& ! si Pr D | FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LI ie THE ANERIChN MUSEUM NATU RAL "HISTORY u Hi: E GEGENBAURS MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH, EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTR, HERAUSGEGEBEN VON GEORG RUGE- PROFESSOR IN ZÜRICH. SIEBENUNDDREISSIGSTER BAND. MIT 14 TAFELN UND 196 FIGUREN IM TEXT. LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1908. A ER Nele ? ER SE EL NAERE, u ih, "5 Kin 1 f u ka lan INKONEIK SARA. AT ATE RD a SE NEE TE TR N} } ; ‚4 TEL re Inhalt des siebenunddreißigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben am 28. Mai 1907. h Seite Schläfenbein des Menschen, ohne Pars tympanica, mit Hammer-Rudiment. ER EUETS (NEIL Date E)e- so 000 0 RER MEER, 1 Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. Von Kurt tieidrich.. (Mit Taf. II.u. II u. 13 Fig: me Text... . . 10 Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. Von Merbert Elias NER SEN u. 18: Fig-im Text) 0a ren ar a RT Ein Fall von Ossification des Ligamentum apieis dentis epistrophei Da Menschen und entsprechende Bildungen bei den Affen. Von Otto Schlassuhaufen.. (Mit 5: Fig. m Text). "220. 2..2 29%. 119 Zur Lage der Supinationsachse bei der Schlußrotation des Kniegelenkes. None Zuppinger. (Mit 25Pig. im Test). ... m 22. ui 128 Varietäten der Arteria profunda femoris und der Anke Siruliern femoris medialis des Menschen. Von H. Bluntschli. (Mit 5 Fig. im Text.) 142 Beitrag zur Kenntnis der Hornzähne auf der Zunge von Hystrix cristata. Von ttor Brian (Mibelatı Vi). 0 see ee 154 Besprechung über: Die Morphologie der Mißbildungen des Menschen und der Tiere. II. Teil. Von Ernst Schwalbe. (Mit 2 Taf. u. 39% z. T. farbigen en RE EKE ER EN ve. Kadın, snzeilikeatın vie Sennkaeeh We N a 158 Zweites und drittes Heft. Ausgegeben am 12. November 1907. Ricerche sullo sviluppo dei nervi craniei nei teleostei. Von Ciro Barbieri. Erle VL —N LEN N. N ET 161 Untersuchungen über den Bau des sympathischen Na der Säuge- tiere. 1. Teil. Der Halssympathieus. Von A. J. P. van den Broek. Bene. m Text. t 2 2 RE NEE 202 Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. Zur Frage über die korrelative Entwicklung. Von D. Filatoff. (Mit Taf. VIII—X u. 4 Fig. im Text.) 289 Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. Eine vergleichend- anatomische Untersuchung. Von Georg Ruge. (Mit 56 Fig. im Text.) 397 Das Kopfskelett der Amnioten. Morphogenetische Studien. (3. Fortsetzung.) VoBuAsE lernelimann.. 2.0 San. er A 488 Das Munddach der Vögel und Säuger. Von Wilhelm Sippel. (Mit, Tan X wbbıy, vor Best.) Says ei. 490 Barkedet, "Von: A. Klerschtanmn 00.000 N 525 IV Viertes Heft. Ausgegeben am 7. Januar 1908 Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. Ein Beitrag zur Kenntnis der Copulationsorgane der Selachier und deren Herkunft. Von Albert Krall. (Mit Tafel XII u. XIII u. 17. Fig. im Text.). . Zur Anatomie und Histologie des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. Von J. F. Gudernatsch. (Mit Tafel XIV u. 19 Fig. im Text. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. Eine vergleichend- anatomische Untersuchung. (Fortsetzung.) VI. Die Leber des Menschen. Von Georg Ruge. (Mit 24. Fig’äm Text.) ... .. 7.7. Fer Seite 614 Scehläfenbein des Menschen, ohne Pars tympanica, mit Hammer-Rudiment. Beschrieben von A. Rauber. Mit Tafel 1. 1. Das Schläfenbein. Die anatomische Sammlung der Universität Dorpat besitzt seit vielen Jahren zwei Schädel, welche die Aufschrift »Chinese« tragen. Der eine von ihnen zeichnet sich durch zwei Besonderheiten seines splanchnischen Teils aus, nämlich durch den vollständigen Mangel der Pars tympanica am Temporale sinistrum, und durch die Gegen- wart einer ansehnlichen Pars facialis beider Lacrimalia. Das Neuro- cranium ist in allen Teilen wohlgebildet und von bedeutender Größe; denn seine Kapazität beträgt nicht weniger als gegen 1700 ccm. Von der Pars facialis der Lacrimalia ist wenig zu sagen. Sie geht, wie dies vor Jahren von GEGENBAUR gezeigt wurde, vom Hamulus lacrimalis aus und übernimmt als dünne, flache Knochen- tafel in einer Strecke von nahezu 1 em Länge die Bildung des Margo infraorbitalis, indem sie das Maxillare an der betreffenden Stelle überlagert und durch eine Naht mit ihm verbunden ist. Be- merkenswert ist die weitgehende Symmetrie in der Ausbildung der Pars facialis beider Lacrimalia; nicht deshalb, weil symmetrische Entwicklung von Varietäten eine Seltenheit wäre; sie ist ja das Typische; sondern deshalb, weil die andre Varietät, von weit größe- rem Umfang, an dem gleichen Schädel nur einseitig vorkommt, d. i. am Temporale sinistrum, während das Temporale dextrum vollauf normale Verhältnisse darbietet. Morpholog. Jahrbuch. 37. 1 2 A. Rauber Betrachtet man das linke Temporale, so nimmt man mit Über- raschung wahr, daß ein Porus und Meatus acustieus externus voll- ständig fehlt, von Natur aus, nicht durch künstliche Abtragung. Eine Menge sich anschließender Eigentümlichkeiten zieht alsbald den Bliek auf sich. Während am normalen Schläfenbein eine hohe Knoehenplatte, die vordere Tafel der Pars tympanica, den Raum des äußeren Gehörganges von der Fossa mandibularis des Tempo- rale trennt, sind hier beide Räume in einen einzigen zusammenge- flossen und bilden eine weite Fossa mandibulo-acustica, die sich vom Tuberculum artieulare squamae zum Processus mastoideus hin erstreckt. Die Fossa mandibularis sinistra selbst zeigt sich ver- ändert, indem ihre hintere Wand, die sonst der Pars tympanica und dem Processus inferior tegmenti tympani unter Bildung zweier Fis- suren entgegenstrebt, sich nieht entwickelt hat. Im normalen Fall nämlich kann man von einer Fossa mandibularis squamae und einem hinter ihr gelegenen Tegmentum meatus acustiei externi der Squama sprechen. Beide sind abwärts konkave Teile der Pars horizontalis squamae, welche durch eine starke Knochenleiste getrennt werden. In unserm Falle von Bildungshemmung dagegen fehlt diese Crista limitans; eine einzige ungeteilte Höhlung dehnt sich von vorn nach hinten aus. Im Grunde dieser Höhlung bemerkt man ein kleines, unregelmäßig umwandetes Loch, eine Art von Porus acusticus ex- ternus profundus. Denn man sieht durch das Loch unmittelbar in die Paukenhöhle hinein und erkennt die unversehrte Paries laby- rinthiea des Cavum tympani. In diesem Loch muß sich im Leben eine ungewöhnlich beschaffene Membrana tympani ausgespannt haben, falls überhaupt eine solche zur Ausbildung gelangt war. Mit ihr war vielleicht ein Hammer in Verbindung gewesen. So handelte es sich auch darum, nach den Ossieula auditus dieses Schädels zu suchen. Werden sie schon an macerierten normalen Schädeln häufig noch an Ort und Stelle gefunden, so lagen die Verhältnisse am vor- liegenden linken Temporale insofern noch günstiger, als die Ossieula hier weit schwieriger aus der Paukenhöhle herausfallen konnten, obwohl ein äußerer Gehörgang fehlte. Aber die Paukenhöhle lag - trotz dieses Mangels nicht in weitester lateraler Ausdehnung frei, sondern mündete nur durch den erwähnten kleinen Porus acustieus profundus nach außen, wenn von der Tuba auditiva ossea abge- sehen wird. In der Tat erwies sich die Rechnung als richtig. Hammer und Amboß wurden später, nachdem die Paukenhöhle durch die Säge freigelegt worden war, vorgefunden; der Steigbügel jedoch Schläfenbein des Menschen, ohne Pars tympanica, mit Hammer-Rudiment. 3 konnte aller auf ihn gerichteter Aufmerksamkeit zum Trotz leider nicht erlangt werden; er ist verloren worden, obwohl er vorhanden und normal gestaltet gewesen sein muß. Der Hammer dagegen zeigte sich in einer Form, wie sie kaum jemals gesehen worden ist. Der innere Gehörgang bietet bis auf den Grund normale Beschaffen- heit dar, ebenso das knöcherne Labyrinth im engeren Sinne. Man wird daher annehmen dürfen, das linke Gehörorgan habe im Leben die ihm zukommenden wesentlichen Funktionen bis zu einem ge- wissen Grade alle erfüllen können, obwohl nicht unbeträchtliche Teile des mittleren und äußeren Ohres fehlten oder unvollständig ausgebildet waren. Wie sich die Auricula sinistra selbst verhalten haben mag, entzieht sich jeder sicheren Entscheidung. Nach dieser allgemeinen Übersicht des Falles ist es am Platz, den vorhandenen Einzelheiten die Aufmerksamkeit zuzuwenden. So genau man auch die anatomische Beschaffenheit des nor- malen Temporale kennen mag, so ist es doch nicht leicht, alle Unterschiede des vorliegenden anomalen Falles festzustellen, wenn man nicht ein normales Temporale der gleichen Seite unmittelbar daneben hält, um Norm und Anomalie gegeneinander abzuwägen. Schwieriger noch kommt man an Abbildungen zum Ziel. Dennoch war es geboten, der Figur der Auomalie (Taf. I Fig. 1) eine der Norm (Fig. 2) an die Seite zu stellen. In der Vergleichung des anomalen mit dem normalen Tempo- rale von der Fossa mandibularis ausgehend, nehmen wir vor allem wahr, daß im anomalen Temporale die hintere Wand der Fossa artieularis fehlt. Ihre obere Wand setzt sich nämlich unmittelbar fort in jenen Teil der Pars horizontalis squamae, welcher das Dach des äußeren Gehörganges zu bilden bestimmt ist und daher oben Tegmentum meatus acustici externi genannt wurde. Es fehlt aber nicht allein die hintere Wand der Fossa articularis, sondern auch die vordere Platte der Pars tympanica, welche mit jener hinteren Wand der Fossa artieularis in Nahtverbindung treten sollte. An Stelle zweier Gruben also, welche durch ein knöchernes, aus einem oberen und unteren Abschnitt bestehendes Septum voneinander ge- trennt werden, erblicken wir eine einzige große, vom Tubereulum artieulare zur Pars mastoidea sich erstreckende Grube, auf deren Grund eine Menge von Besonderheiten zutage treten. Niebt nur durch den Mangel der hinteren Wand der Fossa artieularis unterscheidet sich die Pars horizontalis squamae von der Norm, sondern auch durch eine stärkere Ausbildung der medialen IE 4 A. Rauber Hälfte der Fossa artieularis. Man könnte meinen, am Capitulum sinistrum mandibulae sei eine entsprechende Formabweichung aus- geprägt. Der Unterkiefer des Schädels ist vorhanden, zeigt aber beide Capitula normal. Nicht nur die Pars horizontalis squamae ist von dem Mangel der Pars tympanica in ihrer Form beeinflußt worden, sondern auch der anliegende Teil des großen Flügels des Keilbeines. Der hintere Winkel der Ala magna sinistra ragt nämlich etwas weiter nach hinten vor als gewöhnlich. Mit dieser Hervorragung umgreift er den medialen Rand der Fossa articularis und drängt sich dadurch zwischen die Pars horizontalis squamae und die Außenwand des Canalis caroticus eine Strecke weit hinein. Man könnte diesen Fortsatz daher mit Grund Processus carotieus des großen Keilbein- flügels nennen. Er ist in die Fig. 1 nicht eingezeichnet, um die Ränder des Temporale allseitig scharf hervortreten zu lassen. Wohl aber ist die Spalte deutlich sichtbar, in die er vordringt; sie liegt unterhalb der Ziffer 6, zwischen dem hinteren Rand des medialen Winkels der Pars horizontalis squamae und der Außenwand des Canalis caroticus (8). Die Spalte selbst ist daher mit dern Namen Fissura carotico-squamosa zu bezeichnen. Das laterale Ende dieser Fissur (6) stößt auf eine Knochenplatte von dreiseitiger Außenfläche, die mit der Ziffer 7 versehen ist: in dieser Knochenplatte von nahezu 1 cm Länge und !/, em größter Breite wird leicht der von HENLE so genannte und genau beschriebene Processus inferior tegmenti tympani erkannt. Er ist freilich hier von ungewöhnlicher Form und in teilweise ungewöhnlicher Nach- barschaft; aber er hat sich eben der Umgebung angepaßt. In Fig. 2 nimmt man ihn in normalen Verhältnissen wahr. In Fig. 1 ist vor dem Processus inferior (7) die Sutura petro-squamosa zu sehen, hinter ihm, oberhalb 8, die ungewöhnliche Fissura petro-carotica, die in das Cavum tympani führt und der normalen Fissura petro-tympaniea entspricht. Oberhalb des Processus inferior tegmenti tympani ist das eigen- tümliche Loch (2) von vieleckiger, im ganzen leicht ovaler Begren- zung zu sehen, welches oben Porus acusticus profundus genannt wurde. Der vordere und obere Teil des Loches wird von der Pars horizontalis squamae begrenzt, der untere Teil von dem Processus inferior tegmenti tympani (einem Fortsatz der Pars petrosa also); den hinteren Teil des Loches aber begrenzt der vordere Rand der Pars mastoidea, der sich bis dahin ausgedehnt und der Umgebung Schläfenbein des Menschen, ohne Pars tympanica, mit Hammer-Rudiment. 5 angepaßt hat. Eine solche Anpassung ist auch zu erkennen in der vollständigen Umfassung des Foramen stylomastoideum (3) von seiten der Pars mastoidea. Die Zahl 4 weist dagegen auf die Wurzel des Processus styloideus hin. Es liegt eine Bruchfläche vor; der Griffel- fortsatz ist an der Stelle seines Freiwerdens abgebrochen. Oberhalb des Foramen stylomastoideum (3) sieht man deutlich eine Furche von 4—5 mm Länge gegen den Processus inferior teg- menti tympani (7) hinziehen. Vielleicht muß man den die Furche oben begrenzenden Knochenteil noch zur Squama rechnen, während nur der unterhalb der Furche liegende, bis zum Processus styloideus reichende Knochenuteil der Pars mastoidea zugewiesen werden muß. Verhält es sich so, dann wird der Porus acusticus profundus vorn, oben und hinten von der Squama temporalis, nur unten von dem Processus inferior tegmenti tympani umschlossen. Vielleicht ist diese Deutung sogar die bessere. Man hätte erwarten können, im Fall des Fehlens der Pars tympanica die laterale Wand der Paukenhöhle weithin offen, ganz fehlend zu finden. Statt dessen sehen wir umgekehrt eine stärkere Verschließung zustande gebracht, als sie in der Norm vorliegt. Dies wird bewirkt durch Anpassungsvorgänge im Wachstum der umgeben- den Knochenteile, besonders der Pars horizontalis squamae, des Pro- cessus inferior tegmenti tympani der Pars petrosa. Wie weit die Pars mastoidea sich nach vorn weiter ausdehnte, muß nach dem Obigen fraglich bleiben. Vielleicht also nimmt sie am Abschluß des Porus acustieus profundus nicht teil, sondern begnügt sich mit der Umwachsung des unteren Teils des Canalis faecialis. Mit dem Namen Porus acusticus profundus läßt sich übrigens passend auch das tiefliegende Ende des Meatus acusticus externus osseus des normalen Schläfenbeines bezeichnen, welches die Mem- brana tympanica aufzunehmen hat. Normal von großen Durchmessern, hat der Porus acusticus profundus im vorliegenden Falle nur eine Zwerggestalt und veränderte Zusammensetzung der es umschließen- den Knochenteile gewonnen. Denn seine Durchmesser sind 3 und 35 mm. Merkwürdig genug liegt die Neigungsebene des Zwerg- porus in ähnlicher Weise wie die des normalen Porus. Der Processus mastoideus des linken Temporale ist kurz, breit und dick. Die Ineisura mastoidea zeigt nur geringe Tiefe. Die äußere Mündung der Tuba auditiva ossea weicht vom normalen Verhalten durch Weite ab. Das Septum tubae ist von der äußeren 6 A. Rauber Mündung her leicht zu erkennen. Der Raum für die Aufnahme des Musculus tensor tympani ist hiernach vorhanden. Wie verhält sich das Cavum tympani? Durch den Porus acu- sticus profundus kann man bei passender Beleuchtung, wie schon erwähnt, in die Paukenhöhle hineinsehen und beträchtliche Teile ihrer Paries labyrinthica auf ihre Beschaffenheit prüfen. Um sicherer zu gehen und die ganze Höhle untersuchen zu können, wurde ein Sägeschnitt durch den Warzen- und Schuppenteil des Temporale in der Weise ausgeführt, daß er den Porus acustieus profundus gerade tangierte und den Raum des Cavum tympani also freilegte. Der Schnitt durchzieht in sagittaler Richtung die Ineisura mastoidea, trennt die mediale Hälfte der Fossa mandibularis von der lateralen ab, läuft durch den medialen Rand des Tubereulum artieulare. Ein zweiter querlaufender Sägeschnitt durchtrennte den Anfangsteil des Processus zygomatieus und mündet vor dem Tubereulum artieulare in die sagittal verlaufende erste Schnittbahn ein. Fig. 3 zeigt die mediale Abteilung der beiden Schnitthälften. Oberhalb der Ziffer 4 dehnt sich das Cavum tympani mit dem Re- cessus epitympanicus und dem Antrum mastoideum aus, von wel- chem die zahlreichen kleineren und größeren Zellen des Warzenteils ihren Ausgang nehmen. Der Grund des Antrum mastoideum zeigt jenen starken, horizontal gerichteten Knochenwulst, welcher einem Teil des knöchernen Labyrinths entspricht und unter dem Namen Prominentia ampullaris bekannt ist. Die Ziffer 4 selbst ist auf einem Teil des Bodens der Paukenhöhle angebracht. Links von 4 bemerkt man die Lücke, welche der unteren Hälfte des Porus acustieus profundus angehört. Das Promontorium ist des starken Schattens wegen in Fig. 3 nicht zu erkennen, in voller Ausdehnung aber am natürlichen Prä- parat. Es ist unverändert, ebenso sein Sulcus und die beiden Fenster. Eine weitere Zerlegung vorzunehmen, um den Vorhof, die Schnecke und Bogengänge untersuchen zu können, schien nicht rät- lich. Denn es waren an ihnen keine Veränderungen zu erwarten; hatte doch auch der Meatus acusticus internus bis zur Lamina cri- brosa hin normale Verhältnisse gezeigt! Anderseits würde gerade der wertvollere anomale Teil des Präparates durch weitergehende Zerlegung unverhältnismäßig gelitten haben. Auch die Apertura externa sowohl des Aquaeductus vestibuli als des Canalieulus cochleae zeichnen sich durch normale Beschaffenheit aus. So konnte also Schläfenbein des Menschen, ohne Pars tympanica, mit Hammer-Rudiment. 7 auf eine weitere Zerstückelung des seltenen Präparates verzichtet werden. Bis in das Labyrinth hinein erstreckte sich die Bildungshem- mung also nicht. Sie begnügte sich mit unvollständiger Ausbildung von Teilen der Auris externa und media. Zu den Gebilden des Mittelohres gehören aber auch die Ossicula auditus. Von diesen zeigte der Hammer, wie sich voraussehen ließ, weitgehende Ver- änderungen, während Amboß und Steigbügel dem Störungsgebiet schon weiter entrückt waren. 2. Ossicula auditus. a. Hammer. An dem mißstalteten kleinen Knochen, der von den beiden vor- handenen Ossieula auditus sich als Hammer erweist, ist der am besten geformte Teil der Kopf. Dies ergibt ein Blick auf die Fig. 4 bis 7, die den Hammer in vier verschiedenen Ansichten in 4!1/,facher Vergrößerung dem Auge darbieten. Daß der Kopf des Hammers als der am meisten mit der Norm übereinstimmende Teil des Kno- chens gefunden wird, stimmt sehr wohl mit dem Umstand überein, daß er am weitesten vom Trommelfell und der Pars tympanica des Temporale entfernte Lage hat, einer Mitleidenschaft also am wenig- sten ausgesetzt ist. Er ist von ansehnlicher Größe und zeigt eine im wesentlichen normale Gelenkfläche zur Aufnahme des Körpers des Amboß. Abwärts von der Gelenkfläche, welche durch eine Furche in zwei Abteilungen geschieden wird, folgt, wie Fig. 4 zu- nächst erkennen läßt, eine durch eine Einschnürung von der Ge- lenkfläche abgesetzte kleine Knochenplatte von ansehnlicher Breite und Dicke, aber von so unbeträchtlicher Länge, daß diese nur etwa die Hälfte der Länge des Kopfes erreicht. Das dem Kopf entgegen- gesetzte Ende der Platte schließt, halbkreisförmig gebogen und leicht gewulstet, nach unten ab. In dieser kleinen, dem Hammerkopf anhängenden Knochenplatte liegt der Rest von allem vor, was sonst noch zum Hammer gehört: Hals, kurzer und langer Fortsatz, Handgriff. Hatte die Platte im Leben des Individuums eine Verbindung mit dem rudimentären Trommelfell, welches mit Wahrscheinlichkeit den Porus acustieus profundus verschloß? Vermutlich fehlte es nicht an einer Einpflan- zung eines mehr oder weniger großen Teils der Platte in das rudi- mentäre Trommelfell. Ähnelt doch das untere, freie Ende der Platte 8 A. Rauber etwas der Spatula manubrii! Bis zu einem gewissen Grade war das Hammer-Rudiment vielleicht sogar etwas beweglich. Denn der Semicanalis tensoris tympani fehlt nicht; es scheint also auch der Museulus tensor tympani vorhanden gewesen zu sein und seine Sehne zur Insertion unter dem Hammerkopf gebracht zu haben. Betrachten wir jedoch den vorliegenden Hammer von andern Seiten als von der in Fig. 4 dargestellten und drehen wir ihn 180° um seine Längsachse, so erhalten wir das Bild der Fig. 5. Oberer und unterer Rand sind gewölbt, der eine Längsrand konkav, der andre konvex und mit einer Kerbe versehen. Der mittlere Teil der Fläche ist grubig vertieft, gleicht einem Hilus und zeigt einige der Länge nach aufgereihte kleine Löcher. Entgegengesetzte Kantenaufnahmen des Hammers liegen in den Fig. 6 und 7 vor und vervollständigen das Bild, das man sich von seiner Form zu machen hat. b. Amboß. Hammer und Amboß gehen aus dem gleichen knorpeligen Bogen hervor. Wo der Hammer in seiner Entwicklung Schaden erlitten hat, ist die Gefahr dem Amboß nicht fern. Da aber der Hammer- kopf und seine Gelenkfläche eine wesentlich gute Ausbildung er- langt haben und der Mangel sich nur auf jene Hammerteile erstreckt, die dem Trommelfell angehören, so blieb der Amboß verschont; er ist nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, sondern zeigt alle Be- sonderheiten der Norm. Historisches. Teilweiser Mangel des Tympanicum des Menschen ist nicht selten. Schon CAssEBOHM in seinem Traetatus de aure humana, Hal. 1734, berichtet hierüber; später haben DIETERICH, HYRTL, A. Rerzıus u. a. sich mit dem Gegenstand beschäftigt. Jedes. anato- mische Institut besitzt wohl mehrfach Fälle von partiellem Mangel, Lochbildungen in der vorderen Platte des Tympanicum von mehr oder weniger großem Umfang. Vollständiger Mangel aber ist eine große Seltenheit. Im hiesigen Institut, das zurzeit gegen 1000 Schädel besitzt, ist der oben beschriebene Fall der einzige. Er ist auch zu- gleich durch seine Einseitigkeit ausgezeichnet. Am Temporale dex- trum gelangte das Tympanicum, zuerst seine kleine, häutige Grund- lage, dann sein intermembranöser Knochenkern, zu voller Entfal- tung; im Temporale sinistrum hingegen unterblieben die normalen Tafık Bd. XXXVI. Morphologisches Jahrbuch. Fig. 4 Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. I a ri iu z Schläfenbein des Menschen, ohne Pars tympanica, mit Hammer-Rudiment. 9 Entwicklungsvorgänge, die das Tympanicum zu gestalten haben; nicht ohne die Nachbarknochen und die Membrana tympani in Mit- leidenschaft zu ziehen. In vergleichend-anatomischer Hinsicht ist die umfangreiche Ar- beit von P. N. va KAMPEN hervorzuheben, die den Titel führt: Die Tympanalgegend des Säugetierschädels. Morpholog. Jahrbuch. 1905. Bd. XXXIV. Siehe ferner H. Fuchs, Herkunft und Entwick- lung der Gehörknöchelchen. Archiv für Anatomie (und Physiologie). 1906. Supplementband. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 1. Temporale sinistrum des Schädels eines erwachsenen Chinesen; Dor- pater Sammlung. Mangel der Pars tympanica. Ansicht der lateralen und unteren Fläche. Nach photographischer Aufnahme. / Fossa man- dibularis; 2 Porus acusticus profundus; 3 Foramen stylomastoideum; 4 Bruchfläche des Processus styloideus; 5 Canalis caroticus; 6 Fissura petro-squamosa; in sie drang ein Fortsatz des hinteren Winkels des großen Keilbeinflügels ein; 7 Processus inferior tegmenti tympani; $ Fissura petro-carotica sive interpetrosa, an Stelle einer Fissura petro- tympanica der Norm, die das Typanicum besitzt. Eine Borste dringt von hier in das Cavum tympani ein. Fig. 2. Normales Temporale sinistrum, zur Vergleichung mit Fig. 1. Fig. 3. Das anomale Temporale sinistrum der Fig. 1 mit einem Teil seiner knöchernen Umgebung nach Eröffnung des Cavum tympani und der Cellulae mastoideae durch einen Sagittalschnitt. Mediale Schnittfläche; 1 Processus mastoideus; 2 Fossa sigmoidea; 3 Gegend der Eminentia arcuata der Pars petrosa; # hintere Wand des Porus acusticus pro- fundus, welcher von dem Schnitt durchsetzt wird. Oberhalb £ Cavum tympani; 5 Ala magna ossis sphenoidalis, cerebrale Fläche. Fig. 4—7. Ansichten des Hammer-Rudiments bei 4!/safacher Vergrößerung. Prisma-Aufnahmen. Fig. 4 Hammer, hintere Fläche. Fig. 5. Hammer, vordere Fläche. Fig. 6 und 7”. Hammer in beiden Kantenansichten. Gemeinsame Bezeichnungen: a Facies artieularis mallei si- nistri; e Caput mallei; f Fovea mallei; volle Ansicht der Hammergrube in Fig.5; drei in einer Längslinie liegende Pori befinden sich im Grund der Grube. Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. Von Dr. Kurt Heidrich. Mit Tafel II und III und 13 Figuren im Text. Aus dem Anatomischen Institut der Tierärztl. Hochschule in Dresden (Med.-Rat Prof. Dr. Baum). Die Anregung zu den nachstehend beschriebenen Untersuchungen ging von meinem Lehrer, Herrn Med.-Rat Prof. Dr. Baum, dem Direktor des Anatomischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule in Dresden aus. Er wollte die vergleichend-anatomischen Verhältnisse des Schlundkopfes der Wirbeltiere klarlegen und betraute mich des- halb mit der Untersuchung der makroskopischen Verhältnisse der Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel, so daß meine Arbeit ein. Glied in der Reihe der Untersuchungen über die Schlundkopfhöhle bildet, deren Ergebnisse von Baum in einem Artikel verarbeitet sind, der demnächst erscheinen wird. Ich unterzog mich der mir gestellten Aufgabe um so lieber, als in der Untersuchung und Beschreibung der Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und insbesondere der den Tierarzt interessierenden Hausvögel bisher noch große Lücken be- standen, deren Ausfüllung mir an sich wünschenswert erschien. Zur Erledigung der mir gestellten Aufgabe nahm ich bei einer Anzahl Vögel (Gallus domesticus, Anser, Anas, Cicomia, Columba, Papagei) makroskopische und (bei Gallus domesticus) eingehende, mikroskopische Untersuchungen der Schleimhaut der Mund-Schlund- kopfhöhle vor und berücksichtigte insbesondere auch die in der 4 Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. rt Mund-Schlundkopfhöhlenwand gelegenen Speicheldrüsen des Haus- huhnes. I. Makroskopisches. Das Mundhöhlendach (Fig. 1) der Vögel ist im Gegensatz zum Palatum durum der Säugetiere durch eine lange, median gelegene, spaltförmige Öffnung durchbrochen, die ich im nachfolgenden als Choanenspalte bezeichnen werde; sie erstreckt sich durch das zweite und dritte Drittel des harten Gaumens, so daß sie caudalwärts nahezu bis zu der weiter unten geschilderten, gemeinschaftlichen Ausmündung der beiden EusSTAcHI- schen Hörtrompeten reicht. Sie kommt dadurch zustande, daß die Gaumenfortsätze der Oberkiefer- beine median überhaupt nicht und die Ossa palatina nur an ihrem caudalen Ende zusammenstoßen. Nur die Ossa ineisiva haben sich in der Mittellinie vereinigt und stellen die hauptsächlichste Grund- lage des ÖOberschnabels und des ungetrennt gebliebenen Teils des Gaumendaches dar. An dem knö- chernen Gaumengewölbe des Vogels können wir mithin einen unge- trennt gebliebenen oder unpaaren und einen durch eine spaltförmige Gaumenrachendach des Haushuhnes, Offnung getrennten oder paarigen a' enger, a" weiter Teil der Choanenspalte; Teil unterscheiden. In ihrem eau- Sinteröhes 7 Gnumeannileneiin; Dat dalen Abschnitte ist die Spalte in leistehen; m die Ausmündung der Gl. maxil- der Tiefe zweigeteit: (Dig. 17), nn nei he denn das Pflugscharbein zieht, am chenpapillenreihe; s Gl. sphenopterygoideae Os sphenoidale beginnend, in der Tiefe der Choanenspalte median nach vorn, um eine Trennung der Nasenhöhle durch Bildung bzw. Vervollständigung der Nasenscheide- wand herbeizuführen. Das Pflugscharbein erreicht jedoch ventral die Gaumenplatte nicht, wie dies beim Säuger der Fall ist. Die Choanenspalte (Fig. 1—5) ist im allgemeinen in ihrem 12 Kurt Heidrich vorderen Abschnitt relativ eng, erweitert sich dann ziemlich be- deutend, um in der Regel nach dem eaudalen Ende zu allmählich flach auszulaufen; so verhält sie sich bei den Gallinacei (Gallus domestieus [Fig. 1 a’ a’), Phasiamus colchieus), Columbinae (Columba domestica [Fig. 2 «a a], Raptatores (Acecipitres), Natatores (Anser, Anas [Fig. 4 a’ a”]). Sehr deutlich ausgeprägt ist diese Erweiterung der Choanenspalte bei Ciconia alba (Grallatores [Fig. 3a’ a”)]). Bei den Passeres (Passer domesticus) und Papageien (Fig. 5 «a a”) ist der enge Teil der Spalte sehr kurz, der übrige Teil dagegen sehr breit. Der enge Teil gehört offenbar dem harten Gaumen an, während der weite Teil den Choanen der Säuger ent- spricht. Es dürfte das schon daraus hervorgehen, daß der enge Teil der Choanenspalte außer vom vorderen (oralen) Teile der Gau- menbeine auch noch von den Gaumenfortsätzen der Oberkieferbeine begrenzt wird. Da nun bei den Säugern die Processus palatini der Oberkieferbeine lediglich zur Bildung des knöchernen Gaumendaches, nieht aber zur Begrenzung der Choanen beitragen, so muß auch der von ihnen begrenzte Teil der Choanenspalte beim Vogel zum harten Gaumen gerechnet werden, d. h. beim Vogel ist einfach an die Stelle der Sutura palatina der Säuger eine Spalte, eben jener orale Teil der Choanenspalte, getreten. Die Grenze zwischen den beiden Ab- schnitten der Choanenspalte würde uns somit ungefähr diejenige Stelle markieren, wo bei den Mammalia der Ursprung des Palatum molle liegt. Bei den Gallinacei (Gallus domestieus, Phasianus colehieus) ist diese Grenze scharf ausgeprägt durch eine konstant auftretende, zur Medianlinie quergestellte Reihe von gut entwickelten, rachenwärts gerichteten Hornpapillen. Diese Papillenreihe, die ich als Gaumenpapillenreihe (Fig. 1 g) bezeichne, besteht beim Huhn auf jeder Seite der Spalte aus etwa 15 verhornten Papillen. Bei den übrigen untersuchten Arten findet sie sieh nicht. Bei diesen ist also das Ende des harten Gaumens bzw. die Abgrenzung des Mundhöhlendaches caudalwärts nur in der erwähnten Erweite- rung der Choanenspalte gegeben. Daß beide Teile der Choanenspalte in einer Ebene liegen und die Choanen nicht, wie bei den Säugern, fast senkrecht zum harten Gaumen stehen, ist dadurch bedingt, daß beim Vogel die Ossa pa- latina einfache, lange, dünne Knochenstäbehen darstellen, die bis zu ihrer Vereinigung mit dem Keilbein und den Flügelbeinen ledig- lich horizontal verlaufen. Sie bilden zusammen mit den Knochen der Schädelbasis eine gemeinschaftliche, in einer (horizontalen) Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 13 Fig. 4. 3 Taube. a’ enger, «" weiter Teil der Choanen- spalte; b Zunge; c Zun- genabgrenzung; d La- rynxspalte; e Kehlkopfs- papillenabgrenzung; f Vesophagus. Storch. Siehe die Bezeichnun- gen von Fig. 2, c" Rachenpapillenreihe. Gans. Siehe die Bezeichnungen von Fig. 2. i Infundibulum. 14 Kurt Heidrich Ebene gelegene, knöcherne Grundlage für das Dach der Mund- und Schlundkopfhöhle. An der Schleimhaut des Mundhöhlendaches läßt sich beim Vogel naturgemäß ein oral von der Choanenspalte gelegener, un- paarer Teil und ein paariger, median die Choanenspalte begrenzen- der Teil unterscheiden. Der unpaarige Teil, der im allgemeinen Fig. 5. Fig. 6. "f Mund-Schlundkopfhöhlenboden des Haushuhnes. b Zunge; c Zungenpapillenabgrenzung; d Larynxspalte; e Kehlkopfspapillenabgrenzung; f Speiseröhre; k Gl. ericoary- Papagei. Siehe die Bezeichnun- taenoideae; spi Ausmündungen der intermediären, spm der gen von Fig. 2. vorderen medialen, spl der hinteren lateralen Gruppe der Gl. submaxillares posteriores; z9 Zungengrund; z Zungenbein die Gestalt eines mit der Basis caudalwärts gerichteten Dreiecks besitzt, ist bei den kurzschnäbeligen Vögeln sehr kurz, bei denen mit langen, großen Schnäbeln von oft sehr bedeutender Länge. Der eigentliche harte Gaumen trägt eine weißliche, beim Papagei schwärzlich pigmentierte, derbe, eutane Schleimhaut, die an ihrer Oberfläche bei den Vögeln, die von harten Früchten und Körnern leben, sehr fest und sehr stark verhornt ist. Weniger ist dies bei eu Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 15 den Insektenfressern der Fall, und von verhältnismäßig weicher Beschaffenheit ist sie schließlich bei den Vögeln, die ihre Nahrung im Schlamme finden. Diesen Verhältnissen entspricht auch die Ent- wicklung der auf der Gaumenschleimhaut vorkommenden Hornpa- pillen. — Außer der Gaumenpapillenreihe trägt nämlich die Schleim- haut des harten Gaumens bei den Hühnervögeln noch eine ganze Anzahl von verhornten, rachenwärts gerichteten Papillchen. Sie sind zum Teil ebenfalls in quergestellten Reihen angeordnet, aber die Reihen sind weniger konstant und charakteristisch. Vor allem sind die Papillchen auch bedeutend kleiner als jene der Gaumen- papillenreihe.e Beim Haushuhn kommen vier Reihen Papillen vor der Gaumenpapillenreihe vor (Fig. 1p’p”p"’). In ihrer physiolo- gischen Bedeutung dürften sie den Rugae palatinae der Haussäuger entsprechen. Außer den Reihen finden sich noch, jedoch verstreut und regellos, einzelne kleinere, ebenfalls rachenwärts gerichtete Hornpapillehen, von denen einige direkt am Rande der Uhoanen- spitze sitzen. Außer den Hornpapillchen trägt die Gaumenschleim- haut der Gallinacei noch mehrere leistenartige Vorsprünge. Oral, wo die Schleimhaut aus dem hornigen Überzug des Ober- schnabels hervorgeht, nehmen drei solcher Leistehen ihren gemein- samen Anfang (Fig. 17’, 2”). Das mittlere läuft in der Mittellinie bis zum oralen Ende der Choanenspalte und ist das kürzeste (Fig. 17). Die beiden lateralen laufen divergierend auseinander, parallel mit den Schnabelrändern, bis zur Gaumenpapillenreihe (Fig. 1/7”). Im vorderen Teile des Winkels, den das mediane Leistehen mit dem lateralen bildet, können wir beim Huhn jederseits eine feine, nadel- stichähnliche Öffnung bemerken. Es sind die Öffnungen der beiden Ausführungsgänge der hier gelegenen Gl. maxillares (Fig. 1). — Am unpaaren Teile sind selbst mit der Lupe keine Öffnungen weiter festzustellen. Dagegen zeigt die Schleimhaut des paarigen Gaumens zahlreiche feine Öffnungen. Ein Teil dieser (etwa 35 jederseits) liegt lateral vom seitlichen Leistehen in einer i. d. R. ein- fachen Reihe, die vom Ende des unpaaren Gaumens bis zur Gau- menpapillenreihe reicht (Fig. 1/p). Sie stellen die Ausmündungen der Gl. palatinae laterales (Fig. 1/p) dar. Der andre Teil der Öffnungen (etwa 54) ist medial vom Leistehen, zwischen diesem und dem Choanenspaltenrande, gelegen. Es sind die Öffnungen der Aus- führungsgänge der Gl. palatinae mediales (Fig. 1 mp). Das Nähere über die Gl. maxillares et palatinae findet sich im mi- kroskopischen Teile der Arbeit. 16 Kurt Heidrich Bei Columba domestica finden sich ungefähr zwölf rachenwärts gerichtete, verhornte Papillchen, die aber bedeutend kleiner als beim Huhn sind. Sie sind jedoch ohne bestimmte Gruppierung verteilt. Der enge Teil der Choanenspalte ist mit kleinen Papillchen umsäumt, so daß die Ränder wie gezähnelt er- scheinen. Drei Leistehen kommen in derselben Anordnung wie bei Gallus vor, die lateralen reichen jedoch weiter caudalwärts. Auch hier fanden sich in dem Winkel, den das mediane Leistehen mit dem lateralen bildet, zwei feine Öffnungen, die allerdings so außerordentlich fein sind, daß sie gut nur mit der Lupe zu erkennen sind. Die weiter hinten im paarigen Teile des Gaumens vorkommenden, zahlreichen Öffnungen sind von derselben, nahezu mikroskopi- schen Feinheit; über ihre Lage und Zahl könnten nur mikroskopische Unter- suchungen Aufschluß geben. Bei Anas, Anser, Passer und Papagei ist der unpaare Gaumenteil nur sehr kurz und ohne Hornpapillen. Der paarige Teil trägt am Choanenrande zahlreiche, ziemlich dicht stehende, z. T. haarförmige, schlundwärts gerichtete Hornpapillen. Auf die Ausmündungen der Mundhöhlendrüsen dieser und der folgenden Vogelarten kann ich, um den Rahmen der Arbeit nicht allzuweit zu überschreiten, nicht näher eingehen. Die Schleimhaut des Schlundkopfhöhlendaches, jenes dem Fornix pharyngis der Säuger entsprechenden Gebiets, das sich beim Vogel an das Gaumendach rachenwärts anschließt und den erweiterten Teil der Choanenspalte und die Eusracnhısche Tuben- mündung umfaßt, unterscheidet sich dadurch wesentlich von der Schleimhaut des Daches des Cavum pharyngis der Säuger, daß sie beim Vogel dieselbe derbe, cutane, oberflächlich ver- hornte Schleimhaut darstellt, wie sie sich am eigentlichen harten Gaumen findet. Bei den Hühnervögeln und andern Arten trägt sie auch dieselben kleinen, rachenwärts gerichteten Horn- papillehen. Gegen den Oesophaguseingang ist die Rachendachschleimhaut durch eine Reihe stark entwickelter, speiseröhrenwärts gerichteter Hormpapillen in sehr charakteristischer Weise abgesetzt. Für alle untersuchten Vögel ist diese Abgrenzung des Rachengewölbes vom Speiseröhrenanfang charakteristisch. Bei den Galli- nacei (Haushuhn, Fasan) zieht sich die Papillenreihe, die ich Ra- chenpapillenreihe (Fig. 1r) nenne, direkt am dorsalen Rand des Oesophagusanfangs quer zur Medianlinie herüber. Sie entspricht in ihrem Bau vollständig der Gaumenpapillenreihe und ist wie diese in der Mittellinie unterbrochen. Jede Hälfte setzt sich aus etwa zehn kräftig entwickelten, dem Speiseröhreneingang zugekehrten Hornpapillen zusammen. Hinter der Rachenpapillenreihe nimmt die Speiseröhrenschleimhaut ihren Anfang, die sich schon makroskopisch durch ihre starke Längsfaltung und weichere, rötliche Beschaffenheit Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 7 von der vor ihr gelegenen Schleimhaut des Gaumen-Schlundkopf- höhlendaches auffällig unterscheidet. Bei Columba domestica ist die Basis, auf der die Hornpapillchen sitzen, so kräftig entwickelt, daß sie jederseits von der Mittellinie als ein mit Pa- pillen besetzter Schleimhautwulst ventral in das Cavum oris bzw. pharyngis hineinragt. Auch bei Anser, Anas, Papagei usw. ist der Speiseröhreneingang dorsal durch eine Rachenpapillenreihe deutlich markiert. Bei Anas und Anser setzt sich die Rachenpapillenreihe, indem sie seitlich nach vorn zu abbiegt, bis zum Schnabelwinkel fort. Dadurch erscheint bei diesen das gesamte Mund- Sehlundkopfhöhlendach auch seitlich abgegrenzt. Nur bei Ckconia alba ist die Abgrenzung des Rachendaches nach dem Oesophagus zu nicht durch eine Reihe eigentlicher Papillen ausgedrückt; aber immerhin ist auch hier eine deutliche Abgrenzung dadurch gegeben, daß die Schleimhauvr am Ende des Rachendaches einen speiseröhrenwärts gerichteten Vorsprung bildet, dessen Rand scharf gezähnelt ist (Fig. 3 e”). Die Schleimhaut des Rachendaches ist ferner durch das Auf- treten einer länglichen, median gelegenen, von der Schleimhaut überkleideten Spalte, der sog. Infundibularspalte, ausgezeichnet (Fig. 1). Diese führt in einen trichterförmigen Hohlraum, der die gemeinschaftliche Ausmündung der Hörtrompeten darstellt. Aus der Tiefe des Trichters, der als Infundibulum tubarum (OPPpEL 41], Fig. 9—12 auf Taf. I) bezeichnet wird, ziehen die EustAcHI- schen Hörtrompeten getrennt schädelwärts und vermitteln durch einen erst knorpeligen, dann knöchernen Gang die Kommunikation mit der Paukenhöhle und den lufthaltigen Räumen der benachbarten Schädel- knochen. Bei allen untersuchten Vögeln mit Ausnahme von Ciconia alba ist die Infundibularspalte nur durch einen schmalen Schleimhautsteg von der Choanenöffnung getrennt. Indem sie caudalwärts allmählich flach ausläuft, reicht sie bis zur Rachenpapillenbegrenzung und teilt diese, wie bereits erwähnt, in eine rechte und linke Hälfte (Fig. 1r). Nur bei Ciconia alba liegt die Infundibularspalte mehr in der hinteren Wand der Choanenspalte, dem Nasenausgang zugekehtt. Die Schleimhaut des Rachendaches ist in ähnlicher Weise wie die Gaumenschleimhaut von einer großen Anzahl feiner, nadelstich- ähnlicher Öffnungen durchbohrt. So konnte ich z. B. bei Gallus do- mesticus seitlich von der Choanenspalte zwischen Gaumenpapillen- reihe einerseits und oralem Ende der Infundibularspalte anderseits auf jeder Seite etwa 70 Öffnungen (zu den Gl. palatinae mediales gehörig, Fig. 17”p) und seitlich von der Infundibularspalte bis zur Rachenpapillenreihe jederseits etwa 45—50 Öffnungen (GI. spheno- pterygoideae, Fig. 1s) zählen. Auch bei den übrigen Vogelarten Morpholog. Jahrbuch. 37. 2 18 Kurt Heidrich finden sich viele solche feine, punktförmige Öffnungen am Rachen- dache. Außer den Öffnungen trägt auch die lateral von der Infundi- bularspalte gelegene Schleimhaut bei einzelnen Arten (Gallus, Pha- sianus, Anas, Anser, Papagei) die schon öfters erwähnten, kleinen, speiseröhrenwärts gerichteten Hornpapillen, die bei Anas, Anser, Papagei sogar die‘ Ränder der Infundibularspalte selbst besetzen, um gegen das Eindringen fremder Körperehen Schutz zu bieten. Der Boden der Mundhöhle wird beim Vogel von den Horn- scheiden des Unterschnabels, der aus dieser hervorgehenden Unter- schnabelsehleimhaut und der Zunge gebildet. Die Zunge des Vogels stellt in der Regel einen verkleinerten Abguß des Unterschnabel- raumes dar und zeigt infolgedessen wie dieser eine außerordentlich mannigfaltige Formation bei den einzelnen Arten. Es liegt nicht im Rahmen meiner Abhandlung, auf eine nähere Beschreibung der Vogelzunge einzugehen, die übrigens bereits ausführlich von Prinz LupwiG FERDINAND VON BAYERN (35) in einer vergleichend-anatomi- schen Studie abgehandelt ist. Von großer Wichtigkeit für uns ist jedoch die Tatsache, daß die Vogelzunge bzw. deren Schleim- haut stets eine durch verhornte Papillen dargestellte Ab- grenzung an ihrem hinteren Ende zeigt. Diese caudale Be- grenzung ist teils durch eine einfache (Gallus, Columba, Papagei, Milvus regalis usw.), teils durch eine mehrfache (Anas, Anser) Reihe verhornter, kehlkopfwärts gerichteter Papillen ausgedrückt (Fig. 2 bis 6c). Dabei sind aber Anordnung, Form, Größe und Gestalt der Hornpapillen so verschieden und mannigfaltig in den einzelnen Ab- teilungen, daß eine Beschreibung schlechterdings nicht gut möglich ist. Durch die Abbildungen (Fig. 2—6 c) soll daher die Zungen- begrenzung bei Gallus, Columba, Anser, Oiconia, Papagei veranschau- lieht werden. — Bei Oiconia alba ist die Begrenzung des Zungen- endes nur durch eine Schleimhautleiste ausgedrückt. Diese verläuft (Abbildung Fig. 3 c) in einem Bogen, dessen Konkavität kehl- kopfwärts gerichtet ist. — Bezüglich der Zungendrüsen sei auf den mikroskopischen Teil der Arbeit verwiesen. Zur Bildung des Mundhöhlenbodens trägt ferner die Unter- schnabelschleimhaut bei. Sie steigt in der Mittellinie als Du- plieatur zur ventralen Fläche der Zunge auf und bildet dadurch eine Art Frenulum linguae. Direkt neben der Mittellinie wird die Unterschnabelschleimhaut jederseits von einer Reihe feiner, punktfürmiger Öffnungen, den Ausmündungen der unter ihr gelegenen Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 19 Gl. submaxillares anteriores durchbohrt. Bei Gallus domesticus z. B. finden wir auf jeder Seite etwa 15 solcher Poren. Aboral von der Zungenbegrenzung schließt sich an der ven- tralen Wand des Cavum oris et pharyngis die Schleimhaut des Zungengrundes an. Unter Zungengrund verstehe ich, ohne dabei auf die entsprechenden Verhältnisse der Säugetiere Rücksicht zu nehmen, den zwischen Zungenbegrenzung einerseits und Kehlkopfs- eingang anderseits gelegenen Schleimhautbezirk. Von der Zungen- oberfläche unterscheidet sich die Zungengrundschleimhaut im allge- meinen durch ihre weichere, mehr rötliche Beschaffenheit, doch trägt auch sie bei einigen Arten (Anas, Anser) auf ihrer Oberfläche Fig. 7. Medianschnitt durch den Kopf des Haushuhnes. Durchkreuzung des Luftweges (a) und des Speiseweges (b). kleine, kehlkopfwärts gerichtete Hornpapillchen. Sie ist gegen ihre Grundlage leicht verschiebbar und bei einzelnen Vogelarten in kleine Querfältehen gelögt, die sich vor dem oralen Anfang des Kehlkopf- spaltes bogenförmig herüberziehen. Ihre Oberfläche zeigt eine sehr große Anzahl (bei Gallus domesticus weit über 100) feiner, nadel- stichähnlicher Ausmündungen von Drüsen, über die im mikroskopi- schen Teile das Nähere zu finden ist, Caudalwärts von ihr reiht sich der Kehlkopf an, der im Gegen- satz zu den Säugern relativ sehr weit in das Cavum oris bzw. pha- ryngis hineinragt und dessen Eingangsöffnung nur durch eine ein- fache, median gestellte Spalte, die sog. Larynxspalte (Fig. 2—6 d), dargestellt wird, die zudem nicht so steil wie bei den Säugern, sondern geradezu horizontal (wie die Choanenspalte) liegt. 2* 20 Kurt Heidrich Auf den Kehlkopf setzt sich die Zungengrundschleimhaut, in- dem sie wieder fester und derber wird, aboralwärts in der Weise fort, daß sie erst als dessen »äußere Bekleidung« die Außen- fläche des Kehlkopfes (soweit er in die Schlundkopfhöhle hin- einragt) bis zum Speiseröhrenanfang (Fig. 6 f) überzieht. An dem Rande der Larynxspalte geht sie in den Innenraum des Kehl- kopfes als dessen »innere Auskleidung« hinein. Am Rande der Larynxspalte trägt die Schleimhautoberfläche bei einigen Arten (Anas, Anser) kleine, nach dem Speiseröhreneingang zu gerichtete, verhornte Papillehen. Einzelne Arten (Huhn, Fasan, Papagei) zeigen solehe Papillehen auch noch lateral von der Larynxspalte. Bei allen Vögeln ist das dorso-caudale Ende der Larynxspalte in sehr charakteristischer Weise gegen den Oesophagus- anfang abgegrenzt (Fig. 2—6 e). Diese Begrenzung, die ich Kehl- kopfspapillenbegrenzung nennen möchte, wird auch hier durch verhornte, speiseröhrenwärts gerichtete Papillen ausgedrückt, die allerdings bei den einzelnen Arten so außerordentlich verschieden sind, daß ich auch hier einfach auf die Abbildungen (Fig. 2—6 e) verweise. Ihre Lage entspricht genau der Rachenpapillenreihe, so daß mithin der Speiseröhrenanfang dorsal durch die Rachen- papillenreihe und ventral durch die Kehlkopfspapillenbe- srenzung gekennzeichnet ist. Seitlich von der Larynxspalte münden hier submueös gelegene Drüsen mit feinen, nadelstichähn- lichen Öffnungen aus. Hinter dem Schnabelwinkel gehen Mundhöhlendach und -Boden seitlich durch die Seitenwände ineinander über. Diese sind beim Vogel infolge des weit nach hinten reichenden Schnabelwinkels relativ sehr kurz. Sie zeigen außer einigen feinen Öffnungen von Drüsen bei manchen (z. B. Anas, Anser) ebenfalls schlundwärts ge- richtete Hornpapilichen. 2 Wir sehen also, daß die Vögel eine so scharf wie bei den Säugern von der Mundhöhle getrennte Schlundkopfhöhle infolge der Abwesenheit eines Gaumensegels nicht besitzen, vielmehr bilden Mundhöhle und Schlundkopfhöhle einen ein- zigen gemeinschaftlichen Hohlraum, der nur ganz unvollständig in eine vordere Abteilung (Cavum oris) und eine hintere (Cavum pharyngis) geteilt werden könnte. Bei Gallus würden am Gaumen- dach die Gaumenpapillenreihe und am Mundhöhlenboden die Zungen- papillenbegrenzung eine solche unvollständige bzw. künstliche Tren- nung ermöglichen; bei Anas, Columba, Papagei usw., denen die Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 3X Gaumenpapillenreihe fehlt, würde dorsal der Beginn der Choanen- erweiterung und ventral die Papillenbegrenzung der Zunge eine Grenze zwischen beiden Hohlräumen andeuten. Der aboralwärts von dieser durch die erwähnten Papillenreihen angedeuteten Tren- nungsebene bis zu einer zweiten, durch die Rachen- und Kehlkopfs- papillenreihe gelegten Ebene reichende Hohlraum würde dem Üa- vum pharyngis der Mammalia, und zwar dessen Verdauungswege entsprechen. II. Mikroskopisches. Technisches. Die den frisch getöteten Tieren (Gallus domestieus) ent- nommenen Schleimhautpartien wurden in der üblichen Weise in Alkohol ge- härtet und dann in Paraffin von 55° Schmelzpunkt eingebettet. Um prägnante Kern- und Protoplasmastrukturen, namentlich in den Drüsen, zu erhalten, wurde die Fixation mit ZEnKERscher Flüssigkeit oder mit konzentrierter Su- blimatlösung vorgenommen. Von den eingebetteten Stückchen wurden durch- schnittliech 4—8 « dicke Mikrotomschnitte angefertigt, diese auf den Objekt- träger mit Wasser aufgeklebt und gefärbt. Zur Kernfärbung wurde teils MAYERSs Hämalaunlösung oder FRIEDLÄnDERs Hämatoxylin, teils DELAFIELDsches Hä- matoxylin in so starker Verdünnung verwendet, daß die Schnitte mehrere Tage lang ganz allmählich gefärbt werden konnten. Für gewöhnlich wurde mit Eosin oder Bismarckbraun nachgefärbt. Zu den Drüsenschnitten wurde zum Nach- weise des Mucins bzw. Mucigens in der Hauptsache die von BAERNER (2) ewm- pfohlene Doppelfärbung von Hämatoxylin-Bismarckbraun benutzt. Die Färbung des Schleimes mit Mucihämatein nach PAurL MAYER (38) erwies sich bei den Speicheldrüsen des Huhnes als nicht sehr geeignet; gute Resultate ergab jedoch die Mueikarminfärbung. Die mit Thionin und Toluidinblau gefärbten Präparate zeigten sich nicht lange haltbar; sie konnten gleichsam nur zur Kontrolle obiger Schleimfärbungsmethoden verwendet werden. Die Bindegewebsfibrillen wurden nach der Haxsenschen Methode (24) mit Säurefuchsin-Prikrinsäurelösung, die elastischen Fasern nach WEIGERT (53) mit Resorein-Fuchsinlösung, Bindegewebe und muskulöse Elemente nach van GIESoN (28) gefärbt. Die nervösen Ele- mente wurden nicht untersucht, da es sich für den S. 10 erwähnten Zweck nur um die Beschaffenheit des Epithels, der Drüsen und der lymphatischen Apparate der Schleimhaut handelt. Insgesamt wurden folgende Schleimhautregionen gesondert untersucht: I. Am Mundhöhlendache. 1) harter Gaumen bis zum oralen Ende der Choanenspalte; 2) das Gebiet der Choanenspalte bis zur Gaumenpapillenreihe; 3) caudales Ende der Choanenspalte bis zur Infundibularspalte; 4) Infundibulum tubarum; 5) Rachendach bis zur Rachenpapillenreihe; 6) dorsaler Teil des Oesophagusanfangs. 22 Kurt Heidrich II. Am Mundhöhlenboden. 1) Unterschnabelschleimhaut; 2) Zunge; 3) Zungengrund bis Kehlkopfseingang; 4) Kehlkopfseingang und Tracheaanfang; 5) ventraler Teil des Oesophagusanfangs. Allgemeines. I. Die Mundhöhle. Die Mundhöhle der Vögel wird von einer cutanen, mit mehr- schichtigem, zum Teil oberflächlich verhornten Plattenepithel ver- sehenen und mit einem verschieden stark entwickelten Papillarkörper ausgerüsteten Schleimhaut ausgekleidet. Ihr Stratum epitheliale besteht aus einem vielschichtigen Plattenepithel von verschiedener Dicke. Im allgemeinen liegen die Epithelien am Mundhöhlendache in mehr Schichten übereinander als am Mundhöhlenboden. Sie bestehen aus den auf der Basalmembran aufsitzenden, teils kugeligen, teils eylindrischen Basal- oder Ersatz- zellen und aus den Zellen der mittleren und oberflächlichen Lagen. Die Zellen der mittleren Lagen sind infolge des gegenseitigen Druckes sehr mannigfach gestaltet und enthalten durchgängig große, nahezu kugelige Kerne. Die Zellen der oberflächlichen Lagen platten sich nach oben hin immer mehr ab, indem die Kerne dabei immer kleiner und schmäler werden und schließlich vollständig verschwin- den. Sie zeigen bei den untersuchten Vögeln eine starke Verhor- nung, und zwar nicht nur am ganzen harten Gaumen und an der Oberfläche der Zunge, sondern auch am gesamten Rachen- dache bis zum Speiseröhrenanfang und am Aditus ad la- ryngem bis zu dessen Papillenabgrenzung. Die Lamina propria mucosae der Mundhöhlenschleimhaut besteht im wesentlichen aus fibrillärem Bindegewebe, das außer Iymphocytären Einlagerungen auch elastische Fasern zeigt. Das Iymphadenoide Gewebe, das teils in Form von diffusen Anhäufungen, teils in Form von scharf begrenzten Follikeln auftritt und an ein- zelnen Stellen ganz beträchtliche Entwicklung zeigen kann (s. spe- ziellen Teil), ist im allgemeinen in der Mund-Schlundkopfhöhlen- schleimhaut in reichlichem Maße vorhanden. Im übrigen zeigt die Lamina propria die Ausbildung eines statt- lichen Papillarkörpers, der in den einzelnen Mundhöhlengebieten Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 23 eine verschieden starke Entwieklung aufweist. Auch für die Größe des Papillarkörpers gilt das von der Höhe der Epithelschichtung Gesagte: an der dorsalen Wandung des Cavum oris ist er bedeutend stärker und höher als an der ventralen Fläche (an der Unterschnabel- schleimhaut). Die Papillen sind zum Teil von einfacher, ungeteilter, zum Teil von zwei- und mehrgeteilter Form und von unregelmäßiger, teils schlanker, fadenförmiger, teils kurzer, dieker, kegelförmiger Gestalt. Sie stehen in wechselnder Diehte zueinander, indem ihre Entfernung bald mehr, bald weniger als ihre eigne Breite beträgt. An den Stellen der Mundhöhlenschleimhaut, wo sich die er- wähnten, makroskopischen Hornpapillen finden, erhebt sich das fibrilläre Grundgewebe der Propria mueosae bedeutend über die Schleimhautoberfläche in Gestalt eines kegelförmigen, rachenwärts gerichteten Zapfens empor, der natürlich einen mikroskopischen Pa- pillarkörper trägt und von der vielschichtigen, verhornten Epithel- decke überzogen wird. Nirgends findet sich im bindegewebigen Stützgerüst der Lamina propria mucosae der Mund- und Schlund- kopfhöhle des Vogels eine besondere Tunica museularis mu- eosae, durch welche, wie im gesamten übrigen Darmkanale, eine Differenzierung zwischen eigentlichem Schleimhautgewebe und der darunter liegenden Submucosa ermöglicht würde. Erst im hinteren Teile der Mund-Schlundkopfhöhle, kurz vor dem Speiseröhrenein- gang, tritt glatte Muskulatur auf. Das Stratum submucosum geht ganz allmählich aus dem straffer gefügten Bindegewebe der Propria hervor, so daß eine scharfe Grenze zwischen Propria und Submucosa im allgemeinen nicht zu ziehen ist. Höchstens dort,: wo Speicheldrüsen in der Sub- mucosa vorkommen, heben sich Propria und Submucosa etwas deut- licher voneinander ab. Die Submucosa ist der Sitz zahlreicher Sehleimdrüsen, bietet aber sonst außer einer geringgradigen Einlage- rung von Fettzellen nicht viel Besonderes. Sie sendet an die zahl- reichen Schleimspeicheldrüsen lockere, bindegewebige Züge, die sich an der Peripherie der Drüsen zu regelrechten Kapseln formieren. Die Breite der gesamten bindegewebigen Lage der Submucosa schwankt selbstverständlich in den weitesten Grenzen. Da, wo Drüsen sich finden, ist die Submucosa diek, wo jene fehlen, dünn; selbst dort, wo die Submucosa eine größere Dicke hat, kann sie stellenweise scheinbar sehr dünn sein bzw. fehlen, weil oft Muskel- fasern die Drüsen umgeben. So konnte ich z. B. im Bereiche der Choanen des Huhnes beobachten, daß die Fasern des M. pterygoideus 24 Kurt Heidrich internuss. palatomaxillaris nicht immer nur unter der Submucosa liegen, sondern in größerer Anzahl auch zwischen den Drüsenkörpern verschieden weit gegen das Epithel vordringen und sogar die ge- samte Peripherie einzelner Drüsendurchschnitte eirculär umlagern. II. Die Schlundkopfhöhle,. Uber den histologischen Bau der Pharynxwandung der Vögel ist, soviel mir bis jetzt aus der Literatur bekannt geworden, so gut wie nichts geschrieben worden. Selbst Orreu (41) läßt uns in seinem großen, außerordentlich reichhaltigen Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere ohne jede Notiz über den Vogelpharynx. Er gibt zwar an, daß man hier und da, ohne eine feste Definition zu geben, einfach den Anfangsteil des Schlun- des auch bei den niederen Wirbeltieren (z. B. Amphibien und Reptilien) als Schlundkopf (Pharynx) bezeichnet habe, von einem Pharynx der Vögel erwähnt er jedoch nichts. Nur in den Kapiteln über »Lymphgewebe der Mundhöhle« und »Drüsen der Mundhöhle« macht er über einige histologische Sonderheiten der in der Umgebung der Tuba Eustachii gelegenen, mithin zum Cavum pha- ryngis gehörigen Schleimhautregion mehrere Angaben, so z. B. über die sog. Pharynxtonsille des Vogels und die dort vorkommenden Speicheldrüsen. Bei den Säugern trägt die Schlundkopfhöhle infolge der Schei- dung in ein nutritives und in ein respiratorisches Cavum keine ein- heitliche Epithelbekleidung, sondern sie ist m dem Teile, durch den die Speisen treten (d. h. im Kehlkopfsrachen bzw. Nahrungswege), mit mehrschichtigem Plattenepithel, und in jenem Teile, durch den die Luft streicht (d.h. im sog. Nasenrachen- bzw. im Atmungswege), mit mehrreihigem, flimmernden Cylinderepithel wie in der Nasen- höhle besetzt. Bei den Vögeln sind Kehlkopfseingang und Choanenöffnung beim ruhigen Atmen einander so nahe entgegengeführt, daß die Luft bei ihrem Übergang aus der Nasenhöhle in den Kehlkopf einen verhältnismäßig sehr kurzen Weg zurückzulegen hat. Infolgedessen hat in der Schlundkopfhöhle der Vögel keine Differenzie- rung des Epithels stattgefunden, sondern die gesamte Pha- rynxschleimhaut ist bei ihnen lediglich eine eutane Schleim- haut, d. h. sie trägt ein einheitliches, mehrschichtiges Plattenepithel, ganz analog dem der Mundhöhle, besitzt ferner einen Papillarkörper, ist selbst aber frei von Drüsen. Die oberflächlichen Schichten des Epithels sind natürlich auch hier verhormt. Ebenso finden sich große makroskopische, rachenwärts gerichtete Hornpapillen; kurz, es lassen sich keine wesentlichen Abweichungen gegenüber der Schleimhaut der eigentlichen Mundhöhle konstatieren. Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 25 Besonderes Interesse bieten nur die Übergänge des mehrschichtigen Plattenepithels der eutanen Mundhöhlen- und Schlundkopfschleimhaut in das flimmernde Cylinderepithel der echten Schleimhaut des Re- spirationstractus. Dieser Übergang der beiden Epithelarten inein- ander erfolgt einerseits im Gebiete der gesamten Choanenspalte und anderseits am Aditus ad laryngem. Spezielles: I. Der unpaare harte Gaumen. Im unpaaren Teile des harten Gaumens zeigt die eutane Schleim- haut beim Huhne folgende speziellen Verhältnisse: Für das Stratum epitheliale ist zunächst charakteristisch, daß medianwärts die Zahl der übereinander gelagerten Epithel- schichten und die Höhe des Papillarkörpers zunehnien, während sie in lateraler Richtung abnehmen. Im umgekehrten Verhältnis hierzu steht die Verhornung der oberflächlichen Epithelschichten. Diese wird lateralwärts um so stärker, je mehr wir uns dem Übergang der Schleimhaut in die Hornbekleidung des Schnabels nähern. Im medianen Teil besteht der Papillarkörper aus ziemlich hohen, zum Teil einfachen, fadenförmigen, zum Teil zwei- und mehrgeteilten Papillen, die nach den Schnabelrändern zu allmählich an Größe ab- nehmen und schließlich vollständig verschwinden; besonders schroff erfolgt dabei das Kleinerwerden des Papillarkörpers an den lateralen Flächen der seitlichen Gaumenleisten. Die Lamina propria stellt eine ziemlich breite Schicht von festgefügtem, derben, drüsenfreien Bindegewebe dar, das zahlreiche dünne, unregelmäßig angeordnete, bis in den Papillarkörper spitzen- artig hineinziehende, elastische Fasern enthält. Lymphadenoides Ge- webe fehlt in ihr ganz, erst im mittleren und aboralen Drittel finden sich einige wenige, direkt unter dem Epithel gelegene, diffuse Lymph- gewebsanhäufungen, in denen zuweilen auch ein Lymphfollikel auftritt. . Submueös schließt sich an die Propria eine sehr breite Schicht von außerordentlich locker gebautem, größere Gefäße enthaltenden Fettgewebe an. Während dieses im oralen Drittel des harten Gau- mens vollständig drüsenlos ist, zeigt es beim Übergang zum mitt- leren Drittel im medianen Teil auf Querschnitten zunächst einen einzigen Drüsendurchschnitt, zu dem sich sehr bald ein zweiter 26 Kurt Heidrich gesellt. Ihre bedeutendste Entwicklung erlangen diese Drüsen direkt vor dem oralen Ende der Choanenspalte, wo sie sich jederseits aus vier bis sechs, in zwei Lagen neben- und in zwei bis drei Lagen übereinander gelegenen Durchschnitten zusammensetzen. Diese beiden Drüsen kann man als orale (vordere) Gaumen- drüsen oder besser mit Gracommı (21) als Gl. maxillares be- zeichnen, da sie beim Huhne tatsächlich immer am Os maxillare, und zwar an dessen Gaumenfortsätzen gefunden werden. Gaupp (19) hatte sie prämaxillare Gaumendrüsen genannt. Dieser Benennung stellte sich jedoch GıAcominı (21) entgegen mit der Begründung, daß er keine Drüse hätte finden können, die zum Os praemaxillare in Be- ziehung stünde. Er ist der einzige Forscher, der in der Literatur über den Bau dieser Drüsen eine kurze Angabe macht. Er rechnet sie zu den zusam- mengesetzten, schlauchförmigen, mit einem gemeinsamen Sammelkanal versehenen Schleimdrüsen. Durch das ganze in Betracht kommende Drüsenlager wurden nicht nur Querschnitte, sondern auch Längsschnitte serienweise an- gefertigt. Durch die Längsschnitte konnte festgestellt werden, daß für jede Gl. maxillaris ein gemeinschaftlicher Ausführungskanal in Form eines ziemlich gerade verlaufenden, langen Schlauches mit relativ sehr weitem Lumen besteht, der an der S. 15 erwähnten Öff- nung im unpaaren Teile des harten Gaumens beginnt und mit seinem blinden Ende bis in die Gegend des oralen Endes der Choanenspalte reicht. Dieser »Sammelkanal« ist jedoch schlechterdings nicht zu jenen Ausführungsgängen, wie sie sich in den Speicheldrüsen der Mammalia finden, zu rechnen, sondern er ist mit secernierendem Epithel ausgekleidet und stellt selbst eine zusammengesetzte, tubulöse Drüse dar; denn seine Wand zeigt viele kleine, dicht nebenein- anderliegende, einfache und auch mehrfach verzweigte, am Ende kolbig erweiterte, tubulöse Ausbuchtungen (Sekundärtubuli), die eben- falls mit secernierendem Epithel ausgekleidet sind (Fig. 8 s auf Taf. Il). Aus ihm gehen außerdem an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Richtungen größere, sack- oder beutelähnliche Aus- stülpungen (Primärtubuli, Fig. 8 b auf Taf. II) hervor, deren Wand allseitig wieder sekundäre, tubulöse Ausbuchtungen von der für die Sekundärtubuli des Sammelschlauches beschriebenen Form zeigt. Auch das Lumen der Primärausstülpungen ist verhältnismäßig sehr weit. Auffällig ist sowohl im Sammelschlauche, als auch in den Pri- märausstülpungen desselben die Anordnung der Sekundärtubuli: Diese sind nämlich geradezu in typischer Weise radiär zur Lumen- achse angeordnet, so daß sie uns auf einem Querschnitt zur Lumen- Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 27 achse im mikroskopischen Bilde den Anblick einer regelrechten Ro- sette bieten (Fig. 8ce auf Taf. II). Die Gl. maxillaris wird von einer bindegewebigen Hülle um- geben, die zahlreiche glatte Muskelzellen und dünne, elastische Fa- sern enthält. Von ihr gehen zarte, Trabekeln radiär gegen das Lumen (des Sammelschlauches bzw. der Primärausstülpungen) hin, wo sie sich jedoch nicht erreichen, sondern einen größeren Raum freilassen; sie umscheiden die Sekundärtubuli. In dem zarten Bindegewebe der Trabekeln beobachten wir Iymphoeytäre Elemente, jedoch nicht in so reichlichem Maße und in so großer Ausdehnung, wie wir sie als »intracapsuläre« Lymph- follikel z.B. in den Gl. palatinae u.a. finden. Das ganze Hohlraumsystem der Drüse ist von einem einschich- tigen, secernierenden Epithel ausgekleidet, das einer struktur- losen Membrana propria, deren Innenseite Korbzellen anliegen, auf- sitzt. Dieses Epithel zeigt ohne Ausnahme bei Anwendung der spezifischen Schleimfärbungsmethoden die Schleim- reaktion in typischer Weise. Selbst die Zellen nahe der Aus- mündung haben auf die Schleimfarbe gut reagiert, so daß mithin ein eigentlicher Ausführungsgang mit entsprechendem Epithel hier nicht vorkommt. Die Ausmündung der Gl. maxillaris erfolgt viel- mehr in der Weise, daß das mehrschichtige Plattenepithel der Gaumenschleimhaut sich ein Stück einsenkt und ziemlich plötzlich in das secernierende Epithel übergeht (Fig. Sa auf Taf. Il). Je nach dem Funktionszustande, in dem sich die Zellen gerade befinden, ist natür- lich die Intensität der Schleimfärbung verschieden, d. h. es finden sich Zellen nebeneinander, die entsprechend des verschiedenen Gra- des ihres Schleimgehaltes verschieden dunkel gefärbt erscheinen. Obgleich das gesamte Epithel der Gl. maxillaris ausnahmslos sehleimproduzierend ist, so können wir doch zwei verschiedene Arten von Zellen unterscheiden, nämlich einmal die Zellen, die die Se- kundärtubuli auskleiden, und zweitens diejenigen Zellen, die das Lumen des Sammelschlauches bzw. der Primärtubuli begrenzen. An den Zellen der Sekundärtubuli läßt sich in der Regel eine bestimmte Zellform nicht feststellen; denn die Form des Zellleibes wechselt je nach dem Füllungszustande im jeweiligen Secretions- stadium ganz bedeutend. Dabei sind die Zellgrenzen undenutlich ausgeprägt; vor allem ist die dem Lumen zugekehrte Grenze nicht zu sehen, da der Zellleib mit dem im Sekundärtubuluslumen, be- findlichen Sehleime in unmittelbarem Zusammenhange steht, d.h. 28 Kurt Heidrich mit diesem eine einheitliche Masse bildet. Die Kerne dieser Zellen sind platt gedrückt, quer gestellt und ganz an die Wand gedrängt; sie erscheinen gleichmäßig dunkel gefärbt, sind mithin sehr chro- matinreich. Die Zellen der andern Art jedoch, die die Begrenzung der Sammelräume bilden, sind in ihren Grenzen bestimmter markiert. Sie stellen relativ hohe, regelmäßige Cylinderzellen dar, deren obere Grenze sich immer deutlich gegen das Lumen und gegen die in diesem befindliche Schleimmasse abhebt. Der Zellkern ist hier mehr rundlich, bläschenförmig, chromatinarm und, wenn auch noch im basalen Teile der Zelle liegend, doch nieht direkt an die Wand ge- drückt. Das verschiedene Verhalten dieser beiden Arten von Zellen ist offenbar dadurch bedingt, daß das Epithel der Sekundärtubuli lediglich schleimproduzierend ist, während das die Sammelräume begrenzende Epithel sowohl schleimproduzierendes, als auch ausführendes Epithel darstellt (gemischte Funktion). Gekörnte Drüsenzellen, wie sie GIAcoMmInI (21) in der Gl. maxillaris des Huhnes beobachtet hat, habe ich in meinen Präparaten von der Gl. maxillaris des Haushuhnes nicht gefunden. Jedenfalls kommen nach meinen Untersuchun- gen seröse (Eiweiß-) Zellen in dieser Drüse nicht vor. Die Gl. maxillaris stellt mithin eine reine Schleimdrüse von zusammengesetzt tubulösem Baue mit einem ausgespro- chenen Sammelkanal dar. II. Das Choanengebiet. Die Schleimhaut des Choanengebiets zeigt hinsichtlich des Stra- tum epitheliale und der Tunica propria im großen und ganzen denselben Aufbau, wie der davor gelegene unpaare Teil des Gau- mens. Medianwärts, an der Begrenzung der Choanenspalte, er- reichen der Papillarkörper und das Stratum epitheliale, dessen ober- flächliche Schichten besonders an den makroskopischen Wärzehen stärkere Verhornung zeigen, ihre bedeutendste Entwicklung. Der Übergang der cutanen Schleimhaut in die echte Drüsenschleimhaut der Nasenhöhle erfolgt nicht direkt am freien Rande der Spalte selbst, sondern etwas einwärts davon, mehr im Cavum nasi, nach- dem vorher der Papillarkörper und die Epithelsehichtung wieder ein wenig niedriger geworden sind. Das Flimmerepithel des Luft- weges wechselt das mehrschichtige Plattenepithel des Speiseweges durch Vermittelung eines sogenannten Übergangsepithels ganz all- mählich ab. Das flimmernde Cylinderepithel der Nasenhöhlenschleim- Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 29 haut ist im Sinne v. Esxers (12) als ein mehrreihiges zu be- zeichnen. Denn die Anordnung der Zellen ist auch beim Vogel so, daß zwar sämtliche Zellen die untere Grenze der Epithelschicht, aber nicht alle die freie Oberfläche erreichen. Die bis zur Ober- fläche gelangenden Zellen sind große, eylindrische Zellen von mohr- rübenähnlicher Form. An ihrer freien, der Oberfläche zugewandten Basis sind sie mit langen Cilien besetzt und mehr oder weniger cylindrisch geformt. Nach der Tiefe zu ziehen sie sich in einen dünnen, fadenförmigen Fortsatz (Fuß) aus, der wohl auch zweige- spalten sein kann. Zwischen diesen großen Cylinderzellen und ihren Füßen schieben sich in der Tiefe zwei bis drei Reihen rund- licher, kubischer oder polygonaler Zellen ein, die offenbar als Er- satzzellen für die verloren gehenden Flimmerzellen bestimmt sind. Es war mir jedoch trotz der angewandten, scharf und sicher rea- gierenden Schleimfärbungsverfahren nicht möglich, beim Huhn auch schleimsecernierende Becherzellen im Flimmerepithel nachzuweisen. Diese werden sicherlich durch die schleimproduzierenden, tubulösen Einzeldrüsen, die in der Propria der Nasenschleimhaut des Huhnes vorkommen, und die ich weiter unten näher beschreiben werde, er- setzt. An das Stratum epitheliale der Nasenschleimhaut schließt sich die Lamina propria mucosae an. Die Grenze zwischen beiden ist bisweilen sehr undeutlich, weil die Propria direkt unter dem Epithel eine reichliche, wohl auch Follikel bildende, leucoeytäre In- filtration aufweist, und weil von hier aus emigrierende Leucoceyten oft in das Epithel bis zur freien Oberfläche der Schleimhaut vor- dringen. Die leucoceytären Anhäufungen — Follikel — werden ra- chenwärts immer stärker, bis sie am Infundibulum der Hörtrompeten in der Tonsilla pharyngea (s. unten) ihre stärkste Ausbildung er- langen. In den tieferen Schichten der Propria nimmt der Zellen- reichtum ab; die retieulierte Struktur macht allmählich einer mehr fibrillären Platz. Selbstverständlich bildet die Lamina propria der Nasenschleimhaut keinen Papillarkörper, dafür zeichnet sie sich durch den Besitz der bereits erwähnten, tubulösen Drüsen aus. Diese einfachsten, in der Regel ungeteilten und ungeschlängelten Schlauchdrüsen, deren blindes Ende oft erweitert ist, liegen dicht nebeneinander und sind von dem retieulierten Bindegewebe der Tuniea propria umgeben. Jeder Drüsenkörper besteht aus einer strukturlosen Membrana propria und einem einschichtigen Zellbelag. Sie stellen somit wirkliche Propriadrüsen der Respirationsschleimhaut dar und erinnern in ihrer Gestalt auffällig an die handschuhfinger- 30 Kurt Heidrich ähnlichen LiEBERKÜHNschen Drüsen der Darmschleimhaut; doch haben sie mit diesen nichts als die Gestalt gemeinsam und bauen sich nicht wie diese aus zwei verschiedenen Zellarten, Cylinder- und Becherzellen, sondern lediglich aus Schleimzellen auf, deren Zell- leib sich bekanntlich mit Hämalaun-Bismarekbraun gelb, mit Häm- alaun-Mueikarmin rot, mit DELAFIELDS Hämatoxylin-Eosin blau färbt. Nur an der Ausmündungsöffnung nimmt das einschichtige Cylinder- epithel des Drüsenhoblraumes den Schleimfarbstoff nur noch schwer bzw. überhaupt nicht mehr auf und stellt somit eine Art Ausführ- epithel dar, welches den Ubergang der Schleimzellen zu den hohen Cylinderzellen der Oberfläche vermittelt. In der Gaumenschleim- haut des Choanengebiets kommen auch zahlreiche Drüsen, und zwar in der außerordentlich locker gebauten, größere Gefäße führen- den Submucosa vor. TIEDEMANN (52) sagt, daß bei Raubvögeln und andern sich Drüsen nahe der Gaumenhaut neben der Spalte der Nasenöffnung fänden. Auch MEckEL (39, und Carus (8) konstatierten ein Paar am Gaumen der Vögel. Nach STAxXıUS (49) zeigten sich mehr oder weniger zahlreiche, oft sehr dicht stehende Follikel zur Seite und hinter den hinteren Nasenöffnungen, gewöhnlich zwischen den hier befindlichen Epithelialpapillen. Kaurgaum (27) erwähnt außer Drüsen im vorderen Oberkieferwinkel solche nahe der Choanenöffnung (Rarrs Tonsillen), die er jedoch mit den Gaumenschleimdrüsen der Säuger verglichen wissen will. Außer einer Gl. praemaxillaris nennt GAupP (19) noch maxillare Ganmendrüsen, die er wiederum in Gl. palatinae mediales und Gl. palatinae laterales (eigent- lich Gaumenbeindrüsen) einteilt. Auch andre Autoren teilen die Gaumendrüsen in laterale und mediale ein, so z. B. WIEDERSHEIM (54) und Marrın (37). Nach MaArrın (37) liegt die mediale dieht unter dem Septum der Nasenlöcher und reicht bis zu den Choanen. Sie sei, wenigstens in der Jugend, paarig und bestehe aus zahlreichen Drüsen mit sich mehrfach verzweigenden Gängen. Die laterale sei stärker entwickelt und befände sich seitlich am harten Gaumen in der das Gaumenbein bedeckenden Schleimhaut. Die ausführlichsten Angaben über die Gaumendrüsen (wie auch über die übrigen Mundhöhlendrüsen der Vögel) macht Gracomise (21). Er unterscheidet am Gaumen des Vogels drei paarige Gruppen: 1) eine vordere ‘der Gl. praemaxillaris GAauPpps entspre- chende), 2) eine mittlere, sich aus zahlreichen Drüsen zusammensetzende Gruppe, Gl. palatina, und 3) eine ebenso gebaute, hintere Gruppe, Gl. pterygoidea oder sphenopterygoidea. Die mittlere Gruppe zerfällt nach ihm wiederum in laterale und mediale Drüsen. Da für die Schleimhaut des gesamten Choanengebiets die Ossa palatina die knöcherne Grundlage bilden, so möchte auch ich die zur Seite der Choanenspalte gelegenen, submueösen Drüsen als GI. palatinae bezeichnen. Die bereits erwähnten, feinen Öffnungen, die lateral von den seitlichen Gaumenleistchen liegen (Fig. 1 Ip), würden mithin als die Ausmündungen der lateralen, die zwischen diesem Leistehen und dem Choanenrande gelegenen zahlreichen Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 31 Öffnungen (Fig. 1 mp) als die Ausmündungen der medialen Gl. palatinae aufzufassen sein. Zwischen den lateralen und medialen Gaumendrüsen besteht hinsichtlich ihres Aufbaues und ihrer histo- logischen Struktur kein wesentlicher Unterschied. Beide Gruppen von Drüsen gehören unzweifelhaft dem zusammengesetzt schlauchförmigen Drüsentypus an. Jedes an einer der er- wähnten Öffnungen ausmündende Drüschen stellt nämlich einen ver- schieden großen, zum Teil wohl auch etwas gebogenen, sackähnlichen Schlauch dar, dessen in der Submucosa gelegenes, blindes Ende meist bedeutend erweitert ist. Die Wand eines jeden Sackes wird von einer bindegewebigen, zahlreiche glatte Muskelzellen und dünne, elastische Fasern enthaltenden Hülle oder Kapsel ‚gebildet, die gegen das Schlauchinnere zu zahlreiche zarte, kernbaltige Septen aussendet. Hierdurch werden kleine Sekundärschläuche, Sekundärtubuli, von ganz der Form, wie ich sie bei der Gl. maxillaris (S. 26) beschrieben habe, abgegrenzt, die centralwärts im Hohlraum (Sammelraum) des Drüsensäckchens ausmünden. Der gesamte Drüsenhohlraum ist ganz von demselben charakteristischen, einschichtigen Schleimzellen- belag ausgekleidet, wie er sich in der Gl. maxillaris findet. Auf Grund dieser Anordnung der Sekundärtubuli zu dem verhältnismäßig sehr weiten Schlauchhohlraum können wir nun auch verstehen, wie Rapp (43) zu der Behauptung kommt, daß manche Speicheldrüsen der Vögel geradezu »Mündungen von Drüsenhöhlen« vorstellten. Aus der obigen Darstellung wird ja klar, daß jedes Gaumendrüschen uns das ausgesprochene Bild einer »Drüsenhöhlenmündung« bietet, sobald der Durchschnitt so geführt ist, daß er nicht nur die Ausmündung, sondern auch gleichzeitig den Hohlraum des Drüsensäckchens der Länge nach getroffen hat. Für viele, jedoch nicht für alle Gaumendrüsen besteht eine weitere Eigentümlichkeit darin, daß sich von der Drüsenkapsel her zwischen die einzelnen Sekundärtubuli, diese auseinanderdrängend, eine breitere Schicht von zartem, mit Iymphocytären Elementen sehr stark infiltrierten Bindegewebe einschiebt. Obgleich diese inner- halb der Drüsenkapsel gelegenen Lymphzellenanhäufungen keine scharf begrenzten, mit Keimcentren versehenen Noduli Iymphatiei darstellen, so möchte ich doch der Einfachheit wegen die von GIA- coMINI (21) gewählte Bezeichnung »intracapsuläre Lymphnoduli« beibehalten. — In den Gaumendrüsen finden sie sich teils in rund- licher Form, teils aber auch in sehr verschiedener Gestalt. Die intracapsuläre, Iymphocytäre Infiltration kann unter Um- ständen so mächtig sein, daß sie den Drüsenkörper fast in ganzer Breite durchsetzt. 39 Kurt Heidrich [3 So habe ich sogar Drüsendurchschnitte gefunden, in denen die Lympho- cytenanhäufung die Hauptmasse ausmachte, während nur der kleinere Teil aus eigentlichem Drüsenparenchym bestand. Die Lymphocyten drängen sich mit- unter so dicht an die Wand der Sekundärtubuli, daß es den Anschein er- weckt, als säße das Schleimepithel den Lymphfollikeln unmittelbar auf. Außer den intracapsulären Lymphnoduli kommen auch Lymph- zellenanhäufungen in der Submucosa selbst außerhalb der Drüsen- kapsel vor. Allerdings treten sie hier vereinzelter und vor allem bedeutend spärlicher auf. Sie sind im Gegensatz zu den intracapsu- lären als extracapsuläre Lymphnoduli bzw. Lymphzellenanhäu- fungen zu bezeichnen. In der Submucosa der Gaumen-Choanenschleimhaut findet sich schließlich noch quergestreifte Muskulatur. Sie ist auf Quer- schnitten quergetroffen, also in Wirklichkeit längsverlaufend. In den mikroskopischen Präparaten erscheint sie als ein langes, median- wärts gelegenes Paket, das sich in dem Winkel, der durch das Um- biegen der Gaumenschleimhaut nach dem Naseninnern zu gebildet wird, dicht unter der Propria hinzieht. Es handelt sich um die vom M.pterygoideus internus stammenden und in den Choanenspalten- rand ausstrahlenden Muskelfasern, die, ihrem Verlaufe entsprechend, eine Verdiecekung der Choanenspaltenränder und gleichzeitig eine Verengerung bzw. Verschließung der gesamten Choanen- öffnung bewirken können. III. Das Rachendach. Ehe ich auf die Schilderung des Baues der Schleimhaut des Rachendaches eingehe, will ich noch bezüglich der Tubenausmün- dung folgendes nachholen. Von der Seitenwand des Infundibulum tubarum Eustachii ragt jederseits eine sagittale Schleimhautfalte in das Cavum infundibuli hinein. Mit Orrer (41) seien diese Falten Pliecae infundibuli (Fig. 10 und 11 Pl., 12 c auf Taf. II) genannt. Mit der Infundibularwand bilden sie jederseits eine seitliche (laterale) Furche (Suleus infundibuli lateralis [Fig. 10 S2.)), während sie beide in der Medianebene in einer mittleren Furehe (Suleus infun- dibuli medianus) zusammenstoßen (Fig. 10 m). Auf einem ungefähr in der Mitte der Infundibularspalte geführten Querschnitt sieht man schließlich, wie der gemeinschaftliche Tubengang in den Suleus infundibuli medianus einmündet (Fig. 11 7, Fig. 12 5 auf Taf. II). Für das Stratum epitheliale und die Lamina propria der Rachendachschleimhaut des Haushuhnes gilt im allgemeinen das für Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 33 die Gaumenschleimhaut Gesagte. Im Speziellen zeigt das Stratum epitheliale folgendes Verhalten: In der Infundibularwand, etwas einwärts vom Trichtereingang, wird das mehrschichtige Platten- epithel immer wenigerschichtig und der Papillarkörper immer niedriger, bis er schließlich ganz verschwindet. An die Stelle des mehrschichtigen Plattenepithels tritt dann allmählich mehrschichtiges bzw. mehrreihiges Cylinderepithel (Fig.12e'’ auf Taf. Il). Dieses überzieht jederseits den tiefe- ren Teil der Infundibularwand, die Plicae infundibuli, die Sulei infundi- buli laterales und den Sulcus infun- dibuli medianus. Nur am oralen (vor- deren) Ende der Trichterwand klei- det das mehrschichtige Plattenepithel auch die übrige Triehterwand aus und setzt sich noch ein kurzes Stück auf den Scheitel der Falten da, wo sie aus der Trichterwand her- vorgehen, fort; im übrigen und hinteren Teile trägt jedoch die Mittelfurche das mehrreihige Cy- linderepithel. Von der Mittelfurche aus geht das mehrreihige Cylinder- epithel noch in den gemeinschaft- lichen Tubengang hinein, um hier in der Tiefe schließlich in ein ein- faches, flimmerndes Cylinderepithel überzugehen (Fig. 12 e'’ auf Taf. II). Direkt unter diesen drei Epi- thelarten, die hier im Tubentrichter einander abwechseln, enthält die Lamina propria eine außerordent- lich starke, diffuse, leueoceytäre In- Fig. 9. Querschnitte durch das Infundibulum tubarumdesHaushuhnes (schematisch). m Suleus infundibuli medianus; O0 Ostium infundibuli; Pl. Pliea infundibnli; SI. Suleus infunfibuli lateralis; 7 gemeinschaftlicher Tubengang. filtration, in der wieder zahlreiche scharf umschriebene Lymphnoduli auftreten. Diese interessante Lymphgewebsanhäufung hat zuerst Rapp (43) gefunden und als »Tonsille« gedeutet. Leider bezeichnete Morpholog. Jahrbuch. 37. 3 34 Kurt Heidrich er sie fälschlicherweise als »Gaumentonsille«, obgleich das ganze hier in Betracht kommende Gebiet absolut nichts mehr mit dem Gaumen zu tun hat, sondern vielmehr lediglich dem Fornix pha- ryngis zugehört. Denn nicht die Ossa palatina, sondern die Ossa pterygoidea und vor allem das Os sphenoidale basale bilden hier die knöcherne Grundlage. Viel richtiger gebraucht deshalb später KıLLıan (30) die Bezeichnung »Rachentonsille«. Er verhinderte dadurch gleich von vornherein, sie eventuell mit den Gau- menmandeln der Mammalia zu vergleichen, von denen sie selbstverständlich schon durch Lage und Anordnung vollständig verschieden ist. Der RAppschen Ansicht traten später eine ganze Anzahl Autoren (KAHLBAUM [27], LeyDıqG [33], Asverus [1], StöHr [50], GApDow [18] usw.) entgegen, indem sie die fraglichen Gebilde einfach als »echte Drüsen« erklärten. Doch behielten in der Folge Rarp und KıuLLıan Recht, wie aus den Nachprüfungen hervorgeht, welche ÖrpEu (41) bei Aceipiter nisus und beim Kanarienvogel vorgenommen hat. Bei beiden Vögeln hat er in der Tat an der EustAcHiıschen Tubenausmündung große Lymphgewebsanhäufungen nachgewiesen, und er kommt auf Grund seiner Untersuchungsergebnisse zu folgendem Schlusse: »Wenn die Tonsillen der Vögel sich auch nicht als direkte Homologa der Pharynx- und Tubentonsillen der Säuger erweisen sollten, so ist jedoch jeden- falls sicher, daß auch in der Mundhöhle der Vögel jene Dispositionen gegeben sind, welche, bei den Säugetieren stärker entwickelt, zur Entstehung eines aus- gedehnten Lymphapparates der Mundhöhle führen, und welche auch schon bei den Vögeln selbst zur Entstehung eines jener Organe geführt haben, welches wir berechtigt sind, mit Tonsillen zu vergleichen.« Da auch ich die am Rachendache gelegene Ausmündung des Infundibulum tubarum einer eingehenden, histologischen Untersuchung unterzogen habe, so ist es mir möglich, die bereits bekannten Be- funde wenigstens für Gallus domesticus zu ergänzen. Am besten läßt sich die Rachen- bzw. Pharynxtonsille der Vögel an der Hand einer Abbildung schildern. Die Fig. 12 stellt einen Querschnitt dar, der durch den Infundibularspalt von Gallus domesticus so geführt ist, daß der in das Infundibulum einmündende gemeinschaftliche Tubengang (Fig. 12 5 auf Taf. II) mitgetroffen ist. Die erwähnten drei verschiedenen Epithelarten, die im Tuben- trichter einander abwechseln, sind genau nach Sitz und Ausdeh- nung abgebildet. Was die Lymphgewebsanhäufungen (für den Begriff der Ton- sillen zunächst wohl das wesentlichste) anbetrifft, so finden sie sich in der Lamina propria des Eustacaıschen Tubengebiets unter den erwähnten drei Epithelarten in sehr verschiedener Ausdehnung und Intensität. Direkt unter dem mehrschichtigen Plattenepithel der hachendachschleimhaut zeigt die Lamina propria nur spärliche Ein- Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 35 lagerung lymphoider Zellen. Das fibrilläre Bindegewebe tritt diesen gegenüber sehr in den Vordergrund. Nur an einzelnen Stellen zeigen sich in dem Bindegewebe leichte, diffuse, leucocytäre Infiltrationen, in denen ab und zu ein einzelner, sich scharf gegen die übrige Lymphgewebsanhäufung abhebender Lymphnodulus auftritt. Am Rande der Infundibularspalte selbst, also dort, wo die Rachendach- schleimhaut in die Schleimhaut des Tubentrichters übergeht, nimmt die Lymphzelleneinlagerung in der Lamina propria ganz bedeutend zu und erreicht in der Propria der Infundibularwand selbst und vor allem in den Plicae infundibuli ihre mächtigste Entwicklung. In der ganzen Ausdehnung der Infundibularwand zieht sich nämlich dicht unter dem Epithel eine außerordentlich dichte, diffuse, leuco- ceytäre Infiltration als eine mehr oder weniger zusammenhängende, nur durch Drüsenausmündungen unterbrochene Masse hin, innerhalb der nunmehr häufiger scharf umgrenzte, verschieden große Noduli Iymphatieci vorkommen. Unter dem Epithel der Plicae infundibuli tritt diese Lymphzellenanhäufung ersten Grades in solcher Breite auf, daß auf einem Querschnitt durch die Falte nur noch central in derselben die Lamina propria den bindegewebigen Charakter er- kennen läßt. Hierbei ist noch besonders hervorzuheben, daß die Lymphzellen oft so dicht an das Epithel, zumal an das Cylinder- epithel, herangerückt sind, daß eine Grenze zwischen dem Epithel und dem lymphadenoiden Gewebe nicht mehr deutlich wahrnehm- bar ist; ja an einzelnen Stellen scheinen die Lymphzellen geradezu zwischen die Epithelien hineingerückt zu sein. Die geschilderte, leucocytäre Infiltration setzt sich tubeneinwärts unter dem Epithel des gemeinschaftlichen Tubenganges mit fast gleicher Intensität fort. Unter dem lymphadenoiden Gewebe liegt rings um den Tuben- trichter ein ausgedehntes Drüsenlager, das aus zahlreichen, beim Haushuhn aus weit über 100 Drüschen besteht. Rapp (43) hat die Drüsen, die er hinter den Choanen neben der Mündung der EustacHıschen Röhre fand, mit den hier liegenden Follikeln als Tonsillen gedeutet. KAHLBAUM (27) vergleicht sie mit den Gaumenschleimdrüsen, ebenso AsvErus (1). Kıtıan (30) endlich erwähnt sie als »Rachen- oder Tubendrüse«. Aus einer Abbildung, die GIacominı (21) von den Drüsenöffnungen des Gau- mendaches des Haushuhnes gibt, geht hervor, daß er die seitlich von der In- fundibularspalte gelegenen Drüsen als >hintere Gaumendrüsen« auffaßt und als Gl. pterygoideae s. sphenopterygoidae bezeichnet. Näher hat die frag- lichen Drüsen erst neuerdings OPpEL (41), als er die Tubenausmündung von Aeeipiter nisus untersuchte, beschrieben. Er hat sie topographisch und histo- logisch in zwei Gruppen geschieden, nämlich in 1) an der Oberfläche ausmün- 3* 36 Kurt Heidrich dende »Rachendrüsen« und in 2)in das Infundibulum einmündende »Tuben- drüsen«. Hierbei betont er ausdrücklich: »Es wird sich empfehlen, die von KırLLıan vorgeschlagenen Namen Ra- chendrüse und Tubendrüse nicht synonym zu gebrauchen, sondern künftighin die beiden von mir unterschiedenen Drüsengruppen zu verstehen.« Auf Grund der von mir angefertigten Präparate muß ich OPpEL beistimmen, daß sowohl in topographischer, als auch histologischer Hinsicht eine Einteilung dieser Drüsen gerechtfertigt ist. Denn die einen ergießen ihr Secret auf die Schleimhautoberfläche des Rachen- daches, bzw. in den oberflächlichen Teil des Tubentriehters und sind von zusammengesetzt schlauchförmigem Baue (Rachendrüsen, GI. sphenopterygoideae), während die andern in der Tiefe des In- fundibulums und im gemeinschaftlichen Tubengang ausmünden und einfache, selbständige Schläuche, Einzeltubuli, darstellen (Tuben- drüsen, Gl. tubariae). Die Rachendrüsen haben genau dieselbe Form und denselben Bau wie die Gl. palatinae (S. 30). Die Tubendrüsen dagegen steilen kleine, einfache, in der Regel gerade verlaufende Einzelschläuche dar, die an ihrem blinden Ende kolbig erweitert und an ihrer Ausmündung etwas verengt sind. Nach Orpeu (41) sollen nun aber nicht nur die Form, sondern auch die Drüsenzellen in den beiden Gruppen hinsichtlich ihrer histologischen Struktur voneinander verschieden sein. Die Zellen der Rachendrüsen sollen sich dadurch auszeichnen, daß sie mit einem dichten, sich mit Hämatoxylin färbenden Netzwerk erfüllt sind, während die Zellen der andern Gruppe heller seien und weniger protoplasmatisches Netzwerk enthielten. Diesen Unterschied in der Struktur der beiden Zellarten habe ich in dieser konstanten Weise bei Gallus domesticus nicht finden können. Beide Zellarten zeigen bei Behandlung mit den Schleim- tinktionsmethoden typisch die Schleimreaktion. Ihr Zellleib färbt sich z. B. bei der Doppelfärbung mit Hämalaun-Bismarckbraun cha- rakteristisch gelb, mit Hämalaun-Mueikarmin rot, bei der Färbung mit DELAFIELDS Hämatoxylin-Eosin blau. Die Zellen in beiden Drüsengruppen stellen mithin samt und sonders Schleim- zellen dar. Bei einfacher Hämatoxylinfärbung können allerdings die Zellen der ein- fachen Tubuli zuweilen heller, mit weniger entwickeltem, protoplasmatischen Netzwerk erscheinen, umgekehrt kann das jedoch auch bei den Zellen der zu- sammengesetzten Schläuche der Fall sein. Das erklärt sich sicher aus dem Jeweiligen Secretionszustande, in dem die Drüsenzellen sich gerade befinden. Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 37 Bei Anwendung der spezifischen Schleimfarben reagieren die Zellen beider Drüsenarten in der Regel gleich gut auf Schleim, so daß für Rachen- und Tubendrüsen eine Regel in bezug auf ihren Schleimreichtum nicht aufzustellen ist. Der Schleimgehalt wechselt sogar in den einzelnen Zellen der Tubuli sehr wesentlich, so daß man in dem mikroskopischen Bilde oft Zellen nebeneinander sieht, die ganz verschieden dunkel tingiert erscheinen. Beide Drüsenarten, Rachendrüsen wie auch Tubendrüsen, bauen sich also nur aus Schleimzellen auf und stellen mithin reine Schleimdrüsen dar. Der Vollständigkeit wegen sei noch angeführt, daß die Propria der Rachendach- und Infundibulumschleimhaut arm an elastischen Fasern ist, daß sie vor allem, wie ich an den nach der WEIGERT- schen Methode behandelten Schnitten nachweisen konnte, keine ela- stischen Fasernetze bildet, wie sie bei den Säugern als »elastische Grenzschicht« die Innenseite der Schlundkopfmuskeln bedecken. Vielmehr heftet sich die Schleimhaut an die hier an der Schädel- basis gelegene, quergestreifte Muskulatur einfach mittels lockeren Bindegewebes an (Fig. 12). Diese tritt links und rechts vom Tuben- trichter in großer Ausdehnung auf und stammt von den beiden Mm. pterygoidei interni s. palatomaxillares. Im Anschluß an die Beschreibung des Tubentrichters und seiner Umgebung komme ich auf die Frage zurück, ob man beim Vogel von einer Pharynxtonsille zu sprechen berechtigt ist. Kurz gesagt, es sind sämtliche Bedingungen der BıckEtschen Tonsillendefinition (5) mit Ausnahme einer einzigen erfüllt. Denn es sind folgende Eigen- schaften vorhanden: 1) dichte, diffuse, Iymphoeytäre Infiltration; in ihr Noduli Iymphatici; 2) Oberflächenvergrößerung der lIymphade- noiden Schleimhaut durch Bildung der Plicae infundibuli und Vor- handensein von buchtigen, mit Epithel ausgekleideten Schleimhaut- einsenkungen in Gestalt der Sulei infundibuli; 3) das Iymphatische Gewebe ist sehr nahe an das Epithel herangerückt; 4) Ausmündung von Schleimdrüsen. — Nur die umschriebene Form fehlt. Zu beiden Seiten des Tubentrichters findet allerdings eine Art Abgrenzung des Iymphatischen Gewebes durch die sich hier anlagernden Muskel- massen statt, oral und aboral dagegen ist keine Abgrenzung gegen das umgebende Gewebe gegeben. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse komme ich zu der Schlußfolgerung, daß das fragliche Gebilde im Tubentrichter des Vogels dem Begriff der Tonsille zwar nicht vollständig ent- spricht, wohl aber sehr nahe kommt. Es stellt mithin, nicht bloß eine Art Übergangsform zu einfacher Ansammlung 38 Kurt Heidrich von lymphadenoider Substanz dar, sondern ist wohl mit größerer Berechtigung als Tonsille, als Tonsilla pharyngea- tubaria zu bezeichnen. Schließlich habe ich noch auf eine letzte Eigenschaft der Ra- chendachschleimhaut hinzuweisen. In ihrem aboralen Abschnitt, also hinter dem gemeinschaftlichen Tubengang, tritt unter dem Drüsenlager bzw. unter der Propria eine Schicht glatter Muskulatur auf. Die glatten Muskelzellen sind zu einzelnen Bündeln vereinigt, die auf Querschnitten quer getroffen sind, mithin Längsmuskulatur darstellen. Interessant ist es, daß einzelne Muskel- bündel in das zwischen den Schleimdrüsen befindliche, interglandu- läre Bindegewebe hineinziehen. An der Schnittserie läßt sich verfolgen, daß diese Längsmuskulatur sich speiseröhren- wärts in die innere Längsmuskelschicht des Oesophagus fortsetzt. IV. Boden der Mundhöhle. a. Untersehnabelschleimhaut. Die Unterschnabelschleimhaut, die in dem Winkel zwischen den beiden Unterkieferästen sich ausspannt, stellt wie die übrige Mund- höhlenschleimhaut eine cutane, mit Papillarkörper und mehrschich- tigem Plattenepithel ausgestattete Schleimhaut dar. Auch im spe- ziellen zeigt sie nicht viel Besonderes. Das Stratum epitheliale ist ziemlich hochschichtig, in den oberen Schiehten aber nicht mehr so stark wie am Gaumendache, bzw. überhaupt nicht mehr verhornt, da diese Schleimhautpartie von der Zunge nahezu vollständig be- deckt und mithin vor der Berührung mit den Nahrungsmitteln ge- schützt wird. Nur seitlich nach dem Schnabelrande zu tritt stärkere Verhornung der Epithelschiceht auf, um hier den Übergang der Schleimhaut in-die hornige Bekleidung der Unterkieferäste allmäh- lich zu vermitteln. Die Lamina propria besteht aus ziemlich derbem, fibrillären Bindegewebe, das sehr feine, elastische Fasernetze und relativ wenig lymphatisches Gewebe enthält. Es befinden sich hier nur vereinzelte leichte, diffuse, Iymphoeytäre Infiltrationen und nur wenige Noduli Iymphatici. Die Submueosa ist nicht deutlich von dem eigentlichen Schleim- hautgewebe abgesetzt. Eine Grenze zwischen beiden ist nur dort, wo Drüsen vorkommen, gegeben. Die hier unter der Schleimhaut Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 39 gelegenen Drüsen bilden beim Huhne jederseits einen etwa-25 bis 30 mm langen und in seinem mittleren Abschnitte etwa 5 mm breiten Komplex. Sie sind von den Autoren sehr verschieden benannt, aus- führlicher jedoch noch nieht beschrieben worden. Nach KAHLBAUm (27) soll die im Unterkieferwinkel gelegene Drüse der Sublingualis der Säuger entsprechen. C. MÜLLER (16) und GurLT (23) be- zeichnen sie als Submaxillaris. Sie sei von länglich kantiger Gestalt und von allen Speicheldrüsen der Vögel am stärksten entwickelt; sie sitze zwischen den beiden Asten des Unterschnabels und ergieße ihr Secret durch mehrere Aus- führungsgänge in die Mundhöhle. WIEDERSHEIM (54) unterscheidet sie als Sub- maxillaris anterior von einer Submaxillaris posterior (sublingualis). GAupPp (19) nennt sie ebenfalls so, MECKEL (39, »vordere Unterkieferdrüse«e. Als Gl. sub- maxillares s. angulares beschreibt GADow (18) zusammengesetzte Drüsen, die bei Schwimmvögeln, Hühnern und Raubvögeln im Zwischenraum der beiden Unterkieferäste mit mehreren Ausführungen ausmünden. Um die zweifelhafte Homologisierung dieser Drüsen mit den Unterkieferdrüsen der Säuger zu ver- meiden, nennt sie CHOLODKOWSKY /9) Gl. inframaxillares internae und schildert sie als lange, einfache oder etwas verästelte, eylindrische Schläuche, die beiderseits der Zunge im inneren Winkel der unteren Hälfte des Schnabels ausmünden. Über ihre mikroskopische Struktur erwähnt er dabei nur, daß gewisse, sehr zusammengesetzte Formen der Drüsen (z. B. die Gl. inframaxillaris bei Loxia) einen Übergang vom tubulösen zum acinösen Bau darstellten. Diese wenigen Angaben enthalten in der Hauptsache alles, was bis jetzt über die im Unterschnabelwinkel gelegenen Drüsen bekannt geworden ist. Was ihre Benennung anlangt, so dürfte die bereits von WIEDERSHEIM, GAUPP, MECKEL u. a. gebrauchte Bezeichnung Gl. submaxillares anteriores zum Unterschied von den aboral- wärts von ihnen, unter und seitlich von der Zunge gelegenen Drüsen ihrer Lage entsprechend am zweckmäßigsten sein. Es würde natür- lich falsch sein, mit diesem Namen eine Homologie mit den Unter- kieferspeicheldrüsen der Säugetiere andeuten zu wollen. Aus den von mir von der Unterschnabelschleimhaut angefer- tigten Quer- und Längsschnitten ergibt sich, daß sich beim Huhn jede Gl.submaxillaris anterior aus einem Komplex von etwa 10—15 einzelnen monostomatischen Drüsen zusammensetzt, deren jede für sich einen unverzweigten, verhältnismäßig sehr langen, eylindrisch- schlauchförmigen Blindsack von ganz demselben zusammengesetzt tubulösen Baue bildet, wie er bereits bei den Gaumen- und Rachen- drüsen eingehend geschildert worden ist. Ihr secernierendes Epithel ist reines Schleimepithel; bezüglich der Verschiedenheiten in dem- selben verweise ich auf die Beschreibung des Schleimepithels der Gl. maxillaris (S. 26). Die intracapsulären Lymphgewebsanhäufungen treten in der Gl. submaxillaris anterior sehr häufig auf; sie erreichen 40 Kurt Heidrich hier zuweilen eine solche Ausdehnung, daß sie auf einem Quer- schnitt sogar die Hälfte der Drüsenschnittfläche einnehmen, indem sie dabei centralwärts bis dicht an das Epithel des Drüsenlumens (Sammelraumes) herangehen. — Die Ausmündung erfolgt, wie bei den übrigen bisher beschriebenen Drüsen, ohne besonderes Ausführ- epithel. b. Die Zunge. Die Herstellung von mikroskopischen Schnitten durch die Vogel- zunge wird dadurch erschwert, daß beim Vogel central in die Zunge ein Knochen, das Os entoglossum, eingelagert ist, so daß Total- querschnitte nicht oder höchstens nur beim eben ausgeschlüpften Vogel hergestellt werden können; nur ganz vorn und im hinteren Teile der Zunge, wo das Os entoglossum mehr knorpeliger Natur, also schneidbar ist, gelingt es, einen Gesamtquerschnitt durch die Hühnerzunge anzufertigen. Bei dem mittleren oder Hauptteil der Zunge ist man daher gezwungen, den Zungenrücken und die Seiten- teile getrennt zu untersuchen. Die Untersuchung der angefertigten Präparate ergab beim Haushuhn folgenden anatomisch-histologischen Aufbau der Zunge. Von der Oberfläche nach der Tiefe setzt sie sich zusammen aus: 1) der Schleimhaut; 2) lockerem, gefäßführenden und die Zun- gendrüsen enthaltenden Bindegewebe; 3) dem Zungenknochen und quergestreifter Muskulatur. Hinsichtlich der letzteren muß bereits hier betont werden, daß in der Zunge des Haushuhnes (wie überhaupt aller bis jetzt unter- suchten Vögel mit nur wenigen Ausnahmen, z. B. Papagei und Wachtel) keine Eigen- oder Binnenmuskulatur vorkommt; d.h. solche Muskelfasern, die in der Zunge anfahgen und enden, finden sich nicht. Die Zunge besitzt infolgedessen auch keine Eigenbeweg- lichkeit, wie sie der Zunge der Säuger zukommt. Ihre mehr oder weniger große Bewegungsmöglichkeit wird vielmehr durch ihre Ver- bindung mit dem sehr beweglichen Zungenbein vermittelt. Die Zungenmuskulatur des Vogels besteht also lediglich aus Muskeln, die von außen her, vom Zungenbein aus, in die Zunge eintreten. Hierbei ist noch darauf hinzuweisen, daß das Muskelgewebe gegenüber dem übrigen Gewebe der Zunge (Schleim- haut, Bindegewebe, Drüsen, Knochen) quantitativ sehr zurücktritt. Die Muskulatur findet sich eigentlich nur im aboralen (hinteren) und zum Teil im mittleren Drittel der Zunge, während das orale Drittel Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 41 vollständig frei von Muskelgewebe ist. Infolgedessen kann die Zunge nicht in dem Sinne wie bei den Säugern als »fleischig«, d.h. in der Hauptsache aus Muskulatur bestehend bezeichnet werden. Beim Vogel (Gallus domesticus) sind es drei Paar dünne, schlanke Muskeln, die in die Zunge eintreten. Sie sind bereits von GUuRLT (23) kurz beschrieben und benannt worden. Ich habe seine Angaben nachgeprüft und konnte folgendes feststellen: 1) Der Griffel- oder Zungenbein-Zungenmuskel ist der längste von den Zungenmuskeln und von schlanker, spindelförmiger Gestalt, etwa 2—3 mm im Durchmesser. Er entspringt an der la- teralen Fläche des großen Zungenbeinhornes, verläuft bis zum mitt- leren Drittel des Zungenbeinkörpers und geht hier lateral von diesem in eine dünne Sehne aus, die sich am Grunde des Os entoglos- sum inseriert. Seine Funktion wird mithin darin bestehen, bei beiderseitiger Wirkung die Zunge rück- und aufwärts, bei einseitiger Wirkung seitwärts zu ziehen. Da er also in der Zunge selbst (am Zungenknochen) endigt, so möchte ich ihn nicht wie GurLTt (23) als M. stylohyoideus, sondern als M. styloglossus bezeichnen; denn nur mit dem M. styloglossus, nicht mit dem M. stylohyoideus der Säuger, kann er in bezug auf Insertion und Funktion verglichen werden. Auch bei den Säugern heftet sich der M. styloglossus in der Zunge selbst an, während der M. stylohyoideus sich stets am Zungenbeine, und zwar an dessen Kehlkopfsaste inseriert. Auch hinsichtlich der Funk- tion stimmt der M. styloglossus der Säuger vollständig mit dem vor- stehenden Muskel überein. 2) Der Grundzungenmuskel entspringt seitlich an der ven- tralen Fläche des Zungenbeinkörpers als ein kleiner, dünner Muskel und geht an der medialen Seite des soeben geschilderten M. stylo- glossus entlang an die ventrale Fläche des Os entoglossum, an dessen oralem Teile er sehnig endigt. Wenn er sich kontrahiert, zieht er den oralen Teil der Zunge herab, wobei gleichzeitig der aborale Teil der Zunge gegen den Gaumen gehoben und etwas zu- rückgezogen wird. Dieser Muskel ist in seiner Wirkung mithin dem M. hyoglossus (M. baseoglossus der früheren Nomenklatur) der Säuger zu ver- gleichen und als M. hyoglossus lateralis zu benennen, im Gegen- satz zu dem folgenden M. hyoglossus medialis. 3) Als den kleinsten von den Zungenmuskeln erwähnt endlich GuRLT (23) noch den schiefen Zungenmuskel (M. hyoglossus 42 Kurt Heidrich obliquus). Dieser Muskel nimmt seinen Anfang auf der ventralen Fläche des Zungenbeinkörpers (z. T. noch an dessen distalem Fort- satze), liegt hier medial vom M. hyoglossus lateralis neben dem gleichnamigen der andern Seite und inseriert sich am aboralen Ende des Os entoglossum. Seiner Lage entsprechend bezeichne ich ihn als M. hyoglossus medialis. Er wirkt als Zurückzieher der Zunge. Die Zungenschleimhaut ist zunächst durch die außerordent- lich starke Entwicklung ihres Stratum epitheliale ausgezeichnet. Auf dem Zungenrücken ist das Stratum epitheliale am besten entwickelt, zeigt aber am oralen Zungenabschnitt wieder mehr Schiehten als am Zungenende. An den Seitenflächen und vor allem an der Bodenfläche der Zunge wird es ganz auffallend niedriger (wenigerschichtig); hier erreicht es nur die Hälfte, ja selbst nur den vierten oder fünften Teil der Höhe der Epithelschichtung des Zun- genrückens. — Die oberflächlichen Epithelschichten sind stark ver- hornt. Im Vergleich zu den übrigen Schleimhautgebieten der Mund- höhle ist der Zungenrücken am allerstärksten verhornt und hier wieder an den makroskopischen Papillen stärker als in seinem übrigen Teile. Aber auch an der Bodenfläche des freien Teils der Zunge kommt es zur Entwicklung einer relativ starken Hornschicht. Schon die Alten kannten diese und bezeichneten sie als sog. Horn- plättehen. Die Stärke dieses Hornplättchens beträgt bei Gallus durchschnittlich 0,15—0,24 mm. Der Papillarkörper ist im allgemeinen unter dem Epithel des Zungenrückens hoch und gut entwickelt und setzt sich natürlich auch auf die makroskopischen Zungenpapillen fort, so daß diese mit sekundären, mikroskopischen Papillchen besetzt sind. An der Zun- genbodenfläche ist er entsprechend der Abnahme der Epithelschich- tung bedeutend niedriger als am Zungenrücken. Die Lamina propria der Zungenschleimhaut stellt eine relativ schmale (0,083—0,166 mm) Schicht derben, fibrillären Bindegewebes dar, das arm an elastischen Elementen und cytogenem Gewebe ist. Nur vereinzelt treten in ihr unter dem Epithel einige kleine Inseln lymphatischen Gewebes auf, in denen hier und da ein kleines, scharf umschriebenes Lymphknötchen vorkommt. Nach der Tiefe geht die Propria in lockeres Bindegewebe ohne scharfe Grenze über. Dieses ist reich an größeren Gefäßen und durch die Einlagerung der Zun- sendrüsen und des Os entoglossum ausgezeichnet. Was zunächst das Os entoglossum anlangt, so bildet dasselbe bei Gallus domesticus einen dreieckigen Knochen, an dem man eine Spitze (das Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 43 vordere Ende) und eine Basis (das aborale Ende) unterscheiden kann. Die Basis ist gabelförmig in zwei kleine Fortsätze ausgezogen und trägt zwischen diesen eine Gelenkfläche zur Articeulation mit dem Zungenbeinkörper. Inter- essant ist seine Lagebeziehung zu den Zungendrüsen. In vielen Präparaten konnte ich nämlich beobachten, wie sich die Zungendrüsen außerordentlich dieht an das Os entoglossum anlagern. Bevor ich auf die spezielle Beschreibung der Zungendrüsen eingehe, soll erst eine kurze Übersicht der hauptsächlichsten bis jetzt in der Literatur vorhandenen Angaben über dieselben gegeben werden. Dabei soll gleichzeitig die Literatur der seitlich. unter der Zunge gelegenen Drüsen und der hinter der Zunge in dem Raume zwischen Zunge und Kehlkopf gelegenen Drüsen berücksichtigt wer- den. Es erscheint dies angezeigt, da viele Autoren diese drei ver- schiedenen Gruppen von Drüsen im Zusammenhange schildern, an- derseits hinsichtlich der Benennung und Homologisierung der einzelnen Drüsengruppen sehr voneinander abweichende Ansichten äußern. Cuvier (11) und Ruporrpuı (45) erwähnen Speicheldrüsen, die bei den Vögeln unter der Zunge vorkämen und durch ihre Lage, nicht aber durch ihren Bau den Zungenspeicheldrüsen der Säugetiere entsprächen. MECKEL (39) be- schreibt als Zungendrüse längliche, einfache, diehtgedrängte, diekwandige Blind- säcke, die längs der Seitenfläche der Zunge in einer einfachen Reihe liegen. Außerdem unterscheidet er am Mundhöhlenboden noch eine »vordere« und eine »hintere< Unterkieferdrüse. Die. vordere liest im Winkel der beiden Unter- kieferäste und ist mit den auf S. 39 usw. beschriebenen Gl. submaxillares anteriores identisch. Die >hintere« schildert er als ein Drüsenpaar, das hinter der vorderen Unterkieferdrüse und tiefer als diese gelegen sei und entweder mit mehreren Gängen sogleich nach innen (Gans) oder mit einem einzigen lan- gen, dünnen Gange hinter der »vorderen Unterkieferdrüse« vor der Zunge (so bei Fulica, Larus, Gallus) mündet. Nach TiEDEMmAnNn (52) finden sich bei den Raubvögeln und bei den meisten andern Vögeln mehrere kleine Drüsen unter der Zunge beiderseits, sowie an der hinteren Fläche der Zunge und in dem Raume zwischen der Zunge und dem Kehlkopfe. Sranxıus (49) führt drei Gruppen an und unterscheidet: 1) Follieuli linguales, 2) sublinguales, 3) kleine, einfache Follikel zwischen der Zunge und Kehlkopfsgegend. KAHLBAUM (27) macht den Versuch, die fraglichen Drüsengruppen mit den entsprechenden Speicheldrüsen der Säuger zu vergleichen. Er gibt dabei folgende Einteilung: 1) Drüsen im Unterkieferwinkel sollen der Sublingualis der Säuger ent- sprechen, 2) Drüsen in dem dreieckigen Raume unter der Parotis (Gl. angularis oris), dem Unterkiefer und der Zunge (der Submaxillaris entsprechend), 3) Drüsen am unteren Rande der Zungenseite entsprechen den Zungendrüsen, 4) Drüsen an der Zungenwurzel. GAupp (19) teilt sie ein in: 1) Gl. sublingualis 'submaxillaris posterior), im Gegensatze zu der im Unterkieferwinkel gelegenen - Gl. submaxillaris anterior, und 2) Gl. linguales. Dieselbe Bezeichnung gebraucht auch WIEDERSHEIM (54), der dabei noch erwähnt, daß die Gl. submaxillaris posterior (sublingualis) als eine von der Zunge herabgedrückte Zungendrüsen- partie zu betrachten ist. C. MÜLLER (16) hat bei den Schwimmvögeln (Gänsen 44 Kurt Heidrich und Enten) gefunden, daß bei diesen die Andeutung einer Gl. sublingualis in der Gestalt von einfachen Blindsäckcehen gegeben ist, die in einer Reihe an jeder Seite der Zunge liegen, ferner daß die Schleimhaut des Zungengrundes einige acinöse Drüsen einschließt. GEGENBAUR (20) äußert sich dahin, daß für linguale Drüsen mit der Hornentwicklung auf der Zungenoberfläche sich hier keine Stätte mehr bietet. Die im Inneren der Zunge bestehenden Drüsen ließen mit ihrer Mündung an der Unterfläche die Frage entstehen, ob sie nicht von sublingualen Drüsen abstammen. Eine Entscheidung darüber erfordere neue Untersuchungen. Einstweilen möchten sie als linguale Drüsen gelten. LEYDIG (33) erwähnt, daß bei den Vögeln sich Drüsensäckchen zur Seite der Zunge an- häufen. Prinz LupwıG FERDINAND Von BAYERN (35) beschreibt sie als größere, acinöse Drüsen, die unter dem Seitenrand und an der Wurzel der Zunge er- scheinen; die Spitze der Zunge sei drüsenlos. GApow (18) vermutet, daß es hauptsächlich Schleimdrüsen seien. Sie kämen in der Zunge sehr vieler Vögel vor und seien besonders im hinteren Teile gelegen. Aus den vorstehenden Angaben geht hervor, daß die bis jetzt erwähnten Autoren die Zungendrüsen lediglich makroskopisch unter- sucht haben. Es wird von ihnen im großen und ganzen nur die Lage der fraglichen Drüsen und ihre Benennung angegeben. Genauer als die obigen Autoren hat Gracowmisı (21) die fraglichen Drüsen untersucht. Er unterscheidet zwei Gruppen: eine Lingualis inferior und eine Lingualis superior. Die L. inferior ist paarig und besteht aus einer Reihe einzelner Drüsen, die im Zungenkörper zur Seite desselben liegen und lateral unten ausmünden (Gl. linguales inferiores).. Die L. superior ist unpaar und liegt auf der dorsalen Zungenfläche und in der Umgebung der Apertura la- ryngea und besteht aus mehreren Einzeldrüsen (Gl. linguales superiores). Die Gl.inferiores lassen sich noch in vordere und hintere teilen, was auch OÖPPEL (41) bei der Nachprüfung an der Schnittserie bestätigen konnte. Ihrer Gestalt nach rechnet GıAcomını (21) die Gl. linguales superiores zu der Gruppe der einfachen, schlauchfürmigen Drüsen, die verzweigt oder nicht und mehr oder weniger verlängert sind, während die hinteren Gl. linguales zu der Gruppe der zusammengesetzt schlauchförmigen Drüsen gehörten, die einen Sam- melschlauch haben. Hinsichtlich der histologischen Struktur weist RAnvIER (42 darauf hin, daß in der Zunge des Huhnes gekörnte Drüsenzellen ähnlich denen der Parotis des Hundes und andrer Säugetiere vorkommen. Nach GIA- coMInI (21), der diese geküörnte Drüsenzellen ebenfalls gefunden hat, handelt es sich dabei um die vorderen Gl. linguales inferiores. Er sieht in ihnen nicht eine besondere Art von Zellen (Eiweißzellen), sondern er faßt sie als verschiedene Funktionsstadien ein und derselben Drisenzelle (Schleimzelle) auf. Die Beschreibungen lassen bis jetzt noch nicht erkennen, von welchem Charakter die betreffenden Drüsen sind, so daß eine ein- gehende Beschreibung der histologischen Struktur der Zungendrüsen von Gallus domestieus angezeigt sein dürfte, wobei vor allem die mikrochemische Farbenreaktion der Drüsenzellen auf Schleim be- sonders berücksichtigt wird. . Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 45 Im mittleren und hinteren Abschnitte der Seitenfläche der Zunge finden sich etwa 15—20 feine, nadelstichähnliche Öffnungen, welche die Ausmündungen von in der Zunge selbst gelegenen Drüsen dar- stellen. Ihrer Fundstätte entsprechend seien diese Drüsen Gl. lin- guales anteriores s. orales genannt im Gegensatz zu den Gl. linguales posteriores s. aborales, die hinter den vorigen, aboral von der Zungenbegrenzung, gelegen sind und mit über 100 feinen Öff- nungen auf die Oberfläche der Zungengrundschleimhaut ausmünden (Fig. 6.29). Die posteriores hat GIaconminı (21) superiores, die anteriores da- gegen inferiores genannt. Diese Bezeichnungen entsprechen den wirklichen Verhältnissen nicht genau; denn die beiden Drüsengruppen liegen im wesent- lichen hintereinander, nicht übereinander, wenn auch zugegeben sein soll, daß die Drüsen des Zungengrundes ein wenig höher als die direkt vor ihnen gelagerten Drüsen des Zungeninnern liegen. Die Gl. linguales anteriores s. orales finden sich, wie man auf serienweise angelegten Schnitten erkennen kann, nur in dem mittleren und aboralen Abschnitt der Zunge, während das orale Drittel der Zunge vollständig drüsenlos ist. Auf den Querschnitten ist ersichtlich, daß sie lateral vom Os entoglossum in dem Winkel, der von dem Zungenrücken und der Zungenseitenfläche gebildet wird, unter der Propria liegen. Sie münden nicht auf den Zungen- rücken, sondern nur auf die Seitenfläche der Zunge aus. Schon bei genauer Beobachtung mit der Lupe erkennt man, daß die Aus- mündungsöffnungen in zwei Gruppen, in eine orale und aborale an- geordnet sind. Diese Einteilung ist bereits von GIAcoMISI (21) und nach diesem von OPPpEL (41) getroffen worden. Hinter dem sog. Hornplättehen finden sich nämlich im mittleren Drittel der Zungen- seitenfläche etwa fünf bis acht kleine Öffnungen (die Ausmündungen der oralen Gruppe) und dahinter im aboralen Drittel der Zungen- seitenfläche, ventral von der Zungenpapillenabgrenzung, eine Reihe von etwa zehn solchen Öffnungen (die Ausmündungen der aboralen Gruppe). Durch die mikroskopische Untersuchung wird der makro- skopische Befund insofern bestätigt, als beide Gruppen auch in ihrem mikroskopischen Bau einen wesentlichen Unterschied zeigen. Die Drüsen der oralen Gruppe stellen längliche Blindsäckchen von dem bei den Gl. palatinae beschriebenen, zusammengesetzt tubu- lösen Baue dar, deren jedes für sich an einer der erwähnten Öft- nungen direkt auf die Schleimhautoberfläche ausmündet. Die aborale Gruppe setzt sich zwar ebenfalls aus blindsackförmigen, in derselben 46 Kurt Heidrich Weise zusammengesetzt tubulösen Drüsen zusammen, deren mehrere jedoch in je einen Sammelkanal münden, der seinerseits das Secret an die Oberfläche führt. Zu jeder Öffnung der aboralen Gruppe gehört also je ein Sammelkanal, in den an verschiedenen Stellen die erwähnten, zusammengesetzt tubulösen Blindsäcke ganz wie in der Gl. maxillaris einmünden. | Bezüglich des secretorischen Epithels ließ sich zwischen den Drüsen der oralen und aboralen Gruppe kein wesentlicher Unter- schied feststellen. In beiden Gruppen ist das Drüsenhohlraumsystem mit den schon früher genau beschriebenen, charakteristischen Schleim- zellen ausgekleidet. Gekörnte Zellen habe ich auch in diesen Drüsen niemals beobachten können. c. Zungengrund. Die Schleimhaut des Zungengrundes zeigt eine bedeutend weichere Beschaffenheit als die der übrigen Zungenoberfläche, denn die Verhornung der oberflächlichen Epithelschiehten hört am Zungen- srunde auf; die Schiehtung der Epithelien ist hier niedriger und das Bindegewebe der Lamina propria ist nicht mehr von so straffem, sondern von mehr lockerem Gefüge. An die Propria schließt sich das submucöse Bindegewebe an, das noch lockerer gebaut ist, viele größere und kleinere Gefäße enthält und der Sitz der erwähnten zahlreichen Drüsen des Zungengrundes, der Gl. linguales aborales s. posteriores ist. Mittels dieses lockeren Bindegewebes heftet sich die Schleimhaut des Zungengrundes an die unter ihr gelegene, quer- gestreifte Muskulatur, die in der Hauptsache von den Mm. hyo- laryngei (S. 54) gebildet wird, an. Median liegt unter der Propria und dem Drüsenlager im ab- oralen Abschnitte des Zungengrundes eine dünne, leicht konkav nach der Oberfläche gebogene Knorpelplatte, das knorpelige Ansatz- stück des ventralen, unpaaren Crieoidstückes, das außer bei Enten, Möwen u. a. auch beim Huhn relativ stark nach vorn ausgezogen ist. Erst unter ihm und seitlich von ihm lagert sich hier die er- wähnte Muskulatur an. An Iymphatischem Gewebe ist die Zungengrundschleimhaut relativ arm. In der Propria unter dem Epithel finden sich nur ver- einzelte, leicht diffuse, leucocytäre Infiltrationen und spärliche kleinere, scharf umgrenzte Noduli Iymphatici. Stark entwickelt dagegen ist im Zungengrund das Drüsen- lager, das entsprechend der Zahl der schon mit unbewafinetem Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 47 Auge auf der Zungengrundschleimhaut sichtbaren, porenähnlichen Ausführöffnungen sich aus weit über 100 Drüschen zusammensetzt. Hinsichtlich der Ausdehnung dieses Drüsenkomplexes läßt sich an serienweise hintereinander angelegten Querschnitten feststellen, daß das Drüsenlager in ganzer Breite des Zungengrundes bereits unter den Papillen der Zungenbegrenzung beginnt und in dieser Breite aboralwärts zieht, um in der Gegend vor dem oralen Ende der Aper- tura laryngis wieder abzunehmen. Was die Form und die Größe der einzelnen Drüsen anbetrifft, so stellt eine jede einen mehr oder weniger länglichen, unverzweigten, schlauchförmigen Blindsack mit relativ sehr weitem Lumen dar, dessen Wand nach allen Seiten hin mehr oder weniger radiär zum Lumen gestellte, tubulöse Ausbuch- tungen (Sekundärtubuli) von der bei den Gl. palatinae beschriebenen Form bildet. Die Größe der einzelnen. Drüsensäckchen schwankt in ziemlich weiten Grenzen, denn die Länge von der Ausmündung bis zum blinden Ende kann etwa 0,9—1,6 mm, die Breite etwa 0,5 bis 0,9 mm betragen; aber auch die Form ist nicht ganz gleich. Einige Drüsen zeigen eine mehr regelmäßige, gerade Schlauchform, andre wieder stellen einen mehr oder weniger unregelmäßigen, verschieden weiten, zum Teil auch etwas gebogenen, am blinden Ende oft sehr stark kolbig erweiterten Sack bzw. Beutel dar. Im großen und ganzen stimmen sie in Form, Größe und Bau, wie auch in ihrer Epithelauskleidung vollständig mit den Rachendrüsen, den Gl. sphe- nopterygoideae, überein. Auch hier kommen, wie in den übrigen Mundhöhlendrüsen des Haushuhnes, die bereits öfters ausführlich ge- schilderten, intracapsulären Lymphfollikel vor. Auf einem Drü- sendurchschnitte können sie den vierten Teil, ja selbst die Hälfte der Fläche einnehmen; sie reichen oft dicht bis an das Epithel des Sammelraumes heran. Die Ausmündung der Drüsen erfolgt in der üblichen Weise, d.h. das mehrschichtige Epithel der Schleimhautoberfläche buchtet sich ein und geht ohne Vermittlung eines besonderen Ausführungs- ganges in das secernierende Drüsenepithel über. d. Die Glandulae submaxillares posteriores. Im Anschluß an die Beschreibung der Drüsen der Zunge und des Zungengrundes schildere ich die Untersuchungsergebnisse der übrigen am Mundhöhlenboden gelegenen Drüsen. Es sind die von einigen Autoren als Sublinguales, von andern als Submaxillares posteriores (Inframaxillares externae) bezeichneten Drüsen, 48 Kurt Heidrich deren Literatur ich bereits bei den Zungendrüsen eingehend berück- sichtigt habe. Am genauesten hat sie GIAcommıI (21) untersucht, der sie in drei Gruppen sondert: in 1) untere-mediale, 2) inter- mediäre und 3) obere-laterale Submaxillares posteriores. Auch ich konnte beim Huhne diese drei Gruppen feststellen. In Fig. 6 habe ich die Lageverhältnisse der drei Gruppen zueinander angegeben. Die ventro-mediale (Fig. 6 sp.m) zeigt etwa 10—15 in einer Reihe hintereinander gelegene Öffnungen, die ihre Lage aboral und medial von der Gl. submaxillaris anterior haben. Die intermediäre Gruppe (Fig. 6 sp.e) besteht aus etwa ebenso vielen Öffnungen, die lateral und aboral von der vorigen liegen. Die dorso- laterale Gruppe zieht sich am Os jugulare entlang, ist etwa 15 mm lang und mündet mit etwa 10—15 Öffnungen (Fig. 6 sp.l) aboral von der Gl. angularis oris (s. unten). Zwischen diesen drei Gruppen konnte ich weder in bezug auf die Formation der einzelnen Drüsen, noch in bezug auf deren Epi- thelauskleidung einen wesentlichen Unterschied feststellen. Das zu jeder Öffnung gehörige Drüschen stellt eine sackähnliche, zusammen- gesetzt tubulöse Schleimdrüse dar, die im allgemeinen mit den Drüsen der Gl. palatinae übereinstimmt. Nur sind die Sekundärtubuli (Drüsen- endstücke) etwas stärker verzweigt, und die intracapsulären Lymph- gewebsanhäufungen treten häufiger und reichlicher als in den Gl. palatinae auf. Die Drüsen der ventro-medialen Gruppe weichen in- sofern noch etwas ab, als sie in ihrer Form nicht immer einen ge- raden, sondern einen etwas gebogenen, zum Teil sogar etwas ge- wundenen Blindsack darstellen. e. Die Glandula angularis oris. Die sogenannte Mundwinkeldrüse liegt beim Hühnchen in der Nähe des Schnabelwinkels am oralen Ende der Jochleiste in der Gestalt eines etwa 6—7 mm breiten und 5 mm hohen Dreiecks und mündet mit einer einzigen, oft nur schwer mit unbewaffnetem Auge sichtbaren Öffnung im Angulus oris nahe dem Übergang der äußeren Haut in die Mundhöhlenschleimhaut aus. Von einigen Autoren wurde sie der Giftdrüse der Schlangen, von andern teils der Parotis, teils auch den Buccaldrüsen der Säuger für homolog erklärt, während neuere Forscher sie weder der einen, noch der andern Drüsenart zu- rechnen. CHOLODKOWSKY (9) hat ihr deshalb den indifferenten Namen Gl. angularis oris gegeben. Nach GIAcomimnI (21) ist sie eine zusammengesetzt schlauehförmige Drüse, die einen ausgebildeten Sammelkanal besitzt. Hinsicht- lich ihrer histologischen Struktur soll sie nach RANVIER (42) aus gekörnten Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 49 Becherzellen (aber nur einer Zellart) bestehen und in diesem Sinne bereits als eine gemischte Drüse aufzufassen sein. Auch GrAacominı (21) hat in ihr ge- körnte Zellen nachgewiesen; er faßt diese jedoch als verschiedene Funktions- stadien ein und derselben Drüsenzelle (Schleimzelle) auf. Nach den von mir angefertigten Präparaten stellt sich die Gl. angularis oris beim Hühnchen folgendermaßen dar: Von der gemeinschaftlichen Ausmündung geht ein ziemlich weiter Sammelkanal ab, der sich an seinem Ende in relativ weite Schläuche (Primärtubuli) auflöst. Diese senden in verschiedener Richtung wie- der einzelne kleinere Schläuche (Sekundärtubuli) ab, welche die Drüsenendstücke darstellen. Diese verlaufen teils gerade, teils etwas sewunden und sind an ihrem Ende mehrfach geteilt und kolbig erweitert. Die Gl. angularis oris ist also genau wie die Gl. maxillaris eine zusammengesetzt-tubulöse Drüse, die einen ausgesprochenen Sam- melkanal besitzt. Beide Drüsen unterscheiden sich jedoch in der Anordnung der Primärtubuli zum Sammelkanal dadurch, daß in der Gl. maxillaris die Primärtubuli, wie wir gesehen haben, an verschiedenen Stellen, in der Gl. angularis oris dagegen nur aus dem Ende des Sammelschlauches hervor- gehen. Hinsichtlich des Epithels stimmt die Gl. angularis oris voll- ständig mit dem nur schleimproduzierenden Epithel der Gl. maxil- laris überein. Gekörnte Zellen konnte ich in meinen Präparaten nirgends beobachten; vor allem konnte ich seröse, den Parotiszellen der Säuger ähnliche Elemente in keinem Falle finden. V, Kehlkopfseingang. In der vorhandenen Literatur ist der Larynx superior des Vogels zum Teil recht stiefmütterlich behandelt. Es wird zwar er- wähnt, daß er sich aus einer Anzahl Knorpeln bzw. Knochen zu- sammensetzt, eine eingehendere Darstellung aber von der Form und Art der Zusammensetzung dieser Knorpel wird nicht gegeben. Nach GEGENBAUR (20) besteht der obere Kehlkopf des Vogels aus einem dem Cricoid der Reptilien entsprechenden Hauptstück, dessen vorderer, höherer Teil sich dorsal in eine schmalere Spange fortsetze, die hinten in der Regel von der andern getrennt bleibe. Diese beiden Stücke können durch die Ossifikation, welche auch das vordere selbständig ergreift, zu scheinbar diskreten Stücken sich gestalten. Bei weiterer Entfernung der hinteren Enden jener beiden Stücke schiebe sich von oben her noch ein unpaares, schmales Knochenstück ein, welches dann gleichfalls den meist ossifizierten Arytänoid- oder Stellknorpel trage. Die Arytänoidknorpel seien länglich-schmale Morpholog. Jahrbuch. 37. 4 50 Kurt Heidrich Stücke, die den Aditus laryngis begrenzend, sich flach nach vorn bis zum oberen Rande des Vorsprunges am Cricoidstück erstrecken. Die Hauptstütze des Kehlkopfgerüstes bildet beim Vogel der Ringknorpel (Cart. ericoidea). Er setzt sich wieder aus vier Sticken zusammen; von ihnen stellt das unpaare, ventrale Stück (Fig. 13 c) einen ziemlich frühzeitig verknöchernden, plattenförmigen Knorpel dar, an dem man ein schmaleres, orales und ein breiteres, caudales Ende, eine ventrale, schwachgewölbte Außenfläche und eine dorsale, konkave Innen- oder Kehlkopfsfläche, sowie zwei seitliche Ränder, in denen beide Flächen miteinander zusammenstoßen, unter- scheiden kann. Diese Platte (Crieoidplatte) trägt im caudalen (hinteren) Drittel jederseits ein Seitenstück, das mit ihr in binde- gewebiger, beweglicher Verbindung steht. Daß diese Seitenstücke Fig. 13. Kehlkopfsgerüst des Haushuhnes (schematisch). c ventrales Cricoidstück; c’ Cricoidseiten- stück; c" dorsales Crieoidstück; Ar.d dorsale, Ar.v ventrale Arytänoidspange; Ar Querschnitt durch das vereinigte Arytänoid. in der Tat zur Cricoidplatte gehören, geht daraus hervor, daß sie mit dieser bei manchen Vögeln (z. B. der Gans) infolge knorpeliger bzw. knöcherner Verbindung ein einheitliches Ganze bilden. Die beiden Cricoidseitenstücke (Fig. 13 ec’) stoßen dorsalwärts in der Mittellinie nicht miteinander zusammen, sondern lassen hier einen breiten Spalt zur Aufnahme des dorsalen, unpaaren Teils des Cricoids frei. — Die Innenfläche des ventralen Crieoidstückes ist im allgemeinen glatt, bei den Enten und andern Vögeln trägt sie einen deutlichen, medianen, in das Kehlkopfinnere vorspringenden Längskamm. Bei Gallus ist die Crieoidplatte etwa 9—10 mm lang, am oralen Ende etwa 4—5 mm und am caudalen Ende etwa 9 mm breit. Das Seitenstück bildet eine sehr dünne, etwa 5 mm hohe Knochenplatte, die an ihrem der Cricoidplatte zugekehrten Rande etwa 3!/, mm und an ihrem dorsalen Rande etwa 21/, mm lang ist. Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 51 An dem oralen Ende des ventralen Crieoidstückes (der Cricoidplatte) findet sich beim Huhn ein knorpelig bleibendes, außerordentlich dünnes und biegsames, plattenförmiges Ansatzstück, das von GE- GENBAUR (20) als der stark nach vorn ausgezogene Teil des un- paaren Cricoidstückes bezeichnet und mit dem Processus epi- glottieus der Saurier und Schlangen in Beziehung gebracht wird. Es ist insofern von Interesse, als es fast in unmittelbare Berührung mit dem distalen Fortsatze des Zungenbeinkörpers tritt und auf diese Weise mit zur Befestigung des Kehlkopfes an das Zungenbein bei- trägt. Ich möchte hierbei betonen, daß eine direkte Verbindung zwischen Kehlkopf und Zungenbein beim Vogel außer durch loekeres Bindegewebe und Muskulatur in keiner Weise be- steht, weder durch besondere Bandmassen, noch durch Knorpelgewebe. Hierdurch wird es ermöglicht, daB der Larynx des Vogels im Vergleich zu dem viel fester mit dem Zungenbein verbundenen Kehlkopfe der Säuger viel be- deutendere und ausgiebigere Lageveränderungen vorzu- nehmen vermag als dieser. In den Spalt, den dorsal die Crieoidseitenstücke freilassen, schiebt sich das dorsale, unpaare Crieoidstück (Fig. 13 c’) ein und schließt auf diese Weise den aboralen Ausgang des Kehlkopfes zu einem Ring. Es verknöchert schon sehr frühzeitig und hat beim Huhne die Gestalt eines unregelmäßigen Würfels, der etwa 3—4 mm lang und etwa 2—3 mm hoch und breit ist. An seinen lateralen Flächen steht es in sehr leicht beweglicher, bindegewebiger, zum Teil auch dünner, knorpeliger Verbindung mit den Crieoidseiten- stücken. An seiner oralen Fläche trägt das dorsale Cricoidstück zwei kleine Gelenkflächen zur Artieulation mit den Gießkannenknorpeln (Cartilagines arytaenoideae). Sie stellen nach den bisher vorliegenden Beschreibungen schmale, dreiseitige Knochenstäbchen dar, welche die in den Kehlkopf führende Spalte, den Aditus la- ryngis, seitlich begrenzen. So einfach verhalten sie sich jedoch nicht. Durch makroskopisches Präparieren, vor allem an der Hand der angefertigten, mikroskopischen Präparate und Übersichtsbilder vom Larynx des Huhnes konnte ich nachweisen, daß jeder Ary- tänoidknorpel sich eigentlich aus zwei Knorpelspangen, einer dorsalen und ventralen, zusammensetzt, die sich unter einem sehr spitzen Winkelanihrem oralen Ende vereinigen (Fig. 13 Ar.d und Ar.v). Die ventrale Knorpelspange verknöchert 4* 52 Kurt Heidrich nahezu vollständig. Sie bildet ein dreiseitiges, längliches Knochen- stäbchen, dessen eaudales Ende mit dem dorsalen Cricoidstück arti- euliert und dessen orales Ende bis zum oralen Rande des ventralen Crieoidstückes reicht, mit dem es nur durch lockeres, nachgiebiges Bindegewebe in Verbindung steht. Die dorsale Knorpelspange bleibt vom Anfang bis zum Ende knorpelig. Sie ist bedeutend dünner als die ventrale Spange und reicht mit ihrem caudalen Ende, das übrigens nicht mit dem Ringknorpel artieuliert, etwas weiter rückwärts als die ventrale Spange (Fig. 13 Ar.d). Durch diesen Bau des Arytänoids ist es bedingt, daß die knorpelige bzw. knöcherne Begrenzung des Kehlkopsfeinganges sich komplizierter darstellt, als man sie sich bisher vorgestellt hat. Im mittleren und hinteren Drittel der Larynxspalte kann man nämlich die Begrenzung des Kehlkopfseinganges nicht mehr als eine einfache ansehen, sondern man muß hier, entsprechend dem Verlaufe der Arytänoidspangen, jederseits eine dorsale und eine ven- trale Begrenzung des Kehlkopfseinganges unterscheiden. Das Kehlkopfsgerüst des Vogels wird an seiner Außenfläche (so- weit es in die Mund-Schlundkopfhöhle hineinragt) von einer cutanen, an seiner Innen- oder Kehlkopfsfläche von einer echten Schleimhaut überzogen, derart, daß einwärts von der Larynxspalte beide Schleim- hautarten allmählich ineinander übergehen (Fig. 14 auf Taf. II). Die äußere Schleimhautbekleidung des Kehlkopfes stellt die Fortsetzung der Mundhöhlenschleimhaut dar und zeigt infolge- dessen im großen und ganzen dieselben Eigenschaften wie diese. Ihr Stratum epitheliale ist in den oberflächlichsten Schichten ver- hornt; am stärksten ist die Verhornung an den makroskopischen, speise- röhrenwärts gerichteten Papillen der (S. 20) erwähnten Keblkopfsab- grenzung, am niedrigsten dagegen nach dem Kehlkopfseingange zu, wo sie schließlieh ganz aufhört. Am höchsten (0,33 mm) ist das Stratum epitheliale am Rande der Larynxspalte. Im Kehlkopfsinnern selbst, wo das mehrschichtige Plattenepithel vom Cylinderepithel des Respirationstraetus abgelöst wird, beträgt seine Höhe schließlich nur noch etwa 0,08 mm. Der Papillarkörper, der alle die be- schriebenen Eigenschaften des Papillarkörpers der Mundhöhlen- schleimhaut zeigt, entspricht in seinen Höhenverhältnissen ganz dem Verhalten der Epithelschicht, so daß also auch er einwärts von der Larynxspalte immer niedriger wird und schließlich dort, wo das Cylinderepithel seinen Anfang nimmt, vollständig aufhört. Die Lamina propria der eutanen Schleimhaut ist von relativ straffem, Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 53 bindegewebigen Gefüge. Sie wird von einem feinen, elastischen Fasernetz durchflochten und enthält nur spärliche Iymphoide Ein- lagerungen. Die innere Schleimhautauskleidung des Kehlkopfes (Fig. 14) stellt eine echte Schleimhaut dar, wie sie für den gesamten Atmungs- weg charakteristisch ist. Sie gleicht in ihrer histologischen Struktur ganz der Nasenhöhlenschleimhaut, so daß ich auf deren Beschreibung (S. 28) verweisen möchte. Ihr Stratum epitheliale besteht aus mehrreihigem oder mehrzeiligem, mit Flimmerhaaren ausgestat- teten, hohen Cylinderepithel. Der Übergang dieses Epithels in das mehrschichtige Plattenepithel der eutanen Schleimhaut erfolgt einige Millimeter einwärts von der Larynxspalte in ganz analoger Weise wie an der Choanenspalte. Die Lamina propria unter dem Flim- merepithel zeigt nicht die ausgesprochen fibrilläre Struktur wie die Lamina propria des äußeren Kehlkopfsüberzuges, sondern mehr reti- eulären Charakter. Denn reichliche, leucocytäre Infiltration, in wel- cher sich dichtere, umschriebene, meist rundliche Follikel abheben, bildet hier die Grundlage der Propria. Bezüglich der Drüsen, die für den Kehlkopf in Betracht kommen, muß man nach Lage und Ausmündungsstelle zwei verschiedene Gruppen unterschei- den: 1) Drüsen, die lateral vom Aditus laryngis submucös unter der eutanen Schleimhaut liegen und auf deren Oberfliche ausmünden, und 2) Drüsen, die in der Propria der Schleimhaut des Kehlkopfsinneren sitzen und ihr Secret in das Cavum laryngis ergießen. Die Drüsen der ersten Gruppe sind in der Literatur von STANNIUS (49) und GApow (18) erwähnt. Beide führen sie als kleine, einfache Follikel zwischen der Zunge und der Gegend des Kehlkopfes auf, ohne jedoch auf die Schilderung ihres Baues näher einzugehen. Nach meinen Untersuchungen sind es submueöse Drüsen, die ihre Lage außerhalb des Kehlkopfsgerüstes, d. h. also lateral von den Cart. arytaenoideae bzw. der Cart. ericoidea haben. Dieser Lagebeziehung entsprechend könnte man sie nach der von mir bis jetzt gebrauchten Benennungsweise, welche auf die knöcherne Grund- lage der Fundgegend der Drüsen Rücksicht nimmt, als Gl. erico- arytaenoideae bezeichnen. Lateral vom oralen Teile der Larynxspalte (Larynxspaltenan- fang) finden sich diese Drüsen ganz vereinzelt, so daß auf einem Querschnitt in dieser Gegend lateral vom Arytänoidknorpelquer- schnitt (Fig. 14 g auf Taf. III und Fig. 15 g) jederseits nur ein bis zwei Drüsendurchschnitte auftreten. Caudalwärts werden die Drüsen zahlreicher und bilden schließlich in der Gegend der Kehlkopfs- 54 Kurt Heidrich papillenabgrenzung jederseits von der Mittellinie ein zusammen- hängendes Drüsenlager, das sich auf einem Querschnitt aus zehn und mehr Drüsendurchschnitten zusammensetzt. Ihrem Charakter nach sind sie reine Schleimdrüsen von zusammengesetzt-tubu- lösem Bau und stimmen im mikroskopischen Baue vollständig mit den Drüsen des Zungengrundes überein (S. 46 usw). Die Drüsen der zweiten Gruppe haben ihren Sitz in der La- mina propria der Kehlkopfschleimhaut. Man könnte sie aus die- sem Grunde Gl. propriae laryngis nennen. Sie stellen einfache, schlauchförmige Einzeldrüsen von 0,08—0,25 mm Länge und von 0,03—0,07 mm Breite dar. An ihrem blinden Ende können die Schläuche allerdings, da sie hier oft kolbig erweitert sind, eine größere Breite erreichen. Ihre Zahl ist sehr groß. Sie erscheinen in das eytogene Gewebe der Propria geradezu eingebettet und lie- gen streckenweise ziemlich dicht nebeneinander, so daß sie oft nur 0,03—0,08 mm voneinander entfernt sind. Sie gleichen in ihrer mikroskopischen Struktur ganz den einfach tubulösen, schleimpro- duzierenden Propriadrüsen der Nasenhöhlenschleimhaut. Was die Kehlkopfsmuskulatur anlangt, so ist durch makro- skopisches Präparieren allein keine volle Klarheit über ihren Ver- lauf und ihre Insertion zu erhalten. Vielmehr muß hier die mikro- skopische Untersuchung zu Hilfe kommen. Ich bin in der Weise verfahren, daß ich von einem Hühnerkehlkopf etwa 60 Gesamtquer- schnitte herstellte, die sich in kurzen Abständen hintereinander folgten. Auf Grund der von mir ausgeführten Untersuchung ver- hält sich die Kehlkopfsmuskulatur von Gallus domesticus folgender- maßen: Für den Kehlkopf des Haushuhnes kommen im ganzen vier Paar Muskeln in Betracht. Die eigentliche Kehlkopfsmuskulatur, d.h. die Muskulatur, die am Kehlkopfsgerüste sowohl ihren Anfang, als auch ihr Ende nimmt, wird jedoch nur von zwei Paar Muskeln (Mm. erico-arytaenoid. lat. und Mm. erico-arytaenoid. med.) gebildet, während von den beiden übrigen Paaren das eine vom Kehlkopf zum Zungenbein (Mm. hyolaryngei), das andre vom Kehlkopf zum Brustbein (Mm! sternolaryngei) verläuft. A. Äußere Kehlkopfsmuskulatur. 1) M. hyolaryngeus (Kehlkopf-Zungenbeinmuskel, von GURLT [23] als Schild-Zungenbeinmuskel und von GEGENBAUR [20] als M. hyo- trachealis bezeichnet) entspringt an der ventralen Fläche des Larynx, Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 55 zum Teil auch noch am Tracheaanfang und verläuft, mit der der andern Seite in der Mittellinie zusammenstoßend, oralwärts zur dor- salen Fläche des Zungenbeinkörpers, wo er sich kurz vor dem M. mylohyoideus inseriert. Seine Funktion besteht im wesentlichen darin, Zungenbein und Kehlkopf einander zu nähern, d. h. bei fest- gestelltem Kehlkopf das Zungenbein herabzuziehen oder bei fixiertem Zungenbein den Kehlkopf heraufzuziehen. 2) M. sternolaryngeus (von GurLrT [23] als M. sterno-tra- chealis s. sterno-thyreoideus angeführt) kommt aus der Brusthöhle herauf, wo er am Seitenfortsatze des Sternums entspringt, begleitet die Luftröhre nach oben, lateral vom M. sterno-hyoideus verlaufend, bis zum Larynx und befestigt sich hier an dessen ventraler Fläche. Er dient zum Herabziehen und Feststellen des Kehlkopfes. B. Die eigentliche Kehlkopfsmuskulatur. 1) Der seitliche Ring-Gießkannenmuskel, M. cricoary- taenoideus lateralis, wird unter diesem Namen bereits 1847 von Gurt (23) erwähnt und als Schließer der Stimmritze bezeichnet. Von GEGENBAUR (20) wird er Verengerer der Larynxspalte genannt und als ein Muskel geschildert, der vom oberen Rande des Stell- knorpels aus nach hinten verlaufe und sich mit dem anderseitigen verbinde, somit eine Art unvollständigen Sphineter vorstelle. In den von mir hergestellten Präparaten zeigt er folgenden Faserverlauf: Am Anfang der Larynxspalte, d. h. dort, wo die beiden Ary- tänoidspangen einer Seite noch miteinander vereinigt sind, gehen seine Muskelfasern vom freien Rand des ventralen Cricoidstückes zum ventralen Rand der Cart. arytaenoidea, die sie bei Kontrak- tion ventralwärts, zum Teil wohl auch etwas einwärts ziehen. Aboral hiervon spannen sich seine Fasern zwischen den beiden, nunmehr voneinander getrennten Arytänoidspangen aus, indem sie vom dorsalen Rand der Ventralspange zum ventro-medialen Rand der gleichseitigen Dorsalspange verlaufen (Fig. 15 M.1). Ihre Funk- tion besteht mithin darin, die Dorsalspange des Arytänoids ventro- medianwärts zu ziehen und damit der der andern Seite zu nähern. Im ceaudalen Abschnitte der Cart. arytaenoidea vereinigen sich die Muskelfasern mit denen der andern Seite und bilden einen zwi- schen den Dorsalflächen der ventralen Arytänoidspangen sich aus- spannenden Quermuskel (Fig. 16 M.1), der sich aboral bis auf die dorsale Fläche des dorsalen Cricoidstückes und die Außenflächen der Cricoidseitenstücke fortsetzt. Bei der Kontraktion dieser Fasern 56 Kurt Heidrich Fig. 15. De aan - er un R2 m nn m nm - - uni ZFISrR er rzee,T Ber Querschnitt durch den Kehlkopf des Haushuhnes im mittleren Teile der Larynx- spalte (schematisch). e', e" Epithel; g Drüse; A Übergang der Schleimhaut in die Schlundkopf- seitenwand ; Ar.d dorsale, Ar.v ventrale Arytänoidspange; Cr ventrales Cricoidstück; Cr.s Cricoid- seitenstück; M1 M. cricoarytaenoideus medialis; M2 M. cricoarytaenoideus lateralis; M3 M. hyo- laryngeus. Querschnitt durch den Kehlkopf des Haushuhnes im caudalen Teile der Larynx- spalte (schematisch). Bezeichnungen wie in Fig. 15. Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 57 werden einerseits die beiden Ventralspangen des Arytänoids, ander- seits die Cricoidseitenstücke und das dorsale Cricoidstück kräftig aneinander gedrückt und auf diese Weise ein fester Verschluß des Kehlkopfseinganges bewirkt. Da dieser Muskel medial von dem nachfolgenden liegt, so möchte ich ihn nicht M. crieoarytaenoideus lateralis, sondern M. cricoarytaenoideus medialis nennen. 2) Der hintere Gießkannenmuskel (M. ericoarytaenoideus posterior) wird als Erweiterer des Kehlkopfseinganges von GURLT (23) und GEGENBAUR (20) ohne nähere Angabe seines Verlaufs auf- geführt. Da er nicht hinter, sondern lateral von dem vorigen Muskel liegt, so könnte er im Gegensatz zu diesem besser M. crieoary- taenoideus lateralis genannt werden. Er entspringt (Fig. 15, 16 M.2) an der Außenfläche der ventralen Cricoidplatte in der Nähe ihres dorsalen Randes und an der Außenfläche des Cricoidseiten- stückes und inseriert sich an der lateralen Fläche bzw. am dorso- lateralen Rande der Cart. arytaenoidea, d. h. sowohl an deren ven- traler, als auch dorsaler Spange. Seinem Faserverlaufe entsprechend, bewirkt er als Antagonist des vorigen die Erweiterung der Kehl- kopfspalte. VI. Speiseröhreneingang. An den Mund-Schlundkopfhöhlenausgang schließt sich direkt aboral von den Rachenpapillen und der Kehlkopfspapillenabgrenzung die Speiseröhre an. Da über die Speiseröhre, insbesondere des Haushuhnes, bereits mehrfache und eingehende, histologische Untersuchungen von namhaften Autoren (KAHL- BAUM [27], LevDiG [33], BARTHELS, 1895 [4], Orpeu [41], Krein [31], SCHREINER [48] usw.) vorliegen, so schien mir eine abermalige Untersuchung zunächst über- flüssig zu sein. Ich entschloß mich aber doch, eine solche der Vollständigkeit wegen vorzunehmen, wobei ich es mir besonders zur Aufgabe machte, den Oesophagusanfang daraufhin zu prüfen, ob sich bei ihm irgend- welche Einrichtungen fünden, die für das Abschlingen bzw. für die Weiterbeförderung der Nahrung aus der Mund-Schlundkopfhöhle nach dem Magen zu von Bedeutung sind. Die Innenwand der nicht ausgedehnten, in Ruhe befindlichen Speiseröhre bildet weit in das Centrum vorragende Längsfalten, die sich mit ihren freien Rändern zum Teil berühren und das Schlauch- lumen so stark einengen, daß es nur noch einen schlitzförmigen Hohlraum von unregelmäßiger Gestalt darstellt. | Bei Gallus domesticus treten meist fünf bis acht soleher Falten 58 Kurt Heidrich auf; sie liegen so nahe aneinander, daß die Zwischenräume zwischen ihnen oft nur 0,05—0,08 mm Breite haben. Tritt die Speiseröhre in Tätigkeit, öffnet sie sich also zum Durchgang von Nahrungs- mitteln, so kann ihr Lumen sich außerordentlich vergrößern. Indem sich die Falten glätten, entsteht ein einheitlicher Hohlraum, in den man bei Gallus von der Mundhöhle her bequem den kleinen Finger einführen kann. Die Wand des Oesophagus baut sich aus folgenden drei Häuten auf: aus 1) der Schleimhaut, 2) der Muskelhaut, 3) einer lockeren Faserhaut. Die Schleimhaut besteht wieder aus drei Schichten: a. Epi- thelschicht, Stratum epitheliale, b. Lamina propria, c. Muscularis mucosae. Die Epithelschicht ist bei Gallus etwa 0,3—0,9 mm hoch und setzt sich aus mehrschichtigem Plattenepithel zusammen, das in der Hauptsache aus polygonalen, infolge des gegenseitigen Druckes meist plattgedrückten Zellen besteht, ohne daß nach der Oberfläche hin eine so bedeutende Abflachung eintritt, wie man das sonst an eutanen Schleimhäuten zu sehen gewohnt ist, auch konnte ich in den oberflächlichen Schichten keine Verhornung beobachten. Die Zell- kerne sind hier klein und schmal, während sie in den unteren Zell- lagen von mehr runder Gestalt und ziemlicher Größe sind. Das bindegewebige Gerüst der Propria, das von mehr locke- rem Gefüge ist, bildet einen unregelmäßigen, aber gut entwickelten Papillarkörper und ist von einem feinen, elastischen Fasernetz durchflochten. Wie ich an den nach der WEIGERTschen Methode gefärbten Präparaten feststellen konnte, strahlen die elastischen Fasern mit zarten Ausläufern in die Papillen des Papillarkörpers aus. In den Falten steigen sie auf dem Querschnitte in ausgespro- chen longitudinaler Richtung bis zu deren Scheitel empor. — Die Propria ist weiterhin der Sitz zahlreicher Drüsen, die dem Epithel sehr nahe liegen. Sie stellen echte Schleimdrüsen von der Gestalt eines Beutelchens dar, das mit relativ langem Ausführgange durch das hohe Epithel hindurch in das Speiseröhrenlumen ausmündet. Ein solches Beutelchen, deren ich auf einem Oesophagusquerschnitt des Huhnes 20—25 zählte, ist im Durchmesser durchschnittlich 0,33—0,49 mm groß. Seine Wand wird von einer bindegewebigen, zahlreiche glatte Muskelzellen und zarte, elastische Fasern enthalten- den Kapsel gebildet, von der feine Trabekeln radiär in das Innere ziehen. Der Hohlraum des Beutelchens wird auf diese Weise in Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 59 mehrere, mehr oder weniger radiär gestellte, einfach-schlauchförmige, zum Teil auch verzweigte Nischen abgeteilt, die centralwärts in einen unregelmäßigen, gemeinschaftlichen Hoblraum sich öffnen. Das ganze Hohlraumsystem wird von einem einschichtigen, mit wand- ständigem, plattgedrückten Kerne versehenen, hohen Cylinderepithel ausgekleidet, das einer feinen, strukturlosen Membrana propria auf- sitzt. Bei den von mir angewendeten Schleimfärbungsmethoden hat dieses Epithel durchgängig in typischer Weise reagiert. Nur das Epithel der Ausführmündung, das sich aus zwei bis drei Schichten platter Zellen zusammensetzt, hat die Schleimfarben nicht auf- genommen. Die Oesophagusdrüsen sind somit beutelförmige Schleimdrüsen von zusammengesetzt-tubulösem Bau. Be- züglich ihrer Lage sei darauf aufmerksam gemacht, daß sie nie zwischen die Bündel der Muscularis mucosae hineinragen, wie KLEIN (31) angibt, wenigstens war dies in meinen Präparaten von Gallus domesticus nie der Falle Die Muscularis mucosae legt sich aller- dings oft dicht an die Drüsen an; eine Durchbohrung aber seitens der Drüsen findet nicht statt. Ich stimme in dieser Beobachtung ganz mit den Angaben RuseLis (44) überein. In der Propria treten außerdem vereinzelt diffuse, leucocytäre Anhäufungen auf. Auch ein Lymphknötchen zeigt sich hier und da. Dicht an die Drüsen angelagert, kommt bisweilen ein extra- capsulärer Lymphfollikel vor, auch sah ich innerhalb der Drüsen sogenannte intracapsuläre Lymphfollikel. Unterhalb der Drüsen folgt eine außerordentlich stark entwickelte Muscularis mucosae. Als solche wurde sie zuerst von KLEIN (31) richtig aufgefaßt und von OrrEL (41) neuerdings ausdrücklich be- zeichnet. Früher behaupteten einige Forscher (z. B. Gapow [18]), daß die Speiseröhrenmuskulatur bei den Vögeln sich umgekehrt ver- hielte wie bei den Säugern, indem nämlich die Ringmuskelschieht nach außen, die Längsschicht nach innen liege. OPrEL (41) hat jedoch in neuerer Zeit betont, daß bei den Vögeln im Prinzip die- selbe Anordnung der Muskelschichten des Oesophagus bestehe wie bei den andern Wirbeltieren. Bei den Gallinacei und andern (z. B. den Cursores und Ste- ganopodes) finden sich nämlich im Oesophagus drei Muskelschichten: eine innere Längsmuskelschicht, eine mittlere Circulärfaserschicht und eine äußere Längsfaserschicht, während bei den Columbinae usw. nur zwei Schichten: eine innere Längsfaserschicht und eine äußere Ringfaserschicht vorkommen. Die innere Längsfaserschicht 60 Kurt Heidrich faßt Orpeu (41) als der Propria zugehörig, als Museularis mucosae auf. Die andern Schichten dagegen bilden die Muscularis externa. Bei den Tauben würde mitbin die Muscularis externa lediglich aus der Ringfaserschicht bestehen, während eine äußere Längsfaser- sehicht bei ihnen vollständig fehlt bzw. zurückgebildet ist. Daß Orrers Auffassung riehtig ist, geht schon daraus hervor, daß die innere Längsfaserschicht, ganz dem Verlauf der Propria entsprechend, mit in die Falten des Oesophagus emporsteigt, während die beiden andern, der Muscularis externa zugehörigen Sehichten sich nicht in die Falten fortsetzen, sondern am Grunde derselben hinziehen. Auf dieses Verhalten möchte ich hier ganz besonders hinweisen; denn es entspricht vollständig dem Verlaufe der Museularis mucosae in der Oesophagusschleimhaut der Säugetiere. Säuger und Vögel gleichen sich in dieser Beziehung vollständig, nur mit dem Unter- schiede, daß einmal die Museularis mucosae des Säugers der Museularis externa gegenüber quantitativ sehr zurücktritt, wäh- rend sie beim Vogel sehr stark entwickelt ist, und daß zweitens die Muscularis mucosae und die Museularis externa durch reichliches, lockeres, submucöses Bindegewebe beim Säuger weiter voneinander getrennt liegen als beim Vogel, wo beide nahezu un- mittelbar aneinanderstoßen. Die Muscularis mucosae des Vogels besteht aus längsver- laufender, glatter Muskulatur, die zu größeren, durch lockere, intra- musculäre Bindegewebszüge miteinander verbundenen Bündeln an- geordnet ist. Bei Gallus hat die ganze Sehicht auf dem Querschnitt eine Stärke von 0,16—0,24 mm. Nach außen schließt sich sehr dicht an die Muscularis mu- cosae die Muscularis externa an. Beide sind durch eine nur spärlich entwickelte Submucosa, die zahlreiche, longitudinal ver- laufende Blutgefäße führt, miteinander verbunden. Die Museularis externa setzt sich bei Gallus, wie schon erwähnt, aus einer inneren Ringschicht und aus einer äußeren Längsschicht glatter Muskulatur zusammen. Diese beiden Schichten sind durch eine dünne Lage zarten, intermuseulären Bindegewebes miteinander vereinigt. Die eireulär verlaufenden Fasern sind zu größeren Bündeln gruppiert, deren vier bis sechs und mehr übereinander gelagert sind, so daß die Breite der Schicht 0,33—0,42 mm beträgt. In meinen Präpa- raten konnte ich feststellen, daß in dieser Schieht nicht alle Bündel auf dem Oesophagusquerschnitt längs getroffen, d. h. also rein eirculär Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 61 verlaufend sind, sondern daß einige Bündel einen mehr schiefen Verlauf und damit also eine mehr spiralige Anordnung zeigen. Die äußere Längsfaserschicht heftet sich durch eine ge- ringe Menge intermusculären Bindegewebes an die Cireulärschicht und zeigt auf dem Querschnitt eine Breite von 0,16—0,24 mm. Wie wir oben sahen, wies die Muscularis mucosae ebenfalls 0,16 bis 0,24 mm Stärke auf. Aus diesen Zahlenangaben ist leicht ersicht- lich, wie außerordentlich stark die Muscularis mucosae beim Huhne entwickelt ist, und es erklärt sich hieraus auch, weshalb die früheren Autoren die Muscularis mucosae nicht als solche er- kannt, sondern als eine besondere, äußere Muskelschieht betrachtet haben. Den Abschluß des Oesophagusschlauches nach außen bildet eine außerordentlich zarte und lockere, bindegewebige Hülle, die Tunica adventitia. Sie ist arm an elastischen Fasern und bietet sonst nichts Charakteristisches. Sie ist der Sitz zahlreicher größerer Blut- und Lymphgefäßstämme. An einzelnen Präparaten kann man be- obachten, wie von hier aus nach innen zu durch die Muskelschichten hindurch Blutgefäße in dem inter- und intramuseulären Bindegewebe in die Submucosa ziehen. Im Anschlusse an die Speiseröhre möchte ich die Aufmerksam- keit schließlich noch auf einen Umstand lenken, der für den Speise- röhreneingang von großer Bedeutung ist. Da dem Vogel die gesamte Pharynxmuskulatur fehlt, so konnte man die Vermutung hegen, daß am Anfangsteile des Oesophagus vielleicht Einrichtungen vorhanden wären, die hier stellvertretenderweise für die Pharynxmuskulatur eintreten. Daraufhin untersuchte ich das ganze, direkt vor dem Oesophagusanfang gelegene Schleimhautgebiet, d.h. am Fornix pha- ryngis die Schleimhaut, welche sich vom aboralen Ende der Cho- anenspalte bis zu der Rachenpapillenreihe erstreckt, am Mundhöhlen- boden die Schleimhaut, die vom Zungengrunde bis zur Kehlkopfs- papillenabgrenzung reicht, sowie die lateral hiervon gelegenen Seitenwände, indem ich sehr zahlreiche Schnitte reihenweise in Abständen von nur wenigen Mikrometern durch diese Schleimhaut- regionen legte. Bei Durchsicht der Präparate fand sich nun die Eigentümlichkeit, daß nicht etwa erst im eigentlichen Eingang der Speiseröhre die glatte Muskulatur auftritt, sondern daß sie sich be- reitsein ganzes Stück vor diesem im Bereiche der Schlund- kopfhöhlenwand findet. Diese glatte Muskulatur zeigt sich zu- erst in der seitlichen Wand der Schlundkopfhöhle in jener Gegend 62 Kurt Heidrich die ventral ungefähr dem oralen Anfang der Kehlkopfseingangs- spalte, dorsal etwa dem mittleren Drittel der Infundibularspalte ent- spricht. Die glatten Muskelfasern sind auf dem Schleimhautquer- schnitt quer getroffen, mithin längsverlaufend, einige weisen wohl auch eine mehr schiefe Richtung auf. Sie sind zu kleinen Bündeln geordnet, die anfangs noch keine zusammenhängende Schicht bilden, sondern mehr verstreut in verschiedenen Abständen voneinander liegen. Nach dem Speiseröhreneingange zu nimmt diese glatte Muskulatur bedeutend an Stärke zu. Die einzelnen Faserbündel rücken näher aneinander und formieren sich zu einer zusammen- hängenden Schicht, so daß in der Gegend des aboralen Endes der Infundibularspalte die glatte Muskulatur nicht nur in den seitlichen Wänden auftritt, sondern auch am gesamten Fornix pharyngis unter dem hier befindlichen Drüsenlager als geschlossene Sehicht hinzieht. Speiseröhrenwärts kann man beobachten, wie sich diese Schicht in die Muscularis mucosae der Speiseröhre fortsetzt. Zusammenfassung. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen lassen sich kurz in folgenden Sätzen zusammenfassen: Anatomisches. 1) Die im Mundhöhlendache des Vogels gelegene, unpaare, me- diane Nasenausgangsöffnung (Choanenspalte) zerfällt in einen vorderen-engen und in einen hinteren-weiten Teil. Bei den Gallinacei wird die Grenze zwischen engem und weitem Teile durch eine zur Choanenspalte quergestellte Reihe von schlundwärts gerichteten Hornpapillen (Gaumenpapillenreihe) gebildet. Die Gaumenpapillenreihe entspricht offenbar der Stelle, an der beim Säuger der Ursprung des Gaumensegels liegt; bei den übrigen Arten würde der Beginn der Choanen- erweiterung jene Stelle markieren. Der enge, vor der Gau- menpapillenreihe gelegene Teil der Choanenspalte ist dem harten Gaumen zuzurechnen; er stellt gleichsam die beim Vogel offen gebliebene Sutura palatina der Säuger dar. Der weite Teil der Choanenspalte dagegen entspricht den Choanen der Säuger und gehört mithin dem Cavum pharyngis an. Da die Choanenspalte in ganzer Ausdehnung in einer von den Ossa palatina gebildeten, horizontalen Ebene liegt, so liegt 2) 3) N. nen Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 63 auch der den Choanen der Säuger entsprechende Teil derselben nicht in einer senkrecht zum Gaumendach gelegenen Ebene. Die Zunge des Vogels ist an ihrem hinteren Ende von einer Anzahl schlundwärts gerichteter Hornpapillen in charakteristi- scher Weise abgegrenzt (Zungenpapillenabgrenzung). Die Mund- und Schlundkopfhöhle bilden beim Vogel infolge des Fehlens des Gaumensegels einen einheitlichen, gemein- schaftlichen Hohlraum, der nur ganz unvollständig in eine vordere Abteilung (Cavum oris) und in eine hintere (Cavum pharyngis) geteilt werden kann. Bei den Gallinacei deuten am Gaumendache die erwähnte Gaumenpapillenreihe und am Mundhöhlenboden die Zungenpapillenabgrenzung eine Trennung in Mund- und Schlundkopfhöhle an; bei den übrigen Arten geben dorsal der Beginn der Choanenerweiterung und ventral die Papillenabgrenzung der Zunge eine Grenze zwischen bei- den Hohlräumen an. Am Dache des Cavum pharyngis befindet sich eine unpaare, mediane Spalte, die Infundibularspalte; sie führt in einen triehterförmigen Hohlraum (Infundibulum tubarum), dessen Wand zwei sagittale Falten, die Plicae infundibuli, bildet. Beide Eusracnıschen Tuben vereinigen sich zu einem kurzen, gemeinschaftlichen Tubengang, der in der Tiefe des Infundi- bulums zwischen den beiden Falten ausmündet. Gegen den Speiseröhrenanfang ist die Schlundkopfhöhle beim Vogel dorsal durch eine das hintere Ende des Rachendaches begrenzende Reihe von speiseröhrenwärts gerichteten Horn- papillen (Rachenpapillenreihe) und ventral durch einen das Larynxspaltenende begrenzenden Hornpapillenbesatz (Kehlkopfs- papillenbegrenzung) deutlich abgesetzt. Das Kehlkopfsgerüst des Vogels setzt sich aus dem Ring- knorpel und den beiden Gießkannenknorpeln zusammen. Der Ringknorpel besteht aus vier, sehr frühzeitig ver- knöchernden Stücken, nämlich aus: a) dem ventralen, unpaaren Crieoidstück, b) dem paarigen Crieoidseitenstück, ec) dem dor- salen, unpaaren Cricoidstück, das sich zwischen die Seitenstücke einschiebt und an seiner oralen Fläche zwei kleine Gelenk- flächen zur Artieulation mit den Gießkannenknorpeln trägt. Jeder Gießkannenknorpel besteht aus einer ventralen und dorsalen Spange, die beide sich an ihrem oralen Ende in einem sehr spitzen Winkel vereinigen. Die ventrale Spange 64 Du es —_ — Kurt Heidrich ist an ihrem aboralen Ende gelenkig mit dem dorsalen Cri- coidstück verbunden. An seinem oralen Ende steht der Gieß- kannenknorpel mit dem ventralen Cricoidstück in lockerer, bindegewebiger Verbindung. An Kehlkopfeigenmuskeln finden sich ein medialer und ein lateraler M. eriecoarytaenoideus. Der M. ericoarytaenoideus medialis ist der Verengerer bzw. Verschließer des Kehlkopfseinganges; denn der eine Teil seiner Fasern geht vom ventralen Crieoidstück zum ventro- medialen Rande der dorsalen Arytänoidspange und zieht diese median- und kehlkopfeinwärts; der andre Teil seiner Fasern verläuft im hinteren Teil des Arytänoidknorpels quer von Ven- tralspange zu Ventralspange und bewirkt die Annäherung der beiden aneinander, mithin eine Verengerung der Larynxspalte. Der M. ericoarytaenoideus lateralis ist der Erweiterer des Kehlkopfseinganges; seine Fasern verlaufen von der la- teralen Fläche des ventralen Crieoidstückes an den dorso- lateralen Rand der dorsalen und ventralen Arytänoidspange; indem sie diese beiden nach außen ziehen, halten sie den Kehlkopfseingang für die Atmung offen. Der Kehlkopfseingang des Vogels wird durch eine einfache, unpaare, mediane Spalte (Larynxspalte) dargestellt. Diese Spalte ist viel weniger steil als der Kehlkopfseingang der Säuger gestellt, ja fast horizontal gelagert, so daß sie nach Form und Lagerichtung der Choanenspalte gleichsam angepaßt erscheint; da sie außerdem mit dem oralen Ende so nahe an die Choanenspalte herangerückt ist, daß sie geradezu die Fortsetzung derselben bildet, so ist auf diese Weise beim Vogel für die Kontinuität des Atmungsweges Sorge getragen. Histologisches. Die Schleimhaut der gesamten Mund-Schlundkopfhöhle des Vogels ist eine eutane, mit mehrschichtigem Plattenepithel und Papillarkörper ausgestattete, drüsenlose Schleimhaut. Das Epi- thel ist in seinen oberflächlichen Schichten verhornt. Die Pro- pria bildet außer den mikroskopischen Papillen an vielen Stellen noch makroskopische, speiseröhrenwärts gerichtete Papillen. Am Rande der Choanenspalte geht die cutane Schleimhaut der Mund-Schlundkopfhöhle in die echte Schleimhaut der Nasen- höhle und am Larynxspaltenrande in die echte Schleimhaut Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 65 der Kehlkopfshöhle über, Diese echte Schleimhaut trägt das für den Atmungsweg charakteristische, mehrreihige, flimmernde Cylinderepithel; sie bildet keinen Papillarkörper, enthält aber in ihrer Propria Drüsen. Die Submucosa der Mund-Schlundkopfhöhlenschleimhaut des Vogels ist der Sitz zahlreicher Drüsen. Beim Haushuhne finden sich: R) a. am Gaumendach vor der Choanenspalte die paarige Gl. maxillaris monostomatica; b. zu beiden Seiten der Choanenspalte die medialen (mit etwa 120 Öffnungen) und lateralen (mit etwa 35 Öffnungen) Gl. palatinae; c. am Rachendache zu beiden Seiten der Infundibularspalte die Gl. sphenopterygoideae (mit etwa 50 Öffnungen); d. am Mundhöhlenboden vorn in dem von den beiden Unter- kieferästen gebildeten Winkel die paarige Gl. submaxil- laris anterior (mit etwa 10—15 Mündungen); e. dahinter die Gl. submaxillaris posterior, die in drei Gruppen, in a) eine ventro-mediale (unter und seitlich von der Zunge gelegene, mit etwa 10—15 Mündungen), b) eine dorso-laterale (entlang der Jochleiste hinter dem Angulus oris gelegene, mit etwa 10—15 Mündungen), e) eine zwischen diesen beiden Gruppen gelegene, intermediäre (mit etwa 10—15 Öffnungen) zerfällt; f. im Zungeninnern die Gl. linguales anteriores s. orales, die aus einer vorderen und hinteren Gruppe bestehen (etwa 10—18: Öffnungen); g. am Zungengrunde die Gl. linguales posteriores s. ab- orales (etwa 100 Öffnungen); h. seitlich von der Larynxspalte die Gl. ericoarytaenoideae (S. 53); i. im Angulus oris die Gl. angularis oris monostomatica. Sämtliche Speicheldrüsen der Mund-Schlundkopfhöhle des Haus- huhnes sind reine Schleimdrüsen. Gekörnte Drüsenzellen habe ich in keiner der erwähnten Speicheldrüsen beobachten können; vor allem kommen seröse, den Parotiszellen der Säuger ähn- liche Zellen nicht vor. Na 5) Die Drüsen treten in drei verschiedenen Formen auf: Morpholog. Jahrbuch. 37. 5 66 Kurt Heidrich a. als einfache, tubulöse Einzeldrüsen (in der Propria der Nasenhöhlenschleimhaut, der Kehlkopfshöhlenschleimhaut und der Schleimhaut des gemeinschaftlichen Tubenganges); b. als blindsackähnliche, zusammengesetzt-tubulöse. submucös gelegene Drüsen, deren einfache oder am Ende mehrfach geteilte und kolbig erweiterte Drü- senendstücke (Sekundärtubuli)zum Lumen desBlind- sackes (Sammelraums) ausgesprochen radiär ange- ordnet sind (Gl. palatinae, sphenopterygoideae, submaxil- lares, linguales anteriores [vordere Gruppe], linguales poste- riores s. aborales, erieoarytaenoideae); ec. alszusammengesetzt-tubulöse,ebenfallssubmuecösge- legene Drüsen, die einen ausgesprochenen Sammel- kanal besitzen (Gl. maxillaris monostomatica, Gl. angularis oris monostomatica, Gl. linguales anteriores [hintere Gruppe)). 6) Während bei der Gl. maxillaris und den hinteren Gl. linguales 7 — anteriores die unter 5b erwähnten, zusammengesetzt-tubulösen Blindsäcke an verschiedenen Stellen des Sammelkanals ein- münden, löst sich bei der Gl. angularis oris das hintere Ende des Sammelkanals in die erwähnten Blindsäcke auf. Die Ausmündung der Drüsen auf die Schleimhautoberfläche er- folgt nicht wie bei den Säugern durch Vermittelung eines mit besonderem Ausführepithel ausgekleideten Ausführganges, son- dern in der Weise, daß das mehrschichtige Plattenepithel der Mund- bzw. Sehlundkopfhöhlenschleimhaut sich einbuchtet und unmittelbar in das seeretorische Epithel übergeht. Das Schleimepithel zeigt, je nachdem es die Drüsenend- stücke auskleidet, d. h. nur eine Funktion, die Schleimpro- duktion, vollzieht oder die Begrenzung des Sammelraumes bzw. Sammelkanals bildet, also sowohl schleimproduzierendes, als auch zuzleich ausführendes Epithel darstellt, folgende Verschie- denheiten: die Zellen der Drüsenendstücke sind je nach dem Secretionszustande von sehr wechselnder Form, ohne deutliche Abgrenzung und mit einem quergestellten, plattgedrückten, chro- matinreichen und an die Peripherie gedrängten Kerne versehen; die Zellen, die den Sammelraum begrenzen, behalten dagegen ihre regelmäßige Cylinderform mit deutlicher Begrenzung auch während der Schleimproduktion bei und enthalten einen mehr rundlichen, bläschenförmigen, chromatinarmen Kern, der zwar auch basal gelegen, jedoch nicht so stark an die Wand gedrückt ist. a ua u Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen. 67 9) In den Speicheldrüsen des Haushuhnes kommen innerhalb der Drüsenkapsel gelegene, lymphocytäre Anhäufungen, sogenannte intracapsuläre Lymphonoduli häufig vor. Besonders reich- lich finden sich dieselben in den Gl. submaxillares anteriores et posteriores. 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Infundibulum tubarum (Querschnitt) des Haushuhnes: « Ostium in- fundibuli; 5 gemeinschaftlicher Tubengang; e Plica infundibuli; d Sulcus infundibuli lateralis; e’ mehrschichtiges Plattenepithel der Rachendach- schleimhaut; e” mehrreihiges Cylinderepithel in der Infundibulumwand; e''' einschichtiges Cylinderepithel des gemeinschaftlichen Tubenganges; 9 Gl. sphenopterygoideae; m M. pterygoideus internus; ? Gl. tubariae. Tafel III. Querschnitt durch den Larynxspaltenrand des Haushuhnes: a mehrschichtiges Plattenepithel der Schlundkopfhöhlenschleimhaut; b mehrreihiges Cylinderepithel der Kehlkopfshöhlenschleimhaut; e Gl. propriae laryngis; 9 Gl. cricoarytaenoideae; g’ Ausmündung einer sol- chen; Ar.d dorsale; Ar.v ventrale Arytaenoidspange; Or Cricoid; M.1 M. cricoarytaenoideus medialis; M.2 M. cricoarytaenoideus lateralis; M.3 hyolaryngeus. Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. Von stud. med. Herbert Elias. (Aus dem I. anatomischen Institut in Wien.) Mit Tafel IV und 13 Figuren im Text. Bis auf das Werk von RogIn »Recherches anatomiques sur les mammiferes de l’ordre des chiropteres< aus dem Jahre 1881 existiert noch keine systematische Würdigung des Chiropteren-Kehlkopfes, nur hier und da finden sich in zusammenfassenden Werken, wie in Broxns Tierreich, GÖPPERT, »Über die Herkunft des WrısBERGschen Knorpels<, ALBRECHT, »Beitrag zur vergleichenden Anatomie des Säugetier-Kehlkopfes«, BARTHELS, »Über die Nebenräume der Kehl- kopfhöhle« usw. und in Untersuchungen, die sich mit andern Or- ganen der Fledermäuse beschäftigen, so in GROSSERs Abhandlung »Zur Anatomie der Nasenhöhle und des Rachens der einheimischen Chiropteren« einzelne Bemerkungen bzw. kurze Zusammenfassungen aus den Werken verschiedener Autoren wiedergegeben, die auch an geeigneter Stelle angeführt werden sollen. Rogın waren bei der makroskopischen Betrachtung dieser kleinen Objekte durch die Methode selbst Grenzen gesetzt. Vorliegende Untersuchungen können also insofern etwas Neues bringen, als es möglich war, durch die Serienschnittmethode, sowie durch die Platten- modelliermethode, hinter denen die Sektion fast ganz zurücktrat, das Thema ausführlicher zu behandeln und Details ausfindig zu machen. Und zwar soll jedem Abschnitt der mit ihm korrespondierende Teil aus der Schrift Rogıns vorausgeschickt werden, wobei allerdings Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 71 in dem Berieht über die eignen Untersuchungen der Vollständigkeit halber auch Befunde, die Rogın schon erhoben hat, wiederholt wer- den müssen. Es wurden die in frontale Schnittserien zerlegten Kehlköpfe von folgenden Arten untersucht: I. Phyliorhina. Familie Rhinolophidae. Rhinolophus hipposideros (8 Serien vom erwachsenen Tier), Rhinolophus ferrum equinum (2 Serien). II. Emballonuridae. Taphoxous mediventris, Rhinopoma microphyllum (2 Serien). III. Gymnorhina. Familie Vespertilionidae. Vesperugo noctula (2 Serien; überdies wurden von dieser Spe- cies einige Stücke [Sinus laryngeus] zur speziellen Unter- suchung des Epithels nach Versilberung in Sagittalserien zerlegt). Vesperugo serotinus, Vesperugo pipistrellus (2 Serien). Vespertilio mystacinus (2 Serien), Vespertilio murinus (2 Serien), Vespertilio Daubentonit, Plecotus auritus (2 Serien), Miniopterus Schreibersü. Außerdem wurde eine Reihe von Schnittserien durch Embryonen von Rhinolophus hipposideros, Vesperugo noctula, Vespertilio murinus und mystacinus und Meinmiopterus Schreibersit untersucht. Das Material (die fertigen Sehnittserien) und die Überlassung des Themas danke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dozenten OÖ. GROSSER, dem ich hier wie dem Vorstande des Instituts, Herrn Hofrat E. ZUCKERKANDL, für ihre stete bereitwillige Unterstützung und Unterweisung meinen aufrichtigsten Dank sage. Phyllorhina. Familie Rhinolophidae. Über diese sagt Rosın: Le larynx des Rhinolophes differe de eelui des Vespertilions, en ce qu’il est plus court et plus fortement 723 Herbert Elias musele, mais surtout par la presence de trois ampoules cartilagineuses tracheennes. La portion posterieure du cartilage thyroide est beaucoup plus reduite, et n’est plus developpee en forme d’aile; la corne inferieure, assez elargie et souvent ossifiee, continue la direction de la portion anterieure; la corne superieure est tres etroite et reduite & une petite tige reetiligne. Le bord inferieur du cartilage presente sur la ligne mediane une Echancrure limitee par deux petites saillies. Le cartilage ericoide, tres &troit en avant, est, au contraire, tres elargi en arriere et porte une carene verticale extr&mement saillante. La plus grande partie du ericoide, de möme que les cornes inferieures du thyroide, est souvent ossifiee. Les cartilages arytenoides sont eux-m@mes beaucoup plus volumineux que chez le Murin; ils portent deux apophyses qui se reneontrent sur la ligne mediane au-dessus du chaton du erieoide. Leur extremite superieure est surmontee par un cartilage de SANTORINI qui souleve le bord de la glotte et forme presque, avee son congenere, une £Epiglotte posterieure telle que celle que nous allons trouver chez quelques Roussettes. Les muscles du larynx sont extr&mement puissants, comme le montre le developpement de leurs surfaces d’insertion; les thyro- arytenoidiens sont en partieulier enormes. Les erico-thyroidiens re- crouvrent entierement la membrane crico-thyroidienne qui n’est plus elastique. Immediatement au-dessous du cartilage cerieoide se montrent deux grosses ampoules eartilagineuses spheriques, accolees l’une & l’autre en arriere, assez &ecartees en avant, leur cavite s’ouvre lar- gement dans le larynx. Au premier abord, il est diffieile de recon- naitre si elles appartiennent au cartilage ericoide ou au premier cartilage trachden; cependant leur mobilite par rapport au erieoide rend la seconde hypothese plus vraisemblable. Une troisieme ampoule impaire, situ&e immediatement au-dessous des premieres, est presque entierement close et s’ouvre dans la trachee par un orifiece &troit situe au niveau du quatrieme anneau; sur tout le reste de son &tendue, elle est simplement accolee & la trach&e et lui est seulement reliee par du tissu conjonetif. Cette derniere ampoule est eartilagineuse dans ses parties laterales, fibreuse dans la region mediane. Les trois ampoules existent egalement developpees aussi bien chez la femelle que chez le mäle. Les ampoules paires dues ä une modification du premier anneau Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 73 de la trachee ne me paraissent avoir d’analogue connu dans aucun autre groupe de Mammiferes. Quant ä l’ampoule impaire ouverte au niveau du quatrieme anneau de la trachee et reliee sur toute son etendue A ce tube par du tissu conjonctif, elle est absolument comparable au sac tracheen deerit par M. ALpH. MiLnE-EDWARDS chez les Lemuriens du genre Indris. Cependaut au lieu de des- cendre le long de la trachee ä partir de son point d’insertion, elle remonte vers le larynx et, ce qui est plus important, ses parois sont en grande partie cartilagineuses, tandis que chez l’Indris elles sont entierement membraneuses et susceptibles d’etre comprimees par la contraction des fibres inferieures du muscle constrieteur du pharynx. Rhinolophus hipposideros. Das Thyreoid (Textfig. 1) besteht aus zwei durch eine ver- schmälerte Brücke verbundenen Platten, die ventralwärts und cranial- wärts convergieren. Unterhalb dieser Brücke findet sich an dem caudalen Rand des Knorpels ein ziemlich tief gehender Einschnitt, Fie. 1. Artth-hy. 5 Thyreoid und Epiglottis von Rhinolophus hipposideros, von der rechten Seite gesehen, nach einem Plattenmodell. Vergr. 30. Art.th.-hy. Articulatio thyreo-hyoidea ; Ca.W. Cartilago Wrisbergi; Co.i. Cornu inferius des Thyreoids; Co.s. Cornu superius des Thyreoids; Ep. Epiglottis; J.th.inf. Inceisura thy- reoidea inferior, den schon Rogın beschrieben hat (Ineisura thyreoidea inferior, 1.th.inf). Diese mediane Ineisur wird von zwei seitlichen, flacheren Ausschnitten durch zwei Tubereula getrennt, die den Musculi thyreo-arytaenoidei laterales als Ansatzpunkt dienen. Das Cornu superius des Thyreoids verläuft nach oben und vorn 74 Herbert Elias und legt sich an das Cornu majus des Zungenbeins innig an. Ein Gelenk ist zwischen den beiden nicht ausgebildet; an manchen Schnitten scheint der Knorpel des Thyreoids in die knorpelige Spitze des Hyoids kontinuierlich überzugehen. Das Cornu inferius ist dick und plump, verläuft nach rück- wärts und unten und ist gegen den Körper des Schildknorpels nicht deutlich abgesetzt. Das Thyreoid besteht vollständig aus hyalinem Knorpel. Fig. 2. _ Pventr. 1.TrR. Das Criecoid und das rechte Arytänoid von Rhinolophus hipposideros, von der rechten Seite gesehen, nach einem Plattenmodell. Vergr. 30. Ca.Sant. Cartilago Santorini; Ch.voc. Chorda vocalis; Or.med.p. Crista mediana posterior; F.art.thyr. Facies articularis thyreoidea; Kn.Br. Knorpelbrücke zwischen dem Knorpelstab und der Pars dorsalis; KAn.St. Knorpelstab; P.ventr. Pars ventralis; Proc.dors. Pro- cessus dorsalis; Proc.musc. Processus muscularis; 2.Tr.R. erster Trachealring; v.Pl. vordere Platte des Cricoids. Das Cricoid (Textfig. 2—5) besteht aus einem seitlich zusam- mengedrückten Ring, der vorn und hinten eine Platte trägt. Die hintere Wand des Ringes steht schief zur Achse des Kehlkopfes, die obere Apertur ist daher doppelt so lang als die untere und nur ihr vorderer Teil, die Glottis vocalis, liegt in der Fortsetzung der Trachea, während der Zugang zur Glottis respiratoria dorsalwärts abbiegt. Die hintere Platte ist so mächtig, daß sie mehr als die Hälfte Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 75 der Länge des Kehlkopfes einnimmt. Ihre dorsale Fläche zeigt eine sehr stark vorspringende mediane Crista und seitlich davon zwei Gruben für die Museuli erieo-arytaenoidei posteriores. Lateralwärts läuft die Platte jederseits in zwei kräftige Fortsätze (Processus articu- lares) aus, die verhältnismäßig weit ausladen und sich mit dem Cornu inferius des Thyreoids verbinden. Die Verbindung erfolgt nur zum Teil gelenkig, indem der Gelenkspalt nieht durchgreift, sondern der größte Teil der Verbindung durch Verschmelzung der beiden Peri- ehondrien hergestellt ist. Durch den großen Querabstand der bei- den Thyreo-Crieoid- Gelenke ist ein ver- hältnismäßig großer Spielraum zwischen Thyreoid und Cri- coid bzw. Arytänoid gegeben. Die vordere Platte liegt in der Ebene des Ringes, also senkrecht zur Achse des Kehl- kopfes, und steht an der caudalen Seite mit dem er- sten Trachealring durch einen Knor- pelstab in der Me- dianlinie in konti- nuierlichem Zusam- Das Crieoid und Arytänoid von Rhinolophus hipposideros, von oben menhang (Textfig. 2 gesehen, nach einem Plattenmodell. Vergr. 30. Ca.Sa. Cartilago . Santorini; Ch.voc. Chorda vocalis: Cr.med.p. Crista mediana posterior und 4. Z i Ä t p s h ) i . be den des Cricoids; An.St. Knorpelstab, Verbindungsstück zwischen Pars Seiten dieses Knor- dorsalis und ventralis des Arytänoids; Pwentr, Pars ventralis des ‚ Arytänoids; Pr.a. Processus articularis des Cricoids; Pr.mu. Pro- pels sinkt a rechts cessus muscularis des Arytänoids; Verw. Verwachsungsstelle der und links Je eine Processus dorsales des Arytänoids; v.Pl. vordere Platte des Cricoids. Grube ein, die zum Ansatz eines Teils der Museuli erieo-thyreoidei (Pars caudalis) und der Musculi erico-arytaenoidei laterales dienen. Für die Pars cera- nialis des Musculus crico-thyreoideus hat die vordere Platte an der eranialen Fläche eine tiefe und breite Ansatzgrube. Der dorsale Teil des Ringknorpels ist verknöchert. 76 Herbert Elias Die Membrana crico-thyreoidea enthält, wie im Gegensatz zu Rogın festgestellt werden konnte, namentlich in der Nähe des Cri- coids elastische Fasern in reichlicher Menge. Die Cartilago arytaenoidea (Textfig. 2—5 und Taf. IV Fig. 1) zerfällt in zwei Hauptabschnitte, einen dorsalen und einen ventralen. Von diesen ist der dorsale Abschnitt ein langgestrecktes, ziemlich zartes Gebilde, dessen Achse gegen die Kehlkopfachse der- art schräg gestellt ist, daß sie caudal und lateralwärts abweicht. Diese Achse geht durch den Processus muscularis des Knorpels, der als langer, schmaler Fortsatz ausgebildet ist. Nebst diesem Fort- satz trägt der dorsale Abschnitt noch einen gleichfalls schlanken Processus dorsalis, an seinem eranialen Ende den SANTorINIschen Knorpel, an seiner basalen Fläche die Gelenkfläche für das Cri- coid, während die hintere und die laterale Fläche, die durch eine ziemlich scharfe, in den Processus muscularis übergehende Kante getrennt sind, als Gruben zum Ansatz von Muskulatur ausgebildet sind. Die Arykrorpel sind durch ihre Processus posteriores mitein- ander verwachsen, was auch schon GROSSER erwähnt hat, doch sind individuelle Schwankungen zwischen 120 und 60 u in der Dicke der Verbindungsbrücke der beiden Aryknorpel zu beobachten. Diese Verwachsung ist schon bei einem Embryo von 11!/, mn Scheitel- Steißlänge vollständig vollzogen. Die dem Crieoid zugewendete Gelenkfläche des Arytänoids ist nicht durchwegs in das Gelenk selbst einbezogen; der caudale Teil dieser Fläche liegt außerhalb der Gelenkkapsel. Die Kapsel selbst ist schwach und läßt größere Exkursionen der Knorpel nicht zu. Die Cartilagines Santorini bilden kleine, dem Aryknorpel aufsitzende Körperchen, wobei die Perichondrien der beiden Knorpel kontinuierlich zusammenhängen. Ihr craniales Ende ist bereits von Drüsengewebe, welches den Kehlkopfeingang umgibt, durchsetzt. An der ventralen Kante des Knorpels liegt zunächst ein stäb- chenartiges Skeletstück, welches mit der Pars dorsalis durch einzelne Knorpelbrücken verbunden ist, und ventral von diesem Stäbchen ein faserknorpeliges Element, ungefähr in der Form einer Halbkugel- schale, die mit dem eben genannten Knorpelstab gleichfalls durch knorpelige Brücken in Verbindung steht. Diese beiden Stücke können zusammen als Pars ventralis des Aryknorpels unterschie- den werden (Textfig. 2—4, Taf. IV Fig. ]). In ihrer histologischen Zusammensetzung zeigt sich ein grund- Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. Ti legender Unterschied zwischen Pars dorsalis und ventralis. Wäh- rend die Pars dorsalis im wesentlichen aus hyalinem Knorpel be- steht und nur an ihrer ventralen Kante in geringem Ausmaße eine Auflagerung von sehnenartigem Gewebe zeigt, besteht die Pars ven- tralis größtenteils aus diesem Gewebe. Es erscheint auf dem Sehnitt als ein diehtes, intensiv mit Eosin färbbares Geflecht von leimgeben- den Bindegewebsbündeln ohne Beimengung elastischer Fasern. Hya- liner Knorpel bildet nur den axialen Teil des vorgenannten Knorpel- stäbehens, den medialen Pol der Pars ventralis (Taf. IV Fig. 1) und die Verbindungsbrücken sämtlicher drei Teile. Den Hohlraum der Pars ventralis nehmen Drüsen ein, deren Ausläufer in Fig. 1 auf Taf. IV noch zu sehen sind; auch die Pars dorsalis zeigt etwa in der Mitte ihrer Höhe einen centralen Hohl- raum, der sich gegen die mediale Seite hin öffnet, und in dem neben lockerem Bindegewebe Gefäße und Nerven liegen. An der Pars ventralis setzt sich außer einem an der freien Kante des Stimm- bandes verlaufenden Faserstrang, der Chorda vocalis (siehe später), noch der Museulus vocalis an, während andre Muskeln fehlen. Die Pars ventralis ist somit einer ventralwärts gerichteten Zugwirkung ausgesetzt, die nur durch die Verbindungsbrücken mit der Pars dor- salis auf diese übertragen werden kann. Auffallend ist, daß diese Verbindungsbrücken verhältnismäßig nur schwach ausgebildet sind. Die Art der Übertragung des Stimm- bandzuges von der Pars ventralis zur Pars dorsalis war daher nicht vollkommen befriedigend aufzuklären. Es könnte immerhin fraglich erscheinen, ob diese hier zum Ary- knorpel gerechnete Pars ventralis wirklich demselben zuzuzählen oder als besonderes Skeletelement, etwa als Sesamknorpel des Stimmbandes aufzufassen sei. Doch spricht der Umstand, daß der Musculus vocalis sich an dem Skeletstück ansetzt, ohne dorsal von demselben eine Fortsetzung zu finden, dafür, daß das Stück wirk- lich zum Aryknorpel selbst zu rechnen ist. Es würde einem abge- gliederten und durch sehnige Auflagerungen vergrößerten Processus vocalis entsprechen, über dessen Funktion noch bei der Beschreibung der Muskeln einiges nachzutragen sein wird. Die dorsale Kante des Aryknorpels ist mit dem Rand der Crista mediana des Cricoids durch ein starkes Ligament verbunden, wel- ches die seitlichen Exkursionen beschränkt. Ventral vom Aryknorpel liegen in der Plica ary-epiglottica ein- zelne, anscheinend von der Epiglottis abgesprengte Knorpelkerne 78 Herbert Elias die wohl nach Görrerr als WrisBerssche Knorpel anzusprechen sind (Textfig. 1). In dem dem Modelle zugrunde gelegten Falle finden sich in der linken ary-epiglottischen Falte zwei und in der rechten ein solehes Knorpelstückchen. Die Epiglottis (Textfig. 1) nimmt von drei Seiten an der Be- grenzung des Cavum laryngis teil: von vorn und von beiden Seiten. Es wäre vielleicht zweckmäßig, an der Epiglottis nach ihrem histo- logischen Aufbaue zwei Abschnitte zu unterscheiden, einen cranialen und einen caudalen; der ceraniale überragt in der Seitenansicht das Thyreoid, der caudale ist in den Winkel des Thyreoids eingebettet. Der erste Abschnitt besteht aus Knorpel, ist schlanker, sein Rand ist durch zwei seitliche Einschnitte zu drei Zipfeln geformt; die zwei seitlichen Zipfel stehen vertikal, der mittlere Zipfel ist horizontal nach vorn umgebogen. Im plumperen caudalen Teil ist der Knorpel größtenteils durch Drüsengewebe verdrängt, nur die dem Lumen zugekehrte Fläche wird von einer dünnen Knorpelplatte gebildet. Über die histologische Beschaffenheit der Epiglottis hat jüngst Grosser im Centralblatt für Physiologie einige neue Angaben gemacht. Danach finden sich Stellen an der Basis der Epiglottis, die mit Orcein keinerlei Reaktion geben, von elastischem Gewebe also frei sind, während im freien Teil der Epiglottis an verschiedenen Stellen Fasern von dem Periehondrium der einen Seite zu dem der andern Seite übertreten. Als rein hyalin ist die Epiglottis der Rhinolophiden somit nicht zu bezeichnen. Die Knorpelzellen sind durchwegs fetthaltig. Das Hyoid. Der Zungenbeinkörper hat eine dreieckige, schild- förmige Gestalt. Die Spitze des Dreiecks ist caudalwärts gewendet, an der Grundfläche des Dreiecks ist der Körper buckelförmig auf- getrieben. Der Körper des Zungenbeins ist vollständig verknöchert. Die großen und kleinen Zungenbeinhörner ziehen ungefähr in gleicher Richtung in flachem Bogen nach oben und rückwärts. Das Cornu majus liegt caudalwärts, ist von den Seiten flachgedrückt und artieuliert an seinem eranialen Rand mit dem Cornu superius des Thyreoids; das letztere ragt also an der medialen Fläche des großen Zungenbeinhorns bis an dessen cranialen Rand hinauf. Von hier zieht das Cornu majus, noch seine Richtung fortsetzend, ein gutes Stück als spitzer Sporn nach rückwärts. Was vor der Artieulations- stelle liegt, ist knöchern; der Sporn ist knorpelig. Knorpelige Kehlsäcke (Textfig. 4 und 5) trägt die Trachea Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 79 an ihrer dorsalen Seite drei, einen unpaarigen weiter caudal, zwei paarige weiter cranial. Der unpaarige steht mit der Trachea nicht in seiner ganzen Ausdehnung, sondern nur in seinem cranialen Abschnitte in Kom- Erklärung der Fig. 4. Der Kehlkopf von Rhinolophus hipposideros, nach Entfernung des Thyreoids der Epiglottis und des Hyoids, von vorn und unten gesehen, nach einem Plattenmodell. Vergr. 20. Ca.Sant. Cartilago Santorini; Ch.voc. Chorda vocalis; p.8b. paarige Schallblasen; Pwentr. Pars ven- tralis; Proc.art. Processus articularis; Proc.musc. Processus muscularis; «p.Sb. unpaare Schallblase v.Pl. vordere Cricoidplatte; Verw. Verwachsungsstelle der Processus dorsales der Aryknorpel. Erklärung der Fig. 5. Cricoid und Arytänoid mit den Schallblasen und dem obersten Teil der Trachea von Rhinolophus hipposideros, von hinten gesehen, nach einem Plattenmodell. Vergr. 25. Cr.med.p. Crista mediana posterior; p.Sb. paarige Schallblasen; Proc.art. Processus articularis; Proc.dors. Pro- cessus dorsalis; Proc.musc. Processus muscularis; 2.80. unpaare Schallblase. munikation; immerhin ist diese ziemlich weit (vgl. Ross). Die dor- sale Wand der Blase besteht nicht bloß aus Knorpel, sondern ist in der Medianebene und auch auf jeder Seite an einer umschriebenen Stelle aus Bindegewebe gebildet. Die erste Tatsache beschfeibt schon RogIn. Die Schallblase ist von rückwärts etwas flachgedrückt. Die Perichondrien der Kehlsackknorpel sind mit denen der Tracheal- . 80 Herbert Elias ringe verbunden. Gegen das craniale Ende läuft die Schallblase in zwei Divertikel aus, welche sich seitlich an die Trachea anlegen. Von den paarigen Blasen ist jede einzelne fast um das Dop- pelte größer als die unpaarige, der sie mit ihrem hinteren Ende ganz nahe kommen. Es sind zwei ovoide Gebilde, die vorn etwas stumpfer als rückwärts enden und dorsal vom Cricoid, vom ersten, zweiten und dritten Trachealring liegen. Auch hier besteht eine weite Kommunikation mit der Trachea. Stellenweise sind die Knorpelsäcke mit den Cricoid- und den Trachealringen bindegewebig verwachsen. Von diesen Ringen ist der erste und zweite nicht voll- ständig, sondern auf eine ventrale Spange beschränkt. Der Knorpel der rechten Blase zeigt am Modell seitlich eine Lücke, die durch Bindegewebe geschlossen wird. Dorsal wird der Hohlraum durch die Platte des Ringknorpels geschlossen. Bei einem Embryo von 111/, mm Scheitel-Steißlänge sind diese Knorpelblasen schon ganz deutlich ausgeprägt. Muskeln (vgl. Taf. IV Fig. 1). Es ist klar, daß ein verhältnis- mäßig so schweres Cricoid einen kräftigen Muskelapparat besitzen wird. So ist auch der Musculus cerico-thyreoideus außerordent- lich stark entwickelt. Er setzt sich einerseits an den eaudalen Teil des Thyreoidbogens, anderseits mit je einem Kopf an der caudalen und ceranialen Fläche der vorderen Üricoidplatte an. Die Musculi erico-arytaenoidei posteriores sind außer- ordentlich kräftig. Sie entspringen in den Gruben der hinteren Ringknorpelplatte zu beiden Seiten der Crista mediana und setzen sich an der medialen Seite des Processus muscularis der Arytaenoide an. Die Fasern des Muskels verlaufen größtenteils miteinander und zur Achse des Kehlkopfes parallel, so daß die Wirkung des Muskels hauptsächlich darin bestehen wird, die untereinander mit ihren Pro- cessus posteriores verschmolzenen Aryknorpel gemeinsam um eine horizontale Querachse zu rotieren. Der starke Musculus crieo-arytaenoideus lateralis zieht von der lateralen Fläche der Pars dorsalis zur Facies caudalis der vorderen Cricoidplatte und zu den Seitenflächen des Ringes. DerMuseulusinterarytaenoideus istverhältnismäßig schwach, er verbindet die dorsalen Flächen der beiden Aryknorpel und be- sitzt in der Medianebene eine Raphe. °Der Musculus thyreo-arytaenoideus ist in einen Musculus thyreo-arytaenoideus lateralis und einen Musculus vocalis (thyreo-arytaenoideus medialis) zerlegt. Von diesen ist der Musculus Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 81 vocalis verhältnismäßig schwach entwickelt; er zieht caudal vom Band- streifen der Plica vocalis (Chorda vocalis; s. u.) innerhalb des Stimm- bandes vom Thyreoid zur Pars ventralis des Arytänoids (Tafelfig. 1). Der mächtige Musculus thyreo-arytaenoideus lateralis entspringt an der lateralen Fläche der Pars dorsalis des Arytänoids vor dem Museulus erieo-arytaenoideus lateralis und inseriert an den beiden seitlichen Einschnitten der caudalen Seite des Thyreoids.. Er um- greift dabei bogenförmig die Pars ventralis des Arytänoids an ihrer lateralen Seite. Sie ist von ihm durch einen Schleimbeutel getrennt. Der Muskel wird also bei der Contraction, wenn sich der Bogen, den er in der Ruhelage beschreibt, zur Sehne streckt, die in der Konkavität des Bogens liegenden Partes ventrales medialwärts be- wegen, also zur Annäherung bringen und dadurch die Glottis vocalis schließen (Taf. IV Fig. ]). Der Musculus hyo-epiglotticus, den auch GROSSER erwähnt, zieht von der ventralen Fläche der Epiglottis in der Medianlinie zum Hyoid. Eine Übersicht über die Muskulatur ergibt, daß namentlich der Museulus erico-thyreoideus, erico-arytaenoideus posterior und lateralis und der Musculus thyreo-arytaenoideus lateralis sehr stark entwickelt sind. Diesen kräftig entwickelten Muskeln stehen aber wenig ent- wickelte und wenig exkursionsfähige Gelenke gegenüber. Die Mus- keln haben also nicht die Aufgabe, größere Exkursionen auszuführen, sondern die Knorpel zu fixieren und die Spannung der Stimmbänder möglichst zu steigern. Alle genannten Muskeln sind Spanner des Stimmbandes bzw. Verengerer der Stimmritze; auch der Musculus erico-arytaenoideus posterior, der vermöge seiner Richtung und der eigentümlichen Beschaffenheit der Aryknorpel, ihrer Verwachsung untereinander und ihrer Verbindung mit dem Crieoid (s. oben), die Pars ventralis heben und dadurch von dem Thyreoid, dem zweiten Ansatzpunkt des Stimmbandes, entfernen wird. Der im Stimmband selbst gelegene Muskel, Musculus vocalis, ist dagegen, wie ange- führt, verhältnismäßig schwach. Dies hängt wahrscheinlich mit dem Auftreten eines eignen sehnenartigen Stranges im Stimmband, der schon einmal genannten Chorda vocalis zusammen!. Dieser Binde- gewebsstrang zieht nämlich im freien Rande des Stimmbandes un- mittelbar unter dem Ansatze der Stimmmembran zum Thyreoid. 1 Die Chorda vocalis stimmt nicht ganz mit dem Ligamentum vocale andrer Säuger (OPPEL) überein, sondern stellt eine besondere Anpassungsform desselben dar. Morpholog. Jahrbuch. 37. 6 82 Herbert Elias An seiner Ansatzstelle an dem Thyreoid ist dieser Strang rot ge- färbt, vermutlich ist er hier aus besonders stark collagenhaltigem Bindegewebe zusammengesetzt. Elastische Fasern sind in ihm reich- lich vorhanden, besonders an der medialen und caudalen Peripherie. Für die Stimmbildung kommt der mächtige Spannapparat des Stimm- bandes und der schwingungsfähige Teil der Plica vocalis, nämlich die Chorda vocalis und Membrana vocalis, in Betracht. Stimmmembranen. Einer Venenklappe ähnlich sitzt unterhalb des schwach ausgebildeten Ventrieulus Morgagni dem freien Rand der Plica vocalis eine ganz dünne Membran auf (Taf. IV Fig. 1), die vom Thy- reoid über die Längenausdehnung der Pliea vocalis hinaus bis zur Pars dorsalis des Aryknorpels sich erstreckt. Das Stroma der Membran besteht aus Bindegewebsfibrillen und elastischen Fasern; das Epithel ist sehr flach, doch sieht man ganz deutlich auf der dem Lumen zugekehrten Seite der Membran die platten Epithelkerne. Auf der Plica vocalis selbst wird das Epithel rasch höher und ist im Sinus laryngis ein mehrreihiges Cylinderepithel. An den untersuchten, fixierten und gehärteten Präparaten ragt die Membran frei, in einem leichten Bogen nach außen gekrümmt, nach oben. Die Stimmbänder nehmen in dorso-ventraler Richtung an Höhe ab, und auch der Sinus laryngis, der hinten recht seicht ist, wird vorn sehr niedrig, aber dafür verhältnismäßig tiefer. Die Plica ventrieularis springt deut- lich vor, trägt aber keine Membran. An einem Embryo von 10 mm Scheitel-Steißlänge sind die An- lagen der Stimmmembranen schon deutlich zu sehen. Die Plicae ary-epiglotticae sind hoch und gehen an der dorsalen Peripherie des Kehlkopfeinganges kontinuierlich ineinander über. Nur ein kurzes Stück bleibt ohne Knorpelstütze, denn die seitlichen Teile der Epiglottis ragen weit nach rückwärts fast bis zu den Aryknorpeln, und auch dieses Stück gewinnt durch den ein- gelagerten WrISBERGschen Knorpel (s. Arytänoid) und einen an den Serien immer strotzend gefüllten venösen Sinus eine gewisse Rigi- dität. Die Plicae epiglotticae laterales fehlen. Über die Topographie des Aditus laryngis sagt GROSSER: »In den Nasopharyngealraum ist... . . der gesamte Aditus ad laryngem ziemlich tief eingeschoben. Der freie Rand des weichen Gaumens und die Arcus palatopharyngei, die an der hinteren Pharynxwand sich verbinden!, umgreifen den Kehlkopfeingang ringsum. Mit ihrem 1 GÖPPERT erwähnt eine solche dorsale Verbindung der Arcus palato- pharyngei nur für Lemur varius. Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 83 freien Rande sind die Arcus abwärts gerichtet und vermögen klappen- artig durch Anlagerung an den Kehlkopf den Nasopharynx abzu- schließen. « Die zwischen den beiden rückwärts verwachsenen Aryknorpeln ge- legene Glottis respiratoria nimmt den größeren Teil der Länge der Glottis ein, während die Glottis vocalis nur etwa 2, der gesamten Länge ausmacht. Durch die Verwachsung der beiden Aryknorpel, sowie durch das oben beschriebene Ligamentum laterale und durch die Faserrichtung der Hauptmasse des Musculus erico-arytaenoideus posterior werden wohl die Bewegungen der Aryknorpel zu- und von- einander auf ein Minimum reduziert sein. Der rückwärtige Teil der Stimmritze wird also stets offen bleiben und sich dadurch von dem vor- deren Teile, der durch die Wirkung der Musculi thyreo-arytaenoidei laterales auf oben beschriebene Art verschlossen werden kann, von der Glottis vocalis, als Glottis respiratoria unterscheiden lassen. Die Musculi thyreo-arytaenoidei laterales werden für die hin- teren Teile des Aryknorpels, statt als Adductoren zu wirken, im Gegenteil mit der Annäherung der vorderen Teile des Aryknorpels eher eine Spannung der hinteren Teile und eine Erweiterung der Glottis respiratoria herbeiführen; der schwache Musculus interary- taenoideus kann auch nicht eine wesentliche Annäherung der Ary- knorpel herbeiführen, sondern höchstens den Zug der Musculi thyreo- arytaenoidei aufheben. Auffallend bleibt dieser mangelnde Verschluß der Glottis respiratoria immerhin (mit Rücksicht auf die Stimmbildung). Die Kürze des Stimmbandes wird ebenso zur Entstehung hoher Töne beitragen, wie die erstaunliche Entwicklung der Stimmband- spanner; diese sind nämlich nicht bloß an Muskelfasern sehr reich, es ist ja auch außerdem ein neuer Spanner hinzugekommen, der Museulus crieo-arytaenoideus posterior. Somit wären die zwei Faktoren, die zum Zustandekommen eines hohen Tones notwendig sind, schon aus dem rein anatomischen Bilde abzuleiten. Die Schallblasen dürften wohl als Resonatoren wirken, also dazu dienen, die entstehenden Töne zu verstärken. Die Stimm- membranen, die allen untersuchten Mikrochiropteren zukommen, geben vielleicht der Stimme der Fledermäuse die eigentümlich rauhe, schrille Klangfarbe. Rhinolophus ferrum equinum. Das Thyreoid, das seiner Form nach im wesentlichen dem von Rhinolophus hipposideros gleicht, ist im dorsalen Teil bis nach 6* 84 Herbert Elias dem Abgang des Cornu superius vollständig verknöchert, nur an der Artieulationsstelle mit dem Cricoid ist der laterale Teil des unteren Hornes knorpelig geblieben. Außerdem ist wenigstens an der Öber- fläche des Skeletstückes vielfach Knorpel inselförmig im Knochen vorhanden. Das Cornu superius ist an seinem freien Ende lateral- wärts unter einem rechten Winkel abgeknickt und artieuliert an der dorsalen Seite des großen Zungenbeinhornes. Die Cartilago erieoidea unterscheidet sich kaum von der des Rhinolophus hipposideros. Die Cartilagines arytaenoideae bestehen wie bei Rhinolo- phus hipposideros aus einer Pars dorsalis und einer Pars ventralis, die durch ein Knorpelstäbehen miteinander verbunden sind. Sie unterscheiden sich weder in der Form noch in ihrer histologischen Beschaffenheit irgendwie von den Aryknorpeln des genannten Tieres. Nur ist der basale Teil der Pars dorsalis verknöchert. Das Hyoid entspricht in der Form bis auf kleine Unterschiede dem Zungenbein der kleinen Hufeisennase. So ist bei Khrnolophus ferrum equinum ein Stück des spornförmigen Fortsatzes des Cornu majus verknöchert. Der Fortsatz ist relativ kürzer. Das Cornu majus geht kontinuierlich knöchern in das kräftige Corpus über, das Cornu minus ist syndesmotisch angefügt. Im Bereiche dieser Verbindung ist die distale Spitze des kleinen Hornes durch eine Knorpelplatte abgegliedert. Der Epiglottisknorpel besteht aus einer breiten Platte, die sich seitlich in die Pliea aryepiglottica fortsetzt, und aus einem caudalwärts sich verschmälernden Stiel, der durch bindegewebige Stränge im Thyreoidwinkel befestigt ist. Die Platte ist nach vorn abgebogen und umfaßt so den freien Rand des Velum palatinum, wodurch sie teilweise auf die dorsale Fläche desselben zu liegen kommt. Mit Ausnahme des freien Randes und des basalen Stieles be- steht der Knorpel eigentlich aus zwei Platten, zwischen welchen sieh Drüsengewebe findet. Die Ausführungsgänge dieser Schleim- drüsen durchbrechen an verschiedenen Stellen die kehlkopfwärts ge- wendete Knorpelplatte. Die ventrale, vom Kehlkopf abgewendete ist besonders gegen den Stiel zu in einzelne Knorpelkerne zer- splittert. Im ganzen ist wesentlich mehr Knorpel vorhanden als bei Rhinolophus hipposideros. Histologisch ist diese Epiglottis dem Kehldeckel der kleinen Hufeisennase sehr ähnlich, nur etwas reicher an elastischen Fasern. Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 85 Überdies findet sich an einer Stelle gelegentlich echter elastischer Knorpel. An der ventralen Platte sitzt nämlich unterhalb der Stelle, an welcher sich der Rand des Velum palatinum anlegt, ein kleiner Höcker, welcher zum Ansatz des Musculus hyo-epiglotticus (Levator epiglottidis) dient. Seiner histologischen Struktur nach besteht dieser Höcker an einer Serie aus typischem Netzknorpel und enthält ziem- lich viel elastische Fasern. Der Netzknorpel geht einerseits in den Fettknorpel, anderseits allmählich in die Muskelsehne über. In dem hinteren Ende der ary-epiglottischen Falte liegt ein hier verhältnismäßig umfangreicher, durch Drüsen vielfach zerklüf- teter WRISBERGScher Knorpel, der im histologischen Bau mit dem Epiglottisknorpel übereinstimmt. Knorpelige Kehlsäcke. Die unpaare Knorpelblase an der Dorsalseite der Trachea zeigt wie bei Rhinolophus hipposideros an mehreren Stellen Defekte, die durch Bindegewebe geschlossen sind. Doch ist die ventrale Wand, die durch die anliegende Trachea gleichsam eingestülpt ist, bis auf die paarige Kommunikationsöffnung vollständig verknorpelt. In der lateralen Wand finden sich ziemlich ausgiebige Verknöcherungen. Zwischen der Kommunikation der unpaarigen Blase mit der Trachea und den paarigen Blasen liegen fünf Trachealringe, von denen der dritte vom Cricoid dorsal zwei bis dreimal so hoch ist als die übrigen und sich vorn in zwei Ringe spaltet. Die paarigen Knorpelblasen haben eine dünnere Wand als die unpaare; der Knorpel ist in ausgiebiger Weise durch ganz dünne Knochenplatten ersetzt, besonders an den seitlichen Teilen. Wo die Säcke mit den Trachealringen und dem Crieoid durch Bindegewebe in Verbindung treten (freie Ränder der Knorpelblasen), sind sie durch einen etwas dickeren Knorpelstreifen versteift. Das dorsale Dach bildet das Cricoid. Die Muskeln zeigen geringe Abweichungen vom Typus Rhi- nolophus hipposideros. Während bei der kleinen Hufeisennase die beiden vom Crieoid kommenden Köpfe des Museulus erieo-thyreoideus vor dem Ansatz an das Thyreoid sich vereinigen, kann man hier deutlich erkennen, daß die Pars eaudalis des Muskels sich mehr dorsal, die Pars eranialis mehr ventral an den Thyreoidbogen ansetzt. Der rechte und linke Musculus crico-thyreoideus werden vor der In- sertion am Cricoid durch eine Zwischensehne, welche selbst wieder ‘ weiteren Muskelfasern zum Ansatz dient, voneinander getrennt. 86 Herbert Elias Der Musculus interarytaenoideus ist stärker als bei Rhinolophus hipposideros. Die Stimmmembranen sind ebenso wie bei Rhinolophus hip- posideros gut entwickelt. An der Stelle, wo sie der Innenwand des Larynx aufsitzen, ist ein kleiner Bindegewebsstrang eingelagert, der sich ventralwärts mit der Chorda vocalis vereinigt, dorsalwärts ohne scharfe Grenze in das Stroma der Membrana vocalis übergeht. Auf dem Querschnitt der dünnen Lamelle läßt sich ein homo- gener, medialer, mit Orcein sich färbender Teil von einem lateralen unterscheiden, in dem ein Lymphsinus gelegen zu sein scheint. Emballonuridae. Über diese schreibt Rosı: »..... le larynx est extrömement voisin de celui des Vesper- tilionides; les cornes superieures du cartilage thyroide sont seule- ment plus reduites et plus etroites; les cartilages arytenoides sont un peu plus grands. Chez le Taphoxous melanopogon, le ericoide prend un develop- pement vertical extraordinaire, au moins en avant, oü il est aussi elev& qu’en arriere; il acquiert ainsi la forme d’un trone de cöne se eontinuant avec la trachee par sa petite base; il s’eleve jusque vers le bord du tbyroide de sorte que la membrane crieo-thyroidi- enne est presque supprimee. Les cornes inferieures du thyroide sont assez developpees; les superieures, au contraire, medioeres. Les anneaux de la trach&e sont largement interrompus en arriere, et la partie fibreuse qui relie leurs extremites est plissee et pro- bablement susceptible de se dilater au moment de la phonation du einquieme au dixieme anneau. Chez le Rhinopoma, l’organisation du larynx differe moins de celle des Emballonurides ordinaires; le cartilage ericoide est cependant deja notablement plus £troit en avant. Les cornes du thyroide sont l’une et l’autre tres reduites, surtout la superieure, qui ressemble ä celle des Rhinolophides. Les cartilages arytenoides sont assez volumineux.« Taphoxous mediventris. Das Thyreoid besitzt eine ziemlich tiefe Ineisura thyreoidea. Ihr eranialer Rand ist verdickt. Das Cornu superius ist nach vorn abgebogen und liegt in der Seitenwand der Fauces. Dieser abgebogene Teil des Cornu superius Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 87 entspricht wohl dem Processus faucium lateralis einiger Vespertilionen (s. daselbst). Das Cornu inferius zieht medialwärts und nach vorn, um sich durch sein Periehondrium mit dem Cricoid zu verbinden. Seine medialwärts gerichtete Krümmung ersetzt die so kräftigen Processus articulares der Rhinolophiden, indem dadurch der für die mächtigen Muskeln nötige Abstand zwischen Crieoid und Arytänoid einerseits und Thyreoid anderseits erhalten bleibt. An der Seite trägt die Cartilago thyreoidea eine stark vor- springende Linea obliqua, die dorsalwärts an Höhe gewinnt. Sie ist in ihrem dorsalen Anteil an ihrem freien Ende verdickt, so daß ihr Querschnitt unge- fähr die Form eines T zeigt. Das ganze Thy- reoid besteht aus Knorpel. Das Crieoid (Text- figur 6) besteht aus einem seitlich plattgedrückten Ring, der nur hinten eine Platte mit einer mächtigen Crista trägt. An Stelle der vorderen Platte, wie sie bei den Rhinolophiden zu beobachten ist, sieht man hier jederseits knapp Annähernd querer Schnitt durch den Kehlkopf von Taphozous vor dem vorderen Ende mediventris. Vergr. 15. Cr. Cricoid; M.cor.-thy. Musculus crico- des Ringes eine cranial- thyreoideus; M.ia. Musculus interarytaenoideus; Pr.mu. Pro- 2 cessus muscularis des Arytänoids; Th. Thyreoid. Unbezeichnet und ventralwärts verlau- Pharynz. fende Kante. Dorsal von dieser setzt sich ein Teil des Musculus erico-thyreoideus an. Der sagittale Durchmesser des Cricoidringes nimmt gegen die Trachea an Größe ab. Ein Schnitt durch den eranialen Teil zeigt ein Oval von viel größerem Lumen. An der Berührungsfläche des Ringknorpels mit dem Aryknorpel besteht eine größtenteils peri- chondrale Verbindung. Ein Gelenkspalt findet sieh nur im lateralen Teil der Berührungsflächen. Die Cartilago arytaenoidea. Der Processus dorsalis ist etwas nach rückwärts geneigt und in einer Breite von etwa Fig. 6. 88 Herbert Elias 100 u durch sein Perichondrium mit dem Fortsatz der Gegenseite vereint. Der Körper des Arytänoids nimmt in ventraler Richtung an Breite ab und wird zu einer starken, sagittal gestellten Knorpel- platte, in die sich von der lateralen Seite Drüsengewebe einlagert. Dadurch wird die Platte in zwei übereinander liegende Knorpel- spangen zerlegt. Die beiden Spangen sind in den einander zuge- kehrten Seiten durch das verdrängende Drüsengewebe ausgehöhlt. Die untere Spange, der Processus vocalis, wird zu einem schma- len, sagittal gestellten Knorpelblatt, von dessen medialer Fläche ein Knorpelblättchen abgeht, das sich in den caudalen Abschnitt der Stimmmembran der Plica vocalis (Membrana vocalis) einlagert. Unter seinem caudalen Rand liegt, etwas medialwärts ver- schoben, ein andres hyalines, freies Knorpelteilchen, von dem lateral der ganz schwache Musculus vocalis entspringt, wohl ein Sesam- knorpel dieses Muskels. Beide Teile enden ungefähr in der glei- chen Frontalebene. Die obere Spange zerfällt ventralwärts in einzelne (3) Knorpel- kerne, von denen der caudalste in der Plica ventrieularis liegt, und die weiter vorragen als die untere Spange. Sie entsprechen dem SANTORINISchen und wohl auch dem WrisBerGschen Knorpel. Den eranialen Kanten der Processus dorsales liegt eine kleine hyaline Knorpelplatte auf. Sie ist durch ihr Perichondrium mit den Aryknorpeln innig verbunden, läuft ventralwärts spitz zu und streckt dorsalwärts den Processus dorsales entlang zwei kurze Fortsätze aus, so daß sie ungefähr die Form eines großen griechischen 4 bildet. Die ventral gerichtete Spitze der Platte scheint sich eranialwärts etwas von der Unterlage abzuheben. An den Seiten dieses Knorpels setzt sich der Musculus interarytaenoideus an, der Knorpel ist also als Interarytänoid zu bezeichnen. Die Epiglottis zieht in einem ventralwärts stark gekrümmten Bogen von dem Thyreoid in den Nasopharynx. Sie stellt in ihrem ceranialen spitzen und von den Seiten flachgedrückten Teil eine tiefe, schmale Rinne dar, die sich in der Mitte des Kehldeckels erweitert. Hier springt der Boden der Rinne wulstförmig vor, so daß eine Doppelrinne entsteht. Das Gerüst des Kehldeckels besteht aus Faserknorpel, hyaliner Knorpel findet sich nicht vor. Die Faserknorpelschicht liegt haupt- sächlich an der dem Kehlkopflumen zugekehrten Seite der Epi- glottis, die Drüsen an der lingualen Seite. Die Drüsen entleeren Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 89 ihr Secret durch lange Ausführungsgänge, die den Faserknorpel. durchdringen, in die oben beschriebenen Rinnen. Das Knorpel- gewebe reicht bis nahe an die Basis, ist also weniger reduziert als bei den Rhinolophiden. Das Hyoid. Das große Zungenbeinhorn tritt an der caudalen Seite des umgebogenen Cornu superius des Thyreoids mit diesem in gelenkige Verbindung. Es ist deutlich ein Gelenkspalt zu beobachten, der das durchwegs knorpelige obere Schildknorpelhorn von dem an dieser Stelle mit einem Knorpelwulst versehenen, aber sonst knö- chernen Cornu majus des Zungenbeins voneinander trennt. Das knöcherne kleine Zungenbeinhorn zieht zuerst rein ventralwärts, biegt dann an einer Stelle, an der eine Knorpelscheibe eingeschoben ist, etwas medialwärts ab, ragt weit über die Frontalebene des Zungenbeinkörpers hinaus, zeigt an der am meisten ventralwärts gelegenen Stelle eine knorpelige Unterbrechung, und kehrt dann in dorso-medialer Richtung zu dem Zungenbeinkörper zurück, an den es sich knorpelig ansetzt. Muskeln. Von den Muskeln fällt der Musculus crico-thy- reoideus (Textfig. 6), der an den Seitenflächen des Thyreoids von der Linea obliqua ab entspringt, durch seine Entwicklung auf. Der größte Teil der Seitenfläche des Cricoids und selbst noch ein Teil der Crista mediana dient ihm zum Ansatz. Er bildet einen Muskel- körper von erstaunlicher Stärke. Der Musculus erico-arytaenoideus lateralis zieht von der cau- dalen Fläche des Processus museularis des Aryknorpels zur Seiten- fläche des Ringknorpels und inseriert dort an einem Streifen, der teilweise dem cranialen Rand des Ringes, teilweise der Ring- platte angehört. Auffallend schwach ist der Musculus vocalis, der von dem Pro- cessus vocalis des Arytänoids, wie erwähnt, durch Vermittlung eines kleinen Zwischenknorpels zum Thyreoid zieht; verhältnismäßig schwach ist auch der Musculus erico-arytaenoideus posterior, der mit dem Musculus interarytaenoideus zusammenfließt, und in wel- chen das Interarytänoid eingeschaltet ist. Beide Muskeln haben die Stellung der Aryknorpel zueinander zu verändern; sie entspringen hintereinander an der dorsalen Fläche des Gießbeckenknorpels, der Musculus crico-arytaenoideus posterior zieht dann zur Crista mediana, der Musculus interarytaenoideus zum Procricoid. Der Musculus thyreo-arytaenoideus lateralis zieht von dem Processus muscularis ziemlich horizontal zur inneren Seite des Thyreoids. Der Musculus 90 Herbert Elias thyreo-arytaenoideus lateralis, erieo-arytaenoideus lateralis und erico- arytaenoideus posterior haben ungefähr die gleiche Stärke. Die Stimmmembranen sind hoch und stark und zeigen, was sonst bei keinem Chiropteren-Kehlkopf zu beobachten ist, im dor- salen Abschnitt ihres Stromas eine stützende Knorpelplatte, die dem Processus vocalis des Aryknorpels angehört. Sie reicht bis an den cranialen Rand der Membranen. Die Membrana vocalis nimmt ventralwärts an Breite und Höhe ab. Sie liegt, soweit sich ihr knorpeliges Skelet erstreckt, eng der Larynxwand an im Gegensatz zu den Stimmmembranen andrer Chiropteren, die frei in das Lumen des Kehlkopfes vorragen. Weiter ventralwärts hebt sie sich etwas von der Larynxwand ab. Epithel- kerne sind an beiden freien Flächen der Membranen zu beobachten; Zellgrenzen kann man nicht unterscheiden. Der Ventrieulus laryngeus ist geräumig. Die Plica ventrieu- laris tritt sehr stark vor und trägt an ihrem Rande eine kleine Bindegewebsleiste, die man als Andeutung eines zweiten Membran- paares auffassen kann. Kehlsäcke fehlen. Das Vorhandensein eines Interarytänoids und der Bau der Plica ventrieularis sind Charaktere, durch welche Taphoxous sich den Vespertilioniden nähert. Rhinopoma micerophyllum. Die Cartilago thyreoidea besteht wieder aus zwei Spangen, die an der Vereinigungsstelle in der Medianebene an der Innenseite ein medianes Höckerchen zum Ansatz für die Stimmmembranen tragen. Die Linea obliqua ist klar ausgeprägt. Das deutlich abgrenzbare, lange Cornu superius zieht cranial- und ventralwärts und trägt an seiner vorderen und unteren Seite ein Tubereulum noch vor der Vereinigung mit dem großen Zungen- beinhorn. Die unteren Sehildknorpelhörner sind wie bei Taphoxous medial- wärts abgeknickt. Dadurch ist wieder die Articulatio erico-thyreoidea zwar mehr medialwärts gelegen als bei den Rhinolophiden, aber der große Abstand zwischen Thyreoid und Cricoid, den die kräftig aus- gebildete Muskulatur braucht, ist doch gleich geblieben. Das Thy- reoid besteht vollständig aus Knorpel. Die Ineisura thyreoidea ist tief und schmal, die Ränder sind verdiekt und springen einwärts vor. Das Crieoid. Die hintere Platte wird auf jeder Seite in dorso- ventraler Richtung von einem Kanal durchbohrt. Diese Kanäle führen Gefäße und Nerven, die von außen kommen und ungefähr Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 91 in der Mittellinie aus dem Knorpel austreten, um sich in dem dem Knorpel innen anliegenden Drüsengewebe zu verteilen. Der Crista mediana sitzt bei dem einen untersuchten Exemplar an ihrem dor- salen Rand ein kleiner Knorpelkern auf, der in der vorderen Raphe der quergestreiften Oesophagusmuskulatur gelegen ist und wohl die Funktionen eines Sesamknorpels versieht. Er dürfte in die Reihe der als Procricoide bezeichneten Knorpel- stücke (s. Übersicht) einzureihen sein. Der Processus artieularis ist nieht so mächtig ausgebildet wie bei Rhinolophus hipposideros. Das Ligamentum cerato-cricoideum posterius, welches vom Cornu inferius des Thyreoids zum Cricoid zieht, ist auffallend stark. Die Lichtung des Crieoids ist ventral weiter als rückwärts. Die vordere Cricoidplatte ist zwar ähnlich geformt wie bei Rhrnolophus, aber nicht unbedeutend kleiner. Das Crieoid besteht vollständig aus Knorpel. Eis! z Frog dors - hyal.kn. 3 Ch.voe.” # ER Pventr. Proc. muse. Linkes Arytänoid von Rhinopoma microphyllum, von außen gesehen, nach einem"Plattenmodell. ‚Der faserknorpelige Teil der Pars ventralis und die Chorda vocalis sind dunkel gehalten. Vergr. 40. Ca.Wr. Cartilago Wrisbergi; Ch.voc. Chorda vocalis; Ep. Epiglottis; Ayal.kn. hyaliner Koorpelkern der Pars ventralis; An.St. Knorpelstab, das Verbindungsstück zwischen Pars dorsalis und Pars ven- tralis; Pventr. Pars ventralis; Proc.dors. Processus dorsalis; Proc.musc. Processus muscularis. Die Cartilago arytaenoidea (Textfig. 7) zerfällt ähnlich wie bei Rhinolophiden in zwei hintereinander gelegene Abschnitte, die 92 Herbert Elias I ein Continuum bilden, aber histologisch verschieden sind. Der dor- sale Abschnitt ist ein kräftiger, plumper Knorpelkörper, der an seiner dorsalen Fläche medial den schlanken Processus dorsalis, lateral eine tiefe Grube für den Musculus interarytaenoideus trägt. An seiner ebenen caudalen Fläche und dem kräftigen Processus muscularis setzt sich der Museulus crico-arytaenoideus posterior an. Die medialwärts gerichtete Fläche ist caudal zur Articulation mit dem Cricoid etwas abgeschrägt. An dem ceranialen Teil der medialen Fläche schließt sich dem Knorpel der eng verbundene WRISBERG- sche Knorpel an. Die ventrale Fläche der Pars dorsalis zeigt eine Grube für den Ansatz des Musculus thyreo-arytaenoideus lateralis. Medial von dieser Grube geht von der Pars dorsalis ein schmaler Knorpelstab ab. Indem er sich mit einem lateral von ihm gelegenen Knorpelkern durch einen verhältnismäßig mächtigen Faserknorpel (äbnlich der Pars ventralis bei Ahznolophus hipposideros) zu einem Ganzen verbindet, entsteht die kleinere Pars ventralis. In der Fortsetzung der medialen Knorpelspange liegt die Chorda vocalis. Gleichzeitig verläuft auf der dorsalen Kante der Spange die Stimmmembran. Die laterale Fläche der Pars ventralis dient der Stimmbandmuskulatur zum Ansatz. Nicht bloß dem histologischen Aufbaue nach entspricht der eben beschriebene Knorpelabschnitt der Pars ventralis bei Rhino- lophus hipposideros, sondern auch der Lage und der Funktion nach. Wie die Pars ventralis bei Rhinolophus hipposideros, scheint er ein teilweise abgegliederter Processus vocalis zu sein, der wie dort durch die Museuli thyreo-arytaenoidei laterales einer Pelotte gleich den Schluß der Glottis vocalis besorgt. Auch bei Rhinopoma geht die Pars ventralis in einen Bindegewebsstrang über, in die Chorda vocalis, die ihren zweiten Ansatzpunkt an dem Thyreoid findet. Der WRrISBERGSche Knorpel besteht aus einer an ihrem cranialen Rande von Drüsen zerklüfteten Platte, die von der Plica ventrieularis bis in die Pliea aryepiglottica reicht und am caudalen Rand lateralwärts hakenförmig zu einer Rinne aufgebogen ist. Der Inhalt dieser Rinne besteht hinten aus Bindegewebe, in dem bald reichlicher, bald weniger reichlich Knorpelzellen eingelagert sind; vorn besteht er aus Drüsengewebe. Der eaudale Rand geht ohne Unterbrechung in die knorpeligen Ausläufer der Epiglottis über. Die plumpe Epiglottis besitzt bloß in ihrem freien Teil an der dem Kehlkopflumen zugewendeten Seite eine knorpelige Skelet- grundlage. Dieser Kehlkopfknorpel ist deutlich paarig, nur an der Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 93 Spitze hängen rechte und linke Hälfte durch eine Koorpelbrücke zusammen. Auf dieser Knorpelbrücke sitzt ein kleiner medianer Fortsatz, zu dessen beiden Seiten sich je eine seichte Ineisur des vorderen Randes findet. Die beiden Epiglottishälften sind gegen- einander in einem nach oben offenen Winkel von 90° gestellt. Gegen die Basis der Epiglottis wird der Knorpel durch Drüsengewebe zer- klüftet. In der Basis selbst findet sich bloß derbes, sehnenartiges Bindegewebe, das mit den Ausläufern des Knorpels zusammenhängt, und in welches Drüsen eingelagert sind. Besonders an der dem Ventrieulus laryngeus zugewendeten Fläche bildet dieses Bindege- webe eine kompakte Lage. Das Hyoid. Das große Zungenbeinhorn steht an seiner me- dialen Seite mit dem Cornu superius des Thyreoids in Verbindung und setzt sich von hier noch ein Stück als kleiner, am Ende knor- peliger Sporn nach rückwärts fort. Es besteht aus Knochensubstanz und bildet nahe seinem dorsalen Ende eine längliche Platte, die schräg nach außen geneigt ist. Erst vorn (ventralwärts) wird die Platte zu einem walzenförmigen Gebilde. Ihre Articulationsstelle mit dem Thyreoid liegt ziemlich hoch über dem Thyreoidkörper, von da an zieht das große Zungenbeinhorn nach außen und steil caudalwärts, bis es sich vorn unter dem Thyreoid wieder medial- wärts wendet und mit dem Corpus knorpelig verbunden ist. Das kleine Zungenbeinhorn bildet eine dünne, knöcherne Spange, welche nahe ihrem vorderen freien Ende dem Körper bindegewebig angeschlossen ist. Der Zungenbeinkörper ist nicht groß, er trägt caudalwärts eine Spitze. Die Muskeln zeigen wieder ein Überwiegen der Schließmuskeln der Glottis. Der Musculus vocalis ist mit dem Musculus thyreo- arytaenoideus lateralis und dem Museulus erico-arytaenoideus lateralis zu einer einzigen Muskelmasse verbunden, die an beiden Teilen des Arytänoids und an der eranialen Kante des Cricoids entspringt. Ein Teil des Museulus erieo-thyreoideus setzt sich an das Liga- mentum conicum an und bildet so eine muskulöse Vorderwand des Cavum laryngis. Ein eignes kleines Muskelbündel entspringt an dem eranialen Rand der dorsalen Crieoidplatte und verläuft schräg ceranio-ventralwärts zur Pars ventralis des Aryknorpels (Museulus erieo-arytaenoideus anterior). Der Musculus erieo-arytaenoideus po- sterior ist schwächer wie bei den Rhinolophiden, der Musculus inter- arytaenoideus ist mächtig entwickelt. N 94 Herbert Elias Die Stimmmembranen sind hier ebenso gestaltet wie bei den Rhinolophiden, nur etwas plumper; an der medialen Seite der Mem- bran sieht man ganz deutlich eine Reihe dunkel gefärbter Kerne, während die laterale Seite verhältnismäßig hohes Epithel zeigt. Das Stroma besteht im Centrum der Membran aus dorso-ventral verlaufen- den Fibrillen, an die sich an beiden Seiten andre Bindegewebsfasern, die der eranio-caudalen Richtung folgen, anlegen. Gymnorhina. Familie Vespertilionidae. Über diese sagt Rosın: Le larynx du Vespertilio murinus est eourt et large. Sa char- pente est formee par les cartilages ordinaires: thyreoide, ericoide, arytenoides et cartilages de Sanrorısı. Le tbyreoide rev@t une forme assez partieuliere; ehacune des deux lames qui se r&unissent pour le eonstituer peut se diviser en deux portions. L’une anterieure, assez 6troite, & bords A peu pres paralleles, s’etend obliquement depuis le corps de l’hyoide, sous lequel elle s’unit ä sa congenere, jusqu’au point oü le diametre transversal du larynx est le plus considerable; ä son extremite, elle porte un tubereule saillant sur lequel s’insere le musele sterno-thyroidien, et qui limite superieure- ment l’insertion du musele constrieteur moyen du pharynx. La por- tion posterieure qui commence en ce point est presque aussi etendue que la premiere et a la forme d’une sorte d’aile vertieale s’avangant lateralement jusque sur les cötes du pharynx; elle est constituee par Ja r&union des deux cornes thyreoidiennes, l’inferieure, qui s’ar- ticule avee le ericoide, m&diocrement developpee et assez £troite, la superieure, beaucoup plus etendue et faleiforme, articulee laterale- ment avec l’extremite de la petite corne de l’hyoide. Le cartilage erieoide est tres elev& an arriere, sa hauteur de- passe la moitie de la hauteur totale du larynx; en avant, son bord superieur est profond&ment &chanere. La face posterieure du chaton est creusee de deux fossettes ol s’inserent les muscles erico-ary- tenoidiens lateraux, fossettes separees par une crete mediane assez accusee. Les cartilages arytenoides ont la forme d’un coin, ou plutöt d’une lame quadrilatere dirigee obliquement de dehors en dedans, ä face anterieure plane, ä face posterieure tres excavee. A leur angle supero-interne est un tres petit cartilage de Santorısı. I n’existe pas de cartilage interartieulaire comme chez le H£Rrısson. Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 95 En avant, les deux lames du thyroide ne se rejoignent que sur une faible etendue; le cricoide est lui-m&me profondement echancre, de sorte que les deux cartilages laissent entre eux un large vide ferme par la membrane cerico-thyroidienne. La grande elastieite de cette membrane, jointe a l’absence de tout tissu resistant A sa surface externe, ne permet pas de la con- siderer comme un simple ligament; elle semble pouvoir jouer le röle d’un sac laryngien temporaire. En ouvrant le larynx par la face posterieure, on reconnait que ce sac temporaire est ouvert en avant et au-dessous des ventrieules laryngiens. Les ventrieules sont etroits et peu profonds, les cordes vocales inferieures un peu plus saillantes que les superieures. La partie mediane de la membrane cerico-thyroidienne: est libre, comme nous l’avons vu; ses bords eontribuent A donner attache au muscle erieo-thyroidien dont les fibres sont tres obliques de dehors en dedans. Ce muscle se divise nettement en deux faisceaux, dont 'inferieur, moins oblique, s’insere sur la corne inferieure du thyroide. Les autres musceles ne presentent rien d’important & noter, les ary- tenoidiens transverses sont fort peu developpes. L’epiglotte est tres saillante et soutenue en avant par un fibro- eartilage arrondi termine en pointe obtuse. Les bords du repli epi- glottique se prolongent jusqu’au sommet des cartilages arytenoides, formant autour de la glotte un bourrelet presque complet, une eir- convallation eontre laquelle le bord inferieur du voile du palais s’appuie d’une maniere constante, fermant completement en arriere la cavit& buccale, comme chez le Cheval ou l’Elephant. C’est cette disposition qui permet ä l’animal de tenir la bouche ouverte pendant qu’il vole sans amener de troubles dans les mouvements respiratoires. La eonstitution du larynx est la m&me chez tous les represen- tants de la famille des Vespertilionides. Chez l’Oreillard, la mem- brane crieo-thyroidienne est un peu plus developpee que chez le Murin. Vesperugo noctula. Die Cartilago thyreoidea (Textfig. 8 und 9) besteht aus zwei Platten, die durch eine schmale, an der caudalen Seite ausgeschnit- tene Brücke verbunden sind. Der längste Durchmesser dieser Platten steht schräg zur Kehlkopfachse, so daß das unpaare Verbindungs- stück der Platten vom Cricoid entfernter ist und nach Art einer Pro- tuberantia laryngea vorspringt. i 96 Herbert Elias Jede Platte trägt ein kräftiges Cornu inferius und ein breites, dünnes Cornu superius, das mit verschmälerter Basis der Platte auf- sitzt. Seitlich ist der Platte ein flügelartiger, am Rande verknöcherter Aufsatz angefügt, der in eine caudal geneigte Spitze ausläuft und einer mächtig entwickelten Linea obliqua entspricht. Das blattartig geformte Cornu superius ist stark verlängert, legt sich an die laterale Seite des großen Zungenbeinhornes und überragt dasselbe etwas nach Fig. 8. Erklärung der Fig. 8. Knorpelgerüst des Kehlkopfes von Vesperugo noctula, von der rechten Seite gesehen, nach einem Präparat. Vergr. 5. Cr. Crieoid; Cr.o. Crista obliqua; H.Pl. Hyoidplatte, dem großen Zungenbeinhorn aufsitzend; Pr.a. Processus articularis des Cricoids; P,f.l. Processus faueium lateralis; 7%. Thyreoid. Erklärung der Fig. 9. Das Arytänoid und das Cricoid von Vesperugo noctula, mit der Trachea von der rechten Seite gesehen, nach einem Präparat. Vergr. 5. Pr.a. Processus artienlaris des Cricoids; Pr.do. Processus dorsalis des Arytänoids; Pr.mu. Processus museularis des Arytänoids; Pr.Sa. Pro- cessus Santorini; Pr.ve. Processus ventricularis; Pr,vo. Processus vocalis. oben. Dieser blattartige Fortsatz, der bei andern Vespertilioniden selbständig werden kann, liegt in der Seitenwand der Fauces und kann daher als Processus faucium lateralis! bezeichnet werden. Thyreoid und Hyoid sind durch ein an elastischen Fasern sehr reiches Ligamentum hyo-thyreoideum laterale verbunden. Das Cornu inferius ist mit dem Criecoid durch eine Knorpel- scheibe verbunden, in der kein Gelenkspalt zu sehen ist. Im übrigen ! Seine Topographie s. bei GROSSER, Textfig. 9, unter Cartilago faueium lateralis. N VE Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 97 sind das Cornu inferius des Thyreoids und der Processus artieularis des Crieoids verknöchert. Wo die beiden Hälften des Thyreoids sich in der Medianebene vereinigen, ragt an der Innenseite ähnlich wie bei Rhinopoma miero- phyllum eine Leiste für den Ansatz der Ligamenta vocalia nach innen vor. An ihrer verbreiterten Basis ist sie verknöchert. Bis auf die genannten Stellen besteht das ganze Thyreoid aus Knorpeln. Das Crieoid (Textfig. 9) stellt einen hohen, caudalwärts in querer Richtung etwas erweiterten Ring dar (in diese Erweiterung sind die Trachealringe eingeschoben, Taf. IV Fig. 3) und trägt eine dorsale Platte, die nur um weniges höher ist als der übrige Ring; die vordere Platte fehlt. Der eraniale Rand des Ringes ist vorn in der Mitte ausge- schnitten und wie der Schnabel eines Kruges ausladend (vgl. Rosm). Vom verdiekten eranialen Rand der Crieoidplatte verlaufen über deren dorsale Fläche drei niedrige Leisten, eine median gelegene, welche der Crista mediana posterior der Rhinolophiden entspricht, und zwei seitliche, welche gleichzeitig den Rand der Cricoidplatte darstellen und in die Processus artieulares auslaufen. An und zwi- schen diesen Leisten entspringt der Musculus crico-arytaenoideus posterior. Die Cartilago eriecoidea ist in ihrem unteren erweiterten Teil in so dieker Schieht mit Drüsengewebe ausgekleidet, daß der untere Abschnitt des Kehlkopflumens enger als das Tracheallumen erscheint. In dem Drüsenlager finden sich große, eystenartig er- weiterte Ausführungsgänge. An ihrem oberen Rande zeigt die Ring- platte zwei abgestutzte Flächen zur Artieulation mit den Aryknorpeln. Die Kapsel des Gelenkes ist ziemlich schlaff. Der eigentliche Ring zeigt seitlich im Bereiche des Ansatzes des Museulus erico-thyreoideus eine nur durch eine Bindegewebs- platte verschlossene Lücke. Oberhalb der Crista mediana posterior, nahe dem oberen Rand des Cricoids, findet sich an einer Serie beider- seits von der Mitte ein kleiner, rundlicher Knorpelkern (Textfig. 10 und Taf. IV Fig. 2). Inwiefern er zur Procricoid-Frage in Be- ziehung steht, möge in der Zusammenfassung erörtert werden. Die Cartilago arytaenoidea (Textfig. 9) stellt eine ziemlich dünne, in sagittaler Richtung eingestellte Platte dar. Sie läßt wie- der einen seitwärts abstehenden Processus muscularis, dann einen kurzen Processus dorsalis und zwei ventralwärts gerichtete Fortsätze unterscheiden, die der Lage nach als Processus ventrieularis und vocalis zu bezeichnen sind. Das ceraniale Ende des Knorpels ist dorsalwärts abgebogen (Processus Santorini).. An dieser Stelle ist Morpholog. Jahrbuch. 37. 7 98 Herbert Elias der Knorpel von Drüsengängen mehrfach durchbohrt. Von der cau- dalen Kante des Processus vocalis teilt sich noch ein kleiner dritter Knorpelfortsatz (Textfig. 9*) ab, so daß ein Frontalschnitt gleich- zeitig drei Knorpelteile zur Ansicht bringt. Der Processus vocalis ist etwas kürzer als der Processus ven- trieularis und geht nach vorn zu aus der seitlich plattgedrückten in eine mehr drehrunde Form über. Anfangs sind die beiden Fort- sätze durch kompaktes elastisches Gewebe miteinander verbunden, mehr ventralwärts tritt an Stelle des elastischen Gewebes Drüsen- gewebe, das auch bald verschwindet, so daß die Schleimhaut dort einsinkt und den Ven- trieulus laryngis bildet. Ventral und caudal von der Spitze des Proces- sus vocalis liegt über dem Cricoid zwischen dem Musculus vocalis und der Schleimhaut ein unabhängiger klei- ner Knorpelkern, viel- leicht ein Sesamknor- pel des Stimmbandes. Die Processus dor- sales der Aryknorpel sinddurch eine schmale Knorpelbrücke (Text- Regio interarytaenoidea von Vesperugo noctula, von der dorsalen figur 10) miteinander Seite gesehen; halbschematische Rekonstruktion. Vergr. 40. . Or.med.p. Crista mediana posterior; Ja. Interarytänoid; Pr. Pro- verbunden. Cranial- ericoid; Proc.dors. Processus dorsalis; Proc.musc. Processus mus- wärts von der Verbin- eularis; Verw. Verwachsungsstelle der Processus dorsales. Fig. 10. dungsstelle liegt eine Cartilago interarytaenoidea (Textfig. 10 und 11), die nach ihrer Beziehung zum Musculus interarytaenoideus wohl als Sesamknorpel dieses Muskels aufgefaßt werden muß (s. später). Rosın hat sie übersehen; er leugnet ihr Vorkommen ausdrücklich. Auffallend ist noch ein starkes sehnenartiges, vermutlich wegen seines Gehalts an collagener Substanz sich intensiv mit Eosin rot- färbendes Ligamentum erico-arytaenoideum posterius (Textfig. 11). Die Epiglottis ist ganz von Drüsengewebe durchwuchert und zeigt außer zerstreuten einzelnen Knorpelzellen nur an ihrer dorsalen Seite eine größere Ansammlung von Faserknorpel. Hier bildet er, Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 99 von mehreren Unterbrechungen abgesehen, die ganze innere Fläche des Kehldeckels und formt sich gegen das basale Ende zu zwei Knorpelspangen, die sich mit dem Thyreoid zu beiden Seiten der Crista mediana interna bindegewebig verbinden. Das freie Ende der zu einer seichten Längsrinne geformten Epiglottis ist ein wenig ventralwärts geneigt. Das Hyoid. ‚ Der Körper des Zungenbeins besteht vollständig ‚aus Knochen. Das Cornu majus bildet an seiner dorsalen Spitze eine Knorpelplatte und trägt ventral von der Verbindung mit dem Cornu Ä Zigerap Annähernd frontaler Schnitt durch den Kehlkopf von Vesperugo noctula. Vergr. 30. Cr. Cricoid; Ja. Interarytänoid; Lig.er.-a.p. Ligamentum crico-arytaenoideum posterius; M.cr.-a.p. Musculus erico- arytaenoideus posterior; M.ia. Musculus interarytaenoideus; Ph.s. Pharynxschleimhaut; Pr.dors. Pro- cessus dorsalis; Pr.mu. Processus muscularis (des Arytänoids), superius des Thyreoids eine lange, seitlich fast senkrecht abstehende verknöcherte Platte (Textfig. 8, Taf. IV Fig. 3), an deren caudaler Fläche sich der Musculus thyreo-hyoideus ansetzt. Ventral von dieser Platte ist das große Zungenbeinhorn knorpelig. Das Cornu inferius besteht bis auf eine einzige knorpelige Unterbrechung voll- ständig aus Knochen; es legt sich nicht unmittelbar an das Corpus hyoides an, sondern wird mit demselben noch proximal von seinem freien Ende durch eine an elastischen Fasern reiche Membran ver- bunden. 7*+ 100 Herbert Elias Muskulatur (Taf. IV Fig. 5). Der Musculus erico-arytaenoi- deus posterior ist sehr kräftig; er setzt sich einerseits zwischen den erwähnten Leisten der Cricoidplatte an, anderseits an die dor- sale und caudale Seite des Processus musecularis. Noch viel stärker ist der lange Musculus erico-thyreoideus, der von der Außenfläche des Cricoids dorsal zur Innen-, ventral zur Außenfläche des Thyreoids bis an dessen ceraniale Kante hinaufzieht. Dieser Ansatz reicht weit nach vorn; der Ursprung nimmt voll- ständig die seitliche und vordere Fläche des Cricoids ein. Der Musculus interarytaenoideus ist auch kräftig entwickelt; er entspringt an der ceranialen Fläche des Processus museularis und an der lateralen Kante des Körpers des Aryknorpels. Die Muskeln beider Seiten sind eranial durch eine kräftige Sehne, in welche das Interarytänoid eingelagert ist, verbunden; dieser Teil der Verbin- dung legt sich kappenartig auf die verwachsenen Processus dorsales der Aryknorpel und verhindert ihr Auseinanderweichen. Im caudalen Abschnitt kreuzen sich die Fasern beider Seiten nach Art eines Mus- culus interarytaenoideus obliquus. Der Museulus erico-arytaenoideus lateralis, der von der caudalen Fläche des Processus muscularis zu dem seitlichen Teile des oberen Ringknorpelrandes zieht, ist gut entwickelt. Weiter ven- tral entspringen übereinander an dem Aryknorpel die beiden Museuli thyreo-arytaenoidei, der Musculus vocalis an dem Processus vo- calis, der Musculus thyreo-arytaenoideus lateralis dorso-ceranial davon am Körper des Knorpels. Beide Muskeln endigen an einer starken Sehnenplatte, der laterale früher als der mediale; diese Platte kommt an die caudale Fläche des Stimmbandes zu liegen (Taf. IV Fig. 4) und setzt sich an der Innenleiste des Thyreoids (S. 97) an. Der Musculus thyreo-hyoideus ist sehr gut entwickelt, er zieht von der Konkavität der Thyreoidplatte zum Hyoid bis zur caudalen Fläche des Processus lateralis des Cornu majus. Daß der Musculus hyo-epiglotticus gut entwickelt ist, hebt GROSSER für alle Vespertilioniden ausdrücklich hervor. Sämtliche Muskeln sind wieder sehr kräftig entwickelt, beson- ders die Spanner des Stimmbandes, der Musculus crieo-thyreoideus und der erico-arytaenoideus posterior, der auch hier kaum als Dila- tator glottidis wirkt. Die Bewegung der Aryknorpel gegeneinander ist durch die eigentümliche Gestalt des Arytänoids und durch die Art der Verbindung der Processus dorsales auf eine geringe Drehung Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 101 um die Verwachsungsstelle dieser Fortsätze zu beschränken; eine Auseinanderlegung der Knorpel ist ebensowenig möglich wie bei den Rhinolophiden. Die Stimmbänder. Die Plica vocalis geht vom Processus vo- calis ab und enthält zunächst den Musculus vocalis. Nahe ihrem vorderen Ende legt sich ein Bindegewebskörper! in sie ein, der bis zu ihrem freien Ende reicht und den Muskel caudalwärts abdrängt (s. Taf. IV Fig. 72). In der hinteren Hälfte des Stimmbandes, nahe dem Arytänoid, findet sich der bereits erwähnte kleine Sesamknorpel unmittelbar unter der Schleimhaut. Die Plica ventrieularis ist hauptsächlich durch Drüsengewebe vorgewölbt. Der Ventrieulus laryngis wird seitlich vom Thyreoid begrenzt, er reicht bis an dasselbe heran. Stimmmembranen (von GROSSER in Textfig. 9 und 23 gezeichnet) sind bei Vesperugo noctula nicht bloß an der Plica vocalis, sondern auch an der Plica ventrieularis vorhanden (vgl. Taf. IV Fig. 3 und auch Fig. 6 von Vespertilio murinus). Die Membrana vocalis sitzt dorsal dem Processus vocalis des Arytänoids auf, nimmt aber in ihr Stroma Bindegewebe und elastische Fasern auch vom Perichondrium der caudalsten Knorpelspange und aus der Substanz der Pliea vocalis auf. Die Membrana ventricularis geht von dem Processus ventri- eularis und der Pliea ventrieularis ab. Die oberen und unteren Stimm- membranen unterscheiden sich voneinander in mehreren Punkten. Die Membrana vocalis nimmt von hinten nach vorn an Höhe zu, ist höher und dünner als bei den bisher beschriebenen Tieren, besonders ihr Rand ist dünn und scharf. An den fixierten und ge- härteten Präparaten erscheinen die echten Stimmmembranen auf dem Frontalschnitt im Bogen nach auswärts gekrümmt, die ganz schmalen Ränder fast schneckenförmig eingerollt. Das Stroma besteht aus Bindegewebe mit zahlreichen, besonders längs verlaufenden elasti- schen Fasern. Die laterale Fläche wird von einer elastischen Platte gebildet, welche sich bei der Fixierung in Längsfalten legt, so daß 1 Dieser Bindegewebskörper ist nicht der Chorda vocalis der Rhinolophi- den direkt gleichzusetzen, da diese von der Cartilago arytaenoidea ausgeht, der erstere aber sich allmählich innerhalb der Plica sammelt. 2 Dieses Abdrängen des Muskels vom freien Rande des Stimmbandes er- wähnt auch ALBRECHT; allerdings steht in seinem Texte infolge eines Versehens »Taschenband« statt »Stimmband«. 102 Herbert Elias der Querschnitt der Membran eine wellige laterale Begrenzung auf- weist. Die Membrana ventricularis, die von der stark vorspringenden Plica ventricularis abgeht, ist kürzer und besonders in ihren dor- salen Teilen bedeutend plumper und niedriger. Ihre Höhe beträgt nur den vierten Teil der Höhe der Membrana vocalis. Die Mem- brana ventrieularis enthält sehr viel elastisches Gewebe und in ihrem Rand blasige Zellen. An den frontal geschnittenen Serien, die auf gewöhnliche Art mit Hämalaun und Eosin gefärbt worden waren, konnte man an den Stimmmembranen nur bei ihrem Abgang von der Larynxwand gleich an der Wurzel und dann weiterhin an der lateralen, dem Sinus laryngis zugekehrten Seite ein Epithel erkennen, während gegen den freien Rand der Membran zu diese an ihrer medialen Seite mit einer scharfen Linie, an der man keinerlei Differenzierungen wahr- nehmen konnte, abgeschlossen war. | Um auch an diesen Stellen die Epithelien zur Ansicht zu brin- gen, wurde eine Silbermethode herangezogen: Die versilberten, im Sonnenlicht reduzierten Kehlkopfhälften wurden in Paraffin einge- bettet und in sagittaler Richtung geschnitten, um tangentiale Flach- schnitte durch die Membranen zu erhalten. Es ergaben sich die Bilder eines einschichtigen Plattenepithels. Die Zellgrenzen, die durch das Silber ganz distinkt gefärbt werden, begrenzen polygonale Zellen von mannigfaltiger Gestalt und einer Größe von 10—15 u im Durchmesser (Taf. IV Fig. 5). Diese Grenzen verlaufen nicht als dunkle gerade Streifen, sondern erscheinen wie aus Punktreihen zu- sammengesetzt. Eine Serie, die frontal geschnitten wurde, also senk- recht auf die Oberfläche der Membran, zeigt die Zellgrenzen als schwarze Punkte. Bei einem Embryo von 121/, mm Scheitelsteißlänge sind die Stimmmembranen sehon als stumpfe, verhältnismäßig niedrige, in das Larynxlumen vorspringende Zapfen angelegt und besitzen ein deutliches Epithel. Zwischen Cricoid und Thyreoid befindet sich, wie schon ROBIN und OPPpEL beschreiben, ein weiter von der Membrana erico-thyreoidea gedeckter Zwischenraum; die Membran ist schlaff, in Falten ge- legt und kann offenbar während des Lebens zu einem Sack auf- gebläht werden (Saecus intercartilagineus anterior BARTELS) (Taf. IV Fig. 4). Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 103 Vesperugo serotinus stimmt bis auf einige Abweichungen mit Vesperugo noctula und mit dem noch später zu beschreibenden Vespertiio murinus überein. Das Thyreoid ist mit dem Cornu majus hyoides nur durch eine Membrana thyreo-hyoidea in Verbindung; es besitzt einen gut ausgebildeten Processus faucium lateralis. Zwischen diesem und dem Cornu majus ossis hyoidei findet sich ein kleiner accessorischer Knorpelkern (Cartilago triticea?). Die Aryknorpel sind wie bei dem später noch zu beschreiben- den Plecotus auritus miteinander verwachsen, indem die Processus dorsales caudalwärts abgebogen sind und durch eine Knorpelbrücke verbunden werden. Der Processus ventriceularis ist nach vorn zu in zwei Teile ge- spalten, von denen der eraniale dorsalwärts zurückgebogen ist. Die Cartilago interarytaenoidea besteht nur aus einigen Knorpelzellen, die in den Musculus interarytaenoideus eingelagert sind. Die Epiglottis besteht vollständig aus Drüsengewebe, nur an ihrer Wurzel zeigt sie seitlich je einen kleinen Knorpelkern, der ohne Grenze direkt in die Crista mediana übergeht, die von dem Vereinigungspunkt der beiden Thyreoidspangen nach einwärts vor- springt. Ähnlich wie bei Vesperugo pipistrellus später beschrieben wer- den wird, wölbt sich auch hier zwischen Crieoid und Thyreoid ein Saccus intercartilagineus anterior vor. Vesperugo pipistrellus stimmt fast vollständig im Aufbaue des Kehlkopfes mit Vesperugo noctula überein und unterscheidet sich von diesem nur in folgenden Punkten: An dem Thyreoid ist das Cornu superius in den Processus faucium lateralis breit fortgesetzt, mit dem Cornu majus ossis hyoidei aber nicht in direkter Berührung. Die Artieulatio crico-thyreoidea weist keinen Gelenkspalt auf. Das Cricoid zeigt an dem Ansatze des Musculus cerico-thy- reoideus wieder eine seitliche, vom Bindegewebe verschlossene Lücke. An den Aryknorpel sind die beiden Processus dorsales mit- einander verwachsen und tragen dort einen langen medianen, cra- nialwärts ragenden Zapfen (Processus medianus interarytaenoideus), 104 | Herbert Elias an dessen ventrale Seite die Cartilago interarytaenoidea zu liegen kommt (Textfig. 12). Das Cornu majus des Hyoids kommt dem oberen Rand des Thyreoids so nahe, daß es mit ihm zu artieulieren scheint. An dieser Stelle Fig. 12. besteht das große Zungenbeinhorn aus Knochen, nur an sei- ner dorsalen Spitze ist es knorpelig. Das Cornu minus ist nur durch Bindegewebe an den Zungenbeinkörper lose angeheftet. Zwischen Cricoid und Thyreoid ist der Laryngealraum sack- förmigausgeweitet. Die Regio interarytaenoidea von Vesperugo pipistrellus, von der dor- salen Seite gesehen; halbschematische Rekonstruktion. Vergr. 70. Innenwand des Sackes, Cr.med.p. Crista mediana posterior; Ja. Interarytaenoid; Proc.dors. der in weiter Kom- Processus dorsalis; Proc.med.i.a. Processus medianus interary- B : r taenoideus; Proc.musc. Processus museularis. munikation mit dem Innenraum des Kehl- kopfes steht, ist mit Pflasterepithel ausgekleidet. Er entspricht BARTELS’ Saccus intercartilagineus anterior. Im Stimmband findet sich vorn, dorsal vom Musculus vocalis, wieder ein Bindegewebskörper. Die sehr kräftige, platte Sehne des Musculus vocalis haftet an der Crista mediana der Innenseite des Thyreoids. Von den Membranen ist die Membrana vocalis sehr zart und dünn, aber ziemlich hoch. Den Plicae ventrieulares sitzen je zwei kurze und dünne Mem- branen auf, die in ihrem dorsalen Teil selbständig nebeneinander in das Kehlkopflumen vorragen, während weiter ventralwärts die niedrigere und kürzere craniale von der stärkeren und höheren cau- dalen abgeht. -Proc.med.i.a 1 Dieser Zapfen findet sich in einem bestimmten Entwicklungsstadium auch bei den andern untersuchten Vespertilioniden, auch da, wo er später wieder verschwindet (Vesperugo noctula, Vespertilio mystacinus, Miniopterus), und steht von Anfang an mit den Arytänoiden in kontinuierlichem knorpeligem Zusammen- hange. Eu 2 Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 105 Vespertilio mystacinus. Das Thyreoid gleicht dem von Vesperugo noctula bis auf ge- ringe Veränderungen. Das Cornu superius ist in einen sehr langen, ventralwärts rei- chenden Processus faueium lateralis ausgezogen. Etwa in der Mitte ist diese Platte mit dem dorsalen Ende des Cornu majus hyoides direkt knorpelig verbunden, ohne daß eine Abgrenzung dieser Teile möglich wäre. Am ventralen Ende spaltet sich der Knorpel in mehrere Ausläufer, die bis an die Gaumentonsille heranreichen !. Alle andern Details, Crista mediana, Crista obliqua usw. verhalten sich so wie bei Vesperugo noctula. Das Cricoid entspricht fast vollkommen dem Ringknorpel bei Vesperugo noctula;, nur wird der Knorpel dort, wo sich die Platte an den Ring ansetzt, recht dünn, ja an einer Stelle nahe dem unteren Rand fehlen die Knorpelzellen vollständig. Die Delle an der Innenseite der Ringplatte und die Leisten an ihrer Rückseite sind nicht vorhanden. Die Cartilagines arytaenoidei sind syndesmotisch mit dem Crieoid verbunden. Sie unterscheiden sich nur in wenigen Punkten von den entsprechenden Knorpeln bei Vesperugo noctula. So sind die verwachsenen Processus dorsales eranial- und ventralwärts auf- gebogen. In ihrer Konkavität liegt ventral von ihnen die Cartilago interarytaenoidea. Sie ist in die Sehne des Musculus interary- taenoideus eingelassen. Ventralwärts spaltet sich auch bei Vespertilio mystacinus der Aryknorpel in den Processus vocalis und ventrieularis. Der Körper des Aryknorpels reicht bis in die Plica aryepiglottica (Cartilago Santorini). Die Epiglottis unterscheidet sich gar nicht von dem Kehl- deckel bei Vesperugo noctula. Das Hyoid verhält sich in allen seinen Teilen wie die ent- sprechenden Teile bei Vesperugo noctula. Das Corpus hyoides ist auch hier vollkommen verknöchert, das Cornu majus, das sich mit seiner eranialen Kante dem Cornu superius des Thyreoids anschließt, besteht ebenfalls bis auf eine knorpelige Stelle vor dem Übergang in den Zungenbeinkörper vollständig aus Knochen. Vorn verbindet 4 Diese Ausdehnung des Knorpels erinnert an das von REITMANN beim Menschen beschriebene Auftreten von Knorpel in der Tonsille selbst. 106 Herbert Elias sich die knorpelige Übergangsstelle und das Corpus durch sein Peri- chondrium bzw. Periost mit der ceranialen Kante des Thyreoids. Auch das Cornu minus ist knöchern bis zur bindegewebigen Ver- bindung mit dem Corpus. Muskeln. So wie die für die Ansätze der Muskeln bestimmten Vorsprünge der Knorpel, sind auch die Muskeln selbst im ganzen etwas schwächer entwickelt als bei Vesperugo noctula, zeigen aber keine morphologischen Unterschiede. Stimmmembranen. Die Membrana vocalis ist noch dünner als die bei Vesperugo noctula beobachtete. Die Membrana ventrieularis ist höher als bei Vesperugo noctula, aber noch immer ziemlich plump. In ihren etwas verdickten Rand sind wieder blasige Zellen mit hellem Protoplasma und dunklen Kernen eingelagert. Gegen ihr ventrales Ende wird sie sehr mächtig, ihr Rand ist hier dünner. An einem 19 mm langen Embryo sind die Epithelien an den Stimmmembranen vollständig deutlich ausgeprägt. Vespertilio murinus. Die Cartilago thyreoidea verhält sich ähnlich wie bei Ves- perugo noctula, nur geht das Cornu superius direkt in das Cornu majus byoides über und überragt diese Verbindungsstelle noch mit einem eignen Knorpelfortsatz. Die Cartilago faucium lateralis, die dem gleichnamigen Processus von Vesperugo entspricht, hier aber selbständig geworden ist, bildet eine längliche, eranial von den Hörnern des Hyoids gelegene Knorpelspange, die bindegewebig dem Cornu majus ossis hyoidei angefügt ist. Das Crieoid erinnert ein wenig an den Ringknorpel der Rhi- nolophiden, indem neben der dorsalen auch die Andeutung einer ventralen Platte vorhanden ist. Die hintere Platte unterscheidet sich nur wenig von der bei Vesperugo noctula, auch hier entspricht dem Höcker auf der Dorsalseite eine Vertiefung an der Ventralseite, doch sind die drei Leisten an der Rückseite der Platte weniger deutlich, es bestehen auch keine Verknöcherungsherde in dem Knorpel, auch nicht in dem wenig seitlich vorspringenden Processus artieu- laris. An der ventralen Seite ist der Ring abgeplattet und trägt an dem caudalen Teil der Platte eine Längsleiste zum Ansatz des Mus- eulus erico-thyreoideus. Der Ring nimmt ventralwärts an Höhe ab; er ist im hinteren Teil beiderseits ausgebaucht. Doch ist diese Er- weiterung innen vollständig durch reichliches Drüsengewebe und lymphoides Gewebe ausgeglichen. In diesem Gewebe eingebettet Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 107 liegen auch sehr weite gewundene Schläuche (über die OppEL schon berichtet) und die wohl als enorm ausgedehnte Drüsen aufzufassen sind. Sie enthalten Schleim und Leucocyten und münden mit weiten Öffnungen ins Kehlkopflumen. Das Crieoid ragt mit seinem caudalen Teil in die Lichtung des ersten Trachealringes hinein. (Bei Vesperugo ist das Verhalten um- gekehrt.) An der Artieulatio erico-thyreoidea ist ein Gelenkspalt zu finden. Die Cartilago arytaenoidea. Der Processus dorsalis ist medialwärts abgebogen. An seiner Basis färbt sich die Knorpel- srundsubstanz intensiv mit Orcein, ohne daß man elastische Fasern in ihr finden könnte. Wie bei Vespertilio mystacinus sind die beiden Processus dorsales mit ihren Enden verschmolzen, diese Enden sind eranial- und ventralwärts gekrümmt und in einen kurzen medianen Fortsatz ausgezogen, der cranial vom Interarytänoid liegt und in verkleinertem Maßstabe dem gleichen Fortsatz bei Vesperugo pipi- strellus gleicht. Ventralwärts gestaltet sich das Arytänoid ganz ein- fach, es spaltet sich in einen Processus vocalis für die Plica vo- calis und einen Processus ventricularis, der in die Pliea ventrieu- laris zu liegen kommt. An dem Gelenk zwischen Arytänoid und Crieoid sieht man einen Gelenkspalt. Die Epiglottis. Die vordere Knorpelplatte läuft in ein und nicht in zwei Stücke basalwärts aus. Sonst herrscht vollkommene Übereinstimmung mit Vesperugo noectula. Ihre Form und die Durch- wachsung seitens der Drüsen ist von OPPEL beschrieben. Das Hyoid. Der Zungenbeinkörper bildet wie bei den schon beschriebenen Tieren einen knöchernen Bogen. Das Cornu majus verhält sich wie bei Vesperugo noctula und Vespertilio mystacinus, nur ist der laterale, plattenförmige Fortsatz noch stärker ausgebildet. Er wird am Übergang in das Corpus hyoides knorpelig. Das Cornu minus wird kurz vor seinem ventralen Ansatz knor- pelig und setzt sich bindegewebig an den Zungenbeinkörper an, wobei es über diese Ansatzstelle mit der Spitze noch hinaus geht. Muskeln. Wie bei allen Vespertilioniden sind die Musculi crico- thyreoidei und crico-arytaenoidei posteriores sehr kräftig; dazu kommt noch ein verhältnismäßig mächtiger Musculus hyo-epiglotticus, und auch der Musculus vocalis ist nicht schwach. Stimmmembranen (Taf. IV Fig. 6). Die Membrana vocalis ist ebenso dünn und hoch wie bei Vespertilio mystacinus, also zarter 108 Herbert Elias wie bei Vesperugo noctula; die Membrana ventricularis steht ihr zwar um ein gutes Stück an Höhe nach, ist aber immer noch länger als die falsche Stimmmembran bei Vespertiio mystacinus. Wie diese trägt sie an ihrem Rand die schon öfters beschriebenen großen Zellen mit hellem Protoplasma und blauen Kernen. Diese Stelle der Membrana ventrieularis ist frei von elastischen Fasern. (Wie überall, häufen sich die elastischen Fasern in den echten Stimm- membranen besonders in ihren lateralen Teilen.) Vespertilio Daubentonit (junges Exemplar, Zähne mit Ausnahme der Ineisivi noch nicht durchgebrochen) unterscheidet sich in folgenden Punkten von Vespertiho murinus: Am Thyreoid ist der mediane Teil samt der Crista mediana interna verknöchert. Das Cornu superius hängt knorpelig mit der Cartilago faucium lateralis zusammen, diese wieder mit dem Cornu majus hyoides. Vor der Cartilago faueium liegen noch einzelne ab- gesprengte Knorpelkerne, welche bis an die Gaumentonsille reichen. Das Cricoid zeigt keine vordere Platte. An der Innenseite des Ringknorpels liegt unter der Mucosa eine große Menge von adenoidem Gewebe, in das sich wie bei Vespertilio murinus drüsen- artige Krypten mit Flimmerepithel einsenken. Die Cartilagines arytaenoideae tragen Fortsätze, die in die Plicae aryepiglotticae hineinreichen und den SAanrtorımıschen Knor- peln entsprechen. Die sehr schlanken Processus dorsales sind cranial- wärts abgebogen und an ihrem Ende knorpelig verbunden. In ihrer Konkavität liegt die quergestellte Cartilago interarytaenoidea. An der Epiglottis reicht der Knorpel an der Trachealseite tief hinab, fast bis zum Ansatz der Epiglottis an das Thyreoid. Das Hyoid gleicht vollständig dem Zungenbein bei Vespertilio murinus. Der Musculus hyo-epiglotticus ist stark ausgebildet. Der Bindegewebskörper in der Plica vocalis ist hier kaum nach- weisbar. Plecotus auritus. Nur in folgendem differieren Plecotus auritus und Vesperugo noctula: Das Thyreoid. Das knorpelige Cornu superius geht kontinuier- ich in das knöcherne Cornu majus hyoides über. Die Cartilago Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 109 faueium lateralis besteht aus einem kleinen, unregelmäßigen, selb- ständigen Knorpelkern. Das Cricoid besteht vollständig aus Knorpel. An der Rück- seite der Platte des Ringknorpels fehlen die bei Vesperugo noctula beschriebenen seitlichen Leisten; die Crista mediana ist plump. An der Innenseite des Ringes findet sich Drüsengewebe, überdies sind hier viele, weite Hohlräume zu beobachten, die wohl den bei Ves- pertilio murinus beschriebenen stark erweiterten Drüsenräumen ent- sprechen. Die Verbindung zwischen Cricoid und Thyreoid weist einen Gelenkspalt auf. Aryknorpel. Es fehlt der kleine Fortsatz unter dem Processus vocalis und der Knorpelkern zwischen Museulus vocalis und Schleim- haut. Die eraniale Spitze ist nach rückwärts abgebogen und stützt das dorsale Ende der Plica ary-epiglottica, ist also wohl als ein mit dem Aryknorpel verschmolzener SANTORINIscher Knorpel aufzufassen. Fig. 13. Die Processus dorsalis sind an ihrer Ja]. 4.2 Spitze miteinander verschmolzen. Cra- 17 nial von dieser Verschmelzungsstelle liegt ein kleiner Knorpelkern, der perichondral mit der Verschmelzungs- brücke zusammenhängt (Textfig. 13). Ventral davon reitet das bogenförmig gestaltete große Interarytänoid auf dem Processus dorsales.. Der kleine dorsale Knorpelkern kann als zweites Interarytänoid bezeichnet werden, cn} , Regio interarytaenoides von Plecotus stellt aber wohl nur den abgeglieder- auritus, von der linken Seite gesehen. ten Höcker dar, der bei andern For- Iekminktin, Ya 10. ar Ar men (Vespertilio murinus, Vesperugo Ja.1. und Ja.2. erstes und zweites Inter- pipistrellus) der Verschmelzungsbrücke ee ne nira} aufsitzt. Übrigens fehlen an der zweiten Serie das zweite Interarytänoid und auch ein Höcker gänzlich. Die Epiglottis ist, wie OPPEL hervorhebt, besonders stark von Drüsen durehwuchert. Muskeln. Der Musculus vocalis ist ziemlich kräftig, er erhält noch einen kleinen Zuschuß vom letzten Ende des Processus vocalis und setzt sich mit einer flachen Sehne, die sich mit der Sehne des Museulus vocalis der andern Seite vereinigt, an dem oberen Rand des Thyreoids und an der Crista mediana interna desselben an. 110 Herbert Elias Der Musculus interarytaenoideus inseriert an den beiden Seiten des größeren Interarytänoids und ist verhältnismäßig kräftig. Stimmmembranen. Die Membranae vocales sind sehr dünn und ragen auch am fixierten Präparat gerade in das Kehlkopflumen vor. Im übrigen gleichen sie vollständig den Membranen, wie sie bei Vespertilio mystacinus und murinus schon beschrieben worden sind. Die Membranae ventrieulares kommen ihnen in ihren hinteren Anteilen an Höhe gleich, doch sind sie plumper; weiter ventralwärts sitzen sie als niedrige, aber dieke Falten je einem freien, von Schleim- haut bekleideten Wulst auf. Blasige Zellen finden sich im freien Rand der falschen Stimmmembran nicht. Miniopterus Schreibersvi unterscheidet sich nur durch folgendes von Vesperugo noctula: Thyreoid. Das Cornu inferius ist in der Nähe der Artieulation in geringem Ausmaße verknöchert. Das Tubereulum an der Ver- einigungsstelle der beiden Schildknorpelhälften hat sich zu einer starken Knorpelleiste umgewandelt. Crieoid. Vorn trägt der sehr schmale Ring ähnlich wie bei Vespertilio murinus eine Knorpelplatte, die aber auf den eranialen Rand des Knorpels beschränkt ist. An ihren beiden Flächen setzt sich der Musculus erico-thyreoideus an. Zwischen dem adenoiden Gewebe, das reichlich dem Crieoid innen anliegt, finden sich in größerer Zahl Schleimdrüsen und drüsenartige Crypten mit Flimmer- epithel. Im ventralen Teil ist der Öricoidring innen von einer serösen Drüsenlage ausgekleidet. Cartilago arytaenoidea. Der Processus ventrieularis ist nur durch eine schmale Knorpelbrücke an die craniale Kante des Pro- cessus vocalis angeheftet und durch die ihn durchbohrenden Aus- führungsgänge der lateral von ihm gelegenen Drüsen in mehrere Knorpelkerne zersplittert. Processus dorsalis und Cartilago inter- arytaenoidea verhalten sich so wie bei Vespertiho mystacinus. Das Ligamentum erico-arytaenoideum posterius ist recht kräftig. Die Epiglottis. Der Knorpel ist sehr stark zerklüftet und an der Basis deutlich paarig. Das Hyoid. Das Corpus hyoides besteht aus einem hohen knöchernen Halbring, der sich eng an die vordere Krümmung des Thyreoids anlegt. Den Raum zwischen den beiden Knorpeln nimmt Fettgewebe ein. Das Cornu minus weist gegen sein vorderes Ende zwei knorpelige Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 411 Unterbrechungen auf und steht mit dem Corpus nur bindegewebig in Verbindung. Die Cartilago faucium lateralis und das Cornu majus hyoideum verhalten sich so wie bei Vespertilio Daubentonit. Stimmmembranen. Die Membrana vocalis sitzt auf einer auffallend hohen Plica vocalis. Auf der Plica ventrieularis findet sich nur streekenweise eine Membran, sonst nur eine höhere Leiste. Der Sinus laryngis ist sehr weit und reicht bis zur Cartilago thy- reoidea. Übersicht. Betrachten wir, die Untersuchungen an den verschiedenen Fleder- mauskehlköpfen zusammenfassend, die gefundenen Resultate, so fällt vor allem die Mächtigkeit der Muskulatur, besonders der Stimm- bandspanner, auf. So, um nur einen hervorzuheben, der Musculus crieo-thyreoideus, der durchgehends bei allen Chiropteren mit zwei mächtigen Portionen an dem Cricoid inseriert. Bei den Rhinolophiden entspringt er mit zwei Anteilen an der eranialen und caudalen Fläche der hier gut ausgebildeten vorderen Cricoidplatte, bei Taphoxous ist er so kräftig entwickelt, daß er, sich an der Peripherie des Ringes inserierend, einen unvollständigen Muskelmantel bildet, der die Gebilde des Larynx von drei Seiten umschließt. Den so mächtigen Stimmband- spannern haben sich auch solehe Muskeln, die sonst einer andern Funktion vorstehen, wie der Musculus crieo-arytaenoideus posterior, durch die eigentümliche Beschaffenheit der Aryknorpel und deren geringe gegenseitige Verschiebbarkeit, durch die Verlaufsrichtung ihrer Fasern und durch die Lage ihrer Ansatzpunkte angeschlossen. Diese mächtigen Muskeln brauchen entsprechende Ansatzflächen, und so kann es uns nicht wundern, wenn die Knorpel zur Vergröße- rung der Oberfläche bald eine Platte, bald eine vorspringende Muskel- leiste oder beides aufweisen. Hierher gehört die vordere Platte des Crieoids bei den Rhinolophiden, mit welcher sogar zur Vergröße- rung der Ansatzfläche der erste Trachealring verschmolzen ist, die ähnliche, wenn auch einfachere Platte bei Memzopterus Schreibersü und Vespertilio murinus, die stets vorhandene Crista mediana po- sterior des Cricoids, dann bei den Vespertilioniden überhaupt die Crista obliqua und Crista mediana interna des Thyreoids, die seit- lieh abstehenden Platten des Cornu majus des Hyoids usw. Der starken Beanspruchung der Knorpel entsprechen wohl auch die so häufig nachweisbaren Verknöcherungen; inwieweit dieselben mit dem 2 Herbert Elias Alter der Tiere zusammenhängen, vermögen wir nicht festzustellen, doch können sie schon bei jugendlichen Individuen vorhanden sein (Vespertilio Daubentonit). Dann brauchen aber so starke Muskeln auch mehr Raum dort, wo sie zwischen zwei Knorpeln durchziehen müssen; es sind ganze Strebepfeiler notwendig, um die Knorpel auseinander zu halten. Als solche Anpassungserscheinungen treffen wir bei Taphoxous und Rhinopoma stark einwärts gebogene Cornua inferiora, bei den Rhi- nolophiden mächtige Processus articulares an dem Cricoid, deren jeder an Länge der Breitenausdehnung des Cricoids gleichkommt. Auch die Vespertilioniden haben noch immer starke, wenn auch weniger ausgebildete Processus artieulares. Scheinbar im Gegensatz zur starken Entwicklung der Muskulatur steht die geringe Beweglichkeit der Knorpel, die teils durch Ver- wachsungen (Aryknorpel, Hyoid und Thyreoid), teils durch die Art der Gelenke (Mangel der Gelenkspalte, straffe Kapsel), teils durch besonders stark entwickelte Ligamente, zum Beispiel das Ligamentum cerato-cricoideum posterius bei Rhinopoma microphyllum, in der Be- weglichkeit zueinander außerordentlich eingeschränkt erscheinen. Man muß sich also vorstellen, daß der größte Teil der Kraft ver- wendet wird, nicht um eine Verschiebung im Raume zu bewirken, sondern um einen Zug auf die Knorpel auszuüben, um die Stimm- bänder zu spannen; und Spanner der Glottis sind es ja auch vor- züglich, die uns durch ihre Stärke imponieren. Neben der starken Spannung der Stimmbänder verleihen die Kürze der Glottis vocalis (s. namentlich Rhinolophus hipposideros, Rhinolophus ferrum equinum, Rhinopoma) und die auf den Stimm- bändern sitzenden Stimmmembranen der Stimme der Fledermäuse ihren hohen und schrillen Charakter. Die Anordnung der Stimm- membranen ist für die einzelnen Familien charakteristisch: Die Rhinolophiden und Emballonuriden besitzen Membranen nur an den wahren Stimmbändern, die Vespertilioniden auch an der Plica ven- trieularis. Am stärksten ausgebildet ist die Membrana vocalis nach Dicke und Höhe bei den Vespertilioniden, am zartesten bei den Rhinolophiden. Im einzelnen kommen noch mancherlei Verschieden- heiten vor, so ist sie dünn und zart bei Vespertiho murinus und mystacinus, plumper bei Vesperugo noctula und durch Knorpelplatten gestützt bei Taphoxous mediventris. Die Membrana ventricularis zeigt eine viel geringere Formen- mannigfaltigkeit, doch kommen auch an ihr Verschiedenheiten vor. Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 113 In ihrem freien Rande finden sich bei Vespertiio murinus und my- stacinus blasige Zellen; bei Vesperugo pipistrellus geht von ihr noch eine Nebenfalte ab. Die Membrana vocalis stellt offenbar eine weitere Differenzie- rung des Labium vocale der Säuger dar; ein entferntes Analogon findet sich nach ALBRECHT bei Halmaturus giganteus, wo dem Stimm- band eine ziemlich dicke, oralwärts gerichtete Falte aufsitzt. Auch die Membrana ventrieularis verdankt offenbar einer ähn- lichen Differenzierung des Saumes der Plica ventrieularis ihre Ent- stehung. Als ein Vorläufer derselben kann vielleicht die schmale, caudalwärts gerichtete Schleimhautfalte an dem falschen Stimmband des Gorilla gelten, die OrpEL abbildet. Dann sind noch Nebenräume im Kehlkopfe vorhanden, die wie Resonatoren dazu dienen, den Schall zu verstärken. Außer RoBIn und OPPpEL hat auch BARTELS im Jahre 1905 in seiner Arbeit »Über die Nebenräume der Kehlkopfhöhle« über Schallblasen bei den Chiropteren berichtet. Er-gibt dort folgende Einteilung für die Nebenräume des Kehlkopfes überhaupt: I. Saccus laryngeus lateralis (sive duplex). Dazu gehören alle Anhangsgebilde des Ventrikels. . II. Saceus laryngeus medianus superior (C. MAYER: medius seu simplex) .... »nur an seinem Ursprung zeigt er eine runde Öffnung, die an der Basis des Kehldeckels liegt, und tritt in der Mitte des Halses zwischen Zungenbein und Schild- knorpel heraus«. III. Saceus laryngeus medianus inferior. Er besteht in der Aus- höhlung des Schildknorpels oder des Schildknorpels und des Kehldeckels (und könnte dementsprechend auch als Saccus thyreoideus bzw. thyreo-epiglotticus bezeichnet werden). IV. Saceus intercartilagineus anterior tritt vorn in der Mittellinie zwischen Schildknorpel und Ringknorpel heraus. (Als be- zeichnender Name wäre etwa Saccus interericothyreoideus anterior vorzuschlagen.) V. Saccus laryngo-trachealis posterior, eine Aussackung zwischen Ringknorpel und erstem Trachealring auf der Rückseite. Von Chiropteren führt er nur Cephalotus an, weleher einen Saccus laryngeus medianus inferior (interericothyreoideus) besitzt. Die Schall- blasen der einheimischen Formen hat er nicht berücksichtigt, und die der Rhinolophiden z. B. sind auch "kaum in seiner Einteilung unterzubringen. Am ehesten entsprechen unter den Knorpelsäcken Morpholog. Jahrbuch. 37. 8 114 Herbert Elias dieser Familie die paarigen dem Saccus laryngo-trachealis posterior. Die unpaare Schallblase ist überhaupt in dieses Schema nieht ein- zureihen. Sie kommuniziert mit der Trachea nieht zwischen Crieoid und erstem Trachealring, sondern im Bereiche des fünften Ringes, kann also als Saceus trachealis medianus posterior bezeichnet werden. Aber auch die paarigen Knorpelblasen sind wohl am besten als Er- weiterungen von Trachealringen aufzufassen, wie es auch Ropıx tut, und dann Sacei tracheales laterales zu nennen. Die Ontogenie gibt keinen weiteren Aufschluß darüber, ob sie aus ausgeschalteten Tra- chealringen oder durch Erweiterung der seitlichen Abschnitte der vorhandenen Ringe, ob sie aus einem einzigen Stück oder durch Verschmelzung mehrerer Stücke entstanden sind. Den Schall zu verstärken, dazu dient auch der Saceus inter- cartilagineus (intererieothyreoideus) anterior bei den Vespertilioniden, der mangels einer knorpeligen Stütze in der Ruhe zusammensinkt. Der Kehlkopf der Chiropteren ist, wie seit RÜCKERT bekannt (vgl. GROSSER), in den Nasopharynx eingeschoben, der Speiseweg also paarig um beide Seiten des Kehlkopfes herumgeführt. Der mächtigen Entwicklung des Kehlkopfes entspricht aus den oben ge- nannten Gründen seine Breitendimension; der Speisebrei muß also einen großen seitlichen Umweg machen. Um diesen seitlichen Weg offen zu halten, ist bei den Vespertilioniden die Cartilago faueium lateralis in die laterale Wand des Pharynx eingelagert. Sie zeigt eine ziemlich große Variationsbreite. Bei manchen Arten liegt sie als selbständiges Knorpelelement ceranial von der Artieulatio thyreo- hyoidea (Plecotus auritus, Vespertilio murinus). Bei andern hat der Knorpel die Selbständigkeit noch nicht erreicht. Er bildet dann gelegentlich die kontinuierliche Verbindung zwischen Cornu superius des Thyreoids und Cornu majus des Hyoids (Vespertiio mystacinus und Daubentonü, Miniopterus Schreibersü). Bei einigen schließt die Cartilago faueium das Cornu superius nach vorn ab, und Cornu superius thyreoideum und majus hyoideum bleiben getrennt (Ves- perugo noctula und pipistrellus). Andre zeigen ein ähnliches Bild, nur daß einzelne von der Cartilago faucium lateralis abgelöste Knorpelkerne in dem Ligamentum thyreo-hyoideum liegen (Vesperugo serotinus). Die Tatsache, daß dieser Knorpel ein Bindeglied zwi- schen Thyreoid und Hyoid bilden kann, setzt ihn zur Cartilago triticea in Beziehung. Einen großen Formenreichtum bieten uns die Aryknorpel. Wohl am auffallendsten sind sie bei den Rhinolophiden und bei Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 115 Rhinopoma gestaltet, wo eine eigne faserknorpelige Pars ventralis ausgebildet ist. Von ihr geht die Chorda vocalis dieser Formen ab, ein sehniger, an elastischen Fasern reicher Bindegewebszug, der im Stimmbandrand zum Thyreoid zieht (weitergebildetes Ligamentum vocale andrer Säuger; s. OPPEL). Die Pars ventralis ist in zweifacher Hinsicht von Interesse. 1) Vom physiologischen Standpunkte aus: Einer Pelotte gleich wird sie durch den Musculus thyreo-arytaenoideus lateralis an die Pars ventralis der andern Seite gepreßt und scheidet so die Glottis vocalis von der stets offenen Glottis respiratoria. Unaufgeklärt bleibt es freilich, wie die schwache Brücke, die sie mit dem übrigen Ary- knorpel verbindet, dem sicher sehr starken Zug des Musculus vocalis und der Chorda vocalis standhalten kann. 2) Vom vergleichend-anatomischen Standpunkte: Es findet sich nämlich für die aus dem eigentümlichen Sehnengewebe aufgebaute Pars ventralis sowie für die Chorda vocalis nirgend in der Literatur ein Analogon. | Eine Eigentümlichkeit der Vespertilioniden stellt der Processus ventrieularis dar, der bei der Plica und Membrana ventricularis eine ähnliche Rolle spielt, wie der Processus vocalis beim echten Stimmband. In dem letzteren finden sich bei Vesperugo noctula sesamartige, wohl vom Processus vocalis abgesprengte Knorpelchen. Abgegliederte Cartilagines Santorini wurden bei den Rhi- nolophiden gefunden und sind hier perichondral mit den Aryknorpeln ausgiebig verwachsen. Ein deutlicher WrRISBERGScher Knorpel kommt namentlich Rhinopoma zu, während bei den andern Formen öfters einzelne kleinere, abgesprengte Knorpelstücke in der Pliea ary-epiglottica vorkommen. Bei Taphoxous sind die dem Aryknorpel angeschlossenen kleinen Knorpel teils als Sanrorınısche, teils als WRISBERGsSche Knorpel aufzufassen. Verwachsungen der Processus dorsales hat schon GROSSER bei den Chiropteren festgestellt. Diese Verschmelzung findet sich zwar bei der Mehrzahl der Formen, fehlt aber bei den Emballonuriden. Taphoxous zeigt wenigstens eine Verschmelzung der Perichondrien. Im übrigen ist die Berührung und Verwachsung der Aryknorpel keine sehr seltene Erscheinung. ALBRECHT erwähnt sie bei Didel- phys lanigera, Phalangista lemurina, Dasypus septemeinctus und gymnurus und überhaupt bei Edentaten, aber nicht bei den Chiro- pteren. Bei Echidna kommt die Verwachsung nach GÖöPrPERT im Laufe der Ontogenese vor, löst sich aber später wieder. 8*+ 116 Herbert Elias Kleine, freie Knorpel an der dorsalen Fläche der Arytänoide hat schon Duzoıs bei den Chiropteren beobachtet: »Die Procricoidea (Interarytänoidknorpel LuscHkAs, Cartilago sesamoidea und Carti- lago interartieularis, keilförmiger Knorpel, Schaltknorpel der ver- gleichenden Anatomie) stellen eine oder zwei aufeinander folgende kleine, unpaare Knorpel dar, die sich vorn von dem mittleren Teile der dorsalen Wand des Cricoids abgegliedert haben und nun vor diesem und hinter, zwischen oder auf den Arytänoiden liegen. Sie sind bereits bei gewissen Amphibien und Reptilien nachzuweisen, finden sich aber auch als regelmäßiges Vorkommnis bei Monotremen und Marsupialien, sowie bei vielen Placentaliern ... . . (darunter auch Chiroptera).« Die Bezeichnung Procricoid wurde schon von SYMINGTON an- läßlich der Untersuchung des Monotremenkehlkopfes abgelehnt. Er unterscheidet ein Interarytänoid und ein Interericoid, welch letzteres zwischen den beiden Hälften des bei Echidna an der dorsalen Seite gespaltenen Crieoidknorpels vorkommt. GÖPPERT hebt hervor, daß auch dieses Interericoid bei Eehidna topographisch eher zu den Aryknorpeln gehört, von dem es wahr- scheinlich abgegliedert ist; für das Interarytänoid hat er die im Laufe der Ontogenese erfolgende Abtrennung von den Arytänoiden nachgewiesen. Beide, Interarytänoid und Intererieoid, sind bei den Monotremen hyaline Knorpel. Bei Marsupialiern kommen sie gleich- falls vor. Der caudale ist nach OrrpeEu bei ihnen gleichfalls hyaliner Knorpel, über die Struktur des cranialen macht OrpEL keine. be- stimmten Angaben. Bei den Chiropteren scheint es berechtigt, prinzipiell zwischen Interarytänoid und Procricoid zu unterscheiden. Das letztere darf man wohl als ein vom Crieoid abgesprengtes Knorpelstück an- sehen. Wir finden solche vom Cricoid ableitbare Stücke bei Ves- perugo noctula, wo sie jederseits über der Crista mediana posterior liegen. Das bei Rhinopoma beschriebene Procrieoid ist wahrschein- lich als Sesamknorpel der Oesophagusmuskulatur aufzufassen. Ein eigentliches Interarytänoid kommt sämtlichen Vespertilioniden und Taphoxous zu. Es ist ein in die Raphe des Musculus interary- taenoideus eingeschalteter hyaliner Sesamknorpel, dessen Auftreten mit der starken Ausbildung der Processus dorsales der Aryknorpel zusammenhängen dürfte. Durch die Ausbildung dieser Knorpel- fortsätze ist der Muskel gezwungen, auf einer ziemlich großen Strecke auf ihnen zu reiten, und so ist der Knorpel als Sehnenrolle Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 117 aufzufassen; er kann dabei durch Verknorpelung in der Sehne ent- standen sein, und muß nicht notwendig als Abgliederung eines der typischen Larynxknorpel aufgefaßt werden. Ontogenetisch ist er bei den Chiropteren jedenfalls nicht ein Derivat des Ary- knorpels, sondern entsteht selbständig in der Sehne des Muskels. Bei einem Embryo von Vesperugo noctula, dessen Scheitel-Steißlänge 17 mm betrug (bei einer Kopflänge von 101/, mm), sind die Ary- knorpel verknorpelt und in ihrer Form bereits nahezu vollendet, das Interarytänoid bloß als Verdichtung der Sehne des Musculus inter- arytaenoideus angelegt. Bei einem Embryo von 21 mm Scheitel- Steißlänge und 13 mm Kopflänge ist das Interarytänoid als selb- ständiger Vorknorpelkern vorhanden. Das zweite Interarytänoid, das bei Plecotus auritus konstatiert werden konnte, dürfte dagegen wieder als ein durch Abgliederung von den Arytänoiden frei gewordenes Element zu betrachten sein. Es entspricht wohl dem Knorpelzapfen (Processus medianus inter- arytaenoideus), der bei Vesperugo pipistrellus und in weniger stark ausgebildeter Form bei Vespertilio murinus der Verwachsungsbrücke der Processus dorsales aufsitzt und im Laufe der ÖOntogenese zeit- weilig bei allen Vespertilioniden auftritt (S. 104, Anm.); so auch bei Vesperugo noctula, wo er aber nur das Blastemstadium erreicht (Em- bryo von 17 mm) und schon bei dem Embryo von 21 mm verschwun- den ist. Vielleicht ist gerade dieses Stück dem gleichfalls aus dem Arytänoid hervorgegangenen Interarytänoid der Monotremen gleich- zusetzen. Literaturverzeichnis. H. ALBRECHT, Beitrag zur vergleichenden Anatomie des Säugetierkehlkopfes. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Bd. CV. 1896. P. BARTELS, Über die Nebenräume der Kehlkopfhöhle. Zeitschrift für Morpho- logie und Anthropologie. Bd. XVII. 189. Eu. Dugoıs, Zur Morphologie des Larynx. Anat. Anzeiger. Bd. I. 1886. M. FÜRBRINGER, Beitrag zur Kenntnis der Kehlkopfmuskulatur. es dissertation. Jänner 1875. (Nicht zugänglich.) C. GEGENBAUR, Die Epiglottis. Vergleichend-anatomische Studie. Leipzig 1892. 118 Herbert Elias E. GÖPPERT, Über die Herkunft des WrısgrrGschen Knorpels. Ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie des Säugethierkopfes. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXI. 189. —— Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Kehlkopfes und seiner Um- gebung, mit besonderer Berücksichtigung der Monotremen. SEMON, Zoolog. Forschungsreisen. Bd. III. 1901. O0. GROSSER, Zur Anatomie der Nasenhöhle und des Rachens der einheimischen Chiropteren. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXIX. 1900. —— Zur Epiglottisfrage. Centralblatt für Physiologie. Bd. XX. 1907. Vgl. auch Centralblatt für normale Anatomie. Bd. IV. 1907. A. OPrpEL, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. VI. Atmungsapparat. Jena 1905. K. REırmans, Über das Vorkommen von Knorpel und Knochen in den Gau- mentonsillen. Monatsschrift für Ohrenheilkunde. 1903. H. A. Ropın, Recherches Anatomiques sur les Mammiferes de l’ordre des Chiropteres. Annales des Se. Nat. 6@me ser. T. XII. 1881. J. SYMINGTon, The cartilages of the Monotreme larynx. Journal of Anat. and Phys. Vol. XXXIV. 189. SPULER, A., Über Bau und Entstehung des elastischen Knorpels. Inaugural- dissertation zur Erlangung der medizinischen Doktorwürde an der königl. bayr. Universität Erlangen. 189. Erklärung der Abbildungen. Tafel IV. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. B Bindegewebskörper, Co.ma Cornu majus des Os hyoides, Co.mi Cornu minus des Os hyoides, Cr Crieoid, Or.m.p Crista mediana posterior des Cricoids, M.er.-a.p Museulus crico-arytaenoideus posterior, M.er.-th Musculus crico-thyreoideus, M.ia Musculus interarytaenoideus, M.th.-a.! Musculus thyreo-arytaenoideus lateralis, M.th.h Musculus thyreo-hyoideus, M.vo Musculus vocalis, Me.ve Membrana ventricularis, Dr Drüsen, E Epiglottis, Kn Knorpelzellen, Kn.St Knorpelstab, Verbindungsstück zwischen Pars dorsalis und ventralis des Arytänoids, Me.vo Membrana vocalis, P.d Processus dorsalis des Arytänoids, Ph.S Pharynxschleimbhaut, Pl.a.-e Plica ary-epiglottica, Pr Proerieoid, P.v Pars ventralis des Arytänoids, S.te.a Saccus intercartilagineus anterior, Th Thyreoid. ß vn at, a a Be | ee Pe Zu 2 ro n ® Pr Se Morpholog. Jahrb. Bd.XXXVIl. Me.ve.— - — Mevo- B.Keilitz del. ‚ann in Leipzig. Lith.AnstvE A Funke, Leipzig. u ie, En. > 2 E EN RER ’ re! DEN BR x PS RG h Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Zur Anatomie des Kehlkopfes der Mikrochiropteren. 119 Schrägschnitt durch die Aryknorpel von Khinolophus hipposideros. Vergr. 50. Frontalschnitt durch die Procrieoide von Vesperugo noctula; weit hinten geführt. Vergr. 70. Frontalschnitt durch den ganzen Kehlkopf von Vesperugo noctula. Ver- größerung 20. Frontalschnitt durch die Glottis von Vesperugo noctula;, weit vorn ge- führt, zur Darstellung des Saccus intercartilagineus anterior (Saccus interericothyreoideus). Vergr. 40. Tangentialschnitt durch die Membrana vocalis von Vesperugo noctula. Zellgrenzen versilbert. Vergr. etwa 500. Frontalschnitt durch die Stimmmembranen von Vespertilio murinus. Vergr. 60. Ein Fall von Össification des Ligamentum apieis dentis epistrophei beim Menschen und entspre- chende Bildungen bei den Affen. Von Dr. Otto Schlaginhaufen, Assistent am zoologischen und anthrop.-ethnographischen Museum zu Dresden. Mit 5 Figuren im Text. In der Sammlung sumatranischer Schädel des Herrn GEORG MEISSNER in Dresden, zu deren Besichtigung der Besitzer mich gütigst einlud, fand sich ein Exemplar mit einem sogenannten Con- dylus tertius von seltener Größe. Das Calvarium, an dem ich diese Varietät beobachtete, stammt von einem Pak-pak-Battak, einem Mann aus Rachatau mit dem Namen Si Ri. Er ist, nach dem Zustand der Nähte und der Zähne zu urteilen, als adult zu bezeich- nen. Im Gebiet der sämtlich — mit einer Ausnahme intra vitam — verloren gegangenen Molaren ist jedoch schon starke Resorption der Alveolarbogen eingetreten. Die folgende Liste, in der die Maße zusammengestellt sind, soll eventuelle Untersuchungen über Beziehungen der zu besprechenden Variation zu den Größenverhältnissen des Schädels ermöglichen. Ich folgte dabei dem Meßschema RupoLr MArTıns!. Absolute Maßzahlen. Größte Schädellänge. . . 172 Schädelbasislänge. . . . 9 Glabella-Inionlänge . . . 165 Größte Schädelbreitee . . 136 Nasion-Inionlänge . . . 159 Kleinste Stimbreite . . . 9 1 Dank der Freundlichkeit des Herrn Prof. MArTıN ist es mir gestattet, sein neuestes, demnächst zu publizierendes Meßblatt der Liste zugrunde zu legen. Ein Fall von Ossification des Lig. apieis dentis epistrophei usw. Größte Stirmbrete . . . 114 Biaurieularbreite . . . . 119 Größte Hinterhauptsbreite . 102 Mastoidealbreite . . . 101 Kleinste sihreite: 61 Basion-Bregmahöhe . . . 123 Ganze Schädelhöhe . . . 124 ÖOhr-Bregmahöhe . . . . 105 Ganze Ohrhöhe . . .... 1% Kalnttenlühesze 7:7: 727794 Bregmawinkel . . . . . 59,5 Horiz.-Umf. über d. Glab.. 490 Horiz.-Umf. üb. d. a 490 Frontalbogen . . . a 3 3) Parietalbogen ..-. . . .. 122 Oeeipitalbogen . . . „=.108 Mediansaer inne . 348 Transversalumfang Schädelkapazität . Gesichtslänge Äußere orb. EBENEN Innere orb. Gesichtsbreite . Jochbogenbreite Obere Kieferbreite Obergesichtsbreite. Hintere Interorbitalbreite Vordere Interorbitalbreite . Orbitalbreite (Max.-Front.) . Orbitalbreite (Daeryon) . Orbitalbreite (Lacrimale) Orbitalhöhe . Nasenbreite . Nasenhöhe Max.-alv.-Länge Med.-S.-Umf. bis zum Inion 290 Max.-alv.-Breite Frontalsehne . . . . . 102 Gaumenlänge Parietalsehne . . . . . 111 Gaumenbreite . Veeipitalschuer 27 7..7:0.7.789 Verhältniszahlen. Längenbreiten-Index . . 79,07 Sagitt.-Oceipital-Index. Längenhöhen-Index . . 72,09 Obergesichts-Index .. Breitenhöhen-Index . . 91,18 Nasal-Index . Längenohrhöhen-Index . 61,05 Orbital-Index. Kalottenhöhen-Index . . 56,97 Transv.-Front.-Index . . 82,46 Transv.-Fronto-par.-Index 69,12 Sagitt.-Fronto-par.-Index . 103,39 Sagitt.-Frontal-Index . . 86,44 Sagitt.-Parietal-Index .. . 90,98 Interorbital-Index Maxillo-alv.-Index . Gaumen-Index Cranio-Fae.-Index . Fronto-biorb.-Index. Jugo-Frontal-Index. 121 288 . 1120 101 102 98 129 91 66 25 21 41 40 39 Sl 31 45 57 56 49 45 82,41 51,16 68,89 75,61 25,51 98,25 91,84 94,85 92,16 72,87 Ich untersuchte den genannten Fortsatz nach Form, Lage und Richtung. Hinsichtlich der Form stellt die Variation einen schlanken Knochenzapfen dar, der von der Mitte des Vorderrandes des Foramen magnum abgeht und gegen das Lumen desselben vorspringt. Wie die beiden photographischen Aufnahmen (Fig. 1 und 2), die ich Herrn 122 Otto Schlaginhaufen Dr. B. WANDOLLECK, Direktorial-Assistent am Dresdener Museum, verdanke, zeigen, beginnt der Fortsatz mit breiter Basis am Rande des Hinterhauptsloches, verschmälert sich hierauf, um gegen das Ende noch einmal anzuschwellen und schließlich spitz zu enden. Diese Formzustände scheint, wenn auch in weniger ausgeprägter Weise und innerhalb geringerer Dimensionen, ein von KALENSCHER ('93, Fig. 5) abgebildeter Fortsatz gleichfalls zu besitzen. Im basalen und Fig. 1. Region des Foramen magnum eines Battak-Schädels mit verknöchertem Lig. apieis dentie. Ansicht von außen. mittleren Teil zeigt mein Fortsatz einen nahezu dreieckigen Quer- schnitt; d.h. man kann (Fig. 4) eine obere cerebrale Fläche von zwei nach den Seiten und unten gerichteten, in einer unteren nahezu medianen Kante zusammenstoßenden unterscheiden. Der angeschwol- lene Endabschnitt ist dagegen von oben nach unten platt gedrückt. Daher fällt die Anschwellung zwar in den Ansichten von oben und unten sehr deutlich, im Sagittalschnitt (Fig. 3) aber fast nicht als solche auf. Am basalen Abschnitt beträgt die Breite des Zapfens 6,2, am schmalen Mittelabschnitt sinkt sie auf 3,7, um am Endabschnitt wieder auf 4,3 zu steigen. Messen wir die Dicke, d. h. den Durchmesser ae rm Pan at une, Sn Hann a 1 Mn in 00 Jana ze nn (11 a a Fe} — Er 3 i h i s “ t 3 5 73 R E Ein Fall von Ossification des Lig. apicis dentis epistrophei usw. 123 von oben nach unten in den drei Abschnitten in gleicher Reihenfolge, so erhalten wir die Zahlen 4,6, 2,4 und 1,7. Schließlich setzen wir die zwei Zahlen jedes der drei Abschnitte in Form einer Verhältnis- zahl zueinander in Beziehung: basaler Teil 74,19, mittlerer Abschnitt 64,86, Endabschnitt 39,53. In allen drei Abschnitten ist der Zapfen breiter als diek; am stärksten aber ist der Endabschnitt abge- plattet. Die Unterseite dieses letzteren trägt eine Fläche, die gegen die rauhere Umgebung durch den relativ glatten Charakter auffällt. Fig. 2. Region des Foramen magnum eines Battak-Schädels mit verknöchertem Lig. apieis dentis. Ansicht von innen. Sie darf wohl als Gelenkfläche gedeutet werden. In dieser An- nahme wird man noch bestärkt, wenn man eben diese drei Form- zustände, insbesondere die Schlußanschwellung in die Breite, in Betracht zieht; denn Knochen und Knochenfortsätze pflegen da, wo sie artieulieren, sich in der Richtung der Gelenkfläche zu verbreitern, wie am Processus transversus des Brustwirbels, am Capitulum costae usw. Schließlich möge noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß sich an dem Fortsatz insofern eine Asymmetrie vorfindet, als die untere Kante nicht vollkommen median, sondern etwas links von der Medianlinie verläuft, eine Erscheinung, die auch im Querschnitt der Fig. 4 etwas zum Ausdruck kommt. 124 Otto Schlaginhaufen Über die Lage sagte ich bisher nur aus, daß der Fortsatz von der Mitte des Vorderrandes des Foramen magnum abgeht. Es scheint mir aber von besonderer Wichtigkeit zu sein, in Fällen von sogenanntem Condylus tertius anzugeben, wie sich derselbe zur cerebralen und zur pharyngealen Fläche der Pars basilaris verhält. Die beiden photographischen Darstellungen unterstützen die Erklärung dieser Verhältnisse wesentlich. Von innen gesehen (Fig. 2), macht der Fort- satz den Eindruck als wäre er am Clivus angeklebt, während die Ansicht von außen einen fast kontinuierlichen Übergang der pharyn- gealen Fläche der Pars basilaris in die untere Kante des Zapfens Fig. 3. Umrisse des Mediansagittalschnittes durch die Oceipitalregion des in Fig. 1 und 2 dargestellten Battak- Schädels. @1.-I.H. Glabella-Inion-Horizontale; F.H. Frankfurter Horizontale; F.m.E. Ebene des Fo- ramen magnum. zeigt. Noch klarer führt uns ein mit dem Marrıxschen Apparat (SCHLAGINHAUFEN [’07]) aufgenommener Mediansagittalschnitt diesen Zustand vor Augen (Fig. 3). Die pharyngeale Kurve senkt sich am Basion nur um eine Spur ein, um sich auf den Zapfen fortzusetzen. Dagegen markiert sich der Fortsatz an der cerebralen Kurve scharf gegen den eigentlichen Clivus. Die punktierte Kurve gibt die un- mittelbar neben dem Fortsatz bestehende Form des Vorderrandes des Foramen magnum an und läßt erkennen, daß der Fortsatz fast ausschließlich der cerebralen Fläche der Pars basi- laris entspringt. Wenn ich oben über die Richtung des Fortsatzes sagte, er rage gegen das Lumen des Foramen magnum vor, so ist das noch schärfer zu präzisieren. Der Zapfen springt um 10 mm über den Vorderrand des Foramen magnum nach rückwärts vor. Mißt man seine ganze Länge von seinem Ansatz am Clivus bis zur Spitze, so erhält man 13 mm. Es entspricht aber weder der eine noch der andre der beiden Beträge demjenigen, um den der Zapfen gegen das Lumen vorspringt; denn seine Achse — welehe mit derjenigen der Ein Fall von Ossification des Lig. apieis dentis epistrophei usw. 195 Unterfläche der Pars basilaris gleichgerichtet ist, — ist um 26° gegen die Ebene des Foramen magnum geneigt. Infolgedessen befindet sich die Spitze um 2,5 mm senkrecht unterhalb derselben, und die auf die Ebene des Foramen magnum bezogene projektivische Länge des über das Basion vorspringenden Zapfenteiles beträgt 8,5 mm, d.h. 25,750, der Länge des Hinterhauptsloches. Der Zapfen nimmt also mehr als ein Viertel der Dänge des Hinterhauptsloches in An- spruch. Die Spitze des Fortsatzes liegt zwar, wie oben bemerkt, tiefer als die Ebene des Foramen magnum, aber, wie aus Fig. 4 zu ersehen ist, deutlich höher als die unteren Enden der Con- dyli oceipitales. Die folgenden Zahlen mögen die Bemerkungen über die Rich- tung des Fortsatzes abschließen: Länge d. For. magn.. . . . 33mm Neigg.d. Cliv. zur F.-m.-Ebene 45° Breite. d. Por. magn... - 2.28 Pharyng.-Länge des Fortsatzes 10 mm Längenbreiten-Index. . . 84,85 CerebraleLänge des Fortsatzes 13 - Neigg. d. F.-m.-Eb. zur Frk£H. 15,5° Senkr. Abst. d.Sp.v. F.-m.-Eb. 25 - Neigg.d.F.-m.-Eb.z.Glab.-L-H. 2° Proj. Länge des Fortsatzes . 85 - Neigg. d. Fortsatzesz. F.-m.-Eb. 26° Höhed.Sp. über den Cond.oce. 3 - Da die Condyli tertii bekanntlich mit der Manifestation des Ocei- pitalwirbels in Zusammenhang gebracht wurden (J. KoLLmann [’O5, 233]), möge es gerechtfertigt sein, einige Einzelheiten über die Um- gebung des Foramen magnum anzuführen, ohne indessen auf das Umrißlinien der senkrecht zur Glabella-Inion-Horizontalen (G2.-I-.H.) geführten Frontalschnitte des in Fig. 1 und 2 dargestellten Battak-Schädels. Schnitt im Niveau der Spitze des Fortsatzes (Sp); ——— Schnitt durch den basalen Teil des Fortsatzes; F.m.E. Ebene des Foramen magnum. genannte Problem einzutreten. In der linken Hälfte des Vorderrandes (in Fig. 1 durch eine Borste markiert) findet sich eine Öffnung, die in einen nach vorn und oben ziehenden, anscheinend blind endigen- den Kanal führt. In denselben läßt sich ein 0,3 mm dicker Draht 16 mm tief einführen. Da der Eingang in den Kanal sich 3 mm 126 Otto Schlaginhaufen vom Rand des Foramen magnum auf der unteren Fläche der Pars basilaris findet, kann er mit keinem der von GRUBER (’80) erwähnten Kanäle identifiziert werden. Das Foramen magnum selbst zeigt Asymmetrien (Fig. 1), ebenso die Condylen. So ist die Gelenkfläche des linken Condylus am lateralen Rand stark ausgebuchtet, und der rechte Gelenkhöcker weist an seiner medialen Fläche zwei Vor- sprünge auf. Hinter jedem Condylus zieht je eine Furche von der Fossa eondyloidea bis zum Rand durch, die allerdings hauptsächlich durch den hinter ihr gelegenen rauhen Höcker zum Ausdruck kommt. Der hinter dieser Stelle gelegene Abschnitt des Randes des Hinter- hauptsloches ist etwas emporgehoben, gegen die Umgebung aber nicht so scharf abgesetzt, wie das KOoLLMANN (05, 234) beobachtete. In der links vor der Medianlinie befindlichen Partie der hinter dem Foramen magnum gelegenen Region findet sich eine tiefe Delle; rechts von ihr fehlt eine solche, ja das Planum ist dort sogar etwas vorgewölbt (Fig. 1. An der Innenseite sind die entsprechend ent- gegengesetzten Erscheinungen, wenn auch in schwächerem Grad, zu beobachten. Diese genaue Betrachtung der Form-, Lage- und Richtungsver- hältnisse des Knochenfortsatzes läßt folgende Schlüsse zu: Die Form des Zapfens legt die Vermutung nahe, daß es sich um einen Fortsatz handelt, der mit einem benachbarten Knochenteil in gelenkiger Verbindung stand. Nach der Lage handelt es sich um die Ossification von Bandmassen, die an der cerebralen Fläche der Pars basilaris ansetzen, d.h. des Ligamentum apieis dentis epistrophei und vielleicht auch eines Teiles des Crus superius ligamenti eruciati. Um die hinsichtlich der Richtung des Fortsatzes, bzw. der Lage seiner Spitze gemachten Beobachtungen richtig deuten zu können, wäre eine Prüfung an Hand von Vergleichszahlen, welche die Lage des Dens epistrophei betreffen, notwendig. Da solche nicht zu Gebote stehen, so läßt sich doch an Skeleten und an Abbildungen, wie sie z. B. SpaLteHorz ('96, Fig. 219 und 221) gibt, feststellen, daß die Höhenlage der Fortsatz-Spitze wohl derjenigen der Zahnspitze un- gefähr entsprechen muß, denn diese reieht auch nicht bis zur Höhe der Ebene des Foramen magnum und greift doch über das Niveau der unteren Condylengrenze hinauf. Bezüglich der Länge des Fort- satzes will es mir scheinen, als würde er das Längenmaß des Liga- mentum apieis dentis etwas überschreiten. Indessen können nur Ein Fall von Ossification des Lig. apieis dentis epistrophei usw. 127 exakte Messungen an der Leiche über diesen Punkt mehr Aufklä- rung geben. Sicher stellt unser Fall einen der längsten unter den bisher beobachteten Fortsätzen dar. Schon von früheren Autoren wurde auf das Vorkommen der unter dem Namen Condylus tertius zusammengefaßten Variationen bei verschiedenen Menschenrassen geachtet. HALBERTSMA ('65) glaubte sie an Schädeln aus dem ostindischen Archipel öfter gefun- den zu haben, wogegen FRIEDLOWskı (70) und KALENSCHER (93) diesen Bildungen eine rassenanatomische Bedeutung absprechen. Ich Begion des Foramen magnum eines Orang-Utan-Schädels (Dresden, Kat.-Nr. 1690) mit kleinem, zungenförmigem Fortsatz am Vorderrand des Foramen magnum. beschränke mich darauf, festzustellen, daß ich in der gegen 100 sumatranische Schädel umfassenden Sammlung des Herrn MEISSNER noch drei weitere, allerdings weniger ausgesprochene Fälle von Con- dylus tertius dieser Kategorie finden konnte, daß diese Art von Con- dylus tertius — im Gegensatz zu den andern Arten — in der Dresdener Sammlung bisher nur an Schädeln aus der Südsee zur Beobachtung gelangte und daß schließlich die sicher in diese Kategorie gehörige Variation FRIEDLOWSKIS — KALENSCHER gibt für den von ihm ab- gebildeten Fall die Rasse nicht an — einen »Papua Alfurus« betrifft. Wenn also die von HALBERTSMA aufgestellte Behauptung wohl keine 128 O0. Schlaginhaufen, Ein Fall v. Ossification des Lig. apieis dentis epistr. usw. allgemeine Gültigkeit hat, so darf doch. darauf hingewiesen werden, daß die als Verknöcherung des Ligamentum apieis dentis gedeutete Form des Condylus tertius bisher vorzüglich an Schädeln aus Indonesien entdeckt wurde. Meine Untersuchungen an Schädeln von Affen der Alten Welt förderten nur bei den Anthropoiden ähnliche Gebilde zutage. Unter 50 Schädeln niederer Catarrhinen fand sich diese Variation nicht. Ebenso konnte ich sie unter 12 Exemplaren von Hylobates und 18 Exemplaren von Schimpanse nicht entdecken. Unter 17 Gorilla-, sowie unter 25 Orangschädeln konstatierte ich den Fortsatz, wenn auch nur in Form einer kleinen Zunge, je einmal. In Fig. 5 bringe ich den Fall des Orang zur Darstellung und weise noch darauf hin, daß sowohl bei diesem als bei dem des Gorilla der Fort- satz deutlich von der cerebralen Fläche der Pars basilaris seinen Ausgang nimmt. Herrn G. MEISSNER, der die Güte hatte, mir das wertvolle Objekt für die Untersuchung zu überlassen, spreche ich meinen verbindlich- sten Dank aus. Literaturverzeichnis, FRIEDLOWSKY, A. (1870), Über die sogenannten accessorischen Gelenkhöcker an der Pars basilaris ossis oceipitis und einige Formen von ungewöhn- licher Gelenksverbindung zwischen dem Zahnfortsatz des Epistropheus und dem Hinterhauptsknochen. Sitzungsberichte der Akademie Wien. Ba. 60. 1. Abt. 8. 319—342. GRUBER, W. (1880), Über den anomalen Canalis basilaris medianus des Os ocei- pitale beim Menschen. M&m. Ac. St. Petersbourg. 7. ser. Vol. XXVI. Nr.“ HALBERTSMA. H. J. (1865), Nederl. Tijdschr. v. Geneesk. siehe ScHmiprs Jahrb. der Mediein. 1865. 8. 269. KALENSCHER, J. (1893), Über den sogenannten dritten Gelenkhöcker und die accessorischen Höcker des Hinterhauptbeines. Inaug.-Diss. Königs- berg i. Pr. KOLLMANnNn, J. (1905), Varianten am Os oceipitale, besonders in der Umgebung des Foramen oceipitale magnum. Verh. der Anatom. Gesellsch. Genf. S. 231—236. SCHLAGINHAUFEN, 0. (1907), Beschreibung und Handhabung von RUDOLF MARTINS diagraphen-technischen Apparaten, Centralblatt der Deutschen Ges. für Anthropologie. Jahrg. 38. 8. 1—6. SPALTEHOLZ, W. (1896), Handatlas der Anatomie des Menschen. Bd. 1. Knochen, Gelenke, Bänder. Leipzig. Zur Lage der Supinationsachse bei der Schluß- rotation des Kniegelenkes. Von Dr. H. Zuppinger, Zürich. Mit 2 Figuren im Text. In seiner Kinematik organischer Gelenke bespricht Professor O. FıscHEr die Relatirbewegungen, welche Femur und Tibia gegen- einander ausführen, während im lateralen Gelenke Rollung, im me- dialen Gleitung besteht. Er erwähnt zuerst, daß bereits den Brüdern WEBER bekannt war, daß im äußeren Gelenke mehr Rollung, im inneren mehr Gleitung ausgeführt werde, und daß sie daraus den Schluß zogen, daß die Achse der Pronationsbewegung, die zugleich mit der Beugung sich abspielt, ungefähr durch den medialen Con- dylus hindurchgeht, daß also bei der Relativbewegung des Ober- schenkels der laterale Condylus um den medialen und ebenfalls bei der Relativbewegung des Unterschenkels die laterale Schien- beinseite um die mediale herumgehen müßte. Dann fährt er fort: | »ZUPPINGER dagegen glaubt, aus dem Umstande, daß die me- diale Gelenkfläche des Schienbeins nach hinten gleitet, während zugleich die laterale in rollender Bewegung sich befindet, schließen zu müssen, daß bei der zu Anfang der Beugung vorhandenen Pro- nation die gleitende mediale Schienbeinseite um die rollende laterale herumgeht, die Achse für dieselbe also durch den lateralen Condylus hindurchgeht, oder sogar lateralwärts außerhalb des Gelenkes zu suchen ist. Es läßt sich leicht einsehen, daß von einem Zwang, die Sache so aufzufassen, wie ZUPPINGER es für unbedingt ‘nötig hält, durchaus nicht die Rede sein kann.« Morpholog. Jahrbuch. 37. . 9 130 H. Zuppinger Unter der Annahme, daß im lateralen Gelenke Rollung besteht, im medialen Gelenke die Tibia längs dem Femurprofil gleitet, kon- struiert nun O0. FIscHER für eine bestimmte Relativstellung von Femur und Tibia die Momentanachse und zerlegt diese in zwei Achsen, die senkrecht aufeinander stehen und in deren Ebene auch die Momentanachse enthalten ist. Die eine dieser beiden eingeführten Achsen ist parallel zur Längsachse der Tibia, die andre verläuft horizontal in frontaler Richtung. Um die erste der beiden Achsen vollzieht sich also die reine Pronation, um die andre die reine Flexion. Wie bemerkt, schneiden sich diese zwei Achsen und die Momentanachse in Einem Punkte. O. FiscHER nimmt diese Zer- legung erst an zwei Punkten der Momentanachse vor, nämlich dem Berührungspunkt im lateralen Gelenk und dann in dem Punkte, in welchem die Evolute des medialen Femurprofils die Normale der medialen Oberflächenberührung tangiert. Diese beiden Punkte liegen ja auf der Momentanachse. Er zeigt nun, daß durch aufeinander- folgende oder auch gleichzeitige Drehung um die flektorische und die pronatorische Achse im lateralen Gelenk Rollung, im medialen Gelenk Gleitung entsteht, gleichviel, ob die Zerlegung in einem oder dem andern Punkt vorgenommen war. Es kann aber die Zerlegung gerade so gut auch zwischen die beiden Condylen verlegt werden, und O. FiscHER gibt dieser Stelle den Vorzug, weil dann die Pro- nationsachse mit der Längsachse der Tibia zusammenfällt. Kurz zusammengefaßt, zeigt FiscHER, daß die Momentanachse in irgend- welchem Punkte in eine pronatorische und eine flektorische Achse zerlegt werden darf, und zwar aus kinematischen Gründen, daß aber eine spezielle Zerlegungsstelle ihm die annehmbarste scheint lediglich in Rücksicht auf die Gestalt des einen Gelenkteils. Ich kann mich nun weder von der Richtigkeit der FiscHEerschen Auffassung überzeugen, noch könnte ich, wenn sie richtig ist, ein- sehen, daß sie der meinigen vorzuziehen wäre. Selbst wenn die Wahl völlig frei wäre, so sollte doch wohl der Form der ganzen Tibia weniger Gewicht beigelegt werden, als den Bewegungen der Tibia um die aufeinanderfolgenden Momentanachsen. Diese Bewegungen werden immer das Ausschlaggebende sein müssen, um so mehr, als die Form der Gelenkflächen durch sie ebenfalls eine leichtere Erklärung findet; auch rein didaktische Gründe be- stimmen mich, meine Auffassung aufrecht zu halten. Wenn man weiß, wie gering im allgemeinen die mathematische Ausrüstung und Vorliebe der Mediziner und Zoologen ist, so wird man lieber nicht Zur Lage der Supinationsachse bei der Schlußrotation des Kniegelenkes. 131 das Hauptgewicht auf alle Möglichkeiten legen, sondern eine mög- lichst einfache Darstellung geben, die zugleich mit der direkten Beobachtung am besten in Einklang steht. Endlich ist es noch ein rein phoronomischer Grund, der mich veranlaßt, an meiner Auf- fassung festzuhalten. I. Form der femoralen 6elenkflächen. Wenn ein Körper eine kleine ebene Bewegung ausführt und es existieren an dem Körper zwei Punkte, die verschieden lange Wege zurücklegen, so können wir annehmen, die Bewegung sei eine Rotation um eine Achse, die senkrecht auf der Ebene der Bewegung steht; wenigstens könnte durch eine Rotation der Körper aus seiner ersten Stellung in die zweite übergeführt werden. Der Punkt, der den größeren Weg zurückgelegt hat, liegt von der Achse weiter entfernt, als der Punkt mit kleinerem Weg. Ein Punkt des Körpers, der zugleich der Achse angehört, bleibt während der Bewegung an der nämlichen Stelle. Bekanntlich schneiden sich die Mittelsenk- rechten der beiden Wegstrecken in der Achse, wenn diese Weg- strecken in der nämlichen Bewegungsebene liegen. Stellt man sich vor, der Körper, der nun samt seiner Achse in Ruhe sich befinden soll, sei auf einer Geraden, die senkrecht auf der Achse steht, mit zwei Spitzen versehen. Diese beiden Spitzen berühren eine Erzeugende eines Kreiseylinders, der um eine feste Achse sich dreht, die senkrecht auf der ersten Achse steht. Die beiden Spitzen zeichnen dann auf den Cylindermantel zwei gleich lange Spuren. Die nämlichen zwei Spuren würden sich auch bilden, wenn der Cylinder in Ruhe bliebe, dagegen der Körper mit seiner Achse sich um die Cylinderachse drehte; dabei würde dann eine Ebene, die senkrecht auf der Körperachse steht, längs des Cylinder- mantel so gleiten, daß sie nacheinander eine Reihe von Erzeugenden berührte. Man sieht, die Drehung des Körpers um seine eigne Achse ergibt verschiedene Wegstrecken der zwei Punkte; die Drehung des Körpers um die rechtwinklig gestellte Cylinderachse ergibt gleiche Wegstrecken. Nennt man den Körper Tibia, seine Achse Pronationsachse, den Cylinder femorale Gelenkflächen, seine Achse Flexionsachse, so sieht man, daß Längenunterschiede der zurückgelegten Wege nur der Pronationsbewegung, nicht der Fle- xionsbewegung zugeschrieben werden müssen. Aus der Größe der Wegdifferenz und der Entfernung der beiden Punkte läßt sich dann die Lage der Pronationsachse bezüglich der Tibia bestimmen. 9* 132 H. Zuppinger Nun zeigt der Condylus medialis eine erheblich längere Spur als der Condylus lateralis, und es bildet sich daraus vorläufig leicht die Vorstellung, die Pronationsachse liege dem Condylus lateralis näher als dem medialen. Nun liegen die Verhältnisse am Knie wesentlich komplizierter als in der obigen schematischen Darstellung. Namentlich wurde hier einfache Gleitung der Tibia längs dem Femurprofil vorausgesetzt, was nicht zutrifft. Anderseits ist, wie sich als sicher herausgestellt hat, an beiden femoralen Spuren un- gefähr der gleiche Betrag für Flexion unter Gleitung in Abzug zu bringen, und es bleibt fast der ganze Längenunterschied für den Beginn der kombinierten Flexions-Pronationsbewegung, die teils unter Gleitung, teils unter Rollung sich abspielt. Dadurch würde einerseits das Bestehen einer starken Pronation in dieser Phase plausibel gemacht, ferner aber auch die Pronationsachse dem Con- dylus lateralis von außen näher gerückt, weil immerhin die Tibia längs beiden Condylen im gleichen Sinne, d.-h. nach hinten sich bewegt. Der gekrümmte Verlauf des Condylus medialis unterstützt diese Vorstellung. Wie die Auffassung der Brüder WEBER und nun die Ausführungen O. FiscHErRs zeigen, braucht diese Darstellung nicht die absolut oder allein richtige zu sein. Immerhin scheint es mir besser, die Vorstellung einer lateral gelegenen Pronationsachse zu schonen, so lange sie nicht als unrichtig nachgewiesen werden kann, und zwar, weil sie aus der Form der Femurcondylen sich am ungezwungensten aus einfacher Betrachtung von selbst ergibt. II. Die sichtbare Bewegung der Tibia. Wird bei fixiertem Femur aus der äußersten Streckstellung im Kniegelenk die Beugung begonnen, so vollzieht sich neben der reinen Drehung um eine Querachse noch eine Pronation um eine Achse, die parallel zur Längsachse der Tibia oder senkrecht zur queren Flexions- achse gerichtet ist. Beobachtet man dabei die vordere äußere und die vordere innere Partie des tibialen Gelenkrandes, so sieht man, daß die erstere eine geringere Ortsveränderung vornimmt als die letztere. Die nächstliegende Erklärung wird sein, daß die Pronations- achse dem äußeren Gelenkrand näher liegt als dem inneren. FISCHER weist diese Erklärung nicht als unriehtig zurück, sondern hält sie nur für gleichberechtigt mit unendlich vielen andern Erklärungen. Er weist mit vollem Recht darauf hin, daß es allein diejenige Achse, welche aus der Vereinigung der Flexions- und der Pronationsachse Zur Lage der Supinationsachse bei der Schlußrotation des Kniegelenkes. 133 resultiert, sein kann, durch deren Lage die größere oder kleinere Exkursion zweier Punkte bedingt wird. Nun aber zerlegt er diese Achse, die er instantane nennt, an drei Punkten in je eine flexorische und eine pronatorische Komponente und zeigt, welche der Achsen- paare man auch wähle, die Bewegung der Tibia die nämliche sein müßte. Selbstverständlich hätte er anstatt seiner drei Punkte auch jeden andern Punkt der unendlich langen instantanen Achse zur Zerlegung benutzen können. Diese Zerlegung der instantanen Achse an einer beliebigen Stelle ergibt also gar keinen Aufschluß über die Lage der Pronationsachse in bezug auf die Tibia; ferner kann die Bewegung, die FiscHER betrachtet, nur eine unendlich kleine sein. Damit ist nun eben doch nicht mehr gewonnen als mit einer Auf- fassung, die genügend ist und nur als die nicht einzige angefochten ist. Wie bereits bemerkt, verdankt die Verlegung der Pronations- achse in die Mitte des Tibiatellers seine Bevorzugung lediglich einem Umstande, der von sehr untergeordneter, sogar zufälliger Bedeutung ist. Wenn die FıscHersche Achsenzerlegung zulässig ist, so ist es auch völlig Geschmackssache, ob man die Auffassung der Brüder WEBER oder die FiscHEersche oder die meinige adoptieren will. III. Zusammensetzung und Zerlegung von Drehachsen. Dieses Thema wird von 0. FiscHErR und andern als bekannt vorausgesetzt; da ich bis heute erst Einen Mediziner oder Zoologen gesehen habe, der davon Kenntnis gehabt hat, scheint es mir nicht unangebracht, auf diese Einleitung zur Kinematik kurz einzugehen. Den meisten, die anfingen, sich für Gelenkmechanik zu interessieren, ist es sehr schwer geworden, zu der Vorstellung zu gelangen, daß ein Körper sich gleichzeitig um zwei verschiedene Achsen drehen könne. Ohne bewegliche Modelle ist auch die Erläuterung nicht leicht. In den Lehrbüchern der Mechanik heißt es, daß, wenn ein Körper sich nacheinander um zwei Achsen drehe, das Resultat im allgemeinen verschieden ausfalle, je nachdem zuerst die eine oder die andre Drehung vorgenommen werde. Wolle man das gleiche Resultat durch eine Drehung um eine einzige Achse erreichen, so müsse die Reihenfolge der beiden Einzeldrehungen bekannt sein; nur im Falle die Einzeldrehungen unendlich klein seien, sei die Reihenfolge ohne Einfluß. Das bezieht sich auf den Fall, daß ein Körper sich erst um eine Achse dreht, die im Raume als fest ge- 134 H. Zuppinger dacht ist, und nachher um eine zweite Achse, die ebenfalls ihre Lage im Raum nicht ändert. Ferner gilt das Gleiche auch für den Fall, daß der Körper beim Drehen um die erste Achse die zweite mit- nimmt, darauf bei der Drehung um die zweite Achse wieder die erste mit sich führt. In der Gelenkmechanik spielen solche Bewegungsarten kaum eine Rolle; von fundamentaler Wichtigkeit ist aber folgende Art der Dre- hung um zwei Achsen. Es ist eine ruhende Achse vorausgesetzt, sie kann an einen ruhenden Körper gebunden sein, und heiße O,. Um diese Achse dreht sich eine zweite Achse O,, während gleich- zeitig um diese Achse O,, der zweite Körper sich dreht. Es führt also der zweite Körper eine verwickelte Bewegung aus, die aus einer Drehung um eine feste Achse und aus einer zweiten Drehung um eine wandernde Achse sich zusammensetzt. Ein einfaches Beispiel für diese Art der Bewegung ist die gleichzeitige Flexion der Grund- und der Mittelphalanx eines Fingers bei festgestelltem Metacarpus. Die Mittelphalanx dreht sich dabei gleichzeitig um zwei Achsen, nämlich um die Achse des Interphalangealgelenkes, diese Achse aber dreht sich unterdessen samt der Mittelphalanx und der Grundphalanx um die feste Achse des Metacarpophalangealgelenkes. An diesem Bei- spiel ist auch leicht zu sehen, daß es in bezug auf die Endstellung keinen Unterschied macht, ob die Einzeldrehungen gleichzeitig oder nacheinander in beliebiger Reihenfolge vorgenommen werden. Und zwar gilt das für beliebig große endliche Drehungen. Ein andres Beispiel ist ein Konus, der auf einer Ebene rollt. Der Konus dreht sich dabei um seine geometrische Achse, diese selbst dreht sich um eine Achse, die an der Kegelspitze senkrecht auf der Ebene steht. Auch hier wird die nämliche Endstellung er- reicht, wenn zuerst die Drehung um die feste Achse und darauf um die Kegelachse ausgeführt wird, oder umgekehrt, wie wenn die beiden Drehungen gleichzeitig vorgenommen werden. Auch bei diesem Beispiel gilt die verschiedene Ausführbarkeit für große Bewegungen wie für unendlich kleine. Die gleichzeitige Drehung der Mittelphalanx um eine in Dre- hung begriffene und um eine ruhende Achse macht den Eindruck einer einheitlichen Bewegung; ebenso die Rollung eines Kegels auf einer Fläche. Es gelingt auch die Bewegung um zwei Achsen als eine Drehung um eine einzige Achse darzustellen. Zur Erläuterung ist es vorteilhaft, drei Fälle zu unterscheiden. A. Die feste Achse O, und die sich bewegende Achse O,, sind Zur Lage der Supinationsachse bei der Schlußrotation des Kniegelenkes. 135 parallel. Im einfachsten Falle ist der Abstand O,0,, unveränderlich, O,, beschreibt also einen Cylindermantel. Wenn nun der Körper um die sich bewegende Achse O,, sich dreht, so erfährt jeder Punkt des Körpers in jedem Moment eine doppelte Ortsveränderung, die eine vermöge der Drehung um O,,, die andre vermöge der Drehung um O,. Bei allen Punkten des Körpers, welche gerade in der Ebene der beiden Achsen O, und O,, sich befinden, sind die zwei Ortsver- änderungen von gleicher Richtung; sie können aber nach Größe oder Sinn verschieden sein. Es gibt aber in der Ebene der Achsen eine Gerade, parallel zu den Achsen O, und O,, in welcher die beiden Ortsveränderungen sich gerade aufheben; ein Körperpunkt, der in diese Linie gerät, kommt also für einen Moment in Ruhe, während die übrigen Punkte des Körpers sich bewegen. Es läßt sich leicht zeigen, daß die Geschwindigkeit jedes Körperpunktes proportional ist seinem Abstand von dieser Geraden, in welcher Ruhe herrscht. Dabei zeigt sich auch, daß die Bewegungsrichtung jedes Punktes senkrecht steht auf der kürzesten Verbindungslinie des Punktes mit der Geraden der Ruhe und endlich, daß alle Punkte sich in Ebenen bewegen, die senkrecht zur Geraden der Ruhe stehen. Es muß also diese Gerade der Ruhe als die Achse der momentanen Bewegung des Körpers angesehen werden, sie soll weiterhin Achse O heißen. Ein jeder Punkt des bewegten Körpers, der in die Achse O ge- - langt, kommt also zur Ruhe, weil er gleichzeitig zwei Bewegungen ausgesetzt ist, die gleich groß, gleich gerichtet, aber von entgegen- gesetztem Sinne sind. Die eine dieser Bewegungen ist die Drehung um die Achse O,,, und ihr Absolutbetrag ist in der Zeiteinheit d,,o,,, wenn d,, der Abstand der Achse O,, von O und w,, die Winkelge- schwindigkeit der Drehung um die Achse O,, bedeutet. Die andre Bewegung ist die Drehung um die Achse O,, und deren Absolut- betrag ist d,w, bei analoger Bedeutung von d, und w,. Für einen Körperpunkt, der in der Achse O liegt, besteht also die Beziehung d,w, — d,w,, = 0. Darin gelten für Rechtsdrehung die zw als positiv, d, ist positiv, wenn von O, gegen O,, gemessen, d,, positiv wenn von O,, gegen O, gemessen. Daraus folgt, daß die Abstände der Achse O von den Achsen O, und O, sich umgekehrt verhalten wie die Winkelge- schwindigkeiten von O, und O,, d, _Wn. ze DRIN 136 H. Zuppinger ferner, daß O zwischen O, und O,, liegt bei gleichem Drehsinn, außerhalb O,O,, bei ungleichem Drehsinn um O, und O,. ll, —d, w In Fig. 1 hat vw, gleichen Drehsinn wie w,,, die Verschiebungen, die durch die Drehung um OÖ, bewirkt würden, sind oberhalb der Linie 0,0,, eingezeichnet; die Verschiebungen durch die Drehung ! Fig. 1. Ebene Punktbewegungen durch gleichsinnige Drehungen um O0, und O,,; mm und nn Profile der Axoide, um O,, unterhalb dieser Linie. Bei O heben sich beide Verschie- bungen auf und es besteht daselbst für den jeweilig dort befindlichen Körperpunkt Ruhe. Das dauert aber nur einen Moment, weil die Ebene 0,0, sich samt der in ihr enthaltenen Achse O durch die momentan ruhenden Punkte durchbewegt und neue Punktreihen momentan zur Ruhe bringt. In Fig. 2 sind die Drehungen um OÖ, und um Ö,, entgegenge- setzt und es fällt O außerhalb O,O,,. Fig. 2. RE Ebene Punktbewegungen durch ungleichsinnige Drehungen um O, und O,,; mm und nn Profile der Axoide. Zur Lage der Supinationsachse bei der Schlußrotation des Kniegelenkes. 137 Denkt man sich nun die feste Achse O, mit einem ruhenden Körper verbunden, wie auch die Achse O,, mit dem bewegten Körper, so sieht man leicht, daß während der beschriebenen Bewegung die Achse O eine Fläche beschreibt, welche einen Cylindermantel dar- stellt und mit dem ruhenden Körper verbunden gedacht werden kann. Gleichzeitig kommen immer neue Geraden des bewegten Körpers heran und fallen momentan mit der Achse O zusammen. Die Gesamtheit aller dieser Geraden des bewegten Körpers bildet einen zweiten Cylindermantel, der dem bewegten Körper angehört. Diese beiden Mantelflächen, deren Erzeugende also die Achse O ist, heißen Axoide oder Achsenflächen, ihre Profile sind in den Figuren als mm und nn eingezeichnet; die Bewegung vollzieht sich nun so, daß der bewegte Körper mit seiner Achsenfläche auf der Achsen- fläche des ruhenden Körpers rollt. Die Linie, in welcher die beiden Achsenflächen sich jeweilen berühren, ist die Momentan- oder in- stantane Achse der Drehung. Sie wandert längs der Achsenfläche des ruhenden Körpers, so daß diese als die Gesamtheit der Achsen aller aufeinander folgenden unendlich kleinen Drehungen des be- wegten Körpers anzusehen ist. Wird der ruhende Körper zum be- wegten gemacht und umgekehrt, so rollt bei einer Folge gleicher Relativstellungen das andre Axoid auf dem ersten. Bleiben sowohl das Verhältnis der Winkelgeschwindigkeiten als auch der Abstand O,O,, ungeändert, so sind die beiden Axoide Kreis- cylinder, andernfalls sogenannte allgemeine Cylinder, deren Leitlinie irgend welche ebene Kurve ist. Es ergibt sich so, daß die Drehung eines Körpers um eine feste und eine sich bewegende Achse, welche sich in unendlicher Ferne schneiden, ersetzt werden kann durch eine Drehung um eine sich bewegende Achse, welche die beiden ersten Achsen ebenfalls in un- endlicher Ferne schneidet. B. Die ruhende Achse O, und die um dieselbe sich drehende Achse O,, schneiden sich im festen Punkte ©; um die Achse O, drehe sich der Körper. Vermöge der Drehung um die Achse O, bewegt sich jeder Körperpunkt auf einem Kreisbogen in einer Ebene, welche senkrecht zur Achse O,, steht; vermöge der Drehung um die Achse O, beschreibt jeder Körperpunkt einen, Kreisbogen in einer Ebene, welche senkrecht auf der Achse O, steht. Die beiden Ein- zelbewegungen haben gleiche Richtung bei allen Punkten, die in der Ebene sich befinden, die jeweilig durch die beiden Achsen O, und O,, gelegt werden kann. Unter diesen Körperpunkten gibt es eine Reihe, 138 H. Zuppinger die der Forderung d,ww, — d,,w,, = O entsprechen, d.h. bei denen die eine Bewegung die andre aufhebt. Es bedeuten auch hier w, und ,, die Winkelgeschwindigkeiten um O, und O,, d, und d,, die Abstände eines Punktes von der Achse O, und Achse O,. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß alle die Punkte, die die Bedingung d,w, — d,,w,, = 0 erfüllen, auf einer Geraden liegen; und zwar liegt diese Gerade in der Ebene der Achsen O, und O,, und schneidet wie diese den Punkt €. Diese Gerade, die Achse O dreht sich mit der Ebene 00,0, um die Achse O, und beschreibt dabei einen Kegelmantel, die Achsen- fläche des mit ©, verbundenen ruhenden Körpers. Gleichzeitig gehen durch die Drehung des Körpers um O,, fortwährend neue gerade Punktreihen dieses Körpers durch die vorrückende Linie © 0; ihre Gesamtheit bildet einen zweiten Kegelmantel, die Achsenfläche des bewegten Körpers. Stehen die Achsen O, und O,, rechtwinklig aufeinander, wie es in der zu besprechenden Frage der Fall ist, und wird der Winkel, den Achse O, mit Achse O bildet, g genannt, so ist d,:d, = w,:%, — sin p :sBın (00 2 d.h. die Sinus der Winkel, welche die Achse O mit den Achsen O, und O,, bildet, ist umgekehrt proportional den Winkelgeschwindig- keiten um OÖ, und O,. Sind während der Bewegung weder das Verhältnis der beiden Winkelgeschwindigkeiten noch der Winkel O,CO,, einer Änderung unterworfen, so sind die beiden Axoide Kreiskegel, sonst allgemeine Kegel von irgendwelcher Basisfläche; immer aber schneiden sich ihre Kanten, d.h. die Momentanachsen im Scheitelpunkt © des Winkels 0,CO,,. C. Der Fall, in welchem die ruhende Achse O, und die um sie rotierende Achse O,, sich kreuzen, eignet sich wenig zu einer kurzen Erläuterung ohne Modelle; ferner kommt er, obwohl sonst der wichtigste, hier nicht in Betracht, weil O. FiscHEr die instan- tane Achse der Flexion mit Pronation als Kante konischer Axoide aufgefaßt und teilweise demgemäß behandelt hat. In Kürze sei nur gesagt, daß bei sich kreuzenden Achsen auch die Momentanachsen sich kreuzen und daß dabei zwei windschiefe Axoide resultieren, die teils aufeinander rollen, teils längs ihrer Berührungslinie anein- ander gleiten. So weit die Zusammensetzung einer ruhenden und einer rotieren- Zur Lage der Supinationsachse bei der Schlußrotation des Kniegelenkes. 139 den Achse zu Einer wandernden Achse. Es ist weiter zu besprechen die Zerlegung einer Achse in zwei Achsen, von denen die eine in Ruhe bleibt, die andre um die erstere sich dreht. Da ist zuerst mit allem Nachdruck darauf aufmerksam zu machen, daß es Drehachsen gibt, welche ein Einfaches sind und einer Zerlegung nicht fähig. Das sind die Achsen, welche während der Bewegung ihre relative Stellung zu keinem der beiden Teile, dem bewegten und dem ruhen- den, ändern. Es sind das die Achsen der conaxialen Gelenke (REULEAUx), also die Achsen der Cylindergelenke und der Schraube. So weit als auch die Bewegung um eine instantane Achse als eine conaxiale Bewegung aufgefaßt wird, d. h. keine Rücksicht auf vor- hergehende und nachfolgende Stellungen der instantanen Achse ge- nommen wird, ist auch die Zerlegung der instantanen Achse nicht statthaft. Nun verbindet man mit der Bezeichnung der instantanen Achse auch den Begriff einer Achse, die ihre Stellung ändert; wird nun die Art dieser Lageveränderung der Achse und die Winkelge- schwindigkeit des sich bewegenden Körpers bei jeder Achsenstellung in Rechnung gebracht, so kann die Zerlegung der instantanen Achse in eine ruhende und eine sich drehende Achse allerdings ausgeführt werden. Während in ersterem Falle die Aufgabe eben eine unbe- "stimmte ist und unendlich viele Lösungen zuläßt, ist sie im zweiten Falle eine bestimmte, und es ist nur eine einzige Lösung möglich. Ist eine instantane Achse in zwei Komponenten zu zerlegen, so ist zuerst zu untersuchen, ob die Gesamtbewegung eine ebene ist, oder eine Bewegung um einen Punkt, oder endlich eine Schrotung. Im ersten Falle darf die Zerlegung nur in Komponenten erfolgen, die mit der instantanen Achse parallel sind und mit ihr in einer Ebene liegen. Vollzieht sich die Gesamtbewegung um einen ruhen- den Punkt, so müssen die Komponenten einander und die instan- tane Achse in einem Punkt schneiden, und alle drei müssen in einer Ebene liegen. Ist endlich die Gesamtbewegung eine Schro- tung, so sind die Teilachsen gekreuzte Gerade und die Schränkung der instantanen Achse geht durch die Linie des kürzesten Abstandes zwischen den Teilachsen. Die Aufgabe der Zerlegung wird nun aber erst eine bestimmte, wenn die Winkelgeschwindigkeit um alle Instantanachsen, und bei ebener Bewegung der Abstand der Teil- achsen, bei Bewegung um einen Punkt der Winkel’ zwischen den Teilachsen, bei Schrotung Schränkungswinkel und kürzester Abstand der Teilachsen bekannt sind. Diese Größen werden auch gegeben durch die Form der zusammengehörigen Achsenflächen. 140 H. Zuppinger Nun ist von O. FiscHer die Gestalt der Achsenflächen, die zu der Gleitung im medialen Gelenk und Rollung im lateralen Gelenk gehören, völlig gekennzeichnet; es sind zwei windschiefe Flächen. Es besteht darüber wohl kein Meinungsunterschied, daß diese wind- schiefen Flächen ihre geringste Breite haben, da wo femorale und tibiale Gelenkfläche aufeinander rollen, also im lateralen Gelenk. O. FıscHEr zerlegt nun eine Instantanachse in eine Flexionsachse und eine rechtwinklig zu ihr gestellte Pronationsachse, beide schnei- den sich in einem Punkt der Instantanachse, und diese liegt in der Winkelebene der Teilachsen. Daraus geht mit aller Sicherheit her- vor, daß O. Fıscuer die windschiefen Achsenflächen durch zwei konische ersetzt hat. Das kann ja auch als genügende Annäherung und große Vereinfachung begrüßt werden, wenn die Spitze der Koni an die Stelle verlegt wird, wo die windschiefen Achsenflächen am schmalsten sind. Damit hört aber die Freiheit auf, die Instantanachse an einem beliebigen ihrer Punkte zu zerlegen. Die Flexions- achse und die Pronationsachse können sich nur noch in der Spitze der konischen Axoide, also im äußeren Gelenke schneiden. Man erkennt die Richtigkeit dieser Behauptung leicht, wenn die Zerlegung an einer andern Stelle, z. B. im Condylus medialis femoris vorge- nommen wird und darauf die Instantanachse in eine andre Stellung gelangt. Bei dieser Wanderung der Instantanachse erleiden auch die Teilaebsen Drehungen um weitere Achsen. Es resultieren also statt einer ruhenden und einer sich drehenden Achse zwei feste und zwei sich drehende Achsen, was der Forderung gar nicht entspricht. Werden aber die vier Achsen nach den Regeln der Achsenzusammen- setzung vereinigt, so resultieren immer wieder eine ruhende und eine sich drehende Achse, die in der Spitze der konischen Axoide, d.h. im äußeren Gelenke sich schneiden. Eine weitere Bestätigung erfährt meine Auffassung durch fol- sende Überlegung. Werden sowohl die Flexionsachse als auch die Pronationsachse festgestellt, und es dreht sich das Femur samt seiner Achsenfläche um die Flexionsachse, die Tibia mit ihrer Achsenfläche um die Pronationsachse, so müssen diese beiden Achsenflächen auf- einander rollen. Das kann augenscheinlich nur dann geschehen, wenn die Flexions- und die Pronationsachse in der Spitze der koni- schen Axoide sich schneiden. Jede Zerlegung der Instantanachse an einer andern Stelle macht die Rollung unmöglich. Durch gleichzeitige Rollung im lateralen und Gleitung im me- Zur Lage der Supinationsachse bei der Schlußrotation des Kniegelenkes. 141 dialen Kniegelenk kommt eine Bewegung zustande, die in eine Flexion und eine Pro- bzw. Supination der Tibia gegen das ruhig gedachte Femur zerlegt werden kann. Dabei haben sowohl die Flexions- als auch die Pronationsachse eine ganz bestimmte Lage. Die Pronationsachse liegt im lateralen Gelenk, wenn die Spitzen der konischen Axoide der Bewegung im lateralen Geienk sich befinden. Varietäten der Arteria profunda femoris und der Arteria eireumflexa femoris medialis des Menschen. Von Dr. H. Bluntschli, Privatdozent und Assistent am anatomischen Institut Zürich. Mit 5 Figuren im Text. (Aus dem amatomischen Institut der Universität Zürich.) Varietäten der proximalen Äste der menschlichen Arteria femo- ralis sind häufige Vorkommnisse. Sie betreffen in besonders augen- fälliger Weise das Gebiet der Arteriae eircumflexae femoris laterales. Hier herrscht ein solch reicher Wechsel der Erscheinungen, daß von den Autoren sehr verschiedene Befunde als typische geschildert werden konnten. So wurde auch dieses eharakteristische Gefäß- gebiet in erster Linie einer vergleichenden Bearbeitung unterworfen. Wir danken insbesondere RusE (1894) eine kritische Sichtung der bisher bekannten Fälle und eine Scheidung der wechselnden Er- scheinungsbilder in Typen mit innerer Zusammengehörigkeit. Die Sonderung der Circumflexae laterales nahm er einmal, — früheren Autoren folgend — nach der Ursprungshöhe der Gefäße aus dem Stamm der A. femoralis, zum andern, — in durchaus origineller Weise —, nach den Relationen derselben zu den Zweigen des Nervus femoralis vor. Als bleibendes Ergebnis resultierte, daß sehr ver- schiedene Arterien das Circumflexa lateralis-Gebiet zu versorgen vermögen, von welchem bald mehrere gleichzeitig bestehen und sich in das Versorgungsgebiet teilen, bald nur eine dem deutlich um- schriebenen Gefäßbereich alles Blut zuführt. Für die A. profunda femoris ließ sich Ähnliches sehr wahrscheinlich machen. Es ist ja Varietäten der Arteria profunda femoris usw. des Menschen. 143 das Ursprungsverhalten dieses Gefäßes aus der Schenkelschlagader kaum geringerem Wechsel unterworfen als jenes der Aa. circumflexae fem. laterales. Auch deuten ja die außerordentlich innigen Wechsel- beziehungen dieser verschiedenen lateralen Circumflexae zum Pro- fundabereich darauf hin, daß sich, wenn verschiedene einander nicht homologe Circumflexae laterales bestehen, auch verschiedene Pro- fundae bestehen müssen. Was die Cireumflexa fem. medialis an- belangt, so waren für deren Bewertung wieder die verschiedenen Aa. profundae und der Ursprung an verschiedener Stelle des Femo- ralisstammes maßgebend. Ich selbst habe 1906 in vergleichend- anatemischen Untersuchungen an Lemuren und zahlreichen niederen Altweltsaffen versucht, einiges beizutragen, die Rätsel einer der- artigen Fülle von Erscheinungsbildern zu enthüllen. Ich konnte auf Grund der eignen Beobachtungen den Auffassungen meines verehrten Lehrers beipflichten und die stammesgeschichtliche Bedeutung ein- zelner Zustände festlegen. Die eingehende Erforschung der Platyr- rhinen und vor allem der Anthropoiden dürfte neues Licht ver- breiten. Daneben habe ich die genaueste Aufnahme der Befunde des entsprechenden Gefäßgebiets beim Menschen seit längerer Zeit an dem Präpariersaalmaterial des Züricher anatomischen Instituts durch- geführt und zahlreiche Beobachtungen gemacht, welche Interesse verdienen. Wenn ich heute einige Beobachtungen aus dem Bereiche der proximalen Femoralisäste mitteile, so stellen diese Fälle nur eine kleine Zahl bedeutsamer Befunde dar, deren eingehende Be- arbeitung ich einer späteren Periode, wo ich über noch zahlreichere Aufnahmen verfüge, vorbehalte.e Davon habe ich mich jetzt schon überzeugen können, daß die vergleichenden Feststellungen im ge- nannten arteriellen Gefäßbezirk nicht nur casuistische Bedeutung besitzen werden, vielmehr sehr wohl Wesentliches dazu beitragen können, uns über die Prinzipien Aufklärung zu schaffen, welche die Entstehungsgeschichte des peripheren Gefäßsystems beherrschen. Was zahlreiche Untersucher allein von entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen erwarten, läßt sich meines Erachtens ebensowohl auf anderm Wege erreichen. Seit wir wissen, daß auch in den Stadien frühester Ontogenese die individuelle Variation schon eine bedeutsame Rolle spielt, welche gewiß vielfach noch unterschätzt wird, hat die vergleichende Varietätenforschung zur Analyse des Entwiceklungsganges morphologischer Ausgestaltung, wie mir scheint, neue Bedeutung erlangt. Die vergleichend-anatomische Wissenschaft 144 H. Bluntschli gewinnt damit erhöhte Bedeutung. Je mehr mit weitgehender Be- rücksiehtigung der individuellen Variationsbreite die Aufgaben der vergleichend-morphologischen Forschung sich mühsamer und zeit- raubender gestalten, um so exakter, ergiebiger werden die Resultate. Ich zweifle nicht, daß auf solch breiter Basis der vergleichenden Morphologie eine neue Zeit der Blüte beschieden sein wird. Bau- steine hierzu beizutragen wird stets eine innere Befriedigung schaffende Aufgabe sein. »Die A. profunda femoris der Lemuren und (niederen) Ca- tarrhinen entspricht dem Anfangsstück der menschlichen Profunda, besitzt ihre Fortsetzung in der A. perforans prima und diese wieder in der A. nutrieia femoris.« Das konnte ich 1906 (S. 447) als Er- sebnis einer ausgedehnten Untersuchung festlegen. Jene Fortsetzung der A. profunda des Menschen, welche nach Abgabe der Perforans prima in der Fossa iliopectinea herabsteigt und die Perforans secunda sowie tertia liefert, charakterisierte sich dadurch als sekundärer Gefäßstamm. Ich wußte damals nicht, daß sich der Entwicklungsgang dieses Zustandes gelegentlich auch beim Menschen noch nachweisen läßt. Die Fig. 1! diene als Beweis dafür. Ihre A. profunda besitzt die eigentliche Fortsetzung in der A. perforans prima, welche, den Musculus adductor brevis durchsetzend, zwischen M. adduetor magnus und minimus an der Oberschenkelrückseite erscheint und auch eine A. nutrieia femoris entsendet. Sie entspricht somit durchaus dem Endast der A. profunda niederer Catarrhinen. Eine tief entspringende A. eireumflexa femoris medialis, deren ich weiter unten eingehend gedenken werde, eine R. m. vasti medialis und ein Gefäßstämmchen, aus welchem die beiden andern Perforantes entstehen, charakteri- sieren sich deutlich als Seitenzweige des Profundastammes. Zwei deutlich ausgeprägte Aa. profundae, gleichzeitig neben- einander bestehend, zeigt Fig. 2. Die erste, schwächere (A. profunda superior) geht aus dem hinteren Femoralisumfang 44 mm unterhalb des Ligamentum inguinale ab. Sie entsendet aus ihrem Anfangsbereich 1 Der Fall gewährt Interesse auch durch eine eigentümliche Lagerung des Hodens. Dieser findet sich nämlich direkt unter der äußeren Öffnung des Leistenkanals, ist also durch diesen ausgetreten, hat aber einen Descensens in das Scrotum nicht vollzogen. Wohl aber sind die Hüllen des Hodens in dieses herabgetreten. Mit ihnen steht ein strangfürmiger, derber Bindegewebszug vom unteren Hodenrand in Verbindung, er entspricht wohl einem Gubernaculum, einem echten Leistenband des Hodens. Varietäten der Arteria profunda femoris usw. des Menschen. 145 ein Gefäßstämmehen, das sich zum M. peetineus zu M. adduetor brevis und longus verbreitet und bis gegen das Tubereulum pubieum vor- dringt, also etwa dem Gefäßbezirk eines sog. Ramus superficialis der A. eireumflexa fem. medialis gewöhnlichen Verhaltens zustrebt. Der Stamm der Profunda superior selber descendiert stark und durchsetzt, in A. perforans secunda und tertia zerfallend, die Ad- duetorengruppe. Die A. profunda inferior ist von stärkerem Kaliber. Fig. 1. V. femor. A. femor. A. epig. inf. n HA. circf. il. prof. ur N | nn A. epig. supf. & | | / A. pudend. u R ' \1 N. femor. MH. pectin. \e A. circh. il. supf. II P / “| > —- Zum N. femor. Testis „LBBR; / © Zu M. psoas | Zu Hm. glut. u. in Tens. f. 1. \ N Zu Hm. glut. / R. troch. | SA. caref. f- lat. | inf. N f— Zu M. vast. lat. ' es | | A. circfl. fem. lat. sup. 4. eircfl. f. med. sup. Zu M. psoas 4. cirefl. f. med. inf. \ —— Zu "u. vast. lat. Zu M. grac. an 4. u. V. prof. fem. a N 4A. perf. I. Zu N. sartor. T 1} | | U Zu M. vast. im. M. add. long. Zu M. vast. med. Die proximalen Äste der A. femoralis einer linken Extremität des Menschen. Etwa 2. Ihr Entstehungsort liegt beinahe 9 cm vom Lig. inguinale entfernt ebenfalls an der dorsalen Femoraliswandung. Diese Arterie hat weit weniger absteigenden Verlauf, tritt vielmehr stark nach lateral abbiegend in die Tiefe um als A. perforans prima zu endigen. Von der Konvexität ihres bogenförmigen Verlaufsstückes gehen zwei stärkere Arterien ab, deren erste, unter den Oberrand des Adductor longus tretend, sich in diesen Muskel verzweigt, während die andre, bedeckt vom M. adductor longus, ein Stück medial vom Knochen den M. adductor magnus perforiert und bis zum M. semimembranosus Morpholog. Jahrbuch, 37. 10 146 H. Bluntschli mit seinem starken Endast vordringt. Sie versorgt Teile genannter Muskeln. Die Auflösung der A. profunda in mehrere Äste ist ein sehr seltener Zustand. RuGe erwähnt Angaben von ÜRUVEILHIER, W. KRAUSE und GEGENBAUR und ist selber in der Lage, eine Beobachtung ab- zubilden (Fig. 29, S. 207), welche ich in Fig. 3 hier wiederhole, weil Fig. 2. A. epigastr. inf. A. circf. dei prof. N 4. epigastr. supf. NT, | ha N Lig. ingwinale A. oöturat. N. femor. Zu M. psoas A A AER Zu Mm. glut. u. sart. . pude - Nn. m. rect. Zu Mm. glut. u. tens. f. I. A. pro‘. fem. sup. Zu M. sart. Ram. troch. M. pectin. 1—— Zu M. vast. lat. Zu M. vast. lat. Zu Mm. vast. lat. u. IM. N. m. vast. lat. M. add. long. A. prof. fem. inf. Zu Mm. vast. im. u. ned. A. femor. N. m. vast. ım. N. saphen. 4A. perf. I A. perf. II A. perf. III N. m. vast. med. Die proximalen Äste der A. femoralis einer linken Extremität des Menschen. Etwa 1/2. sie mir bedeutsame Fingerzeige für die Erklärung unsres Befundes zu geben scheint. In Fig. 3 bestehen drei Aa. profundae, indem die drei Perforantes isolierten Ursprung aus der Femoralis nahmen, die beiden ersten nebeneinander 4,5 em vom Abgangsort der Aa. epi- gastriea inf. et eircumflexa ileum profunda, die dritte 9,7 em von derselben Marke entfernt. Die Maße nähern sich denen der Fig. 2 Varietäten der Arteria profunda femoris usw. des Menschen. 147 so außerordentlich, daß es wohl nieht gewagt sein dürfte, die Ent- stehungsstellen zu homologisieren. Während aber in Fig. 3 die Perforantes prima und seeunda hohen Ursprung nehmen, sind es in Fig. 2 die Perforantes secunda und tertia, wogegen die Perforans prima sich hier tiefer aus der A. femoralis ableitet. Das hat naturgemäß eine Kreu- zung der Stämme von Profunda superior und inferior zur Folge, wie sie ja auch in der Fig. 2 deutlich zum Ausdruck kommt. Versuchen wir, die Befunde der Fig. 2 und 3 auf einen gemeinsamen Zustand zurückzu- führen, so ist dies nur unter Annahme früher einmal bestehender Verbindungen ° N aha der verschiedenen Aa. profundae unter sich \ möglich. Die Annahme hat nichts Un- wahrscheinliches an sich, ganz entspre- chende Verhältnisse im Circumflexa late- ralis-Gebiet sind ja einwandfrei festgestellt worden. Auch hier kommt es häufig zu Überkreuzung einer A. eircumflexa lateralis inferior durch eine weiter proximal vom Femoralisstamm sich herleitende Cireum- flexa fem. lat. superior (vgl. insbesondere Proximale Äste der A. femoralis Ruge [1894] und Auzurrin [1905]). Weitere “nen mach 6, Ruos (100. 2 Zeugnisse für die ausgesprochenen Auf- fassungen dürften sich mit der Zeit in gelegentlich anzutreffenden Varietäten auffinden lassen. Die Perforans tertia der Fig. 3, die Profunda inferior der Fig. 2 gehören jenem seltenen Profundatypus mit Ursprung etwa 9cm vom Leistenband an. Dieses ist wohl die am tiefsten aus der Femoralis entspringende Arterie, welche als Pro- funda in Erscheinung treten kann, wenn nicht jenes von QUAIN (1844) beobachtete, sich 11,6 em vom Arcus ceruralis aus der Schenkel- schlagader lösende Gefäß einen weiteren Profundatypus darstellt. Neben diesen Profundavarietäten verdienen einige Beobachtungen, die sich im Circumflexa medialis-Bereich machen ließen, unsre Aufmerksamkeit. Die menschliche A. eireumflexa femoris medialis ist zumeist ein Ast der Profunda (Ausurrin [1905] stellte diesen Zustand in 76,5%, aller Fälle fest), seltener der A. femoralis und entsteht dann stets oberhalb des Profundaabganges. Die catarrhinen Affen verhalten sich hierin wesentlich anders. Bei den Üercopithe- 10* — S \ N 148 H. Bluntschli einen ist die Arterie fast regelmäßig ein Ast der Iliaca externa oder der Hypogastrica, welcher durch die Schenkellücke medial von der Vena femoralis über den Pubisrand zur Extremität tritt. Die Semno- pitheeinen zeigen eine Annäherung an menschliche Zustände; hier ist der Ursprung aus der A. profunda die Regel, während die Le- muren eine femorale Genese des Gefäßes als konstanten Befund aufweisen. Alle diese Arterien, wo sie auch entspringen, treten mit ihrem Stamm in ganz charakteristischer Weise um den Oberrand des M. pectineus zwischen diesen und dem M. iliopsoas in die Tiefe und verlaufen zwischen M. obturator externus und dem Oberrand des M. adductor brevis bzw. adductor magnus (minimus). Die peri- phersten Gefäßabschnitte dieser verschiedenen Aa. eireumflexae femoris mediales sind vielleicht einander homolog, sicher aber sind es deren Ursprungsabschnitte nicht. Ganz verschiedene Gefäße können hier die Versorgung des peripheren Abschnittes übernehmen. Zahlreiche Varietäten, die wir bei Affen, wie vor allem beim Menschen fest- stellen können, beweisen dies untrüglich. So ist die Mannigfaltig- keit der Bilder bedingt durch den verschiedenen Ausbildungsgrad vieler differenter Gefäße. Über die verschiedenen Typen, welche hierfür in Frage kommen, hat sich Ruge verbreitet; ich möchte hierauf an dieser Stelle nicht näher eingehen. Nur auf eines will ich hinweisen: wie häufig der sog. Ramus superficialis der A. eir- cumflexa femoris medialis, jenes oberflächliche Gefäßchen, das sich noch in der Fossa iliopectinea zu Mm. pectineus, adductor brevis, longus und gracilis verbreitet und bis zum Tubereulum pubicum hin vordringt, isoliert vom eigentlichen Circumflexa medialis-Stamm zu treffen ist. Darin (Fig. 1 und 2) prägen sich zweifellos Rudimente von ursprünglich besser ausgebildeten Cireumflexa medialis-Typen aus. Zur Scheidung der verschiedenen Bilder in umschriebene, deutlich charakterisierte Typen darf nicht nur das Ursprungsver- halten herangezogen werden. Auch der Verlauf kommt in Frage. Es ist bekannt, daß die Arterie bald aus dem lateralen, bald dem medialen Umfang der A. profunda femoris bzw. der A. femoralis sich lösen kann. Der mediale Ursprung ist der häufigere. Bei Ab- leitung aus der lateralen Peripherie der A. femoralis tritt die Cir- cumflexa medialis hinter dieser Arterie durch, »ebenso verläuft sie, wenn sie aus dem lateralen Umfange der A. profunda entsteht, ent- weder hinter der A. u. V. cruralis, oder 2 cm unterhalb des Arcus cruralis quer vor der A. eruralis, mittels ihres tiefen Astes einen Halbring um die vordere Peripherie der V. cruralis bildend« Varietäten der Arteria profunda femoris usw. des Menschen. 149 (W. Krause, 1876, S. 317). Etwas Ähnliches wie dieser zuletzt ge- schilderte Verlauf kann auch bei einem Ursprung aus der A. femo- ralis zustande kommen. Die Fig. 4 möge zur Demonstration dieses interessanten Verhaltens dienen. Hier leitet sich die A. circumflexa femoris medialis 1 em unterhalb des Leistenbandes aus der medialen Fig. 4. A. cirefl. dl. prof. Vena jemor. N. femor. A. epig. inf. A. femor. A. u. V. circfl. fem. med. M. pectin 77; ER 17 | Hi eı HM A. circf. fem. lat. sup. Zu M. sartor. Zu M. psoas Zu Mm. glut. u. lensor. f. 1. Zu M. sartor. 2 Zu M. rect. secunda Ram. troch. Zu M. vect. A. circfl.fem. lat. tertia Zu M. vast. lat. A. perfor. I Zu M. rect. 4A. circfl. fem. lat. quarta Zu M. vast. im. Zu M, sart, A. perfor. II A. perfor. III Zu M. vast. lat. Zw M. vast. im. Zu M. sartor. Zu M. : 2 u vast. med N. saphen. Die proximalen Äste der A. femoralis einer rechten Extremität des Menschen. Etwa 1/2. Wandung der A. femoralis ab und entspringt aus gemeinsamem Stamme mit der A. epigastrica inferior. Solcher Ursprung der beiden genannten Arterien aus einem Gefäß ist des öftern beobachtet worden. W. Krause (1876, S. 311) zählt eine Reihe von Angaben verschiedener Autoren auf. Doch ist meines Wissens nirgends auf das topographische Verhalten einer solehen A. eircumflexa fem. medialis zur Vena femoralis aufmerksam gemacht worden. Bei 150 H. Bluntschli solchen Befunden, wo stets ein relativ tiefer Ursprung der A. epi- gastrica inferior aus der A. femoralis vorliegt, tritt die genannte Arterie rückläufig ansteigend, zugleich medialwärts gerichtet unter dem Lig. inguinale durch und an der inneren Bauchwand empor. Steht nun eine Circumflexa medialis mit einer solchen Epigastrica inferior in genetischem Zusammenhang, so muß sie in all den Fällen, wo ihre Ursprungsstelle nicht direkt der Femoraliswandung genähert erscheint, unbedingt über die Vena femoralis medial- und distal- wärts gerichtet hinwegtreten, also eine oberflächliche Lage unter der Fascia eribrosa einnehmen. Eine solche Lagerung einer hoch oben, gemeinsam mit der Epigastrica inferior aus der Schenkel- schlagader entspringenden A. eireumflexa fem. medialis muß praktisch eine ähnliche Bedeutung besitzen, wie eine vor der A. ceruralis medialwärts vorbeiziehende Circumflexa, die sich aus dem lateralen Wandungsbezirk einer A. profunda femoris herleitet. Beide können sicherlich bei Operationen in der Regio subinguinalis unliebsame, starke Blutungen verursachen. Beide oberflächlichen Cireumflexae mediales entbehren aber auch nicht eines spezifisch morphologischen Interesses, sie sind seltene Spuren oberflächlich dem peripheren Bereich der A. eireumflexa medialis zustrebender Cireumflexa medialis- Typen, die vielleicht mit subeutanen Arterien im oberen Femoralis- abschnitt in inneren Zusammenhang zu bringen sind, wie viele andre Varietäten Zeugen dafür, daß hier im oberen Femoralisabschnitt zahlreiche, allem Anschein nach typisch gelagerte, arterielle Gefäß- schlingen bestanden haben müssen, von denen sich unter ver- schiedenen Umständen bald dieser, bald jener Teil erhalten hat. Durch genaue Aufnahme eines großen Materials werden sich diese Sehlingen und ihre topographischen Relationen rekonstruieren lassen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß die Untersuchung der Onto- genese dieses Gefäßabschnittes die theoretisch erschlossenen Blut- wege tatsächlich festzulegen gestattet. So gestatten die verschiedenen Wege morphologischer Arbeitsmethoden eine gegenseitige Kontrolle. Ich würde diese selber ausgeführt haben, wenn mir ein ent- sprechendes, tadellos fixiertes embryologisches Material zur Zeit zur Verfügung gestanden hätte. Mehreren Untersuchern ist auch aufgefallen, daß man bisweilen an der typischen Eintrittsstelle der A. eircumflexa fem. medialis in die Adduetorenmuskulatur am Oberrand des M. pectineus dieses Gefäß vermißt, statt dessen aber eine aus der A. profunda ent- _ springende Arterie um den Unterrand des M. pectineus in die Tiefe Varietäten der Arteria profunda femoris usw. des Menschen. 151 tritt, um dann, bedeckt von diesem Muskel, einen aufsteigenden Verlauf zu nehmen. Anpacnı (1897) stellte diesen Zustand unter 58 untersuchten Extremitäten von Japanern 2mal, Ausurrın (1905) unter 100 Fällen, die dem Königsberger Präpariersaalmaterial ent- nommen waren, 4mal fest. Ich selbst traf ihn an 74 genau unter- 4. circh. il. prof. N A. epig. inf. 4. obturat. N. femor. A.circh.i.supf. VE ar A. epig. supf. A. pudenda ext. g! A. circfl. fem. lat. sup. Zu M. sartor. Zu Mm. tensor F- 1. u. glutaei - 4A. prof. fem. Zu M. add. long. \ N \ { A. eiref. % a ; M. pectin. lat. inf. ALL 1 Ram. troch. a En N Zi INN LT M. add. brev. Zu M. psoas ” } } 3 ER X, E FR u 4 te ZIEHT 7 — Zu M. add. long. - he GE Zu M. rect. 4 ': Ss BG 7 TT Zu M.vast.lat. Zu M. rect. N! Zu Mm. add. long. u, Zu M. sartor. gracil. Zu M. vast.lat. Zu M. vast. im. A. perf. I Zu M.vast. med. u vast.me 4A. prof. fem. «DD N. saphen. Die proximalen Äste der A. femoralis einer rechten Extremität des Menschen. Etwa !/.. suchten Extremitäten niederer Altweltsaffen ein einziges Mal bei einem Semnopithecus cephalopterus (1906, S. 405 und Fig. 64). Es gelang mir, in diesem Falle festzustellen, daß die Arterie unter dem Pectineus zwischen ihm und dem Adduetor brevis aufsteigt, dann um den Oberrand des letzteren Muskels umbiegend in die Tiefe tritt, um sich fernerhin wie eine normale A. eircumflexa fem. medialis zu verhalten. Zwei durchaus entsprechende Befunde machte ich 152 H. Bluntschli im vergangenen Semester an einer menschlichen Leiche auf dem Züricher Präpariersaal. Sie betreffen (Fig. 1 und 5) die beiden Seiten desselben männlichen Individuums. Da sie zur Klärung des Zustandes beitragen können, sollen sie hier nähere Besprechung finden. Auf der rechten Seite (Fig. 5) geht die A. profunda femoris 67 mm vom Leistenband aus der Femoralis dorso-lateral hervor. Neben ihr, vom dorsomedialen Femoralisumfang, nimmt eine kleine, subfaseiale Arterie ihren Ursprung, die medialwärts gegen das Tubereulum pubieum zieht, zum Peetineus und den benachbarten Adductorenursprüngen sich verzweigend. Etwas tiefer, 76 mm vom Leistenband, löst sich aus der medialen Profundawandung eine ähnliche Arterie, kaum stärker als die vorige, sie gelangt zu Ad- ductor brevis und longus. Beide Gefäße entsprechen sog. ober- flächlichen Ästen normal verlaufender Cireumflexae mediales, sind, meines Erachtens, nichts andres als schwach ausgebildete, auf das oberflächliche Gebiet reduzierte, verschiedene Cireumflexa medialis- Typen. Beträchtlich distaler, 105 mm vom Lig. inguinale, nimmt eine starke medialwärts gerichtete Arterie ihren Ursprung, die wir, ohne damit irgend etwas zu präjudizieren, als Cireumflexa medialis bezeichnen wollen. Sie zweigt einen ersten, starken Zweig ab, der, zwischen Adductor longus und brevis verlaufend, zum ersteren und zum Gracilis zieht, sowie einen zweiten, schwächeren, der sich zum Adductor longus begibt. Dann tritt die Arterie zwischen Adductor brevis und Unterrand des Pectineus in die Tiefe und verhält sich fernerhin so, wie oben geschildert wurde. Ähnliches treffen wir auf der linken Seite (Fig. 1). Die Femo- ralisteilung liegt 70 mm vom Leistenband entfernt. 12 mm tiefer entsteht aus der medialen Profundawand eine ähnliche Muskelarterie (A. eircumflexa f. med. sup.), wie wir deren rechts zwei trafen, sie endet am Pectineus und Adductor longus, entsendet aber auch zur Vorderfläche des Insertionsteiles des M. iliopsoas ein Zweigchen. Die »Circumflexa medialis« (A. circumflexa medialis inf.) selber entspringt noch distaler als rechts, nämlich 12 cm vom Leisten- band entfernt. Von ihr gehen die gleichen Zweige wie auf der andern Körperseite ab, auch ist ihr Verlauf kein andrer. Nur auf ein kleines Zweigchen muß aufmerksam gemacht werden, welches sich von der Umbiegungsstelle des Gefäßes um den Oberrand des M. adduetor brevis entfernt und sich, wie jener oben erwähnte Ramus museularis zum M. iliopsoas begibt, dicht neben jenem in Varietäten der Arteria profunda femoris usw. des Menschen. 153 den Muskel eintretend. Eine deutliche Anastomose konnte ich nicht feststellen, sie wird wohl nur capillärer Natur gewesen sein. Es ist aber sehr einleuchtend, daß, wenn hier eine Anastomose sich stärker entfalten würde, eine arterielle Gefäßschlinge um den M. pectineus die Folge wäre. Diese Anastomose zwischen dem peripheren Ab- schnitt der normal verlaufenden A. eircumflexa medialis und der A. profunda konnte ich bei Affen als Regel bezeichnen (1906, S. 406). So hat die Annahme nichts Gezwungenes an sich, daß die »A. eir- cumflexa medialis« (A. eircumflexa f. med. inf.) unsrer Fälle nichts andres sei, als ein außergewöhnlich stark ausgebildeter Profunda- ast, welcher, unter dem M. pectineus durchtretend, sich in der Ge- send der Psoasinsertion mit Zweigchen der normal verlaufenden Cir- cumflexa medialis in Verbindung setzt. Streng genommen, verdienen die beiden Gefäße also den Namen einer Cireumflexa medialis nur in ihrem Endabsehnitt zwischen M. obturator ext. und dem Oberrand von Adductor brevis und magnus (bzw. minimus). Der Zustand ist ein sprechendes Beispiel für die Art und Weise, wie die Genese der starken, proximalen Femoralisäste (Profunda und Circumflexae) innig zusammenhängt. Er dient auch zur erneuten Illustration der Auffassung, welehe in den Bezeichnungen A. profunda, A. eircum- flexa fem. medialis bzw. lateralis nichts andres sieht, als Sammel- begriffe; es sind sehr verschiedene Gefäße (Typen), welche einem bestimmten Getäßbezirk zuströmen und bei starker Ausbildung die andern, primär ebenfalls vorhanden gewesenen, gleich gerichteten Gefäße eben zurücktreten oder verschwinden lassen. Je einfachere Bilder sich uns beim Erwachsenen präsentieren, um so mehr haben wir Zustände vor uns, die sich von ursprünglichen entfernt haben. 154 H. Bluntschli, Varietäten der Art. prof. femoris usw. des Menschen. Literaturverzeichnis. Anacnı, Über die Blutgefäße der Japaner. Zeitschrift der med. Gesellsch. zu Tokio. Bd. XI. 1897. Autoreferat in Jahresberichte über die Fort- schritte der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1898. S. 59. Augurrtis, G., Die beiden Arteriae eircumflexae femoris des Menschen. Anat. Anzeiger. Bd. XXVII. 1905. S. 247—269. 8 Figuren. BLUNnTscHLı, H., Die Arteria femoralis und ihre Äste bei den niederen catar- rhinen Affen. Eine vergleichend-anatomische Untersuchung. Morph. Jahrbuch. Bd. XXXVI. S. 276—461 mit 85 Figuren. 1906. KRAUSE, W., Varietäten des Arteriensystems. In H£ntes Handbuch der syste- matischen Anatomie des Menschen. 2. Aufl. 1876. Quaın, The anatomy and operative surgery of the arteries of the human body ete. London 1844. RUGE, G., Varietäten im Gebiet der Arteria femoralis des Menschen. Der Ge- fäßkanal im Adduetor magnus. Morph. Jahrbuch. Bd. XXII. S. 161 —224. 30 Figuren. 189. Beitrag zur Kenntnis der Hornzähne auf der Zunge von Hystrix eristata. Von Dr. Otto Brian. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Heidelberg.) Mit Tafel V. Obgleich die sogenannten »Hornzähne« der Stachelschweinzunge schon öfters durch ihre auffallende Gestalt das Interesse der Morpho- logen in Anspruch nahmen, fehlt doch bis heute eine Untersuchung ihres histologischen Verhaltens, dessen Kenntnis erst ihre Beurteilung sichern kann. A. OPPEL unterscheidet in seinem Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere (Bd. III, S. 196 ff.) zweierlei mechanisch wirkende Gebilde auf der Zunge, beide von verschie- dener morphologischer Wertigkeit: 1) papilläre Bildungen, 2) Bildungen des Epithels, ohne besondere Beteiligung der Papillen. Zu dieser zweiten Gruppe gehören nach OPPpEL mit Sicherheit nur die Horn- platten auf der Zunge von Ornithorhynchus, während nach seiner Ansicht für die Hornzähne der Stachelschweinzunge wenigstens die Möglichkeit vorliegt, daß auch sie dieser Gruppe zuzuzählen seien, doch erscheint ihm eine Untersuchung ihres histologischen Baues zur Sicherstellung der Frage von Bedeutung. Zur ersten Gruppe ‘zählt er dagegen alle übrigen mechanischen Gebilde der Säugetier- zunge von den Hornzähnen bei Echidna bis zu den Papillae fili- formes des Menschen. Die Anregung, die Hornzähne von Aystrix histologisch zu unter- suchen, verdanke ich Herrn Prof. GöPPERT, Prosektor am anato- 156 Otto Brian mischen Institut Heidelberg. Es stand mir eine Zunge zur Ver- fügung, die in der Sammlung des Instituts schon mehrere Jahre in schwachem Spiritus aufbewahrt wurde und daher für die histo- logische Untersuchung nicht besonders günstig, aber immerhin brauch- bar war. Die beigegebene Abbildung 1 der Tafel V zeigt die Dorsalseite der Zunge im Maßstab 1:1,5. Hier fallen sofort zwei Gruppen von eigentümlichen Hornzähnen oder Hornschuppen ins Auge, die beider- seits eine, nahe der Spitze höher als die tief einschneidende Mittel- linie gelegen sind. Die Hornschuppen, in hintereinander stehenden Querreihen angeordnet, lassen sich einem Fingernagel vergleichen, der mit der Wurzel dem Zungenrücken aufsitzend, schräg nach hinten geneigt, mit breitem freien Rande dachziegelartig die Glieder der nächsthinteren Reihe deckt, wie er selbst von denen der nächst- vorderen Reihe zum Teil überlagert wird. An der Dorsalseite der ein- zelnen Schuppen sind zwei Abschnitte deutlich zu unterscheiden (Fig. 1). Die Nachbarschaft des freien Randes zeigt eine glatte glänzende Oberfläche von hornigem, durchscheinendem Aussehen. Eine quere, dem freien Rand parallele Linie bildet die Grenze gegen den zweiten Abschnitt, der bis zur Basis der Schuppe reicht. Die Oberfläche ist hier mit kleinen Spitzen besetzt, also rauh und nicht durch- scheinend. Die erheblichste Größe erreichen die Schuppen in den mittleren Reihen beider Gruppen. Die Schuppen der weiter nach vorn oder hinten gelegenen Reihen, sowie die Schlußglieder am rechten und linken Ende der einzelnen Reihen nehmen immer mehr an Größe und scharfer Ausbildung der fingernagelähnlichen Gestalt ab. Die Umgebung der Schuppenfelder bilden in unzählbarer Menge kleine zu spitzen Hornstacheln ausgestaltete Papillen, die in der Nähe der Schuppenfelder deutlich die Neigung zu reihenförmiger Anordnung zeigen. Eine genauere makroskopische Untersuchung der Beziehung zwischen den kleinen spitzen verhornten Papillen und den Horn- schuppen lehrt einen ganz allmählichen Übergang zwischen beiden kennen. An den Rändern der Schuppenfelder werden die Papillen breiter und höher und nehmen damit schaufel- und fingernagelartige Gestalt an. Dabei stellt sich die vorhin geschilderte Besonderheit der Dorsalfläche ein. Derartige Bildungen finden sich allseitig in den peripheren Teilen der Schuppenfelder. Es ergibt sich nun, daß in den inneren Teilen der letzteren sich mehrere (zwei, drei, auch vier) solcher breiter Gebilde in querer Anordnung zusammenschließen, um Beitrag zur Kenntnis der Hornzähne auf der Zunge von Hystrix cristata. 157 die größeren Hornschuppen zu bilden. Die Grenzen ihrer Komponenten sind namentlich in der Nähe des freien Randes durch tiefe Ein- schnitte oder Rinnen deutlich zu erkennen (Fig. 1). Die mikroskopische Untersuchung, die am besten an Serien von Sagittalschnitten vorgenommen wird, sichert die in obigem schon gegebene Deutung der Hornschuppen (Fig. 2 und 3) und erweist sie als papilläre Bildungen, bzw. als Gruppen quergestellter un- mittelbar zusammenschließender Papillen. Den spitzen Hornstacheln liegen Bindegewebspapillen zugrunde, über denen sich das ver- hornte Epithel allseitig in gleicher Ausbildung zu einem spitzen Kegel erhebt. An den Rändern der Schuppenfelder ändert sich mit zunehmender Größe die Stellung der Bindegewebspapille. Sie empfängt eine Biegung, deren Konkavität gegen den Zungengrund gerichtet ist (Fig. 2 und 3a). An der nach vorn gerichteten Kon- vexität treten Sekundärpapillen in größerer Zahl auf. Der epitheliale Überzug der Bindegewebspapillen erhebt sich auch entsprechend diesen sekundären Papillen zu kleinen Spitzchen. Die Oberfläche unterliegt der Verhornung. Während aber an der Vorderfläche der Verhornungsprozeß sich in mäßigen Grenzen hält (c), ist die Horn- bildung an der Hinterfläche außerordentlich gesteigert und liefert den festen hornigen Rand der Schuppe (d). Gleich hinter jeder Hornschuppe erhebt sich die Tunica propria mucosae zu einem queren Wulst, der mehrere kleine stumpfe Sekundärpapillen in das Epithel entsendet (b). Das Verhalten des Stratum corneum des Epithels erfordert noch genauere Untersuchung (Fig. 3). An der Vorderfläche der Horn- zahnpapillen ist es verhältnismäßig locker, blättrig (c), an der Hinter- fläche dagegen außerordentlich festgefügt und hart (d). Die Horn- bildung erfolgt ferner nicht nur an der Hinterfläche der Zahnpapiille (a), sondern auch hinter ihrer Basis bis zur Kuppe des vorhin erwähnten Wulstes (b). Diese ganze ausgedehnte Fläche liefert eine sehr be- trächtliche Masse Horn (d), das nun entsprechend der Gestalt der Zahnpapille nach oben und hinten vorgeschoben wird, an dem Produkt der Vorderfläche der Papille (c) vorbeigleitet und die frei vorspringende Hornschneide des Zahnes bildet. Die Grenze zwischen dem Produkt der Vorder- (c) und dem der Hinterfläche der Papille (d) ist in der oben erwähnten queren Linie bei Dorsalansicht der Schuppe deutlich erkennbar (Fig. 1). Aus dem Aufbau des bindegewebigen Teiles der Hornzähne ist noch mitzuteilen, daß die elastischen Fasern, die reichlich in der 158 0. Brian, Zur Kenntnis der Hornzähne auf der Zunge von Hystrix cristata. Tuniea propria der Mucosa verbreitet sind, an der Vorderseite der großen Papillen in besonders dichten Massen auftreten. Auffallend ist ferner, daß ganz besonders dicke Bündel von Muskel- fasern aus dem Innern der Zunge in die queren Wülste hinter den Hornzähnen (Fig. 2 und 3b) eintreten und hier zur Insertion gelangen. Die Hornzähne dienen offenbar zum Zerreiben der Nahrung und wirken wie Raspeln. Durch die starken eben geschilderten Muskel- bänder können die einzelnen Zähne in richtiger Stellung fixiert werden; es wird verhindert, daß sie nach vorn umgebogen werden. Die vorliegende Untersuchung hat also gezeigt, daß die »Horn- zähne« der Zunge von Hystrix eristata im Sinne bestimmter mecha- nischer Inanspruchnahme ausgebildete Papillen oder Papillengruppen sind. Erklärung der Abbildungen. Tafel V. Fig. 1. Dorsalseite der Zunge von Hystrix eristata. 1,5/1. Fig. 2. Längsschnitt durch den Bezirk der sog. Hornzähne. 10/1. Nach einer Photographie. a Bindegewebspapille des Hornzahnes; 5 querer Wulst an der Hinterseite jedes Hornzahnes; e locker gefügte Hornschicht an der Vorderseite der Hornzahnpapille; d eigentlicher Hornzahn. Die Spitzen der Hornzähne zeigen gegen den Zungengrund. Fig. 3. Längsschnitt durch einen einzelnen Hornzahn. M Muskulatur der Zunge. Sonstige Bezeichnungen s. bei Fig. 2. ' Morphologisı — Morphologisches Jahrbuch. Bd. XXXVI. Taf. W. ST Dir. ee) ah IDN R IR N ES LLEHAN u % Yin 4 N N. nn er Fig. [SG A. Vierling del. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Besprechung. ERNST SCHWALBE, Die Morphologie der Mißbildungen des Menschen und der Tiere. Ein Lehrbuch für Morphologen, Physiologen, praktische Ärzte und Studierende. II. Teil. Die Doppel- bildungen. Mit 2 Tafeln und 394 z. T. farbigen Abbildungen im Text. Jena. Gust. Fischer. 1907. 4108. Nachdem im 35. Band (Heft 3) des Morphologischen Jahrbuchs der erste Band des SchwAugeschen Lehrbuchs besprochen wurde, sei nunmehr auch auf den zweiten Band nachdrücklich aufmerksam gemacht. Das Buch ist dadurch von besonderem Wert, daß seinem Autor eine äußerst reiche persönliche Er- fahrung zu Gebote steht und ganze Teile unmittelbar auf eignen Untersuchungen beruhen. Dies tritt auch in den zahlreichen Originalabbildungen zutage. Dabei ist die weit verstreute, oft schwer zugängliche Literatur in vollkommenster Weise verarbeitet. Unter den überaus zahlreichen, ausgezeichneten Abbildungen fallen die in großer Anzahl vertretenen Röntgenaufnahmen auf. Es sei auch auf die Reproduktion einer Zahl alter, historisch interessanter Abbildungen hin- ewiesen. ® Der erste Teil des Buches (S. 1—127) bildet eine allgemeine Lehre von den Doppelbildungen. Nach der Definition des Begriffs Doppelbildung, nach | statistischen Angaben über Häufigkeit und Geschlecht, nach allgemeinen An- gaben über die Anatomie der Doppelbildungen handeln die wichtigsten Kapitel über die Genese der Doppelbildungen. Die Grundlage bildet hier eine er- schöpfende Darstellung aller Ergebnisse auf dem Gebiete der experimentellen Entwicklungslehre, die irgend auf Verdoppelungen Bezug haben und fir die Entstehungszeit (teratogenetische Terminationsperiode), die formale oder causale Genese der Doppelbildungen in Betracht kommen. Im Anschluß an die beiden alten theoretischen Auffassungen der Doppelbildungen als Produkte einer Ver- . wachsung oder Spaltung bringt SCHWALBE zunächst die Experimente, welche die Möglichkeit der Entstehung von Doppelbildungen nach jeder von beiden Arten beweisen, die Bornschen Verwachsungsversuche, die Herstellung einer Duplieitas anterior mittels Einschnürung des Keimes durch H. SpEMmAnN. Es folgen die Experimente, die für die Entstehungszeit von Doppelbildungen in Betracht kommen, wobei die Ergebnisse Roux’, WILSONS, 0. SCHULTZES, WETZELS, TONKOFFS, SPEMANNs herangezogen werden. Als teratogenetische Terminations- periode ergibt sich dabei die Gastrulation. Eine große Reihe von Untersuchun- gen kommen für die causale Genese der Mißbildungen in Betracht. Unter den Versuchen, durch mechanische Einwirkungen Doppelbildungen zu erzeugen, werden die Schüttelversuche DrıEscHs an Furchungsstadien von Eechinus miero- tubereulatus als besonders wichtig hervorgehoben; ein folgender kurzer Abschnitt besprieht die Versuche O0. ScHuLtzes über den Einfluß der Schwerkraft. Ab- änderungen der Temperatur (MITROPHANOW, DRIESCH), ferner Verminderung der Sauerstoffzufuhr (Experimente an lackierten Hühnereiern |DARESTE, GERLACH, MITROPHANOW)), chemische und osmotische Einflüsse, Einwirkungen der Über- reife und Überbefruchtung. der Eier werden für die causale Genese herange- zogen. Nachdem als Vorbereitung für das folgende die Hıssche Concrescenztheorie und ihre Modifikation durch Korsch dargelegt worden und namentlich auf Grund des Verhaltens der Eihäute festgestellt wurde, daß die Entstehung der Doppelbildungen in außerordentlich frühe Zeiten der embryonalen Entwicklung fällt, werden die modernen Theorien der Entstehung der Doppelbildungen dar- gelegt. Daß die Bedingungen für die Entstehung einer Doppelbildung. mit größter Wahrscheinlichkeit erst nach normaler Befruchtung eines normalen Eies einwirken, wird mit größter Wahrscheinlichkeit angenommen. Unter den 160 Besprechung. Theorien wird die GERLACHsche Bifurkationstheorie (Entstehung der Doppel- bildung durch dichotomisches Wachstum des vorderen Endes des Primitiv- streifens) abgelehnt, ebenso KLAUSSNERs Vorstellung von der Entstehung durch Fission mit folgender Postgeneration. Eingehend wird die auf der Hısschen Conerescenztheorie basierende Radiationstheorie RAUBERs dargelegt, nach wel- cher Mehrfachbildungen durch mehrfache Vorstöße oder Ausstrahlungen des Randwulstes zustande komme, wobei der ganze Keimscheibenrand als Urmund- rand aufgefaßt wird. Es folgt die Erörterung der 0. HERTwIGschen Gastrula- tionstheorie der Mehrfachbildung. Hierauf kommt FiscHELs auf KopschHs Fest- stellungen ruhende Ansicht, ferner MARCHANDs Ideen zur Darstellung. Den Schluß macht die Theorie der >»unvollkommenen Sonderung« KÄSTNERs und RABAUDS, sowie TORNIERS Lehre von der Bedeutung der Hyperregeneration für Mehrfachbildungen, die nicht im Sinne ihres Autors angenommen wird. Die sich nun anschließende Sichtung und Beurteilung des vorliegenden Tatsachen- materials führt nur zu wenigen sicheren Ergebnissen für die Genese der Doppel- bildungen. Was die Entstehungszeit anlangt, so ist spätestens mit der Gastru- lation bereits über die Entstehung der meisten symmetrischen Doppelbildungen entschieden. Je ausgebildeter ein Individualteil ist, desto früher ist der terato- genetische Terminationspunkt zu setzen. Uber die formale Genese läßt sich allgemein nur aussagen, daß, wie 0. SCHULTZE es ausgesprochen hat, als das primäre eine Teilung des, Eimaterials anzusehen ist. Wenn auf sehr frühen Entwicklungsstadien eine Anderung der, Lage der Furchungszellen gegenüber der Norm eintritt, so kann dadurch eine Anderung der prospektiven Bedeutung der Zellen die Folge sein. Dabei kann nachträglich, wie beim Craniopagus, eine spätere sekundäre Verwachsung ursprünglich getrennter Anlagen eintreten. Über die causale Genese erklärt SCHWALBE unser Wissen gleich Null. Nur Analogieschlüsse sind zwischen den experimentellen Erfahrungen und der cau- salen Genese der menschlichen Mißbildungen zu ziehen. ; Die Frage nach der Erblichkeit der Doppelbildungen, Allgemeines über Physiologie und Klinik liefern den Inhalt des nächsten Kapitels. Von beson- derem Interesse ist dann die Erörterung der Bedeutung der Doppelbildungen für Entwicklungsmechanik und allgemeine Biologie. Es zeigt sich, daß von ihnen eine ganze Reihe entwicklungsphysiologischer Fragen Licht empfangen, so das Determinationsproblem, die Frage nach Selbstdifferenzierung und Ab- hängigkeit der Teile u.a.m. Eine Einteilung der Doppelbildungen bildet den Schluß des allgemeinen Teils, bei der SCHWALBE weiterbauend auf der v. a. von MARCHAND geschaffenen Grundlage sein System auf rein morphologischen Gesichtspunkten begründet. Als leitender Gesichtspunkt dient die Symmetrie der Doppelbildungen. Es werden zwei große Gruppen unterschieden: 1) freie Doppelbildungen, a. mit gleichmäßig (eineiige Zwillinge), b. mit ungleichmäßig entwickelten Embryonalanlagen (Acardii), 2) nicht gesonderte Doppelbildungen, a. mit symmetrischen Individualteilen, b. mit asymmetrischen Individualteilen (Parasiten). Im speziellen Teil (S. 108—410) werden nun die verschiedenen Formen von Doppelbildungen systematisch dargestellt. Auf die genaue, durch reichliche Figuren gestützte Beschreibung folgt jedesmal die Darstellung entsprechender tierischer Formen, die Beobachtungen früher Stadien, Feststellung der ontoge- netischen Periode, in welche die Entstehung der Doppelbildung fällt, ferner die Genese, meist mit dem Versuch einer Retrokonstruktion des ontogenetischen Ausgangszustandes unter Benutzung von Abbildungen normaler Stadien, end- lich physiologische und klinische Bemerkungen. Den Schluß des Werkes macht die Besprechung der bei Wirbeltieren seltenen Fälle von Dreifach- und Mehrfachbildungen, und als Anhang eine vergleichende Nomenklatur. E. GörPpERT (Heidelberg). Ricerche sullo sviluppo dei nervi eranici nei teleostei. Del Dott. Ciro Barbieri. (Laboratorio biologeco del museo civico di storia naturale in Milano.) Con tavole VI-VI. Intorno allo sviluppo dei nervi eranici non vi & ancora accordo perfetto fra i mumerosi osservatori. Il BALFOUR ed il MARSHALL che furono i primi ad oceuparsi di questo problema, ammisero per i nervi eraniei un modo di genesi dalla lista gangliare, identico a quello dei nervi spinali e senza ulteriori complieazioni. In seguito il van WIHE nei Selaei, il BEARD negli Uccelli ed altri gruppi di Vertebrati, il FRORIEP nei Mammiferi, il KuPFFER nei Petromizonti dimostrarono che gli ab- bozzi dei nervi ceraniei, derivati dalla lista gangliare, si fondono in determinati punti coll’ epidermide, che partecipa cosi alla formazione del nervo. Tali punti di fusione sono detti placodi. Seguendo le osservazioni del KUPFFER nei Petromyzxon, Vab- bozzo derivato dalla lista gangliare si suddivide in due rami: uno mediale, che da origine al ganglio mediale o spinale del nervo, ri- tenuto dall’ Autore omodinamo con un ganglio spinale; un ramo laterale che si mette in rapporto coll’ epidermide, eolla quale subisce due fusioni distinte.e Dal punto di fusione dorsale si costituisce il ganglio laterale, da quello ventrale il ganglio epibranchiale; tutti i placodi laterali formerebbero una linea ispessita longitudinale, eontinuazione della linea laterale del tronco; i placodi epibranchiali sarebbero collocati ai margini dorsali delle fessure viscerali. Per- Morpholog. Jahrbuch. 37. u! 162 Ciro Barbieri tanto il KUPFFER distingue in ogni nervo cranico tre gangli, uno mediale, uno laterale, uno epibranchiale; il tronco del nervo deriva dagli stessi abbozzi dei gangli. La distinzione dell’ abbozzo deri- vato dalla lista gangliare in segmento mediale e laterale € ammessa pure dal DoHrn pei Selaei; anzi costituisce un punto di partenza per le sue considerazioni. In generale tatti gli Autori che si sono oceupati dell’ origine dei nervi craniei si accordano nell’ ammettere, alla loro genesi, una partecipazione piu o meno grande della lista gangliare. Da tutti pero si discosta il GORONOWITSCH, il quale avrebbe osservato negli Uccelli e nei Teleostei, che la lista gangliare del capo, ed anche delle altre regioni, si dissolve completamente in elementi del mesen- chima, senza partecipare affatto alla formazione dei nervi. I nervi craniei si originerebbero, secondo il GORONOWITSCH, da due sorgenti distinte: da un ispessimento dell’ eetoderma che proliferando da origine al ganglio; e da un condensamento del mesoderma che forma il tronco del nervo da eui si differenziano le fibre nervose e le cellule dello SCHwANN; questo cordone mesodermico egli indiea eol nome di »nervenbildenden Gewebe«. Le osservazioni del GORONOWITSCH, che ci interessano piü direttamente perche fatte appunto su Teleostei, saranno esposte piüu dettagliatamente a proposito dei singoli nervi. Nella esposizione delle mie ricerche non entrerö in molti parti- colari sul differenziamento istologieo dei nervi, soprattutto perche sono persuaso che i piu interessanti problemi in proposito non siano risolvibili eoi metodi attuali di studio. 'Tuttavia mi preme accennare ora alle prineipali teorie in proposito per la migliore intelligenza di quanto dovrö poi descerivere. Premetto che l’abozzo embrionale di un nervo qualunque si presenta sempre costituito da un ammasso di cellule, che rappresenta l’inizio del ganglio, e da cordoni di cellule allungate che formano le cosi dette catenelle cellulari. L’ac- cenno del ganglio manca solo nei nervi puramente motori; le cellule che costituiscono le eatenelle cellulari sono chiamate cellule dello SCHWANN. Le teorie moltepliei che riguardano il differenziamento istologico di un nervo possono ridursi fondamentalmente a tre: 1) La teoria dell’ Hıs, seguita dal KÖLLIKER, dal VıenAL dall’ Harrıson, la quale fa derivare dalla lista gangliare e dai placodi unicamente cellule ganglionari, ed interpreta i cilindrassi come sempliei prolungamenti di esse. Le cellule dello SCHWANN sar- Ricerche sullo sviluppo dei nervi cranici nei teleostei. 163 ebbero, secondo questa teoria, elementi del mesoderma che si ad- dossano ai eilindrassi. 2) Secondo un’ altra teoria, seguita dall’ Hensen, dal SED6- WICK, dal GEGENBAUR, dal FÜRBRINGER, dal GORONOWITSCH, dalla lista gangliare e dai placodi deriverebbero del pari cellule gangli- onari, pero i cilindrassi non sarebbero appendiei di queste, bensi differenziamenti di eomunicazioni protoplasmatiche che fin dai primi stadi esisterebbero fra i diversi organi. Queste comunicazioni si costituirebbero, secondo HENSEN, per incompleta divisione cellulare. Le celulle dello SchwAann sarebbero pure, secondo questa teoria, elementi del mesoderma. I sostenitori di questa teoria ritengono soprattutto assurdo, che si possano stabilire comunicazioni secondarie fra gli organi per accrescimento dell’ abbozzo del nervo verso l’or- gano eui & destinato, come e ammesso dalle altre teorie. 3) Una terza teoria, che ha per fautori prineipali il BALFOUR, il KUPFFER, il BEARD, l’ArpArHy, il DoHuRN ed il RAFFAELE, amette che tutti quanti gli elementi di un nervo sensitivo o misto derivino unicamente dalla lista gangliare, o da questa e dai placodi assieme. In base a tale teoria, cellule gangliari, cellule capsulari del ganglio, cellule dello ScHwAnn, avrebbero una identica origine, e viene esclusa qualunque parteeipazione del mesoderma alla formazione del nervo. I eilindrassi sarebbero differenziamento delle catenelle cellu- lari. I nervi motori si differenzierebbero, secondo i sostenitori di questa teoria, non molto diversamente dei nervi sensitivi e misti, per opera di cellule immigrate dal midollo a costituire le catenelle cellulari. Come ho gia detto non mi intratterroö molto sulle particolaritä di istogenesi, giaeche certi quesiti, come quello del differenziamento dei eilindrassi, sono convinto che difficilmente potrebbero risolversi in base ad osservazioni di fatto, per difetto nei metodi di ricerca. Voglio tuttavia rilevare, fin da queto momento, che uno dei punti fondamentali della teoria del BALFOUR, del DOHRN ece., eioe la derivazione delle cellule dello Schwan dall’ abbozzo primitivo del nervo e non dal mesoderma, mi & pienamente confermato dalle mie osservazioni sullo sviluppo dei nervi eraniei nei Teleostei. Questo fatto, soprattutto per l’esauriente dimostrazione che ne ha dato il DoHrn, parmi vada omai ritenuto come dato aequisito e fondamen- tale per spiegare l’origine dei nervi. (io tuttavia senza pregiudicare la questione dell’ origine dei eilindrassi. Le mie ricerehe hanno per iscopo di mettere in evidenza lo a 7 164 Ciro Barbieri sviluppo dei nervi eranieci nei Teleostei e di controllare le osser- vazioni del GORONOWITSCH, cosı discordanti da quelle della maggio- ranza degli Autori. Lo sviluppo dei nervi eranici nei Teleostei, si puö dire, non & stato studiato che dal GORONOWITSCH, giacche le osservazioni che si trovano nei lavori del GOETTE, dell’ HoFMmAnn, dell’ HENNEGUY sono affatto incomplete. II materiale che ha servito al mio studio fu tratto da incuba- zioni di uova fecondate di Salmo irideus Gibb. e di Salmo fonti- nals Mitch'. I. Deserizione degli stadi. Credo opportuno dare innanzi tutto un cenno degli stadi em- brionali che successivamente ho presi in esame e che sono, secondo me, suffieienti per mostrare i vari gradi dello sviluppo dei nervi ceraniei. Premetto che nelle due specie di Salmonidi che mi hanno fornito materiale, il differenziamento interno non sta nello stesso rap- porto eolla lunghezza dell’ embrione; in 8. fontinalis a parita di lunghezza il differenziamento & piü progredito che non in 8. örödeus. Stadio 1 = Embrioni di $. wrrdeus di 21/, mm. — embrioni di S. fontinalis di 2 mm. A questo stadio l’asse nervoso & abbozzato sotto forma di un cordone a sezione ovale, intimamente unito all’ epidermide. Nella parte anteriore dell’ embrione il cordone nervoso presenta due ri- sonfiamenti, che sono gli accenni delle veseicole ottiche. La lista gangliare si mostra ben distinta nel capo, in forma di un cordone impari che costituisce la parte dorsale dell’ abbozzo del sistema nervoso. Non & accennato ancora l’organo olfattivo. Nella regione del capo leetoderma mostra un ispessimento longitudinale posto lateral- mente, e che rappresenta il luogo di origine comune di parte dei plaeodi del trigemino, del facciale, della veseicola acustica e del nervo laterale. Esiste un’ accenno della prima fessura viscerale. Le protovertebre sono eirca in numero di dieci. (Questo stadio 1 La fissasione del materiale fu ottenuta in questo modo: Sublimato ace- tico al 50%/, per ore 2 — quindi sublimato al 2%) ed alcool al 90%), in parti eguali per ore 10. Gli embrioni piccoli venivano asporati, mediante rasoio, con una piccola parte di vitello, e quindi inclusi. Gli embrioni maggiori venivano completamente liberati dal vitello.. Il colorante preferito fu il carmallume. Ricerche sullo sviluppo dei nervi cranici nei teleostei. 165 eorrisponde allo stadio 1 dell’ Harrıson ed allo stadio 2 del GoRo- NOWITSCH. Stadio 2 — Embrioni di S. örideus di 3 mm. — embrioni di S. fontinalis di 2!/, mm. Questo stadio differisce dal precedente soprattutto pel maggiore sviluppo delle vescicole ottiche, che sono nettamente distinte dal cordone da eui sorgono ed allungate verso la parte posteriore del- V’embrione. Nel loro interno eomineia a formarsi una cavita, mentre il resto del sistema nervoso & ancor solido. ÖOltre la prima fessura viscerale (spiraculum) € ben evidente anche la seconda fessura 0 fessura ioidea; nessuna delle due si apre pero all’ esterno. L’ispes- simento longitudinale dell’ ectoderma, deseritto nello stadio prece- dente, & ora molto pit evidente. Esso acquista maggior volume nella regione acustica dove costituisce l’abbozzo della vescicola acustica. Possiamo indicare questo ispessimento, seguendo il KUPFFER, col nome di lista epidermica. Le protovertebre hanno raggiunto un numero da 15 a 16. Questo stadio corrisponde allo stadio 2 dell’ HARRISON ed allo stadio 3 del GORONOWITSCH. Stadio 3— Embrioni di $. rideus di 3!1/; mm. — embrioni di S. fontinalis di 3 mm. Questo stadio puö essere caratterizzato per lo stato della vesci- cola acustica, che si & fatta cava, ma rimane ancora unita al- l’epidermide. E aperta la prima e seconda fessura viscerale ed & ben accennata la terza. La lista epidermica &@ scomparsa nella regione anteriore del eapo; l’epidermide in corrispondenza di essa si e di nuovo appiattito. Il numero delle protovertebre varia fra 30 e 35. Questo stadio sta fra lo stadio 2 e 3 dell’ HArrRısoN e corrisponde allo stadio 5 del GORONOWITSCH. Stadio 4 — Embrioni di S. örideus di 5 mm. — embrioni di S. fontinalis di 41/,—5 mm. La vescicola acustica & staccata dall’ epidermide ed & ben accennato l’organo olfattivo. La 4. fessura viscerale € aperta. La prima (spiraculum) si @ obbliterata. In questo stadio tutti gli organi sono abbozzatti, tal- che la struttura definitiva dell’ organismo & nettamente manifesta. La vesecicola ottica € completamente introflessa ed il eristallino comineia esso pure a staccarsi dall’ epidermide Un particolare di struttura caratteristico per questo stadio e fornito da quella parte della veseicola ottica che formerä la retina, la quale ancora & eompleta- mente allo stato epitelioidale, senza traceia dello strato delle cellule 166 Ciro Barbieri ganglionari, che pure € il primo a formarsi. Il numero delle proto- vertebre & di circa 50. Questo stadio corrisponde approssimativa- mente allo stadio 7 dell’ Harrıson ed allo stadio 7 dell GoOROXo- WITSCH. Stadio 5. La lunghezza dell’ embrione a questo stadio non fu determinata e nemmeno il numero dei somiti, giacche il eorpo del- l’embrione si trova curvato sul vitello, in modo da non essere cosa semplice determinarne la lunghezza e praticare tagli longitudinali completi. Questo stadio corrisponde ad una eta di 12 a 14 giorni per embrioni di S. erideus e di 14 a 16 giorni per embrioni di S. fontinalis. Caratteristica per questo stadio € la struttura della retina, in eui comineia a formarsi lo strato delle cellule ganglionari. Stadio 6 — Questo stadio corrisponde ad un periodo di svi- luppo dai 20 ai 26 giorni. Nella retina comineia a formarsi un secondo strato di cellule nervose (strato granulare interno), ehe si aggiunge allo strato delle cellule ganglionari. Stadio 7 = Epoca della schiusa. II. La lista gangliare nei teleostei. L’antica teoria, sostenuta dal REMAK, che faceva derivare i nervi dal mesoderma, e omai completamente abbandonata. Si am- mette invece da quasi tutti i nevrologi, che alla formazione dei nervi abbia particolare importanza la zona di ectoderma posta al confine tra l’abbozzo del sistema nervoso centrale ed il restante dell’ ecto- derma. Questa zona viene indicata con nomi vari: di lista nervosa dal MARSHALL, di cordone intermediario dall’ Hıs, di lista eetoblasto- gena dal GORONOWITSCH ed in generale col nome di lista gangliare. Come e fino a qual punto la lista gangliare partecipi alla forma- zione dei nervi e variamente discusso; anzi il GORONOWITSCH nega assoltamente, come si & gia detto, la parteeipazione della lista gan- gliare a costituire i nervi. Manca inoltre accordo fra i vari Autori anche sul modo di origine della lista gangliare. Secondo il concetto dell’ Hıs, seguito dal KupFrEr e dal GORONOWITSCH, la lista gangliare rappresenterebbe una formazione ectodermica, affatto separata ed indipendente dalla piastra nervosa. Secondo un altra intepretazione, che ha maggiori seguaci, fra i quali MARSHALL, BALFOUR, HARRISON, Heymons ed altri, la lista gangliare non sarebbe che una porzione della piastra midollare, la parte piu marginale di essa posta al punto di passaggio coll’ eectoderma. Rieerche sullo sviluppo dei nervi craniei nei teleostei. 167 Tale problema, se la lista gangliare sia o no una formazione indipendente dalla piastra midollare, non deve essere risolta solo in base ai rapporti che si osservano nelle prime fasi di sviluppo, ma bisognerä tener conto, secondo il mio modo di vedere, anche del suceessivo differenziamento. Gli Autori che intepretano la lista gangliare come parte dell’ abbozzo del midollo e del cervello, si basano sul modo di apparizione della lista gangliare, in contatto e senza netta separazione dalla piastra midollare. Vedremo in seguito pero, come in base ai fatti dello sviluppo successivo, la lista gangliare, non ostante i suoi intimi rapporti to- pografiei colla piastra midollare, possa ritenersi come una forma- zione distinta. Un secondo problema & quello di sapere se la lista gangliare sia una formazione unica, estesa dall’ estremo anteriore a quello posteriore, 0 se consti di piu formazioni successive. Il van WiJHE distingue nella lista gangliare due segmenti in diseontinuitä fra loro; l’anteriore si estende dall’ estremo morfologi- camente anteriore del cervello fino alla viseicola uditiva; il posteriore si estende dalla regione del glosso faringeo all’ estremo codale. Secondo il FRORIEP esisterebbero due liste ganglionari, una del tronco ed una del capo, le quali non si eontinuerebbero fra loro, ma decorrerebbero in parte parallele l’una all’ altra. Quella del tronco si avanzerebbe fino al piano trasverso che tocca il margine posteriore della vescicola uditiva. La lista del capo a sua volta si estenderebbe per un buon tratto del tronco. L’interpretazione del FRORIEP sembra a me basata’ piü su preconcetti teoriei, che non su dati di fatto. Il GoRONOWITSCH ammette nel capo dei Teleostei e degli Uceelli l’esistenza di tre segmenti della lista gangliare (lista ecto- blastogena primaria, secondaria e terziaria). La lista ectoblastogena primaria occuperebbe la regione del cervello anteriore e medio; la lista secondaria la regione del facciale e dell’ acustieo; la lista terziaria la regione del midollo allungato posta dietro lV’organo acustico. Questi segmenti sarebbero dapprima bel distinti fra loro, e poi si eontinuerebbero l’uno con Yaltro. Aeccennerö ora brevemente allo sviluppo della lista gangliare nei Teleostei, secondo le mie osservazioni. Come & noto l’aceenno del sistema nervoso si compie nei Tele- ostei seguendo uno schema diverso dagli altri Vertebrati, ad eccezione dei Cielostomi; si compie eioe sotto forma di abbozzo solido. In tutti gli altri Vertebrati, tipo i Selaei, si costituisce dapprima, 168 Ciro Barbieri lungo la linea mediano dorsale dell’ embrione, un ispessimento ecto- dermico (piastra midollare); questo si incurva e si trasforma eosı nella doceia midollare. Gli orli esterni della doccia rappresentano la lista gangliare. La doceia piu tardi si trasforma in un canale chiuso, e le due liste gangliari si fondono in una lista impari che occupa la parte dorsale del tubo nervoso. Si e cosi eostituita la lista nervosa del: MARSHALL. Nei Teleostei non si forma ne doceia, ne tubo nervoso. L’ecto- derma si distingue fin dai primi periodi di sviluppo in due strati; uno superficiale o strato di rivestimento, ed uno strato profondo o strato basale. Lo strato basale subisce lungo la linea mediano dor- sale un ispessimento, che, come fu dimostrato dal GoETTE, ha dapprima in sezione forma di chiglia, dippoi forma ovale. Questo cordone cellulare pieno rappresenta l’abbozzo del sistema nervoso centrale e della lista gangliare. Le cellule che lo costituiscono sono dapprima isodiametriche, eubiche o poligonali, eon limite ben netto. In seguito, man mano che il ecordone condensandosi verso la linea mediana va assumendo una forma ceilindrieca, tali cellule subiscono un differenziamento, che € il preludio della futura struttura del tubo nervoso. La maggior parte delle cellule del cordone nervoso si allungano, il loro nucleo diventa ovoidale obblungo, mentre il con- torno del eitoplasma si fa meno distinto; le cellule cosı modificate “ eostituiscono gli elementi di sostegno del sistema nervoso embrionale, detti spongioblasti; in essi sono rarissime le figure carioeinetiche. Una piccola parte degli elementi dell’ abbozzo (quelli piu centrali) ha conservato la forma primitiva indifferente; in essi sembra che la eapacitä proliferativa si sia intensificata, giacche si osservano quasi sempre in via di mitosi; queste cellule eostituiscono i cosi detti ele- menti germinali del sistema nervoso. Non tutto l’abbozzo del sistema nervoso ha pero subito questa trasformazione; all’ estremitä dorsale un tratto del cordone nervoso pi o meno alto secondo la regione, si mostra nello stadio 1 costi- tuito ancora unicamente di cellule indifferenti, poliedriche, a eontorno ben netto e nucleo rotondeggiante. Questo tratto dell’ abbozzo nervoso costituisce la prima apparizione della lista gangliare nei Teleostei. Per entrare in piü minuti particolari su quanto ho detto, comineio col deserivere la lista gangliare quale si presenta in un embrione allo stadio 1, cio® in un embrione di S. irideus di mm. 21/, e di S. fontinalis di mm. 2. I caratteri generali dell’ embrione a questo stadio sono giä stati dati. Il cordone nervoso, come si & detto, & Ricerche sullo sviluppo dei nervi ceranfei nei teleostei. 169 accennato sotto forma di un cordone pieno a sezione ovale. I suoi elementi hanno subito un primo differenziamento in spongioblasti e cellule germinali. La parte dorsale dell’ asse nervoso & occupata da cellule conservanti ancora carattere primitivo. Questi ultimi ele- menti costituiscono la lista gangliare, che congiunge a questo stadio il eordone nervoso propriamente detto con l’eetoderma. Se esaminiamo le disposizioni di questa lista nelle varie regioni, notiamo che all’ estremo anteriore essa & poco differenziata; in corri- spondenza delle vescicole ottiche la lista gangliare si fa piu mar- cata; il suo spessore aumenta procedendo verso la regione del futuro trigemino. Quivi (fig. 1 tav. VI) non solo abbiamo una massa note- vole di elementi indifferenziati alla parte dorsale del cordone ner- voso, ma questa massa fa sporgenza lateralmente. Procedendo verso la parte posteriore del capo, la lista gangliare si mantiene ancora potente nella regione del faceiale, poi comineia a diminuire di spessore fino a ridursi ad un semplice strato di cel- lule (fig. 2 tav. VI). Nella regione del troneo, dove cominciano pro- tovertebre ben distinte, & diffieile mettere in evidenza a questo sta- dio una lista gangliare; la sua esistenza € solo ipotetica. In questo stadio quindi la lista gangliare si presenta come una formazione con- tinua, posta alla parte dorsale del cordone nervoso, e maggiormente sviluppata nella regione del trigemino e del faceiale. Nello stadio seguente, per attiva moltiplicazione delle sue cel- lule, la lista gangliare si dilata lateralmente, allungandosi fra ecto- derma e cordone nervoso. (uesto processo di proliferazione non & uniforme, ed in eiö si manifestano i primi rapporti fra lista gangliare e nervi. Procedendo dall’ avanti all’ indietro notiamo, che nella regione posta anteriormente all’ inserzione delle veseicole ottiche la lista gangliare e poco sviluppata e non fa alcuna sporgenza ai lati. Questo sottile tratto della lista gangliare & quello che proliferando negli stadi successivi dara origine, come vedremo, al nervo olfattivo. In tutta la regione occupata dalle veseicole ottiche la lista gangliare ha proliferato abbondantemente all’ esterno. Gli elementi derivati da essa formano un cordone cellulare, che dall’ estremo dorsale dell’ asse nervoso si estende alla vescieola ottiea (fig. 3 tav. VI). Questo cordone presenta un’ aspetto lasso; si notano in esso delle laeune; le singole cellule tendono a rendersi libere ed assumere forma stellata; comincia quindi, fin dallo stadio 2, la trasformazione in mesenchina della lista gangliare di questa parte. | Nella regione del trigemino, eioe dove si & formata quella 170 Ciro Barbieri estroflessione dell’ intestino che costituira la prima fessura branchiale, la massa cellulare derivata per proliferazione dalla lista gangliare, e che seguito ad indicare collo stesso nome, conserva il suo aspetto compatto. Essa forma un cordone esteso dall’ estremita dorsale del- l’asse nervoso a quell’ ispessimento longitudinale dell’ eetoderma che indico, seguendo il KUPFFER, col nome di lista epidermiea. La massa di cellule indifferenti, che nello stadio precedente in questa regione oceupava lestremo dorsale dell’ abbozzo nervoso centrale, @ ora molto diminuita (fig. 4 tav. VI). Lo staccarsi dell’ asse nervoso dal- l’epidermide, coineide appunto col processo di proliferazione ai suoi lati della lista gangliare. L’aspetto descritto della lista gangliare continua per tutta la regione del trigemino; al passaggio nella regione del faceiale il processo di proliferazione si interrompe per un breve tratto, per riprendere poi con nuova intensita dando origine ad una massa cellulare assai potente, che & il primo abbozzo del gruppo del faceiale. La lista epidermica € in questa regione maggiormente ispessita, e da essa prenderä origine la veseicola acustica; la lista gangliare tende ad abbraceiare l’ispessimente della lista epidermica (fig. 5—6 tav.V]). Nella parte posteriore della regione (fig. 6) la lista epidermica e piü sviluppata, mentre la lista gangliare e invece sensibilmente meno pronunciata, e tanto che l’abbozzo della veseicola acustica si mette a contatto diretto col cordone nervoso. La lista gangliare riprende a proliferare attivamente in corri- spondenza dell’estremo posteriore dell’accenno della veseicola acustica; quinvi incomineia la regione del glosso-faringeo e del vago. Dal- l’estremita dorsale del eordone nervoso, si stacca un’ abbondante massa cellulare compatta, che tende a dividersi in due rami, di eui quello mediale & in contatto colle protovertebre, mentre quello laterale si pone a contatto col epidermide (fig. 7 tav. VI. La massa cellulare proveniente dalla lista gangliare si attenua pero di nuovo dopo un certo numero di sezioni (fig. 8tav. VI). La parte laterale della lista gangliare presenta quindi, anche in questa regione, chiari rapporti con quell’ ispessimento longitudinale dell’ eetoderma indicato col nome di lista epidermiea. Procedendo ancora eaudalmente, cioe nella regione del tronco, la lista gangliare non & piü evidente; pero i proeessi ulteriori di sviluppo autorizzano a ritenere come rappresentante della lista gan- gliare lo strato di cellule che occupa la parte dorsale del eordone nervoso, immediatamente al disotto dell’ eetoderma. La lista epidermica Ricerche sullo sviluppo dei nervi cranici nei teleostei. 