrinne des Dotters bestimmt, in welcher der Dotter Morpholog. Jahrbuch. 32. 34 Dotter- ectoderm Eihaut 920 f U. Böhi gelagert ist. In Fig. 7 gebe ich einen schematisierten Querschnitt durch das gesamte Ei inkl. Eihaut, um die Form der embryonalen Dotterrinne verständlich zu machen. Die Schematisierung der Figur dient zur Erleichterung der Beschreibung, immerhin aber liegt ihr eine Zeichnung nach einem Präparate zugrunde. In dieser Figur ist das Eetoderm durch eine einfache Linie, die Segmente schraffiert, die Seitenplatten schwarz und der Dotter hellgrau eingetragen. Die dorsoventraler Schenkel der Seitenplatte Dotterrinne Schema eines Querschnittes durch ein Ei mit Eihaut zur Veranschaulichung der Dotterrinne, nach einem Präparate gezeichnet. Eihaut schraffiert, Ectoderm einfache Linie, Seitenplatte schwarz. Die Eihaut liegt der Peripherie des Eies dicht an, die Embryonalanlage, welche die Eihaut nicht er- weitern kann, gräbt sich in eine Rinne des Dotters ein, welche im Querschnitt trapezförmig er- scheint. In der Mitte der Embryonalanlage folgen sich in dorsoventraler Riehtung: Medullarrohr, Chorda, Aorta, Venenstrang und Darm. Die Seitenplatte wird in die Rinne eingepreßt und dadurch in zwei Teile getrennt, einen dorsoventralen, parallel zum Darm, und einen mediolateralen, dem Dotter aufliegenden; das Eetoderm senkt sich lateral vom Ursegment in Gestalt zweier Falten gegen den Winkel der Seitenplatte ein; beide Falten bewirken durch ihr Vorwachsen allmählich eine Zwei- teilung der Seitenplatte in einen dorsoventralen und einen mediolateralen Teil, später erfolgt die Abschnürung des Embryos. embryonale Dotterrinne erscheint auf diesem Querschnitte trapez- förmig, die größere Seite eihaut-, die schmalere dotterwärts. In diese Rinne hinein entwickelt sich der Embryo so, daß, entsprechend der schmaleren Seite der Darm und dorsal von ihm ungefähr mit gleicher Breitenausdehnung das Medullarrohr und zwischen diesem und dem ersteren die übrigen unpaaren Organe der Mittellinie: Chorda, Aorta und Venenstrang liegen. Durch diese Organe der Mittellinie wird der trapezförmige Raum in drei Abschnitte zerlegt, Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 521 in einen mittleren rechteckigen und je einen rechten und linken dreieckigen (Fig. 7). Gegen die Spitze der Dreiecke wachsen jetzt vom Rande der Rinne her bei @ und 5 die ectodermalen Abschnürungs- falten vor, um ventral vom Darm zusammenzutreffen und sich zu vereinigen; das Ectoderm wird dadurch in ein Eetoderm des Embryos und ein Ectoderm des Dottersackes getrennt. Bei diesem Vordringen treffen aber die vorwachsenden Eetodermfalten auf die Seitenplatte, welche vom Rande der Rinne bis zur dorsalen Seite des Darmes sich erstrecken. Unter diesen Umständen werden selbstverständlich die vorwachsenden Eetodermfalten die Mesodermfalten gegen den spitzen Winkel der beiden seitlichen Dreiecke vor sich hertreiben. Dies aber führt zunächst zu einer Kniekung der Seitenplatte und wir können an derselben von jetzt an zwei Schenkel unterscheiden, einen dorso- ventralen, dem Darm zu gelegenen und einen mediolateralen, entlang der Oberfläche des Dotters, der sich bis zum Rinnenrande und über diesen hinaus erstreckt (Fig. 7). Dringen die Ectodermfalten noch weiter vor, so werden schließlich an der Knickungsstelle die beiden Teile voneinander getrennt, der dorsoventrale Teil wird zur intra- embryonalen, der mediolaterale zur extraembryonalen Leibeshöhle. Diese beiden Bezeichnungen wende ich nur an dieser Stelle an, um eine Vergleichung mit den Verhältnissen an andern Wirbeltieren zu ermöglichen; in Wirklichkeit existiert eine außerembryonale Leibes- höhle bei Forelle und Lachs nicht, da später der Dottersack voll- ständig in den Leib des jungen Fischehens aufgenommen wird. Man kann deshalb wohl eher von einer abgeschnürten Leibeshöhle des Embryos und von einer Dottersackleibeshöhle sprechen. Beide aber sind homolog der intraembryonalen und extraembryonalen Leibeshöhle andrer Wirbeltiere. Der Abschnürungsprozeß am Schwanze erfolgt in caudo-eranialer Richtung und hat bei unserm Embryo vom 38. Tage bereits die Höhe des 14. Rumpfsegments erreicht. Da in diesem Gebiete die Entwicklung der Leibeshöhle verschieden weit vorgeschritten ist, so haben wir auch in dem Abschnürungsprozeß mancherlei Verschieden- heiten zu verzeichnen und wir unterscheiden daher 1) zwischen dem Abschnürungsprozeß im Bereiche der soliden Seitenplatte ohne Leibes- höhle vom 33. bis 29. Rumpfsegment, 2) im Bereiche der latenten Leibeshöhle vom 29. bis 19. Rumpfsegment, 3) im Bereiche der spaltenförmigen Leibeshöhle vom 19. bis 14. Rumpfsegment und 4) den Abschnürungsprozeß im Bereiche der in dorsoventraler Rich- 34* 522 U. Böhi tung weit ausgedehnten Leibeshöhle, eranialwärts vom 14. Rumpf- segment. Da der Abschnürungsprozeß allmählich fortschreitend in eaudo- eranialer Richtung verläuft, so werden wir in den vorderen Partien die einzelnen Abschnitte des Prozesses mehr im Beginne, in den hinteren Abschnitten dagegen weiter vorgeschritten antreffen. Im Bereiche der soliden Seitenplatte ist die Abschnürung bis zur scharfen Ausbildung einer Einknickung der Seitenplatte vor- geschritten; zu einer Teilung der Seitenplatte in abgeschnürte Seiten- platte des Embryos und Seitenplatte des Dottersackes ist es noch nicht gekommen, weil der AbschnürungsprozeB des Embryos das hintere Ende der Seitenplatte noch nicht erreicht hat. Die Zellen Fig. 8. dorsoventrales Mesoderm prim, Harnleiter — x a dorsale Mesenterialfalte mediolaterales Mesoderm Darm Forellenembryo vom 38. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt, entsprechend dem 22. Rumpfseg- ment, dient zur Veranschaulichung der Druckwirkung der vorwachsenden ectodermalen Abschnürungs- falten auf den dorsoventralen Abschnitt des Mesoderms; Unterschied von Somatopleura und Splanchno- pleura verschwindet, die Zellen werden durch die Pressung spindelförmig, was besonders in dem Winkel zwischen dorsoventralem und mediolateralem Abschnitt zum Ausdruck gelangt. Vergr. 260/1. der beiden Teile der Seitenplatte sind durch den außerordentlichen Druck , welchen die Abschnürung ausübt, stark zusammengedrückt und zwar ist die Abflachung im mediolateralen Teil, der gegen den resistenten Dotter angepreßt wird, viel stärker ausgesprochen, als in dorsoventraler, der gegen den weichen Darm und die Stammvene gedrückt wird. Im mediolateralen Teil kann die Abflachung der beiden Blätter derart werden, daß die Zellen dieser Blätter, Somato- pleura und Splanehnopleara, alternierend zu liegen kommen, so dab der ganze mediolaterale Teil einschichtig erscheint und eine Diffe- renzierung von Somatopleura und Splanchnopleura nur an wenigen Stellen noch ausführbar ist. Im Bereiche der latenten Leibeshöhle kann der Einfluß des Druckes sich ebenfalls in einer Weise geltend machen, daß im dorso- ventralen Teil der Unterschied zwischen Somatopleura und Splanehno- Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei ‘den Salmoniden. 523 pleura verschwindet, die Zellen desselben werden spindelförmig und liegen wie die glatten Muskelzellen einer Muskelhaut aufeinander getürmt (Fig. 8). Im Bereiche des mediolateralen Teiles sind die Verhältnisse ähnlich wie im Bereiche der nicht vorhandenen Leibes- höhle. Im Bereiche der spaltenförmigen Leibeshöhle, vom 19. bis 14. Rumpfsegment, wo die letzten Wirkungsäußerungen einer Abschnü- rung sich geltend machen, wird durch den Druck die Spalte auf- gehoben und auf diese Weise eine latente Leibeshöhle erzeugt. Die Mesenterialfalten. Die medianwärts gerichtete Vorwärtsbewegung der Seitenplaätte, die wir im Bereiche des 12. Rumpfsegments bis zum Schwanzdarm bis jetzt nur kurz berührt haben, wird jetzt durch die Abkniekung der Seitenplatte stark beeinflußt. Wir hatten den dorsoventralen Teil der abgeknickten Seitenplatte als dem Darm anliegend beschrieben und können wir an demselben ein dorsales und ein ventrales Ende unterscheiden, an letzterem hängt der ventrolaterale Teil mit dem Fig. 9. dorsale Mesenterialfalten ventrale Mesenterialfalten Forellenembryo vom 38. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt aus dem 25. Rumpfsegment zeigt, wie jetzt neben den dorsalen auch die ventralen Mesenterialfalten auftreten; Druckerscheinungen selbstverständlich gleich wie in Fig. 8. mediolateralen zusammen. Von diesen beiden Enden gehen jetzt solide Wucherungen aus, von den dorsalen eine dorsale (dorsale Mesenterialfalte) zwischen Darm und Venenstrang vorwachsende und von dem ventralen eine ventrale (ventrale Mesenterialfalte), die zwischen Darm und Dotter vordringt. Beide Wucherungen stehen ungefähr rechtwinklig zu dem dorsoventralen Teil der Seitenplatte. Haben sich dieselben ausgebildet, so zeigt die Seitenplatte (Fig. 9) folgende Verhältnisse: Der mediolaterale Teil, welcher dem Dotter 524 U. Böhi aufliegt, ist, ventral vom Darm, von rechts und links bis zur gegen- seitigen Berührung vorgeschoben, der dorsoventrale Teil zeigt ent- sprechend dem dorsalen Umfange des Darmes eine Abkniekung, welche seinem ehemaligen dorsalen Ende entspricht (Fig. 9). Aus dem dorsoventralen Teil und den beiden Mesenterialfalten geht die definitive Leibeshöhle dieses Embryoabschnittes hervor, in dem sowohl in dem dorsoventralen Teil, wie in den beiden Mesenterial- falten Liehtungen auftreten, weshalb auch der Ausdruck »Mesen- terialfalte« gerechtfertigt sein mag. Ich bezeichne deshalb schon von Anfang an die zunächst soliden Wucherungen als dorsale und ventrale Mesenterialfalten. "Was die Beteiligung der beiden Blätter der Seitenplatte an dem Aufbau der Mesenterialfalten betrifft, so ist in bezug auf die dorsale eine solche von beiden Blättern aus möglich, immerhin aber spricht die zunächst auftretende solide Wucherung für eine alleinige Be- teiligung der Splanchnopleura. Bei der Bildung der ventralen Me- senterialfalte kann aber selbstverständlich nur die Splanchnopleura in Frage kommen und da ein Teil der Mesenterialfalten sich an dem Aufbau der ventralen Leibeswand beteiligt, so dürfte der Nachweis geliefert sein, daß sich die Splancbnopleura auch an der Herstellung der parietalen Leibeswand beteiligt. Die in der Mittellinie gelegenen Partien der dorsalen und ventralen parietalen Leibeswand enthalten Splanchnopleuraelemente. Es erübrigt noch die Ausdehnung der beiden Faltenbildungen in diesem Embryo anzuführen. Die dorsale Mesenterialfalte erstreckt sich vom 20. Rumpfsegment an bis zur Kloake, die ventrale vom 23. bis zum 28. Rumpfsegment, Wo von rechts und links dorsale und ventrale Mesenterialfalten in der Mittellinie zusammenstoßen, bilden sich das dorsale und ventrale Mesenterialgekröse dieses Darm- abschnittes aus. Noch mache ich auf die histologischen Unterschiede aufmerksam, welche sich in den beiden Mesenterialfalten erkennen lassen. Die dorsale Falte, welche, indem sie zwischen Darm und Stammvene vordringt, nur auf geringen Widerstand stößt, zeigt eine lockere An- ordnung ihrer Zellen, die ventrale aber, welche in ihrem Vorwachsen zwischen Darm und Dotter großen Widerständen begegnet, zeigt ihre Zellen ineinander gepreßt (Fig. 9). Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 525 Forellenembryo vom 43. Tage und Lachsembryo vom 40. Tage nach der Befruchtung. Der erstere zeigt eine Körperlänge von 4,27 mm (Serienbestim- mung) und 34 Rumpfsegmentpaare, letzterer eine Körperlänge von 6 mm (Serienbestimmung) und 41 Rumpfsegmentpaare. Bei dem Forellenembryo vom 43. Tage ist die Entwicklung der Leibeshöhle in ihren Grundzügen vollendet, beim Lachsembryo wird dieser Zustand bereits schon mit dem vierzigsten Tage erreicht. Ich schildere im Nachfolgenden die Verhältnisse hauptsächlich beim Lachsembryo, weil hier beim Anfertigen der Serie der Embryo mitsamt dem Dotter geschnitten wurde. Was zunächst die Ausdehnung der Leibeshöhle in eranio-caudaler Richtung betrifft, so ist zu bemerken, daß sich die manifeste Leibes- höhle in ihrem abgeschnürten Teile weniger weit ausdehnt, als in ihrem nicht abgeschnürten; denn während in letzterem von einer latenten Leibeshöhle überhaupt nicht mehr die Rede sein kann, da hier überall die Leibeshöhle eine weite Lichtung darstellt, haben wir im abgeschnürten Teil noch eine latente Leibeshöhle, welche sich bis zum After erstreckt und eine manifeste, welche beim Fo- rellenembryo kontinuierlich bis zum 21., diskontinuierlich bis zum 28. Rumpfsegment reicht. Ein Vergleich der gleichen Verhältnisse bei dem Forellenembryo vom 38. Tag zeigt, daß bei dem Embryo vom 43. Tag auch im abgeschnürten Teil desselben ein ziemlich weit caudalwärts vorgeschrittenes Wachstum der manifesten Leibes- höhle eingetreten ist, indem die letztere bei dem ersteren sich nur bis zum 19. Rumpfsegment erstreckt. Was die Ausdehnung der Leibeshöhle im Querdurchmesser an- seht, so ermöglicht uns die Lachsserie, die Umwachsung des Dotters durch die Leibeshöhle zu bestimmen. Dieses Wachstum hat beim Lachsembryo insofern ein bestimmtes Ende erreicht, als die beiden Leibeshöhlensäcke sich ventral vom Darm bis zur Berührung genähert haben, ohne jedoch schon zusammengeflossen zu sein. Durch diese Umwachsung des Dotters ist ein ventrales Gekröse gebildet, das von der ventralen Seite des Darmes bis zur ventralen Bauchwand reicht, in diesem Gekröse liegt der Dotter. Zur Er- klärung dieser Verhältnisse gebe ich in Fig. 10 den Querschnitt des Lachsembryos in der Höhe des 13. Rumpfsegmentes. Die Figur ist schematisiert, aber genau mit dem Zeichenapparat hergestellt. Man sieht die beiden Leibeshöhlensäcke, noch in ganzer Ausdehnung 526 U. Böhi voneinander getrennt. Das Septum zwischen beiden zerfällt in folgende Abschnitte — ich zähle die Gebilde in dorsoventraler Rich- tung auf — 1) den dorsalen Gekröseabsehnitt, der in diesem Embryo an dieser Stelle noch nicht mit voller Deutlichkeit entwickelt ist, Fig. 10. prim. Harnleiter \ Leibeshöhlensack YA dorsales Gekröse Leibeshöhlensack Darın V. subintestinalis ventrales Gekröse (Darmdotter- abschnitt) Dotier ventrales Gekröse (Dotterleibeswandabschnitt) rechts links Lachsembryo vom 40. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt durch Embryo und Dotter im Bereiche des 20. Rumpfsegments; Bildung eines ventralen Darmdottergekröses und eines ventralen Dotterleibes- wandgekröses. Vergr. 100/1. 2) den Darmabschnitt, 3) den Abschnitt im Bereiche der V. subinte- stinalis, 4) den Darmdotterabschnitt des ventralen Gekröses, 5) den Dotterabschnitt des ventralen Gekröses, und 6) den Dotterleibes- wandabschnitt des ventralen Gekröses. Vorwachsen der beiden Gölomsäcke. Bildung der unpaaren Leibeshöhle. Über den Darm und seine einzelnen Abschnitte ist nichts Neues auszusagen, wir unterscheiden nach wie vor die gleichen vier Ab- | un nz ee me Zu A LE LDLLLnLLL_LUULD79o 04 a ZI u a a Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 527 schnitte, wie wir es beim Embryo vom 38. Tage getan haben, 1) Kiemendarm, 2) Darmabschnitt zwischen Kiemendarm und Leber- anlage, 3) Darm im Bereiche der Leberentwicklung, 4) Darm hinter der Leberentwicklung. Wir hatten beim Embryo vom 38. Tage festgestellt, daß ent- Leibeshöhlensack Somatopleura Darın Splanchnopleura ventrales Gekröse (Dotterleibeswand- abschnitt) rechts links Dotter Lachsembryo vom 40. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt im Bereiche des ersten Rumpfsegments; der Darmdotterabschnitt des ventralen Gekröses ist hier, weil die Cölomsäcke von beiden Seiten zu- sammenfließen, nicht vorhanden, dagegen ein ventrales Gekröse zwischen Dotter und Leibeswand. Vergr. 100/1. sprechend dem zweiten Darmabschnitte die beiden Cölomsäcke zwischen Darm und Dotter zur Bildung der unpaaren Leibeshöhle zusammen- fließen und ich kann jetzt noch einmal wiederholen, was bereits oben bemerkt wurde, daß ventral vom Dottersack, zwischen ihm und 28 U. Böhi der ventralen Leibeswand, die beiden Cölomsäcke wohl einander be- rühren, aber nicht zusammenfließen. Wir hätten also in diesem Ab- schnitte des Embryo noch einen Teil des ventralen Gekröses erhalten, welcher dem Dotterleibeswandabschnitt der Fig. 10 entsprechen würde. Der Darmdotterabschnitt verschwindet in diesem Abschnitt spurlos. Zur Erklärung des Gesagten gebe ich in Fig. 11 einen Querschnitt des Darmes in der Höhe des ersten Rumpfsegmentes. Fig. 12. prim. Harnleiter . Leibeshöhlensack dorsales @ekröse Leibeshöhlensack Darm Leberanlage ventrales Gekröse (Dotter- leibeswandabschnitt) rechts links Lachsembryo vom 40. Tage. Querschnitt im Bereiche des neunten Rumpfsegments; Leberanlage inner- halb des Darmdottergekröses. Vergr. 100/1. Im Bereiche des dritten Darmabschnittes, der sich beim Lachs- embryo vom 4. bis 11. Rumpfsegment erstreckt, hat sich, im Ver- gleiche mit der vorigen Serie nichts geändert, wovon man sich leicht durch einen Blick auf Fig. 12, die einen Querschnitt durch das neunte Rumpfsegment darstellt, überzeugen kann. Innerhalb des Darmdottergekröses liegt die Leberanlage und verhindert durch ihre Verbindung mit dem Dotter seine eigentliche Ausbildung. Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 529 Im Bereiche des vierten Abschnittes vereinigen sich die beiden Cölomsäcke wieder zwischen Darm und Dotter zur Bildung der un- paaren Leibeshöhle, und zwar geht diese Vereinigung in caudo-cranialer Richtung nicht allmählich vor sich, sondern setzt gleichzeitig an ver- schiedenen Stellen ein, so daß Stellen, wo die Vereinigung bereits vollzogen ist, mit Stellen noch nicht völliger Vereinigung abwechseln. Beim Lachsembryo ist die Vereinigung von der hinteren Hälfte des 11. Rumpfsegments bis zum After vollzogen, mit Ausnahme des Fig. 13. prim. Harnleiter definit. Leibes- höhle Leibeshöhlensack Darm V. subintesti- nalis Zellstrang Dotter ventrales Gekröse (Dotterleibeswandabschnitt) Lachsembryo vom 40. Tage. Querschnitt im Bereiche des 15. Rumpfsegments; das ventrale Darm- dottergekröse ist vom Dotter losgelöst und bildet einen die V. subintestinalis zwischen seine Wan- dungen aufnehmenden Zellstrang. Vergr. 100/1. 13. Rumpfsegments, in welchem der Darmdotterabsehnitt des ven- tralen Gekröses noch enthalten ist, wie wir aus Fig. 10 ersehen können. Auch hier muß hervorgehoben werden, daß überall da, 530 | U. Böhi wo in den Segmenten noch Dotter vorhanden ist, der Dotterleibes- wandabschnitt des ventralen Gekröses erhalten bleibt. Wo aber auch die Vereinigung zur unpaaren Leibeshöhle erfolgt, wird immer der Darmdotterabschnitt des ventralen Gekröses dicht am Dotter ab- getrennt und hängt dann, wie ein freihängender Faden, in die Leibes- höhle hinein. Ich gebe in Fig. 13 einen Querschnitt des Lachs- embryos im 15. Rumpfsegment. Man sieht von der ventralen Peri- Fig. 14. prim. Harnleiter definitive Leibeshöhle Dottersackleibeshöhle Darm V. subintestinalis Andeutung der vormali- gen Verbindung zwischen ventrales Dotterleibeswandgekröse Dotter V. subintestinalis und rechts links Dotter Lachsembryo vom 40. Tage. Querschnitt im Bereiche des 17. Rumpfsegments ; Dotter auf einen kleinen Rest reduziert, dadurch Leibeshöhle gewaltig erweitert, Dotter steht mit der Leibeswand, nicht aber mit der V. subintestinalis in Verbindung. Die punktierte Linie deutet den Darmdotterabschnitt des ventralen Gekröses an. Vergr. 100/1. pherie des Darmes in die unpaare Leibeshöhle, welche durch teilweise Resorption des Dotters an Lichtweite zugenommen hat, einen Zell- strang herabhängen, der die Vena subintestinalis enthält. Sobald die Verbindung zwischen Dotter und dorsaler Leibeswand auf diese Weise gelöst ist, wird der Dotter frei beweglich und zieht sich all- mählich aus den caudalen Partien des Embryos zurück; er reicht in diesem Embryo nur noch bis zum 17. Rumpfsegment. Durch dieses Zurückweichen des Dotters werden für die Leibeshöhle eigen- Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 531 tümliche, auf den ersten Blick unklare Verhältnisse geschaffen. Ich bringe in Fig. 14 einen Querschnitt aus dem 17. Rumpfsegment des Lachsembryo zur Anschauung. Der Dotter endet zugespitzt und der Schnitt trifft gerade noch die äußerste Spitze desselben. Wir sehen infolge dessen eine gewaltige Leibeshöhle sich entwickeln. An der dorsalen Wand der Leibeshöhle hängt der Darm herab und von seiner ventralen Peripherie ein dicker Zapfen, welcher die Vena subintestinalis enthält. An der ventralen Seite liegt der Dotterrest, der mit der Leibeswand durch den Dotterleibeswandabschnitt des ventralen Gekröses in Verbindung steht. Vom Darmdotterabschnitt ist nur der Zapfen und die Vena subintestinalis erhalten; ich habe durch zwei punktierte Linien angegeben, wie ehemals der Zusammen- hang zwischen dem Zapfen und der Vena subintestinalis sich verhielt. Der Abschnürungsprozeß und die Mesenterialfalten. Der Abschnürungsprozeß ist in diesem Lachsembryo bereits so weit vorgeschritten, daß der hintere Körperabschnitt vom 26. Rumpf- segment an frei liegt, seine letzten Spuren lassen sich bis zum 14. Rumpfsegment nachweisen; weiter eranialwärts kommt nach meinen Beobachtungen der Abschnürungsprozeß nicht zur Geltung. Wie weit tatsächlich die Abschnürung geht, ich unterscheide zwischen Abschnürungsprozeß und tatsächlicher Abschnürung, läßt sich nicht mit voller Bestimmtheit sagen, wahrscheinlich aber nicht weiter als zum 20. Rumpfsegment. Die Abschnürung vom Schwanz bis zum 20. Rumpfsegment. Vom Schwanz bis zum 20. Ursegment teilt sich das Gesamtei in Embryonalanlage und Dottersack, wobei sowohl embryonale, wie Dottersackanlage ihren eignen von dem des andern unabhängigen ektodermalen Überzug erhalten. Die Dotteranlage im Bereiche dieses Abschnittes geht, wie wir später sehen werden, durch Schrumpfung des Dotters und Resorption des Sackes zugrunde. Vom 20. Ursegment an bis zum 18. Urseg- ment werden wohl die mesodermalen Abschnitte der embryonalen und der Dottersackanlage voneinander ziemlich deutlich abgesetzt, aber nicht mehr voneinander getrennt. Die Dotteranlage geht auch hier durch Schrumpfung des Dotters und Resorption der mesodermalen Dottersackwand zugrunde, die ektodermale Wand des Dottersackes, die von Anfang an gegen die ektodermale Wand des Embryos nicht abgesetzt ist, bleibt erhalten. 532 U. Böhi Im Bereiche des 18. bis 15. Rumpf- segments kommt es gleichfalls zu einer Absetzung desmeso- dermalen gegen die Dottersackwand. Es bleibt aber in diesem Abschnitt, wie wir nachher sehen wer- den, sowohl die em- bryonale Leibes- höhle wie die Dotter- sackleibeshöhle er- halten. Vom 15. Rumpf- segmentbiszur Herz- anlage kommt es überhaupt nicht zu Fig. 15. Somatopleura dorsoventraler Teil der Leibeshöhle ‚ wo die Seiten- geleiteten Abknickung zerfällt - acht und ist mit änzung der Fig. 7 / \ mediolateraler Teil der Leibeshöhle Splanchnopleura rechts links Fig. 16. & hat sich dadurch vom Darm freigem vorwachsende Somatopleurafalte abgeschnürle Leibeshöhle l vom Darm Vorschieben von Mesenterialfalten. Zufolge der durch das Ectoderm ein der Mesenterialfalten; dient zugleich als Erg Dorsal und ventra ’ Abschnürung der Leibeshöhle eingetreten. ,‚ der splanchnopleurale Überzu einer Trennung der beiden Mesoderme dadurch es erkennen des Embryos und des Dotters, und die sanze Leibeshöhle dieses Abschnittes geht in die defini- tive Leibeshöhle des Embryos über. Die- ses verschiedene Verhalten der ein- zelnen Teile des Em- bryos bei der Ab- schnürung gibt von selbst die Einteilung für die nachfolgende Beschreibung. Wir hatten bei der Beschreibung des Embryos vom 38. Tage konstatiert, afalte, links vom Beschauer hat sie das ventrale Darmdottergekröse bereits erreicht, rechts der andern Seite verschmolzen, / K | splanchnopleuraler Dottersackleibes- somalopleuraler Dotterüberzug höhle Dotterüberzuy rechts links schon Verschmelzung und Dieses Schema läßt die Resorption des Darmdottergekrös abgeschmürte nd - Leibeshöhle Fig. 17. während hier die manifeste Leibeshöhle in sie eindringt. die Leibeshöhle in einen dorsoventralen und cinen lateralen Abschnitt. ses Schema zeigt das beständige Vorwachsen der Somatopleur aber ist Schema zur Veranschaulichung des Abschnürungsprozesses und der Bildung platten noch solid eingezeichnet sind, splanchnopleuraler Dottersackleibes- somatopleuraler Dotterüberzug höhle Dotterüberzug rechts links Fig. 16. Die Fig. 15. Fig. 17. Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 533 daß bei der Abschnürung die Seitenplatte jederseits abgeknickt wird und daß dadurch ein dorsoventraler Abschnitt zustande kommt, der neben dem Darm und ein mediolateraler, der entlang dem Dotter gelegen ist. Wir haben weiter festgestellt, daß von dem dorsoventralen Teil dorsal und ventral zum Darm zwei Falten ge- bildet werden, welche dorsal und ventral von demselben zusammen- treffen und wir haben endlich auch bemerkt, daß aus dem dorso- ventralen Abschnitte und den beiden Mesenterialfalten die defini- tive Leibeshöhle des hinteren Leibesabschnittes hervorgeht. Bei diesem Embryo können wir die tatsächlichen Verhältnisse verfolgen und es geschieht das am besten an der Hand eines Schemas, das ich in Fig. 7 bereits gegeben habe. Das Schema zeigt uns den Dotter und das ihn umwachsende Mesoderm. Ich habe zunächst die beiden Abschnitte des Mesoderms solid gezeichnet und durch schwarze Farbe hervorgehoben. In Fig. 15 lasse ich jetzt in alle diese Teile die manifeste Leibeshöhle eindringen und man sieht, wie auf diese Weise der Darmdotterabschnitt des ventralen Gekröses zustande kommt. In Fig. 16 habe ich durch gestrichelte Linien angegeben, wie von der Abknickungsstelle zwischen dorsoventralem und medio- lateralem Teil die Somatopleura sich faltenartig vorschiebt, bis sie den Darmdotterabschnitt des ventralen Gekröses erreicht. Auf der rechten Seite der Figur ist der vollendete Prozeß gezeichnet; wir sehen die somatopleurale Falte mit dem Darmdotterabschnitt des ven- tralen Gekröses verschmelzen. In Figur 17 habe ich eingetragen, wie ventral zu dieser Verschmelzungsstelle der unterdessen ver- schmolzene Darmdotterabschnitt des ventralen Gekröses resorbiert ist und so der Darm vom splanchnopleuralen Überzug des Dottersackes abgelöst wird. Wir sehen dann in dieser Figur den Dotter von der Splanchnopleura als einheitliche Membran umhüllt und die Somato- pleura mit den beiden definitiven Leibeshöhlensäcken an der ventralen Seite in Verbindung. Wird dann der Dotter bei der Resorption aus den hinteren Körperabschnitten zurückgezogen und beginnt sich der Embryo vollständig vom Dottersack abzulösen, so erhalten wir die Verhältnisse, wie sie Fig. 18, die dem 21. Rumpfsegmente entnommen ist, wiedergibt. Wir sehen in derselben Darm und Vena subintesti- nalis von der definitiven Leibeshöhle umhüllt, die hier noch solid und in der Fig. 18 dick schwarz dargestellt ist, von der Vena sub- intestinalis hängt ein Fädchen herab, welches die definitive Leibes- höhle mit einem zusammengefallenen mesodermalen Sack, der dabei doch noch eine ziemlich bedeutende Lichtung enthält, verbindet. 534 U. Böhi Die Teile der definitiven Leibeshöhle, welche Darm und Vena sub- intestinalis umschließen, sind aus dem ehemaligen dorsoventralen Teile der Leibeshöhle entstanden; neu hinzugekommen sind nur zwei Mesenterialfalten, welche, ähnlich den Mesenterialfalten, die wir oben besprochen haben, von dem unterdessen in die Länge gewachsenen dorsoventralen Teil, ventral von der Vena subintestinalis einander bis zur Berührung entgegengewachsen sind. Da wir auf diese Weise zwei Paare von ventralen Mesenterialfalten bekommen, nenne ich prim. Harnleiter Darm ——— definitive Leibeshöhle Verbindungsfädchen = >— leerer Dott k rechts links eerer Dotiersac Lachsembryo vom 40. Tage. Querschnitt im Bereiche des 21. Rumpfsegments; Darm und V. subinte- stinalis von solider, fester, definitiver Leibeshöhle umwachsen, diese mit leerem Dottersack durch Fädchen in Verbindung, dorsal vom Darm Mesenterialfalten. Vergr. 100/1. das zuerst ventral vom Darm angelegte Paar, subintestinale und das- jenige Paar, welches ventral von der Vena subintestinalis liegt, sub- venöse Mesenterialfalten. Von den vereinigten subvenösen Mesenterial- falten geht dann ein feines Fädchen aus, welches die Verbindung mit dem oben beschriebenen Sacke herstellt. Die Wand des Sackes stellt nichts andres dar als die Somatopleura des mediolateralen Seitenwandabschnittes, dessen Splanchnopleura mit der Zurück- ziehung des Dotters aus dem Bereiche dieses Rumpfsegmentes ver- schwunden ist. In der Höhe des feinen Fädchens sehen wir das Ektoderm eingefaltet (Fig. 18); an dieser Stelle erfolgt später die Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 535 Vereinigung der beiden Ektodermfalten von rechts und links und die Resorption des Fädchens, und dadurch kommt es zur vollständigen Auftrennung zwischen Embıyo und Dottersack. Über das Zugrunde- gehen des Dottersackes werde ich später berichten. Absehnürung vom 20. bis 18. Rumpfsegment. Diese Abschnürung zeigt die gleichen Verhältnisse wie die vor- gehenden, nur kommt es hier nicht zur vollständigen Loslösung des Fig. 19. prim. Harnleiter definitive Leibeshöhle Darm V. subintestinalis Verbindungsfüdchen u} — Dottersack rechts links Lachsembryo vom 40. Tage. Querschnitt im Bereiche des 23. Rumpfsegments; die Reduktion des Dottersackes ist weiter vorgeschritten als in Fig. 18. Vergr. 100/1. Embryos vom Dotter. Die somatopleurale Dotterwand, die keinen Dotter mehr zu umschließen hat, fällt schließlich zusammen, verliert ihre Liehtung und wird zu einer soliden Zellmasse, welche zwischen Vena subintestinalis und dem Ektoderm der ventralen Körperwand ausgespannt ist. Später wird dieser Faden vollständig resorbiert. Das Zusammenfallen des Sackes beginnt an der der Vena subintesti- nalis zugewendeten Seite und schreitet von da ventralwärts vor. Das Fädchen, welches in Fig. 18 die Vena subintestinalis mit dem somatopleuralen Dottersack verbindet, ist an der dorsalen Seite des- selben durch Verwachsung entstanden. Ich gebe in Fig. 19 in einem Morpholog. Jahrbuch. 32. 35 536 U. Böhi Schema einen Querschnitt, welcher dem 23. Rumpfsegment entspricht und den Prozeß weiter vorgeschritten als in Fig. 18 darstellt. Wenn dann später nach Resorption des Dottersackmesoderms das Ektoderm sich unmittelbar den subvenösen Mesenterialfalten an- legt, erscheint die Stelle, wo in der Mittellinie die beiden subvenösen Mesenterialfalten zusammentreffen, ein ventrales Darmgekröse, das wir jetzt als sekundäres ventrales Darmgekröse bezeichnen werden und das zeitlebens erhalten bleibt. Abschnürung vom 17. bis zum 14. Rumpfsegment. Im Bereiche des 17. bis 14. Rumpfsegments kommen wir, wie die dem 15. Segment entnommene Figur 13 zeigt, in das Bereich Fig. 20. vorwachsende ED prim. Harnleiter = Somatopleurafalte ot Z “er 2 Darm V. subintestinalis Dotier rechts links Lachsembryo vom 40. Tage. Querschnitt im Bereiche des 14. Rumpfsegments; von der Somatopleura der dorsalen Leibeswand wächst ventralwärts gegen die Splanchnopleura des Darmes eine Falte vor, durch die der Leibeshöhlensack in einen dorsalen und ventralen geschieden wird. Vergr. 100/1. Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 537 des Dotters, welcher die Abschnürung, die im Bereiche des 14. Seg- ments ihr Ende findet, beeinflussen muß. Wir sehen in Fig. 20 die bis dahin einheitliche Leibeshöhle sich dadurch in einen dorsalen und einen ventralen Teil spalten, daß von der Somatopleura der dor- salen Leibeswand, lateral von den beiden primären Harnleitern, zwei Falten vorwachsen, welche den Splanchnopleuraüberzug des Darmes zunächst an seiner oberen Peripherie erreichen und dann in weiterem Verlaufe des Wachstums an der lateralen Seite des Darmes und der Vena subintestinalis ventralwärts sich vorschieben. Durch dieses Vorwachsen wird der bis dahin einheitliche Leibeshöhlensack in einen dorsalen und einen ventralen geschieden, welche der embryonalen Leibeshöhle und der Dottersackleibeshöhle der beiden eaudalen Ab- schnitte entsprechen. Diese Bezeichnungen lassen sich übrigens hier nicht anwenden, weil aus beiden Teilen, wie wir sehen werden, die intraembryonale Leibeshöhle hervorgeht. Vom 14. Rumpfsegment bis zur Herzanlage wird, gegenüber dem Embryo vom 38. Tage, nichts geändert, außer daß der Dottersack- leibeswandabschnitt des primären ventralen Gekröses resorbiert wird. Der Dotter liegt daher überall frei in der Leibeshöhle und wird nur dadurch in einer bestimmten Lage gehalten, daß in der Gegend der Leberanlage der Darm nach wie vor mit ihm verwachsen bleibt. Zum Schlusse gebe ich in einer schematischen Fig. 21 noch einmal einen Überblick über die Leibeshöhlenverhältnisse dieses Em- bryos. Die Beschreibung erfolgt in eaudo-cranialer Richtung. Im Bereiche vom Schwanz bis zum 20. Rumpfsegment sehen wir Leibes- höhle des Embryos und Dottersackleibeshöhle voneinander voll- ständig getrennt. Die Leibeshöhle des Embryos enthält eine Lich- tung und ist deshalb weiß gezeichnet, die Dottersackleibeshöhle fällt zusammen und ist durch Strichelung markiert. Im Bereiche des 18. und 19. Rumpfsegments sehen wir embryonale Leibeshöhle und Dottersackleibeshöhle nicht mehr voneinander getrennt, die Dotter- sackleibeshöhle aber ist solid und wird deshalb wieder gestrichelt dargestellt. Im Bereiche des 17. bis 14. Rumpfsegments sehen wir zwei Dottersackleibeshöhlen gegeneinander abgegrenzt, beide Räume sind hohl. Im Bereiche des 13. bis 1. Rumpfsegments stoßen wir auf die ungeteilte und unpaare Leibeshöhle. Wir können demnach an der Hand dieses Schemas die Leibes- höhle des Lachsembryos vom 40. und des Forellenembryos vom 43. Tage folgendermaßen beschreiben: Die aus der Vereinigung der beiden paarigen Cölomsäcke ent- 35* 538 U. Böhi standene Leibeshöhle erstreckt sich von der Herzanlage bis zum 14. Rumpfsegment, hier angelangt teilt sie sich in zwei Zipfel, in einen langen, dorsalen, welcher der definitiven Leibeshöhle der hin- teren Embryohälfte entspricht und einen kurzen, ventralen, an welchem, wie ein schmales Band, die zusammengefallene Dottersackleibeshöhle angefügt ist. Selbstverständlich wird auch im Bereiche der ungeteilten Leibes- höhle, von der Herzanlage bis zum 14. Rumpfsegment, der Dotter resorbiert und auch hier würde sich dann ein ähnlicher Prozeß ab- Fig. 21. 7234567891011 121314 15161718 7920212223 242526 27 28 2930 37 3233 3435 Schematische Übersicht der Leibeshöhlenverhältnisse eines Lachsembryos vom 40. Tage. Die Ab- schnürung der Leibeshöhle des Embryos von der Dottersackleibeshöhle reicht vom Schwanz bis zum 20. Rumpfsegment, die erstere ist weiß, die letztere schraffiert eingetragen. Im Bereiche des 18. und 19. Rumpfsegments sind die beiden Leibeshöhlen nicht mehr voneinander getrennt, die solide Dotter- sackleibeshöhle ist schrafliert. Vom 18. bis 14. Rumpfsegment findet eine Trennung der beiden Dotter- sackleibeshöblen statt, beide Räume sind hohl und vom 13. bis 1. Rumpfsegment ist die Leibeshöhle ungeteilt, d. h. unpaar. Die Richtung des Pfeiles deutet die Fortsetzung des Schwanzes an. spielen, wie der, welcher in der hinteren Hälfte des Embryos zum Zusammenfallen und zur Resorption des Dottersackes geführt hat, wenn nicht gleichzeitig mit der Resorption des Dotters die Schlingen- bildung im Bereiche des Vorderdarmes und Mitteldarmes den frei- werdenden Platz in der Leibeshöhle einnehmen würde. (Mit dem 243. Tage beobachtete ich das Verschwinden des letzten Dotterrestes.) Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird dann der Teil des Meso- derms, welcher im Bereiche des 17. bis 14. Rumpfsegments die beiden Leibeshöhlenteile voneinander schied, resorbiert und damit wieder die einheitliche Leibeshöhle hergestellt. Das Band, welches der zusammengefallenen Leibeshöhle entsprieht, bleibt lange Zeit Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 539 erhalten, ist makroskopisch sichtbar und verfällt schließlich ganz allmählich der Resorption. Il. Die Entwicklung der ersten Genitalanlage. (Literatur.) Wenn wir das Auftreten der ersten Genitalzellen gleichbedeutend betrachten mit erster Genitalanlage, so ist es das unbestreitbare Ver- dienst NussBAums, bei den Knochenfischen zuerst auf dieselbe auf- merksam gemacht zu haben. In der klassischen Arbeit WALDEYERS (70) wird der Genitalzellen noch nicht erwähnt und gehören seine Ureier oder Primordialeier, die er aus Keimepithel hervorgehen läßt, einem wesentlich späteren Entwicklungsstadium an. NussBAUm bringt uns im Jahre 1880 die Mitteilung, daß er bei einem Forellenembryo von drei bis vier Wochen mit einer Körper- länge von 4 mm in dem einschichtigen Peritonealepithel Zellen ge- funden habe, welche sich vor den Epithelien des Cöloms durch ihre Größe und die Größe ihrer Kerne auszeichneten. Diese Zellen nannte er Genitalzellen. Als Prädilektionsstelle ihrer Ansiedlung führt er die Gegend an, wo später sich die Rückenflossen entwickeln. Der betreffende Embryo zeigte noch blasenförmige Urwirbel; Augen- und Gehörbläschen waren angelegt; die Linse bildete eine hohle Ausstülpung; die Chorda dorsalis bestand aus kleinen, eng aneinander gelagerten Zellen. In sämtlichen Zellen waren feine Dotterkörner eingelagert. Von Urniere und Darm fand sich noch keine Spur. Bei wenige Tage älteren Embryonen mit deutlich entwickelter Urniere und Darm, bei denen das Cölomepithel schärfer hervortrat, wies er Zellen von gleichem Charakter nach, die er ebenfalls als Genitalzellen qualifizierte. In noch späteren Stadien beobachtete er Teilung und Vermeh- rung sowohl der Geschlechtszellen als der Cölomzellen. Durch Ver- mehrung des letzteren wurden die ersteren auseinander gedrängt. Nie konnte er Übergänge von Cölom- in Geschlechtszellen wahr- nehmen, weshalb er auch entschieden eine Abstammung der letzteren aus jenen in Abrede stellt. Er vermochte zwar nicht mit Sicherheit die Herkunft der Genitalzellen bei seinen Forellenembryonen nach- zuweisen, gelangte aber doch, wie wir später sehen werden, durch Analogieschlüsse zu der Vermutung, daß sie schon im Stadium der 540 U. Böhi Furchung von denjenigen, welche zum Aufbau des Körpers dienen, sich absondern. MacLeop (81) betont, einleitend zu dem Kapitel über die Ent- wieklung der Geschlechtsanlagen bei den Teleostiern, daß dieselben im allgemeinen sehr spät auftreten und langsam sich entwickeln. Seine Untersuchungen erstreckten sich auf Hippocampus brevirostris, Syngnathus acus und Gobius. Bei seinen Gobius-Jungen kamen die Geschlechtsanlagen erst 14 Tage nach dem Ausschlüpfen und bei Hippocampus und Syngnathus ebenfalls einige Zeit nach der Geburt zum Vorschein. Bei Hippocampus beobachtete er zu beiden Seiten des dorsalen Darmgekröses, zwischen den Epithelzellen des Cöloms vereinzelte, durch ihre Größe auffallende Zellen von 5 bis 8 « Durchmesser, mit großem granulierten Kern. Das wenig entwickelte Protoplasma war durchsichtig und hell. Einige größere Granulationen im Kern- körper machten ihm den Eindruck von Kernkörperehen. MAcLEoD nennt diese Zellen Ovules primordiaux oder nach NUSSBAUMS Vorgang cellules sexuelles und betrachtet sie als Abkömmlinge der Cölomzellen. Bei Gobius-Jungen, vierzehn Tage nach dem Ausschlüpfen, fand er ebenfalls zu beiden Seiten des Mesenteriums die gleichen großen Zellen, wie bei Zlippocampus. Brock (81) macht ebenfalls darauf aufmerksam, daß sich die Geschlechtsorgane bei Teleostiern erst später anlegen und entwickeln. Mit MAcLeon läßt er die Geschlechtszellen aus Cölomzellen her- vorgehen. C. K. Horrmann (86) stützt seine Beobachtungen auf Unter- suchungen beim Lachsembryo (Salmo salar). Er sah die ersten Ur- eier, oder wie er sie auch nennt, Vorkeimzellen, schon lange vor An- lage des Mesonephros auftreten, und zwar zumeist auf jener Stelle, wo die Somatopleura in die Splanchnopleura übergeht. Dort traf er sie medialwärts im dorsalen Teil des Mesenteriums und lateralwärts bis zur seitlichen Leibeswand. Bei etwas älteren Embryonen, bei welchen die Entwicklung der Urniere beginnt, beschränken sich nach ihm die Ureier auf den schmalen Raum zwischen den Nephrostomata der Urmiere und der Radix mesenterii. Auch Horrmann betrachtet die Ureier als höher differenzierte Cölom- oder Peritonealzellen, von denen besonders bevorzugte sich durch Teilung in Ureier umwandeln können. Einen weiteren Beitrag brachte HEcTor F. J. JUNGERSEN (89). Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 541 Als Untersuchungsmaterial benutzte er Embryonen von Zoarces vivi- parus, Perca fluviatilis, Rhodeus amarus, Gadus morrhua, Pleuronectes, Coregonus lavaretus. Von Acerina vulgarıs, Gasterosteus aculeatus, Gobio fluviutilis und Esox lueius vermochte er nur ältere Stadien zu gewinnen. Mit FORCHHAMMER und RATHKE teilt er das Embryonal- leben der Knochenfische in zwei Perioden: A. das eigentliche Embryonalleben innerhalb der Eikapsel, und B. das Fötalleben nach Sprengung der Eihüllen. Zoarces viviparus (S. 110—119). Bei einem Embryo von kaum 2 mm Körperlänge, bei dem sich Riechorgane, Augenblase mit Linse, sowie Gehörbläschen bereits an- gelegt hatten, das Rückenmark, noch ohne Kanal, in seinem vorderen Teile von der Chorda getrennt, später mit ihr zu einer Masse ver- schmolzen war, bei dem auch die Ursegmente bereits angelegt und in der hinteren Partie des Körpers eine Darm- anlage zu erkennen war, will JUNGERSEN die ersten Genitalzel- len gefunden haben. Er schreibt (S. 111): »An der Seite der Gewebs- masse m ist der Raum zwischen Epiblast und Periblast von Zellen eingenommen, von de- nen einige ganz wie ee eritanyonasin, Fesörue, TAESTTL 2 2), Bü sn Bnkern Ton len Zellen aussehen, woraus die Aorta sich entwickelt. ch Chorda. e Ectoderm. g Ge- Er . nitalzellen. m Anlage der Muskulatur. pb Periblast. r Rücken- während einzelne an- mark, dre durch ihre Größe stark hervortreten; diese großen Zellen lassen sich auf einer be- deutenden Reihe von Schnitten, viele oder wenige beisammen er- kennen (Fig. 22, Kopie von JUNGERSEN, Taf. VI Fig. 29). Es bezeichnen diese unzweideutig die erste Genitalanlage und sie sind Genitalzellen.« Ein Blick auf Fig. 22, welche die getreue Kopie der Original- figur wiedergibt und die stark schematisiert ist, belehrt uns, daß die Gewebsmasse m dem Ursegment entspricht; die Zellen lateral von Fig. 22. 542 U. Böhi ihr bilden die annoch solide Seitenplatte, welche aus zwei Zellen- reihen besteht, in der dorsalen derselben liegen die sogenannten Genitalzellen. Wenige Tage später fand er bei Embryonen von ungefähr gleicher Größe, aber in ihrer Entwicklung schon weiter fortgeschritten, — Rückenmark mit Kanal, von der Chorda getrennt, Brustflossen an- gedeutet, Herz sowie Aorta angelegt, Anlage von Darm ohne After, Kiemenspalten vorhanden, primäre Harnleiter geöffnet — die Ge- schlechtsanlagen auf jeder Seite von einem ansehnlichen Haufen von Genitalzellen gebildet, der eine ähnliche Ausstreckung wie im früheren besitzt, die Zahl der Zellen ist jedoch bedeutend größer und ihre Lage ist geändert, indem keine andern Zellen unter den Genital- zellen sich finden. Letztere bilden unter dem primären Harnleiter eine ellipsoidische Gruppe, in deren Mitte sie drei- bis vierschichtig auftreten: von dem primären Harnleiter sind sie durch zwei Zellen- lagen getrennt, von denen die unterste medialwärts und zum Teil lateralwärts die Genital- zellen zu umwachsen scheinen.; i Sei q i ’ its Fig. 26, ‚d h en mit den? eitenpl itten und Genitalzellen nitalzelle hervor und ge- sowie die primären Harnleiter und einen Teil des Venen- stranges in starker Vergrößerung. Vergr. 333/1. winnt man besonders bei dererstenden Eindruck, daß sie der Splanchnopleura eingefügt sei. Bei der stärkeren Vergröße- rung (Fig. 27) ist das Eetoderm weggelassen; Somato- und Splanch- nopleura sind scharf gegeneinander abgegrenzt. Das Mesoderm rechts a Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 557 Fig. 28. Aorta prim, Harnleiter Leibeshöhle Darm Genitalzellen rechts links Lachsembryo vom 35. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt entsprechend dem neunten Ursegment, zwei Genitalzellen an der Radix mesenterii. Vergr. 333/1. Fig. 29. Aorta V. cardinalis SL „. Ben N Tan ur rechts links Lachsembryo vom 68. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt im Bereiche des 14. Rumpfsegments; Lagerung von Genitalzellen an der dorsalen Leibeswand. Vergr. 333/1. 558 U. Böhi bildet zu beiden Seiten des Darmes eine hakenförmige Figur; der eine Schenkel des Hakens (dorsoventraler Teil s. Kap. I S. 521) steigt zwischen Eetoderm einerseits und Darmrohr und V. subintesti- nalis anderseits, von der Verbindung mit dem Dottersack bis zum primären Harnleiter in die Höhe. Hier angelangt, biegt er recht- winklig (dorsale Mesenterialfalte, s. Kap. I S. 523) um und strebt, zwischen Harnleiter und Darmrohr durchpassierend, der Mittellinie zu, trifft hier auf den entsprechenden Schenkel der andern Seite und legt sich so dicht demselben an, daß beide Schenkel nicht von- einander zu trennen sind. Der aufsteigende Schenkel läßt in der Nähe der V. subintestinalis etwas undeutlich zwei Lagen erkennen, aber erst in der Höhe des Darmrohres und in dem horizontalen Schenkel des Mesoderms tritt die Scheidung in Somatopleura und Splanehnopleura deutlicher hervor und zeigt uns die feine Linie zwischen denselben, daß wir es mit der latenten Leibeshöhle oder dem zukünftigen Cölom zu tun haben. Rechts in der Splanchno- pleura, links in der Somatopleura finden wir je eine Genitalzelle ein- gelagert. In der Splanchnopleura, sowie im Darm finden sich zahl- reiche Mitosen. Ein Vergleich zwischen den in Teilung sich befindlichen soma- tischen Zellen und den Genitalzellen ergibt für den Leser einen deutlichen Unterschied zwischen beiden; ich lenke die Aufmerksam- keit auf diesen Unterschied, weil Sepew. Minor (94) behauptet, daß die Genitalzellen RÜCKERTS (88) vergrößerte, zur Teilung sich an- schickende somatische Zellen wären. Zur Veranschauliehung der Lagerung der Genitalzellen füge ich die Fig. 28 und 29 bei. Fig. 28 ist einem Querschnitte aus dem Bereiche des neunten Rumpfsegments eines Lachsembryos vom 35. Tage nach der Befruchtung entnommen; die Leibeshöhle hat sich von beiden Seiten, unter starkem Winkel, gegen die Medianlinie vor- geschoben; rechts unmittelbar der Radix mesenterii anliegend, finden sich zwei Genitalzellen, eine größere und eine kleinere. Fig. 29 stellt einen Querschnitt, entsprechend dem 14. Rumpfsegmente eines Lachsembryos vom 68. Tage dar und wir sehen an der dorsalen Leibeswand drei Genitalzellen gelagert, zwei ventral zu den be- treffenden primären Harnleitern, eine an der Radix mesenterii. Um eine Vorstellung von der Lagerung der Genitalzellen im Längsdurchmesser des Keimlagers zu bekommen, füge ich in Fig. 30 die Zeichnung eines einem Lachsembryo vom 36. Tage nach der Be- fruchtung entnommenen Sagittalschnittes bei. In dorsoventraler Rich- Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 559 tung folgen sich: 1) Eetoderm, 2) Medullarrohr, 3) Chorda, 4) Aorta, 5) Stammvene, 6) Keimregion mit Genitalzellen und 7) Darmrohr. Die Genitalzellen liegen bald vereinzelt, bald zu zwei oder auch in Gruppen beisammen, zwischen ihnen finden sich Kerne von Cölom- zellen. Die Vermehrung der Genitalzellen ist bei den Salmoniden eine Fig. 30. Chorda Ectoderm Medullarrohr \ i < DR ER RE ar RER Di a2 nu Darm Genitalzellen Venenstamm Lachsembryo vom 36. Tage nach der Befruchtung. Sagittalschnitt zur Demonstration der zwischen Venenstrang und Darm gelagerten Genitalzellen. In dorsoventraler Richtung folgen sich: Eetoderm, Medullarrohr, Chorda, Aorta, Stammvene, Genitalzelle und Darm. .Vergr. 90/1. langsame, ja, wenn ich meine Lachsserien zur Grundlage nehme, bleibt die Zahl der Genitalzellen bis zum 185. Tage eine stabile. Denn wenn auch an einzelnen Tagen ihre Zahl anzuschwellen scheint, folgen dann wieder Tage mit geringerer Zahl; wie überhaupt in diesen Verhältnissen eine große Variabilität zu beobachten ist. Zur Veranschaulichung dürfte am besten die anschließende Tabelle dienen, in welcher in der linken Kolonne das Alter des Embryos, in der rechten die Zahl seiner Genitalzellen angegeben sind. 560 U. Böhi x Zahl der = Zahl der Buch BER | Genitalzellen Basler Genitalzellen Befruchtung Befruchtung St . T 31 20 82 44 33 23 85 60 35 40 88 54 38 42 92 30 40 45 101 40 45 45 112 54 50 47 119 37 5) 73 154 46 60 51 185 234 68 46 199 373 75 44 Wir sehen also besonders vom 35. Tage an bis zum 55. ein langsames Anschwellen, dann aber ein Abschwellen und in den fol- senden Tagen ein höchst unregelmäßiges Auftreten der Genitalzellen bis zum 185. Tage, wo eine rapide Vermehrung derselben Platz greift. Wie die graphische Tabelle auf Taf. XIII zeigt, liegen die Zahlenverhältnisse auf beiden Körperhälften ziemlich gleich, bald überwiegt die eine die andre und umgekehrt, so daß von einem nennenswerten Unterschiede nicht gesprochen werden kann. Meta- merie existiert nicht. Die Lagerung der Genitalzellen in der Keim- region ist eine sehr ungleiche, bald.liegen sie näher beieinander, bald durch bedeutende Abstände getrennt, ja bei einem Embryo vom 119. Tage betrug ein solcher Abstand sieben Rumpfsegmentbreiten. Was die Länge des Keimlagers betrifft, so ist dieselbe nicht nur verschieden bei verschiedenen Embryonen, sondern auch in der linken und rechten Seite desselben Embryos; das Alter kommt dabei nur wenig in Betracht. Die Ausdehnung des Keimlagers differierte in meinen Serien zwischen 12 und 20 Rumpfsegmenten, wobei zu be- merken ist, daß ceranialwärts nie das neunte, caudalwärts nie das 32. Rumpfsegment überschritten wurde. Da aber der After durch- schnittlich zwischen 38. und 39. Rumpfsegment zu liegen kommt, so tritt die letzte Genitalzelle etwa 6—7 Segmentbreiten vor ihm auf und erstreckt sich somit das Keimlager caudalwärts beinahe dürch die ganze Leibeshöhle. Solange die Leibeshöhle noch latent ist, liegen die Genitalzellen bald in der Somatopleura, bald in der Splanchnopleura oder auch zwischen diesen Blättern gelagert. Nimmt aber ihre Liehtung zu, so finden sie sich mit Vorliebe in dem an der Wurzel des Mesenteriums gelegenen Winkel oder zwischen Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 561 diesem und dem primären Harnleiter, an der Dorsalwand des Cöloms. Nur ausnahmsweise begegnete ich und zwar sowohl im splanehno- pleuralen Überzug der ventralen Darmwand, als auch zwischen den Blättern des Mesenteriums bei einem Embryo vom 82. Tage, extra- regionalen Zellen, die in ihrem ganzen Verhalten große Ähnlichkeiten mit Genitalzellen darboten. Ob es sich in diesem Falle wirklich um Genitalzellen handelt, die vielleicht im Begriffe stehen nach der Keimregion auszuwandern oder ob sie an ihrem gegenwärtigen Stand- orte nur ein ephemeres Dasein fristen, um dann wieder zu ver- schwinden, oder ob es sich endlich um Gebilde handelt, die, aus embryonalen Zellen hervorgegangen, ihren akquirierten Charakter wieder einbüßen, wage ich nicht zu entscheiden. Die Größenver- hältnisse sowie das Fig. 31. Aussehen der Genital- zellen ändern sich mit der fortschreitenden Entwicklung des Em- bryos. Im allgemeinen verringert sich ihr Vo- lumen, und zwar vor- wiegend auf Kosten des Protoplasmas, wäh- rend der Kern eher eine Zunahme zeigt. Der Kern gewinnt schärfere Konturen, verliert sein granu- liertes Aussehen und 1iß d . . Lachsembryo vom 46. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt, äbt agezen ın seinem fragmentierter Kern nach Nussgaum. Vergr. 427/1. Innern sowohl als auch in seinen Randpartien feine Chromatinkörnchen erkennen. Vom 46. bis 50. Tage an treten die ersten Kernkörperchen auf. Sie sind noch sehr klein, rund und nur schwach tingiert. Später zeigen sie größeres Tinktionsvermögen, werden größer und nehmen auch an Zahl zu. Nur selten treten fragmentierte Kerne oder wie sie Nuss- BAUM (80) nannte, maulbeerartige Kerne auf. Ich fand sie besonders deutlich bei einem Lachsembryo vom 46. Tage nach der Befruchtung und bringe sie in Fig. 31 zur Ansicht. Links an der Wurzel des Mesenteriums (in der Figur rechts) sehen wir eine große Zelle und Leibeshöhle Fragmentierte Kerne (Nussgaun) 562 U. Böhi in ihr beieinander liegen sechs Kernfragmente. NussBaum teilte unterm 18. Mai 1885 der Niederrheinischen Gesellschaft mit, daß der Kern aus seinen Teilen, also aus seinen Fragmenten regenerations- fähig sei und in jüngster Zeit (02): »Es kommt auch eine Kern- vermehrung ohne Mitose vor, die Kerne können sich auch teilen, ohne daß die Zellen die Teilung mitmachen. Ein maulbeerförmiger Kern braucht sich nicht immer zu teilen.e Ich führe diese Sätze von NUSSBAUM an,.ohne mir ein Urteil über ihren - oder Unwert erlauben zu wollen. Auf die Lagerung und die Veränderung der Genitalzellen in = Genitalleiste und in der Genitalfalte werde ich im nächsten Ab- schnitte zu sprechen kommen. III. Entwicklung der Genitalfalte. Literatur. Früher schon als bei den Knochenfischen finden wir die Genital- falte. bei den Selachiern beschrieben und zwar von SEMPER (75). SEMPER läßt die Genitalfalten zwischen den Segmentaltriehtern und dem Mesenterium als zwei von vorn nach hinten verlaufende Peritonealduplikaturen entstehen. Jede Genitalfalte besitzt eine mediale und eine laterale Fläche und eine freie ventrale, sowie eine dorsale oder Insertionskante. Beide Flächen werden von meist ein- schichtigem, niedrigen Epithel bedeckt. Zwischen beiden Flächen liegt fibrilläres Bindegewebe, zelliges Stroma, Blut- und Lymphgefäße. Die starke Anhäufung von Stromazellen im eaudalen Abschnitte der Genitalfalte nennt SEMPER epigonales Organ. Die Genitalfalte setzt sich aus einem Ureier- oder Gonadenabschnitt und einem epigonalen Abschnitt zusammen. Bei den Teleostiern (Trutta fario) war es wiederum NUsSSBAUM (80), der, wie die Genitalzellen auch als erster die Genitalfalte beschrieben hat. »Die Genitalzellen,« so schreibt er, »werden allererst von Peritonealzellen umwachsen. Auf diese Art entsteht eine Leiste, die er Genitalleiste nennt. In der Genitalleiste werden in Zwischen- räumen Genitalzellen eingeschlossen. Durch Teilung der Genital- zellen entsteht Vermehrung derselben. Sie häufen sich an und bilden Nester, die anfangs noch ziemlich auseinander liegen. Durch be- ständiges Hineinwuchern von Stromazellen werden die Nester in immer kleinere Gruppen zerlegt und werden diese, indem die Genital- Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 563 zellen sich fortwährend teilen, einander näher gerückt. Aus den Genitalzellen können sowohl Eizellen wie Follikelzellen hervorgehen. « Brock (S1) S. 433 bemerkt, daß er die erste Anlage der Ge- schlechtsdrüse, wo aus dem Keimepithel eine Anzahl Zellen zu Ge- schlechtszellen heranwachsen, nicht beobachtet habe, dagegen bei Conger vulgaris die Bildung der Ureierfalte und das Einwandern von Geschlechtszellen in ihr Stroma. Im Querschnitt liegen dieselben in meist einfacher Schicht unter dem Epithel der einen Seite, während der übrige Raum vom bindegewebigen Stroma eingenommen wird. Er bezeichnet die laterale Seite als Keimseite, die mediale als Blut- gefäßseite. »Im allgemeinen,« schreibt er (S. 435) »ist alles Epithel der Keimseite Keimepithel, nur die oberste Spitze scheint neutrales Gebiet zu sein. Die Beschränkung der Regio germinativa auf die laterale Seite der Geschlechtsanlage ist eine außer den Teleostiern nur noch bei gewissen Elasmobranchiern bekannt gewordene Eigen- tümlichkeit (BALFOUR).« MacLeop (81) 5. 515 und 516, hat seine Beobachtungen bei Hippocampus, Belone acus und Gobius gemacht. Nachdem die Ge- nitalanlage unbestimmte Zeit, bei Godbius mehr als einen Monat ohne wesentliche Veränderung verharrte, beobachtete er bei Zrippocampus und Belone acus, daß eine Gruppe von zwei bis drei Geschlechts- zellen an der Oberfläche des Peritonealepithels einen kleinen Vor- sprung (saillie);bildete. Mit zunehmendem Alter des Embryos ver- srößerte sich dieser leistenartige Vorsprung, seine Zellen vermehrten sich und er beobachtete, daß sie mit peripherer Schicht einen Bindegewebskern (noyau conjonctif) umgeben. Gleichzeitig verengt sich der Basalteil der Falte, während ihr freier Teil sich verdiekt und dadurch ein keulenartiges Aussehen bekommt. Dieser Teil bildet später den Körper der Keimdrüse, während der verengte, stielartige, zum Ligamentum suspensorium wird. Die Anlage der Keimdrüse ver- liert bald ihren ursprünglichen Charakter, indem einige periphere Geni- talzellen an Umfang zunehmend, in den Bindegewebskern des Organs eindringen und da dieser Kern sehr klein ist, genügt die Einwande- rung von zwei bis drei Genitalzellen, um ihn vollständig zu maskieren. Man gewinnt dann den Eindruck, als ob sein Zentrum aus einigen großen Genitalzellen, vermischt mit einer geringen Zahl viel kleinerer, bindegewebiger Elemente bestehe. Diese zentral gelegene Partie ist stets von kleiner gebliebenen Genitalzellen umgeben. Unter Ver- mehrung ihrer Elemente nimmt die Keimdrüse beständig zu und gewinnt der zentrale Bindegewebskern, indem beständig Geschlechts- 564 U. Böhi zellen in ihn einwandern, an Umfang. Ein Teil der peripheren Ge- schlechtszellen scheint zugleich wieder in den primitiven Zustand der platten Zellen zurückzukehren. Diese Umwandlung vollzieht sich auf der ganzen medialen Fläche der Genitalfalte, sowie auch auf dem größeren Teil der lateralen. Nur die der Insertionsstelle der Genitalfalte zunächst gelegenen Genitalzellen der lateralen Fläche behalten ihren Charakter bei, ein Verhalten, auf das übrigens bereits BAatrour bei den Elasmobranchiern und Brock bei den Muraenoiden aufmerksam gemacht hat. Während ©. K. Horrmann (86) S. 629 vor Anlage der Urniere die ersten Urkeimzellen meistens am Übergang der Somatopleura in die Splanchnopleura, aber auch medialwärts im dorsalen Teil des Mesenteriums und von da lateralwärts bis zur Leibeswand auftreten läßt, fand er dieselben bei älteren Lachsembryonen einem umsehrie- benen Raum, zwischen den Nephrostomata der Urniere und der Radix mesenterii, zugewiesen. Sie bilden hier die erste Anlage der Genital- falte. Die Urkeimzellen vermehren sich durch Teilung und Neu- bildung vom Cölomepithel aus. Dadurch nimmt die Falte an Größe und Umfang zu und wächst gleichzeitig nach vorn und hinten weiter. Schon früh kann man an ihr eine mediale und eine laterale Seite unterscheiden. Die laterale Seite besteht aus höheren und größeren Zellen als die mediale und beteiligt sich vorzugsweise an der Bildung neuer Ureier, weshalb sie Keimseite genannt wird. Die mediale Seite, als Hauptträgerin von Blutgefäßen, wird Blutgefäßseite ge- nannt. In den früheren Stadien liegen zwischen dem Keimepithel der lateralen und dem Peritonealepithel der medialen Seite zahlreiche noch indifferente Zellen, aus denen später wahrscheinlich das binde- gewebige Stroma hervorgeht, abwechselnd mit Ureiern, welche von anderen Zellen umhüllt werden. Bei jungen Tieren mit schon resor- biertem Dotter sind die Geschlechtsdrüsen noch sehr wenig ent- wickelt. Unter Teilung der schon vorhandenen und Anlage neuer Ureier aus dem Keimepithel und ihrer Einwanderung nach innen, sowie durch Entwicklung eines bindegewebigen Stromas nimmt die Falte mächtig zu. Aus den Ureiern entwickeln sich durch Anhäufung Zellnester, die ihrerseits von anderen Zellen follikelartig umhüllt und durch spärliches Bindegewebe mehr oder weniger vollständig voneinander getrennt werden. Über das spätere Schicksal dieser Follikelzellen weiß HorFrmAnN nichts anzugeben und ebensowenig, ob sie aus Bindegewebszellen oder Peritonealzellen resp. aus Keim- epithel hervorgegangen sind. Immerhin neigt er zu der letzteren Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 565 Annahme, weil dieselben schon zu einer Zeit vorhanden waren, als noch kein bindegewebiges Stroma sich differenziert hatte. Bei Jüngeren Tieren reicht die Genitalfalte vom Pronephros bis zu den Pori abdominales. Die Ureier resp. Ureiernester finden sich im oberen Drittel, während sie weiter nach hinten fehlen und wird hier die Genitalfalte aus erhöhten Peritonealzellen gebildet, welche sich einstülpen und durch Rinnenbildung einen Kanal erzeugen. Dieser Kanal gleicht aber mehr einem soliden Strang, in dem anfangs von einer Lichtung fast gar nichts wahrzunehmen ist. Bei Männchen bleibt der Kanal bestehen, bei Weibchen wird er zurückgebildet. JUNGERSEN (89) S. 165 u. f. bestätigt nach seinen Untersuchungen an Salmo fario und Coregonus lavaretus die Darstellung von Nuss- BAUM und ebenso bei Arhodeus amarus, wo die Genitalzellen in gleicher Weise, wie bei den vorigen, von Peritonealzellen umwachsen werden. Bei Jungen von Perca und Gadus können hier und da zwei oder drei (Geschlechtszellen einen kleinen Haufen, sogar zwei Schichten und somit stellenweise kleine Vorsprünge bilden, bevor eine eigentliche Genitalfalte auftritt; hierdurch wird eine Art Übergang zu dem für Zoarces charakteristischen Verhalten gemacht, wo zuerst eine be- deutende Anhäufung von lauter Genitalzellen die Genitalfalte bildet und die Peritonealzellen im Anfang nur eine untergeordnete Rolle spielen; später jedoch beteiligen sich die letzteren lebhafter, indem sie auch hier die Genitalzellen umwachsen, nachher zwischen diese hineinwandern und kleinere Haufen von ihnen gleichsam ausscheiden. Der überaus große Reichtum an Genitalzellen bleibe übrigens für Zoarces charakteristisch und habe er bei keiner andern Species das gleiche gefunden. Die Genitalfalte setzt sich somit aus Geschlechts- zellen und Peritonealzellen zusammen und ihr Wachstum geschieht dadurch, daß beide sich durch Teilung vermehren, ohne daß eine Umbildung von Peritonealzellen in Genitalzellen und ebensowenig das Gegenteil stattfinde. Vorder- und Hinterende werden aus- schließlich aus Peritonealzellen gebildet; ein Unterschied zwischen medialer und lateraler Seite besteht nicht, so daß von einem Keim- epithel nicht die Rede sein kann. Eine Einwanderung fremder Ge- websmassen in die Genitalfalten findet bei Teleostiern niemals statt, so daß alle die späteren Elemente und Gewebsformationen der Ge- schlechtsorgane: Eier, Samen, Muskeln, Bindegewebe, Blutgefäße usw. notwendigerweise Derivate der beiden ursprünglichen Elemente: Geschlechtszellen und Peritonealzellen sein müssen. 566 U. Böhi Eigne Beobachtungen. Genitalleiste und Genitalfalte. Die Keimdrüsenanlage läßt in ihrer Entwicklung zwei Stadien unterscheiden, das Stadium der Genitalleiste und das Stadium der Genitalfalte.. Der Unterschied dieser beiden Stadien ist jedoch nur ein gradueller, indem das zweite Stadium, das der Faltenbildung, als eine Weiterentwieklung und ein Auswachsen der das erste Stadium darstellenden Genitalleiste betrachtet werden kann. Im allgemeinen sprechen wir von Leiste, solange es sich im Verlaufe der Genitalanlage um eine leistenartige, meist einschichtige, solide Verdiekung des Cölomepithels handelt, die nur aus Öölomzellen und Genitalzellen besteht. Wächst diese Leiste unter Vermehrung des Epithels ventralwärts in die Leibeshöhle vor, und bildet sich in ihrem Innern ein Kern (Stromakern) aus, so spreche ich von Falte. Ich habe bereits an einer andern Stelle darauf aufmerksam gemacht, daß bei Lachsembryonen und Lachsjungen bis zum 185. resp. 199. Tage nach der Befruchtung oder etwa 80—95 Tage nach dem Ausschlüpfen die Zahl der Genitalzellen eine ziemlich konstante bleibt, von dieser Zeit an aber rasch anschwillt. Zugleich habe ich darauf hingewiesen, daß die Genitalzellen zu beiden Seiten der Medianlinie des Körpers, zwischen Mesenterium und primären Harn- leitern sich anlegen, wo sie jederseits eine diskontinuirliche, jedoch nicht metamere Reihe bilden. Diesem Gebiete habe ich den Namen »Keimlager« oder »Keimregion« gegeben; ihm entsprechend beginnt auch die Entwicklung der Genitalleiste und Genitalfalte und schreitet von da aus sowohl eranialwärts, als caudalwärts vor. Wir können daher sowohl an der Genitalleiste, als an der Genitalfalte je nach der Lage zum Keimlager drei Abschnitte unterscheiden. Und zwar möchte ich den vor dem Keimlager gelegenen, cranialen Teil‘ als progonalen, den dem Keimlager entsprechenden als gonalen, und den eaudal dem Keimlager sich anschließenden als epigonalen Ab- schnitt bezeiehnen. Diese Benennungen wähle ich analog einer schon von SEMPER (75) eingeführten Bezeichnung für das epigonale Organ, worunter er bekanntlich den caudalen, keimzellenfreien Abschnitt der Ureierfalte verstand. 1. Bildung der Genitalleiste. Die ersten Anzeichen der Entwicklung einer Genitalleiste beob- achtete ich bei einem Lachsembryo von 60 Tagen nach der Befruch- Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 567 tong und zwar entsprechend der Mitte des späteren gonalen Ab- schnittes, im Bereiche des 10.—23. Rumpfsegments. Diese Anlage der Genitalleiste ist jedoch noch eine diskontinuierliche, aus einzelnen ‚hintereinander gelegenen Verdickungen des Cölomepithels bestehende. Jede dieser Verdickungen ist an eine Genitalzelle gebunden (Fig. 32); sie entsteht durch Vergrößerung der Cölomzellen und durch Ver- mehrung derselben. Ein Teil der Genitalzellen erscheint bereits von Cölomzellen umwachsen. Zellvermehrung und Zellvergrößerungen primärer Harnleiter Fig. 32. Stammvene Genitalzelle (enilalleiste Mesenterium A. mesenterica rechts Darm links Lachsembryo vom 85. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt entsprechend dem 14. Rumpfsegment; rechts drei nackte Genitalzellen, links Genitalzellen von Cölomzellen umhüllt, Bildung der Genital- leiste. Vergr. 333/1. ändern nichts an dem Charakter der Cölomzellen, die Kerne bleiben nach wie vor rund. Da die einzelnen Verdiekungen in ihrer Lage an die Genitalzellen gebunden sind und wie wir bereits bemerkt haben, die Genitalzellen nicht metamer auftreten, so lassen auch die einzelnen Verdickungen des Cölomepithels, welche als Vorläufer der Genitalleiste zu betrachten sind, selbstverständlich keine Metamerie erkennen. Die Entwicklung der Genitalleiste geht nun in der Weise vor sich, daß die einzelnen Verdiekungen des Cölomepithels in der Morpholog. Jahrbuch. 32. 37 568 U. Böhi Mitte des späteren gonalen Abschnittes d. i. im Bereiche des 19. und 20. Ursegments zu Leistenanfängen zusammenfließen, während sich im vorderen und hinteren Teile desselben neue Verdickungen an- legen. Das Zusammenfließen der einzelnen Verdieckungen zu Leisten beginnt, wie wir bereits bemerkt, am 60. Tage. Am 82. Tage nach der Befruchtung haben die Epithelverdickungen die vordere Grenze des späteren Gonalabschnittes d. i. das 11. resp. 13. Ursegment er- reicht und am 92. ist die Bildung der Genitalleiste soweit vorge- schritten, daß sie cranial das 9., caudal das 35. Rumpfsegment, d.h. den Bereich des späteren progonalen und epigonalen Abschnittes erreicht. Im gonalen Abschnitte, d. h. im Bereiche des 13.—23. resp. 25. Rumpfsegments, ist jetzt eine einheitliche, kontinuierliche Leiste vorhanden, während im progonalen und epigonalen Abschnitt die Leiste nur in den an den gonalen Abschnitt anstoßenden Partien vorhanden ist, in den übrigen nur durch einzelne Epithelverdickungen repräsentiert wird. Die größte Ausdehnung der Genitalleiste wurde bei einem jungen Lachs 185 Tage nach der Befruchtung beobachtet, das Ende derselben fand sich zwischen 40. und 41. Rumpfsegment und bestand auch hier schließlich nur noch aus einzelnen Epithel- verdiekungen. Als wichtig für spätere Untersuchungen ist hervor- zuheben, daß das hintere Ende der Genitalleiste noch caudal vom After zu liegen kommt, der in diesem Lachs im 40. Rumpfsegmente lag. 2. Bildung der Genitalfalte. Der Bildung einer Genitalfalte begegnen wir zuerst bei einem Embryo vom 85. Tage, zu einer Zeit also, wo die Genitalleisten- bildung erst im späteren gonalen Abschnitt fertig entwickelt ist. Die Genitalfalte tritt hier im Bereiche des 13. bis 23. Rumpfsegments auf. Sie entwickelt sich aus der Genitalleiste wieder nicht kontinuierlich, sondern diskontinuierlich, so daß wir zunächst von einer einheitlichen Falte nicht sprechen können. Die Falte entsteht aus der Leiste da- durch, daß die bis dahin in der Genitalleiste in geschlossener Masse liegenden Cölomzellen auseinander rücken. Dieses Auseinanderrücken (Fig. 33) aber vollzieht sich in der Weise, daß im Innern der Falte Lücken zwischen den Zellen auftreten und in diesen Lücken eine Flüssigkeit. Diese mit Flüssigkeit erfüllten Lücken liegen an der Basis der Falte und stehen mit einem im retroperitonealen Raume und in der Umgebung der Nieren gelegenen Lückensystem in Ver- bindung. Eine histologische Struktur läßt sich innerhalb der Lücken noch nieht nachweisen und wenn wir trotzdem von einem Stroma- Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 569 kern sprechen, so setzen wir etwas voraus, was erst später eintritt, nämlich die Einwanderung von Bindegewebe und von Gefäßen in ‚dieses Lückensystem. Bei einem Embryo vom 92. Tage lassen sich in der Bildung ‚der Genitalfalte merkliche Fortschritte konstatieren, indem sich nicht nur im gonalen Abschnitte, sondern auch progonalen und epigonalen Urnierenkanälchen (?) Mesenterium rechte Genitalfalte Darm linke Genitalfalte Lachsembryo vom 101. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt aus dem 21. Rumpfsegment, stellt die erste Entwicklung der Genitalfalte dar. Vergr. 333/1. eine Falte entwickelt hat. Der gonale Abschnitt beginnt hier mit dem 12. Rumpfsegment und zwar beidseitig auf gleicher Höhe, caudal _ findet er rechts seinen Abschluß mit dem 25., links mit dem 23. Rumpf- segment. In diesem ganzen Verlauf zeigt die Genitalfalte nirgends Unterbrechung und setzt sich progonal bis zum 10. Rumpfsegment fort, wo sie Leistenform annimmt und mit dem neunten Rumpfseg- ment endet. Der epigonale Abschnitt verläßt das Keimlager rechts 37% eh Aue 570 U. Böhi vom 25. und links vom 23. Rumpfsegment an, ohne bis zum 33. oder 34. Rumpfsegment ihren Faltencharakter einzubüßen. Dann geht die Genitalfalte in die Genitalleiste über und endet im Verlaufe des 35. Segments in einer zum Teil diskontinuierlichen Epithel- verdiekung. Die Gesamtfalte hat bei diesem Embryo eine Längen- ausdehnung von 25 Rumpfsegmentbreiten, wovon 4 dem progonalen, 13 rechts und 11 links dem gonalen, 10 rechts und 12 links dem epigonalen Abschnitte zufallen. Die Insertion der Genitalfalte entspricht bald der Wurzel des Mesenteriums, bald legt sie sich, mehr den primären Harnleitern sich nähernd, der dorsalen Cölomwand an und hält diese Lage bei, solange nicht mechanische Momente zu ihrer Verlagerung führen. Eine solche aber sehen wir bereits schon bei unserm Embryo vom 92. Tage auftreten und zwar bedingt durch das Wachstum und vor allen Dingen durch den Füllungszustand der retroperitoneal gelagerten Schwimmblase im vorderen und durch die ebenfalls retroperitoneal gelagerte Harnblase im hinteren Abschnitt der Leibeshöhle Da ich später noch eingehender auf diese Verhältnisse zu sprechen komme, mögen vorläufig diese Andeutungen genügen. Die Längenausdehnung der Genitalfalte, wie wir sie beim Lachs- embryo vom 92. Tage festgestellt haben, wird auch bei älteren Indi- viduen, sowohl in ihrem epigonalen als auch ihrem progonalen ‘Ab- schnitte nur noch um wenige Rumpfsegmentbreiten überschritten (vgl. graphische Tabelle Tab. XIII). Dabei ist festzuhalten, daß nicht nur eine Vergleichung der Längenmaße der Genitalfalten der beiden Körperhälften unter sich, sondern auch eine solche der verschiedenen Abschnitte der Falten von rechts und links sehr differente Werte ergibt. Vergleichen wir, in Rumpfsegmentbreiten ausgedrückt, die Längen- mabe der Genitalfalte in ihren verschiedenen Abschnitten, so haben wir für den gonalen Abschnitt einen Minimalwert von 13, einen Maximalwert von 24 und einen Mittelwert von 18 Ursegmentbreiten; für den progonalen Abschnitt Minimalwert 2, Maximalwert 7, Mittel- wert 4,6 Ursegmentbreiten und für den epigonalen Abschnitt einen Minimalwert von 2, einen Maximalwert von 13 und einen Mittelwert von 9 Ursegmentbreiten. Doch dürfte bei letzterem Abschnitt der Minimalwert von 2 Ursegmentbreiten wohl als Zufall anzusehen sein, da sich bei Messungen der Genitalfalte von 8 Embryonen und Fisch- chen im Alter von 92 bis 199 Tagen folgende Ursegmentbreiten für den epigonalen Abschnitt ergaben: 12 (92. Tag), 10, 11, 2, 4, 13, Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 571 13, 10. Als vordere Grenze erreicht die Genitalfalte zweimal (92. und 101. Tag) das 8., viermal (112., 119., 133., 199. Tag) das 6., einmal (185. Tag) das 5. und einmal (154. Tag) das 4. Rumpfseg- ment; nach hinten erstreckt sie sich einmal (133. Tag) bis zum 33., dreimal (112., 119., 154. Tag) bis zum 35., einmal (92. Tag) bis zum 36., einmal (101. Tag) bis zum 37., einmal (199. Tag) bis zum 39. und einmal (185. Tag) bis zum 40./41. Rumpfsegment. Die hintere Faltengrenze liegt gewöhnlich cranial vom After, nur einmal (185. Tag) lag sie !/, Rumpfsegmentbreite caudal von demselben. Die größte Entfernung der cranial vom After gelegenen Faltengrenze betrug 5 Rumpfsegmente. Die Totallänge der Genital- falte schwankt somit bei den angeführten Lachsembryonen und Lachs- jungen zwischen 27 und 32 Rumpfsegmentbreiten und beträgt im . Mittel deren 29. Was das Höhenwachstum betrifft, so verstehe ich darunter die Entfernung des Faltenfirstes von der Faltenbasis oder Falteninsertion. Das Höhenwachstum schreitet nun sehr langsam vor; die mittlere Höhe des gonalen Abschnittes der Genitalfalte beim Embryo vom 92. Tage betrug 20,8 « und hat bei einem Embryo von 112 Tagen nur wenige Mikra mehr ergeben. Einige Zahlen mögen die Verhält- nisse des Faltenwachstums illustrieren, wobei ich zur Vergleichung Alter des Tieres, Körperlänge und Faltenhöhe nebeneinander stelle. Tag nach der | Körperlänge Faltenhöhe Befruchtung | 92 13,56 mm 20,8 u 101 15,18 - 20,6 - 133 20,56 - 48,0 - 154 23,32 - |67,0u.73,0 u 199 . |19,43 - 62,0 u Es geht aus den angegebenen Zahlen hervor, daß weder das Längenwachstum noch das Höhenwachstum der Genitalfalte mit dem Alter des Tieres oder mit seiner Körperlänge in richtigem proportio- nalem Verhältnisse stehen. Je mehr die jungen Tiere sich allseitig entwickeln, um so mehr gewinnt auch die Genitalfalte an gleichmäßiger Ausbildung und zwar in allen ihren Abschnitten, so daß wir nur noch in den distalen End- ausläufern und auch bei diesen vorzugsweise in den epigonalen, statt einer Falte Epithelverdickungen zu sehen bekommen. 572 U. Böhı Die Form der Genitalfalte hängt wesentlich von ihrem Gehalt an Zellmaterial und Stroma ab. Sie ist verschieden, je nachdem in ihr nur Cölomzellen und Stroma, oder auch Genitalzellen eingelagert sind. Und besonders macht sich die Einlagerung der letzteren von dem Zeitpunkte an bemerkbar, wo ihre Vermehrung eine rapidere wird. In den früheren Stadien der Entwicklung und besonders dort, wo sich noch keine Genitalzellen oder wenigstens nur in geringer Zahl vorfinden, ist die Form, im Querschnitt betrachtet, eine konische, seht aber, wenn ihr Volumen zunimmt und besonders wenn die Ver- mehrung der Genitalzellen anschwillt, in die Birn- oder Keulenform über. Da die Genitalzellen schon zu Anfang der Bildung dem Kamme zurücken, so beschränkt sich die Anschwellung derselben auch vorzüglich auf diesen und seine Umgebung und nimmt ent- sprechend dem Füllungszustande zu. Gegen die Insertionskante zu findet gewöhnlich eine Verjüngung der Falte statt, so daß sie mit der Cölomwand durch eine Art Stiel in Verbindung steht, der von MacLeop nicht unpassend Ligamentum suspensorium genannt wurde. Je mehr die zelligen Gebilde innerhalb der Falte sich vermehren, und je mehr das Stroma zunimmt, um so mehr wächst sie nach Höhe und Dicke aus, um dann, wenn die Genitalzellen sich zu differenzieren beginnen, den Charakter des Eierstockes oder des Hodens anzunehmen. Die Lage und Stellung der Genitalfalte wird in hohem Grade beeinflußt von der Lage und dem Füllungszustande der benachbarten Organe und zwar kommen hier vorwiegend die retroperitoneal ge- lagerten, die Schwimmblase und Harnblase in Betracht. Um davon eine Vorstellung zu gewinnen, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß die Genitalfalten in ihrem normalen Verhalten zwei an der Wurzel des Mesenteriums oder seitlich davon, gegen die primären Harnleiter hin gelegene, parallel zur Medianlinie verlaufende Cölom- wandfalten bilden. Tauchen nun rückwärts vom Cölom Organe auf, so muß das Cölom selbst und daher auch die als Teilstücke desselben aufzufassenden Genitalfalten in entgegengesetzter Richtung verschoben werden und zwar entsprechend der Größenzunahme des betreffenden Organs. Diese Verschiebung kann sich aber in den beiden Leibes- hälften verschieden gestalten, je nachdem das betreffende Organ mehr in der einen oder in der andern gelegen ist. Es trifft dies vorzüglich für die Schwimmblase zu, die nicht selten vielleicht bis zu zwei Dritteln ihres Volumens in die linke Bauchhälfte zu liegen kommt. Es wird deshalb durch diese Vis a tergo das Cölom der linken Körperhälfte und die mit derselben in Verbindung stehende Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 573 Genitalfalte tiefer in die Leibeshöhle herabgedrängt werden als rechts. Der Grad der Dislokation wird stets von der Größe des retroperi- toneal gelagerten Organs resp. seinem Füllungszustande abhängen. Während bei der Schwimmblase die Genitalfalten bald mehr lateral, bald mehr ventral zu ihr zu liegen kommen, in erste- Fig. 34. rem Falle, wie bereits be- cs merkt, oft in verschiedener PEN. Höhe, ist die Lage zur Harn- (KR _ er A: blase, weil diese durchweg —2d Tu mehr der Mittellinie ent- REN EN spricht, eine gleichmäßigere. e—_ Er ae ER nr Im übrigen legen sich die N 8) Genitalfalten der Harnblase ERS A in ähnlicher Weise an wie | I 24 2) } j der Schwimmblase. Auch \ \ Kr \\ j ) die Richtung und Stellung \ NA a I der Genitalfalte oder des UN VASEN ZIG A Faltenkammes ist eine in N Br ihrem Verlaufe vielfach wech- ee u selnde, und zwar nicht nur (MacLeon, Fig. 20.) Querschnitt von Belone acus (Em- = s bryo). g Genitalfalte, etwas vorgerückteres Stadium aus bei Vergleichung derselben Genitalzellen gebildet; dieselben umgeben einen Binde- nn a lee: duen, sondern auch beim Darm, « primärer Harnleiter. gleichen Individuum selbst. Bald finden wir sie mediolateral, bald dorsoventral, bald ventro- medial gestellt, bald ist die eine Falte in der Weise dorsalwärts zurückgeschlagen, daß ihre mediale Fläche lateralwärts, ihre laterale dagegen medialwärts zu liegen kommt, während die der andern Körperhälfte ein normales Verhalten zeigen kann (Fig. 35, Fig. 36.«). In Übereinstimmung mit NussBaum und JUNGERSEN habe ich die Genitalfalte ebenfalls aus Cölomzellen hervorgehen sehen und befinde mich daher in einem Widerspruch mit der von MAcLeEoD (81) geäußerten Ansicht, nach welcher, gestützt auf Beobachtungen bei Belone acus und Hippocampus, an der Oberfläche des Peritoneal- epithels durch eine Gruppe von zwei bis drei Geschlechtszellen ein Vorsprung gebildet werde, der sich bei zunehmendem Alter des Embryos, unter Vermehrung der Zellen, vergrößere und mit seiner peripheren Schicht einen Bindegewebskern umschließe.e. MaAcLEon fügt seiner Beschreibung eine Abbildung bei, die uns von dem von 574 U. Böhi ihm Beobachteten überzeugen soll. Seine Fig. 20, die ich in meiner Fig. 34 als Kopie wiedergebe, läßt allerdings, sowohl rechts wie links, je eine zu einer kleinen Falte angeordnete Gruppe von Zellen Fig. 35. Genitalfalte Genitalfalte zurückge- schlagen) Dottersack rechts links Darm Junger Lachs vom 199. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt entspricht dem 13. Rumpfsegment. Übersichtsbild, die rechte Genitalfalte ist dorsalwärts umgeschlagen, laterale Fläche medialwärts, mediale lateralwärts gestellt. Einfluß der Schwimmblase auf die Lage der Genitalfalte ersichtlich, Vergr. 44/1. erkennen, welche aber nicht einen Bindegewebskern, sondern, wie es scheint, eine Lücke ohne Inhalt, umgeben. Überhaupt kann ich mich kaum des Eindrucks erwehren, daß MacLeop eine Täuschung r Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 575 passiert sei und daß er Cölomzellen für Genitalzellen angesehen habe, denn weder Aussehen noch Lage seiner in Fig. 20 abgebildeten Zellen Umwandlung Fig. 36.4. von Cölomzellen in Genitalzellen indifer. Zeile —_ A RN Genitalzelle ga 2 u / —— Keimepithel f Fi Schwimmblase 4 Follikelepithel Junger Lachs vom 199. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt durch die rechte Genitalfalte, welche dorsalwärts umgeschlagen ist, laterale Fläche medialwärts gegen die Wand der Schwimmblase, me- diale lateralwärts gegen die Leibeswand gerichtet. Am lateralen resp. der Schwimmblase zugerich- teten Rande sind zwei bereits in Genitalzellen umgewandelte Cölomzellen wahrnehmbar, außerdem palisadenförmig aneinander gereihtes Keimepithel; an der medialen Fläche liegen indifferente Zellen, und in der Falte selbst eine von Follikelepithel umgebene Genitalzelle. Vergr. 427/1. lassen Genitalzellen erkennen, sondern sie bilden vielmehr eine aus Cölomzellen bestehende Falte. Histologische Differenzierung der in der Genitalfalte enthaltenen Elemente. Wir haben bei der Besprechung der Genitalfalte gesehen, daß sich dieselbe aus drei. Bestandteilen zusammensetzt, nämlich aus Cölomzellen, Genitalzellen und einer Flüssigkeit, welche sich in dem Lückensystem zwischen Cölomzellen und Genitalzellen vorfindet. Diese Bestandteile unterliegen im Verlaufe der Genitalfaltenaus- bildung einer Reihe von Differenzierungen und zum Teil auch Orts- veränderungen. a. Genitalzellen. Es wurde bereits schon festgestellt, daß die Genitalzellen meist in die Kuppe der Genitalfalte oder deren Nähe zu liegen kommen. Wenn nun, wie wir bei Lachsjungen vom 185. und 199. Tage ge- sehen haben, eine gewaltige Vermehrung der bis dahin ziemlich 576 U. Böhi konstanten Zahl der Genitalzellen eintritt, so muß für sie Platz ge- schaffen werden. Dies geschieht nun in der Weise, daß die Genital- falte entsprechend der Zunahme der Genitalzellen an Ausdehnung gewinnt, oder auch dadurch, daß die Genitalzellen den inneren Raum der Genitalfalte bis auf wenige zwischen ihnen befindliche Lücken fast vollständig auszufüllen beginnen. Vergleichen wir die Genitalzellen eines schon weiter vor- geschrittenen mit denen eines früheren Stadiums der Genitalfalte, so fällt uns der reichlichere Chromatingehalt ihrer Kerne auf. Das Chromatin durchsetzt in Form kleiner Körnchen den ganzen Kern, lagert sich indessen doch in seiner Randzone in dichterer Menge an. Die Lagerung der Genitalzellen in den vorgerückteren Entwicklungs- stadien der Falte ist verschieden. Bald liegen sie in größerer An- zahl gruppen- oder nesterweise zusammen, bald nur vereinzelt und in diesem Falle meist von Follikelepithel umgeben. Auch die Nester entbehren selten der Follikelepitbelbekleidung. Häufig drängen sich die Follikelzellen zwischen die Genitalzellen der Nester ein und bringen bald kleinere Gruppen, bald auch vereinzelte Zellen zur Isolierung. b. Cölomzellen. Die Cölomzellen liegen an der medialen oder lateralen Fläche, oder an der Kuppe der, Genitalfalte, ein Teil auch in ihrem Innern, was, wenn wir uns die Entwicklung der Genitalfalte aus der Genital- leiste vergegenwärtigen, wohl selbstverständlich erscheinen mag. Aus den Cölomzellen selbst gehen drei verschiedene Zellarten hervor: 1) indifferente Zellen, 2) Follikelzellen, 3) das Keimepithel. 1) Die indifferenten Zellen entstehen teils aus im Innern der Genitalfalte gelagerten Cölomzellen, teils durch Nachschub von Cölom- zellen, welche an der Faltenoberfläche gelegen sind. Sie können in diesem Stadium der Indifferenz verharren oder sich auch in Follikel- zellen umwandeln. Nie aber entstehen aus ihnen Genitalzellen. 2) Die Follikelzellen differenzieren sich frühzeitig. Schon die ersten in der Seitenplatte auftretenden Genitalzellen üben einen Druck auf die ihnen benachbarten Cölomzellen aus (Fig. 25) und wandeln sie in Gebilde um, die man gut als Follikelzellen ansprechen könnte. Später, wenn das Auftreten der manifesten Leibeshöhle den einzelnen Genitalzellen Platz zur Entfaltung gewährt, verschwinden diese ersten Follikelzellen und kommen erst wieder zum Vorschein, wenn in der Genitalfalte der durch die rapide Vermehrung der Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 577 Genitalzellen erzeugte Druck abermals Cölomzellen in Follikelzellen umwandelt. Aus dieser Darstellung geht hervor, daß die Follikel- zellen keine histologisch umgewandelten Cölomzellen repräsentieren, sondern nur durch Druck veränderte Zellen. Ihre Kerne verlieren ihre ursprüngliche runde Form, dehnen sich in die Länge und werden oval, oder gewinnen bei noch weiter fortschreitendem Längenwachs- tum das Aussehen von an den Polen abgerundeten Stäbchen. Ihre Färbbarkeit hat im Vergleiche mit den indifferenten Cölomzellen abgenommen und erscheinen sie daher heller als diese, letzteren Umstand führe ich auf die Verkleinerung des Kernvolumens zurück. Einzelne von ihnen legen sich nach Art des Follikelepithels bei andern Wirbeltieren der Oberfläche der Genitalzellen an, doch stehen sie diesen gegenüber an Zahl noch weit zurück. Erst von der Zeit an, wo die Vermehrung der Genitalzellen anzuschwellen beginnt, müssen auch sie nach unsrer obigen Darstellung häufiger auftreten, das ist der Fall und infolge des vermehrten Druckes bekommen sie noch schärfer den Charakter des Follikelepithels aufgeprägt. Zwar sind die Konturen des Protoplasmas nicht deutlich erkennbar, da- gegen sieht man, wie sich die meisten langgestreckten, an den Polen bald abgerundeten, bald spitz auslaufenden Kerne eng an die Genitalzellen oder Genitalzellengruppen anzuschmiegen und anzu- passen suchen. 3. Keimepithel. Vom 185. bis 199. Tage der Entwicklung treten im Oberflächen- epithel der Genitalanlage deutliche Unterschiede auf. Die Zellen an der lateralen Seite derselben vergrößern sich und schließen sich an den meisten Stellen zu einem niedrigen Zylinderepithel zusammen, während die Zellen an der medialen Seite sich nicht verändern; ich gebe in Fig. 36 5 ein Teilstück des in der Fig. 35 ganz gezeichneten Embryos eines Lachses vom 199. Tage wieder. Die Genitalanlage ist bei demselben dorsalwärts umgeschlagen, so daß die ursprünglich dorsal gelegene Anheftungsstelle des Keimdrüsenaufhängebandes ventral und die ursprüngliche ventral frei in die Leibeshöhle vor- springende Kante dorsal zu liegen kommt. Fig. 36 5 stellt die rechte Genitalanlage links auf Fig. 35 gelegen dar, die linke Seite der Figur entspricht ihrer medialen und die rechte ihrer lateralen Fläche. Man sieht die Vergrößerung und die palisadenförmige Stellung der lateralen Fläche, während die Zellen der medialen Fläche klein und rund geblieben sind. Was aber die Zellen der lateralen Seite von 978 U. Böhi denen der medialen auszeichnet, ist ihre Fähigkeit, sich in Genital- zellen umzuwandeln. Es gelingt aus allen Serien dieses Zeit- abschnittes, Übergänge zwischen einfach vergrößerten Cölomzellen und Genitalzellen aufzufinden. Man findet ovale langgestreckte Zellen, bald schlanker, bald dicker; einzelne nehmen auch ei- oder flaschenähnliche Form an. Im Gegensatze zu den Kernen der be- nachbarten Zellen zeigen sie einen reichlicheren Gehalt an Chromatin, das in ihrem Innern ziemlich gleichmäßig verteilt ist. Meist finden Fig. 36. Keimepithel Follikelepithel ev... Zelle Genitalzelle / Junger Lachs vom 199. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt durch die linke Genitalfalte, gleicher Schnitt wie Fig. 364, laterale Fläche sieht dorsal-, mediale ventralwärts; auf der dorsalen Fläche reichliches Epithel, auf der ventralen indifferente Zellen; in der Falte, mehr medial- resp. ven- 7 tralwärts, drei von Eollikelepithel | umrahmte Genitalzellen. Vergr. 427/1. Schwimmblase sie sich in größerer Zahl beisammen. Ihr Auftreten scheint jedoch nur ein ephemeres zu sein und vermochte ich sie in der Genitalfalte eines jungen Lachses vom 227. Tage nieht mehr in der beschriebenen Weise nachzuweisen. In Fig. 36a sind zwei solcher sich zu Genital- zellen umwandelnder Cölomzellen eingezeichnet. Diese Fähigkeit, Genitalzellen zu bilden, verschafft dem Epithel der Genitalanlage der lateralen Fläche mit Recht den Namen eines Keimepithels, denn eine andre Deutung als die einer Übergangsform von Cölomzellen in Genitalzellen vermochte ich diesen Zellen nicht zu geben. Es würde demnach in einem gewissen Zeitpunkte die Vermehrung der Genital- Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 579 zellen nicht nur durch Teilung schon vorhandener, sondern auch durch Neubildung aus Keimepithel entstanden sein. Jedoch scheint sich dieser Zufluß aus Keimepithel hervorgegangener Genitalzellen nur auf einen kürzeren Termin zu beschränken, da sich, wie bemerkt, Fig. 37 a. Fig. 375. Genitalzellen laterale Fläche Genitalzellennest Blutgefäße mediale Blutgefüße Fläche Schwimmblase Fig. 37a. Junger Lachs vom 227. Tage nach der Befruchtung. Querschnitt durch die rechte Genital- falte; Genitalfalte dorsalwärts zurückgeschlagen, der medialen Seite zu haben sich Blutgefäße ent- wickelt. Vergr. 333/1. Fig. 37b. Junger Lachs vom 227. Tage nach der Befruchtung. Pendant zu Fig. 37a, die linke Ge- nitalfalte darstellend; der lateralen Seite entsprechend ein Genitalzellennest, der medialen entspre- chend Blutgefäße. Vergr. 333/1. bei einem jungen Lachs vom 227. Tage (s. Fig. 37 «a und 5) solche Zwischenformen nicht mehr nachweisen lassen. Diese Beschränkung auf eine so kurze Zeit hat aber nichts so Auffallendes, denn wenn wir die Tabelle über die Zahl der Genitalzellen nachsehen, so finden wir gerade vom 185. und 199. Tage eine rapide Vermehrung der- selben eintreten. e. Stroma. Wie ich bereits schon angedeutet habe, so findet sich in einem gewissen Stadium der Entwicklung der Genitalfalte ein mit Flüssig- keit gefülltes Lückensystem vor und da diese Flüssigkeit später durch Mesenchym ersetzt wird, haben wir sie bereits als Stroma 580 U. Böhi bezeichnet. Es wurde auch festgestellt, daß im Innern der Genital- falte Genitalzellen, Follikelzellen und indifferente Cölomzellen ein- wandern und dab sich diese zelligen Elemente vermehren. Durch diese Einwanderung und Vermehrung des Zellenmaterials wird aber das Lückensystem fortschreitend bis zur völligen Aufhebung ein- geengt und wir bekommen am Ende der Genitalfaltenbildung wieder ein ähnliches Stadium zu sehen, wie bei der Bildung der Genital- leiste; die Genitalfalte ist vollständig solid geworden und besteht nur aus Genitalzellen, Cölomzellen und Abkömmlingen der letzteren. Damit aber ist ein neuer Kern in der Genitälfalte aufgetreten, den wir jetzt unmöglich mehr Stromakern nennen können, weil er aus- schließlich epithelialer Abkunft ist. Erst am 227. Tage kommt mit den von der Basis her einwandernden Gefäßen Bindegewebe mit in die Genitalfalte hinein und wird damit wieder ein echter Stromakern geliefert. Durch die einwachsenden Gefäße, welche sich von der Insertionskante bis zur freien Kuppe der Genitalfalte ausbreiten, wird diese in einen medialen und einen lateralen Teil zerlegt. Die zelligen Elemente dieser beiden Teile verteilen sich dann verschieden, denn während in ihrem medialen Teil fast ausschließlich indifferente Cölomzellen auftreten, finden wir im lateralen außer diesen noch Follikelzellen und Genitalzellen (Fig. 37a, d). Wir wären somit in der Tat in diesem Stadium berechtigt, von einem medialen eder in- differenten und einem lateralen oder Keimabschnitt der Genitalfalte zu sprechen. Die Art und Weise, wie die Gefäße zwischen die beiden Teile der Genitalfalte eindringen, legt den Gedanken nahe, daß es sich hier um stets getrennte Abschnitte der Genitalfalte handelt und daß die zelligen Elemente der beiden Teile Abkömmlinge sind, die einen von der medialen, die andern von der lateralen Seite der Genitalfalte. Vergleiche ich zum Schlusse die von mir an der Hand der mit- geteilten Beobachtungen gewonnenen Vorstellungen über die Ent- wicklung der ersten Genitalanlage mit denen meiner Vorgänger, so befinde ich mich keineswegs überall in Übereinstimmung mit ihnen und sehe ich mich daher veranlaßt, einzelne Punkte spezieller her- vorzuheben. NussßAuUMm betrachtet bekanntlich die Genitalzellen ab ovo als Zellen sui generis. Öbschon ich mich bei meinen Serienunter- suchungen von der Richtigkeit seiner Ansicht nicht zu überzeugen vermochte, so war ich doch ebensowenig imstande, der Ansicht der andern Autoren, die die ersten Genitalzellen als Peritonealzellen Entwicklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 581 hervorgehen lassen, beizutreten, da mir Übergänge von den einen in die andern nicht zu Gesichte kamen. Ja, die von NUSSBAUM ver- tretene Ansicht hat in neuerer und neuester Zeit so sehr an festem Boden gewonnen, daß sie als tatsächlich begründet angesehen werden muß. Dagegen kann ich mich seiner Meinung nicht anschließen, wenn er sagt, daß Genitalzellen stets nur aus Genitalzellen hervor- gehen und ebensowenig, wenn er Follikelzellen aus Genitalzellen entstehen läßt. Ich glaube im Vorhergehenden beweiskräftig dar- getan zu haben, daß in einem gewissen Entwicklungsstadium der Genitalfalte Zellen auftreten, aus denen unter Teilungsvorgängen Genitalzellen hervorgehen. Dann bezweifle ich auch die Richtigkeit der Nusspaumschen Angabe, daß nämlich Genitalzellen Follikelzellen zu produzieren vermögen, denn es scheint mir doch höchst unwahr- scheinlich und ohne absolut sicher nachgewiesenes Analogon, daß aus höher organisierten Zellen Zellen einer niedrigeren Stufe hervor- gehen sollten. JUNGERSEN will, wie NussBAum, von einem Keimepithel nichts wissen und ich bekomme den Eindruck, daß eben beiden die Über- sänge von Cölomepithel in Keimepithel entgangen seien, sonst hätten sie gewiß auch die Umwandlung des letzteren in Genitalzellen beob- achten müssen. JUNGERSEN nimmt daher wie NussBAum an, daß die Genitalzellen stets nur aus Genitalzellen hervorgehen. Alle die späteren Elemente und Gewebsformationen der Ge- schlechtsorgane: Eier, Samen, Muskeln, Bindegewebe, Blutgefäße usw. sollen nach ihm aus Geschlechtszellen und Peritonealzellen hervor- gehen. Über das »wie« dieser Vorgänge erhalten wir keine Aus- kunft. Brock scheidet bei Conger vulgaris eine Keimseite mit einem Keimepithel von einer Blutgefäßseite aus und bezeichnet die obere Spitze der Falte als neutrales Gebiet, in welchem Peritonealzellen und Keimzellen kontinuierlich ineinander gehen. Auch mir kommen solche Übergänge nicht ganz unwahrscheinlich vor. Horrmans, welcher in der Genitalfalte die Urkeimzellen teils durch Teilung ihresgleichen, teils durch Neubildung von Cölomzellen aus entstehen läßt, will schon früher zwischen dem Peritonealepithel der medialen und dem Keimepithel der lateralen Seite indifferente Zellen beobachtet haben, aus denen das bindegewebige Stroma her- vorgehen soll. Doch gibt er diese Ansicht mit Vorbehalt. Die Frage, ob die Follikelzellen aus Bindegewebszellen oder Peritonealzellen hervorgegangen sind, läßt er offen, neigt jedoch zu der letzten 582 U. Böhi Annahme hin, da Follikelzellen schon zu einer Zeit vorhanden sind, als noch kein bindegewebiges Stroma sich differenziert hatte. Ich stimme hierin mit ihm überein und füge hinzu, daß auch die Follikelzellen wahrscheinlich nur von der lateralen Seite der Genitalanlage, also dem Keimepithel, gebildet werden. Zusammenfassung. I. Entwicklung der Leibeshöhle. 1) Die Anlage der Leibeshöhle tritt bei dem Forellenembryo zuerst am 25. Tage nach der Befruchtung auf und beschränkt sich auf eine n der Kopfseitenplatte gelegene, durch Auseinanderweichen der Somatopleura und Splanchnopleura entstandene Spalte. ! 2) Bei einem einen Tag älteren Forellenembryo zeigt die mani- feste Leibeshöhle in eraniocaudaler Richtung eine nur unbedeutende Zunahme, während die sich ihr anfügende latente Leibeshöhle bis über die abgrenzbaren Ursegmente hinausreicht. 3) Bei einem Forellenembryo vom 28. Tage hat die Leibeshöble sowohl in cranialer, als besonders auch in caudaler Richtung wesent- lich zugenommen; ihre Entwicklung hängt eng mit derjenigen des Darmes zusammen. 4) Dagegen ist bei einem Forellenembryo vom 38. Tage in dem Längenwachstum ein merklicher Stillstand eingetreten, während ihre Liehtweite, entsprechend der Dotterresorption von seite des Embryos, bedeutend zugenommen hat. Im Bereiche der Vorniere dieses Embryos läßt sich ein Vor- schieben der Splanchnopleura gegen den primären Harnleiter hin nachweisen und wird dadurch der Verdacht erweckt, es möchten die Genitalzellen aus der Splanchnopleura nicht aktiv in die Somatopleura hinüberwandeln, sondern es handle sich vielmehr um einen passiven Vorgang, bei welchem die der Somatopleura anliegenden Genitalzellen mitgeschoben werden. Außerdem beobachtet man bei diesem Embryo einen Ab- schnürungsprozeß und ein Vorwachsen von Mesenterialfalten sich vollziehen; der erstere führt zu einer Lostrennung des Darmes vom Dotter und veranlaßt dadurch eine Trennung eines abgeschnürten, intraembryonalen von einem Dottersackabschnitt oder einer intra- embryonalen von einer extraembryonalen Leibeshöble. Die Ab- schnürung erfolgt in caudocranialer Richtung und verhält sich in den verschiedenen Körperabschnitten verschieden. Durch die Abknickung Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 583 der Seitenplatten kommt es zur Bildung zweier Abschnitte derselben, eines dorsoventralen, parallel zum Darme liegenden, und eines mediolateralen, dem Dotter sich anschmiegenden. Vom dorsoventralen Abschnitte gehen dorsal und ventral vom Darme Wucherungen ab, die Mesenterialfalten.. Aus diesen anfangs soliden Mesenterialfalten entwickelt sich später durch Auftreten einer Liehtung die definitive Leibeshöhle dieses Abschnittes. Aus dem mediolateralen entsteht durch Auftreten einer Lichtung die Dottersackleibeshöhle. 5) Bei einem Lachsembryo vom 40. Tage nach der Befruchtung ist die Abschnürung cranialwärts vom Schwanze bis zum 20. Rumpf- segment vorgeschritten, Schwanz und Dottersack erhalten ihren eignen ectodermalen Überzug. Vom 20. bis 18. Rumpfsegment trennt sich die Leibeshöhle des Schwanzes vollständig von der Leibeshöhle des Dottersackes los, der Eetodermüberzug bleibt aber beiden gemeinsam. Vom After bis zum 18. Rumpfsegment schwindet die Dottersackleibeshöhle vollständig. Vom 18. bis 14. Rumpfsegment werden Leibeshöhle des Schwanzes und Dottersackleibeshöhle von- einander getrennt, letztere aber bleibt erhalten. Vom 13. Rumpf- segment bis zum vorderen Ende tritt eine Trennung der allgemeinen Leibeshöhle nicht mehr ein, die gesamte Leibeshöhle wird hier zur Leibeshöhle des Rumpfes umgebildet. Später wird auch die Dotter- sackleibeshöhle im Bereiche des 14. bis 18. Rumpfsegments in die Bildung der Rumpfleibeshöhle miteingezogen, der zusammengefallene Dottersack, vom 18. Rumpfsegment ab, bildet eine zeitlang ein langes mesenteriumartiges Gebilde, durch welches die ventrale Leibeswand an das Eetoderm befestigt wird; noch später aber wird er vollständig resorbiert. I. Entwicklung der ersten Genitalanlage. 1) Die ersten Genitalzellen fanden sich bei Forellenembryonen nicht vor dem 25. und bei Lachsembryonen nicht vor dem 31. Tage nach der Befruchtung; sie treten sowohl in der Splanchnopleura als auch in der Somatopleura auf, in letzterer allerdings mit der von mir angedeuteten Restriktion (s. S. 518). 2) Die Zahl der Genitalzellen bleibt bis zum 185. Tage nach der Befruchtung eine ziemlich stabile, schwillt dann aber rasch an und am 213. Tage treten sie an manchen Stellen schon derart zu- sammengedrängt auf, daß sie nicht mehr zu zählen sind. 3) Nach meinen Beobachtungen überschreitet die Keimregion, Morpholog. Jahrbuch. 32. 38 584 U. Böhi d.h. die Region, in welcher Genitalzellen auftreten, eranialwärts nie das neunte und caudalwärts nie das 32. Rumpfsegment. Die letzten Genitalzellen liegen etwa 6—7 Rumpfsegmentbreiten vor dem After. II. Entwicklung der Genitalfalte. 1) Die Keimdrüsenanlage durchläuft zwei Stadien, das der Genital- leiste und das der Genitalfalte. 2) Die erste Anlage einer Leistenentwieklung beobachtete ich bei einem Lachsembryo vom 60. Tage nach der Befruchtung; sie tritt zuerst im gonalen Abschnitt der Genitalanlage auf und kommt vom 82. Tage an auch in ihrem progonalen und epigonalen Abschnitte zur Entwicklung. 3) Die Genitalfalte geht aus der Genitalleiste hervor und läßt sich in ihren Anfängen beim Lachs bereits am 85. Tage nach der Befruchtung erkennen; auch sie tritt zuerst im gonalen Abschnitte auf und dehnt sich erst später auf den epigonalen und pro- gonalen fort. 4) Die Genitalfalte überschreitet in ihrem eranialen Teil nie das vierte, in ihrem caudalen nie das 38. Rumpfsegment und reicht somit nie bis zum After. 5) Was die Cölomzellen betrifft, so gehen aus ihnen drei Arten von Zellen hervor: a. indifferente Zellen, b. Follikelzellen, e. Genital- zellen. Vergleichung der Wachstumsverhältnisse von Leibeshöhle, Niere und Genitalanlage beim Lachs während des indifferenten Stadiums. Zur übersichtlichen Darstellung dieser Verhältnisse dient die als Anhang beigegebene graphische Tabelle Taf. XIII. An der Hand der- selben gewinnen wir eine Übersicht über die Wachstumsverhältnisse der vorgenannten Organe bei einer Gruppe von 22 Lachsembryonen und jungen Lachsen im Alter von 31—199 Tagen. Von jedem Individuum dieser Gruppe ist ein Einzeltableau ein- getragen und am Kopfe eines jeden derselben das Alter und die Körperlänge eingezeichnet. Unter dieser Eintragung folgen neben- einander drei Rubriken, die mit LH = Leibeshöhle, N = Niere und GA — Genitalanlage vermerkt sind. Die Leibeshöhle, wo sie ab- grenzbar, ist doppelt schraffiert, die Niere (Vorniere und bleibende Niere) schwarz, die Genitalanlage in ihrem Genitalzellen tragenden Entwiecklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 585 (gonalen) Abschnitte einfach schraffiert dargestellt; wo aber eine Ge- nitalfalte vorhanden, findet sich der progonale und epigonale Teil derselben wiederum in doppelter, der zwischen Vorniere und bleiben- der Niere gelegene Abschnitt in einfacher Schraffierung gezeichnet. In der Genitalanlage ist jeweils die Zahl der Genitalzellen ein- getragen und zwar, wie kopfwärts mit 7 und r vorgemerkt ist, sowohl diejenigen der rechten, als diejenigen der linken Körperseite. Zur raschen Orientierung sind dann noch rechts und links von der Tabelle die Zahl der Ursegmente, resp. Rumpfsegmente eingetragen und um jeweils das Lageverhältnis des Afters zur Leibeshöhle über- blicken zu können, ist dieser in dem entsprechenden Segment mit o bezeichnet. Was die Leibeshöhle anbetrifft, so war sie bei den Lachs- embryonen vom 31., 33., 35. und 40. Tage, obschon vorhanden, doch weder eranialwärts, noch caudalwärts genau abzugrenzen und daher weiß gelassen; ist ihre Abgrenzung aber einmal ermöglicht, so beob- achten wir, daß sie cranial wie caudal nur geringe Schwankungen zeigt und in ihrer Längenausdehnung kaum zwei bis drei Rumpf- segmentlängen differiert. Die vordere Grenze überschreitet selten das erste, die hintere nie das 40. Ursegment. Das Wachstum der Vorniere macht vor dem 40. Tage nur be- scheidene Fortschritte, indem sie sich nie über mehr als zwei Ur- segmente erstreckt, später dagegen gewinnt sie durch Auftreten der Vornierenkammer und des Glomerulus an Ausdehnung. Vom 68. Tage an sehen wir eaudalwärts die bleibende Niere auftreten, vorerst noch ohne an den Wachstumsverhältnissen der Niere etwas zu ändern. Ihr Längenwachstum nimmt sukzessive zu und dehnt sie sich anfangs über drei bis vier, dann über sieben und acht und später sogar über 14, und 24 Rumpfsegmente aus. Am 199. Tage nach der Befruchtung, wo sie eine Längenausdehnung von 24 Rumpfsegmenten erreicht hat, ist die Vorniere durch beginnende Obliteration der zuführenden Ge- fäße bereits auf eine Ursegmentbreite zurückgegangen. Auf die Wachstumsverhältnisse der Genitalanlage brauche ich hier weiter nicht einzugehen, da dies bereits andernorts geschehen ist. 36* 556 U. Bühi, Entwieklungsgeschichte der Leibeshöhle usw. bei den Salmoniden. 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Graphische Tabelle der Wachstumsverhältnisse der Leibeshöhle, Niere u. Genitalanlage im indifferenten Stadium. Rumpfsegmente. Reh WÜRTEDLEHLZDÜDEEDEDR DE ungzuabgo nouab yy EITTEITLELTEIEE" un - Verlag vın Wilhelm Engelinann in Leipzig Über einige Muskelvarietäten, ‘den Peetoralis major, Latissimus dorsi und Achselbogen betreffend. Von Dr. Böse. (Aus dem anatomischen Institut Marburg.) Mit 11 Figuren im Text. Im Winter 1903—04 kamen einige Muskelvarietäten im anato- mischen Institute zu Marburg zur Beobachtung, die im folgenden kurz beschrieben werden sollen. Es handelt sich in allen Fällen um ältere, männliche Individuen, ausgenommen Fig. 10. Falll. Fig. 1 und 2 linke Seite; Fig. 3 rechte Seite. Beim Abheben des linken Armes zeigte sich bereits vor der Präparation die vordere Wand der Achselhöhle in der Weise ver- breitert, daß der Winkel zwischen Arm und Körper »schwimmhaut- artig« weiter als gewöhnlich ausgefüllt erschien. Als Ursache dieser Verbreiterung stellte sich bei der Präparation folgendes ungewöhnliche Verhalten des M. pectoralis major heraus: Der Muskel, welcher in seinem Ursprunge nichts Besonderes bot, inserierte mit seiner Hauptmasse an der Spina tubereuli majoris humeri, außerdem ging ein Teil in die Fascie des Oberarmes über; eine weitere, ziemlich starke Portion dagegen hob sich in dem Ver- laufe des Muskels vor der Achselhöhle aus dem freien Rande, sowie von der Hinterfläche ab in Form von zwei Platten (Fig. 1«@ und b), Morpholog. Jahrbuch. 32. 39 588 Böse welche eine Verbreiterung des Muskels bis gegen die Mitte des Oberarmes bedingten; dabei überlagerten sich diese Platten deraıt, daß die weiter nach abwärts ziehende zum Teil unter der höher oben inserierenden gelegen war; diese wurde ihrerseits wieder von der Hauptmasse des Muskels zum Teil bedeckt. Dieser Verbreiterung des Muskels diente zum Ansatze ein Sehnen- bogen, welcher hinter der Insertion der eigentlichen Endsehne von der Spina tubereuli majoris humeri ausging, den M. biceps in einem kurzen Bogen überbrückte und dann geradlinig zum Epicondylus medialis humeri verlief (Fig. 1 e). Fig. 1. Mensch. Pectoralis-Varietät. Ansicht schräg von vorn bei gehobenem Arm. Linke Seite. Photographie. Die Befestigung der Muskelsubstanz reichte an diesem Sehnen- bogen bis etwa zur Mitte des geradlinigen Verlaufes nach abwärts. Das untere Drittel des Sehnenstranges diente einem Teile des Caput mediale m. trieipitis zum Ursprunge. Neben dieser Anomalie des M. pectoralis major fand sich an der gleichen Seite ein ziemlich stark entwickelter, muskulöser Achsel- bogen (Fig. 2 d). Derselbe ging vom Rande des M. latissimus dorsi aus, verlief hinter der Verbreiterung des M. peetoralis major über die Gefäß- und Nervenstämme der Achselhöhle hinweg und befestigte sich an dem erwähnten Sehnenstrange vom Anfange seines gerad- Über einige Muskelvarietäten. 559 linigen Verlaufes ab bis etwas unter die untere Ansatzstelle der Muskelsubstanz des M. pectoralis major nach abwärts mit oben ganz kurzen, nach abwärts zu immer länger werdenden Sehnenfäden. (Das letzte Ende des Achselbogens ist in Fig. 2 nicht zu sehen.) In seinem Verlaufe enthielt dieser Achselbogen nahe am M. latissimus dorsi ein sehniges Zwischenstück. Die Lage der Gefäße und Nerven zu den beschriebenen Ge- bilden war folgende: Die Nn. museulo-eutaneus und medianus, sowie die A. brachialis mit ihren Begleitvenen verliefen mit dem M. biceps 10,72% Mensch. Pectoralis-Varietät und Achselbogen. Dasselbe Objekt wie Fig.1. M. pectoralis major in die Höhe gehoben. Photographie. unter dem Sehnenbogen hindurch, der N. cutaneus antebrachii mc- dialis und die V. basilica gingen durch einen Schlitz in dem unteren Teile des Sehnenstranges, der N. ulnaris lag in seinem ganzen Ver- laufe hinter diesem. An der rechten Seite derselben Leiche fand sich beim Abheben des Armes die gleiche Verbreiterung der vorderen Wand der Achsel- höhle, der ein analoges Verhalten des M. pectoralis major zugrunde lag. Auch hier zeigte der Muskel in Ursprung und Verlauf bis zur Abhebung vom Thorax keine Besonderheiten. Dagegen trennten sich im weiteren Verlaufe wiederum zwei Portionen von dem Rande und der Hinterfläche des Muskels ab, aber im Gegensatze zu dem Befunde an der linken Seite nur die obere in Form einer Muskel- 39* 590 Böse platte (Fig. 3 a), die untere in Form eines mehr rundlichen Muskel- bündels (Fig. 3 b). Beide Portionen inserierten an einem Sehnenstrange, welcher dem der linken Seite völlig glich bis auf den Schlitz für die V. basilica und den N. antebrachii medialis, der ihm fehlte. Der Ansatz der oberen, plattenförmigen Portion, welche bis zu ihrem Ende zum Teil von der Hauptmasse des Muskels überdeckt war, erfolgte sehnig an der Strecke des bogenförmigen Verlaufes des Sehnenstranges über den M. biceps; das tiefere, bündelförmige Fig. 3. Mensch. Pectoralis-Varietät. Dasselbe Objekt wie Fig. 1 und 2. Rechte Seite. Photographie. Stück, nur in seinem Anfangsteile verdeckt, im weiteren Verlaufe frei, heftete sich an der Mitte des geradlinigen Verlaufes des Sehnen- stranges an. Ein Achselbogen war nicht vorhanden. Die Lage der Gefäße und Nerven war die gleiche wie links, nur kreuzten der N. cutaneus antebrachii medialis und die V. basilica den Sehnenstrang, oberflächlicher als dieser gelegen, in der Höhe des unteren Ansatzpunktes der bündelförmigen Muskelportion. Ein vom M. trieeps ausgehendes kleines Muskelbündel strahlte, sehr bald sehnig werdend, in die Sehne des M. latissimus dorsi aus. Über einige Muskelvarietäten. 591 Fall II. Ein dem vorigen völlig gleicher, bogenförmig den M. biceps überbrückender und von da geradlinig zum Epicondylus medialis humeri verlaufender Sehnenstrang fand sich auch an der rechten Seite einer andern Leiche vor, ohne daß jedoch eine Verbreiterung des M. pectoralis major und ein Ansatz von Teilen des Muskels an diesem Sehnenstrange oder ein Achselbogen vorhanden gewesen wäre. Die folgenden Beobachtungen betreffen das Verhalten des Achsel- bogens. Fall III. (Fig. 4 und 5.) An der rechten Seite einer Leiche erreichte der verbreiterte freie Rand des M. latissimus dorsi nicht nur die gewöhnliche Inser- Fig. 4. Fig. 4 Mensch. Achselbogen. Rechte Seite. Ansicht wie Fig. 1—3. Photographie. Fig. 5. Mensch. Achselbogen. Linke Seite. Dasselbe Objekt wie Fig. 4. Schematische Darstellung. tion dieses Muskels an der Spina tubereuli minoris humeri, sondern heftete sich außerdem an einen dünnen, aber deutlich erkennbaren 592 Böse Sehnenbogen an, welcher von dem Anfange der Sehne des Muskels ausging, gegen den Oberarm zu verlief und in dessen Fascie, sowie in die der Achselhöhle und an die Rückseite des M. pectoralis major ausstrahlte (Fig. 4 d). Die Breite des an diesem Sehnenbogen inserierenden Randteiles des M. latissimus dorsi (Fig. 4a) betrug etwa 2 cm. Außerdem endigten noch einzelne von dem Rande ausgehende Fasern in der Fascie des M. serratus anterior. Ferner bestand eine sehnige Ausstrahlung vom Caput longum m. trieipitis aus in die Sehne des M. latissimus dorsi. An der linken Seite derselben Leiche ging aus dem Randteile des M. latissimus dorsi ein Muskelbündel hervor, welches in einzelne Fasern aufgelöst, in der Fascie der Achselhöhle endete; ein Sehnen- bogen war hier nicht vorhanden (Fig. 5 a). Kallıv. (Fig. 6 und 7.) Auf der rechten Seite einer andern Leiche saß an der Stelle, ‘wo der M. latissimus dorsi sehnig wird, an dessen freiem Rande, zum Teil an der Sehne, zum Teil am Muskel ein etwa 4 cm langes, Fig. 6. Mensch. Achselbogen. Rechte Seite. Ansicht schräg von vorn. Schematisch. Fig. 7. Mensch. Achselbogen. Linke Seite. Dasselbe Objekt wie Fig. 6. Schematisch. 9 mm breites, 3 mm dickes Muskelbündel mit kurzen Sehnenfäden an. Dasselbe verlief bei erhobenem Arme fast geradlinig über die Gefäß- und Nervenstämme der Achselhöhle hinweg (Fig. 6 a). Die Faserrichtung dieses Muskelbündels kreuzte die des M. latissimus dorsi. Über einige Muskelvarietäten. 593 Gegen den Oberarm zu wurde das Bündel sehnig und befestigte sich in der Fascie über dem kurzen Kopfe des M. biceps. Die Fascie des Oberarmes wurde außerdem noch verstärkt durch Aus- strahlungen der Mm. pectoralis major und minor. Auf der linken Seite derselben Leiche ging von der Fascie des Oberarmes ein zunächst sehniger, sehr bald muskulös werdender Achselbogen aus, der ungefähr die gleichen Maße zeigte wie der rechte (Fig. 7 a). Der Verlauf dieses Muskels war so, daß er bei erhobenem Arme bogenförmig die Gefäß- und Nervenstämme überbrückte, über den Rand des M. latissimus dorsi hinweg zog,. dessen Faserrichtung kreuzend, und auf der Rückseite dieses Muskels, an der Stelle seines Überganges in die Endsehne, nicht weit vom Rande, mit kur- zen Sehnenfäden sich anheftete. Auf beiden Seiten bestand eine sehnige Verbindung zwischen den Mm. triceps und latissimus dorsi. Fall V. (Fig. 8 und 9.) An einer andern Leiche ging von der Fascie des rechten Ober- armes ein Sehnenstrang aus, der sich nach etwa 4 cm langem Ver- laufe teilte (Fig. 8 a). Fig. 8. Mensch. Achselbogen, Rechte Seite. Ansicht schräg von vorn. Schematisch. Fig. 9. Mensch. Achselbogen. Linke Seite. Dasselbe Objekt wie Fig. 8. Schematisch. Ein Teil, der kürzere, wurde bald muskulös, begab sich als Achselbogen zum M. latissimus dorsi, dessen Faserrichtung kreu- zend, und heftete sich an der Rückseite desselben nahe dem Rande mit kurzen Sehnenfäden an (Fig. 8 2). 594 Böse Der andre, längere Teil verlief noch eine Strecke weit sehnig auf der Fascie des M. serratus anterior dem Rande des M. latissimus dorsi parallel nach abwärts, wurde dann muskulös und endete, fächer- förmig in einzelne Fasern aufgelöst, in der Fascie des M. serratus anterior (Fig. 8 ce). | Außerdem ging die vordere Randpartie des M. latissimus dorsi in einer Breite von 2 cm nicht in die Endsehne über, sondern be- festigte sich an dem unteren Rande des Achselbogens (Fig. 8 d). Auf der linken Seite derselben Leiche spaltete sich vom Rande der Pars abdominalis des M. pectoralis major ein Teil ab (Fig. 9 d), verlief unter der Hauptmasse des Muskels aufwärts und vereinigte sich in der Nähe des ÖOberarmes mit einem: Muskelbündel, welches sich vom Rande des M. latissimus dorsi abgelöst hatte (Fig. 9 e). Dazu gesellte sich noch ein drittes Mus- kelbündel (Fig. 9 2). Dieses entsprang mit kurzen Sehnenfäden auf der Rückseite des M.latissimus dorsinahe dem Rande, zog, des- sen Faserrichtung kreuzend, über den Rand hinweg und ver- lief, teils bogenförmig dem aus dem M. la- tissimus dorsi abge- spaltenen Bündel auf- gelagert, teils ver- floceht es sich mit demselben. An Fig. 9 reiht sich in guter Überein- Kind. Achselbogen. Linke Seite. Ansicht schräg von vorn. - . Schematisch. stimmung Fig. 10 an; dieselbe gibt den Be- fund der Leiche eines Kindes wieder, an der beide Seiten wesentlich gleiche Verhältnisse aufweisen. Von der Abdominalportion des M. pectoralis major lösen sich drei Bündel ab, von denen die beiden unteren, a.und 5, auf die Kante des Latissimus ausstrahlen, während das oberste, ce, in einen Über einige Muskelvarietäten. 595 Achselbogen eingeht; mit ihm steht in Verbindung ein von der Rück- fläche des Latissimus sehnig entspringendes Bündel d, und außerdem setzt sich der nach vorn verbreiterte Latissimus selbst, e, in den Achselbogen fort, der sich im weiteren Verlaufe der Arminsertion des M. peetoralis major anschließt, die Gefäße und Nerven über- brückend. (In der Fig. 10 ist nur die Arterie angegeben.) Zu diesen Befunden sei folgendes bemerkt: 1% Was zunächst die unter Fall I beschriebene Verbreiterung des M. pectoralis major angeht, so hat Hexte (1. B. I. S. 89) über fol- gende ähnliche Fälle berichtet: »Von der unteren Spitze der Arm- beininsertion geht ein sehniges, zuweilen eine Strecke weit musku- löses Bündel ab und verbindet sich mit dem Lig. intermuseulare mediale (M. chondro-fascialis MACALISTER) oder mit dem kurzen Kopf des M. biceps, oder es befestigt sich an den medialen Epieondylus (M. ehondro-epitrochlearis DUvERNOY). GRUBER (Neue Anomalien. S. 31) sah es in drei Zipfel gespalten, von welchen einer über die Armgefäße und Nerven weg an den medialen Epicondylus verlief. In einem von MacaArıster beobachteten Falle entsprang es von der Clavieularportion des M. pectoralis major; in einem von ÜRUVEILHIER (S. 149) beschriebenen erhielt es einen kleinen Muskelbauch aus dem Lig. intermuse. mediale. Dieselben Befunde erwähnen auch Krause (2), BARDELEBEN (3), TeEsTtUT (4) u.a. > Testur (4, S. 19) berichtet außerdem noch über einige, dem Fall I mehr entsprechende Fälle, und auch der von TOBLER (5) be- schriebene und in Fig. 24 abgebildete Befund gehört hierher, nur scheint mir die Verbreiterung bei weitem nicht so hochgradig zu sein. Ohne auf die vergleichende Anatomie hier genauer eingehen zu wollen, möchte ich erwähnen, daß diese Verbreiterung hinweist auf eine beim Menschen stattgehabte Veränderung des bei Tieren bis zum Epicondylus medialis abwärts reichenden M. pectoralis major, welche mit der freieren Beweglichkeit der oberen Extremität des Menschen, namentlich mit der Abhebung des Oberarmes vom Körper in Zusammenhang steht. Der letzte Rest des ursprünglichen Zustandes dürfte wohl in dem Lig. intermusculare mediale erhalten sein, dessen proximaler Teil nach Aufhören der Verbindung mit dem M. pectoralis major 596 Böse mehr und mehr verloren gegangen ıst, während der distale den Be- ziehungen zum M. triceps seine Erhaltung verdankt. Der in Fall II erwähnte Sehnenstrang ohne Anheftung des M. peetoralis major, welcher nach TOBLER (5, S. 199) hier und da be- obachtet wird, wäre dann als eine Zwischenstufe in dieser Entwick- lung von Bedeutung. Daß dieser als Lig. intermuseulare aufzufassende Sehnenstrang, wie Fall I Fig. 2 zeigt, auch dem Achselbogen zum Ansatze dienen kann, hat bereits TOBLER in seiner Arbeit in Fig. 24 dargestellt. II. In der zweiten Reihe von Beobachtungen finden sich einige, welche die kürzlich von TOBLER wieder aufgenommene und durch wertvolle, vergleichende Untersuchungen sehr ausführlich begründete Absicht stützen können, daß der Achselbogen, welcher beim Men- schen nicht so gar selten vorkommt, ein Rest der Hautmuskelplatte der Säugetiere sei; auch GEHRY (6) bringt hierfür neue Belege. Namentlich sei in dieser Beziehung auf jene einfachen Befunde in Fall IV, Fig. 6 und 7 hingewiesen, die sich übrigens so ziemlich mit dem bei ToBLER auf Fig. 19 abgebildeten decken. Daß diese dem M. latissimus dorsi auf- oder angelagerten Muskel- züge mit der den Muskel kreuzenden Faserrichtung etwas ihm ur- sprünglich Fremdes darstellen, leuchtet ein, zumal wenn diese Muskel- züge, wie in Fig. 8, mit solchen in Verbindung stehen, welche der Faseie des M. serratus anterior aufgelagert, den Resten des Haut- muskels entsprechen, wie sie TOBLER (5, Fig. 17) beim Gorilla ge- funden hat. Anderseits scheint mir jedoch diese Erklärung des Achselbogens nicht für alle Fälle zuzutreffen. Einen völlig ausgebildeten Achselbogen, besonders wenn er durch eine funktionelle Hypertrophie im Sinne TOBLERS eine ver- hältnismäßig bedeutende Stärke erlangt hat (vgl. Fig. 2a), kann man nicht richtig auffassen, ohne primitivere Verhältnisse zur Deu- tung heranzuziehen, und da wird es wohl im einzelnen Falle von dem Beobachtungsmaterial abhängen, wie diese Deutung ausfällt. Da nun bei den neueren Untersuchungen stets so sehr die mus- kulöse Natur des Achselbogens betont wird, wie TOBLER $. 454 aus- führt, so erscheint es wohl erklärlich, daß nach ToBLERs Unter- suchungen die Abstammung des Achselbogens von dem Hautmuskel in den Vordergrund gestellt wird. Über einige Muskelvarietiten. 