271 si eontinua nel tronco a costituire l’accenno della linea laterale (fig. 8 tav. V]). Coneludendo quindi, la lista gangliare nei Teleostei si trova nello stadio 1 accennata come una formazione unica ed impari, costituita da un cordone di cellule indifferenti, posto alla parte dorsale del cordone nervoso, dal quale non & nettamente separato. Questo primo abbozzo & molto piu marcato nella regione del trigemino e del faceiale, pres- soche insensibile nella regione del tronco. Nello stadio 2 si ha un processo di proliferazione degli elementi della lista gangliare ai due lati del cordone nervoso; questo processo € piü rapido e si compie prima nella regione delle vescicole ottiche, e va poi estenden- dosi all’ estremo posteriore dell’ embrione. Questa pro- liferazione non e uniforme; in aleuni punti si fa con mag- giore intensitä, in altri con minore, in certi punti manca affatto. Tali differenze sono in rapporto coll’ abbozzarsi delle radiei nervose sensitive che, come sara dimostrato in seguito, si formano con parteeipazione degli elementi della lista gangliare. Solo nella regione delle veseicole ottiche la lista gangliare si dissolve unicamente in cel- lule del mesenchima. III. Sviluppo dei singoli nervi cranici. a. Gruppo del Trigemino. Col nome di Trigeminus si indiea l’insieme dei seguenti due rami nervosi con le branche da essi derivate: ramus ophthalmicus profundus — r. maxillaris inferior!. Il trigemino come si sae un nervo misto. Secondo il KuPFFEr nei Petromizonti il nervo trigemino si svi- luppa con partecipaizone della lista gangliare e dell’ epidermide. La lista gaugliare costituisce la parte nevrale del nervo (ganglio medi- ale); dall’ epidermide, e piu precisamente dall’ ispessimento che forma la lista epidermiea, si stacca un grosso ammasso di cellule (ganglio laterale), che si mette in relazione col ganglio mediale; piü tardi si unisce al trigemino un’ altro piecolo ammasso, che si stacca dal- 1 Il ramus maxillaris superior deve interpretarsi come una branca del ramus maxillaris inferior. 172 Ciro Barbieri l’epidermide ventralmente al ganglio laterale, ed & questo il ganglio epibranchiale.e Nonostante la denominazione di gangli data dal KUPFFER a questi ammassi, egli ritiene che da essi si differenzino oltre gli elementi del ganglio pure quelli del tronco del nervo. Il ganglio laterale sarebbe in relazione col ramo oftalmieco ed il ganglio epibranchiale col ramo mascellare inferiore. Nei Selaeci del pari, come risulta dalle ricerche del van WIJHE, lista epidermica e lista gangliare prendono parte alla costituzione del trigemino, l’epidermide pero in modo diverso, giacche da essa non si staccano ammassi di cellule; la lista gangliare si fonde semplicemente con determinati punti ispessiti dell’ epidermide, che proliferando diventano sorgente di elementi per l’abbozzo del nervo. Nei Teleostei lo sviluppo del trigemino € stato deseritto, si puo dire, unicamente dal GORONOWITSCH, giacche ’HoFFMANN e ’HENNE- Guy hanno osservato solo il primo accenno derivato dalla lista gang- liare, ed il GoETTE si & limitato a mettere in dubbio Yorigine del trigemino dalla lista gangliare. Il GORONOWITSCH interpreta lo svi- luppo del trigemino nei Teleostei in base al eoncetto generale che esso ha dello sviluppo dei nervi. Anzitutto si deve notare,. che il GORONOWITSCH distingue due nervi trigemini, indicando il trigemino di tutti quanti gli Autori col nome di trigeminus 1°, e chiamando col nome di trigeminus 2° i rami ophthalmieus superfieialis e bucealis del facciale. Per quanto concerne il trigeminus 1° le osservazioni dell’ Autore russo sone le seguenti: Nella regione di questo nervo la lista gangliare si dissolve tutta quanta in elementi del mesen- chima, che si eonfondono con quelli derivati dal mesoderma formando una massa unica. Questa trasformazione & gia completata in tutta la regione del trigemino (eioe dal piano dell’ estremo posteriore della vescicola ottica a quello della 1° fessura viscerale) fin dallo stadio 4 del GoRONowITscH. A tale stadio, nota pero l’Autore, la mem- brana limitante esterna del midollo presenta in questo punto delle interruzioni alla parte latero-dorsale del midollo; per tali interruzioni il mesoderma puö mettersi in rapporto, mediante sottili appendiei di protoplasma, con le cellule dell’ asse nervoso. Da queste comuni- cazioni protoplasmatiche primitive si differenzierebbero in seguito le fibre nervose, in conformitä alla teoria del SEp@Gwick accettata dal- l’Autore. Il trigemino appare evidentemente, secondo il GORONOWITSCH, eol formarsi della piega del cervelletto (stadio 5 del A.). Tutti gli abbozzi del capo si ingrossano a questo stadio, si allargano le cavita Ricerche sullo sviluppo dei nervi cranici nei teleostei. 173 del cervello, ed in conseguenza di ceiö l’epidermide si distende e si fa pitı sottile. Solo in una porzione, che & posta fra la piega del cervelletto e la 1° fessura (spiraculum), l’epidermide mantiene il suo spessore. Le cellule di quest’ ispessimento si moltiplicano e danno luogo al 1° accenno del ganglio del trigemino. Tale abbozzo si estende alquanto anteriormente a costituire la parte oftalmica del ganglio, mentre posteriormente deriva da esso il ganglio di Gasser. Le cellule derivate per proliferazione dell’ epidermide si trasforme- rebbero unicamente in cellule gangliari e gli altri elementi del nervo prenderebbero origine dal mesoderma. Le mie osservazioni sullo sviluppo del trigemino nei Teleostei mi conducono a conclusioni molto diverse da quelle dello scienziato russo, e mi persuadono invece che in questi vertebrati lo sviluppo dei nervi cranici segua sullo stesso tipo dimostrato nei Petromizonti e nei Selaci. Ho gia detto, parlando della lista gangliare, che questa nel suo processo di proliferazione ai due lati del eordone nervoso si com- porta diversamente a seconda delle parti cui deve dare origine. Mentre nella regione delle vescicole ottiche la massa cellulare che costituisce la lista gangliare mostrava gia nello stadio 2 un aspetto lasso, prineipio di dissoluzione in cellule mesenchimali, invece nella regione del trigemino, che segue immediatamente, la lista gangliare si presenta sotto forma di un cordone compatto, che unisce l’estremo dorsale del midollo con quell’ ispessimento eetodermico denominato lista epidermica (KUPFFER) (fig. 9 tav. VI). Determinare esattamente il confine netto tra il tratto della lista gangliare che si dissolve in mesenchima e quello che permane com- patto non & possibile, essendovi passaggio graduale fra l’uno e l’altro. La fig. 9 rivela un particolare assai notevole; l’estremo distale dalla lista gangliare @ fuso colla lista epidermica; la membrana basale anista dell’ epidermide € scomparsa e la continuitä fra la lista gangliare e l’ispessimento ectodermico & perfetta. In quest’ ultimo si riscontrano con piüu frequenza cellule in mitosi, eosieche deve dedursi che esso rappresenti una sorgente di cellule per l’ab- bozzo del nervo. Fino a questo stadio nulla si osserva che auto- rizzi ad affermare una scomposizione della lista gangliare di questa regione in elementi del mesoderma; si hanno invece dei fenomeni identiei a quelli riscontrati nei Petromizonti e nei Selaei. Nello stadio che segue i rapporti anatomiei si eomplicano e si rendono di assai diffieile interpretazione; il eordone nervoso si stacea 174 Ciro Barbieri dall’ eetoderma, mentre comincia a formasi nel suo interno la cavitä ependimale; la lista gangliare di questa regione perde la sua con- tinuita col l’estremo dorsale del cordone nervoso, e la sua massa assume un’ aspetto alquanto lasso. E questo lo stadio di sviluppo nel quale il GORONOWITSCH afferma che la lista gangliare si € tutta dissolta in mesenchima. In realta pero non & diffieile distinguere gli elementi della lista gangliare, che dovranno prender parte alla formazione del trigemino, da quelli del mesoderma. Le cellule della lista gangliare presentano un nucleo molto piu grande che non quelle del mesoderma, ed inoltre si mostrano fuse assieme piu largamente che non le cellule mesodermiche. Queste differenze si accentuano sempre piu col procedere dello sviluppo, e mentre le cellule meso- dermiche di questa regione assumono la caratteristica forma stellata degli elementi mesenchimali con nucleo piccolo, le cellule invece della lista gangliare confluiscono sempre piu le une colle altre, ed il loro nucleo conserva sempre dimensioni notevoli e diventa allungato. Nello stadio 3 l’abbozzo del trigemino nella sua parte prossi- male si mantiene sempre in rapporto col l’estremo dorsale del mi- dollo spinale, mentre la sua porzione distale seguita a trovarsi fusa coll’ epidermide e si estende inoltre verso l’estremo anteriore. Una sezione orizzontale € meglio adatta a mostrare questi rapporti (fig. 10 tav. (I). La parte anteriore dell’ abozzo corrisponde al ramo oftalmico mentre la posteriore dara origine al ganglio di GAssER col ramo mascellare inferiore. Negli stadi intermedi fra lo stadio 3 e lo stadio 4 si compie nel- l’abbozzo del trigemino un fenomeno assai interessante. L’estremo prossimale di esso, che finora era rimasto unito all’ estremo dorsale dell’ asse nervoso, si stacca dalla sua posizione primitiva e si sposta ventralmente, rimanendo sempre a contatto colla membrana limi- tante esterna, fino a collocarsi sulla parete laterale del midollo, a due terzi eirca di altezza. In questo punto la membrana limitante del tubo nervoso scompare e l’abbozzo del trigemino si fonde, per cosi dire, col sistema nervoso centrale. Questo fatto & della massima importanza e si verifica anche, come vedremo in seguito, per gli altri nervi eranieci. La fig. 11 tav. VI, che riproduce una sezione trasversa nella regione posteriore del trigemino di un embrione di $S. örideus lungo mm 4!/,, puö illustrare quanto ho detto. Nella figura osserviamo la prima fessura viscerale, che in questo punto non raggiunge l’ecto- Ricerche sullo sviluppo dei nervi cranici nei teleostei. 175 derma; fra il tubo nervoso e la fessura branchiale esiste un ammasso di cellule dal nucleo piü grande e pit rieco di eromatina che non quello degli elementi mesenchimali, e senza limiti protoplasmatici ben distinti. Quest’ ammasso di cellule, che nella figura lo si vede colloeato sulle pareti laterali del midollo, a due terzi eirca d’altezza, rappresenta l’estremo posteriore e prossimale dell’ abbozzo del tri- gemino diretto obliquamente all’ avanti. Tale abbozzo & ben netto e caratterizzato; pero ai suoi margini si osservano delle cellule che non si sa se ascerivere al nervo o al mesoderma eireostante. Si ha quindi l’impressione come se dall’ accenno ancor indifferenziato del trigemino prendessero origine anche elementi mesenchimali. Vedremo in seguito come, in base a certe considerazioni, si renda molto pro- babile che realmente avvenga cosi. La fig. 11 dimostra anche un altro fenomeno del piü grande inter- esse. Nel punto di unione fra nervo e cervello si notano delle cellule a nucleo pilı chiaro, senza corpo protoplasmatico ben delimitato, che evidentemente sono in via di emigrare dal centro nervoso nel- l’abbozzo del nervo. Questo fenomeno fu osservato anche dal GORO- NOWITSCH, il quale erede che tali elementi contribuiscano a formare la parte prossimale del tronco del nervo, mentre il restante sarebbe costituito da cellule mesodermiche. L’Autore ritiene inoltre che questa migrazione di elementi sia in rapporto solo colla parte motrice del nervo. Il Kuprrer ha osservato del pari, pei nervi eraniei di Petromizonti, un simile passaggio di cellule che egli erede destinate a formare le cellule capsulari del ganglio. Moltissimi Autori hanno poi osservato una simile migrazione per le radieci ventrali dei nervi spinali e pei nervi oeulo-motori del eranio. L’HARRIsON ha descritto questo fenomeno nelle radiei spinali ventrali dei Teleostei. Il DonHrx si © oeceupato con maggior cura di queste migrazioni di cellule del sistema nervoso centrale, che mette in rapporto colla genesi dei nervi motori. Io credo che a questo passaggio di elementi nelle radiei sensitive si debba dare un’ interpretazione alquanto diversa da quella del Goro- NOWITSCH. Si deve notare che questo fenomeno si compie con una certa intensita e perdura anche negli stadi seguenti. Le cellule una volta migrate nell’ abbozzo del nervo indifferenziato, e senza distin- zione ancora di parte motrice e di parte sensitiva, si confondono eolle altre, talehe non & piü possibile seguirle. Abbiamo quindi da parte del sistema nervoso centrale una nuova sorgente di elementi per l’abbozzo del nervo, che si aggiunge alle altre due giä descritte; lista gangliare ed epidermide. 176 Ciro Barbieri Passiamo ora ad esaminare una fase piü avanzata di sviluppo del trigemino, quale ci & mostrata da un embrione nello stadio 4. A questo stadio l’abbozzo del trigemino € nettamente diviso in due tronchi, di ceui uno si estende orizzontalmente in avanti ed & il nervo oftalmico, Yaltro decorre lateralmente, fra l’epidermide e l’accenno dell’ arco mandibolare, ed & il ramo mascellare inferiore. Il differenziamento istologico del nervo in questo stadio & gia abbastanza progredito. A partire dalla origine e per un certo tratto lungo i due tronchi oftalmieo e mandibolare, le cellule che ecompon- gono il nervo sono di due tipi; cellule a nucleo grande rispetto alle altre, chiaro, con sostanza cromatica condensata in uno od al piü due nucleoli regolari, ed il cui eitoplasma & ben individuato, piriforme, con l’estremita volta verso la periferia del nervo; sono queste le prime cellule ganglionari. Altre cellule dell’ abbozzo del nervo subiscono un’ evoluzione diversa; diminuiscono di dimensioni, il loro nucleo diventa ovale ed il ecorpo cellulare fusiforme. Questi elementi piü piceoli, che abbondano nella parte piü esterna del- l’abbozzo ma si trovano anche nell’ interno in mezzo alle cellule gangliari, vanno interpretati come cellule capsulari. Fra cellule gangliari e cellule capsulari esistono numerose forme intermedie, cioe cellule che sono in proeinto di trasformarsi o nelle une o nelle altre. Le parti estreme del nervo soho costituite da cellule di una sola categoria; sono cellule allungate con nucleo ovale oblungo; i limiti dei singoli eorpi cellulari non sono evidenti. Queste ultime sono le cellule dello Schwan, ehe formano le cosı dette catenelle cellulari, da eui si differenzierebbero, secondo eerti Autori, i eilin- drassi. Il DoHrN indieca, in accordo coll’ ArAruY, le cellule dello ScHwAnn e le cellule capsulari col nome di »Nervenzellen«, in con- trapposto alle cellule gangliari, ehe chiama »Ganglienzellen«. Secondo l’opinione del DOHRN, gia riferita in prineipio, e di molti altri nevrologi, tutti gli elementi che completano l’abbozzo di un nervo, tanto cellule dei gangli che cellule dello SCHwANN, sono di origine ectodermiea. Secondo le osservazioni invece dell’ Hıs, del KÖLLIKER, del Vısnar le cellule dello Scuwann rappresenterebbero cellule meso- dermiche che si sono addossate ai eilindrassi, appendiei delle cellule &angliari. Secondo il GoRoNowITscH infine, le cellule dello SCHwANN avrebbero del pari origine dal mesoderma, che si condensa a for- mare il tronco del nervo (nervenbildende Gewebe). Ricerche sullo sviluppo dei nervi cranieci nei teleostei. 177 Le mie osservazioni, come ho giä riferito a proposito dello stadio precedente, mi inducono a coneludere che il mesoderma & escluso affatto dalla formazione del nervo, e che tutti gli elementi del- l’abbozzo nervoso-periferico derivino da tre sorgenti distinte, ma tutte di natura eetodermica, e eioe dalla lista gangliare, dell’ ectoderma laterale, e dal cordone nervoso centrale. — Al piü si puö credere che nelle prime fasi, quando l’abbozzo del nervo e ancora indifferen- ziato, da esso si stacchino delle cellule mesenchimali. Per maggiori particolari intorno al trigemino nello stadio 4, mi riferisco alle fig. 12 e 15 della tav. VI. Il nervo a questo stadio si suddivide nettamente, a poca distanza dall’ origine, in due rami, disposti quasi ad angolo retto fra loro. Il tronco oftalmico, che & quello diretto in avanti, € gia separato dall’ epidermide, ed in esso si trovano cellule gangliari fino in corrispondenza della parte poste- riore del tetto ottico (vedi fig. 13 tav. VI). Il ramo mascellare in- feriore e diretto lateralmente e verso il basso (vedi fig. 12). La sua parte iniziale € ingrossata e constituita da cellule gangliari, la parte periferica invece & formata da cellule allungate (cellule dello SCHWANN) col loro caratteristico ordinamento a catena. L’estremita distale del ramo mascellare inferiore non & molto faeile a mettersi in evidenza; le sue cellule si confondono con quelle mesodermiche. Dalle numerose osservazioni fatte tuttavia mi sembra di poter dedurre che la parte estrema di questo ramo si sviluppa in contatto con l’epi- dermide, che le fornirebbe elementi pel suo allungamento. Nella fig. 12 si osserva appunto l’estremita del ramo mascellare fusa col- l’ectoderma. Questa fusione puo considerarsi come continuazione di quella osservata nello stadio precedente colla lista epidermica. Mi sembra inoltre di poter affermare che la fusione descritta nello stadio 2 colla lista epidermica corrisponda insieme ai due punti di fusione che, secondo il KUPFFER, si noterebbero per ogni singolo nervo cra- nico dei Petromizonti, e che sono da esso indicati coi nomi di ganglio laterale e di ganglio epibranchiale. Nei Teleostei l’abbozzo del tri- gemino, finche & indifferenziato, presenta un punto unico di fusione eoll’ epidermide; successivamentequesto sembra smembrarsi in due sorgenti distinte, di cui quella pel ramo oftalmico eorrisponderebbe al ganglio laterale e quella pel ramo mascellare corrisponderebbe invece al ganglio epibranchiale. Nelle fasi di sviluppo successive l’abbozzo del trigemino si complica, mirando direttamente alle condizioni definitive. I singoli Morpholog. Jahrbuch. 37. 12 178 Ciro Barbieri tronchi si ramificano e dal tronco mascellare inferiore prende origine il ramo mascellare superiore. La distinzione fra cellule gangliari e cellule capsulari e cellule dello SCHwAnN si va facendo sempre piu netta. b. Gruppo del faceiale acustico. I rapporti dei nervi del gruppo facialis-acustieus colla lista gangliare mi sono apparsi ben pit evidenti che non quelli degli altri nervi, e mi desto quindi meraviglia come il GORONOWITSCH, anche a questo riguardo, sia venuto a conclusioni cosi diverse dagli altri Autori. Nel gruppo del facialis-acustiecus sono compresi i seguenti rami: ramus ophtalmico-bucealis; r. hyoideo-mandibularis; r. acustieus. I r. oftalmieo-bucealis e a sua volta diviso nei due tron- chi; truncus ophtalmicus superficialis portio faeialis e tr. bucealis. Il ramo oftalmico boccale viene interpretato dal GORONOWITSCH como un nervo a se e chiamato trigemino 2°. Secondo le osservazioni del KUPFFEr nei Petromizonti, il gruppo del faceiale acustico si origina tipicamente come gli altri nervi eranici. La lista gangliare vi prenderebbe parte colla formazione di un ganglio (ganglio mediale) e di parte dei tronchi nervosi. Dall’ epi- dermide prenderebbero origine, come al solito, due ammassi di cellule, di eui quello ceostituente il ganglio laterale deriverebbe dalle pareti della veseicola acustica, ehe rappresenta in questa ragione la lista epidermiea; il ganglio epibranchiale sorgerebbe dall’ epider- mide ventralmente alla veseicola acustica. Secondo il KUPFFER il gruppo faceiale-acustico rappresenterebbe un nervo unico. Seguendo le osservazioni del van WIJHE e del DOHRN nei Se- laci le tre branche prineipali del faceiale propriamente detto (oftal- mico superficiale, boceale, ioideo-mandibolare) si fondono in deter- minati punti coll’ epidermide, da cui ricevono elementi formatori del nervo. Questo fenomeno € piü evidente per i nervi oftalmico superficiale e boccale, che innervono gli organi laterali di senso del capo e che sono anche chiamati nervi ampollari. I nervi nominati vanno estendendosi e ramificandosi verso Vavanti, sempre a contatto coll’ epidermide, alla stessa guisa che il nervo laterale si estende posteriormente. Ricerche sullo sviluppo dei nervi craniei nei teleostei. 179 Il van WiJHE interpreta il nervo acustico come una branca dorsale del gruppo del faceiale, omologa al tronco oftalmieo-boceale; al nervo acustico mancherebbe un ramo ventrale, corrispondente al ramo ioideo mandibolare in relazione coll’ oftalmieo-boccale. Secondo il medesimo Autore il gruppo del faceiale comprende quindi due nervi distinti, faceiale pr. d. ed acustico; questa @ del resto l’opi- nione pitı seguita. Nei Teleostei intorno al facciale-acustico non abbiamo che le osservazioni del GORONOWITSCH; in questo gruppo V’A. riconosce tre nervi; il trigemino 2°; il facciale propriamente detto, e l’acustico. Il trigemino 2° ed il faceiale si originerebbero da un abbozzo comune, completamente distinto da quello dell’ acustico. I fenomeni che si eompierebbero nella regione del trigemino faeciale sarebbero, secondo V’A., i seguenti: Si osserva dapprima un ammasso compatto di cellule ai due lati della volta del midollo allungato, che rappresenta la lista gangliare. Questa massa cellulare si stacea dall’ estremo dorsale del midollo e si eonfonde a poco a poco eol resto del mesoderma, in eui si trasforma tutta quanta. Poco dopo che questa trasformazione & avvenuta, dal mesoderma stesso si origina, per moltiplicazione cellulare, un cordone di ele- menti che si estende dalla volta del midollo all’ abbozzo dell’ arco ioideo. Questo cordone eostituisce il tessuto formatore del ecomplesso trigemino 2° e faceiale. Le cellule gangliari di questo complesso deriverebbero da un ispessimento ectodermico, che ceomineia alla parte dorsale dello »spiraculum« e si estende posteriormente fino in eorrispondenza della parte anteriore della vescicola acustiea. L’A. conelude poi con queste parole che riporto: »Aus dieser Darstellung der ersten An- lage des T. Faeialis hebe ich folgende Tatsachen hervor. Die Ent- wicklung des Nervs, bzw. Ganglions, hat nichts mit der Entwieklung des Acustieus zu schaffen. Der Terminus ‚Acustieo-Facialis-Anlage‘ ist demnach für Knochenfische nicht anzuwenden. Das nervenbildende Gewebe des komplexen Nervenstammes wird durch axiales Meso- derm geliefert. Das Ganglion entsteht vom Eetoderm und ohne Be- teiligung der sog. ‚Ganglienleisten‘«. Lo sviluppo dell’ acustico si compie sempre secondo GORONO- WITSCH, non molto diversamente dagli altri nervi eraniei. Dal me- soderma si origina il tessuto formatore del nervo, mentre le cellule gangliari deriverebbero uniecamente dalla parete della vescicola acustica. L’uniea differenza secondo l’A. starebbe in eiö, che le 12* 180 Ciro Barbieri cellule gangliari di questo nervo non tenderebbero a formare un ganglio, ma si troverebbero frammiste con gli elementi del tessuto formatore del nervo a costituire insieme quello che /’A. chiama lista eocleare (Cochlearis-Leiste). Il GORONOWITSCH ammette inoltre, che in eorrispondenza della veseicola acustica la lista gangliare subisca un’ evoluzione tutta diversa dalle altre regioni; invece di dissolversi in elementi del me- senehima, qui si incorporerebbe a poco a poco con la vescicola acustica stessa. Passo ora a riferire le mie osservazioni. Premetto anzittutto che a me risulta che lo sviluppo del gruppo faceiale-acustico nei Teleostei si compie presso a poco nello stesso modo riscontrato da altri nei Cielostomi e nei Selaei. Ho gia detto che nello stadio 2 la lista gangliare di questa regione prolifera abbondantemente ai due lati dell’ estremo dorsale del cordone nervoso, dando origine, per eiascun lato, ad un potente ammasso cellulare esteso della volta del midollo allungato alla lista epidermica. Tale ammasso non € altro che l’abbozzo primo del facciale-acustico. Passando ora allo stadio 3 troviamo che l’abbozzo del faceiale acustico ha aumentato notevolmente di volume, soprattutto nella sua parte anteriore, che € destinata a dar origine al faceiale, nella parte posteriore invece, da cui deriva l’acustico, l’abbozzo e molto piu attenuato. La fig. 14 della tav. VI rappresenta la parte anteriore dell’ abbozzo; essa, come dimostra la figura, e ancor compatta, costi- tuita da cellule isodiametriche a contorno ben netto, ed in eonti- nuita colla volta del midollo allungato. Lateralmente l’abbozzo del faceiale e fuso colla lista epidermica, e nel punto di fusione si notano cellule in via di divisione. L’abbozzo del faceiale si estende inoltre ventralmente, in modo da abraceiare la lista epidermica, e da espandersi per qualche tratto al disotto di essa. Quivi si osserva una seconda fusione coll’ epidermide, ed anche questo punto di fu- sione va eonsiderato come sorgente di nuovi elementi pel nervo. Questi due punti di fusione corrispondono, il primo al ganglio laterale, il secondo al ganglio epibranchiale del KupFrrEer. Essi sono inoltre in rapporto, come meglio si dimostrera in seguito, il primo col tronco oftalmieo boccale del faceiale (trigemino 2° del (FORONOWITSCH), il secondo eol ramo ijoideo-mandibolare. In eorrispondenza della vescicola acustica, o meglio della parte anteriore di essa, la massa cellulare derivata dalla lista gangliare Ricerche sullo sviluppo dei nervi cranici nei teleostei. 181 € molto attenuata. La vescicola acustica a questo stadio si presenta ancor piena ed in continuitä eoll’ epidermide; pero essa ha forma rotondeggiante con uno strato regolare di cellule periferiche allungate. La parte anteriore della vescicola & eircondata dalla massa di cellule della lista gangliare, che dovrä formare il nervo aeustico. Anche qui si osservano fenomeni di fusione, ed e la parete della vescicola acustica che fornisce elementi all’ abbozzo del nervo; eio del resto &@ naturale, essendo la vescicola acustica non altro che una porzione della lista epidermica. Il fenomeno accennato, evidente soprattutto quando la sezione trasversa sia alquanto obliqua, si pud osservare nella fig. 15 della tav. VI, la quale e presa pero da uno stadio inter- medio fra lo stadio 3 e 4. E qui opportuno ricordare che, secondo il KuprrEer, l’abbozzo del faeeiale subirebbe una sola fusione dorsale coll’ epidermide, e sarebbe quella deseritta or ora colle pareti della vescicola acustiea. Invece io ho osservato chiaramente, che anche anteriormente alla vescicola acustica lista gangliare e lista epidermiea si fondono assieme. Seguendo il GORONOWITSCH tutte le fusioni deseritte degli ab- bozzi dei nervi colla lista epidermiea non sarebbero che apparenti. Quella che il Kuprrer ha ehiamata lista epidermica, non sarebbe, secondo il GORONOWITSCH, ehe un ispessimento epidermico, in rapporto eolle fessure branchiali. L’interpretazione del GORONOWITSCH € pero erronea; nei punti dove si dovranno aprire le fessure branchiali si formano realmente degli ispessimenti epidermiei; ma questi sono posti ventralmente alla lista epidermica, ed abbastanza ben distinti da essa, ehe decorre eontinua fino alla parte posteriore del capo, dove prosegue nel tronco formando la linea laterale. Negli stadi suecessivi l’abbozzo del faceiale, che ora trattero distintamente dall’ acustico, va incontro a rapidi differenziamenti, che si eompiono eolle stesse modalita deseritte pel trigemino. La massa cellulare fornita dalla lista gangliare si stacea dalla volta del midollo allungato; eontemporaneamente essa si allunga in avanti, in contatto coll’ epidermide, talche in sezione orizzontale assume l’aspetto mostrato dalla fig. 10 della tav. VI, che riproduce la parte piü dorsale dell’ abbozzo del faceiale. Questo abbozzo aderisce al midollo allungato solo nella sua parte posteriore, mentre il contatto coll’ epidermide si estende fino allo spiraculum. L’estremo prossimale dell’ abbozzo, che ho detto s’& staccato 182 Ciro Barbieri dalla volta del midollo allungato, si @ spostato alquanto ventral- menente per venire a fondersi colla parete laterale del midollo. In questo punto la membrana limitante esterna del midollo seom- pare, ed il tessuto del midollo si continua eon quello deli’ abbozzo del nervo (fig. 16 tav. VI). Anche in questo punto & evidente il feno- meno descritto pel trigemino, del passaggio di cellule dal midollo nell’ accenno del nervo. L’unione del facciale col midollo si compie in un punto alquanto piü dorsale che non avvenga pel trigemino. Nello stadio 3 l’abbozzo del facciale comineia a perdere il suo aspetto compatto; appaiono delle lacune in mezzo alle sue cellule, mentre queste sembrano allungarsi e fondersi largamente assieme. E questo lo stadio nel quale, secondo il GoROXowITScH, la lista gangliare si e trasformata in tessuto mesenchimale. In realta pero la massa di cellule fornita dalla lista gangliare permane sempre ben distinta dal mesoderma, quantunque alla sua periferia si possano osservare delle cellule che non si sa bene se ascrivere all’ una o all’ altra delle due formazioni. Inoltre i rapporti togografici della lista gangliare e quelli del nervo successivo sono talmente identiei, che nessun dubbio si puö avere sulla eontinuita dell’ una con l’altro. Una fase assai interessante dello sviluppo del facciale e quella che si riscontra nello stadio 4 (fig. 17—18 Tav. V]). Studiando l’abbozzo del facciale-acustico mediante sezioni lon- gitudinali si mette in evidenza come esso sia diviso in tre tronchi ben distinti (fig. 17 tav. VI). L’uno di questi, diretto all’ innanzi, e che prende tosto contatto coll’ epidermide, rappresenta il tronco oftalmieo-boceale corrispondente al trigemino 2° del GORONOWITSCH, ed & la porzione del facciale destinata agli organi di senso del capo. Un secondo tronco, situato dietro il primo, ha invece un decorso laterale, e si puö seguire fino al disopra di quell’ ispessimento me- sodermico ehe forma l’abbozzo dell’ osso ioide, dove si fonde col- l’epidermide. E questo il tronco ioideo-mandibolare; esso puo stu- diarsi meglio su sezioni trasversali (fig. 16 tav. V]). Dietro il tronco ioideo-mandibolare riscontriamo nella fig. 17 un terzo tronco, situato lungo la faceia ventrale della vesceicola acustiea, ed € l’aecenno del nervo acustico. In eonelusione quindi troviamo a questo stadio, che l’abbozzo del gruppo del faceiale si e ripartito in tre masse corrispondenti ai tronchi prineipali del gruppo; oftalmieo-boceale, ioideo-mandibolare, acustico. Ricerche sullo sviluppo dei nervi craniei nei teleostei. 183 Le sezioni longitudinali di embrioni di questo stadio mi hanno inoltre messo in evidenza un particolare molto interessante. Lungo la faeeia ventrale della veseicola acustica, e nella parte di essa piu vieina al midollo allungato, decorre un sottile ramo nervoso che congiunge il gruppo del faceiale col nervo laterale (fig. 18 tav. VI). Questo ramo sembra originare dal tronco ioideo- mandibolare, benche ciö non sia posibile preeisare per bene, non essendo eompletamente individuate le diverse parti del faceiale. Tale anastomosi ha molta importanza teoriea e fu descritta nei Cielostomi dall’ AHLBORN, dal KurrFer e dal DoHRN; quest’ ultimo liindiea col nome di »recurrens facialise. L’HorFMAnN ha deseritto una simile anastomosi nella Salamandra col nome di »eommunicans facialis cum nervo glosso — pharingeo et vago«s. Secondo le deserizioni del KuPFFER e del DOoHRN, questo ramo avrebbe nei Cielostomi una direzione alquanto diversa da quella ris- contrata da me nei Teleostei, giacche decorrerebbe lungo la faccia laterale della vescicola acustica. L’ispessimento ectodermico, che costituiva la lista epidermieca, non & piü sensibile in questo stadio nella regione del faceiale. Cio lo dimostra la fig. 16, che rappresenta una sezione trasversa pra- ticata nella parte posteriore della regione del faceiale pro. detto: In questo punto l’abbozzo del tronco ioideo-mandibolare si presenta fuso coll’ epidermide; pero tale fusione corrisponde non alla lista epider- mica, bensi all’ ispessimento epibranchiale. In tagli praticati nella parte anteriore della regione del faceiale troveremmo la fusione del tronco oftalmieo-boccale coll’ epidermide, e questa ultima rappresenta la con- tinuazione di quella, deseritta in precedenza, colla lista epidermica. Le cellule dell’ abbozzo del faceiale si presentano a questo stadio abbastanza uniformi, tutte con nucleo grosso, ovale e coi eito- plasmi largamente fusi assieme (vedi fig. 16). La fig. 16 mostra anche il fenomeno gia deseritto, dell’ immi- grazione di cellule del midollo nell’ abbozzo del nervo. Negli stadi successivi il faceiale propriamente detto subisce un differenziamento identico a quello deseritto pel trigemino. Nelle parti prossimali dei suoi due tronchi prineipali aleune cellule au- mentano di dimensioni, acquistano un contorno netto, forma ovale allungata e nucleo grosso e chiaro; esse danno origine alle eellule gangliari; altre cellule invece si impiecoliscono, acquistano del pari contorno regolare e formano le cellule capsulari. Con questo diffe- renziamento € contemporaneo l’apparire delle prime fibre. 184 Ciro Barbieri Le cellule gangliari nell’ abbozzo del faceiale si estendono per un certo tratto lungo i suoi rami; al di la di questo tratto le cellule dell’ abbozzo del nervo assumono tutte quante forma allungata, con nucleo del pari allungato, costituendo le catenelle di cellule dello SCHWANN. Queste ultime cellule si riscontrano anche nella porzione prossimale del nervo, pero ventralmente, in rapporto colla parte motrice del faceiale. Passo ora a trattare pi particolarmente del nervo acustieo. Il differenziamento di questo nervo si compie in ultima analisi non diversamente dagli altri nervi, tuttavia in una maniera assai piu istruttiva. Abbiamo visto che nello stadio 3 la parte posteriore dell’ ab- bozzo del faceiale-acustico abbraceia la porzione, anteriore della vescicola acustica (fig. 15), ed ho indieato questa parte della lista gangliare come il primo accenno dell’ acustico. Nello stadio successivo 4 questo accenno viene a collocarsi alla faceia ventrale della veseicola acustica, e eiö dipende anche da accrescimento verso l’avanti della vescicola stessa (fig. 17 tav. VI). L’abbozzo dell’ acustico si fonde colla parete laterale del mi- dollo al lungato, nello stesso modo deseritto per gli altri nervi. L’emigrazione di cellule dal midollo allungato non & dapprima molto evidente; si presenta invece colla massima chiarezza a partire dallo stadio 4. La fig. 19, che rappresenta una sezione in corrispondenza del nervo acustico nello stadio 5, merita di essere particolarmente illu- strata. Osserviamo prima di tutto che l’acustico e in larga eomuni- cazione col midollo; si sono gia differenziate numerose fibre che decorrono dall’ uno all’ altro. Nell’ abbozzo del nervo, situato alla faccia ventrale della vesei- cola acustica, si distinguono nettamente due porzioni; l’una, in con- tatto coll’ epitelio della veseicola, e data da cellule affusate con contorno pero non ancor ben precisato; queste sono evidentemente cellule gangliari, e le fibre che si trovano nel nervo sembrano in relazione con esse; non mancano in mezzo a questi elementi cellule piüu piecole che possono interpretarsi come cellule capsulari. La seconda porzione, posta ventralmente alla prima, consta invece di cellule molto stipate, con nucleo rotondeggiante, e numerose figure carioeinetiche. Il eonfronto con stadi precedenti, e l’esame della figura stessa, mostra chiaramente che questa seconda porzione non e che la parte non ancor indifferenziata del medesimo abbozzo; Ricerche sullo sviluppo dei nervi craniei nei teleostei. 185 infatti fra questa e la prima porzione vi € passaggio graduale, me- diante cellule intermedie che sono in via di allungarsi e di assumere la forma degli elementi piü dorsali dell’ abbozzo pel nervo. Coneludendo quindi, noi abbiamo riscontrato che la parte piu ventrale dell’ abbozzo dell’ acustico permane indifferenziata e seguita a fornire materiale per l’ineremento del nervo. E evidente nella fig. 19 anche il passaggio di cellule del mi- dollo allungato nel tronco dell’ acustico. Il nervo seguita inoltre a ricevere elementi per parte della veseicola acustica, nella sua porzione distale (fig. 19). Nella figura eitata scorgiamo anche, al disotto dell’ abbozzo dell’ acustico, un eondensamento di cellule mesodermiche, che & l’inizio delle cortilagini paracordali e delle pareti dell’ organo del- ’udito. Le osservazioni del GORONOWITSCH riguardo al nervo acustico sono assai diverse dalle mie, ed io dubito fortemente che l’A. sia incorso in qualche errore di interpretazione. Egli afferma infatti, fra lV’altro, che nello sviluppo dell’ acustico, si ha un’ intima mes- colanza fra elementi mesodermiei, destinati a constituire il tessuto formatore del nervo (nervenbildende Gewebe), ed elementi emigrati dalle pareti della vescicola acustica, che dovranno trasformarsi in cellule gangliari. L’Autore russo afferma inoltre che questi processi si compiono alla parte dorsale di un ammasso di cellule rappresen- tante la porzione anteriore delle cartilagini paracordali. Pertanto dal modo eon ceui V’A. si esprime, e dall’ unica figura che ei da sullo sviluppo dell’ acustico, mi sembra di poter dedurre, che egli abbia interpretato eome accenno della cartilagine paracordale la porzione piu ventrale ed indifferenziata del nervo acustico. In realta invece, tale porzione & nettamente distinta da quell’ addensa- mento di cellule mesodermiche, che costituisce il vero inizio della eartilagine paracordale (fig. 19); inoltre la porzione indifferenziata dell’ acustico persiste ancora negli stadi successivi, quando l’accenno della eartilagine paracordale & gia allo stato cartilagineo. Gli stadi successivi all’ ultimo descritto presentano ancora, riguardo all’ acustico, particolari interessanti. Si deve notare anzit- tutto, che l’abbozzo di questo nervo va suddividendosi in due porzioni, di cui la posteriore si mette in rapporto colla lagena e forma il ganglio cocleare, e l’anteriore rimane in relazione col resto del labirinto, distinguendosi in piu parti correspondenti alle varie ereste acustiche. La porzione indifferenziata del nervo non scompare tanto 186 Ciro Barbieri presto, ed anche al momento della schiusa si osserva uno strato ventrale di cellule indifferenziate e rieche di mitosi. Assai piüu notevole e tuttavia il fatto che in corrispondenza di questo nervo si differenziano cellule gangliari, non solo lungo il tronco del nervo stesso, bensi anche nell’ interno del midollo allungato. Sembra che una parte di quegli elementi che dovrebbero passare dal midollo nel nervo, si arresti nella sua migrazione e compia il suo sviluppo nel midollo stesso. Esaminando pertanto un taglio trasversale in questa regione all’ epoca della schiusa, osserviamo nel midollo, in corrispondenza all’ origine del nervo acustico, un notevole ammasso di cellule gangliari, piu grandi di quelle poste lungo il nervo ed in evidenti rapporti col nervo stesso. La fig. 20 tav. VII @ destinata a dare un’ idea di questi rap- porti; essa rappresenta la parte anteriore del nervo acustico. AI disotto della parete della vescicola acustiea si osservano nella figura cellule gangliari ben definite, ed in mezzo ad esse piecole cellule che sono le cellule capsulari. Lungo il eontorno ventrale del nervo si nota uno strato di cellule a nucleo rotondeggiante, che rap- presentano un residuo della massa ventrale indifferenziata, descritta in precedenza. Questo strato si osserva nella figura molto allargato nella sua parte adiacente al midollo; quivi costituisce la porzione anteriore e superficiale del ganglio eocleare. Nell’ interno del mi- dollo, al punto di ingresso delle fibre acustiche, si osserva l’ammasso di cellule gangliari gia notato, che eostituisce quasi un terzo ganglio del nervo acustico, che puö aggiungersi agli altri due (ganglium vestibolare e g. cocleare) col nome di ganglium acustico- midollare. La presenza di queste cellule gangliari € in rapporto col fatto della parteceipazione del sistema nervoso centrale alla formazione dei nervi craniei. Si tratta certamente di elementi che avrebbero dovuto emigrare nel tronco del nervo e che invece si sono arrestati, prima di raggiungerlo. Ciö ha dipeso forse dal grande raccoreiamento che presenta l’acus- tico. Questa particolarita non costituisce, secondo me, una differenza essenziale fra nervo acustico e gli altri nervi ceraniei, giacche fra nervo e sistema nervoso centrale vi @ continuita perfetta di sostanza. Tuttavia il fatto della presenza di queste cellule e importante, in quantoche sembra additare, che gli elementi emigrati dal mi- dollo nell’ abbozo del nervo si trasformino a preferenza in cellule gangliari. Ricerche sullo sviluppo dei nervi cranici nei teleostei. 187 Per gli altri nervi eraniei, come ho giä detto, le cellule emi- grate dal midollo si confondono col restante dell’ abbozzo del nervo, senza che sia possibile seguirne l’ulteriore sviluppo. Voglio infine accenare a questo proposito ad un fatto dell’ ana- tomia dell’ adulto, che puö forse mettersi in relazione col fenomeno deseritto dell’ imigrazione di cellule del sistema nervoso centrale in quello periferico.. L’HALLER nelle sue ricerche sul midollo allun- gato di Salmo e di Scylkium ha dimostrato che nelle radiei dorsali dei nervi eranici penetrano fibre provenienti da cellule del midollo. Per quanto concerne l’acustico tali fibre si possono supporre provenienti dalle grosse cellule gangliari deseritte. In corrispondenza delle radiei dorsali degli altri nervi eraniei non si rinvengono perd eellule a earattere gangliare, tali da potersi dimostrare eon metodi ordinari di tecniea. e. Gruppo del vago. Questo gruppo comprende tre nervi ben distinti nell’ adulto, ma assai intimamente collegati per la loro origine, e sono il nervus slossopharingeus, il n. vagus, ed il n. lateralis. Faceio precedere, come per gli altri nervi eraniei, un breve cenno sullo sviluppo di questi nervi nei Cielostomi e nei Selaci. Secondo il KuPFFEr il nervo vago (con questo nome egli com- prende anche il glosso-faringeo) si sviluppa nei Petromizonti dalla lista gangliare con parteeipazione dell’ ectoderma, nella stessa maniera descritta per gli altri nervi eranici. La lista gangliare si distingue in una porzione mediale, che da origine al ganglio mediale, in una porzione laterale che prende due ceontatti ben separati col- l’epidermide; dal punto di eontatto piüu dorsale prende origine il ganglio laterale (che formerebbe poi il n. laterale), da quello ventrale il ganglio epibranchiale. Come per gli altri nervi eraniei, dall’ ab- bozzo primitivo del nervo derivano, sempre secondo KUPFFER, non solo cellule gangliari, ma anche cordoni di cellule allungate desti- nate a formare il tronco del nervo (Züge länglich gestreckter Zellen). Nei Selaci, secondo il DoHRNn, si osserverebbero fenomeni non molto diversi. La piastra del vago, derivata dalla lista gangliare, puö del pari esser distinta in due porzioni, una mediale ed una laterale. La prima darebbe origine, almeno in certe specie, a piccoli ammassi transitori, interpretati dal DOHRN come rudimenti di gangli omologhi a quelli spinali (gangli vago-spinali) ed in relazione coi 188 Ciro Barbieri somiti encefaliei; il resto della lamella mediale, dopo che si sono separati i gangli vago-spinali, starebbe in rapporto colla parte motrice del vago. La lamella laterale si mette invece a contatto e si fonde coll’ eetoderma (placodi), da eui riceve nuovi elementi, e da origine a tutta la parte sensitiva del vago. Il nervo laterale si stacca dalla porzione anteriore della lamella laterale del vago, avanti a quel tratto di essa destinato a diventare nervo glosso-faringeo. Il laterale riceve rami comunicanti dal vago pr. detto. Nei Teleostei, secondo il GORONOWITSCH, anche per quanto con- cerne il vago si avrebbero fenomeni in tutto aberranti dagli altri gruppi di Vertebrati, o, a meglio dire, dalle osservazioni di altri Autori. La lista gangliare della regione del vago (lista ectoblasto- gena terziaria; secondo GORONOWITSCH) si dissolverebbe tutta in elementi mesenchimali. Un ispessimento ectodermico, posto al margine posteriore della 1° fessura branchiale (seconda fessura viscerale), rappresenta il primo aceenno del glosso-faringeo; segue tosto un condensamento di cellule mesodermiche che forma l’abbozzo del tronco del nervo (nerven- bildende Gewebe), ed un’ immigrazione di cellule dall’ ispessimento ectodermico nell’ abbozzo del nervo a formarvi il ganglio. I rami del vago pr. detto si originano, secondo GORONOWITSCH, in modo identico, in rapporto eolle fessure branchiali seguenti. Cosi pure dieasi del nervo laterale che si sviluppa in relazione coll’ is- pessimento della linea laterale. I processi dello sviluppo dei nervi di questo gruppo sono invece, secondo quanto io ho osservato, molto diversi. Essi possono riassumersi molto brevemente. Si ha dapprima nella regione del vago una proliferazione della lista gangliare ai due lati del cordone nervoso, proliferazione che da luogo al primo ab- bozzo del nervo (fig. 7 ed 8 tav. VI). Per questo processo si forma nello stadio 2, dietro la veseicola aecustica, a eiaseun lato della volta del midollo allungato, un eompatto cordone cellulare, che & piu svi- luppato nelle vieinanze della veseicola acustica, e va poi attenuandosi posteriormente. E evidentissima la tendenza di questa massa a mettersi in eontatto coll’ ispessimento della lista epidermiea. Se esaminiamo lo stato di quest’ abbozzo nello stadio 3, troviamo ehe i suoi elementi hanno assunto forma allungata, e costituiscono insieme un cordone collegante la volta del midollo colla lista epi- dermiea (fig. 21 tav. VII). Si eomineia giä a notare emigrazione di Ricerche sullo sviluppo dei nervi craniei nei teleostei. 189 cellule della lista epidermica nell’ abbozzo formato dalla lista gang- liare. A questo stadio le lamine mesodermiche di questa regione hanno assunto un’ apparenza lassa, per distanziamento delle loro eellule, e non & facile segnare il limite preeiso fra elementi della lista gangliare ed elementi mesodermiei. E in questo stadio di difficile interpretazione, che secondo il (GORONOWITSCH la lista gangliare si sarebbe trasformata tutta quanta in mesenchima! L’erroneita di questa affermazione puo pero dimo- strarsi anche per questo gruppo di nervi, nonostante le scarse diffe- renze istologiche, che impedisecono una minuta visione dei processi di sviluppo. Se infatti sembra risultare, e forse realmente @ cosi, che il tratto mediale della lista gangliare si dissolva in elementi mesodermiei, © tuttavia evidentissimo che quel cordone di cellule estese dalla volta del midollo allungato alla lista epidermiea, ehe noi osserviamo nella fig. 22, deriva dalla lista gangliare. Ora vedremo che appunto da questo eordone, ed in modo non meno evidente, derivano i tronchi del gruppo del vago. Nello stadio che segue al gia descritto, eioe nello stadio 4, i tronchi prineipali del gruppo del vago sono gia accennati, pero essi sono eosi sottili che € impossibile seguirli in tutto il loro decorso. La parte dell’ abbozzo che sta subito dietro la vescicola acustica, e che & quella da eui deve derivare la radice del nervo laterale ed il troneo del nervo glosso-faringeo, si e staccata dalla volta del midollo allungato, & discesa lungo la faceia laterale fino a eirca due terzi d’altezza, e quivi € avvenuto il solito fenomeno di fusione. La parte distale di questo tratto non mi fu possibile di seguire. Nella parte posteriore della regione € avvenuto il medesimo fenomeno (fig. 23 tav. VII); sulla faceia laterale del midollo, a due terzi eirca d’altezza, si nota un’ ammasso di cellule che si estende per tutta la regione, continuando l’abbozzo del glosso-faringeo. Da questo ammasso si diparte nella figura un sottilissimo cordone cel- lulare, che si prolunga verso l’eetoderma. Questo pieeolo troneo rappresenta la prima radice del vago pr. detto, e per la sua esiguitä non puo esser riscontrato che in una o due sezioni. Nella parte anteriore della regione del vago l’ispessimento della lista epidermica & scomparso; dagli elementi della lista gangliare a contatto eon essa si € formata la radice del nervo laterale, essa pure assai esile. Nella fig. 23 la si puo osservare in sezione, dor- 190 Ciro Barbieri salmente al tronco del vago. Questa sottile radice si continua pos- teriormente con un cordone di cellule poste al disotto della linea laterale che sappiamo essere la continuazione nel tronco della lista epidermica; la linea laterale e fusa con questo ammasso, come lo dimostra la fig. 24 della tav. VII. Coneludendo, in questo stadio di diffieile intepretazione, si trova soprattutto ben accennato il nervo laterale che si origina dal midollo con una sottile radice, nella parte anteriore della regione del vago, e si continua, nella regione oceipitale, con un discreto cordone cellulare intimamente unito alla linea laterale. Non mi & stato possi- bile seguire il tronco glosso-faringeo oltre la sua origine; il vago mi & apparso sotto forma di un piecolo ammasso longitudinale di cellule unito al midollo e da ceui parte un sol tronco nervoso, Tap- presentante la prima radice del vago. Tutto questo complesso non & che un differenziamento di quel cordone di elementi che decorre dalla volta del midollo alla lista epidermica, il quale a sua volta non & altro che tessuto della lista gangliare. Ognuno puö persuadersi meglio di queste relazioni di sviluppo confrontando le tre fig. 7, 22, 23. Se ora ei faeeciamo ad esaminare un embrione piü avanzato, sempre di questo stadio 4, troviamo questi rami nervosi alquanto ingrossati e tali da non essere piüu diffieile il seguirli. Le fig. 25, 26, 27 della tav. VII illustrano appunto una fase di sviluppo del vago solo di poco pit progredita della precedente, ma tale tuttavia da dimostrare i rapporti definitivi gia costituiti. Dietro la vescicola acustiea (fig. 25) sorge un tronco nervoso, che & l’origine comune del laterale e del glosso-faringeo. Questo troneo si suddivide tosto nei due nervi nominati. Il nervo laterale si dirige posteriormente; esilissimo all’ origine e costituito da sole cellule dello ScHwAnN, si ingrossa dippoi, per l’apparire nel suo interno di cellule a grosso nucleo, che saranno le future cellule gangliari e costituiranno il futuro ganglio laterale. Il nervo laterale si osserva in sezione nelle fig. 26 e 27. Nella fig. 25 si trova rappresentato il tronco del glosso-faringeo, che eirconda la parte posteriore della veseicola acustica e si dirige verso l’epidermide, con eui viene a contatto dorsalmente al primo arco branchiale. Il punto di eontatto non & disegnato pero nella figura, perche il glosso-faringeo forma un arco, abbraceiando la veseicola acustiea. Il GORONOWITScH descrive in corrispondenza del margine poste- Ricerche sullo svilluppo dei nervi cranici nei teleostei. 191 riore della prima fessura branchiale un’ ispessimento dell’ ectoderma, da eui deriverebbero in seguito le cellule del ganglio glosso-faringeo. A me non consta tale ispessimento, solo ho osservato la solita fu- sione del troneo del nervo con l’epidermide, che corrisponde alla formazione del ganglio epibranchiale del KUPFFER. Il vago propriamente detto € rappresentato in questa fase di sviluppo da due tronchi nervosi, che dalla faeeia laterale del midollo si estendono all’ eetoderma. Il primo tronco (fig. 26 tav. VII) € assai sottile e posto in corrispondenza del 2° arco branchiale; esso subisce coll’ eetoderma la solita fusione. Come negli altri casi l’eetoderma nel punto di fusione prolifera, fornendo materiale per l’ineremento del nervo. Il secondo tronco del vago € assai pil spesso del primo e posto alquanto posteriormente, talche lo si incontra ad una distanza di eirea 5 0 6 sezioni di 10 u. Esso rappresenta l’insieme delle radiei del vago destinate agli ultimi due archi branchiali; anche questo troneo si trova a contatto coll’ ectoderma, dorsalmente agli accenni degli ultimi due archi branchiali (fig. 27 tav. VII); nel punto di contatto si ripete il solito fenomeno della sparizione della membrana basale dell’ eetoderma, e del passaggio di cellule da quest’ ultimo nell’ abbozzo del nervo. Debbo far notare infine che in questo stadio il nervo laterale si presenta assai pit evoluto degli altri nervi del medesimo gruppo, in esso sono giäa evidenti fibre e cellule gangliari, mentre invece pel glosso- faringeo e pel vago tale differenziamento non & ancora avvenuto. Nello stadio successivo (stadio 5) troviamo i diversi nervi del gruppo del vago assai pit evoluti. Il nervo glosso-faringeo si € molto ingrossato sia per moltipli- eazione dei suoi elementi, come per l’immigrazione di cellule dall’ eeto- derma e dal midollo.. Lungo il suo tronco un’ aceumulo di cellule denota il luogo del futuro ganglio; esso & collocato al disotto della parte posteriore della vescicola acustica. Come ho gia piü volte riferito il GORONOWITSCH, nel suo studio sullo sviluppo dei nervi eranici dei Teleostei, ammette che le cellule gangliari derivino unica- mente dalle cellule emigrate dall’ eetoderma, che permarrebbero distinte dalle altre. Per parte mia ripeto ancora a proposito del glosso-faringeo quanto ho detto per gli altri nervi; tale distinzione non & possibile affatto; le cellule provenienti dall’ eetoderma si uniscono al restante dell’ abbozzo del nervo, formando una massa cellulare omogenea, che solo piü tardi si differenzia in. ganglio e tronco del nervo. \ 192 Ciro Barbieri I due tronchi del vago, deseritti nello stadio che precede, si sono estesi molto lungo il midollo, cosi da venire a contatto assieme. Si forma pertanto un nervo vago unico, in cui pero mediante tagli orizzontali non & diffieile riconoscere la sua derivazione da piu ra- diei. L’inserzione del nervo vago si estende lungo la faceia laterale del midollo fino al piano dei primi somiti oceipitali. Le fibre pero che lo formano convergono verso la parte anteriore del nervo stesso e si eondensano in un tronco, che decorre avanti all’ abbozzo della cartilagine basale del eranio, per espandersi poi nuovamente in rapporto cogli archi branchiali. Al eontatto fra l’estremita del vago e l’ectoderma, quest’ ultimo ha proliferato abbondantemente, cosieche si e formata una massa considerevole di eellule che andranno man mano trasformandosi negli elementi speeifici del nervo. La fig. 28 tav. VII, che rappresenta una sezione trasversale in corrispondenza della parte anteriore del tronco del vago, puo illustrare questi rapporti. Anche per il vago si osserva, fino ad uno stato inoltrato di svi- luppo, il solito fenomeno dell’ immigrazione di cellule del midollo nell’ abbozzo del nervo. Il nervo laterale nello stadio 5 seguita nel suo aumento e nella sua differenziazione, e continua nello stesso tempo a svilupparsi verso la parte posteriore, a contatto colla linea laterale. Non mi allungo ulteriormente sulla genesi di questo gruppo di nervi, avendo gia detto quanto bastava al mio scopeo. d. Nervi oceulo-motori. Poche osservazioni ho fatte sui nervi oculo-motori, che com- prendono il nervus oculo-motorius communis, il n. trochlearis ed il n. abducens. Per l’esiguita di questi nervi nei primi stadi, e per il loro de- corso obliquo, si rende sommamente diffieile, per non dire im- possibile, seguire il loro tronco e distinguerlo dal mesenchima eir- costante. Certo sarebbe di molto interesse poter descerivere passo passo la genesi dei nervi oculo-motori, giacche essi sono gli unici che non abbiano aleuna relazione con radiei dorsali e quindi con elementi derivati dalla lista gangliare. In generale i nervi oculo-motori appariscono piuttosto tardi, in relazione coi muscoli oculo-motori. =; Morphologisches Jahrbuch. Bd. XNXXVI. r \ Mr # FEIN = = e88 TE 2" <8o ri | 0, ,°o- -. u ee ee "er ee Ne BASE: zz \5 | ie NE, ee ir Er re j 9 en =, =’ Wed = ENT N P7 at! \ un R Verlag von Wilh E-| Top an [a STD RE —. (ae wa jgelmann in Leipzig. w> Kein en ar b ? r { A EN P j { ' { e - & r » Mk x f Fe We ) . F \ ' . \ 12 a f . y k r A Pr | e y or . ä k . 5 j > “ h d e . - i pP e) } Pe N . « 2 j f .4 5 Ad Im * x Y . j n zu) j [; #7 ’ in “ NEN ’ \ bin Ka dt WA (ri, az A Dr. Pi DEE. Tr, a IE Morphologisches Jahrbuch. Bd. XXXVI. a Ir . N) Ur WANT , R 0. & Ü) N I) ® nn 15000, Ricerche sullo sviluppo dei nervi craniei nei teleostei. 193 L’oeulo-motor comune si riscontra per primo, con certezza, in embrioni di $. irideus di 12 giorni, quindi nello stadio 5, sotto forma di un sottile troneo ehe parte dalla base del mesencefalo, vieino alla linea mediana ed a meta distanza eirca fra l’ipofisi ed il piano della piega cerebellare. In un embrione di S. irideus di 13 giomi il tronco dell’ oeulo- motor comune & meglio definito; lo si puö riscontrare in 2. 0 3. se- zioni suceessive di 10 u. Seguire il suo decorso non mi fu possibile. Nella base del mesencefalo, in corrispondenza dell’ origine del nervo, & ben distinto in questo stadio un gruppo compatto di cel- lule, che si evolveranno nelle future cellule motriei dell’ oculo- motor eomune. In queste prime fasi dello sviluppo del nervo & evidentissima l’immigrazione di cellule del cervello nell’ abbozzo del nervo stesso. Non deserivo particolarmente tale fenomeno, perche esso fu gia illustrato da altri autori, sopratutto per quello che riguarda le radiei ventrali spinali. Nei Teleostei fu osservato dall’ HArrıson. Per quanto poi concerne i nervi oculo-motori questa migrazione di cellule fu messa ben in chiaro dal DoHrn, nei nervi oculo-motori di Selaci. L’opinione del DoHRN, che queste cellule contribuiscano alla formazione del nervo, mi sembra veramente la pitı accettabile, come quella piü armonizzante con tutti gli altri fatti dell’ embriologia del sistema nervoso. Intorno al nervo trocleare, che al eontrario di tutti i nervi motori sorge dalla parte dorsale del midollo, ed & ecostituito uni- camente da fibre incrociate, nulla ho a riferire, non essendomi stato possibile dimostrarlo nei suoi primi stadi. Il nervo abducente lo riscontrai per primo, al pari dell’ oculo- motor comune, in embrioni di S. zredeus di 12 giorni, sotto forma di un sottile tronco, eollocato ventralmente al nervo facceiale. Questa posizione la radice del nervo conserva anche nelle fasi successive. e. Nervo olfattorio. Tratto a questo punto dello sviluppo del nervo_ olfattorio, perch®, dopo quanto ho detto a proposito degli altri nervi, riuseirä piu ehiaro quello che dovrö esporre. Nella regione del nervo olfattorio, eioe avanti all’ inserzione delle vescicole ottiche, la lista heile tarda alquanto a legt verso l’esterno, rispetto alle altre regioni. Morpholog. Jahrbuch, 37. 13 194 Ciro Barbieri Solo nello stadio 3 noi possiamo osservare, che anche in questa regione si € formato ai due lati un abbozzo allungato, il quale si collega alla volta del cordone nervoso (fig. 30 tav. VII). Im questo stadio non esiste ancora fossetta olfattivo e l’ectoderma dell’ estre- mita anteriore dell’ embrione si presenta uniformemente ispessito. In una fase di sviluppo piü avanzata, che rientra pure nello stadio 3, noi troviamo l’eetoderma dell’ estremo anteriore assotigliato, eceetto che in un tratto, da eui si eostituira la futura fossetta olfat- tiva. La massa cellulare derivata dalla lista epidermica ha assunto un aspetto lasso: parte delle sue cellule si vanno trasformando in elementi mesenchimali. +La porzione distale di questa massa € pero ancora compatta, forma un ponte cellulare fra l’accenno della fos- setta olfattiva e la parete laterale del cervello anteriore, e costi- tuisce cosı la prima apparizione del nervo olfattivo (fig. 31 tav. VII). Nello stadio che segue (stadio 4) l’abbozzo del nervo olfattorio si fa piüu evidente; le sue cellule sono aumentate di numero, e pre- sentano un nucleo piu ehiaro; i loro limiti eitoplasmatiei non sono piü evidenti, talche esse sembrano formare una massa plasmodiale unica. Contemporaneamente la limitante esterna del cervello scompare al contatto col nervo, e cosı pure dieasi della membrana basale della fossetta olfattiva (fig. 32 tav. VII). All’ unione dell’ olfattorio colla fossetta si osservano cellule di quest’ ultima che si allungano con un’ appendice protoplasmatica nell’ abbozzo del nervo. In questo stadio appaiano le prime fibre in seno al nervo, esse sembrano partire dal bulbo olfattorio (fig. 32). Debbo riferire inoltre ehe il nervo olfattorio a questo stadio esilissimo, e non si segue che per poche sezioni; esso si estende dalla parete laterale del bulbo alla parete posteriore e ventrale dell’ ispessimento che costituira la fossetta olfattiva. Quanto alla letteratura su questo nervo, diro soltanto che il MARSHALL, nella sua monografia sull’ organo olfattorio, ammette che il nervo olfattivo si svilappi dalla lista gangliare, »neural crest« del MARSHALL, come tutti gli altri nervi eranieci e spinali; il medesimo Autore ammette inoltre che lungo il nervo olfattivo esistano vere cellule gangliari. Il BEARD, al pari del MARSHALL, afferma che il nervo olfattivo derivi dalla lista gangliare, e che esso presenti, come gli altri nervi sensitivi, un ganglio. Il BEARD interpreta inoltre la fossetta olfat- tiva come eorrispondente a quegli ispessimenti ectodermiei (placodi) Ricerche sullo svilluppo dei nervi craniei nei teleostei. 195 con cui si fondono gli abbozzi degli altri nervi cranici. La pre- senza di cellule gangliari lungo il tronco dell’ olfattorio & ormai dimostrata inesistente!. Ciö ha forse contribuito a far rigettare anche la relazione fra lista gangliare e nervo olfattivo, tanto piu da chi ammette che dalla lista gangliare non si formino se non cellule gangliari. L’Horm, in un suo studio sullo sviluppo dell’ organo olfattivo nei Teleostei, infatti, fa derivare il nervo dell’ olfatto da elementi del mesoderma. Secondo quanto io ho deseritto, lo sviluppo di questo nervo differisee invece da quello degli altri nervi eranici solo per la man- canza di emigrazione di cellule da parte del sistema nervoso-centrale, e perch® non si costituisce un ganglio; i rapporti colla lista gangliare sono gli stessi. Conelusioni. 1. Lo sviluppo dei nervi craniei nei Teleostei conferma quanto e stato affermato da vari Autori nelle altre classi di Vertebrati. Le fasi successive della formazione di un nervo del cranio sarebbero, secondo me, le seguenti: a) Proliferazione ai lati del cordone nervoso centrale della lista gangliare, nel punto dove sorgerä il futuro nervo, in modo da for- mare una massa compatta di tessuto, estesa dalla volta del midollo ad un ispessimento longitudinale dell’ ecetodermäa chiamato lista epi- dermica. ' b) Fusione di questo primo abbozzo colla lista epidermica, che proliferando a sua volta costituisce una sorgente di materiale pel futuro nervo. ce) Distacco della parte prossimale dell’ abbozzo del nervo dalla volta del midollo e suo spostamento sulla parete laterale di esso dove, per sparizione della limitante esterna, si stabilisce fra cordone nervoso centrale ed abbozzo del nervo una continuitäa perfetta. d) Emigrazione di cellule dal sistema nervoso centrale nell’ ab- bozzo del nervo. La parte distale del nervo subisce una seconda 1 In realtä prima di rigettare l’osservazione del MARSHALL, si deve tener conto dell’ esistenza di un nuovo nervo cranico, all’ estremitä anteriore del cervello, dimostrata dal Locy in molti Selaci e rieconoseiuta giä prima in Le- pidosteus ed Ameia. Questo nuovo nervo sarebbe provvisto di ganglio. Nei Teleostei questo nervo non & stato riscontrato. Nemmeno nello svi- luppo ho notato aleuna cosa che sia indizio della sua esistenza. 13* 196 Ciro Barbieri fusione coll’ epidermide, ventralmente alla prima. Questa nuova fusione non € preceduta da un ispessimento ectodermico ed & in rapporto col margine dorsale delle fessure viscerali (fusioni epibran- chiali). Solo pel nervo trigemino sembra che questa nuova fusione non sia distinta da quella precedente colla lista epidermiea. f) Differenziamento della massa che forma l’abbozzo del nervo in ganglio e tronco del nervo: il primo & costituito di cellule gan- gliari; il secondo si mostra formato solo di cellule allungate, dette cellule dello ScHwann. 2. Il nervo olfattivo si comporta come gli altri nervi misti del cranio, per quel che riguarda i rapporti colla lista gangliare. 4. Il eomportamento della lista gangliare nel costituire il nervo, e soprattutto la sua fusione secondaria col cordone nervoso, dimo- strano che lista gangliare e cordone nervoso debbono interpretarsi come formazioni primitivamente distinte. Bibliografia. AHLBORN, F., Über die Segmentation des Wirbeltierkörpers. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XL. 8. 309—337. 1884. ArArnay, Das leitende Element des Nervensystems und seine topographischen Beziehungen zu den Zellen. Mitth. Zool. Station Neapel. Bd. XII. S. 495—748. 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Sezione trasversa di un embr. di S. irideus di mm. 3, regione della vescicola acustica. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Fig. 7. Sezione trasversa di un embr. di S$. örideus di mm. 3, regione del vago. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Fig. 8. Sezione trasversa di un embr. di $. örideus di mm. 3, regione ocei- pitale. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Fig. 9. Sezione trasversa di un embr. di S. fontinalis di mm. 21/s, regione del trigemino. Ingr.: obb. Kor. 7 con ocul. Kor. 2. Fig. 10. Sezione orizontale di un embr. di S. irideus di mm. 4. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Fig. 11. Sezione trasversa di un embr. di S. fontinalis di mm. 41/,, regione del trigemino. Ingr.: obb. Kor. 7 con ocul. Kor. 2. 200 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. Ciro Barbieri Sezione di un embr. di S. @rideus di mm. 5, trigemino (ramo mascel- lare inferiore). Ingr.: obb. Kor. 7 con oeul. Kor. 2. Sezione trasversa di un embr. di S. zrideus di mm. 5, trigemino (r. oftalmieo-profondo). Ingr.: obb. Kor. 7 con ocul. Kor. 2. Sezione trasversa di un embr. die S. fontinalis di mm. 3, regione del faceiale. Ingr.: obb. Kor. 7 con ocul. Kor. 2. Sezione trasversa di un embr. di S. zrideus di mm. 4, regione acustica. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un embr. di S. @redeus di mm. 41/5, regione del faceiale. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 2. Sezione longitudinale di un embr. di S. örideus di mm. 5, regione del facciale e dell’ acustico. Ingr.: obb. Kor. 3 con oecul. Kor. 4. Sezione longitudinale di un’ embr. di S. @rideus di mm. 5, regione del facciale e dell’ acustico. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un embr. di S. örideus di 15 giorni, nervo acus- tico. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di una larva di S. fario appena nata, acustico. Ingr.: obb. Kor. 7 eon ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un’ embr. di S. örideus di mm. 4, regione del glosso-faringeo. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un embr. di S. örideus di mm. 4, regione del vago. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un’ embr. di S. fontinalis di mm. 41/s, regione del vago. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un’ embr. di S. fontinalis di mm. 41/s, nervo laterale. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un’ embr. di S. irideus di mm. 5, glosso-faringeo. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un’ embr. di S. irideus di mm. 5, prima radice del vago. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un’ embr. di S. @rzdeus di mm. 5, seconda radice del vago. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione trasversa di un’ embr. di S. öredeus di 13 giorni, nervo vago. Ingr.: obb. Kor. 3 con oeul. Kor. 4. Sezione trasversa di un’ embr. di S. zrideus di 13 giorni, nervo vago. Ingr.: obb. Kor. 3 con oeul. Kor. 4. \ Sezione trasversa di un’ embr. di S$. fontinalis di mm. 4, regione del nervo olfattivo. Ingr.: obb. Kor. 7 con oeul. Kor. 2. Sezione trasversa di un’ embr. di S. fontinalis di mm. 41/s, regione del nervo olfattivo. Ingr.: obb. Kor. 7 con ocul. Kor. 2. Sezione trasversa di un’ embr. di S. zrideus di mm. 5, regione del nervo olfattivo. Ingr.: obb. Kor. 7 con ocul. Kor. 2. Sezione longitudinale di un embr. di S. örideus di mm. 3, segmenta- zione del mesoderma. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul. Kor. 4. Sezione longitudinale di un’ embr. di S. irideus die mm. 41/. Ingr.: obb. Kor. 3 con ocul Kor. 4. “ em Ricerche sullo sviluppo dei nervi ceranici nei teleostei. 201 L Spiegazione delle indieazioni. a nervo acustico, al arco ioideo,- am arco mandibolare, b estremita del nervo acustico, ed eorda dorsale, ce cervelletto, e entoderma, 1f 1° fessura viscerale (spiraculum), af 28% .-- - EHER - 44°. - - a - fa nervo faceiale, fd nervo oftalmico superfieiale e boc- cale, fo fossetta olfattiva, gam ganglio acustico-midollare, ge ganglio epibranchiale, gif nervo glosso-faringeo, im tronco ioideo-mandibolare, ! nervo laterale, le lista epidermica, !g lista gangliare, - In linea laterale, m mesoderma, m ca mwidollo allungato, no nervo olfattivo, op oftalmico profondo, pa abbozzo della cartilagine paracor- dale, rf ramo ricorrente del faceiale al la- terale, imi tronco mascellare inferiore, ir nervo trigemino, v nervo vago, v1 prima radice del nervo vago, v2 seconda radice del nervo vago, va vescicola acustiea, vo vescicola ottica. Untersuchungen über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. Von A. J. P. van den Broek, Privatdozent in Amsterdam. nn Te: Der Halssympathicus. Mit 26 Figuren im Text. I. Einleitung. Zweck vorliegender Arbeit ist, eine Übersicht zu geben von der makroskopischen Zusammensetzung des sympathischen Nervensystems, speziell des Grenzstranges, in der Klasse der Säugetiere. Der äußerst reichhaltigen Literatur über die physiologische Be- deutung des sympathischen Nervensystems im Organismus gegen- über hat die Anatomie dieses Systems nur ziemlich wenig Be- arbeitung gefunden. Monographische Bearbeitung von Säugern in einer Weise, wie sie THEBAULT (33) in seiner großen Arbeit über den Sympathicus bei Vögeln gegeben hat, fehlt noch für die Säuge- tiere. Nur für ganz bestimmte Abschnitte des Sympathieus liegen Arbeiten, die eine größere Zahl von Säugern umfassen, vor. In dieser Hinsicht könnte man die Studie von SCHUHMACHER (31) über die Herznerven der Säugetiere und des Menschen nennen, die mehr oder weniger statistische Untersuchungen über den Ursprung dieser Nerven vom Grenzstrange von Vırı (34), die Arbeit HErBETs (16) über den Nervus vertebralis, desgleichen diejenige von FRANGOIS Franck (12). Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 203 Auch die Säuger im Rahmen der Untersuchungen ziehend, je- doch hiervon nur Kaninchen und Hund behandelnd, ist noch die, die ganze Wirbeltierreihe umfassende Studie von M. JacquEr (20) zu verzeichnen. Neben diesen mehr allgemeineren Arbeiten kommt noch eine Zahl von Untersuchungen und Monographien in Betracht, in denen einige wenige Tiere oder nur ein einziges Tier eingehender be- sprochen werden. Hier sind zu verzeichnen die verschiedenen Lehr- bücher von der Anatomie mehrerer Säugetiere, so von ELLENBERGER und Baum (9) (Hund), ÜHEAUVEAU et ARLOING (5) (Animaux dome- stiques), Krause (23) (Kaninchen), die Monographien von ZUCKER- KANDL (37) (Chiromys), EiSLER (8) (Gorilla), sowie die Arbeit über den Sympathicus einiger Haussäugetiere von J. FiscHEr (11). Neben dieser, hauptsächlich von deskriptivrem Standpunkt für unsres Thema wichtigen Literatur steht jene über das sympathische Nervensystem in den andern Klassen der Wirbeltierreihe, die zur Vergleichung der Zustände und zur Homologisierung der verschie- denen Gebilde in diesem Systeme herangezogen werden muß. Je- doch will ich in dieser Einleitung weder von der die Säuger, noch von der die andern Klassen umfassenden Literatur eine Übersicht geben, um Wiederholungen zu vermeiden. Größtenteils beiseite gelassen ist die physiologische Literatur, und zwar aus den folgenden Gründen. Wie hervorgehoben worden ist, bezweckt diese Arbeit, die Mor- phologie des sympathischen Nervensystems und speziell Aufbau und Verägtelungen des Grenzstranges kennen zu lernen. Daher wurden meistens nicht die äußersten peripheren Verzweigungen der Äste vom Grenzstrange aus und ihre Endigungen verfolgt (Herz). Dazu kommt, daß regelmäßig von jeder Tierspecies nur ein einziges Exemplar untersucht ist und an ihnen meistens nur eine (die rechte) Seite des Halses. Nun herrscht bekanntlich im Abgange sowie im Verlaufe derjenigen Nerven, denen eine bestimmte Funk- tion zugesprochen werden muß, bei Tieren derselben Ordnung, wie aus den Untersuchungen von SCHUHMACHER. hervorgeht, eine große individuelle Variabilität (N. depressor, Nn. aecelerantes). Es er- scheint nicht tunlich, alle diese Varianten zu berücksichtigen, da sie zum Verständnisse der Morphologie und Morphogenie wohl nicht von hoher Bedeutung sind. Wo dazu einem Nerven die physiolo- gische Bedeutung nicht anzusehen ist, habe ich wenigstens im deskriptiven Abschnitte Abstand davon genommen, bestimmte Äste 204 A. J. P. van den Broek des sympatbischen Nervensystems mit andern als in der Anatomie « üblichen Namen zu bezeichnen. Ich zerlege meine Arbeit in zwei Teile; im ersten Teile werde ich den Hals- und obersten Brustteil des Grenzstranges besprechen, soweit er das Gebiet des Ganglion stellatum umfaßt; im zweiten soll der übrige Brust-, Bauch- und Beckenteil beschrieben werden. Der erste dieser beiden Teile zerfällt wieder in zwei Abschnitte. Im ersten gebe ich eine systematische Besehreibung meiner Befunde bei den untersuchten Tieren; im zweiten behandle ich das System von allgemeinen Standpunkten aus. Statt einer Übersicht über die Literatur, welche hauptsächlich eine kasuistische sein würde, werde ich die wichtigsten Angaben an den betreffenden Stellen aufführen. Wünschenswert ist es jedoch, in dieser Einleitung eine kurze Über- sicht über die gebrauchte Nomenklatur zu geben. Es herrscht dies- bezüglich in der auf den Sympathicus sich beziehenden Literatur eine gewisse Verwirrung, wodurch bestimmte homologe Gebilde durch verschiedene Autoren und bei verschiedenen Tieren nicht immer mit demselben Namen belegt werden. Hauptsächlich trifft das für das unterste Hals- und oberste Brustganglion zu. An erster Stelle muß die Frage entschieden werden, was man als unterster Halsknoten zu bezeichnen habe. Meines Erachtens ist auf diese Frage nur eine Antwort zu- lässig, indem man, mit HENLE und HERBET, sagt: als Ganglion cervicale inferius ist anzusehen jener Knoten, der sich mit dem letzten Halsnerven verbindet. | Hieraus folgt unmittelbar, daß als Ganglion thoracale primum dasjenige gelten muß, das sich mit dem ersten Thoracalnerven in Verbindung setzt. Wo beide Ganglien zu einer einheitlichen Masse sich verbinden, wende ich hierfür, wie HERBET, SCHUHMACHER, FrAncoIs FRANCK den Namen Ganglion stellatum an. Diese Be- zeichnung ist wohl genauer als die von SCHIFF (30) gebrauchte, wel- cher als Ganglion cervicale inferius dasjenige Ganglion bezeichnet, das sich mit dem N. vertebralis verbindet. Wie aus der folgenden Beschreibung hervorgehen wird, ver- bindet sich nämlich fast niemals der Ram. communicans des letzten Halsnerven mit dem N. vertebralis, sondern tritt gesondert entweder zum untersten Halsknoten oder zum Ganglion stellatum. Es ist un- genau, wenn J. FISCHER für einige Haustiere das Gangl. stellatum mit dem G. thoracale primum identifiziert (1. e., S. 14). Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 205 Der feste Charakter, der nach SCHIFF dem @. cervicale inferius durch seine unwandelbaren Verhältnisse zur Arteria subelavia ge- geben sein soll, trifft ebenfalls nicht zu. Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden, was unter ein Gangl. cervicale superius zu verstehen sei, auch dann, wenn dieser Knoten, wie bei den Monotremen, nicht an der üblichen Stelle gelagert ist. Überflüssig ist es, von einem @. cervicale su- premum zu reden, wie es hier und da, speciell in der menschlichen Anatomie (GEGENBAUR, KOLLMANN [21]) geschieht. Die Bezeichnungen Ganglion cervicale superius und G. ce. in- ferius wären bei allen nicht aufrecht gehenden Tieren, streng ge- nommen, durch die Bezeichnungen G. cervicale anterius und posterior zu ersetzen, gleich wie man von einer Vena caya anterior und po- sterior spricht. Man trifft diese Bezeichnungen hin und wieder in der Literatur, so bei J. FISCHER, VoGr und Young; in der Regel kommen die Be- zeichnungen G. ce. superius und inferius in Anwendung. Ein Ganglion des Halsgrenzstranges, welches sich zwischen dem G. cerv. superius und inferius befindet, muß ein G. cervicale medium heißen; seiner sehr variabelen Lage wegen kann man hieran die Worte HERBETS zufügen: »quelle que soit sa situation«. Als Nervus vertebralis bezeichne ich jenen Strang, der im Canalis transversarius meist an der medialen Seite der Art. vertebralis ver- läuft und Verbindungen mit mehreren Cervicalnerven besitzt. Von einzelnen Autoren (SCHUHMACHER [31], SouLIE [32]) wird dieser Nerv als Plexus vertebralis angeführt. Was die Zweige betrifft, die vom Halsgrenzstrange oder aus dessen Ganglien sich loslösen, so werde ich für sie nur anatomische Namen anwenden. Die Nerven, die zum Herzen ziehen, sind kurz als Rami oder Nervi cardiaci zu beschreiben, weil es im Einzelfalle nieht möglich ist, mit Bestimmtheit einen Nervus depressor oder einen N. accelerans zu erkennen. Die meisten untersuchten Tiere entstammen der Sammlung des hiesigen Instituts; sie sind mir in liberalster Weise von Prof. BoLk überlassen worden. Hierfür, sowie für die Anregung und allseitige Unterstützung sage ich ihm meinen herzlichen Dank. Zu großem Danke bin ich auch Herrn Prof. SLurrer für die gütige Überlassung mehrerer Tiere verpflichtet, welche in frischem Zustande zur Unter- suchung gelangen konnten. Fast ausschließlich wurde die rechte Seite untersucht. Über- 206 A. J. P. van den Broek sichtlichkeitshalber habe ich die Figuren in gleicher Weise schema- tisch angefertigt. Um die vielen Linien im Gebiete der Arteria subelavia einander nicht zu nahe rücken zu lassen, ist das Gefäß verhältnißmäßig zu groß gezeichnet worden. Folgende Tiere kamen zur Untersuchung: Monotremata. Echidna aculeata, Ornithorhynchus paradoxus. Marsupialia. Didelphys marsupialis, Trichosurus vulpecula, Cuscus maculatus, Phascolarctos cinereus. Insectivora. Erinacaeus europaeus. Edentata. Tatusia novemeincta. Rodentia. Coelogenys paca, Mus decumanus, Lepus ceuniculus. Carnivora. a. ©. pinnipedia, Phoca vitulina (neugeboren), b. ©. fissipedia, Felis leo, Canis familiaris, Ursus speciosus, Mustela vulgaris. Ungulata artiodactyla. Dos taurus, Dama vulgaris. Prosimiae. Lemur albifrons. Simiae platyrrhinae. Ateles ater. Simiae catarrhinae. Cercopithecus cynomolgus, Uynocephalus hamadryas. Hylobatidae. Hylobates lar. Anthropomorphae. Orang, Homo sapiens. Bezeichnungen, welche allen Figuren gemeinschaftlich sind: IX Nervus glosso-pharyngeus, X Nervus vagus, XI Nervus accessorius, XII Nervus hypoglossus, I—VIII Nervi cervicales, D.I erster Thoracalnerv, g.c.s Ganglion cervicale superius, g.c.m G. cervicale medium, g.st G. stellatum, k.s Kopfteil des Sympathicus, h.s Halsteil des Sympathicus, n.phr Nervus phrenicus, n.r Nervus recurrens vagi, a.s.d Arteria subelavia dextra, a.i.p A. intercostalis prima, av A. vertebralis, g.i.c Glandula intercarotica, r.c.s Ramus eardiacus superior, r.c.m R. eardiacus medius, r.ci R. eardiacus inferior, Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 207 r.c.v R. cardiacus vagi, r.d.h R. descendens hypoglossi, n.l.s Nervus laryngeus superior, n.v Nervus vertebralis, r.e.l.s Ramus externus des N. laryngeus v.s Vago sympathicus. superior, II. Beschreibender Teil. Monotremata. In der Literatur fand ich keine Angaben über das sympathische Nervensystem dieser Tiergruppe. Vor kurzem habe ich (3) eine Beschreibung der Resultate über die Untersuchung dieses Systems bei Echidna aculeata und Ornithorhynchus paradoxus gegeben. Soweit es sich um den Halsteil handelt, seien die Resultate hier an- geführt. Bei Kchidna kommt im Halsgrenzstrange eigent- lich nur ein einziger Knoten vor, den ich als Ganglion cervicale bezeichnet habe (Fig. 1 g.c). Er ist von ovoider Gestalt und lagert im Halse kurz oberhalb der Art. subelavia dextra (Fig. 1 a.5.d). Cranialwärts setzt sich das Ganglion in einen nach und nach dünner werden- den Strang fort (Fig. 1 %.s), der bis zur Schädelbasis verfolgbar is, werinzweii AN kleinen Kanälen verschwin- a det (Fig. 1a). N/:F- =. In seinem Verlaufe I zeigte der Strang folgende = Besonderheiten: Halsteil des Sympathicus von Echidna aculeata. Bezeich- Ze nung wie oben angegeben. Dazu noch: g.c Ganglion cer- Kurz oberhalb des Gan- vicale; « Kopfteil des Sympathicus; 5 Zweig, der durch glions findet sich eine Ver- den M. longus colli hindurch bis zu den Wirbelkörpern bi d ; 1 verfolgbar war; c Verbindung mit dem Nervus hypoglossus; ındung mit dem . Hals- d Verbindung zwischen N. vagus und Sympathicus. 208 A. J. P. van den Broek nerven. Weiter oben besitzt er einen Verbindungszweig mit dem N. vagus (Fig. 1d); sodann kreuzt er den Vagus, wobei er dorsal an ihm vorüber geht. Kurz unterhalb der Schädelbasis wird noch ein Ast abgegeben, der durch den M. longus colli hindurch bis zu den Wirbelkörpern verfolgt werden konnte (Fig. 15). Außerdem be- steht eine Verbindung mit dem N. hypoglossus (Fig. 1 e). In das Ganglion cervicale treten einfach oder als Doppelstränge die Rami communicantes des 2.—5. Halsnerven ein. Es konnten an den Rr. communicantes keine Farbenunterschiede wahrgenommen wer- den, wie im allgemeinen das konservierte Material meistens keine grauen und weißen Nerven unterscheiden läßt. Die Verbindung zwi- schen dem G. cervicale und G. stellatum (Fig. 1 g.s?) kommt durch zwei, eine Ansa Vieussenii bildenden Stränge zustande. Dazu gesellt sich ein Zweig, der vom Gr. cervicale abgeht, die Arteria vertebralis (Fig. 1a.v) schlingenförmig umfasst, dann dorsal von der A. sub- clavia verläuft und in den ventralen der beiden Stränge der Ansa Vieussenii sich einsenkt. Von diesen beiden letztgenannten Nerven beobachtete ich den Abgang von Rami cardiaci (Fig. 1 r.c). Endlich tritt vom G. cervicale ein Ast zum N. recurrens (Fig. 1 ».r). Der hintere der beiden Ansa-Äste wird durch die Rr. communi- cantes des 6. und 7. Halsnerven verstärkt; während derjenige des 8. gleichfalls dorsal von der A. subelavia direkt zum Ganglion ver- läuft. Der R. communicans des 1. Brustnerven tritt vollständig, jener des 2. teilweise in das G. stellatum ein. Letzterer begibt sich auch zum erstfolgenden Brustganglion. Die Art. intercostalis prima ver- sorgt das zweite Spatium intercostale. Ein N. vertebralis fehlt bei Kehidna. Der Halssympathieus von Ornithorhynchus paradoxus entspricht dem allgemeinen Säugetiertypus insoweit mehr, als sich hier zwei Ganglien vorfinden, die als G. cervieale superius (Fig. 2 g.c.s) und G. cerv. medium (Fig. 2 g.c.m) zu unterscheiden sind. Das G. cervie. sup. setzt sich kopfwärts in einen dünnen, die A. carotis interna begleitenden Strang fort. Vom Glossopharyngeus tritt ein Zweig in das Ganglion ein. Ein dieker Ast des Vagus tritt lateral an das Ganglion beran, während der N. laryngeus es an der medialen Seite verläßt (Fig. 2 n.l.s). Im Verlaufe des Nerven liegt noch eine kleine Ansehwellung (Fig. 2 9), aus dem ein äußerst dünnes Ästehen mit unbekannter Endigung kommt. Von den Halsnerven sendet nur der erste seinen Ram. comm. Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 209 zum G. ceryv. superius, das somit hauptsächlich auftritt als ein Gan- glion im Verlaufe des N. laryngeus superius, denn man kann die Verbindung zwischen Vagus und G. cervicale superius als das An- fangsstück dieses Nerven betrachten. Der sehr dünne Halsgrenzstrang verläuft dann caudalwärts, kreuzt dabei dorsalwärts den Vagus und geht in das große spindelför- mige G. cervic. medium über (Fig. 2 g.e.m). Dieses empfängt die hr. communicantes des 2.—6. Hals- nerven. Diejenigen des2. und. bilden einen einzigen Stamm. Diejenigen des 5. und 6. sind in doppelter Zahl anwesend, indem von diesen zwei Ner- ven ein zweiter Rr. comm. zum Verbindungsstrange von G. cervie. medium und G. stella- tum verläuft. Zwischen G. cerv. medium und N. recurrens besteht eine in zwei Ästchen gespaltene Anastomose. Die Verbindung von G. cervic. me- dium und G. stellatum (Fig. 2 9.st) kommt durch einen einzi- gen dorsal von der A. subelavia verlaufenden Stamm zustande. Es besteht somit keine Ansa Vieussenii. Besagter Strang wird durch | Halsteil des sympathischen Nervensystems von Orni- die Rr. communicantes des 5. thorhynchus paradoxus. Bezeichnung wie oben an- und 6. (teilweise) sowie des gegeben. ih Nervus yngeus superlör. 7. und 8. Halsnerven verstärkt. Aus ihm tritt ein Herznerv hervor (Fig. 2 r.c), der zwischen Vagus und A. subelavia hindurch verläuft. Ein andrer Herznerv stammt aus dem Vagus. In das G. stellatum senken sich schließlich noch die Rr. com- municantes des 1. und 2. Brustnerven ein. Der R. comm. des dritten geht zum erstfolgenden Thoracalganglion. Die A. intercostalis prima gelangt erst in den 6. Intercostalraum. Morpholog. Jahrbuch. 37. 14 Fig. 2. 210 A. J. P. van den Broek Die obersten fünf Räume werden durch die A. intercostalis suprema (aus der A. subelavia) versorgt. Es fehlt bei Ornithorkynchus wie bei Echidna ein N. vertebralis. Alle Rr. communicantes der Halsnerven verlaufen extravertebral. In einer früheren Arbeit deutete ich die Erscheinung der späten Confluenz vom Processus transversus und Rippenrudiment als mögliche Ursache für diese Erscheinung. Im allgemeinen Abschnitte komme ich hierauf zurück. Marsupialia. Die Literaturangaben über das sympathische Nervensystem dieser Tiergruppe sind sehr spärlich. Außer der Arbeit von SCHUH- MACHER sind nur die Untersuchungen von REıD Hunt und HARRING- Ton anzuführen. Die Arbeit des letzteren stand mir nicht zur Ver- fügung. Sie bezieht sich auf die Rami cardiaci des Opossum (D. virginiana). Einen sehr einfachen Zu- stand traf ich bei .Didelphys marsupialis an. Der oberste Halsknoten (Fig. 3 g.c.s) verband sich mit keinem der letzten vier Hirn- nerven. Zweifelhaft (daher punktiert) ist eine Verbindung mit den Nn. cervicales I und II, ausgehend vom Strange, der die Ansa hypoglossi bilden hilft. Vom obersten Halsknoten setzt sich der Grenzstrang mit der A. carotis interna cranial- wärts fort (Fig. 3 k.s). Der Halsgrenzstrang ist außerordentlich dünn und liegt Tech ne nn 8202 frei vom Vagus. Nach angegeben. unten spaltet er sich in zwei, die A. subelavia umfassenden Nerven, die sich ins Ganglion stellatum einsenken. Im Verlaufe des hinteren dieser beiden Stränge liegt ein als G. cerv. medium zu bezeichnender, sehr kleiner Knoten (Fig. 3 g.c.m). Dieser Strang Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 211 verbindet sich mit einem N. vertebralis, zusammengesetzt aus den Rami communicantes des 4.—8. Halsnerven. Die Rr. communicantes des 4.—6. Halsnerven ziehen ventral, die übrigen dorsal an der A. vertebralis vorüber. Einen R. ecommunicans des 3. Halsnerven habe ich nicht auf- gefunden. Statt einer einfachen Ansa Vieussenii traf SCHUHMACHER bei Didelphys virginiana rechts als Verbindung zwischen G. cervic. in- ferius (medium) und G. thoracale primum (stellatum) ein Geflecht sympathischer Fasern, das sich mit dem Vagus, hauptsächlich in der Umgebung des Ursprunges vom N. recurrens, mehrfach verband. Linkerseits verlief der ganze Grenzstrang dorsal von der A. subelavia. Ich sah drei Rr. cardiaei, einen Ast des Vagus, einen vom vorderen Strange der Ansa Vieussenii und einen von G. stellatum kommend. Letzterer zog zwischen A. subelavia und N. recurrens vagi hindurch. Das G. stellatum nimmt außer die erwähnten Ansastränge noch die Rr. communicantes des 1. und 2. Thoracalnerven auf. Derjenige des 3. Brustnerven tritt zum ersten Ganglion des Brustgrenzstranges. Die A. intercostalis suprema dehnte ihr Gebiet in die oberen zwei Intereostalräume aus. Cuscus maculatus (Fig. 4). Der obere Halsknoten (g.c.s) setzt sich cranialwärts in den Kopfsympathieus (k.s) fort. Hier kommt eine Verbindung mit dem Glossopharyngeus (IX) zustande. In das Ganglion tritt nur ein, von den Nervi cervicales I und II herkommender Rr. communicans ein. ‘ Ich fand keine Verbindungen mit den Nn. X, XI und XII und mit deren Zweigen. Aus dem G. cervic. superius tritt ein dicker Herznerv (r.c.s), und ein ganz dünnes Ästchen zur Carotis (oder Glandula inter- carotica?) (Fig. 4 a). Nach unten geht das Ganglion in einen ziemlich dicken un- verzweigten Strang über (Fig. 4 A.s). Dieser kreuzt den Vagus dorsal, zieht sodann, ohne jede gangliöse Anschwellung, an der hinteren Fläche der A. subelavia vorbei zum G. stellatum (g.st). Ich vermisse also hier ein G. cervicale medium. Das G. stellatum verbindet sich mittels eines doppelten N. vertebralis mit den Rami communicantes des 4. (3.?) bis 6. Halsnerven. Die Rr. comm. des 7. und 8. Hals- nerven treten in einem gesonderten Strange zum Knoten. Außer den Verbindungen mit den Halsnerven treten in das Ganglion noch die 14* 212 A. J. P. van den Broek (einfachen) Verbindungszweige der obersten zwei Thoracalnerven ein. Beim Eintritt des 3. Thoracalnerven in den Bruststrang vermisse ich ein Ganglion, beim Eintritt des 4. ist ein runder Knoten anwesend. Die A. intercostalis prima gelangt in den vierten Intercostalraum. Außer den erwähnten R. cardiacus stammt ein solcher aus dem Vagus und einer aus dem G. stellatum (r.c.t). Von diesem letzten ist der Verlauf durch den Bogen des N. recurrens bemerkenswert (Fig. 4 n.r). Trichosurus vulpecula (Fig. 5). Es wurde die linke Seite unter- sucht. Die Verbindungen mit dem oberen Halsknoten sind nur wenige. Ein dünner Zweig verbindet ihn mit dem Vagus. Ein doppelter Zweig geht, wie in der Figur angegeben, zur Glandula interearotica (g.2.e). Dicht oberhalb der Art. subelavia geht der Halsstrang in eine, als G. cervicale medium zu bezeichnende Halsteil des sympathischen Nervensystems (g.e.m) Anschwellung über. Der von Cuscus maculatus. a Zweigchen zur Üa- E er, ganze Strang verläuft vom Vagus getrennt und verbindet sich mit keinem Halsnerven. Bei der Kreuzung von Sympathicus und Vagus liegt ersterer dorsal, der Vagus ventral. Vom G. cervie. medium gehen folgende Verbindungen und Zweige aus: 1) ein Verbindungszweig mit dem N. recurrens (n.r); 2) ein dicker Herznerv (r.c.m), und 3) ein einfacher, dorsal an der A. sub- clavia vorüber ziehender Verbindungsstrang mit dem G. stellatum (g.st). In dieses Ganglion tritt der dicke N. vertebralis ein, der die Rr. comm. des 1—5. Cervicalnerven und des 8. zusammenfaßt (n.v). Die Verbindungszweige des 6. und 7. Halsnerven treten mittels eines Stämmcehens in das Ganglion ein. Das G. stellatum besitzt einen dieken Verbindungsstrang mit dem Vagus, von dem ein Zweig zum Herzen abgeht, der gleich wie ein zweiter Herznerv vom G. stellatum (r.c.“) durch den Bogen des N. recurrens (r.r) hindurchzieht. Der 1. Brustnerv besitzt eine doppelte Verbindung. Ein Zweig Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 213 tritt zum G. stellatum, ein zweiter geht zu einer kleinen gangliösen ‚Anschwellung am Brustgrenzstrange. Das Verhalten der Rr. comm. des 2. und 3. Brustnerven ist ohne Weiteres aus der Fig. 5 ersicht- lich. Ich mache auf den besonderen Verlauf der Art. intercostalis prima aufmerksam («..p). In der Höhe des 3. Intercostalraumes an- gelangt, biegt sie eranialwärts um, passiert die Innenseiten der Rippenköpfchen und gibt Zweige im 2. und 1. Intercostalraum ab. Phascolarctos cinereus (Fig. 6). Dieses Tier zeigte einen ziem- lich komplizierten und von andern Tieren abweichenden Zustand. Vom G. cervic. superius sind Form und Verhalten zur Art. ca- rotis interna erwähnenswert. Das Ganglion ist etwa kugelrund und wird von der Carotis interna durch- . setzt, die es in zwei Teile, einen kleinen ventralen und einen großen dorsalen sondert. An der ven- tralen Seite ist der Kopfteil des Sympathicus zu finden, der, der A. carotis aufgelagert, cranial- wärts verläuft. Halsteil des sympathischen Nervensystems von \ A Trichosurus vulpecula. a.s.s Arteria subelavia Von den letzten vier Hirn- sinistra, nerven ist der Glossopharyngeus mit dem Ganglion durch einen dünnen Zweig verbunden; die an- dern besaßen eine solche Verbindung nicht. Vom unteren Rande des Ganglion tritt ein ziemlich mächtiger Nerv zum N. laryngeus superior (2.2.5). Das Ganglion geht caudalwärts in den starken und vom Vagus unabhängig verlaufenden Halsgrenzstrang über. Dieser besitzt direkt oberhalb der A. subelavia ein mächtiges G. cervic. medium (g.e.m). Der Halsstrang besitzt keine Verbindungen mit Cervicalnerven, jedoch ist er mit benachbarten Nervenstämmen im mehrfachen Zu- sammenhange. Unter ihnen ist an erster Stelle ein dieker Zweig 214 A. J. P. van den -Broek vom N. laryngeus superior (n.l.s) zu nennen. Aus dem N. Jar. sup. entspringt ein Herzast, der zwischen Vagus und Sympathieus caudal- wärts verläuft und sich unterwegs in ein kleines Ganglion einsenkt, in welches auch Nerven andrer Herkunft eintreten. Dieser Herznerv empfängt erst ein Ästehen vom Sympathicusstamme und steht an zwei Stellen mit dem Vagus in Zusammenhang. An der unteren dieser beiden Stellen kommt in den verbindenden Fäden ein kleines rundes Erklärung der Fig. 6 und 6a. Fig. 6. Halsteil des sympathischen Nervensystems von Phascolarctos ci- nereus. Bezeichnung wie oben an- gegeben. Dazu: g.c Ganglion im Verlaufe des Herz- astes (r.c.s), aus dem N. laryngeus superior. Fig. 6a. Ganglion cervicale superius desselben Tieres. a.c i Arteria carotis interna; a Zweig zum Nervus laryngeus su- perior. Ganglion vor, in das einer der Rr. communicantes des 4. Halsnerven eintritt. An der Medialseite spalten sich von dem erwähnten Herznerven mehrere Äste ab, die, mit Zweigen aus dem Halssympathieus, zur Glandula thyreoidea (gl.t) und zum Herzen hinziehen. Oberhalb des G. cervieale medium sitzt dem lateralen Rande des Halsgrenzstranges ein kleines Ganglion auf, das sich mit dem 4, Cerviealnerven verbindet. Das G. cervicale medium ist eine sehr in die Breite ausgedehnte Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 215 gangliöse Masse, die der konvexen Fläche der A. subelavia aufsitzt. Das Ganglion selber ist mit keinem Spinalnerven in Verbindung. Caudo- lateralwärts geht es in zwei ungefähr gleich dieke Nervenstränge über, die die A. subelavia als Ansa Vieussenii umfassen und die Ver- bindung mit den G. stellatum (g.st) herstellen. Medianwärts ist ein dicker Nerv zu verfolgen, der dem konvexen Rand der A. subelavia angelagert ist und in ein unregelmäßiges Ganglion endet. Von hier aus ziehen Nerven dorsal von der Art. anonyma zum Herzen (r.c.m), und ein dieker Stamm zieht dorsal von der A. subelavia zu jenem Ganglion, das ich im Verlaufe des vom N. laryngeus superior stammenden Herznerven beschrieb. Zu diesem Knoten zieht auch ein Nerv, der sich vom vorderen Strange der Ansa Vieussenii ablöst, sowie ein aus dem G. stellatum stammender Nerv. Diese beiden Nerven verlaufen zwischen Vagus und A. subelavia. Das G. stellatum ist zusammengesetzt aus zwei, durch eine Einschnürung voneinander abgesetzten Teilen. In den oberen Teil treten außer den zwei Strängen der Ansa Vieussenii die Rr. communicantes des 5. und 6. sowie der viel dickeren des 7. und 8. Halsnerven ein. Sie erreichen als zwei dicht nebenein- ander gelagerte Stämmchen das Ganglion. In den unteren Teil des G. stellatum tritt der sehr starke R. comm. des 1. und ein viel dünnerer R. comm. des 2. Thoracalnerven ein. Das Gebiet der A. intercostalis suprema konnte nicht bestimmt werden. Von den letzten vier Hirnnerven sei hier noch folgendes erwähnt. Glossopharyngeus, Vagus und Accessorius sind am Austritte aus dem Foramen jugulare zu einer einheitlichen gangliösen Masse ver- schmolzen. Nach ihrer Trennung besitzt der Glossopharyngeus eine Verbindung mit den G. cervic. superius. Dem Vagus sitzt ein kleines Ganglion auf, das durch einen dünnen Nervenstrang in Konnex steht mit dem Stamme, der sich durch Zusammenfluß von Hypoglossus und 1. Cervicalnerven aufbaut. Der Accessorius ist mit dem oberen Halsknoten nicht verbunden. Insectivora. Erinaceus europaeus (Fig. 7). Das Ganglion cervicale superius ist ein spindelförmiger Knoten, der kurz unterhalb der Schädelbasis lagert. 216 A. J. P. van den Broek Im Foramen jugulare sind Vagus und Glossopharyngeus mit- einander verbunden. Sie trennen sich direkt unterhalb des Foramen, und ein jeder von ihnen gibt dann einen Ast ab, welche sich mit einander zu einem Stämmchen verbinden, das sich in den G. superius einsenkt. Accessorius nnd Hypoglossus besaßen keine Verbindungen mit dem oberen Sympathicusknoten. - Nach oben setzt sich das G. cervicale in den Kopf- Fig. 7. abschnitt des Grenz- stranges fort (k.s).. Hier geht sogleich ein sehr feines Ästehen ab, das ich bis zum Glomus intercaroticus verfolgen konnte. Dieses Körper- chen war überdies durch einen feinen Faden mit dem Glossopharyngeus in Zusammenhang. Von einer Ansa zwi- schen 1. und 2. Cervieal- nerven verlief ein R. com- municans zum oberen Halsknoten. Am caudalen Ende des Knotens tritt der Halsgrenzstrang her- vor und verläuft, vom Vagus gänzlich unabhän- gig, caudalwärts.. Er kreuzt diesen Nerven, wo- bei er dorsal an ihm vor- Halsteil des sympathischen Nervensystems von Erinaceus eu- überzaehie si, ropaeus. a Verbindung zwischen Sympathicus und Vagus. gangliösen Anschwellun- gen und spaltet sich in zwei ungefähr gleich starke Äste. Diese umfassen die A. subelavia, bilden eine Ansa Vieussenii und senken sich in das G. stellatum (@.st). Es fehlt somit bei Erinaceus ein G. cervicale medium in der Bahn des Grenzstranges. Ähnliches kommt bei Talpa europaea vor. Das G. cervicale medium fehlt bei diesen Tieren jedoch nicht ganz. Bei Erinaceus treffen wir es etwas medial vom vorderen der beiden, die Ansa Vieussenii bildenden Stränge, mit ihm durch zwei Faden ver- Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 217 bunden (@.c.m). Von ihm geht ein starker Herznerv aus, der sich auf seinem Wege spaltet. Von den zwei Ästen zieht der eine ober- halb der Abgangsstelle des N. recurrens vagi, der andre unterhalb dieser Abgangsstelle zwischen diesen Nerven und die A. subelavia hindurch. Zwischen Halssympathieus und Vagus besteht eine Ver- bindung (a), und zwar an derselben Stelle, wo vom letzteren ein Herzzweig abgeht (r.c.v). Das G. stellatum empfängt außer den beiden Schenkeln der Ansa Vieussenii noch die Rr. communicantes vom 2. cervicalen bis zum 4. thoracalen Nerven. Die Rr. communi- cantes des 2. bis 6. Halsnerven ziehen ventral an der A. vertebralis vorbei und setzen den medial von dieser Arterie gelagerten N. verte- bralis zusammen. Dieser verläuft dann dorsal an der A. subelavia vorüber zum G. stellatum. Der R. communicans des 7. Halsnerven geht erst ventral an der A. vertebralis und dann dorsal an der Arteria subelavia vorbei; derjenige des 8. Cervicalnerven bleibt lateral von der A. vertebralis und geht direkt dorsal von der A. subelavia zum G. stellatum. Die obersten drei Thoracalnerven treten teilweise in den Plexus brachialis über. Sie senden ihre Rr. comm., diejenigen vom 2. und 3. Thoracalnerven sind zu einem Stämmchen vereint, zum G. stella- tum. Der R. comm. des 4. Thoracalnerven verläuft, die A. inter- costalis prima schlingenförmig umfassend, zum 1. Ganglion am Brustgrenzstrange. Das Gebiet der A. intereostalis suprema (aus der A. subelavia) erstreckt sich in die ersten drei Intercostalräume. Schließlich sei ein Ram. cardiacus erwähnt, der aus dem G. stellatum hervortritt und caudal vom Recurrensabgange zum Herzen verläuft. Edentata. Tatusia novemeincta (Fig. 8). Die Untersuchung des Halsteiles vom sympathischen Nerven- system eines Weibehens brachte die folgenden Strukturverhältnisse ans Licht. s Von den letzten vier Hirnnerven fand ich keinen mit dem Gan- glion cervicale superius in Verbindung. Nur vom R. internus des N. laryngeus superior war ein Verbindungsast zum Ganglion verfolg- bar. Ein äußerst dünner Nerv verband das Ganglion mit dem 1. und 2. Cervicalnerven. Nach oben zu setzt sich der Sympathicus, vom 218 A. J. P. van den Broek G. cerv. superius ausgehend, zum Kopfe fort (k.v); am vorderen Rande tritt ein dünner Nerv zum Vorschein, der bis zum Glomus interearoticus verfolgbar war (g...c). Caudalwärts setzt sich das G. cervie. superius in den Grenzstrang fort, der nach kurzem Ver- laufe sich dem Vagus anschmiegt, um mit ihm einen einheitlichen Nervus vago-sympathicus zu bilden. Gleich wie bei den Carnivoren scheinen bei den Dasypodidae bezüglich des gegenseitigen Ver- haltens von Vagus und Sympathieus am Halse verschiedene Zu- stände vorzukommen; denn SCHUHMACHER erwähnt, daß bei Dasypus Vagus und Sym- pathieus vollständig unab- hängig voneinander verlaufen. Unten am Halse lösen sich die beiden Komponenten des Vago-sympathieuswiedervon- einander, ohne daß ein Gan- glion gebildet wird (vgl. die Carnivoren. Im Verlaufe durch die Halsgegend geht vomVago-sympathicusstamme ein dicker Herznerv ab (r.c), indessen ein zweiter direkt unterhalb der Trennungsstelle vom Sympathicusstamme ab- gegeben wird. Während des Verlaufs hat, was aus der Figur leicht ersichtlich ist, der Vagus den Sympathicus gekreuzt, wobei Halsteil des De von Tatusia er wie bei andern Säugern ventral an ihm vorüberzieht. Der Sympathicusstamm besitzt ein kleines, rundes, kurz ober- halb der A. subelavia gelagertes G. cervie. medium (g.e.m), von dem aus, unter Bildung einer Ansa Vieussenii, die Verbindung mit dem G. stellatum zustande kommt. Eine Verbindung des vorderen Astes der Ansa mit dem N. phrenieus, wie ihn SCHUHMACHER von Dasgpus beschreibt, fehlte bei Tatusia. Eine weitere Differenz zwischen beiden Formen besteht darin, daß der N. vertebralis bei Tatusia im oberen Rande des G. stellatum eintritt, während er bei Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 219 Dasypus (SCHUHMACHER) mit dem hinteren Aste der Ansa sich ver- bindet. Ich konnte den N. vertebralis nur bis zum 6. Halsnerven zu hinauf verfolgen. Von diesem, sowie vom 7. und 8. Halsnerven treten meist doppelte Rr. communicantes aus, die sich erst am oberen Ganglionrande vereinigen. Sie verlaufen dorsal von der A. subelavia. Ich vermochte den N. vertebralis nicht höher hinauf verfolgen, womit nicht gesagt sein soll, daß die höheren Cervicalnerven keine Verbindungen mit dem sympathischen Nervensystem besessen haben. Außer dem erwähnten Zweige geht noch ein doppelter R. com- municans des ersten Thoracalnerven zum G. stellatum. Der gleich- falls doppelte R. comm. des 2. Thoracalnerven tritt zum erstfolgenden Brustganglion. Die Arteria intercostalis prima, aus der Aorta stammend, speiste auch das erste Intercostalspatium. Vom medialen Rande des G. stellatum tritt ein starker Herznerv hervor, der cau- dal von der Recurrensschlinge zum Herzen verläuft. Auf seinem Wege verbindet er sich mit einem Nerven, der dem 1. Intercostal- nerven entstammt. In seinem Verlaufe umfaßt dieser letzte Nerv den Brustsympathiceus schlingenförmig, teilt sich sodann in zwei Äste, deren oberer Ast zum oben erwähnten Herznerven, deren unterer dem ersteren parallel gleichfalls zum Herzen verläuft. Das Brustganglion, das dem 2. Intereostalnerven entspricht, ist ziemlich weit vom G. stellatum entfernt und scharf umgrenzt. Die folgenden Brustganglien zeigen ein ähnliches Verhalten. Hierin differiert Tatusia ebenfalls von Dasypus, von dem SCHUHMACHER angibt, daß durch Verschmelzung der Ganglien der ganze Brust- grenzstrang zu einer gangliösen Masse sich gestaltet. Rodentia. Coelogenys paca (Fig. 9). In der Literatur liegen keine Beschreibungen des Sympathieus vor. Verbindungen zwischen Glossopharyngeus, Vagus, Accessorius und Hypoglossus und dem oberen Cerviealganglion waren nicht auf- zufinden. In dieses Ganglion (g.c.s) treten nur Verbindungszweige der drei oberen Cervicalnerven (I—III). Vom G. cervie. superius geht der Sympathicusstamm, den Vagus dorsal kreuzend, zum 220 A. J. P. van den Broek unmittelbar oberhalb der A. subelavia gelegenen G. cerv. medium. Auf diesem Wege bestehen keine Verbindungen mit Cervicalnerven. Ein dünner Zweig wird im Verlaufe des Halses von dem Vagus abgetrennt und begiebt sich zum Halssympatbicus (@), während zwei Herznerven den Sympathicusstamm verlassen. Der obere dieser zwei Äste vereinigt sich mit einem Zweige des äußeren Teils vom N. laryngeus superior zu einem einzigen Stämmchen (r.c.s), indessen der untere hinter den Vagus vorüberzieht und sich neben einen Herzast des Vagus (r.c.v) über den Aorta- bogen zum Herzen begiebt (r.c.m). Das runde G. cervic. me- dium, durch dünne Nerven mit dem N. recurrens (n.r) und dem N. phrenicus (n.phr) in Zusammen- hang, setzt sich cau- dalwärts in zwei Stämme fort, die schlingenartig die A. subelavia umfassen (Ansa Vieussenii) und sich in den oberen Rand des G. stella- tum (g.st) einsenken. Als hauptsächlichen Verbindungszweig mit Spinalnerven em- pfängt das G. stella- tum den stark ent- Halsteil des sympathischen Nerveasystems von Coelogenys paca ©. 5 a Verbindung zwischen Vagus und Sympathicus. wickelten N. verte- bralis (n.v). Dieser verläuft dorsal von der A. subelavia, lateral um die Art. vertebralis herum und lagert sich dann ventral von dieser. Er bezieht meist doppelte Verbindungszweige aus den Cervicalnerven bis zum 4. (3.?) hinauf. Vom 7. Nerven geht ein Zweigchen ab, das medial von Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 221 der A. vertebralis bleibt und mit dem Verbindungszweig des 8. Cer- vicalnerven zum hinteren Schenkel der Ansa Vieussenii geht und damit zum G. stellatum verläuft. Von Thoracalnerven treten Rr. communicantes der oberen drei (DI—III) in das G. stellatum ein. Medial kommt ein Herznerv aus dem G. stellatum, der caudal von der Schlinge des N. recurrens bleibt und zur vorderen Aortafläche und zum Herzen verläuft. Die Art. intercostalis suprema dehnt ihr Gebiet bis in den dritten Intercostalraum aus. Mus decumanus (Fig. 10). Über den Sympathieus der Ratte finden sich, soweit mir bekannt wurde, in der Literatur keine Mitteilungen. Von den letzten _vier Hirnnerven gab der Glossopharyngeus einen Verbindungszweig zum Ganglion cervicale superius (@.c.s), von den Halsnerven die zwei oberen Äste (DT ab: Zwischen G. cervicale su- perius und medium kommt die Kreuzung mit dem Vagus zu- stande, wobei der Sympathieus dorsal liegt. In diesem Teile bestehen keine Verbindungen mit Cervicalnerven. Vom Grenzstrange geht ein dünner Herzast ab, der erst den Vagus dorsal kreuzt und dann einem Herzaste dieses selben Nerven parallel verläuft (r.e.s).. Das G. cervicale me- dium ist ein kleiner runder Knoten gerade oberhalb der A. subelavia. Auch in dieses Ganglion treten keine Rr. com- municantes ein. Die einzige Verbindung mit Spinalnerven war ein dünner Faden zum Nervus phreniecus. Zwischen Ganglion medium und G. stellatum besteht eine Ansa Vieussenii. Keiner der beiden Stränge dieser Ansa empfängt Rr. comm. von Spinalnerven und keiner gibt Herznerven ab.- Die Rr. communicantes des 3. bis 8. Halsnerven vereinigen sich Halsteil des sympathischen Nervensystems von Mus decumanus. 222 A. J. P. van den Broek zu einem, medial von der A. vertebralis und dorsal von der A. sub- clavia gelagerten N. vertebralis, der am oberen Rande des G. stella- tum in ihn eintritt. Der R. communicans des 8. Nerven tritt nicht ventral über die A. vertebralis hinüber wie die übrigen, sondern begiebt sich direkt dorsal von der A. subelavia zum N. verte- bralis. Von den Brustnerven treten noch die Rr. communicantes des 1. und 2. doppelt zum G. stellatum. Eine scharfe untere Grenze besitzt das Ganglion nicht. Die gangliöse Masse wird caudalwärts immer schwächer, bis das erstfolgende Brustganglion die Grenze angibt. Die A. intercostalis suprema besitzt ihr Gebiet im 1. und 2. Spatium intercostale. Ein einziger Herzast tritt aus dem medialen Rande des G. stella- tum hervor; er verläuft caudal von der Abgangsstelle des Nervus recurrens zum Herzen (r.c.2). Lepus cuniculus (Fig. 11). Wohl kein Vertreter aus der Säugetiergruppe hat ein so großes Interesse für seinen Halssympathicus erregt, als dieses Versuchstier der Physiologen. Die Untersuchungen, die sich mit dem Halssym- pathicus des Kaninchens befassen, sind denn auch zum überaus größten Teile physiologischer Art. In einem Teile der Unter- suchungen, die meistens die Art der Wirkung auf das Herz be- treffen, wird die Anatomie des Halssympathicus als bekannt voraus- gesetzt. Andre Untersuchungen befassen sich damit, den Ursprung und den Verlauf der auf das Herz wirkenden Nerven näher zu studieren (SCHUHMACHER, DE VIrI). Nur wenige Autoren geben aus- führliche Darstellungen über den Aufbau des Grenzstranges (siehe KRAUSE). Da das Hauptziel dieser Arbeit die Kenntnis von der Morpho- logie des Grenzstranges ist, sehe ich mich genötigt, zunächst meine eignen Befunde, ohne auf die Bedeutung einzelner Zweige näher einzugehen, vorzuführen. Das G. cervicale superius fand ich ohne Zusammenhang mit den letzten vier Hirnnerven. Ebensowenig konnte ich eine Ver- bindung mit einem Halsnerven auffinden. Nur ein einziges vom G. cerv. superius ausgehendes Ästchen konnte zur Glandula inter- carotica (g.2.c) verfolgt werden. Abwärts setzt sich das Ganglion in den Halsgrenzstrang fort. Dieser verläuft vom Vagusstamme gänzlich getrennt, was schon von Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 223 Krause verzeichnet wurde. Er kreuzt am Halse den Vagus, an dem er dorsal vorübergeht, und setzt sich dann in ein großes Ganglion fort, das in der Höhe der Art. subelavia liegt. Im Halsteile kommt eine Verbindung zustande zwischen Sympathicus und Vagus (a) während kurz oberhalb des unteren Ganglions zwei Herznerven aus dem Sympathieus zum Vorschein treten. Diese zwei Nerven gehen zwi- schen Vagus und A. sub- elavia hindurch und wer- den durch einen Vagus- ast noch verstärkt (r.c). Das Ganglion in der Höhe der A. sub- elavia ist von spindel- förmiger Gestalt, lagert größtenteils hinter der Arterie und erstreckt sich bis in das erste Spatium intercostale. Vom oberen Rande des Ganglion zweigt sich ein Nervenstrang ab, der ventral an der A. sub- elavia vorüberzieht und in das caudale Ende des Ganglion wieder ein- dringt. Mit zwei Wurzeln tritt in das Ganglion der N. vertebralis ein, des- sen Gebiet vom 2. bis 7. Halsnerven sich er- streckt. Ich finde den ? kie, 11. we ea re nr Z i -----.2. % et, Halsteil des sympathischen Nervensystems von Zepus cuniculus Bezeichnung wie oben angegeben, N. vertebralis bei JAcQuET (20) nicht erwähnt. Krause (23) gibt ihn als Radix brevis des G. cerv. inferius an, ohne seine Ausdehnung zu berücksichtigen. Das erwähnte Ganglion empfängt des weiteren noch die Rr. communicantes des 8. Halsnerven und des 1., 2. und 2924 A. J. P. van den Broek 3. Thoracalnerven. Der R. comm. des 4. Thoracalnerven geht zum erstfolgenden Brustganglion. In Übereinstimmung mit der Ausbreitung des Ganglions steht das Gebiet der A. intercostalis suprema, die sich gleichfalls über die ersten drei Intercostalräume erstreckt. Das Ganglion ist meines Erachtens als das Verschmelzungsprodukt dreier Ganglien auf- zufassen, nämlich des G. cerv. medium, des G. inferius und des G. thoracale superius. Ich entnehme das aus folgenden Gründen. Bei den Säugern kommt die Bildung der Ansa Vieussenii in der Regel zwischen G. cervicale medium und G. stellatum zustande. Wäre beim Kaninchen im betreffenden Ganglion ein G. cerv. medium nicht mit eingeschlossen, so würde dasselbe in unserm Falle fehlen. Zweitens wäre eine Ansa-Bildung zwischen G. cerv. inferius und G. thoracale primum anzunehmen, was aber bei Säugern niemals von mir beobachtet wurde. JACQUET fand bei mehreren Kaninchen als häufigstes Vorkommnis eine Anordnung, die meinem Befunde sehr ähnelte. Er traf jedoch (vgl. seine Fig. 26) im vorderen Strange der Ansa Vieussenii noch ein Ganglion, das als das G. cervicale medium betrachtet werden kann. Etwas Ähnliches sah ich bei Mustela. Obwohl von geringerem Werte, könnte noch die Topographie des Ganglions als Beleg für obige Ansicht gelten. Das Ganglion erstreckt sich ziemlich weit über die A. subelavia hinaus und er- reicht eine Stelle, die gewöhnlich vom G. cervicale medium ein- genommen wird. Aus der großen Ganglienmasse tritt ein R. car- diacus hervor, der sich oberhalb der Abgangsstelle vom N. recurrens, zwischen Vagus und A. subelavia hindurch zum Herzen be- gibt (r.c.2). Über die Weise, in der eine Verschmelzung des Ganglion me- dium mit dem G. stellatum dorsal von der A. subelavia zustande kommen kann, werde ich im allgemeinen Teile nähere Auskünfte geben. Carnivora. Phoca vitulina (Fig. 12). Der Halssympathiceus dieses Tieres zeigte sowohl in der Um- gebung des Ganglion cervic. superius, als auch im Gebiete des G. stellatum ziemlich verwickelte Zustände. Das G. superius ist ungefähr kugelrund (g.c.s) und setzt sich eranialwärts in den Kopf- Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 225 teil des Grenzstranges (k.s) fort. Bevor jedoch die Schädelbasis erreicht wird, kommt eine Verbindung mit einem Nervenzweige zu- stande, der mit dem Vagus, dem Glossopharyngeus und Hypoglossus sich in Zusammenhang erweist. Außer diesem dieken Stamm, offen- bar der Kopfsympathicus, war noch ein äußerst dünnes Zweichen (b) bis zur Schädelbasis verfolgbar. Von ihm verlief ein ganz dün- ner Nervenfaden zum Pharynx. Unterwegs verband er sich dann noch mit einem vom Vagusherkommenden R. pharyngeus, der für sich auch wieder mit dem G. cervie. supe- rius in Verbindung stand. An der latera- len Seite ist noch ein Verbindungszweig zwischen G. superius und Vagus zu ver- zeichnen, sowie ein vom 1. Halsnerven kommender R. com- municans. Vielleicht enthältdieserR.comm. auch Elemente vom 2.Cerviealnerven, der mit dem ersten durch eine Schlinge verbun- Halsteil des sympathischen Nervensystems von Phoca vitulina. Be- den eewesen seinmae zeichnung wie oben angegeben. Dazu noch: db Strang, der bis zur > O° Schädelbasis verfolgt werden konnte; r.ph Rami pharyngei; g.a Caudalwärts setzt sich Ganglion in einem der vorderen Zweige der Ansa Vieussenii; a Ver- bindung zwischen Vagus und Halsgrenzstrang. Fig. 12. der Sympathieus- stamm, vollkommen vom Vagus isoliert, fort und empfängt während seines Verlaufs zwischen dem G. superius und G. medium einen Nerv, der sich vom R. externus des N. laryngeus superior abgelöst hat. Der Vagus wird vom Sympathieus gekreuzt, wobei letzterer dorsal von ihm liegt. Kurz oberhalb der A. subelavia liegt das spindelförmige G. cerv. Morpholog. Jahrbuch. 37. 15 226 A. J. P. van den Broek medium (g.c.m). Am medialen Rande empfängt dieses Ganglion einen Nerv, der, in zwei Äste aufgelöst, vom Vagus kommt (a). Von diesen Verbindungszweigen gehen zwei Zweige zum Herzgeflechte (r.c), von denen der obere einen Zusammenhang besitzt mit dem N. recurrens vagi. Am lateralen Rande sah ich einen äußerst dünnen Nerv ins Ganglion eintreten, der. dasselbe mit dem 6. Halsnerven verband. Die Verbindung vom G. medium und G. stellatum kommt durch eine Ansa-Bildung um die A. subelavia zustande. Der weitaus größte Teil des Stammes setzt dorsal von der Arterie die beiden Ganglien in Verbindung. Ventral von der Arterie ziehen zwei dünne Fäden zwischen die Ganglien, von denen der mediale ein rundes Ganglion enthält (g.a). Von ihm geht ein Herzzweig ab, der zwischen A. subelavia und N. reeurrens verläuft, sowie mehrere Ästchen zum Vagus, N. recurrens und zu den Rr. cardiaci. Diese Zweigchen bilden da eine Art Plexus. Offenbar haben wir es hier mit dem- selben Ganglion zu tun, von dem SCHUHMACHER bei einer neugeborenen Phoca sagt (l. c., S. 35): »Am Abgang des N. recurrens besteht ein Nervengeflecht, in dem ein großes Ganglion gelegen ist. Letzteres steht durch einen starken Ast mit dem Ganglion stellatum in Ver- bindung«e. Anscheinend rechnet SCHUHMACHER dieses Ganglion zum Gebiete des Vagus, während es nach meiner Ansicht in der Sym- pathicusbahn liegt. Der laterale Rand des G. stellatum empfängt erstens den starken N. vertebralis (r.v), der medial von der A. vertebralis verläuft und aus den R. communicantes des 3. (2.?) bis 6. Cervicalnerven sich zusammensetzt. Die Rr. comm. vom 7. und 8. Halsnerven gehen, auf gesondertem Wege, gleich wie der N. vertebralis dorsal von der A. subelavia zum G. stellatum (g.st). Auch der N. phrenieus besaß mit dem Ganglion eine Verbindung (r.phr). Der 1. Thoracalnerv (DI) verläuft dorsal vom G. stellatum und ist so innig mit ihm verbunden, daß es scheint, als nähme der Nerv aus der lateralen Fläche des Ganglion seinen Ursprung. Schließlich tritt noch der R. communicans des 2. Thoracalnerven in das G. stellatum ein; während derjenige des 3. Brustnerven zum 1. Ganglion des Brustgrenzstranges hinzieht. Im 1. und 2. Inter- costalraum verlaufen die Zweige der Art. intercostalis suprema (Ast der A. subelavia), während im dritten die A. intercostalis prima sich verästelt. Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 227 Fissipede Carnivoren. Felis leo neonatus. (Fig. 13). Der Halssympathicus verlief völlig unabhängig vom Vagus. Zwischen beiden sah ich drei dünne Verbindungszweige. Diese Beobachtung stimmt mit den Beschreibungen SCHUHMACHERS, am neugeborenen, sowie am erwachsenen Löwen, überein. Gleiches be- richtet Cyon. Das spindelförmige G. cervic. superius be- sitzt Verbindungen mit dem Glosso- pharyngeus und Vagus, welche als ein einheitliches Stämmchen in das Ganglioneintreten. Außerdem besteht eine Verbindung mit dem Hypoglos- sus. Ich sah keine Verbindungen des G. cerv. sup. mit den Halsnerven. Am Vorder- rande tritt aus dem Ganglion e. s. ein dünner Nerv her- vor, der caudal- wärts verläuft und sich dem R. exter- nus des N. laryng. sup. zugesellt. Aus dieser Verbindung geht ein Herznerv Fig. 13. \\1)) u An FC: FR % Halsteil des sympathischen Nervensystems von Felis leo. Bezeichnung wie angegeben. Dazu noch: a Verbindung zwischen Vagus und Hals- sympathicus. hervor (r.c.s). Besonders erwähnt zu werden verdient die Abgangsstelle des N. laryngeus superior. Sie liegt da, wo im Verlaufe des Vagus eine starke gangliöse Anschwellung sich befindet. Der Grenzstrang weist weder Ganglien, noch Verbindungen mit Halsnerven auf. } Ohne Bildung einer eigentlichen Ansa Vieussenii geht der 15* 228 A. J. P. van den Broek Grenzstrang dorsal an der A. subelavia vorüber und zum G. stella- tum. Die Verbindungen dieses Knotens sind die folgenden: Von eranial her tritt der, ebenfalls dorsal von der Arterie verlau- fende, N. vertebralis in das Ganglion ein. Dieser Nerv konnte auf- wärts bis zum 3. Halsnerven mit Bestimmtheit verfolgt werden. Ob auch Verbindungszweige vom 1. und 2. Halsnerven an seiner Bildung teilnahmen, konnte nicht entschieden werden. Solche Zweige müßten äußerst fein gewesen sein. Vom Vagus tritt ein, dem Grenzstrange an Mächtigkeit nahe kommender Ast zum @. stellatum, der mit der oberen Spitze gewisser- maßen in diesen Nerv sich fortsetzt. Man könnte diesen Nerv als das untere Ende des vorderen Schenkels der Ansa Vieussenii auffassen und käme dann zur Auf- fassung, daß dieser Schenkel der Ansa mit dem Vagus größtenteils in einer gemeinschaftlichen Scheide eingeschlossen wäre. Das in den Vagus eingeschlossene Ganglion könnte dann als G. cervic. medium gedeutet werden; indessen die zwei Nerven zwischen Sym- pathicus und Vagus (a) als oberer Teil des vorderen Schenkels der Ansa gedeutet werden könnten. In den Verhältnissen bei andern Carnivoren findet meines Erachtens eine dergleiche Auffassung gewisse Berechtigung. Des weiteren besteht eine Verbindung zwischen G. stellatum und N. recurrens. Aus dem Ganglion treten zwei Rami cardiaci hervor, die caudal von der Recurrensschlinge zum Herzen verlaufen (r.e.). Die einfachen Rr. communicantes des 1. und 2. Thoracal- nerven treten in das Ganglion ein, während derjenige des 3. zum erstfolgenden Brustganglion geht. In Übereinstimmung mit dem Ausbreitungsgebiete des G. stellatum steht die Ausbreitung der A. intercostalis suprema in den oberen zwei Interceostalräumen. Katie. Ich gebe hier einen kurzen Überblick der Resultate wieder, zu denen FISCHER in seiner vor kurzer Zeit erschienenen Arbeit gelangt ist. Ich selber untersuchte die Katze nicht. Das Ganglion ceervicale superius besitzt keine Verbindungen mit Vagus und Hypoglossus. Nur vom 1. Cervicalnerven geht ein feines Ästehen zum Ganglion. Im Gegensatz zu den Beschreibungen von ELLENBERGER und Baum sah Fischer den Halssympathieus voll- ständig unabhängig vom Vagus. Inkonstant nennt FISCHER, mit REICHARDT und JENNING, das Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 229 G. ec. medium. Auf dieses folgt, durch eine Ansa Vieussenii mit ihm verbunden, das G. stellatum. In dieses treten die Rr. communicantes des 2. bis 8. Cervicalnerven ein, die zu einem N. vertebralis ver- bunden sind. Nach Francoıs FRANcK jedoch steigt der N. verte- bralis nur bis zum 5. Cervicalnerven empor. Desgleichen treten die Rr. commun. der oberen vier Thoracalnerven in dasselbe Ganglion ein. Aus der Fig. 1 der FıscHerschen Arbeit ist ersichtlich, daß die Art. intereostalis prima (ein Ast der Aorta) im 5. Spatium inter- costale verläuft. Wahrscheinlich werden also hier die 1. bis 4. Inter- costalräume durch die Art. intercostalis suprema versorgt. Von Zweigen des Halssympathicus sah FiscHER meistens einen Herzast vom Grenzstrange und einige Rr. cardiaci vom G. stella- tum abgehen; er fand ferner einen Nerv, der vom N. laryngeus su- perior zum Halsgrenzstrange zog, um diesen kurz oberhalb des G. eervie. medium wieder als R. cardiacus zu verlassen (N. depressor). Canis familiaris (Fig. 13). Die Literatur des Sympathieus vom Hunde ist eine sehr aus- gedehnte; sie befaßt sich jedoch mehr mit der Anordnung der peri- pheren Zweige und deren Funktion. Zugleich mit meinen eignen Befunden gebe ich die für unsre Zwecke wichtigen Literaturergebnisse wieder. Das Ganglion cervie. superius (g.c.s) ist ein ovoider Knoten, der sich kopfwärts in den Schädelteil des Sympathicus fortsetzt. Verbindungen mit benachbarten Nerven bestehen nur wenige. Der Glossopharyngeus zog am Unterrande des Ganglion vorüber und empfing einen starken Zweig von ihm. Ein zarter Faden zog zum N. laryngeus superior. Der Vagus, Accessorius und Hypoglossus standen mit dem Ganglion nicht in Verbindung, in Widerspruch mit der Beobachtung von HERBET, der von diesen Nerven »une relation avec le sympathique cervical par plusieurs rameaux anastomotiques« angibt. ELLENBERGER und Baum beschreiben eine Verbindung mit dem Hypoglossus und eine äußerst dünne mit dem Accessorius sowie einen ziemlich starken Ast zum Vagus. Das Fehlen von Verbin- dungen zwischen Vagus und Hypoglossus und dem Ganglion gibt FISCHER an. Von den Cervicalnerven ist nur der erste (JACQUET, Üyon, FISCHER, ELLENBERGER und BAUM, AUTOR) mit dem G. cerv. superius verbunden. Die übrigen Nerven schieben ihre Rr. communic. zum N. vertebralis. Kurz unterhalb des G. cerv. sup. treten Halssympa- 230 A. J. P. van den Broek thieus und Vagus zu einem einheitlichen Stamme zusammen, dem schon von vielen Autoren (ELLENBERGER und BAUM, CHAUVEAU et ARLOING, KREIDMANN, FINKELSTEIN, CYON, HERBET, JACQUET) be- schriebenen Vago-sympathicus. Daß in der Verbindung beider Nerven zu einem einheitlichen Strange individuelle Variationen vorkommen, Halsteil des sympathischen Nervensystems von Canis fami- liaris. Bezeichnung wie angegeben. beweisen die Beobach- tungen von KREIDMANN und von FINkKELSTEIN (10), die eine Verlötung beider Nerven erst in der Höhe des 5. Halswirbels zu- stande kommen sahen. Der Vago-sympathi- cus besitzt, den überein- stimmenden Angaben aller Autoren nach, keine Verbindungen mit Spinal- nerven. Was weiterhin den Sympathicus anbelangt, so besteht in der Literatur eine unerfreuliche Ver- wirrung in der Bezeich- nung der verschiedenen Ganglien. Die Verwir- rung kommt hauptsäch- lich dadurch zustande, daß bei der Namengebung sehr verschiedene Stand- punkte maßgebend ge- wesen sind. Halten wir jedoch streng an dem Grundsatze fest, den wir für die Bezeichnung der Ganglien und speziell für das G. cerv. inferius für richtig halten, so zeigt sich sofort, daß eine große Übereinstim- mung zwischen den Resultaten der verschiedenen Autoren sich fest- stellen läßt, daß die Differenzen lediglich auf geringfügige Re graphische Tr sich beziehen. Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 231 Nach FIscHER und nach JAcQuET fehlt dem Hunde ein G. cerv. medium. Derselben Meinung sind LEYH und MÜLLER; sie treten in Gegensatz zu den Angaben von ELLENBERGER und BAUM, FRANK und Marrın. Die vier erstgenannten Autoren beschreiben als G. cerv. inferius einen Nervenknoten, der meistens der A. subelavia auflagert und sich mittels einer Ansa Vieussenii mit dem G. thora- cale primum verbindet. Wirft die Art der Verbindung beider Gan- glien schon Verdacht auf das Wesen des G. cerv. inferius, so tritt die fehlerhafte Bezeichnung durch die Angabe klar zutage, daß der N. vertebralis in das G. thoracale primum eintritt. Unsrer Bezeich- nungsweise nach muß dieses Ganglion nicht als G. thorae. primum, sondern als G. stellatum aufgefaßt werden, das heißt als das Ver- schmelzungsprodukt von G. cerv. inferius und G. thorac. primum. Damit erweist sich der von den genannten Autoren als G. cerv. inf. bezeichnete Knoten als ein G. cerv. medium, das hierdurch eigentlich von allen Autoren angetroffen worden ist. Hiermit dürfen die Differenzen in den Ansichten der Autoren FISCHER, JACQUET, LEYH, MÜLLER einerseits, ELLENBERGER-BAUM und FRANK anderseits bezüglich der Verschmelzung des G. ceıv. inf. und des G. thorac. primum als gehoben betrachtet werden. Was das G. cerv. medium betrifft (g.c.m), so fand ich das- selbe als einen halbkugelförmigen Knoten dem Vago-sympathicus angelagert. Gleiches wird von ELLENBERGER und Baum angegeben. Dies scheint jedoch nicht dem am meisten vorkommenden Verhalten zu entsprechen, welches darin bestehen dürfte, daß das Ganglion vom Vago-sympathicus emanzipiert ist und als selbständiger Knoten der A. subelavia auflagert (G. cerv. inferius von FISCHER, JACQUET, LeyH, MÜLLER). Aus dem G. cerv. medium treten am caudalen Rande mehrere Nerven hervor. Anfangs setzt der Vago-sympathicus seinen Verlauf, die Arteria ventral kreuzend, fort. Weiterhin tritt aus dem lateralen Rande des Ganglion ein Nerv aus, der dorsal an der A. subelavia vorüber zum G. stellatum verläuft. Ein gleichfalls dorsal von der Arterie verlaufender Nerv tritt etwas weiter caudal aus dem Vago- sympathieus heraus. Am Vorderrande kommt ein R. cardiacus (r.c) aus dem Vago-sympathicus hervor, und zwar in Höhe des @. cerv. medium, ferner ein dünner Verbindungsnerv zum N. recurrens. Der Vago-sympathicus teilt sich, nachdem er die A. subelavia ventral passiert hat, in zwei Stränge. Der stärkere Strang (Vagus) setzt seinen Verlauf caudalwärts fort, während der lateral gelagerte 232 A. J. P. van den Broek Strang (Sympathicusstamm) zum G. stellatum zieht. Tragen wir dem Umstande Rechnung, daß der Vagus an der Schädelbasis lateral vom Sympathicus lagert, an der Trennungsstelle beider Stämme medial, so tritt auch bei diesem Tiere die Kreuzung beider Nerven zutage. Auch eine Ansa Vieussenii fehlt dem Hunde nicht. Wenn das G. cerv. medium (s. inferius einiger Autoren) selbständig ist, wird ihr Vorkommen von allen Autoren zugestimmt: auch wenn dieses Ganglion dem Vago-sympathicus angeschmiegt ist, kommt die Schlinge vor (vgl. Fig. 14), nur verläuft der vordere Strang der Ansa mit dem Vagus verbunden bis zum Caudalrande der A. subelavia. Ferner treten zum G. stellatum mehrere Rr. communicantes. Diejenigen des 2.7. sind zu einem N. vertebralis verbunden (n.v), der R. comm.. des 8. Halsnerven tritt gesondert, dorsal von der A. subelavia zum Ganglion. Der N. vertebralis verläuft im Canalis transversarius medial von der A. vertebralis. Die Rr. communicantes ziehen ventral an der Arterie vorüber. Bezüglich der Ausdehnung des N. vertebralis bestehen in den Literaturangaben 'nur geringfügige Unterschiede. Die meisten Autoren konnten den Nerven bis zum 2. Halsnerven hinauf verfolgen. Francois FRANcK jedoch sah ihn nur bis zum 5. Halsnerven hinauf steigen und fügte hinzu: »Au dela duquel ne se trouvent plus de filets anastomotiques avec les paires cervi- cales«. Von den Brustnerven sah ich die Rr. communicantes der ersten drei in das G. stellatum eintreten. ELLENBERGER und Baum (l. e., Fig. 194) sahen auch den R. communicans des 4. Thoracalnerven in diesen Knoten eintreten. Bei den meisten Autoren finde ich hier- über keine bestimmten Angaben. FiscHEr äußert sich dahin: »die Rami thoracales des Hundes stimmen mit denen der Katze ziemlich überein« (S. 48). Cvox bildet {l. e., Fig. 6) eine Verbindung des G. stellatum mit dem 1. und 2. Brustnerven ab. Die A. intereostalis suprema erstreckte sich in meinem Falle ebenfalls in die obersten drei Intereostalräume. In Übereinstimmung hiermit kommen die Verbreitungsgebiete des Ganglions und der A. intercostalis suprema in der Fig. 194 der Anatomie des Hundes von ELLENBERGER und Baum zum Ausdruck, wo die A. intercost. prima in den 5. Intercostalraum gelangt. Außer dem schon erwähnten R. card. sah ich nur noch einen einzigen Herznerven, der sich caudal vom G. cerv. medium vom Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 233 Vago-sympathicus abzweigte und zwischen Vagus und A. subelavia hindurch zum Aortenplexus zog. Ursus spec. (vermutlich U. arctos) (Fig. 15). Einzig unter den untersuchten Tieren hat sich hier der Vagus schon mit dem Kopfteil des Sympathieus verbunden und ist somit im G. cerv. superius eingeschlossen. Mit dem Glossopharyngeus, Accessorius und Hypoglossus sah ich keine Verbindungen des G. cerv. superius. Von den Cervicalnerven zog nur vom ersten ein doppelter R. communi- cans zum Ganglion. Zweifelhaft blieb ein R. comm. vom 2. Hals- nerven. Am medialen Rande treten aus dem G. cervic. sup. zwei Nerven hervor, die sich als R. internus und R. externus des laryngeus superior erweisen. Vom R. externus, derden R. internus dorsal kreuzt, konnte ein feiner Ast verfolgt werden, der zum Herzen verlief (r.e.s). Abwärts setzt sich das obere Hals- ganglion in den star- ken Vago-sympathicus fort. Ohne Zweige ab- zugeben oder Verbin- dungen mit Halsnerven einzugehen, spaltetsich 3 Halsteil des sympathischen Nervensystems von Ursus spec. der Nervenstamm in , Bezeichnung wie angegeben. der Mitte des Halses unter Bildung einer gangliösen Anschwellung in zwei Stämme, einen diekeren medialen Vago-sympathicus und einen lateralen dünneren Stamm, den hinteren Schenkel der Ansa Vieussenii. Die Anschwel- lung ist als Ganglion cervic. medium zu betrachten. 234 A. J. P. van den Broek Durch die Verbindung von Vagus und Sympathicus zu einem Stamme wird die Kreuzung beider Stämme im Halsgebiete, wie wir sie bei manchen Tieren kennen lernten, verdeckt. Daß sie nichts- destoweniger zustande kommt, geht aus der Topographie hervor, denn oberhalb des G. cervie. sup. liegt der Vagus lateral, unterhalb des G. cervic. medium medial vom Sympatbieus. Einen vom gewöhnlichen Verhalten etwas abweichenden Bildungs- modus zeigt die Ansa Vieussenii. Der hintere Schenkel dieser Schlinge setzt sich vom Ganglion medium unverzweigt zum G. stel- latum fort und verläuft dabei dorsal von der A. subelavia. Der ventrale Schenkel löst sich nicht direkt vom G. cervic. medium ab, sondern erst weiter caudal vom Vagus, um sich ventral von der A. subelavia zum G. stellatum zu begeben. Die Rr. communicantes der Halsnerven treten unter Bildung eines N. vertebralis mit dem G. stellatum in Verbindung. Mit Sicherheit konnte ich den Nerven bis zum 5. Cervicalnerven hinauf verfolgen. Unentschieden mußte (des Konservierungszustandes des Präparates wegen) bleiben, ob noch höhere Halsnerven mit ihren R. communicantes an der Bildung des N. vertebralis teilnahmen. Vom dorsalen Ansastamme, sowie vom G. stellatum geht je ein Ast ab, die sich zu einem Stamme vereinigen. Dieser verläuft durch die Schlinge des N. recurrens hindurch zum Herzen (r.c.2). Unterwegs kommt dabei eine Verbindung mit dem N. recurrens zustande. Zu diesen zwei Herznerven kommt als dritter noch ein Nerv, der direkt vom Vagus sich abtrennt, caudal von dem @. cervic. medium (r.c.v). Die oberen Brustnerven verhalten sich in folgender Weise: Die Rr. communicantes des 1. und 2. Nerven gehen unmittelbar zum G. stel- latum. Diejenigen des 3. und 4. Nerven begeben sich zu einer lang- gestreckten gangliösen Masse, die direkt caudal auf das G. stellatum folgt, während jener des 5. Nerven zum ersten scharf gesonderten Thoracalganglion zieht. Im 5. Intereostalraum verläuft die erste aus der Aorta stammende Intercostalarterie. Die oberen vier Spatien werden von der A. intercostalis suprema gespeist. Mustela vulgaris .(Fig. 16). Gleich wie Ursus besitzt Mustela einen vom gewöhnlichen Typus etwas abweichenden Bau des Halssympathieus. Auch hier geht das obere Halsganglion eranialwärts in zwei Stränge über, den lateral (hinten) gelagerten Vagus und den medial gelagerten Kopf- sympathieus (k.s). Von den letzten vier Kopfnerven besaß kein Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 235 andrer Verbindungen mit dem G. cervie. superius. Einen R. communi- cans des 1. Halsnerven habe ich nicht aufgefunden, wohl aber einen aus dem 2. und 3. Halsnerven stammenden Verbindungszweig. Medial tritt aus dem Ganglion ein dünner Faden hervor, der bis zur Glandula intercarotica verfolgbar war (g...c). Weiterhin kommt der N. laryngeus superior aus dem Unterrande des Ganglions zum Vor- schein. Aus dessen R. externus zweigt sich ein Teil ab, der sich wieder in den Vago-sympathicus einsenkt (r.c.s). Zwischen G. cervie. superius und medium dehnt Fig. 16. sich alseinheitlicher Stamm der Vago-sympathicus aus. Am unteren Rande des letztgenannten Ganglion spaltet er sich in den Va- gus (medial) und in den hinteren Ansa-Strang (la- teral. Es kommt somit auch hier eine Kreuzung von Vagus und Sympathi- cus zustande. Noch eigen- artiger als bei Ursus ist hier die Bildung der Ansa Vieussenii. Deren hinterer Strang verläuft unver- zweigt vom G. cervic. me- dium zum G. stellatum dor- sal von der A. subelavia. 3 Der übrige Teil des Vago- Halsteil des sympathischen Nervensystems von Mustela sympathicus liegt ventral vulgaris. Beschreibung wie oben angegeben. von der Arterie. Direkt unterhalb des Gefäßes ist dem lateralen Rande des Vago-symp. ein Gan- glion angelagert, aus dem zwei Nerven hervortreten, nämlich der N. recurrens und ein dieker Nerv zum G. stellatum. Den letzteren Nerv haben wir als vorderen Schenkel der Ansa Vieussenii zu betrachten. Das Ganglion ist wahrscheinlich als ein abgetrennter Teil des G. cerv. medium anzusehen und nicht als eigentliches G. cerv. inferius, was aus dem Verhalten der R. communicantes der Halsnerven, sowie des G. stellatum hervorgeht (vergl. den allgemeinen Abschnitt).. In das G. stellatum tritt außer den zwei erwähnten Stämmen noch der 236 A. J. P. van den Broek N. vertebralis ein, der sich aus den Rr. ecommunicantes des 4. bis 6. Halsnerven aufbaut. Die Verbindungszweige aus dem 7. und 8. Halsnerven treten als ein absonderliches Stämmehen zum nämlichen Ganglion. Beide Nerven liegen dorsal von der A. subelavia, während der N. vertebralis im Canalis transversarius medial von der Art. vertebralis verläuft, und die Rr. communicantes ventral an dieser Arterie vorüberziehen. Die Rr. comm. vom 1. und. 2. Brustnerven treten zum G. stellatum; derjenige des 3. geht zum 1. gesonderten Brustganglion. Hiermit stimmt wiederum das Gebiet der Art. intercostalis suprema überein; es umfaßt die ersten zwei Inter- costalräume. i Perissodactyla. Von ihnen habe ich keinen Vertreter untersucht. Ich beschränke mich auf eine kurze Beschreibung des Halssympathieus des Pferdes, welche ich aus den Abbildungen und Beschreibungen von Cyos, SCHUHMACHER und FIscHER entnommen habe. Das G. cerviec. sup. ist mit dem Vagus (accessorius?) und Hypoglossus in Verbindung, desgleichen mit dem 1. Cervicalner- ven. Ausgebildet ist eine Ansabildung um die A. carotis interna herum. Am Vorderende treten zwei Nerven aus dem Ganglion hervor (vgl. Cyox, Fig. 11, S. 945), wovon der eine zur Glandula inter- carotica verläuft, der andre in die Plexus earoticus übergeht. Am Unterende des G. cervie. sup. treten drei Nerven zum Vorschein. Ein Nerv verläuft nach vorne und verbindet sich mit einem Aste des N. laryngeus sup. zu einem Stamme, den Cyox als »nerf thyre- oidien depresseur« bezeichnet. Der zweite Nerv ist ein direkter Herzast (N. depressor), der dritte der dünne Halsgrenzstrang. Dieser verschmilzt in der Mitte des Halses mit dem Vagus zu einem Vago- sympathicus. Beide Nerven bleiben nach Franck innerhalb der ge- meinsamen Scheide meistens vollständig getrennt. Nach kurzem Ver- laufe trennen sich beide Nerven wieder. Der Halsgrenzstrang geht in das G. cervic. medium über. FiscHER vermißte ein solches und fand es auch in den Veterinäranatomien nicht erwähnt. Zwischen G. cerv. medium und G. stellatum besteht eine Ansa Vieussenii, aus deren beiden Schenkeln eine Anzahl Zweigchen abgehen. Diese bilden mit dem Vagus und N. recurrens eine Art Plexus (SCHUHMACHER, ONODT), aus dem mehrere Herznerven zum Vorschein treten. Über das Verhalten der Rr. ecommunicantes berichtet FIscHEr, Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 237 daß sie »vollständig denen von Katze, Ziege und Hund entsprechen« (1 e.,08.97): Artiodactyla. bos taurus (Fig. 17, Fötus). Ein Rindfötus zeigte am Halssympathieus die folgenden Bau- eigentümlichkeiten. Das G. cervie. superius war von unregelmäßiger Form; es glich einer Maulbeere. Eine gleiche Erscheinung beobachtete ich auch am G. stellatum dieses Tieres. Die Ganglien erwachsener Tiere hat- ten stets eine glatte Oberfläche. Das @. cervie. su- perius, das sich kopf- wärtsindenSchädelteil des Sympathicus fort- setzt, steht durch einen Zweig mit dem Glosso- pharyngeus und dem Vagus in Verbindung. Mit dem Accessorius und dem Hypoglossus war das Ganglion nicht in Zusammenhang. Der Hypoglossuskreuztden Aecessorius nicht an dessen lateraler, son- dern an der medialen Seite. Von den Halsner- ven sandten der erste und zweite ihren R. communicans zum G. cervic. superius. Eine Strecke unterhalb des G. c. superius ver- einigt sich, allerdings nur in einer ziemlich kurzen Strecke, der Hals- sympathieus mit dem Vagus zu einem Vago-sympathicus. Diesem Stamme sitzt etwas weiter abwärts das G. cerv. medium (g.c.m) an Halsteil des sympathischen Nervensystems von einem Embryo von Bos taurus. Bezeichnung wie angegeben. 238 A. J. P. van den Broek dessen lateraler Seite an. Ein wenig oberhalb der Stelle dieses Knotens kommt eine Verbindung mit dem N. laryngeus superior zu- stande, während caudalwärts hiervon ein Herznerv (r.c.s) den Stamm verläßt. In der Höhe des G. c. medium teilt sich der Vago-sympathicus wieder in zwei Teile. Der Sympathieusstamm verläuft lateral vom Vagus eaudalwärts, kreuzt die A. subelavia an deren dorsalen Seite und senkt sich in das G. stellatum ein. Er bildet hiermit den dor- salen Schenkel der Ansa Vieussenii. Der ventrale Schenkel der Ansa ist bei weitem schwächer und zweigt sich erst ein wenig weiter eaudalwärts vom Vago-sympathieus ab. Aus der Topographie von Vagus und Sympathicus in der Höhe des G. e. superius und des G. medium wird die Kreuzung beider Stämme ohne weiteres deutlich. In das G. stellatum senkt sich der starke N. vertebralis ein. Er verläuft ebenfalls dorsal von der A. subelavia und liegt im Canalis transversarius medial von der Arterie. Vom 7. bis zum 4. Halsnerven hinauf konnte ich die Rr. comm. verfolgen, die alle ventral die Arterie kreuzten. Ob auch von den höheren Halsnerven Ästchen zum N. vertebralis verliefen, konnte nicht entschieden werden. Der doppelt vorhandene R. comm. des S. Halsnerven lag ventral von der A. subelavia, lief dann dorsal von der A. intereostalis suprema und senkte sich dann in das G. stella- tum ein. Die Rr. communicantes des 1. und 2. Thoracalnerven zogen desgleichen, die A. intercostalis suprema schlingenförmig umfassend, zum G. stellatum, während derjenige des 3. Brustnerven schräg auf- wärts zum Grenzstrange verlief und in denselben kurz unterhalb des Ganglion eintrat. Erst der 4. Thoracalnerv sandte seinen R. comm. zum erstfolgenden Brustknoten. Die A. intercostalis su- prema versorgte die obersten drei Intercostalräume. Aus dem G. stellatum tritt am medialen Rande ein Herznery hervor (r.c.2), der zwischen Vagus und A. subelavia hindurch zum Herzen verläuft. Dama vulgaris. Schon in der Höhe des Ganglion c. superius hat der Vagus seine Lagerung medial von dem Sympathiceus, so daß eine Kreuzung am Halse nicht gefunden wird. Beide verlaufen am Halse, einander sehr benachbart, doch völlig unabhängig von einander. Hierin scheint Dama eine Ausnahme unter Artiodactyla zu machen, denn Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 239 nach den übereinstimmenden Angaben von BERDZ (Schaf), KREID- MANN (Schaf), SCHUHMACHER (Auchenia lama, Capra hircus, Ovis musimom), FISCHER (Capra) sind in dieser Gruppe Sympathicus und Vagus zu einem Vago-sympathicus verbunden, der jedoch leicht in seine beiden Teile zu zerlegen ist. Das G. e. superius ist nur mit dem Vagus in direkter Ver- bindung. Weder vom Accessorius, noch vom Hypoglossus und Glossopharyngeus verliefen Fäden zum Ganglion. Mehrere dünne Zweigchen kommen aus dem Ganglion hervor und ziehen zu den Rr. pharyngei des Glossopharyngeus und Vagus. Vom Nervus laryn- geus superior geht ein ziemlich langer Strang zu dem Halssym- pathieusstrange. Von den Üervicalnerven sendet nur der erste seinen R. communicans zum G. c. superius. In der Mitte des Halses besitzt der Grenzstrang eine kleine, spindelförmige Anschwellung, das G. e. medium. Zur Art. carotis communis zog von ihm ein feines Fädchen. Andre Verbindungen bestanden nicht. Zwischen G. c. medium und stellatum verläuft der Sympathicus als einfacher Strang ventral von der A. subelavia. Mithin wurde keine Ansa Vieussenii gebildet. Unter allen untersuchten Säuge- tieren lagert nur hier der Grenzstrang ventral und nicht dorsal von der Arterie. In der Höhe der A. subelavia gehen einige Herz- äste ab, die ventral am Vagus vorüber zum Herzen verlaufen, ver- stärkt durch Zweige aus demselben Nerven. Von den Halsnerven kann nur ein R. comm. vom 8. und vom 7. verzeichnet werden. Von den Thoracalnerven zog nur der R. comm. des 1. mit zwei Fäden direkt zum G. stellatum. Vom 2. Thoracalnerven ver-, liefen mehrere Fäden schräg eranialwärts, um in den Grenzstrang kurz unterhalb des G. stellatum zu verschwinden. Einige Ästchen verliefen jedoch auch zum erstfolgenden Brustganglion. Die Arterie intercostalis suprema verzweigt sich nur im ersten Intercostalraume. Prosimiae. Von den Halbaffen konnte ich einen Lemur macaco untersuchen. Außer den äußerst kurz gehaltenen Angaben über das sym- pathische Nervensystem in der Monographie von ZUCKERKANDL (Chiromys madagascariensis) sind keine Literaturangaben hier zu verzeichnen. 240 A. J. P. van den Broek Lemur macaco (Fig. 18). Zwischen dem Ganglion e. superius und den letzten vier Hirn- nerven fand ich keine Verbindungen, ebensowenig sah ich Rr. com- municantes des 1. und 2. Cervicalnerven. Unterhalb des Ganglion konnte ein äußerst feines Fädchen bis zur Teilungsstreeke der Carotis verfolgt werden (g.2.c). Der Halsgrenzstrang verläuft vom Vagus getrennt, kreuzt ihn dorsal und bietet in der Umgebung der A. subelavia eigenartige Verhältnisse. Dem Stamme sitzt lateral ein unregelmäßig geformtes Ganglion auf, von dem Fig. 18. es fraglich bleibt, wel- Be zZ chem Ganglion der Säugetiere es homolog ist. Mit dem @. ce. me- dium hat es die Eigen- schaft gemeinsam, daß aus seinem caudalen Rande zwei Stränge zum Vorschein treten, die eine Ansa Vieussenii U bilden. Vom gewöhn- lichen Verhalten dieses Knotens weicht es je- doch ab, insofern ein Teil des N. vertebralis in das Ganglion eintritt. Vielleicht haben wir es hier mit einem Ver- schmelzungsprodukte vom G. e. medium und Halsteil des sympathischen Nervensystems von Lemur macaco. einem Teile vom =“ e Bezeichnung wie oben angegeben. Dazu noch: g.v Ganglion a 1 { £ im Nervus vertebralis. j inferius zu tun. Hier- für spricht die Kleinheit des G. stellatum (g.st). Der vordere Strang der Ansa Vieusseniü ist stärker als der hintere. Anstatt sich direkt in das G. stellatum ein- zusenken, verbinden sich beide Schenkel der Ansa wieder zu einem einzigen Stamme, der zum G. stellatum tritt, nachdem eine Verbin- dung mit dem N. phrenicus zustande gekommen ist (n.phr). Der N. vertebralis setzt sich zusammen aus den Rr. commmuni- Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 241 cantes des 4. (3. ?) bis 8. Cervicalnerven, die alle die A. vertebralis ventral kreuzen. Im untersten Teile des N. vertebralis, zwischen den Rr. comm. des 7. und 8. Halsnerven kommt noch ein kleines rundes Ganglion vor (g.v). Vielleicht haben wir auch hierin ein Teilstück des G. e. inferius zu erblicken, das dann, im ganzen auf- wärts gerückt, teilweise in die Bahn des Halsgrenzstranges, teil- weise in die des N. vertebralis eingelassen wäre. Im Halsgebiete sind folgende periphere Zweige zu nennen. Zwei Herznerven treten aus dem Vagus zum Vorschein und verbinden sich mit einem Aste aus dem G. ec. medium (r.c.m). Ein dünner Ast kommt aus dem N. recurrens und war bis zur Aorta verfolgbar. Ein starker Herz- nerv tritt aus dem N. vertebralis; er besitzt im Verlaufe eine gan- gliüse Anschwellung und setzt sich von da an mit mehreren Ästchen zum Herzen fort (r.c.2). Der R. comm. des 1. Thoracalnerven tritt noch in das G. stellatum (bzw. &. thoracale primum) ein, derjenige des 2. ist doppelt anwesend und erreicht, schräg eranialwärts verlaufend, den unteren Pol des- selben Ganglions. An der Verbindungsstelle des R. comm. des 3. Brust- nerven, der ebenfalls schräg nach oben zieht, besteht kein Ganglion, und erst derjenige des 4. Thoracalnerven geht zum 1. Brustganglion. Das Gebiet der A. intercostalis suprema liegt in den obersten vier Intercostalräumen. Neuweltaffen. Ateles ater (Fig. 19). Der Bau des Grenzstranges und dessen Äste von Neuweltaffen ist, so weit mir bekannt, noch nicht Gegenstand anatomischer Unter- suchung gewesen. Das G. c. superius wär beim untersuchten Objekte von etwa spindelförmiger Gestalt. Cranialwärts setzte es sich in den, die A. carotis int. begleitenden, Kopfsympathieus fort (k.s). Von den vier letzten Hirnnerven waren der Glossopharyngeus und Accessorius ohne Verbindung mit dem obersten Halsknoten. Vom Vagus zweigte sich mit zwei Wurzeln ein kurzer, aber ziem- lich starker Ast ab, der am lateralen Rande an das Ganglion her- antrat. Der N. laryngeus sup. kreuzte das G. e. superius und erhielt von ihm einen Zuwachs. Der Hypoglossus sandte zwei dünne Zweige zum G. superius. | Morpholog. Jahrbuch. 37. 16 242 A. J. P. van den Broek Der R. descendens hypoglossi..verband sich mit einem von den obersten zwei Cervicalnerven herkommenden Nerven zur Bildung der Ansa hypoglossi. Ein Teil der Fasern dieser Ansa verlief zum obersten Halsknoten und stellte dadurch die Verbindung der N. cervicales I und II mit dem G. c. superius her. Am medialen Rande trat ein Nerv aus dem Ganglion hervor, Fig. 19. Halsteil des sympathischen Nervensystems von Ateles ater. Be- zeichnung wie oben angegeben. a Verbindung zwischen Vagus und # Sympathieus, der, von andern Ner- ven unabhängig, cau- dalwärts verlief und bis zu den großen Ge- fäßstämmen verfolgt wurde. Wahrschein- lich liegt hier ein Ra- mus cardiacus vor (23): Der Halssympa- thicus kreuzt den Va- gus an dessen dor- saler Seite und ver- läuft, nicht mit dem Vagus in einer ge- meinsamen Scheide gelagert, caudalwärts. Ein eigentliches Ganglion c. medium, wie es in der Regel direkt cranial von der Art. subelavia gefun- den wird, fehlt. Kurz oberhalb der Art. subelavia biegt der Grenzstrang lateral- wärts und gibt nach- einander mehrere Zweige ab. Erstens kommt ein Ast zum Vorschein, der teilweise zum Vagus (a), teilweise dorsal von diesem Nerven zum Herzen zieht. Weiterhin begegnet man einen Ast, der dorsal von der A. subelavia zum N. recurrens verläuft. Schließlich spaltet sich der Grenzstrang in zwei Äste. Ein Strang zieht ventral von der A. subelavia zum G. stellatum (vorderer Ast der Ansa Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 243 Vieussenii); der zweite geht zu einem Ganglion, das, obwohl an andrer Stelle lagernd, vielleicht als G. c. medium (g.c.m) aufgefaßt werden darf, oder als Produkt von diesem Knoten und einem Teile des G. e. inferius. Das Ganglion lagert der Wirbelsäule, in der Höhe des 8. Halswirbels dicht an. Am ceranialen Ende tritt ein Nerv ins Ganglion ein, der aus dem 5. Foramen intertransversarium zum Vorschein kommt. Er verhält sich wie ein N. vertebralis, in dem er sich aus den R. comm. des 3., 4., 5. und teilweise des 6. Cervical- nerven bildet. Zwischen 5. und 6. Wirbel tritt dieser N. vertebralis aus dem Vertebralkanal hervor, um erst außerhalb des Kanales die Verbindungszweige des 6. Halsnerven aufzunehmen. Außer diesem N. vertebralis gibt es noch einen zweiten (».v.2), der lateral von der A. vertebralis verläuft und sich aus den Rr. comm. des 6. (teilweise), 7. und 8. (teilweise) Cervicalnerven zusammensetzt. Dieser zieht dor- sal von der A. subelavia direkt zum G. stellatum, nachdem er einen Ast an dasim medialen Vertebralnerven gelegene G. cervicale medium abgegeben hat. Weiterhin besitzt er eine Verbindung mit dem in den Plexus brachialis übergehenden Teil des 1. Thoracalnerven. Caudal- wärts setzt sich das in Rede stehende Ganglion (g.c.m) in einen Stamm fort, der, die A. subelavia dorsal kreuzend, sich in das G. stellatum einsenkt. Obwohl in etwas abgeänderter Weise, kommt es auch hier zur Bildung einer die A. subelavia umfassenden Ansa Vieussenii, als deren beide Schenkel ich den Sympathicusstamm (ventral) und die Verbindung vom G. ec. medium und G. stellatum (dorsal von der Arterie) betrachte. Das G. stellatum besitzt an seiner lateralen Fläche eine Furche, welche seine Zusammenstellung aus mehreren (zwei) Teilen verrät. Außer den schon angegebenen Zweigen treten noch drei Nerven in das Ganglion ein, nämlich ein Zweig vom 8. Cervicalnerven und R. communicantes vom 1. und 2. Thoracalnerven (D I, IT). Medial kommt ein Herzast aus dem G. stellatum; er geht in seinem Verlaufe zum Herzen caudal von der Schlinge des N. re- currens um die A. subelavia (r.c.2). Der R. comm. des 3. Thoracal- nerven tritt in das 1. Brustganglion ein. In demselben Intercostal- raum verläuft die oberste Intercostalarterie, die direkt von der Aorta herkommt, während das 1. und 2. Intercostalspatium aus der A. intercostalis suprema gespeist werden. 16* 244 A. J. P. van den Broek Altweltaffen. Oercopithecus eynomolgus (Fig. 20). Das Ganglion e. superius ist von ovoider Gestalt, geht eranial- wärts in den Kopfteil des Grenzstranges über und setzt sich an seinem caudalen Ende in den Halsgrenzstrang fort. Von einer Ver- bindung mit dem Vagus zu einem gemeinschaftlichen Strange, wie Fig. 20. Halsteil des sympathischen Nervensystems von Cercopithecus cynomolgus. Bezeichnung wie angegeben. SCHUHMACHER es an den von ihm untersuchten Tieren einmal fand, war nichts zu beobachten. Beide Stränge verliefen gänzlich frei voneinander. Der obere Halsknoten setzt sich durch je einen Zweig mit dem Glossopharyngeus, Vagus und Hypoglossus in Verbindung (IX, X, XIT). Durch den letztgenannten R. comm. können außer Hypoglossusele- menten noch Fasern vom 1. und 2. Cervicalnerven dem Ganglion Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 245 zugeführt werden, da der Hypoglossus central von seiner Verbindung mit dem Ganglion einen aus Ästen dieser zwei Nerven zusammen- gesetzten Strang empfängt. Außerdem tritt noch ein Zweig vom 2. Cerviealnerven in das Ganglion ein. Vom 3. und 4. Cervicalnerven läßt sich je ein Ästehen ver- folgen, die sich zu einem gemeinsamen Stämmchen vereinen, um sich zur Bildung der Ansa hypoglossi medianwärts zu begeben. Unterwegs löst sich hiervon ein Teil der Fasern ab; diese verlaufen eranialwärts und senken sich im unteren Pole des G. e. superius ein. Vom medialen Rande tritt ein Nerv aus demselben Ganglion in den N. laryngeus superior über. Ich war nicht imstande, vom N. laryngeus aus Zweige zum Herzen zu verfolgen, wie sie einmal von Vırı gesehen wurden (Cercopithecus sabaeus), bei dem der Nerv nach längerem Verlaufe sich in den Sympathieusstamm einsenkte. Der Halssympathieus begibt sich sodann, den Vagus dorsal kreuzend, eaudalwärts und senkt sich in ein kleines und rundes G. ec. medium (g.c.m) ein. Direkt eranial hiervon verbinden mehrere feine Zweigehen Vagus und Sympathieus miteinander. ' Schließlich verlief ein äußerst feines Nervenästehen zum N. re- eurrens (n.r). Caudal vom mittleren Ganglion spaltet sich, wie ge- wöhnlich, der Grenzstrang in zwei Teile, die eine, die A. subelavia umringende, Ansa Vieussenii bilden. Vom hinteren Schenkel verlief ein Verbindungsast zum N. recurrens. Der vordere Schenkel besaß keine Verbindungen mit andern Teilen. Vom G. e. medium geht ein zum Herzen verlaufender Zweig, der zwischen A. subelavia und Vagus hindurchtritt und sich sodann mit einem gleichnamigen Aste aus dem Vagus zu einem einzigen Stamme vereinigt (r.c.m). Die Schenkel der Ansa senken sich caudal von der A. subelavia in das G. stellatum ein. Im Stamme des Hals- sympathieus kommen also keine Verbindungen mit Spinalnerven vor. Das G. stellatum besitzt die bereits mehrfach erwähnte Form. Es erweist sich als das Verschmelzungsprodukt zweier Ganglien, von denen das obere das Größere ist. Eine Furche deutet äußer- lich die Grenze der zusammensetzenden Teile an. Ziemlich kompliziert ist das System gebaut, das wir in seiner Gesamtheit als N. vertebralis zu betrachten haben. Vom 5., 6. und 7. Cervicalnerven liegt ein R. comm. ventral von der A. vertebralis und verläuft medial von ihr caudalwärts. Dann wendet sich dieser Vertebralnerv (».v) dorsal von der A. vertebralis zu deren lateralen Seite, empfängt noch ein feines Ästehen vom obenerwähnten R. ecomm. 246 A. J. P. van den Broek des 7. Cervicalnerven und verläuft caudalwärts, um sich, die A. sub- clavia dorsal kreuzend, zum G. stellatum zu begeben. Da, wo der Nerv lateral von der A. vertebralis lagert, gesellt sich zu ihm ein zweiter Vertebralnery, der aus Rr. communicantes des 7. (teilweise) und 8. (teilweise) Halsnerven aufgebaut ist. Schließ- lich geht noch ein Verbindungszweig vom 8. Cerviealnerven dorsal von der A. subelavia direkt zum G. stellatum. Die oberen Thoracalnerven verhalten sich derartig, daß der R. comm. des 1. gänzlich. (DI), derjenige des 2. teilweise in das G. stellatum sich einsenkt. Ein Teil der Fasern des letztgenannten zieht zum 1. selbständigen Ganglion des Brustgrenzstranges. Die A. intercostalis suprema dehnt ihr Gebiet über die oberen zwei Intercostalräume aus. Aus dem medialen Rande des G. stellatum tritt ein Nerv her- vor, der sich teilweise zum N. recurrens begibt, teilweise zwischen Vagus und A. subelavia hindurch zum Herzen zieht (r.e.2). Oynocephalus hamadryas (Fig. 21). Hier bestehen sehr komplizierte Verhältnisse zwischen Vagus und Sympathicusstamm. Das Ganglion cervie. superius zeigt in den Verhältnissen zu den umliegenden Nerven eine gewisse Übereinstimmung mit denen bei Cereopith. eynomolgus. Hier wie dort sind Glossopharyngeus, Vagus und Hypoglossus mit dem Ganglion verbunden. Der 3. Halsnerv gibt hier die caudale Grenze der Nerven an, die ihre Rr. commun. zum G. e. s. entsenden. Auch der N. laryngeus war durch einen ziemlich starken Zweig mit dem Ganglion verbunden. Caudalwärts tritt der Grenzstrang aus dem Ganglion hervor, verläuft unabhängig vom Vagus und kreuzt ihn dorsal. Statt eines Ganglions finden sich hier im Grenzstrange zwei Ganglien vor (g.c.m.a und g.c.m.b). Beide Ganglien sind meines Erachtens als Teilstücke des G. e. medium zu betrachten. Daß das untere von ihnen kein G. c. inferius vor- stellt, beweist das Verhalten des N. vertebralis, der in der üblichen Weise zum G. stellatum verläuft. Auch sein Verhalten zur Ansa Vieussenii, die zwischen diesem G. und dem G. stellatum gebildet wird, legt Zeugnis für diese Ansicht ab. Es darf jedoch nicht ver- schwiegen werden, daß die Verbindung der beiden Ganglien unter- einander eine mehrfache ist. Würde man den oberen der beiden Knoten als einen Teil des G. ce. superius ausgeben, so wäre dagegen anzuführen, daß der Knoten unter solehen Umständen auch mit der Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 247 Rr. visceralis der oberen Halsnerven in Verbindung stehen sollte, was aber nieht zutrifft. Eine Vermehrung der Ganglien im Halsgrenzstrange scheint bei den Primaten öfters vorzukommen. Gleiches begegnen wir bei den # Fig. 21. Halsteil des sympathischen Nervensystems von Cynocephalus hamadııyas. Bezeichnung wie angegeben. Dazu: g.c.m.a und g.c.m.b Teilstücke des G. cerv. medium. Anthropoiden und beim Menschen. Die zwei Ganglien (g.e.m.a und g.c.m.b) sind unter sich durch drei Stränge, in die der Halssympathieus sich geteilt hat, verbunden. Das untere Ganglion verbindet sich mittels einer Ansa Vieussenii, deren vorderer Strang stärker ist als der hintere, mit dem @. stellatum (g.st). Zwischen Vagus einerseits und 248 A. J. P. van den Broek dem Grenzstrange mit seinen Ganglien anderseits besteht eine sehr zusammengesetzte plexusartige Verbindung, deren Anordnung aus der Fig. 21 genauer ersichtlich ist. Zu nennen ist im besonderen ein starker Herznery des Vagus, welcher anfangs lateral vom Vagus verläuft, ihn dann dorsal kreuzt, um sich dann, verbunden mit einem Aste des G. stellatum, zum Herzen zu begeben (.c.v). Der Vagus entsendet ferner mehrere Zweige, die sich 1) zum genannten Herz- nerven, 2) zum Halssympathicus oder dessen Ganglien und 3) zu den peripheren sympathischen Nerven (Rami cardiaci) begeben. Das G. stellatum nimmt am oberen Rande die Ansa Vieussenii und den N. vertebralis auf. Letzterer verläuft medial von der A. vertebr. im Canalis vertebr. und sammelt die Rr. comm. des 4. bis 7. Halsnerven, welche die Arterie alle ventral kreuzen. Der Nerv zieht dann dorsal von der A. subelavia zum Ganglion. Der 8. Cervicalnerv sendet seine Rr. comm. auf zwei Wegen zum Ganglion. Ein Ast verläuft erst ventral von der A. vertebralis und dann dorsal von der A. subelavia, während ein zweiter Ast direkt ventral von der A. subelavia zum Ganglion geht. Je zwei Rr. comm. des 1., 2. und 3. Brustnerven gelangen noch zum G. stellatum. Die Rr. comm. verhalten sich derart, daß ein Ast ventral, ein zweiter dorsal von der A. intercostalis suprema sich befindet. Das Gebiet der Art. intercost. suprema erstreckt sich in die obersten drei Intercostalräume. Aus dem G. stellatum kommen zwei Herznerven. Der obere der- selben verläuft oberhalb des N. recurrens zwischen Vagus und A. subelavia hindurch, um sich dem Herzast des Vagus anzuschließen. Der untere Herznerv bleibt, verstärkt durch ein dünnes Ästehen aus dem G. cervic. medium b. caudal von der Recurrensschlinge (r.e.2). Hylobates lar (Fig. 22). Von den letzten vier Hirnnerven verband sich nur der Vagus mit dem G. cerv. superius (g.c.s) durch einen starken Nerv. Vom 1., 2. und 3. Cerviealnerven treten Rr. comm. in den unteren Rand des Ganglion c. sup. ein. Ein andrer Zweig vom 3. Hals- nerven verläuft schräg auf- und medianwärts und senkt sich in den Grenzstrang unterhalb des Ganglion ein. Vom N. lar. sup. zweigt sich ein Ast ab, der, in mehrere Zweigchen aufgelöst (a), in den Grenzstrang sich einsenkt. Von dieser plexusartigen Bildung gelangt wieder ein Ast zurück zum N. lar. superior. Letzterer gab keinen Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 249 Herznerv ab. Ein Ast des Vagus vereinigt sich mit einem Zweige des Sympathieus und entsendet Äste zur Glandula thyreoidea (gl.th) und zum N. recurrens (n.r). Der Halsstrang, vom Vagus getrennt und ihn dorsal kreuzend, geht in das G. e. medium über (g.c.m). Im Gegensatz zu den meisten Säugern steht hier das G. ce. medium mit Cervicalnerven in Ver- bindung, und zwar mit einem Nerven- stamme, welcher sich aus den Rr. comm. des 3. und 4. Cervicalnerven - zusammensetzt und die Art. cervic. as- cendens schlingen- förmig umfaßt. An der media- len Seite des mitt- leren Halsknotens treten zwei Herz- nerven hervor. Ein oberer Nerv lagert dorsal vom Vagus und verbindet sich mit gleichnamigen Ästen aus dem Va- gus (r.c.m). Ein un- terer Nerv bildet mit zwei Herzästen aus dem G. stellatum einen Stamm (r.e.2), der zwischen A. sub- elavia und N. re- eurrens hindurch zum Herzen zieht. Der Grenzstrang setzt sich in der üblichen Weise durch zwei, die A. subelavia umfassende Zweige zum G. stellatum (g.st) fort. Lateral vom Grenzstrange senkt sich der N. vertebralis ins G. stellatum ein. Der Nerv ist aus Rr. ecomm. des 5. bis 8. Cervicalnerven aufgebaut; er verläuft anfangs medial von der Art. vert. und dann dorsal von Fig. 22. Halsteil des sympathischen Nervensystems von Hylobates lar. 250 A. J. P. van den Broek der A. subelavia zum Ganglion. Außerdem gelangen ein Zweig vom 7. Cervicalnerven dorsal und ein solcher vom 8. Cervicalnerven ven- tral von der A. subelavia zum G. stellatum. Die Rr. comm. des 1. und 2. Thoracalnerven treten ebenfalls in das G. stellatum ein; in- dessen der R. comm. des 3. teilweise in den Brustgrenzstrang, teil- weise in das erstfolgende Thoracalganglion sich einsenkt. Die aus dem G. stellatum austretenden Herznerven sind auf der Figur zu erkennen. Das Gebiet der Art. intercostalis suprema liest im 1. und 2. Spatium intercostale. Anthropomorphae. In der Literatur finden sich: 1) eine ausführliche Beschreibung des sympathischen Nervensystems von Gorilla in EısLers Mono- graphie dieses Tieres, 2) einige kurze Mitteilungen über den Sym- pathieus des Schimpanse von CHAMPNEYS. Ich habe einen Orang untersucht, so daß über alle drei Vertreter berichtet werden kann. Einige kurze Bemerkungen über den Sympathieus des Schimpanse sind außerdem noch bei VROLIK zu finden. Die Monographie über die Herznerven von SCHUHMACHER bringt einiges über Orang. Nach ÜRUVEILHIER besitzt der Sympathicus der Anthropoiden dieselbe Anordnung, wie die des Menschen. - Orang (Fig. 23). Der obere Halsknoten ist spindelförmig; er setzt sich eranial- wärts in einen einzigen, die Carotis interna begleitenden Stamm, den Kopfsympathieus, fort. Caudal geht er in dem völlig vom Vagus getrennt verlaufenden Halsstrang über. Vom Vagus treten zwei, vom Hypoglossus ein einziger Zweig in das -Ganglion ein. Die ersten drei Cervicalnerven stehen mit dem Ganglion durch Rr. comm. derartig in Verbindung, daß von einer Ansa zwischen 1. und 2. und von einer zwischen 2. und 3. Cervicalnerven ein Ast zum Ganglion verläuft. Die übrigen Fasern dieser Ansae verlaufen zum Ramus descendens hypoglossi. In den Verlauf des Grenzstranges ist ein äußerst kleines Gan- glion eingeschaltet (g), von dem ein dünnes Ästchen abgeht, welches bis an eine kleine Arterie (Ast der A. cerv. superfie.) verfolgbar war. Weiter, kurz oberhalb des Überganges des Stranges in das Gan- glion ec. medium tritt ein Nerv aus dem Vagus in den Sympathicus- stamm ein (a). Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 251 Das G. ec. medium (g.c.m.a) steht mit keinem Halsnerven in Verbindung. Es setzt sich caudalwärts in zwei Stämme fort, einen stärkeren dorsalen und einen schwächeren ventralen Stamm, die eine Ansa Vieussenii bilden und zum G. stellatum ziehen. Der ven- i Bw N pe (Be Halsteil des sympathischen Nervensystems bei Orang. Bezeichnung wie oben angegeben. Dazu noch: g Ganglion zwischen G. cervicale superius und medium; a Verbindung zwischen Vagus und Sympathicus. trale Stamm besitzt ein kleines Ganglion (g.c.m.b), von welchem aus eine Teilung in zwei Aste erfolgt. Die meisten Fasern ziehen zwischen Vagus und Art. subelavia hindurch zum Herzen (r.c.m); 252 A. J. P. van den Brock der Rest gelangt zum G. stellatum. Der dorsale Stamm gibt einen lateralwärts verlaufenden Ast ab. Dieser geht in ein rundes Gan- slion über, welches mehrere Verbindungen besitzt. Es empfängt einen doppelten R. comm. aus dem 6. Halsnerven und gibt zwei, die Art. cerv. superf. schlingenförmig umfassende Nerven ab, welche nach Zusammenfluß in einen Stamm zum G. stellatum verlaufen. In dieses senkt sich weiter der N. vertebralis ein. Ich sah diesen Nerv in das For. transv. des 6. Halswirbels eintreten und durch Rır. comm. mit dem 5. und 6. Cervicalnerven in Verbindung stehen. Ein äußerst feiner Nerv verlief dann noch mit der Art. vertebralis era- nialwärts; jedoch blieb die Anwesenheit eines R. comm. des 4. Hals- nerven zweifelhaft. Der 7. Halsnerv sandte seinen R. comm. direkt dorsal von der Art. subelavia zum G. stellatum, derjenige des 8. bleibt caudal von der Arterie. Es entsteht die Frage nach dem Wesen der beiden Ganglien im Gebiete der Ansa Vieussenii. Was den Knoten im ventralen Strang betrifft, so bin ich geneigt, ihn als einen abgetrennten Teil vom G. e. medium zu betrachten. Schwieriger ist es, zu entscheiden, ob das Ganglion im dorsalen Teil der Ansa als ein solehes zu be- trachten sei, oder ob hier ein Teil des G. ce. inferius vorliege. Für letztere Annahme könnte die Verbindung mit dem 6. Halsnerven angeführt werden. In Vergleichung mit dem, was man beim Menschen beobachtet, scheint es wahrscheinlicher, daß auch dieser Knoten als Teil des G. cerv. medium angesehen werden muß. Der 1. Thoracalnerv sendet zwei Rr. comm. zum G. stellatum. Ein R. comm. desselben Nerven verläuft zu einem Ganglion, das direkt caudal am G. stellatum anschließt. Dieses empfängt auch einen Ast vom 2. Thoracalnerven, welcher seinen zweiten R. comm. zu einem folgenden Brustganglion sendet. Die Art. intereostalis suprema gibt Zweige zum 1, 2. und einen äußerst kleinen Zweig zum 3. Intereostalraum ab. Letzterer bezieht zugleich die Art. intercostalis prima aus der Aorta. Herzäste aus dem G. stellatum habe ich nicht gefunden. SCHUHMACHER gibt einen solchen aus dem G. cerv. inferius an, während er aus dem G. thorae. primum nur Äste bis zur A. subelavia verfolgen konnte. Wie aus der Fig. 23 ersichtlich ist, bildet Orang eine Ausnahme von der Regel, daß das Verbreitungsgebiet am Thorax des G. stella- tum mit dem Gebiet der Art. intereostalis suprema übereinstimmt. Es ist jedoch hier schon nachzuweisen, daß die ersten Brustganglien beinahe unmittelbar auf das G. stellatum folgen, eine Erscheinung, Über den Bau des sympathischen Nerveusystems der Säugetiere. 253 welche für die Erklärung dieser Übereinstimmung der beiden Gebiete nicht ohne Bedeutung erscheint. Im allgemeinen Abschnitte wird dies näher erörtert werden. Schimpanse. Die Mitteilungen über das sympathische Nervensystem des Schim- pansen bei CHampneys sind spärlich. Hervorzuheben ist nur, daß anscheinend im Halsgebiete drei Ganglien, ein G. superius, G. me- dium und G. inferius vorkommen. Zum letztgenannten verlaufen die Rr. comm. des 7. und 8. Halsnerven. Es scheint also nicht mit dem 1. Thoracalganglion verschmolzen zu sein. Gorilla. Aus den ausführlichen Beschreibungen von EiısLErs Befunden bei Gorilla sei folgender kurzer Überblick gegeben: Beiderseits kommen drei wohl charakterisierte Ganglien vor, als G. e. superius, G. c. medium und G. e. inferius bezeichnet. Der obere Halsknoten besitzt Verbindungsstränge mit dem Glossopharyn- geus, Vagus und Hypoglossus, sowie mit dem 1. und 2. Cervical- nerven. Ein Zweig kommt aus dem medialen Rande des Ganglion zum Vorschein, um sich mit dem N. laryngeus superior zu ver- binden, aus welcher Verbindung ein N. cardiacus sich löst. Das Ganglion ce. medium empfängt den R. communicans des 3. (rechts) und die Rr. comm. des 3. und 4. (links) Cervicalnerven. Das G. ce. inferius bietet rechterseits besondere Verhältnisse dar. Es reitet auf der medialen Seite der Art. vertebralis, umfaßt sie und setzt sich dann zum. G. stellatum fort, wobei der mediale Schenkel die eigent- liche Fortsetzung des Stranges ist. In dieser Schlinge erblickt EisLER das Homologon der Ansa Vieussenii des Menschen. In das G. cerv. inferius treten Rami comm. des 4. bis 8. Halsnerven ein. Mit der A. vertebralis gehen Fäden proximalwärts in den Can. transv., die Arterie mit einem Plexus umspinnend. Der R. comm. des 4. Halsnerven kommt vom Phrenicusanteil dieses Nerven. Weiter unten folgt noch ein G. stellatum (seiner Form wegen von EISLER mit diesem Namen belegt), in das die Rr. comm. des 7. und 8. (dreifach) Halsnerven, sowie des 1. Dorsalnerven eintreten. Der R. cardiaeus inferior kommt aus diesem Ganglion. Der 2. Thoracalnerv sendet seinen R. comm. zum erstfolgenden Brustganglion. Die Art. intercost. suprema dehnt sich nur im 1. Inter- costalraume aus. 254 A. J. P. van den Broek Linkerseits kommen einige Abweichungen vom erwähnten Zu- stande in der unteren Hälfte des Halsgrenzstranges vor. Caudal vom G. cerv. inf. zeigt der Grenzstrang eigentlich eine Unterbrechung. Der dieke, aus dem Ganglion hervortretende Nerv, welchen man eigentlich als Fortsetzung des Grenzstranges betrachten möchte, geht nicht zum G. stellatum, sondern senkt sich in den Plexus cardiacus ein. Die Verbindung zwischen G. ce. inferius und 6. stella- tum kommt durch einen Zweig zustande, der vom R. comm. des N. cervie. IV zum letztgenannten Ganglion hinzieht. Aus dem näm- lichen Zweig kommt der Plexus vertebralis. Die Rr. ecomm. des 5. bis 8. Cervicalnerven, sowie des 1. Thoracalnerven gehen zum G. stellatum. Mensch (Fig. 24). Über den Bau des menschlichen Halssympathieus herrscht noch keine völlige Übereinstimmung bei den Autoren. In den Lehr- büchern der Anatomie werden vom Halssympathieus Beschreibungen gegeben, die einander nicht entsprechen. Zwei Ursachen sind dafür namhaft zu machen. Die erste ist die Benennung der Ganglien, die zweite liegt in der Auffassung des N. vertebralis. Die wichtigsten Anschauungen der Autoren werde ich im Laufe dieser Mitteilung zur Geltung bringen. Das Ganglion cerv. superius ist von spindelförmiger Gestalt und liegt unmittelbar unterhalb der Schädelbasis auf den Querfortsätzen des 2. und 3. Halswirbels, von ihnen durch den M. longus colli getrennt. Die Carotis interna liegt ventral von ihm. Cranialwärts setzt sich das Ganglion in den Kopf- teil des Sympathieus fort, bald als einfaches Stämmchen, das die Carotis interna begleitet, bald mit einem doppelten, diese Arterie schlingenförmig umfassenden Strang. Von den letzten vier Hirnnerven sind Glossopharyngeus, Vagus und Hypoglossus mit dem Ganglion je durch einen Strang ver- bunden. Der Accessorius besaß keine Verbindungen mit dem Gan- glion. Die Verbindungen dieser drei Nerven werden in allen Lehr- und Handbüchern der menschlichen Anatomie erwähnt. (CRUVELHIER (6), Sarrer (29), HENLE (15), RAUBER (27), GEGENBAUR (13), BARDE- LEBEN (1), SouLız im Handbuch von Testur et CHARPY (32). Auch in der Monographie von HERBET wird diesen Verbindungen Erwähnung getan. Rorsans (28) fand sie regelmäßig an einem ausgebreiteten Materiale. Hypoglossus und N. laryng. sup. kreuzen das Ganglion an dessen ventraler Fläche. HERBET gibt eine Kreu- Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 255 zung von Hypoglossus und G. superius an, wobei der erstere dorsal vom Ganglion lagert. Außer den genannten Hirnnerven sind mehrere Spinalnerven mit dem G. e. sup. durch ihren Rr. comm. verbunden. Die untere Halsteil des sympathischen Nervensystems des Menschen. Die Arteria vertebralis tritt in das Fo- ramen iransversarium des 6. Halswirbels ein. Bezeichnung wie oben angegeben. Dazu noch: a, b, c, d Komponenten der doppelten Ansa Vieussenii. Grenze fand ich am 4. Cervicalnerven; sie scheint individuell zwischen 3. und 4. Halsnerven zu schwanken. Vom 4. Halsnerv stammte einer der beiden Rr. comm. vom Phrenicus-Anteil her. Vom G. c. sup. verläuft ein ziemlich starker Zweig zum N. laryng.' sup. 256 A. J. P. van den Broek Auch diese Verbindung ist, den verschiedenen Beschreibungen nach, als konstant anzusehen. Weiter unten kommt aus dem G. ce. sup. ein Herznerv zum Vor- schein (r.c.s), der sich teilweise wieder zum Sympathieusstamm zurückbegiebt, teilweise zum Herzen verläuft, wobei er mit Ästehen aus dem R. ext. nervi laryngei (n.l.s) Anastomosen eingeht. Weiter- hin kommen aus dem Ganglion noch feine Zweige, die zum Plexus caroticus und zur Glandula intercarotica zu verfolgen sind. Caudal- wärts setzt sich das Ganglion ce. s. meistens in den einfachen Hals- grenzstrang fort, der die Verbindung vom Ganglion e. s. und ©. c. medium herstellt. Nach HExLE soll dieser Teil vielfach verdoppelt sein. Der Grenzstrang verläuft ganz unabhängig vom Vagus und kreuzt ihn an dessen dorsaler Seite. Am meisten differieren die Meinungen über das Vorkommen von einem Ganglion ec. medium. In den meisten Lehrbüchern wird das Ganglion e. m. als inkonstant bezeichnet (CRUVELHIER, SAPPEY, GEGENBAUR, RAUBER, BARDELEBEN). HENLE beschreibt nur ein Gan- glion e. s. und G. e. inferius und zwischen diesen beiden die Ansa Vieussenii. Als seltenes Vorkommnis wird von HENLE ein ©. cerv. medium beschrieben an dem vorderen der beiden Äste der Ansa Vieussenii. Die Angabe der Inkonstanz des G. cerv. medium findet, soweit ich sehe, hauptsächlich seine Ursache darin, daß auch hier bei der Nomenklatur der Ganglien weder ihre Topographie noch die Anwesenheit von Verbindungen mit Spinalnerven als Criterium benutzt wird. Halten wir fest an der von uns gegebenen Benennung der Ganglien, wonach als G. cerv. inferius dasjenige bezeichnet wird, welches sich mit dem 8. Öervicalnerven verbindet, so komme ich mit HErRBET (16) zum Schluße, daß beim Menschen ein G. cerv. medium regelmäßig vorkommt. Seine Lage wechselt allerdings. Was diese Lagerung betrifft, so glaube ich, zwei Stellen angeben zu können, an denen das Ganglion ec. m. am häufigsten gefunden wird. Erstens lagert das Ganglion oft auf dem Querfortsatz des 5. oder 6. Halswirbels und ist in seiner Lage fixiert durch Rr. communi- cantes, die zwischen den Querfortsätzen der Wirbel hindurch gehen und zum 5. und 6. Halsnerven bzw. 4. und 5. verlaufen. Am oberen und unteren Ende verbindet sich der Knoten mit dem Grenzstrange. Eine zweite Stelle, an der das Ganglion öfters angetroffen wird, ist die Verlaufsstrecke des Halsgrenzstranges, ohne daß eine Verbin- dung mit dem R. comm. vorliegt. Die Lage erscheint bei der Prä- paration nieht so streng fixiert. Auf der Fig. 24, die den Halsteil Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 257 des sympathischen Nervensystems eines Neugeborenen darstellt, ist der zweite Modus wiedergegeben. Auf Fig. 25 bringe ich den erst- erwähnten Zustand, der mit einem abnormen Verlaufe der Art. vertebralis verbunden ist, zur Darstellung. Zwischen Ganglion ce. m. und G. stellatum liegen äußerst komplizierte Verhältnisse vor. Sie kommen auf Fig. 24 zum Vorschein. Um in der Struktur dieses Plexus eine Einsicht zu erlangen, empfiehlt es sich, zwei Ansae Vieussenii zu unterscheiden. Die erste Ausa wird durch die Äste @ und b (Fig. 24) hergestellt, die ventral und dorsal von der A. subelavia verlaufen und eine Ver- bindung des Ganglion e. m. mit dem G. stellatum herstellen. Von jedem dieser zwei Stränge geht ein dünner Ast ab, der sich zu einem Herznerven begiebt, welcher einem noch zu beschreibenden Ganglion (Fig. 24 g) entspringt. Die zweite Ansa wird durch die Nerven c und d der Fig. 24 hergestellt. Sie stellen wiederum ventral und dorsal von der A. subelavia die Verbindung der zwei Ganglien her. In dem ventralen Schenkel dieser Schlinge (Fig. 24 c) findet sich ein ovalförmiges Ganglion (Fig. 24 g), von dem mehrere Nerven ausgehen. 1) Ein starker Ast gelangt zum Herzen (Fig. 24 r.c.m), vielleicht als direkte Fortsetzung des Stammes e. Dieser Nerv ist nämlich stärker als derjenige, welcher die Verbindung mit dem G. stellatum herstellt und sich vom genannten Herznerven abzweigt. Bevor der Verbindungsnerv e das G. stellatum erreicht, hat er unter Bildung eines sehr kleinen Ganglions nochmals einen Herzast ab- gegeben, der sich mit einem Aste des Stammes verbindet. 2) Aus dem Ganglion (9) kommt noch eine Verbindung mit den oben be- schriebenen Herzästen, die den Nerven @ und b»enstammen, zustande. 3) Es findet oberhalb der A. subelavia eine Anastomose zwischen den beiden Nervenstämmen (ce und d der Fig. 24) der zweitgenannten Ansa Vieussenii statt. Der dorsal von der A. subelavia verlaufende Teil (d) geht unterwegs eine Anastomose mit dem Nerven 5 ein. Hier liegt ein stecknadelknopf großes Ganglion, welches gerade oberhalb des G. stellatum einen Herzast abgibt. Verbindungen zwi- schen Spinalnerven und Ganglion e. m. kommen nicht vor. Das G. stellatum ist ein großer, nach unten zugespitzter Knoten, der durch zwei Einschnürungen an seiner Oberfläche die Zusammen- setzung aus mehreren Ganglien andeutet. Außer den dargestellten Verbindungen zwischen G. stellatum und Ganglion ce. m. sah ich noch die folgenden Nerven in das G. stellatum eintreten. Vom 5., sowie vom 6. Halsnerven verliefen Rr. comm. außerhalb des Canalis transv. Morpholog. Jahrbuch. 37. 17 258 A. J. P. van den Broek zum G. stellatum; sie kreuzten die A. subelavia ventral und treten mit zwei Stämmchen in das Ganglion ein. Ein N. vertebralis setzte sich aus den Rr. comm. des 6., 7. und 8. Halsnerven zusammen. Der Nerv verläuft an der Medialseite der Art. vertebralis, die ihn zusammensetzenden Rr. eommunicantes lagern ventral von dieser Arterie. Weiterhin geht der N. vertebralis dorsal an der A. subelavia vorüber zum G. stellatum. Das Vor- kommen eines N. vertebralis (als Produkt von Rr. comm. einer be- stimmten Zahl von Halsnerven) beim Menschen bildet noch immer eine Meinungsdifferenz bei den Autoren. ÜCRUVEILHIER beschreibt ihn als einen selbständigen Nerven, als eine Art von Nervus splanchnieus, der Zweige aus den 3. bis 5. Cerviealnerven dem Ganglion e. inferius zuführt. Er stützt sieh dabei teilweise auf eine von JARJAVAY beobachtete Variation, in der die Art. vertebralis nicht wie gewöhnlich in das Foramen transversarium des 6. Hals- wirbels eintritt, sondern erst in dasjenige des 3. Halswirbels. In diesem Falle fehlte ein N. vertebralis und die betreffenden Rır. communic. traten in das G. cerv. medium ein. Dieser Meinung steht HENLE (l. e., S. 571) gegenüber. »Vom untersten Cervical- und oberen Dorsalganglion steigen mit der Arteria vertebralis Zweige durch die Foramina transversaria der Halswirbel empor, welche am Ursprunge leicht aufzufinden sind, sich aber bald in einen Plexus mikroskopi- scher, die Arterie und deren Äste umspinnenden Fäden, Plexus vertebralis, auflösen. Sie verbinden sich mit den Cervicalnerven- stämmen durch Fäden von geringer, gegen die oberen Nerven ab- nehmender Stärke. SAappEr gibt einen N. vertebralis an, der nach ihm lediglich aus den Rr. communie. (rameaux profonds internes) des 6. und ausnahmsweise des 6. und 7. entsteht. Niemals sah er ihn höher hinaufsteigen. Mit den Angaben von SarpEr stimmen die- jenigen von HErBET überein, der den N. vertebralis ebenfalls nie- mals höher hinaufgehend fand als bis zum 6. Halsnerven. Er fand ihn, im Gegensatz zu Sarpey, immer aufgebaut aus Ästen des 6. und des 7. Halsnerven. | Merkwürdigerweise wird in den neueren Lehrbüchern der menschlichen Anatomie der N. vertebralis als Produkt von Rr. communic. nicht mehr erwähnt. GEGENBAUR nannte einen N. vertebralis überhaupt nicht. In den Lehrbüchern von RAUBER, BARDELEBEN, SOBOTTA und in dem von SOULIE bearbeiteten Teil im Handbuch von Testur wird eines Plexus vertebralis Erwähnung getan. Dieser umspinnt nach den Ya. Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 259 genannten Autoren die Art. vertebralis und verläuft mit ihr zur Schädelhöhle. Unterwegs kommen Anastomosen mit den Cervical- nerven zustande. Nach den genannten Autoren verlaufen die Rr. eommunie. sämtlicher Halsnerven außerhalb der Canales transversarii. Dieser Plexus vertebralis ist somit etwas ganz anderes als der Nervus vertebralis. Als untere Grenze der Fig. 25. Rr. communie., die zum Ganglion ce. s. ziehen, wird allgemein der 3. (4.) Hals- nerv angegeben. Die Äste des 4. und 5. gehen dann zum inkonstanten G. ce. me- dium oder zum Grenz- strange; diejenigen des 6. bis 8. Halsnerven verlau- fen zum G. cervic. inferius. Die Frage, ob dem Menschen ein N. verte- bralis, im Sinne, wie ich ihn bei den meisten Säu- gern beschrieben habe, ebenfalls zukommt, wird im allgemeinen Abschnitte erörtert werden. Um Wie- derholungen vorzubeugen, VA er \ \ sei daher hier auf diesen —F Teil verwiesen. Wir setzen jetzt unsre Bi Beschreibung der Äste vom 7 'rıere erlehalis it in das Foramon trangretsarum G. stellatum fort. Von Tho- des 4. Halswirbels ein. racalnerven senden die obersten drei ihre Rr. communic. zum G. stellatum. Der 4. Thoracal- nerv gibt einen R. communic. ab, der sich spaltet und zu den ersten zwei Ganglien des Bruststranges verläuft. Die Art. intereost. suprema dehnte im Falle, der in Fig. 24 ab- gebildet ist, sein Gebiet bis in das 3. Spatium intercostale aus. An der medialen Seite kommen zwei Äste aus dem Ganglion zum Vorschein. Erstens besteht eine Anastomose mit dem N. re- eurrens; und zweitens geht ein Nerv zum Herzen (r.c.2), der sich 2% 260 A. J. P. van den Broek mit einem schon oben beschriebenen Zweig des Grenzstranges (d der Fig. 24) zu einem Stamme verbindet. Eine häufig von mir beobachtete Variation in der Anordnung des Halssympathieus ist auf Fig. 25 wiedergegeben. Hierzu sei Folgendes erwähnt. Die Art. vertebralis tritt nicht, wie normal, in das Foramen transversarium des 6., sondern des 4. Halswirbels ein. Diese Ano- malie scheint mir in der Hauptsache beim Zustandekommen des in Fig. 25 wiedergegebenen Zustandes beizutragen (vgl. im allgemeinen Teile). Es besteht außer einem Ganglion ec. superius mit seinen be- kannten Verbindungen ein langgestrecktes, der A. vertebralis an- gelagertes und auf der Wirbelsäule unbeweglich lagerndes G. e. medium, das die Rr. communic. des 4., 5. und 6. Halsnerven empfängt. An der medialen Seite gehen mehrere feine Zweigchen ab, die einen Plexus um die Art. vertebralis herum bilden. Das Ganglion setzt sich beinahe unmittelbar in das G. stellatum fort, und ist dorsal von der A. subelavia verlagert. Nur ein ziemlich dünner Strang tritt aus dem Ganglion ec. m. heraus, verläuft ventral von der A. subelavia und tritt in das G. stellatum ein (Ansa Vieussenii). Die Rr. communicantes des 7. und 8. Halsnerven treten auf dem- selben Wege wie beim vorerwähnten Präparate zum G. stellatum. Die Art. intercost. suprema verläuft nur im ersten Intercostalraum. Auch nur der R. commun. des 1. Thoracalnerven tritt ins G. stella- um ein; derjenige des 2. verläuft zum ersten Ganglion des Brust- stranges. III. Allgemeiner Teil. Nachdem wir vom makroskopischen Baue des Halsteils des sympathischen Nervensystems bei einer Anzahl von Säugetieren Kenntnis genommen haben, mögen jetzt die Untersuchungsergeb- nisse von einem mehr allgemeineren Standpunkte ins Auge gefaßt werden. Es erhoben sich verschiedene Fragen, deren Beleuchtung oder mögliche Lösung diesem Teil vorbehalten werden mußten. Zunächst erhebt sich die Frage, ob wir aus der großen Zahl der Einzelbeobachtungen einen bestimmten Bautypus herauslesen können, welcher bei allen Säugern wieder zu erkennen ist. Besteht ein solcher Bautypus am Halssympathieus, so tritt die zweite Frage auf, ob wir von diesem Typus ausgehen und bestimmte Wege angeben können, nach denen das sympathische System bei verschiedenen Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 261 Säugergruppen variiert, und ob bei den verschiedenen Ordnungen bestimmte Unterschiede anzugeben sind, die auf eine schrittweise Ausbildung hinweisen. Wenn wir so den Bau des Halssympathieus- systems der Säuger bestimmen können, so entsteht die weitere Frage, den Ursachen nachzuspüren, die für die Ausbildung des Baues be- stimmend gewesen sind. Schließlich haben wir das System des Halssympathieus der Säugetiere mit demjenigen andrer Vertebraten- klassen zu vergleichen, um die Veränderungen, welche in diesem Systeme Platz gegriffen haben, kennen zu lernen. Beim Studium des Baues vom Halssympathicus ist etwa so vor- zugehen, daß wir nacheinander die verschiedenen Komponenten des Systems ins Auge fassen. Das sympathische Nervensystem besteht aus einer bestimmten Zahl von sympathischen Ganglien und aus Nervensträngen, die diese Ganglien untereinander verbinden und in ihrer Gesamtheit als Grenzstrang bekannt sind. Dazu kommt eine Zahl von Verbindungen der Ganglien oder des Grenzstranges mit Cerebrospinalnerven, und ferner gehören hierher die vom sympathi- schen System ausgehenden peripheren Verzweigungen. In der gegebenen Folge werden wir die verschiedenen Bau- steine des Sympathicus einer allgemeinen Betrachtung widmen. Wir beginnen mit den Ganglien. Ganglien. Für sie gilt im allgemeinen bei den Säugetieren der folgende Satz: Im Halsteile des Grenzstranges kommen drei Ganglien vor, die zu unterscheiden sind als @. cervicale superius, G. ce. medium und G. c. inferius. Das G. cerv. in- ferius ist meistens mit einem oder mehreren Thoracalganglien ver- schmolzen und bildet damit eine einheitliche Masse, welche das @. stellatum heißt. Abweichungen von dieser Zahl kommen als Aus- nahmen vor. So fand ich eine Reduktion der Ganglienzahl auf zwei bei Echidna, Cuscus orientalis und Lepus cunieulus. Bei letzteren war durch das Verhalten der Nervenstränge (Ansa Vieussenii) fest- zustellen, daß das G. cerv. medium in die Masse des G. stellatum aufgenommen war. Daß ein getrenntes G. cerv. medium bei diesem Tiere hin und wieder vorkommt, geht aus den Beschreibungen von Krause (23) und JacQquET (20) (vgl. seine Fig. 26) hervor. Bei den andern zwei Tieren war es nicht so leicht festzustellen, wo das Homologon des G. cerv. medium zu suchen wäre. Bei Echidna ent- sprach anscheinend das einzige G. cervicale dem G. cerv. superius und dem G. c. medium, während man nach dem Verhalten der Spinalnerven bei Cuscus eher an eine Verschmelzung des G. c. 262 A. J. P. van den Broek medium mit dem G. stellatum denken muß (vgl. weiter unten). Eine Vermehrung der Ganglien kommt, so weit meine Beobachtungen rei- chen, nur bei Primaten vor. Bei Cynocephalus fand ich, daß das G. e. medium in zwei Teile zerlegt war, in einen oberen und einen unteren Teil. Beim Orang, Gorilla (EisLEr) und Menschen kommen in der Streeke zwischen G. ec. medium und G. stellatum noch ein oder mehrere, meistens kleine Ganglien vor. Man könnte diese eben entweder als abgezweigte Portionen vom G.c. medium oder als vom G. stellatum emanzipierte Teile des G. e. inferius betrachten. Ich bin geneigt, die erstere Möglichkeit für die wahrscheinlichere, aus später zu erörternden Gründen, zu halten. Ganglion cervicale superius. Bis auf eine Ausnahme (Echrdna) ist dieses Ganglion bei Säu- gern unmittelbar unterhalb der Schädelbasis gelagert als ein großes und meistens spindelförmiges Gebilde. Es ist der vorderen Fläche der Halswirbelsäule angeschmiegt und findet sich dabei hinter den Carotiden bzw. in der Nähe der Teilung der Carotis communis in seine beiden Äste. Niemals ist bei Säugern dieser Knoten mit dem Ganglion nodosum vagi zu einer Masse verschmolzen, was WIEDERS- HEIM behauptet; es bildet durch etwaige Verschmelzung vom Grenz- strang und Vagus niemals einen Vago-sympathicus. Nur zweimal trat der Vagus in das Ganglion ce. s. ein (Mustela, Ursus). Diese Stelle lag jedoch eaudal vom Ganglion nodosum vagi, in allen an- dern Fällen (s. weiter unten) entstand der Vago-sympathieus erst caudal vom Ganglion cervicale superius. Von dieser Lagerung fand ich, wie gesagt, nur einmal eine Ausnahme, nämlich bei Echidna, wo das Ganglion sehr viel weiter caudalwärts, in der Nähe der A. subelavia, gefunden wurde. Von der vorherrschenden Spindelform kamen einige Male Aus- nahmen vor. So war das Ganglion bei Phascolaretos cinereus mehr oder weniger kugelrund und wurde von der Carotis interna durch- bohrt, wobei es in einen kleineren vorderen und einen größeren hinteren Abschnitt zerlegt wurde. Ebenfalls rund statt spindelförmig fand ich es bei Phoca vitulina. Statt einer glatten Oberfläche zeigte das Ganglion e. s. eines Embryo von Bos taurus eine höckerige, maulbeerförmige Oberfläche. Von den Verbindungen des Ganglion haben wir zunächst die- jenige mit den letzten vier Hirnnerven ins Auge zu fassen. Eine Ver- bindung zwischen Aceessorius und Ganglion ce. s. kommt niemals vor. Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 263 Für den Glossopharyngeus, Vagus und Hypoglossus muß bei den Säugern die Verbindung mit dem Ganglion c. s. als wechselnd an- gegeben werden. Das geht aus meinen Untersuchungen hervor und wird auch von verschiedenen Autoren bestätigt. Ich vermißte einen Zusammenhang zwischen diesen Nerven und dem Ganglion e. s. bei Didelphys, Coelogenys, Lepus cumiculus und Lemur. Nur mit dem Glossopharyngeus verbunden war das Ganglion bei Cuscus orientalis, Phascolarctos cinereus, Mus rattus und Canis familiaris. Ausschließlich mit dem Vagusstamme war es verbunden bei Trichosurus vulpecula, Dasypus novemeinctus, Ursus und Mustela. Mit beiden genannten Nerven war das Ganglion bei Ornithorhynchus, Erinacaeus und Bos taurus verbunden. Echidna, Ateles und Hylobates besaßen Verbindungen des Gan- slion e. s. mit Vagus und Hypoglossus, während bei Phoca vitulina, Felis leo, Cercopithecus, Cynocephalus, Gorilla, Orang und Mensch alle drei der genannten Nerven damit anastomosierten. Das letzt- genannte Verhalten scheint für Mensch und einige Affen (Cercopithecus, Troglodytes und Semnopithecus) konstant zu sein, was aus den, an einem reichen Materiale angestellten Untersuchungen von ROTGANS hervorgeht. Diese wechselnden anatomischen Befunde können nur als der Ausdruck morphologiseher Verschiedenheiten aufgefaßt werden, nicht etwa als Zeichen dafür, daß in den betreffenden Fällen zwischen den genannten Hirnnerven und dem sympathischen Nerven- system überhaupt keine Anastomosen bestehen, da dieselben ja in manch andrer Weise zu stande kommen können. Die Zahl der Cerviealnerven, die ihre Rr. ecommunicantes zum Ganglion ce. s. senden, ist individuell verschieden. Als untere Grenze kann der 3. bzw. der 4. Halsnerv angegeben werden. Es kommen nicht nur zwischen verschiedenen Tierspecies in dieser Zahl Diffe- renzen vor, sondern es sind bei Individuen einer und derselben Speeies Variationen anzutreffen (Mensch). Die Zahl der in das Gan- slion eintretenden Rr. ecommunie. war bei Echidna mehr als die Lage maßgebend für die Deutung des Ganglions als des Produktes der Verschmelzung von G. cervicale superius und G. c. medium; denn in das Ganglion traten die Rr. communicantes bis zum 5., bei Ornithorhynchus sogar die Rr. communie. bis zum 6. Cervicalnerven ein. Unter den vom Ganglion e. s. ausgehenden Zweigen muß an erster Stelle der Kopfsympathicus genannt werden, der ceranialwärts vom Ganglion das sympathische Nervensystem fortsetzt. Meistens 264 A. J. P. van den Broek als einfacher, bisweilen als doppelter, die Carotis interna umfassender Strang begleitet der Kopfsympathicus die genannte Schlagader zum Schädel. Das Verhalten zu den verschiedenen Hirnnerven wurde nicht näher untersucht. Weiterhin sind als konstant vorkommende Nerven zu nennen ein oder einige dünne Zweigchen, die bis an die Art. carotis (communis oder externa) zu verfolgen gewesen sind. Unter ihnen befand sich meistens ein zur Glandula interearotica ziehender Nerv. Bei vielen Tieren (Ormithorhynchus, Phascolarctos, Dasypus, Ursus, Felis leo, Cercopithecus, Cynocephalus, Ateles) kommt eine Verbindung zwischen Ganglion e. s. und N. laryngeus superior vor; während bei anderen Formen (Bos taurus, Mustela, Phoca, Coelogenys) derselbe Nerv mit dem Sympathicusstamme unterhalb des Ganglion anastomosierte. Es ist wahrscheinlich, daß in der genannten Anastomose die Elemente gesucht werden müssen, die als N. de- pressor in der Physiologie bekannt sind. Ich habe jedoch bei meinen Untersuchungen die peripheren Endigungen der Nerven nicht auf- genommen und kann einen bestimmten Nerven als depressor nicht unterscheiden. Die Herznerven sind einfach als Rr. eardiaei supe- riores, medii und inferiores unterschieden. Hierfür habe ich mich aus folgenden Gründen entschieden. Der Nervus depressor ist ein physiologischer und kein anatomischer Be- griff. Ein N. depressor ist physiologisch scharf charakterisiert. Er ist aber anatomisch äußerst variabel. In welcher Weise der N. de- ‚ pressor variiert, geht aus den Untersuchungen von Vırı hervor, der unter achzig Kaninchen nur zweimal ein Verhalten des N. depressor fand, wie LupwıG und Cyox ihn als typisch beschrieben haben (Ursprung aus den N. laryngeus superior und Vagus). Bei zehn Katzen fehlte er zweimal völlig, bei sieben Tieren kam er direkt aus dem Laryngeus superior, und einmal stammte er aus diesem, dem Vagus und dem Sympathieus. Diese Beispiele könnte man leicht durch andre (BERNHARDT für die Katze, SCHUHMACHER, SCHMIDT, JACQUET, FISCHER, KREIDMANN, DRESCHFELD) vermehren. Vom ana- tomischen Standpunkt gesehen, kann man von diesem Nerven mit SCHMIDT (zitiert nach FISCHER) sagen, »daß seine Anwesenheit nicht zu leugnen ist, daß er nicht konstant gefunden werden kann, und daß seine Diagnostik nieht durchzuführen ist«. An der caudalen Spitze setzt sich das obere Halsganglion in den Halsgrenzstrang fort und vermittelt dadurch die Verbindung mit dem Ganglion cervicale medium. Die Strecke des Grenzstranges zwischen diesen beiden Ganglien Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 265 verhält sich in zweierlei Weise verschieden. Der Strang kann un- abhängig vom Vagus abwärts ziehen, oder er kann auf kürzere oder längere Strecke und mehr oder weniger fest mit diesem Nerven zu einem einheitlichen Stamme verbunden, zu einem Teile des Vago- sympathicus werden. Wenn er unabhängig vom Vagus verläuft, so ist er als ein ziemlich dünner und kompakter Nervenstrang aufzu- finden. Nur bei Artiodaetylen ist er nicht ganz fest gefügt; er besteht hier aus einer großen Zahl von durch Bindegewebe locker verbun- denen Nervensträngen. Bei mehreren Säugern kommt eine Vereinigung von Sympathicus und Vagus zu einem Vago-sympathicus zustande. Ich fand ein solches Verhalten bei Dasypus novemeinctus, Ursus, Mustela, Canis familiaris, Bos taurus. FISCHER erwähnt dasselbe von Capra und Equus caballus. Wie hieraus hervorgeht, kommt es durchaus nicht bei der Mehrzahl der Säugetiere zu einer Vereinigung von Vagus und Sympathieus, was WIEDERSHEIM angibt. Zweitens ist daraus ersichtlich, daß die Verschmelzung beider Nerven zu einem einzigen Stamme nicht als Kennzeichen einer bestimmten Ordnung aufgefaßt werden kann, denn aus allen Ordnungen, zu den die genannten Tiere stammen, sind solche Species zu nennen, bei denen eine Ver- schmelzung fehlt. ELLENBERGER und Baum haben nicht ganz recht, wenn sie die Anwesenheit eines Vago-sympathicus eine den Carni- voren eigentümliche Erscheinung nennen. Die Strecke, über welche beide Stämme mit einander vereinigt sind, sowie die Festigkeit der Verbindung sind individuellem Wechsel unterworfen. Zum Beispiel sind beide Stämme beim Hunde gewöhnlich schon kurz unterhalb des Ganglion c. s. verschmolzen. FINKELSTEIN und KREIDMANN fanden die Vereinigung hinwiederum erst in der Höhe des 5. Cervical- wirbels. Abweichend hiervon verhalten sich Mustela und Ursus spee., bei denen schon in der Höhe des Ganglion ce. s. beide Stämme sich vereinigten. Auch die Festigkeit der Verbindung variiert. Bei den meisten Tieren sind beide Stämme nicht voneinander zu trennen; sie sind nach Angabe von FIscHER beim Pferde nur ganz locker vereinigt und leicht zu trennen. Als untere Grenze des Vago-sympathicusstammes kann im All- gemeinen das Ganglion cervicale medium angegeben werden. Bei allen untersuchten Tieren trennte sich an ihm der Vago-sympathicus in seine beiden Komponenten, oder es zweigte sich der hintere Strang der Ansa Vieussenii vom gemeinschaftlichen Stamme hier ab. Nur bei Dasypus war die Trennung schon höher aufgetreten. 266 A. J. P. van den Broek In der Regel kommt auf der Strecke zwischen G. cervicale superius und G. ec. medium eine Kreuzung zwischen Halsgrenzstrang und Vagus zustande, wobei der Vagus ventral vom Grenzstrange lagert. Diese Kreuzung ist bei denjenigen Formen, bei denen beide Nerven unabhängig von einander am Halse abwärts ziehen, sofort zu erkennen. Bei denjenigen Formen jedoch, wo ein Vago-sympa- thieus vorkommt, ist aus der Topographie der Nerven, und zwar an beiden Enden des Vago-sympathieus, die Kreuzung leicht zu er- schließen. Die Fig. 8, 14, 15, 16, 17 lassen sie erkennen. Beide Nerven verhalten sich nämlich derart, daß eranial der Vagus lateral vom Sympathicusstamme gefunden wird, während er weiter unten, und spätestens in der Höhe der A. subelavia, medial von ihm liegt. Die Ursache der Kreuzung ist in der Topographie der Nerven an der Schädelbasis und am unteren Halsende zu suchen. Während der Vagus die Schädelhöhle durch eine Öffnung verläßt, die dorsal und etwas lateral vom Canalis carotieus liegt, tritt er weiter unten durch seine Beziehungen zum Oesophagus viel mehr medianwärts. Der Grenzstrang dagegen bewahrt am Halse sowie an der Brust eine gleiche Lagerung. Ganglion cervicale medium. Dieses Ganglion kommt nach meinen Untersuchungen bei den Säugetieren regelmäßig vor. Hierin stimme ich mit den Resultaten, zu denen Hergrr (16) in seiner Studie des Halssympathieus kommt, überein. Dieses regelmäßige Auftreten des Ganglions wird vor allem ersichtlich, wenn wir den Begriff nicht topographisch fassen, sondern ihn auf die Art der Verbindungen mit den Halsnerven beziehen. Es ist die wechselnde Lagerung dieses Knotens die Ursache ge- wesen für die Verwirrung in der Diskussion über das Vorkommen eines Ganglion cervicale medium. Von der Verschmelzung des Ganglion mit dem G. ce. superius bei Echidna, und der Verschmelzung mit dem G. stellatum bei Cuscus und Lepus cuniculus war oben die Rede, wo die Verringerung der Ganglienzahl im Halzgrenzstrange be- sprochen wurde. Es wurde auch auf die Vermehrung der Ganglien beim Orang, Cynocephalus, Gorilla und Menschen hingewiesen und die Frage gestellt, ob bei diesen Tieren ein Zerfall des G. cerv. medium in zwei oder mehrere Teile stattgefunden hätte, oder ob wir eine Loslösung vom G. eerv. inferius annehmen müssten. Was die Topographie des G. e. medium betrifft, so liegt es ge- wöhnlich im Grenzstrange oberhalb der A. subelavia (Ornithorhynchus, Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 267 Trichosurus, Phascolarctos, Erinacaeus, Dasypus, Coelogenys, Mus, Phoca, Cercopitheeus, Hylobates). Ausnahmen von dieser Regel bilden an erster Stelle diejenigen Tiere, bei denen ein Vago-sympathieus angetroffen wird. Hier ist die Lagerung eine mehr oder weniger wechselnde. Bei einigen Tieren (Ursus und Bos taurus) gab das G. e. medium die Stelle an, wo der Vago-sympathicus sich wieder in seine beiden Komponenten auflöste. Bei Canıs fam. war die Trennungsstelle caudal vom G. ec. medium. Bei Felis leo bestand insofern ein eigentümlicher Zustand, als der hintere Strang der Ansa Vieussenii sich erst vom Vago-sympathicus abtrennte, wodurch dieser Nerv weiter caudal nur einen Teil des Sympathieusstammes mit dem G. c. medium (Fig. 13) enthielt. Bei Mustela hatte sich der- selbe Knoten am Vago-sympathicüs weiter caudalwärts verschoben und lag sogar caudal von der A. subelavia (Fig. 16). Unter den Tieren ohne Vago-sympathieus ließ Didelphys einen abweichenden Zustand erkennen, indem das Ganglion auf dem hinteren Strange der Ansa Vieussenii lagerte. Schließlich muß noch hingewiesen werden auf die besondere Lagerung des Knotens bei Lemur und bei Ateles, wo er nicht im Grenzstrange, sondern abseits davon ge- funden wird (Fig. 18, 19). Von den Verbindungen des G. e. medium gilt, abgesehen von den Verbindungen mit dem G. c. superius und dem G. stellatum folgendes: Was den direkten Zusammenhang des Ganglion e. m. mit den Rr. eommunicantes der Cervicalnerven betrifft, so bestehen sie nur bei drei Formen, nämlich bei Echidna, Ornithorhynchus und beim Menschen. Für beide Monotremen erbliekte ich im genannten Ver- halten der Rr. ecommunicantes die Möglichkeit, das betreffende Gan- glion als Ganglion ceryicale medium genauer bestimmen zu können, was auch aus der Beschreibung des G. cerv. superius hervorgeht. Beim Menschen sind zwei Zustände ziemlich scharf voneinander zu trennen. Man findet das G. cerv. medium entweder in Ver- bindung mit dem 4. und 5. bezw. 5. und 6. Cervicalnerven, oder es fehlen Kommunikationen zwischen Cervicalnerven und Ganglion. Es scheint, daß diese beiden Zustände parallel verlaufen mit Varia- tionen, die wir gewöhnlich in der Eintrittsstelle der A. vertebralis in den Canalis transversarius beobachten. Wenn diese Arterie in das For. transv. des 6. Halswirbels eintritt, so verlaufen die hr. communie. aller Halsnerven, vom 4. (5.) an, direkt zum G. stellatum. Tritt dagegen die A. vertebralis höher ein, dann gehen die Rr. communic. einiger Halsnerven, meistens des 4. und 5. (6.) zum 268 A. J. P. van den Broek G. ec. medium. So empfing in dem Falle der Fig. 25, wo die A. vertebralis erst in das For. transv. des 4. Halswirbels eintrat, das G. e. medium die Rr. communic. des 4., 5. und 6. Halsnerven. Gleiches wurde schon von JARJAVAY (zitiert nach CRUVEILHIER) be- richtet. Weiter unten komme ich, im Zusammenhange mit der Be- sprechung des N. vertebralis, auf das Verhalten der Rr. communi- cantes zum G. ec. medium bei den drei genannten Formen noch zurück. Von allen übrigen untersuchten Säugern gilt, daß das Ganglion c. m. keine Rr. commun. von Halsnerven empfängt. Allerdings muß erwähnt werden, daß bei drei Tieren (Lepus, Lemur und Ateles) ein Zweigchen des N. vertebralis gefunden worden ist, das zum Gan- lion e. m. verlief. Von Zepus cum. muß außerdem hervorgehoben werden, daß eine Verschmelzung des Ganglion c. m. mit dem G. stellatum bestanden hat, wodurch der Zustand etwas verwischt worden ist. Wo diese Ganglien getrennt sind, treten keine Rr. communic. in das Ganglion ce. m. ein (vgl. JACqQuET, Fig. 26). Bei Lemur und bei Ateles hat das Ganglion eine von der Lage bei anderen Tieren abweichende Lagerung. Bei Ateles lag es mehr im Gebiete des N. vertebralis als in jenes des Grenzstranges. Bei einigen Säugern vermisste ich gänzlich einen Zusammenhang des Ganglion e. m. mit irgend einem anderen Nerven, ebenso die von dem Knoten sich peripherwäits begebenden Zweige (Didelphys, Da- sypus, Ursus, Dos). Eine Verbindung mit dem Vagus besaßen Phoca, Felis leo, Cercopithecus und Cynocephalus; während bei Echidna, Ornitho- rhynchus, Trichosurus und Coelogenys ein Zweigchen vom Knoten zum N. recurrens zu verfolgen war. Bei zwei Nagetieren war ein feiner Verbindungsfaden zwischen Ganglion und N. phrenicus an- wesend (Coelogenys, Mus). Ziemlich regelmäßig nimmt aus dem Ganglion ec. m. ein Herzast, den ich als R. cardiacus medius be- zeichnet habe, seinen Ursprung. Dieser Herzast kreuzt den Vagus dorsal und verläuft getrennt oder verbunden mit einem Aste des Vagus oder einem Zweige aus dem G. stellatum zum Herzen. Bis- weilen kommt an diesem Nerven ein kleines Ganglion vor (Orang). — Der Teil des Grenzstranges, der die Verbindung von G. ec. medium und G. stellatum herstellt, ist in der übergroßen Mehrzahl der Fälle in zwei Stränge geteilt, die ventral und dorsal von der A. subelavia verlaufen. Auf diese Weise gelangt die Arterie durch eine als Ansa Vieussenii bekannte Nervenschlinge. Nur bei Trichosurus, Cuscus und Ornithorhynchus fehlte eine Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 269 Ansa Vieussenii, und der ganze Grenzstrang verlief dorsal von der A. subelavia. Im Allgemeinen ist von den zwei Strängen der Ansa Vieussenji der dorsale der stärkere. Die Ansabildung ist bei den- jenigen Tieren undeutlich, bei denen ein Vago-sympathieus in mehr oder weniger ausgesprochener Weise gebildet ist, ausgenommen bei Dasypus (Fig. 8). Die genaue Präparation lehrt jedoch, daß eine Schlinge nicht fehlt. Nur haben wir bei diesen Tieren die Be- sonderheit vor Augen, dab der vordere Strang der Ansa Vieussenii eine Strecke weit noch mit dem Vagus verbunden bleibt, um erst weiter caudalwärts sich von ihm zu trennen. Kurz unterhalb der Stelle, wo der hintere Strang der Ansa Vieussenii den Vago-sympa- thieus verläßt, tritt bei Ursus und Bos taurus auch der vordere Strang aus ihm hervor, wodurch die Ansa leicht zu erkennen wird. Bei Felis leo, Canis fam. und Mustela begleitete der vordere Schenkel der Ansa den Vagus bis unterhalb der A. subelavia, um sich sodann dem G. stellatum zuzuwenden (Fig. 13, 14, 16). Bei einer ziem- lich großen Zahl der untersuchten Tiere zweigte sich vom vorderen Strange ein R. cardiacus ab (Echidna, Didelphys, Phascolaretos, Erinacaeus, Phoca, Ateles, Ovang), nur bei Ursus sah ich einen solehen vom Hinterstrange kommen. Beim Menschen kamen in einem Falle von beiden Strängen der Ansa Rr. cardiaci. In einem andern Falle gab der vordere Strang keine Herznerven ab. Bei den Anthropoiden und beim Menschen traf ich statt einer einfachen Schlingenbildung eine Auflösung des sympathischen Nervenstranges in mehrere gesonderte Nervenbahnen, die eine ziemlich verwickelte Plexusbildung in der Umgebung der A. subelavia und ihrer Äste zusammensetzten, während in einem anderen Falle (Fig. 25) die Ansabildung beim Menschen eine überaus einfache war. Hier war sie dem Zustande bei Lepus cunie. sehr ähnlich. Ganglion stellatum (g.si). Ohne Ausnahme verschmilzt bei Säugetieren das G. cervie. in- ferius mit einem oder mit mehreren Brustganglien zu einem großen sympathischen Knoten, der als Ganglion stellatum bezeichnet wird. Bei der Anwendung der Namen Ganglion cervic. inferius muß im Auge behalten werden, daß es sich nieht um einen Knoten handelt, der etwa einem G. thorac. inferius oder einem G. lumbale inferius gleichgestellt werden kann. Das G. cerv. inferius hat nämlich als dasjenige Ganglion zu gelten, das sich durch einen R. communicans mit dem letzten Halsnerven in Verbindung setzt. Der gewöhnlich als 270 A. J. P. van den Broek G. cerv. inferius bezeichnete Knoten verbindet sich hingegen mit mehreren, in Zahl wechselnden Cervicalnerven, so daß es eigentlich mehreren Ganglien am Brust- und Bauchgrenzstrange entspricht. Ein gleiches gilt vom G. c. superius. Das G. stellatum lagert gewöhnlich auf dem Köpfchen der 1. Rippe. Cranialwärts erstreckt es sich bis unter die A. subelavia, erreicht sie bisweilen, wobei es dorsal von ihr bleibt. Caudalwärts erstreckt sich das G. st. bis zum ersten Spatium intercostale. Seine Zusammensetzung aus mehreren Ganglien läßt das G. st. meistens noch durch eine Furche erkennen, die besonders auf der lateralen Fläche des Knotens deutlich ausgeprägt ist. Durch diese Furche wird das G. st. in zwei ungleich große Hälften zerlegt. Die obere Hälfte umfaßt die Eintrittsstelle der Rr. communic. von den Hals- nerven, die kleinere untere Hälfte stellt den Teil vor, der sich mit Thoracalnerven verbindet. Besprechen wir zuerst die craniale Hälfte. Meistens getrennt, bis- weilen direkt oberhalb des Ganglions miteinander verbunden, treten die Schenkel der Ansa Vieussenii in den oberen Rand des G. st. ein. Außerdem senken sich in das Ganglion die Rr. commun. von einer wechselnden Zahl von Halsnerven ein. Abgesehen vom R. communie. des 8. (bzw. 7. und 8.) Halsnerven sind diese Rr. comm. zu einem einzigen Strange verbunden, der in der Literatur als N. vertebralis bekannt ist. Nur bei Echidna und bei Ornithorhymchus fehlte ein solcher Nerv. Der N. vertebralis stellt einen Strang dar, der im Can. transv. der Halswirbelsäule die A. vertebralis begleitet und an deren medialen Seite gelagert ist. In diesen Nervenstrang treten nach und nach die Rr. comm. verschiedener Halsnerven ein (bzw. aus), wobei sie die A. vertebralis ventral kreuzen. Hierdurch wächst der Umfang des N. vertebralis in caudaler Richtung, und der Nerv tritt als ziemlich mächtiges Gebilde aus dem For. transv. des 6. Halswirbels hervor. Sodann verläuft er stets dorsal an der A. subelavia vorüber und tritt in den oberen Randteil des G. st. ein. Der Nerv war bis zu einer wechselnden Höhe zu verfolgen. Bis zum 1. Halsnerven hinauf war er nur bei Trichosurus nachzu- weisen, bei dem er mithin die Rr. commun. sämtlicher Halsnerven führte. Bis zum 2. Halsnerven hinauf sah ich bei Zepus eun., Canis fam. und Erinacaeus, bis zum 3. bei Mus, Phoca, Felis, Ateles, bis zum 4. bei Cuscus, Didelphys, Coelogenys, Dasypus, Bos, Mustela, Ursus und Uynocephalus, bis zum 5. bei Cercopithecus, Hylobates, Orang, indessen er schließlich beim Menschen nach den übereinstimmenden Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 271 Angaben mehrerer Autoren (FRANCK, SAPPEY, HERBET, Autor) höch- stens bis zum 6. Halsnerven hinauf reicht. Hierzu muß bemerkt werden, daß für manche Tiere die obere Grenze der Rr. communie. nicht absolut sicher gestellt werden konnte, daß der N. vertebralis meistens oberhalb des als letztbezeichneten R. communic. noch als äußerst dünner Strang zu sehen war, der sich aber nicht weiter hinauf makroskopisch präparieren ließ. Der Strang war dann an einer solchen Stelle weit dünner als ein R. ceommunie. zu sein pflegte. Ob in der Unmöglichkeit, den N. verte- bralis eranialwärts weiter zu verfolgen, die Ursache dafür erbliekt werden muß, daß bei einigen Tieren eine Diskontinuität in der Ab- gabe von Rr. communie. durch die Halsnerven besteht, kann nicht entschieden werden. Sehen wir uns die Liste von der Ausdehnung des N. vertebralis genauer an, so ist, neben vielen Unregelmäßigkeiten, doch eine ge- wisse Tendenz zur Einschränkung des Gebietes des N. vertebralis in der Säugetierreihe unverkennbar. So ist, um einige Beispiele zu nennen, der N. vertebralis des Menschen am wenigsten ausgedehnt; der Nerv des Orang und Hylobates reicht nur bis zum 5. Halsnerven hinauf, und bei keinem Altweltaffen geht er höher als bis zum 4. Halsnerv hinauf. Bei andern Gruppen, von denen mehrere Species zur Untersuchung gelangten (Carnivora, Rodentia) besaß der N. ver- tebralis wechselnde Ausbreitung. Die Frage nach dem Wesen des N. vertebralis kann als end- gültig gelöst noch nicht betrachtet werden. Ich habe bei der Besprechung des Halssympathicus des Menschen auf die auseinandergehenden Beschreibungen und Auffassungen des Nervenstranges hingewiesen, auch auf den mit der A. vertebralis in den Canalis transversarius der Halswirbelsäule eintretenden Nerven aufmerksam gemacht. Zwei Auffassungen stehen hier einander gegenüber. Erstens wird der N. vertebralis aufgefaßt als das Produkt der Rr. eommunicantes einer bestimmten Zahl von Halsnerven (FISCHER, HERBET, SArpky, AUTOR), zweitens als ein die A. vertebralis begleitender Ast aus dem G. stellatum, der als der Anfang eines sympathischen Plexus dieser Arterie zu betrachten ist (EISLER, GEGENBAUR, SOULIE, HENLE, RAUBER). Ich komme auf Grund meiner anatomischen Beobachtungen zum Schlusse, daß man in dem N. vertebralis das Produkt der Rr. eommunie. von einer bestimmten Zahl von Halsnerven zu erblieken habe, welche durch diesen N. vertebr. mit dem G. stellatum verbunden werden. 272 A. J. P. van den Broek Daneben sehen wir, daß aus den N. vertebralis wahrscheinlich Fasern austreten können, um die A. vertebralis mit einem sympathischen Plexus zu umspinnen und zu begleiten. Zugunsten meiner Auffassung läßt sich Folgendes anführen. Erstens verhalten sich die von den betreffenden Cervicalnerven herkommenden Zweige vollkommen als Rr. comm. Es sind die einzigen Verbindungen dieser Nerven mit dem sympathischen Nerven- systeme. Wenn wir in den Nerven Faserbündel zu erblicken hätten, die direkt von den betreffenden Halsnerven zu dem sympathischen Geflechte der A. vertebralis zögen, dann läge hier ein Verhältnis vor, das an keiner andern Stelle des Körpers wiedergefunden würde. Es würde sich ja um einen starken gesonderten Nerven handeln, der vom sympathischen Nervensystem sich ablöst, eine Arterie, an der er sich verzweigte, erst eine Strecke weit begleitete, und dann unterwegs durch Äste derjenigen Spinalnerven verstärkt wird, die der Nerv in seinem Verlaufe nach und nach passierte. Ein solcher N. vertebralis müßte an Dieke zunehmen, und zwar je höher er in den Can. transv. hinaufstiege. Wir sehen aber gerade das Umge- kehrte. Enthält der N. vertebralis Fasern, die das G. stellatum mit den betreffenden Cervicalnerven direkt verbinden, so muß der Nerv als Produkt von einer bestimmten Zahl von Rami communicantes aufgefaßt werden. Tatsächlich ist, wie aus den experimentellen Untersuchungen von ‚F. Franck und von LAnGLEY hervorgegangen ist, eine dergleiche Verbindung vorhanden. Die Natur des N. verte- bralis dürfte hiermit unzweideutig festgestellt sein. Als weiterer Beweisgrund kann von anatomischer Seite noch die Variabilität im Verlaufe der A. vertebralis angeführt werden. Tritt, was ich beim Menschen wahrnehmen konnte, die Arterie nicht in das For. transv. des 6. Halswirbels ein, sondern in das eines höheren Wirbels, dann treten uns die Rr. communic. des 6. und 7. Halsnerven in vollkommen gleicher Weise entgegen, wie in dem Falle, wo die Arterie ihren normalen Verlauf hat. Es gehen aber von diesen Rr. communic. keine Nerven ab, die das Gefäß umspinnen, und trotzdem besitzt dasselbe einen Plexus sympathischer Fasern, die einer andern Quelle, nämlich dem G. c. medium entstammen (Fig. 25). Schließlich muß ich auf die Befunde bei Wirbeltieren, denen ein sympathischer Strangim Can. transv. derHalswirbelzukommt, hinweisen. Von den Brustnerven sendet eine wechselnde Zahl Rr. commu- nicantes zum G. stellatum. Uber den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 273 Es besteht ein stark ausgesprochener Parallelismus zwischen dem Verbreitungsgebiet der Art. intercostalis suprema und der An- zahl der Rr. communicantes, welche sich zum G. stellatum begeben. Dehnt sich das Gebiet der Arterie z. B. bis in den 3. Intercostal- raum aus, dann sehen wir auch, daß die Rr. comm. der ersten drei Thoracalnerven zum G. st. verlaufen. Der meist caudale R. communic. besitzt dann öfters einen stark ansteigenden Verlauf, um den unteren Pol des Ganglion zu erreichen. Hieraus folgt, daß das erstfolgende Brustganglion im Spatium der ersten, direkt aus der Aorta kommen- den Intereostalarterie liegt. Eine Ausnahme von dieser Regel bildete Ornithorhynchus, bei dem nur die Rr. commun. des 1. und 2. Tho- racalnerven in das G. stellatum eintraten, während die A. intere. suprema bis ins 9. Spatium intere. hinabreichte. Bei Ursus und Orang war die Trennung des Hals- und des Brustteils des G. stellatum so scharf ausgeprägt, daß man von zwei unmittelbar aufeinander folgenden Ganglien mit den zugehörigen Rr. communic. reden konnte. Daß der Parallelismus zwischen dem Verbreitungsgebiete der A. intereostalis suprema und der Zahl der zum G. stellatum ziehen- den Rr. communie. nicht ein bloßer Zufall ist, sondern bestimmten hegeln unterworfen ist, geht aus den Verhältnissen bei den Formen hervor, von welchen mehrere Individuen untersucht wurden. So er- streckte sich bei zwei menschlichen Individuen (Fig. 24 und 25) die Arterie einmal bis in das 3. und einmal bloß in das 1. Spatium intereostale. Übereinstimmend damit fand ich die Rr. communiec.; im ersten Falle zogen die des 1.—3. Thoracalnerven, im zweiten Falle nur derjenige des 1. Thoracalnerven zum G. stellatum. Wahr- scheinlich liegt dieser Eigentümlichkeit im Aufbau des G. stellatum mit seinen Rr. communic. ein entwicklungsgeschichtliches Prinzip zugrunde, worüber weiter unten die Rede sein soll. Am medialen Rande kommt aus dem G. stellatum meistens ein starker Herznerv zum Vorschein (R. cardiacus inferior). Er verläuft medianwärts und begiebt sich bei einer großen Zahl untersuchter Tiere zwischen A. subelavia und Vagus hindurch, wobei er cranial von der Abgangsstelle des N. recurrens bleibt. (Didelphys, Cuscus, Phascolarctos, Lepus, Ursus, Bos, Cercopüthecus, Cynocephalus, Hylo- bates.) Bei andern Formen (Trichosurus, Erinacaeus, Üoelogenys, Mus, Felis, Mustela, Ateles) blieb ein aus dem G. st. austretender Herzast, der als R. card. inf. bezeichnet ist, caudal von der Ab- gangsstelle des N. recurrens. Morpholog. Jahrbuch. 37. 18 274 A. J. P. van den Broek Am caudalen Pole setzt sich das G. stellatum in den Brust- grenzstrang fort. Die Besprechung hierüber bleibt, sowie diejenige über den Bauch- und Beckenteil einem zweiten Abschnitte dieser Untersuchungen vorbehalten. Überbliekt man die Darstellungen vom Halssympathieus der Säuger, so läßt dieser einen allgemeinen Bau- plan nicht verkennen. Ich habe versucht, diesen Bau in Fig. 26 schematisch wieder- zugeben, wo sowohl der Zustand des ge- trennten Vagus und Sympathicus (Fig. 26a), als auch der des Vago-sympa- thieus wiedergegeben sind (Fig. 26 b). Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob in der Säugerreihe auch Unterschiede im Baue, die in irgend- einer Weise mit der fortschreitenden Or- ganisation parallel sehen, zu erkennen sind. In dieser Hin- sicht können zwei Erscheinungen nam- haft gemacht werden. Erstens kommt die Vermehrung der Zahl der Halsganglien bei den Anthropomor- phen und beim Men- schen in Betracht. Bei ihnen beobachten wir öfters eine Vermehrung der Ganglien von drei auf vier. Es sei aber hinzugefügt, daß, wie aus ausgedehnteren Untersuchungen beim Menschen hervorgeht, diese Vermehrung keine konstante Erscheinung ist. An zweiter Stelle muß auf die Ein- schränkung des Gebietes des N. vertebralis hingewiesen werden. Diese Einschränkung findet hauptsächlich bei den Primaten statt. Schema des Baues vom Halssympathicus bei einem Säugetier. Ohne Bildung eines Vago-sympathieus. Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 275 Beim Menschen ist das Gebiet des Nerven am geringsten entwickelt. Diese Erscheinung kann kaum als Zeichen höherer Entwicklung gedeutet werden, da bei den Monotremen ein N. vertebralis gänz- lich fehlt. Es fragt sich nun, zugeben, welche für den Bau des Hals- sympathieus bestim- mend gewesen sind. Es ist hier von vorn- herein zuzugeben, daß erst die Kenntnis der entwicklungs- geschichtlichen Vor- gänge im Halsgebiete uns den Schlüssel ge- ben kann zum Ver- ständnis des Baues vom Halssympathieus. Es seien daher die Unter- suchungsergebnisse über die Morphogenese des sympathischen Nervensystems, so weit sie für unser Thema Interesse bieten, in Kürze wiedergegeben. Wir entlehnen die Angaben hauptsäch- lich den Arbeiten von Oxopy (25) und Hıs jr. (17). Hıs erwähnt, daß SCHENK und BIRDSALL 1878 die Ontogenie des ob wir in der Lage sind, die Ursachen an- OS Schema des Baues vom Halssympathicus bei einem Säugetier. Mit Bildung eines Vago-sympathicus, Halssympathieus bei Säugern untersucht und dabei die Abgliederung der sympathischen Ganglien von den Spinalganglien festgestellt haben. Die Verbindung zwischen den spinalen und den sympathischen Knoten ist anfangs ein Zellstrang, welcher sich erst nach und nach zum faserigen R. communicans ausbildet. Der Halsgrenzstrang tritt als 18* 276 A. J. P. van den Broek einheitlicher Zellstrang auf. In ihm erscheinen erst als spätere Bil- dungen die faserigen Verbindungen zwischen den einzelnen, nunmehr voneinander getrennten Ganglien. Oxopy stellte an Embryonen des Kaninchen und Menschen die Herkunft der sympathischen Gan- glien aus den Spinalganglien fest. Hıs jr. hat hauptsächlich an menschlichen Embryonen und beim Hühnchen die Ausbildung des Halssympathieus im Zusammenhang mit der Entwicklung der Herznerven untersucht und gefunden, daß der Grenzstrang zunächst als Längscommissur der Rr. communicantes angelegt wird (Embryo von 6,9 mm), daß erst später die Ganglien- zellen, die zu sympathischen Zellen werden, einwandern. Im An- fange der 5. Woche ist der Grenzstrang seiner ganzen Länge nach angelegt und besteht aus einem fortlaufenden Zellstrange, innerhalb dessen sich mehr oder weniger ganglienreiche Abschnitte unter- scheiden lassen. Oberes und unteres Herzganglion sind schon zu erkennen. In der 7. Woche der embryonalen Entwicklung sind die drei Halsganglien (G. ce. superius, G. c. medium, G. e. inferius) deut- lich gegliedert; das letzte ist mittels einer Ansa Vieussenii mit dem G. thor. primum verbunden. Die Strecken zwischen den Ganglien sind faserig, obwohl sie noch mehrere Zellen enthalten. Von den Rami cardiaeci gilt folgendes: Die Herznerven stammen von Anfang an sowohl aus dem Vagus als auch aus dem Sympathi- cus. Fasern und Ganglienzellen treten zugleich auf. Beim Embryo von 6,9 mm bestehen zwei Herznerven, von denen einer dem Vagus entstammt und an der Abgangsstelle des N. recurrens sich loslöst. Der zweite entspringt mit doppelter Wurzel aus dem Grenzstrange direkt unterhalb des G. ec. superius. »Die weitere Entwicklung der Herznerven erfolgt in der Weise, daß aus Vagus und Sympathieus unterhalb der Bulbusnerven (die eben erwähnten), neue Zweige her- vorgehen« (l. c., S. 30). Von größter Wichtigkeit ist die schon von Hıs sen. entdeckte Wanderung der sympathischen Ganglienzellen. Diese Eigenschaft scheint mir für das Verständnis des Baues vom Halsgrenzstrange von großer Bedeutung zu sein. Deshalb gebe ich die diesbezüg- lichen Ergebnisse, dem Werke von W. Hıs jun. entlehnt, etwas aus- führlicher wieder. Aus dem Winkel, in welehem die motorische und sensible Wurzel zusammentreffen, entspringt je ein dünner R. com- municans, welche am Halse zu einer hinter der Carotis gelegenen Längscommissur, dem Grenzstrange, zusammentreten. Er besteht bei seinem Austritt aus den spinalen Wurzeln nur aus Fasern, ohne Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 277 alle Beimischung von Zellen, Dagegen geht von dem Vereinigungs- winkel der Wurzeln ein Schwarm von Zellen aus, die, ohne scharf begrenzte Bahnen einzuhalten, beiderseits der Bauchseite zustreben. An einzelnen Stellen bilden sich größere Anhäufungen dieser Zellen, die nichts andres als die späteren Ganglien des Grenzstranges des sympathischen Anteiles vom Vagus, der Herznerven und des Plexus coeliacus darstellen. Außer diesen größeren Zellgruppen kommen in der Nähe der Gefäße kleinere Anhäufungen von Zellen vor, die die Anlage der sympathischen Gefäßplexus darstellen. Das eben Geschilderte gilt vom Hühnchen, von Säugern und vom Menschen in vollkommen gleicher Weise. Immer geht das Aus- wachsen der Rr. communicantes dem Auftreten der Ganglienzellen im Grenzstrange voraus, und die auswandernden sympathischen Zellen sammeln sich stets an Stellen, wo sie auf einen Widerstand stoßen. Die peripheren Ganglien (Herz) entstehen aus den vom Grenz- strange herkommenden und in die Organe eingewanderten sympathi- schen Zellen, welche an der Spitze anwachsender sympathischer Nerven gefunden werden. Der Weg, den die sympathischen Wanderzellen einschlagen, kann ein verschiedener sein. Bei niederen Wirbeltieren (Fische, Batrachier) folgen sie den Venen, bei den höheren Tieren (Vögel, Säuger) dagegen den Arterien. Die sympathischen Ganglien, die öfters in den Zweigen des Vagus gefunden werden, hat man sich in ihrer Entstehung so vor- zustellen, daß sympathische Zellen während ihrer Wanderung sich dem Vagusstamme anlegen und beim Entstehen der Nervenscheide.von ihr umwachsen werden, um nun innerhalb der Scheide ihren Weg fortzusetzen. Die obersten dieser sympathischen Äste legen sich dem Vagus bereits in der Höhe des Ganglion nodosum untrennbar an. Es ist demnach der Vagusstamm von hier an ein gemischter, teils cerebraler, teils sympathischer Natur. Die hervorgehobenen Tat- sachen sind wohl die Ursachen der außergewöhnlichen Variabilität im Verlaufe und im Ursprunge der zum Herzen ziehenden Nerven; es können Zweige, die anscheinend dem Vagus angehören, sehr gut dem Sympathicusstamme entsprungen und nur sekundär in der Vagus- scheide aufgenommen worden sein. Auf Grund der Kenntnis der entwicklungsgeschichtlichen Vor- gänge im Bereiche des Halssympathieus und Vagus läßt sich ein Bild entwerfen, welches zum Verständnisse des Baues bei er- 278 A. J. P. van den Broek wachsenen Säugern beiträgt. Hierbei sollen die Zustände ohne und mit einem Vago-sympathicus berücksichtigt werden. Fehlen eines Vago-sympatbieus. In einem gewissen Embryonalstadium fangen die sympathischen Ganglienzellen an, aus dem Centralnervensystem (bzw. den Interver- tebralganglien) auszuwandern und sind bald darauf ziemlich regel- mäßig im Halsgrenzstrange verteilt (menschlicher Embryo aus der 5. Woche). Der Halsteil des Grenzstranges unterscheidet sich vom thoracalen Teile dieses Gebildes von Anfang an dadurch, daß er in seinem Verlaufe nicht durch metamer angeordnete Arterien gekreuzt wird, auch nicht durch die Anlagen der Rippen, daß er vielmehr frei im Bindegewebe gelagert ist. Dieser Umstand ist die Ursache dafür, daß den wandernden sympathischen Ganglienzellen nur an ganz bestimmten, wenigen Stellen ein Widerstand in den Weg gelegt wird. Die Zellen können sich im Grenzstrang unbehindert ihrem zweck- mäßigen Lagerungsplatze zuwenden. Ein Teil der Zellen wandert cranialwärts und häuft sich unterhalb der Schädelbasis an der Teilungsstelle der Carotis zu einer einzigen Masse an, die wir als G. e. superius kennen. Ob die maulbeerartige Oberfläche beim Fötus vom Bos taurus der Ausdruck vom Zusammenfluß mehrerer Ganglienzellengruppen ist, ist immerhin möglich. Die Beobachtung muß hier entscheiden. Eine ähnliche Oberfläche am entsprechenden Knoten beobachtete ich auch bei menschlichen Föten. Welcher Teil der Zellen die Wanderung in cranialer Richtung durchmacht, wird abhängig sein müssen von den Verbindungen, die das sympathische Nervensystem mit den letzten vier (drei) Hirnnerven und den oberen Cervicalnerven eingeht. Der übrige Teil der Ganglienzellen wandert wohl in Übereinstimmung mit anderen Organen (Herz, Lungen usw.) caudalwärts. Hier wird einem Teil der Zellen durch die quer ver- laufende Art. subelavia ein Hindernis in den Weg gestellt. Die engen Beziehungen zwischen A. subel. und dem Grenz- strang hat uns HOCHSTETTER (18) kennen gelehrt. Ursprünglich liegt der (noch zellige) Grenzstrang ventral von der A. subelavia. Nach und nach jedoch dringt die Arterie im Zusammenhang mit den Umbildungen im arteriellen System in die Zellmasse des Grenz- stranges hinein und teilt ihn in zwei Hälften, welche die Stränge der Ansa Vieussenii bilden. Es wird auf diese Weise verständlich, daß viele sympathische Ganglienzellen eranial von der Arterie sich Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 279 anhäufen und Anlaß zur Bildung eines Ganglion cerv. medium geben, welchem wir meistens auch beim erwachsenen Tiere kurz oberhalb der A. subel. begegnen. Bei Phascolarctos lag es der konvexen Fläche der Arterie direkt an. Bisweilen durchsetzt die Arterie den ganzen Strang, welcher dann dorsal von ihr zu liegen kommt (Cuscus, Trichosurus, Ornithorhynchus). Bei Cuseus war von einem G. cerv. medium nichts zu finden. Wir können hier der Vermutung Raum geben, daß die Zellen weiter caudalwärts gewandert und in die Masse des G. stellatum aufgenommen worden sind. Bei Trichosurus war die Verbindung beider Ganglien ein kurzer dicker Strang, der vielleicht als langgestreckte Ganglienmasse gedeutet werden kann. Ähnliches sehen wir beim Kaninchen. Hier hat die Arterie beinahe den ganzen Grenzstrang durchsetzt; die Zellwanderung hat wahr- scheinlich noch nicht ganz aufgehört und hat dorsal von der A. sub- clavia eine Verschmelzung von G. ec. medium und G. stellatum ver- anlaßt. Übereinstimmendes zeigten Phoca und einmal der Mensch (Fig. 25). Eine hiermit vergleichbare Erscheinung wurde ein andres Mal beim Menschen gefunden. Die Differenz im Verlaufe der A. vertebralis ist wahrscheinlich die Ursache für die verschiedene An- ordnung der Ganglien in den beiden Fällen, die ich in den Fig. 24 und 25 wiedergegeben habe. Auf Fig. 25 sieht man die Masse des G. e. medium der A. vertebralis folgen und, dorsal von der A. sub- clavia fast ununterbrochen in die Masse des G. stellatum über- gehen. Derjenige Teil der Ganglienzellen, der die A. subelavia passiert, häuft sich auf dem Köpfchen der 1. Rippe an und trägt zur Bildung des G. stellatum bei. Schlagen die wandernden Ganglienzellen nach Hıs den durch die Arterien vorgezeichneten Weg ein, so treffen wir im Verlaufe der A. intercost. supr. die Zellmassen an, welche als obere Thoracalganglien zur Bildung des G. stellatum beitragen. Damit wird die Übereinstimmung zwischen den Verbreitungsgebieten der A. intercost. suprema und des G. stellatum verständlich. Die Zusammensetzung dieses Knotens aus zwei Teilen, einem Hals- und einem Brustabschnitte, findet ihre Erklärung. Die A. intercost. sup- rema spielt hierbei die primäre Rolle. Ihr Auftreten ist nach HocH- STETTER höchstwahrscheinlich verursacht durch »den Schwund der rechten Aortenwurzel einer- und die Lageveränderung der linken Aortenwurzel anderseits< (l. e., S. 577). Nach der Ausbildung der A. intercost. suprema, welche HocHsTETTER beim Kaninchenembryo im Stadium des zelligen Grenzstranges (Embryo 13 Tage) gesehen hat, 280 A. J. P. van den Broek können die sympathischen Elemente der Arterie sich entlang dem G. stellatum in sekundärer Weise zuwenden. Nach dem Versuche, die Entstehungsweise der Halsganglien zu schildern, haben wir nun der Anordnung der Rr. communicantes mit einigen Worten zu gedenken. Was diejenigen betrifft, welche direkt zu einem der Halsganglien ziehen, so braucht Erklärendes über sie nicht ausgesagt zu werden. Über die Genese des N. vertebralis muß indessen einiges erwähnt werden. Sie ist bisher völlig unbekannt geblieben. Man kann sich von der Entstehung des N. vertebr. eine Vorstellung bilden, wenn wir sie in Beziehung bringen mit dem, was wir nach Hıs jr. (17) von der Entstehungsgeschichte beim Hühnchen wissen. Ich verweise dies- bezüglich auf die weiter unten folgenden Besprechungen über die vergleichende Anatomie des Halsstranges von Säugern und andern Amnioten, insbesondre den Vögeln. Vorkommen eines Vago-sympathieus. Einige kurze Bemerkungen über die Tiere mit einem Vago- sympathicus mögen diese Betrachtungen beschließen. Es ist leicht einzusehen, daß auch hier die von Hıs jr. aufgestellten Regeln über die Anhäufung der sympathischen Ganglienzellen zur Geltung ge- langen werden. Nicht nur da, wo die Arterien oder ihre Verzwei- gungswinkel den Zellen ein Hindernis in den Weg setzen, sondern auch an den Teilungsstellen von Nerven findet man die embryonalen Zellen sich anhäufen. Es ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, daß das G. cerv. medium bei den Tieren mit einem Vago-sympathiecus oftmals gerade an der Stelle gefunden wird, wo der Nerv sich in seine beide Komponenten auflöst, oder der hintere Strang der Ansa Vieussenii aus ihm hervortritt (Canıs, Ursus, bos taurus). Eine eigentümliche Erscheinung bot Maustela dar. Hier war ein Teil des G. cerv. medium längs des Vago-sympathicus weiter caudalwärts gerückt und hatte erst caudal von der A. subelavia sein Ende er- reicht, wo der Nerv in drei Stränge, nämlich den Vagus, den N. recurrens und den Sympathicusast sich aufteilte.e Durch andre Bei- spiele, die den Befunden bei Phoca, Anthropoiden und beim Men- schen zu entnehmen sind, läßt sich die Erscheinung der Ganglien- bildungsart leicht vermehren. In welcher Weise die Bildung eines einheitlichen Vago-sym- pathieus zu stande kommt, läßt sich vorläufig nicht sagen. Es kann nur auf das hingewiesen werden, was Hıs jr. von der Entstehungs- Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 281 weise der Herznerven und von deren Einschließung in den Vagus sagt. Vielleicht hat sich ein ähnlicher Vorgang auch bei der Genese des Vago-sympathieus abgespielt. Es bleibt noch die Frage nach der Homologie der Ganglien im Halsteile des Sympathicus bei den Säugern zu erörtern. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, begegneten wir drei Ganglien, welche ihre Entstehung vielleicht dem Entwicklungsprinzip verdanken, das ich bereits zu skizzieren versucht habe. Sie waren dann ihrer Genese nach untereinander vergleichbar. Es läßt sich jedoch zeigen, daß in den Ganglien bei verschiedenen Säugern nicht gleichwertige Massen von Zellen angehäuft sind und daß diese Ganglien nach ihrer physiologischen Bedeutung einander nicht entsprechen können. So wird die Reizung eines Ganglions bei einem bestimmten Tiere nicht ohne weiteres die gleichen Effekte erzielen, wie diejenige eines scheinbar gleichwertigen Ganglions bei einem andern Tiere, selbst wenn es derselben Species angehört. Immer werden die vom betreffenden Ganglion ausgehenden Verbindungen maßgebend für die verschie- denen Effekte sein müssen. Hierfür mögen die aus den Arbeiten von LANGLEY entnommenen Resultate als Belege dienen: Diejenigen Nervenfasern, deren Zellen im Centralnervensystem lagern und die von hier aus zum sympathischen Nervensystem (zu den Ganglien) verlaufen, nennt LAnGLEY präganglionäre Fasern, solehe, deren Zellen in den sympathischen Ganglien lagern und welche ihre Ausläufer zur Peripherie, zu den Üerebrospinalnerven, Blutgefäße und Eingeweide entsenden, postganglionäre Fasern. Die präganglionären Fasern sind auf den 1. (bzw. 2.) Thoracalnerven bis hinab zum 4. oder 5. Lumbalnerven beschränkt; sie verlaufen in dem weißen Aste des doppelten Ramus communicans. Hieraus geht hervor, daß das G. stellatum bei verschiedenen Organismen, selbst wenn von einer Species stammend (z. B. Mensch) in sehr ver- schieden ausgedehnter Weise mit dem Üentralnervensystem in Ver- bindung sein kann, was aus der verschiedenen Zahl von präganglio- nären Fasern, die dem Ganglion zugeführt werden, sich ergibt. Beim Menschen fand Harman den 1. Thorocalnerv immer im Besitz von weißen, präganglionären Fasern. Gelegentlich fand er auch einen kleinen weißen Ast vom 8. Halsnerven. SHERRINGTON fand beim Affen, daß der 1. Thoraealnerv der oberste war, welcher nach Reizung Erweiterung der Pupille ergab (zitiert nach LanLey). LAnG- LEY beobachtete auch an Kaninchen und Hunden, daß der 1. Thora- calneryv als erster präganglionäre Fasern führte (1. e., S. 825). In 282 A. J. P. van den Broek gleicher Weise müssen nun auch Zahl und Ausbreitung der post- ganglionären Fasern von einem und demselben Ganglion wechselnder Natur sein. In der That fand z. B. FLETCHER, daß beim Kaninchen in der Bahn des N. vertebralis Gefäßverengerer zum N. aurieularis magnus und damit zum ÖOhre verliefen. Wenn nun dieser Nerv, wie z. B. bei den Primaten, den Ursprung des N. aurieularis magnus nicht erreicht, so kann er diesem Nerven auch keine gefäßverengenden Fasern zuschicken und kann dem Nerv beim Kaninchen nicht gleich- wertig sein. LAnGLEY fand, daß das G. cerv. medium (er nennt es G. ce. inferius), wohl Fasern zum Herzen, jedoch nicht zur Haut (Katze) schickt und daß diese Fasern durch die Rr. communicantes den betreffenden Spinalnerven zugeführt werden. In Einklang hiermit stehen die anatomischen Beobachtungen, nach denen das @. e. medium gewöhnlich nicht durch Rr. communic. mit Spinalnerven verbunden ist. Wenn wir beim Menschen eine solche Verbindung antreffen, so erlangt -das G. cerv. medium dadurch eine ganz andre Bedeutung. Daneben bleibt die Vermehrung und wechselnde Größe der Ganglien bei Anthropoiden und beim Menschen erwähnenswert. Als Ursache für eine Aufsplitterung der Ganglienmasse in mehreren Knoten könnte die eigentümliche Plexusbildung im sympathischen System, haupt- sächlich in der Umgebung der A. subelavia, namhaft gemacht werden. Die Zellenmassen könnten bei der Aufsplitterung an Teilungsstellen verschiedener Nervenstämme liegen geblieben sein, wie man es bei den Tieren mit Vago-sympathicus beobachtete. Mitden anatomischen Befunden stimmen auch die physiologischen Ergebnisse von der Ausbreitung der postganglionären Fasern über- ein, die vom G. cerv. superius ausgehen und nach LAnNGLEY zu den ersten drei Hals- und verschiedenen Kopfnerven verlaufen, dabei auch Fasern besitzen, welche die Zweige der Carotis externa be- gleiten. »Dieses Ganglion gibt also sowohl Eingeweide wie Haut- zweige ab« (l. c., S. 839). Beim Studium der vergleichenden Anatomie des sympathischen’ Nervensystems können verschiedene Wege eingeschlagen werden. Versucht man den Grenzstrang nach topographischen Prinzipien in Kopt-, Hals-, Brust-, Bauch- und Beckenabschnitt einzuteilen, so ist Vergleichung innerhalb derjenigen Tiergruppen, welche eine solche Einteilung des Körpers durchführen lassen, unter Umständen mög- lich. Man stößt jedoch auf unüberwindliche Hindernisse, wenn diese Abschnitte nicht scharf bestimmbar sind oder fehlen. Fernerhin ist Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 283 versucht worden, die Abschnitte des sympathischen Systems ver- schiedener Tiergruppen untereinander zu vergleichen, und zwar auf Grund der Äste des Sympathieus und der von ihnen versorgten Organe. Aber auch hier begegnet man Schwierigkeiten, sobald man niedere Vertebraten in Betracht zieht, z. T. deshalb, weil die Gan- glien, von denen die betreffenden Zweige bei Säugern ausgehen, fehlen, z. T. weil der Sympathicus in den Vagus aufgenommen sein kann. JacQuET kam denn auch zu dem Schlusse: »Que toute com- paraison (du systeme sympathique cervical), aussi superficielle qu’elle soit, devient impossible« (l. e., S. 286). Ein andrer Weg bei der Vergleichung würde der folgende sein. Als untere Grenze des Halssympathieus der Säugetiere wurde das Ganglion bestimmt, das sich mit dem R. communicans des letzten (8.) Cerviealnerven verband. Hiernach muß der homologe Verbindungs- ast bei andern Tieren bestimmt werden. Die Eintrittsstelle des R. communicans in das Ganglion gibt dann die untere Grenze des Halssympathieus an. Auch diese Methode scheint mir nur schwer durchführbar zu sein. Weiterhin könnte man, was BIDDER und VOLKMANN (2) für den Frosch durchführten, die Verbindungen von sympathischen und Cerebrospinalnerven auf das Vorkommen von nach LAnGLeY als prä- und postganglionär bezeichneten Fasern untersuchen, um auf diese Weise die Grenzen der Verbindungen vom centralen und sympathischen Nervensystem festzustellen und zu vergleichen. Schließlich könnte man nach dem Vorgehen von Hıs und Horrmann die Entwicklung untersuchen, und dasSchicksal der aus den verschiedenen Nerven entstandenen Ganglien und Verbin- dungsäste feststellen und vergleichen. Wir besitzen bereits ausführ- liche Beschreibungen über das Auftreten der sympathischen Ganglien, bei Selachiern und Urodelen von Horrmann, bei Fischen, Anuren und Vögeln von Hıs, bei Säugern von Oxopy und Hıs. Eine strenge Vergleichung des sympathischen Nervensystems ist indessen auf Grund der Entwicklungsgeschichte bis jetzt nicht durchgeführt. Sie ist zur Zeit nur für die Säuger und Vögel ermöglicht. Der ursprüngliche Grenzstrang, der am Ende des 4. Bruttages entsteht, liegt nach den Untersuchungen von Hıs beim Hühnchen unmittelbar hinter den Carotiden, bzw. zu beiden Seiten der Aorta. Am 8. Tage der Bebrütung bildet sich unmittelbar vor diesem Strange ein zweiter Grenzstrang, der den ersten an Mächtigkeit bald übertrifft und bei der Differenzierung der Wirbelbögen von diesen eingeschlossen wird. Was aus dem ursprünglichen Strang wird, ver- 284 A. J. P. van den Broek mag Hıs nicht anzugeben; schon am 10. Bruttage hat er ihn nicht mehr als selbständige Bildung nachweisen können. Zu gleicher Zeit bildet sich im obersten Halsteil eine doppelte Anlage von den obersten Spinalganglien, sowie vom Vagus aus. Aus dem ersteren wird das Ganglion gebildet, welches eine Stellung einnimmt, wie sie bei den Säugern das G. cerv. superius zeigt. Es entsendet zwei Äste zu den vor ihm befindlichen Hirnnerven und einen mit Ganglien durchsetzten Zweig, der mit einem Vaguszweig in das Herzgeflecht übergeht. Daneben besteht ein zweites Ganglion primum. Es bildet das obere Glied einer Kette, die als Fortsetzung des sekundären, bleibenden Grenzstranges im Wirbelkanal verläuft und an jeder Spinalnervenwurzel, auch an der ersten, ein Ganglion besitzt. Hıs hat auch im unteren Halsganglion des Vagus (Ganglion von COUVREUR) eine Anhäufung sympathischer Elemente in embryonaler Zeit an- getroffen. Vergleichen wir die Befunde bei Vögeln und Säugern, so treffen wir inbetreff des im Canalis transversarius verlaufenden Teils des Grenzstranges zwei Unterschiede an. Erstens fehlt bei den Säuge- tieren die Verbindung des N. vertebralis mit dem G. cerv. superius und zweitens fehlen, wenigstens makroskopisch, am N. vertebralis die Ganglien. Obschon die Beobachtungen ausstehen, so erscheint es mir doch nicht unmöglich, daß dem N. vertebralis eine ähnliche Entwicklung zukomme, wie dem Vertebralstrange (sympathique apo- physo-cervical) der Vögel. Der N. vertebralis liegt stets dorsal von der A. subelavia und zieht an ihr vorüber zum G. stellatum, in gleicher Weise wie die Rr. communicantes des 7. und 8. Halsnerven. In dem Entwicklungsstadium, in welchem der Halsgrenzstrang in ganzer Länge als ein Zellstrang besteht, lagert dagegen die Art. subelavia dorsal von diesem Strange (HoCHSTETTER). Die Art. subelavia be- gibt sich nach HocHSTETTER quer durch den Grenzstrang hindurch. Die schon anwesenden Rr. communicantes können nun nach eingetretener Verlagerung der Arterie entweder caudalwärts aus- wachsen, was mir aber nicht als wahrscheinlich vorkommt, oder sie können an ihrer ursprünglichen Stelle, gleich wie bei den Vögeln, rückgebildet werden, um dann von neuem aufzutreten und, im Verte- bralkanale eingeschlossen, dorsal von der A. subelavia zum @. stella- tum sich zu begeben. Ein N. vertebralis fehlt bekanntlich bei den Monotremen, bei denen erst sehr spät eine Verschmelzung von Proc. transv. und Rippenrudiment auftritt. Hierdurch ist wohl ein gleicher Entwicklungsgang für den »sympathique apophyso-cervical« der Vögel Über den Bau des sympathischen Nervensystems der Säugetiere. 285 und dem N. vertebralis der Säuger angedeutet; aber ihre Homologie ist dadurch noch keineswegs bewiesen. Dem dünnen und Läsionen leicht ausgesetzten Halse der Vögel schreibt Tu&BAuLr das Zustandekommen der Lage des Stranges im Canal. vertebr. mit der Bemerkung zu: »Le sympathique a d’autant plus besoin d’etre protege que son pneumogastrique lest moins, d’ot: inelusion du sympathique dans le canal vertebral.« Daß eine derartige teleologische Anschauung, für etwaige Homologisierungen oder für genetische Erklärungen vollkommen wertlos ist, liegt auf der Hand. Er homoligisiert dann, ebenso wie FRANCOIs FRANCK, den N. vertebralis der Säuger mit dem Grenzstrange (sympathique apophyso- cervical von THEBAULT), im Can. transv. der Vögel (l. e., S. 131). Auch Tu&£BAuLTt hebt den Unterschied zwischen beiden in dem Fehlen der Ganglien im Verlaufe des N. vertebralis hervor. Hier- von sagt er: »Avant d’accepter leur absence, il faudrait d’abord demontrer qu’ils n’existent pas, ce qui n’a pas encore £t& fait Jus- quiei, que je sache. Les ganglions existent probablement, mais ils sont fusionnes ou dissemines sur l’artere vertebrale, ce qui ne se presente jamais dans les groupes inferieurs« (]. e., S. 129). Mir scheinen beide Gebilde nicht homolog zu sein. Ich meine vielmehr, in dem N. vertebralis eine Bildung erblicken zu müssen, die viel- leicht eine gleiche Entwicklung besitzt, wie der Vertebralstrang der Vögel, jedoch nur einem Teile dieses Stranges homolog ist. Die Ganglien, die TuEBAULT als G. c. superius, G. ec. medium und G. e. inferius (Ganglion de COUYREUR) bezeichnet, sind im Va- gus eingeschlossen. Nach THEBAULT ist auch der Sympathicusstrang selbst in dem Vagus eingeschlossen. Aus den Untersuchungen von Hıs jr. ist hervorgegangen, daß die Ganglien im Vagusgebiete aus sympathischen Nervenzellen aufgebaut sind, daß der primär außer- halb des Can. transv. verlaufende Grenzstrang verschwindet und an seine Stelle der »sympathique apophyso-cervical« tritt. Bei den Säugern bleibt der extravertebral verlaufende Grenzstrang bestehen. Die sympathischen Ganglienzellen befinden sich gleichfalls extra- vertebral. Nur der N. vertebralis soll intravertebral kommen. Eine Vergleichung, auf entwicklungsgesehichtlicher Basis geführt, läßt das Verhältnis des Halssympathicus der Vögel zu dem der Säuger folgendermaßen erscheinen: Bei beiden Gruppen entstehen die Rr. communicantes sehr frühzeitig. Aus einer durch sie gebil- deten Längscommissur geht der primitive Halsgrenzstrang hervor. Darauf wandern von den Spinalganglien sympathische Zellen aus. 286 A. J. P. van den Broek Unter Schwund des primären Grenzstranges (oder Aufnahme in den Vagus?) werden die Zellen bei den Vögeln in den Vagus aufge- nommen. Es bildet sich ein sekundärer Strang aus, der, durch die Verbindung von Proc. transv. und Proe. costarius innerhalb des Can. transversarius zu liegen kommt. Bei den Säugern geht ein Teil der sympathischen Nervenzellen gleichfalls in den Vagus über (Hıs jr.). Der primäre Grenzstrang bleibt jedoch bestehen und bildet die gangliösen Anschwellungen durch Anhäufung von sympathischen Zellen. Die Rr. communic. gehen wahrscheinlich in einer gewissen Zahl zugrunde, und der N. vertebralis bildet sich in sekundärer Weise aus, indem er die Ver- bindung zwischen Ganglien und Spinalnerven aufs neue herstellt. Eine strenge Verknüpfung der anatomischen und entwicklungs- geschichtlichen Forschungsresultate ist auf dem Gebiete des Sympa- thieus noch nicht durchführbar. Allzu leicht wird man auf spekula- tive Wege geführt, will man hier die anatomischen Befunde aus den ontogenetischen Zuständen erklären. Die Ursache hierfür liegt wohl in den großen Lücken unsrer Kenntnis von den Letzteren. Ich hoffe, späterhin einige derselbe durch weitere embryologische Beiträge ausfüllen zu können. 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Dieses erscheint mir besonders notwendig, um, nachdem ich auf die bereits erreichten Resultate werde hin- gewiesen haben, imstande zu sein, die Aufgaben der künftigen Forschungen auf diesem Gebiete anzudeuten. Eine historische Übersicht über die Anhäufung von Tatsachen und Schlußfolgerungen erscheint mir für meine Zwecke umsoweniger geeignet, als sich solche Übersichten bereits sowohl in den Ein- leitungen zu diesbezüglichen Arbeiten als auch in speziellen Referaten vorfinden. Ich will den heutigen Stand der Frage nur dadurch näher zu charakterisieren suchen, daß ich die einzelnen existierenden Ansichten und Schlüsse nicht in ihrer historischen Entwicklung schildere, sondern sie ihrem Sinne nach zu Gruppen vereinige und diese als einzelne Richtungen in der Metamerielehre darstelle; doch will ich dabei bestrebt sein, auch in Kürze die Wege der For- schungen zu verfolgen, die zu diesen Ansichten geführt haben, und zeigen, inwiefern die theoretische Seite der Frage der tatsächlichen entspricht. Dadurch wird auch, wie mir scheint, der Inhalt meiner Unter- suchungen im engsten Zusammenhange mit den bereits vordem er- Morpholog. Jahrbuch. 37. 