597 Nimmt man dagegen den sehnigen Achselbogen, wie ihn LAnGEr zuerst beschrieben hat, zum Ausgangspunkte, ohne der Beschreibung einen präparatorischen Irrtum unterzulegen — wie ErsÄsser geneigt ist, vgl. TOBLER, S. 455 —, und zieht man zur Erklärung die gleich- falls sehr einfach gelagerten Verhältnisse heran, die in Fall III, Fig. 4 und 5 beschrieben worden sind, so kann man darin sehr wohl eine Stütze für die ältere Anschauung sehen, daß der Achselbogen den Rest einer Verbindung der Mm. peetoralis major und latissimus dorsi darstelle. Denn die Ausstrahlung des M. latissimus dorsi in die Fascie der Achselhöhle auf der linken Seite (vgl. Fig. 5) wird wohl niemand als Überrest des Hautmuskels ansprechen wollen, zumal nach TogLErs Untersuchungen der Panniculus carnosus stets vom Pectoralis, nie vom Latissimus ausgeht. Von da bis zur Anheftung an den Sehnenbogen der rechten Seite (Fig. 4) ist nur ein Schritt; und solche Fälle muß HyrrL mehr- fach gesehen haben, wenn er sagt, daß sich normaliter ein Teil der Costalursprünge des M. latissimus dorsi an den sehnigen Achselbogen LANnGErs anhefte (vgl. ToBLErR, S. 455). Dabei sei ausdrücklich be- tont, daß dieser Sehnenbogen kein präparatorisches Kunstprodukt ist. Wenn ich jetzt weiter gehe und sage: auch jene Abspaltungen vom Rande des M. latissimus dorsi, welche ohne Vermittlung des Sehnenbogens direkt in die Fasecie des Oberarmes übergehen, sind wenigstens zum Teil Reste einer früheren Ausbreitung des M. latissi- mus dorsi in das Peectoralgebiet, so möchte ich das folgendermaßen begründen: TOBLER hat auf Grund seiner vergleichenden Untersuchungen festgestellt, daß »der Latissimus dorsi für den Hautmuskel nichts weiter als die Unterlage sei, auf der er sich ausbreitet, funktionell und anatomisch von ihm ganz unabhängig«. Der Pannieulus carnosus geht also nie vom M. latissimus dorsi aus, deshalb muß TOoBLER, der den Achselbogen in allen Fällen auf den Hautmuskel zurückführen will, auch die aus dem Rande des M. latissimus dorsi mit einer diesem Muskel gleichen Faserrichtung hervorgehenden Formen als Anlagerung von Hautmuskelteilen er- klären, und er stützt seine Ansicht auf den in diesen Fällen häufigen Befund einer Zwischensehne. Diese Zwischensehne findet allerdings in der Annahme einer Anlagerung von Hautmuskelteilen ihre Erklärung, dagegen wird der Anteil des M. latissimus dorsi an der Bildung dieser Formen des 598 Böse Achselbogens nicht hinreichend gewürdigt: Denn die Zwischensehne ist durchaus nicht regelmäßig, häufig auch nur in einem Teile des Achselbogens vorhanden, und diese Beobachtung muß meines Er- achtens dazu führen, dem M. latissimus dorsi eine aktive Beteiligung an dem Zustandekommen des Achselbogens zuzuschreiben, mit an- dern Worten, man muß die aus dem M. latissimus dorsi direkt, ohne Zwischensehne hervorgehenden Formen als ursprünglich diesem Muskel eigen, als der tiefen Muskelschicht angehörig ansehen, wie bereits PRINCETEAU nach TOBLERS Angabe (S. 457) auf Grund einer statt- lichen Anzahl von genau beobachteten Achselbogenbefunden getan hat. Nach eignen Befunden am Meerschweinchen, deren einer in Fig. 11 abgebildet ist, muß ich gleichfalls diese Ansicht vertreten, denn der aus dem Rande des M. latissimus dorsi abgespaltene Achsel- bogen war stets von einem Hautmuskel mit stark entwickeltem dor- salen und ventralen Teile bedeckt, so daß man deut- lich zwei Schichten unter- scheiden konnte. Im der Figur sieht man mit voller Deutlichkeit außer der direk- ten Abspaltung des Latissi- mus zur Bildung eines das Gefäß -Nervenbündel über- schreitenden Achselbogens(b) die beiden Teile des Haut- muskels zum Arm ziehen; der ventrale Teil reiht sich | un dabei innig dem Pectoralis Meerschweinchen. Achselbogen. Ansicht schräg von vorn. major an und geht als Paoiogemni. = Polos main, 4 Baiksimus Wer Achselbogen in dessen In- traler Teil. sertion. Ähnliches Verhalten konnte ich bei einem Hunde und mehreren Kaninchen finden, nur daß bei diesen Tieren die Verbreiterung des M. latissimus dorsi die Form zeigte, wie sie Fig. 4 vom Menschen wiedergibt; darüber lag gleichfalls eine deutliche Hautmuskelschicht. Also auch in diesen Fällen von unzweifelhaft primitivem .Ver- halten diente der M. latissimus dorsi, hier aber samt seinem ver- breiterten Rande, dem Hautmuskel lediglich als Unterlage. Damit ist der in topographischer Hinsicht einheitliche Achsel- Über einige Muskelvarietäten. 599 bogen auf zwei verschiedene Grundformen zurückgeführt, eine, die ihn als Rest des Panniceulus carnosus und eine andre, die ihn als Rest einer früheren Ausbreitung des M. latissimus dorsi in das Pectoralis-Gebiet erscheinen läßt. Mit Hilfe dieser beiden Grundformen lassen sich zwanglos die kompliziertesten Verhältnisse erklären: Entweder kann jede Form für sich bestehen, oder es können beide nebeneinander vorkommen, oder sie können sich beide zur Bildung des Achselbogens vereinigen. Fälle der letzten Art liegen z. B. dann vor, wenn der Achsel- bogen teilweise durch ein sehniges Zwischenstück unterbrochen ist, wobei gelegentlich die Verschiedenartigkeit beider Achselbogenkom- ponenten durch verschiedene Insertion sich kundgibt (vgl. TOBLER, Fig. 21), oder auch dann, wenn beide Teile zwar gemeinsam inse- rieren, ihre Verschiedenartigkeit aber an dem verschiedenen Ur- sprunge und der Durchflechtung der Fasern vor der Insertion er- kennbar bleibt (vgl. diese Arbeit Fall V, linke Seite, Fig. 9 und 10). Am meisten sind die primitiven Formen dann verwischt, wenn eine Zwischensehne die ganze Breite des Achselbogens einnimmt, d.h. eine vollständige Verschmelzung beider Komponenten stattge- funden und das Ganze durch funktionelle Ausbildung eine beson- dere Stärke erlangt hat. Es ist TOBLERS Verdienst, die funktionelle Inanspruchnahme zur Erklärung der progressiven Metamorphose des in den Achselbogen einbezogenen Hautmuskels herangezogen zu haben, und die Art der Funktion, welche zu dieser Inanspruchnahme führt, ist leicht ver- ständlich, wenn man die aus dem M. latissimus dorsi direkt ohne Zwischensehne hervorgehende Randpartie — und die Verbreiterung des Muskels überhaupt — als den Rest einer ursprünglichen Aus- breitung desselben in das Pectoralis-Gebiet ansieht. Ebenso möchte ich auch die Muskelzüge, welche aus der Ab- dominalportion des M. pectoralis major in den Achselbogen gelegent- lich übergehen, der tieferen Muskelschicht zurechnen und sie mit dem Randstreifen des M. latissimus dorsi zusammenfassen als den Rest einer ursprünglich innigeren Verbindung dieses Muskels mit der Pectoralisgruppe, wie ich auch die Abdominalportion selbst der tiefen Schicht und nicht dem Hautmuskel zurechnen möchte. Diese Auffassung ist einfacher und findet eine Stütze in dem bei Tesrtur (4, S. 23) angeführten Ausspruche von LANNEGRACE: »chez l’'homme le faisceau abdominal est tres faible, ce faisceau abdominal fut pri- mitivement le plus important«, sowie in dem Befunde ToBLErs (vgl. 600 Böse 5, Fig. 23), wo die Abdominalportion sich an einen aus dem Haut-. muskel hervorgegangenen Achselbogen anheftet. Außerdem ist der einwandfreie Beweis für das Gegenteil bis jetzt ebensowenig erbracht worden, wie der für die Zugehörigkeit des sogenannten M. peetoralis quartus zum Hautmuskel. Jene ober- flächlichen platten, in die Faseie des M. serratus anterior ausstrah- lenden Muskelzüge muß man wohl nach ToßLers Untersuchungen auf den Pannieulus earnosus zurückführen; dagegen jene häufig sehr kräftigen Muskeln, welche von den Rippen oder von der Abdominal- portion des M. pectoralis major ausgehen, erklärt man wohl einfacher als Differenzierungsprodukte der Pectoralisgruppe, als mit der An- nahme einer sekundären funktionellen Hypertrophie eines Hautmus- kelteils. Zum Schlusse sei an der Hand der beigegebenen Figuren noch- mals kurz das über den Achselbogen Gesagte zusammengefaßt: Fig. 4 zeigt den ursprünglich von LAnGEr beschriebenen, selı- nigen Achselbogen und seine Zugehörigkeit zum M. latissimus dorsi und damit zu der tiefen Muskelschicht. Fig. 5 gibt eine weitere Rückbildung wieder: dem verbreiterten M. latissimus dorsi fehlt der Zusammenhang mit der Pectoralisgruppe. In Fig. 6 und 7 sind zwei einfache muskulöse Achselbogen dar- gestellt, welche unzweifelhaft als Reste des Pannieulus carnosus auf- zufassen sind. Fig. 8 bildet mit der Anheftung des verbreiterten M. latissimus dorsi an einen aus dem Hautmuskel hervorgegangenen Achselbogen den Übergang zu Fig. 9 und 10, in welchen eine Vereinigung des Hautmuskels mit der tiefen Schicht zur Bildung des Achselbogens zu erkennen ist. Endlich kann Fig. 2 zur Demonstration der sekundären, funk- tionellen Hypertrophie des in den Achselbogen einbezogenen Haut- muskels dienen. Über einige Muskelvarietäten. 601 Verzeichnis der angeführten Literatur. 1) HENLE, Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 2. Aufl. 1871. 2) Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. 3. Aufl. Hannover 1879. Bd. III. Varietäten. 3) BARDELEBEN zitiert bei TOBLER 2 und 3. 4) Testur, Les anomalies musculaires chez l’'homme. Paris 1884, 5) TOBLER, Der Achselbogen des Menschen, ein Rudiment des Pannieulus car- nosus der Mammalier. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXX. 3. 1902. 6) GEHRY, Neue Beiträge zur Geschichte des Achselbogens des Menschen, eines Rudimentes des Panniculus carnosus der Mammalier. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXXI. Heft 2 und 3. 1903. Zu den Figuren. Fig. 1—3 geben die Befunde in Fall I wieder, und zwar Fig. 1 und 2 den der linken, Fig. 3 den der rechten Seite. Fig. 4 und 5 gehören zusammen, und zwar zu Fall III, Fig. 4 gibt die rechte, Fig. 5 die linke Seite wieder. Fig. 6 stellt den Befund der rechten und Fig. 7 den der linken Seite in Fall IV dar. Fig. 8 zeigt die rechte, Fig. 9 die linke Seite von Fall V. Fig. 10 zeigt die Achselbogenbildung der Leiche eines Kindes. Fig. 11 endlich zeigt einen Achselbogen beim Meerschweinchen. Fig. 1—4 und 11 sind Photogramme, die übrigen schematische Zeichnungen. Untersuchungen über das Gehirn und die Kopf- nerven von Üyclothone acelinidens. Von August Gierse. Mit Tafel XIV—XVI. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Einleitung. Im Anschluß an die Untersuchung von HAnDrIcK über das Nervensysiem und die Leuchtorgane von Argyropelecus hemigymnus habe ich in vorliegender Arbeit den Versuch gemacht, ein Bild von dem Gehirn und Kopfnervensystem von COyclothone acclinidens zu entwerfen. Dieser kleine, pelagisch lebende Tiefseeteleostier ge- langte erst durch die deutsche Tiefsee-Expedition zu allgemeinerer Kenntnis. Über sein Vorkommen wird Prof. Dr. BRAUER-Marburg in seiner Beschreibung der Tiefseefische genauere Angaben machen. Ich begann meine Untersuchung mit dem Gehirn dieses Fisches und fand, daß es in manchen Stücken erheblich vom normalen Knochenfischgehirne abweicht. Dann ging ich zur Betrachtung der aus dem Gehirn austretenden Nerven über und fertigte nach und nach auf dem Wege der Rekonstruktionsmethode aus Querschnitten die fünf schematischen Darstellungen vom Gehirn und dem Ursprunge und dem peripherischen Verlaufe der Kopfnerven an (Fig. 1—5). { WOLTERECK (Über die Entwicklung der Velella aus einer in der Tiefe vorkommenden Larve. Zoolog. Jahrbücher. Suppl. VII. 1904. S. 348 Anm. 2) fand Cyelothone mierodon und C. signata bei Villefranche schon unterhalb 600 m regelmäßig, wogegen Lo BIAnco C. microdon bei Capri erst unterhalb 1000 bis 1500 m antraf. Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone accelinidens. 603 Für die erste Anregung zu diesem interessanten Thema sei es mir an dieser Stelle gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Cuux, Direktor des zoologischen Instituts zu Leipzig, meinen ergebensten Dank auszusprechen, und gleichzeitig auch für die zahlreichen Ratschläge, mit denen er mir stets helfend zur Seite stand und für die liebenswürdige Freigebigkeit, mit welcher er mir bereitwilligst seine wertvollen Exemplare von der deutschen Tiefsee- Expedition 1898/99 zur freien Verfügung stellte. Dureh die freundliche Bestimmung des Untersuchungsmaterials hat mieh Herr Prof. Dr. Brauer-Marburg zu Danke verpflichtet. Es gereicht mir zur Freude, auch den Herren Assistenten des zoologischen Instituts, Herrn Prof. Dr. zur STRASSEN und Herm Privatdozenten Dr. WOLTERECK für das große Interesse, welches sie jederzeit meinen Arbeiten entgegengebracht haben, verbindlichst danken zu können. Material. Die verwandten Exemplare von Oyelothone acclinidens entstammten der deutschen Tiefsee-Expedition und waren zum größten Teile in Alkohol und Sublimat, einige wenige dagegen in Formol konserviert. Leider erwies sich das Untersuchungsmaterial nicht so tadellos er- halten, wie es wünschenswert gewesen wäre. Namentlich zeigte die äußere Hautdecke schadhafte Stellen, welche die histologische Unter- suchung wesentlich erschwerten und unmöglich machten. Dieses war um so bedauerlicher, als gerade bei Fischen und im Wasser leben- den Amphibien die Haut des Kopfes von einem interessanten System von Sinnesorganen durchzogen ist, von deren Beschreibung Abstand genommen werden mußte. Infolge der defekten Hautpartien gelang es nicht, die sich hier ausbreitenden sensiblen Facialisäste bis in ihr feinstes Endgebiet zu verfolgen. Methoden. Die Entkalkung der Exemplare machte mir anfangs einige Schwierigkeiten. Die Auflösung der zur Ablagerung gelangten Kalk- salze war zur Herstellung von möglichst untadeligen Schnittreihen für meine Arbeit von absoluter Notwendigkeit. Zur Entkalkung wurde zuerst !/,—1°/,ige Salpetersäure, dann 1%/,,—1%/,ige Salzsäure, beide in 70%/,igem Alkohol gelöst, verwandt; ferner wässerige Pikrinsäure. Die mit Salpeter- und Salzsäure be- handelten Objekte ergaben brauchbare Präparate, die mit wässeriger Morpholog. Jahrbuch. 32. 40 604 August Gierse Pikrinsäure entkalkten dagegen nicht. Die besten Schnittserien er- hielt ich mit Hilfe einer übersättigten Pikrinsäurelösung in 70%/,igem Alkohol. Die Schnitte wurden in bekannter Weise in einer Dieke von 7,,, 10, 15, 20 u angefertigt und aufgeklebt. Die Färbung der Schnitte wurde vorgenommen mit Pikrokarmin, Safranin, Hämalaun, Hämalaun-Orange G, Hämalaun-Eosin, Eisen- alaun-Hämatoxylin nach HEIDENHAIN und Hämatoxylin-Eosin. Vornehmlich erzielte ich durch die Anwendung der drei letzt- genannten Doppelfarbstoffe klare und geeignete Bilder. Die oft sehr schwachen Nervenstämmchen hoben sich deutlich von ihrer Umgebung ab und konnten gut verfolgt werden. So war ieh in der Lage, eine größere Anzahl von Sehnittserien herzustellen, welche zum größten Teil aus Querschnitten, zum Teil aus sagittalen (dorso-ventralen) Längsschnitten, zum Teil aus hori- zontalen oder bilateralen Längsschnitten bestehen. Diese drei Schnitt- arten erwiesen sich zur Beurteilung der architektonischen Verhält- nisse für ausreichend. Die Horizontalserien ermöglichen eine gute Vorstellung über die allgemeine Verteilung der Nerven und leisten somit gute Dienste bei dem Einführungsstudium, während sich zur Ermittelung der fei- neren Verhältnisse die Querschnittserien besser eignen. Die meisten Exemplare fanden zu Schnittserien Verwendung; einige wenige Gehirne präparierte ich unter der binokulären Lupe, was wegen der Kleinheit des Objekts mit Schwierigkeiten verknüpft war. Diese letzteren Exemplare wurden zuvor bis zu 10 Minuten in ein Gemisch von S0 Teilen Wasser, 12 Teilen Salpetersäure und 8 Teilen Glyzerin gebracht. Das Chondrocranium ließ sich dann mit großer Leichtigkeit entfernen. Gleiehwohl führt diese Methode nicht zu sicheren Resultaten: die Nerven sind meist schon an ihrer Ursprungsstelle abgerissen; ein Gleiches gilt von der Hypophysis cerebri, welche in der sog. Pituitargrube am Boden der Schädelhöhle liegt. Immerhin war ich einigermaßen imstande, durch Anwendung der Lupe eine verhältnis- mäßig gute Übersicht von der Topographie der einzelnen Hirnteile, namentlich in der Rücken- und Seitenansicht, zu erhalten, während mir die Verhältnisse der Bauchfläche des Hirns und vornehmlich die des Infundibularteils durch Abreißen des Hirnanhanges auf diese Weise nicht recht klar wurden. Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 605 Um ein klares Bild von dem Gehirn- und Kopfnervensystem dieses Teleostiers zu erhalten, benutzte ich die Rekonstruktions- methode nach kontinuierlichen Serien von Querschnitten. Die Schnitt- dicke betrug 20 «u. Ein Haupterfordernis bei der Rekonstruktion ist eine möglichst lückenlose Schnittserie von faltenlos aufgeklebten Schnitten. Zur besseren Gesamtvorstellung und zur Anfertigung naturge- treuer, plastischer Zeichnungen fertigte ich außerdem ein Plastiline- modell an, welches mir außerordentlich gute Dienste geleistet hat. I. Der Hirnschädel. Das Cranium cerebrale (Neurocranium GAuPpP) oder der Hirnschädel von Oyelothone acclinidens besteht ausschließ- lieh aus Knorpelgewebe. Dieses knorpelige Primordialeranium bleibt als einziger Repräsentant des Schädels zeitlebens erhalten, was im allgemeinen nur bei niederen Fischformen (Öyclostomen und Selachiern) der Fall ist, während sonst in der Tierreihe, und zwar namentlich bei den höheren Formen, der Knorpelschädel nur »die Rolle einer provisorischen, transitorischen Bildung während des Em- bryonallebens spielt« (GAupp, 1900, S. 867). Die Vollständigkeit des neuralen Craniums bei Oyelothone be- weist dessen primitiven Charakter. Auch das ganze Innenskelett dieses Teleostiers bildet ein sog. Primordialskelett, d. h. bleibt knorpelig. Knochengewebe ist nirgends vorhanden. Von einem Hautskelett kann ebenfalls keine Rede sein, da die Schuppenbildung vollständig fehlt. Über die Erhaltung des Primordialeraniums schreibt WIEDERSHEIM (1902, S. 90): »Der knorpelige Primordialschädel persistiert bei den meisten Teleostiern in großer Ausdehnung.« Bei Cyelothone hat sich der Knorpel in ungleich größerem Maße erhalten als bei den übrigen Knochenfischen. Denselben bemerkenswerten Befund machte HAnprıck (1901, S. 3) bei dem Tiefseeteleostier Ar- gyropelecus hemigymnus. Auch hier bauen sich Neurocranium und Wirbelsäule nur aus Knorpelgewebe auf. An dem Cranium aller Wirbeltiere, von den Selachiern aufwärts, lassen sich nach FÜRBRINGER (1896, S. 549) zwei Abschnitte unter- scheiden: das mit dem Nervus vagus abschließende Paläocranium und das die Oceipitalregion bildende Neoeranium. Ersteres um- schließt die paläocranialen oder cerebralen Nerven, die mit dem 40* 606 August Gierse Vago-accessorius ihren Abschluß finden, während letzteres die neo- cranialen oder spino-oceipitalen Nerven enthält (GAupr, 1897, S. 858). Das Neoeranium ist etwas dem Paläocranium prinzipiell Gegen- überstehendes (GAupP daselbst). Nach dem Vorgange SAGEMEHLS (1891, S. 526) kann man noch von einem protometameren und auximetameren Schädeltypus spre- chen; bei ersterem schließt das Cranium mit dem Nervus vagus ab, bei letzterem treten hinter dem Nervus vagus noch ein oder mehrere Nerven aus. Ein protometameres Cranium besitzen die Selachier und Amphibien in guter Ausbildung, die Teleostier, Holocephalen, Ganoiden, Dipnoer und Amnioten ein auximetameres (GAupPp, 1897, S. 858). Die Unterscheidung in Paläoeranium und Neocranium ist von fundamentaler Bedeutung, während zwischen Protometamerie und Auximetamerie kein direkter Gegensatz besteht, sondern nur ein zeitlicher und gradueller Unterschied (FÜRBRINGER, 1896, S. 549). Auf Grund der vorgetragenen Anschauungen kann das Cyelo- thone-Cranium als ein auximetameres Uranium (SAGEMEHL) angesehen werden, d. h. als ein Cranium, welches aus Paläocranium und auximetamerem Neocranium besteht, wie es den höheren Fischen und Amnioten eigen ist (GAupp, 1897, 8. 858). Das Neocranium ist durch sekundäre Angliederung und Ver- schmelzung von diskreten, der Wirbelsäule angehörenden Skelett- elementen an das eigentliche Paläoeranium entstanden (GAupp, 1897, S. 878, 1900, S. 874). »Die Zahl der sekundär assimilierten Wirbel ist bei Amzia und den Teleostiern auf mindestens drei zu bestimmen« (GAupp, 1897, S. 825, 865). Dasselbe findet man bei Cyelothone. HaxDrick (1901, 5.29) gibt dagegen auf Grund der letzten SAGEMEHL- schen Arbeit (1891, S. 528) nur zwei diskrete Wirbel an. Doch ist diese Anschauung irrig. Aufschluß über die Zahl der einverleibten Wirbelelemente können nur die neocranialen bzw. spino-oceipitalen Nerven geben. Der vordere Oeceipito-Spinalnerv des Argyropelecus (HANDRICK, 1901, S. 28) ist dem zweiten Oceipito-Spinalnerven FÜr- BRINCERS (os.b) homolog; er entspricht somit dem mittleren Nerven von Amia (b). Der erste oceipito-spinale Nerv (a bei Ami) ist bei Argyropelecus vollständig reduziert, und der hintere Oceipito-Spinal- nerv des Argyropelecus ist als dritter Oceipito-Spinalnerv im Sinne FÜRBRINGERS aufzufassen (HAnDrIck, 1901, S. 29 os.c). »Da aber SAGEMEHL selbst für Amia drei Wirbel nachgewiesen hat« (GAuPpPp, 1897, S. 825 Anm.), so handelt es sich bei Argyropelecus, Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyclothone acclinidens. 607 ebenso wie bei meinem Untersuchungsobjekte und andern Teleostiern, um drei sekundär assimilierte Wirbel. Die Schädelhöhle, das Cavum cranii, erstreckt sich bei Cy- elothone weit nach vorn zwischen den Orbitae hindurch bis in die Ethmoidalregion und kommt den Nasengruben sehr nahe. Auch WIEDERSHEIM (1902, S. 90) schreibt, daß die Schädelhöhle »in Form einer Röhre zwischen den Augen hindurch zur Ethmoidalregion« reichen kann. Ähnliche Verhältnisse wie bei Oyelothone findet SAGE- MEHL bei dem Characiniden COitharinus, während die Schädelhöhle bei den übrigen Characiniden mehr oder weniger weit in die Orbitae hineinragt, aber niemals bis in die unmittelbare Nähe der Nasen- sruben (SAGEMEHL, 1885, >. 29). Bei den Cypriniden erstreckt sich die interorbitale Fortsetzung des Cavum eranii im Gegensatz zu den Characiniden bis zwischen die Nasengruben (SAGEMEHL, 1891, S. 562). An dem Primordialeranium von Cyelothone haben Re- duktionen stattgefunden; es macht einen lückenhaften Eindruck. HerrwiG (1897, S. 459) bemerkt darüber: »Nur bei wenigen Fischen ist das Knorpeleranium vollkommen geschlossen; meist finden sich in ihm dorsale, zuweilen auch ventrale, nur von Bindegewebe ge- schlossene Lücken. « Die verbreitetste Defektbildung findet sich bei diesem Knochen- fisehehen an der Decke der Schädelhöhle; doch auch die Schädelbasis zeigt Lückenbildung, und gleichfalls die Seitenwände in der Orbital- region. In den Wandungen des knorpeligen Primordialera- niums von Oyclothone befinden sich insgesamt acht Lücken, und zwar vierim Dache, zwei an der Schädelbasis und zwei an den Seitenwänden in der Orbitalgegend. SAGEMEHL beschreibt in der Decke des Chondrocraniums bei den Charaeiniden (1885, S. 41) und bei den Cyprinoiden (1891, 5. 511) »zwei hintereinander liegende große Fenster«. Das vordere Schädel- dachfenster trennt eine Knorpelspange von dem hinteren. »Diese Knorpelspange (SAGEMEHL, 1885, S. 41) ist die Epiphysarspange, welche der vom Gehirn aus schräg nach oben und vorn aufsteigen- den Epiphyse zur Anheftung dient.« Auch bei Cyprinoiden inseriert das distale Ende der Epiphysis cerebri stets an diese Knorpelspange (SAGEMEHL, 1891, S. 511). Bei Argyropelecus findet Hanprıck (1901, S. 3) »vier große Lücken. Drei von diesen befinden sich im Dache und in den Seiten- wandungen, die vierte erstreckt sich als langer Spalt im Boden des 608 August Gierse Primordialeraniums entlang«. Die vordere dorsale Lücke ist die Pineallücke, »ein rundliches Foramen im Knorpel der Frontalgegend ; unter ihr liegt der Endteil der Epiphysen (HAnDkrick, 1901, 8. 3, 37). Die beiden größeren, hinteren dorsalen Lücken entsprechen der im Primordialeranium auftretenden Fontanelle, »die als einheitliche Öff- nung sich über den Scheitel des Craniums erstreckt« (HANDRICK, S. 3), dem hinteren Fenster im Schädeldach, welches SAGEMEHL bei den Characiniden und Cyprinoiden als eine Neubildung beschreibt, »welcher nichts bei niederen Formen Vorkommendes an die Seite gestellt werden kann« (SAGEMEHL, 1885, S. 42). Die dorsalen Lücken von Cyelothone sind einem Fenster mit zwei kleinen Oberlichtern und zwei großen unteren Fenstern ver- gleichbar. Die beiden vorderen Lücken im Schädeldach sind die kleinsten; sie sind ebenso wie die ungleich größeren hinteren Fen- ster durch je eine knorpelige Längsplatte voneinander (Fig. 10, 13, 16, 18,19; Zpl) und durch eine Knorpelquerspange von den letzteren getrennt. Diese Querplatte ist identisch mit der von SAGEMEHL (1885, S. 34) bei den Characiniden und (1891, S. 511) bei den Cy- prinoiden beschriebenen sog. Epiphysarspange, der Epiphysarleiste von Amia (SAGEMEHL, 1884, 8. 208). Sie dient auch bei Cyelothone zur Anheftung der Epiphysis cerebri. Die Epiphysarspange »findet sich konstant bei allen Teleostiern und repräsentiert in einzelnen Fällen den einzig übrig gebliebenen Teil der ursprünglichen Decke des Primordialschädels« (SAGEMEHL, 1884, S. 208). Außer dieser Epiphysarspange besitzt Cyelothone noch eine in der Medianebene verlaufende Knorpellängsspange (Figuren s. oben Zpl), welche auf der Epiphysarspange senkrecht steht und mit ihr ein etwas modifi- ziertes Fensterkreuz bildet. Hierdurch zerfallen die Defekte an der Decke der Schädelhöhle in vordere und hintere und je in eine korrespondierende gleiche rechte und linke Lücke. Die beiden vorderen, schmäleren und kürzeren »Fen- ster« des Schädeldaches treten bald nach Beginn der Schädel- höhle auf und verlaufen über das Dach schwanzwärts. Sie ent- sprechen wohl der unpaaren Öffnung im Knorpel der Frontalgegend für den Pinealapparat, dem sog. Foramen pineale bei Argyropelecus (HANDRICK, 1901, S. 3, 37), weisen aber keinerlei Beziehungen zu den Epiphysen bei Oyelothone auf. Der Epiphysenendteil dieses Teleostiers liegt vielmehr etwas distal von ihnen, dicht unterhalb der Epiphysarspange, welche die hintere Be- grenzung der beiden vorderen Fenster bildet. Dieselben Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyclothone acelinidens. 609 Verhältnisse schildert SAGEMEHL bei den Charaeiniden und Cypri- noiden. Das vordere Schädeldachfenster SAGEMEHLS steht ebenfalls in keiner Beziehung zur Epiphysis cerebri, wohl aber die Epiphysar- spange. »Wie bei den Characiniden, so besitzt diese Knorpelspange auch bei den Cyprinoiden ganz konstante Beziehungen zur Epiphysis cerebri, deren distales Ende sich an derselben inseriert« (SAGEMEHL, 1891, S. 511). SasemeHntn glaubt wohl an die Möglichkeit eines genetischen Zusammenhanges des vorderen Schädeldachfensters der Characiniden mit der Präfrontallücke im Schädeldach der Selachier (1885, $. 42), betont aber auch hier, daß die hintere knorpelige Be- grenzung dieser Lücke bei den Haien (S. 41) sich in bezug auf die Insertion der Epiphyse ähnlich wie die Epiphysarspange verhält. Die beiden hinteren, bedeutend breiteren und längeren Sehädeldachfenster von Cyelothone (Fig. 10, 13, 16, 18, 19; F) liegen zu beiden Seiten der den Scheitel entlang ziehenden Längs- platte (Zpl) und erstrecken sich caudalwärts über die Decke des Cavum eranii bis in die Gegend der hinteren Mittelhirnregion (Fig. 19). Sie entstehen dort, wo der Nervus optieus in die Schädelhöhle tritt, und nehmen von Schnitt zu Schnitt durch Auseinanderweichen der Knorpelränder an Breite zu, wie bei Durchmusterung der Sehnitt- serien von vorn nach hinten sehr schön beobachtet werden kann. In der Gegend des Vorderhirns erreichen sie ihren größten Durch- messer, nehmen vom Auftreten der Haubenganglien an allmählich wieder ab und finden ihr Ende in der hinteren Mittelbirnregion, wo sich der Stammteil des Hinterhirns zwischen die beiden Lobi optiei hineinstülpt. Hier haben sich die Knorpelränder in der Medianebene wieder vollkommen vereinigt. Die beiden vorderen Lücken im Schädeldach von Üy- clothone sind genetisch mit dem vorderen Fenster SAGE- MEHLS bei den Characiniden und Cyprinoiden, und die bei- den hinteren Lücken »mit d:r durch Reduktion des Pri- mordialeraniums bei Ganoiden und Teleostiern auftretenden sogenannten Fontanelle identisch, die als einheitliche Öffnung sich über den Scheitel des Craniums erstreckt« (HANDRICK, 1901, 8.3). Die beiden großen Schädeldachfenster SAGEMEHLs haben sich bei Oyelothone durch die Längsknorpelplatte in je ein rechtes und linkes geschieden. Bei Argyropelecus (HanDrick, 1901, 8. 3) ist zwar auch eine Längsplatte in der hinteren Lücke, doch ist die vordere noch ein einheitlicher Defekt. Aus dem Bestehenbleiben 610 August Gierse der knorpeligen Kreuzspange bei Cyelothone geht hervor, daß der Reduktionsprozeß am Primordialeranium dieses Fischehens bei weitem weniger weit fortgeschritten ist als bei andern Knochenfischen und auch bei Argyropelecus. Die Rückbildung scheint bei Cyelothone in der Decke der Schädel- höhle zu beginnen (GEGENBAUR, 1898, S. 344) und nicht »in den oberen Teilen der Seitenwandungen des Primordialeraniums«, wie bei Argyropelecus (HANDRICK, 1901, S. 3). Ein weit ausgedehnterer Reduktionsprozeß als bei Ar- gyropelecus hat sich an der Basis und den Seitenwänden des Primordialeraniums dieses Tiefseeteleostiers geltend gemacht. Es sind hier vier Defekte vorhanden. | Die beiden vorderen Lücken (Fig. 6) liegen in den Seiten- wandungen der Schädelhöhle im vordersten Teile der Orbitalregion. Sie nehmen gleich mit dem Beginn des intracraniellen Hohlraumes, wie die vorderen dorsalen Fenster, ihren Anfang, erstrecken sich aber bedeutend weiter schwanzwärts als diese. In dieser Gegend tritt sonst das Orbitosphenoid auf; es ist bei Cyelothone also reduziert. An seiner Stelle befinden sich zwei Knor- pellücken, welche mit einer Bindegewebsmembran überdacht sind. Ähnliche eigentümliche Verhältnisse schildert SAGEMEHL (1891, S. 562) bei den Cyprinoidengattungen Cobitis, Misgurus und Nemachilus; auch hier fehlt das Orbitosphenoid vollständig und wird durch binde- gewebige Membranen vertreten. Der größte Teil der lateralen Wan- dungen der Schädelhöhle in der Orbitalregion und das untere un- paare Interorbitalseptum wird somit bei diesen Fischen von Fascien gebildet. Im vorderen Abschnitt dieser beiden seitlichen ventralen Knorpel- lücken befindet sich bei Oyclothone ein Foramen in der Bindegewebs- membran zum Durchtritt für den N. olfactorius. Unmittelbar hinter diesen beiden Lücken, nur durch eine schmale Knorpelquerspange davon getrennt, folgt das unpaare, in der Me- dianebene liegende Opticusfenster (SAGEMEHL, 1885, 8. 97). Es entsteht durch Verschmelzung der beiden bei Amia und einigen niedrig organisierten Physostomen (Siluroiden) noch gesonderten Op- ticusfenster (SAGEMEHL, 1855, S. 67, 1891, S. 563), ist ähnlich wie bei den Charaeiniden >am Boden des hinteren Teils der interorbi- talen Fortsetzung der Schädelhöhle gelegen und öffnet sich direkt nach unten in die Orbitae« (SAGEMEHL, 1885, S. 67). Das Optieus- fenster wird bei Cyelotkone durch das Septum interorbitale, dem an Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyclothone acelinidens. 611 seiner Unterseite das Parasphenoid aufliegt, verdeckt. Vorn und seitlich von den Alisphenoidea und hinten von den Petrosa begrenzt, dient das Orbitalfenster den Sehnerven zum Durehtritt. — Etwas weiter schwanzwärts, auf der Grenze zwischen Orbital- und Laby- rinthregion, befindet sich ebenfalls in der Medianlinie die vierte Defektbildung an der Schädelbasis und bildet, wie bei den Charaeiniden (SAGEMEHL, 1885, S. 42), »eine in der Mittellinie zwi- schen den beiden Ossa petrosa verlaufende Längsspalte«, welche länger als das Opticusfenster ist und durch eine knorpelige Quer- platte von demselben getrennt wird. Dieses Fenster, welches auch HAnDrick bei Argyropelecus fand (1901, S. 4), ist identisch mit der »Pituitargrube«, dem Hypophysarfenster von Amia (WIEDERSHEIM, 1898, S. 66, 1902, S. 81; SAGEMEHL, 1885, S. 42). Die Pituitargrube von Oyelothone (Fig. 10, 13; Pg) wird vom Para- sphenoid (Ps) verdeckt. Letzteres ist ein langgestreckter und flacher Knorpelstreif und verläuft in der Mittellinie an dem Dache der Mundhöhle. In den Anfangsteil der Hypophysargrube ragt noch ein Ausläufer des Septum interorbitale hinein (Fig. 10 Js) und erreicht dort, sich verjüngend, sein Ende. An der Unterseite dieses Inier- orbitalseptums befindet sich mit demselben verwachsen das Para- sphenoid (Fig. 10 Js, Ps). In der Pituitargrube liegt bei diesem Knochenfischchen die Hypophysis cerebri, im Gegensatz zu der Behauptung GAUPPs (1900, 5. 939): »Am Boden des Primordialeraniums von Amia sowie der Teleostier findet sich in der Orbitalregion eine Lücke, die ihrer allgemeinen Lage nach dem bei vielen Wirbeltierschädeln vorhan- denen Hypophysarfenster entspricht, doch aber nicht die Hypophyse enthält, sondern vielmehr am Boden eines vom Hauptraum des Ca- vum eranii abgetrennten Nebenraumes, des Augenmuskelkanals liegt.« Bei Oyelothone ist ein Augenmuskelkanal nicht ausge- bildet (vgl. S. 614, 615). Die Pituitargrube mit der Hypophyse (Fig. 13 Pg, Ay) liegt unmittelbar am Schädelhöhlenboden. Die ge- nauere Beschreibung dieser Verhältnisse findet bei der Besprechung der Hypophysis cerebri (vgl. S. 628, 629) ihre Berücksichtigung. Die außer diesen Lücken im Knorpeleranium von Oyelothone noch vorkommenden Öffnungen für Nerven und Blutgefäße werden bei der Beschreibung des peripherischen Nervensystems erwähnt. Sämtliche acht Knorpellücken im Neurocranium dieses kleinen Teleostiers sind durch Bindegewebsmembranen geschlossen (HERTWIG, 1897, 8. 459; HAnNDRIcK, 1901, S. 4). Die vier dorsalen Lücken, 612 August Gierse sowie das Dach und die Seitenwände des Primordialeraniums, soweit sie nicht von Muskulatur bedeckt sind, werden von einer auf dem äußeren Perichondrium gelegenen sog. »harten, modifizierten Binde- sewebsmembran« (HANDRIcK, 1901, S. 4) überzogen, während die Pituitargrube, das Opticusfenster und die beiden Lücken in den Seitenwänden der Orbitalregion von typischem Bindegewebe über- dacht sind (Fig. 6, 10, 13, 16, 18, 19; F, Pg). Für die Gestaltung des Neurocraniums und die Begren- zung des Cavum cranii sowie die Konfiguration der sekun- där um dasselbe herum sich bildenden Skelettmassen ist das frühzeitige Auftreten der drei höheren Sinnesorgane von Ausschlag gebender Bedeutung, während das: Gehirn so gut wie keinen Einfluß darauf ausübt; es füllt die Schä- delhöhle bei weitem nicht aus. Dieses ist auch bei andern Teleostiern der Fall, z. B. Argyropelecus (HANDRIcK, 1904, 8.4; WIEDERSHEIM, 1902, S. 223). Die Schädelhöhle beginnt schon weit vor dem Vorderhirn in der Ethmoidalregion (vgl. S. 607) und nimmt nach hinten stets an Weite zu. Schon in der Gegend des Vorderhirns hat der Schädelraum eine beträchtliche Größe, erweitert sich schwanzwärts mehr und mehr, bis er in der Mittelhirnregion sein Maximum erreicht. Dieses wird bis in die Gegend des Nachhirns beibehalten, wo dann die Aus- dehnung allmählich wieder abnimmt (Fig. 6, 8, 10, 13, 16, 18, 19, 20, 21, 23, 24, 25). Der Grund für die mächtige Erweiterung der Schädelhöhle ist in den hier liegenden »monströs entwickelten Gehörorganen« zu suchen. HANDRIick (1901, S. 4) verzeichnet denselben Befund von Argyropelecus: »Dieser hintere Teil des Craniums wird noch mehr durch große Ausbuchtungen seiner Seitenwandungen und des Bodens vergrößert, die dazu bestimmt sind, Teile des Labyrinths zu beher- bergen. Auch bei andern Fischen treffen wir dieserhalb Ausbuch- tungen in den Seitenwandungen des Craniums an, jedoch nirgends in der Weise, wie sie bei Argyropelecus zu finden sind.« Die kräftig entwickelten Gehörapparate meines Tiefseefisches kommen denen von Argyropelecus in Beziehung auf die Breitenaus- dehnung mindestens gleich, wenn sie dieselben nicht zum Teil über- treffen. Anders dagegen verhalten sich bei Argyropeleeus die beiden Sacculi und die beiden kleinen Lagenae, welche ganz besonders umfangreiche Ausbuchtungen im Boden des Argyropelecus-Craniums hervorgerufen haben (HANDrick, 1901, 8. 4; Fig. 9—11 Sa, La). Bei Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acelinidens. 613 Cyelothone ist es noch nicht zu einer Differenzierung des Saecculus in eine Lagena gekommen wie bei Chimaera (WIE- DERSHEIM, 1902, S. 321 Anm.). Gleichwohl zeichnen sich diese beiden Tiefseeknochenfischehen durch mächtig entfaltete Gehörapparate aus. In den craniellen Hohlraum von der Innenwand aus ragen Knorpelbögen hinein (Fig. 19 And), wie auch HanDrıck für Argyro- pelecus feststellt (1901, S. 4). Er unterscheidet drei Knorpelbögen auf jeder Seite und erblickt in dem Auftreten derselben die ersten Anfänge eines knorpeligen Labyrinths (1901, S. 51). »Unter je einem Knorpelbogen zieht ein Bogengang des Gehörorgans darunter hinweg« (HAnDrick, 1901, S. 4). An dem Gehörorgane von Cycelothone ist der Utrieulus (U) mit seinen drei Bogengängen (V.B, A.B, H.B) und der Sacculus (8) wohl zu erkennen (Fig. 16, 18, 19, 20, 21, 23, 24, 25). Die Sinnes- organe finden sich wie bei andern Fischen, und zwar im Utrieulus und Saceulus »Maculae acusticae« mit zwei ungleich großen Oto- lithen, von denen der größte im Saceulus liegt (Fig. 25 o), während in den drei Bogengängen »Üristae acusticae« ausgebildet sind. Eine Lagena fehlt, wie schon bemerkt ist. Eine »Macula acustica neg- leeta« traf ich in einem Falle sehr rudimentär an (Fig. 24 mn). Die Innervation wird bei Besprechung des Nervus acusticus erörtert, Von einer eingehenden Schilderung des Gehörapparates kann abgesehen werden, da weitere Abweichungen von der Norm nicht zu verzeichnen sind. Die Schädelhöhle erstreckt sich, wie schon S. 607 angegeben, zwischen den Orbitae nach vorn bis in die hintere Ethmoidalgegend. Die beiderseitigen Orbitae werden durch diese interorbitale Fort- setzung des Schädelraumes in ihrem oberen Abschnitt voneinander getrennt. Von dem interorbitalen Teile der Schädelhöhle zieht ein kräftig entwickeltes Septum interorbitale zum Parasphenoid herab und bildet im unteren Abschnitt zwischen den beiden Orbitae eine unpaare vertikale Scheidewand (Fig. 6, 8; Js, Ps). Ähnliche Ver- hältnisse schildert SAGEMEHL für die Familie der Cyprinoiden (1891, S. 562). Die Ausbildung eines Interorbitalseptums kommt bei den Charaeiniden und vielen andern Teleostiern vor und ist eine ver- schiedene; sie hängt von der größeren Entwicklung der Augen ab (GAupp, 1900, S. 938) und ist ziemlich proportional der Höhe der beiden Orbitae (SAGEMEHL, 1891, S. 562). Das stark ausgebildete Septum interorbitale verläuft bei Cyelothone 614 August Gierse allmählich sich verjüngend, nach hinten und endet im vorderen Ab- schnitt der Hypophysargrube (vgl. S. 611). An seiner ventralen Seite, der Mundhöhle zugekehrt, liegt fest mit demselben verbunden das Parasphenoid. Hierüber sagt SAGEMEHL (1891, 5. 591): »In seltenen Fällen gewinnt dieser Teil des Parasphenoids« — gemeint ist der schmale, zwischen den Orbitae gelegene Teil desselben — »Be- ziehungen zu dem bei vielen Cyprinoiden entwickelten unpaaren Interorbitalseptum und nimmt zusammen mit dem Orbitosphenoid an der Bildung desselben teil.«c Dieses ist bei einigen exotischen Bar- bus-Arten und besonders schön bei Amblyrhynchichthys zu beobachten. Die Orbitae von COyclothone werden oben durch das vom Fron- tale gebildete Orbitaldach, nach vorn und hinten von den Prä- und Postorbitalfortsätzen gut begrenzt. Am Boden derselben hat aller- dings eine Reduktion der knorpeligen Begrenzung stattgefunden; derselbe wird nicht mehr von den eigentlichen Schädelknochen bzw. Schädelknorpeln, sondern von denjenigen des Palatinbogens und zum Teil noch von der Schleimhaut des Daches der Mundhöhle gebildet. Einen ähnlichen Befund teilt SAGEMEHL bei den Cyprinoiden mit reduziertem Bulbus oculi mit (1891, S. 562). Hier wird der Boden der Augenhöhle von den Knochen des Palatingürtels und von dem sich wie ein Diaphragma zwischen Mundhöhle und Auge aus- spannenden Musculus adductor palati hergestellt. Die Knorpel der Orbitalgegend erfahren dadurch eine bedeu- tende Veränderung, daß sich »die Ursprünge gerader Augenmuskeln an der Orbitalwand in den Schädel einsenken und Teile des letzteren zum Schwunde bringen« (GEGENBAUR, 1898, S. 348). Dasselbe gilt bei Cyelothone auch für die schiefen Augenmuskeln. Die beiden Obliqui verlaufen jederseits, nach vorn konvergierend, bis sie in der Mittellinie unter und zwischen den beiden Präfrontalia, von denen sie entspringen, fast miteinander in Berührung kommen. Sehr auffallend tritt das Verdrängen und teilweise Schwinden des Interorbitalseptums durch den Musculus rectus internus bei meinem Objekte zutage, was bei der Entstehung des Optieusfensters eine hervorragende Rolle spielt. »Ein bei manchen Teleostiern auftretender, von der Orbita schräg nach hinten einwärts verlaufender und mit der Längsachse der Basis eranii einen spitzen Winkel erzeugender Kanal, der die Augenmuskeln umschließt« (WIEDERSHEIM, 1902, S. 91), ein sog. Augenmuskelkanal, fehlt bei Oyelothone vollkommen. Da- durch bekundet Oyclothone ein primitives Verhalten gegenüber andern Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens.. 615 Knochenfischen. Die Augenmuskeln entspringen sämtlich in der Orbita. Bei dem Tiefseefischehen Argyropelecus dagegen ist ein wohl ausgebildeter Augenmuskelkanal vorhanden (HanDrıck, 1901, S. 5). SAGEMEHL findet ebenfalls einen in den meisten Fällen gut ent- wiekelten Augenmuskelkanal bei den Cyprinoiden und Characiniden (1891, S. 574, 576). Bei den mit großen Augen versehenen Cypri- noidengattungen ist er stets beobachtet, dagegen scheint er bei Co- bitus, Misgurus, Nemachilus, Acanthophthalmus und Homaloptera ru- dimentär geworden zu sein und enthält keine Augenmuskeln mehr. »Diese Gattungen besitzen alle nur sehr kleine Augen« (SAGEMEHL, 1891, 8. 496). Die Entwicklung des Augenmuskelkanals wird somit wohl von der Ausbildung der Augen beeinflußt, was auch für Argyropelecus und COyelothone zutrifft. Ersterer hat exzessiv ausgebildete Augen, dem entsprechende Sehnerven und einen Augenmuskelkanal, letzterer besitzt relativ kleine Augen und gleiche Nn. optici. Der Augen- muskelkanal fehlt. Das Neuroeranium wird auf seiner Innenfläche von einer Binde- sewebsmembran ausgekleidet, welche als Perichondrium die Ernäh- rung des Knorpels übernimmt. Die das Gehirn und seine Anhangs- gebilde umhüllende Membran, die sog. »Meninx primitiva« (WIEDERS- HEIM), besteht aus lockerem Bindegewebe, ist sehr blutreich und als die Ernährerin des Gehirns zu betrachten. Die Differenzierung einer Arachnoidea bzw. eines Subarachnoidealraumes ist hier wie auch bei Amphibien und Sauropsiden noch nicht erfolgt (WIEDERSHEIM, 1902, S. 205). Es liegen übrigens, wie WIEDERSHEIM daselbst mitteilt, über die Phylogenie und Ontogenie der Hüllmembranen des Gehirns noch keine endgültigen Resultate vor. Der ganze übrige Hohlraum des Craniums ist, so weit er nicht vom Gehirn und den Gehörorganen eingenommen wird, von fein- faserigem Bindegewebe erfüllt, welches von Blutcapillaren und Ner- venfädehen durchzogen wird (vgl. Hanpkrick, 1901, 8. 4). II. Das Gehirn und seine Anhangsgebilde. Der langgestreckten Kopfform von Cycelothone acelini- dens entspricht ein langes und schmales Gehirn. Dieses füllt die Schädelhöhle bei weitem nicht aus und hat keinen unmittelbaren Einfluß auf die Gestaltung des Neurocraniums 616 August Gierse (vgl. S. 612). Vielmehr hat die gewaltige Entwicklung der Ge- hörapparate darauf eingewirkt und auch den vom Physo- stomengehirn abweichenden Bau des Oycelothone-Hirns ver- ursacht. »Da die Gehörorgane den Raum um die Medulla oblongata herum vollständig einnehmen, so äußert sich diese mächtige Aus- breitung auf das Gehirn teils in der Zusammenschiebung der Hinter- hirnregion, teils in Verschiebungen der im Bereiche der Gehörorgane liegenden Nervenwurzeln« (HANDRICK, 1901, 8. 6). Auf diese Weise erklärt sich die Verschmelzung der Wurzeln des Nervus facialis und acustieus, des Nervus glossopharyngeus und lateralis, des Nervus lateralis und vagus und die Verwachsung der Ganglien des Nervus trigeminus und Nervus facialis zu einem ein- zigen Ganglion. Ihre genauere Besehreibung findet bei der Erörte- rung dieser Nerven ihre Stelle. Das Vorderhirn (Teleneephalon, Prosencephalon, Hemisphären, sekundäres Vorderhirn). Bei der Betrachtung von oben fällt das Vorderhirn von Cy- clothone durch seine geringe und unansehnliche Entwick- lung gegenüber den andern Hirnabschnitten auf. Die Be- schreibung Hanwprıcks (1901, S. 6) von dem Vorderhirn des Argyro- pelecus trifft auch hier zu: »Lobuläre Anschwellungen lassen sich bei der Betrachtung mit der Lupe so gut wie gar nicht erkennen. Es erscheint vielmehr als ein gleichmäßig sich nach vorn verjün- sendes Gebilde, dessen vorderer Teil, nach abwärts steil abfallend, in die Nn. olfactorü (o/) übergeht« (Fig. 1, 2, 3; V.H). Ein Unterschied jedoch zeigt sich: Das Vorderhirn von Cyelothone ist weit weniger voluminös als das des Argyropelecus (HANDRICK, 1901, Taf. II Fig. 1). An der hinteren Grenze des Vorderhirns, dort, wo es in das Zwischenhirn übergeht, treten bei Cyelothone zwei rundliche Hervor- wölbungen an der Dorsalfläche hervor; es sind die Ganglia ha- benulae (Fig. 1 Gh). Nach vorn heftet sich an die Haubenganglien eine Epithellamelle, welche die Decke des Vorderhirns abgibt. Letzteres zerfällt auch bei C'yclothone in die paarigen, stark verdickten Stammlappen, Basalganglien oder Corpora striata und das diese überdeckende epitheliale Hirndach (Fig. 12, 13, 14, 15; Ost, Pa), welches aus einer einfachen Epithellage gebildet und von der Pia mater überzogen wird. Der Hirnmantel entspringt aus den dorso-lateralen Rändern der Streifenhügel und wölbt sieh über den Ventrieulus communis (V.e). Der dorsalen Oberfläche des Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyclothone acclinidens. 617 Palliums liegt der proximale Abschnitt des Pinealorgans auf. Der unpaare Hohlraum des Vorderhirns (WV.e) bildet eine direkte Fortsetzung des Ventrieulus tertius, wird zum größten Teile von den stark entwickelten Stammloben ausgefüllt und zeigt bei diesem Te- leostier außerordentlich’ interessante Verhältnisse, welche gleich hier kurz erwähnt werden sollen. Der Vorderhirnventrikel zieht sich schlauchföürmig nach vorn aus bis in den vordersten Teil der Schädelhöhle und überragt das Gehirn um ein Be- trächtliches. Dieser sehr weit peripheriewärts ausgestülpte Ventrieulus communis stellt das Parapinealorgan von Ü'y- clothone dar (Fig. 1,3; E”). Die Basalganglien sind durch die Commissura interlobularis seu anterior untereinander verbunden und dienen den Peduneuli cerebri zum Ursprung, welche durch das Zwischenhirn und Mittelhirn spinal- wärts laufen (Fig. 14 c.a). Mundwärts gehen die Corpora striata, sich gleichmäßig verjün- gend, kontinuierlich in die kleinen und unbedeutenden Bulbi ol- faetorii über, ohne daß es möglich wäre, eine scharfe Grenze an- zugeben (Fig. 11 Bol). Die Riechlappen liegen unmittelbar vor den Stammlappen und sind solide Gebilde. Oyelothone gehört also in Beziehung auf das Verhalten der Riechlappen zum Vorderhirn, wie die größte Mehrzahl der Knochen- fische, dem »Salmonidtypus« an (RABL-RÜCKHARD, 1883, 5.297). Die dünnen und sehr langen Riechnerven entspringen lateral, vorn und: unten aus den Bulbi olfactorii (Fig. 1, 3; 02) und legen bis zu ihrem Austritt aus der Schädelhöhle noch einen langen Weg in derselben zurück. Das Zwischenhirn (Diencephalon, Thalamencephalon, Thalamus, Lobus optieus, primäres Vorderhirn). Im allgemeinen ist das Zwischenhirn bei den Teleostiern zwi- schen Vorder- und Mittelhirn in die Tiefe gerückt und infolge seiner versteckten Lage »von außen kaum je gut sichtbar« (EDINGEr, 1900, 8. 135); bei Oyelothone dagegen tritt es frei und unbedeckt zutage und ist auch auf der Dorsalfläche zwischen Vorder- und Mittelhirn deutlich erkennbar (Fig. 1, 3; Z.Z). StıepA (1873, S. 446) sagt hierüber: »den darauf — er meint das Vorderhirn — folgenden Teil, welcher bei den meisten Knochen- fischen von den Lobi optieci bedeckt ist (z. B. Esox lue.), bei andern Knochenfischen (Polypterus bichir) und bei Knorpelfischen aber frei 618 August Gierse und unbedeckt ist, welchen BaEr als Zwischenhirn, JOH. MÜLLER als Lobus ventrieuli tertii auffaßt, nennt GEGENBAUR »eine Längs- kommissur — eine Verbindung mit dem Vorderhirn«. Man kann an dem Zwischenhirn von Oyelothone nach dem Vor- gange EDINGERS (1900, S. 136) die im wesentlichen bei allen Tieren nachweisbaren drei Abschnitte: einen dorsalen, den sog. Epithala- mus, einen ventralen, sog. Hypothalamus, und zwischen beiden den eigentlichen Thalamus auseinanderhalten. Der Epithalamus von Cyelothone weicht durch seine offene Lage von dem normalen Verhalten ab. Er beginnt mit dem Auftreten der Habenularganglien (Fig. 1,3; G%), den »Eigenganglien des Epithalamus« (EpInGEr, 1900, S. 140) oder Tubereula intermedia GoTTScHES (1835, S. 455). Die Haubenganglien befinden sich also in weit vorgerückter Lage, am Vorderende des Epithala- mus, während sie im allgemeinen weiter nach hinten liegen, »am hinteren Seitenrand der dorsalen Zone« des Zwischenhirns (WIEDERE- HEIM, 1902, S. 211; AHLBORN, 1883, S. 228; HALLER, B., 1898, Bd. 26, Taf. XVI Fig. 41 [Salmo fario) gh). Auch bei Argyropelecus be- stehen die Tubercula intermedia aus zwei »asymmetrischen Gebilden (Taf. IV Fig. 7 G%), die, nach hinten und unten zwischen den Lobi optiei verlaufend, in die Thalami übergehen« (HANDRICK, 1901, S. 7). Es handelt sich bei diesem Tiefseefischehen um zwei paarige rundliche Gebilde, welche medial miteinander durch die nach Epın- GER (1900, S. 141) stets vorhandene Habenularkommissur verbunden sind und dem Zwischenhirn dorsal aufliegen (Fig. 15 GA, ch). Be- züglich ihrer Ausbildung konnte ich bei zehn Exemplaren von Cy- clothone acclinidens verschiedene Resultate ermitteln. Bei zwei Exem- plaren war das linke Ganglion habenulae stärker entwickelt als das rechte, bei weiteren zwei Tieren waren beide Ganglien einander ungefähr gleich, während die andern sechs deutliche Asymmetrie zeigten, indem das rechte Ganglion sich stärker entfaltet erwies als das linke. — Auf der dorsalen Gehirnansicht (Fig. 1 G%) habe ich mir erlaubt, den mittleren Fall darzustellen. — Es kommen bei Cyelothone also alle drei Möglichkeiten vor, doch überwiegt die Asymmetrie, und zwar mit stärkerem Ganglion dextrum habenulae. HANDRICK (1901, S. 7) findet bei Argyropelecus konstant Asymmetrie mit stär- kerem rechten Ganglion, wohingegen HALLER (B., 1898, Bd. 26, 5. 574) die Behauptung aufstellt, daß nach seinen Erfahrungen bei Knochenfischen eine Asymmetrie nicht vorkomme, sondern durchaus symmetrische Verhältnisse, wie bei den Salmoniden. Bei adulten Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Öyelothone acclinidens.. 619 Knochenfischen teilt auch GORONOWITScH (1888, S. 442) diese Ansicht. Er fährt dann fort: »Es ist aber von Interesse zu notieren, daß ich bei Salmonidenembryonen die Anlage des rechten Ganglions in einem gewissen Stadium immer größer fand als die Anlage des linken. Es hat sich also im embryonalen Zustande des Gehirns der Knochenfische dieser primitive Charakter erhalten.< Dieses gilt für Cyelothone zeitlebens. AHLBORN (1883, S. 227) bei Petromyzon, GORONOWITSCH (1888, S. 436) bei Acipenser und Amia (S. 442), EDINGEr (1900, S. 140) bei vielen niederen Vertebraten treten für Asymmetrie der Habenular- ganglien ein. Dem stärkeren Ganglion habenulae dextrum von Üyelo- thone liegt dieht neben der Mediane der kölbehenförmig angeschwollene proximale Endteil des Pinealorgans auf, welcher sich dann in der Substanz dieses Ganglions ver- liert (Fig. 14 E’st, Gh). Es dient also dem Pinealorgan, der eigent- lichen Epiphysis cerebri, als Unterlage; man kann es daher mit AHLBORN (1883, S. 229) als »Zirbelpolster« bezeichnen. Diese Be- zeichnung im AHLBORNSchen Sinne ist jedoch nicht mit dem zu ver- wechseln, was man neuerdings unter diesem Namen versteht (GAuPpr, 1898, S. 231). Die Vermutung, daß die stärkere Entwicklung des rechten Ganglion habenulae in irgendwelchem Zusammenhange mit der verdickten Pars proximalis des Pinealorgans steht, ist wohl nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Die Haubenganglien verlaufen nach hinten und verschmelzen mit der übrigen Masse des Zwischenhirns ohne scharfe Abgrenzung (Fig. 1). Das Zwischenhirn setzt sich nunmehr, an Höhen- und Breiten- dimension zunehmend, gegen das Mittelhirn fort, wobei seine dor- sale Oberfläche anfangs eine schwache Wölbung aufweist, welche aber bald in der dorsalen hinteren Region des Epithalamus einer tief ein- schneidenden medianen Längsfissur Platz macht. Diese ruft eine deutliche Zweiteilung am Endabschnitt des Epithalamus hervor und setzt sich auf das Tectum mesencephali fort, dasselbe in zwei sym- metrische Hälften zerlegend (Fig. 1 Z.4,M.H). Das Mittelhirn grenzt sich durch Hervorwölbung seines Daches deutlich von dem vor ihm liegenden Diencephalon ab. Die Epiphysen. Der Pinealapparat von C'ycelothone besteht, ähnlich wie bei Argyropelecus (HANDRICK, 1901, S. 41) und bei Peiromyzon (AHLBORN, Morpholog. Jahrbuch. 32. 41 620 August Gierse 1883, 5. 232), aus zwei selbständigen Epiphysen, welche wäh- rend ihres ganzen Verlaufes unmittelbar aufeinander liegen (Fig. 1, 3; E', E’). Das obere Gebilde, welches der eigentlichen Epi- physis eerebri entspricht, nenne ich mit HAnprick (1901, 8. 37 ff.) Pineal- und das untere Parapinealorgan. Der ganze Pinealapparat ist außerordentlich in die Länge gezogen und überragt das Vorderende des Gehirns um eine große Strecke, ein Verhalten, was wir namentlich bei der Epiphyse der Selachier ausgeprägt finden (bei den Haifischen GAupP, 1898, S. 236; Zeichnungen von CATTIE, 1882, Pl. IV Fig. 8). EHLErs (1878) war der erste, welcher über die Zirbel bei den Haien und Rochen, und zwar Acanthias und Raja, sorgfältige und genaue Angaben machte. In bezug auf die lange Ausdehnung und die sehr weit peripheriewärts vorgeschobene Lage der Zirbel ist sie dem Pinealapparate von COyelothone ähnlich. Bei den Knochenfischen Callichthys (asper und littoralis) beschreibt KLInckKowsTtrRöm (1893) eine sehr lang ausgezogene Zirbel. Vergleicht man seine Abbildung (1893, Fig. 3a, 8. 563) von Callichthys asper mit meinen Zeichnun- gen Fig. 8, 9, so bemerkt man in Beziehung auf die Lage zu den Nn. olfactorii ganz ähnliche Zirbelverhältnisse. Allerdings besitzt Callichthys kein Parapinealorgan, und weist auch in bezug auf die Lage des Zirbelendstückes Verschiedenheiten auf, welche weiter unten genauer besprochen werden. Die Epiphysen treten bei Oyelothone an dem Vorderende des Gehirns in der Medianlinie frei hervor und durchsetzen zusammen mit den Riechnerven und eine kurze Strecke auch noch mit den Sehnerven (Fig. 3 o/, op) den vorderen Schädelraum, in schwachem Bogen nach vorn oben zum Schädeldach aufsteigend, um dort, weit vor dem Vorderhirn, mit ihren distalen Endteilen (Z’, E’) dieht unter dem Gewölbe des Craniums abzuschließen. Beide Gebilde werden in ihrer ganzen Ausdehnung von einer eng anliegenden Ausstülpung der Gehirnhaut umhüllt, welche sich auch auf die Nervi olfaetorii ausbreitet. Das Pinealorgan von Oyelothone, die eigentliche Zirbel, Glan- dula pinealis, ist viel weniger entfaltet als bei Argyropelecus (HAn- DRICK, 1901, Taf. Il Fig. 1 E, Taf. IV Fig. 12 E). Es entspringt mit einer kölbehenförmigen Anschwellung dieht neben der Mittellinie auf dem rechten Ganglion habenulae (vgl. S. 619) und hat, wie die Haubenganglien, eine weit nach vorn ge- rückte Lage (S. 618). Bezüglich der Verschiebung des Pinealorgans Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 691 nach vorn trifft für O'yelothone die Beschreibung von Frrrsch (1878, S. 19) zu: »Die Vergleiehung der Lagerungsverhältnisse ergibt, daß die Zirbel unter dem Einflusse der vorwärts gerichteten Streekung des Medullarrohres steht und den rudimentären Hemisphären benach- bart bleibt, anstatt auf das Mittelhirn zurückgedrängt zu werden, wie beim Säugetier (S. 20). Sie — gemeint ist die Zirbel der Kno- chenfische — bezeichnet gewissermaßen die Grenzmarke zwischen dem Vorder- und Zwischenhirn.< Nach der allgemeinen Anschauung dagegen liegt sonst die Zirbel auf der Grenze zwischen Mittel- und Zwischenhirn, unmittelbar vor der Commissura posterior und unmittel- bar hinter den Habenularganglien (HALLER, B., 1898, Bd. 26, S. 569). Man kann an dem Pinealorgane von Oyelothone drei Abschnitte unterscheiden: eine proximale oder cerebrale, eine mediale oder mittlere (Parsintermedia) und endlich eine distale oder, weil an das Schädeldach angeschlossen, eranielle Strecke (Enters, 1878). Der Stiel des Pinealorgans (Fig. 1 E’st) geht aus dem kölb- chenförmig angeschwollenen proximalen Ende desselben (Fig. 14 E’st) als dünner, fadenförmiger solider Strang hervor, liegtin seinem proximalen Abschnitt unmittelbar dem Großhirnmantel auf (vgl. S. 617) und verläuft in der Mittellinie nach vorn. In seinem mittleren Teile zieht er dicht über dem Parapinealschlauch (S. 624), allmählich ein wenig nach rechts abweichend, nach vorn und oben, um schließ- lich in den verdickten, sog. distalen Endteil (Z’) überzugehen (Fig. 1, 6, 8, 9—12, 13, 14; E', E’st, E'nd). Letzterer hat die Gestalt einer plattgedrückten Birne und heftet sich an die Innen- seite des Schädeldaches an, dort, wo die Epiphysarspange (vgl. S. 608) liegt. Dieselben Insertionsverhältnisse für die Epi- physe findet SAGEMEHL bei den Characiniden und Cyprinoiden (1891, 5. 511). Nach seiner Angabe (1885, S. 41, 42) weist auch die hintere knorpelige Begrenzung der Präfrontallücke bei den Haifischen ein ähnliches Verhalten wie die Epiphysarspange auf. Gaupp (1898, S. 236) führt aus, daß bei den verschiedenen Selachierformen die Lage des verdiekten Endstückes »nicht ganz gleichartig« ist. »Bei Raja und Scyllium liegt die Pars cranialis im Gebiete der Präfron- tallücke«, und zwar bei Rajya sogar extracraniell; bei den andern untersuchten Haien dagegen intraeraniell, und zwar in einem hinter der Präfrontallücke gelegenen besonderen Foramen des Schädel- knorpels. Sowohl ein Foramen pineale (GAuPpPp, 1898, S. 240) als auch eine Grube im Primordialeranium der Plagiostomen geben 41* 622 August Gierse EHLers (1878, S. 612, 613) und Carrie (1882, 5. 166, 167) an. Eine Öffnung oder eine Grube im Schädeldache für das Pinealorgan scheint überhaupt bei den Fischen ziemlich verbreitet zu sein. Die Siluriden besitzen nach KLincKkowsTRöm (1893, S. 561, 562) ein solches Foramen, ferner Oallichthys (asper und hittoralis) ein statt- liches Pinealloch. CArrıze macht aufmerksam auf das Vorhandensein einer Grube des knorpeligen Schädeldaches bei Esoz lueius, Alausa vulgaris und Trutta salar, während die Epiphyse bei Gadiden und Lota nur der Innenfläche des Schädeldaches anliegt; bei Tinca vul- garis findet er ebenfalls keine Pineallücke (1882, 5. 152). RaBr- RÜCKHARD (1883, S. 283) beschreibt für das Pinealorgan von Trutta fario »eine Vertiefung des knorpeligen Teils des Frontale«, Hırı (1894, S. 248) eine solche bei Salmo purpuratus. BURCKHARDT (1892) konstatiert bei Protopterus eine durch das Frontoparietale verdeckte Lücke im Chondrocranium, GORONOWITSCH (1888, S. 435) und CATTIE (1882, S. 139) schildern bei Acipenser eine Nische im Knorpeleranium für das verbreiterte Epiphysenendstück. Der plattbirnenförmige Endteil des Pinealorgans bei COyclothone hat stets dieselbe enge Lagebeziehung zu dem Parapinealorgan; er liegt demselben mit seiner etwas kon- kaven Fläche unmittelbar fest auf und greift mit seinen Rändern etwas über, während er seine leicht konvexe Öber- fläche der Epiphysarspange zukehrt (Fig. 6, 7; E’nd). Diese enge Übereinanderlagerung, wie sie sich im distalen Endteile der beiden Epiphysen bemerkbar macht, wird während ihres ganzen Verlaufes, also auch in der Pars intermedia und proximalis, bei- behalten. Was den histologischen Bau des pinealen Endstückes betrifft, so hat »das Gewebe des Pinealorgans den Charakter des Nervengewebes großenteils eingebüßt«, wie bei Argyropelecus (HANDRICK, 1901, 8. 40). Bei der Behandlung des Objektes mit Pikrinsäure tritt eine körnige Grundsubstanz auf, welche namentlich in der Mitte deutlich zutage tritt, während ringsum am Rande die Kerne gruppiert sind (Fig. 7 E’nd). Das distale, plattbirnenförmige Endstück des Pinealorgans wendet sich später ein wenig nach rechts und verläuft dann, alsbald in den Stiel sich ausziehend, auf der rechten Seite des Parapinealorgans und strebt der Medianlinie zu (Fig. 1 _E’, E’st). Der solide Stiel liegt in seinem mittleren Abschnitt in der Mittellinie und endet cerebralwärts mit einer kölbehenförmigen Verdiekurg dieht neben der Mittellinie Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyclothone acelinidens. 623 auf dem Ganglion habenulae dextrum (5. 619), in dessen Masse ver- schwindend. Er »ist in seiner ganzen Ausdehnung solid und zeigt keine Spur eines Hohlraumes<« (HANDRrICK, 1901, 8. 37). Der distale Endteil (#’nd Fig. 6, 7) ist gleichfalls vollständig mas- siv, ein Lumen ist nirgends ersichtlich. Carrie (1882) schildert ebenfalls fast überall bei den von ihm in großer Anzahl untersuchten Knochenfischen und Ganoiden vollkommen massive Pinealorgane. Bei Argyropelecus ist der Stiel ebenfalls solid, aber der distale, hutpilzförmige Endteil des Pinealorgans hat einen spaltförmigen Hohlraum mit geringem Lumen (HAnDRrIcK, 1901, S. 38). Die Zirbel bei Callichthys (asper und Littoralis) besteht nach KLINCKOWSTRÖM (1893, S. 563) aus einem schlauchförmigen proximalen, einem mitt- leren fadenförmigen Teil und einem kolbenförmigen Endstück, welch letzteres manchmal noch Spuren eines Lumens zeigt, gewöhnlich aber mit Zellen gefüllt ist. Hırı (1894, S. 248) äußert sich darüber bei einem 16 cm langen Salmo purpuratus: »The distal part and the distal portion of the stalk retain the cavity, but the proximal portion of the stalk (not shown in the figure) has become solid.« EHLERS (1578, 8. 609) und CArrız (1882, S. 106) sind in Beziehung auf den Hohl- raum in dem Pinealorgan bei den Plagiostomen verschiedener Ansicht. Einen ganz neuen Befund — wenigstens habe ich nichts diesem Vergleichbares in der mir vorliegenden Literatur entdecken können — habe ich bezüglich des Zirbelnerven, Tractus pinealis, zu verzeichnen. Aus dem birnförmigen Endteil des Pinealorgans von Cyelothone, und zwar an der Stelle, wo es in den Stiel sich verjüngt, treten zwei feine Nerven- stämmehen hervor, welche, nicht immer in gleicher Höhe, zum Gehirn ziehen (Fig. 9, 10; N.E'). Es handelt sich also bei meinem Untersuchungsobjekte um zwei symmetrische Pineal- nerven, welche zu beiden Seiten des Parapinealschlauches liegen. Hırv (1894, 5. 250, 251) hat den Pinealnerven für die Teleostier zu- erst nachgewiesen. Aber von zwei symmetrischen Pinealnerven, einem rechten und linken, wie bei Cyelothone, ist nicht die Rede. Wohl aber fand man zwei symmetrische Parietal- oder Parapineal- nerven, und zwar bei den Sauriern. KLINCKowsTRöm (1893, 8. 266, 267) machte bei drei 13 Tage alten Embryonen von /guana tuber- ceulata die Eutdeckung von zwei symmetrischen Parietalnerven, einem rechten und einem linken, welche zum rechten bzw. linken Ganglion habenulae gehen; außerdem fand er noch in einem Falle einen Zirbelnerven, Tractus pinealis, Gaurp (1898, S. 262, 263) schreibt 624 August Gierse darüber: »Noch eine weitere, nicht minder folgenschwere Ent- deckung konnte KLINCKOWSTRÖM an einem 18tägigen Embryo von Iguana machen: hier fand sich außer den zwei Parietalnerven noch ein eigentlicher hinterer Zirbelnerv. .. Dieser Tractus entspricht offenbar völlig dem Tractus pinealis, wie er bei den Fischen und Anuren besteht.« Das Parapinealorgan weist ebenfalls bei diesem Tiefsee- teleostier ein ganz eigenartiges Verhalten auf. Es ist, wie schon kurz mitgeteilt wurde, in der Tat nichts andres als eine Ausstülpung des Vorderhirnventrikels mit spindelförmig er- weitertem Endstück (Fig. 1, 3; 2", E”st). Die Höhle des Vorderhirns zieht sich nach vorn in eine Röhre aus und legt sich, in der Medianebene verlaufend, zwischen die Bulbi olfaetorii, indem sie mit ihrer gewölbten Oberfläche ein wenig aus der Gehirnmasse heraustritt (vgl. S. 617, Fig. 11, 12). Am Vor- derende des Gehirns tritt der ziemlich kräftig entwickelte Para- pinealschlauch frei hervor und schwillt allmählich zu seinem spindel- förmigen distalen Endteil an (Fig. 1,3; Est, E’). Das Parapineal- organ ist kräftiger entfaltet als das Pinealorgan und dient dem letzteren gleichsam als Unterlage (vgl. S. 621). Esistein in seiner ganzen Ausbildung von einem zentralen Längs- kanal durchzogener Schlauch, dessen Lumen beim Aus- tritt vor das Gehirn ungefähr kreisrund ist und sich in seinem distalen Endteil in einen schlitzförmigen Spalt verengt. Die anfangs dünne Wandung des Parapinealorgans er- fährt in dem spindelförmig verdickten, distalen Endteile eine wesent- liche Verstärkung (Fig. 6—11). Das Parapinealorgan von Cyclothone ist also wirk- lich eine Ausstülpung des Ventriculus communis mit einem spindelförmig erweiterten, sehr weit peripherie- wärts verschobenen Endstück und befindet sich, wie schon wiederholt bemerkt, stets in derselben engen Lagebe- ziehung zu dem Pinealorgan. Beide Epiphysenorgane sind gut vaseularisiert. Die Existenz eines Parapinealorgans bei den Teleostiern onto- genetisch nachgewiesen zu haben ist ein Verdienst HıLıs (1894, S. 239, Fig. 1—4). Er fand bei 7 mm langen Embryonen von Salmo fontinalis Mitch., $. purpuratus Pallas, S. fario L. zwei durch einen gemein- samen Gang mit dem Zwischenhirnventrikel kommunizierende bläs- ehenförmige Ausstülpungen des Zwischenhirndaches; sie liegen nicht Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Öyelothone acclinidens. 625 genau in der Mittellinie, sondern fast in einer Querebene, so dab man von einer vorderen linken und hinteren rechten sprechen kann. Letztere wird zur eigentlichen Zirbel, während erstere sich sehr bald vom Zwischenhirndache abschnürt und durch Aneinanderlagerung ihrer Wände zu einer links vom Zirbelstiel lagernden »soliden Zell- kugel« wird. »In diesem rudimentären Zustande scheint sie zeit- lebens erhalten zu bleiben« (GAUrP, 1898, S. 242). Die beiden Epiphysen waren bei allen von mir untersuchten Individuen vorhanden. Ihre Ausbildung aber unterliegt bei den ver- schiedenen Individuen mancherlei Schwankungen, sowohl in Be- ziehung auf die Gestaltung der distalen Endteile und ihre Lage zur Epiphysarspange als auch in der Stärke des Parapinealschlauches, namentlich in seinem mittleren Teile, der oft ziemlich dünn wird. Das birnförmige Endstück des Pinealorgans liegt in der Regel in seinem vorderen Abschnitt direkt mitten über demjenigen des Parapinealorgans (Fig. 1 £’, E”), wendet sich dann zur rechten Seite und geht in den fadenförmigen soliden Stiel (Z’st) über, welcher weiter cerebralwärts zur medianen Lage zurückkehrt. Ob diese zum Teil ‚extramediane Lage des Pinealorgans zu dem Parapinealorgan, als eine Bestätigung der Hırnschen Hypothese (1894, S. 259), daß die Epiphysen ursprünglich nebeneinander gelegen haben, gelten kann, mag unentschieden bleiben. Der Thalamus (Fig. 16, 17, 18; 7%) liegt zwischen der Pars peduneularis des Mittelhirns und den Corpora striata partis pedun- eularis des Vorderhirns eingeschaltet und stellt somit das Verbindungs- glied zwischen Mittel- und Vorderhirn dar. Er wird in der Haupt- sache von den Pedunculi cerebri gebildet. Epınger (1900, S. 136) bezeichnet die zwischen Epithalamus und Hypothalamus liegende Hauptmasse des Diencephalon als Thalamus. In seiner Abhandlung über das Zwischenhirn der Selachier (1895, S. 5, 9) bestimmt er das (ebiet des Zwischenhirns nur ungenau (vgl. HALLER, B., 1898, Bd. 26, S. 570) und 1900, S. 151, 152 sagt derselbe Autor bei dem Versuche, den Thalamus der Fische trotz aller Verschiedenheit seines Aus- sehens dem der höheren Vertebraten anzunähern, »daß von allen Hirnteilen niederer Vertebraten, ..., keiner annähernd so große Schwierigkeiten für das Erkennen geboten hat, wie der Thalamus der Knochenfische<. HALLER, B. (1898, Bd. 26, S. 590) dagegen macht bei der Forelle über den Thalamus bestimmte Angaben. Danach erstreckt sich dieser Teil des Zwischenhirns längs des ganzen Diencephalon. Rostralwärts geht der Thalamusteil »ganz kontinuierlich 626 August Gierse und ohne jede Begrenzung in jenen Teil des Vorderhirns über, der für gewöhnlich als der Pedunculus cerebri bezeichnet wird, und liegt hier unter dem Striatum des Vorderhirns« (S. 591). Er setzt sich also rostralwärts »als Thalamusteil des Großhirns bis hinter die Commis- sura interlobularis fort<; »ventralwärts ist die Grenze des Thalamus- teils durch die Postopticalkommissur gegeben« (S. 591). Diese Be- schreibung läßt sich im allgemeinen auch für Cyelothone gebrauchen. Eine Grenze zwischen Thalamusteil und Basalteil des Mittelhirns, also die caudale Grenze läßt sich nicht sicher ziehen. »Es gehen hier Zwischen- und Mittelhirn unmittelbar ineinander über« (EDINGER, 1895, 8. 9). Über die Außenseite des Thalamus ziehen die Sehnerven hinweg. Der Thalamus begrenzt mit seinen inneren Seitenwänden den Ventrieulus tertius, welcher eine direkte Fortsetzung des Ventriculus communis ist. Der dritte Ventrikel ist in seinem vom Thalamus umschlossenen Teile schlitzförmig gestaltet (Fig. 16, 17; V..H); etwas weiter nach hinten in der vorderen Querschnittsebene des Mittelhirns (Fig. 18) kommuniziert er mit der Höhle des Mittel- hirns, dem sogenannten Aquaeduetus Sylvii, und erweitert sich an der Basis zum Hohlraum des Infundibulums (Fig. 18 7), indem er seitlich: eine geringe Ausstülpung erfährt, und setzt sick schwanzwärts kon- tinuierlich in die Höhle des Vaseularsackes fort (Fig. 19 Sv). An der lateralen Wand des Thalamus befindet sich zwischen Lobus optieus und Lobus inferior bei Cyelothone jederseits ein mächtig entwickelter, kompakter Wulst (Fig. 2, 3, 15, 19; Z2), welchen auch Hanprıck bei Argyropelecus (1901, 8. 8, Taf. I Fig. 2,3, 5—8) und HALLER, B. (1898, Bd. 26, S. 598, Taf. XIV Fig. 19—23, Taf. XVI Fig. 34, 35) bei Salmo fario beschreiben und darstellen. Letzterer bezeichnet diesen Wulst »in Ermangelung eines bisheri- gen Namens« als Lobus lateralis und betrachtet denselben als »differenzierten dorsalen Teil vom Lobus inferior«. HaANxDkrıck, welcher diesen Lobus lateralis bei seinem Teleostier viel stärker entwickelt fand, als bei Salmo fario, kann sich dagegen »keinen genetischen Zusammenhang zwischen den beiden verschiedenen Lobi« vorstellen (HAnDriıck, 1901 $. 8), sondern ist vielmehr der Ansicht, »daß der Lobus lateralis ein Gebilde sui generis ist, ein Produkt der Volumenzunahme der im Thalamus befindlichen Sehzentren, in- folge der exzessiven Ausbildung der Augen«. Die Lobi laterales von Cyelothone sind ungefähr gleich stark entwickelt, wie diejenigen des Argyropelecus (HANDRICK, Taf. I Fig. 2) und überwiegen an Masse bei beiden Tiefseeteleostiern die Lobi inferiores. Sie sind von den Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone accelinidens. 627 letzteren durch eine nach hinten sich vertiefende Längsfissur getrennt, in weleher bei Cyelothkone eine Zeitlang der Nervus oeulomotorius verläuft. Auch HALLeEr, B. (1898 Bd. 26, S. 598, Taf. XIV, Fig. 20 N. IIT) schildert ähnliche Verhältnisse bezüglich des Nervus oeulo- motorius. Bei Argyropeleeus nimmt der dritte Hirnnerv zwischen den hinteren Abschnitten des Lobus inferior und Lobus lateralis aus der Pars peduneularis des Mittelhirns seinen Ursprung (HAnDrıer, 1901 S.11, Taf. I Fig. 1 oc). In Beziehung auf die Entstehung des Lobus lateralis kann ich bei Oyelothone den beiden angeführten Hypothesen nicht beipflichten. Gegen die Ansicht HALLers spricht das ungleiche Größenverhältnis der beiden Lappen, so daß man bei meinem Knochenfische wohl eher daran denken könnte, der Lobus inferior wäre eine Differen- zierung, ein ventraler Teil des Lobus lateralis (Fig. 2, 3; ZI, Li), als umgekehrt. Desgleichen kann dieser seitliche Lappen kein Pro- dukt der Volumenzunahme der im Thalamus befindlichen Sehzentren sein, denn Cyelothone hat verhältnismäßig kleine Augen und schwache Nervi optiei. Ob dem Nervus oculomotorius bei der Differenzierung des Lobus lateralis und Lobus inferior ein ursächliches Moment zuerkannt werden darf, wage ich nicht zu entscheiden. MarmE (1891, S. 40) beschreibt bei in Spiritus aufbewahrten Ölupeiden eine an jedem Lobus inferior in der Mitte des kandes verlaufende tiefe Furche, in welcher der Nervus oculomotorius liegt. Hierüber äußert er sich: »Es ist zweifellos das Zusammenziehen dieses Nerven, was das Vertiefen der Furche verursacht. « Der Hypothalamus (Fig. 2, 3; Hth) oder Infundibularteil von Oyelothone ist stark entwickelt und nimmt mit seinen charakteristi- schen Ausstülpungen an der Bildung der Hirnbasis einen unverkenn- baren Anteil. Er erstreckt sich weit nach hinten unter das Mittelhirn, wo er ungefähr in derselben Querebene, wie das Teetum mesence- phali, seinen Abschluß findet durch seinen am weitesten nach hinten reichenden Abschnitt, den Saccus vasculosus (Fig. 3 So). In seinem vorderen ventralen Grenzgebiete begegnet man immer dem Opticus- chiasma, dessen eigentümliche Verhältnisse bei den Nervi optiei ihre Würdigung finden. Dicht hinter dem Chiasma stößt man auf die ziemlich kräftige Commissura transversa Halleri seu postoptica (HALLER, B., 1898, Bd. 26 S. 572). Ein wenig weiter schwanzwärts liegt das Infundibulum, der Trichter (Fig. 3, 16, 17; e.t, 7). Der Trichter ist nach unten und vorn zu einem Stiele 623 August Gierse ausgezogen, dem die Hypophysis cerebri, der sogenannte Hirnanhang, aufsitzt. Letztere kommt demzufolge weit vor das Infundibulum in eine Öffnung im Basalknorpel des Neurocraniums, der sogenannten Pituitargrube oder dem Hypophysarfenster, zu liegen (vgl. S. 611). Schon GorTTtscHE (1835, S. 435) schildert dieses Verhalten: »Die Hypophysis liegt bei den Fischen ebenfalls in einer Art Türkensattel, und reißt, wenn man nicht vorsichtig zu Werke geht, bei einzelnen Oyprinus-Arten sehr leicht ab, bei andern Arten, als Gadus, läßt sie sich leicht aus der Basis eranii heben.< HALLER, B. (1898, Bd. 25 S. 56) berichtet bei mittelgroßen, etwa 20 cm langen Forellen (Salmo fario und irridens), daß die Hypophyse sich »in einer muldenför- migen Vertiefung zwischen Basi- (Fig. 5 dspA) und Präsphenoid« be- findet. »Somit ist auch bei Knochenfischen, ähnlich wie bei den Sauriern, im Sphenoid eine Hypophysenfontanelle vorhanden.« Die Hypophyse behält »bei den Salmoniden zeitlebens die embryonale Lage« bei (HALLER, B., S. 60, Taf. II Fig. 5), wodurch eine Vereini- gung der beiden Sphenoidteile verhindert wird. »Dieser Zustand ist wohl ein ursprünglicher, denn er kommt in gewisser embryonaler Periode auch bei den Selachiern in dieser Weise vor, verschwindet aber später mit dem Verwachsen der beiden Sphenoidknorpel« (HALLER, B., S. 60). Bei Cyelotkone behält die Hypophysis cerebri diese embryonale Lage zeitlebens, wie bei den Salmoniden. Nach der Ansicht GAupPrs (1900, S. 239) enthält dagegen die Hypophysar- grube die Hypophyse bei Amia und vielen Teleostiern nicht (vgl. S. 611). Bei den Cyprinoiden (1891, S. 42) und bei den Characiniden (1891, S. 43) teilt MALmE ähnliche Verhältnisse wie bei Cyelothone mit. Das Infundibulum ist nach vorwärts ausgezogen und die Hy- pophyse liegt bei den Cyprinoiden in einer tiefen, bei den Chara- einiden in einer seichten Grube am Schädelboden. Bei diesen For- men mit ausgezogenem Infundibulum fehlt aber im Gegensatz zu Oyclothone eine Infundibulardrüse vollständig (MALME, 1891, 8. 43). GOTTSCHE unterscheidet an der Hypophyse zwei Teile: einen Kern und eine diesen umgebende Membran. Der Kernteil tritt mit dem Infundibulum durch einen verschieden langen Stiel in Verbin- dung, welcher bei Lophrus piscatorius seine extremste Länge er- reicht. Er vergleicht die Hypophyse sehr ansprechend mit »einem Fötus an der Nabelschnur« und spricht in diesem Falle von einer »Hypophysis peduneulata« (1835, S. 433). Es fand sich ein sehr Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone accelinidens. 629 langer Stiel, welcher ungefähr die doppelte Länge der großen Hy- pophyse Beh bei Clupea alosa Linn. et Bl. (1535, S. 434). Über die Beschaffenheit des sehr langen Stieles der Hypophyse erfahren wir von Frırsch (1878, S. 23, Fig. 17, 18 Taf. II), daß das Infundibulum bei Lophius piscatorius in enormer Weise schlauch- förmig verlängert ist. Die Lage, welche die Hypophyse in diesem Falle zum Sphenoid einnimmt, wird nicht geschildert. — Bei Cy- clothone ist der Verbinduugsstrang zwischen Hypophyse und Infundibulum, der Hypophysenstiel (Fig. 3, 16; Ayst), dagegen vollkommen solid und zeigt deutliche Nerven- struktur. Ein Lumen ist nirgends ersichtlich. Es handelt sich bei meinem Fischehen um einen ziemlich kräftig entwickelten, vollkommen nervösen Hypophysenstiel, welcher ungefähr die Länge der bohnenförmigen Hypophyse hat und sich tief in der Substanz der Pituitardrüse besenreiserartig ausbreitet (Fig. 13 Ay). Nach HaALLer, B. (1898, Bd. 25, S. 56, 57) zerfällt die Hypo- physe der Forelle in einen vorderen und einen hinteren, auch ge- weblich unterscheidbaren Abschnitt. Im Gewebe des hinteren Teils (HALLER, Taf. II Fig. 5, 6 y) findet er »zahlreiche Nervenfasern, die von dem nervösen Abschnitt der Lamina postoptica (Fig. 5, 6 y), der ja auch Ganglienzellen enthält, kommen und sich hier verästeln« (S. 59, 60). »Sie sind offenbar dazu bestimmt, das Drüsengewebe der Hypophyse zu innervieren.« Die in der Pituitargrube nach oben strebenden inneren Oarotiden versorgen die Hypophyse mit Blut und verlaufen zu beiden Seiten des Hypophysenstieles nach hinten (Fig. 16 Zyst, Bl), (vgl. HALLER, B., 1898, Bd. 25, S. 60). Der Saccus vasculosus von Cyelothone (Fig. 2, 3, 19; Sv) ist eine aus dem Ende des Infundibulums hervorgegangene verzweigte, tubu- löse Drüse. Schon RABL-RückHArpr (1883, S. 316) hat den drüsigen Bau des Vascularsackes richtig erkannt und führt die zweckmäßige Bezeichnung Infundibulardrüse dafür ein. Der Saceus vasculosus ist bei meinem Objekt wohl entwickelt und liegt zwischen den beiden Lobi inferiores eingekeilt, welche er ein wenig nach hinten über- ragt. Er stellt nach seiner äußeren Form ein vorn etwas einge- zogenes Gebilde mit abgerundetem hinteren Ende dar und besitzt ein sagittal gestelltes medianes Lumen, welches, wie schon ange- geben, mit dem Trichter in offener Verbindung steht. Die Lobi inferiores (Fig. 2, 3, 19; Zi) sind zwei laterale Hervor- 630 August Gierse wölbungen der Seitenwand des Infundibulums und erstrecken sich, wie die Infundibulardrüse, zu beiden Seiten derselben schwanzwärts unter den Basalteil des Mittelhirns. Sie haben eine glatte Ober- fläche und sind vollkommen solide Gebilde. Von einem Lumen ist keine Spur zu beobachten. HAnDRrick (1901) dagegen hat auf Taf. I Fig. 7 Li einen Hohlraum eingezeichnet. Nach Cuvızr (1828, $. 427) haben die Lobi nur selten einen Ventrikel, während GoTTscHe (1835, S. 290) bei den von ihm untersuchten Fischen stets einen solchen fand, welcher bei #sox lueius L. und Trigla Gurnardus L. in den Trichter zu münden schien. Von andern Autoren werden die unteren Lappen wieder als solid bezeichnet. Das Mittelhirn (Mesencephalon, Corpora bigemina) (Fig. 1—3 M.H) ist bei Cyelo- thone im Verhältnis zu den kleinen Augen und den dünnen Sehnerven ungewöhnlich stark zur Entfaltung gelangt. Dieser Befund steht in geradem Widerspruche mit der Behauptung (sOTTSCHES (1835, 5. 262): »Schließlich bemerken wir noch die in- teressante Tatsache, daß kleine Augen und kleine Lobi optiei sich bedingen.< Doch sehon MALmE (1891, S. 10) wendet sich gegen diesen Satz GOTTSCHES und erklärt, daß derselbe nicht »als ein all- gemeines Gesetz aufgestellt werden« kann. Zur Begründung führt dieser Autor auch hierher passende Fälle an: » Ammodytes tobianus (III, 44a) hat ziemlich kleine Augen, und doch sind die Lobi optiei verhältnismäßig sehr groß. Mehrere Exemplare derselben Art können angeführt werden.« Bei Sedastes viviparus (1, 11) fand er umgekehrt, daß trotz der großen Augen das Mittelhirn dieses Fisches das Vor- derhirn an Breite nur sehr wenig übertrifft. Das Cyelothone-Hirn hat in der Mittelhirnregion seine größte breitenausdehnung erlangt, aber in bezug auf die Höhendimension wird dieser Hirnteil noch vom Stammteil des Hinterhirns überragt. An dem Mesencephalon kann man auch bei Oyelothone einen Dachabsehnitt, Teetum opticum, Tectum mesencephali seu Lobi optiei, von dem durch die Peduneuli cerebri gebildeten basalen Abschnitt, der Pars peduneularis, wohl unterscheiden (Fig. 1—3, 18, 19; 7.op). Das Gewölbe des Mittelhirns ist, wie bei allen Knochenfischen, durch eine scharf ausgeprägte mediane Längs- furche in zwei symmetrische Hälften geschieden. Im Vergleich zu der starken Ausbildung des Tectum opticum bei andern Knochen- fischen, z. B. Rrhodeus amarus (EpinGer, 1900, 8. 126, Fig. 183), Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens.. 631 Salmo fario (HALLER, B., 1898, Bd. 26, Taf. XIII, XIV), Oyprinus carpio (MAysEr, 1882, Taf. XIX Fig. 35, Taf. XXI Fig. 48, 49) ist das Teetum mesencephali bei Cyelothone bedeutend schwächer ent- faltet und ragt vor allem nieht so weit nach unten, daß es noch seitlich beiderseits die Mittelhirnbasis umfaßt und darüber herab- hängt. Es ist aber von einer verhältnismäßig stärkeren Hirnmasse aufgebaut als bei Salmo und Cyprinus, was auch HANDRICK von Argyropelecus berichtet (1901, S. S) und als eine Folgeerscheinung der exzessiven Augenausbildung ansieht. Dieser Grund ist für Cy- clothone nicht stichhaltig, da die Augen hier verhältnismäßig gering entwickelt sind. Die Zunahme der Hirnsubstanz erfolgt wesentlich auf Kosten des Ventrikelraumes innerhalb der Corpora bigemina (HAnDRICK, 1901, 5.8). Die Syuvısche Wasserleitung ist bei Cy- clothone sehr gering ausgeprägt (Fig. 18, 19). Das Dach des Mittelhirns ist bei Oyelothone unvoll- ständig. In seinem hinteren Abschnitt weichen die beiden Lobi in der Medianebene, allmählich dünner werdend, auseinander, um dem sich hereinstülpenden Stammteil des Hinterhirns Platz zu machen, während der Basalteil bzw. die Tori semieireulares Halleri noch weiter nach hinten reichen (Fig. 1, 3; 7.op, Tse). Eine Unvollständigkeit des Teetum mesencephali ist auch MALmE (1891, S. 10, 11) aufgefallen »bei den Fischen, deren Cerebellum nach vorn gerichtet und an das Mittelhirn gedrückt ist«. Er schreibt darüber: »Ich kann hier nicht unterlassen, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß das Dach der Lobi optiei zuweilen unvollständig ist.. 631). 634 August Gierse Er ist ein wenig länger als breit, steigt nach hinten schmäler wer- dend in die Tiefe (Fig. 1, 21; Cr) und verschwindet endlich zwischen den Lobi posteriores, welche allmählich an Breite zunehmend sich einander nähern und über den Ausläufern des Stammteiles mitein- ander verschmelzen. Die Lobi posteriores bilden bei Cyelothone gleichsam eine Schaufel, in deren Höhlung der Mittelteil des Cere- bellums, und zwar dessen hinterer Abschnitt, liegt. Der vordere Ab- schnitt des Centralteiles ist zum Teil mit den Seitenwülsten ver- bunden, zum Teil ragt er frei nach vorn und schiebt sich zwischen das Teetum mesencephali. Eine extreme Ausbreitung des Stammteiles berichtet MALME (1891, S. 11) bei Anthias sacer (l, 4), wo er bis an den hinteren Rand der Stammlappen reicht. Bei Salmo fario bildet der Centralteil des Kleinhirns, welcher dem unpaaren Höcker von Oyelothone (Ctr) identisch ist, einen sich weit über das Nachhirn legenden Wulst. Er überwiegt an Masse bedeutend die beiden von HALLER als Corpora restiformia bezeich- neten seitlichen Wülste, welch letztere den Seitenteilen von Cyelo- thone zum großen Teile entsprechen (HALLER, B., 1898, Taf. XII Kiez, 2, Dat XII .Kierli 8.9: u, Diese Seitenwülste sind bei Oyelothone fast ebenso stark ent- wickelt als der Stammteil (Fig. 1, 3; 77). In ihrem vorderen Ab- schnitt sind sie miteinander verbunden. Später weichen sie aus- einander und erstrecken sich zu beiden Seiten der Lobi posteriores nach hinten und unten. Sie erreichen die Höhe der Lobi optiei und überragen den Stammteil des Cerebellums nach hinten bedeutend (Fig. 3 77). Nahe dem oberen Rande macht sich im mittleren Teile der Seitenwülste eine kurze, flache Längsfurche bemerkbar (Fig. 21). Auf Fig. 1 und 3 habe ich dieselben nicht zur Darstellung gebracht. Während der vordere Abschnitt des Mittelteiles bei Oyelothone eine flache bzw. flachgewölbte Oberfläche aufweist, tritt in der bin- teren Region eine nach hinten an Deutlichkeit und Tiefe zunehmende Längsfurche auf, welche den Endabschnitt des Stammteils in zwei Hälften scheidet, von denen die rechte ein wenig stärker ist und höher liegt als die linke (Fig. 1, 20, 21; Otr). Schon GorTscHE (1835, S. 459) beschreibt eine mehr oder weniger deutliche Mittellinie am Cerebellum. Mayer (1864, Tab. I, Il ff.) zeichnet eine mediane Längsfurche auf mehreren Figuren; sie ist bald mehr, bald weniger deutlich und vollständig. MALMmE (1891, S. 13) beobachtete diese Furche nur in einem Falle, bei Angwlla as EEE Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens.. 6835 vulgaris. Auch HALLer, B. (1898, Bd. 26) deutet sie bei Salmo fario in Taf. XII Fig. 2 an. Querfurehen am Hinterhirn, wie sie schon Cu- VIER für den Thunfisch angibt und MALnE (1891, S. 13) bei verschie- denen andern Fischen beschreibt, finden sich bei Cyelothone nicht. Es erübrigt noch, eine für das Teleostiergehirn spezifische Bildung, die sog. Valvula cerebelli (Fig. 20 Vale) zu schildern, Ihre Zugehörigkeit zum Cerebellum erkannt und festgestellt zu haben ist ein Verdienst Srıepas (1861). HALLFR, B. (1898, Bd. 26, S. 512) schreibt über dieses Gebilde: »Das Kleinhirn der Teleostier zeichnet sich nämlich bekannterweise durch die Ausbildung der Valvula cere- belli aus.« Während die Valvula sich, vielfach gefältelt und ge- wunden, in dem Hohlraum der Lobi optiei oft weit nach vorn, fast bis an die Commissura posterior, erstrecken kann (RABL-RÜCKHARD, 1883, Taf. XII Fig. 1 — Bachforelle —), findet man sie bei O'yelo- thone ungewöhnlich klein entwickelt. Sie erreicht nicht ein- mal den hinteren Rand des Teetum mesencephali, sondern liegt unter dem Vorderteil der Seitenwülste des Hinterhirns auf dem hinteren Basalteil des Mittelhirns, sowohl mit diesem als auch den Seiten- wülsten (77) verwachsen (Fig. 20 Vale). Zu beiden Seiten der Valvula liegen die mächtigen Tori semieireulares (vgl. S. 632). Ähnliche Ver- hältnisse beschreibt MALmE (1891, S. 14): »Am kleinsten unter allen Knochenfischen fand ich sie — gemeint ist die Valvula — bei Cal- lionymus Iyra und Agonus cataphractus, bei denen sie als zwei sehwach hervortretende Anschwellungen an dem Teil des Hinterhirns zu beobachten ist, der die Höhle des Mittelhirns nach hinten zu be- srenzt.« Bei Cyelothone besitzt die kleine Valvula eine schwach an- gedeutete Längsfurche und eine tiefe Querfurche, in welche ein Pia- fortsatz hineinragt. Auf einem ungefähr in der Mediane liegenden dorsoventralen Längsschnitte treten diese Verhältnisse gut zutage. Unter der Valvula verläuft der schon S. 632 erwähnte Aquädukt (vgl. HALLER, B., 1898, Bd. 26, Taf. XIII Fig. 10—13; Taf. XIV Fig. 19—21). Auch SCHAPER (1894, S. 637) erwähnt dieses: »Unter der Valvula hindurch kommuniziert die Rautengrube mit dem dritten Ventrikel.« Oyclothone bekundet also durch die geringe Entfaltung der Valvula cerebelli ein primitives Verhalten gegenüber andern Knochenfischen. Das Nachhirn (Myelencephalon, Medulla oblongata, verlängertes Mark) stellt bei Cyelothone, wie bei andern Fischen, »ganz vorwiegend nur End- stätte«e der meisten und mächtigsten Hirnnerven dar. »Alle übrige Morpholog. Jahrbuch. 32. 42 636 August Gierse Faserung tritt gegenüber dieser übermächtigen ganz in den Hinter- grund«, sagt EDINGER (1900, S. 79). Die Querschnitte durch die Medulla von Cyelothone (Fig. 21—25) lassen uns dieses deutlich erkennen. Bei diesem Tiefseefischehen herrschen also im wesent- lichen dieselben Verhältnisse wie bei andern Fischen. Das Nach- hirn (Fig 1—3 N.ZH) ist von dem Rückenmark, welches ich mit dem ersten freien Spinalnerven (sp4 Fig. 2) entstanden denke, nicht scharf abgesetzt, sondern geht vielmehr allmählich ohne Unterbrechung durch Volumenzunahme aus dem Rückenmarke hervor und bildet in seinem vorderen Abschnitt den Boden und die Seitenwände des vierten Ventrikels. Über die Rautengrube, welche eine unmittelbare Fort- setzung des Canalis centralis des Rückenmarks ist, wölben sich zwei kräftig entwickelte, langgestreckte Wülste, die Lobi posteriores seu Tubera posteriora GOTTSCHES (1835, S. 462) und verschmelzen in der Medianebene mit ihren mesialen Flächen (Fig. 22, 23, 24; Lp). Die Lobi posteriores entstehen bei C'yclothone schon in der vorderen Region des Hinterhirns, bald nach dem Auftreten der Seitenwülste des Cerebellums und bilden daselbst eine Art Schaufel oder Schöpf- löffel, in dessen Höhlung der hintere Abschnitt des Stammteils vom Kleinhirn seinen Platz findet (vgl. S. 634). Weiter schwanzwärts findet die Vereinigung der Lobi posteriores statt (Fig. 22 Zp) zu einem soliden Wulst, welcher die Fossa rhomboidalis zum größten Teil überdacht und bald nach dem Ursprung des Nervus lateralis + glossopharyngeus sein Ende erreicht. GoTTscHE (1835, S. 465) be- schreibt die Lobi posteriores als ein paar graue Lappen, die sich über dem Ventriculus quartus verbinden, indem sie in der Mittellinie ein Tal zwischen sich lassen. Dieses »Tal« GOTTSCHESs, eine Längs- furche, fand auch Hanprick (1901, S. 10) bei Argyropelecus. Bei Cyclothone dagegen ist die Längsfurche nur an der Verschmelzungs- stelle der Lobi posteriores eine kurze Strecke deutlich (Fig. 23 Lp) und ganz am Ende derselben, wo sich infolgedessen eine deutliche Zweiteilung der Lobi nachweisen läßt (Fig. 1 Zp). Zwischen diesen beiden Einkerbungen bilden die beiden Lobi miteinander einen einheit- lichen soliden Wulst, ohne jegliche Furchung (Fig. 1, 22, 23; Zp). In dem hinteren Abschnitt der Lobi posteriores treten zwei symmetrische Anschwellungen der Medulla oblongata auf, die Lobi nervi vagi seu vagales (Fig. 1, 3, 24; Zo). Sie sind im Verhältnis zu den Lobi po- steriores schwach und unansehnlich entwickelt und liegen zu beiden Seiten der Rautengrube, welche nach dem Ende der Lobi posteriores unbedeckt zutage tritt. Nach Marme (1891, S. 17) ist das Größen- Unters. über das Gehirn u. die Kopfaerven von Cyelothone acclinidens. 637 verhältnis zwischen Lobi posteriores et vagales nicht feststehend: bei den Gadiden sind die Lobi posteriores stärker entwickelt als die Lobi vagales, bei den Cypriniden ist es umgekehrt. Die Fossa rhomboidalis ist, wie schon kurz erwähnt, nur teil- weise und zwar in ihrem größeren vorderen Abschnitt von den Lobi posteriores bedeckt; in ihrem hinteren Abschnitt dagegen blickt man nach Entfernung des Chorioidalgeflechtes durch die weite Öffnung der Rautengrube in deren Hohlraum (Fig. 1, 22—25; V.'!Y.. Ein am Boden der Rautengrube bei einigen Knochenfischen vorkommendes Gebilde, der sogenannte Lobus impar (Tubereulum impar, MALME, 1891, S. 17), fehlt bei Cyelothone. Dasselbe fand GORONOWITSCH (1896, S. 4): »Bekanntlich fehlt der Lobus impar bei Amia und einigen Knochenfischen, z. B. bei Esox. Dadurch dokumentiert sich dieser Lobus als eine sekundäre Einrichtung. « An der Ventralseite des verlängerten Markes zieht eine anfangs deutliche und tiefe, nach hinten sich allmählich verflachende Rinne dahin, der sogenannte Suleus longitudinalis (Fig. 2 si, Fig. 21—25). IH. Das Kopfnervensystem. Die Gehirnnerven. Der Nervus olfactorius (Fig. 1—6, 8, 9, 10; ol). Die Riechnerven sind infolge der Ausdehnung der Schädelhöhle nach vorn bis zur Ethmoidalregion (vgl. S. 607) sehr lang und dünn. Sie nehmen aus den kleinen Bulbi olfactorii ihren Ursprung (vgl. 5. 617) und begeben sich divergierend nach vorn unten zu den Seiten- wandungen des Cavum cranii, welches sie durch ein eignes Foramen in der Bindegewebsmembran der vorderen seitlichen Knorpellücken (vgl. S. 610) verlassen. Auf ihrem langen Wege durch die Schädel- höhle liegen die Nervi olfactorii ungefähr in der mittleren Höhe zwischen Pinealapparat und Nervus opticus (op). Ein Blick auf die Zeichnungen gibt uns über die Lagerungsverhältnisse der Riechnerven zu den Sehnerven und den Epiphysen besseren Aufschluß, als dieses durch eine Beschreibung möglich wäre. In der Orbita treten die beiden Geruchsnerven über den Musculus obliquus superior hinweg, verlaufen eine kurze Strecke am Dach der Augenhöhle und begeben sich durch einen weiten Knorpelkanal, welcher, lateral und nach vorn gerichtet, die hinteren ethmoidalen Knorpelmassen durchsetzt, zur Nasengrube. Dieser Kanal stellt eine Kommunikation der Orbita 49* 638 August Gierse mit der Nasengrube dar. Die Nervi olfactorii treten nunmehr von unten her in die Riechschleimhaut ein, indem sie sich in verschiedene Äste auflösen. Die Riechorgane von COyclothone sind, wie bei allen Fischen (WIEDERSHEIM, 1902, S. 93), zwei blindgeschlossene Gruben im Eth- moidalknorpel. ‚Der Nervus optieus (Fig. 2—5, 10—15; op). Die Sehnerven von Cyelothone stellen entsprechend den kleinen Augen verhältnismäßig dünne Nerven dar, welche ungefähr die Stärke der Nervi olfactorii besitzen. Dieser Befund bestätigt die Angabe von Stannıus (1849, S. 7): »Die Stärke der Nervi optiei steht bei den Fischen in geradem Verhältnis zur Größe der Augen.« Die Entwicklung der Lobi optiei steht allerdings in keinem Verhältnis zu den schwachen Sehnerven bei Cyelothone, im Gegensatz zu der Anschauung GoTTscHEs (1835, S. 262), daß kleine Augen kleine Lobi optiei bedingen (vgl. S. 630). Die Corpora bigemina sind bei meinem Tiefseeteleostier in Beziehung auf die kleinen Augen stark zur Entfaltung gekommen. Die dünnen Sehnerven, welche, wie bei allen niederen Wirbel- tieren, vornehmlich aus dem Mittelhirndache entspringen (EDINGER, 1900, S. 127), ziehen über die Außenseite des Zwischenhirns in von hinten nach vorn abfallender Richtung zur Hirnbasis vor das Infundibulum, wo sie einander kreuzen, und zwar tritt der links- seitig entsprungene über den rechtsseitig entsprungenen. Während die beiden Nervi optiei in der Regel dann sofort auseinander treten und zwar der linksseitig entsprungene zum rechten Auge und um- gekehrt, sah ich dieses normale Verhalten bei Cyclothone nur in einem Falle. Hier fand eine einfache Kreuzung oder Übereinander- lagerung statt, wie es bei den meisten Knochenfischen der Fall ist (WIEDERSHEIM, 1902, S. 295). An der Kreuzungsstelle aber waren die beiden Optiei fest und innig miteinander verbunden, so daß eine Trennung unmöglich war. Nach der Angabe von STANNIUS (1849, S. 12) liegen die Sehnerven an der Kreuzungsstelle bald locker übereinander, bald durch Bindegewebe miteinander verknüpft. Bei diesem Cyelothone-Exemplar waren die Beziehungen der beiden Nerven zueinander weit innigere. Sie treten aber doch bald auseinander und verlassen die Schädelhöhle. In der Regel aber bot Oyelothone in bezug auf das sogenannte Chiasma ner- vorum opticorum weit interessantere Verhältnisse. Der Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acelinidens. 639 linksseitig entsprungene ÖOptiens tritt über den rechtsseitig ent- standenen, und beide verschmelzen an der Ventralfläche des Zwischen- hirns, so daß eine Sonderung in zwei Stämmchen ausgeschlossen erscheint. Die vereinigten Optiei kommen dann allmählich an der Hirnbasis als einheitlicher Stamm hervor (Fig. 13, 14; op), lösen sich ein wenig weiter vorn vollkommen aus der Gehirnsubstanz heraus (Fig. 10, 11, 12; op) und verlaufen in der Medianlinie nach vorn unten. Weiter oralwärts, eine ziemliche Strecke vor dem vorderen Ende des Gehirns, macht sich allmählich eine Differenzierung in zwei Ner- venstämmehen bemerkbar (Fig. 10 op). Bald darauf erfolgt die Tren- nung (Fig. 3 op), die Nervi optiei nehmen ihren Weg sanft abwärts zur Basis eranii und verlassen die Schädelhöhle durch das Opticus- fenster (vgl. S. 611). Die Optiei von Oyelothone weichen somit durch ihre bemerkenswerten Kreuzungsverhältnisse und ihren langen Weg im Cavum cranii von der Norm ab. Bei den meisten Teleostiern erfolgt der Schädelaustritt »gleich nach der Kreuzung« (STANNIUS, 1849, 8. 13). Sofort bei ihrem Eintritt in die Durchtrittsöffnung werden die Sehnerven von einer lockeren, ziemlich starken Binde- gewebshülle umgeben und begeben sich dann in $-förmigem Bogen zu den Bulbi oeuli, durehbohren dieselben und breiten sich auf der Retina aus. Die Bindegewebsscheide begleitet sie bis zu ihrem Eintritt in die Bulbi. Schon Srannıus (1849, S. 14) erwähnt diese Bindegewebsmembran. Die Gruppe der Augenmuskelnerven wird durch den Nervus oculomotorius (Fig. 4 oc), den Nervus trochlearis (fr) und den Nervus abducens (ab) gebildet. Sie entsprechen in Beziehung auf ihren Umfang der Stärke der Augen- muskeln (Srannıus, 1849, S. 19) und sind bei COyelothone relativ schwach ausgebildet. Der Nervus oeulomotorius ist mäßig kräftig entwickelt; der Nervus trochlearis und Nervus abducens sind sehr feine und dünne Stämmchen und kommen einander an Stärke fast gleich, vielleicht ist der N. trochlearis noch ein wenig schwächer als der N. abducens (Fig. 4, 13, 16, 18—23; tr, ab). In bezug auf ihren Verlaufzeigen die Augenmuskelnerven bei Cyelothone einen interessanten Befund. Der Nervus oculomotorius (Fig. 4 oc) entspringt mit einer ein- fachen Wurzel am Boden des Mittelhirns dieht neben der Medianebene, eine Strecke weit hinter dem Lobus inferior und Lobus lateralis (Fig. 2, 20; oe). Nach Sranvıus (1849, S. 16) tritt er dicht hinter dem Lobus 640 August Gierse inferior hervor, nach HANDRICK (1901, 5.11) bei Argyropeleeus zwischen den hinteren Abschnitten des Lobus inferior und Lobus lateralis. Bei Cyelothone liegt der Oculomotoriusursprung also weiter schwanzwärts und direkt auf der Bauchseite des Gehirns in derselben Längsebene mit dem weiter hinten entspringenden N. abducens (Fig. 2 oc, ab). Beide Oculomotorii verlaufen anfangs in der Furche zwischen Lobus lateralis und Lobus inferior nach vorn, treten dann vom Gehirn weg und voneinander divergierend zur Basis cranii. Nachdem sie einen ziemlich langen Weg im Schädelraume zurückgelegt haben, ver- lassen sie die Schädelhöhle durch ein eignes Foramen im Basal- knorpel medial von der Austrittsöffnung für den Nervus trigeminus, zu beiden Seiten der Pituitargrube (Fig. 13, 16—19; oc). Unmittel- bar nach dem Austritt vereinigt sich der N. oculomotorius mit dem zu einem Stämmchen verschmolzenen Nervus palatinus + abducens (vgl. S. 644), welche kurz vor dem N. ocu- lomotorius die Schädelhöhle verlassen haben (Fig. 4, 13; oc, pa + ab). Diese Verschmelzung findet bei einem Individuum schon innerhalb der Austrittsöffnung statt. In diesem Falle ist nur ein Foramen vor- handen, in welches zuerst der Palatino-abducensstamm eintritt, um sich mit dem bald hinzukommenden N. oculomotorius zu verbinden. So vereinigt zieht der Nervenstrang (pa + ab + oc) eine kurze Strecke dieht unter dem Basalknorpel dahin, dann trennen sich die Komponenten, ein feines Fädchen tritt zum Muse. rectus externus und stellt hiernach den N. abducens (Fig. 4 ab) dar. Der N. oculomotorius und N. palatinus verlaufen weiter nach vorn, und zwar liegt der Oculomotorius anfangs dicht über dem Musculus rectus externus, der Palatinus hart an dessen ventraler Fläche. Letzterer begibt sich alsbald nach unten und zieht zu beiden Seiten des Parasphenoid- knorpels oralwärts. Den weiteren Verlauf des N. palatinus werde ich bei Besprechung des N. facialis schildern (s. S. 655, 656). Nachdem der N. oeulomotorius ein Ästchen an den über ihm verlaufenden Musculus reetus superior (rs) abgegeben hat, zerfällt er in seine beiden ungleich langen Endzweige, den Ramus superior seu posterior und den Ramus inferior seu anterior (SCHWALBE 1879). Der obere Oculomotoriusast läßt bald ein Zweiglein für den unter ihm liegenden Musculus reetus inferior (rif) abtreten und endet weiter vorn im Musculus reetus internus, den er versorgt (rz). Der Ramus inferior erstreckt sich bedeutend weiter oralwärts in sanft abwärts steigender Richtung. Er nimmt an der auf Fig. 4 mit einem X bezeichneten Stelle das feinste Endzweiglein des mittleren sympathischen Grenz- Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 641 stranges (gst' Fig. 26) (vgl. S. 677) in sich auf und verläuft dann unter dem N. optieus zum Museulus obliquus inferior (ox), mit dessen Innervation er seinen Zweck erfüllt. Der Nervus oculomotorius ist auch bei Cyelothone der stärkste unter den Augenmuskelnerven. Zur Vereinigung des N. oculomotorius mit dem Palatino-abducens- stämmcehen will ich noch bemerken, daß in einem Falle keine Ver- einigung zustande kam. Hier fand nur eine sogenannte »temporäre Juxtapposition« (Srannıus 1849) statt, aber keine Verschmelzung. Was die Beziehungen des Oculomotorius zum Ganglion eiliare betrifft, so schreibt WIEDERSHEIM (1902, S. 252) darüber, daß es »in seinen Verlauf eingeschaltet und durch ihn erregbar iste. Bei Cyelothone war ich trotz wiederholter und genauer Unter- suehung bei einer ganzen Reihe von Cyelothone acelint- dens-Exemplaren in keinem Falle in der Lage, ein Ciliar- ganglion zu finden, dafür aber konnte ich eine größere und be- merkenswerte Ausbildung des sympathischen Systems in der Kopf- region entdecken, was ich bei Beschreibung des Sympathieus (S. 675 — 677) genauer auseinandersetzen werde. Übereinstimmend mit meinem negativen Befunde bezüglich des Ganglion eiliare fand auch Srannıus (1849, S. 39, 40), dem wir namentlich hinsichtlich der Teleostier die genauesten Angaben ver- danken, allerdings nur in zwei Fällen, bei Salmo und Coregonus, kein Ciliarganglion, während alle andern von ihm untersuchten Knochenfische ein solehes besitzen. Schon Muck (1815, S. 61) be- schreibt das Fehlen dieses Ganglions bei Salmo Hucho. Bei den Plagiostomen fehlt ebenfalls ein Ciliarganglion (Stannıus, 1849, S. 40). SCHWALBE (1879, S. 189) machte die wichtige Entdeckung, daß sich bei den Selachiern Ganglienzellen in größerer oder geringerer Anzahl im Oeulomotoriusstamme finden. Dasselbe konstatiert SCHNEIDER (1882, S. 228, 238) bei den Ganoiden. Es handelt sich um ein diffuses Oeulomotoriusganglion, das SCHWALBE für das Ciliarganglion hält. Dureh den Befund SCHWALBES und SCHNEIDERS wird STANNIUS widerlegt. Er stellt (1849, S. 20) die Behauptung auf, daß in den Augenmuskelnerven niemals gangliöse Elemente vorkommen. Mein Befund bei Cyelothone stützt allerdings die Ansicht von STANNIUS: Der N. oculomotorius enthält in seinem ganzen Verlaufe keinerlei Ganglienzellen. AHLBoRN (1884, 5. 296) beschreibt dasselbe für Petromyzon und stellt gleichfalls den Mangel des Ciliar- ganglions fest. Van Wısue (1883, S. 20, 22, 39) erbringt den Beweis, 642 August Gierse daß das Ganglion eiliare zum Ramus ophthalmicus profundus trige- mini und nicht, wie SCHWALBE meint, zum N. oculomotorius gehört. Er hält das SchwAugesche Oculomotoriusganglion für ein andres, erst später auftretendes, wahrscheinlich sympathisches Ganglion. Andre wiederum halten nach dem Vorgange Arnxorps (1831, S. 92). das Ganglion ciliare für ein sympathisches Ganglion. Jedenfalls bedarf es noch erneuter Untersuchungen bezüglich des Ciliarganglions bei Anamnia und Sauropsiden. HAnDrick findet bei seinem Tiefseeteleostier Argyropelecus (1901, S. 11) im Gegensatz zu Cyelothone ungefähr in der Mitte des Augenmuskelkanals im Verlaufe des N. oculomotorius ein »statt- liches Ciliarganglion« und ein wohl entwickeltes Ciliarnervensystem; er vermißt nur die »Radix media seu sympathiea« (S. 11). Bei meinen Tiefseeknochenfischehen ist das Ciliarnerven- system nicht ausgebildet, während Srtannxıus (1849, S. 39, 40) als konstant zwei Rami eiliares bei den Knochenfischen beschreibt, einen Ramus ceiliaris longus und brevis. Bei Salmo und Coregonus vermißt er die lange Wurzel und, wie schon bemerkt, gleichzeitig auch das Ganglion ceiliare. Diese beiden Ciliarnerven fehlen Oyeclo- thone gleichfalls, und es herrschen hier somit ähnliche Verhältnisse wie bei Salmo und Coregonus. Der Nervus trochlearis (Fig. 2, 4; tr). Dieser sehr lange und dünne Nerv kommt mit stets einfachem Wurzelstrange an der hinteren Peripherie des Mittelhirns, unmittelbar hinter den kräftig entwickelten Tori semieireulares (7'se) (vgl. S. 632) zum Vorschein, dorsal und ein wenig schwanzwärts von dem N. oculomotorius. Er begibt sich in dem Cranium nach unten vorn und ein wenig seitwärts zu dem vereinigten Ganglienkomplex des Nervus trigeminus und Nervus facialis, dem Ganglion Trigemino-faciale (Fig. 4 Gtf) und tritt in den vorderen Absehnitt dieses Ganglions an der Dorsal- seite ein (Fig. 4, 18, 19, 20; Zr). Kurz vor dem Austritt des Truneus nervi trigemini (Fig. 4 rg) aus dem Trigemino-facialis-Ganglion trittauch der N. trochlearis wieder heraus und begibt sich dann zu seiner sehr weit vorn gelegenen Austrittsöffnung im Alisphenoid (Fig. 13, 16; Zr). Nachdem er die Schädelhöhle verlassen hat, bildet er sofort bei seinem Eintritt in die Augenhöhle ein kleines Nervenknötchen (Fig. 4 nk), was auch HANDRICK (1901, S. 12) bei Argyropelecus beschreibt, und endet schließlieh im Musculus obliquus superior, welchen er, sich in ein paar feine Endzweige auflösend, versorgt. Der N. trochlearis hat von allen Hirnnerven unbestreitbar den Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 643 längsten Verlauf in der Schädelhöhle. Nach WIEDERSHEIM (1902, S. 252) führt dieser Nerv »nicht nur motorische, sondern auch sen- sible Fasern, die bei Fischen und Amphibien zur Bindehaut des Auges und der Dura mater laufen«. Bei Cyelothone gelang es mir nicht, diese Angabe bestätigen zu können, ich habe vielmehr den- selben Befund wie Hanpriıck bei Argyropelecus (S. 12), welcher ebenfalls keine derartige sensiblen Fasern entdecken konnte. SCHWALBE (1879, S. 255—260) gelangte bezüglich des Nervus troehlearis zu dem Resultate, daß er als eine abgelöste dorsale Wurzeiportion des Trigeminus, oder aber als eine dorsale selbständig verlaufende Wurzel des Oculomotorius anzusehen ist. Wenn man die Querschnittserie von O'yclothone von hinten nach vorn durehmustert, so gewinnt es in der Tat den Anschein, als bilde die Trochleariswurzel die vorderste, sehr feine Wurzel des Trigeminus. Man wird darin noch bestärkt durch den Umstand, daß der N. trochlearis weiter vorn in das Trigemino-faeialis-Ganglion eintritt. — GEGENBAUR (1898, S..802) schreibt über die Beziehungen des Trochlearis zum Trigemi- nus: »Er ist vielmehr als ein aus dem Trigeminus (Trig. II) gelöster Teil zu betrachten, welcher Selbständigkeit gewonnen hat. Die Abspal- tung vom Trigeminus ist bei Acanthias ontogenetisch nachgewiesen. « AHLBORN (1884, S. 299) konnte bei Petromyzon trotz der nahen Lagebeziehung des N. trochlearis zum Trigeminusganglion keinen direkten. Faseraustausch beobachten, hält aber eine Vermischung mit sensiblen Elementen des Trigeminus für nicht unmöglich. Bei Cyelothone ist es mir gelungen, den Eintritt dieses Nerven in den vorderen Abschnitt des Trigemino-facialis-Ganglions, welcher wohl im wesentlichen dem Nervus trigeminus angehört und dem Ganglion Gasseri seu semilunare entspricht (vgl. S. 648), deutlich zu beobachten. Der N. trochlearis verschmilzt vollkommen mit dem Ganglion und tritt weiter vorn, wie schon erwähnt, wieder aus. Der Nervus abducens (Fig. 2. 4; «5) nimmt bei Oyelothone in der Regel mit einer einfachen Wurzel seinen Ursprung weit hinten aus der Basis der Medulla oblongata unter dem hinteren Teile der Acu- stieo-facialis-Wurzel, nahe der Medianebene. Nur bei einem Exem- plare fand ich ihn mit zwei Wurzeln entspringend. Nach STAnNIUs (1849, S. 17) besitzt er dagegen gewöhnlich »zwei dicht nebenein- anderliegende Wurzelstränge«. Der Abducens zieht bei Cyelothone im Bogen zum Ganglion trigemino-faciale (Fig. 4 ab, Gtf, Fig. 19 —23 ab), tritt an der ventralen medialen Seite in die hin- tere Partie dieses Ganglions ein und verbindet sich auf 644 August Gierse das innigste mit ihm. Unmittelbar nach dem Austritt des Trun- cus nervi facialis (Fig. 4 fac) sieht man aus dem Ganglienkomplexe (Gtf) ein Nervenstämmchen hervortreten, welches alsbald die Schädel- höhle durch ein eignes Foramen im Basalknorpel, mesial von der Austrittsöffnung für den N. trigeminus, verläßt. Dieser Nerv ist be- deutend stärker als der N. abducens und repräsentiert den Ramus palatinus (siehe N. facialis S. 648, 656) und den N. abducens, welche zu einem einheitlichen Nervenstrang verschmolzen sind. Diese Vermutung wird durch die periphere Verbreitung der beiden Nerven zur Gewißheit (Fig. 16 pa -+ ab). Nach dem Aus- tritt aus der Schädelhöhle läuft dieser Nervenstamm (pa + ab) dicht unter dem Basalknorpel nach vorn und verbindet sich weiter oralwärts mit dem bald darauf austretenden Oeulo- motorius (Fig. 4, 13; oc, pa-+ ab). Es findet eine vollkommene Verschmelzung dieser Nerven statt zu einem einheitlichen Stamme, welcher von einer gemeinsamen bindegewebigen Hülle umgeben wird. Die weiteren Verhältnisse sind bereits bei Beschreibung des Nervus oculomotorius erörtert (S. 640). GEGENBAUR (1898, S. S02) erblickt in dem N. abducens »eine selbständig gewordene Portion einer reinen Wurzel des Trigeminus oder Facialis, deren erste Zustände unbekannt sind«. HANDRICK (1901, S. 12) schreibt darüber bei Argyropelecus: »Der N. abducens verläuft schräg nach unten vorn zum Foramen für den N. facialis und legt sich dem Ganglion dieses Nerven an, um zusammen mit dem Ramus palatinus I in den Augenmuskelkanal zu gelangen.« Bei Cyelothone sind die Beziehungen des N. abducens zu dem Ganglion des Nervus facialis und dem Ramus palatinus noch weit innigere: Der Nerv verschmilzt mit dem hinteren Abschnitt des Trigemino-facialis-Ganglions, welcher wohl in der Hauptsache dem N. facialis zugehört (vgl. S. 648), und nach dem Austritt aus dem Ganglion vereinigt er sich mit dem Ramus palatinus, bzw. er tritt mit dem letzteren verschmolzen als ein Stamm aus dem Ganglion trigemino-faciale hervor. Beziehungen zum Trigeminus, wie sie GEGENBAUR (1898, S. 802) bei Protopterus und Amphibien schildert, sind bei Cyelothone nicht vorhanden. Denselben Befund teilt Han- DRICK (1901, S. 12) von Argyropelecus mit. Die Trigemino-acustico-facialis-Gruppe. Der Nervus trigeminus, Nervus faeialis und Nervus acustiecus entspringen bei Cyelothone mit zwei kräftigen, Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone accelinidens. 645 aber ungleich starken Wurzeln, einer proximalen oder vorderen und einer distalen oder hinteren aus den Sei- tenteilen der Medulla oblongata. Die proximale,schwä- chere Wurzel (Fig. 2, 4, 5, 21; rt), welehe ich als Trigeminus- wurzel bezeichne, entsteht ventro-lateral am vorderen Teile des verlängerten Marks unterhalb der Seitenwülste des Hinterhirns. Die distale, bei weitem mächtigere Wurzel entspringt weiter hinten aus den Seitenteilen der Oblongata, bald nachdem die Seiten- wülste des Cerebellums auf der Medulla oblongata ihr Ende erreicht haben, aus einer eigenartigen Hervorragung am dorso-lateralen Seiten- rande der Oblongata, dem sogenannten Tubereulum acustico-faciale (EDINGER, 1900, S. 96); (Fig. 23 Tdaf, rfa). Ihre Austrittsstelle aus dem Gehirn liegt der Lateralis-Glossopharyngeuswurzel (S. 663) näher als der Trigeminuswurzel und in gleicher Höhe mit der ersteren, ein wenig dorsal von der letzteren (Fig. 2, 4, 5; rfa, rlt + rph). Bei den engen Beziehungen der Nerven dieser Gruppe zuein- ander erscheint es angezeigt, die Wurzeln und Ganglien derselben gleichzeitig zu besprechen. Wir beginnen mit der hinteren stär- keren Wurzel (Fig. 2, 4, 5; rfa). Sie repräsentiert die Acustico- facialis-Wurzel, was aus ihrem weiteren Verlauf, der Ganglienbil- dung und den aus ihr entspringenden Nerven hervorgeht. Bald nach dem Ursprunge dieser Wurzel schickt sie ein starkes Faserbündel nach hinten unten zur Macula acustica saceuli (Fig. 2, 4,5; rsa); es ist der Ramulus saceuli (rsa, S. 661, 662). Die Acustieo-facialis-Wurzel nimmt innerhalb des Crani- ums eine Verlaufsrichtung nach vorn, etwas nach unten tretend. Alsbald zweigt sich eine Wurzelportion zur Seite ab und schwillt zu einem Ganglion an (Fig. 2, 4, 5, 22, 23; rfa, Ga). Die andre, stärkere Wurzelportion geht nach vorn in einen großen Ganglienkomplex (Fig. 2, 4, 5; Gtf) über und bildet dessen hintere Wurzel. Die vordere, schwächere Wurzel (Fig. 2, 4, 5; ri) dieser Nervengruppe, die eigentliche Trigeminuswurzel, läuft anfangs ein wenig dorsal und medial von der Acustico-facialis-Wurzel, um etwas weiter mundwärts ebenfalls in die mächtige intracranielle Ganglienmasse (G?f) einzumünden. Die aus beiden Ganglienkomplexen hervorgehenden Nerven- gruppen und ihre Endverbreitung geben uns Aufschluß über die Zugehörigkeit der Ganglien zu den entsprechenden Hirnnerven. Der starke, vordere Ganglienhaufen (Gtf) gehört dem gesamten Nervensystem des Nervus trigeminus und Nervus 646 August Gierse facialis an. Die Ganglien dieser beiden Nerven sind bei Oyelothone zu einem einzigen verschmolzen und bilden einen großen, gemeinsamen intracraniellen Plexus (Gtf), das Ganglion trigemino-faciale, aus dem die Nerven ge- trennt hevorgehen (Fig. 2, 4,5; Gtf). Das hintere, kleinere Ganglion stellt das Acusticus- gsanglion (Ge) dar. Beide Ganglien liegen intracraniell und unterscheiden sich, außer durch ihre Volumina, mikroskopisch bedeutend durch verschieden große Ganglienzellen, und zwar zeigt das Trigemino-faeialis-Ganglion große Zellen, wogegen das Acustieusganglion aus kleinen Ganglien- zellen zusammengesetzt ist (Fig. 18, 19, 20, 22; Gtf, Ga). Denselben Befund teilt HanDrick (1991, S. 13, 15) bei Argyropelecus mit. Es hat bei CO’yelothone eine Verschmelzung der Wurzeln desN. facialis und N. acusticus stattgefunden (rfa). GEGEN- BAUR (1888, S. 55) schreibt über beide Nerven: »Sie gehen aus einer einheitlichen Anlage hervor, bilden einen einheitlichen Nervenstamm, von welchem sich sehr bald der Acusticus dorsalwärts abzweigt.« Die Verschmelzung der Wurzeln des VII. und VIII. Hirnnerven schildert auch HAanpkrıck bei Argyropelecus (1901, S. 12, 13). Hier dehnt sich der Verschmelzungsprozeß noch weiter und zwar auf die Trigeminuswurzel aus. Die ganze Trigemino-acustieo-facialis- Gruppe entspringt bei diesem Tiefseefische »mit einer gemeinsamen, bandförmigen, breiten Wurzel« aus dem vorderen Abschnitt der Me- dulla oblongata. Die Ursache der Verschmelzung der Wurzeln des N. facialis und N. acustieus ist in der gewaltigen Ausbildung der Gehör- apparate zu suchen, wie schon S. 616 beschrieben ist. Mit dieser Tatsache ist schon SAGEMEHL (1891, S. 559 Anm.) vertraut. Er findet, daß bei manchen Knochenfischen die Ursprungsstellen der N.N. Vu. VU einerseits, und die der N.N. IX und X anderseits einander sehr nahe rücken und zum Teil sogar Verbindungen eingehen. Er führt dieses auf die jeweilige Größe der Gehörorgane zurück. — So sieht man auch in der Tat bei Cyclothone, daß die Wurzeln des N. facialis und N. acusticus, die des Nervus lateralis und glossopharyngeus, endlich die des N. lateralis und vagus (S. 663) verschmolzen sind. Was die Anzahl der Wurzeln der Trigemino - acustico - facialis- Gruppe betrifft, so findet Büchner bei Oyprinus brama und BIDDER bei Esoz lueius für den N. trigeminus und N. facialis nur zwei Wurzeln im Gegensatz zu Stanntus (1849, S. 22), welcher gewöhnlich Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens, 647 vier bis fünf Wurzeln beobachtet, die sich nur selten auf drei Wurzeln reduzieren. Bei Cyelothone sind für alle drei Nerven zwei Wurzeln vorhanden, indem die Facialis- und Acusticus- wurzel verschmolzen sind, bei Argyropelecus dagegen nur ein breites Wurzelband (HAnDkrick, 1901, 8. 12). Über die Verschmelzung der Ganglien des N. trigeminus und N. facialis schreibt WIEDERSHEIM (1902, S. 255). »Bei andern Fischen (Chimaera, Polypterus, Lepidosteus, Gadiden u. a.), vor allem aber bei ungeschwänzten Amphibien geht der Facialis mit dem Tri- geminus so enge Lagebeziehungen bzw. Verwachsungen ein, dab die betreffenden Ganglien zu einem Ganglion verschmelzen. Mit an- dern Worten: es werden die Elemente der ursprünglichen Faeialis- sanglien vom Ganglion semilunare (Gasseri) mehr oder weniger auch völlig assimiliert, so daß man das ursprüngliche Verhalten zum Teil nur noch ontogenetisch, bzw. während der Larvenmetamorphose (Am- phibien) nachweisen kann. In solchen Fällen gelingt es nur schwer, über die oft sehr verwickelten Beziehungen zwischen beiden Nerven- gebieten Aufschluß zu erhalten.« In der Anmerkung dazu führt er noch aus: »Auch die zentralen Ursprungsgebiete des sensiblen Trigeminus, Facialis und Acustieus liegen sehr nahe zusammen.« — Dieses trifft in der Tat für Cyelothone zu. Die im allgemeinen bei Selachiern, Dipnoörn, wasserlebenden Urodelen bzw. Urodelenlarven, Cyelostomen und einer sehr großen Anzahl von Teleostiern zwei deutlich getrennten Gangliensysteme des Facialis, das sensorische und das gemischte, aus sensiblen und motorischen Elementen zusammen- gesetzte, Gangliensystem (WIEDERSHEIM, 1902, S. 255, Fig. 186.A, @b, Gos, Gm und Ge), sind mit dem Gangliensystem des N. trigeminus, dem Ganglion semilunare, verwachsen. Schon Srtannıus (1849, S. 20, 31) beschreibt die Verschmelzung der beiden Ganglien des N. trigeminus und N. facialis; sie bilden aber einen extracraniellen Ganglienkomplex, welcher bei Cyelothone jedoch in der Schädelhöhle liegt. Auch Aruıs (1897, 8.593) fand ein einheitliches Trigemino-faeialis-Ganglion, aber außer diesem noch ein getrenntes, tiefer gelegenes Ganglion (Profundusganglion), welches nur für den Trigeminus bestimmt ist. Aus dem gemeinsamen gangliösen Plexus von Cyelo- thone (Fig.2,4,5; Gtf) gehen zwei starke und ein schwächerer Nervenstamm an der Ventralseite hervor (frg, fac, pa + ab). Dem vordersten Absehnitt des Trigemino-facialis-Ganglions entspringt ein einheitlicher kräftiger Stamm (?rg), es ist der Trunceus nervi 648 August Gierse trigemini, welcher sich alsbald zum Boden der Schädelhöhle be- gibt, um durch sein Foramen im Basalknorpel das Cavum eranii zu verlassen (Fig. 16 /rg). Der weiter hinten aus dem Ganglienkomplexe (Gtf) tretende kräftige Nerv ist ungefähr dem Truncus nervi trigemini an Stärke gleich und entspricht dem Truncus nervi facialis (fac). Er be- gibt sich sofort nach seinem Ursprunge lateralwärts zum Boden des Craniums und tritt durch sein eignes Foramen im Os petrosum aus (Fig. 18, 19; fac). Unmittelbar vor dem Truneus nervi facialis nimmt ein dünneres Nervenstämmehen direkt aus dem Ganglion trigemino-faciale seinen Ursprung (Fig. 4, 5; pa + ab). Es repräsentiert den zu einem Stamm verschmolzenen Ramus palatinus und N. abducens (5. 640, 644), auf den ich bei Besprechung des N. facialis noch zu- rückkomme. Wenn man sich in Anbetracht der Austrittsstellen des N. trige- minus und N. faeialis aus dem gemeinsamen Ganglion (Gtf) einen Schluß erlauben darf, so wird wohl die hintere Portion des Ganglien- plexus, welche hinter dem Truncus nervi facialis liegt, im allge- meinen diesem Nerven angehören, während die davor gelegene vor- dere Portion mit dem Truneus nervi trigemini wohl hauptsächlich dem Ganglion semilunare (Gasseri) entsprechen möchte. Eine wirk- liche Trennung ist aber ausgeschlossen, beide Ganglien vermischen sich vollkommen miteinander. Die Beziehungen des N. trochlearis und N. abducens zu dem Ganglion trigemino-faciale sind bei Beschreibung dieser Nerven be- sprochen; es erübrigt nur noch die Verbindung mit dem sympathi- schen Nervensystem zu erwähnen. Aus dem vordersten Grenzstrang- ganglion des N. sympathieus (Fig. 18, 26; @sAVa) tritt ein Zweiglein (a) zu der vorderen Portion des Trigemino-facialis-Ganglions. Dieser Kommunikationsstrang nimmt seinen Weg durch den vorderen Ab- schnitt der Austrittsöffnung für den N. facialis (s. N. sympathicus, S. 676). HANnDRICK (1901, S. 13, 17) beschreibt bei Argyropelecus zwei feine Konnektiväste zwischen dem vordersten sympathischen Grenz- strangganglion und dem extracraniell liegenden Ganglion semilunare. Bezüglich der Austrittsweise des N. trigeminus, N, faeialis und N. palatino-abducens habe ich schon erwähnt, daß alle drei durch diskrete Knorpelöffnungen die Schädelhöhle verlassen. Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acelinidens. 649 Die peripherische Verbreitung der Nervenstämme der Trigemino- acustico-facialis-Gruppe. Der Nervus trigeminus. Aus dem vorderen Abschnitt des Trigemino-facialis- Ganglions geht der Truneus nervi trigemini als ein kräf- tiger einheitlicher Nerv hervor und verläßt alsbald die Schädel- höhle durch sein eignes Foramen (Fig. 16 irg) (vgl. S. 648). Einen gemeinsamen Austritt der Trigeminusäste aus der Schädelhöhle be- schreibt GEGENBAUR (1871, 8. 502) für Hexanchus, Heptanchus, die Dornhaie, Seymnus und die Rochen. Bei Hexanchus besteht der Trigeminus aus zwei Stämmen, die in dem Austrittskanale eng an- einander gelagert sind; außerhalb des Cavum cranii überlagert der hintere Stamm den vorderen und beide erfahren daselbst eine An- schwellung zum Ganglion Gasseri. Der Ramus ophthalmicus (Fig. 4, 5; oph) entspringt bei Oy- elothone bald nach dem Durchtritt des Truncus nervi trigemini durch den Schädelknorpel aus dem gemeinsamen Truncus als ein ein- facher Stamm, welcher bedeutend schwächer ist als die beiden andern Äste des Trigeminus, der Ramus maxillaris superior und in- ferior. Er begibt sich, anfangs dieht dem Basalknorpel des Schädels anliegend, nach vorn zur Orbita und verläuft dann am Gewölbe der Augenhöhle dorsal vom Bulbus oculi über sämtliche Augenmuskeln zur Ethmoidalregion. An der vorderen Wand der Orbita angekom- men, gibt er einen dorsalen Ast zur Haut und betritt dann einen Knorpelkanal, welcher ihn in sanft aufsteigender Richtung zur Ober- fläche der Ethmoidalgegend gelangen läßt. Hier verläuft er nach Abgabe eines weiteren kurzen dorsalen Hautästchens unter dem äußeren Integument zur Schnauze und endigt unter der äußeren Haut, sich in der Umgebung des Riechorgans, dorsal von demselben, verzweigend (Fig. 5 0p4). In einem Falle glaube ich eine Verbin- dung eines Endzweiges vom Ramus ophthalmicus mit einem End- ästehen des oberen Astes vom Ramus maxillaris superior (S. 652) wahrnehmen zu können. Diese Anastomose des Ramus ophthalmicus mit dem Ramus maxillaris superior liegt rostralwärts vor dem Be- ginn des Geruchsorgans. Srtannıus beschreibt bei Knochenfischen (1849, S. 37), daß die Endzweige des Ramus ophthalmieus häufig Verbindungen mit den Endzweigen des Ramus maxillaris superior eingehen. »Der gesamte erste Trigeminus (N. ophthalmieus) ist in allen 650 August Gierse seinen Zweigen rein sensibel und versorgt die Haut des Vorder- kopfes (Schnauze)«. »Mit Nervenhügeln hat er nichts zu schaffen« (WIEDERSHEIM, 1902, S. 253). Stannıus äußert sich in ähnlicher Weise (1849, 8. 34): »Die Aquivalente des Ramus ophthalmieus der höheren Wirbeltiere enthalten bei Fischen — mit Ausnahme der Cyelostomen, wo sie gemischt sind — niemals motorische Elemente.« Im allgemeinen kann man an dem ersten Trigeminus (R. oph- thalmiceus) eine Portio superficialis und profunda unterscheiden, welche bei manchen Fischen und den höheren Formen zu einem Stamm vereinigt sein können. Letzteres ist auch bei Cyelothone der Fall. Schon Srannıus (1849, S. 36) ist dieses nicht unbekannt. Er sagt darüber: »Bei einigen Knochenfischen verläuft der Ramus ophthal- mieus als einfacher Stamm am Dache der Augenhöhle vorwärts, wie dies bei Cyelopterus, Belone, Clupea, Alosa vorkömmt.« — Der ein- heitliche Stamm des Ramus ophthalmicus von Cyelothone erscheint ausschließlich als ein Ast des N. trigeminus, wenigstens gesellt sich ihm kein Faserbündel des N. fa- cialis zu. Ein Konnektivast vom N. facialis, der sogenannte Ramus ophthalmiecus superficialis nervi facialis, fehlt bei Cyelothone. Diese Portion des Ophthalmieus verläuft im allge- meinen »parallel in enger Lagebeziehung mit dem gleichnamigen Trigeminuszweig« (WIEDERSHEIM, 1902, S. 255, GORONOWITSCH, 1896, S. 29, HanwDrick, 1901, S. 17). Übereinstimmend mit meinem Be- funde bei Oyelothone bekommt der aus dem Ramus ophthalmieus pro- fundus und superficialis bestehende erste Trigeminusast beim Sterlet ebenfalls keinen Verbindungsast vom Faeialis (GORONOWITSCH, 1888, S. 481). Ebenso konnte dieser Forscher nicht mit Sicherheit nach- weisen, ob zu dem R. ophthalmieus trigemini noch ein Faserbündel vom N. facialis trat (1896, S. 29). Obwohl ein direkter Ast des N. facialis, ein R. ophthalmieus superfieialis, bei Oyelothone vermißt wird, so erscheint es doch nicht unmöglich infolge der Verschmelzung und Vermischung der Ganglien des Trigeminus und Faeialis, daß auch hier der erste Trigeminusast Faeialiselemente enthalten kann. Das Ciliarnervensystem und das Ganglion eiliare ist S. 641, 642 beschrieben. Der Truneus maxillo-mandibularis (WIEDERSHEIM) ist bei Oyelothone kurz. Er verläuft ein wenig nach unten und zerfällt bald in zwei Äste: den Ram us maxillaris superior (ms) (I. Trige- minus) und den Ramus maxillaris inferior (Ill. Trigeminus seu Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 651 mandibularis) (mz); (Fig. 4, 5; ms, mi). Letzterer ist ein wenig stärker als ersterer, ein Verhalten, das Staxnıus (1849, S. 42) für alle Kno- chenfische als typisch beschreibt. Über den Truneus maxillo-mandi- bularis sagt dieser Forscher (S. 41): »Sie — die Rr. maxillares und der. R. buccalis — bilden bei ihrem Hervortreten aus dem gangliösen Plexus einen kurzen gemeinschaftlichen Stamm. So bei Cottus, Lo- phius, Trichiurus, Caranz, Brama Raja, Pleuronectes, Lepidoleprus, Salmo, Clupea ulosa, Cyprinus, Cobitis, Silurus. Dieser Stamm spaltet sich meist in drei Äste: den R. maxillaris superior, R. buc- calis und R. maxillaris inferior. « Die beiden Kieferäste treten bei Cyelothone sofort auseinander, und zwar begibt sich der Ramus maxillaris superior (ms) nach vorn zur Orbita, und der Ramus maxillaris inferior nach hinten zum Unter- kiefergelenk (Fig. 4, 5; ms, mt). Vom Ramus maxillaris superior (ms) löst sich bald nach seiner Entstehung ein Zweig (msi) ab, welcher, nach hinten ver- laufend, unter die Haut der Wange tritt und sich dort in zwei Äste, einen oberen und einen unteren, teilt. Den oberen Ast konnte ich nur eine kurze Strecke unter dem Integument an der Außenseite des Kiefermuskels verfolgen. Er gibt noch ein feines Hautzweiglein ab und verliert sich dann in der Haut. Das untere Ästehen verläuft ebenfalls unter der Haut nach hinten, tritt bald auf den Ramus bucealis vom N. facialis (S. 659) zu und bildet mit demselben ein kleines Geflecht (Fig. 4, 5; @'). Nach diesem Faseraustausch setzt der Ra- mus buccalis seinen Weg nach vorn fort, während das Ästchen msi in der Nähe des Unterkieferastes (z), ein wenig oberhalb und seit- wärts von demselben, dieht unter dem Integument an der Außenseite des Kiefermuskels nach hinten eilt, um schließlich am unteren Rande des zweiteiligen Kiefermuskels in den Ramus maxillaris inferior ein- zumünden. Dieser Nervenast (ms?) stellt also einen Kommunikations- strang zwischen den beiden Kiefernerven dar. Auch HaxDprick (1901, S. 16) erwähnt diese Anastomose zwischen den beiden Rami maxillares bei Argyropelecus. Aber eine Verbindung mit dem Ramus buccalis fand er nicht. Srtaxxıus schreibt (1849, $. 42) hierüber: »Sehr häufig, und zwar bei fast allen untersuchten Fischen, gehen untergeordnete Zweige dieser verschiedenen Nerven, nach stattge- habter Trennung ihrer Äste, Verbindungen miteinander eine. — Be Oyelothone liegt eine Doppelanastomose vor, indem der Konnektivast (msi) einerseits eine Verbindung zwischen dem zweiten und dritten Trigeminusast herstellt, und Morpholog. Jahrbuch. 32. 43 652 August Gierse wiederum seinerseits eine Kommunikation mit dem Ra- mus bucealis vom N. facialis eingeht. Der Ramus maxillaris superior (ms) begibt sich nach Abgabe dieses Konnektivastes (ms?) zur Orbita. In der Augenhöhle liegt er an deren äußerem Rande, basalwärts vom Bulbus oculi, und nähert sich allmählich der äußeren Körperwand des Fischehens. Ein wenig lateral von ihm verlaufen unter der Haut die drei Endäste des Ra- mus bucealis (S. 659). Der Maxillaris superior geht keine Verbin- dungen mit ihnen ein, sondern spaltet sich bald in einen schwächeren oberen (mso) und einen stärkeren unteren Ast (msu). Letzterer ist für den Ober- und Zwischenkiefer bestimmt. Der obere Ast (mso) versorgt gemeinschaftlich mit einem Zweige vom Ramus bucealis das präorbitale Leuchtorgan und steigt dann schräg nach oben zur Schnauzen- und Nasengegend. Auf seinem Wege kreuzt er den oberen Rand des Palatinums. Dicht unter dem Ge- ruchsorgane verlaufend, gibt er ein Zweiglein für die Riechschleim- haut ab und läßt sich dann noch unter der äußeren Haut bis in die Gegend der vorderen Zwischenkieferregion deutlich verfolgen. Über die Verbindung dieses Astes (mso) mit einem Endzweige des Ramus ophthalmieus siehe S. 649. — Der eigentliche Ober- kieferast (msu) zerfällt, nach unten und außen tretend, in einen feineren Ast für den Zwischenkiefer (pmz) und einen stär- keren für den Oberkiefer, welcher sich in zwei Äste auflöst, die den Oberkiefer versorgen und caudalwärts zur Anheftungsstelle des Oberkiefers an den Suspensorialapparat verlaufen. Ich habe die beiden Äste nur zum Teil in das Schema Fig. 5 eingezeichnet, um die Deutlichkeit nieht zu stören. Der Zwischenkieferast (pmz) verläuft nach vorn; er folgt, wie die beiden Oberkieferäste, mehr oder weniger genau dem Ver- laufe des von ihm innervierten Knochens. »Dieser Ramus maxillaris superior der Fische entspricht wesent- lich den Rr. infraorbitalis und alveolaris der höheren Wirbeltiere und des Menschen« (Stannıus, 1849, S. 43). Was die Innervation des präorbitalen Leuchtorgans betrifft, so findet auch HAnDrick (1901, S. 16, 58) bei Argyropelecus, daß das- selbe von dem oberen und mittleren Endaste des Ramus maxillaris superior versorgt wird. Er kommt aber zu der Vermutung, daß es sich hierbei um Facialisfasern handelt, welche aus dem Ramus buc- calis zu dem Trigeminus bzw. Ganglion Gasseri treten (S. 616). Dieser Autor fährt dann fort: »Sollten diese Facialisfasern unter anderm Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 653 vielleicht dazu bestimmt sein, dureh die Bahn des Maxillaris superior (ms) zum präorbitalen Leuchtorgan zu gelangen?« Ich glaube diese Annahme durch meinen Befund bei COyelothone stützen zu sollen. Bei diesem Teleostier hat ja schon a priori durch die Verschmelzung der Ganglien des Trigeminus und Facialis die denkbar größte Durch- mischung von Trigeminus- und Faeialiselementen stattgefunden. Außerdem ist es nicht ausgeschlossen, daß durch die Anastomose des Ramus buccalis mit dem Verbindungsaste zwischen den beiden Kiefernerven (S. 651) Facialisfasern in die Bahn des Ramus maxillaris superior gelangen. Alle andern Leuchtorgane am Kopfe von Cyelothone werden vom N. facialis, und zwar vom Ramus hyoideus innerviert, was bei Besprechung des Ramus byoideus weiter ausgeführt wird. Dieselbe Versorgung der Leuchtorgane am Kopfe konstatiert auch HANDRICK bei Argyropelecus (1901, S. 19, 22, 23, 58, 59). Der Ramus maxillaris inferior (Fig. 4, 5; mi) ist ein wenig stärker als der Ramus maxillaris superior (ms) und der stärkste von allen Trigeminusästen, ein bei Knochenfischen ganz gewöhnliches Verhalten (Sranntos, 1849, :S. 45). Bald nach seiner Absonderung vom Truneus maxillo-mandibularis entsendet er einen schwä- cheren und bald darauf einen stärkeren motorischen Zweig (m’, m’) für die beiden Portionen des Kiefermuskels. Beide liegen anfangs an der Innenseite dieses Muskels. Der obere Ast (m’) be- gibt sich bald an die Oberfläche der oberen Partie des Kiefermuskels, um sich, daselbst unter dem Hyomandibulare schwanzwärts ver- laufend, weiter hinten in seine Endzweige für diese Muskelportion aufzulösen. Der untere motorische Ast (m’’) steigt zur Unterseite des oberen Kiefermuskelabschnittes herab, läuft dann zwischen bei- den Muskelportionen in der von diesen gebildeten Furche nach hinten und gibt Zweige an die über ihm liegende Muskelpartie ab, um schließlich, weiter schwanzwärts, die untere Muskelportion mit seinen Endästen zu versorgen. STANNIUS schreibt über die motorischen Äste des Maxillaris inferior (1849, S. 45): »Auf seinem Wege zum Unterkiefer gibt er beständig mehrere stärkere und schwächere Zweige ab für den dem Ober- und Unterkiefer gemeinsamen Kiefer- muskel.« Der Ramus maxillaris inferior (me) von Cyelothone verstreicht nach Abgabe dieser beiden Muskeläste (»m’, »n”) schräg abwärts nach außen an den unteren Rand des zweiteiligen Kiefermuskels und ver- läuft nach hinten auf den Aufhängeapparat des Unterkiefers zu. Auf 13* 654 August Gierse seinem langen Wege dorthin wird er anfangs von dem Konnektiv- aste zwischen Ramus maxillaris superior und inferior (msi) begleitet (S. 651), und zwar liegt letzterer nach seiner Anastomose mit dem Ramus buccalis (@’) ein wenig oberhalb und lateral vom Unterkiefer- aste.e Kurz nach der Einmündung dieses Konnektivastes (ms) in den Ramus maxillaris inferior entsendet der III. Trigeminus noch einen ziemlich kräftigen Ramus motoricus (m) für den Kiefermuskel. Diesen Muskelzweig erwähnt auch Sraxıus (1849, S. 46): »Nachdem der Stamm des Unterkiefernerven nochmals einen Zweig für den Kiefermuskel abgegeben, spaltet er sich gewöhnlich in zwei Äste«; vgl. auch Hanprıck (1901, 8. 16). Im Artieulations- gebiete des Unterkiefers angelangt, zerfällt der R. maxillaris inferior von Üyelothone in seine beiden Endäste: einen schwächeren äußeren (mie) und einen stärkeren inneren (mi). Der Ramus externus des Unterkieferastes (mie) wendet sich um das Gelenk des Unterkiefers nach außen (Srtannıus 1849, S. 45) und verläuft zu Anfang am oberen Teile der Außenfläche des Unterkiefers, indem er sich bald in ein etwas stärkeres oberes und ein feineres unteres Zweiglein spaltet. - Auf ihrem Wege nach vorn divergieren beide eine kurze Strecke, vereinigen sich dann wieder, trennen sich noch einmal, um dann wieder für immer zu verschmelzen. Das einheitliche Stämmcehen (mie) hat sich nunmehr dem unteren Rande des Unterkiefers mehr und mehr genähert. Es kreuzt diesen Rand, um sich mit dem längs dem Meckerschen Knorpel und zwar unterhalb desselben verlaufenden äußeren Ast des Ramus mandi- bularis nervi facialis (mde) zu verbinden. Beide Nervehen schlagen noch einmal für eine kurze Strecke einen getrennten Verlauf ein und begeben sich dann zu einem Stämmchen (mde -—- mie) ver- schmolzen unterhalb des Unterkieferknorpels, dem Verlaufe des- selben folgend, nach vorn bis zur Vereinigungsstelle der beiden Unterkieferhälften. ! Diesen äußeren Unterkieferast beschreibt auch Stanxıus (1849, S. 45). Über die Verbindungen zwischen dem Ramus maxillaris inferior und dem R. mandibularis nervi facialis äußert sich RusE (1896, S. 209, 213): »Der mandibulare Ast des Ramus posterior nervi facialis teilt sich'mit dem Ram. mandibularis des Trigeminus in das Haut- und Schleimhautgebiet der Unterkiefergegend. Aus dieser nachbar- lichen Beziehung leiten sich Verbindungen beider Nerven her, welche bereits bei _Acipenser, Chimaera und besonders bei den Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone accelinidens. 655 Knochenfischen zu eng gefügten Anastomosen führen.«e Auch WIEDERSHEIM (1902, S. 255) äußert sich in ähnlicher Weise: »Zwischen dem Ramus mandibularis externus und dem Ramus mandibularis trigemini können zahlreiche Verbindungen existieren. « Der innere, etwas stärkere Unterkieferast (mit) begibt sich an den lateralen, oberen Rand des Unterkiefermuskels, gibt nach kurzem Verlaufe ein Ästchen für diesen Muskel ab und ent- sendet einen Zweig nach unten für den MEckerschen Knorpel, der sich leider bald dem suchenden Auge entzieht. Auch das Muskel- zweiglein ist kurz. Durch die Abgabe dieser beiden Ästchen ge- schwächt, steigt der Ramus internus (mi) über den oberen Rand des Muskels hinweg zur Innenfläche des Unterkiefers. Hier an- gekommen verläuft er mit dem inneren Unterkieferaste des Ramus mandibularis nervi facialis (md‘) mehr oder weniger parallel nach vorn bis zur Vereinigungsstelle der beiden Unterkieferhälften. Im vorderen Abschnitt ihres Verlaufes ziehen der Ramus internus des Unterkieferastes (mi) am oberen, der entsprechende Ast vom Ramus mandibularis des N. faeialis (mdi) am unteren inneren Rande des MeEckerschen Knorpels dahin. Beide Nerven sind an Stärke einander gleich. Anastomosen zwischen ihnen konnte ich bei Cyelo- thone trotz eingehender Untersuchung nicht entdecken, im Gegensatz zu Srtannıus (1849, S. 46, 63), welcher einen oberen und unteren Ramus internus des Unterkiefernerven unterscheidet. Beide gehen Verbindungen mit Zweigen vom Ramusmandibularis nervi facialis ein. Der Nervus faecialis. Der siebente Hirnnerv entspringt, wie schon S. 648 mit- geteilt, mit einem einheitlichen kräftigen Stamm, dem Truneus nervi facialis (fac), aus dem Ganglion trigemino- faciale (Gtf) und begibt sich sofort seitwärts zum Boden der Schädelhöhle, um dieselbe durch seine Austrittsöffnung im Os petrosum zu verlassen (Fig. 18, 19; fac). Stannıus (1849, 8. 60) schreibt darüber: »Nur bei wenigen Knochenfischen geht er, ohne eine selb- ständige Austrittsstelle aus dem Schädel zu besitzen, aus dem ge- meinsamen gangliösen Plexus, der am Vorderende des Os petrosum gelegen ist, hervor.c — — — »Gewöhnlich tritt er durch einen eignen Knochenkanal des Os petrosum aus der Schädelhöhle.« »Der Nervus faeialis ist mit Zweigen zur Haut, Schleimhaut und zur Muskulatur ausgestattet (RuGE, 1896, 5. 200).« Der Ramus palatinus bietet bei Oyclothone ganz eigen- 656 August. Gierse artige Verhältnisse dar, welche ich schon bei Beschreibung des N. oculomotorius (5. 640) und des N. abducens (S. 644) zu schil- dern Gelegenheit fand. Er ist kein direkter Ast des N. fa- cialis, sondern entspringt vielmehr selbständig aus dem Trigemino-facialis-Ganglion (Gtf), unmittelbar nach dem Ur- sprunge des Truneus nervi facialis (fac) und durchsetzt als selbständiger Nerv das Os petrosum (vgl. S. 644). Dieses Nervenstämmchen repräsentiert nicht allein den Ramus palatinus, sondern gleichzeitig auch den N. abducens, wie schon S. 644 erörtert ist. Über die Zugehörigkeit des Ramus palatinus zum Nervus faeialis schreibt RuGEe (1896, S. 206): »Der Ramus palatinus der Ganoiden und Knochenfische hat durch J. MÜLLER und H. Srannıus eine auf- klärende Darstellung erfahren. Durch letzteren ist die Zugehörigkeit desselben zum Nervus facialis festgestellt worden.« Nach STANNIUS (1849, S. 70) weist der Ramus palatinus in seinen Beziehungen zum Nervus trigeminus und N. facialis bei den Fischen große Schwan- kungen auf. »Im ganzen zeigt er auch hier dem N. faeialis sich verwandter als dem N. trigeminus.«< Dieses stimmt auch für Cyelo- thone. Wenngleich der R. palatinus von C'yelothone kein direkter Facialiszweig ist, so weist er doch bei seinem Ursprunge aus dem Ganglion trigemino-faciale unverkenn- bar innigereLagebeziehungen zum Facialis als zum Trige- minus auf. Bei Acipenser stammt der R. palatinus »aus dem ge- meinsamen, gangliösen Geflechte des Nervenkomplexes« (STANNIUS, 1849, S. 86). GEGENBAUR (1898, S. 810) sagt über den Ursprung des Palatinus: »Auch der N. palatinus kann mit selbständiger Wurzel versehen sein.« Was die diskrete Austrittsöffnung des R. palatinus betrifft, so führt Stannıus »31 Knochenfische aus sehr verschiedenen Familien« mit derselben Austrittsweise an (RuGE, 1896, S. 206). Einer Verschmelzung des N. abducens mit dem R. palatinus wurde aber in der mir vorliegenden Literatur keine Erwähnung getan. Nach dem Austritt aus der Schädelhöhle findet noch eine voll- kommene Verschmelzung des Palatino-abducensstämm- chens (pa + ab Fig. 4) mit dem N. oculomotorius statt (vgl. S. 640, 644). Dann trennen sich die drei Nerven. — Der Ramus palatinus (pa) wendet sich zum Dach der Mundhöhle und setzt auf dessen höchster Wölbung seinen Weg fort, indem er sich mehr und Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyclothone acclinidens,. 657 mehr dem knorpeligen Interorbitalseptum, dem an der Ventralseite das Parasphenoid fest anliegt (S. 611, 614), nähert. Auf seinem Wege zum Dache der Mundhöhle findet an der Fig. 26 mit + bezeichneten Stelle eine Anastomose mit dem mittleren Grenzstrange des Sym- pathieus (gst’) statt (vgl. S. 677). Der Palatinus verläuft dann zu beiden Seiten des Septum Intags orbitale + Parasphenoid unmittelbar über der das Gaumengewölbe auskleidenden Schleimhaut oralwärts und endet nach Abgabe von einigen Zweigen für die Schleimhaut im vorderen Teil der Mundhöhle. Der Stamm des Nervus facialis, der Truncus hyoideo- mandibularis (nach Srannıus) (km), hat nach seinem Austritt aus dem Schädel eine Verbindung mit dem vordersten Grenz- strangganglion des Sympathicus (Fig. 26 Gsk V a’) vermittels eines ziemlich kräftigen Kommunikationsstranges (a). Auch HANDRICK (1901, S. 20) erwähnt diesen Verbindungsstrang bei Argyropelecus. Noch bevor diese Anastomose mit dem N. sympathicus statt- findet, entsendet der Trunecus fast unmittelbar nach seinem Austritt aus der Schädelhöhle einen dorsalen Muskelzweig (m) für die zwischen dem Schädel und dem Hyomandibulare und dem Kiefer- suspensorium sich ausbreitende Muskulatur. Dieser Ramus motorieus (m) zerfällt in einen schwächeren ventralen und einen stärkeren dorsalen Zweig. Letzterer verläuft an der Außenseite dieser Mus- kulatur und endet weiter caudalwärts in derselben als ersterer, welcher an der Innenseite der Muskulatur dahinzieht. Einen homologen Muskelast beschreibt GORONOWITScH (1896, S. 40): »Der R. hyoideomandibularis sendet in der Nähe seines Ab- ganges von den Stämmen des Nervenkomplexes einen Muskelast zu dem Adductor opereuli und Adductor hyomandibularis.« Außer diesem Muskelzweige (m) gibt der Truneus hyoideo- mandibularis ein Schleimhautästchen (pÖ) an seiner Ventral- seite ab. Dieser Nerv begibt sich sofort zum Dache der Mundhöble und spaltet sich dort in zwei Äste. Das stärkere, nach vorn ver- laufende Zweiglein war nur noch eine kurze Strecke zu sehen. Es verschwand in der Schleimhaut des Gaumendaches. Das nach hinten ziehende, feinere Ästchen (p5) steigt an der Innenfläche des zwei- teiligen Kiefermuskels, dicht der Schleimhaut aufliegend, abwärts und verschwindet weiter hinten, feiner und feiner werdend, vor dem suchenden Auge. Der Hyoideo-mandibularis (Am) nimmt nun seine Verlaufsrichtung schwanzwärts und steuert ein wenig seitwärts auf den äußeren oberen 658 August Gierse Rand des Hyomandibularknorpels los. Er durchbohrt denselben und tritt in einen Kanal des Hyomandibulare ein. Schon STANNIUs (1849, 8. 62) kennt dieses Verhalten; GORONOWITSCH (1896, S. 40) und HAanDrıck (1901, S. 21) erwähnen diesen Knochenkanal ebenfalls. Kurz nach seinem Eintritt in diesen Knochenkanal entsendet der Hyoideo-mandibularis von Cyelothone durch eine seitliche Öffnung einen kräftigen Nerven, den Ramus buccalis (de). Diesen Nerven beschreibt Stansıus (1849, S. 44, 62) bei Esox als einen »sehr merk- würdigen akzessorischen Ramus buccalis«.. GORONOWITSCH (1896, S. 40) fand ihn bei Esox, Tinca, Abramis, Oyprinus carpio und Gobio. HANDRIcK (1901, S. 21) beschreibt ebenfalls einen akzessorischen Bucealis bei Argyropelecus. Der Ramus buccalis (bc) von Cwyclothone gibt sogleich nach seinem Ursprunge ein sensimotorisches Ästchen (sm) nach hinten ab. Dasselbe verläuft am oberen, äußeren Rande der Kiefer- muskulatur unter dem Integument schwanzwärts und teilt sich in zwei Zweige, von denen der eine sich ein wenig abwärts zur Haut begibt, wogegen der andre die dorsale Portion des zweiteiligen Kiefermuskels versorgt. Dieses Ästchen (sm) erwähnen die drei oben genannten Autoren nicht. Nach Abgabe dieses sensimotorischen Zweiges (sm) zieht der R. buccalis, zwischen Haut und Kiefermuskulatur gelegen, eine kurze Strecke unterhalb des Hyomandibularknorpels nach vorn und gibt dann einen Ast (dc) ab. Dieser hat einen sehr langen Verlauf. Er wendet sich dem Hyomandibulare folgend an dessen unterer lateralen Fläche, oberhalb des Kiefermuskels unter dem Integument nach vorn, umkreist das Cranio-Hyomandibular-Gelenk und strebt, stets dieht unter der äußeren Haut, allmählich der Kopfoberfläche zu, wo er in der vorderen Frontalregion in der Haut endet. Unterwegs gibt er keinen Zweig ab. Auch Hanpkrick (1901, S. 21) schildert einen, gleich nach dem - Austritt des Ramus accessorius buccalis aus dem Kanal im Hyo- mandibulare aus diesem entspringenden Nerven. »Dieser Nerv schlägt seine Richtung nach oben außen und ein wenig nach vorn ein, um quer durch die oberflächlich gelegene Kiefermusku- latur unter die Haut zu gelangen. Hier, in der Gegend des dem Gehörorgan zugehörigen äußeren Bogenganges angekommen, ver- bindet er sich mit einem Zweig (st) des Ramus supratemporalis nervi lateralis« (7). Dieser Nerv (acb') des Argyropelecus hat eine ganz entgegengesetzte Verlaufsrichtung und weist ganz andre Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens.. 659 Verhältnisse auf wie der Ramus de’ bei Cyelothone, welcher unver- hältnismäßig länger ist. Der Ramus bueecalis (de) selbst ist bedeutend stärker als be, nimmt bei Cyelothone nach Abgabe dieses Ästehens (be’) seine Ver- laufsriehtung ein wenig nach unten auf den Kommunikations- strang der beiden Rami maxillares (ms) zu und verschmilzt mit demselben zu einem kleinen Geflecht (a”) (vgl. S. 651). Unmittelbar nach dieser Anastomose gibt der R. buccalis einen Ast zur Haut und zieht dann unter dem Integument nach vorn zur Or- bita. Bevor er dieselbe erreicht, zerfällt er in seine drei Endästchen, von denen zwei zur Haut bzw. zu Sinnesorganen treten, während das mittlere Zweiglein am unteren lateralen Rand der Orbita, ein wenig oberhalb und seitlich von dem oberen Ästehen des Ramus maxillaris superior (mso), zum praeorbitalen Leuchtorgan zieht und dasselbe gemeinsam mit einem Zweige aus dem oberen Ästehen des Oberkiefernerven (mso) innerviert (vgl. S. 652). — Leider war es durch die erwähnten Hautdefekte unmöglich, sich ein Bild von der Innervation der hier liegenden Sinnesorgane zu machen (S. 603). Nach GoroxowıItscHh (1896, S. 40) ist der Ramus bucealis, welcher allen von ihm untersuchten Fischen zukommt, »ein den Haut- ästen des Trigeminus I. homodynamer Zweig«. In dem Knorpelkanal des Hyomandibulare legt der Truneus hyoideo-mandibularis (Am), durch die Abgabe des R. buccalis geschwächt, noch einen weiten Weg zurück und gelangt schließlich an die Außenseite des Kieferspangenapparates, wo er sich in seine beiden Hauptäste: einen vorderen Ramus mandibularis (md) und einen hinteren Ramus hyoideus (Ay) gabelt. In dieser Zweiteilung stimmen alle Fische überein. Nur die Teilungsstelle ist eine unbestimmte, indem sie teils kurz nach dem Austritt aus dem Cranium liegt — in diesem Falle tritt der Nerv in keinen Knochen- kanal — oder aber, wie das gewöhnlich vorkommt und auch bei Oyelothone der Fall ist, nach dem Austritt aus dem Knochenkanal (Stannıus, 1849, S. 62). Beide Nerven sind bei meinem Objekte gleich stark. Denselben Befund hat Hanprıck (1901, S. 22) bei Ar- gyropelecus. Nach Srannıus dagegen (1849, S. 62, 63) ist der Ramus mandibularis bald schwächer, bald stärker als der Ramus hyoideus. Der Ramus hyoideus (Ay) gibt bald nach seiner Abspaltung vom Truneus hyoideo-mandibularis ein Ästehen für das vordere 660 August Gierse Leuchtorgan auf dem Kiemendeckel und zieht dann am oberen Innenrande des Suspensorialapparates allmählich nach unten und hinten. Nach Innervation der auf dem Kiemendeckel be- findlichen Drüsenmasse und des hinteren Leuchtorgans auf demselben begibt sich der Hyoideus im Bogen unter das Hyoid. Er folgt im wesentlichen dem Verlaufe des Zungenbein- bogens mundwärts und versorgt sämtliche zehn Leuchtorgane, welche an der Schleimhaut dieser Knorpelspange, der so- genannten Membrana branchiostega (Stannıus, 1849, S. 63), liegen. | Was die Innervation der Leuchtorgane betrifft, so übernimmt auch bei Argyropelecus (HANDRICK, 1901, S. 23) der R. hyoideus die Versorgung der an der Schleimhaut des Hyoids gelegenen Leucht- organe. Der Ramus mandibularis (md), gleich stark wie der Ramus hyoideus, verläuft noch eine Strecke mit demselben zusammen, dann tritt er an den oberen äußeren Rand des Aufhängeapparates des Unterkiefers nach hinten unten, umkreist das Unterkiefergelenk und zerfällt in zwei Äste, von denen der eine schwächere den Ramus externus (mde) darstellt, während der andre stärkere den inneren Unterkieferast (mdi) abgibt und den Weg an die Innenfläche des Unterkiefers einschlägt. Dieser innere Ast (mdı) ist bald nach seiner Entstehung für kurze Zeit zweigeteilt und steigt dann als einheitliches Stämm- chen (mdi) zum Meckerschen Knorpel herab. In seinem hinteren Abschnitte liegt er diesem Knorpel stellenweise eng an und gibt feine Zweige für ihn ab. Im vorderen Abschnitte seines Verlaufes entfernt er sich wieder vom Knorpel und läuft mehr oder weniger dem gleichnamigen Aste des Unterkiefernerven (mi S. 655) parallel zur Schnauze. Anastomosen dieses Nerven mit Zweigen aus dem Ramus maxil- laris inferior, wie sie STAnNıus (1849, S. 46, 63) schildert, konnte ich bei Cyelothone nicht finden. Der äußere Unterkieferast (mde) des Ramus mandibularis wendet sich an der Außenfläche des Unterkiefers nach unten und vorn, um alsbald unter den MEckeuschen Knorpel zu treten, wo er weiter oralwärts mit dem gleichnamigen Stämmchen vom R. maxillaris inferior (mie) verschmilzt (vgl. S. 654). Eine Teiluug des Ramus mandibularis in einen äußeren und inneren Ast kennt auch Stannıus bei Silurus und Anguilla. Er Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acelinidens. 661 schreibt darüber (1849, S. 64): »Eigentümlich verhält sich der Ramus mandibularis .bei Sıurus und Anguilla. Bei beiden teilt er sich in zwei Zweige, von welchen der eine an die Innenseite des Unter- kiefers tritt, während der andre einen Ramus mandibularis externus darstellt. Bei Angwlla ist er stärker, als der Ramus internus.« Außerdem erwähnt dieser Autor eine Verbindung des äußeren Astes vom Ramus mandibularis mit dem Ramus externus vom Truncus maxillaris inferior des Trigeminus bei Sılurus. Bei Cyelothone ist der innere Ast (mdi) stärker als der äußere (mde) im Gegensatz zu dem Befunde, welchen StAnnıus bei Anguilla hatte (s. oben). Der Nervus acustieus. Der Gehörnerv bildet mit dem Nervus facialis zu- sammen eine gemeinsame Wurzel, die distale Wurzel der Trige- mino-acustieo-facialis-Gruppe (Fig. 2,4,5, 23, rfa; vgl. S. 645, 646). Aus dieser Wurzel zweigt sich der N. acusticus ab und schwillt zu einem Ganglion, dem Ganglion acustiecum (Ga) an, welches drei Nerven den Ursprung gibt, dem Ramulus ampullae anterioris (raa), dem ungefähr gleich starken Ramulus ampullae externae (rae) und dem schwächeren Ramulus utrieuli (rw) (Fig. 21 raa, rae, ru). Der Ramulus ampullae anterioris (raa) übernimmt die Innervation der Crista acustica ampullae anterioris und außerdem die eines Teiles der Macula acustica utrieuli; während der andre Teil der Macula von dem feinen Ramulus utriculi (r«) versorgt wird. Der Ramulus ampullae externae (rae) begibt sich zur Crista acustiea ampullae externae und innerviert dieselbe (Fig. 16, 18—21; raa, rae, rw). Jetzt bleibt noch die Innervation der Ma- eula acustica saceuli und die der Crista acustica ampullae poste- rioris zu beschreiben. Bald nach dem Ursprunge der Acustico-faci- alis-Wurzel (Fig. 2, 4,5; rfa) aus der Medulla oblongata geht ein kräftiger Nervenstrang (rsa) aus den hinteren Fasern dieser Wurzel hervor, welcher wohl fast ausschließlich Acusticusfasern enthalten dürfte. Er verläuft nach unten hinten und schwillt sehr bald zu einem ziemlich hohen, aber platten Ganglion (Grsa) an. Dieses Ganglion zeigt bei mikroskopischer Betrachtung denselben Befund, wie das Acustieusganglion (Ga, vgl. S. 646); es ist aus kleinen Ganglienzellen zusammengesetzt, ein 662 August Gierse Umstand, welcher auch für meine oben bezüglich der Fasern des Nervenstranges (rsa) angegebene Vermutung spricht. Aus dem hinteren Teile dieses Ganglions (Grsa) entspringen zwei Nerven, von denen der eine zur Macula acustica saceuli ver- läuft (Fig. 2, 4,5, 25; sa) undden Ramulus sacculi(vsa) darstellt, während der andere, bedeutend schwächere Zweig (rap) an der Dorsalseite des Ganglions (Grsa) hervortritt und seinen Weg nach hinten oben zur Crista acustica ampullae posterioris nimmt. Dieser Nerv (rap) bildet gleich an seinem Ursprunge eine kleine gangliöse Anschwellung, tritt von unten her an die Late- raliswurzel (rlt) bzw. die Lateralis-glossopharyngeus-Wurzel (rlt + rph) (S. 663) und verbindet sich mit derselben. Nach dieser Anastomose begibt er sich zur Crista acustica ampullae poste- rioris und innerviert dieselbe. Er repräsentiert also den Ramulus ampullae posterioris (rap). Schon die ältesten Forscher, wie beispielsweise WEBER (1820, S. 33 und 101), TReEvIRANUS (1832, 8.108, 109), Stannıus (1849, S. 79) haben solehe und ähnliche abweichende Innervationen von Teilen des Gehörorgans gekannt und beschrieben. In neuester Zeit schildert HAnDrick (1901, S. 15, 25) eine abweichende Versorgung der Crista ampullae posterioris und der Papilla acustica lagenae bei Argyropelecus: beide erhalten ihre Nerven aus der, im Verlaufe der Anastomose zwischen der gemeinsamen Trigemino-acustico-facialis- wurzel und der Lateraliswurzel befindlichen, gangliösen Anschwel- lung (Gav). Ein Rudiment von einer Macula acustica neglecta (mn) fand ich in einem Falle am Boden des Utrieulus ganz nahe dem Canalis utrieulo-saceularis (Fig. 24 mn). Die Innervation wurde von einem Ästehen des Ramulus ampullae posteri- oris (rap) vollzogen. WIEDERSHEIM (1902, S. 318) sagt über die Macula acustica negleceta: »Sie besitzt ab origine schon einen rudi- mentären Charakter.« Hanprıick (1901, S. 51) vermißt sie bei Argyropelecus. Bei allen andern Oyelothone acelinidens-Exemplaren fand ich ebenfalls keine Macula neglecta ausgebildet. Die Vagusgruppe. Die Vagusgruppe enthält bekanntlich gemischte, d. h. motorische und sensible Elemente und wird bei Cyelothone aus dem eigent- lichen Nervus vagus, dem Nervus glossopharyngeus und dem Nervus lateralis gebildet. Sie ist in ihrem Verlaufe schräg Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens.. 663 nach hinten gerichtet und entspringt mit nur zwei Wurzeln aus der Medulla oblongata in deren hinteren Abschnitte, wo die Lobi poste- viores auf der Rautengrube ihr Ende erreichen, und die Lobi vagi seu vagales auftreten. Die proximale, stärkere Wurzel gehört dem Nervus lateralis und Nervus glossopharyngeus an Fig. 2, 4, 5, 24, 25; rlt + rph). Beide Nervenwurzeln sind bei Oyelothone zu einer einheitlichen Wurzel verschmolzen. Sie entspringt an der dorso-lateralen Fläche der Medulla oblongata in der Nähe der Acustieo-facialis-Wurzel und in gleicher Höhe mit ihr. Der N. lateralis hat mit der Acustico-facialis-Gruppe dasselbe Ursprungsgebiet inner- halb des Gehirns. Er gehört nicht ursprünglich zum Vagus, »sondern zum Seitennervensystem des Kopfes, mit welchem er gleichen zen- tralen Ursprung hat,« in ein und dasselbe »uralte Sinnesnerven- system«, in das Lateralnervensystem (WIEDERSHEIM, 1902, S. 255 Anm., 259). Die Lateralis-pharyngeus-Wurzel (rl! + rph) verläuft innerhalb des Craniums zunächst ein wenig nach hinten oben und hat während dieses Verlaufes die Anastomose mit dem Ramulus ampullae posterioris (rap) (S. 662). Gleichzeitig mit dem Abtreten des Ra- mulus (rap) nach oben zweigt sich an der Ventralseite die Glosso- pharyngeuswurzel (rp4) ab und begibt sich schräg nach hinten zur Seitenwand des Schädels. Die distale, schwächere Wurzel (rva) bildet die eigent- liche Vaguswurzel. Ihr Ursprung liegt schwanzwärts von der gemeinsamen Wurzel des Nervus lateralis und Nervus glossopharyn- geus, ebenfalls an der dorso-lateralen Fläche der Oblongata (Fig. 25 rva), am Ende der Lobi vagales. Diese Wurzel ist nach STANNIUS (1849, S. 82) »meist bedeutend stärker« als die vordere. Bei Oyelo- thone ist das Gegenteil der Fall, was wohl auf die Verschmelzung der beiden Nervenwurzeln zurückzuführen ist. Die Vaguswurzel (rva) bildet nur einen einzigen Strang im Gegensatz zu STANNIUS (1849, 5. 82), welcher bei seinen Objekten zwei bis vierundzwanzig Stränge wahrnehmen konnte. Die Mehrzahl von diesen Wurzel- strängen erhält sich nach seiner Angabe bei den Selachiern, Ganoiden und vielen Teleostiern. Die Vaguswurzel (rva) von Cwyelothone verläuft innerhalb des Craniums schräg nach hinten in der Richtung auf die Lateralis- glossopharyngeus-Wurzel und verschmilzt mitihr zu einem ein- heitlichen Stamme (r/t + rva), fast unmittelbar nachdem sich 664 August Gierse die Glossopharyngeuswurzel von der Lateraliswurzel getrennt hat. Es findet also nur eine Verschmelzung der Vagus- mit der Lateraliswurzel, nicht aber der Vagus- und Glossopharyn- geuswurzel statt. Die proximale Wurzel (rl! + rph) entspringt bei Cyelothone mit Ausnahme eines Falles stets mit einem einzigen Wurzelbündel aus dem verlängerten Mark. Nur bei einem Indi- viduum entsprang der N. glossopharyngeus mit einer selbständigen Wurzel, ventral und ein wenig schwanzwärts von der Lateraliswurzel, welche bedeutend stärker entwickelt war. Auch in diesem Falle ver- einigten sich bald nach ihrem getrennten Ursprunge beide Wurzeln und verliefen dann, wie zuvor beschrieben ist. Der gemeinsame Wurzelstamm des N. lateralis und N. vagus (rt + rva) verläßt die Schädelhöhle durch ein separates Foramen, während die Glossopharyngeuswurzel eine eigne, dicht vor der Aus- trittsöffnung des N. vagus + lateralis gelegene Durchtrittsöffnung be- sitzt, wie dies bei allen Knochenfischen der Fall ist (Srawxıus, 1849 S. 75, WIEDERSHEIM, 1902, S. 258). Den Grund zu diesen weitgehenden Verschmelzungen gibt die gewaltige Entwicklung der Labyrinthe, was schon S. 616 und 646 ausgeführt ist. Die Verschmelzung der Lateralis- und Glossopharyn- geuswurzel bei Cyelothone ist abweichend von der Norm. Nach Staxnıus (1849, S. 74) ist der N. Glossopharyngeus »bei der Mehrzahl der Fische vellkommen selbständig und mit eigner, von denen des N. vagus gesonderten Wurzel versehen<. Nur bei niederen Fischen und einigen Knochenfischen werden noch innige Beziehungen zwischen N. vagus und N. glossopharyngeus beobachtet. In bezug auf sein Verhalten zur Lateraliswurzel teilt dieser Autor (S. 81). mit, daß der N. glossopharyngeus »in gar keine fernere Beziehungen: mit der Lateraliswurzel tritt. Dagegen beschreibt Arrıs (1897, S. 625, 746) Verbindungen zwischen beiden Wurzeln bei Amia calva. An der Kreuzungsstelle gelangen nach ihm Fasern aus dem N. late- ralis in den Glossopharyngeus, wodurch dessen Dorsalast gebildet wird. Diese Behauptung verwirft HALLER, B. (1898, Bd. 26, S. 409) als irrtümlich. Nach meinem Befunde bei Oyelothone sind die Be- ziehungen zwischen den Wurzeln des N. lateralis und N. glosso- pharyngeus wohl die denkbar innigsten, indem beide vollständig verschmelzen, ebenso wie ein wenig weiter schwanzwärts die Lateralis- und Vaguswurzel sich zu einem einzigen Stamme verbinden. Im Gegensatz zu dem letzten Befunde tritt Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 665 HALLER für die vollständige Unabhängigkeit des N. lateralis vom N. vagus ein. Er schreibt darüber bei Seylium (S. 408): Der N. lateralis »lagert dem nun einheitlichen Vagusstamm von vorn zu ganz fest an (Textfig. 12) und durchsetzt als ein mit diesem schein- bar einheitlicher Stamm den bekanntlich recht langen Austrittskanal des Vagus. Aber weder innerhalb des Craniums, noch im Vagus- kanal findet ein Faseraustausch zwischen dem N. lateralis und dem Vagus statt, sondern beide liegen ganz fest aneinander«. Vgl. auch Stannıus (1849, S. 86). Wir kommen nun zur Betrachtung der Ganglien dieser Wurzeln und der aus ihnen entstehenden Nerven. Der Nervus glossopharyngeus. Nachdem die Glossopharyngeuswurzel sich von der Lateralis- wurzel getrennt und die Schädelhöhle in der Kiemenregion verlassen hat, tritt sie ein wenig nach vorn unten und bildet einGanglion (GpA). Die Bildung dieses Ganglions findet bei allen Knochenfischen so- gleich oder bald nach dem Austritt des Nerven aus dem Cavum eranii statt (Stannıus, 1849, S. 76). Das Glossopharyngeusganglion (Gph) von Cyelothone hat keine Beziehungen zu dem Grenzstrange des N. sympathicus (S. 79), was sonst häufig vorkommt (STANNIUs, 1849, 8. 76). Der aus dem Ganglion austretende Nervenstamm (pA) ist ein wenig stärker als seine Wurzel. Bei den Knochen- fischen und Plagiostomen ist dieses Verhalten nach Srtaxsıus (1849, S. 76) augenfällig.. Den Grund dafür erblickt dieser Forscher in dem Zuwachs von sympathischen Elementen, was für O'yelothone aus- geschlossen erscheint. GEGENBAUR (1871, S. 516) teilt diese Ansicht von STAnNIus auch nicht. Er kommt bei Zexanchus zu dem Schluß, daß aus dem Ganglion neue Elemente der Nervenbahn zugeführt werden. Dieses kann vielleicht auch für Oyelothone geltend ge- macht werden. Was den Verlauf des Glossopharyngeus betrifft, so zerfällt er, bald nach seinem Austritt aus dem Ganglion, nach Art eines Ramus branchialis nervi vagi in einen Ramus prae- und postbranchialis seu prae- und posttrematicus («, p4).. Der R. praetrematicus des N. glossopharyngeus («) ist schwach entwickelt und konnte nur eine Strecke weit nach vorn bis zur Schleimhaut des hinteren Mund- höhlenraumes verfolgt werden. Er ist nach Stanxıus (1849, S. 76, 77) ein schwacher, »abortiver« Nerv, welcher auch vollkommen fehlen 666 August Gierse kann, z. B. Esox und Stlurus, oder auch wieder »ausnehmend stark« wird, wie bei Cyprinen. HAxprick vermißt diesen Ast bei Argyro- pelecus (1901, 8. 27). Der hintere stärkere Ast (p2), der eigentliche N. glosso- pharyngeus, begibt sich zum ersten Kiemenbogen und versorgt ihn. Die gemeinsame Wurzel des N. lateralis und N. vagus tritt durch einen eignen Kanal aus dem Cavum cranii aus. Während dieses Verlaufes ist es absolut unmöglich, an dem Wur- zelstamm (rl! + rva) zwei Portionen zu unterscheiden. Er verläuft, mit einer ziemlich kräftigen Bindegewebshülle umscheidet, nach unten und hinten und schwillt dann bald zu einem mächtigen extracraniellen Ganglion (GH + Gva) an. Kurz vor der Bildung dieses Ganglions läßt sich an dem ge- meinsamen Stamm eine etwas dichtere ventrale und eine mehr lockere dorsale Portion erkennen. Gleich im Beginn des Ganglion vago-laterale tritt an seinem dorso-lateralen Rande ein Nervenstamm aus und begibt sich, fast gerade aufsteigend, unter die Haut und schlägt eine Verlaufsrichtung nach vorn ein. Nach- dem er unterwegs ein paar Zweiglein zur Haut bzw. den Sinnes- organen abgegeben hat, verteilt er sich unter der Haut der oberen Schläfengegend. Dieser Ast ist der Ramus supratemporalis (s?) (STAnNıus, 1849, 8. 97). Das gemeinsame Ganglion des N. lateralis und N. vagus wird ebenfalls wie der Stamm (rl! + rva) von einer Binde- gewebsscheide umhüllt und zeigt auch bei mikroskopischer Betrachtung zwei Portionen, die aber nicht immer deutlich voneinander abgesetzt sind. Eine genaue Begrenzung der beiden Portionen ist nicht gut möglich. In Beziehung auf ihre Struktur ist ein Unterschied deutlich wahrnehmbar. Die obere Partie dieses Ganglions (Gl + Gva) ist charakterisiert durch etwas größere und vereinzeltere Ganglienzellen gegenüber der unteren Partie, welche kleinere, aber zahl- reichere Zellen aufweist. Gegen das Ende der Ganglienmasse wird diese Differenzierung immer deutlicher, bis endlich zwei kräf- tige, ungleich starke Nerven aus dem Ganglienkomplexe entstehen. Aus der Lage und weiterem peripheren Verlaufe dieser Nerven konnte ich feststellen, daß der dorsale, etwas stärkere Nerven- stamm dem Seitennerven, Nervus lateralis (ZZ), angehört, während der untere, ein wenig schwächere die Quelle des u Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acelinidens. 667 Nervus vagus bilde. Hiernach gehört die dorsale Gan- slienmasse dem Lateralis, die ventrale dem Vagus an. Beide Nervenwurzeln beteiligen sich gleichmäßig an der Bildung des gemeinsamen Ganglions (Gl! + Gva) bei Oyelothone, was ebenfalls nicht normal ist. Nach STANNIUS (1849, 5. S6) nimmt die Lateraliswurzel an der Ganglienbildung der Vaguswurzel keinen Anteil. Sie bildet selbst auch gewöhnlich kein äußerlich erkennbares Ganglion. Belone, Sılurus u. a. machen aber eine Ausnahme, sie besitzen ein Ganglion laterale (S. 94, 96). Auch HANDrIcK (1901, S. 25) findet bei Argyropelecus ein »sehr beträcht- liches spindelförmiges Ganglion (G/t)« am N. lateralis, welches aubßer- halb der Schädelhöhle liegt. Wir gehen jetzt zur Betrachtung der beiden Nervenstämme über. Der Nervus lateralis (/f) wird, wie schon ausgeführt, durch den dorsalen Nerven dargestellt. Seinen ersten abgehenden Ast, den Ramus supratemporalis (s/) haben wir schon S. 666 kennen ge- lernt. Er tritt gleich zu Beginn des Vago-lateralis-Ganglions an dessen oberem Seitenrande aus. Der Seitennerv ist bei Oyelothone stattlich entwickelt, obwohl ein Seitenkanalsystem, ein sogenannter Oanalis lateralis, spurlos fehlt. Dieser Befund wird auch bei andern Fischen, die keinen Seitenkanal besitzen, beschrieben, z. B. Lophaus, Oyelopterus, Balistes u. a. (STanNnıus, 1849, S. 95). Auch bei Argy- ropelecus ist trotz des Fehlens dieses Kanals der Lateralis gut entwickelt (HAnDrIcK, 1901, S. 26, 42, 43). Hieraus zieht STANNIUS (1849, S. 95) den Schluß, daß das Auftreten des N. lateralis nicht an das Vorhandensein eines Seitenkanals gebunden ist, und dab der Seitennerv nicht unbedingt als Nerv des Lateralkanals bezeichnet werden könne, obwohl er, wenn dieser Kanal vorhanden ist, sehr oft Beziehungen zu ihm hat. Der Truneus nervi lateralis bildet bei Oyelothone einen ein- fachen Hauptstamm (Srannıus, 1849, S. 98, 99), welcher sich nach hinten und außen in die äußere Seitenwand des Körpers begibt und oberflächlieh verläuft. Er »behauptet in seinem ganzen Ver- laufe (bei allen Knochenfischen, beim Stör und bei den Selachiern) genau die Grenzlinie zwischen der dorsalen und ventralen Masse des Seitenmuskels und überschreitet dieselbe niemals« (StAannıus, 1849, S. 100). In dieser Lage zieht er, allmäblich schwächer werdend, zum Schwanzende des Tieres. Der »Verlust an Masse wird durch den allmählich erfolgenden Abgang von Zweigen bedingt« (STANNIUS, Morpholog. Jahrbuch. 32. 44 668 August Gierse 1849, 5. 100). Der Lateralis gibt eine Strecke nach seiner Trennung vom N. vagus einen Ast (rd) ab, welcher an Stärke ungefähr dem Ramus supratemporalis gleichkommt. Es ist der sogenannte»hücken- kantenast« des N. lateralis (Stannıus, 1849, S. 107). Bei vielen Fischen, wo der Ramus dorsalis trigemini fehlt, kommt dieser kückenkantenast des Lateralis vor, bemerkt Srannıus, 1849, S. 107 (vgl. auch GEGENBAUR, 1898, S. 819). Gleichwohl ist mit der Ab- wesenheit des Ramus dorsalis trigemini ein Auftreten des Rücken- kantenastes des Lateralis nicht unbedingt verknüpft, da es Fische gibt, denen beide fehlen. Der Ramus dorsalis (rd) steigt bei Cyelothone unmittelbar unter dem Integument auf der Außenfläche des Seitenmuskels sanft auf- wärts. An der Rückenkante angelangt, verläuft er anfangs in dem Zwischenraume, welcher die den Flossenträgern angehörigen Muskeln von der Dorsalmasse des Seitenmuskels trennt; später tritt er ein wenig seitwärts und liegt direkt oberhalb der dorsalen Seitenmuskel- masse unter der Haut (Stannıus, 1849, S. 107, 108). Während seines Verlaufs nach hinten gibt er feine Fäden an die Haut der Rücken- kante ab und büßt dadurch an Stärke ein. Ich konnte ihn bis in die Gegend der Rückenflosse mit Sicherheit verfolgen. Der Verlauf dieses hückenkantenastes ist im allgemeinen bei allen Fischen gleich (STANNIUS, 1849, S. 107, vgl. auch Taf. III Fig. 4 daselbst). Nach Abgabe des Ramus dorsalis (rd) entspringt dem N. lateralis noch ein ziemlich kräftiger Nerv (Fig. 4, 5). Er ist sehr kurz und entfernt sich nur wenig von dem Hauptstamme, um bald wieder, etwas weiter caudalwärts, in ihn einzumünden. Dieser Nerv bildet gleichsam eine Schlinge. Auf seinem weiteren Verlaufe zum Schwanze gibt der N. lateralis weiter hinten von Zeit zu Zeit feine Zweige ab, die seitwärts und nach hinten verlaufend an die Haut bzw. die Sinnesorgane treten. Mit andern Nerven und namentlich mit den Spinal- nerven hat der Seitennerv bei Cyelothone keine Be- ziehungen, was STAnNIUs (1849, S. 96) und vor ihm schon WEBER (1827, 5. 304) von andern Fischen bekannt war. Die Rami medii der Spinalnerven treten in ihrem Verlaufe in der Lücke zwischen Dorsal- und Ventralmuskelmasse gerade auf den N. lateralis zu, so dal es den Anschein gewinnt, als wollten sie in ihn einmünden. Dicht vor dem Lateralis gabeln sie sich in ein dorsales und ventrales Ästehen, die hart am Lateralis vorbei zur Muskulatur verlaufen. Denselben Befund teilt Hanprıck (1901, S. 26) von Argyropelecus mit. Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 669 Der Nervus vagus seu branchio-intestinalis. Der untere, aus dem gemeinsamen Ganglienkomplexe des N. lateralis und N. vagus hervorgehende Stamm ist der Nervus vagus (S. 666, 667). Er setzt sich weit nach hinten und abwärts als Truneus branchio-intestinalis (Dr) fort und läßt die Kiemenäste sukzessive abtreten, ein Verhalten, welches Srtannıus (1849, 5.89) für die Cyclostomen und Selachier schildert. Auch GEGEN- BAUR (1871, S. 524) beschreibt ähnliche Verhältnisse bei HVeranchus (vgl. auch seine Taf. XIII Fig. 1). Die Ursache für die Verlängerung des N. vagus nach hinten ist in dem Nachhintenrücken der Kiemen- bögen zu suchen (STAnnıus, 1849, S. 89). Letztere liegen hier nicht unter dem Schädel, sondern unter dem vorderen Teile der Wirbel- säule. Was die einzelnen Rami branchiales nervi vagi (dr) betrifft, so löst sich der erste Wurzelstrang (br /) bei Oyelothone unge- fähr in der Mitte des Vago-lateralis-Ganglions (G/£-+ Gva) an dessen unteren Seitenrande aus (Fig. 2, 4, 5; 5r /) und schwillt bald zu einem diskreten Ganglion (Gbr /) an. Er nimmt also teil an der Bildung des gemeinsamen gangliösen Plexus des Lateralis und Vagus und hat außerdem noch ein separates Ganglion, ähnlich wie bei Cyelopterus (STANNIUS, 1849, S. 87). Dagegen sagt STANNIUS daselbst, weiter oben: »Ausgeschlossen von der Bildung des gemein- samen Ganglions ist immer der Truncus pro areu branchiali primo et secundo, indem dieser immer ein diskretes Ganglion bildet.« Der Truneus branchialis primus (dr ZT) ist bei Oyelothone sehr kurz und teilt sich nach dem allgemeinen Schema, ebenso wie die folgenden Kiemenäste, in einen vorderen, schwachen Ast, Kamus praebranchialis seu praetrematieus («) für den vor- hergehenden ersten Kiemenbogen und einen stärkeren post- branehialis seu posttrematieus (8) für den nachfolgenden zweiten Kiemenbogen, dessen vorderen Nerven er bildet. Außer diesen beiden Hauptästen, die jedem Kiemennerven zukommen, konnte ich bei Oyclothone am Ramus branchialis I keine weiteren Äste entdecken. Der Ramus branchialis Il (dr IT) entspringt aus dem Truneus branchio-intestinalis und besitzt gleichfalls ein diskretes Ganglion (Gbr IT), sogenanntes Epibranchialganglion (v. Kurrrer). Der Truneus branchialis Il ist fast ganz abortiv geworden (vgl. STANNIUS, 1849, S. 89). Der vordere schwächere Ramus («) 44* 670 August Gierse tritt sogleich aus dem Ganglion und verläuft zum zweiten Kiemen- bogen. Der sehr kurze Truncus zerfällt unmittelbar nach seinem Ursprunge aus dem Ganglion in zwei annähernd gleich starke Äste, den Ramus pharyngeus (y) und den Ramus posttrematieus (P). Ähnliche Verhältnisse schildert GEGENBAUR (1871, 8. 524) bei Hezanchus. — Der Ramus posttrematieus ($) von Oyelothone verläuft zum dritten Kiemenbogen und bildet dessen vorderen Nerven. Der Pharynxast innerviert mit einem kräftigeren Ast die Schleimhaut und mit drei feineren Zweigen die Muskulatur des Schlundkopfes. Eine Strecke weiter schwanzwärts entläßt der Truncus branchio- intestinalis (Br) den dritten Kiemenbogenast (dr IIT). Derselbe hat kein Ganglion und zerfällt bald nach seinem Ursprunge, wie der vorhergehende Ramus branchialis II, in die Rami prae- und posttrematicus («,ß) und den Ramus pharyngeus(y). Letzterer ist schwächer als der Ramus posttrematieus (#) im Gegensatz zu den gleichnamigen Ästen vom zweiten Kiemenbogenast (br //), welche gleich stark sind. Der Ramus pharyugeus (y) des Ramus branchia- lis III gibt je ein Zweiglein zur Schleimhaut und Muskulatur des Pharynx. Das für die Muskulatur bestimmte Ästchen verschmilzt, bevor es sein Ziel erreicht, für eine kurze Strecke mit dem Ramus posttrematicus (2). Der Ramus posttrematieus (%) wird zum vorderen Aste des vierten Kiemenbogens, dessen hinterer Ast ebenfalls von ihm gebildet wird, indem er weiter caudalwärts ein feineres Zweig- lein (ö) abgiebt. Dieses Nervelfen (Ö) wird zum Ramus posterior des vierten Kiemenbogens. In der Regel wird der hintere Ast des vierten Kiemenbogens vom Truneus pharyngeus superior oder Ramus pharyngeus inferior (HOFFMANN, 1860, S. 7) oder direkt aus dem Ganglion gebildet (STAnNIUs, 1849, S. 89). Der Trunceus branchio-intestinalis (Dr), welcher bis jetzt an der Seitenwand des Rumpfes verlief, rückt nun weiter nach unten in die Tiefe und begibt sich an die untere Seite der ventralen Masse des Seitenrumpfmuskels. Nach Abgabe eines feinen Ästehens für den Pharynx gabelt sich der Trunceus in seine beiden Endzweige: den Truneus intestinalis (er) und den Ramus pharyngeus in- ferior (ph). Der Truneus intestinalis (=) gibt einen Zweig für den Öesophagus ab und bildet dann ein Ganglion intestinale (Gen), welches auch STAnNIUSs (1849, 5. 91) bei Delone und HANDRICK (1901, >. 27) bei Argyropelecus fanden. Der aus dem Ganglion hervor- gehende Nerv sendet noch einige Zweige zum. Vesophagus und Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens.. 671 begibt sich dann selbst zum Verdauungsrohr. Er verläuft an dem- selben schwanzwärts. Der Ramus pharyngeus inferior (p4i) zerfällt bei Cyelo- thone in den eigentlichen Ramus pharyngeus inferior und ein etwas dünneres Zweiglein (p/“). Beide verlaufen um den Schlund herum, wo sie sich teils in der Muskelwand, teils in der Schleimhaut ver- schiedentlich verzweigen. Gegen das Ende ihres Verlaufs ver- einigen sie sich wieder zu einem Stämmcehen. Die Spino-oceipital-Nerven. Die spino-oceipitalen Nerven, »Übergangsnerven<« (GEGENBAUR), »Postvagalnerven« (HALLER) repräsentieren in Beziehung auf ihren Ursprung, Verlauf und ihre periphere Verbreitung eine den Spinal- nerven gleiche Gruppe von Nervenwurzeln, die aber im Bereiche des Gehirns und zwar hinter dem N. vagus und vor dem ersten freien Spinalnerven ihren Ursprung nehmen und durch die Wand der Oecei- pitalregion des Schädels austreten (vgl. FÜRBRINGER, 1896, S. 353). FÜRBRINGER erwarb sich um die Kenntnis dieser Nerven große Ver- dienste und führt für dieselben die Bezeichnung »spino-oceipital« ein, wodurch »beiderlei Beziehungen, zum Spinalnervensystem und zum Schädel, zum Ausdruck gebracht werden«. Als Unterabteilungen der spino-oceipitalen Nerven unterscheidet er oceipitale und oceipito- spinale Nerven; beide Gruppen waren einmal reine Spi- nalnerven. »Oceipitale, oceipito-spinale und freie spinale Nerven sind... an sich gleichartige, homodyname Gebilde; nur die Art der Assimilation der sie begrenzenden Skelettelemente hat zu ihrer Unterscheidung geführt. Bei den oceipitalen Nerven ist der Prozeß der Assimilation schon bei den primitiven Selachiern beendet; bei den oceipito-spinalen Nerven spielt er sich noch unter unsern Augen bei gewissen höheren Selachiern (ROSENBERG) und bei allen andern höherstehenden Wirbeltieren mit Ausnahme der Amphibien ab; bei den spinalen Nerven besteht die ursprüngliche Freiheit der Wirbel fort< (FÜRBRINGER, 1896, S. 548). Bei den Teleostiern sind die oceipitalen Nerven vollständig rückgebildet, und auch der erste occi- pito-spinale Nerv ist bereits verschwunden, während noch zwei ocei- pito-spinale Nerven vorhanden sind (FÜRBRINGER, 1896, S. 465, 543). Hieraus ergibt sich, daß schon bei den Selachiern Reduktionserschei- nungen an den spino-oceipitalen Nerven auftreten, die von vorn nach hinten fortschreiten und in der aufsteigenden Fischreihe und von da bis zu den Säugetieren zu verfolgen sind. Diese Reduktionserschei- 672 August Gierse nungen werden nach FÜRBRINGER bewirkt durch das »Zusammen- wirken des rostralwärts gehenden Vorschiebens der von Spinalnerven versorgten Elemente mit der hohen Ausbildung der Rami lateralis und sonstiger Hautäste der Gehirnnerven (Trigeminus, Acustico-faci- alis, Glossopharyngeus, Vagus)« und die fortschreitende Rückbildung ihrer Endorgane. Bei diesem Reduktionsprozeß geht die Rückbildung der dorsalen Wurzel voraus (FÜRBRINGER, 1896, 5. 541—543). Oyclothone hat, wie Argyropelecus (HAnDrıck, 1901, S. 27, 28), zwei spino-oceipitale Nerven (Fig. 2, 4; os.b, os.c), welche auf Grund des Vorhergehenden den oceipito-spinalen Nerven zuzu- zählen sind; es handelt sich um den zweiten und dritten Oeeipito-spinalnerven FÜRBRINGERS (b, ce). Die beiden Occipito-spinalnerven (os.b, os.c) von Cyelo- thone verlassen immer getrennt den Schädel bzw. den sogenannten »cranio-vertebralen Komplex« (FÜRBRINGER, 1896, 8. 466), wie das nach FÜRBRINGER als typisch für alle Phy- sostomen gilt, zu denen auch Cyelothone gehört (vgl. HANDRICK, 1901, 8. 28). Der Abgang des ersten oceipito-spinalen Nerven (os.b) von der Medulla oblongata, sowie der Durchtritt durch die häutige Wand der Oceipitalregion des Craniums erfolgt hinter dem Nervus vagus, gleich hinter dem eigentlichen Schädel. Es handelt sieh um ein »zurückgebildetes, feines Nervenfädchen« (HAnDRIcK, 1901, S. 28), das nur noch eine und zwar die ventrale Wurzel besitzt. Der Abstand zwischen dem Abgange dieses vorderen ocei- pito-spinalen Nerven (os.Ö) und dem des Nervus vagus von der Ob- longata ist ein größerer, als bei andern tiefstehenden Teleostiern, was auch Hanprıck (1901, S. 29) bei Argyropelecus festgestellt hat. Gleichwohl ist eine Annäherung der oceipito-spinalen Nerven von Oyclothone an den N. vagus vor sich gegangen. FÜRBRINGER (1896, S. 466) sagt hierüber: »Alle diese Verhältnisse bekunden deutlich die bei den Teleostiern weiter vorgeschrittene Vorwärtswanderung der oceipito-spinalen Nerven und die Zusammenziehung des oceipito- spinalen Schädelbereiches.« Gleich nach seinem Austritte aus dem sogenannten »eranio- vertebralen Komplexe« zerfällt der vordere Oeceipito-spinalnerv von Cyclothone (os.b) in zwei Ästchen (do, ve), welehe nach Art der Rami dorsales und ventrales der freien Spinalnerven zu der Muskulatur Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone accelinidens. 673 verlaufen. Außer diesen beiden Stämmchen findet sich bei Cy- clothone noch ein drittes Ästehen (me), welches schwächer als die beiden andern ist und sich wie ein Ramus medius eines freien Spinalnerven verhält. Es löst sich aber nicht wie die Rami medii von dem Kamus ventralis ab (Srannıus, 1849, S. 120), sondern von dem Ramus dorsalis. Eine Vereinigung des ven- tralen Astes vom vorderen oceipito-spinalen Nerven (os.d) mit dem des nächstfolgenden, die FÜRBRINGER (1896, S. 467, Taf. VIII Fig. 5) beschreibt und darstellt, konnte ich bei Cyelothone nicht ermitteln. Hanprick (1901, S. 25) fand bei Argyropelecus nur einen Ramus dor- salis und medius, den ventralen Ast vermißt er vollkommen. Dieser rückgebildete Nerv (os.b) ist nach FÜRBRINGERals zweiter oceipito-spinaler Nerv aufzufassen, er ist das Homologon des zweiten oceipito-spinalen Nerven von Amia (FÜR- BRINGER, 1896, S. 465). In kurzem Abstande von dem vorderen oceipito-spinalen Nerven (0s.6) entspringt der zweite oceipito-spinale Nerv (os.c) von Cyelothone aus dem verlängerten Marke. Er ist stärker als der vorhergehende, aber etwas schwächer als der zunächst folgende, freie Spinalnerv. Auch dieser Nerv (os.c) hat bei Cyelothone nur eine Wurzel, die nach ihrem Ur- sprunge von der Oblongata als ventrale Wurzel anzu- sprechen ist. Bald nach seinem Ursprunge teilt sich der hintere Oceipito-spinalnerv (os.c) in einen Ramus dorsalis (do) und Ra- mus ventralis (ve). Diese beiden Äste treten durch die häutige Membran der seitlichen Oceipitalregion. Der Ramus medius (me) löst sich vom Ramus ventralis sogleich nach dessen Entstehen (Stannıus, 1849, S. 120). Der hintere Oceipito-spinalnerv von Ar- gyropelecus hat zwei vollständig entwickelte Wurzeln. »Die dorsale, dünne Wurzel hat an der Stelle ihrer Vereinigung mit der ventralen, dieken Wurzel ein Ganglion, genau wie die folgenden freien Spinal- nerven« (HANDrIcK, 1901, S. 28). Nach meinem Befunde bei ('y- clothone ist dessen dorsale Wurzel mit dem Ganglion voll- ständig verkümmert. Der sekundäre Rückbildungsprozeß, welcher zuerst die dorsalen Wurzeln befällt (S. 672), hat bei meinem Tiefseeteleostier somit noch weitere Ausdehnung, angenommen, als bei andern Teleostiern, indem ihm auch die dorsale Wurzel und das Ganglion des hinteren oceipito- spinalen Nerven (os.c) zum Opfer gefallen sind. Auch nach FÜRBRINGER (1896, S. 466) hat dieser Nerv »stets 674 August Gierse eine ventrale und dorsale Wurzel, letztere mit einem Ganglion ver- sehen«, im Gegensatz zu Cyelothone. Nach dem Austritt aus dem »cranio-vertebralen Komplex« ver- laufen der Ramus dorsalis und medius in normaler Weise zur Kücken- und Seitenmuskulatur. Der Ramus ventralis (ve) dagegen hat zuerst eine Anastomose mit dem N. sympathicus (Fig. 260s.c) und vereinigt sich dann mit dem ventralen Aste des ersten freien Spinalnerven (sp 4); vgl. auch Hanpkrıck (1901, 3. 29), Für- BRINGER (1896, S. 467). Dieser ebenfalls sehr reduzierte Nerv (os.c) ist im FÜr- BRINGERSCchen Sinne als dritter oceipito-spinaler Nerv zu bezeichnen, das Homologon des dritten oceipito-spinalen Nerven von Amia (FÜRBRINGER, 1896, S. 465). Auf diesen hinteren oceipito-spinalen Nerven (os.c) folgt in srößerem Abstande der erste freie Spinalnerv {sp 4). Die beiden oceipito-spinalen Nerven (os.b und os.c) und der erste freie Spinalnerv (sp 4) von Oyelothone verlassen den »cranio-vertebralen Komplex« »durch eine häutige Membran, welche sich zwischen dem Oceipitalknorpelring und dem Bogen des ersten Wirbels ausspannt« (vgl. SAGE- MEHL, 1891, S. 527, HANDRICK, 1901, S. 29). Die dorsalen Bögen mit ihren Dornfortsätzen fehlen. Der Assimilationsprozeß, der die oceipito-spinalen Nerven begrenzenden Skelettelemente (Wirbel bzw. Wirbelbögen) an das Chondrocranium von Cyclothone hat eine starke Reduktion, ja einen vollständigen Schwund der betroffenen Elemente zur Folge. Es sind mindestens drei Wirbel mit dem Chondrocranuium bei Cyelothone verschmolzen, was schon S. 606 genauer beschrieben ist. Da jedoch die beiden oceipito-spinalen Nerven (os.b, os.c) und der erste freie Spinalnerv (sp 4) nicht durch ein und dasselbe Fo- ramen den eranio-vertebralen Komplex verlassen, was infolge der Vorwärtsschiebung dieser Nerven und der Zusammenziehung des oceipito-spinalen Schädelbereichs der Fall sein müßte, und da ferner nicht einmal die Austrittsöffnungen dieser drei Nerven in gleicher (uerschnittsebene liegen (vgl. SAGEMEHL, 1891, S. 527: Gadoiden), ist die völlige Rückbildung für die dem Chondrocranium angeschlos- senen Wirbelkörper nicht gut annehmbar (vgl. Hanprick, 1901, S. 29). Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acclinidens. 675 Der Kopfteil des Nervus sympathicus. Oyelothone weist ein wohl entwickeltes Nervensystem des Sym- pathicus auf, das in seinem Verbreitungsgebiete eng an die arteri- ellen Bahnen sich anschließt und wesentlich in seinem Laufe von ihnen bestimmt wird. Man kann hier wie bei allen Teleostiern zwei in der Längsrichtung des Tieres verlaufende, rostro-caudal- wärts allmählich konvergierende Grenzstränge deutlich unterscheiden, welehe sich bekanntlich in einen Kopf-, Kumpf- und Schwanz- teil gliedern lassen. Im Rahmen dieser Arbeit soll nur der Kopfteil des Grenz- stranges, Truneus nervi sympathiei (Fig. 26 gst), welcher bei Oyelothone interessante Verhältnisse darbietet, genauer be- schrieben werden. Er liegt wie bei allen Teleostiern außerhalb der Schädelhöhle, worauf Srannıus (1849, S. 135) zuerst aufmerksam machte. Wir wollen mit dem am meisten caudalwärts gelegenen letzten Kopfganglion des Sympathieus (G's4 /) beginnen !. Es ist klein und liegt in der Gegend der für die gemeinsame Lateralis- vagus-Wurzel bestimmten Austrittsöffnung aus dem Schädel (8. 664). Von hier aus verläuft der Grenzstrang (gst) von dem der andern Seite etwas divergierend oralwärts, erfährt in der Gegend der Latera- lis-glossopharyngeus-Wurzel eine zweite, ungefähr gleich große sangliöse Anschwellung (Gs% //) und bildet dann in der Region der Acustieo-facialis-Wurzel ein drittes, bedeutend stärkeres Grenzstrangganglion (Gs%k IIT). Es ist bei allen Individuen am kräftigsten entwickelt und liegt, wie die beiden andern (Gsk I und Gsk IT), dieht an der Schädelbasis. Aus demselben gehen zwei sympathische Stränge mundwärts, ein etwas kräftigerer Stamm (gsi) und ein sehr feines Stämmchen (gs?'). Der stärkere Strang (gst) bildet die Fortsetzung des eigentlichen Grenzstranges. Er begibt sich im Bogen an die laterale Seite der Außenwand des Schädels, wie es die meisten Forscher beschreiben, und sehwillt dort, der Schädelbasis ange- schmiegt, zu dem vierten Grenzstrangganglion an (Gs%k IV)), welches unmittelbar vor der Austrittsstelle des Truneus nervi facialis liegt. Dann zieht der Grenzstrang (gst) dieht über dem Faecialis- stamm weiter. Inwieweit bei diesem innigen Verhalten ein Faser- austausch zustande kommt, entzieht sich meiner Beobachtung. 1 Diese Abweichung von der gewöhnlichen Reihenfolge der Beschreibung sei aus Zweckmäßigkeitsgründen gestattet. 676 August Gierse Der Grenzstrang bildet bald darauf sein vorderstes, fünftes Kopfganglion (Gsk V')). Das vorderste Grenzstrangganglion liegt im Bereiche der vorderen Masse des gemeinsamen Trigemino-facialis- Ganglions und steht sowohl mit diesem Ganglion als auch mit dem Truneus hyoideo-mandibularis in Verbindung (vgl. hierüber S. 648, 657). Die beiden vordersten Grenzstrangganglien des Kopfteils (Gsk IV’ und Gsk V) bei Oyelothone entsprechen dem mächtigen, vordersten Grenzstrangganglion von Argyropelecus, welches wohl auch bei diesem Tiefseeteleostier aus zwei miteinander verschmolzenen Ganglien entstanden sein dürfte, >von denen ursprünglich das eine unter dem Trigeminus, das andre unter dem Faeialis gelegen hat« (Hannrıck, 1901, S. 32). Auch Hanpkick (1901, S. 32) beschreibt bei Argyropelecus eine Verbindung mit dem Ganglion semilunare seu Gasseri und dem Truncus hyomandibularis. Eine Verbindung des Kopfteils des Grenzstranges mit dem N. glosso- pharyngeus und N. vagus findet bei Oyelothone in keiner Weise statt. Denselben Befund hat Hanprıck (1901, S. 32) bei Argyropeleeus. Er konnte nicht einmal gangliöse Anschwellungen vom ersten sympathischen Kopfganglion an bis in den Bereich des ersten Spinalnerven im Verlaufe des Grenzstranges beobachten. Im Gegensatz hierzu schreibt Stannıus (1849, S. 135): »Der Kopfteil des Grenzstranges steht immer in Verbindung mit den Nn. vagus, glossopharyngeus, facialis.c Der Befund bei Oyelothone weicht also von der Norm ab. Bei meinem Fischehen entfallen auf den Kopfteil des Grenz- stranges (gsi) fünf Ganglien; im Gegensatz dazu findet HAnDRick (1901, 8. 32) bei Argyropelecus nur eins, STANNIUS (1849, S. 135), BonsDorF (1846, S. 39), Herr (1847, S. 9) dagegen mindestens drei Grenzstrangganglien. CHEVREL (1889, S. S0, 88) beschreibt, über- einstimmend mit meinen Beobachtungen bei Cyclothone, ebenfalls fünf Kopfganglien. »La partie eränienne du c&phalique comprend seneralement 5 ganglions, ainsi places d’avant en arriere: le premier sous le trijumeau, le 2° sous le facial, le 3° sous le glossopharyngien, le 4° sous le pneumogastrique et le 5° sous le hypoglosse.« Es steht jetzt nur noch aus, einen ganz merkwürdigen zweiten sympathischen Grenzstrang zu beschreiben, welchen ich bei COyelothone entdeckte. Aus dem dritten, kräftigsten Grenzstrangganglion (Gs%k IIT) geht noch ein sehr feines Stämmehen (gst’) hervor (S. 675), welches ich als den mittleren Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyelothone acelinidens. 677 sympathischen Grenzstrang bezeichnen möchte. Dieses dünne Stämm- chen begibt sich, mit dem der andern Seite ein wenig konvergierend, zur Orbita und schließt sich in seinem Verlaufe eng an die Carotis interna an. Auf seinem Wege zur Augenhöhle bildet es drei ganz kleine gangliöse Anschwellungen (Gs4’,”,""), von denen die erste (G@sA’) im Bereiche des Austritts des Nervus facialis aus der Schädelhöhle, die beiden andern (@s4”, "') unmittelbar vor seinem Eintritt in die Orbita, an der Teeilungsstelle der Carotis interna, liegen. Von hier aus divergieren die beiden mittleren sympathischen Stränge (gst') voneinander. Es findet bald darauf eine Verbindung mit dem Ramus palatinus statt (Fig. 26, S. 657). Das nunmehr äußerst feine und zarte Stämmchen (gs?) zieht, eng an die A. ophthalmica an- seschmiegt, weiter oralwärts und scheint schließlich in den unteren Oculomotoriusast einzumünden. Ein Homologon zu diesem mittleren sympathischen Strange (gst') habe ich in der mir vorliegenden Literatur nirgends entdecken können. Allerdings beschreibt STAnNıus (1849, S. 137) »außer dem sympathischen Grenzstrange, der sich vom N. facialis bis zum N. vagus erstreckt«, jederseits noch einen den unpaaren Kiemenvenenstamm begleitenden mittleren sympathischen Stamm. Er sagt hierüber: »Von dem sympathischen Ganglion aus, das unter der Austrittsstelle des Nervus glossopharyngeus liegt, be- gibt sich nämlich ein starker Strang einwärts zum gemeinsamen Kiemenvenenstamm, um neben demselben gerade abzusteigen. In diesen mittleren sympathischen Stamm mündet alsbald ein zweiter, einwärts sich begebender Ast, der von der Verbindungsstelle des Grenzstranges mit dem austretenden N. vagus herstammt. Der so vervollständigte mittlere Sympathieus setzt sich dann später, wo er die Aorta jederseits begleitet, als Rumpfteil des Grenzstranges fort« (STANnNIUS, 1849, S. 137, Taf. V, Fig. 5). Aus dieser Beschreibung geht hervor, daß der mittlere sympathische Stamm bei STAnNıus mit dem mittleren sympathischen Strang (gs!) von Cyelothone nicht identisch ist. 678 1883. 1884. 1889. 1897. 1892. 1813. 1885. 1887. 1842. 1882. 1846. August Gierse Literaturverzeichnis. AHLBORN, F., Untersuchungen über das Gehirn der Petromyzouten. Zeit- schrift für wiss. Zoologie. Bd. XXXIX. —— Über die Bedeutung der Zirbeldrüse. Ebendaselbst. Bd. XL. Aurıs jr., EDwArD PHeELps, The anatomy and development of the la- teral line system in Amia calva. Journal of Morphology. Vol. I. No. 3. Boston 1889. Auuıs, EDwArD Puerps, The cranial muscles and cranial and first spinal nerves in Amia calva. Ebendaselbst. Vol. XII. No. 3. Boston 1897. ÄNDERSON, 0. A., Zur Kenntnis des sympathischen Nervensystems der urodelen Amphibien. Zoolog. Jahrbuch. Bd. V. ARSAKY, A., De piscium cerebro et medulla spinali. BEARD, J., On the cranial ganglia and segmental sense organs of fishes. Zoolog. Anzeiger. Bd. VIII. Leipzig. 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Ebendaselbst. —— Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Berlin. Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Üyelothone acclinidens. 685 1849. 1886. 1888. 1861. 1868. 1873. 1873. 1882. 1893. 1893. 1894. 1899. 1332. 1879. 1878. 1885. 1873. 1817. 1820. 1827. 1827. 1880. 1898. 1902. 1883. Srannıus, H., Das peripherische Nervensystem der Fische. Rostock. STEINER, J., Über das Großhirn der Knochenfische. Math. und naturwiss. Mitth. Akad. Berlin. —— Die Funktionen des Centralnervensystems und ihre Phylogenese. Zweite Abth.: Die Fische. Braunschweig. StiEeDA, L., Über das Rückenmark und einzelne Theile des Gehirns von Esox lueius L. Inaugural-Dissertation. Dorpat. —— Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Zeit- schrift für wiss. Zoologie. Bd. XVII. —— Über den Bau des Rückenmarks der Rochen und Haie. Ebendaselbst. Bd. XXIH. —— Über die Deutung der einzelnen Theile des Fischgehirns. Eben- daselbst. Bd. XXIL. STÖHR, PH., Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfskeletts der Teleostier. Festschrift zur dritten Säkularfeier der Alm. Jul. Max. Würzburg. Bd. I. STUDNICKA, F. CH., Sur les organes parietaux de Petromyzon Planeri. Prague. —— Zur Morphologie der Parietalorgane der Cranioten. Referat von VEJDOVSKY im Zool. Centralblatt. Jahrg. 1. —— Zur Lösung einiger Fragen aus der Morphologie des Vorderhirns der Cranioten. Anat. Anzeiger. Jahrg. 9. —— XXXVI. Über den feineren Bau der Parietalorgane von Petro- myzon marinus L. Sitzungsberichte der Königl. böhm. Gesellsch. der Wiss. Math.-naturwiss. Klasse. Prag. TREVIRANUS, Die Erscheinungen und Gesetze des organischen Lebens. U 6 Op Ussow, M., Über den Bau der sogenannten augenähnlichen Flecken einiger Knochenfische. Bulletin de la soeiete imperiale des naturalistes de Moscou. Tome LIV. VETTER, B., Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Kiemen- und Kiefermuskulatur der Fische. a) Jenaische Zeitschrift. Bd. VII. b) Daselbst. Bd. XII. Vossıus, Beiträge zur Anatomie des N. optieus. Biol. Centralbl. Bd. IV. VROLIK, A. J., Studien über die Verknöcherungen und die Knochen des Schädels der Teleostier. Niederl. Archiv für Zoologie. Bd. I. WEBER, E. H., Anatomia comparata nervi sympathici. Lipsiae. —— De aure et auditu hominis et animalium. 1]. Lipsiae. —— Über das Geschmacksorgan des Karpfen und den Ursprung seiner Nerven. Archiv für Anat. und Physiol. —— Über vier Längsnerven bei einigen Fischen, bei denen zwei von dem Trigeminus und zwei von dem Vagus entspringen, die die ganze Länge des Rumpfes durchlaufen. Ebendaselbst. WIEDERSHEIM, R., Das Gehirn von Ammocoetes und Petromyzon. Morph. Studien. Jena. Jenaische Zeitschrift. Bd. XIV. —— Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. —— Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 5. Aufl. Jena. Wwsu£, J. W. van, Über die Mesodermsegmente und die Entwicklung der Nerven des Selachierkopfes. Verhandl. der K. Akad. der Wiss. zu Amsterdam. Bd. XXH und XXI. 45* 686 August Gierse 1886. WisJHE, J. W. van, 1) Über die Kopfsegmente und die Phylogenie des Geruchsorgans der Wirbelthiere. 1884. WRIGHT, R., On the nervous system and sense organs of Amiurus. Zool. Anzeiger. Pro- ceedings of the Canadian Institute Toronto. 1882. ZIEGLER, E., Die embryonale Entwicklung von Salmo salar. Dissertation. Freiburg i. B. Inaugural- Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV—XVI, Allgemein gültige Bezeichnungen. 4 Augenhöhle, a Anastomose des Sympathicus mit dem Ganglion trigemino-faciale, a’ Anastomose des Sympathicus mit dem Truneus hyoideo-mandibularis, a’ Anastomose zwischen Ramus buc- calis und dem Connectivast der Rami maxillares, « Ramus praetrematicus eines Ramus branchialis nervi vagi, 4.B äußerer Bogengang, ab Nervus abducens, 3 Ramus posttrematicus eines Ramus branchialis nervi vagi, be Ramus buccalis, be' Ast des Ramus bucealis, Bl Blutgefäß, Bol Bulbus olfactorius, Br Truneus branchio-intestinalis, br I, IL, III Ramus branchialis I, II, III, y Ramus pharyngeus eines Ramus branchialis nervi vagi, c.a Commissura anterior, e.h Commissura habenularis, c.t Commissura transversa Halleri, Ctr Stammteil des Hinterhirns, ö Ramus posterior des vierten Kiemen- bogens, do Ramus dorsalis eines oceipito-spi- nalen Nerve), E’' Pinealbogen, E' Parapinealorgan, E’'nd Endteil des Pinealorgans, E'nd Endteil des Parapinealorgans, E’st Stiel des Pinealorgans, E’st Stiel bzw. Schlauch des Para- pinealorgans, F Fontanelle des Schädeldaches, fee Truncus nervi facialis, Ga Gangiion acusticum, Gbr I, II Ganglion des Ramus bran- chialis I, II, Gh Ganglion habenulae, Gin Ganglion intestinale, @lt Ganglion nervi lateralis, Gph Ganglion nervi glossopharyngei, Grsa Ganglion Ramuli saceuli, @GsK I—V sympathische Grenzstrang- ganglien des Kopfteils des Grenz- stranges gst, @sK’,'","" sympathische Grenzstrang- ganglien des Kopfteils des Grenz- stranges gs?, @Gsp Ganglion spinale, Gsr 1,2,3 sympathische Grenzstrang- ganglien des Rumpfteils, gst \ gt) Gtf Ganglion trigemino-faciale, Gva Ganglion nervi vagi, H.B hinterer Bogengang, H.H Hinterhirn, hm 'Truncus hyoideo-mandibularis, Hmd Hyomandibulare, Hth Hypothalamus, Hy Hypophysis cerebri, hy Ramus hyoideus, Hyst Stiel der Hypophysis cerebri, I Infundibulum, in Truneus intestinalis, Grenzstränge des Sympathieus, Unters. über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyclothone acclinidens. 6 Is Septum interorbitale, Knb Knorpelbögen über den Ausbuch- tungen für die Bogengänge, Lf Längsfurche, Li Lobi inferiores, Zi Lobi laterales, Lp Lobi posteriores, Lpl Längsplatte zwischen den Schädel- dachfontanellen, it N. lateralis, Lv Lobi vagales, m motorischer Ast des Nervus facialis, m’-"" Muskeläste des Ramus maxillaris inferior, md Ramus mandibularis, mde äußerer Unterkieferast des Ramus mandibularis, mdi innerer Unterkieferast des Ramus mandibularis, me Ramus medius eines oceipito-spi- nalen Nerven, M.H Mittelhirn, mi Ramus maxillaris inferior, mie äußerer Ast des Ramus maxillaris inferior, mit innerer Ast des Ramus maxillaris inferior, mn Rudiment der Macula acustica neglecta, Mre Musculus rectus externus, ms Ramus maxillaris superior, msi Anastomose zwischen den beiden Rami maxillares, mso oberer Ast des Ramus maxillaris superior, msu unterer Ast des Ramus maxillaris superior, N Geruchsorgan, N.E’ Nerv des Pinealorgans, N.H Nachhirn, nk Nervenknoten des Nervus troch- learis, o Otolith, oc Nervus oculomotorius, oi Nervus obliquus inferior, ol Nervus olfactorius, op Nervus opticus, oph Ramus ophthalmicus, os.b zweiter oceipito-spinaler Nerv, os.c dritter oceipito-spinaler Nerv, 0 [I Pa Pallium, pa Ramus palatinus, pb Schleimhautästchen hyoideo-mandibularis, Pg Pituitargrube, ph Nervus glossopharyngeus, phi Ramus pharyngeus inferior, phi’ Ast desselben, pmz Zwischenkieferast des Ramus ma- xillaris superior, Ps Parasphenoid, ra Ramulus ampullae anterioris, rae Ramulus ampullae externae, rap Ramulus ampullae posterioris, rd Ramus dorsalis eines oceipito-spi- nalen Nerven, rfa Acustico-facialis- Wurzel, ri Nervus reetus internus, rif Nervus rectus inferior, rlt Radix nervi lateralis, rph Radix nervi glossopharyngei, rs Nervus rectus superior, rsa Ramulus saceuli, rt Radix nervi trigemini, ru Radix utriculi, rva Radix nervi vagi, S Sacculus, si Sulcus longitudinalis inferior, sm sensi-motorisches Ästchen des Ra- mus bucealis, sp 4 erster freier Spinalnerv, st Ramus supratemporalis, Su Sinus utriculi, Sv Saccus vasculosus, Tbfa Tuberceulum acustico-faciale, Th Thalamus, TI Seitenwülste des Hinterhirns, T.op Tectum mesencephali, tr Nervus trochlearis, trg Truneus nervi trigemini, Tse Tori semicireulares Halleri, Ut Utrieulus, Vale Valvula cerebelli, V.B vorderer Bogengang, V.e, V11I,1V Ventriculus communis, V. tertius, V. quartus, ve Ramus ventralis eines oceipito-spi- nalen Nerven, V.H Vorderhirn, Z.H Zwischenhirn. des Truneus 688 A. Gierse, Über das Gehirn u. die Kopfnerven von Cyclothone acelinidens. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Tafel XIV—XVI. 1. Das Gehirn von Cyelothone acclinidens, aus Querschnitten rekonstruiert: dorsale Ansicht. 2. Dasselbe. Ventrale Ansicht mit den Ursprüngen der Gehirnnerven, der oceipito-spinalen Nerven und des ersten Spinalnerven. 3. Dasselbe. Profilansicht. 4. Aus Quersehnitten rekonstruierte, schematische Darstellung der Ur- sprünge der Gehirnnerven, der occipito-spinalen Nerven und des ersten Spinalnerven. 5. Aus Querschnitten rekonstruierte, schematische Darstellung der peri- pheren Verbreitung der Gehirnnerven. M Muskulatur, ® Leuchtorgane. Erklärung der Farben: rot: N. trigeminus; grün: N. facialis; blau: N. acusticus; gelb: Vagusgruppe; grau: Gehirn und Rückenmark. 6—8. Querschnitte durch den vorderen Teil des Craniums und die Epi- physen. 9. Querschnitt durch den mittleren Teil der Epiphysen. Stärker ver- größert. 10. Querschnitt durch den vorderen Teil des Craniums — kurz vor dem Beginn des Gehirns — und die Epiphysen. 11, 12. Querschnitte durch den vorderen Teil des Gehirns. 13. Querschnitt durch den vorderen Teil des Craniums und des Gehirns Die Hypophysenanlage. 14, 15. Querschnitte durch das Vorderhirn und die Ganglia habenulae. 16. Querschnitt durch den vorderen Teil des Craniums und das Zwische: hirn. 17. Querschnitt durch das Zwischenhirn. 18. Quersehnitt durch das Cranium und Gehirn in der vorderen Mittel- hirnregion. Der Schnitt ist etwas schräg getroffen. 19. Dasselbe, etwas weiter caudalwärts. 20, 21. Querschnitte durch das Cranium und Gehirn in der Hinterhirn- region. 22. Querschnitt durch die Medulla oblongata und die Lobi posteriores. 23, 24. Querschnitte durch das Cranium und Gehirn in der Region der Medulla oblongata; diese Schnitte liegen weiter caudalwärts als Schnitt Fig. 22. 25. Dasselbe, wie Fig. 23, 24, weiter caudalwärts. 26. Schema der beiden sympathischen Grenzstränge im Kopfe und im Anfangsteile des Rumpfes. 27. Skizze von Cyelothone acclinidens, viermal vergrößert. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. ” Morpholog. Jahrb. Ba. XXAll. — -TÜHTUE, St. un -WlirGvn. . “ Ayst. ! 7 J IU.Ii So. NA. BE Ay: Bm Verlagv. Taf. XIV. Umd.. [ii a ALS 2 BD Lith Anst vE.AFunkeleinzig. a ninleipzig. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXll. Erklärung der Zeichen: M= Muskulatur 9 - Leuchtorgan. krklärung der Farben : | BE !\. Trigeminus. BEE /. Facialis BE \Acustzeus. 4. E52 Fagusgruppe. Pr Gehirn u. Rückenmark. m N ag Ay. 00,7 # j ns. st 14 | Ir“ | ee 7 y’ Tl. / N Ss N = Pr, ; — \ 01. „ NG — Pa MISK. =; j# ms... B. = er Ber - 50: Mi er —T ) (su a l Verlag v. Wilhelm Lith.Anst.v.E.AFunke Leipzig Morpholog. Jahrb. Bd. XXXIl. ph. lt.+ --Bl. io} ri In} Ri o m = [= > 7 DIN 100130361