19 290 D. Filatoff reichten Resultaten stehen, und die Ursachen, welche mich bestimmt haben, aus dem großen Gebiete, das die Lehre von der Metamerie umfaßt, der einen oder andern Erscheinung den Vorzug zu geben, werden sich aufklären. Dem literarischen Abschnitte schließen sich in meiner Arbeit der beschreibende Teil und die Schlußfolgerungen an. Die übliche Me- thode, das Tatsächliche den Stadien nach zu schildern, erschien mir jedoch der Übersichtlichkeit wenig Rechnung zu tragen, da bei der Beschreibung vieler Organe die jedes einzelne derselben betreffenden Daten in Abhängigkeit von der Menge der Stadien sich über die ganze Arbeit zerstreuen müßten. Sich auf Grund einer solchen Be- schreibung eine Vorstellung vom Entwicklungsprozeß der einzelnen Teile zu bilden, ist zum mindesten schwierig, weshalb ich auch die Schilderung der Stadien nach Möglichkeit auf ein Minimum zu redu- zieren suche, um nur ein ganz allgemeines Übersichtsbild der ge- meinsamen Veränderungen der betreffenden Organe zu entwerfen und dann zur detailierten Schilderung des Entwicklungsmodus jedes einzelnen überzugehen. Auf diese Weise, scheint mir, läßt sich besser eine Übersicht der Aufeinanderfolge der Umwandlungen gewinnen, welche die einzelnen Organe im Zusammenhange mit den im ganzen Embryo vor sich gehenden Veränderungen durchzumachen haben. Kritische Bemerkungen über die herrschenden Ansichten. Anatomische und embryologische Untersuchungen haben gezeigt, daß der Wirbeltierkopf mehrere Reihen von serialen Gebilden auf- weist. Diese serialen Reihen werden durch die Somiten, die Kiemen- spalten, die Kiemenbögen, die Nerven und die Neuromeren repräsen- tiert. Die Kiemenspalten und -bögen abgerechnet, finden sich all diese Gebilde auch im Rumpfabschnitt vor; dieser letztere Umstand und der, daß die Somiten der Oceipitalregion als unmittelbare Fort- setzung der Rumpfsomiten sich in nichts von den letzteren unter- scheiden, zwingen uns, den Kopf als ein ebenso metameres Gebilde wie den Rumpf aufzufassen; doch läßt sich dies natürlich nicht bedingungslos behaupten, da augenscheinlich nicht sämtliche Reihen des Kopfes und Rumpfes in ihrer ganzen Ausdehnung identisch sind. Nachdem die diesbezüglichen Tatsachen bekannt geworden waren, mußten die Forscher es sich natürlich angelegen sein lassen, auf die eine oder andre Weise die morpholögische Bedeutung derselben aufzudecken und ihre gegenseitigen Beziehungen zu erkennen. u en Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 291 Auf diese Weise spalteten sich die Probleme des Kopfes in mehrfacher Weise. Es mußte die Frage gelöst werden, ob alle Meso- dermdistrikte, in welche das Kopfmesoderm zerfällt, den Rumpf- somiten entsprächen; oder ob dies nur für die Oceipitalregion zuträfe. Stellen die Kopfnerven eine Fortsetzung der serialen Reihe des Rumpfes dar? Was stellen die Neuromeren vor? Haben wir in den- selben ebenfalls eine Erscheinung der Metamerie vor uns, oder haben sie eine andre Bedeutung? Wie muß der Kiemenapparat aufgefaßt werden; entspricht die denselben bildende Reihe von Kiemenspalten der allgemeinen Segmentierung des Kopfes? Und bilden endlich die verschiedenen im Kopfe vertretenen serialen Reihen von Organen auf diese Weise ein System von Segmenten, so daß einem jeden Segment ein Nerv, ein Somit und ein Kiemenbogen entsprechen ? Die Lösung dieser Fragen im einen oder andern Sinne bestimmt die dem Autor eigne Auffassung vom Urtypus, von der Formenein- heit, welche als Ausgangspunkt des Kopfes der heutigen Wirbeltiere angesehen werden muß. Im Zusammenhange mit der Lösung dieser Fragen und mit der Art und Weise, auf welche sich die Vorstellung von diesem Aus- gangstypus bildete, tauchte natürlich auch die folgende Frage auf: Welche Wege hat dieser Grundtypus zur Erreichung der einen oder andern Form des Wirbeltierkopfes eingeschlagen ? Die Lösung dieser Aufgabe hat einer ganzen Reihe von Ansichten über die Verände- rungen, welche die Evolution des Kopfes begleitet haben, den Ur- sprung gegeben. Die Gesamtheit der Ansichten über den Grundtypus und dessen Umwandlungen ist eben das, was den heutigen Stand der Lehre von der Metamerie des Kopfes charakterisieren und die Bahnen für weitere Forschungen weisen muß. Ich will versuchen, in größtmöglichster Kürze die wesentlichsten Ansichten und die durch dieselben hervorgerufenen Strömungen dar- zulegen. Unter allen Theorien existiert eine, die am besten die die Metamerie betreffenden Tatsachen zusammenfaßt. Dieselbe strebt dahin, sämtliche Reihen serialer Gebilde des Kopfes auf solche Weise in eine einzige Metamerenreihe zu vereinigen, daß der Nerv, der Somit, der Kiemenbogen und, nach Ansicht einiger Autoren, auch das Neuromer Teile ein und desselben Segments bilden. Bei einer solchen Erklärung der Tatsachen haben die Anhänger dieser Theorie bereits eine vollendete Vorstellung vom Urtypus des Kopfes ge- E32 292 D. Filatoff wonnen: sie setzten voraus, daß, wenn sich auch heute nicht für ein jedes Glied irgendeiner serialen Reihe die zur Bildung eines vollständigen Segments etwa fehlenden Organe nachweisen ließen, ein solches Fehlen als Folge später vor sich gegangener Umwand- lungen zu betrachten wäre, während ursprünglich eine völlige Über- einstimmung zwischen sämtlichen Reihen vorhanden war. Als Begründer dieser Theorie kann man v. WuHE (1) und GEGENBAUR (2) nennen; von späteren Forschern haben sich zugunsten derselben besonders NEAL (3) und KoLTzorFr (4) ausgesprochen, welche den Begriff des Metamers der früheren Autoren noch durch Hinzufügung des Neuromers erweitern. Es muß allerdings bemerkt werden, daß die Begründer der Theorie gewisse Vorbehalte aner- kannten, welche den Kopf nicht als direkte, genetisch nicht von der Rumpfregion unterschiedene Fortsetzung erscheinen lassen. Schon das Vorhandensein des Kiemenapparates spricht für sich; außerdem erkennt z. B. v. WısHE die völlige Identität der Kopf- und Rumpfsomiten an, weist jedoch auf einen Unterschied zwi- schen den Nerven beider Regionen hin, welcher darin besteht, daß die Anlagen der sensiblen Nerven im Kopfe über den Somiten, im Rumpfe dagegen unter denselben liegen. GEGENBAUR stellt sich nach Erscheinen der embryologischen Untersuchungen v. WIJHES ebenfalls auf dessen Standpunkt und, trotzdem SEWERTZOFF später nachwies, daß der Unterschied in der Lage der Nerven im Ver- hältnis zu den Somiten mit der unvollständigen Entwicklung der oberen Abschnitte der Kopfsomiten im Zusammenhange stehe und folglich nicht als Hinweis auf einen tiefgehenden Unterschied zwi- schen Kopf- und Rumpfnerven dienen könne, so brachten doch neue Untersuchungen (FRORIEPS [6] und Dourns [7]) wieder einige Tatsachen, die zugunsten der ersteren Ansicht sprachen. So fand FRORIEP, daß die Kopfnervenleiste sich unter das Vorderende der Rumpfnervenleiste schöbe, und DoHRN wies in der Gegend der Vagusanlage noch das Vorhandensein von Anlagen der Rücken- wurzeln nach. Dieser zwischen den Kopf- und Rumpfnerven sich bemerkbar machende Unterschied, das Vorhandensein eines Kiemenapparates und einiger andrer Eigentümlichkeiten im Kopfe einerseits und die völlige Identität der Somiten der Oceipital- und Halsregion ander- seits verursachten eine Einteilung der Kopfregion in einen palin- genetischen und einen eönogenetischen, oder einen präspinalen und einen spinalen Abschnitt (davon wird weiter unten noch die Rede Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 293 sein); doch wird dadurch die Bedeutung der alle serialen Reihen des Kopfes zu einer Segmentreihe vereinigenden Lehre keineswegs beeinträchtigt. Eine solehe Einschränkung findet sich in andern Arbeiten, deren Autoren im einen oder andern Sinne das Schema zu berichtigen suchen. An erster Stelle ist hier die Arbeit Aur- BORNS (8) zu erwähnen, welcher sich aufs entschiedenste gegen eine Übereinstimmung der Meso- und Branchiomerie ausspricht. Ihm folgten eine Reihe Autoren, die den vorderen Abschnitten des Kopfmesoderms die Bedeutung von Somiten absprechen (KAsr- SCHENKO [9], RABL [10], SEWERTZOFF [5], Rex [11 und 12)). Was die Neuromeren anbetrifft, so existiert ebenfalls die Ansicht, daß dieselben Gebilde darstellen, die in keinerlei Beziehung zu den Segmenten stehen (MicHALKowITZ [13], FRORIEP [14)). Überhaupt existiert, wie mir scheint, nur ein Abschnitt des Kopfes, über den keine Meinungsverschiedenheiten herrschen, das sind die Oceipitalsomiten, welche als mit den Rumpfsomiten identisch anerkannt werden und eine Fortsetzung derselben bilden. Welche Tatsachen liegen nun all diesen Anschauungen zu- gsrunde? Mir scheint, daß die Vorstellung vom Kopfe, als einem Gebilde aus einer Reihe von sämtliche Organe umfassenden Metameren, auf einer aprioren Auffassung der Metamerie beruht. Wenn wir auf eine Reihe von Somiten, darunter auf eine Reihe von Kiemenspalten und über denselben auf eine Reihe von Nerven- falten stoßen, so konnte natürlich der Gedanke auftauchen, daß diese Verhältnisse auf irgendeine gemeinsame Ursache zurück- zuführen seien, deren gleiche Wirkung auf die verschiedenen Organ- systeme die Bildung von übereinstimmenden serialen Reihen hervor- gerufen habe. Ich will diese Voraussetzung als aprior gelten lassen, denn die Erklärung der Tatsachen, auf welchen die erwähnte Vor- stellung von der Segmentation beruht, erscheint mir nicht ganz vorurteilsfrei. So müssen z. B. zugunsten der Übereinstimmung zwischen Branchiomerie und Mesomerie folgende Befunde sprechen: Beim Amphioxus (HATSCHER [15]) kommt am Anfang der Entwick- lung der Kiemenspalten eine bestimmte Anzahl derselben, je eine auf ein Myotom, zur Anlage, späterhin aber erleiden im Zusammen- hange mit der Entwicklung der hinteren Spalten die vorderen eine Verschiebung und büßen ihren metameren Charakter ein. Außer- dem messen v. WIJHE, GEGENBAUR u. a. der Tatsache eine große 294 D. Filatoff Bedeutung bei, daß der zweite Somit mit dem Kieferbogen in Be- ziehung steht und setzen voraus, daß, wenn der Somit ein metameres Gebilde darstelle, auch die Bogen ein solches sein müßten. Die gegenseitigen Beziehungen der Spalten und sensiblen Nerven end- lich müssen ebenfalls zugunsten dieser Auffassung sprechen. AHLBORN (8) widerspricht der Übereinstimmung der Kiemen- spalten und der Somiten und weist darauf hin, daß die Entwicklung der Somiten und Spalten anatomisch in keinerlei Beziehung zuein- ander stehen, welche die Zugehörigkeit einer jeden Spalte zu einem bestimmten Somiten bestimmen könne; er zeigt, daß wir es hier mit zwei, voneinander völlig unabhängig und zudem nach verschie- dener Richtung hin verlaufenden Prozessen zu tun haben, von denen der eine sich auf das dorsale Mesoderm, der andre auf den Vorder- darm erstrecke. Mir erscheint dieser Einwand sehr schwerwiegend, denn die Glieder der Reihen zeigen, wo wir auch zweifellos ein- ander entsprechende Reihen von Metameren vor uns haben, stets einen ganz bestimmten anatomischen Zusammenhang; dieser ist aber in bezug auf die Kiemenspalten nicht vorhanden. GEGENBAUR (2) spricht sich bei Verteidigung seiner Anschauung gegenüber dem Einwande Autzorns dahin aus, daß die Überein- stimmung zweier Systeme metamerer Gebilde nicht stets irgendeine innige Beziehung derselben zueinander während ihrer Entwicklung nach sich ziehen müsse, und beruft sich auf die wirbellosen Tiere, bei welchen in keinem einzigen Falle eine solche Nichtüberein- stimmung der Metameren der Rücken- und Bauchseite nachgewiesen werden könne, so daß diese Metameren als voneinander unab- hängige Gebilde betrachtet werden könnten (S. 2). Mir scheint dieser Einwand GEGENBAURS keineswegs die Be- deutung der Erwägungen AHLBORNS zu untergraben, denn die Über- einstimmung der Glieder verschiedener serial gebauter Regionen beruht, soviel mir bekannt, stets auf einem anatomischen Zusammen- hange dieser Systeme untereinander, oder einfach auf dem von einem System auf das andere ausgeübten mechanischen Druck. Diese Übereinstimmung kommt im Laufe der Entwicklung als physiologische Notwendigkeit, dank dem unmittelbaren Einfluß, welehen die An- lagen der einen Organe auf die der andern ausüben, zustande. Zwischen dem Kiemenapparat und den Myotomen ist eine solche Beziehung nicht vorhanden und die Verbindung der 2. Somiten mit der Kieferbogenhöhle kann auch nicht als solche gelten, da der Bogen selbst ausschließlich als Resultat der Bildung zweier benach- Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 295 barter Spalten zu betrachten ist und mit dem einen Somit nur des- halb in Verbindung steht, weil die Seitenplatte überhaupt mit den Somiten verbunden ist. Im beschreibenden Teil wird weiter gezeigt werden, daß die Kieferbogenhöhle nicht immer dem 2. Somit als Fortsetzung dient, sondern daß an Stelle des letzteren auch andre Somiten treten können. Als Kriterium zur Feststellung der meta- meren Anordnung der Kiemen läßt sich auch die Innervierung nicht verwenden, da die metamere Anordnung der betreffenden Nerven noch nicht als nachgewiesen angesehen werden kann. Auf diese Weise bleibt als Begründung der Folgerung vom segmentalen Charak- ter der Kiemenbogen ausschließlich deren teilweise vorhandene, nur lokale Übereinstimmung mit den Somiten übrig. Was die Kopfnerven anbetrifft, so kann die Frage von deren morphologischer Bedeutung noch nicht als völlig aufgeklärt gelten. Wenn es festgestellt wäre, daß sie eine Fortsetzung der Reihe der Rumpfnerven darstellen, so wäre damit auch die Frage, ob dieselben den Somiten entsprechen, gelöst; so lange dies jedoch nicht der Fall ist, muß man, um die sensiblen Kopfnerven in das System der den Kopf bildenden Segmente einzuschalten, dieselben auf Grund rein topographischer Erwägungen den einzelnen Somiten zurechnen. Wenn es auch in manchen Fällen, z. B. bei Petromyzon (KoLTzorr [4)), gelingt, die Nerven annähernd unter alle Somiten zu verteilen, so erweist sich dies in andern Fällen als völlig unmöglich; es genügt» darauf hinzuweisen, daß die Zahl der Nerven zwischen Vagus und Trigeminus stets dieselbe bleibt, während die der Somiten Schwan- kungen unterworfen ist; schon dieser Umstand allein muß als Hinder- nis gelten, die Übereinstimmung beider Systeme anzuerkennen und zwar mindestens, bis die Frage, weshalb in den einen Fällen die Nerven den Somiten entsprechen, in andern aber nicht, eine be- friedigende Lösung gefunden hat. Die Neuromeren sind die meisten Autoren als primäre Erschei- nung aufzufassen geneigt, die auf eine ursprünglich vorhandene metamere Struktur des Nervensystems hinweist; andre wollen die- selbe durch das Wachstum des Organs erklärt sehen oder auf die mechanische Einwirkung der benachbarten Organe, z. B. der Somiten, zurückführen und fassen diese Erscheinung als eine vorübergehende, von der Phylogenie unabhängige, auf. So spricht sich z. B. MıcHAL- Kowıtz (15) in bezug auf die Vögel und Säugetiere dahin aus, daß die Falten des Nervenrohres als Resultat des Wachstums derselben in einem beschränkten Raume zu betrachten sind. Frorızp (14) 296 D. Filatoff weist darauf hin, daß die als Neuromeren bezeichneten Falten später auftreten, als die Einteilung des Gehirns in seine Hauptab- schnitte stattfindet, weshalb denselben auch nicht die Bedeutung eines primären Merkmals zukommen kann. Bei der‘ Bespreehung der an sehr frühen Stadien beobachteten, die Neuromeren betreffen- den Befunde KuprFrers bei Salamandra meint der Autor, daß wir es wahrscheinlich mit Somitenabdrücken am Nervensystem zu tun haben und führt Abbildungen an, auf welchen die Anlage des Nervensystems in der Tat Spuren des von seiten der Somiten aus- geübten Druckes aufweist. Von diesen Beobachtungen ausgehend, hält sich FRORIEP für berechtigt, eine Verallgemeinerung vorzunehmen, nach welcher die Neuromerie überhaupt ausschließlich auf den Ein- fluß der Somiten zurückgeführt wird. »Die Gliederung des Wirbel- tierkörpers ist ursprünglich an das mittlere Keimblatt gebunden; wo sich an Produkten des äußeren Keimblattes segmentale Anordnungen finden, sind dieselben durch Anpassung an die Metamerie des Meso- blasts sekundär entstanden. « Als Anhänger einer der eben angeführten Anschauung ent- segengesetzten Meinung erweisen sich NEAL (3), Hırı (16) und KoLTzorr (4). Diese Autoren wollten in den Falten des sich ent- wickelnden Nervenrohres Hinweise auf deren ursprüngliche Segmen- tation erblicken. NEAL und KoLTzorr suchen eine Übereinstimmung zwischen den Falten des Nervenrohres einerseits und den Somiten, Nerven und Kiemenspalten anderseits durchzuführen und dies ge- lingt ihnen auch in einem gewissen Grade. So besitzen nach NEAL sämtliche Falten des Hinterhirns, nur eine ausgenommen (Neuro- mer IV), je einen ihnen entsprechenden Nerv. Das Mittel- und Vorder- hirn faßt der Autor als zwei Neuromeren auf und schreibt den diese beiden Hauptabschnitte einteilenden Falten nur eine vorübergehende Bedeutung zu, indem er darauf hinweist, daß dieselben später auf- treten, als die hinteren Falten. Auf diese Weise gelingt es ihm, die Zahl der Neuromeren auf die der Somiten zurückzuführen und das Vorhandensein einer Übereinstimmung zwischen den ersteren und den Nerven festzustellen, wobei allerdings der Olfactorius ebenfalls den dorsalen Nerven zur Seite gestellt wird. KOLTZOFF sucht im Mittel- und Vorderhirn überhaupt keine Neuromeren nachzuweisen, da diese Abschnitte sekundäre, später auftretende Gebilde des Nerven- systems darstellen und als solche nicht die primären Merkmale des- selben bewahren können. Er erkennt nur die Falten des Hinter- hirnes als Neuromeren an und weist auf eine Übereinstimmung Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 297 derselben mit den andern serialen Gebilden des Kopfes hin. Hirı findet auch im vorderen Teile des Hirnes Neuromeren und hält die Metamerie des Nervenrohres für das hauptsächlichste und einzig sichere Kriterium zur Bildung eines Urteils über den Ursprung der Metamerie des Kopfes. Mir scheint, daß sowohl die Argumente derjenigen Autoren, welche sich zugunsten der metameren Bedeutung der Falten ads- sprechen, als auch derer, die sich dieser Auffassung gegenüber ablehnend verhalten, ihre schwache Seiten aufweisen. So läßt sich z. B. die oben erwähnte Anschauung FRORIEPS schon deshalb nicht verallgemeinern, weil die mechanische Ein- wirkung der Somiten auf das Nervensystem nur in einem Falle in einem sehr frühen Stadium von ihm beobachtet worden ist, wo die Somiten in der Tat vorhanden waren und auf das Nervensystem einen Druck ausübten; in einem andern Falle dagegen (beim Maul- wurf) war von Falten die Rede, die bereits nach der Differenzierung des Gehirns in seinen Hauptabschnitten, und zwar an diesen letz- teren, auftraten; in diesem Stadium fehlen jedoch die Somiten des Vorderabschnittes bereits ganz oder berühren doch das Nerven- system nicht. Indem NEAL und KouTtzorr in der Faltenbildung des Gehirns einen Hinweis auf die ursprüngliche Metamerie desselben zu er- blicken suchen, geben sie zu, daß als Kriterium einer solchen Be- deutung der Falten das Verhalten derselben den Nerven und Somiten gegenüber dienen kann, in der Tat aber gelingt es nur für einen Teil der Falten, die gewünschte Beziehung zu den Nerven und Somiten nachzuweisen, während der andre Teil, welcher keine ent- sprechenden Somiten und Nerven besitzt, von den Autoren als Er- scheinungen andrer Ordnung ausgelegt wird. Meiner Ansicht nach kann man, auf denselben Tatsachen basierend, nur von einem an- dern Standpunkte ausgehend, zu einer entgegengesetzten Schluß- folgerung gelangen, und dieselbe wird nicht weniger überzeugend wirken: am vorderen Ende des Nervensystems machen sich eine Reihe von Falten bemerkbar, an deren Identität untereinander wir zu zweifeln keine Veranlassung haben, wenn die vorderen auch später als die hinteren zur Anlage kommen, denn bei der Bildung einer serialen Reihe von Organen entwickeln sich dieselben be- kanntlich nicht gleichzeitig. Da nur ein Teil dieser Falten sich mit den Somiten und Nerven topopraphisch in Zusammenhang, brin- gen läßt, wobei dieser Zusammenhang bei weitem noch nicht so 298 D. Filatoff augenscheinlich ist, so läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß diese Gebilde nieht metamere Teile derjenigen Segmente darstellen, zu denen die Somiten gehören. Mir erscheint auch die Art und Weise, selbst an die Frage von der Faltenbildung des Nervensystems oder Neuromerie heranzutreten, nieht ganz befriedigend. Es wird vorausgesetzt, daß die Neural- falten entweder eine zufällige, keinerlei morphologische Bedeutung besitzende Erscheinung repräsentieren, oder aber, daß dieselben eine palingenetische Erscheinung darstellen, wobei die Möglichkeit, in denselben einen Embryonalprozeß zu erblicken, welchem, ohne daß er eine Nachwirkung eines vormals vorhandenen Zustandes repräsen- tiert, doch auch eine morphologische Bedeutung zukommen kann, wenn er das Auftreten irgendweleher anatomischer Merkmale her- vorruft. Dieser letzte Fall erscheint mir als dritte Möglichkeit, die Bedeutung der Hirnfalten zu bestimmen und, so lange die Frage von dem letzten Gesichtspunkt aus unerörtert bleibt, scheint es mir nicht unumgänglich notwendig, sich zu der einen der beiden ersten Erklärungen zu bekennen. Die oben erörterten Anschauungen gehören in die Lehre, welche die serialen Organreihen des Kopfes zu einem gemeinsamen Meta- merensystem zu vereinigen sucht; sie beschäftigen sich hauptsäch- lich mit der Erforschung der Wechselbeziehungen dieser Reihen zu- einander. Es existieren einander widerstreitende Ansichten über die Organe ein und derselben Reihe, und zwar sprechen sich die einen Autoren zugunsten, die andern gegen deren Identität aus. Hier er- weisen sich die prootischen Somiten oder Höhlen als hauptsächlich- ster Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten, da dieselben von den einen Autoren als Somiten, von den andern dagegen als Gebilde sui generis angesehen werden (weiterhin will ich dieselben als Somiten be- zeichnen). Die Erwägungen, auf welchen die Auffassung der strei- tigen Gebilde als Somiten beruht, bestehen in folgendem: dieselben kommen als Distrikte des dorsalen Mesoderms in einer ununter- brochenen Reihe mit den Oceipitalsomiten zur Anlage und geben einer durch motorische Wurzeln, welche in andern Körperabschnitten die Somitenmuskulatur versorgen, innervierten Muskulatur den Ur- sprung. Die Einwände dagegen sind zweierlei Art; die einen basieren auf den Daten über den Ursprung der streitigen Distrikte und über deren weiteres Schicksal, die andern auf dem Studium der sie ver- sorgenden Nerven. In den Einwänden gegen die Auffassung der Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 299 Vorderkopfsomiten im Kopfe als wahre Somiten, in denen die Autoren von der Abstammung dieser Gebilde ausgehen, wird z. B. darauf hingewiesen, daß die Spaltung des prootischen Mesoderms im Ab- schnitte passiv, dank der mechanischen Einwirkung der benachbarten Teile stattfindet (KAstscHEnko [9]). Einige Autoren sind geneigt, sie auf Grund ihrer Abstammung als Visceraltaschen aufzufassen, da ihre Anlagen an die die Kiemenspalten bildenden Ausstülpungen des Darmrohres erinnern. Rapr (17) führt eine ganze Reihe von die Umwandlungen der vorderen Somitenhöhlen betreffenden Befunden an, durch welche sich dieselben von typischen Somiten unterscheiden: so weist er z. B. darauf hin, daß sich die Muskulatur der typischen Somiten aus der Medianwandung derselben bilde, während die Mus- kulatur der Vorderkopfsomiten ihren Ursprung der äußeren und hinteren Wandung verdankt. Er setzt voraus, daß in einer serialen Reihe keine Abweichungen zwischen den einzelnen Organen der Reihe möglich seien, wie dies zwischen den Somiten und den streitigen Gebilden in bezug auf die Entstehung des Mesenchyms aus den- selben der Fall ist: während die Vorderkopfsomiten später als die metaotischen Somiten auftreten, entwickelt sich das Kopfmesenchym früher, als das des Rumpfes. Augenscheinlich liegt diesem Argument hier der Gedanke zugrunde, daß, wenn der eine Teil später, als der ihm homologe andre auftritt, derselbe auch in seiner Entwicklung zurückbleiben muß. Außer dem, gewissermaßen in dem Gebilde selbst beruhenden Unterschiede weist RABL noch auf einen Unterschied in der Lage dieses Organs im Verhältnis zum Nerv hin: im Rumpf verläuft der Nerv medial vom Somit, im Kopf dagegen lateral. Der Autor faßt endlich seine Vorstellung vom Somiten auf die Weise zusammen, daß, seiner Auffassung nach, nur ein Distrikt des dor- salen Mesoderms (nicht des visceralen), welcher sich ebenso, wie im Rumpf differenziert und Sclerotom und Myotom bildet, als solcher bezeichnet werden kann. Rex (12) findet bei der Untersuchung der Entstehung der Vorder- kopfsomiten, daß dieselben sich in der Gegend des Visceralmeso- derms aus unbedeutenden und ursprünglich ohne jegliche bestimmte Reihenfolge auftretenden und dann zu umfangreicheren Gebilden zusammenfließenden Höhlen bilden. Der Autor zählt auch den dritten prootischen Somit hierzu. SEWERTZOFF geht von den Befunden FRoRIEPSs (18) und Prarts (19) über die Entwicklung des N. trochlearis, nach welchen dieser Nerv als dorsaler Kopfnerv aufgefaßt werden muß, aus. Da ein Teil des 300 D. Filatoff Somiten dem Muse. obliquus super., der andere dem Muskel des vom N. trigeminus innervierten Kieferbogens den Ursprung gibt, so ist die Innervierung sämtlicher von den zweiten prootischen Somiten abstammenden Muskeln nicht für die Muskulatur der Somiten, son- dern für die der Seitenplatte bezeichnend. Donrn (20) geht in seiner letzten Arbeit genauer auf die Onto- genie der Vorderkopfsomiten mit Berücksichtigung des von der Ent- wieklung der benachbarten Organe ausgeübten Einflusses ein und gelangt zu dem Schluß, daß der Entwicklungsprozeß des Vorderendes des Nervenrohres einen bedeutenden dislozierenden Einfluß auf die benachbarten Mesodermdistrikte ausübt, wodurch in der Gegend des zweiten Mandibularsomiten die Seitenplatte sich als nach oben hin ver- schoben erweist; auf diese Weise findet die Anschauung SEWERTZOFFS eine Bestätigung. Doch eine ganze Reihe von Autoren ist entgegengesetzter Ansicht. HorFMmaAnN (21), NEAL (3), KOLTZOFF (4) haben in den vorderen Mesodermdistrikten eine ununterbrochene Fortsetzung der Reihe typischer Somiten erblickt und auf die Ähnlichkeit in der Gestalt, in ihrem Ursprung aus dem dorsalen Mesoderm usw. hingewiesen. Diese Autoren widersprechen einigen Argumenten ihrer Gegner; so gibt z. B. NEAL eine Schilderung des Entwicklungsprozesses des N. trochlearis, durch welche derselbe den motorischen, keinesfalls aber den dorsalen, wie dies aus den Befunden FRORIEPs und der andern Autoren hervorging, gleichgestellt wird. KOLTZOFF wies in dem ersten Prämandibularsomit das Vorhandensein eines Selero- toms nach, verfolgte das weitere Schicksal desselben und genügte auf diese Weise selbst den, meiner Ansicht nach, zu weit gehenden Forderungen Ragrs. Einige Argumente der Gegner der somitalen Bedeutung der prootischen Somiten bedürfen, meiner Meinung nach, gar keiner speziellen Gegenbeweise. Zu diesen gehört z. B. der Hinweis auf den Größenunterschied zwischen den wahren Somiten und den Somitenhöhlen, darauf, daß die einen früher, die andern später Mesenchym bilden, und daß bei den einen die Muskelfasern aus der einen Wandung entstehen, während sie bei den andern aus einer andern hervorgehen. Man kann solchen Merkmalen aber nur dann eine entscheidende Bedeutung beimessen, wenn man von der Voraussetzung ausgeht, daß sämtliche homologe Gebilde den selbst zeitlich gleichen Entstehungs- und auch Entwicklungsmodus auf- weisen müssen; doch wissen wir, welchen Schwankungen und Ab- weichungen die Entwicklung homologer Organe unter verschiedenen Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 301 Bedingungen unterworfen ist, daß nicht nur ihr weiteres Schicksal ein verschiedenes sein kann, sondern daß bisweilen selbst ihre Ent- stehung bis zur Unkenntlichkeit verdunkelt erscheint. Überhaupt, wenn wir alle Argumente für und wider zusammenfassen, läßt sich aus denselben nur ein Schluß ziehen und zwar der, daß die vor- deren Somiten in mancher Beziehung den typischen Somiten ähneln, in andrer aber sich von denselben unterscheiden. Auf Grund der Literaturangaben ist diese Frage schwer zu lösen, wem denn eigent- lich die Bedeutung eines entscheidenden morphologischen Merkmals zukommt, der Ähnlichkeit oder dem Unterschiede, und von welchem Ausgangspunkte man an die Lösung der Frage herantreten muß. So müssen die das Kopfmesoderm betreffenden Befunde KoLTZOFFs bei Petromyxon als genügend überzeugend angesehen werden, um die vorderen Mesodermdistrikte als Somiten anzuerkennen. Dank der Liebenswürdigkeit des Autors war mir die Möglichkeit geboten, einige Serien durchzusehen und ich bin der Ansicht, daß die von mir gesehenen und auf Taf. V seiner Arbeit wiedergegebenen Bilder durchaus überzeugend zugunsten der Identität der ganzen Somiten- reihe sprechen. Doch ist dagegen schon das Aussehen der ent- sprechenden Gebilde bei den Haien (SEWERTZOFF, DOHRN) bedeutend weniger anschaulich; und wenn wir endlich nur die Arbeit Rex’ über die Lachmöwe vor uns hätten, würde uns wahrscheinlich gar nicht einmal die Möglichkeit, die vorderen Somiten mit den Rumpf- oder Oceipitalsomiten zu homologisieren, in den Sinn kommen — bis zu einem solchen Grade sind die erhaltenen Bilder verschieden. Um die Befunde bei Petromyxon mit dem zu vereinbaren, was der letztgenannte Autor für den Vogel beschrieb, hätte entweder eine Reihe von Übergängen nachgewiesen und der phylogenetische Prozeß ver- folgt werden müssen, durch welchen die vorderen Somiten des Neun- auges sich zu dem umgestaltet haben, was wir beim Vogel vorfinden, oder es hätte zugegeber werden müssen, daß die Vorderkopfsomiten des Neunauges denen der Vögel nicht homolog sind. Rex jedoch stellt seinen Befunden nicht die KoLTZoFFs gegenüber, sondern meint, daß das Neunauge in dieser Beziehung noch nicht genügend erforscht sei und begnügt sich mit der Behauptung, daß die Vorderkopfsomiten keine Somiten seien. Mir scheint, daß einerseits die Arbeit KoLTZOFFS, welche auf das Vorhandensein einer ununterbrochenen, vom Vorder- ende des Kopfes beginnenden, in den Rumpf sich fortsetzenden Somitenreihe hingewiesen hat, anderseits die Arbeiten Rex’ u.a, welche hartnäckig die somitale Bedeutung der vorderen Gebilde 302 D. Filatoff bestreiten, wobei Rex dieselben sogar dem visceralen Mesoderm zu- rechnet, uns bis dahin jeglicher Möglichkeit berauben, irgendeine bestimmte, für alle Wirbeltiere zutreffende Folgerung zu ziehen, bis die Frage, welche Ursachen das Vorderkopfmesoderm bei den ver- schiedenen Tieren veranlassen, so verschiedene Gestalt anzunehmen, eine befriedigende Lösung gefunden haben wird. Mir scheint, daß, ehe man an die Lösung der Frage herantritt, ob wir in dem gegebenen Gebilde einen Somiten vor uns haben oder nicht, vor allen Dingen eine genau begründete Definition eines Somiten aufgestellt sein muß. Solche Definitionen sind mehrere vorhanden. RagrL (17) meint, ein Somit sei ein soleher dorsaler Mesodermdistrikt, welcher auf bestimmte Weise in ein Selerotom und ein Myotom zerfällt, und betont später (10) noch besonders, daß es aber ausschließlich ein Teil des dorsalen Mesoderms sein müsse. Nach Kortzorr ist ein Somit ein mehr oder weniger selb- ständiges Mesodermsegment, dessen Wandungen Muskelfasern den Ursprung geben (oder gegeben haben), die durch ventrale Wurzeln innerviert werden (oder wurden). DoHrn (7) meint, wenn die Zellen des Mesoderms sich in die typische sternförmige Figur anordnen, hätten wir einen Somit vor uns. Die Definition RapLs hat den Nachteil, daß sie die völlige Un- veränderlichkeit des Organs voraussetzt. Der Autor hat die Beob- achtung gemacht, daß unter gewissen Bedingungen der Entwicklung die Somiten Sclerotome und Myotome bilden, und er hat dies als Regel auf alle Somiten ausgedehnt. Doch wäre das gleichbedeutend damit, wenn wir als Wirbel nur einen solchen Wirbel bezeichnen würden, dessen sämtliche Teile wohl entwickelt sind, oder wenn wir nur eine Extremität von einem bestimmten Typus eine Extre- mität nennen würden. Der typische Somit mit seinem Selerotom und Myotom ist Veränderungen unterworfen; die Grenzen dieser Ver- änderlichkeit sind uns unbekannt. Wir können voraussetzen, daß der- selbe unter gewissen Umständen die Fähigkeit, Myotom und Selero- tom zu bilden, eingebüßt hat, wie ja z. B. auch die Nephrotome in bestimmten Segmenten keine Harnkanälchen hervorbringen, sondern sich in Mesenchymgewebe auflösen. Außerdem kann die Bildung des Selerotoms nicht in ihrer typischen Form, wie im Rumpf, sondern auf eine andre Weise zustande kommen, z. B. in Gestalt von zerstreuten Mesenchymzellen, was der Beobachtung entgeht; Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 303 doch in all diesen Fällen bleibt der Somit doch Somit, wenn er nur irgend beständige Merkmale dieses Gebildes bewahrt hat. Die Schwächen der Kortzorrschen Definition bestehen darin, daß dieselbe in der Praxis, um einen Somiten als solchen zu er- kennen, sich als nicht anwendbar erweist. Wie soll man z.B. er- kennen, ob die Somitenwandung Muskelfasern, die ursprünglich von ventralen Wurzeln innerviert wurden, gebildet hat oder nicht? Die Lösung dieser Frage setzt an und für sich bereits eine solche Kenntnis der Phylogenie voraus, welche jegliche Möglichkeit eines Zweifels, ob wir einen Somiten vor uns haben oder nicht, ausschließt. Was die Behauptung anbetrifft, daß das Auftreten von Somiten stets als Endresultat die Bildung von Muskelfasern zur Folge hat, so ist dieselbe ebenso willkürlich, wie die RaBLs in bezug auf die Selerotome. Die Definition Dourss hat im Vergleich zu den beiden oben angeführten den Vorzug, daß .dieselbe dem Somiten nicht a priori Eigenschaften zuschreibt, welche derselbe dem Wesen der Sache nach gar nicht zu besitzen braucht, doch genügt dieselbe natürlich nicht den Anforderungen, da sie uns nicht über die Frage aufklärt, weshalb der Somit uns in dem einen Falle als Organ mit kompli- zierter Entwicklung und weiterem Schicksal entgegentritt, während er in dem andern Falle nur durch eine vorübergehende sternförmige Anordnung der Zellen repräsentiert wird. Möglicherweise stellt diese Anordnung der Zellen in der Tat ein stets vorhandenes Grund- merkmal des Somiten dar, doch fürs erste bedarf das noch weiterer Beweise. Auf diese Weise erscheinen mir sämtliche oben angeführte De- finitionen völlig ungenügend, denn ihnen allen fehlt die Grundlage, auf welcher die Definition einer jeden morphologischen Einheit be- ruhen muß, — die Kenntnis der Veränderlichkeit des Somiten. Nur das Studium der Entwicklungsgeschichte eines Organs im Verein mit einer möglichst weitgehenden auf verschiedene Tierformen aus- gedehnten Vergleichung kann uns die Grenzen der Veränderlichkeit des Organs, die beständigen und vorübergehenden Merkmale des- selben erkennen lassen. Dann werden wir imstande sein, ein Urteil darüber zu fällen, was für Gebilde in dem einen oder andern Falle die Somiten des Vorderkopfes darstellen, und ob dieselben irgend konstante Somitenmerkmale bewahren oder nicht. Ebenso scheint mir das Studium der Veränderlichkeit zur Lösung der Frage von der Anzahl der prootischen Somiten not- 304 D. Filatoff wendig. Die Befunde KırrLııns (22) und DoHrns, nach welchen eine bedeutende Anzahl prootischer Somiten existiert, widersprechen nämlich den Daten andrer Autoren, nach welchen diese Anzahl eine bedeutend geringere ist. DOHRN selbst erklärt diesen Widerspruch dadurch, daß die Somiten verschmelzen, und er selbst habe frühe Stadien, bei denen noch die Reihe primärer Somiten völlig deutlich ausgeprägt war, untersucht, während die Autoren, welche im Vorder- kopfe 3—5 Somiten beschreiben, nur mit späteren Stadien, als bereits eine Verschmelzung stattgefunden hatte, zutun gehabt hätten. Nun wäre es von Interesse, die Frage aufzuklären, welche Gebilde, die von DoHurn oder die von den andern Autoren beschriebenen, sich mehr dem Somitentypus nähern, in welcher Beziehung die einen sowohl als die andern zu dem Prozeß der Somitenbildung stehen, ob durch- aus eine Verschmelzung vorausgesetzt werden muß, oder ob beide Reihen mit ihrer größeren oder geringeren Anzahl von Gliedern als parallele Gebilde zu betrachten sind. Im vorhergehenden war ich bestrebt, das Wesen der herrschen- den Anschauungen über die Bedeutung der embryonalen Erschei- nungen im Wirbeltierkopf darzulegen, d. h. der Anschauungen, welche bezweckten, auf die eine oder andre Weise die Urform desselben darzustellen. Dies ist die eine Seite der Frage, ein Teil der Lehre von der Metamerie des Kopfes. Der andre Teil betrifft die Vor- gänge, dank welchen der ursprüngliche Grundtypus sich zum Kopf des einen oder andern Wirbeltieres umgestaltet. Wie im ersten Teile die meisten Autoren vom Vorurteile, nach welchem sämtliche seriale Reihen des Kopfes zu einer Segmentreihe vereinigt sein müßten, ausgingen, so liegt auch im zweiten Teile sämtlichen bisweilen einander widersprechenden Anschauungen eine allgemeine apriore Vorstellung zugrunde, und zwar die Vorstellung vom Somit und von gegenseitigen Beziehungen der Somiten bei den verschiedenen Wirbeltieren. | Augenscheinlich gehen sämtliche Autoren von dem Gedanken aus, daß der Somit ein in der ganzen Kette der Wirbeltiere in sämtlichen Körperabschnitten konstant wiederkehrendes Gebilde, eine morphologische Einheit darstellt, welche durch die ganze Kette von Generationen hindurch vererbt ist und seine Einheitlichkeit und Selbständigkeit nicht verloren hat. Die Veränderungen, welchen auf diese Weise die Somitenreihe unterworfen ist, können nur darin bestehen, daß die einen oder andern ganz wegfallen; doch wenn wir bei einer Tierform die Reihe a, b, e usw. vorfinden, so muß Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 305 auch bei einem jeden andern Tiere dieselbe Reihe zur Entwicklung kommen, mit Ausnahme der ganz ausfallenden Glieder. Eine solche Auffassung der morphologischen Bedeutung der Somiten rief bei den Forschern das Bestreben wach, für einen jeden Somiten des einen Tieres einen homologen Somit auch bei dem andern zu entdecken und dieselben in parallele Reihen anzuordnen. Eben- falls sehen wir, daß diese Auffassung sich in einer ganzen Reihe von Arbeiten, die den Prozeß beleuchten, nach welchem der Grund- typus des Kopfes sich zu dem heutigen umgestaltet, widergespiegelt hat. Im weiteren will ich versuchen, das Wesen der diesbezüglichen Bestrebungen darzulegen. Die Daten der embryonalen Entwicklung haben gezeigt, daß die Zahl der die Oceipitalregion des Kopfes bildenden Somiten bei den verschiedenen Tierformen nicht die gleiche ist. Die Befunde wurden auch durch die anatomische Untersuchung an erwachsenen Tieren bestätigt, wo die Wurzelzahl des N. hypoglossus ebenso be- deutenden Schwankungen unterworfen ist. Nun mußte die Frage von der Ursache dieser Schwankungen gelöst werden, und die em- bryologische Forschung bot hier einige Anhaltspunkte, welche die Bildung eines klaren Bildes der Entwicklungsvorgänge, welche zu solchen Resultaten geführt haben, möglich erscheinen ließen. Diese Daten bestehen darin, daß sich im Laufe der ontogenetischen Ent- wicklung im mittleren Abschnitt des Kopfes ein Verschwinden der bereits zur Anlage gekommenen Somiten, die sich in Mesenchym auflösen, bemerkbar macht; bisweilen treten auch diesen Somiten entsprechende Nerven auf, die im Laufe der weiteren Entwick- lung ebenfalls verschwinden. Gleichzeitig mit dem Prozeß des Ver- schwindens der Somiten findet eine Verschiebung der folgenden, bleibenden Somiten und Nerven nach vorn statt. Außerdem er- wähnen einige Autoren eine Verwachsung der Anlagen einzelner Wirbel mit der Oceipitalregion bereits in einem Stadium, wenn in diesen Anlagen schon sämtliche, für die Rumpfwirbel bezeich- nenden Merkmale zu erkennen sind. Wenn wir all diesen in der Ontogenie hervortretenden Tatsachen, einerseits dem Verschwin- den bereits angelegter Somiten, anderseits der Verlagerung an- drer an ihre Stelle und der Verwachsung von Wirbeln der Hals-. region mit der Oceipitalregion, die Bedeutung von der Aufklärung der Phylogenie des Kopfes dienenden Beweisen zuerkennen, so er- scheint es möglich, den Vorgang, welcher zur Umgestaltung des Grundtypus des Wirbeltierkopfes in den heutigen Typus geführt Morpholog. Jahrbuch. 37. 20 306 D. Filatoff hat, durch das Ausfallen von Kopfsomiten und durch Ersatz der- selben durch neue, ihnen folgende zu erklären. Diese Ansicht wurde von GEGENBAUR (2) vertreten, welcher im Kopfe das Vorhandensein zweier Abschnitte, eines palingenetischen und eines cänogenetischen Teils voraussetzt. Der palingenetische Teil repräsentiert den Kopf der Vorfahren der heutigen Wirbeltiere. Dieser Kopf ist, ebenso wie der Rumpf, in Metameren eingeteilt, ist jedoch von letzteren durch einige Eigentümlichkeiten seiner Metameren unterschieden. Die verschwindenden Segmente bilden den hinteren Teil des palin- genetischen Abschnittes, diejenigen dagegen, welche an ihre Stelle treten, gehörten ursprünglich zu dem Halsabschnitt und stellen, an der Bildung des Kopfes der heutigen Wirbeltiere teilnehmend, den eönogenetischen Abschnitt desselben dar. Es muß darauf hingewiesen werden, daß GEGENBAUR die Voraussetzung machte, daß bei der Aufnahme der Rumpfmetameren seitens des Kopfes die Sache sich nicht auf eine einfache Verschmelzung der Rumpfmetameren mit der hinteren Kopfgrenze beschränke, sondern daß die Metameren eine Auflösung erführen und die einzelnen Teile der Kopf- und Rumpfmetameren sich untereinander vermischen (S. 65). So ist er z.B. der Ansicht, daß die drei hinteren Kopfsomiten bei den Hai- fischen (wie sie von v. WıJHE beschrieben wurden) dem Rumpfe ent- stammen, da sie der subbranchialen Muskulatur den Ursprung geben und in dieser Beziehung den Rumpfsomiten, welche ebenfalls die Bauchmuskulatur bilden, ähnlich seien. Sie haben über den Vis- ceralbögen Stellung gefaßt, und auf diese Weise sind Teile von Rumpf- und Kopfsegmenten zur Bildung gemischter Metameren an der Grenze zweier Kopfabschnitte zusammengetreten. Die Einteilung des Kopfes in zwei Abschnitte wird von vielen Autoren angenommen, wenn dieselben sich auch nicht so bestimmt zugunsten der Theorie vom Ersatz der verschwindenden palingene- tischen Kopfsomiten durch die cönogenetischen aussprechen. FÜr- BRINGER gibt ebenfalls die Existenz zweier Abschnitte des Paläo- craniums und des Neocraniums zu, wobei er auf Grund vergleichend anatomischer Forschungen das Neocranium in einen protometameren und einen auximetameren Abschnitt einteilt, von denen der erstere früher, der zweite später als Bestandteil des Kopfes in denselben aufgenommen wurde. Ich bin dessen nicht ganz sicher, ob Für- BRINGER die GEGENBAURsche Ansicht über den Ersatz der Kopf- somiten durch die Rumpfsomiten teilt; jedenfalls hält FRoRIEP (23) bei Bekämpfung einer solchen Auffassung des phylogeneti- Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 307 schen Prozesses GEGENBAUR und FÜRBRINGER für die Schöpfer der- selben. FRORIEP selbst bekennt sich zu einer genau entgegengesetzten Ansicht; nicht die Rumpforgane haben die des Kopfes verdrängt, sondern, im Gegenteil, der präspinale Abschnitt des Urkopfes hat sich zum spinalen hin verschoben und ist teilweise an Stelle der Elemente desselben getreten, die Chorda als notwendiges Stütz- organ zurücklassend. Zu dieser Ansicht wurde FRORIEP durch die gegenseitigen Beziehungen verschiedener embryonaler Prozesse, so z. B. den des Kiemenapparates, welcher in rostro-caudaler Richtung vor sich geht und durch die Entwicklung der Ganglienplatte der dorsalen Kopfnerven, welche hinten sich unter die Rumpfganglien- leiste schiebt (6), veranlaßt. Außerdem schildert er das selbständige von der 2. Visceraltasche beginnende Wachstum des präspinalen Meso- derms in caudaler Richtung, welches auf diese Weise in den Spinal- abschnitt eindringt und die Seitenplatte desselben verdrängt. Diese Daten wurden von DoHrn (Stud. 22. und 24) in Zweifel gezogen, welcher die Möglichkeit einer solehen Abgrenzung des Mesoderms zweier Kopfabschnitte, ebenso wie die von FRORIEP erwähnte Be- ziehung zwischen Kopf- und Rumpfganglienleiste bestritt. Was die Anlage der Nerven anbetrifft, so verfüge ich über keinerlei Daten, die mich bestimmen könnten, mich der einen oder andern Ansicht anzuschließen, und in bezug auf das Wachstum des präspinalen Mesoderms nach rückwärts kann ich, soweit mir die An- lage und die Umwandlungen des Kopfmesoderms bekannt sind, nur bemerken, daß die Auffassung DoHurns mir als den Tatsachen mehr entsprechend erscheint. Was die GEGENBAURsche Theorie anbetrifft, so ist mir, wenn dieselbe auch die komplizierten Beziehungen in der Oceipitalregion gut erklärt, doch nicht klar, wie von seinem Standpunkte aus sich z. B. die Tatsache erklären läßt, daß ein Teil der Segmente von vorn nach hinten, nicht aber umgekehrt, ver- schwindet. Wenn die primären Kopfsegmente (oder Teile derselben) verschwänden und durch Halssegmente ersetzt würden, so müßten die hinteren früher verschwinden, und der Reduktionsprozeß müßte, von irgendeinem Punkt der Oceipitalregion beginnend, sich allmäh- lich in rostraler Richtung verlieren; wir sehen jedoch, daß dem Re- duktionsvorgang typische Oeeipitalsegmente mit charakteristischen Spinalnerven, und zudem noch in caudaler Richtung, verfallen. Einige Autoren halten es überhaupt für unnötig, den Kopf in zwei solche, einander gegenübergestellte Abschnitte einzuteilen. Von diesen 20* 308 D. Filatoff Autoren will ich KoLrtzorr erwähnen, weleher beim Neunauge eine ununterbrochene Reihe von Somiten vorfindet, von denen kein einziger verschwindet und wo auf diese Weise ein allmählicher Übergang vom Vorderabschnitt des Kopfes zum hinteren Abschnitt und zum Rumpf vorhanden ist. Ich muß darauf hinweisen, daß im Kopfe des Neunauges ebenfalls ein Auswachsen des Kiemenapparates nach rückwärts und, dank dem von ihm ausgeübten Drucke, eine Zu- sammenfaltung der Somiten, aus deren unteren Schenkeln sich die subbranchiale Muskulatur entwickelt, stattfindet. Auf diese Weise läßt sich bei allen Tieren, an welchen em- bryologische Untersuchungen vorgenommen worden sind und bei denen die gegenseitigen Beziehungen der embryonälen Prozesse zu- einander beachtet wurden, stets eine Verschiebung gewisser Anlage- systeme der Längsachse entlang und bisweilen auch die Verlagerung andrer Systeme vermöge dieser Verschiebung wahrnehmen. Hieraus folgt jedoch, wie mir scheint, noch nicht die Notwendigkeit, alle in irgendeiner Richtung wachsenden Teile auf irgendeinen bestimmten Abschnitt des Tierkörpers zu beziehen und diesen Abschnitt als ur- sprünglich selbständiges Gebilde dem andern Abschnitt, dessen Organe von den Organen des ersteren verdrängt werden, gegenüber- zustellen. Nicht eine einzige Untersuchung hat nämlich bis jetzt gezeigt, daß der ganze Vorderabschnitt des Embryos eine spezielle Differenzierung aufweise, sondern die Differenzierung erstreckt sich im Gegenteil nur auf einzelne Teile. Wir sehen, daß im Laufe der ontogenetischen Entwicklung sich im Vorderabschnitt das Auf- treten und die Differenzierung von Organen bemerkbar machen, die in keinerlei Beziehungen zu dem System der primären Wirbel stehen (der Kiemenapparat, die Gefühlsorgane) und die gerade die Ver- schiebung und Verdrängung zur Folge haben, welche die Einteilung des Kopfes in zwei Abschnitte veranlaßt haben, welche man durch die Urwirbel zu unterscheiden sucht. Die Frorızrsche Theorie bestreitet das Vorhandensein der Ur- wirbel im präspinalen Mesoderm, doch in diesem Falle beschränkt sich die Streitfrage von den Kopfabschnitten lediglich auf die mor- phologische Bedeutung der vorderen Kopfsomiten, welche immer noch als nicht ganz aufgeklärt betrachtet werden muß. Ganz unabhängig davon, ob ursprünglich genetisch verschiedene Abschnitte des Kopfes und Rumpfes vorhanden waren und ob die- selben im Laufe der phylogenetischen Entwicklung einander ver- drängen, läßt sich auf Grund einer gauzen Reihe von embryo- Fe EN Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 309 logischen Befunden auf einen weit verbreiteten, die Bildung des Kopfes begleitenden Vorgang, d.i. auf die Anlage von später ver- schwindenden und von typischen Spinalnerven versorgten typischen Somiten in der Oceipitalregion hinweisen. Die ganze Erscheinung erweckt den Eindruck, als wenn der Bildungsprozeß der Organe des künftigen Segments in rostraler Riehtung allmählich erstickt: zu Anfang weisen die Somiten beide Wurzeln des Spinalnervs auf, auf diese folgen solche, denen die dorsale Wurzel fehlt, und endlich geht der Nerv ganz verloren, doch sind die Somiten noch imstande, Myotome hervorzubringen,. und endlich folgen Somiten ohne Myo- tome. Im Laufe der ontogenetischen Entwicklung geht bei den ver- schiedenen Tierformen in caudaler Richtung eine verschiedene An- zahl von Segmenten verloren, wobei die vorderen gänzlich ver- schwinden und an ihrer Stelle nur Mesenehymgewebe übrig bleibt, während weiter nach rückwärts in den Segmenten mit ventralen Wurzeln diese letzteren wegfallen können und endlich noch weiter nach hinten nur die dorsalen Wurzeln reduziert werden. Später, bei der Bildung des Oceipitalgelenks, wird die eigentliche Oceipital- region von der Halsregion abgegrenzt, wobei in gewissen Fällen (Notidanidae, Acipenseridae) eine scharfe Abgrenzung nicht statt- findet, sondern sich auch im erwachsenen Zustande ein allmäh- licher Übergang der Oceipitalregion in die sich ihm anschließende Halsregion bemerkbar macht. Es erweist sich, daß die auf diese Weise entstandene Oceipitalregion bei den verschiedenen Tier- formen nicht die gleiche Anzahl von Somiten enthält, und wir haben oben gesehen, welche Erklärung diese Verschiedenheit durch die Theorien GEGENBAURS und FRORIEPS erfahren hat. Doch erscheint die Erklärung dieser Forscher zu allgemein und deutet nur in großen Zügen die Richtung an, in welcher der Prozeß verlaufen sein mag, ohne jedoch denselben für jeden einzelnen Fall zu indi- vidualisieren, d. h. ohne darauf einzugehen, welche Abänderungen dieser Prozeß erfahren mußte, um das Auftreten bald der einen, bald der andern Anzahl von Somiten zur Folge zu haben. Es er- öffnet sich nun die neue Aufgabe: im einzelnen Fall der Bildung der Oeeipitalregion zu untersuchen, nach einer Erklärung der Schwankungen in der Anzahl der Somiten bei den verschiedenen Tierformen zu forschen und die Frage zu lösen, ob sich dieselben nicht z. B. durch eine Verlegung der Kopfgrenze nach vorn oder hinten, oder durch die Atrophie und das Ausfallen einer größeren oder geringeren Anzahl von Segmenten im vorderen Teile des 310 } D. Filatoff metaotischen Abschnitts erklären ließe. Um in dieser. Richtung überhaupt erfolgreiche Forschungen zu unternehmen, muß natürlich erst die Frage, ob die Somiten der verschiedenen Tiere als homolog angesehen werden können, beseitigt sein, und muß irgendein An- haltspunkt gefunden sein, nach welchem es möglich ist, in der Reihe serialer Gebilde bei den verschiedenen Tieren die einander entsprechenden Punkte zu bestimmen. Sämtliche Autoren sind sich augenscheinlich darüber einig, daß der Somit ein in der Reihenfolge der Tiere bis zu einem solchen Grade seine Einheit und Selb- ständigkeit bewahrendes Organ darstellt, daß man bei zwei ver- schiedenen Tierformen stets (wenigstens ist dies in der Theorie mög- lich) sagen könne, welcher Somit der einen einem bestimmten So- miten der andern entspreche. Was jedoch die praktische Verwirk- lichung dieser Möglichkeit anbetrifft, d. h. die Feststellung irgend bestimmter Punkte, von denen an gerechnet eine Homologisierung der Somiten der verschiedenen Tiere möglich erscheine, so ist in dieser Beziehung noch nichts Bestimmtes erreicht worden. Doch existiert eine große Anzahl von Arbeiten, welche sich mit der Ver- gleichung der Oceipitalregion der verschiedenen Tiere beschäftigen, um, nach Feststellung der Homologie der Segmente, nachzu- weisen, welche Segmente (oder Teile derselben) im gegebenen Falle ausgefallen und welche vom Halsabschnitt aus neu hinzuge- kommen sind, und um auf diese Weise den Unterschied in der Zahl der Oceipitalsegmente zu erklären. Die in dieser Richtung arbeiten- den Autoren bedienten sich verschiedener Kriterien zur Feststellung identischer Teile in der Oceipitalregion der verschiedenen Tier- formen. So benutzt SEWERTZOFF (24) bei Vergleichung der meta- otischen Segmente des Sterlets und des Axolotls als Ausgangspunkt dasjenige Skeletgebilde, welches hinten an den N. vagus grenzt. Beim Sterlet wird dasselbe durch eine aus drei Segmenten zusammen- geschmolzene gemeinsame Skeletmasse, beim Axolotl dagegen nur durch den Bogen des einzigen später an der Bildung des Schädels teilnehmenden Wirbels repräsentiert. Der Autor setzt voraus, daß der sich hinten an den Vagus anschließende Skeletteil in allen Fällen identisch sein müsse, und homologisiert infolgedessen den Oceipitalbogen des Axolotls mit dem vorderen Drittel der Skelet- anlage beim Sterlet, welche hinter dem Vagus gelegen ist und seiner Lage gegenüber drei Segmenten mit drei Bögen verglichen werden kann. Auf diese Weise erweist es sich, daß die beiden hinteren Drittel dieser Anlage beim Sterlet und die hinter derselben ur- SE Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 311 sprünglich frei zur Anlage kommenden und erst später an der Bildung der Oceipitalregion teilnehmenden Bögen beim Axolotl durch Halswirbel repräsentiert werden. Bei Vergleichung der Anlage der Oceipitalregion von Acanthras nach HOFFMANN (25) gelangt SEWERT- ZOFF auf Grund derselben Erwägungen zum Schluß, daß beim Hai- fisch drei Segmente der Rumpfregion mehr, als beim Axolotl an der Bildung der Oceipitalgegend teilnehmen, denn bei demselben folgen auf den hinter dem Vagus gelegenen Bogen in der Oceipital- region noch drei Bögen. Es ist mir nicht ganz klar, weswegen der Autor es für möglich hält, sich als Anhaltspunkt einen Bogen zu erwählen und diesem vor den andern Organen des Segments den Vorzug zu geben, wogegen doch die Anlage der Bögen augenscheinlich im selben Maße einer in rostro-caudaler Richtung fortschreitenden Reduktion unterworfen ist, welche das Verschwinden gewisser Teile der Segmente in dieser Richtung zur Folge hat. Die Lage des Bogens unmittelbar hinter dem Vagus kann ebenfalls keineswegs als sicherer Hinweis auf die Individualität desselben anerkannt werden, da unmittelbar hinter dem Vagus ebenfalls eine Reihe von Bögen verschwinden (gar nicht zur Anlage kommen) kann, und der letzte übrig gebliebene dann doch in allen Fällen die hintere Grenze dieses Nervs vorstellen wird. Meiner Ansicht nach können wir mit derselben Berechtigung voraussetzen, daß bei den Haien drei Segmente mehr als beim Axolotl an der Bildung der Oceipitalregion teilnehmen, wie auch den Fall denken, daß beim Axolotl vor dem Oceipitalbogen noch drei Segmente, die bei den Haien auftreten, nicht zur Anlage kommen. CararugI (26) findet beim Vergleich der Oeeipitalregion der Sauropsida und der Säugetiere, daß bei den letzteren an der Bildung des Kopfes auch die Segmente teilnehmen, welche bei den Vögeln noch in der Halsregion enthalten sind, und zwar schließt er dies hauptsächlich daraus, daß die Reduktion der dorsalen Wurzeln bei den Vögeln sich auf die Halsgegend erstreckt, während sie bei den Säugetieren früher ihren Abschluß findet. Auf diese Weise wird es möglich, vorauszusetzen, daß die Segmente der Vögel, denen die dorsalen Wurzeln fehlen, bei den Säugetieren in den Kopf aufge- nommen werden. FÜRBRINGER (27) verwirft jedoch eine solche Auf- fassung und besteht darauf, daß das Vorhandensein oder Fehlen eines in den vorderen Segmenten so wenig beständigen Organes, wie es die dorsalen Wurzeln sind, nicht genüge, um sich darauf bei Parallelisierung der Segmente verschiedener Tiere als auf ein aus- 312 D. Filatoff schlaggebendes Merkmal zu berufen; bei den Säugetieren können diese Wurzeln im Vergleich mit den Vögeln einfach eine weniger weitgehende Reduktion erfahren. Letzterer Autor unterzieht in seiner Arbeit (27) die Oceipital- region beinahe aller Tierklassen einer eingehenden Bespreehung und bestimmt die einander entsprechenden Metameren auf vergleichend- anatomischem Wege. Ich bin nicht imstande, hier des genaueren auf die Resultate dieser umfassenden Untersuchung einzugehen, und will nur auf die vom Autor angewandte Methode hinweisen, die sich von den Methoden SEWERTZOFFS, ÜHIARUGIS und der andern Embryologen dadurch unterscheidet, daß derselben nicht die einzelnen Merkmale des besprochenen Vorganges zugrunde liegen, sondern sich dieselbe auf die allgemeine, für die Organismen, deren Teile verglichen werden, charakteristische Summe der Merkmale stützt. Der Autor läßt die ontogenetischen Daten völlig beiseite und deutet nur auf Grund des gegenseitigen Verhältnisses der erwachsenen For- men zueinander, ihrer Verwandtschaftsbeziehungen, ihrer höheren oder tieferen Stellung im System, die Grundzüge des Prozesses an, wel- cher die eine oder andre Eigentümlichkeit der Oceipitalregion bei den zu vergleichenden Tierformen hervorruft. So hält er sich z. B. für berechtigt, anzunehmen, daß beieinander nahestehenden Formen die hintere Grenze der Oceipitalregion beständig sei, weshalb er auch den Unterschied in der Zahl der Spino-Oceipitalnerven nicht durch Hinzutreten derselben vom Rumpfe aus bei den eine größere An- zahl aufweisenden Formen, sondern durch eine, bei der weniger be- sitzenden Form stattgefundene Atrophie erklärt. In andern Fällen lagen dagegen solche anatomische Eigentümlichkeiten vor, welche mit größerer Wahrscheinlichkeit auf eine Verschiebung der Ocei- pitalgrenze hinwiesen; so inseriert z. B. beim Hai der M. levator scapulae am Gebiet der Wirbelsäule, bei Chimaera dagegen er- streckt er sich auch noch auf die Oceipitalregion; dieser Umstand im Verein mit gewissen andern Eigentümlichkeiten des N. hypo- glossus macht es möglich, vorauszusetzen, daß die Oceipitalregion von Chimaera im Vergleich zu der der Haie sich auf Kosten der Rumpfwirbel vergrößert hat. Das Oceipitalgelenk der Amphibien hält FÜRBRINGER, im Gegensatz zu SEWERTZOFF, dagegen für dem der Haie entsprechend, da es wenig Wahrscheinlichkeit für sich habe, daß der Schädel der Amphibien im Prozeß der Aufnahme der Rumpfwirbel hinter dem der Haie zurückbleiben werde. Solche allgemeine Betrachtungen über die Organisation eines Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 313 Tieres, über den wahrscheinlichen Verlauf der Evolution desselben, können zwar die Rolle von Belegen zur Aufklärung der Bedeutung anatomischer Eigentümlichkeiten haben, doch nie zu exakten Schluß- folgerungen führen. Wenn wir voraussetzen, daß der Prozeß der Aufnahme von Rumpfsegmenten seitens der Oceipitalregion bei den höher stehenden Formen sich weiter nach hinten erstreckt, als bei niederen, so läßt sich daraus zwar schließen, daß die Spino-Oceipi- talnerven der einen den Halsnerven der anderen entsprechen, schwer- lich aber genau die Anzahl der neu aufgenommenen und zugrunde gegangenen Nerven bestimmen. FÜRBRINGER ist der Ansicht, daß bei den Amniota sämtliche Spino-Oceipitalnerven der Haie verschwunden und an deren Stelle zur Bildung des Hypoglossus neue getreten seien; FRORIEP (28) ist dagegen zu glauben geneigt, daß bei den höheren Wirbeltieren nur die vorderen Spino-Oceipitalnerven der Haie eine Reduktion erfahren haben, während die hinteren erhalten geblieben seien, und daß die Oceipitalgrenze der Haie auf diese Weise derjenigen der höheren Vertebraten entspreche. Aus dem eben Dargelegten ist ersichtlich, daß die meisten Autoren in bezug auf den allgemeinen Entwicklungsgang der Oceipi- talregion untereinander einig sind; sobald aber der Versuch einer Homologisierung der einzelnen Distrikte gemacht wird, so erscheint es beinahe unmöglich, zwei übereinstimmende Meinungen zu ent- decken. Die Eigenart der Folgerungen der einzelnen Autoren wird dadurch bedingt, welchen Bruchteil aus der Menge einzelner embryo- logischer und anatomischer Befunde der betreffende Autor als Grund- merkmal ansieht. Der Bildungsprozeß der Oeeipitalregion selbst bietet jedoch meiner Ansicht nach keinerlei Anhaltspunkte dafür, was als solches Grundmerkmal aufzufassen sei. Die Reihe serialer Ge- bilde, sich nach und nach reduzierend, verschwindet am vorderen Ende und geht am hinteren Ende in eine ebensolche Reihe von Rumpfgebilden über. Dadurch erhalten wir zwei Grenzen, eine vordere und eine hintere, und in jedem einzelnen Falle läßt sich die Ver- schiedenheit in der Zahl der Segmente mit ganz demselben Recht durch Verschiebung der vorderen, der hinteren oder beider Grenzen erklären. Mir scheint, daß, wenn wir auch theoretisch die Möglich- keit einer Homologisierung der Segmente zugeben, wir uns in der Praxis doch nur mit annähernden Schlüssen begnügen müssen, da uns bis jetzt jede Grundlage zur genauen Feststellung der einander homologen Teile bei zwei Tierformen fehlt. Es ist jedoch eine Arbeit 314 D. Filatoff Dourns (7) über die metaotischen Somiten der Haie und Rochen erschienen, in welcher der Autor solcher Bilder erwähnt, welche ihn zur Annahme veranlaßt haben, daß die Somiten in gewissen Fällen die Fähigkeit haben, untereinander zu verschmelzen. So ver- weist er auf Fälle, in welchen auf der rechten und linken Seite eine ungleiche Anzahl von Anlagen vorhanden war; außerdem wies auch die Grenze zwischen zwei benachbarten Anlagen häufig auf die Möglichkeit einer Verschmelzung dieser beiden Anlagen zu einem Somit hin. Im speziellen Teile meiner Arbeit will ich genauer auf die Untersuchungen DoHrns eingehen und hier nur bemerken, daß nach meiner Ansicht diese Befunde für die Schätzung der Schluß- folgerungen derjenigen Untersuchungen von größter Bedeutung sind, welche sich die Homologisierung der Somiten zum Ziel stecken. Wenn die Somiten überhaupt die Fähigkeit besitzen, untereinander zu verschmelzen, und wenn sie in dieser Beziehung eine solche Plastizität offenbaren, daß ihre Anzahl auf beiden Seiten eine ver- schiedene sein kann, so kann natürlich gar keine Rede von der Feststellung einander entsprechender Segmente bei verschiedenen Tierformen sein. Und wenn auch die Beobachtungen DoHRNns nicht fehlerfrei wären, so könnten och von den Resultaten dieser Richtung in der Metamerielehre nur die als feststehend angesehen werden, welche genaue Daten über die Eigentümlichkeiten in der Entwicklung und im Bau der Ocecipitalregion bei den verschiedenen Tieren fest- stellen; aber gerade diese Daten haben gezeigt, daß wegen der Un- möglichkeit, irgend beständige Merkmale zu entdeeken, nach welchen man bei den verschiedenen Tieren die einander entsprechenden Segmente erkennen kann, die Glaubwürdigkeit des andern Teiles der Resultate — der Homologisierung der Segmente, in ein sehr zweifelhaftes Licht gerückt erscheint. In der angeführten kurzen Übersicht der herrschenden Anschau- ungen habe ich versucht, die heutige Lage der Lehre von der Metamerie des Kopfes darzustellen. Mir scheint, aus der Gesamt- heit der tatsächlichen Befunde und der theoretischen Schlußfolgerungen lassen sich drei hauptsächliche Fragen hervorheben, welche für die vorherrschende Richtung bezeichnend erscheinen. Dies ist 1) die Frage, ob im Kopfe der Wirbeltiere die serialen Reihen der verschie- denen Organe ein für alle Reihen gemeinsames System von Seg- menten bilden; 2) die Frage von der Homologie der einzelnen Glieder ein und derselben Reihe untereinander (der Somiten der Vorderkopf- region und der hinteren Somiten, der Kopfnerven und der Nerven Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 315 des Rumpfes); 3) die Frage von der Homologisierung der einzelnen Segmente bei verschiedenen Tierformen. Das Bestreben, eine be- jahende Antwort auf die erste Frage zu finden, hatten eine Menge von Versuchen hervorgerufen, die zeigen sollten, auf welche Weise die verschiedenen Reihen zu Segmenten angeordnet sein könnten. In dieser Frage ist eine Menge verschiedenartiger Anschauungen vor- handen, doch ist bis jetzt noch keine einigermaßen überzeugende Ansicht ausgesprochen worden. In gewissen Details sind im Gegen- teil beim Versuch, die Übereinstimmung der Reihen zweier Systeme nachzuweisen, so gesuchte Belege angeführt worden, daß dieselben bei dem nicht voreingenommenen Leser eher eine der gewünschten entgegengesetzte Wirkung erzielen können. Dies bezieht sich auf die Beweise, welche die Somiten einerseits mit den Kiemenspalten, ander- seits mit den sog. Neuromeren in Zusammenhang zu bringen suchen. Mir scheint, daß die bekannten Tatsachen zur Genüge bezeugen, daß keinerlei Übereinstimmung im Sinne einer allgemeinen Segmentie- rung zwischen den Hirnfalten, den Somiten und den Kiemen vor- handen ist, und daß die Forschung genügend Belege hierfür aufweist, da dieselbe einerseits gezeigt hat, daß die in Frage stehenden Ge- bilde selbständig und ohne jeglichen anatomischen Zusammenhang miteinander sich entwickeln, anderseits für die größte Mehrzahl der Fälle die Unhaltbarkeit aller Bestrebungen, auch nur eine topogra- phische Übereinstimmung zu entdecken, nachgewiesen hat. Während die Kiemenspalten als Resultat eines eigentümlichen, auf den Vorder- abscehnitt des Darmes sich erstreckenden Prozesses, welchem eine bestimmte physiologische und morphologische Zweckmäßigkeit zu- kommt, angesehen werden müssen, erscheint die Faltenbildung des Hirns als eine in dieser Beziehung gänzlich rätselhafte Erscheinung. Was die Frage von der Übereinstimmung der Somiten mit den Kopfnerven anbetrifft, so läßt sich dieselbe nicht ohne weiteres im verneinenden Sinne lösen, da zu viele Umstände zugunsten der Möglichkeit einer solchen Übereinstimmung sprechen (so das Vor- handensein eines unmittelbaren anatomischen Zusammenhanges, ana- loge Beziehungen im Rumpf usw.), doch zur günstigen Lösung fehlt es an vorläufigen Daten, welche nur bei Behandlung der zweiten Frage erhalten werden können. In der zweiten Frage erscheint mir der Tatbestand in bezug auf die Nerven nicht genügend aufgeklärt zu sein, und ich will daher nicht die Entscheidung übernehmen,. auf wessen Seite die be- weiskräftigeren Belege stehen. 316 D. Filatoff In meiner Arbeit werde ich die Nerven nur soweit in Betracht ziehen, als dies zum ‚Verständnis der morphologischen Bedeutung der zwischen dem Somiten oder dessen Muskelanlage und dem Nerv bestehenden Beziehung notwendig erscheint. Ich hebe gerade diese Frage hervor, da es mir in manchen Fällen möglich scheint, wenn wir über den Charakter der Beziehungen zweier Organe zueinander unterrichtet sind, die in dem einen vor sich gehenden Veränderungen mit Hilfe derjenigen des andern zu erklären. Was die strittigen vorderen Somiten oder Kopfhöhlen anbetrifft, so will ich versuchen, die Frage von dem oben erwähnten Standpunkte aus zu behandeln, indem ich mir als erste Aufgabe die Bestimmung der Veränderlich- keitsgrenzen der Somiten stelle und die Frage löse, welche Ursache und auf welche Weise dieselben einen Einfluß auf den Bildungs- prozeß derselben ausüben können und welche Veränderungen die Somiten unter diesen Einflüssen durchzumachen haben. Was die Homologisierung bestimmter Segmente eines Tieres mit genau bestimmten Segmenten eines andern betrifft, so bezweckt die- selbe natürlich eine Verallgemeinerung der höchst verschiedenartigen hier auftretenden Erscheinungen, indem dieselben alle auf einen Grundprozeß zurückgeführt werden, dessen gesetzmäßige Umgestal- tung in jedem einzelnen Falle diese Verschiedenartigkeit veranlaßt. Die meisten Autoren neigen sich der Ansicht zu, daß der Unter- schied in der Somitenzahl bei den verschiedenen Tieren von der Anzahl der im Kopfe ausfallenden und vom Rumpfe aus hinzutreten- den Somiten abhängig ist. Ob wir uns nun aber gerade mit einer solchen Lösung begnügen oder uns von derselben lossagen sollen, darauf kann meiner Meinung nach, ebenso wie in der zweiten Frage, ebenfalls nur das Studium der Veränderlichkeit der Somiten Antwort geben. Wenn es sich erweist, daß die Prozesse, welehe zur Bildung der Somiten führen, nur in solchen Grenzen Schwankungen unter- worfen sind, wodurch die Selbständigkeit des Somiten als einer mor- phologischen Einheit nicht verloren geht, so ist eine Homologisierung möglich. Wenn wir z. B. in der Oceipitalregion des einen Tieres 5 Somiten, a, b, c, d, e vorfinden, während das andre nur 3, a, b, € besitzt, so haben wir, wenn wir auf Grund irgendwelcher Merk- male schließen können, daß a, 5 und ce in beiden Fällen einander homolog sind, die Berechtigung, das Auftreten der 2 neuen Somiten durch ein Hinzukommen von Rumpfsomiten zu erklären; wenn wir dagegen finden, daß der Bildungsprozeß des Somiten auf die Weise vor sich gehen kann, daß ein gewisser Mesodermdistrikt in dem Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 317 einen Falle zwei, in dem andern unter gewissen Bedingungen auch drei Somiten den Ursprung geben kann, so läßt sich das Ausfallen und Hinzutreten neuer Somiten aus dem Rumpf schon nicht mehr als einzige Ursache der Verschiedenheiten ansehen. Das Studium der Veränderlichkeit des Somiten muß uns, wie das Studium eines jeden Organs, ein Bild dieser Veränderlichkeit nicht in Gestalt einzelner Formen, welche der Somit in dem einen oder andern Falle annimmt, geben, sondern es muß die Vorstellung von einem ununterbrochenen Vorgang erwecken, auf Grund dessen eine jede Abweichung aus der vorhergehenden erklärt werden kann. Sobald wir uns eine klare Vorstellung von der morphologischen Bedeutung des Somiten gebildet haben werden, kann es sich, gleich- zeitig mit der Möglichkeit, gewisse Fragen zu lösen, auch ergeben, daß andre Fragen anders und die dritte Frage gar nicht zu stellen waren. Meine Arbeit beansprucht natürlich nicht, auf alle die Fragen, welche meiner Ansicht nach ihrer Lösung harren, befriedigende Ant- worten zu geben. In vielem werde ich nur bestrebt sein, auf die Schwächen der herrschenden Riehtung hinweisend, die Möglichkeit eines andern Ausweges, einer andern Fragestellung zu zeigen. Ich gehe nun zur Beschreibung der Stadien, welche mir als Material gedient haben, über. 1. Stadium. Die Nervenrinne ist noch nicht geschlossen. An der Grenze der Oceipital- und Rumpfregion beginnen sich Somiten zu bilden, und an dieser Stelle haben sich die Mesodermblätter voneinander abgehoben und bilden so eine, fürs erste noch gemeinsame Höhle der künftigen Somiten. An allen übrigen Stellen des Embryos, so- wohl in der Gegend der Somiten als in der der Seitenplatte, stehen die Mesodermzellen dicht gedrängt. Gewisse Eigentümlichkeiten weist die Stelle, an welcher später der 2. Mand.-Somit zur Anlage kommen wird, auf. Hier liegen die Zellen locker und gehen unweit von der Medianlinie in eine kompakte, für die obere Darmwandung und das Vorderende der Chorda gemeinsame Masse über. Eine An- lage des ersten Prämand.-Somiten ist noch nicht vorhanden. Auf der einen Seite des Embryos ist die Entwicklung weiter vorgeschritten, und zwar insofern, als daß die einzelnen Somiten ziemlich klar an- gedeutet erscheinen. Auf dieses Stadium beziehen sich die Abbildungen Fig. 1a, 1b. 318 D. Filatoff . 2. Stadium. Die Nervenrinne hat sich beinahe geschlossen. Der 1. Somit ist nicht vorhanden. Das Vorderende der Chorda ist noch nicht frei. Auf der einen Seite des Embryos lassen sich ungefähr sieben gut ausgebildete Somiten unterscheiden. Die andre Seite ist in ihrer Entwicklung etwas zurückgeblieben. Das Mesoderm hat nicht nur in den Somiten, sondern auch in der Gegend der Seitenplatte eine Spaltung erfahren. Hier macht sich eine gewisse Eigentümlichkeit darin bemerkbar, daß das Colömmesoderm, ebenso wie das Meso- derm der Somiten, einer Reihe von serialen, voneinander unab- hängigen Höhlen den Ursprung gibt, wobei diese Höhlen nicht mit denen der Somiten in Verbindung stehen und nur am vorderen Teil des Embryos vorhanden sind (Abbildungen Fig. 2a, 2b, 35). 3. Stadium. Von dem 2. unterscheidet sich dasselbe durch folgende be- merkenswerte Eigentümlichkeiten: die 2. und 3. prootischen So- miten sind ausgebildet, und das Spiraculum und die erste Kiemen- spalte haben sich angelegt (Fig. 3, 4). 4. Stadium. Im Embryo lassen sich hinter dem Ohr ungefähr 11 Somiten unterscheiden. Das Vorderende der Chorda ist noch nicht frei ge- worden. Äußere Öffnungen der Kiemenspalten fehlen. In der Lage und Ausbildung der Somiten haben folgende Veränderungen statt- sefunden: es beginnt sich die Zwischenplatte des ersten Somiten in Gestalt des medianen lappigen Auswuchses des vorderen oberen Darmwinkels zu bilden; der 2. Mand.-Somit ist in diesem Stadium am deutlichsten ausgeprägt, und gerade jetzt läßt sich derselbe am besten mit den typischen Somiten vergleichen. Der 3. Somit wird durch eine hinter dem 2. Somiten gelegene Zellanhäufung repräsen- tiert und ist am deutlichsten in diesem und dem vorhergehenden Stadium ausgeprägt. Es ist mir keinmal gelungen, eine Höhlung in demselben zu entdecken. Über dem 2. Somiten wird die Anlage des Trigeminus sichtbar. Der Zwischenraum zwischen dem 3. So- miten und dem 4. metaotischen Somiten dehnt sich, möglicherweise unter dem Einflusse der beginnenden Bildung des Ohres, in die Länge; das Mesodermgewebe wird dementsprechend ausgezogen. Die Loslösung der Chorda vom Entoderm hat das Vorderende derselben Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 319 erreicht, welches jedoch noch mit der oberen vorderen Darmwan- dung in Verbindung bleibt (Fig. 5, 9, 14, 22, 26). 5. Stadium. Die Zahl der Somiten zu bestimmen war nicht möglich, da mir nur das Vorderende des Embryos zur Verfügung stand. Das Vorder- ende der Chorda hat sich vom Darm abgelöst. Der Zwischenraum zwischen den Vorderkopfsomiten und den metaotischen Somiten hat sich noch vergrößert, und es läßt sich auf Grund dieses Sta- diums schließen, daß die Verlängerung im Zusammenhange mit dem Wachstum des Vorderendes des Nervensystems erfolgt ist. Der 1. Somit zeigt das Aussehen eines lappigen Sackes; in demselben hat sich eine Höhlung zu bilden begonnen. Die im vorhergehenden Stadium durch einen hohlen Auswuchs des Darmes repräsentierte Zwischenplatte bewahrt noch ihre Beziehungen zu dem letzteren, doch büßt sie ihre Höhlung völlig ein, obwohl dieselbe sich später- hin neu bildet. Der 2. Somit liegt etwas außerhalb, ist jedoch dem ersten eng angelagert und besteht aus zwei, untereinander verbun- denen Abschnitten. Der 3. Somit fängt an, seine Selbständigkeit zu verlieren. Es lassen sich deutlich die Anlagen der Nerven: Glossopharyngeus, Acustico-facialis, Trigeminus, und vor dem letzteren ein gewissermaßen noch für einen Nerv freibleibender Distrikt der Neuralleiste unterscheiden. Das Vorderende des Neuralrohres wird deutlich von einer Reihe Falten eingeteilt. Da sich keine Differenzierung in einen vorderen, mittleren und hinteren Abschnitt des Hirns bemerkbar macht, läßt sich auch die Anzahl der auf jeden Abschnitt fallenden Falten nicht bestimmen. Diese Falten stehen mit dem von seiten der Somiten ausgeübten Druck in keinerlei Zusammenhang. Im vorhergehenden Stadium war diese Faltenbil- dung kaum wahrnehmbar (Fig. 10, 36). 6. Stadium. Ungefähr 18 Somiten. In bezug auf die Chorda und die Kiemen- spalten sind keinerlei wesentliche Veränderungen zu verzeichnen. Der Zwischenraum zwischen den pro- und metaotischen Somiten ver- größert sich stetig, das Mesoderm unter dem Ohr wird dementsprechend ausgezogen, die Zellen desselben ordnen sich locker an und nehmen den Charakter von Mesenechymgewebe an. Dieser Vorgang erstreckt sich auch auf den 3. Somiten, der bedeutend weniger kompakt wird. 320 - D. Filatoff In dem 2. Somiten lassen sich bereits nicht mehr dessen beide Ab- schnitte unterscheiden; auf der einen Seite des Embryos wird derselbe durch eine Blase mit glatter, aus einer Zellenreihe be- stehenden Wandung repräsentiert, während er auf der andern von mehreren Bläschen von unbedeutenderen Dimensionen gebildet wird. Die Lage ist im Verhältnis zum Trigeminus dieselbe geblieben. Die Entwieklung des 1. Somiten ist insofern weiter vorgeschritten, als die Faltenbildung eine stärker ausgeprägte ist, und die Verbin- dungsleiste, nachdem sie sich vom Darm losgelöst hat, von neuem hohl zu werden beginnt. Es hat eine Veränderung im Verhältnis des Gewebes des Kieferbogens zu dem 1. Somiten stattgefunden. Ursprünglich bildete derselbe eine Fortsetzung des lockeren Binde- sewebes, welches dem 2. Somiten untergelagert war, zu der Zeit, als der erste noch nicht vorhanden war; nun stellt er eine deutliche Fortsetzung des 1. Somiten dar. Die Falten am Gehirn bestehen fort. Eine Einteilung des Hirns in einen vorderen, mittleren und hinteren Abschnitt ist kaum angedeutet, läßt sich jedoch an einigen Sagittalschnitten erkennen. Es läßt sich nicht kategorisch behaupten, daß im vorhergehenden Stadium eine solehe Einteilung nicht vorhan- den war, doch wurde sie, wenn dieselbe auch angedeutet war, von der Faltenbildung völlig verdunkelt (Fig. 6, 8, 11, 12, 15, 15, 25, 27). 7. Stadium. Es fällt bereits schwer, die Zahl der Somiten zu bestimmen. Die beiden vordersten Kiemenspalten haben die äußere Körper- wandung durchbrochen. Die Mundöffnung hat sich gebildet. Die Verbindung des Kieferbogens mit dem 1. Somiten hat sich gelöst. Die Falten des 1. Somiten sind verschwunden, derselbe hat sich ausgedehnt und in eine dünnwandige Blase verwandelt, welche im Durchschnitt dasselbe Aussehen wie der 2. Somit im vorigen Stadium zeigt. Die Zwischenplatte zwischen den beiden vorderen Somiten ist in Form eines hohlen Stieles vorhanden. Der 2. Somit hat seine Höhlung eingebüßt und sich in eine oberflächlich zwischen den beiden Trigeminusästen liegende Zellgruppe verwandelt. Der 3. Somit liegt in Gestalt eines Zelistranges mit etwas verdicktem Vorderende ein wenig innerhalb und hinter dem 2. Somiten. Das gegenseitige Verhalten der drei vorderen Somiten ist ein solches, daß der 2. den hinteren Teil des 1. und den vorderen des 3. bedeckt. Im Gehirn lassen sich die drei Abschnitte, der vordere, mittlere und hintere Abschnitt gut unterscheiden. Die Falten sind nur auf der Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 321 ventralen Fläche des Gehirns zu bemerken; sie konzentrieren sich auf das Hinterhirn, und nur noch eine Falte teilt das Mittelhirn. Die Entwicklung der sensiblen Nerven befindet sich im Stadium der Placodenbildung. Von den motorischen kann man die Anlage des N. oculomotorius erkennen; dieselbe tritt als ein aus kompakterem Bindegewebe bestehender Strang auf, welcher einerseits dem hinteren Teile des 1. Somiten, anderseits der unteren Fläche des Isthmus des Neuralrohres eng angelagert ist. In diesem Stadium besteht zwischen dem Nervensystem und der Anlage des Nerven keinerlei Zusammen- hang, dieselben sind einander nur dicht genähert (Fig. 16, 17, 31). - 8. Stadium. Die Zwischenplatte zwischen den beiden ersten Somiten ist ver- schwunden, die Höhlungen derselben haben sich verringert und ihre Wandungen stellenweise verdickt. Das Gewebe der zweiten Somiten-Höhle dehnt sich nach zwei ‘ Riehtungen hin aus; der obere Teil zieht sich nach vorn, um die Stelle des künftigen Obliquus superior einzunehmen, während der untere sich nach unten zur Gegend des Kieferbogens hin verlagert. Der mittlere Teil löst sich in Mesenchymgewebe auf. Der 3. Somit nimmt scheinbar seine frühere Lage ein; der hintere Teil desselben geht allmählich in den N. abducens über, welcher in mehreren Wurzeln dem Boden des Hinterhirns, der Ohr- anlage gegenüber, entspringt. Die Hirnkrümmung in der Gegend des Mittelhirns nimmt an Größe zu, wodurch eine Verlagerung des Auges in die Gegend der ersten drei Somiten veranlaßt wird. Die Falten des Hinterhirns sind an dessen Boden kaum noch wahrnehmbar. Das Mittelhirn wird noch durch eine deutliche Falte geteilt. Es treten die ersten Andeutungen eines Skelets in Gestalt schwacher Anhäufungen von Bindegewebszellen auf (Fig. 18, 19, 23, 30, 34, 37). 9. Stadium. Der Prozeß in dem 1. Somiten nimmt in derselben Richtung seinen Fortgang; die Höhlung wird kleiner und an den Wandungen nehmen die lokalen Verdiekungen an Umfang zu (die Muskelanlagen). Der 2. Somit ist in einzelne Distrikte zerfallen, zur Bildung des Obliquus sup., des Kiefermuskels und des Mesenchymgewebes, dessen weiteres Schicksal ich des genaueren nicht verfolgt habe. Der 3. Somit hat sich an seinem Hinterende verkürzt, wodurch Morpholog. Jahrbuch. 37. 21 322 D. Filatoff eine entsprechende Verlängerung des N. abducens zustande kommt (Fig. 7, 20, 24, 28, 29). 10. Stadium. Die Höhlung des 1. Somiten ist nicht mehr vorhanden. An zwei Punkten bildet das Gewebe desselben Muskelanlagen, während der übrige Teil das Selerotom darstellt, welches späterhin an der Bildung des Knorpelschädels teilnimmt. Die Teile des 2. Somiten haben annähernd ihre endgültige Lage erreicht. Der 3. Somit hat sich noch mehr verkürzt und tritt uns auf Sagittalschnitten schon nicht mehr in Form eines Stranges entgegen. Er hat ebenfalls ungefähr seine endgültige Stellung eingenommen. In diesem Stadium läßt sich bereits die Grenze der Oceipital- region bestimmen. Der Vergleich desselben mit den vorhergehenden und folgenden Stadien zeigt, daß hinter dem Ohr, in der Kopfgegend fünf Somiten zur Ausbildung kommen, welche alle Scelerotome und Myotome bilden. Von dorsalen Wurzeln ist keine einzige vorhanden (Abbildung Fig. 21). Damit kann ich die Beschreibung der Stadien abschließen. Ob- wohl ich im folgenden auch Gelegenheit haben werde, den Zustand der Organe auch älterer Embryonen zu berühren, so nehme ich die- selben doch nicht in die oben angeführte Reihe von Stadien auf, da ich mich nur einzelner sich auf dieselben beziehender Daten bediene. Ich will mich nun der detaillierten Schilderung des Entwick- lungsganges der einzelnen Organe zuwenden. Beschreibender Teil. Die Entwicklung der Occipitalsomiten. Ich wende mich nun denjenigen im Mesoderm stattfindenden Prozessen zu, welche zur Bildung der Somiten führen. Die ersten hierher gehörenden Erscheinungen (Stadium 1) erstrecken sich auf den hinteren Teil des Kopfes und den vorderen des Rumpfes. Dieselben bestehen im wesentlichen in einer starken Vermehrung der Zellen in der dorsalen Partie des Mesoderms und im Auseinander- treten dieser Zellen, wodurch die fürs erste noch gemeinsame Höhlung der künftigen Somiten zustande kommt. Eigentlich ließe sich diese neu entstandene Region noch nicht eine Höhlung Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 323 nennen, da dieselbe von einer ziemlich lockeren, von den aus- einander getretenen Zellen gebildeten Plasmaschicht ausgefüllt wird, doch repräsentiert sie das Anfangsstadium der somitischen Höhlungen, und weiter unten, wenn ich auf dieses Stadium zu sprechen komme, werde ich dieselbe der Kürze halber als Höhlung bezeichnen. Die Teilung der Zellen hat eine Verlängerung und eine dadurch hervor- gerufene mehrfache Faltenbildung des Mesoderms zur Folge. Doch weisen diese Falten verschiedene Formen und Dimensionen auf, wie aus Fig. 1a ersichtlich ist. Nur an wenigen Stellen läßt sich die Grenze der künftigen Somiten erkennen, an den übrigen dagegen ist diese Grenze noch durch nichts gekennzeichnet. Auf diese Weise stellt die Region des somitischen Mesodermabschnittes eine ver- längerte, von faltigen Wandungen begrenzte und sich zum Kopfe und Schwanz hin verjüngende Höhlung dar. Der Prozeß der Falten- bildung und der der Entstehung der Höhlung halten Schritt und setzen sich von der Mitte der Länge des Embryos aus augenschein- lich gleichzeitig nach beiden Richtungen fort, übereinstimmende Bilder ergebend. Auch in diesem Falle erwies es sich, wie dies häufig der Fall ist, daß die Entwicklung auf beiden Körperseiten des untersuchten Embryos nicht gleich weit vorgeschritten war. Während an der einen Seite nur eine ungeordnete Faltenbildung sich bemerkbar macht, und die Somiten nur stellenweise angedeutet erscheinen, haben die Falten der gegenüberliegenden Seite bereits mit ihrer Umgruppierung in Somiten begonnen (Fig. 1b). Wenn man die sich auf beiden Seiten darbietenden Bilder vergleicht, läßt sich das zweite leicht vom ersten ableiten. Hier mußten die die faltige Wandung bildenden Zellen sich in der Weise umgruppieren, daß die Faltung sich glättete, und nur die Falten, welche als künftige Scheidewände zwischen den einzelnen Somiten eine Rolle spielen sollten, sich vertieften und bis zur gegenseitigen Berührung im Centrum der gemeinsamen Somitenhöhlung auswuchsen. Hier ver- schmolzen ihre Ränder untereinander, was die völlige Trennung der einzelnen Somiten zur Folge hatte. Aus der Vergleichung der Fig. 1a und 15 ist ersichtlich, welche Distrikte der ersteren annäherend den Somiten der zweiten entsprechen (die einander entsprechenden Teile bezeichne ich auf beiden Figuren durch dieselben Linien @ und b). Gleichzeitig kann man erkennen, daß die an der Grenze der So- miten liegenden Falten sich im Laufe der Entwicklung des älteren Stadiums (1) aus dem jüngeren (1a) vertieft, dagegen die auf den Somiten selbst befindlichen (« und 5) sich sowohl an Zahl, als auch 21* 324 D. Filatoff an Größe verringert haben. Die Form der Somiten ist im Augen- blicke der durch die Umgruppierung der Falten hervorgerufenen völligen Lostrennung derselben voneinander eine nahezu kugelige, doch ist dieser Zustand nur ein vorübergehender, da bei der sich weiter fortsetzenden Vermehrung der Zellen das Gewebe der So- mitenwände das Bestreben zeigt, alle freien Zwischenräume aus- zufüllen, wodurch die Kugeln gewissermaßen in rostro-caudaler Richtung zusammengepreßt werden und auf Längsschnitten quadra- tisch erscheinen. Diese Verhältnisse lassen sich deutlich auf den dem nächst- folgendem Stadium (Stad. 2) entsprechenden Fig. 2@ und 2b erkennen. Die eine derselben stellt einen Schnitt durch die rechte, die andre durch die linke Somitenreihe dar. Hier ist ebenfalls, wie im vor- hergehenden Stadium, die Entwicklung auf der einen Seite (25) weiter vorgeschritten, als auf der andern. Ehe wir die beiden Ab- bildungen genauer miteinander vergleichen, sei bemerkt, daß die Schnittfläche in dem einen und dem andern Falle nicht streng über- eiustimmende Punkte berührt hat; so weist z. B. auf der Fig. 25 der Schnitt des Somiten % eine Höhlung auf, welche dem Schnitte des entsprechenden Somiten der Fig. 2a fehlt, und die Schnitte der So- miten / und »» sind im einen Falle merklich größer, als die denselben entsprechenden Somiten der andern Seite. Daß die auf Fig. 25 wieder- gegebene Seite in ihrer Entwieklung weiter vorgeschritten ist, als die auf Fig. 2a dargestellte, schließe ich hauptsächlich aus den Verhält- nissen, welche wir im Vorderabschnitt des Hinterhauptmesoderms, zwischen den Buchstaben © und D antreffen. In dem einen Falle haben wir es mit drei voneinander deutlich unterschiedenen So- miten zu tun, im andern Falle läßt sich nur eine Anzahl Falten er- kennen, nicht aber die Grenze der künftigen Somiten feststellen. So läßt sich z. B. der Bildungsgang des Somiten » nicht mit völliger Sicherheit verfolgen. Da die Somiten beider Körperhälften überein- stimmen, so bilden sich augenscheinlich aus dem auf Fig. 2a, zwi- schen C und d gelegenen Abschnitt, dieselben drei Somiten, die auf Fig. 25 abgebildet sind. Doch lassen sich zwei Möglichkeiten der Bildung des Somiten » voraussetzen: entweder werden sich die Falten * der Fig. 2a vertiefen, zusammentreffen und auf diese Weise den zwischen » und d gelegenen Abschnitt abtrennen, wo- durch derselbe zu einem gesonderten Somiten wird, oder diese Falten werden sich ebnen, und der ganze Abschnitt wird einem einzigen Somiten den Ursprung geben. Wie dem auch sei, dieses Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 325 Stadium weist auch darauf hin, daß die unregelmäßigen Falten des Rückenmesoderms einer Reihe von Somiten den Ursprung geben, deren Zahl kleiner ist, als die der ursprünglichen Falten, und daß die Somiten im Moment ihres ersten selbständigen Auftretens an- nähernd Kugelgestalt besitzen. Dieses läßt sich auch an den So- miten O und p erkennen, während die näher zur Mitte gelagerten und früher entstandenen Somiten ihre ursprüngliche Form bereits eingebüßt haben. Ich weise jedoch darauf hin, daß bisweilen der Fall eintreten kann, daß die ursprüngliche Falte bereits die Grenze des künftigen Somiten bestimmt. So scheint es mir, als wenn der Somit p von dem Abschnitte p, der Fig. 2@ abzuleiten sei. Dieser Fall tritt scheinbar dann ein, wenn das gegenseitige Verhältnis zwischen der Dieke der Somitenwandung und der Größe des Raumes, in welchem er sich bildet, ein solches ist, daß zur Bildung des kugelförmigen Somiten es nur einer so kleinen Falte bedarf, als die Wandung der gemeinsamen Somitenhöhlung in Abhängigkeit von ihrer Mächtigkeit zu bilden imstande ist. Im gegebenen Falle hielt ich mich für berechtigt, auf Grund der Sagittalschnitte auf die auf beiden Seiten einander entsprechen- den Somiten hinzuweisen, da das Verhalten des hinteren Abschnittes des in Segmentierung begriffenen Mesoderms mir als Ausgangs- punkt zu dieser Vergleichsziehung dienen konnte. In der Tat können wir uns auf der Fig. 25 davon überzeugen, daß der Seg- mentierungsprozeß am Hinterende dadurch abgeschlossen wird, daß auf den letzten und letzt ausgebildeten Somiten k eine von unbe- deutenden Fältchen begrenzte kegelförmige Höhlung folgt, während im Stadium, welches der Fig. 24 entspricht, die diesen letzten So- miten begrenzenden Falten sich gegenseitig noch nicht berühren (auf der Fig. 24 nicht wiedergegeben). Dank dem höchst unbedeutenden Altersunterschiede der beiden Somitenreihen und dank dem Um- stande, daß die Länge der beiden von der Segmentierung betroffenen Abschnitte annähernd die gleiche ist, schien es mir durchaus un- wahrscheinlich, daß der kegelförmige Hinterabschnitt auf der einen Seite (2a) einen neuen, der gegenüberliegenden Seite fehlenden Somiten hätte bilden können, selbst nieht in Gestalt einer Anlage, weshalb ich auch die Somiten k und %k, als gleichwertig betrachte und von ihnen ausgehend rechne. Die mittleren, am weitesten entwiekelten Somiten des vorher- gehenden Stadiums entsprechen augenscheinlich den ebenfalls am weitesten in ihrer Entwieklung vorgeschrittenen Somiten des eben 326 D. Filatoff besprochenen Stadiums.. Wenn wir uns nun die Abbildungen so übereinander gelegt denken, daß die am bedeutendsten entwickel- ten Teile zusammenfallen, so wird sich herausstellen, daß sowohl die Spaltung als auch die Faltenbildung des Mesoderms, welche wir vorn und hinten am zweiten Stadium erkennen können, im ersteren noch nicht vorhanden sind und die entsprechenden Distrikte noch durch eine homogene Masse mesodermaler Zellen repräsentiert werden, d.h. daß also der Segmentationsprozeß im zweiten Stadium nach beiden Richtungen, sowohl zum Kopfe, als auch zum Schwanze hin, weiter vorgeschritten ist. In den folgenden Stadien nimmt der Seg- mentierungsprozeß im hinteren Abschnitte seinen gewöhnlichen Fort- gang, während im vorderen die ganze Zeit nur die bereits entstandenen Somiten sichtbar sind. Eine Spaltung und Faltenbildung nach vorn habe ich nicht mehr beobachten können und ich bin daher geneigt, zu glauben, daß in dem auf Fig. 25 wiedergegebenen Stadium bereits der vordere metaotische Somit vorhanden ist. Ich kann höchstens zugeben, daß ich mich um einen Somiten geirrt, d. h. die Bildung eines neuen Somiten während der nächstfolgenden Stadien über- sehen habe, doch auch dann muß das sich uns in diesem Stadium darbietende Bild des Vorderabschnittes des segmentierten Mesoderms als Abschluß des Segmentationsprozesses in diesem Punkt überhaupt angesehen werden. Bei Vergleichung der Somitenbildung im vorderen und hinteren Abschnitt des von der Segmentation betroffenen Mesoderms muß darauf hingewiesen werden, daß der Vorgang sich im vorderen langsamer abspielt, als im hinteren. Im Hinterabschnitte läßt sich die Ausgleichung der Falten und die Trennung der Somiten in einem kürzeren Zeitraum beobachten, was auch aus der Vergleichung von Schnitten zweier aufeinanderfolgender Stadien ersichtlich ist. Wel- chem Stadium, abgesehen vom allerjüngsten, wir unsre Aufmerk- samkeit auch zuwenden, so läßt sich stets zum Schwanze hin deut- lich der letzte, völlig selbständige Somit erkennen, an welchen sich die Anlage des folgenden, in Gestalt einer kugelförmigen Höhlung mit faltigen Wandungen, anschließt. Am Kopfende dagegen be- merken wir die bereits völlig voneinander getrennten Somiten, deren Wandungen jedoch immer noch uneben und nicht scharf begrenzt erscheinen; augenscheinlich zieht sich am Vorderende der voll- ständige Entwicklungsgang eines Somiten dermaßen in die Länge, daß vor demselben bereits die Anlagen der folgenden Somiten auf- treten, während der früher entstandene immer noch seine ursprüng- Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 327 liche undeutliche Wandung offenbart. Dieser unklare Umriß ist jedoch keineswegs ein bleibender Charakterzug der vorderen metaotischen Somiten: späterhin nehmen sie eine typische Gestalt an und in dem der Abtrennung der Myotome vorausgehenden Stadium lassen sie sich von den hinten liegenden nur durch ihre Dimensionen unterscheiden. Mit dem letzten, in der Kopfgegend sich bildenden Somiten findet der Prozeß noch nicht seinen Abschluß, da das ihm nach vorn sich anschließende Mesoderm ein solches Aussehen hat, als wenn noch ein Somit gebildet werden sollte: dasselbe ist ein wenig ge- spalten, und diese Spalte verliert sich nach und nach in der Masse der eng gedrängten Zellen. Doch hat dieser Vorgang nicht die Bildung eines neuen Somiten zur Folge, und in den folgenden Stadien schließt sich dem letzten deutlich differenzierten Somiten unmittelbar die kompakte Mesodermmasse an. Aus der Vergleichung der beiden besprochenen Stadien war er- sichtlich, daß sich die Anfangsstadien der Segmentation zu allererst auf die Region der Somiten » und /, d.h. also auf den 4. und 5. oder, wenn wir die Möglichkeit eines Fehlers meinerseits um einen Somiten zugeben und voraussetzen, es hätte sich in rostraler Richtung noch nach dem 2. Stadium ein neuer Somit gebildet, auf den 5. und 6. erstrecken. Weiter werden wir uns davon überzeugen, daß in die Veeipitalregion von Einys 5 Somiten eintreten, daß auf diese Weise die Bildung der Somiten genau an der Grenze des Kopfes und Rumpfes ihren Anfang nimmt. Weiter folgen mehrere Stadien, während welcher die neu- gebildeten metaotischen Somiten, besonders die zwei oder drei vorderen, mit der Glättung ihrer Wandungen beginnen und ihre end- gültige Gestalt annehmen. Beim Embryo im 3. Stadium befindet sich der erste metaotische Somit über der Anlage der ersten Kiemen- spalte (Fig. 3). Derselbe ist mit dem nächst folgenden einzeln auf Fig. 4 dargestellt, um die Höhlungen derselben zu veranschaulichen. Die Abbildung ist nach dem Schnitt angefertigt, welcher auf den in Fig. 3 dargestellten folgt. Hier sehen wir, daß diese Somiten, im Vergleich zu den dahinter liegenden, ein sehr unregelmäßiges Aus- sehen haben, da die scharfe Begrenzung ihrer Wandungen sowohl von der äußeren als auch von der inneren Seite durch stellenweise hervortretende Zellgruppen unterbrochen wird. Auf Fig. 4 fällt noch eine Eigentümlichkeit der vorderen Somiten ins Auge: dieselben sind einander weniger genähert und ein wenig in der Längsrichtung aus- gezogen; die Ursache dieser Eigentümlichkeit ist nicht in ihrer ver- 328 D. Filatoff hältnismäßigen Jugend zu suchen, denn die hinteren Somiten lagern sich bereits im Augenblicke ihrer Entstehung einander eng an. All diese Eigentümlichkeiten gehen im Laufe der Zeit verloren, und alle Somiten gleichen sich in späteren Stadien vollkommen, bis auf die Dimensionen, welche von der Nackengrenze zur Ohrregion allmäh- lich abnehmen. Bereits im Beginn ihres Auftretens weisen die Somiten den für sie bezeichnenden Bau auf. Noch vor ihrer endgültigen Trennung voneinander und Glättung ihrer Wandungen nehmen die Kerne der einzelnen Zellen an der Peripherie des Organs Stellung, während der centrale Teil desselben durch das Plasma dieser Zellen einge- nommen wird, so daß eine jede Zelle die Gestalt eines mit der Spitze nach innen, der Basis aber der Peripherie zugekehrten Kegels zeigt. Anfangs läßt sich im Innern der Somiten keinerlei Höhlung erkennen und man kann nur bemerken, daß die Spitzen der plas- matischen Kegel zum Mittelpunkte hin sich schwächer tingieren, daß hier das Plasma gewissermaßen lockerer erscheint; späterhin tritt an dieser Stelle eine anfangs nur schwach ausgesprochene Höhlung mit in dieselbe hineinragenden Teilen des lockeren Plasmas auf, doch nimmt dieselbe bald mehr und mehr an Größe zu und erscheint bald schärfer begrenzt. Gleichzeitig nimmt auch die Zahl der den Somiten bildenden Zellen zu, und während der folgenden Sta- dien dehnt sich der Somit in transversaler Richtung aus, wobei seine Höhle anfängt, durch Invagination der inneren Wandung ausgefüllt zu werden. Letzteres geht auf die Weise vor sich, daß in dieser Wandung eine besonders starke Vermehrung der sie bildenden Zellen stattfindet und dieselbe zur Chorda hin ihre scharfe Begren- zung einbüßt, während ihr oberer Abschnitt nun als Zapfen in die Somitenhöhle hineinragt und dieselbe allmählich ausfüllt. Diese Verhältnisse sind aus Fig. 5, welche einen Frontalschnitt des 4. Stadiums, und aus Fig. 6, die einen Querschnitt des 6. Stadiums darstellt, ersichtlich. Bisweilen kann diese Ausfüllung durch Ein- buchtung der medialen Wandung in das Innere des Somiten zu- stande kommen, was lebhaft an Gastrulation erinnernde Bilder er- gibt. Derselbe Vorgang spielt sich auch im kleinsten vorderen Somiten ab, nur verläuft derselbe weniger übersichtlich; hier kommt er durch einfache Zellenvermehrung in der medialen Wandung zu- stande, wodurch die innere Grenze derselben verschwimmt. Die nächstfolgenden Stadien 6 und 7 werden durch den Beginn der Ausbildung von Muskelfasern charakterisiert. Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 329 Muskelfasern werden von sämtlichen Somiten gebildet, auch den vordersten Somiten nicht ausgeschlossen, nur sind die Dimensionen des von letzterem gebildeten Myotoms entsprechend kleiner, als die der übrigen (Fig. 7). Ich will jetzt nicht näher auf die weitere Entwicklung der Oceipitalregion eingehen, da ich hoffe, in einer nächsten Arbeit über die Entwicklung des Schädels von Emys darauf zurückzu- kommen, doch will ich nur in Kürze darauf hinweisen, daß ich nicht Gelegenheit hatte, die Auflösung von Myotomen zu beobachten, und daß das kleinste vordere Myotom nach dem auf Fig. 7 dar- gestellten Stadium, wie mir scheinen will, mit dem dahinter liegen- den verschmolz und zur Bildung von dessen vorderem zugespitzten Ende beitrug. Für alle Oceipitalsomiten außer für den ersten sind ventrale Wurzeln vorhanden. Im frühesten Stadium, in welchem die Sagit- talschnitte bereits die Nerven zeigen, lassen sich in der Oceipital- region drei Ventralwurzeln erkennen, außer dem Postoceipitalis, wel- cher dem 5. Somiten entspricht. Die erste dorsale Wurzel mit ihrem Ganglion ist zwischen den Anlagen der Bögen der beiden ersten Halswirbel gelegen. Mir scheint, die zum 2. Myotom gehörende ventrale Wurzel wird in späteren Stadien reduziert; doch tritt dieser Fall erst verhältnismäßig spät ein, bereits nach Beginn der Knorpel- bildung. Die Zellen der medialen Wandung des Somiten, derer bereits oben erwähnt wurde, bilden die Selerotome. Diese Selerotome schließen sich der Chorda und dem Nervensystem an und bewahren eine Zeitlang ihre metamere Anordnung, indem sie den Myotomen entsprechen und voneinander getrennt sind. Die Anlage der Nerven spaltet den oberen Abschnitt des Sclerotoms in zwei Teile, deren vorderer zur Bildung der hinteren Hälfte des vorn, der hintere zur Bildung der vorderen Hälfte des hinten sich ihm anschließenden Bogens beiträgt (Fig. 37). Auf diese Weise bildet der vordere Teil des 5. Selerotoms noch einen Bestandteil des Kopfes, während der hin- tere Abschnitt desselben der vorderen Hälfte des Atlasbogens den Ursprung gibt. Die eben besprochenen Befunde sind alles, was ich zur Ent- wicklung der Oceipitalsomiten bemerken wollte. _ Ich möchte nun noch besonders auf die Erscheinungen in der Entwieklung hinweisen, welche mir für das Verständnis der mor- phologischen Bedeutung der Somiten und’ für die Feststellung der 330 D. Filatoff Grenzen ihrer Veränderlichkeit von besonderer Wichtigkeit er- scheinen. 1) Der Segmentierungsprozeß des Mesoderms beginnt mit starker Zellteilung und dem Auseinanderweichen derselben, was die Ent- stehung eines von den kegelförmigen Plasmafortsätzen der aus- einandergetretenen Zellen ausgefüllten Raumes zur Folge hat, dessen äußere Schicht von den Kernen dieser Zellen gebildet wird. 2) Als Folge der Vermehrung der Zellen treten nicht unmittel- bar die Somiten, sondern es tritt eine unregelmäßige Faltung des Rückenmesoderms auf. 3) Bei fortgesetzter Zellvermehrung glätten sich die einen Falten allmählich, indem sie in die andern, Somitengrenzen bildenden Falten aufgenommen werden. Die kernhaltige Schicht der Somitenwan- dung verdiekt sich gleichzeitig. 4) Der Somit ist zu der Zeit, wo er sich aus der unregelmäßigen Faltung herausbildet, bestrebt, eine kugelige Gestalt anzunehmen; doch kann er diese Form nur eine sehr kurze Zeit bewahren, da die fortgesetzte Vermehrung der Zellen ein Aneinanderpressen der Nachbarsomiten zur Folge hat, wodurch dieselben ihre kugelförmige Gestalt einbüßen. 5) Während der Bildung der vordersten Oceipitalsomiten findet eine Verzögerung in den Prozessen statt, welche die endgültige Ge- staltung des Somiten bestimmen: zu der Zeit, wenn vorn bereits die Anlage eines neuen Somiten vorhanden ist, weisen die Wan- dungen des hinteren immer noch eine unregelmäßige und undeut- lich verschwommene Begrenzung auf. Außerdem sind die vorderen Somiten in ihrer Anlage weiter voneinander entfernt, als die weiter nach rückwärts gelegenen und zeigen nicht ein rundes, sondern ein etwas längliches Aussehen. Die Entwicklung des vor den Oceipitalsomiten gelegenen Mesoderms. Die Entwicklung des vor dem ersten metaotischen Somiten ge- legenen Mesoderms (ich will diesen ganzen Distrikt als Vorderkopf- mesoderm bezeichnen) unterscheidet sich wesentlich von der Somiten- bildung der Oeceipitalregion. Außerdem stimmt auch die Ent- wicklung der verschiedenen Distrikte dieses Mesoderms, von dem sog. Prämandibularsomiten bis zum 1. metaotischen Somiten, so wenig überein, daß sich nicht ein für den ganzen Absehnitt ge- meinsamer Prozeß schildern läßt, und ich mich daher gezwungen Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 331 sehe, bei der Beschreibung der einzelnen Stadien auf die in jedem Abschnitt vor sich gehenden Umwandlungen besonders hinzuweisen. Um jedoch gleichzeitig mit der Beschreibung der einzelnen Ab- schnitte dennoch auch eine Vorstellung vom Entwicklungsgange des Vorderkopfmesoderms zu geben, weise ich weiter unten auf die wichtigsten Etappen der Entwicklung desselben als Ganzes hin, ehe ich mich der Schilderung der in den einzelnen Abschnitten vor sich sehenden Prozesse zuwende. Ungefähr während der ersten drei Stadien tritt das Vorderkopf- mesoderm noch als eine mehr oder weniger kompakte Masse auf, wenn sich auch an einzelnen Stellen schon gewisse Eigentümlichkeiten bemerkbar machen. Während des ersten Stadiums wird das sich den Somitenanlagen vorn anschließende Rückenmesoderm bis zu seinem vorderen Ende, dem künftigen zweiten Mandibularsomiten, bzw. -höhle, aus ein- ander eng angelagerten Zellen gebildet. Von dieser letzteren Stelle beginnend, erweitert sich der zwischen Entoderm und der Anlage des Nervensystems befindliche Raum in dorso-ventraler Richtung, und derselbe wird nun von dem Mesoderm gänzlich ausgefüllt, welches in seiner äußeren Schicht aus lockeren Zellen mesenchymatischen Charakters besteht, die jedoch zur Mittellinie hin dichter gedrängt stehen und eine kompakte Masse bilden. Dieser kompakte Zell- komplex ist es eben, welcher späterhin sich in den Mandibularsomiten umwandelt. Das Vorderende des Mesoderms verliert sich im Ento- derm, in der dorsalen Verdiekung desselben, wo sich auch das Vorder- ende der Chorda verliert. Die im folgenden Stadium stattfindenden Umwandlungen be- stehen im wesentlichen darin, daß der zwischen der Anlage des vorderen metaotischen und desjenigen des Mandibularsomiten gelegene Abschnitt sich in die Länge ausgedehnt hat; doch wird er von einem ebenso kompakten Gewebe gebildet, wie wir es in dem vorher- sehenden Stadium beobachten konnten (Fig. 26). Im dritten Stadium kann man auf Sagittalschnitten bereits die An- lage des Ohres (Fig. 3) erkennen, welche unmittelbar vor dem ersten metaotischen Somiten, zwischen der Anlage des Spiraculum und der ersten Kiemenspalte, anfängt einen Druck auszuüben. Über dem Spiraculum sind die Anlagen des 2. und 3. prootischen Somiten sichtbar. Der erste Somit hat mit seiner Bildung noch nicht be- sonnen. Seine Anlage tritt erst während des 4. Stadiums (Fig. 9) auf, und gleichzeitig verliert das dorsale Vorderkopfmesoderm seinen 332 D. Filatoff Charakter als kompakter Zellkomplex und fängt an, sich in eine mesenchymatische Zellmasse zu verwandeln, welche auch von vorn und von den Seiten die Anlagen der drei Vorderkopfsomiten, bzw. -höhlen umgibt. Der zwischen dem 3. prootischen und 1. metaotischen So- miten gelegene und von Mesenchym gebildete Abschnitt hat sich zu dieser Zeit im Verhältnis zu dem vorhergehenden Stadium in die Länge ausgedehnt, wie aus dem Vergleich der das 3. Stadium illu- strierenden Fig. 3 und der Rekonstruktion Fig. 9, die die Lage des Mesoderms bei einem Embryo des 4. Stadiums darstellt, hervorgeht. Im Laufe der weiteren Entwieklung fährt dieser Abschnitt des Mesoderms fort, locker zu werden und sich zu verlängern. Dieser Vorgang greift auch auf die Stelle über, wo wir im 2. Stadium den 3. Somiten zur Anlage kommen sahen. Die Rekonstruktionen des 4., 5. und 6. Stadiums (Fig. 9, 10, 11) veranschaulichen, wie eine all- mähliche Verlängerung des unsegmentierten Mesoderms stattfindet; die Anlage des 3. Somiten ist kaum mehr zu unterscheiden, während der 2. und 1. in ihrer Weiterentwicklung fortfahren, wobei sie deutlich hervortreten, doch dicht beieinander liegen bleiben. Während des 3. und 4. Stadiums übt, wie mir scheint, das Ohr einen unmittelbaren Druck auf den zwischen pro- und metaotischen Somiten gelegenen Abschnitt des Mesoderms aus. Im Laufe des weiteren Entwicklungsganges wird der Druck der noch aus einer weiten, ohne scharfe Begrenzung in das umliegende Eetoderm über- gehenden Einsenkung, der sich zu einer rundlichen Blase heranbilden- den ursprünglichen Anlage des Ohres, wenn auch nicht völlig auf- sehoben, so doch jedenfalls in bedeutendem Maße lokalisiert, da unter das Ohr nur noch ein kleiner Distrikt des ihm früher unter- gelegenen Mesoderms zu liegen kommt. Dieses findet einerseits über- haupt dank der Verminderung der den Druck ausübenden Fläche (die Umwandlung der breiten, flachen Einsenkung des Ohres in eine Blase), anderseits dank dem Umstande statt, daß der betreffende Abschnitt des Mesoderms sich auf einen größeren Raum ausgedehnt hat. Was das Visceralmesoderm anbetrifft, so läßt sich darüber folgendes bemerken. Im 1. von mir untersuchten Stadium stellte dasselbe eine überall gleichmäßige, ohne scharfe Grenze in das dorsale Mesoderm übergehende Zellenschicht dar. Später, schon während des 2. Stadiums, verwandelt sich der Abschnitt desselben in eine Reihe von Hohlräumen, und es findet gewissermaßen auch eine Segmentierung statt. Die auf Fig. 35 wiedergegebene Reihe von Höhlungen nimmt hinter der Gegend des künftigen Ohres ihren Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 333 Anfang und erstreckt sich bis an das Vorderende. Ungefähr an der Stelle, wo die Seitenplatte in das dorsale Mesoderm übergeht, werden die Höhlungen unregelmäßig und verschwinden endlich ganz, ohne mit den Höhlungen der Somiten in Verbindung zu treten. Das letztere bezieht sich natürlich nur auf die Region der Oceipital- somiten, denn vor denselben ist im dorsalen Mesoderm noch keinerlei Andeutung einer Höhlenbildung vorhanden, und die Höhlungen des visceralen Mesoderms gehen hinter dem Punkte, an welchem später- hin der Mandibularsomit zur Anlage kommt, direkt in die kom- pakte Zellmasse, gegenüber dieser Lage in das loekere Mesenchym über. Von letzterem zur Medianebene hin befindet sich wieder ein kompakterer Zellenkomplex, das Material für den 2. Somiten. Dort, wo noch keine Somitenanlage vorhanden ist, ist es völlig unmöglich, auch nur annähernd die Grenze zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm zu bestimmen. So sind z. B. in der Gegend des Mandibular- somiten Mesenchymzellen zwischen beiden Teilen des Mesoderms eingelagert, doch kann man nicht erkennen, ob diese Zellen dem dorsalen oder dem visceralen Teile zugerechnet werden müssen. Weiter nach hinten in der Gegend des 3. Somiten und des Öhres weist das Mesoderm in dorso-ventaler Richtuug keinerlei spezielle Differenzierung auf, und der Übergang der einzelnen Teile ineinander ist ein ganz allmählicher. In den folgenden Stadien findet, mit dem Spiraculum beginnend, die Bildung der Kiemenspalten statt, welche anfangs als rundliche Ausbuchtungen des Darmes auftreten, die das vor ihnen gelagerte Mesoderm auseinander schieben und so einen Druck auf dasselbe ausüben. Um diese Zeit verschwinden augenscheinlich die oben erwähnten Höhlungen des visceralen Mesoderms, während die in späteren Entwieklungsstadien auftretenden Höhlungen zwischen den Kiementaschen erst sekundär wieder zur Anlage kommen. Diese Verhältnisse kann ich für den Kieferbogen als völlig sicher hinstellen, für die hinteren Bögen sind sie zum mindesten wahrscheinlich. Eine deutliche Verbindung des 2. Somiten mit der Höhlung des Kiefer- bogens ist in keinem Stadium nachzuweisen; beide Gebilde erweisen sich als beständig von dem Mesenchymgewebe, welches in jungen Stadien die Anlage des 2. Somiten von der Seitenplatte trennte, ge- schieden. Dafür tritt während der Stadien, in denen der erste Somit bereits zur vollständigen Ausbildung gelangt ist (Stad. 6—7), dieser letztere in Beziehung zum Kieferbogen. Diese Verhältnisse sind auf Fig. 12 und für ein späteres Stadium auf Fig. 13 wiedergegeben. 334 D. Filatoff Ich hebe hier diese Umstände deshalb besonders hervor, um zu zeigen, daß die gegenseitigen Beziehungen der Bögen und Somiten großen Schwankungen unterworfen sind, und daß das Vorhandensein oder Fehlen einer Verbindung zwischen einem Somiten und einem bestimmten Bogen nicht als Maßstab bei Bestimmung des Somiten dienen kann. Es wird gewöhnlich gesagt, der 1. Somit habe kein Gegenstück in der Seitenplatte, während der 2. Somit durch seine Verbindung mit der Kieferbogenmesodermhöhle charakterisiert werde; dieses trifft beim Haifisch auch in der Tat zu, während sich bei den Schildkröten in gewissen Entwicklungsstadien andre Beziehungen geltend machen. Daß der 1. Somit der Schildkröten auch wirklich dem 1., nicht aber dem 2. der Haifische entspricht, wird weiter unten noch näher erörtert werden, und so sind wir zuzugeben ge- zwungen, daß die Kiemenbögen nicht bestimmten Somiten ent- sprechen. Im allgemeinen Entwicklungsgange des Vorderkopfmesoderms scheint es mir von Wichtigkeit, auf den Ausdehnungsprozeß des zwischen dem Mandibular- und 1. Oceipitalsomiten eingelagerten Mesoderms hinzuweisen. FRORIEP spricht sich in seiner 1902 er- schienenen Arbeit, die Einteilung des Kopfes in einen Präspinal- und einen Spinalabschnitt feststellend, unter anderm dahin aus, daß der ventrale Teil des Mesoderms des Präspinalabschnittes vom Hyoidbogen in der Richtung von vorn nach rückwärts wachse, während das dorsale Mesoderm an diesem Wachstumsprozeß nicht beteiligt sei. Der im Wachstum begriffene ventrale Abschnitt des präspinalen Mesoderms verdrängt, nachdem er die Region der Oceipitalsomiten erreicht hat, das ventrale Mesoderm dieser letzteren und tritt nun an dessen Stelle. Auf Grund meiner Befunde bei den Schildkröten fasse ich die Erscheinungen, auf welchen die eben an- geführte Erklärung basiert, völlig anders auf. Meiner Ansicht nach findet nicht nur keinerlei Aufeinanderschiebung des einen Mesoderm- abschnittes über den andern statt, sondern sowohl das ventrale, als auch das dorsale Mesoderm erfahren im Gegenteil eine passive Aus- dehnung zwischen der Region des Spiraculum und den Oceipital- somiten, ungefähr da, wo FRORIEP bei Torpedo ein Rückwärtswachsen des ventralen Präspinalmesoderms zu sehen glaubt. Beim Überein- anderschieben des einen Mesodermabschnittes über den andern wären wir berechtigt, eher das Auftreten einer Zone dichteren Ge- webes zu erwarten, während hier im Gegenteil der die anfangs dicht beieinander liegenden Vorderkopfsomiten von den Oceipitalsomiten Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 335 trennende Raum sich beständig vergrößert, und das anfangs kompakte Gewebe sich in ein lockeres verwandelt. Sichtlich ausgezogen er- scheint der dorsale Teil des Mesoderms, indem die Anlage des dritten Somiten ebenfalls in den Prozeß der Ausdehnung hineinge- zogen ist. Der ventrale Teil wird wahrscheinlich auch ausgedehnt, doch verdunkeln die um diese Zeit in denselben einwachsenden Kiementaschen diesen Vorgang. Es ist natürlich nicht notwendig anzunehmen, daß der Entwicklungsprozeß des Vorderkopfmesoderms bei Torpedo und Emys ganz übereinstimmend verläuft, doch kann ich mir nicht denken, daß der Unterschied ein so tiefgehender wäre, indem in dem einen Falle eine passive Ausdehnung stattfindet, während in dem andern sich die einen Teile über die andern über- schieben; das Wahrscheinlichste ist, daß wir es in beiden Fällen mit demselben Vorgang zu tun haben, wenn auch die Ausdehnung von verschiedener Intensität sein kann. Schon aus der Schilderung des allgemeinen Entwicklungsganges des Vorderkopfmesoderms geht deutlich hervor, daß die in demselben vor sich gehenden Umwandlungen von den im Hinterkopf- und Rumpfmesoderm stattfindenden abweichen, doch läßt sich noch nichts von dem eigentlichen Charakter dieser Unterschiede sagen. Diese Frage läßt sich nur auf Grund eines detaillierten Studiums der Entwicklung der einzelnen Abschnitte des Vorderkopfmesoderms, welche von den einen Autoren als Somiten, von andern als Höhlen bezeichnet werden, und die ich Somiten nennen will, lösen. Da das Verständnis der morphologischen Bedeutung eines Abschnittes des Mesoderms gleichzeitig auch von der morphologischen Bedeutung des denselben innervierenden Nerves abhängt, so will ich bei Be- schreibung der Entwicklung des Somiten auch die Entwicklung der betreffenden Nerven erwähnen. Es scheint mir zur Übersichtlieh- keit beizutragen, wenn ich die Vorderkopfsomiten in derselben Reihenfolge, wie die oceipitalen, d. h. in caudo-rostraler Richtung beschreibe und in meiner Schilderung von dem Grenzpunkt der Vorderkopf- und Oceipitalsomiten beginne. Die Entwicklung der Gruppe des 3. Somiten und des N. abducens. Unter der Bezeichnung der Gruppe des 3. Somiten fasse ich hier den ganzen, zwischen vorderem Oceipitalsomiten und Mandibular- somit gelegenen Abschnitt des dorsalen Mesoderms zusammen. -Da- mit will ich jedoch keineswegs sagen, daß dieser Abschnitt bei den 336 D. Filatoff Schildkröten dem 3. Somiten andrer Tiere entspreche. Bei der Schild- kröte ist nämlich der Segmentierungsprozeß in diesem Punkt bis zu einem solchen Grad verwischt, daß unmittelbar hinter dem Mandibularsomiten nur die Anlage eines Somiten auftritt, welcher also von vorn gerechnet dem 3. entsprechen würde. Ihm schließt sich aber ein Streifen unsegmentierten Mesoderms an. Die An- lage des 3. Somiten und diesen Streifen fasse ich als Gruppe des 3. Somiten zusammen, und ich beschreibe dieselbe gemeinsam einerseits deshalb, weil ihre Entwicklung stark abweichend erscheint, anderseits aber, weil der 3. Somit und aller Wahrscheinliehkeit nach auch ein Teil des sich ihm nach hinten anschließenden Mesoderms später den M. abducens bilden. Zweifellos trägt nicht der ganze Streifen bis zum 1. metaotischen Somiten zur Bildung des Muskels bei, doch läßt sich, wie wir weiter unten sehen werden, keine bestimmte Grenze feststellen. Im ersten Stadium folgt auf den vorderen Oceipitalsomiten ein Streifen unsegmentierten Mesoderms, welcher bis zur Anlage des Mandibularsomiten eine gleichmäßige Struktur zeigt. Während der folgenden Stadien lösen sich von diesem Streifen noch 1—2 Somiten ab, und damit schließt die Bildung der Oceipitalsomiten auch ab: im folgenden Abschnitt bis unmittelbar an den Mandibularsomiten läßt sich keine Spur einer deutlichen Segmentierung entdecken. Im 2. Stadium erleidet dieser Abschnitt nur wenig Verände- rungen im Vergleich mit dem vorhergehenden. Doch angefangen vom dritten treten gewisse Eigentümlichkeiten zutage, die als Andeu- tung einer ursprünglich vorhanden gewesenen Segmentation aufge- faßt werden können. Auf Fig. 3 weist das dorsale Mesoderm über dem sich entwickelnden Spiraculum eine aus dicht gedrängt stehen- den Zellen gebildete Erhöhung auf; vorn und hinten gehen die Zellen desselben ohne jegliche scharfe Abgrenzung, die man als Grenze des Somiten auffassen könnte, in das dorsale Mesoderm über. Weder eine Höhlung noch eine sternförmige Anordnung der Zellen läßt sich in derselben erkennen. Im folgenden 4. Stadium, welches die Rekonstruktion Fig. 9 und der Schnitt Fig. 14 illustrieren, hat sich der ganze zwischen den Oceipitalsomiten und dem Mandibularsomiten gelegene Abschnitt des Mesoderms in die Länge ausgezogen. Seine Zellen liegen nun lockerer. Er kann wegen seiner Lage unmittelbar hinter dem Mandibularsomiten und wegen seiner Ableitung vom dorsalen Meso- derm als eigentümliche Anlage des 3. Somiten aufgefaßt werden. Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 337 In diesem Stadium tritt, wie sich aus der Abbildung ersehen läßt, die Anlage schärfer als im vorhergehenden hervor, und die An- ordnung der dieselbe bildenden Zellen läßt, wenn auch recht un- deutlich, doch einen sternförmigen Charakter erkennen. Dieses kann man auch aus der Vergleichung der Fig. 14 und der das vorhergehende Stadium betreffenden Fig. 3 ersehen, wo die Zellen der Anlage völlig ungeordnet sind. Im Laufe der folgenden Sta- dien nimmt die Verlängerung des dorsalen Mesoderms in der be- treffenden Region ihren Fortgang, ebenso das Auseinanderweichen der Zellen. Ein ebensolches Auseinanderweichen erfährt auch die Anlage des 3. Somiten; dieselbe verschwimmt und läßt sich von dem umliegenden Gewebe nur noch durch die eigentümliche Anord- nung ihrer Zellen unterscheiden. Die Wiedergabe eines Sagittal- schnittes des 6. Stadiums (Fig. 15) zeigt gerade diese Verhältnisse: die Zellen des gesamten dorsalen Mesoderms vom Mandibularsomiten nach hinten bis zum 1. Oceipitalsomiten werden durch Mesenchym- gewebe repräsentiert, welches deutlich vom kompakteren Gewebe des von den Kiementaschen zusammengepreßten Mesoderms ab- sticht, und von welchem sich der ebenfalls von Mesenchymzellen gebildete 3. Somit undeutlich abhebt. Später, im Laufe des 7. Sta- diums, verdichtet sich ein Teil des Mesenchyms von neuem zur Bildung einer besonderen Anlage (Fig. 16) von keulenförmiger Gestalt, deren erweitertes Ende nach vorn, das schmale nach hinten gerichtet ist. Hier haben sich die Zellen des verschwommenen 3. Somiten, oder besser gesagt, dessen Anlage von neuem verdichtet, um durch weitere. Umwandlungen dem Augenmuskel seinen Ur- sprung zu geben. Natürlich nehmen an der Bildung der neuen kompakten Anlage nicht nur die Zellen der Anlage des 3. Somiten Anteil, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch das benachbarte Mesenchym. Dieses hat um so mehr Wahrscheinlichkeit für sich, als in gegebenem Falle der Somit in keinem Stadium scharf abgegrenzt war, und das Gewebe desselben stets unmerklich in das umliegende überging. Auf welche Weise die Anlage des Stadium 7 sich zum M. ab- ducens herausbildet, darauf will ich später bei der Schilderung der Entwicklung des N. abducens zurückkommen, da beide Vorgänge eng miteinander verknüpft sind, und es daher bequemer erscheint, sie gemeinsam zu besprechen. Alles, was von der Entwicklung des Mesoderms der Gruppe des 3. Somiten gesagt wurde, entwirft ein Bild derjenigen Umwandlungen, welche ‘der Segmentierung des Morpholog. Jahrbuch. 37. 29 338 D. Filatoff - Mesoderms in andern Regionen und der Bildung von Myotomen als entsprechend zu betrachten sind. Wir haben gesehen, daß diese Vorgänge hier in der Bildung der Erhöhung und der Umgruppierung der Zellen, welche gewissermaßen eine sternförmige Anordnung an- strebten, nur schwach zum Ausdruck kamen; und doch zwingen uns die Lage dieses Mesodermabschnittes, dessen Beziehungen zu andern Organen, die ihm zufallende Rolle in der Bildung der Muskulatur und die Innervierung, diesen Mesodermabschnitt einigen Abschnitten bei andern Tierformen als gleichwertig zu bezeichnen, welche eine deutlich ausgeprägte Segmentierung durchmachen. Mir scheint, der Vergleich der oben beschriebenen Prozesse bei der Schildkröte mit den in der Literatur vorhandenen Angaben über dieselben bei an- dern Tierformen kann zeigen, wie dieser Vorgang sich nach und nach verändert hat und endlich zu einem solchen geworden ist, wie wir ihn bei Emys antreffen. Bei den Cyelostomen erleidet der Abschnitt des dorsalen Meso- derms, welcher dem M. abducens den Ursprung gibt und sich dem Mandibularsomiten unmittelbar nach hinten anschließt, eine typische Segmentierung. Die Fig. 21 und 22 Taf. V der KoLTZorr- schen Arbeit zeigen deutlich, wie der 3. Somit selbständig wird und nach seiner Abtrennung in Form und Lage völlig mit den andern Somiten übereinstimmt. In diesem Stadium läßt sich ein Einfluß des Ohres auf die Somitenreihe nicht nachweisen. Später (Fig. 23 und 25, Rek. VI) beginnen sich im Zusammenhange mit der Bildung des Ohres und der zunehmenden Verlängerung des Kopfabschnittes eine Ausdehnung des 3. Somiten, eine Entfernung desselben vom 4. und ein Ausziehen des Vorderendes dieses letzteren bemerkbar zu machen, wodurch dieselben ihre typische Gestalt einbüßen und nur mehr spaltenähnliche Abschnitte des Mesoderms darstellen. Die weiteren Umwandlungen bestehen im völligen Verschwinden der Höhlung und in der Verwandlung des Gewebes der früheren Somiten in skele- togenes und Muskelgewebe. Auf letztere Vorgänge will ich nicht näher eingehen, da für mich zum Vergleich hauptsächlich die Stadien des Auftretens und Verschwindens der Somiten in der subotischen und prootischen Region von Bedeutung sind. Hier läßt sich bei Petro- myxon das Vorhandensein eines typischen 3. und 4. Somiten nach- weisen, welehe dann, im Zusammenhange mit der Entwicklung des Ohres und der Verlängerung des entsprechenden Kopfabschnittes eine Ausdehnung in der Längsrichtung zu erleiden haben. Bei den Elasmobranchia, bei den Haien sowie bei den Rochen, Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 339 entwickelt sich der uns beschäftigende Abschnitt des Mesoderms auf die Weise, daß vor der Bildung des Somiten das dorsale Mesoderm an der betreffenden Stelle eine Spaltung aufweist. In dieser Beziehung nähert sich der Prozeß augenscheinlich dem bei Petromyxon vor sich gehenden bedeutend, wo der 3. Somit z. B. vor seiner Abtrennung durch eine Spalte mit dem 2. in Beziehung gewesen war (Fig. 21 Taf. V, KoLTzorr). Anderseits erinnert die Spaltenbildung im sub- und prootischen Mesoderm vor Differenzierung dieses Abschnittes in Somiten, sowohl bei Petromyxon als auch bei Haien, lebhaft an die entsprechenden Vorgänge in der Oceipital- und Rumpfregion sowohl bei den eben genannten als auch bei andern Tieren. Die die Haie betreffenden Daten entnehme ich den Arbeiten SEWERTZOFFS (9) und DoHrns (20). In den ersteren sind auf Taf. I Längsschnitte eines Embryo von Torpedo ocellata abgebildet, bei welchem die Anlagen des 3. und 4. Somiten in Gestalt spaltartiger Höhlungen auftreten (Fig. 3 und 4). In älteren Stadien, trennen sich die Somiten voneinander, doch erlangen sie nie eine so regel- mäßige Gestalt, wie dies bei Petromyxon der Fall ist, da, soviel ich aus den Abbildungen des Autors schließen kann, dieselben augenscheinlich verhältnismäßig sehr früh eine Ausdehnung erfahren. Bei Pristiurus und Spinax erweist sich der 3. und 4. Somit eben- falls ausgezogen (Braus [29], Taf. XXI, 5 und 6). In der Arbeit DoHrns kann man an den, nach einer Schnittserie von Acanthias vulgarıs angefertigten Abbildungen der Taf. XI sehr gut erkennen, wie das dorsale Mesoderm des Vorderkopfes eine Höhlung zu bilden beginnt, welche eine unmittelbare Fortsetzung einer ebensolchen Höhlung in den zur Anlage kommenden Oceipitalsomiten darstellt. So halte ich mich für berechtigt zu sagen, daß bei den Klasmo- branchra im sub- und prootischen Mesoderm vor der Bildung der Somiten eine gemeinsame Höhlung auftritt, welche späterhin in So- miten zerfällt. Augenscheinlich besitzen die Rochen eine größere Anzahl solcher Somiten als die Haie, doch haben dieselben sowohl bei den einen als auch bei den andern nach ihrer Bildung eine Ausdehnung in der Längsrichtung zu erleiden, wodurch sie ihre typische Gestalt einbüßen. Von den Elasmobranchia muß ich direkt zu den Sauropsida übergehen, da mir keine die Amphibien betreffende Arbeit bekannt ist, in welcher genügende Daten über die Umwandlungen, welche der uns beschäftigende Abschnitt des Mesoderms erleidet, vorhanden 22* 340 D. Filatoff sind. Was die Sauropsida anbetrifft, so sind wir über dieselben in dieser Beziehung weniger gut unterrichtet als über die Haie, doch läßt sich immerhin auf einige Befunde bei denselben hinweisen, welche einiges Licht auf die sich in der zwischen Mandibular- und den Oceipitalsomiten liegenden Region abspielenden Prozesse werfen. So bringt Orrer (30) in seiner Arbeit (über Anguis fragilis) in Fig. 10 die Darstellung eines Längsschnittes, auf welcher der 3. prootische Somit in seiner für einen Somiten bezeichnenden Ge- stalt wiedergegeben ist, nur weist derselbe ein außerordentlich kleines Lumen auf. van WısHe (31) weist darauf hin, daß der 3. Somit der Eidechsen, Schlangen und Vögel ein kompaktes Gebilde darstelle. Nach Rex (Lachmöwe) entsteht die Höhlung des 3. Somiten nicht im dorsalen, sondern im visceralen Mesoderm, wobei der Autor sich kategorisch weigert, dieses Gebilde als Somiten anzuerkennen. Leider finden sich in den angeführten Arbeiten nur äußerst wenig Abbildungen von Längsschnitten, nach welchen man sich eine klare Vorstellung von dem allmähliehen Umwandlungsprozeß des betreffenden Mesoderm- abschnittes bilden könnte. Doch erscheint es mir trotzdem möglich, wenigstens auf Grund einiger Angaben, zu versuchen, diesen Vor- gang mit den Befunden bei den Haien und Petromyxon in Zusammen-. hang zu bringen. Wenn wir meine Befunde bei Emys mit den Angaben ÜPPELS über Angwis und v. Wısues über die Vögel und Reptilien über- haupt vergleichen, so erweist es sich, daß bei den Sauropsida der 3. Somit anfängt, seinen eigentlichen Somitencharakter einzu- büßen; bei Angwis erscheint das Lumen desselben bereits im Ver- hältnis zu andern Tieren wesentlich verkleinert, während ich bei der Schildkröte überhaupt das Fehlen eines solchen feststellen und von charakteristischen Somitenmerkmalen nur zur Not eine stern- förmige Anordnung der Zellen erkennen konnte. Die Eidechsen und Sehlangen zeichnen sich ebenfalls durch das Fehlen einer Höhlung aus, während bei einigen Vögeln augenscheinlich nieht einmal ein einigermaßen selbständiger Mesodermabschnitt, welcher als Anlage des 3. Somiten aufgefaßt werden kann, vorhanden ist. Wenigstens folgt dies aus den Angaben von Rex. v. WıJHE dagegen findet ihn bei den Vögeln selbständig, wenn auch ohne Höhlung. Wenn wir nun den allgemeinen Entwicklungsgang des Vorder- kopfmesoderms bei der Schildkröte und der Möve einander gegen- überstellen, so erscheint es möglich, einen Fortschritt in dem Prozeß, Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 341 welcher die Ausdehnung des prootischen und subotischen Mesoderms zur Folge hat, festzustellen. Auf meiner, einen Längsschnitt eines Embryo mit 5—6 ausgebildeten Somiten darstellenden Abbildung (Fig. 26) stellt dieses Mesoderm noch eine kompakte Zellenmasse dar, während auf der Rexschen Fig. 1 im Text bei der Möve mit erst 1—2 Somiten dasselbe bereits von Mesenchymzellen gebildet wird und außerdem noch nach der Längsachse eine verhältnismäßig bedeutend größere Ausdehnung besitzt. Auf Fig. 3 im Text (Rex) bemerken wir, daß die obere Darmwand an der betreffenden Stelle verdünnt, gewissermaßen ausgezogen erscheint, was ich bei der Schildkröte in keinem Stadium beobachten konnte, und woraus ich schließe, daß der Ausdehnungsprozeß einiger Organsysteme des Vorderkopfes bei den Sauropsida beim Übergang von niederen Formen zu höheren ontogenetisch nieht nur in jüngere Stadien zurück- geschoben wird, sondern auch. an Intensität zunimmt. Bei Vergleichung der Entwicklung des pro- und subotischen Mesoderms bei verschiedenen Tierformen läßt sich, wie mir scheint, auf folgende charakteristische Züge in der Umgestaltung dieses Prozesses hinweisen: erstens liegt dem Prozeß die Veränderung zweier Merkmale, der Fähigkeit, Somiten zu bilden und bei der Aus- dehnung sich in Mesenehymgewebe aufzulösen, zugrunde. Zweitens läßt sich ein Einfluß des einen dieser Merkmale auf das andre konstatieren, und zwar der Ausdehnung auf die Somitenbildung: je früher die erstere eintritt und je intensiver dieselbe vor sich geht, desto weniger deutlich tritt die zweite zutage und kann mitunter gänzlich ausfallen. Bei Petromyxon hatten der 3. und 4. Somit sich bereits ausbilden können, ehe die Eigentümlichkeit im Wachstum der benachbarten Teile einen Einfluß auf den betreffenden Mesodermab- schnitt ausüben konnte, und so sehen wir, daß diese Somiten thre völlig typische Ausbildung erlangen; die passive Umgestaltung tritt erst spüter ein, wenm das Ohr anfängt, sich zwischen den Somiten einzuxwängen, und mir scheint, bei Petromyxom ist dies die einzige Deformationsursache im pro- und subotischen Mesoderm, während die Ausdehnung, welche bei höheren Tierformen meiner Ansicht nach mit der Entwicklung des Nervensystems in Zusammenhang stehen kann, bei dem Neumauge nur sehr schwach zum Ausdruck kommt. Bei den Haien findet die Ausdehnung verhältnismäßig früher statt, doch lassen dieselben trotzdem noch eine umunterbrochene Somitenreihe erkennen, wenn die einzelnen Somiten auch nicht völlig deutlich zur Ausbildung gelangen. Bei den Sauropsida tritt der Ausdehnungsprozeß in immer 342 D. Filatoff früheren Stadien ein und verdunkelt durch seine zunehmende Inten- sität endgültig die Segmentierung des betreffenden Abschnittes. Ich habe die Schilderung der Entwicklungsvorgänge in der Gegend des 3. Somiten und des sich ihm unmittelbar hinten an- schließenden unsegmentierten Mesodermabschnittes unterbrochen, um die erhaltenen Resultate mit den Befunden bei andern Tieren zu vergleichen und zu zeigen, wie die typische Segmentierung der pro- und subotischen Region allmählich verwischt wird, um den Verhält- nissen, welche wir bei höheren Tierformen antreffen, Platz zu machen. Nun will ich die Beschreibung wieder aufnehmen und mit dem Stadium, auf welches sich die Fig. 16 bezieht, beginnen. Hier konnte ich keine Spur eines Abducens entdeeken. Die sich aus dem Mesenchym herausdifferenzierende Anlage mn nimmt die auf der Rekonstruktion Fig. 17 angegebene Stellung ein: das vordere Ende derselben wird vom Gewebe des 2. Somiten und des G. Gasseri bedeckt, während ihr Hinterende hinter demselben zutage tritt und sich in demselben bereits eine Differenzierung der Zellen, welche ausgezogen und dicht aneinander gedrängt erscheinen, erkennen läßt. Im folgenden, 8. Stadium ist das hintere sich allmählich ver- Jüngende Ende der Anlage bereits mit dem Boden der M. oblongata der Gehörblase gegenüber in Beziehung getreten. Diese Beziehung wird durch einen aus Bindegewebszellen bestehenden Strang ver- mittelt, welcher mit mehreren Wurzeln von unten an das Nerven- system herantritt (Fig. 19 Rekonstr.). Der Vorderabsehnitt der An- lage nimmt dem G. Gasseri und dem 2. Somiten gegenüber seine frühere Stellung ein, wobei sich sein vorderes Ende nach auswärts umbiegt, wie aus der, einen Querschnitt desselben Stadiums dar- stellenden Fig. 18 ersichtlich. Hier ist auch das Verhältnis des Gewebes des 3. Somiten zu dem des 1. und 2. wiedergegeben. Das Gewebe des Hinterendes der Anlage mn zeigt genau dasselbe Aus- sehen, wie das die Anlage des Oeulomotorius bildende Gewebe (Fig. 34). Im 9. Stadium besteht die Veränderung darin, daß der feine, die Anlage mit dem Gehirn verbindende Bindegewebsstrang eine Verlängerung erfahren hat und zwar augenscheinlich auf Kosten des Hinterendes der Anlage mn, welches nun schon nieht mehr unter dem G. Gasseri hervortritt (Fig. 20). Außerdem treten die dem Hirn anliegenden Wurzeln in innige Beziehungen zu dem Hirn selbst, und es macht sich das Einwachsen von Fasern des letzteren in die- selben bemerkbar. Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 343 Im 10. Stadium entwickelt sich der Prozeß in derselben Rich- tung weiter: der feine Strang, welcher die Anlage mn» mit dem Nervenstrang verbindet, verlängert sich auf Kosten dieser Anlage, welche entsprechend verkürzt wird. Auf der Rekonstruktion Fig. 21 läßt sich erkennen, daß die mächtige Anlage nur noch dem zur Seite gebogenen Vorderende derselben der früheren Stadien ent- spricht, während an Stelle des hinteren Endes bereits der feine Strang tritt. Die Verhältnisse dieses Stadiums kommen den end- gültigen nahe. Hier können wir bereits eine Grenze zwischen M. und N. abducens ziehen. In älteren Stadien erweist sich der mediane Abschnitt des Muskels als zweiteilig, wodurch auch eine Gabelung des distalen Endes des Nerven bedingt wird (Fig. 32). Auf diese Weise haben die Umwandlungen in der Reihenfolge der Stadien gezeigt, daß die im 7. Stadium auftretende Anlage so- wohl für den Muskel als auch für den Nerv eine gemeinsame ist, oder, besser gesagt, für einen Teil des letzteren. Ich kann nicht mit völliger Sicherheit den Bildungsmodus des diese Anlage mit dem Hirn verbindenden Stranges erkennen und nur darauf hinweisen, daß keinerlei Befunde, welche auf seine Herleitung vom Centralnerven- system hindeuten, vorliegen; das Wahrscheinlichste ist, daß er sich in loco aus den Mesenchymzellen bildet. Die Nervenelemente treten erst späterhin in Gestalt von in denselben einwachsenden Fasern in ihm auf. Im 8. Stadium wird die Anlage des Nerven durch zwei Abschnitte repräsentiert, einen hinteren, in seiner Dieke mehr oder weniger dem künftigen Nerv entsprechenden, und einen hypertro- phischen, unmittelbar in den Muskel übergehenden vorderen. Mit der allmählichen Verfeinerung des letzteren Abschnittes hält auch die Differenzierung der gemeinsamen Anlage in Muskel und Nerv Sehritt. Meiner Ansicht nach ist es vom großer Bedeutung, den ersten Zustand des Auftretens der Anlage, welche zwar keinerlei Nerven- elemente enthält, doch in Form und Lage den künftigen Nerv prä- formiert, d. h. also den Umstand im Auge xu behalten, daß diese Anlage in innigstem und ununterbrochenem Zusammenhange mit der Anlage des Muskels steht und vom Nervensystem völlig unabhängig auftritt. Von den zu meiner Auffassung der die Entstehung des M. und N. abducens begleitenden Erscheinungen in direkter Beziehung stehenden Literaturangaben muß man auf die Daten SEWERTZOFFS (1900) über die Bildung des betreffenden Muskels bei Torpedo hin- 344 D. Filatoff weisen. Der Autor erkannte die Anlage des Muskels, dessen Längs- achse rostro-caudal gerichtet war, während sich dieselbe in älteren Stadien als transversal gelegen erwies, und er erklärte diese Tatsache dadurch, daß dank der durch die Verstärkung der Gehirnbeuge veranlaßten Verlagerung des Auges der Muskel eine Drehung er- litten hätte, so daß die Längsschnitte denselben nun in transver- saler Ebene träfen. Augenscheinlich haben wir. den gleichen Vor- gang bei verschiedenen Tieren beobachtet, nur ziehe ich auch die Entwicklung des N. abducens in Betracht und fasse daher den ganzen Prozeß anders auf: der anfangs sich auf Längssehnitten bemerkbar machende hintere Abschnitt der Anlage, welcher nach SEWERTZOFF Sich bis zu einer transversalen Stellung wendet, wird meiner Ansicht nach zur Verlängerung des Vorderendes des N. ab- ducens verwandt, während nur der Vorderabschnitt der Anlage eine Querstellung annimmt. Damit sind meine Beobachtungen in bezug auf die Entwick- lung des Mesoderms in der Region des M. und N. abducens er- schöpft. Bei Vergleichung meiner Befunde mit den Angaben andrer Autoren war ich bestrebt, die wichtigsten Punkte in dem Prozeß, welcher die Unterschiede im Entwicklungsgange des betreffenden Mesodermdistriktes bei den verschiedenen Tierformen bedingt, hervor- zuheben. Wir haben gesehen, wie die typische Segmentierung des pro- und subotischen Mesoderms allmählich verloren ging und dort, wo bei niederen Formen noch die typisch ausgebildeten 3., 4. usw. Somiten auftraten, bei höheren nur noch ein Mesodermstrang mit kaum merklichen Anzeichen einer Segmentierung vorhanden ist. Verschiedene Autoren sind sich darüber einig, daß die Vorderkopf- somiten typische, denen der Oceipitalregion und des Rumpfes homo- loge Somiten darstellen. Die Daten beziehen sich hauptsächlich auf die Haie, wo diese Somiten sehr schön zur Ausbildung gelangen; was die Reptilien anbetrifft, so ist bei Angaxs der 3. Somit ebenfalls gut entwickelt, und OPpeL sieht denselben für dem hinteren Somiten homolog an. » Bei der Schildkröte ist, wie wir gesehen haben, das Bild ein bereits bedeutend unklareres, und bei den Vögeln ist dies noch in gesteigertem Maße der Fall. Hier muß auf die Rexsche Arbeit, deren ich bereits erwähnte, verwiesen werden, in welcher der Autor bei Beschreibung der Entwieklung der drei Vorderkopf- höhlen bei der Möve dieselben vom viseeralen Mesoderm herleitet und meint, dieselben hätten sich ebenso gebildet, wie sich überhaupt die Cölomhöhlungen im letzteren bilden. Einstweilen will ich nur Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 345 auf die Daten über die 3. Höhle (Somiten) näher eingehen. Bei den Schildkröten weist der 3. Somit bereits überhaupt keine Höhle auf und erscheint kompakt. Bei den Vögeln finden wir nach v. Wise dieselben Verhältnisse wieder. Die von Rex erwähnte Höhle stellt nicht, wie bei Petromyxon, wie beim Haifisch und wie vielleicht bei Anguis fragilis, einen Abschnitt der anfangs für alle Somiten ge- meinsamen Höhle dar, welche vor deren Anlage im dorsalen Meso- derm auftritt, sondern hat die Bedeutung eines sekundären Ge- bildes. Mir erscheinen die Argumente, auf welche sich Rex bei der Beweisführung, daß die in Betracht kommende Höhle wirklich im visceralen Mesoderm zur Anlage käme, nicht überzeugend. Bei Be- trachtung der Fig. 11 seiner Tafeln, auf welche er sich beruft, wäre ich eher geneigt zuzugeben, daß es im betreffenden Mesodermab- sehnitt überhaupt sehr schwer fällt, die Grenze zwischen dorsalem und visceralem Mesoderm zu ziehen; wenn der Autor darin auch Recht hat, so ist doch jedenfalls seine Schlußfolgerung, der 3. So- mit oder Höhle stelle bei den Wirbeltieren überhaupt ein Gebilde sui generis dar und könne nicht mit den Oeeipitalsomiten homologi- siert werden, unrichtig. Wenn diese Höhle bei den Vögeln auch tatsächlich im Visceralmesoderm ihren Ursprung hat, so bleibt doch dieser Stelle gegenüber bei ihnen ein Abschnitt des dorsalen Meso- derms bestehen, welcher von der Segmentation unberührt bleibt; und eben dieser Abschnitt ist es, welcher dem 3., möglicherweise sogar dem 3. und 4. Somiten von Petromyxon, Elasmobranchiern und ge- wissen Reptilien entspricht. Ich werde auf diese Frage bei der Schilderung der Entwicklung des 2. Somiten bei der Schildkröte noch zurückkommen, da dieselbe, wie mir scheint, gut als Beleg der eben ausgesprochenen Ansicht dienen kann. Die Entwicklung des Mandibularsomiten, des N. trigeminus und N. trochlearis. Der 2. Somit ist erst im 3. Stadium gut ausgeprägt. Während der 1. und 2. Stadien schließt sich der Gegend des 3. Somiten vorn unmittelbar ein Mesodermabschnitt an, welcher an seinem Vorderende in die Prächordalplatte, die während dieser Stadien die gemeinsame Anlage des Vorderendes der Chorda und eines Teiles des Prä- mandibularsomiten repräsentiert, lateral aber in Mesenchymgewebe übergeht. Auf der Medianebene ‚nahe geführten Schnitten ist die 346 D. Filatoff obere, aus diehter aneinander gelagerten Zellen bestehende Reihe sichtbar, welche während der folgenden Stadien die Wandung des 2. Somiten bilden wird. Im 3. Stadium (Fig. 3) besitzt der Somit bereits eine Höhlung und zeigt eine gebogene Gestalt, so daß wir bei der Durchsicht der Schnitte von der Peripherie zur Medianebene anfangs zwei einander genäherte Höhlungen erkennen können, welche weiter nach innen zu untereinander verschmelzen. Fig. 22 stellt den 2. Somiten während des nächstfolgenden 4. Stadiums dar, wo er seine völlige Ausbildung erlangt hat und sich von den typischen Somiten dadurch unterscheidet, daß der in das umgebende Gewebe über- gehende Teil seiner Oberfläche sich durch eine verhältnismäßig be- deutende Ausdehnung auszeichnet, und zwar über die ganze untere und einen Teil der seitlichen Wandungen sich erstreckt. Die Lage des Somiten wird durch sein Verhalten zur Anlage des Tri- geminus bestimmt, was sowohl aus der angeführten Abbildung als auch aus sämtlichen Rekonstruktionen ersichtlich ist. Im Entwick- lungsgange des 2. Somiten bis zum Stadium seiner völligen Aus- bildung besteht der bemerkenswerteste Unterschied, welcher ihn von den typischen Somiten trennt, im Fehlen einer Höhlung, welche die unmittelbare Fortsetzung der das dorsale Mesoderm vor der Aus- bildung der Oceipitalsomiten spaltenden Höhlung darstellen würde. Doch steht dies natürlich damit im Zusammenhange, daß zwischen dem Mandibular- und den Oceipitalsomiten ein Mesodermabsehnitt eingelagert ist, dessen Entwicklung bereits oben besprochen wurde und dessen vergleichende Ontogenie als Erklärung der Unterbrechung der Höhle dienen kann. Im folgenden Stadium (5) beginnt die Höhle des Somiten zu verschwinden, die Wandungen desselben schrumpfen zusammen und gleichzeitig läßt sich an seiner Stelle das Auftreten einer Reihe von kleinen Höhlungen, welche teilweise augenscheinlich selbständig entstehen, teilweise aber als Reste der früheren Höhlung _ zu betrachten sind, beobachten. Fig. 36 gibt gerade dasjenige Sta- dium wieder, in welchem man noch den Rest der Wandung des 2. Somiten und die sich nebenan neubildenden sekundären Höhlungen erkennen kann. Noch später vergrößert sich die Anzahl dieser Höhlungen; einen Teil derselben sehen wir auf der das 6. Stadium illustrierenden Fig. 8 abgebildet. Hier ist die eine Seite des Embryos abgebildet; auf der andern, wo die Entwicklung bereits weiter vor- gerückt ist, sind dagegen bereits fast alle kleinen Höhlungen zu einer gemeinsamen verschmolzen (Fig. 15). Ein solches Aussehen zeigt der Somit jedoch nur ganz kurze Zeit; während der nächstfolgenden Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 347 Stadien fand ich denselben bereits durch eine selbständige Zell- gruppe ohne Höhlung ersetzt (Fig. 31 und 17). Von diesem Augen- blick an beginnt die spezielle Differenzierung des Gewebes des 2. Somiten und dessen Verwandlung in den M. obliquus superior und Muskel des Kieferbogens. Hier breche ich wieder in meiner Be- schreibung ab, um die geschilderten Entwicklungsstadien des Man- dibularsomiten der Schildkröte mit denen andrer Tiere zu ver- gleichen. Ich beginne wieder mit Petromyxon. Bei Petromyxon erscheint, wie wir dies in der KOLTzorrschen Arbeit sehen, der 2. Somit als Fortsetzung der Reihe der sich ihm nach hinten anschließenden Somiten und unterscheidet sich von den letzteren nur durch seine etwas bedeutendere Länge. Was seine Entwicklung anbetrifft, so unterscheidet sich dieselbe von derjenigen der Nachbarsomiten dadurch, daß seine Höhle dem Darm ihren Ur- sprung verdankt und dieselbe auch im Laufe einer gewissen Zeit ihre Beziehung zum Darmkanal aufrecht erhält. Dieselbe Eigen- tümlichkeit zeichnet auch den Prämandibularsomiten aus, nur ver- schwindet die Höhle in demselben sehr frühzeitig. KoLrzorr hebt die Übereinstimmung in der Bildung des dorsalen Mesoderms in der Gegend der beiden vorderen Somiten bei Petromyxon mit der Somiten- bildung bei Amphioxus, bei welehem dieselben ‘als Ausbuchtung des Darmkanals auftreten, hervor. Leider ist es mir aus der Arbeit des genannten Autors nicht völlig klar geworden, welches Verhalten die Regionen des 3. und 2. Somiten ursprünglich einander gegenüber aufweisen; ob der 2. Somit vorn vor dem 3. ebenso zur Anlage kommt, wie der 1. vor dem 2., d. h. also unmittelbar von der Darmwandung gebildet wird, oder ob die Anlage des 2., des Mandibularsomiten, vor seinem Selbständigwerden eine Fortsetzung des 3. Somiten dar- stellt und mit demselben eine gemeinsame dorsale Mesodermleiste bildet, wie dies bei andern Tieren der Fall ist. Doch gleichviel, ob der erste oder zweite Bildungsmodus des 2. Somiten vorhanden ist, jedenfalls bleiben in dieser Entwicklung primitive Merkmale er- halten, und zwar der Zusammenhang der Somitenhöblung mit der Darmhöhlung; in ersterem Falle kommen diese Merkmale intensiver zum Ausdruck, indem die ganze Höhlung als Ausbuchtung des Darmes entstanden ist, während im zweiten Falle vorausgesetzt werden kann, daß der hintere Teil der Höhlung des 2. Somiten eine Fortsetzung der gemeinsamen Somitenhöhlung darstellt, von welcher bereits wieder- holt die Rede war, und daß der Somit nur in seinem vorderen Teile, sich vom Darm abtrennend, einen Teil der Höhlung des letzteren 348 D. Filatoff in sich aufgenommen hat. Im 2. Falle könnten wir also am 2. So- miten gewissermaßen den Übergang des primären Bildungsmodus des segmentierten Mesoderms zum sekundären verfolgen. Im ersteren Falle dagegen entsteht der ganze 2. Somit auf primärem Wege und der sekundäre Bildungsmodus tritt erst beim 3. Somiten in seine Rechte. Bei den Elasmobranchia dient der 2. Mandibularsomit oder, besser gesagt, dessen Anlage als unmittelbare Fortsetzung der da- hinter liegenden Somiten. Die erste Spur einer Bildung desselben tritt in Gestalt einer engen, das dorsale Mesoderm an dieser Stelle durehsetzenden Spalte auf, welche eine Fortsetzung der Höhlung der hinteren Somiten bildet. Ich muß wieder auf die Taf. XI der DOHRN- schen Arbeit verweisen, auf welcher die erwähnten Verhältnisse sehr schön wiedergegeben sind. Ich will fürs erste die originelle Auffas- sung der Entstehung des Mandibularsomiten oder Höhle des letzteren Autors beiseite lassen, nach welcher derselbe erst sekundär durch Ver- schmelzung der primären Somiten, welche ursprünglich seine Stelle einnahmen, entstanden gedacht ist. Wie wir den Mandibularsomiten auch auffassen mögen, derselbe tritt bei den meisten Tieren als selbständiges Gebilde auf und zeigt eine große Beständigkeit in seinem Verhalten den benachbarten Organen gegenüber und bietet von diesem Standpunkte aus melır Bequemlichkeiten zum Vergleich derselben bei verschiedenen Tierformen, als die ihm sich hinten anschließende Region der Vorderkopfsomiten, von denen bald einer (der 3.), bald zwei, bald noch mehr selbständig auftreten, bisweilen jedoch sich nur schwache Andeutungen einer Segmentierung erkennen lassen. Der 2. Somit dagegen stellt in einem gewissen Stadium bei allen Tieren eine von unregelmäßigen Wandungen begrenzte Höhle dar. Die weitere Ausbildung des Mandibularsomiten besteht bei den Haien darin, daß sich im Inneren des zu demselben gehörenden dorsalen Mesodermabschnittes eine sich immer mehr erweiternde Höhle bildet, welche mit derjenigen des Kieferbogens in Verbindung tritt. Wenn die Erweiterung der Höhlung ihr Maximum erreicht hat, er- scheinen die Somitenwandungen stark verdünnt, und das ganze Ge- bilde verwandelt sich in eine unregelmäßige Blase, deren Aussehen nur sehr wenig an das eines typischen Somiten erinnert. Danach beginnt, gleichzeitig mit dem Verschwinden der Höh- lung, die Umwandlung des Gewebes des Somiten in Muskelgewebe. Unter den Sauropsida können wir bei der Schildkröte, ebenso wie beim Haifisch, zwei Stadien in der Entwicklung des dorsalen Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 349 Mesoderms in der Gegend des 2. Somiten hervorheben. Ich will die- selben als erstes und zweites bezeichnen. Das erste ist dasjenige, in welchem der betreffende Somit den typischen Somitenhabitus aufweist und eine verhältnismäßig kleine, von sternförmig um die- selbe angeordneten Zellen begrenzte Höhle besitzt (Fig. 3 und 22). Das von den Befunden beim Haifisch Abweichende besteht darin, daß der Prozeß hier ein wenig verdunkelt ist, und die Höhle des 2. Somiten nieht eine unmittelbare Fortsetzung derjenigen des hinten liegenden Mesoderms darstellt; doch erklärt sich dieser Umstand, wie wir gesehen haben,| eicht aus der Eigentümlichkeit des letzteren. Hierauf folgt das zweite Stadium — der Umwandlungsprozeß des Somiten in eine dünnwandige Blase. Bei den Vögeln läßt sich, nach den Angaben Rex’ zu urteilen, überhaupt nichts über das erste Entwicklungsstadium des Mandi- bularsomiten sagen. Entweder ist dasselbe gänzlich im Entwicklungs- gange ausgefallen, oder, wenn es auch noch vorhanden ist, so ist dasselbe doch so verdunkelt und vorübergehend, daß es dem Autor entgangen ist. Das 2. Stadium, die Ausbildung der Blase, kommt auch hier ebenso deutlich wie bei den Haien und Reptilien zum Ausdruck. Da das 1. Stadium ausfällt, so läßt sich auch nur schwer der Anfangspunkt des 2. bestimmen; der Autor bezieht dasselbe auf das viscerale Mesoderm, ebenso wie den 3. Somiten, doch erscheinen mir auch hier seine Belege wenig überzeugend. In der Gegend des 2. Somiten läßt sich ebenso wie in der des 3. eine deutliche Grenze zwischen dorsalem und ventralem Mesoderm nicht ziehen. Mir scheint, bei dem oben ausgeführten Vergleich des Mandi- bularsomiten bei den verschiedenen Tierformen drängt sieh uns ein andrer Maßstab zur Lösung der Frage von der morphologischen Be- deutung der Vorderkopfsomiten oder -höhlen, zur Erklärung ihres Verhältnisses zu den typischen Somiten auf. Wir können von dem gegenseitigen Verhältnis der beiden von mir erwähnten Stadien aus- gehen. Beim Neunauge tritt augenscheinlich nur das erste Stadium auf; und zwar behält der Somit die ganze Zeit über, bis zum Ver- luste seiner Höhle und dem Beginn seiner Verwandiung in den Muskel, sein für den Somiten typisches Aussehen bei, d. h. er weist eine kleine, von mächtiger Wandung umgebene Höhle auf. Bei den Elasmobranchia kommt das 1. Stadium ebenso deutlich zur Ausbildung; dies ist die Periode, wenn das dorsale Mesoderm in der Gegend des 2. Somiten eine schmale Höhle aufweist, um welche sich die Zellen desselben mit den Kernen zur Peripherie, 350 D. Filatoff mit dem Plasma nach innen anordnen. Doch ist bei diesen Tier- formen auch das 2. Stadium deutlich ausgeprägt, welches die Ver- wandlung der eigen Höhlung in eine voluminöse Blase umfaßt. Bei der Schildkröte ist das 1. Stadium bereits verdunkelt, bei den Vögeln fällt dasselbe gänzlich aus, während das 2. in beiden Fällen gut zur Ausbildung gelangt. Es wird vorausgesetzt, die Somitenhöhle werde von dem Secret der umliegenden Zellen ausgefüllt. Im Entwicklungsgange eines Rumpfsomiten dehnt der Inhalt desselben nur wenig oder gar nicht seine Wandungen aus und bis zu seinem Zerfall in einzelne Ab- schnitte, in Myotom, Sclerotom usw., bleibt derselbe gewissermaßen auf seinem 1. Entwicklungsstadium stehen. Mir scheint, im Laufe des 1. Stadiums dient die mittlere Höhle des Somiten zur Aufnahme des Secrets nur der seine Wandung bildenden Zellen. Dies ist um so wahrscheinlicher, als gerade im Moment des Auftretens der So- mitenhöhle gerade die diese Höhle begrenzenden Zellen des dorsalen Mesoderms eine besonders starke Vermehrungsfähigkeit aufweisen, während sie auch gleichzeitig häufig die einzigen Zellen repräsen- tieren, welche mit der Höhle in der nächsten Nähe gelegen sind, da zu dieser Zeit das den Somiten umgebende Mesenchym noch nicht vorhanden ist. Im 1. Stadium stellen die Vermehrung der Zellen des dorsalen Mesoderms und die Bildung einer Höhle in demselben zwei Prozesse dar, von denen der zweite dureh den ersteren bedingt wird, und welche zusammen zur Bildung eines typischen Somiten führen. Im Kopfe können wir einerseits eine außerordentlich starke Ausbildung des Mesenchyms, anderseits das Auftreten von Anlagen der im Rumpfe fehlenden Organe beobachten, was naturgemäß die Menge des ausgeschiedenen Secrets erhöhen muß. In der Literatur wird bereits die Ansicht vertreten, die Vorderkopfhöhlen dienen als zur Aufnahme der während des Bildungsprozesses der umfangreichen Kopforgane ausgeschiedenen Ausscheidungsprodukte bestimmte Re- servoire und ersetzen so das im Kopfe fehlende Exeretionssystem. Ich will hier darauf hinweisen, daß in einigen Fällen, so z. B. bei den Haien und Reptilien, diese Funktion vom typischen Somiten über- nommen wird, wodurch derselbe sein typisches Aussehen einbüßt, zum 2. Entwicklungsstadium übergeht und sich in eine Blase — die Kopfhöhle verwandelt. Typisch sind diese Höhlen in der Dreizahl vor- handen: eine prämandibulare, eine mandibulare und eine der Gegend des 3. Somiten entsprechende dritte. Doch können wir bei verschie- Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 351 denen Tieren auf Abweichungen stoßen, welche sich, von der allge- meinen Grundlage des Wechseis der beiden Entwicklungsstadien des Somiten ausgehend, aus der Eigentümlichkeit in der Entwicklung der betreffenden Tiere erklären lassen. So tritt bei Petromyxon das 2. Sta- dium nicht ein, und es ist anzunehmen, daß dies daher der Fall ist, daß bei demselben die spezifischen Kopforgane keine so hohe Ausbildung erlangen, als bei den höherorganisierten Tieren, was eine entsprechend geringere Bildung von Ausscheidungsprodukten zur Folge hat, welehe die Somiten ausdehnen könnten. Dieselben bewahren die ganze Zeit über ihre typische Gestalt, und KoLrzorF war, von seinen Befunden beim Neunauge ausgehend, durchaus berechtigt, auf der Bedeutung der Vorderkopfhöhlen oder -somiten als wirkliche Somiten zu be- stehen. Im Gegensatz zu Petromyzxon gelangt bei den Vögeln das 2. Stadium, die Bildung der Blase, zu hoher Ausbildung. Es ist uns nichts über das 1. Stadium der typischen Somiten bekannt; und meiner Ansicht nach steht ein solches Verhältnis der Stadien durch- aus mit den Eigentümlichkeiten in der Entwicklung des Vogelkopfes im Einklang. Zur Ausbildung eines typischen Somiten bedarf es annähernd derselben Bedingungen wie im Rumpf, doch habe ich oben, als von der Entwicklung des Mesoderms in der Gegend des M. abducens die Rede war, bereits darauf hingewiesen, daß sich ungefähr in dieser Gegend eine Ausdehnung, welche in der Reihe von den niederen zu den höheren Tieren beständig zunimmt, be- merkbar macht. Bei der Schildkröte verhindert dieser Vorgang be- reits die Bildung des 3. und möglicherweise noch mehrerer dahinter liegender Somiten, bei den Vögeln ist derselbe, nach den Rexschen Abbildungen zu urteilen, noch weiter vorgeschritten und hat mög- lieherweise ebenfalls das Auftreten des 1. Stadiums des 2. Somiten verhindert. Dafür finden wir aber bei den Vögeln im Vergleich zu niederen Formen eine außerordentlich starke Ausbildung des embry- onalen Bindegewebes und der Sinnesorgane vor, womit naturgemäß auch eine Erhöhung der Exeretionsfähigkeit der entsprechenden Region im engsten Zusammenhange stehen muß. Dank diesem letz- teren Umstande erweist sich bei den Vögeln das zweite Stadium auch als gut ausgebildet. Es fällt augenscheinlich in Anbetracht der Rückentwicklung des 1. Stadiums schwer, das Verhältnis desselben zu dem 2. festzustellen, und Rex bezeichnet beständig bei der Schilderung des Entwicklungs- ganges des Vorderkopfmesoderms als Mandibularhöhle ein Gebilde, 352 | D. Filatoff welches meiner Ansicht nach nur dem 2. Stadium des Somiten ent- spricht. Bereits bei der Schildkröte haben wir gesehen, daß das 2. Stadium des 2. Somiten in dem Moment eintritt, wenn das 1. an- fängt zu verschwinden (Fig. 36), doch läßt sich dasselbe hier noch als Fortsetzung des 1. erkennen, bei den Vögeln dagegen ist die Trennung der Stadien noch weiter vorgeschritten, so daß das 2. Sta- dium das Aussehen eines selbständigen Gebildes erlangt hat. Die Entwicklung desselben stimmt in nichts mit derjenigen eines typi- schen Somiten überein, und der Autor war, indem er nur das 2. Sta- dium beobachtete, dazu berechtigt, ihre Bedeutung als eines Somiten zu bestreiten. Bei den Haien und Reptilien folgt das 2. Stadium auf das 1., wobei das eine unmittelbar durch das andre ersetzt wird, nur ist die 3. Höhle, d. h. das 2. Stadium des 3. Somiten kein konstantes Gebilde. Bei der Schildkröte konnte ich dieselbe nicht nachweisen. Bei den Rochen, nach den Abbildungen SwERTZOFFS und DOHRNSs zu urteilen, gelangt dieselbe kaum zur Ausbildung, und der 3. So- mit, oder besser gesagt, die Gruppe des 3. Somiten, denn bei den wochen tritt hier eine ganze Reihe von Somiten auf, beginnt be- reits vom 1. Stadium an sich in die Muskelanlage zu verwandeln. Bei Pristiurus habe ich an meinen Schnitten eine gut aufgeblähte 3. Höhle beobachten können. Augenscheinlich haben wir es hier mit einigen Eigentümlichkeiten in der Entwicklung zu tun, durch welehe die Umbildung der Gruppe des 3. Somiten in den M. abducens im Verhältnis zu den anderen Prozessen bald verzögert, bald beschleunigt wird, in Abhängigkeit wovon diese Gruppe ent- weder noch als Exeretionsreservoir ausgenützt werden kann oder nicht. Mir scheint, es ist mir gelungen zu erklären, welche Bedeutung das gegenseitige Verhalten des 1. und 2. Stadiums der Somiten für das Verständnis der morphologischen Bedeutung der Vorderkopf- höhlen für diejenigen haben müsse, welche deren Abstammung als Kriterium auffassen wollen, um die Wichtigkeit der Bestimmung des Stadiums, mit welchem wir es zu tun haben, nachzuweisen. Das Gesagte bezieht sich auf den Mandibularsomiten und auf die Gruppe des 3. Somiten. Der erste Somit entwickelt sich bei allen daraufhin erforschten Tierformen so eigenartig, daß ich denselben, als vom Wechsel der beiden Stadien die Rede war, nicht im Auge hatte. Auf diese Weise fallen, meiner Ansicht nach, die Einwände gegen die Deutung der Vorderkopfsomiten (den ersten ausgenommen), Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 353 als echte Somiten, welche auf Grund ihrer Abstammung aufgeworfen wurden, weg, da dieselben augenscheinlich auf einer Verwechslung der Stadien beruhen. Ich gehe nun zu der weiteren Entwicklung des 2. Somiten, zum Beginn seiner Umwandlung in den Muskel und der Vereinigung mit dem Nerv über. Einige hierhergehörige Erscheinungen, in erster Linie der Entstehungsmodus des N. trochlearis, haben es ebenfalls ver- anlaßt, daß die Zugehörigkeit des 2. Somiten zu den typischen So- miten bestritten worden ist, und ich will daher nach der Schilderung seines Entwicklungsganges näher auf die Entwicklung des N. tri- geminus und trochlearis eingehen, deren gegenseitiges Verhältnis in embryonalen Stadien Anlaß zur Auffassung des N. trochlearis als Rückennerv und, im Zusammenhange damit, auch des aus dem 2. Somiten entstandenen M. obliquus superior als Produkt des visce- ralen Mesoderms gegeben hat. Nach Verschwinden der Höhle des 2. Somiten verwandelt sich derselbe in einen kompakten Zelldistrikt von dreieckiger Form, welcher in die Gegend des G. Gasseri, diesen letzteren nur wenig bedeckend, zu liegen kommt, wie dies auf der Rekonstruktion Fig. 17 wiedergegeben ist. Fig. 25 stellt einen Schnitt durch dasselbe Sta- dium dar. Hierauf spaltet sich die Anlage in zwei Teile, deren oberer über dem Auge, der untere hinter dem Auge sich aus- dehnt, während der von den beiden in die Länge gezogenen Teilen gebildete Winkel von den Zellen der zu keinem dieser beiden Teile gehörenden Anlage ausgefüllt wird. Die Zellen der beiden gestreck- ten Teile sind in zwei ganz bestimmte Richtungen ausgezogen (Sehnitt Fig. 23 und Rekonstr. Fig. 19). Später wird die Ausdeh- nung eine noch bedeutendere; aus Fig. 24 ist ersichtlich, daß das Vorderende des oberen Teiles sich zum Teil von der Anlage ab- gelöst und sich oberhalb des Auges nach vorn, zur Stelle des künf- tigen M. obliquus superior hin verschoben, ein Teil sich mit dem R. mand. trig. in den Unterkiefer verlagert und die ganze An- lage eine noch größere Streckung und Verfeinerung erfahren hat. Im folgenden (10.) Stadium erweist sich der Vorderabschnitt des Teiles « mit seinem einen Ende als dem Auge bereits eng ange- lagert und nimmt die Stelle des künftigen N. abducens ein. Das denselben anfangs mit dem Muskel des Kieferbogens verbindende Gewebe hat sich in lockeres Mesenchym verwandelt. Bald darauf läßt sich auch der Zusammenhang des N. trochlearis. mit der:An- lage des M, obliquus verfolgen. Morpholog. Jahrbuch. 37, 23 354 D. Filatoff DOoHRN meint in seiner letzten Arbeit über die Mandibular- und Prämandibularhöhle (Bd. 17) unter anderem, ein Teil des ventralen “ Mesoderms würde während der Entwicklung der Mandibularhöhle in die Gegend der dorsalen verlagert; dies finde dank dem dislozie- renden Einflusse. der Entwicklung des Nervenrohres statt, dessen Falten bei ihrer Schließung jederseits einen Teil des Mesoderms dorsalwärts nach sich ziehen. Der Autor spricht sich dahin aus, daß eben diesem verlagerten Mesoderm die Anlagen sowohl des M. obliquus, als auch des Kiefermuskels ihren Ursprung ver- danken, während der dorsale, an der Bildung der Höhle teilnehmende Abschnitt des Mesoderms zur Bildung eines Teiles des M. abdu- cens beiträgt. Auf diese Weise gelangt DoHRN zur Schlußfolgerung, daß der M. obliquus superior ein Derivat des ventralen Meso- derms repräsentiere, und daß die 2. Höhle nur in dem Teile einem Somiten entspreche, welcher an der Bildung des M. abducens teil- nimmt. Auf Grund der Beschreibung und der Abbildungen DoHRNs war ich mir völlig des bedeutenden Einflusses, welchen in der Tat in der genannten Region die Entwicklung des Neuralrohres auf die Lage des Mesoderms ausübt, und dessen bewußt,. daß ein Teil des letzteren eine Verlagerung aus der ventralen Region in die dorsale erleide, doch konnte ich aus der Betrachtung der Abbildungen nicht “ die’ Überzeugung gewinnen, daß sich gerade von diesem verlagerten Mesoderm der M. obliquus herleiten ließe, und es erscheint mir kaum denkbar, daß es möglich wäre, in allen Stadien, während aller Veränderungen, welche der Bildung des Muskels vorausgehen, dasselbe nicht aus den Augen zu verlieren und imstande zu sein, das- selbe stets in der ganzen Masse der 2. Höhle zu unterscheiden. Bei den Elasmobranchia, bei der Schildkröte, bei sämtlichen darauf- hin untersuchten Tieren ist der Mandibularsomit oder -höhle an einigen Stellen nicht von dem darunter gelagerten Mesoderm abge- grenzt; bei einigen Formen geht die Wandung der 2. Kopfhöhle unmittelbar in die der Kieferbogenhöhle über (Elasmobranchia und Oyelostomata). Bei der Schildkröte hatte ich z. B. nicht Gelegenheit, einen solchen Zusammenhang zu beobachten, doch ist hier, wie aus Fig. 22 ersichtlich, die Anlage der 2. Höhle oder, wie ich vorziehe dieselben zu bezeichnen, des 2. Somiten von Mesenchymgewebe um- geben und geht unten ohne deutliche Abgrenzung unmittelbar in dasselbe über. Nachdem der Somit seine Höhlung eingebüßt und die dieselbe begrenzenden Zellen nun einen dreieckigen ununterbrochenen Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 355 aus kompakterem Gewebe bestehenden Distrikt gebildet hatten (Fig. 25), verlor ich natürlich das anfangs die Wandungen des Somiten bildende Material aus den Augen; zweifellos nahm dasselbe ebenfalls an der Bildung der an seine Stelle tretenden Anlage Anteil, doch ist es höchstwahrscheinlich, daß auch andere Mesodermzellen sich hinzu- gesellten, welche dem Somiten von unten und an den Seiten an- gelagert waren; doch bin ich, in Anbetracht dessen, daß der M. obliquus superior sich aus dem oberen, seiner Lage nach dem am schärfsten abgegrenzten Teile der ursprünglichen Somiten ent- sprechenden Abschnitte der Anlage entwickelt, dazu geneigt, diesen Muskel als ein Derivat des segmentierten Mesoderms aufzufassen. Was den Muskel des Kieferbogens anbetrifft, so entsteht derselbe aus dem unteren Teile der Anlage, weleher demjenigen Abschnitte entspricht, wo der Somit in jüngeren Stadien ohne jegliche Ab- grenzung unmittelbar in das umliegende Gewebe übergeht. Auf diese Weise komme ich denn zum Schluß; daß weder der Entstehungsmodus, noch die Verwandlung des 2. Somiten bei der Schildkröte und den andern Tieren mich daran verhindern können, denselben als den echten Somiten homolog aufzufassen, wenn der- selbe auch dank den veränderten Entwieklungsbedingungen, von denen noch weiter unten die Rede sein wird, einige Veränderungen erfahren hat. Ich muß nun noch näher auf diejenigen Erscheinungen eingehen, welche Veranlassung dazu gegeben haben, den N. troch- learis als den Rückennerven näherstehend zu betrachten und im Zusammenhange damit auch den von ihm innervierten Muskel als Derivat der Seitenplatte aufzufassen. Da die Anhänger dieser Auffassung die Entwicklung des N. trochlearis mit derjenigen des N. trigeminus in engsten Zusammen- hang bringen, so will ich die Entwicklung dieser beiden Nerven bei Emys, soweit es mir gelungen ist dieselbe zu verfolgen, schildern, um dann meine Befunde mit den Daten PrArrs (19) und FRORIEPS (18), deren Arbeiten die oben erwähnte Auffassung der N. trochlearis hervorgerufen haben, zu vergleichen. Ein Teil der Nervenleiste in der Gegend des künftigen Trige- minus ist auf meiner dem 4. Stadium entsprechenden Fig. 9 abge- bildet. Derselbe bedeckt den 2. Somiten von oben und hängt vor und hinter demselben in zwei lang gestreekten, nach unten gerichte- ten Winkeln über, wobei ihr oberer Rand allmählich mit dem dor- salen Teile des Eetoderms zusammenfließt. Während des folgenden Stadiums lassen sich köineilei tief- 23* 356 D. Filatoff gehende Veränderungen wahrnehmen. Die Verhältnisse sind die- selben geblieben, nur hat sich die ganze Anlage etwas verkürzt, während die unteren Winkel noch mehr in die Länge ausgezogen sind (Fig. 10). Währen des 6. Stadiums kommt die Wurzel des Trigeminus, welche die Anlage der Nervenleiste mit dem Hinterhirn verbindet, zur Anlage. Der obere Teil der Leiste steht nach wie vor zu dem Eetoderm in engster Beziehung (Fig. 11). Im 7. Stadium nimmt die ganze Anlage, ihre früheren Verhält- nisse bewahrend, das ausgesprochene Aussehen des N. trigeminus mit seinem halbmondförmigen Ganglion und seinen zwei Hauptästen, dem R. ophthalmieus und R. mandibularis, welchen, wie mir scheint, in Jüngeren Stadien die unteren Winkel der Nervenleiste entsprachen, an. Die ursprüngliche Verbindung der Trigeminusanlage mit dem Ectoderm besteht fort und stellt gewissermaßen einen dritten, über dem R. ophthalmieus hinziehenden Ast des Trigeminus dar (Fig. 17). In keinem Stadium ist es mir gelungen, Anzeichen eines doppel- ten Ursprunges des Trigeminusganglions zu entdecken; dasselbe hat annähernd halbmondförmige Gestalt, deren Basis von der Nerven- leiste gebildet wird, wie aus der Reihe von Stadien ersichtlich ist. Es gehen die beiden Enden desselben allmählich in die beiden Haupt- äste über. Die dem R. mandibularis entsprechende Hälfte des Ganglions ist zwar ein wenig massiver, als die obere, zum R. ophthal- mieus gehörende, stimmt jedoch im übrigen, sowohl im Habitus, als auch in ihrer Entstehung völlig mit der letzteren überein. Auf Querschnitten durch das 7., möglicherweise auch etwas jüngere Stadium kann man deutlich die Verbindung des Ectodermauswuchses (Placode) mit dem Mandibularabschnitt des Ganglions und das Auf- treten von Mitosen in demselben erkennen (Fig. 25), während der andre Teil des Ganglions ebenfalls mit dem Eetoderm in Verbin- dung steht, und zwar durch das oben erwähnte Gebilde, welches ich geneigt bin als Überrest der ursprünglichen Verbindung der Nervenleiste mit dem Eetoderm aufzufassen. Im Laufe der weiteren Entwicklung dehnt sich dieser die Verbindungsbrücke darstellende Zellstrang auf die Weise immer mehr in die Länge aus, daß das sich verjüngende Distalende desselben allmählich nach vorn rückt, ohne seine Beziehung zum Ecetoderm aufzugeben; auf diese Weise gibt das Eetoderm einem. Trigeminusast den Ursprung. Die end- gültige Lage dieses Astes ist auf der, eine Rekonstruktion des “ Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 357 13. Stadiums darstellenden Fig. 32 wiedergegeben. Ungefähr im 9. bis 10. Stadium läßt sich auf den, zur Medulla oblongata quer geführ- ten Schnitten die Anlage des Trochlearis sehen, die hier durch einen feinen, bald von einer, bald von zwei Zellen im Durchmesser ge- bildeten Strang vertreten wird. In seinem mittleren und längeren Abschnitt zieht er sich dem eben erwähnten Trigeminusast entlang hin, denselben in einem spitzen Winkel kreuzend, offenbart jedoch keinerlei weitere Beziehung zu dem letzteren. Mir scheint, daß der vom oberen Teile des Trigeminus ent- springende Zellstrang, welchen FRORIEP und PLATT für die Zlasmo- branchia beschrieben und mit der Entwicklung des Trochlearis in Zusammenhang gebracht haben, bei der Schildkröte dem Aste x entspricht. Die Jugendstadien des Trigeminus stimmen bei Torpedo (FRORIEP) und Acanthias vulgaris (Part) überein. Der Nerv zeigt ungefähr dasselbe Aussehen, wie bei der Schildkröte auf meiner Fig. 17. Die Lage der zweifelhaften Anlage x bleibt im Verhältnis zum N. trigeminus und zum Gehirn, welchem das vordere Ende der- selben zugekehrt ist, stets die gleiche; nach FRORIEP fließt dieses Vorderende mit dem Nervensystem zusammen, und darin liegt der Hauptunterschied von der Schildkröte, bei welcher dasselbe mit dem Eetoderm verschmilzt. Doch halte ich diesen Unterschied keineswegs für einen tiefgehenden, da derselbe wahrscheinlich auf einer ver- schiedenen Auffassung des Ursprunges der Nervenleiste beruht. Weiterhin zerfällt, nach FRORIEP, bei Torpedo die Anlage x, und an deren Stelle tritt, in innigster Beziehung zu ihren Fragmenten, der Trochlearis auf. Bei Acanthias geht die Entwicklung der Anlage augenscheinlich weiter, wenigstens ist das Verhalten derselben zum Eetoderm auf der Fig. 8 der Prartschen Arbeit dasselbe, wie das, welches wir bei der Schildkröte bereits während der Stadien er- kennen konnten, in welchen die Anlage sich vom Ectoderm ab- schnürend und verjüngend, das Aussehen eines Nervenastes annimmt. SEWERTZOFF (5) stellt dieselbe ebenfalls in einem späteren Stadium dar, als dasjenige ist, in welchem sie nach FRORIEP zerfällt. Mir scheint, daß wir es in allen Fällen mit ein und demselben Gebilde, einem Trigeminusast, welcher in dem einen Falle früh eine Reduktion erleidet, im andern in seiner Entwicklung fortschreitet, zu tun haben. Van WLHE gibt demselben den Namen Ram. ophthalmieus superfieialis trigemini, doch maßen ihm die späteren Autoren, wie wir gesehen haben, eine andre Bedeutung bei. NEAL, welcher die Entwicklung des Trochlearis bei Sgqualus acanthias untersuchte, bestreitet das Vor- 358 D. Filatoff handensein auch der geringsten Beziehung desselben zur Anlage x; die letztere stellt einen Teil der nicht zur Verwendung kommenden Neuralleiste, die sich in ihre einzelnen Zellen auflöst, dar. Was die Unabhängigkeit der Bildung des Trochlearis anbetrifft, so stimme ich mit dem letzteren Autor völlig überein. Die fragliche Anlage fasse ich jedoch völlig anders auf und glaube, daß sie während der jüngeren Stadien einen Überrest der ursprünglichen Verbindung der Neuralleiste mit dem Eetoderm darstellt und sich späterhin, an ihrem Vorderende allmählich von dem letzteren sich abschnürend, nach und nach zu einem Trigeminusast entwickelt. Bei den Elas- mobranchia wird das entsprechende Gebilde bald früher, bald später, augenscheinlich jedoch stets vor der Anlage des Troch- learis, atrophiert (PLATT, FRORIEP, SEWERTZOFF). Bei der Schildkröte dagegen habe ich dasselbe in außerordentlich späten Stadien noch angetroffen, wenn der Embryo nicht nur einen völlig ausgebildeten Trochlearis, sondern auch sämtliche Knorpelteile des Schädels besaß, ja, bereits die Anlagen der Belegknochen sich bemerkbar machten; dasselbe nahm unmittelbar am oberen Teil der oberen Hälfte des halbmondförmigen Ganglions seinen Anfang und verlor sich unter der Haut über dem Auge. Seinen weiteren Verbleib habe ich nicht verfolgt und bin deshalb außerstande anzugeben, ob dasselbe atro- phiert wird, oder im erwachsenen Zustande noch erhalten bleibt. Zum Schluß kann ich auf folgende Punkte in der Entwieklung des Mandibularsomiten und des ihn innervierenden Nerven bei Emys hinweisen: 1) Derselbe entsteht aus dem Rückenmesoderm und stellt in Jungen Stadien einen typischen Somiten dar. 2) In seiner Entwick- lung lassen sich zwei Stadien unterscheiden: das erste führt zur Bul- dung eines typischen Somiten mit dicken Wandungen und während des zweiten dehnt sich der Somit zu einer Blase aus. 3) Nachdem der Somit seine Höhle eingebüßt und sich in eine kompakte Zellmasse verwandelt hat, bildet sich der obere, der Lage nach der oberen So- mitenwandung entsprechende Teil dieser Masse in den M. obliquus superior um, während der untere, der Übergangsstelle des Somiten in das umliegende Mesoderm entsprechende Teil dem Muskel des Unter- kiefers den Ursprung gibt. 4) Der Trochlearis entwickelt sich ganz umabhängig von der Neuralleiste und dem Trigeminus. Auf Grund dieser Befunde halte ich, ganz abgesehen von der Streitfrage, ob dies Gebilde als ein oder mehrere Somiten aufgefaßt werden muß, den Mandibularsomiten für eine den Occipital- und Rumpfsomiten homo- loge Bildung. Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 359 Bei Vergleichung der Entwieklung des Mandibularsomiten bei ver- schiedenen Tierformen komme ich zur Überzeugung, daß derselbe stets einem bestimmten Distrikt des Rückenmesoderms entspricht, und daß, wenn er bisweilen bei seinem Auftreten auch nicht das für die So- miten bexeichnende Aussehen xeigt, dies doch in den Fällen der Fall ist, wenn das erste Stadium seiner Entwicklung verdunkelt erscheint umd dem Beobachter nur das zweite auffällt. Das letztere hat auch auf die Gruppe des 3. Somiten Bexug. Die Entwicklung des Prämandibularsomiten und des N. oculomotorius. Der erste Somit entwickelt sich aus der lateralen Partie der ver- diekten dorsalen Wandung des Vorderendes des Darmes. Anfangs stellt diese verdiekte Wandung die gemeinsame Anlage sowohl des Vorder- endes der Chorda als auch des ersten Somiten vor (Stad. 1, 2, 3), worauf eine Differenzierung des mittleren Teiles zur Chorda statt- findet, während die lateralen nach oben und nach den Seiten hin fortwachsen und so die Anlage der ersten Somiten bilden. Fig. 26 stellt einen Medianschnitt durch ein solches Stadium dar, in welchem man den Vorderabschnitt des Darmes sich zu einer Zellmasse aus- dehnen sieht, in die sich auch die Höhlung des letzteren ein wenig hineinerstreckt; als hintere Fortsetzung dieser Zellmasse dient die Chorda. Etwas später nimmt die Medianausstülpung des Vorder- endes des Darmes an Größe zu und gewinnt das Aussehen eines lappigen Auswuchses. Diese Verhältnisse sind auf der, einen Längs- schnitt durch einen Embryo des 4. Stadiums, das nur wenig älter ist als das auf Fig. 26 wiedergegebene, darstellenden Fig. 14 sichtbar. Der Schnitt ist nicht genau in sagittaler Richtung geführt, sondern etwas schräg, wodurch in der hinteren Hälfte des Schnittes Teile des 2. und 3. Somiten sichtbar geworden sind. Der lappige Auswuchs xp geht nach beiden Seiten hin in kompakte Zell- gruppen, in denen immer noch keine Somitenhöhlen auftreten, über. Die Rekonstruktion dieses letzteren Stadiums ist auf Fig. 9 wieder- gegeben, auf welcher im Vordergrunde der 1., 2. und 3. Somit und dahinter der Medianauswuchs des Darmes sichtbar sind. Im 5. Stadium (Fig. 10) läßt sich im Somiten, welcher jetzt eine unregelmäßige Gestalt angenommen hat, die Anlage einer Höhle er- kennen; der Medianauswuchs des Darmes bewahrt seine Verbindung mit der letzteren, doch sind seine Wandungen zusammengeschrumpft, so daß man den Eindruck gewinnt, als wenn das Vorderende des 360 D. Filatoff Darmes einen kompakten Auswuchs entsendet. Bei einem etwas älteren Embryo nimmt die Höhle des Somiten an Größe zu, seine Umrisse werden noch unregelmäßiger und gehen nun, wie aus Fig. 12 ersichtlich, unmittelbar in den Kieferbogen über. Während des 6. Stadiums nimmt die Somitenhöhle noch an Größe zu, im Mesoderm des Kieferbogens tritt ebenfalls eine Höhle auf, und beide Gebilde treten in Beziehung zueinander (Fig. 15). Bei dem einen Embryo dieses Stadiums — auf dasselbe bezieht sich auch die Fig. 13 — hat sich der Medianauswuchs des Darmes, in welchen die Somiten übergehen, noch nicht vom Darme abgetrennt, während derselbe bei dem andern bereits nahezu selbständig ge- worden ist und ein fürs erste noch kompaktes Verbindungsstück zwischen den ersten Somiten bildet. Diese Verhältnisse sind auf Fig. 27 dargestellt, auf welcher auch die Beziehungen des Vorder- endes der Chorda zu dieser Zwischenplatte wiedergegeben sind; das- selbe ist der letzteren dicht genähert, wird jedoch von ihr durch eine unbedeutende Zellgruppe g getrennt. Diese Zellgruppe hebt sich in späteren Stadien noch schärfer sowohl von der Zwischenplatte als auch vom Ende der Chorda ab, löst sich jedoch ‘später in Mesenchymgewebe auf. Im Laufe des 7. Stadiums ebnen sich die Somitenwandungen, ihre Höhle nimmt an Umfang zu, die Zwischenplatte wird hohl und die ganze Bildung gewinnt auf Querschnitten das Aussehen zweier, mit den Spitzen untereinander verbundener und mit ihren Basen dem Augapfel zugekehrter Kegel (Fig. 25). In diesem Stadium erreichen die ersten Somiten den höchsten Grad ihrer Entwicklung, und weiterhin findet nur eine Differenzierung in Muskel- und Skeletelemente statt. Beim Beginn dieser Differenzierung geht die Zwischenplatte ver- loren, als Fragmente derselben bleibt an den einander zugekehrten Spitzen der Somiten je ein feiner Strang bestehen (Fig. 18 Stad. 8); die hintere Somitenwandung gibt einer Verdiekung — der Muskel- anlage — den Ursprung. Auf demselben, quer zur Medulla oblon- gata geführten Schnitt läßt sich das gegenseitige Verhältnis der drei Somiten zueinander erkennen; der 3. und 2. Somit werden durch kompakte Zelldistrikte gebildet, während der erste Somit bedeutend in seiner Entwicklung zurückbleibt und noch sein blasenförmiges Aus- sehen bewahrt (Fig. 18). Natürlich kann der Schnitt kein richtiges Bild der Derivate des 2. und 3. Somiten geben, da derselbe nur einen Teil dieser Gebilde Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 361 getroffen hat; derselbe soll nur das gegenseitige Verhalten dieser Teile in dem Punkte wiedergeben, wo sich dieselben am meisten einander nähern. Im folgenden Stadium (Stad. 9, Fig. 28) haben die Zellgruppen an der Wandung des 1. Somiten nöch mehr an Größe zugenommen und befinden sich nun an zwei Stellen » und »” ob. Auf Grund des Studiums der folgenden Stadien glaube ich, daß die untere Zell- gruppe die Anlage des Rectus inferior, R. externus und Obliquus in- ferior, die obere dagegen diejenige des Rectus superior darstellt. Die Höhle des Somiten beginnt einen intensiven Reduzierungsprozeß zu erleiden, während die Zellen ihrer Wandungen, von den Muskel- anlagen abgesehen, sich in Mesenchym auflösen. Auf der Rekon- struktion Fig. 20 (Stad. 9) ist die Somitenhöhle noch vorhanden, während sich auf dem Querschnitt durch einen Embryo, den ich mit dem vorhergehenden für im gleichen Alter stehend betrachte, eine solehe bereits nicht mehr vorfindet und der ganze Somit durch eine Anhäufung von dichter, als dies im übrigen Mesenchym der Fall, gedrängt stehenden Mesenchymzellen repräsentiert wird (Fig. 29). Die frühere Gestalt des Somiten wird durch die an seine Stelle tretende Anhäufung von Mesenchymzellen gut wiedergegeben; die- selbe zeigt ebenfalls die Gestalt eines mit seiner Basis dem Auge, mit seiner Spitze der Medianebene zugekehrten Kegels; längs dem Rande desselben befinden sich die Muskelanlagen in Form von kompakteren Zelldistrikten. Auf diese Weise hat der Somit in diesem Stadium seine Existenz als Somit aufgegeben und hat sich in Muskelanlagen und Mesenchymgewebe aufgelöst; die weiteren Schick- sale des letzteren gestatten dasselbe als Sclerotom des 1. Somiten aufzufassen. Lange Zeit über bewahrt dasselbe seine kegelförmige Gestalt und verknorpelt auch in dieser Gestalt, nachdem es mit der Anlage des Alisphenoids verschmolzen ist. Die Gestalt der Muskelanlagen in ihrer weiteren Entwicklung ist auf der Rekonstruktion des Kopfes eines bedeutend älteren Embryos, wie ja auch aus den Dimensionen dieser Rekonstruktion im Vergleich zur vorhergehenden hervorgeht, wiedergegeben. Wenn wir dieselbe (Fig. 32) mit der Rekonstruktion des Stad. 9 vergleichen, so erweist es sich, daß die Lage des M. abducens beinahe dieselbe geblieben ist, und daß der M. obliquus sup. eine ziemlich ähnliche Stellung, wie die, welche seine Anlage im 9. Stad. einnahm, inne hat. Es ist deshalb das Natürlichste vorauszusetzen, daß die Anlage des voneinander noch nicht getrennten M. obliquus infer., M. rectus 362 D. Filatoff infer. und M. externus der unteren Anlage rob, der sie ihrer Lage nach am meisten entsprechen, ihren Ursprung verdanken, während der M. reetus super. aus der Anlage r des Stad. 9 (Fig. 28) ent- standen ist. Das eben Gesagte ist alles, was ich vom Auftreten und den Verwandlungen des 1. Somiten bei der Schildkröte berichten kann, und ich will mich nun der Entwicklung des N. oculomotorius, welche mit der des Somiten in engstem Zusammenhange steht, zuwenden. Den Oculomotorius treffen wir zuerst im 7. Stadium in Ge- stalt eines von gedrängt stehenden Mesenchymzellen gebildeten, zwischen der unteren Fläche der Hirnkriümmung und dem ersten Somiten gelegenen Stranges an; sein oberes Ende stößt an das Nervensystem, während das untere sich in der hinteren Somiten- wandung verliert. Fig. 16 stellt eine Kombination dreier Schnitte durch ein solches Stadium dar. Eine Kombination war aus dem Grunde notwendig, weil die Schnitte den Nerv nicht der Länge nach, sondern schräg getroffen hatten, so daß auf dem einen Schnitt nur der dem Nervensystem anliegende Teil des Nerven sichtbar war, auf dem zweiten der zwischen dem Nervensystem und dem Somiten befindliche Teil und auf dem 3. endlich der Somit mit dem unteren Teil des Nerven. Da die Serie mit Hilfe von Definierebenen ge- schnitten war, so war es ein leichtes, die gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Teile zu rekonstruieren; da ich außerdem auch den Charakter des Gewebes wiedergeben wollte, so habe ich diese gegen- seitigen Beziehungen in Form eines Schnittes dargestellt. Bemerkens- wert ist hier die unbedeutende Länge der Oeculomotoriusanlage und deren Dicke. Ihre Zellen gehen unmerklich in das Gewebe des Somiten über und berühren oben nur das Nervensystem. Auf Grund dieses Stadiums bin ich geneigt, dieser Anlage eine vom Nerven- system unabhängige Entstehung aus den Mesenchymzellen zuzu- schreiben. Dieselbe weist fürs erste noch keinerlei Fasern auf, und ihre Struktur unterscheidet sich, wie aus dem Schnitte ersichtlich, in keiner Beziehung von derjenigen einer gewöhnlichen Anhäufung von Mesencehymzellen. Fig. 17 stellt eine Rekonstruktion desselben Stadiums dar; es ist auf derselben unter anderm auch der Oculo- motorius wiedergegeben. Während des folgenden Stadiums beginnt sich in der Mitte der Anlage eine Einwachsung von Fasern des Nervensystems bemerk- bar zu machen (Fig. 30). Die Anlage dehnt sich in der Länge aus und wird dünner, was augenscheinlich mit der weiteren Entfernung Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 363 des ersten Somiten vom Boden der Hirnkrümmung im Zusammen- hange steht (Fig. 19). Das untere Ende bleibt die ganze Zeit über mit der hinteren Somitenwandung verschmolzen. Wenn der letztere sich zu Muskeln umgestaltet, so weist der Nerv die auf Fig. 32 wiedergegebene Verteilung auf. Die Entwicklung des G. eiliare habe ich nicht verfolgt und kann nur darauf hinweisen, daß die Entwicklung des Oculomotorius während der ersten Entwicklungs- stadien in keinerlei Beziehungen zu demselben tritt. In der Entwicklungsgeschichte des Oculomotorius ist ebenso wie in der des Abducens die Tatsache bemerkenswert, daß die ursprüng- liche Nervenanlage als unmittelbare Fortsetzung der Muskel- oder Somitenanlage dem Nervensystem nur angelagert ist und erst sekun- där Beziehungen zu demselben durch die von dorther in die Anlage hineinwachsenden Nervenfasern gewinnt. In der Literatur finden sich eine ganze Reihe von Daten, nach welchen bei gewissen Tieren das erste Somitenpaar ebenso, wie bei der Schildkröte, in Form eines kompakten Auswuchses der verdickten dorsalen Wandung des Vorderendes des Darmes auftritt [v. WuBE (1), Rex (11) u. a]. Anderseits sind jedoch auch Hinweise darauf vorhanden [KoLTZOFF (4) DAvivorr (32)], daß sich dieselben aus hohlen Ausstülpungen des Vorderdarmes entwickeln, wobei sie ihre Höhlung bald einbüßen, um sie späterhin (nicht aber bei dem Neun- auge), ebenso wie im ersten Falle, sekundär neu entstehen zu lassen. Mir scheint, sowohl der eine, als auch der andre Bildungsmodus muß mit den Beobachtungen Rex’ in bezug auf die Entstehung der Verdickung an der Wandung des Vorderendes des Darmes bei der Ente in Zusammenhang gebracht werden. Dieser Autor hat die Beobachtung gemacht, daß der Vorderabschnitt des Darmes sich nach hinten umbiegt und zwischen dem Hirnboden und der dorsalen Wandung des hinten liegenden Darmabschnittes Stellung faßt. An- fangs weist dieser Abschnitt einen Teil der Darmhöhle auf, später geht derselbe jedoch verloren, und das ganze Gebilde wird kompakt. Einen ähnlichen Vorgang hat DaAvivorr beim Gecko nachweisen können, und möglicherweise läßt sich auch in der unbedeutenden Einsenkung auf meiner Fig. 26 eine Andeutung auf diesen Prozeß erblicken. Mir scheint, daß in den Fällen, wenn die Somiten von Aus- wüchsen der lateralen Teile der kompakten Praechordalplatte ge- bildet werden, wir ein solches Verhältnis des Bildungsprozesses der letzteren zu dem der Somiten vor uns haben, bei welchem der erste 364 D. Filatoff in der Ontogenese früher als der zweite zum Vorschein kommt. Der Darmabschnitt hat sich bereits nach hinten umgebogen und seine Höhle eingebüßt, ehe die Somiten mit ihrer Entwicklung begonnen haben. In den Fällen dagegen, wo die Somiten als Ausstülpungen des vorderen Darmabschnittes entstehen, sehen wir das entgegenge- setzte Verhältnis: dieser Abschnitt hat noch nicht Zeit gehabt, sich nach hinten umzubiegen und seine Höhlung zu verlieren, während die Somiten bereits mit ihrer Entwicklung begonnen haben. Die- selben Erwägungen treffen wahrscheinlich auch in bezug auf die Verbindungsleiste zwischen den Somiten zu, die bald dem vorderen Teile des Darmes, bald der dorsalen Verdickung desselben ihre Ent- stehung verdankt. Mir scheint, im Bildungsmodus der ersten Somitenhöhle lassen sich keinerlei solche spezifische Eigentümlichkeiten entdecken, welche uns daran verhindern können, dieselbe als Somiten anzuerkennen. Die für seine Entwicklung bezeichnenden Eigentümlichkeiten stehen mit den im Vorderabschnitt des Darmes stattfindenden Veränderungen in engstem Zusammenhange und werden durch dieselben veranlaßt. Was nun die diese Somiten miteinander vereinigende Zwischenplatte anbetrifft, welche eine spezifische Eigentümlichkeit darstellt, so bietet der Vergleich der Ontogenie derselben mit derjenigen des Vorderendes der Chorda bei gewissen Tieren genügend Anhalts- punkte, um vorauszusetzen, daß diese Zwischenplatte auf besondere Weise differenzierte Chordadistrikte repräsentiert und den ersten Somiten gegenüber dieselbe Rolle spielen, wie die Chorda der da- hinterliegenden Somiten. Auf diesen Gedanken bringen mich die folgenden Tatsachen: beim Neunauge bildet der der Zwischenplatte der höheren Tiere entsprechende (präorale) Abschnitt des Vorder- darms eine unmittelbare Fortsetzung des Vorderendes der Chorda. (Zwar meint KOLTZoFF im Text, daß die Zwischenplatte sich unter der Chorda entwickelt, doch gibt seine Fig. 26 Taf. V die Verhält- nisse eher in der meiner Auffassung entsprechenden Weise wieder; auch bemerkt der Autor an andrer Stelle, daß der vordere Teil der Verbindungsleiste möglicherweise vor der Chorda liegt.) Doch ver- bindet diese Zellgruppe die Somiten nicht untereinander, sondern löst sich in die einzelnen Zellen auf und unmittelbar hinter der- selben bildet sich das Vorderende der Chorda. Bei den höheren Tieren bemerkt man ein Zurücktreten des Vorderendes der Chorda; so sehen wir z. B. bei der Schildkröte (Fig. 27), daß das Vorderende der Chorda die Zwischenplatte nieht mehr erreicht, sondern daß Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 365 zwischen denselben eine Zellgruppe eingelagert ist, welche sich später in Mesenchymgewebe auflöst. Dieser, bei den höherstehen- den Tieren vorhandenen Zellgruppe entspricht beim Neunauge noch das typisch gebaute Vorderende der Chorda; folglich büßt dieses Ende im Laufe der phylogenetischen Entwicklung seine Funktionen als Chorda ein und löst sich in einzelne Zellen auf. Wenn wir nun voraussetzen, daß einmal noch irgend ein primitiverer Zustand des Vorderendes der Chorda vorhanden war, so müssen wir auf Grund der Analogie den Schluß ziehen, daß die bei dem Neun- auge vor demselben befindliche, in Mesenchymzellen zerfallende Zellgruppe, welche bei den höherstehenden zur Zwischenplatte wird, bei den noch primitiver als das Neunauge gebauten Tierformen durch die differenzierte Chorda repräsentiert wurde. Daraus läßt sich auf die Homodynamität der Zwischenplatte der ersten Somiten und der Chorda schließen. Von den zwei Phasen, in welche ich die Entwicklung der übrigen Vorderkopfsomiten eingeteilt habe, läßt sich bei der Ent- wicklung der ersten Somiten nur die zweite erkennen, während die erste augenscheinlich durch die eigenartigen Bedingungen, unter welchen ihre Entwicklung verläuft, völlig verwischt wird. In Kürze lassen sich meine Befunde in bezug auf das 1. Paar der Somiten folgendermaßen zusammenfassen: 1) Die Eigentümlichkeiten in der Entwicklung, durch welche die- selben sich von den übrigen Somiten unterscheiden, lassen sich aus den Eigentümlichkeiten in der Entwicklung des vorderen Darmab- schnittes erklären. 2) Die Verbindungsleiste zwischen denselben ist der Chorda homodynam. 3) Sie geben den Augenmuskelm, mit Ausnahme des M. obliquus sup., des M. abducens und den Sclerotomen, welche sich micht in Mesenchymgewebe auflösen, sondern in ihrer ganzen Masse verknorpeln, den Ursprung. 4) Sie stehen mit dem Mesoderm des Kieferbogens in Verbindung. 5) Der ihre Derivate innervierende Oculomotorvius entwickelt sich wie ein motorischer Nerv. Ich will mich nun den Nervenfalten zuwenden und in Kürze auf die Vorgänge im Nervensystem, welche deren Auftreten und Verschwinden begleiten, hinweisen. Bei Schließung der Nervenrinne sind die Zellen des Neural- rohres in intensiver Vermehrung begriffen. Besonders bemerkbar macht sich dies am Vorderende desselben; seine Höhlung vergrößert sich nach Schließung der Neuralrinne bedeutend, während die Wandungen Falten bilden. Bei der Sehildkröte erstrecken sich diese 366 D. Filatoff Falten auf die ventrale und die lateralen Wandungen, während die obere glatt und verdünnt erscheint (Fig. 27). Bei niedriger stehen- den Tieren (Neunauge, Hai) ist diese Wandung in den entsprechen- den Stadien mächtiger und weist eine Faltenbildung auf. Dieser Unterschied läßt sich meiner Ansicht nach dadurch erklären, daß bei der Schildkröte der Entwicklungsprozeß des Gehirns intensiver ver- läuft und daß die entsprechend schneller in seiner Höhle sich ansam- melnde Flüssigkeit früher die nachgiebigste obere Wandung ausdehnt. Die Falten des Nervensystems erinnern an die mesodermalen Falten, welehe der Bildung der Somiten vorausgehen: ihr Auftreten wird ebenfalls durch zahlreiche Mitosen in dem sie bildenden Ge- webe begleitet, sie stellen ebenfalls einfache Krümmungen der Wandung des Neuralrohres dar, welche späterhin verschwinden. Das Verschwinden wird jedoch gewöhnlich von andern Erscheinungen begleitet, als im Mesoderm. Im Mesoderm erreichten die Falten, sich zu Somiten umgruppierend, gewissermaßen einen noch höhern Grad der Ausbildung, während sie im Nervensystem, nachdem der vorderste Abschnitt desselben sich zur Bildung der Hirnkrümmung verlängert hat, nach und nach verschwinden. Doch war unter dem von mir untersuchten Material ein abnorm entwickelter Embryo, und die bei demselben beobachteten Verhältnisse lassen schließen, daß unter veränderten Bedingungen das Schicksal der Falten im Nerven- system dasselbe sein kann, wie im Mesoderm. Bei diesem Embryo erwies sich der Vorderabschnitt des Nervensystems als in selbständige, hohle Distrikte, die an die Somiten erinnerten, zerfallen; die sicht- bare Veränderung der Entwicklungsbedingungen bestand darin, daß die Länge des Embryos merklich kleiner war, als man nach dem Alter desselben hätte erwarten können. Dieser Fall beweist die Übereinstimmung der Bedeutung der mesodermalen und Nervenfalten und zeigt, daß der Unterschied in ihrem weiteren Schieksal durch die Entwieklungsbedingungen der betreffenden Systeme bedingt wird (Fig. 33). Mir scheint, gewisse Erscheinungen in der Entwicklung des Gehirnes könnten auch zur Erklärung der eigentümlichen Ent- springung des N. trochlearis beitragen. Bei der Bildung der Ge- hirnkrümmung wird das Dach des Mittelhirns, welches bis dahin einen Teil der gleichmäßig dünnen oberen Wandung (Fig. 27) bildete, verdickt. Das Auftreten dieser Verdiekung läßt sich auf folgende Weise erklären: bei Entstehung der Krümmung werden die Zellen des Bodens des Mittelhirns am stärksten zusammengepreßt, da sie Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 367 gerade an die Stelle der Krümmung zu liegen kommen und die- selben natürlich sich auf kürzestem Wege dahin zu verlagern streben, wo der Druck ein weniger starker ist, d. h. also nach der oberen Wandung hin. Mir scheint, der Punkt, an welchem der N. troch- learis entspringt, wird gerade durch diese Verlagerung der Zellen bestimmt: dieselben verschieben ihn gewissermaßen von der ventralen Seite auf die dorsale. Schlußfolgerungen. Ich will mich nun wieder den Fragen zuwenden, welche meiner Ansicht nach im Problem der Metamerie des Kopfes am nötigsten der Lösung bedürfen. Es sind drei solche Fragen vorhanden: 1) lassen sich die Vorderkopfsomiten mit den Oceipitalsomiten homo- logisieren, 2) kann man die Somiten der verschiedenen Tiere homo- logisieren und 3) darf man die verschiedenen serialen Organreihen des Wirbeltierkopfes in ein System von Metameren vereinigen ? Ich will versuchen, diese Fragen auf Grund der in der Onto- genese des Kopfes verschiedener Tierformen beobachteten Tatsachen und des Vergleiehes der ÖOntogenesen untereinander zu lösen. Bei Betrachtung des tatsächlichen Materials und bei der Ver- gleichung will ich stets das für alle Forschungen gemeinsame End- ziel im Auge behalten, welches in der Aufklärung der morpholo- gischen Bedeutung eines Organs oder einer Reihe von Organen bei einer Reihe von Tieren besteht; dieses Ziel besteht, wie bereits erwähnt, darin, nach Möglichkeit sämtliche ontogenetische und phylo- genetische Veränderungen dieses Organs in Form eines Entwicklungs- prozesses mit wechselnden Stadien darzustellen. Ist dieses Ziel ein- mal erreicht, dann lösen sich auch alle Fragen von der Homologie der betreffenden Organe in verschiedenen Fällen und die von der Homologie ihrer Teile von selbst. Der Titel meiner Arbeit weist darauf hin, auf welchem Wege ich mich der Lösung dieser Aufgabe nähern will. Es erscheint mir möglich, die Entwicklung eines Organismus als eine gewisse Ge- samtheit von Bildungsprozessen einzelner Systeme darzustellen, wo- bei die Veränderungen, welche ein jedes erleidet, einerseits durch innere, ihm allein eigene Ursachen bedingt werden, anderseits aber durch äußere Einflüsse der Entwicklung der benachbarten Teile. Bei Vergleichung zweier, sich voneinander unterscheidender Organformen, welche man als in genetischer Beziehung untereinander stehend 368 D. Filatoff betrachten kann, ist es stets wichtig die Ursache der Abweichungen zu erforschen und die Frage zu lösen, inwieweit dieselbe einen Einfluß auf den ursprünglichen Prozeß ausgeübt hat. Mir scheint, daß seriale Organe, wie es z. B. die Somiten, die Nerven, Harn- kanälchen sind, für eine solche Untersuchung besonders geeignete Objekte darstellen, da sich dieselben allmählich von Segment zu Segment verfolgen lassen. Wenn sich dabei eine Veränderung bemerkbar macht, so läßt sich der Ursprung derselben eher erklären, als dies mit Abweichungen bei verschiedenen Tieren möglich ist, und zwar, gerade, dank dem Umstande, daß die Veränderungen in einer Reihe von Segmenten durch eine gewisse Aufeinanderfolge gekennzeichnet werden, und zwischen den extremen Formen ver- mittelnde Übergangsformen vorhanden sind. Hieraus lassen sich wieder die verschiedenartigen Formen der Organe bei den verschiedenen Tieren erklären, die beim Fehlen solcher Veränderungen in einer serialen Reihe hätten unverständlich bleiben können. In meiner vorigen Arbeit über das Exceretionssystem der Am- phibien (32) habe ich auf diese Weise die Veränderungen der An- lage des Mesonephrokanälchens zu erklären versucht und bin zum Schluß gelangt, daß die verschiedenartigen Formen der Anlage durch die Unbeständigkeit der Wechselwirkung zweier Entwieklungs- prozesse, des Kanälchens und der Abtrennung der »Intermediärgruppe« (des Nephrotoms) veranlaßt werden. Im großen ganzen sind beide Prozesse in den verschiedenen Segmenten, ja selbst bei verschiedenen Tieren dieselben; doch kommen Fälle vor, wo in einem Segment die Entwicklung eines Kanälchens beginnt, der ihm als Material dienende Mesoderm- distrikt (Nephrotom) sich in einem vorgeschrittenen Stadium be- findet, während in den benachbarten Segmenten der Bildungs- prozeß des Kanälchens zurückbleibt. Hierdurch erreicht die Ent- wicklung des Nephrotoms als solches bereits ein andres Stadium. Auf diese Weise kommen bereits andre Entwicklungsbedingungen zu- stande, und das Kanälchen erscheint in andrer Gestalt, mit einer andern Ausbildung seiner Teile, Bei verschiedenen Tieren ist die zeitliche Nichtübereinstimmung der Entwicklung des Nephrotoms und des Kanälchens eine noch stärker ausgeprägte, und die Ausbildung des Kanälchens ist eine noch verschiedenartigere, als in den einzelnen Segmenten ein und desselben Tieres. Es bleibt die Erklärung dieser Verschiedenartigkeit jedoch dieselbe, und es erweist sich sogar als Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 369 möglich, selbst in Fällen von sehr starker Abweichung nachzuweisen, daß diese das Resultat der Wechselwirkung zweier gleicher embryo- naler Prozesse darstellt, und die Fälle sich nur dadureh unter- scheiden, daß der Prozeß in dem einen Falle verhältnismäßig früher seinen Anfang genommen hat als im andern. Es versteht sich von selbst, daß ich damit nicht gesagt haben will, daß alle Formveränderungen auf diese Weise durch eine zeit- liche Verschiebung der Prozesse erklärt werden können; doch unter der Menge von Veränderungen, welchen der tierische Organismus beim Übergange von den niederen zu höheren Formen unterworfen ist, sind zweifellos auch viele solche vorhanden, die passiv, unter dem Einflusse der Entwicklung benachbarter Teile stattfinden. Im gegebenen Falle will ich versuchen, alle Erscheinungen, welche sich beim Auftreten einer Segmentierung in verschiedenen Körperab- schnitten und bei verschiedenen Tieren beobachten lassen, in primäre und in passive einzuteilen. Die ersteren finden in bestimmten Gewebs- distrikten, in gegebenem Falle im dorsalen Teile des Mesoderms auf die Weise statt, daß es nicht möglich ist, die Ursache derselben zu entdecken; sie sind ebenso rätselhaft, wie die Zellteilung oder das Auftreten einer Verdickung des Keimblattes, welche sich später in ein Organ umwandelt; die zweiten können als Resultat der Wechselwir- kung zwischen den ersteren und den in den benachbarten Systemen vor sich gehenden Prozessen als Effekt einer mechanischen Wirkung aufgefaßt werden. Soweit wie möglich, werden wir die Segmentie- rung mit ihren Veränderungen als eine solche Formengesamtheit dar- zustellen suchen, wonach das Auftreten einer jeden Form in eine Reihe von Prozessen zerlegt und die Frage wird gelöst werden können, welche Art von Veränderungen im gegebenen Falle der Grundprozeß unter dem Einflusse der einen oder der andern Veränderungen der umgebenden Bedingungen erlitten hat. In Abhängigkeit davon werden wir bei Vergleichung einzelner Abschnitte bei ein und demselben Tiere oder entsprechender Abschnitte bei verschiedenen Tieren darüber ins klare kommen können, auf welche Weise die Unähnlichkeit zustande gekommen ist und werden so ein Kriterium zur Anerkennung oder Niehtanerkennung der Homologie der zu vergleichenden Abschnitte besitzen. Ehe ich mich der Beurteilung der Erscheinungen von dem eben dargelegten Gesichtspunkte aus zuwende, will ich in Kürze die Daten des beschreibenden Teiles meiner Arbeit zusammenfassen und schildern, wie die Segmentierung bei den verschiedenen Tierformen Morpholog. Jahrbuch. 37. 24 370 D. Filatoff und in den verschiedenen Körperabschnitten auftauchte und wie sie sich veränderte. Augenscheinlich sind die Rumpfsomiten und der hintere Teil der Ocecipitalsomiten! die beständigeren Bildungen im Vergleich mit denjenigen des Vorderkopfes. Hier geht, wenn nicht bei allen, so doch bei den meisten Tieren der Bildung der Somiten die Entstehung einer Höhle im dorsalen Mesoderm voraus, die sich nach und nach nach beiden Richtungen hin ausdehnt. Leider beschreiben bei weitem nicht alle Autoren die der Somitenbildung vorausgehenden Stadien, doch sind z. B. bei den Haien, nach den Abbildungen und der Be- schreibung DoHrRns (7) zu urteilen, die ersten Veränderungen im dorsalen Mesoderm vor Eintreten der Segmentierung dieselben wie die, welche ich bei der Schildkröte beobachten konnte: es bildet sich auch hier eine von unregelmäßigen faltigen Wandungen um- gebene Höhle. Nach den Abbildungen andrer Autoren kann man annehmen, daß beim Neunauge (KoLtzorFr) und bei den Vögeln (Rex) der Segmentierung ebenfalls eine Spaltung des betreffenden Meso- dermdistriktes vorausgeht. In bezug auf die Bildung des prämandibularen Paares der Somiten stimmen die meisten Autoren darin überein, daß dieses Paar erstens später als die andern Somiten zur Entwicklung kommt, und zweitens stets aus dem vordersten Ende des Darmes sich bildet, welches vorher spezielle Umwandlungen zu erleiden hat, die dem übrigen Entoderm nicht zukommen. Dies gibt den Somiten natür- lich eine ganz eigentümliche Gestalt. Was nun den zwischen den Prämandibularsomiten und den hinteren Oceipitalsomiten gelegenen Mesodermdistrikt anbetrifft, so treffen wir eine große Verschiedenartigkeit in der Ausbildung des- selben bei den verschiedenen Tierformen an. Die unbedeutendste Abweichung im Vergleich zu der typischen Somitenbildung findet sich beim Neunauge, bei welchem sowohl unter als auch vor dem Ohr typische Somiten zur Ausbildung gelangen, die eine ununter- brochene, späterhin allerdings eine durch das Eindringen des Ohres zwischen den 3. und 4. Somiten geteilte Reihe bilden. Bei den Elasmobranchia sind die vorderen prootischen und die hinteren Oceipitalsomiten durch eine Reihe von undeutlich abge- grenzten und späterhin, ohne die für die Rumpfsomiten bezeichnen- ! Als hintere Somiten bezeichne ich mehrere, den hinteren Teil der Ocei- pitalregion bildende Somiten, die eine ebenso typische Ausbildung aufweisen, wie die des Rumpfes. Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 371 den Umwandlungen durehzumachen, in Mesenehym sich auflösenden Somiten getrennt. Bei den höherstehenden Tieren zeigt der entsprechende Ab- schnitt keinerlei Segmentierung. Das Mesoderm wird locker und verwandelt sich in Mesenchym, ehe sich noch aus demselben haben Somiten bilden können. Beim Übergang von den Reptilien zu den Vögeln nimmt dieser Prozeß an Intensität zu und wird auf jüngere Stadien übertragen. ' Beim Übergang von den hinteren zu den vorderen Oeeipital- somiten läßt sich bei der Schildkröte eine Verzögerung und Un- deutlichkeit in der Bildung derselben beobachten. Die unter sol- chen Bedingungen sich bildenden Somiten stellen, im Gegensatz zu den hinteren Oceipital- und Rumpfsomiten, eine gestreckte Reihe dar und sind in der Längsriehtung ausgezogen; der vorderste dieser Somiten nähert sich dieht dem Ohr, unter welchem bereits direkt der unsegmentierte Distrikt seinen Anfang nimmt. Das Aussehen der verschwindenden subotischen Somiten der Elasmobranchier läßt darauf schließen, daß sich dieselben unter ebensolehen Bedingungen wie die vorderen Oceipitalsomiten bei der Schildkröte gebildet haben: statt eine Kette von dieht aneinander gedrängten Distrikten darzu- stellen, sind sie ebenso lang ausgezogen und undeutlich. Wenn dies der Fall ist, so läßt sich in dem abweichenden Segmentierungsmodus des Mittelkopfmesoderms das Resultat einer vorwärtsstrebenden Ent- wicklung des Prozesses erblicken, der am schwächsten beim Neun- auge zur Geltung kommt, bei den Haien bereits einen Einfluß, aller- dings nur auf die centrale Somitenreihe ausübt, denselben jedoch noch die Möglichkeit gibt, eine gewisse Ausbildung zu erlangen. Hierauf folgen die Reptilien, bei welchen der mittlere Mesoderm- distrikt gar keine Segmentierung aufweist, und der Prozeß sich nach beiden Richtungen hin ausbreitet, um einerseits einen Einfluß auf die Ausbildung der vorderen Oceipitalsomiten, anderseits auf die der hinteren prootischen Somiten auszuüben. So ist z. B. der dritte prootische Somit bei der Schildkröte nur sehr mangelhaft ausge- prägt, und bei den Vögeln greift diese Rückbildung auch auf den zweiten Mandibularsomiten über, welcher nicht das für den Somiten bezeichnende Aussehen erlangt. Auf diese Weise stellen, meiner Ansicht nach, die Abweichungen in der Entwicklung des Kopfmesoderms, die sich in der Segmentierung seines mittleren Teils, und zwar des zwischen den hinteren Oceipital- somiten und den vorderen prootischen Somitenhöhlen gelegenen Ab- 24* 372 D. Filatoff schnittes bemerkbar machen, die Weiterentwicklung eines von den niederen zu den höheren Tieren zunehmenden Proxesses dar. Dessen Einfluß macht sich darin geltend, daß das Lockerwerden und die Ausdehnung des betreffenden dorsalen Mesodermabschnittes an Inten- sität zunehmen -und auf immer frühere Stadien verlegt werden, wo- durch die Segmentierung desselben bei den einen Tieren undeutlich wird, um bei andern, höher stehenden gänzlich zu verschwinden. Eine andre Gruppe von Abweichungen besteht in der eigen- tümlichen Ausbildung der zwei oder drei vordersten Somiten. Die- selbe ist so eigenartig, daß es bei einer Tierform bisweilen ganz unmöglich erscheint, das betreffende Gebilde als Somiten zu be- zeichnen. Man kann sich nur auf Grund einer Vergleichung davon überzeugen, auf welche Weise der typische Somit der niederen Tiere sich zu der sowohl in der Entwicklung als auch in seiner Gestalt gänzlich von ihm abweichenden Kopfhöhle der höheren Tiere um- gestaltet hat. In dieser Gruppe von Abweichungen können wir zum Teil das Resultat des Einflusses desselben Prozesses erblicken, von welchem oben die Rede war, und welcher die typische Segmentierung des Mittelkopfmesoderms beeinträchtigte. Dieser Einfluß offenbart sich in der Verdunkelung des typischen Somitenstadiums, welches ich bei Besprechung der Entwicklung der prootischen Somitenhöhle als das 1. Stadium bezeichnet habe, und kommt, von den niedriger zu den höher stehenden Tieren, ständig an Intensität zunehmend, zum Ausdruck. Anderseits erklären sich in späteren Stadien die Abweichungen der vorderen Somiten dadurch, daß dieselben die Rolle von Exere- tionsreservoiren des Kopfabschnittes übernehmen und sich in auf- getriebene dünnwandige Blasen verwandeln (2. Stadium). Ein solches Ansehen gewinnen die Veränderungen des Segmen- tierungsprozesses beim Übergange von einem Körperabschnitt zum andern und von einer Tiergruppe zur andern. Sie erscheinen als eine Kette von genetisch miteinander verbundenen Formen, welche aufeinanderfolgende Stadien eines oder mehrerer ihnen zugrunde liegender Prozesse vorstellen. Ich will nun versuchen die Frage zu lösen, welche Prozesse diese Veränderlichkeit veranlassen, welche Seiten dieser Veränderlichkeit durch das Mesoderm selbst, und welche durch die benachbarten Systeme bedingt werden, und auf welche Weise durch die Wechselwirkung der im Mesoderm vor sich gehen- den Prozesse und der in den umliegenden Organen stattfindenden die einen oder andern Formen der Segmentierung zustande kommen. Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 373 Von der Vorstellung ausgehend, daß die Somiten beständige Organe in der Reihe der Tiere darstellen, glaubte ich während der Stadien, welche dem Auftreten derselben vorausgehen, gewisse Ver- änderungen im Mesoderm, welche die künftige Somitenreihe an- deuteten, auffinden zu können. Es schien mir, daß ein Organ, in seiner phylogenetischen Entwicklung .als beständige Einheit von einem Vertreter zum andern übergegangen, in der Ontogenie von Prozessen begleitet sein müßte, die nicht dem Einflusse zufälliger mechanischer Ursachen unterlägen; denn diese können im Verhältnis zu den das betreffende Organ bildenden Kräften nur äußerer Art sein, die sich beim Übergange von einer Tierform zur andern verändern und dem Organ nur solche Merkmale verleihen, welche unabhängig davon, ob sie sich auf dessen Form oder Auftreten beziehen, für die betreffende Tierform nur einen besonderen Charakter tragen. Für sie lassen sich homologe Erscheinungen in der ganzen Reihe der Tiere nicht wiederfinden. Wenn wir es mit homologen Bildungen zu tun haben, so muß bei deren Auftreten stets irgendein beständiger Prozeß, welcher das Bestreben zeigt, bei den verschiedenen Tieren die gleichen Er- scheinungen hervorzurufen, mitspielen. Der Ursprung dieses Pro- zesses liegt dann in dem diesen Gebilden als Material dienenden Gewebe selbst. Wenn es möglich wäre, in den Somitenreihen bei den verschie- denen Tierformen die einander entsprechenden homologen Glieder zu bezeichnen, so könnte man bei der Untersuchung der Segmentierung in jungen Stadien irgendwelche Veränderungen im Mesoderm, z. B. eine besonders intensive Zellteilung an bestimmten Punkten, die Bildung von Falten, welche die Grenzen der künftigen Somiten be- zeichneten, kurz, irgend Prozesse anzutreffen erwarten, welche die Bildung der Somiten nach sich zögen, während der Ursprung dieser Prozesse selbst für uns noch rätselhaft wäre. Dieser würde von den Eigenschaften des betreffenden Gewebsdistriktes, von der Vermehrung der Zellen an bestimmten Stellen und in bestimmter Richtung ab- hängig sein. Die Ursachen gerade einer solchen Vermehrung wären uns unverständlich. Wir müßten zugeben, daß wir einen vererbten Prozeß vor uns hätten, dessen Auftreten sich weit in die Vergangenheit verlöre. Die Organe, zu deren Bildung dieser Prozeß führte, deren Gestalt und Anzahl er bedingte, würden homologe, in der Reihe der Tierformen durch Vererbung überkommene Gebilde darstellen. Ebenso verhalten sich auch verschiedene Organe. Es ist z.B. 374 D. Filatoff unverständlich, weshalb an einer bestimmten Stelle eine Epithelver- diekung und eine Einstülpung bei der Entwicklung der Ohrblase auftreten, weshalb die Anlage der Extremität die Gestalt einer vom Eetoderm bekleideten und mit Mesenchym ausgefüllten Knospe an- nimmt, welche Kräfte die Zellen an dieser Stelle sich gerade so zu vermehren veranlassen, daß eine bestimmte Gestalt der Anlage und des ausgebildeten Organs zustande kommt. Wir fassen diese Kräfte als beständige, vererbte und homologe Bildungen erzeugende Eigen- schaften bestimmter Zellgruppen auf. Wenden wir uns nun der Frage zu, welche Erscheinungen in der Entwicklung der Segmentation als Resultat solcher Eigenschaften aufgefaßt und im Zusammenhange damit als erblich und ursprüng- lich bezeiehnet werden können, welche hingegen durch den me- chanischen Einfluß der wechselnden umgebenden Bedingungen zu erklären sind. Wir haben gesehen, daß in dem der Ausbildung der Somiten vorausgehenden Stadium die Zellen des dorsalen Mesoderms an der betreffenden Stelle sich stark zu vermehren anfangen und ausein- andertreten, wodurch im Mesoderm eine von faltigen Wandungen umgebende Höhle zustande kommt. Mir scheint, es läßt sich nicht bestimmen, in welchem Zusammenrhange die Vermehrung der Zellen und deren das Auftreten der Höhle bedingendes Auseinandertreten stehen. Wir könnten ja voraussetzen, daß die erhöhte Lebenstätigkeit hier eine Ansammlung von Exeretionsprodukten nach sich gezogen hätte, denen diese Höhle als Reservoir diente. Weshalb jedoch die Zellen sich gerade auf diese Weise vermehren, daß sie vom Cen- trum des Mesodermstranges sich dessen Peripherie zu nähern streben, wodurch im Centrum eine Höhle auftritt, weshalb zur Aufnahme der Exeretionsstoffe gerade eine solche gemeinsame Höhle, nicht aber einzelne zerstreute Hohlräume entstehen — dieses erscheint wenig verständlich und muß den einstmal gewonnenen Eigenschaften des betreffenden Gewebsdistriktes zugeschrieben werden. Von dem Augenblick an jedoch, wo das kompakte dorsale Mesoderm im hin- teren Teile der Oceipitalregion und im vorderen der Rumpfregion hohl wird, sind wir imstande, für gewisse weitere Umwandlungen desselben eine mechanische Erklärung zu finden. Die stets zunehmende Faltenbildung der Mesodermwandungen hängt von der Vermehrung der Zellen ab; denn hierdurch nimmt das dorsale Mesoderm an Länge zu und bildet aus Raummangel Falten. Sie bilden verschiedenartige Auswüchse und Eiustülpungen, Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 375 denen sich die von ihnen begrenzte Höhle anpaßt. Fürs erste ist das Material noch ungeordnet verteilt, und die künftigen Somiten werden durch nichts angedeutet. Bald tritt der Augenblick ein, wo der Raum, trotz der Ausbildung der Falten, sich als zu klein erweist. Es tritt die Notwendigkeit einer Umgruppierung ein, bei welcher das vorhandene Material ökonomischer angeordnet ist und zwar auf die Weise, daß die entstandene Höhle auf die eine oder andre Art er- halten bleibt. Wenn die Höhle kein notwendiges Gebilde vorstellen würde, so würden die sich vermehrenden Zellen dieselbe verdrängen. Die Falten würden sich zusammenschließen, und es würde von neuem ein massiver Gewebsstrang entstehen. Es zeichnet jedoch die Notwendigkeit, die Höhle zu erhalten, den Umwandlungen eine bestimmte Richtung vor, wobei sich die Zellen um die Höhle an- ordnen müssen. Nehmen wir irgend einen Distrikt des dorsalen Mesoderms im ersten Stadium, z. B. den auf der Fig. 1@ von den Linien @ und b begrenzten. Damit die die Peripherie bildende Zellwandung und die von ihr begrenzte Höhle einen möglichst kleinen Raum ein- nehmen, ist es notwendig, dab sie statt einer unregelmäßigen lappigen Gestalt eine solche Form annehmen, die bei möglichst kleiner Oberfläche die größtmögliche Stoffmenge aufzunehmen imstande ist. Dieser Zweck wird durch die kugelige Gestalt erreicht, und wir sehen in der Tat, daß unmittelbar auf das angegebene Stadium ein andres folgt, in welchem ein Teil der Falten verschwunden ist, d.h. von den an Dieke zunehmenden Wandungen und dem Wachstum derjenigen Falten aufgenommen wird, welche dem Gewebsdistrikt und der Höhle eine kugelförmige Gestalt erteilen und die Somitengrenze repräsentieren. Die Bildungsstelle dieser Grenzfalten hängt von der Größe der Kugel ab, deren Entstehung durch die Schließung der Falten hervorgerufen wird, während der Radius der Kugel durch den ihr bei der Entwicklung zur Verfügung stehenden Raum bedingt wird. -Dieser Raum wird einerseits von der Chorda und dem Nervensystem, anderseits vom Eetoderm und drittens vom Entoderm begrenzt. Das auf diese Weise entstandene kugelige Stadium des Somiten mit seiner ebenfalls kugeligen Höhle nimmt einen geringeren Raum, als der entsprechende Distrikt im vorhergehenden Stadium ein. Die Vermehrung der Zellen nimmt ihren Fortgang, die Somiten büßen ihre kugelige Gestalt ein und erscheinen so dicht aneinander gedrängt, daß die ganze hintere Wandung des einen mit der vor- deren des andern in Kontakt steht. 376 D. Filatoff Eine solehe Auffassung der Entstehung des Somiten erscheint ein wenig schematisch und benötigt folgender Berichtigung. Der den Somiten bei ihrer Entwicklung zur Verfügung stehende Raum be- dingt deren Größe nicht vollständig. Das Entoderm und das Nerven- system geben dem Drucke des Mesoderms nach und weichen etwas zurück, wobei sich an ihnen Einsenkungen, welche den Erhebungen des Mesoderms entsprechen, bemerkbar machen. Dieses Zurück- weichen wird natürlich durch bestimmte Grenzen eingeschränkt, und es tritt der Augenblick ein, wo die Mesodermzellen aus Raum- mangel doch mit einer Umgruppierung beginnen müssen. Es läßt sich der Fall denken, wo der für den Somiten be- stimmte Raum so eng, oder die Mächtigkeit der Somitenwan- dungen eine so bedeutende ist, daß die ersten im dorsalen Mesoderm auftretenden Falten bereits die Somitenanlage bestimmen. Kleinere Falten können sich dann nieht bilden, da der Faltenradius ein ge- wisses Minimum in Abhängigkeit von der Dicke der Wandungen nicht überschreiten kann, und auf diese Weise muß die Bildung des Somiten wesentlich vereinfacht werden. Diese Erscheinung haben wir bei der Bildung eines der vorderen Oceipitalsomiten beobachten können; sie ist auch bei einer ganzen Reihe von Somiten wahr- scheinlich dort vorhanden, wo die dotterreichen Zellen eine bedeu- tende Mächtigkeit der Somitenwandungen verursachen. Die weitere Entwicklung des Somiten, seine histogenetische Differenzierung und sein Zerfall in Selerotom und Myotom lassen na- türlich keine mechanische Erklärung zu. Auf diese Weise wird die Entstehung eines typischen Somiten | in der größten Mehrzahl der Fälle durch das Vorhandensein folgen- der Bedingungen bestimmt: 1) durch das Auftreten eines Stadiums, in welchem das dorsale Mesoderm durch ein dank der Vermehrung seiner Zellen wachsendes Rohr repräsentiert wird; 2) durch den Widerstand, auf welchen das Rohr in seinem Wachstum sowohl an den Seiten als auch an seinen Enden stößt. Wenn sich eine dieser Bedingungen wesentlich ändert, so muß dies eine Abweichung des Somiten von seiner typischen Gestalt nach sich ziehen. Setzen wir voraus, daß während der Vermehrung der Mesodermzellen die Längsachse des Mesoderms, anstatt ihre Größe zu bewahren oder sich nur unbedeutend zu verlängern, dermaßen an Länge zu- nimmt, daß die die Faltenbildung bedingende Vermehrung der Me- sodermzellen zur Verlängerung des Mesoderms verwandt wird, so können in diesem Falle die Somiten nicht zur Ausbildung kommen. Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 377 Stellen wir uns einen zweiten Fall vor. Wenn die Somiten sich auf die gewöhnliche Art zu entwickeln begonnen haben, und gleichzeitig auch eine Verlängerung der Mesodermachse stattge- funden hat, dann fällt auch der Raummangel, durch welehen die Umgruppierung der Falten zu Kugeln hervorgerufen wurde, weg, so daß die Bildung der Kugeln aufgehalten wird. Es ist möglich, daß die Ausdehnung einen solchen Umfang annimmt, daß die An- lagen der Somiten noch vor Erreichung ihrer endgültigen Gestalt vernichtet werden. Anderseits kann die Vermehrung der Zellen die Ausdehnung des Mesoderms überwinden, und die Somiten werden dann, wenn auch mit einer Verzögerung gewisser Stadien, zur Aus- bildung gelangen. Diese Fälle, deren Möglichkeit aus der Betrachtung der Be- dingungen der normalen Somitenbildung denkbar ist, treffen auch in Wirklichkeit zu. Nicht in allen Körperabschnitten und nicht bei allen Tieren begegnen wir solchen Beziehungen bei der Entwicklung der Segmentation und der benachbarten Organsysteme, bei weleben der Somit seine typische Ausbildung erlangt. Wir haben gesehen, daß im mittleren Teile des Kopfabschnittes eine Ausdehnung des Mesoderms sich bemerkbar macht, daß diese Ausdehnung, meiner Ansicht nach, durch die verstärkte Entwicklung des Vorderendes des Nervenrohres hervorgerufen wird, welches, wie aus den Rekonstruktionen ersichtlich ist, in seinem Wachstum die andern Systeme überholt. Dasselbe reißt mechanisch das ihm angelagerte Mesoderm mit sich und dehnt es aus. Außer dem Einflusse des Nervensystems übt auch die Ohranlage in gewissen Stadien eine Einwirkung auf das unter ihr befindliche Mesoderm aus. Wenden wir uns nun dem Einflusse dieser beiden Faktoren auf die Somiten- bildung zu. Der beim Neunauge sich bemerkbar machende Einfluß er- scheint mir als der geringste. Hier sehen wir das Vorhandensein einer vollständigen Somitenreihe; die Abweichungen in der Bildung der vordersten Somiten gehören zu einer andern Kategorie. Die Öhrblase fängt erst dann an einen Druck auszuüben, wenn die Somiten bereits zur Ausbildung gelangt sind. Bei den Haien tritt in der Gegend des 4., 5. und 6. Somiten der Fall ein, wo diese zwar zur Anlage kommen, sich aber nicht ausbilden. Dieser Umstand wird augenscheinlich einerseits durch den vom Ohr ausgeübten Druck, anderseits durch die Ausdehnung des Mesoderms seitens des im Wachstum befindlichen 378 D. Filatoff Nervensystems herbeigeführt. Beide Einflüsse verändern die Größe und Gestalt des Raumes, in welchem sich die Somiten entwickeln sollen. Die Anlage der letzteren erleidet außer der eine typische Form hervorrufenden Umgruppierung unter dem Einflusse neuer mechanischer Faktoren noch andre Umänderungen, woraus atypische ausgezogene Somiten mit undeutlicher Begrenzung resultieren. Ob- wohl der deformierende Einfluß des Ohres und des Nervensystems bei den Elasmobranchia kein so intensiver ist und sich nicht so früh geltend macht, um die Segmentation an der betreffenden Stelle ganz zu verwischen, so hindert er die Somiten doch daran, ihren ge- wöhnlichen Entwicklungs-Cyelus durchzumachen, so daß dieselben sich verhältnismäßig früh in Mesenchymgewebe auflösen. Bei den Sauropsida tritt die Entwicklung des Gehirns und des Ohres im Verhältnis zur Entstehung der Segmentation in jüngere Stadien zurück, und der Mittelabschnitt des Kopfmesoderms erleidet früher eine passive Ausdehnung, als die Anlage der Somiten zustande kommt Die zur Bildung der letzteren nötigen Bedingungen werden endgültig aufgehoben, und eine Segmentierung im subotischen Meso- derm findet gar nicht statt. Bei der Schildkröte und wahrscheinlich auch bei andern Vertretern greift der Deformierungsprozeß auf die vorderen Oceipitalsomiten über. Bei Beschreibung der Ent- wicklung der letzteren habe ich auf einige Eigentümlichkeiten der- selben hingewiesen, die sich leicht durch die Annahme erklären lassen, daß das Mesoderm zur Zeit von deren Anlage eine Aus- dehnung erfahren hat. Die Verzögerung in der Entwicklung der betreffenden Somiten kann auf folgende Weise erklärt werden. Zur Bildung der Somiten ist es notwendig, daß die an der Ober- fläche des künftigen Somiten befindlichen Falten verschwinden, während die ihn begrenzenden sich vertiefen und zusammenstoßen. Hat der Prozeß bereits begonnen, sich in dieser Richtung zu ent- wiekeln, so erleidet der betreffende Distrikt unter einem äußeren Einflusse eine Ausdehnung, und die Notwendigkeit zur Raum- ersparnis, welehe die Falten sich umzugruppieren zwang, erscheint dann für eine Zeitlang aufgehoben, wodurch die Somiten erst später ihre endgültige Ausbildung erlangen. Vom gleichen Standpunkt aus und auf Grund derselben Erwä- gungen erscheint es leicht begreiflich, weshalb diese Somiten anfangs ein wenig ausgezogen sind und sich in einem weiteren Abstande voneinander befinden als die dahinter liegenden. Während der Ausdehnungsprozeß in der subotischen Region sich als so stark Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 379 ausgeprägt erweist, daß die Somiten hier gar nicht zur Ausbildung gelangen, wird diese Ausdehnung in der vorderen metaotischen Re- gion, nachdem eine gewisse, durch sie verursachte Verzögerung in der Entwicklung eingetreten war, durch die fortdauernde Vermeh- rung der Zellen kompensiert, wodurch die für die Entwieklung der Somiten nötigen Bedingungen von neuem in Kraft treten. Je höher organisiert das Tier ist, in um so jüngeren Stadien beginnt die Verlängerung des Kopfabschnittes des Neuralrohres, und um so intensiver verläuft dieselbe. Im Zusammenhange hiermit ge- staltet sieh auch die Entwicklung des dorsalen Mesoderms des be- treffenden Gebietes um. Wir haben bereits gesehen, daß dasselbe bei den Vögeln bedeutend früher, als dies bei der Schildkröte der Fall ist, ausgedehnt wird, und daß diese Ausdehnung sich weiter nach vorn auf die Mandibularsomiten, welche dadurch ihr 1. Sta- dium — das des typischen Somiten einbüßen, erstreckt. Es wäre von Interesse, eine genaue Vergleichung der Gehirn- profile verschiedener Tiere ineinander entsprechenden Stadien an- zustellen. Doch leider finden sich nur in wenigen Arbeiten neben den Abbildungen der Somiten auch solche des Nervensystems. Ich habe die Wiedergaben der Rekonstruktionen verschiedener Stadien des Neunauges (KoLTzorF), des Vogels (Rex) und der Schild- kröte miteinander verglichen und bin zum Schluß gelangt, daß einem stärker ausgedehnten Mittelkopfmesoderm und einer stärker ver- wischten Segmentation in der Tat auch ein früher eintretendes Wachstum des Vorderendes des Neuralrohrs entspricht. Wenn wir die eben angeführte Erklärung der Somitenbildung annehmen, so erweisen sich auch die Abweichungen in der Seg- mentation, z. B. das Verschwinden der bereits zur Anlage gekom- menen Somiten oder das Vorhandensein unsegmentierter Distrikte leicht erklärbar. Dieselben werden durch die Wechselwirkung zweier Prozesse, und zwar des Wachstums des Gehirns und des Bestrebens seitens des Mesoderms, eine typische Segmentierung zu verwirk- lichen, bedingt. Je intensiver und früher sich der erste Prozeß äußert, desto mehr verdunkelt sich der zweite. Andre Abweichungen, die Anzahl der Somiten betreffend, lassen sich ebenfalls von demjenigen Standpunkte, welchen ich einge- nommen habe, leicht erklären. Sie sind es gerade, welche Anlaß zu verschiedenen sich widersprechenden Angaben gegeben haben, die dann natürlich schwer zu erklären sind, wenn wir die Somiten als beständige Organe auffassen wollen. So behauptet z. B. Donrn, 380 D. Filatoff daß der Mandibularsomit der andern Autoren in Wirklichkeit eine Gruppe von vier Somiten bildet. Auch findet er, daß in dem hintengelegenen Bezirk, welcher das Material für M. abducens gibt, drei Somiten vorhanden sind, wogegen andre Autoren hier nur einen oder zwei Somiten gesehen haben. DonHrn glaubt, daß der Mandibular- und dritte Somit der Autoren komplizierte, aus den hier früher vorhandenen Somiten entstandene Gebilde sind, und daß man bei den Torpedo-Embryonen, welche ein primitiveres Ver- hältnis bewahrt haben, diejenigen Somiten, die bei den andern Tieren zusammengewachsen sind, getrennt sehen kann. Noch vor dem Er- scheinen derjenigen Arbeit, deren Angaben ich hier angeführt habe, sind andre Studien von KıLLıan und DOoHrN erschienen. Hier sind ebenfalls in dem Kopfe der Rochen eine große Anzahl von Somiten beschrieben worden. Diejenigen Autoren, welche ihre Meinung von der geringen Somitenzahl in dem prootischen Gebiete bewiesen sehen wollen, weisen darauf hin, daß DoHrn und KiLLıan sich nicht genügend streng die Frage gestellt haben, was man für einen Somiten ausgeben darf und was nicht, daß daraus sich auch die Tatsache erklärt, daß einige zufällig gesonderte Zellengruppen des dorsalen Mesoderms für Somiten gehalten worden sind. Meiner Ansicht nach haben wir keinen Grund, diejenigen Gebilde, welche Dourn in dem Gebiete der zukünftigen abfüh- renden Muskel abgebildet hat, für keine Somiten zu halten. An- derseits unterliegt es gar keinem Zweifel, daß der erwähnte Ab- schnitt des Mesoderms bei einigen Tieren nur einen Somiten ent- wickelt. Daraus ersehen wir aber, daß einem Somiten des einen Tieres eine Anzahl derselben bei einem andern entsprechen kann. Wir haben jedoch keinen genügenden Grund, um die Behauptung aufzustellen, daß das Vorhandensein einer größeren Anzahl von Somiten ein primitiverer Zustand ist, hingegen ihr Ersetztwerden durch einen Somiten eine sekundäre Erscheinung bedeutet. Um die Ansicht von dem Zusammenwachsen vieler Somiten zu einem zu stützen, weist DoHrRN (7) auf folgende Tatsachen hin. In dem vorderen Mesoderm existiert eine kurze Zeitlang gleichsam eine An- lage zahlreicher Somiten, welche dann jedoch verschwindet (Mustelus). In diesem vorübergehenden Zustande sieht der Autor -einen Hin- weis auf eine früher gewesene Segmentation. Dann beobachtete er auch ein Zusammenwachsen der Somiten in der Oceipitalregion; das heißt also, daß zuerst eine Anlage einiger Somiten zum Vor- schein kam, und sich später eine geringere Anzahl entwickelte, als Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 381 in der Anlage beobachtet waren. Es schien ihm manches Mal der Fall zu sein, daß es für die Bildung der größeren Somiten- anzahl gleichsam an Platz mangelte, und daß darum einige durch den Druck ihrer Nachbarn ihre Selbständigkeit zu verlieren ge- zwungen waren. Der Autor betont, daß bei den Haifischen das Zu- sammenwachsen im größeren Umfange vor sich geht als bei den Rochen, warum auch die letzteren eine größere Somitenanzahl im Kopfe aufweisen. Hiermit wäre also seiner Meinung nach die Er- klärungsweise, die Somiten wären aus der Halsregion vorgeschoben, als unnütz fallen zu lassen. Dieser Schluß widerspricht aber dem angenommenen Begriff vom Somiten, worüber ich oben bereits schon gesprochen habe, da er augenscheinlich die Unmöglichkeit der Homologisierung einzelner Somiten der verschiedenen Tiere zur Voraussetzung hat. Ich sage augenscheinlich, weil der Autor selber diesen Gedanken nicht mit Bestimmtheit äußert, doch folgt aus der bloßen Möglichkeit des Zu- sammenwachsens von Somiten das Verbot, sie als konstante mor- phologische Einheiten zu vergleichen. Ich gebe Donrn durchaus recht, wenn er die Inkonstanz der Somiten behauptet, liefere aber dafür andre Beweise und glaube, daß die von ihm beschriebenen Tatsachen auch in meinem Sinne gedeutet werden dürfen. Der Autor steht immerhin auf dem Standpunkte, daß auch in den Fällen, wo wir es mit einer geringeren Somitenanzahl zu tun haben, dieser in der Ontogenese eine Anlage einer größeren Anzahl von Somiten vorausgegangen war, die sich dann dank dem Zusammenwachsen verringerte. Doch glaube ich, daß die diesbezüglichen Erscheinungen vom Standpunkte meiner Erklärungsweise der Somitenentstehung ein- facher zu verstehen sind. So sagt der Autor z. B., daß das Vorder- kopfmesoderm eine Zeitlang so aussieht, als wolle es in eine große Anzahl kleiner Somiten zerfallen. Ein solches Bild bietet sich, meiner Ansicht nach, darum unsern Augen dar, weil der Vermehrungs- prozeß der Zellen begonnen hat, und sich somit diejenige Faltung einstellt, welche ja in diesen Fällen etwas ganz Gewöhnliches ist. Was das Zusammenwachsen anbetrifft, welches der Autor beob- achtet haben will, so ist es, meiner Ansicht nach, überhaupt kein Zusammenwachsen angelegter Somiten, sondern nur ein veränderter Segmentationsprozeß, etwas Ähnliches, was ich für die vorderen Oecipitalsomiten bei Emys nachgewiesen habe. Zur Bildung eines Somiten bringt es die Aufeinanderwirkung derjenigen Prozesse, welche in dem Mesoderm und den umgebenden Systemen vor sich gehen. 382 D. Filatoff Eine Anlage von einem Somiten im Sinne eines irgendwie vorbe- stimmten Gebiets zur Bildung desselben gibt es überhaupt nicht, und von einem Somiten können wir nur dann sprechen, wenn er mit der Bildung beinahe fertig ist. DOoHRN hält aber für die Somiten- anlage diejenige Faltung, welche ihrer Bildung nur vorausgeht und in Abhängigkeit vom freien Raume einer beliebigen Somitenanzahl den Anfang verleiht. Er meint, daß es Mangel an Raum sei, welcher die Bildung einer bestimmten Somitenanzahl verhindert, und so komme es dazu, daß die einen die andern aufnehmen. Nun scheint es mir aber, daß hier eine direkt entgegengesetzte Erscheinung stattfindet: nicht der Mangel an Platz nämlich bedingt die beobachtete Erschei- nung, sondern der Überfluß an solchem, was seinen Grund in der Ausdehnung des entsprechenden Mesodermbezirks hat. Dank dieser Ausdehnung sind diejenigen Falten, welche für Dourn die Bildung der Somiten anzudeuten scheinen, stellenweise verschwunden, und so ergibt sich der Eindruck, als habe sich an Stelle der bestimmten Somitenanzahl eine geringere Anzahl derselben entwickelt. Die eben besprochenen Somiten sind nach DoHrN unregelmäßig geformt, ausgedehnter als die normalen, was wir auch bei den Schild- kröten in bezug auf die vorderen Oceipitalsomiten beobachten, doch bekommen sie hier mit der Zeit ihre gewöhnliche abgerundete Form. Das letztere wäre nicht geschehen, wenn die Ausdehnung des Meso- derms die Vermehrung seiner Zellen überwunden hätte; dann würden die Somiten ausgedehnt geblieben oder sogar in Mesenchymzellen zerfallen sein. Der Unterschied der Anzahl von Somiten an Stelle der zu- künftigen abführenden Muskeln gibt uns ein Beispiel dafür, wie die Größe der Querschnittebene derjenigen Raumhöhle, in der sich die Somiten entwickeln, auf ihre Anzahl Einfluß gewinnt. Je größer dieser Querschnitt, desto geringer ist die Anzahl von Somiten. So nimmt beispielsweise der Mesodermbezirk, welchem der abführende Muskel entspricht, bei den Neunaugen zur Zeit der Somitenbildung der Länge nach ebensoviel Platz ein wie der Breite nach, und wir sehen, daß aus ihm sich nur ein Somit entwickelt. Bei den Rochen ist die Länge dieses Bezirks einigemal größer als sein Querschnitt, und hier entstehen mehrere Somiten. Auf diese Weise lassen sich alle Abweichungen in der Entwick- lung einzelner Abschnitte in dem Kopfmesoderm sowie der Unterschied in Form und Anzahl von Somiten durchaus gut erklären, wenn man meine Auffassung derjenigen Prozesse, welche sich bei der Ent- Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 383 stehung normaler Somiten beobachten lassen, annehmen will. In dem Rumpf ist die Abweichung der Segmentation bei verschiedenen Vertretern natürlich geringer als im Kopfe, und sie betreffen aus- schließlich die Anzahl von Somiten. Dieses hängt davon ab, dab im Rumpfe solche Deformationsfaktoren, wie die Ausdehnung infolge des Gehirnwachstums und des Druckes des sich entwickelnden Ohres, ausgeschlossen sind, und nur solche tätig bleiben, welche die Größe und somit auch die Anzahl der Somiten bedingen. Dieses sind der Vermehrungsprozeß der Mesodermzellen, welcher in der oben be- schriebenen Weise vor sich geht, und der Querschnitt der Raum- höhle, welche dureh das Rückenmesoderm ausgefüllt ist. Jetzt kehre ich zu der Frage zurück, welche ich am Anfang des letzten Teils meiner Arbeit gestellt habe: was erscheint in dem Segmentationsprozesse als konstant und grundlegend, und was unter- liegt in Abhängigkeit von den Veränderungen in den umgebenden Organen dem Wechsel. Es scheint mir, daß die verschiedenen Seg- mentationsfälle mit ihren Abweichungen gezeigt haben, daß dieser Prozeß dort, wo er in typischer Form verläuft, von der Vermeh- rung der Zellen und der Bildung einer Höhle in dem Rückenmeso- derm begleitet wird. Da wir die unmittelbaren Ursachen dieser Erscheinungen nicht aufweisen können, so müssen wir sie auf Kosten der Eigenschaften des Rückenmesoderms selbst schreiben und müssen also zugeben, daß wir es hier mit einer vererbten Er- scheinung zu tun haben. Nun kann man aber alle diese Umwand- lungen, welche mit dem Erscheinen der ersten Falten, die sich zu Somiten umgruppieren, beginnen und in der Somitendifferenzierung zum skeletogenen- und Muskelgewebe ihren Abschluß finden, auf rein mechanische Weise erklären, und zwar durch die Wechselwir- kung des inneren Prozesses in dem Mesoderm selber und der Pro- zesse an den benachbarten Organen. Wir hatten gesehen, wie diese Umwandlungen sich in Abhängigkeit von der Entwicklung des Ner- vensystems und des Ohres veränderten, wobei diese Veränderungen die Zahl sowie auch die Form der Somiten betrafen und manchmal sogar die Abwesenheit derselben bedingten. Darum ist alles das, was die Bildung der Somiten anbetrifft, nicht nur durch Mesoderm- prozesse, sondern auch durch eine gewisse Kombinierung äußerer Bedingungen verursacht. Die letzteren sind nötig, um die Um- gruppierung der Mesodermzellen in bestimmter Richtung zu leiten und sie so zur Bildung der Somiten zu zwingen. Einige Verände- rungen in diesen Prozessen leiten die Mesodermveränderungen so, 384 D. Filatoff daß es zu keiner Somitenbildung kommt. So sehen wir also, daß der Somit ein Produkt bestimmter Entwicklungsbedingungen ist, welche sich einmal einstellen, ein andermal aber fehlen können, welche, selber einer Veränderung unterworfen, auch die Variabihität der Somiten- anzahl und ihrer Entwicklung bedingen, woraus es dann einleuchtet, daß die letzteren keine beständigen Organe sind und nicht als kon- stante morphologische Einheiten vererbt werden, sondern daß sich derselbe Stoff bei der Vererbung verschieden gliedert, und daß somit die Somiten nur als ganze Reihen, nicht aber als Einzelgebilde ein- ander vergleichbar sind. Bei dem Zerfallen in Myotom und Sclerotom treten die Eigen- schaften des Mesoderms wieder allein in ihre Rechte, welche sich in der Differenzierung und der Gruppierung seiner Zellen äußern. Zur Charakteristik der Somiten ist es interessant, darauf hin- zuweisen, daß die Bildung des Skeletogen- und Muskelgewebes nicht unbedingt aus dem Somiten hervorgehen muß, da wir Fälle kennen, wo die Somiten zerfallen (die Mittelkopfsomiten der Haifische) oder sich gar nicht bilden (das Gebiet des dritten Somiten bei der Schild- kröte), und dennoch aus den entsprechenden Mesodermabschnitten sich manches Mal ein Knorpel, manches Mal Muskeln und Knorpel entwickeln. So kann also die Mesodermentwicklung ihre abschließende Form mit Überspringen des Somitenstadiums erreichen. Auf Grund des Gesagten scheint es mir möglich, die folgende Charakteristik des Segmentationsprozesses zu geben. Bei der Um- wandlung des Rückenmesoderms tritt ein Stadium ein, welches unter dem Einfluß der benachbarten Prozesse eine Somitenreihe ergibt, wo- bei die Anzahl und die Entwicklungsbesonderheiten derselben in größerem Maße von diesen Proxessen abhängen, als von solchen im Mesoderm selber. Ich habe schon gesagt, daß man die Somiten nur als ganze Reihen und nicht als Einzelgebilde vergleichen darf, und zwar darum nicht, weil man überhaupt nur solche Merkmale homologisieren darf, welche als gesonderte morphologische Einheiten betrachtet werden können und als solehe auch vererbt werden. In bezug auf die einzelnen Somiten darf dies durchaus nicht behauptet werden, da ihre Anzahl durch solche Ursachen bedingt wird, welche die Mög- lichkeit der Bewahrung der morphologischen Einheit ausschließen. Es ist doch augenscheinlich, daß, wenn die Anzahl der Somiten von derjenigen Raumbreite abhängt, in der sie sich zu entwickeln haben, und dieser Raum sich so verändern kann, daß in dem einen Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 335 Falle ein bestimmter Mesodermbezirk zwei Somiten ergibt, in dem andern aber drei, daß dann die Einheit der Somiten gestört sein muß; die Einheit aber ihrer ganzen Reihe unterliegt nicht diesem Einfluß, und wir können darum in ihr dasjenige allgemeine Merkmal der Wirbeltiere erblicken, welches auf gleiche Weise entstanden ist, und zwar dank der eigenartigen Vermehrung der Mesodermzellen im beschränkten Raum. Daraus folgt nun also, daß wir die Frage nach der Homologt- sierungsmöglichkeit einzelner Somiten verschiedener Tiere mit nein zu beantworten haben. Als ich die Entwicklung der Vorderkopfsomiten erörterte, habe ich schon darauf hingewiesen, daß deren Besonderheiten, dank welcher viele, vielleicht die meisten Autoren, sie für Bildungen sui generis, den Oceipitalsomiten nicht homodynamisch erachtet haben, durch die Entwicklungsbesonderheiten des gegebenen Mesoderm- bezirks, in Abhängigkeit vom Einflusse benachbarter Organe, erklärt werden können. Ich halte es darum für möglich, die Vorderkopf- gebilde als Somiten zu betrachten, weil sie, meiner Ansicht nach, sehr viele typische Somitenmerkmale bewahrt haben, welche desto zahlreicher sind, je niedriger das gegebene Tier organisiert ist. Sie haben ebenfalls einige dieser Merkmale verloren, und es läßt sich durchaus nicht einschätzen, was für die Bestimmung der morphologischen Bedeutung der bestrittenen Bildungen wichtiger ist, das Verlorengegangene oder das Beibehaltene. Ich glaube, daß, nachdem es klargestellt ist, vermöge welcher Veränderung in dem Hauptprozesse der Segmentation sich die eigenartigen Bezirke des Vorderkopfmesoderms ergeben, die Wichtigkeit der Frage, ob diese Bezirke für Somiten zu erachten sind oder nicht, in sich selber zu- sammenfällt. Die eine oder andre Lösung der Frage wird das Resultat des individuellen Verhaltens eines jeden Autors sein. Es kommt darauf an, von welchem Momente er den Somiten bei dem Prozesse des allmählichen Verlierens der typischen Merkmale nicht mehr für einen solchen erachten will. Wenn man als Kriterium das Ent- stehen der Somiten annehmen will, so wird man zugeben müssen, daß der Prämandibularsomit bei keinem einzigen Tiere (eine Ausnahme bilden vielleicht nur die Neunaugen) als ein solcher erachtet werden darf. Der Mandibularsomit, oder besser gesagt, eine Gruppe desselben, erscheint dagegen in vielen Fällen als ein typischer Somit. Was aber die Gruppe des dritten Somiten anbe- Morpholog. Jahrbuch. 37. 25 386 D. Filatoff trifft, so ist seine Entstehung nur bei einigen Amnioten so weit ver- dunkelt, daß es der Anlaß gewesen ist, sie für keine Somiten zu halten. Anderseits aber zwingen uns zur entgegengesetzten Annahme die Entstehung der bestrittenen Gebilde aus dem Riückenmesoderm, die Existenz der Übergänge vom typischen Entstehen zum atypischen und ferner die Bildung des Skeletogengewebes sogar als eines ge- sonderten Sclerotoms (Prämandibularsomit bei Emys). Wir haben demnach ein Recht dazu, die Vorderkopfhöhlen für veränderte Somiten anzusehen. Die dritte Frage ist: kann man die serialen Reihen des Kopfes zu einem Segmentsystem verbinden ? Was die Branchiomerie anbetrifft, so ergeben meine sowie alle vorhergehenden Forschungen, daß in der ÖOntogenese gar keine Hinweise darauf bestehen, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Kiemenspalten und Somiten gegeben hat. Ich denke mir die Möglichkeit eines solchen Zusammen- hanges folgendermaßen: Wir können uns vorstellen, daß nicht nur das Rückenmesoderm, sondern auch das Visceralmesoderm in Segmente zerfallen ist, und daß dieses Zerfallen mit der Bildung der Kiementaschen Hand in Hand geht. Ist es aber der Fall, so ist die Annahme berechtigt, daß die Ausstülpungen des Ento- derms dort vor sich gehen werden, wo sie auf den geringsten Widerstand stoßen. So lange aber ein solcher oder ein ähnlicher Zusammenhang tatsächlich noch nicht konstatiert ist, bleibt die Frage nach der Übereinstimmung der Branchio- und Mesomerie auf der Stufe stehen, auf welcher alle möglichen Annahmen auf- tauchen können. Die Nervenfalten halte ich nicht für Reste der ehemaligen Seg- mentation des Neuralrohres, sondern betrachte sie als Resultate des Wachstums des Nervensystems, den ursprünglichen Falten des Rücken- mesoderms analog; jedoch ist das Schicksal der Nervenfalten ein andres, da hier diejenigen Bedingungen fehlen, welche die Mesoderm- falten zu Somiten umgestalten. Das Nervensystem, insbesondere sein vorderes Ende, ist eine mächtigere Bildung als das Rückenmeso- derm. Dazu kommt, daß sein Wachstum hauptsächlich der Länge des Embryo nach, nicht aber von allen Seiten, wie wir das am Mesoderm beobachten, verhindert ist, wodurch die Hauptprozesse in der Verwandlung des Vorderendes des Neuralrohres sich erklären lassen. Zuerst entstehen die Falten, und zwar dadurch, daß die allmähliche Vermehrung der Nervenzellen den Widerstand des Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 387 bekleidenden Epithels und des Mesenchymgewebes neben der Ver- längerung und der Veränderung des Platzes der Neuralanlage nicht hat überwinden können. Doch existieren diese Falten nicht lange, und wir sehen, daß das Gehirn sich von Chorda und Mesoderm abhebt und die Gehirnbeuge bildet; zu derselben Zeit beginnen die Gehirnfalten zu verschwinden, indem sie allmählich von dieser Beugung aufgenommen werden. Es scheint mir, daß die abnorme Entwicklung des Vorderendes des Nervensystems, von der ich oben gesprochen habe, meine Ansicht bezüglich der Nervenfalten bestätigt. Das Kopfende des Embryos, bei welchem diese Abnormität beobachtet wurde, war kürzer und bildete nicht die Krümmung, welche in den ent- sprechenden Stadien der normalen Embryonen immer vorhanden war, und im Zusammenhange damit war das Nervensystem im vor- deren Abschnitte durch eine Reihe voneinander gesonderter Höhlen repräsentiert. Nun glaube ich, daß in diesem Falle irgendein Grund vorhanden war, welcher, die abnorme Entwieklung bedingend, der Anlage des Gehirns es unmöglich gemacht hat, die gewöhnliche Beuge zu machen, um so die Falten zu glätten. Hiernach vollzog sich die Umgruppierung derselben nicht in der für das Nerven- system typischen Weise, sondern so, wie es dem Mesoderm eigen ist, so daß wir an der betreffenden Stelle eine Reihe von hohlen Kugeln sehen. So nehme ich an, daß diejenigen Prozesse, durch welche in dem vorderen Ende des Nervensystems und in dem Rückenmesoderm Falten entstehen, ihrem Wesen nach analog und durch die Ver- mehrung der Zellen beim Vorhandensein von Hindernissen für ein freies Wachsen bedingt sind. Während bei der Entwicklung des Mesoderms diese Hindernisse bestehen bleiben, werden sie bei der Entwicklung des Gehirns durch die Macht seines Wachsens be- siegt, so daß es nicht zur Bildung gesonderter Bezirke, wie es bei- spielsweise die Somiten sind, kommt. Die Entwicklung der Seg- mentation des Mesoderms und des vorderen Endes des Neuralrohres dürfte in folgender Weise vor sich gegangen sein. Auf einer soliden und inerten Basis (Entoderm + Nahrungsdotter) liegen die Anlagen des Nerven- und Muskelsystems. In den Geweben dieser Anlagen geht der Prozeß der Zellenvermehrung vor sich, wodurch ihr Wachstum das Wachstum des Entoderms zu überholen beginnt. Indem die Vermehrung im Mesoderm mehr oder weniger gleichmäßig der ganzen Länge nach vor sich geht, ist sie im Nervensystem am 25* 388 D. Filatoff vorderen Ende besonders intensiv, so daß das Wachstum hier nicht nur das Entoderm-, sondern auch Mesodermwachstum überholt und beim allmählichen Übergange von den niederen zu den höheren Vertretern zuerst das Mesoderm, dann auch das Entoderm immer mehr und mehr ausdehnt. Was den Rumpf anbetrifit, so hat es den Anschein, daß das Mesoderm hier schneller wächst als das Nervensystem. Die beschriebenen Beziehungen zwischen den Organen lassen sich schematisch folgendermaßen darstellen: Fig. a. Fig. b. UF rz GN Nerv.S. Mesd. Entd. Fig. ce. une Tg gl LITN UN No) Wenn wir auf Grund ontogenetischer Angaben die Herkunft der Segmentation und die Differenzierung des vorderen Endes des Neuralrohres bei den Wirbeltieren uns vorstellen wollen, so müssen wir annehmen, daß ihr Anfang durch die Zellenvermehrung einge- leitet gewesen ist, daß die Anlagen der Animalorgane sich darauf progressiv zu entwickeln und schließlich den Wuchs der Vegetativ- organe zu überholen begannen. Als unmittelbare Folgeerscheinungen der Zellenvermehrung ergeben sich die Höhlenbildung im Mesoderm, die Vergrößerung der Höhlen im Nervensystem und die Ver- längerung der beiden Systeme. Die verschiedenen Modifikationen dieses Wachstums, welche teil- weise die endgültige Form der Organe bestimmen, sind nicht nur durch die Prozesse in der Anlage selber, sondern auch durch den Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 389 mechanischen Einfluß der umgebenden Organe auf diese Anlagen bedingt. Daraus schließe ich, daß bei den Wirbeltieren die Segmen- tation sich nicht so entwickelt hat, als ob die Bildung des in der Entstehung begriffenen Segments auf alle Anlagen verschiedener Organsysteme sich gleichzeitig und gleichmäßig ausgebreitet habe, son- dern folgendermaßen: die serialen Reihen entwickeln sich in. jedem System unabhängig voneinander und werden durch die Besonderheiten des bildenden Gewebes und der umgebenden Organe bestimmt. Natürlich schließt die Unabhängigkeit der Entstehung die Möglichkeit des Einflusses irgendeiner Reihe von serialen Bildungen auf das benachbarte System nicht aus, wodurch es dann möglich wird, daß in dem letzteren entsprechende seriale Organe zum Vorschein kommen. Auf diese Weise, glaube ich, wird man die Übereinstimmung zwischen Somiten und Nerven erklären können. Auf Grund der Ontogenese des N. oculomotorius und N. abducens bei Emys ist die Annahme möglich, daß den Anstoß zur Entwick- lung des Nerven die sich entwickelnde Muskelanlage gegeben hat; sie bestimmt nämlich den Ausgangsplatz des Nerven im Nerven- system sowie dessen weiteren Verlauf. Wahrscheinlich existierte ein Typus gleichmäßiger Segmentation bei Übereinstimmung zweier Nervenwurzeln mit den Myotomen. Die Metamerie der motorischen Wurzeln wurde durch die anatomische Verbindung mit den Myotomen- abkömmlingen bedingt. Was die Metamerie der sensiblen anbe- trifft, so entsteht sie, indem diese Wurzeln inmitten des Skeletogen- gewebes den motorischen Wurzeln folgen, den hier freigewordenen Raum ausnutzend. Von diesem Standpunkt aus ist es klar, warum im Kopfe keine! Übereinstimmung zwischen Nerven und Somiten besteht: der Somit bedingt nicht die Entstehung des Nerven, sondern nur seine weiteren Umwandlungen, und wenn die Muskelanlagen ihre Abgesondertheit durch Zusammenfließen verlieren, so wird die Störung in der Übereinstimmung zwischen der Somiten- und Ner- venanzahl möglich. So ist die Sachlage beispielsweise bei der Entwicklung des M. abducens, welcher durch einen Nerven versorgt wird, obgleich er aus einer verschiedenen Anzahl von Somiten entsteht. Ich muß übrigens bemerken, daß man nicht für alle Fälle den Einfluß der sich entwickelnden Muskeln auf die Entwicklung der Nerven in der Form sich denken darf, wie wir das bei der Schild- kröte beobachtet haben. Den Angaben Dourns und NEALS, wie auch meinen eignen Schnitten durch Pristiurus-Embryonen zu- 390 D. Filatoff folge darf man annehmen, daß bei den Haifischen ein solcher gesonderter Strang von bindegewebigen Zellen zwischen den An- lagen der Muskeln und des Nervensystems, wie das bei Emys der Fall ist, nicht zu sehen ist. Hier findet der Nerv zum Muskel einen andern Weg, welcher sieh aber der Beobachtung entzieht. Für das Verständnis der gegenseitigen Beziehung zwischen der Muskel- und Nervenentwicklung, deren Anlagen, in der Phylogenie getrennt, in der Ontogenese sich vereinigen, müssen solche Fälle herbeigezogen werden, in denen die Entstehung einer solchen Ver- einigung am wenigsten rätselhaft erscheint. Diejenigen Fälle aber, in denen die Entstehung der Vereinigung schwerer zu erklären ist, müssen als Modifikationen der ersterwähnten Fälle betrachtet werden. Bei ihnen ist die Art der Erscheinung dieselbe geblieben, diejenigen Formen aber, welehe der Beobachtung zugänglich sind, haben sich verändert. Das, was mir an meiner Arbeit das Wesentlichste zu sein scheint, habe ich in folgenden zehn Punkten zu formulieren gesucht. Ergebnisse. 1) Als Beginn der Segmentierung muß das intensive Wachstum des dorsalen Mesoderms angesehen werden. 2) Als gewöhnliches Resultat dieses Wachstums treten die So- miten auf, doch wird ihr Erscheinen nicht nur durch die im Meso- derm sich abspielenden Prozesse, sondern auch durch den auf die letzteren von seiten der Vorgänge in den Nachbaranlagen ausge- übten Einfluß bedingt. 3) Durch Veränderungen in der Entwicklung der Nachbaranlagen werden gewisse Abweichungen, die einem beim Studium der Seg- mentation bei verschiedenen Tieren und in verschiedenen Körper- abschnitten entgegentreten, hervorgerufen. 4) Diese Abweichungen betreffen die Größe, die Zahl und die Form der Somiten. Die Anzahl und Größe der Somiten werden durch die Dimensionen des ihnen bei ihrer Entwicklung zur Verfügung stehenden Raumes bedingt; die Form dagegen hängt davon ab, ob die Dimensionen dieses Raumes während der Entwicklung der So- miten Schwankungen unterworfen waren, oder ob sie die ganze Zeit über nahezu die gleichen blieben. 5) Durch Gestaltsveränderungen des Raumes läßt sich auch das beim Übergang von den niederen zu den höher stehenden Tierformen Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 331 nach und nach bemerkbar werdende Verschwinden der Somiten im mittleren Teile des Kopfmesoderms erklären. Dieses Verschwinden wird durch eine passive Ausdehnung des betreffenden Distrikts seitens des im Wachstum befindlichen Vorderendes des Nerven- systems verursacht. 6) Da ein und derselbe Mesodermdistrikt, in Abhängigkeit von dem Wechsel der die Somitenzahl bestimmenden Faktoren, bei den verschiedenen Tieren einer verschiedenen Anzahl von Somiten den Ursprung geben kann, so lassen sich die einzelnen Somiten nicht homologisieren, wohl aber Gruppen derselben, d. h. bestimmte Meso- dermdistrikte. 7) Im Entwicklungsgange der Vorderkopfsomiten, d. h. des prä- mandibularen, des mandibularen und zuweilen des dritten, lassen sich zwei Stadien unterscheiden: das erste ist das Stadium des typi- schen Somiten, das zweite das der Kopfhöhle. Bei den niedriger stehenden Tieren kommt das 1. Stadium besser zum Ausdruck; dasselbe wird beim Übergang zu den höheren durch Verstärkung des deformierenden Einflusses des Hirns immer mehr verdunkelt, und das 2, Stadium tritt mehr in den Vordergrund. Der Wechsel dieser beiden Stadien läßt sich dadurch erklären, daß der typisch ausgebildete Somit (1. Stadium) die Funktion eines zur Aufnahme der überhaupt von den Geweben des Kopfes ausgeschiedenen Stoffe bestimmten Reservoirs übernimmt und zu einer dünnwandigen Blase aufgetrieben wird. 8) Die Ontogenie bietet keinerlei Anhaltspunkte zur Einteilung des Kopfes in zwei Abschnitte von verschiedener Herkunft. 9) Das Verschwinden der Somiten wird in der Ontogenie durch die vom Wachstum des Gehirns veranlaßte Ausdehnung derselben hervorgerufen. 10) Die Faltenbildung seitens der Anlage des Nervensystems ist der im Mesoderm vor der Bildung der Somiten auftretenden Falten- bildung analog. In beiden Fällen sind die Falten als Resultat des Wachstums in beschränktem Raume entstanden und verschwinden späterhin; doch in einem Falle, wo die sonst den Wuchs hindernden Umstände in Kraft bleiben, gruppieren sich die Falten zu Somiten um, während sie in einem andern Falle, in welchem das Vorderende des Nervensystems das Hindernis dadurch umgeht, daß es sich nach der Richtung des geringsten Widerstandes umbiegt, zur Verlänge- rung desselben verwandt werden. 392 D. Filatoff Zum Schlusse halte ich es für eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. M. A. MEnzeIErR, der mir die Möglichkeit gab, diese Arbeit im Institut für vergleichende Anatomie auszuführen, und Herrn Privat- dozent N. K. KOLTZOFF, der mir das Material von Emys zur Verfügung stellte, meine tiefe Dankbarkeit darzubringen. Heidelberg, 19. November 1906. 1) 1882. 2) 1887. 3) 1898. 4) 1902. 5) 1899. 6) 1901. 7) 1902. 8) 1884. 9) 1888. 10) 1892. 11) 1897. 12) 1905. 13) 1877. 14) 1892. 15) 1892. 16) 1900. 17) 1889. 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Verhandl. der Anat. Gesellschaft in Genf. Nr. 19. BrAus, Beiträge zur Entwicklung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. Morphol. Jahrbuch. Bd. XXVL. OprEL, Über Vorderkopfsomite und die Kopfhöhle bei Anguis fra- gilis. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXVI. v. Wısue, Über Somiten und Nerven im Kopfe von Vögel- und Reptilienembryonen. Zoolog. Anzeiger. Bd. IX. Nr. 237. DAvipvorFr, Über präoralen Darm und die Entwicklung der Prämandi- bularhöhle bei den Reptilien. Festschrift von KUPFFER. FiLAToOFF, Entwieklungsgeschichte des Exeretionssystems bei den Amphibien. Bull. des Natur. Moscou. 394 D. Filatoff Allgemeine Bezeichnungen für alle Figuren. a,b,c,d, a,, b,, e,, d, Linien zur Bezeichnung der entsprechenden Stellen ‘ auf den Abbildungen. af N. acustico-faeialis, Aug Auge, Ch Chorda, dw dorsale Wurzel, ect Ectoderm, ent Entoderm, gf N. glossopharyngeus, Gh Gehirn, hl Höhlen an Stelle des 2. Somiten, “o innere Somitenwandung, kb Kieferbogen, k,l...pund %,[/,...p, Somiten in der hinteren Kopf- und vorderen Rumpfgegend, »na M. abducens, moi M. obliquus inferior, mri M. rectus inferior, mrin M. rectus internus, mrs M. rectus superior, mb Musculus des Kieferbogens, an Anlage des M. abducens, mob M. obliquus superior, na N. abducens, noc N. oculomotorius, nop N. opticus, nt N. trochlearis, Ns Nervensystem, ob Teil des 2. Somiten zur Ausbildung des M. obliquus superior, ot Ohrblase, ota Anlage des Ohres, r Anlage des M. rectus superior, rm Ramus mandibularis N. trigeminus, ro Ramus ophthalmicus N. trigeminus, rrob Anlage der Muskeln: rectus inf., rectus internus und obliquus inf., sbm subotisches Mesoderm, scl Sclerotom, spl Seitenplatte, spr Spiraculum, ipl Epithelteilnahme am Aufbau des N. trigeminus, tr N. trigeminus, ir! Teil der Neuralleiste, Be die Anlage des N. trigeminus darstellt, q Zellengruppe zwischen dem vorderen Ende der/Chorda und der Zwischen- platte, vord.End. vorderes Ende, vw ventrale Wurzel, wtr Wurzel des N. trigeminus, x Rest der ursprünglichen Verbindung der Trigeminusleiste mit dem Ecto- derm, xp Zwischenplatte der ersten Somiten, 1% erste Kiementasche, Imts erster metaotischer Somit, Im erstes Myotom, Iscl Sclerotom des ersten Somiten, Ism Prämandibularsomit, 2k zweite Kiementasche, 2m zweites Myotom, 2sm Mandibularsomit, 3sm dritter prootischer Somit. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. 395 Erklärung der Abbildungen. Tafel VIII—X. 1a—b. Stadium 1. Sagittalschnitte durch beide Somitenreihen. 2a—b. Stadium 2. Sagittalschnitte durch beide Somitenreihen. 3. 4. 5. 14. 15. 16. 17, 18. 19. Stadium 3. Sagittalschnitt durch die Reihe der Kopfsomiten. Stadium 3. Ein Teil des nächstliegenden Schnittes wiedergegeben, um die Höhlen der vorderen metaotischen Somiten zu zeigen. Stadium 4. Frontalschnitt durch einen der hinteren Kopfsomiten, wo die zur Medianebene gewandte Somitenwandung mit der Einstülpung in die Höhle des Somiten beginnt. Stadium 6. Dieselben Beziehungen wie in Fig. 5, am Querschnitt eines etwas älteren Embryo dargestellt. Stadium 9. Sagittalschnitte durch zwei vordere metaotische Myotome, Stadium 6.. Sagittalschnitt. Die sekundären Höhlen in dem Gewebe des 2. Somiten. Stadium 4. Rekonstruktion des vorderen Endes eines Embryo. Das Epithel ist von der Seite teilweise abgehoben, um die Verhältnisse im Mesoderm klar zu machen. Stadium 5. Rekonstruktion des vorderen Endes eines Embryo. Stadium 6. Rekonstruktion des vorderen Endes eines Embryo. Stadium 6. Sagittalschnitt, wo sich die Beziehung zwischen dem 1. Somiten und dem Kieferbogenmesoderm bemerkbar macht. Stadium 6. Sagittalschnitt eines etwas älteren Embryo. Die Höhle des 1. Somiten und diejenige des Kieferbogens in Zusammenhang dar- gestellt. Stadium 4. Sagittalschnitt des Embryo, dessen Rekonstruktion auf Fig. 9 wiedergegeben ist. Man sieht die Entstehung der Zwischen- platte, den hinteren Teil des 2. Somiten und den 3. Somiten. Stadium 6. Der Sehnitt entspricht der Rekonstruktion auf Fig. 11. Der 2. und 3. Somit sind stark verändert. Stadium 7. Sagittalschnitt. Die erste Anlage des N. oceulomotorius und die Anlage des M. abducens, dessen hinteres Ende am Aufbau des N. abducens teilnimmt. Stadium 7. Rekonstruktion des Gehirns und der drei vorderen So- miten. Stadium 8. Querschnitt. Es sind drei vordere Somiten zu sehen: der erste, ein Teil vom zweiten und das vordere Ende vom dritten. Beide letztere haben mit der Umwandlung in die Muskelanlagen be- . gonnen. Stadium 8. Rekonstruktion. Die erste Entstehung des N. abducens. Die Umwandlungen des 2. Somiten zur Ausbildung des M. obliquus superior. 396 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 31. D. Filatoff, Die Metamerie des Kopfes von Emys lutaria. Stadium 9. Rekonstruktion. N. abducens verlängert sich auf Kosten der Anlage mn, welehe dementsprechend kürzer wird. Der 1. Somit beginnt mit der Ausbildung der Muskelanlage. Stadium 10. Rekonstruktion. Die Verlängerung des N. abducens dauert fort. Das vordere Ende der Anlage mr ist in M. abducens umgewandelt (ma) und nimmt seine Lage in bezug auf das Auge fast endgültig ein. Stadium 4. Sagittalschnitt hat den 2. Somiten getroffen, welcher sich in diesem Stadium am klarsten darstellt. Stadium 8. Sagittalschnitt. Das Gewebe des 2. Somiten ist in zwei Teile geteilt, im oberen zur Ausbildung des M. obliquus sup. und im unteren zur Ausbildung des Kieferbogenmuskels. Stadium 9. Dieselbe Kopfgegend wie in Fig. 23. Die Ausdehnung des 2. Somiten ist noch bedeutender, und seine zwei Hauptteile ob und mb sind bereit, ihre endgültige Lage einzunehmen. Stadium 6. Embryo ist etwas älter, als dessen Rekonstruktion in Fig. 11 wiedergegeben ist. Vollständige Ausbildung des 1. Somiten und Beteiligung des Ecetoderms an der Ausbildung des Trigeminus- ganglions. Stadium 4. Medianschnitt zeigt die Verhältnisse am vorderen Ende des Darmes. Stadium 6. Medianschnitt zeigt die Beziehungen zwischen vorderem Ende der Chorda und Zwischenplatte der ersten Somiten. Stadium 9. Sagittalschnitt. Auf der Wandung des 1. Somiten sind die Anlagen der Augenmuskeln bemerkbar (rrob und r). Stadium 9. Embryo etwas älter als derjenige auf Fig. 28. Die Höhle des 1. Somiten ist völlig verschwunden. Ein Teil seines Gewebes, welcher zur Ausbildung der Muskelanlage nicht gebraucht wurde, hat dem Sclerotom (sel) seinen Ursprung gegeben. Stadium 8. Schnitt durch die Anlage des N. oculomotorius, wo die Nervenfasern in den bindegewebigen Strang hineinzuwachsen beginnen. Stadium 7. Sagittalschnitt durch den kompakt gewordenen 2. Somiten. Stadium 13. Rekonstruktion der Augenmuskeln und der Nerven. Mit + sind die an dem Skelet haftenden Enden der einzelnen Muskeln bezeichnet. Sagittalschnitt eines abnormal entwickelten Embryo, wo das vordere Ende des Nervensystems in eine Anzahl von Kugeln zerfallen ist. Stadium 8. Sagittalschnitt. Die Anlagen des Oculomotorius und Abducens. Stadium 2. Sagittalschnitt. Die Seitenplatte ergibt in der Kopfgegend eine Reihe von Höhlen. Stadium 5. Auf dem Schnitt ist der 2. Somit in dem Stadium wieder- gegeben, wo seine Wandungen in eins zusammenfließen und sekun- däre Höhlungen entstehen. Stadium 8. Sagittalschnitt. Die Reihe von Hinterkopfselerotomen, von denen jedes durch die Nervenanlage in je zwei Teile zerteilt ist. j r 2 - 7 ML “ . 2 5 & + % d = k / j R > i 7 E u N 22 [3 Su Sr - - j) a - Ai ü h N = ß .i f x i ö . - + % 5 f a ” h E ä Me, + ” U ei L T s il } x F} y “ j > DISARANVI | Morphologisches Jahrbuch. rn EI vorA. End. Verlag von Wilhel 4 . Tafel VIII. BVEem a ipzig. ngelmann in Le rege m FT, f Morphologisches Jahrbuch. Bd. XNXXVL. Fig. 16. n.oe 15m. Zsmtmaon. [ sm. Verlag von Wilhe r Tafel IX ig. 37. Ss a EEE ses EEE u E ipzig. ann in Le Morphologisches Jahrbuch. Bd. NXXVII. TEE Een =. ee r DS KR ICHH .; Bel cat, Be CURRT 2 NS S A © = m ©n ea Sen Bere Fig. 35 | BR IPR/, k 5 SERIEN 18 er S EEE) \S 8876 \ En 2 9% ar BAT) AR Kur Verlag a FEN Din DANNY et . h 12 An N VE a a a iii Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. Eine vergleichend-anatomische Untersuchung. Von Georg Ruge, Direktor der anatomischen Anstalt in Zürich. Mit 56 Figuren im Text. Vi. Die Leber des Menschen. Einleitung. Eine hochgradige Anpassungsfähigkeit an die nächste Umgebung kommt der menschlichen Leber in gleicher Weise wie der tierischen zu. Aus der Betätigung dieser Eigenschaft ergibt sich eine Reihe von äußeren Merkmalen am menschlichen Organe. Sie erlauben einen Rückschluß auf die Formen der anschließenden Teile. Die Wechselbeziehungen zwischen Leber und Nachbarorganen sind von so eingreifender Art, daß die äußere Form der Leber ihrer Haupt- sache nach als ein Erzeugnis der Umgebung gelten darf. Diese Auffassung ist um so gerechtfertigter, als das weiche, allen Druck- verhältnissen leicht nachgebende Leberparenchym weniger gestal- tend auf die Nachbarorgane einwirkt, als diese auf sie zurück- wirken. Eingeschlossen zwischen Wandungen und Organen der Bauchhöhle, spiegelt die Leber mit ihren verschiedenen Oberflächen- teilen eine Vielheit von Erseheinungen des abdominalen Rumpfab- schnittes wieder. Wird das menschliche Organ daraufhin für sich betrachtet, so leiten sich daraus wichtige gegenseitige Lageverhält- nisse ab. Verwertet man die Summe der Erscheinungen für den Vergleich mit den Zuständen bei nächstverwandten Formen, so läßt sich ein Bild von den stammesgeschichtlichen Wandlungen an dem betreffenden Rumpfabschnitte entwerfen. Diese Arbeit ist mehr- Morpholog, Jahrbuch. 37. 26 398 Georg Ruge fach in Angriff genommen worden. Sie kann erst allmählich zu einem befriedigenden Abschlusse gelangen, da zurzeit noch mancherlei Schwierigkeiten sich uns entgegenstellen. Sie bestehen in der großen Breite von Schwankungen auf unserm anatomischen Gebiete, wo- durch die normale Mittelwertung nur schwer erkennbar ist. Die Schwankungen sind an Leber und deren Nachbarschaft überaus groß. Genaue Beobachtungen in entsprechender Anzahl stehen uns noch nicht zur Verfügung; sie werden nur allmählich sich vervoll- ständigen lassen, weil ein geeignetes Untersuchungsmaterial hierfür schwer zu erlangen ist. Formveränderungen am Brustkorbe und Zwerchfelle, bei den Primaten allenthalben nachweisbar, prägen sich an der äußeren Gestaltung der Leber ab und beeinflussen die Durchmesser des Or- ganes auf das unmittelbarste. Die Eingeweide der Brusthöhle, so- fern sie das Zwerchfell berühren, stehen durch dieses in einer umgestaltenden Wechselbeziehung mit der Zwerchfellfläche der Leber. Diese ist von der unteren Hohlvene durchzogen. Da die Vene durch die Einmündung in den rechten Vorhof von dessen Lagerung zum Zwerchfelle und der Entfernung von der Wirbelsäule abhängig ist, so wird der Wechsel in diesen Einrichtungen auch rückwirken müssen auf die Verlaufsart der Hohlvene durch die Leber. Die Verlaufsstrecke der Vene von der Leber aus durch das Zwerch- fell zum Herzen ist eine gestreckte. Diese Bahn ist in ihrer geraden Richtung in der Brusthöhle durch nichts mehr beeinflußt. Das Herz ist, stammesgeschichtlich betrachtet, erst allmählich bei den Primaten mit dem Zwerchfelle in engste Berührung gelangt. Diese phylogene- tische Wandlung hinterläßt ihre Spuren in der Lage der Hohlvene zur Leber. Da die Verwachsung des Herzbeutels mit dem Zwerch- felle durch die Veränderungen der Form des -Brustkorbes bei den Primaten verursucht ist, so wirken diese thoracalen Umgestaltungen zurück bis auf das Organ der Bauchhöhle. Unscheinbare anato- mische Einrichtungen an der menschlichen Leber, eingestellt auf einen weiteren Gesichtskreis, eröffnen einen Ausblick auf bedeut- same Bildungsvorgänge am Rumpfe der Primaten. Sind aber die einschlägigen Punkte für die Organisation des Menschen genau fest- gestellt und in ihrer engsten Beziehung zu andern Lebewesen er- kannt, so schließt auch hier unsre Vorstellung damit ab, daß die anatomischen ‘Einrichtungen beim Menschen von denen niederer Lebewesen sich herleiten. Es ist gewiß wünschenswert, daß auf diesem Gebiete die untrüglichen Zeichen sich mehren, damit die Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 399 wissenschaftliche Betrachtungsweise der Anatomie nie an Boden ver- liere, andre anatomische Bestrebungen belebe. Außer den vielen Ergebnissen der unmittelbaren, Formen ge- staltenden Umgebung zeigt die menschliche Leber eine Reihe von äußeren Formgestaltungen, welche allerdings ebenfalls unter dem Einflusse der Nachbarorgane stehen, aber als Hauptzeichen die Eigenschaften ererbter Einrichtungen tragen. Sie sind auf dem Wege der Rückbildung begriffen. Manche unter ihnen werden nur noch zuweilen und dann auch nur in Spuren angetroffen. Andre treten mitunter mit einer solchen Deutlichkeit in die Erseheinung, daß sie grell die Bahn zu ihrem Ursprungsorte hin beleuchten. Es handelt sich einerseits um den Besatz der menschlichen Leber mit Anhangs- gebilden, welche als Lappen oder Läppchen bezeichnet werden oder als Fortsätze von solchen benannt sind und insgesamt auf den Aussterbe- etat gesetzt zu sein scheinen. Ihr Auftreten allein ist der sicherste Beweis für die Unrichtigkeit der veralteten Anschauung, nach welcher die Leberform nur aus den Druckerscheinungen der Nachbarschaft auf das Organ abgeleitet worden ist. So einfach, rein mechanisch läßt sich die Organologie der Leber nicht verstehen. Die Erklärungs- weise ist einseitig und daher unzutreffend. Anderseits treten Ein- schnitte, manchmal tief in die Organmasse vordringend, wieder auf, nachdem sie als regelrechte Begleiterinnen der Säugetierleber die äußere Form der menschlichen Leber verlassen haben. Nichts kann ihre jeweilige Anwesenheit erklären als die nach dem Vergleiche mit den ständigen, wesensgleichen Zuständen bei niederen Organismen unabweisbar sich einstellende Annahme, daß der Mensch die Reste ererbter Gaben mit sich trägt. Die Schlußfolgerung ist von so zwingender Art, daß sie jeden Ausweg zu einer andern Meinung ausschließt. Die Zuflucht zur Ansicht, es könne sich um zufällige Erscheinungen handeln, bleibt unter der erdrückenden Last vieler Tat- sachen erfolglos. Ist die Leber des Menschen mit zahlreichen Zeugnissen aus einer längst verlassenen Vergangenheit ausgestattet, so deuten die- selben auf eine Organisation hin, wie wir sie. heute bei Vertretern der Primaten noch in voller Blüte vorfinden. Diese Organisation, hier und dort angetroffen, ist einander nicht nur eine ähnliche, viel- mehr eine wesensgleiche. Darauf begründet sich aufs neue die Überzeugung, daß eine gemeinsame Wurzel für niedere Primaten und für den Menschen bestehe. Die Verwandtschaftlichkeit beider kann aus den vorliegenden Tatsachen erschlossen werden. Rechnet 26* AOO Georg Ruge man mit ihnen, so stellen der Zwang einer ganz bestimmten Be- trachtungsweise und die Schlußfolgerungen sich ein, wonach der Mensch vermöge der vielen, nur eindeutigen Organisationseinrich- tungen mit niederen Primaten von gleicher Abstammung ist. Auch der Verwandtschaftsgrad läßt sich auf Grund einer streng gehand- habten Vergleichung in großen Umrissen wohl genauer bezeichnen. Größte Vorsicht aber wird geboten, sobald man der berechtigten Frage näher tritt, welche unter den spärlich uns erhaltenen Ver- tretern der höheren Primaten das Anrecht haben, als nächste ver- wandte Formen des Menschen zu gelten. Wir suchen sie wegen naheliegender Gründe unter den Anthropoiden. Diese gleichen fast in jeder wichtigen anatomischen Einrichtung dem Menschen am meisten. Das trifft auch für den Bau der Leber zu. Insofern wird die Annahme zulässig, daß für Anthropoide und für den Menschen eine engere verwandtschaftliche Beziehung besteht. Es läßt sich aber aus dem umfangreichen Tatsachenmateriale trotzdem nicht ohne weiteres ermitteln, ob diese höchsten Lebewesen vom Stamme sich je einzeln und selbständig abgegliedert, oder ob sie alle aus einem Seitenzweige des Stammes gemeinsam sich hervorgebildet haben. Der Entscheid ist deshalb nieht zu geben, weil die Möglichkeiten bestehen, alle Übereinstimmungen sowie alle deutlichen Besonder- heiten im Baue der Leber bei ihnen sowohl aus einem niederen cercopitheciden Zustande als auch voneinander abzuleiten. Die Einzelbefunde können beim Vergleiche untereinander daher als konvergente oder als abgeleitete Bildungen gedeutet werden. Nichts- destoweniger läßt sich feststellen, daß die Übereinstimmung im Baue der menschlichen Leber mit dem der verschiedenen Anthro- poiden eine entferntere und eine nähere ist. Diese Tatsache, mit den Ergebnissen an andern Organen zusammengehalten, kann an Wert gewinnen und es vielleicht einmal ermöglichen, die Frage nach der näheren oder weiteren Verwandtschaft der Formen unter- einander prägnanter zu beantworten. Es liegt ja nahe, daß die von der Abstammung auch des höchsten Lebewesens von niederen Gliedern der Schöpfung über- zeugten Forscher diejenige Primatenform als nächsten Verwandten des Menschen anzusprechen geneigt sein werden, welche die größte Übereinstimmung mit demselben erkennen läßt. Viel Stichhaltiges ist dagegen nicht einzuwenden. Die Forschung soll es sich aber dennoch angelegen sein lassen, die Frage nie zu umgehen, ob nicht etwa Konvergenzen in einer erkannten Übereinstimmung vorliegen. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 401 In aller Rücksichtnahme auf die Entscheidung dieser Frage sind die vorliegenden Untersuchungen unternommen worden. Alle Befunde an der menschlichen Leber mußten daher immer wieder daraufhin geprüft werden, ob sie in dem einen oder andern Punkte nicht etwas Eigenartiges darstellen, was durch andre Besonderheiten in der menschlichen Organisation bedingt sei. Wenn etwas Derartiges auf- gefunden wird, und dies bei einem Anthropoiden wiederum auftritt, dann kann die Ansicht von einer engeren Verwandtschaft an Boden gewinnen. Derartige Einrichtungen sind aber nicht bekannt ge- worden, so daß die Größe der Kluft, welche zwischen dem Genus Homo und den einzelnen Anthropoiden besteht, nach dem Baue der Leber mit Sicherheit nicht näher abzuschätzen ist. Aus diesen Vorbemerkungen ist zu ersehen, wie mannigfaltige Fragen bei eingehender Untersuchung über die menschliche Leber auftauchen, und wie eine jede von ihnen auf das sorgfältigste be- handelt werden müsse, um ein Ausgangspunkt für weitere Fragen und Untersuchungen zu werden. Ich kann für viele hier aufge- worfene Fragen keine endgültige Antwort geben, da verschiedentlich die Kenntnis von Mittelwerten, aus einer größeren Anzahl von Einzelbefunden entnommen, erforderlich ist, mir zahlreiche Einzel- beobachtungen aber fehlen. Andre Abschnitte dieses Aufsatzes haben indessen zu einem befriedigenden Abschlusse gebracht werden können. Sie behandeln die rein morphologischen Einrichtungen, für welche ausgedehnte Vorarbeiten vorliegen. Wo Maßverhältnisse an der Leber eine Rolle spielen, da macht sich sofort der Mangel an reichlichem, gut erhaltenen Materiale fühlbar; er hemmt uns in dem Erlangen einwandloser Ergebnisse. Mit den Erörterungen über Befunde an der menschliehen Leber schließt eine größere Untersuchungsreihe ab. In geschlossener Auf- einanderfolge ist das Organ der einzelnen Primatengruppen aus- führlich behandelt, das Zusammengehörige ist je für sieh beurteilt worden. Die Verknüpfungen zwischen den Ergebnissen aus den Einzeluntersuchungen wurden immer wieder hergestellt. Auf Grund dieser Bemühungen wurde eine feste Sicherung für die Beurteilung der beim Menschen auftretenden Bildungen gewonnen. Diese lassen sich ungezwungen unterscheiden als solche, welehe als Wieder- holungen und als solche, welche als Weiterbildungen der Grund- formen bei den Primaten gekennzeichnet sind. Die in fortschreiten- der Richtung nachweisbaren Veränderungen erreichen an der Leber des Menschen eine hohe Stufe. Werden sie mit denen bei Anthro- 402 Georg huge poiden verglichen, so gewinnt man den Eindruck, daß die vorwärts- drängenden Umwandlungen bei einigen Vertretern der letzteren nicht zurückstehen gegenüber den Errungenschaften durch den Menschen, daß sie in mancher Beziehung sogar einen höheren Grad der Fortbildung erreicht haben. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß die auf die Baucheingeweide umbildend wirkenden Kräfte mächtiger geworden sind. Die Form des Brustkorbes, die Verkürzung des Rumpfes an metameren Abschnitten, die aus ihnen sich. ableitenden Lagerungen der Brustorgane und die Form des Zwerchfelles sind derartige treibende Kräfte, welche beim Orang wohl das höchste Maß erreicht haben dürften. Wenn nun die Leber in ihrer äußeren Form auch als das Er- zeugnis ihrer Umgebung angesehen werden darf, so ist es doch unstatthaft, ihr jedwede eigne Gestaltung abzusprechen, wie. dies zuzeiten geschehen ist. Diese Eigentümliehkeit besteht in vollem Maße. Sie ist allerdings durch die Gesamtorganisation am Rumpfe bei den verschiedenen Trägern beeinflußt und großgezogen, so daß von der Leber aus alle möglichen Rückschlüsse auf andre Organe gestattet sind. Viele wichtige Formenunterschiede prägen sich in der Lappung der Leber bei den verschiedenen Primaten aus. Die Lappung kann aber nicht ohne weiteres von dem Drucke der Nachbar- organe auf die Leber hergeleitet werden. Die Leber einer jeden Primatengruppe besitzt ihre stammesgeschichtliche Eigenheit, welche allerdings wiederum in engster Wechselbeziehung zur näheren und weiteren Umgebung sich befindet. Die Lebern der einzelnen An- thropoiden lassen sieh trotz ihrer großen Variabilität meistens von- einander unterscheiden; sie weichen vom menschliehen Organe in ihrer Form meistens so sehr ab, daß die Bestimmung der Zuge- hörigkeit zu ihren Trägern nicht schwer fällt. Es gibt wohl Fälle, in denen es nicht gelingt, zu sagen, welchem Organismus ein be- stimmt vorliegendes Objekt entnommen ist. Das kann aber auch bei andern Organen der Fall sein. Eingehenderes Studium mit den Besonderheiten der einzelnen Arten schließt solche Fälle überall mehr und mehr aus. Die alte Auffassung von der allzu großen Anpassung der Leber an die Nachbarschaft, die Vorstellung vom völligen Mangel aller Eigenartigkeit der Formen sind für die menschliche Leber durch W. Hıs (1878) in rechte Bahnen geleitet worden. BRAUNE ging so weit, für die Konsistenz der Leber die Weichheit des Fett- oder Zellgewebes anzunehmen, woraus sich die Unselbständigkeit der Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 403 Gestaltungen des Organs dann verstehen ließe. W. Hıs nimmt für die Leber eine eigne Bildsamkeit der Formen an, spricht ihr eine Biegsamkeit zu, bestreitet aber eine Plastizität der Leber, da die Teile derselben nicht gegeneinander verschiebbar seien. Auch der Accommodation ist nach Hıs für die Leber eine Grenze gesteckt. Das Zusammentreffen von Eigenform und Anpassungsfähigkeit an die Nachbarschaft zeigt die Lunge in gleicher Weise wie die Leber. Die vielen, dem Wechsel des Volumens und der Lage unter- worfenen Bauchorgane (Magen, Diekdarm) nehmen die Anpassungs- fähigkeit der Leber in einem überaus hohen Grade in Anspruch. Lunge, Leber sowie alle andern biegsamen Weichorgane besitzen ihre durch die Nachbarschaft phylogenetisch allmählich ausgebildeten Eigenformen, welche bei vergleichender Untersuchung die ersten Rollen spielen. Das Untersuchungsmaterial setzt sich aus den Organen aller- verschiedensten Alters zusammen. Lebern von Neugeborenen sind reichlich vertreten. An ihnen erscheinen die zahlreichen Formab- weichungen oft reiner als bei älteren Individuen. Krankhafte Vor- gänge pflegen bei ihnen ausgeschlossen zu sein. Abweichungen werden aber auch noch bei Greisen in sehr ausgeprägter Weise angetroffen, und bei Erwachsenen gehören sie keineswegs zu den Seltenheiten. Varietäten mit den ausgesprochensten primitiven Eigenschaften sind von hochbejahrten Individuen bekannt. Nach meinen Erfahrungen glaube ich annehmen zu dürfen, daß die Varietäten mit dem höheren Alter keineswegs erheblich, vielleicht gar nicht an Zahl abnehmen. Statistische Aufnahmen hierüber stehen mir jedoch nicht zu Gebote. Die Fragestellung für sie mußte erst geschaffen werden, und so bleiben die statistischen Aufnahmen ein Desiderat künftiger For- schung. Da aber besonders stark ausgesprochene Abweichungen mit Merkmalen der Wiederholungen des ursprünglichen Primatenbaues gerade an den Lebern von hochbetagten Individuen angetroffen wor- den sind, so ist daraus nur zu entnehmen, daß das einmal Angelegte sich auch lange erhält. In der Anlage bereits treten aller Wahrschein- lichkeit nach die größten Schwankungen auf. Die früher allgemein . vertretene Ansicht, daß das Ursprüngliche embryonal vorhanden sei und sich regelrecht allmählich rückbilde, um nur hier und da sich zu erhalten, wird vor der Meinung weichen müssen, daß bereits in der ersten Anlage der Organe eine größere Variationsbreite herrscht, woraus die Variationen beim Erwachsenen sich herleiten. Man muß sich aber auch hier wie überall vor Übertreibungen hüten, da an 404 Georg Ruge den einzelnen Organen auch eine regelmäßige Rückbildung von ur- sprünglichen Anlagen in verschiedenem Maße in den frühesten Zeiten möglieh ist. Von der Leber wissen wir darüber nicht viel. Es steht für die Forschung ein weites Feld offen. An ganz jungen Embryonen habe ich ursprüngliche Zustände oftmals vermißt, welche ich glaubte antreffen zu müssen. P. RATHKE ist der Meinung, daß anomale Furchen der Leber bei jugendlichen Personen öfter als an Erwachsenen vorkommen (S. 14). Ich halte das für möglich, aber zunächst für unbewiesen. Um beim Menschen regelmäßige Anlagen primitiver Einriehtungen anzutreffen, ist es nach meinen Erfahrungen nötig, auf sehr frühe embryonale Stadien zurückzugreifen, was bisher nicht geschehen ist. Was als primitive Bildung beobachtet wird, kann eine Bildung sein, welche, als Varietät angelegt, vielleicht auch später nicht mehr aus dem Körper ausgemerzt worden wäre. Die Kontrolle hierüber ist nicht auszuführen, und nur die Statistik über die Varietäten verschiedensten Alters kann Licht über diese Frage verbreiten. Die zahlreichen Abweichungen in der äußeren Form der mensch- lichen Leber lassen sich wie bei andern Organen in verschiedene Gruppen bringen. Abweichungen, welche engste Beziehungen zu den Einrichtungen bei niederen Affen erkennen lassen, sind Wiederholungen eines beim Menschen überwundenen Bauplanes und als retrospektive Zustände zu bezeichnen. Der normale Befund zeigt im Vergleiche mit ihnen einen Grad der Verkümmerung an. Andre Abweichungen, welche das normale Maß der Rückbildung von vorelterlichen Einrichtungen übertreffen, nehmen einen fort- schreitenden oder prospektiven Charakter an. Es handelt sich bei diesen retro- und prospektiven Varietäten- gruppen um Rückbildungsvorgänge von Organteilen, welche einer- seits die normale Grenze nicht erreicht, anderseits dieselbe über- schritten haben. Das Auftreten und der Ausfall von Erscheinungen des ursprünglichen Primatenbaues kennzeichnen diese Abweichungen. Eine andere Gruppe von Varietäten knüpft an die Weiterbildung von Merkmalen an, welche der Leber niederer Primaten fehlen, bei Anthropoiden auftauchen oder eingebürgert sind und beim Menschen die Regel bilden. Sind solche Merkmale in exzessiver Weise über das Normalmaß ausgeprägt, so werden die Befunde zu Varietäten fortschreitender Art. Sie sind prospektive Abweichungen in zwie- fachem Sinne, erstens, insofern sie ihren Ausgang von Zuständen Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 405 nehmen, welche in der stammesgeschichtliehen Reihe Fortbildungen bedeuten, zweitens, insofern sie als Einzelerscheinungen diesen fort- schreitenden Umwandlungsprozeß weiterführen. Da die an die Rückbildung von Organzuständen anschließenden Varietäten, sobald sie über die normale Grenze weitere Verküm- merungen erkennen lassen, ebenfalls progressiver Art sind, so kann für sie die Bezeichnung der progressiv pithecoiden im Gegensatze zu jenen als progressiv anthropomorphen Varietäten eingeführt werden. Die retrospektiv pithecoiden Varietäten sind Rückschläge. Sie tragen Merkmale des Baues der Leber niederer Primaten zur Schau und knüpfen durch sie oftmals direkt an den Leberbau niederer Säugetiere an. Die progressiv pithecoiden Varietäten tragen durch allmähliches Ausmerzen von ursprünglichen Merkmalen dazu bei, den Gegensatz zwischen der Leber des Menschen und der der Affen zu verschärfen. Die progressiv anthropomorphen Varietäten liegen auf der Bahn, welche durch die vielen fortschreitenden, in Neubildungen auftretenden Umwandlungen eingefriedet ist. Sie deuten an, daß die Umformungen an der menschlichen Leber ihr Ende noch nicht erreicht haben. Manche von diesen zurzeit noch labilen Eigen- schaften können vielleicht einmal einen stationären Charakter er- halten, auf die Stufe des. Normalen gelangen wie andre normale Einrichtungen, welche einmal gleichen Schwankungen ausgesetzt ge- wesen sein müssen. Ein Stillstand in der Bildungsgeschichte des Meuschengeschlechts ist jedenfalls aus den Tatsachen nicht abzulesen. Eine letzte Gruppe von Varietäten an der menschlichen Leber läßt vorderhand keine festen Beziehungen zu dem vergleichend- anatomischen Tatbestande, soweit wir ihn vor uns haben, erkennen. Wir verlieren damit den sichern Maßstab für ihre Beurteilung. Sie liegen nicht in einer erkannten, stetigen Entwicklungsbahn, sondern abseits von dem Wege, welcher zum Verständnisse hinleitet. Die Variationen zeigen aufs deutlichste den hohen Wert der vergleichen- den Methode. Läßt sie uns im Stiche, so müssen wir uns zunächst mit der einfachen, unverstandenen Registrierung von Tatsachen be- gnügen. Die hierher gehörenden Varietäten sind zahlreich und un- beständig; sie können vielleicht als Ausdruck einer größeren Variabili- tätsfähigkeit der menschlichen Leber gelten. Wir können für sie die Bezeichnung der fluktuierenden Varietäten wählen. Sie, treten in einer Anzahl von Einsehnitten und von Läppchen auf; sie sind 406 Georg Ruge auch in Reihen zu bringen. Für ihre Entstehungsart und ihre Be- deutung lassen sich aber vorläufig nur Meinungen aufstellen. Ist auf der einen Seite zuzugeben, daß manche in Varietäten zutage tretenden Formzustände einer Beurteilung sich entziehen, so darf anderseits der größte Wert darauf gelegt werden, daß wir durch die Vergleiehung eine große Anzahl von Formzuständen als Atavismen und als progressive Bildungen verstehen können. Diese Errungen- schaft ist deshalb so wertvoll, als Ansichten von einer Dauerhaftig- keit der menschlichen Organisation als ganz unhaltbar sich erweisen. Das Wesen eines Dauertypus setzt eine Unveränderlichkeit in allen Einriehtungen notwendig voraus. Die äußeren Formen der Leber befinden sich noch in einem Wechsel von retro- und prospektiver Art. Da an sehr vielen andern Organen des Menschen der leh- hafteste Wechsel der Formen ausgesprochen ist, so könnte man den Menschen ebensogut einen Wechsel- wie einen Dauertypus heißen. Dauerhaft in seinem Bau ist ein jedes Genus, unveränderlich jedoch wohl kaum eines. Der moderne Anatom sieht sich gezwungen, die Möglichkeit einer Weiterentwicklung für sehr viele Organe, gerade des Menschen, anzuerkennen. Diese Weiterentwicklung kann fort- und rückschreitender Art sein. Sollten z.B. für das menschliche Gehirn schon jetzt die Grenzen einer weiteren Vervollkommnung gesetzt sein? Die zahlreichen Umgestaltungen in der menschlichen Organisation lassen sich, welcher Art sie auch sein mögen, an die bei niederen Primaten gefundenen Einrichtungen anschließen. Die sich ergebende Entwieklungsreihe hat ibren Abschluß noch nicht gefunden. Die Umwandlungen am Brustkorbe und dessen Inhalte, am Plexus lumbo-sacralis, an den Gefäßen der unteren Gliedmaßen, am Fuße, an der Muskulatur des Gesichtes, an den Hirnwindungen rechtfertigen die Annahme der völligen Dauerhaftigkeit des Menschen- geschlechtes nicht. Anatomische Tatsachen lehren die Veränderlich- keit der menschlichen Organisation; sie erlauben es, zuweilen bereits die bestimmte Richtung der Weiterentwieklung an einigen Organen anzugeben. Die Annahme eines Dauertypus hemmt unsre berechtigten Vorstellungen von der Entwicklungsfähigkeit der höheren Lebewesen. Die Entwicklung spielt sich nicht nur in der Embryologie ab; sie wird auch am ausgewachsenen Individuum erkannt. Einige Organe können bei den verschiedenen Genera verhältnismäßig dauerhaft erscheinen, während andere sich als wandlungsfähiger erweisen. Die menschliche Leber gehört nieht zu den Organen, welche von der Unveränderlichkeit ihres Trägers Kunde geben; denn sie ist Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 407 einer großen Variabilität ausgesetzt. Jede Inkonstanz beruht auf Veränderungsfähigkeit. Diese ist an der Leber die Folge von sehr bedeutsamen Umwälzungen im Primatenstamme. Der Mensch, als Glied dieses Stammes, besitzt alle zur Veränderung treibenden Kräfte. Wägt man die bei ihm gefundenen Einzelbefunde ab, so ist der Ausschlag jeweilig ein verschiedener. Die Zunge der Wage deutet einmal nach unten, das andre Mal nach oben. Nur die Summe aller Befunde gibt einen bestimmten Ausschlag, welcher den lang- samen Werdegang an dem Organe zu beleuchten vermag. Die zahlreichen Einzelerscheinungen sind die Quelle, aus der wir eine lebendige Gesamtvorstellung von dem Gestaltungsprozesse an menschlichen Organsystemen schöpfen. Unter ihnen bleibt keine bedeutungslos, sobald wir sie in den weiten Rahmen einspannen, weleher die Geschichte des Primatenstammes umfaßt. In diesem Sinne sind die seit sehr vielen Jahren gesammelten Beobachtungen verwertet worden. Eine Reihe von Fragen tauchte erst verhältnismäßig spät auf, nachdem wegen des Wechsels des Wohnsitzes viele Objekte auf die einschlägigen Punkte nieht mehr nachgeprüft werden konnten. Es ‚war schwierig, neues Material in größerer Fülle zu beschaffen, so daß manche Lücken nieht mehr auszufüllen waren. Ich muß mich daher damit begnügen, einige Fragen hier nur angeregt zu haben. l. Flächen und Kanten der Leber, Durchmesser derselben. Die gewölbte obere Fläche der Leber ist ein Abdruck der Höhlung des Zwerchfelles und der ventral sich anschließenden Wandungen der Bauchhöhle. Sie wird stets gewisse Rückschlüsse auf die Form des Zwerchfelles gestatten und demgemäß eine weitere Bedeutung erhalten. f Bei senkreehter Einstellung der Hohlvenenachse läßt die rechte Seitenansicht einige Merkmale der gewölbten Leberfläche zutage treten, welche trotz größerer individueller Schwankungen als schätz- bare Werte für eine vergleichende Betrachtung gelten dürfen. Die Zwerchfellfläche bietet einen oberen dorsalen und einen oberen ventralen Abschnitt dar. Sie treten bei seitlicher Ansicht an ihren höchsten Punkten in scharfen Linien zutage und können dadurch in ihrer Winkelstellung zueinander sowie in ihrer Stellung zur senkrechten Cava-Achse meistens gut bestimmt werden. Zwischen beide Abschnitte der Zwerechfellfläche schiebt sich bei den Primaten 408 Georg Ruge verschiedenartig der Scheitel der Leber ein. Er trennt entweder die Flächen scharf voneinander oder ist selbst flächenartig in sagit- taler Riehtung verbreitert und bildet in diesem Falle als eine mittlere Zone die Scheitelfläche der Leber. Wo eine solche besteht, kann sie zuweilen in ihrer Winkelstellung zum dorsalen sowie zum ven- tralen Abschnitte der Zwerchfellfläche bestimmt werden. Die Hohlvenenachse schneidet bei seitlicher Ansicht die Leber in ganzer senkrechter Ausdehnung. Diese Erscheinung wird durch zwei Umstände bedingt: erstens dadurch, daß die Hohlvene in die Lebermasse eingebettet ist, was bei niederen Primaten die Regel bildet, zweitens dadurch, daß der rechte Abschnitt der Drüse sich dorsalwärts über die Hohlvene hinaus ausgedehnt hat. Die dorsal- wärts gerichteten Seitenabschnitte lagern sich in die zur Seite der Wirbelsäule befindlichen Höhlungen des Zwerchfelles ein und geben dadurch einigermaßen die Größe der Ausbuchtungen wieder, welche Rippen und Wirbelsäule bilden. Da die Hohlvene vor letzterer emporsteigt, so ist man imstande, dureh die Bestimmung des Winkels zwischen Vene und der hinter ihr befindlichen dorsalen Leberfläche einen einigermaßen festen Wert zu gewinnen, wodurch die Größe der dorsalen Entfaltung am Seitenteile der Leber angezeigt wird. Der betreffende Winkel ist abwärts offen, vorn von der Cava-Achse begrenzt. Er ist ein Cava-Dorsalflächenwinkel. Er soll der Einfach- heit halber als hinterer Cava-Winkel im Gegensatze zum vorderen Cava-Winkel aufgeführt werden, welcher von der Hohlvenenachse und der oberen Fläche vor der Vene begrenzt ist. Da die Dorsalfläche rechts in caudaler Richtung sich oftmals noch stärker vorwölbt, so läßt sich weiterhin ein Wert durch den Winkel zwischen Cava-Achse und der Linie bestimmen, welche die Austrittsstelle der Vene aus der Leber mit der weitestvorspringenden, unteren Dorsalecke des rechten Lappens verbindet. Dieser Winkel fällt zuweilen mit dem hinteren Cava-Winkel zusammen. Er sei der Kürze halber rechter Dorsaleckenwinkel geheißen. Zum Teil als Nachtrag zu früheren Mitteilungen, zum Teil der größeren Übersichtlichkeit wegen sind die wichtigsten Befunde in einer Tabelle zusammengestellt worden. In ihr finden Berück- sichtigung: 1) der vordere Cava-Winkel, 2) der hintere Cava- Winkel, 3) der Dorsaleckenwinkel, 4) der Ventralflächen- winkel. Dieser ist von der Cava-Achse und von der Ventralfläche der Leber eingeschlossen. 5) Ein Scheitelflächenwinkel, weleher kurz als Scheitelwinkel aufgeführt wird, ist bei rechter Seitenansicht 409 Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. durch die Konturen der zum Scheitel der Leber emporstrebenden Flächen begrenzt. Der Ventralflächenwinkel ist durch die Abkniekung der be- treffenden Fläche der Leber in einen oberen und einen unteren Abschnitt in der Regel in einen oberen und in einen unteren Winkel getrennt, deren eine Seite je die Cava-Achse bildet. Alle Maße wurden nach der Einstellung der am meisten dorsal- wärts vorspringenden Punkte der beiden Seitenlappen in eine fron- tale Ebene aufgenommen. Da der linke Lappen einer starken und verschieden ausgesprochenen Rückbildung unterliegt, so stellen sich gewisse, aber unbeträchtliche Differenzen bei jener Einstellung ein; denn die linke Dorsaleecke der Leber liegt meistens weiter ventral- wärts als die rechtsseitige. Die Ungenauigkeit wird einigermaßen dadurch wieder ausgeglichen, daß die Maße an allen Organen in gleicher Weise aufgenommen worden sind. Cava-Winkel Dorsal- Scheitel: Ventralflächenwinkel ecken- 2 | | vorderer hinterer winkel BE | oberer unterer Nyetieebus Re til). SHE | % _— 110° — Cebus capueinus 135—130° 45° | 11—17° || 87—90° | 34—42° | 30-—50° Ateles 145° 7. al 70° | 48° 40° Cercopithecus | | | Cephus 140° | 30--32° | 8—13° | 85—90° || 50—53° | 30—40° Talapoin 130° 45° RR ARTE Petaurista 130° 45° 18° ‚|. 80° ‚|| 35° 40° Macacus | | Nemestrinus 150—140° 30° 10° a ie 25° Sinicus 140° | 30° 16° | 70° 50° 299 Oynomolgus 135—130°| 40%. »15% || 80° 40° 24° Papio babwin 150—145°| 30—40°| — || 78--85° || 40--55° | 36-37° Hylobates syndaetylus 128° MP, ji 7 2,0 ae 43° 80° Hylobates Mülleri 150° ae I 2, 1... 70 32° Simia satyrus 135—130°| 30-31° || 16--18° ||80--110°|] 37—61° | 54—61° Troglodytes niger 120—115° 35—40° | 15—19° | 80—100° | 39—41° | 45—51° Mensch | Neugeboren (Fig. 20) 115° 55° 21° 120° 40° 64° Embryonen (Fig. 21—23)|120—100° 35—50° || 12—?° _ 30—6° | 40—50° 6 Wochen alt (Fig. 255)| 137° 44° — _ etwa 16° 40° 4 Monate alt (Fig. 24) 145° 34° _ _ 26° 76° Neugeboren (Fig. 25 a) 140° |etwa 32° — _ etwa 25° etwa 55° Erwachsene 115—-140° 30—35° | — — — —_ Die einzelnen in der Tabelle vermerkten Größen schlagen keine ganz gleichmäßige Entwicklung ein, so daß eine Rangordnung nur 410 Georg Ruge nach einem Merkmale hat aufgestellt werden können. Hierfür ist der vordere Cava-Winkel gewählt. Die individuellen Schwankungen bei den einzelnen Gattungen finden in der Tabelle ihren Ausdruck. Sie lehrt für alle Merkmale eine sprungweise Entwicklung an der Leber, welche bei den einzelnen Formen der Primaten verschieden beginnt und eine ungleich große Strecke zurücklegt. Die Achse der unteren Hohlvene gilt uns als einer der wenigen, einigermaßen sicheren Anhaltspunkte, von denen aus für alle Primaten bestimmte Werte aufgenommen werden können, Wir lassen die Cava-Achse als die Senkrechte der Leber gelten und rechnen in diesem Sinne mit ihr. Dabei mögen sich kleinere Fehler einstellen, da die Hohlvene nicht überall rein senkrecht eingestellt sein mag. Hier wäre eine Voruntersuchung eigentlich erforderlich gewesen. Statt ihrer ist auch eine Nachprüfung als Korrigenz er- wünscht. Beim Menschen steigt die untere Hohlvene senkrecht und mit leichter Neigung nach vorn aus der Bauch- zur Brusthöhle empor. Gleichzeitig weicht sie, in Übereinstimmung mit dem Ver- laufe zum rechten Vorhofe, aus der Senkrechten nach oben und rechts ab. Die Fig. 5 auf Taf. III im Hısschen Aufsatze (1878) erlaubt die Bestimmung des Winkels zwischen Cava-Achse und der Senkrechten des Körpers auf ungefähr 15°. Da wir die Schwan- kungen dieses Winkels weder beim Menschen noch bei andern Primaten kennen, so dürfen wir zunächst Umgang von den Fehler- quellen nehmen, die bei der Annahme der Cava-Achse als einer Senkrechten sich einstellen. Die Fehler werden allenthalben nahezu gleiche sein, so daß sie das Verhältnis der gewonnenen Werte zu- einander um so weniger berühren werden. 1. Vorderer Cava-Winkel. Er ist von dem Grade der Zwerchfellwölbung in sagittaler Richtung direkt abhängig; er ist groß, sobald eine starke Wölbung vorliegt, und verkleinert sich gleichzeitig mit der Abflachung des Muskels. Letztere stellt sich bei den Catarrhinen allmählich ein; sie ist verhältnismäßig wenig bei den Cercopitheciden, lebhafter bei den Anthropoiden und am meisten beim Menschen ausgesprochen. Der Winkel ist bei Anthropoiden und beim Menschen am kleinsten. Es läßt sich, durch Tatsachen wohl gestützt, der Satz aufstellen, daß der vordere Cava-Winkel in der Primatenreihe bis zum Men- schen hin allmählich sich verkleinert, daß also ein größerer Winkel je dem ursprünglicheren Zustande näher liegt, Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 411 Nyeticebus zeigt keinen direkten Anschluß weder an die West- noch an die Ostaffen. Der Winkel beträgt nur 75° und steigt da- durch hoch über die menschlichen Befunde hinaus. Es ist zunächst unzulässig, Nyeticebus als direkten Ausgangspunkt für die Entwick- lung der betreffenden Formverhältnisse bei den Simiern anzunehmen. Die Form der Leber und des Zwerchfells ist bei Nyeticebus eigen- artig und muß zunächst mit derjenigen bei andern Prosimiern in Einklang gesetzt werden, von denen Genaueres bisher nicht bekannt Fig. 1. Fig. 2. EN Fig. 1. Leber von Nycticebus tardigradus. Yı. Rechte Seitenansicht. Die Hohlvenenachse ist durch eine fette schwarze Linie angegeben. Die verschiedenen Winkel sind in die Figur eingetragen. Zürcher Museum. Nr. 2452. Fig. 2. Leber von Ateles ater, bei rechter Seitenansicht, mit Cava-Achse und Angabe der Winkel. 1». Zürcher Museum. Nr. 2460. geworden ist. Wie die Fig. 1 zeigt, stehen dorsale, obere und ven- trale Leberflächen nahezu senkrecht zueinander; ein gleiches ist für die benachbarten Zwerchfellflächen anzunehmen. Unter den Westaffen schwankt die Winkelgröße zwischen 145 und 130°. Mit diesen Werten beginnt eine Reihe, an welche sich die bei den Cerceopitheciden gefundenen Werte unmittelbar an- schließen. Bei Ateles ater (Fig. 2) ist die Dorsalfläche am steilsten; sie erhebt sich zum Scheitel der Leber, welcher einer in sagittaler Richtung gleichmäßig abgerundeten Kuppe gleiehkommt. Die Schwan- kungen liegen bei Cebus cap. zwischen 135 und 130° (Fig. 3 und 4). Der Scheitel der Leber ist wie bei Afeles gerundet; er erhebt sich in beiden Fällen ungefähr gleich hoch. ’ Der Winkel schwankt bei den Cercopitheciden re 150 412 Georg Ruge und 130°, Die Größe 150° ist bei Nemestrinus und bei Babwn je einmal gefunden worden. Diese beiden Werte stehen jenseits der Fig. 3. Fig. 4. Leber von Cebus capueinus, bei rechter Seitenansicht, mit Cava-Achse und Angabe der Winkel- größen. 2/3. Zürcher Museum. Nr. 2516 und 2518. Fig. 5. Fig. 6. 53° En Leber von Cercopithecus cephus, bei rechter Seitenansicht. Fig. 5: 1;. Fig. 6: Yo. Zürch. Museum. 1905. 71. EbU. 18 und 63. Eb II 12. bei den Westaffen aufgenommenen. Die übrigen Größen fügen sich den letzteren an und halten sich sogar in ganz gleicher Höhe. Die Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 413 Winkel schwanken zwischen 145 (Babwin) und 130° (Oynomolgus) ; sie verteilen sich auf die einzelnen Formen sehr verschiedenartig. Fig. 7. Fig. 8. Leber von Cercopithecus talapoin. }s. Cercopithecus petaurista. Yı. Fig. 9. Fig. 10. SOr, a v Leber von Macacus nemestrinus. z. Rechte Seitenansicht mit Cava-Achse und Angabe der Winkelgrößen. Leber von’ Macacus sinicus. ?/s: Oephus (Fig. 5, 6). An beiden Organen ist trotz der voneinander abweichenden Formen die Winkelgröße eine gleiche und beträgt 140°. Der Scheitel nimmt in beiden Fällen eine ungefähr gleiche Lage ein und ist in sagittaler Richtung gleichmäßig abgerundet. Morpholog. Jahrbuch. 37. 27 414 Georg Ruge Talapoin und Petaurista (Fig. 7, 8). Der vordere Cava-Winkel beträgt bei beiden 130°. Die Dorsalfläche ist um 10° weniger ab- schüssig als wie bei Cephus. Der Scheitel der Leber ist bei Petau- Fig. 41. y0°., Leber von Macacus cynomolgus. Fig. 12. Fig. 13. rista eine mehr gleichmäßig abgerundete Kuppe, ähnlich wie bei Aieles, Cebus und Cephus, er schiebt sich bei Talapoın etwas mehr nach vorn, wodurch ein stei- lerer Abfall der Ventralfläche zum Vor- schein kommt. Im ganzen befindet sich die Scheitelhöhe aber an entsprechenden Stellen vor der Hohlvene. Das Verhältnis der Höhe zur Sagittalen ist an beiden Organen (1,3:1 Talapoin, 1,2:1 Petau- rista) ziemlich gleich groß. Die Grenz- konturen weichen hingegen im vorderen unteren Abschnitte nieht unerheblich von- einander ab. Nemestrinus (Fig. 9). Der Winkel schwankt zwischen 150 und 140°. Er steigt einerseits über die Werte bei Cerco- pithecus hinaus und sinkt anderseits bis auf den Maximalbetrag bei dieser Art herab. Der Scheitel geht rasch aus der Dorsalfläche hervor und dehnt sich, leicht gewölbt, bis zur steil abfallenden Ventralfläche aus. Das Zwerchfell besitzt demgemäß eine in sagittaler tichtung breite und flache Kuppel. Die Form weicht von derjenigen andrer Organe nicht erheblich ab und ist insofern atypisch, als sie bei den fol- genden Macacus-Arten nicht wiederkehrt. Sinicus. Der Winkel be- Leber von Papio babuin, in rechter Seitenansicht und R £ E mit Angabe der Gava-Achse und der Wivkelgrößen. trägt 140° (Fig. 10); er sinkt bei Fig. 12: 1/2. Fig. 13: Ya. Zürch. Mus. Nr. 2459 u. 221. Cynomolgus von 135° (Fig. 11) wieder wie bei Petaurista und Talapoin auf 130° herab. Der Scheitel der Leber ist bei Sinicus eine flache, bei Oynomolgus eine steilere N Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 415 Kuppe, welche bei beiden Formen an einander entsprechenden Stellen sich befindet. Die Übereinstimmung mit den Befunden bei Westaffen und Cercopithecus-Arten ist eine auffallende. Papio babuin (Fig. 12 und 135) stellt sich durch den Besitz einer Winkelgröße von 150—145° indifferenter dar und stimmt hierin mit Nemestrinus überein. Die steile Dorsal- wand geht ziemlich plötzlich in den flachen Scheitel über, welcher ventral- wärts sich weit vorschiebt, so daß die Ventralflächen steil, fast senkrecht ab- fallen. Die Kuppel des Zwerchfelles steht ‘demnach hoch und setzt sich hinten und vorn in steile Wandungen fort. Die Gestalt der Leber ist bei Babuin der Fig. 13 eigenartig durch die stattliche Höhenausdehnung. Sie verhält sich zur Sagittalen wie 1,6:1; indessen das Verhältnis beim andern Tiere 1,3:1 ist und mit demjenigen bei Cephus übereinstimmt. Es liegt in dieser Beziehung ein engerer Anschluß Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 14—16. Lebern von Orang, bei rechter Seitenansicht, mit Cava-Achse und Angabe der Winkel- größen. 1/a. von Babuin an Cercopithecus vor, was noch deutlicher hervortritt, wenn das betreffende Verhältnis bei Petaurista und Talapoin mit 27% 416 Georg Ruge berücksichtigt wird. Es ist bei Petaurista 1,28:1, bei Talapoin 1,3:1. Eine Weiterentwicklung hat sich bei Babuin mit dem Werte 1,6:1 vollzogen. Ein engerer Anschluß von Dabwin an Macacus kann bezüglich des Verhältnisses von Höhe zur Sagittalen nicht festgestellt werden. Es ist bei Nemestrinus 1:1, bei Cynomolgus 0,95: 1 und bei Sanzeus 0,9:1. Die Macacus-Leber hat also entweder eine gleich große Höhe und Sagittale, oder es überwiegt die letztere an Ausdehnung. Anthropomorphe. Unter ihnen nimmt Orang bezüglich des vorderen Cava-Winkels die niederste Stufe mit den Werten von 135—130° ein; er reiht sich an Oynomolgus an. Simia satyrus. a. Der Scheitel der Leber stellt auf Fig. 14 eine gleichmäßig gewölbte, nur wenig abgeflachte Kuppe dar, welche dorsal und ventral in gleichem Sinne zu den Grenzflächen abfällt. Der Scheitel befindet sich ungefähr in der Mitte zwischen Cava- Achse und dem weitest ventral vorspringenden Leberteile. Dies Verhalten stimmt mit dem bei Westaffen und Cercopitheeus-Arten überein und schließt sich in gleicher Weise an das von Sinzcus und Cynomolgus an. Die Leber zeigt bei rechter Seitenansicht eine dreieckige Grenz- kontur mit einem Verhältnisse der Höhe zur Sagittalen von 1,05:1. Es handelt sich also um einen gleichen Wert wie bei Nemestrinus (1:1), um einen annähernd gleichen wie bei Cynomolgus (0,95: 1) und Sinicus (0,9:1). Es ist bemerkenswert, daß das Verhältnis der Höhe zum sagittalen Durchmesser bei allen gleich oder nahezu gleich ist. In der dreieckigen Form liegt die größte Ähnlichkeit mit Cyno- molgus (Fig. 11) vor. b. Der Scheitel der Leber liegt auf Fig. 15 an gleicher Stelle wie beim vorigen Objekte, etwa in der Mitte der Horizontalen zwischen Hohlvenenachse und dem weitest vorspringenden Ventral- teile. Die Kuppe ist flacher und in ventraler Richtung ausgedehnter als wie beim Objekte a. Dabei ist die Ventralfläche in zwei, schärfer voneinander abgesetzte Abschnitte gesondert. Ein oberer Abschnitt fällt von der Kuppe in gleichem Winkel wie die Dorsal- fläche ab; ein unterer Abschnitt ist in eaudaler Richtung zugleich dorsalwärts geneigt. Bei den Westaffen und Cercopithecus-Arten wird ein anscheinend ähnliches Verhalten angetroffen, indem bei rechter Seitenansicht an die ventrale obere Fläche die nach unten und hinten geneigte Grenzkontur sich anschließt. Sie fällt aber mit dem vorderen Rande des rechten Seitenlappens zusammen, welcher Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 417 die ventrale Bauchwaud noch nicht berührt. Auf Fig. 15 verhält es sich ganz anders. Hier handelt es sich auch um eine Ventral- fläche der Leber, welche an die ventrale Bauchwandung sich innigst anfügt. Wir sind daher nicht berechtigt, die genannten Formzu- stände des Orang mit denen jener niederen Primaten in direkten Einklang zu setzen. Eine nähere Beziehung liegt vielmehr mit dem Verhalten bei Nemestrinus, Sinicus und Cynomolgus (Fig. 9—11) vor, bei welchen der rechte Seitenlappen bis zur ventralen Bauchwandung ausgedehnt ist, oder mit dem Befunde bei Papio babuin der Fig. 12 u. 13, bei welchem der rechte Stammlappen eine Ventralfläche wie beim Orang der Fig. 15 entwickelt hat. Das Verhältnis von Höhe zur Sagittalen ist 1:1; es befürwortet wiederum die Annahme engeren Anschlusses von Simia satyrus an Macacus als an Fapio. ce. Eine weitere Fortbildung liegt auf Fig. 16 vor. Der Scheitel der Leber liegt auch hier etwa in der Mitte der horizontalen Linie zwischen Cava-Achse und dem am weitesten ventral gelegenen Punkte. Die obere Ventralfläche flacht sich von der Kuppe aus nur allmählich ab und schiebt sich bis an die ventrale Bauchwand vor. Von hier aus fällt eine rein ventralwärts gewendete Fläche steil ab. Ihre Grenzkontur ist sogar wie am vorigen Objekte caudo- dorsalwärts gerichtet. Die Leberkuppe hat hier ihre größte Ab- flachung erfahren; im Einklange hiermit ist die Spaltung der oberen Ventralfläche in eine obere und in eine rein ventrale Fläche am meisten ausgeprägt. Das Verhältnis von Höhe zur Sagittalen ist 0,95:1. Es hat sich nicht wesentlich geändert, so daß das oben Ausgeführte wieder Anwendung findet. Das indifferenteste Verhalten bei Simia satyrus der Fig. 14 zeigt durch den vorderen Cava-Winkel und den Scheitel Anschluß an Westaffen und Cercopithecus-Arten, durch das Größenverhältnis von Höhe zur Sagittalen an Macacus-Formen. Die progressiv ver- änderte Leber der Fig. 15 hat bezüglich der Kuppe und der an- srenzenden Flächen die Zustände bei Macacus überholt. Das am meisten fortgeschrittene Organ der Fig. 16 stellt einen neuen Typus dar, dessen Entwicklung aus einfacheren Eigenschaften aber vor uns liegt. In allen drei Fällen gleicht der vordere Cava-Winkel demjenigen der niederen Primaten. Bezüglich des Höhen-Sagittal- verhältnisses bleibt beim Orang der Macacus-Befund erhalten. Hylobates Mülleri. Der vordere Cava-Winkel beträgt 150°. 418 Georg Ruge Hylobates syndactylus (Fig. 17). Der vordere Cava-Winkel beträgt 128° und ist nur 2° kleiner als im differentesten Befunde von Orang. Hierdurch schiebt sich Syndactylus zwischen Orang und Schimpanse ein. Der Scheitel liegt abweichend vom Verhalten der vorigen Ob- jekte an der Grenze des dorsalen ersten und zweiten Drittels der Leber von Hylobates syndactylus, bei rechter Seitenansicht. ?/s. Fig. 18. Lebern von Schimpanse, bei rechter Seitenansicht, mit Cava- horizontalen Linie zwischen Cava-Achse und dem weitest ventral vorspringenden Punkte der Leber. Die Kuppe ist gleichmäßig ge- rundet. Die obere Ventralfläche fällt anfangs allmählich, dann steil zur rein central ge- stellten Fläche ab, so daß keine Teilung der Fläche wie beim Orang der Fig. 15 und 16 zu erkennen ist. Ein näherer Anschluß könnte an den Befund der Fig. 14 ange- nommen werden. Die größere Ähnlichkeit besteht aber mit dem Verhalten bei Babuin (Fig. 12 und 13), sowohl betreffs der Run- dung des Scheitels als auch der Wölbung der Ventralfläche. Ziehen wir das Höhen-Sagittalverhältnis mit in Rechnung, welches bei Syndaetylus 1,6: 1 beträgt, so zeigt sich auch in diesem Punkte die Entfernung von Orang und ein engerer Anschluß an Babumn mit entspre- chendem Werte. Es besteht hier die Mög- lichkeit der Ausbil- dung von Convergenz- erscheinungen; essteht aber auch fest, daß Fig. 19. ‚ die Leberform von Syndactylus in den Achse und Angabe der verschiedenen Winkelgrößen. 1/». gegebenen Punkten nieht zu der vom Orang überleiten kann. Das Umgekehrte ist gänz- lich ausgeschlossen. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 419 Schimpanse (Fig. 18, 19). Der vordere Cava-Winkel sinkt von 120 bis auf 115° herab und erreicht dadurch den Wert an der menschlichen Leber. Schimpanse steht demnach unter den hierauf untersuchten Anthropoiden auf der höchsten Stufe. Der Scheitel der Leber stellt in beiden Fällen eine gleichmäßig abgeflachte Kuppe dar, von welcher dorsal und ventral die Grenz- flächen nahezu gleichmäßig abfallen. Die Ventralfläche bleibt bis zum Vorderrande der Leber aufwärts gerichtet und wird ausschließ- lich vom Stammlappen gebildet. Der rechte Seitenlappen erreicht die ventrale Bauchwandung nicht. Sein Vorderrand fällt von vorn nach hinten ab. In dieser Eigenschaft unterscheidet sich Schimpanse wesentlich von Hylobates und Orang, bei denen das Gebiet des rechten Seitenlappens bis zur ventralen Bauchhöhlenwand sich aus- dehnt. Die Leber zeigt in rechter Seitenansicht eine beinahe quadratische Gestalt mit abgestumpften Ecken. Diese Form ähnelt der ursprünglichen beim Orang der Fig. 14, welche in engerer Über- einstimmung mit den Befunden bei Vebus und Cephus sich befindet. Mit diesen niederen Primaten kann Schimpanse am besten in Be- ziehung gebracht werden, soweit die Gestalt bei rechter Seitenansicht in Betracht kommt. Die Orangleber kann in ihrer Gestaltung sehr wohl von der des Schimpanse abgeleitet werden; aber das Umgekehrte ist nicht gestattet. Denkt man sich den rechten Seitenlappen des Schimpanse ventralwärts ausgedehnt, so ergibt sich eine Form, wie sie die Orang- leber besitzt. Schimpanse läßt mit Syndactylus keinerlei näheren Anschluß erkennen: die Leberformen sind in den besprochenen Punkten zu verschiedenartig. Das Verhältnis der Höhe zur Sagittalen ist bei beiden Objekten 0,9:1. Dieser Tatbestand entfernt Schimpanse von Hylobates mit dem Werte 1,6:1, nähert ihn aber dem Genus Orang mit dessen Werten von 1,05:1, 1:1 und 0,95:1. Es bestehen hiernach nicht unwesentliche Übereinstimmungen zwischen Schimpanse und Orang. Die Unterschiede zwischen ihnen beruhen in Verschiedenheit des Leberscheitels und im Fehlen einer rein ventral gestellten Fläche beim Schimpanse. Orang stellt in diesen beiden Punkten den weitest vorgeschrittenen Organismus dar (Fig. 15, 16). Eine Vermittlung bildet der Befund auf Fig. 14, welcher Ursprüngliches bewahrt hat. Es ist nicht unmöglich, daß 420 Georg Ruge einmal eine Schimpanseleber mit progressiven Erscheinungen gefunden wird, welche jener indifferenten Orangleber sich enger anschließt. Mensch. a. Leber eines Neugeborenen (Fig. 20). Der vordere Cava-Winkel beträgt 115°. Der Befund schließt direkt an den bei Schimpanse (Fig. 19) an. Der Scheitel der Leber ist stark ventralwärts verschoben und gleicht darin dem Verhalten R von Orang der Fig. 15 und 16. Die yo. vordere obere Fläche fällt plötzlich Ur, steiler ab und setzt sich in eine senkrechte, rein ventralwärts ge- richtete Fläche fort. Auch hierin liegt ein engerer Anschluß an den Befund beim Orang (Fig. 15, 16) “ vor. Bei ihm fällt die Ventralfläche jedoch nicht senkrecht, sondern in dorsaler Richtung ab. Die mensch- liche Leber ist bezüglich der steilen Ventralfläche weit entwickelt. Das Verhältnis der Höhe zur Sagittalen ist 1:1. Es unterscheidet a ee nn 4 Sich) wa ir a een WInegrEnen. Arten noch von dem des Schim- panse und Orang, entfernt sich aber vom Verhalten bei Cercopitheeus-Arten, Babum und Syndaetylus. An drei Lebern von Embryonen finde ich bedeutsame Ver- schiedenheiten. Sie stellen, was die Größe des Cava-Winkels betrifft, die Übereinstimmung erstens mit dem primitiven Verhalten bei Sehimpanse, zweitens mit dem beim Neugeborenen a her. Der dritte Fall stellt eine Weiterbildung dar, welche sonst nirgends bei den Anthropoiden erreicht ist. b. Leber eines Embryos etwa aus der Mitte der Schwanger- schaft (Fig. 21). Der vordere Cava-Winkel beträgt etwa 120°. Der Scheitel liegt ungefähr in der Mitte des sagittalen Durchmessers. Die vordere Fläche fällt vom Scheitel aus anfangs allmählich, dann steiler ab. Das Verhältnis der Höhe zur Sagittalen der Leber ist nicht genau anzugeben, da der linke Lappen verlagert ist. Zieht man den rechten Lappen in Betracht, so ist das Verhältnis 1,08: 1. Fig. 20. BON WED 2 wendralis deoeres = == \ Lrbes Carerales deocter Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 421 ce. Leber eines älteren Embryos (Fig. 22). Der vordere Cava-Winkel beträgt 115°. Der Leberscheitel ist ventralwärts über die Mitte des sagittalen Durchmessers hinaus ver- schoben. Die Fläche vor ihm geht, anfangs leicht geneigt, in eine senkrecht abfallende Vorderfläche über. An sie schließt sich eine in caudo-dorsaler Richtung abfallende Fläche an. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. ” 302 vor u Drei Lebern von menschlichen Embryonen, bei rechter Seitenansicht mit Angabe Yer Cava-Achse und der verschiedenen Winkelgrößen. 2/3. Das Verhältnis der Höhe zur Sagittalen der Leber ist 1,2:1. d. Leber eines älteren Embryos (Fig. 23). Der vordere Cava-Winkel beträgt etwa 100°. Die obere Fläche dehnt sich in fast horizontaler Richtung ventralwärts aus, fällt dann steil nach vorn ab. Eine beinahe senkrecht gestellte Vorderfläche schließt sich an. Das Verhältnis der Höhe zur Sagittalen der Leber ist 1,2:1. Der vordere Cava-Winkel schwankt zwischen 120 und 100°, Der Leberscheitel fällt einmal in die Mitte, einmal vor die Mitte des sagittalen Durchmessers und schiebt sich drittens am Objekte mit dem kleinsten Winkel weit ventralwärts vor. Das Größenver- hältnis von Höhe zur Sagittalen schwankt zwischen 1,2:1 und 08:1. Schon an Embryonen sind die progressiven Zustände an der menschlichen Leber angelegt. Neben ihnen werden aber auch in- differentere angetroffen. Man wünscht den ganzen Breitegrad der 422 Georg Ruge Schwankungen zu kennen, um die Anknüpfungen nach unten ge- nauer zu ermöglichen, um nach oben die Größe der Weiterbildung zu kennen. Der Vergleich der Werte an der Leber der Menschen und der Affen läßt einerseits ausgesprochene Gleichwertigkeiten, anderseits hervorstechende Verschiedenheiten erkennen, welche eine Progression in der menschlichen Organisation bedeuten. Der Einwand wäre von der Hand zu weisen, daß Zufälligkeiten hier vorliegen könnten. Dagegen spricht die allzu große Übereinstimmung der Befunde bei den einzelnen Genera, welche auch durch die individuellen Schwan- kungen nicht ins Wanken gerät. e. & Monate altes Kind (Fig. 24). Der vordere Cava-Winkel erreicht die Größe von 145°. Die obere Fläche ist in sagittaler Richtung leicht gewölbt. Ein Leber- scheitel ist nicht ausgeprägt. Die obere Fläche fällt ventral in einem Winkel von 26° zur Senkrechten ab Fig. 24. (oberer Ventralflächenwinkel). Der untere ventrale Flächenabschnitt ist caudo-dorsalwärts gerichtet. Das Verhältnis der Höhe zur Sagittalen beträgt 1,1:1. Die Leber zeigt bei rechter Seitenansicht die größte Ähnlich- keit mit dem Organ von Orang der Fig. 15, läßt sich aber in den ver- schiedenen Merkmalen ungezwungen und am leichtesten an die Formen der andern menschlichen Objekte angliedern. Derartige Übereinstim- mungen sind erkennbar: in dem Verstreichen eines Scheitels, dem Abfallen der oberen in die ventrale Fläche, in dem caudo-dorsal ge- ee br richteten unteren Ventralflächenteile und der verschiedenen Winkelgrößen. 1/a. und in dem Höhen-Sagittalverhält- nisse. Solange nicht aus einer größeren Beobachtungsreihe an Or- ganen verschiedenen Alters Mittelwerte abgeleitet werden können, müssen wir uns mit Einzelbefunden begnügen, von denen einige noch aufgeführt werden sollen. LA zında Aos ser LF ePrr % Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 423 f. Leber eines ausgetragenen Knaben (Fig. 25.«). Der vordere Cava-Winkel beträgt 140°; er ist etwas kleiner als wie am vorigen Objekte. Der Leberscheitel ist bestimmbar; er fällt etwa in die Mitte der Sagittalen zwischen Cava-Achse und der am weitesten ventralwärts vorspringenden Fläche. Die obere Fläche fällt vom Scheitel zur Ventralfläche ab. Die Bestimmung des oberen Ventralflächenwinkels ist nur annähernd auf etwa 25° zu treffen: er erreicht die Größe beim vorigen Objekte. Der untere Ventralflächen- Fig. 25 a. Fig. 252. Ki IFe Löctım. 8 Fig. 25@ Leber eines ausgetragenen Knaben, bei rechter Seitenansicht, mit Angabe der verschiedenen Winkelgrößen und der Hoblvenenachse. 1/2. Fig. 2556. Leber eines 6 Wochen alten Kindes, bei rechter Seitenansicht. 2/3». Angabe der Cava- Achse und der verschiedenen Winkelgrößen. winkel läßt sich genauer auf etwa 55° bestimmen;'er nähert sich dem auf Fig. 22. Das Verhältnis von Höhe zur Sagittalen ist 1,1:1. Es stimmt mit dem der Fig. 24 genau überein. Die Form bei rechter Seitenansicht läßt sich am besten zwischen die der Fig. 22 und die der Fig. 24 einschieben. Durch den ab- gesetzten Scheitel vermittelt sie die verschiedenen Formen der Orang- lebern auf Fig. 14 und 15. g. Leber eines 6 Wochen alten Kindes (Fig. 255). Der vordere Cava-Winkel beträgt 137°; er ist etwas kleiner als bei f. Der Leberscheitel ist gut ausgeprägt und erhebt sich in der 424 Georg Ruge Mitte der Sagittalen zwischen Cava-Achse und Vorderfläche der Leber. Die obere Fläche fällt vom Scheitel nach hinten und nach vorn ab. Der Scheitelwinkel beträgt ungefähr 60°, ist eher kleiner als größer. Der untere Ventralflächenwinkel ist 40°. Das Verhältnis von Höhe zur Sagittalen ist 0,9:1. Die Form bei rechter Seitenansicht zeigt einerseits durch die steil eaudo-dorsalwärts abfallende untere Ventralfläche größte Über- einstimmung mit den Befunden bei Schimpanse (Fig. 18, 19), ander- seits durch den großen rechten Seitenrandwinkel (84°) mit den Be- funden bei Orang (Fig. 15, 16). Die Ausbildung des Scheitels wiederholt den ursprünglichen, pithecoiden Charakter, welcher bei Schimpanse erhalten ist und einmal bei Orang (Fig. 14) sich einstellt. Der rechte Seitenrandwinkel ist etwas größer als wie bei O’yno- molgus und Sinicus (Fig. 10, 11). Die Leber ist mit primitiven Merkmalen verschiedenster Art ausgestattet. Bei Erwachsenen liegen die Schwankungen für den vorderen Cava-Winkel nach meinen Beobachtungen zwischen 115 und 140°. 2. Scheitel der Leber. Scheitelwinkel. Der höchste Punkt der Leber, deren Scheitel oder Kuppe, fällt bei Nycticebus mit der Austrittsstelle der Hohlvene zusammen. Er liegt bei Westaffen und Cercopitheeiden meistens in der Mitte der Sagittalen zwischen Cava-Achse und dem weitest ventralwärts vorspringenden Abschnitte des Organs. Dieser ursprüngliche Zu- stand wiederholt sich bei Schimpanse (Fig. 18 und 19) und im In- differenzfalle der Fig. 14 bei Orang. Der Scheitel ist in dorsaler Richtung bei Syndactylus verlagert (Fig. 17). Eine Verschiebung der Leberkuppe in ventraler Richtung ist in geringem Maße bei Petaurista (Fig. 8) zu finden. Sie wird aus- gesprochener bei Talapoin (Fig. 7), wo der Scheitel direkter zur steilen Ventralfläche abfällt. Es reiht sich der Befund von Orang der Fig. 15 an; die Orangleber der Fig. 16 läßt eine Vorwölbung des Scheitels bis zur vorderen Bauchwand erkennen. Eine auffallende Ventralverlagerung der Kuppe tritt in gleicher Weise beim Menschen (Fig. 20) auf. Beim ihm ist der Leberscheitel oft auf die ganze auf- wärts gerichtete Fläche verteilt (Fig. 21—24). Der durch die obere dorsale und ventrale Fläche eingeschlossene Winkel, Scheitelwinkel, wie er sich in rechter Seitenansicht ab- hebt, ist nur selten genauer anzugeben, da namentlich die obere, Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 425 ventrale Fläche oft unregelmäßig gewölbt ist, wodurch eine sichere Einstellung der Richtungslinie unmöglich gemacht wird. Immerhin läßt sich feststellen, daß der Winkel bei Ateles 70°, bei Cebus 87—90°, bei Petaurista 80°, bei Cephus 85—90°, bei Talapoin etwa 110°, bei Macacus sinicus 70°, Oymomolgus 80°, bei Babuin 78—85° beträgt. Sehen wir von Talapoin mit dem hohen Werte 110° ab, so sckwankt die Winkelgröße zwischen 70 und 90°, Unter den Anthropomorphen schließt sich Syndaetylus mit SO° an die Cerco- pitheeiden an; Schimpanse zeigt in einem Falle den gleichen Wert (80°), steigt im andern Falle über das gewöhnliche Cercopitheeiden- maß durch den Wert 100° heraus. Orang durchläuft die Stufen- leiter von 80—110°. Auf einer höheren Sprosse dieser aufwärts führenden Leiter befindet sich der Mensch mit einem Scheitelwinkel von 120° (Fig. 20) und größeren Werten, welehe jedoch nicht genau bestimmbar sind, da die obere Fläche sich gleichmäßiger gestreckt hat (Fig. 21—24). Wie vor allem der Talapoen-Befund beweist, können Schwan- kungen innerhalb einer Primatenfamilie groß sein. Daneben beweist die oftmalige Schwierigkeit bei der Aufnahme der Winkelgröße, daß die sicheren Merkmale für gleichartige Organisationen verschwinden können. Immerhin fällt das spärliche Festgestellte nicht aus dem Rahmen dessen heraus, was wir aus dem gesamten Erscheinungs- komplexe an der Leber ableiten können, daß das menschliche Or- gan am Ende der stattgehabten Veränderungen steht. Ventralfläche der Leber. Bei weitem verwickelter werden die Verhältnisse bei der Umgestaltung der Ventralfläche der Leber, so daß eine Wertung der einzelnen Fälle in Zahlen sich kaum aus- drücken läßt. Die Ursache hierfür liegt darin, daß die bei den höheren Primaten rein ventral gestellte Fläche allmählich durch zwei Momente zur Ausbildung kommt, erstens durch die steiler werdende und zugleich sich vergrößernde obere ventrale Fläche, welche dem Stammlappen anheimfällt, und zweitens durch das Vor- wärtswachsen des rechten seitlichen Leberrandes bis zur ventralen Bauchhöhlenwand. Der durch diesen Vorgang erzeugte Abschnitt der ventral gestellten Leberwand fällt in das Gebiet des rechten Seitenlappens. Bei der Feststellung der Winkelstellung der Ventralfläche muß man notgedrungen eine Einteilung treffen und erstens den Winkel bestimmen, welchen der obere Stammlappenteil der Ventralfläche zeigt, und zweitens denjenigen, welchen der untere Seitenlappenteil 426 Georg Ruge erkennen läßt. Bei den niederen Primaten (Westaffen und den meisten Cercopitheciden) kommt in der Regel nur der obere Winkel in Betracht, da der rechte Seitenlappen von der vorderen Bauch- wand entfernt bleibt. Bei einigen Cercopitheeiden (Oynomolgus und Babuin) sowie bei den Anthropomorphen, mit Ausnahme von Schim- panse, welcher eine niedere Stufe hierin einnimmt, handelt es sich jedoch um das Bestehen eines oberen und unteren Winkels. Der eine, strenger fixierte Schenkel des oberen und unteren Winkels kann je in der Cava-Achse gefunden werden; der andre ist durch die betreffenden Flächenabschnitte gegeben, aber durch deren Unregelmäßigkeiten oftmals schwer genau festzustellen, wo- durch die Angabe der Winkelgröße dann auch illusorisch wird. Ich habe es versucht, die Winkel zu bestimmen, habe die Er- gebnisse in die Figuren eingetragen, an welchen eine Nachprüfung ermöglicht ist. ‘Der obere bestimmbare Ventralflächenwinkel bewegt sich, wenn wir von zwei Fällen (Talapoin und Orang der Fig. 16) zunächst absehen, bei den Affen zwischen 34 und 55°; er beträgt bei Talapoin 60° und bei Orang (Fig. 16) 61°. Nyeticebus nimmt mit dem Werte von 110° eine Sonderstellung ein. Bei den West- affen schwankt der Winkel zwischen 34 und 48°, bei den Cerco- pithecus-Arten zwischen 35 und 53 (60)°, bei Macacus und Papio zwischen 40 und 55°. Bei den Anthropomorphen sinkt der Breite- grad der Schwankungen auf 6° herab; er liegt zwischen 37 und 43°, wobei wir wieder vom Falle Orang der Fig. 16 mit einem Winkel von 61° absehen. Die Bestimmung im letzteren Falle ist anfechtbar, weil der obere Ventralflächenabschnitt in gleicher Weise wie beim Menschen unregelmäßig gekrümmt ist. Der Mensch schließt sich mit dem Werte von 40° der Fig. 20 enger an die Anthropomorphen an. Diese entbehren aber nicht der Angliederung an die Cercopitheeiden, wie diese sich von den West- affen nicht streng absondern lassen. In den Fällen der Fig. 21—24 bestimmte ich den Winkel auf 30, 26, 20 und 6°. Diese Bestim- mungen verlieren an Wert, da der durch die Ventralfläche gelegte Schenkel durch unregelmäßige Krümmungen die Prägnanz verliert. Die individuellen Schwankungen betragen bei Cebus 8°, hei Cephus 3°, bei Babwin 15°, bei Troglodytes 2°. Beim Orang ist der Winkel zweimal gleich groß (37°), das dritte Mal ist er 24° größer (61°). Bei Hylobates Mülleri beträgt der Winkel 70°, Der Befund auf Fig. 25b ist bedeutungsvoll. Der Scheitelwinkel Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 497 ist, wenn auch nieht genau, so doch bestimmbar. Ich habe ihn auf 60° geschätzt. Er ist jedoch eher größer als kleiner. Die bei niederen Primaten obwaltenden Verhältnisse werden hier wiederholt. Es handelt sich um einen ursprünglichen Zustand, welcher in den andern Fällen beim Menschen durch das Verwischen eines Scheitels verlassen worden ist. 3. Verhältnis der größten Höhe zum größten sagittalen Durchmesser der Leber. Die Bestimmungen sind bei übereinstimmender Einstellung aller Objekte getroffen worden. Die Hohlvenenachse ist als Senkrechte dabei genommen; während die am weitesten vorspringenden Teile des rechten und linken Leberlappens immer in die gleiche Frontal- ebene eingestellt worden sind. i Die Maße und die daraus gezogenen Wertungen ließen sich genau angeben. Allein dadurch erhalten letztere eine besondere Be- deutung. Höhe und Sagittale der Leber scheinen wichtige Merkmale für sie zu sein. Es fragt sich, ob im Verhältnisse beider zueinander Umänderungen innerhalb der Primatenreihe sich feststellen lassen, woraus neue Vorstellungen hervorgehen. Liegen regelmäßige Um- änderungen vor, so müssen sie sich in der allmählichen Zunahme des einen Durchmessers zuungunsten des andern notwendig äußern. Da gut konservierte, in der Form unbeschädigte Objekte für die Untersuchung erforderlich sind, so bleibt die verwertete Anzahl derselben klein. Neue Beobachtungen bleiben erwünscht. In einer tabellarischen Übersicht führe ich den Tatbestand vor. Verhältnis zwischen Höhe und Sagittale: Nyeticebus 1,2 :1 | Orang 1,08:1 Ateles East - el Oebus capueinus 1,2 :1 - 0,95:1 > - 1 :1 | Schimpanse en Cephus er! - 99521: - az Talapoin 13 :1 | Mensch. Petaurista 224 6 Wochen alt 0,9 :1 Babuwin 36951 Embryo aut - | - ge Nemestrinus 1.02 - +08;1 Cynomolgus 0,95:1 Neugeboren 1 :1 Sinieus el 4 Monate T.1@81 Syndacetylus 164% Neugeboren 1,1 :1 Hylobates Müller? 1,06: 1 | Erwachsene 14—15:1 428 Georg Ruge Nieht unerhebliche individuelle Schwankungen bestehen bei Cebus, Cephus und Babuin; sie werden sich wohl auch bei andern Formen nachweisen lassen. Eine größere Beständigkeit wird unter den Anthropoiden bei Orang und Schimpanse gefunden. Die Leberhöhe übertrifft den sagittalen Durchmesser in der Regel bei Nycticebus, Westaffen, den Cercopethecus-Arten und Babuin. Beide Durchmesser sind einander ungefähr gleich groß bei Neme- strinus, Cynomolgus und Sinicus. Dasselbe ist der Fall bei Orang und Schimpanse. Syndactylus steht abseits durch das Verhältnis von 1,6:1. Dieser Wert ist nur noch einmal bei Babwn gefunden worden. Bei zwei menschlichen embryonalen Lebern nähert sich das Verhältnis von 1,2: 1 dem bei niederen Formen gefundenen; während andere Werte den bei Orang und Schimpanse sich anschließen. Ein besonderes Interesse gewinnt die indifferente Leber eines 6 Wochen alten Kindes, bei welcher das Verhältnis von 0,9:1 das- jenige von Schimpanse und von Macacus-Arten erreicht (vgl. Fig. 255). Als Gesamtergebnis ist in der Primatenreihe eine Abnahme der Höhe und eine Zunahme des sagittalen Durchmessers zu bemerken. Macacus, Anthropoide und jüngere menschliche Individuen stehen mit Ausnahme von Hylobates syndactylus auf einer etwa gleichen Rangstufe. Embryonale Befunde beim Menschen scheinen ein primi- tiveres Größenverhältnis zu wiederholen. Beim Erwachsenen kann nach unsern Beobachtungen die Höhe im Verhältnis zur Sagittalen erheblich zunehmen. Das Verbältnis kann bis auf 1,5:1 sich verändern. 4. Unterer Ventralflächenwinkel. Ein unterer Ventralflächenwinkel, bei rechter Seitenansicht er- kennbar, kommt in rein ventraler Lage andeutungsweise erst bei den Cercopithecus-Arten zur Geltung. Bei den Westaffen handelt es sich noch um einen Winkel, welcher den vorderen ventralen Rand des rechten Seitenlappens zur Begrenzung hat. Als ventraler Winkel gewinnt er bei Macacus und Papio an Bedeutung, nachdem der rechte Seitenlappen, weiter ventralwärts vorgeschoben, unten rechts einen Abschnitt der Ventralfläche hergestellt hat. Unter den Anthropoiden besteht beim Schimpanse (Fig. 18, 19) große Ähnlichkeit mit Oercopithecus, indem der rechte Seitenlappen von der ventralen Bauchwand weit entfernt bleibt, was auch nach der Verschmelzung der Lappen untereinander festgestellt werden Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 499 kann. Es sei auf die Kerbe der Fig. 18 hingewiesen, in welcher der Rest einer Seitenspalte vorliegt. Bei andern Anthropomorphen und in Übereinstimmung mit ihnen stellte sich auch beim Menschen ein neuer Zustand ein. Er ist unter Verschmelzung der Lappen durch die ansehnliche Ausdehnung des rechten Stammlappens in ventraler und caudaler Richtung ge- kennzeichnet. Hierdurch wird der rechte Seitenlappen in seiner ventralen Entfaltung beeinträchtigt und kann selbst gänzlich von der reinen Ventralfläche der Leber ausgeschlossen werden. Sein vorderer Rand. fällt dann von vorn oben nach unten hinten zum rechten Seitenrande der Leber ab. Durch den Stammlappen stark abwärts gedrängt, bildet der Vorderrand des Seitenlappens mit der Cava- Achse einen verhältnismäßig großen Winkel. Die in obiger Tabelle (S. 409) aufgeführten Werte der unteren Ventralflächenwinkel sind miteinander vergleichbar, da sie durch gleichwertige Schenkel begrenzt sind. Sie schwanken bei den West- affen zwischen 50 und 30°, bei Cercopithecus-Arten zwischen 40 und 30°, bei Babwin zwischen 37 und 36°, bei Macacus-Arten zwischen 25 und 22°. Die Schwankungen verringern sich bei Westaffen und niederen Catarrhinen allmählich, und zwar unter gleichzeitiger Ab- nahme der Winkelgröße. Bei den Anthropomorphen stellt sich ein umgekehrtes Verhalten ein, indem der Indifferenzzustand bei Hylobates Müller? mit 32° und beim Schimpanse mit 45—51° gefunden wird, welchem Orang mit 54—61° und Syndactylus mit 80° sich anschließen. Der Mensch besitzt auf Fig. 21 einen unteren Ventralflächen- winkel von 40°, auf Fig. 22 von 50°, auf Fig. 25 von 55°. Diese Werte stimmen mit den beim Schimpanse gewonnenen (Fig. 18, 19) ungefähr überein. Der Winkel ist auf Fig. 23 wegen der Unregel- mäßigkeit der Grenzkonturen nicht genau anzugeben. Der Mensch zeigt den Wert von 64° auf Fig. 20, wodurch er sich über Orang stell. An der Leber der Fig. 24 ist der Winkel auf 76° bestimmt. Die untere Ventralfläche ist hier jedoch unregel- mäßig geknickt, so daß die Bestimmung keine ganz einwandfreie ist. Syndactylus tritt durch die sehr bedeutende Entfaltung des rechten Leberabschnittes aus der Reihe heraus und nimmt durch den Wert von 80° die höchste Rangstufe ein. Die vom rechten Stammlappen gebildete, rein ventral gestellte Fläche ist ansehnlich: 1) bei Babwuin, wo sie bei geringer Wölbung nahezu senkrecht abfällt, 2) bei Syndactylus mit ähnlicher Wölbung Morpholog. Jahrbuch. 37. 28 430 Georg Ruge und steilem Abfall wie bei Babuin, 3) bei Orang der Fig. 15 und 16, wo die steile Fläche nach unten hinten abfällt, um mit der Cava- Achse Winkel von 13 und.16° zu bilden, 4) beim Menschen, bei welehem die Fläche schräg nach unten (Fig. 21, 25), senkrecht (Fig. 20, 22, 25) oder eaudo-dorsalwärts (Fig. 24) abfällt. - Orang der Fig. 14 und Schimpanse der Fig. 18 und 19 schließen sich durch Abwärtsneigung der Ventralflächen dem indifferenteren Verhalten an. Wie bereits oben bei der Besprechung des Scheitels der Leber hervorgehoben worden ist, gliedern sie sich auch in diesem Punkte enger an die niederen Catarrhinen an. Das Verhalten beim 6 Wochen alten Kinde mit der Winkelgröße von 40° schließt sich eng an das primitive von Schimpanse (Fig. 18, 19) dadurch an, daß der untere ventrale Leberrand steil in caudo- dorsaler Richtung abfällt, wodurch der rechte Seitenlappen von der Bildung einer reinen Ventralfläche der Leber ausgeschlossen bleibt. 5. Hinterer Cava-Winkel. Er wird von der Hohlvenenachse und der hinter ihr abschüssigen Dorsalwand des rechten Leberlappens eingeschlossen. In der Regel ist er ziemlich genau bestimmbar. Erschwert wird die Maßnahme, sobald die Fläche stärker gewölbt ist. Nicht selten fällt die letztere steil gegen die untere Dorsalecke ab, was eine Übereinstim- mung des hinteren Cava-Winkels mit dem Dorsaleckenwinkel zur Folge hat. Die Größe des Winkels schwankt, wie aus der Tabelle (S. 409) zu ersehen ist, bei den Westaffen zwischen 20°, bei den Üercopr- thecus-Arten zwischen 15°, bei Macacus und Papio 10°, bei den Anthropoiden, wenn von Syndactylus mit eigenem Verhalten abge- sehen wird, ebenfalls zwischen 10°. Der Winkel beträgt bei Nyeh- .cebus 30°, liegt bei den Westaffen zwischen 25 und 45°, bei Cerco- pithecus zwischen 30 und 45°, bei Macacus und Babuwm zwischen 30 und 40°, desgleichen bei den Anthropoiden. Die Schwankun- sen bewegen sich unter den letzteren beim Schimpanse zwischen 30 und 40°, betragen aber bei drei Orangs nur 1°, indem sie zwi- schen 30 und 31° liegen. Die Werte bei den Anthropoiden lassen sich je an die bei allen niederen Ordnungen gefundenen anreihen. Eine fortlaufende Entwicklungsreihe, die etwa in einem Anschwellen des Winkels vermutet werden kann, läßt sich in der Primatenreihe nicht feststellen, so daß derselbe als ein gewichtiges Kennzeichen für die Form des Organs nicht ohne weiteres gelten kann. Wir Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 431 müssen jedoch nach dem vorliegenden Tatbestande Hylobates aus- nehmen. Bei Hylobates Mülleri beträgt der Winkel 20°. Bei Syn- dactylus sinkt der Wert auf etwa 10° herab. Dieser Fall steht einzig da. Der Winkel ist um 20° kleiner als der geringste Wert bei den Cercopitheeiden. Die Ursache hierfür ist in der starken Volumsverminderung der hinter der Cava-Achse befindlichen Leber- massen zu suchen. Sie hatte auch die völlig freie Lage der Hohl- vene an der Dorsalfläche zur Folge, was wiederum in der ausge- prägten Reduction des Dorsallappens zutage trat. Beim Menschen sind die individuellen Schwankungen erheb- licher Art. Der Winkel beträgt in drei Fällen 32° (Fig. 25), 34° (Fig. 24), 85° (Fig. 22); er steigt auf 40° (Fig. 25 b), auf 43° (Fig. 21), auf 50° (Fig. 23) und auf 55° auf der Fig. 20. Als Mittel der Winkelgröße ergibt sich für die sechs Fälle 41,5°. Durch den in- differenten Zustand der Fig. 25 läßt sich ein Anschluß an Orang, durch den Mittelwert und die Fälle der Fig. 22 und 24 an das Ver- halten beim Schimpanse zunächst herstellen. Durch die Fälle der Fig. 21, 23 und 20 steigt die Größe des Winkels um 3—15° über das Höchstmaß, um 25° aber über das Mindestmaß bei Anthro- poiden hinaus. Der Winkel am Hısschen Modelle von einem 15jährigen stimmt ungefähr mit den Werten der Fig. 22, 24 und 25 überein, beträgt etwa 35°. Bei Erwachsenen schwankt er nach meinen Beobach- tungen zwischen 30 und 35°. Die Cercopitheciden bleiben mit ihrem Höchstmaß ebenfalls um 15° zurück. Der Tatbestand läßt sich dahin übersetzen, daß die Lebermasse hinter der Hohlvene beim Menschen die alle andern Formen bei weitem übertreffende Entfaltung eingeschlagen hat. Von der allgemein gültigen Erscheinung in der Winkelgröße bei Primaten hat die Umwandlung der Leber bei Hylobates nach der einen Richtung, beim Menschen nach der andern Richtung statt- gefunden. Die Unterschiede der Befunde, auf denen dies Ergebnis beruht, sind so groß, daß sie vorläufig als keine zufälligen gelten können. Die schwankenden Verhältnisse lassen auch hier den Mangel von größeren Beobachtungsreihen empfinden. 6. Dorsaleekenwinkel. Er ist von der Cava-Achse und der Linie begrenzt, welehe die Austrittsstelle der Hohlvene aus der Leber mit der unteren dorsalen Eeke des rechten Lappens verbindet. Er ist, wenn er nicht mit 28* 432 Georg Ruge dem vorigen Winkel gleich groß ist, stets kleiner als dieser. Bei verschiedenen Formen ist er wegen Fehlens einer Dorsalecke nicht bestimmbar. Er beträgt bei Nycticebus 7°, schwankt bei Cebus zwi- schen 11 und 17°, bei Oercopithecus-Arten zwischen 8 und 18°, bei Macacus zwischen 10 und 16°. Unter den Anthropomorphen schwankt der Winkel zwischen 15 und 19° beim Schimpanse, zwischen 16 und 18° beim Orang. Er erreicht den höchsten Wert von 21° beim Menschen (Fig. 20), sinkt auf 12° auf Fig. 21 herab, während er in andern Fällen un- bestimmbar ist. Für Schimpanse und Orang scheinen eine größere Konstanz und zugleich eine Zunahme des Wertes sich einzuleiten; denn unter fünf Fällen ist der Winkel viermal ebenso groß oder srößer als der höchste Wert bei Macacus-Arten. Hiylobates und Mensch verhalten sich bezüglich des Dorsaleckenwinkels zu den andern Primaten in gleicher Weise wie in bezug auf den hinteren Cava-Winkel. 7. Verhältnis des sagittalen Durchmessers der ganzen Leber zu dem des posteavalen Leberabschnittes. Die Fig. 1—25 geben die Lagebeziehung in der Hohlvene zu den weitest dorsal und ventral vorspringenden Punkten der Leber genau wieder, so daß das in der Überschrift angegebene Verhältnis aus ihnen unmittelbar zu entnehmen ist. Dasselbe festzustellen, ist deshalb erwünscht, weil unter Berücksichtigung der Umformungen des Brustkorbes und der in ihm geborgenen Weichteile bei den Primaten die Vorstellung sich leicht einstellen kann, daß der hinter der Hohlvene liegende Leberabschnitt im Vergleiche zum sagittalen Durchmesser der ganzen Leber allmählich an Ausdehnung zunehmen müsse. Das kann um so eher erwartet werden, als die dorsale Ausbuchtung der Rippen bei den Anthropoiden und beim Menschen eine sehr ansehnliche ist. Das Ergebnis der Untersuchung steht nun mit dem zu Erwartenden keineswegs im Einklange. Es hat sich nämlich gezeigt, daß der hinter der Hohlvene befindliche Leber- abschnitt bei den Anthropoiden einen viel geringeren Bruchteil des sagittalen Durchmessers darstellt, als dies bei den Westaffen und Cercopitheeiden der Fall ist. Bei Nycticebus ist der ganze sagittale Durchmesser viermal so groß als der am postcavalen Abschnitte. Das Verhältnis gestaltet sich bei den Affen folgendermaßen: Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 433 Verhältnis des größten sagittalen Durchmessers des post- cavalen Leberabschnittes zur Sagittalen der ganzen Leber. Ateles 79.9 Oynomolgus 1:34 Mensch, Fig. 24 1:6 Cebus 1:4—3,4 Babuin 1:4-53 | - -, 22: 1:5 Cephus 1:5,6—4,4 |Schimpanse 1:6,5; 1:7 - - 250 1:48 Talapovn 1:8 Orange ., 1.65, 1382053 - a 1:4 Petaurista 1:44 Hylob. Müller! 1:15 - = 36 ‚1:43 Nemestrinus 1:5,6 Syndactylus 1:31 - - 255 1:35 Sinieus ER | ae -1.200.173,4 , Erwachsene 2250 Beim Menschen ändert sich das Verhältnis wieder zugunsten der Länge der postceavalen Sagittalen und weist im extremsten Falle den Wert 1:3,4 auf, welcher nur bei Cebus und Cynomolgus wieder gefunden wird. In diesen Fällen zeigt der posteavale Abschnitt den größten Bruchteil der Sagittalen der ganzen Leber. Die Beobachtungsreihe am menschlichen Objekte beginnt mit dem Werte 1:6. Derselbe wird auch beim Scehimpanse und Orang sefunden, so daß die Anknüpfungen an den anthropoiden Zustand tatsächlich bestehen. Bei Erwachsenen finde ich den Wert 1:5 Daß bei Syndactylus nur der 31. Teil auf den posteavalen Ab- schnitt entfällt, kann auf die eigenartigen Zustände bei ihm zurück- seführt werden. Der größere Unterschied jedoch, welchen die Be- funde bei Schimpanse und Orang einerseits den niederen Primaten und anderseits dem Menschen gegenüber darbieten, bleibt auffallend, und die Ursachen für die Erscheinung sind nicht ohne weiteres an- zugeben. Sie können entweder darin beruhen, daß die ventrale Entfaltung der Leber bei den Anthropoiden eine relativ bedeutend srößere ist als die in dorsaler Richtung, wodurch das zu erwartende zunehmende Größenverhältnis zugunsten des posteavalen Abschnittes nicht zum Ausdruck gelangen kann; oder sie können darin zu suchen sein, daß die Lagerung der Hohlvene in der Leber keine konstante ist. Vielleieht paaren sich auch beide Momente, um das Kontro- verse der Erscheinungen hervorzurufen. Wir kommen auf die hier berührte Frage im Abschnitte »Lage- rung der Hohlvene im Leberparenchym« zurück, wo eine Reihe von anatomischen Einrichtungen namhaft gemacht wird, welche in eng- ster Wechselbeziehung zueinander stehen. Aus ihnen wird sich, wie ich meine, das eigenartige und scheinbar widersinnige Ergebnis für das hier erörterte Verhältnis der Durchmesser bei den Anthropoiden im Gegensatz zu den andern Primaten wenigstens zum Teil er- klären lassen. Es sei hier nur angedeutet, daß eine allmähliche 434 Georg Ruge Verschiebung der Hohlvene in dorsaler Richtung nachweisbar wird, woraus jenes Mißverhältnis entstanden sein kann. Die Leber der Fig. 25 b zeigt neben den primitiven Einrichtungen am Scheitel und unteren Ventralflächenwinkel das differente Verhältnis von 1:3,5. Primitives und Sekundäres bestehen hier nebeneinander. 8. Rechter Leberrandwinkel. Er ist durch Hohlvenenachse und den rechten vor ihr befind- lichen Seitenrand der Leber begrenzt. Einige Angaben über die Größe des Winkels finden sich im Aufsatze V S. 139. Sie können nach den Fig. 1—25 für die Primaten erheblich erweitert und in folgender Ordnung vorgeführt werden: Nyeticebus 718° | Sinieus 80° Mensch, Fig. 22 40° Ateles 40° Cynomolgus 80° - = 23 40° Cebus 55—68° ı Hylob. Mülleri 36° - - 25a 50° Petaurista 58° Syndactylus 45° - - 24 etwa 58° Talapoin 70° Schimpanse 55—60° - - 20 60° Cephus 63-—90° Orang 67—75—80° - - 21 60° Babwin 25—60° - - 255 84° Nemestrinus 63° Erwachsene 37—40° djähriges Mädchen. Die gut erhaltene, einer Sektion entnom- mene Leber hat einen rechten Leberrandwinkel von 38°. Die nach der Sektion unausbleiblich eingetretene Formveränderung wird die Winkelgröße nur verringert haben können. Die Schwankungen innerhalb der Ordnungen und bei den In- dividuen sind so groß, daß eine regelrechte Reihe von Umformungen sich für die Primaten nicht angeben läßt. Das Beobachtungsmaterial ist nicht umfangreich genug, um brauchbare Mittelwerte für den Vergleich zu erhalten. Von Bedeutung erscheint die Tatsache, daß bei Macacus die Werte zwischen 63 und 80° schwanken und sich ungefähr in den- selben Grenzen wie beim Orang mit den Werten 67—80° bewegen. Außerdem ist es bemerkenswert, daß die Winkel sowohl beim Schim- panse als auch beim Orang größere individuelle Übereinstimmungen zeigen. Beim ersteren liegen die Schwankungen zwischen 5°, beim letzteren zwischen 13°. Auch ist bei ihnen der rechte Leberrand je sehr ähnlich gestaltet, was die Abbildungen zu erkennen geben. Der Winkel sinkt bei Hylobates Mülleri auf 36°, bei Syndactylus auf 45° herab. Ein noch niederer Wert ist unter den Cereopitheeiden nur noch einmal bei Papio babuin mit 25° angetroffen worden. Die andern Werte übertreffen ihn mindestens um 13°, was durch den Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 435 Befund bei Petaurista mit dem Winkel von 58° verwirklicht ist. Syndactylus nimmt daher unter den Anthropoiden auch hier eine Sonderstellung ein, welche durch die starke Ausdehnung des Ventral- abschnittes des rechten Lappens in caudaler Richtung ausgebildet ist. Die gewölbte Form des rechten Leberrandes beim Neugeborenen der Fig. 20 läßt vermuten, daß durch Abnahme der Wölbung bei andern Individuen größere Unterschiede in der Winkelgröße sich werden nachweisen lassen. Die nachträglich aufgenommenen Be- funde haben die Vermutung bewahrheitet. Eine jede genaue neue Beobachtung an gut erhaltenen Organen wird weitere Aufklärung schaffen. Die Befunde beim Menschen reihen sich nach unsrer Tabelle sehr viel enger an Schimpanse als an Orang an, was als vorläufiges Ergebnis hinzunehmen ist. Der Befund auf Fig. 255 mit dem hohen Winkelwerte 84° lehnt sich eng an das Verhalten bei Macacus und Üercopethecus-Arten an (z. B. Fig. 10, 11). Die Indifferenz der unteren Ventralflächen befür- wortet diese Annahme. Der Winkel an der Leber des Hısschen Modells beträgt unge- fähr 45° und hält die Mitte der Werte von Fig. 23 und Fig. 25. Bei Erwachsenen schwankt der Winkel nach meinen Beobachtungen zwischen 37 und 40°. 9. Vorderrandwinkel. Er wird vom rechten und linken Abschnitte des Vorderrandes der Leber eingeschlossen. Sein Scheitel fällt mit der Ineis. umbili- calis zusammen. Er schwankt bei den Cercopitheeiden zwischen 90 und 180°, sehwillt bei den Anthropomorphen bis auf 190° an, bildet aber bei ihnen in der Regel einen gestreckten Winkel. In einem Falle sinkt er bei Schimpanse auf 140° zurück. An einer Orangleber mit sehr unregelmäßig gestaltetem rechten Vorderrand- abschnitte ist er nieht bestimmbar, je nach der Maßnahme 180 oder 105° groß. Der engste Anschluß der Anthropoiden-Befunde findet sich an die bei Oynomolgus mit 150° und Nemestrinus mit 180°. Bleibt die Winkelgröße unter 180° zurück, so ragt der linke Leberabschnitt in caudaler Richtung mehr oder weniger weit herab, was für ihn eine größere Entfaltung als in den Fällen bedeutet, in welchen der Winkel ein gestreckter oder gar ein stumpfer geworden ist. Die gewonnenen Werte stimmen denn auch mit der Tatsache überein, daß der linke Leberlappen bei den Anthropoiden in der 436 Georg Ruge Regel einer Einbuße an Ausdehnung nach allen Richtungen unter- breitet gewesen ist. An der Größe des Winkels ist eine der vielen Äußerungen des Verhältnisses der Volumentfaltung zwischen den beiderseitigen Leber- hälften zu erkennen. Die Werte beim Menschen in den ver- schiedensten Lebensaltern festzustellen, und zwar unter Berück- sichtigung individueller Schwankungen, muß Aufgabe einer späteren Forschung bleiben. Wir begnügen uns hier mit ganz wenigen, ge- naueren Beobachtungen. a. Primitives Verhalten mit caudalwärts herabragendem Lobus sinister. Die Leber eines Neugeborenen (Fig. 26). erlaubt die genaue Feststellung des Be Vorderrandwinkels, da die } S nach links und rechts von Sn der Ineis. umbilie. ausgehen- = N Fa den Schenkel sehr scharf ge- / \ ER schnitten sind. Der Winkel er, \ Br beträgt 105°, er liegt weit ASS \ unter den Werten bei Anthro- S poiden. Der linke Lappen | RS "7 ragt dementsprechend weit N = I, >—— unter die Ineis. umbilie. her- ST WW & ab, was die stattliche Aus- Wr N bildung des linken Lappens | nach dieser Richtung bedeutet. Leber eines Neugeborenen, von vorn gesehen, bei senk- b. Leber eines älteren rechter Einstellung der unteren Hohlvene. !/.. Angabe Embryos (Fig. 27). Der linke nen Objekte entnommen. Lappen besitzt einen zweige- teilten Vorderrand. Der me- diale Abschnitt ist der kleinere und ist von der Ineis. umbilie. aus caudo-lateral gerichtet. Er umschließt mit dem Vorderrande des rech- ten Lappens einen Winkel von etwa 120°. Der größere laterale linke Randabschnitt wendet sich cranio-lateralwärts. Der Verlauf drückt die Rückbildung im vorderen Lappengebiete aus. Die durch die Ineisur gelegte, mit dem linken Rande parallel verlaufende Linie bildet mit dem Rande des rechten Lappens einen Winkel von 196°. c. Leber eines 4 Monate alten Kindes (Fig. 28). Der rechte Abschnitt der Leber ist stark nach unten entwickelt, der linke ver- kümmerte Lappen bildet den Scheitel des Organs. Der linke Vorder- rand, leicht gewellt, steigt von der Ineis. umbil. an cranio-lateral- Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 437 wärts an. Der Vorderrandwinkel beträgt etwa 137°. Der durch den rechten Vorderrand gebildete Schenkel ist aufwärts eingezogen, schneidet die Ineisur und die vorspringende rechte Seitenecke. Bei Erwachsenen ist der linke Lappen oftmals weiter ver- kümmert, so daß sein Vorderrand mit dem des rechten Lappens einen Winkel bildet, der größer als ein gestreckter ist. Der linke Rand steigt dann steiler eranio-lateralwärts empor. In embryonaler Zeit, in welcher der linke Lappen noch umfang- reicher ist, nimmt der Winkel an Größe ab. Die wenigen Befunde der Fig. 26—28 zeigen die Zunahme des Fig. 27. Fig. 28. rer De ee Hher \ dar 797 dappen Ye D Fig. 27. Leber eines älteren Embryos, von vorn gesehen, bei senkrechter Einstellung der Hohlvene. 2/3. Angabe der Winkel am Vorderrande. Der rechte Lappen läßt den Stamm- und Seitenteil er- kennen. Die Fig. 23 stammt vom gleichen Objekte. Fig. 28. Leber eines Amonatlichen Kindes, von vorn gesehen, bei senkrechter Einstellung der Hohl- vene. 1/2. Angabe des Vorderrandwinkels von 1370. Der rechte Lappen fällt auffallend steil ab, der linke ist klein und bildet den Scheitel der Leber. Die Fig. 24 stammt vom gleichen Objekte her. Winkels von 105 bis zu 137°. Es wird einmal festzustellen sein, in weleher Breite die Schwankungen der Winkelgrößen an embryo- nalen, neugeborenen und an erwachsenen Organen sich befinden. Die Winkel werden wegen der Wandlungen am linken Vorderrande immer nur annähernd genau zu bestimmen sein. d. Die Leber eines Neugeborenen (Fig. 29) zeigt bei etwa gleicher Neigung des rechten Vorderrandes und bei ähnlichem Verhalten des linken Lappens wie auf Fig. 26 einen Winkel von etwa 130°. Er ist demgemäß größer als auf der Fig. 27, trotzdem der linke Lappen hier viel weiter rückgebildet ist. 438 Georg Ruge An der Leber des Hısschen Modelles eines ldjährigen ist der linke Vorderrand gleichzeitig mit der Rückbildung des linken Lappens cranio - lateralwärts stark zurückgewichen. Es hat sich aber ein von der Ineis. umbilic. nabelwärts vorsprin- gender Randteil erhalten. Er umschließt mit dem rechten Vorderrande einen Winkel von etwa 14°. Läßt man ihn außer acht, so fällt der linke Vorder- rand etwa in die Verlängerung des rechten Randes, so daß der Winkel einem gestreckten sich nähert. Leber eines Neugeborenen, von vorn gesehen, bei Bei Erwachsenen ist ein senkrechter Einstellung der Hohlvene. !/s. Der Vor- gestreckter Winkel eine häu- Iran Bat OR der mh Term ige Trscheinung. Die Zu- Objekte entnommen. nahme kann aber unter stär- kerer Rückbildung des linken Lappens noch eine sehr erhebliche sein. Ich finde an gut einge- stellten Organen den Winkel bis auf 210° sich vergrößern. Damit ist aber der höchste Wert nicht erreicht, was die Beobachtungen an weniger gut erhaltenen Organen vermuten läßt. 10. Reehter Vorderrand-Horizontalwinkel. Er wird vom Vorderrande des rechten Leberlappens und von der durch die Ineis. umbilicalis gelegten Horizontalen eingeschlossen. Er bringt die Neigung des rechten Lappens im Ventralgebiete zum Ausdruck. Die geringste Neigung findet sich beim Schimpanse mit dem Winkel von 190°, wo der rechte Rand von der Ineis. umbilie. sogar oralwärts gerichtet ist. Es schließt sich Aylobates mit den Werten 160, 155 und 140° an. Beim Orang beträgt der Winkel in drei Fällen 150°. Cercopitheceiden-Lebern sind nachträglich auf den Winkel ge- prüft worden und haben Folgendes ergeben: Cercopithecus cephus 175—120° Macacus sinieus etwa 150° - petaurista 140° - ceynomolgus 130° - talapoin 130° Papio babwin 125° Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 439 Schimpanse nimmt mit dem Winkel von 190° eine Sonderstellung ein; während die Steilbeit des rechten Vorderrandes der Leber bei Hylobates und Orang etwa derjenigen bei Macacus sinicus gleich- kommt. Da die Höhen- und Breitenverhältnisse der Leber bei Cerco- pitheeiden und Anthropomorphen sich verschieben, von Höhe und Breite des Organs aber die Größe des Winkels abhängig ist, so sind die Werte zweckmäßigerweise zunächst nur bei den gleichartig geformten Organen der Cercopitheciden oder der Anthropomorphen untereinander in strengere Parallele zu stellen. Es ist begreiflich, daß eine Leber mit kleinem Querdurchmesser und steilem rechten Vorderrande allein unter Zunahme ihrer Breite an Steilheit des rechten Randes verlieren wird. Ein Ausgleich kann erfolgen, wenn zugleich auch eine Höhenzunahme des Organs sich einstellt. Da außerdem der rechte Vorderrand bei Cercopitheeiden gegenüber dem der Anthropoiden in der Regel noch unvollständiger Art ist, weil der rechte Seitenlappen die Ventralfläche noch nicht erreicht, so sind ganz andre Bedingungen als bei den letzteren vorhanden. Bei ihnen beteiligt sich auch der Seitenlappen am Aufbaue des Vorderrandes. Cynomolgus und Sinicus schließen sich durch die Gestaltung des Leberrandes wohl am engsten an die Anthropomorphen an, stimmen auch am meisten bezüglich der Winkelgröße mit ihnen überein. Die Verhältnisse beim Menschen sind vorderhand sehr wenig bekannt und müssen für die verschiedenen Altersstadien erst fest- gestellt werden, bevor ein Vergleich mit Anthropoiden angestellt werden kann. Einige Beobachtungen können indessen hier bereits niedergelegt werden. An der Leber eines Neugeborenen (Fig. 29) ist der rechte Vorder- rand-Horizontalwinkel 156°, an der eines andern 151° (Fig. 26). Diese Werte stimmen mit denen bei Orang ungefähr überein und entfernen sich nicht wesentlich von der bei Zar II gefundenen Winkelgröße von 155°. Auf der Fig. 27 sinkt der Winkel auf 141°, auf Fig. 28 auf 110°. Die bei Anthropoiden und beim Menschen festgestellten Ver- hältnisse reihen sich folgendermaßen aneinander: Sehimpanse 190° Mensch, Fig. 29 156° Hylobates 160°, 155°, 140° - - 26 ..151° Orang 130°,.1000°, UD8)> - - 27 141° - - 28 110° Erwachsene 154° 440 Georg Ruge Es ist nach diesen Befunden zu vermuten, daß eine größere Varia- tionsbreite sich wird nachweisen lassen. 11. Neigungswinkel der Intestinalfläche des rechten Leberlappens. Der Winkel ist bei den Cercopitheciden und Anthropoiden durch die quere Neigungsachse der Intestinalfläche des rechten Lappens und durch eine, die Grenze beider Lappen schneidende Horizontale bestimmt worden. Es ergab sich, daß, je kleiner der Winkel und je steiler infolgedessen die Neigung, je indifferenter das Verhalten bei den Cercopitheeiden war. Die Intestinalfläche war in der Regel bei letzteren steiler als bei den Anthropoiden. Bei Zar II und Syndactylus war der ursprünglichere Zustand durch die Werte 135 und 140°, bei Zar I, Schimpanse und Orang der differentere durch die Größen von 145—155° ausgebildet. Ein engerer Anschluß der Anthropoiden läßt sich an Papio babuin mit 135° und an die Macacus-Arten mit 135° bei C’yno- molgus, mit 140 und 145° bei Sinv- cus und mit 155° bei Nemestrinus erkennen. Der rechte Vorderrandwinkel kann mit dem Neigungswinkel der rechten Intestinalfläche gleich groß sein. Das trifft aber nur selten zu. Es war bei Syndac- tylus (140°) und bei Orang II (150°) der Fall. Für die menschliche Leber fehlen zurzeit noch die erforder- lichen zahlreichen Beobachtungen. Ich kann nur wenige genauere renale Dorsalansicht der Leber eines 4 Monate alten Kindes. 1/2. Angabe der Hohlvenenachse und des Neigungswinkels der Intestinalläche des rechten Lappens. Die Fig. 24 ist dem gleichen Objekte entnommen. läßt sich genau auf 128° bestimmen. Angaben bringen. a. Leber eines 4 Monate alten Kindes (Fig. 30). Der Neigungs- winkel der rechten Intestinaldäche Der rechte Lappen ragt bei steiler Stellung weit herab. Die rechte Seitenrandkante ist scharf ausgeprägt, so daß sie und die Fossa venae umbilic. gute Anhalts- punkte für die Bestimmung der Neigung der Fläche abgeben. Die Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 441 Bestimmung der Horizontalen ist durch die Hohlvenenachse ohne weiteres ermöglicht. Die Aufnahme des Objektes in dorsaler Ansicht erfolgte wie die der folgenden Objekte auf Fig. 31—34 nach der Einstellung der am weitesten vorspringenden linken und rechten Leberteile in die Frontalebene. Der Befund steht durch die Winkelgröße von 128° tiefer als alle bei den Anthropoiden gefundenen Wahrnehmungen, wo der kleinste Wert 135° beträgt. Ein Anschluß kann unter den Üerco- pitheeiden bei Macacus nemestrinus mit 150° und bei Papio sphinz Fig. ale ‚ Fig. 32, Fig. 31. Dorsalansicht der Leber eines älteren Embryos. 2/.. Angabe der Cava-Achse und des ‚Nei- gungswinkels der rechten Intestinallläche von 1350. Die Fig. 23 ist vom gleichen Objekte entnommen. Fig. 32. Dorsalansicht der Leber eines älteren Embryos. ?/;. Angabe der Cava-Achse und des Nei- gungswinkels der rechten Intestinaltläche von 1410, mit 125° gefunden werden. Man vergleiche die tabellarische Zu- sammenstellung im Aufsatze IV, S. 131. Aus dem engeren Anschlusse an das Verhalten bei einigen niederen Ostaffen kann zunächst nur die Indifferenz des Befundes hergeleitet werden. b. Leber eines älteren Embryos (Fig. 31). Der rechte Lappen ist massig und in ceranialer Richtung stärker entfaltet als am vorigen Objekte. Die rechte Fläche setzt sich gegen die obere schärfer ab. Der Neigungswinkel beträgt 135°. c. Das Organ eines ungefähr gleichalterigen Embryos (Fig. 32) zeigt bezüglich der eranialen Entfaltung und der Flächenstellungen einen ähnlich geformten rechten Lappen wie auf Fig. 31. Der Neigungswinkel der rechten Intestinalfläche beträgt 141°. 442 Georg Ruge Die Werte der Objekte b und e stimmen mit denen bei Zar II (135°) und Syndactylus (140°) überein, so daß der Anschluß an Anthropoide hiermit gegeben ist. d. Leber eines Neugeborenen (Fig. 33). Die Form des Organs gleicht der auf Fig. 35. Der gute Erhaltungszustand erlaubte eine Fig. 33. Fig. 34. Fig. 33. Dorsalansicht der Leber eines Neugeborenen. ?/s. Der Neigungswinkel der Intestinallläche des rechten Lappens beträgt 144%. Fig. 25 und 29 sind vom gleichen Objekte entnommen. Fig. 34. Dorsalansicht der Leber eines Neugeborenen. 1/.. Angabe der Cava-Achse und des Nei- gungswinkels der rechten Intestinalfläche von 1490. Fig. 35. genaue Aufnahme des Neigungs- winkels. Er beträgt 144°. Die Übereinstimmung mit dem Ver- halten bei Schimpanse I und. Orang VI (145°) trifft bis auf 1° gu. e. Leber eines Neugeborenen (Fig. 34). Das massive, auch links ansehnlich entfaltete Organ läßt bei guter Erhaltung seiner äußeren Dorsalansicht der Leber eines Neugeborenen. 2/s. Formen den Neigungswinkel auf Angabe der Cava-Achse, der Horizontalen und des 149° bestimmen. Die obere Fläche Neigungswinkels der rechten Intestinalfläche von 1500. Fig. 26 ist vom gleichen Objekte ent- setzt sich wie auf Fig. 31 und 32 nz: gegen die rechte Seitenwand deut- lich ab, obschon eine vermittelnde Rundung zwischen sie sich ein- schiebt. f. Leber eines Neugeborenen (Fig. 35). Die Form des rechten Lappens stimmt trotz mancher Verschiedenheiten im wesentlichen mit der des vorigen Objektes überein. Der Neigungswinkel beträgt 150°. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 443 Die Werte bei e und f stimmen mit dem bei Zar I und Orang II überein; sie übersteigen die Winkelgrößen von Schimpanse I und Orang VI (145°) um 4—5°, den bei Syndactylus (140°) um 9—10° und den bei Zar II. (135°) um 14—15°. Sie bleiben nur gegen den Winkel bei Schimpanse III (155°) um 5—6° zurück. Die hier festgestellten Schwankungen in der Größe des mensch- lichen Winkels liegen zwischen 128 und 150°. Aller Wahrschein- lichkeit nach werden die Befunde am Erwachsenen uns manches Neue bringen. Tadellos erhaltene Objekte sind schwer zu erhalten. Mein Bestreben, die Lücken in der Beobachtung auszufüllen, ging nur so weit in Erfüllung, als ich den Winkel annähernd in einigen Fällen auf 145° bestimmen konnte. 12. Winkel zwischen dem Vorderrande des linken Lappens und der Horizontalen der Gegenseite. Die Horizontale, welche den Winkel begrenzt, denken wir uns durch die Ineis. umbilicalis nach rechts gelegt. Der Winkel öffnet sich nach unten. Je kleiner er ist, um so stattlicher gestaltet sich der Ventralabschnitt des linken Lappens. Mit dessen Rückbildung wird der Winkel zunächst ein gestreckter und schließlich ein stumpfer. Im letzteren Falle weicht der linke Vorderrandteil von der Ineis. umbilic. aus nach oben und links aus. Im Aufsatze V ist der das gleiche anatomische Verhältnis zum Ausdrucke bringende Winkel für die Anthropoiden in andrer Berechnung angegeben worden. Wir rechnen hier die Werte aus praktischen Gründen um und ordnen sie nach dem durch sie ausgedrückten Grade der Umwandlungen am Lobus sinister: Schimpanse 130—180° | Hylobates lar 190—220° Orang 150—150—170° | - syndactylus 215° Die größte Rückbildung des linken Lappens findet sich bei Aylobates. Schimpanse und Orang bleiben weit hinter ihm zurück. In der ver- schiedenen Winkelgröße ist nur eine der vielen gleichartigen Äußerungen der Sonderstellung von Hylobates zu erblieken. Es ist zu erwarten, daß neue Beobachtungen wegen der Ver- änderlichkeit des linken Vorderrandes der Leber die Befunde in einem großen Breitegrade der Schwankungen werden erscheinen lassen, ohne jedoch die Bedeutung der Ergebnisse im wesentlichen zu beeinträchtigen. Für die Leber des Menschen sind Beobachtungen an den Or- 444 Georg Ruge ganen verschiedensten Alters zu sammeln. DBescheidene Anfänge liegen hier vor. Der Winkel beträgt an der Leber eines Neugeborenen (Fig. 26) 135°. Er drückt im Vergleiche mit den Befunden bei Anthropoiden die geringe Rückbildung des linken Lappens aus, welcher beträchtlich über die Horizontale ecaudalwärts herabragt. Der Winkel ist nur in einem Falle bei Schimpanse kleiner als hier. Bei einem andern Neugeborenen beträgt der Winkel 156° (Fig. 29), bei einem 4 Monate alten Kinde 206° (Fig. 28). An der embryonalen Leber der Fig. 27 ist der Winkel durch die starke Rückbildung des linken Lappens auf etwa 235° vergrößert. Die Messung berücksichtigt dabei nicht den kleinen medialen Rand- teil, welcher von der Ineisur caudo-lateralwärts gerichtet ist. Dieser Befund steigt über das bei den Anthropoiden gefundene Verhalten hinaus, während der auf Fig. 28 sich an das bei Zar anlehnt. Bei Erwachsenen finde ich den Winkel bis auf 230° in der Zunahme. 13. Verhältnis zwischen größtem queren und größtem sagittalen Durchmesser der Leber. Die Beobachtungen müssen, um für vergleichende Betrachtungen nutzbar gemacht zu werden, unter möglichst gleichen Bedingungen, welche die natürliche Lage der Leber in der Bauchhöhle berück- sichtigen, aufgenommen werden. Anhaltspunkte sind durch die nahezu senkrecht gestellte Achse der unteren Hohlvene und die beiderseitigen dorsalen Randecken der Leberlappen gegeben. Durch die Verbindungen beider Ecken miteinander erhalten wir eine bei verschiedenen Organen nahezu gleichbleibende Querachse der Leber. Dureh die senkrechte und die quere Achse können wir das Organ nach der natürlichen Lage im Körper orientieren. Nur die unter den genannten Bedingungen gewonnenen Werte können für die Ver- gleichung Berücksichtigung finden; denn es leuchtet ein, daß der Querdurchmesser der Leber mit demjenigen der Intestinalfläche wegen deren verschieden starker Neigung nicht übereinstimmen kann. Die Maße für Breite und Tiefenausdehnung der Leber können im Leichnam nur unter großen Schwierigkeiten aufgenommen werden, so daß die Untersuchung an exenterierten Organen nötig wird. Das Verhältnis beider Durchmesser zueinander ist ein wichtiges Merkmal für die Beurteilung der Leber. Breiten- und Tiefenaus- Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 445 dehnung der Leber sind durch die Zwerchfellform und von der Ge- staltung des Brustkorbes, wir können sagen von der des Rumpfes, unmittelbar beeinflußt. Das Zwerchfell ist in Form und Bewegungs- art von den Organen der Brusthöhle beherrscht. Die verschiedene Lagebeziehung des Herzens zum Zwerchfelle bei den Primaten äußert sich in der Verschiedenheit der Zwerchfellkuppel und der unterschiedlichen Höhenverschiebung derselben. Sie wird verhältnis- mäßig groß sein, solange ein Lungenlappen zwischen Herz und Zwerchfell eingeschoben ist, sich aber verringern, nachdem der Herzbeutel mit dem Zwerchfelle aufs engste verschmolzen ist. Diesen Verhältnissen paßt sich die Leber an. Ihre Breite und Tiefe bleiben dabei die Abdrücke der entsprechenden Weiten der Höhlen und der Wandungen des Rumpfes an der Grenze zwischen Brust- und Bauchgegend. Wir sind deshalb auch imstande, aus den betreffenden Größenverhältnissen an der Leber Rückschlüsse auf die engere und weitere Nachbarschaft zu ziehen. Es darf als ausgeschlossen gelten, daß der Leber irgend eine Führerrolle bei der Umbildung von Zwerchfell und Rumpfwandung innerhalb der Primaten zukommt. Sie ist das sich anpassende Or- gan. Die umgestaltenden Faktoren liegen fern von ihr. Den größten Einfluß unter ihnen üben bei den Primaten wohl diejenigen aus, welche mit dem Erwerb der aufrechten Körperhaltung in die Er- scheinung getreten sind. Die allmähliche Zunahme der Breite im Vergleiche zum sagittalen Durchmesser der Leber bei den Primaten ist bereits andern Forschern aufgefallen und auch wissenschaftlich verwertet worden. Das Wesentliche hierüber findet man im Aufsatze V, 2g. A. KeırH (1899) hat in Kürze auf die Weehselwirkung zwischen den Umwand- lungen an den Organen der Bauchhöhle und am Brustkorbe hinge- wiesen. Daß nun die Leber der Anthropoiden im Vergleiche mit dem Organe der Cercopitheeiden an Breite, und zwar auf Kosten des sagit- talen Durehmessers zugenommen hat, unterliegt keinem Zweifel. Es ist aber unzutreffend, diese Tatsache so darzustellen, daß der Quer- durehmesser der Leber bei Anthropoiden und beim Menschen den sagittalen Durchmesser übertreffe, und daß das umgekehrte Ver- hältnis bei den niederen Affen zu finden sei (A. Keıtn). Es hat sich nämlich ergeben, daß der quere Durchmesser in keiner der 13 auf- genommenen Beobachtungen bei den Cercopitheciden kleiner ist als der sagittale, daß das Verhältnis der Durchmesser zueinander aber wohl bei den Anthropoiden zugunsten der Leberbreite zunimmt. Morpholog. Jahrbuch. 37. 5 29 446 Georg Ruge Maßnahmen für die menschliche Leber fehlen uns; sie werden unter Berücksichtigung der natürlichen Lage des Organs aufzunehmen sein, damit die Vergleichung mit den Ergebnissen bei Anthro- poiden usw. ermöglicht werde. Auch die versehiedenen Entwicklungs- zeiten der Leber werden zu berücksichtigen sein, um zu prüfen, ob das Größenverhältnis während der Ontogenie Veränderungen erfahre. Individuelle Schwankungen werden beim Menschen in reichem Maße bestehen. Auch ihr Umfang ist festzustellen. Aus der Literatur lassen sich wohl, namentlich wenn Abbildungen und Modelle benützt werden, bestimmte Werte gewinnen, welche jedoch ihrer Ungenauigkeit halber höchstens eine vorläufig orien- tierende, aber keine bleibende Bedeutung haben können. Einige Angaben sollen dennoch zu Rate gezogen werden. Die eignen Be- obachtungen sind zu spärlich, als daß sie einwandslos den Weg weisen können, welchen die menschliche Leber in ihrer URRBEE eingeschlagen hat. Getreue Abbildungen von drei menschlichen Embryonen erlauben mir nachträglich die Feststellung der folgenden, wenigstens nahezu richtigen. Maße. | en Scheitel- | Größter || Verhältnis EEE | querer | sagittaler beider Steißlänge | | { | Durchmesser | zueinander | Scm 2. sem | 1,6 vem 1.127058 14 - 3,8 - as a N | 14 - 3,55 - BL UNDE 11848 Der Mittelwert beträgt 1,172 :1 Aus den Abbildungen von embryonalen Lebern im Aufsatze A. Tuomsoxs (1899) entnehme ich folgende Maße: Figuren- RE Verhältnis bezeichnung querer | sagittaler Berger Durchmesser zueinander 7 4,9 cm | 4,0 cm 1a Aa a aka Ai a a 2 56 - | 46 - 12 :1 E Br Dr ß 68 - |51 - |. 188:1 r 76.- | 55 -, | 1,86:1 5 2 - 153 - 1,37:1 Der Mittelwert re 1,28:1 Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 447 Ganz zuverlässige Maße, stets bei gleicher senkrechter Ein- stellung der Hohlvenenachse aufgenommen, lasse ich hier folgen. | | Größter Verhältnis Figurenbezeichnung querer sagittaler beider | Durchmesser zueinander Älterer Embryo | der Fig. 23, 27, 31 74cm | 54cm EYE | = “Er - 1.50: - 1,42:1 Neugeboren (Fig. 26, 35) IHR 208.9: °- 2 ge | £ (- 25, 29, 33) 10,6 BuNsga dan. 2474 6 Wochen altes Kind IN a a m 4 Monate altes Kind (Fig. 24, 30), 9,0 - 90 - L:t Am Modelle der Leber eines etwa ldjährigen Jünglings nach W. Hıs finde ich bei senkrechter Einstellung der Cava-Achse: Breite | Sagittale | Verhältnis 21,0 cm | 11,8 em | Bu Bei Erwachsenen schwankt das Verhältnis zwischen 1,3:1 und 18:1. Aus den spärlichen genauen und annähernd genauen Maßen und den aus ihnen gewonnenen Größenverhältnissen ist das durch neue Beobachtungen wieder zu prüfende, vorläufige Ergebnis abzu- leiten. Es zeigt, daß der Querdurchmesser der Leber gegenüber dem sagittalen stetig zunimmt. Die einzelnen Entwicklungszustände sind festgelegt durch die Werte: 1,17:1, 128:1, 14:1 und 1,8:1. Die die Reihe durchbrechenden Schwankungen können durch den Befund am 4 Monate alten Kinde mit dem Werte 1:1 als schwer- wiegende, gegen das Ergebnis sich wendende Tatsachen geltend gemacht werden. Es ist jedoch hervorzuheben, daß die Leber dieses Kindes eine besonders starke Steilheit des rechten und eine aus- gesprochene Rückbildung des linken Lappens zeigt, durch welche Umstände der Querdurchmesser bei senkrechter Einstellung der Hohlvene sich notwendig verringern muß. An einer Reihe von Abbildungen, vor Jahren aufgenommen, habe ich nachträglich das Größenverhältnis der beiden Durchmesser zueinander bestimmt und daraus den Mittelwert von 1,48:1 für zehn Lebern von Neugeborenen gefunden. Elf Organe von Kindern aus dem ersten und zweiten Lebensalter haben den Mittelwert 1,5:1 er- geben. Diese Werte fügen sich in die obige Reihe zwanglos ein; sie besitzen keine beweisende Kraft, aber widerstreiten auch nicht 29* 448 Georg Ruge der Annahme einer allmählichen Zunahme des Querdurchmessers der Leber. Bei Cerceopitheciden bleibt das Verhältnis beider Durchmesser zueinander in 13 Fällen zehnmal unter 1,16:1. Damit steht der bei jüngeren Embryonen gefundene Wert von 1,17 im Einklang. Zwei- mal steigt das Verhältnis bei Cercopitheeiden auf 1,5:1 (Macacus sinieus und Papio babwin); es stimmt mit dem aus den Tuomsoxschen Abbildungen entnommenen Mittelwerte 1,28:1 überein. Einmal ist das Verhältnis 1,4:1 (Cercopethecus petaurista). Dieser Wert nähert sich dem bei Neugeborenen. Bei den Anthropoiden sinkt der Wert nur einmal unter 1,5 :1, und zwar bei Schimpanse mit dem Verhältnisse von 1,14:1, welches die Größe wie bei jüngeren menschlichen Embryonen erreicht. Der Wert liegt für die andern Lebern von Anthropoiden zwischen 1,3:1 und 1,6:1. — Für Hylobates ergibt sich ein Mittelwert von 1,5:1, für Schimpanse von 1,27:1 und für Orang von 1,45:1. Das Ver- halten bei Schimpanse stimmt mit dem aus den Tuomsonschen Ab- bildungen entnommenen Mittelwerte überein, das bei Orang mit dem Werte bei Neugeborenen. Hylobates steht höher und nähert sich am meisten dem Werte beim Erwachsenen. Das aus dem Vergleiche der Werte aufgestellte Aneinander- reihen von verschiedenen menschlichen Altersbefunden an die Be- funde bei Cereopitheeiden und Anthropoiden deutet fernere und . nähere Beziehungen an. Sie werden sich erst genauer bezeichnen lassen, sobald das Beobachtungsmaterial ein reichlicheres ist. 14. Verhältnis zwischen größter Breite und größter Höhe (Breiten-Höhendurchmesser). Die größte Höhe der Leber kann nur am Organ in natürlicher Lage abgelesen werden. Fehlt die Möglichkeit der richtigen Ein- stellung, so bleiben alle Messungen willkürliche. Da für die mensch- liche Leber die gewünschten Maße noch nicht vorliegen, so bleiben wir zunächst auf die wenigen eignen Beobachtungen und einige in der Literatur niedergelegte Angaben angewiesen. Aus den mit lem Lucazschen Apparate in ventraler oder dorsaler Ansicht ent- worfenen Figuren sind die Maße aufgenommen worden. Bei Hylobates beginnen die Werte mit 1,4:1 (Zar I) und sinken zuungunsten der Leberbreite auf 0,8:1 (Zar II), so daß die Höhe die Breite übertrifft. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 449 Bei Schimpanse bleibt das Verhältnis in drei Fällen gleich; es beträgt 1,8:1. Bei Gorilla ist die Breite 2,2 mal so groß als die Höhe. Beim Orang ist der Wert in einem Falle 1,37:1; er steigt auf 2,2:1 und an einem dritten Objekte auf 2,5:1. (Man vergleiche den Aufsatz V, S. 145.) Es erhebt sich die Frage, welche Stellung die menschliche Leber zu den Befunden bei Anthropoiden einnehme. Hierfür kommen folgende genaue Beobachtungen in Betracht: Größte j Verhältnis Breite | Höhe | beider ae dober || zueinander Älterer Embryo (Fig. 32) | 7.lcem 63cm | 21% = rer .3l) Hd. EREN 115 :1 4 & ee) ES ER G1Y- 1.18. :1 Neugeboren Jo a ten 4 (Fig. 34 115 - gi. 1,37 :1 5 (436 Bi IE. a a ö Be: VPE ann A RA ze 4 Monate altes Kind (Fig. 30) 90.- 10,4 - N 15jähriger Jüngling (Hıs’ Modell)! 21,0 - 155 - 1,355:1 Erwachsene 18.,5—21,2 em 19,5—17,3 cm ) 0,95:1—1,2:1 Es ist in erster Linie an die Tatsache zu erinnern, daß das Höhenmaß der Leber im Verhältnis zur Breite innerhalb der Primaten allmählich sich verringert; denn bei Cercopitheeiden wurde unter 11 Fällen zweimal die Höhe größer als die Breite angetroffen. Sechsmal waren Höhen und Breiten gleich groß, und nur dreimal war der quere Durchmesser größer als die Höhe (1,28:1; 1,5:1; 1,5:1). Schimpanse, Gorilla und Orang (zweimal in drei Fällen) zeigen einen weit höheren Wert zugunsten der Breite (1,8:1 bis 2,9:1) als die Cercopitheeiden. Es darf daher als feststehend gelten, daß jeder individuelle menschliche Befund um so ursprünglicher ist, je geringer der Unter- schied zwischen Breite und Höhe sich gestaltet. Höchste Werte wie 1,4:1 bei Neugeborenen stimmen mit dem Befunde bei Zar I über- ein; sie bleiben hinter den differenteren von 1,8:1 beim Schimpanse zurück und werden durch die differentesten Werte von 2,2:1 und 2,5:1 bei Gorilla und Orang bei weitem übertroffen. Einmal unter drei Fällen sinkt der Wert beim Orang auf 1,37:1 herunter. Er -450 Georg Rüge wird in gleicher Höhe beim Neugeborenen und beim Jünglinge gefunden. Das Verhältnis bei Embryonen von 1,15—1,15:1 ist ein gleiches wie bei Syndaetylus. Es nähert sich dem bei Cercopitheeiden waltenden Zustande. Der Wert von 1,28:1 beim Neugeborenen ist einmal bei deh Cereopitheeiden Sanenraien worden (Cercopithecus cephus); er fügt sich zwischen die Befunde bei den letzteren und den Anthro- poiden ein. Die Leber des 4 Monate alten Kindes mit dem Werte 0,8:1 stimmt mit der von Lar II überein. Unter den Cercopitheeiden stellt sich ein so niederer Wert bei Cercopithecus callitrichus und bei Cercopitheeus cephus ein. Die steile Stellung des rechten bei gleich- zeitiger Rückbildung des linken Lappens ist die Ursache für das auffallende, von andern Befunden abweichende Verhältnis zwischen Breite und Höhe der Leber (Fig. 28). Die bildlichen Darstellungen von drei embryonalen Organen im Aufsatze von ErIık Müruzr (1897) erlauben eine zutreffende Bestim- mung der Maße: rd Verhältnis Tas | beider || Breite | Höhe | zueinander { MN | Fötus von 17cm (Taf. IV Fig.3) 29cm 2ödem , 1,16:1 a ee ne eery: ee ee rn 1,45:1 Der erste und der dritte Fall lassen sich in die Tabelle der eignen Beobachtungen zwanglos einordnen. Der dritte Fall entspricht un- gefähr den Befunden bei Neugeborenen der Fig. 33 und 35. Das Breiten-Höhenverhältnis an der Leber des 20 em langen Embryos ist indessen ein auffallend hohes und stimmt mit dem bei Neugeborenen überein. Hiernach können also die individuellen Schwankungen in früher Entwieklungszeit bereits sehr deutlich hervortreten. Die am Hiısschen Modelle direkt genommenen Maße ergeben für das Verhältnis von-Breite zur Höhe den Wert von 1,355:1. Die Berechnung nach den Fig. 1 und 2 der Taf. II (1878) ergibt einen etwas höheren Wert (1,4:1—1,48:1). Er entfernt sieh nieht wesent- lich von den bei Neugeborenen gefundenen Werten. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 451 Das Fehlen zahlreicher Maßnahmen bei Erwachsenen stellt eine Lücke in der Beobachtungsreihe dar. Die vielen, von Sektionen ent- nommenen Objekte sind als unbrauchbar für unsre Zwecke beiseite gelassen. Die für die Lebern Erwachsener bestimmten Werte von 0,95:1 und 1,2:1 nähern sich dem ursprünglichen Verhalten. 2. Rückbildungserscheinungen am linken Leberlappen. Daß der linke Lappen der menschlichen Leber eine sehr aus- gesprochene Volumsverminderung erfahren hat, ist seit sehr langer Zeit bekannt. Er teilt diese Erscheinung mit dem Organe der Üerco- pitheeiden und Anthropomorphen. Das Maß der Reduktion, welches im Einklange mit einer wechselseitigen Entfaltung des rechten Lap- pens steht, äußert sich in einer Reihe von Zuständen, welche, zu- sammengestellt, den Grad der Rückbildung einigermaßen veranschau- liehen können. Da die Volumsverminderung an der einen Stelle weiter vorgeschritten sein kann als an der andern, so bringt eine einzelne der vorzuführenden Erscheinungen den abgelaufenen Vor- gang nie ganz zum Ausdruck. Einige unter den vielen Rückbildungszeichen am linken Lappen lassen sich einigermaßen genau zahlengemäß ausdrücken. Wo das möglich ist, da besteht auch die Möglichkeit, den Rückbildungsgrad in den Einzelerscheinungen sowohl innerhalb der verschiedenen in- dividuellen Fälle als auch innerhalb der Ordnungen festzustellen. Es ist in früheren Abhandlungen versucht worden, den Weg, welchen die Untersuchung zu nehmen habe, anzugeben. Auch ist manches verwertbare Material an niederen und höheren Affen ge- wonnen worden, welches, für eine weitere vergleichende Betrachtung verwendbar, auf die menschlichen Verhältnisse unmittelbar ange- wendet werden kann, sobald die zum Vergleich erforderlichen Tat- sachen bekannt sein werden. Es ist zu erwarten, daß allenthalben festgestellt werden könne, in welchem Grade der linke Leberlappen des Menschen in der verschiedenartigen Volumsentfaltung beein- trächtigt worden sei. Als Zeichen der Rückbildung am linken Lappen können die folgenden aufgeführt werden. a. Höhe der Speiseröhrenfurche. Die Randteile des Lappens werden allmählich schmal und laufen dann scharf aus. Dies vollzieht sich unter Rückzug der Ränder 452 Georg Ruge gegen die Zwerchfellkuppel zu und unter erheblicher Einbuße des Lappens an Masse. In der Regel eilen der dorsale und der laterale Rand dem vorderen voraus, so daß dieser noch erheblich weit eaudal- wärts herabragen kann, während der dorso-laterale Randabschnitt, beinahe horizontal gestellt, auf die Nachbarschaft der Zwerchfell- kuppel angewiesen sein kann. Hiermit hängt die bekannte Er- scheinung zusammen, daß im Lig. triangulare wie im lateralen Aus- läufer des Kranzbandes abgesprengte Lebermassen angetroffen wer- den. Das Lig. triangulare ist eine Folgeerscheinung der Rückbildung des linken Lappens. Wo es mit dem Zwerchfelle sich vereinigt, mögen die Verbindungsstellen des einst voluminöseren linken Lappens mit der Bauchhöhlenwand gelegen gewesen sein und sich weit vom rückgebildeten Leberabschnitte erhalten haben. Der linke Lappen ist an dieser Anheftungsstelle einmal entwickelt gewesen. Dabei zeigen aber diese Stellen keineswegs den ursprünglichsten örtlichen Grad der Entfaltung des Lappens an, da das Kranzband von der linken Seite her gemeinsam mit dem linken Lappen den Rückweg angetreten haben kann. Der dorsale Randteil bleibt gegen die Längsfurche der Leber in der Regel als Wandfläche bestehen, da der Oesophagus sich in ihr einlagert. Die graduellen Unterschiede in der Höhe der Im- pressio oesophagea werden gleichfalls durch die Massenabnahme des linken Lappens verursacht. Wie weit diese beim Menschen sich vollziehen kann, bleibt festzustellen. Wenn man die Höhe des Speiseröhrenabdruckes mit der Breite der Leber vergleicht, so läßt sich ein Wert finden, welcher die relative Abnahme der ersteren einigermaßen verdeutlicht. Für die Anthropoiden ist dies durchge- führt worden. Es ergaben sich die Größenverhältnisse beim Schim- panse von 1:8,6 bis 1:14, bei Hylobates von 1:10 bis 1:18, beim Gorilla von 1:17, beim Orang von 1:16 bis 1:20. Bei den Cerco- pitheeiden betrug das Größenverhältnis 1:1,5 bis 1:1,4. Die Im- pressio oesophagea hat also bei den Anthropoiden eine sehr be- trächtliche Höhenabnahme erfahren. Folgende Werte wurden an einigen menschlichen Objekten ge- wonnen: Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 453 | Höhe der : Verhältnis | : Breite s Impressio ' beider | der Leber ä || oesophagea zueinander Neugeboren (Fig. 35) 08cm | 11,5cm | 1:14,4 Ben - (Z. M. 05.117.E.a.26) | 06 - |11,0 - | 1:18 Älterer Embryo (Fig. 31) | 10 - 44 - (1372 10jähriges Mädchen 0,8 - 20,5 - 1:26 l5jähriger Jüngling | 23 - 20,8 - %:9 Erwachsen (Z. M. 03. 10. E.11.15) | 20 - |207 - | 1:103 Die individuellen Schwankungen sind sehr beträchtlich; sie liegen zwischen 1:7,4—1:26, beginnen also mit einem etwa glei- chen Werte wie beim Schimpanse, steigen aber über das Höchst- maß, beim Orang gefunden, hinaus. Der vordere Rand des linken Lappens pflegt weniger scharf als der dorso-laterale auszulaufen und außerdem weiter caudalwärts herab- zusteigen. In beiden Eigenschaften zeigt sich ventral eine geringere Volumsverminderung als dorso-lateral. Die Befunde bei Neugeborenen lehnen sich an die embryonalen an; sie haben die stärkere Volums- entfaltung des linken Lappens allenthalben noch bewahrt. Die graduelle Reduktion am Vorderabschnitte kommt durch die Werte zum Ausdrucke, welche der Winkel zwischen linkem Leber- Vorderrande und der Horizontalen bezeichnet. Hiervon handelte ein früherer Abschnitt. b. Höhenstand des linken Seitenrandes der Leber. Je höher der linke Seitenrand der Leber steht, um so ausge- sprochener ist die Einschmelzung des linken Lappens an entspre- chender Stelle. Der Höhenstand des linken Seitenrandes läßt sich durch das Verhältnis feststellen, welches zwischen dem Höhenunter- schiede von linkem und reehtem Leberrande und der größten Höhe der Leber besteht. Die gewonnenen Werte sind für eine Verglei- chung unmittelbar verwertbar. An der Leber der Anthropoiden hatte sich feststellen lassen, daß der Höhenunterschied zwischen linkem und rechtem Rande beim Schimpanse den 3,2. Teil der gan- zen Leberhöhe betrug, bei Hylobates syndactylus den 2.—1,1., bei Hylobates Mülleri den 1,1. und beim Orang den 1,27.—1,2. Teil. Der linke, höchst liegende Randteil ragt hiernach beim Schimpanse am weitesten herab, was einem Indifferenzzustande entspricht. Für die menschliche Leber sind folgende Werte gefunden worden: 454 Georg Ruge Größter Höhen- | unterschied zwi- Größte Höhe | Verhältnis schenlinkemund | der Leber beider || rechtem Leber- zueinander | rande Embryo (Fig. 36) | 6,5 cm 6,5.em.2|,. 1.7 - (Fig. 32) | 4,5 - ddr 1:13 Neugeboren N 42 - A,dur- 4:48 ” (Fig. 35) Ne Bar 1:17 - (Z.M.0B. 117. E.a. II. 26) | ba - 80 - 1:31.56 4 Monate altes Kind (Fig. 37) BR 10,7 - 1: 1,06 l5jähriger Jüngling (Hıs’ Modell) 8,75 - 14,2 - 171,6 Erwachsen (Z. M. 03. 10. E. II. 15) | 18,6 - 195 - 1:1,05 Ein Blick auf die begleitenden Abbildungen lehrt, daß wegen des ventralen Abfalles des linken Seitenrandes die Werte nach der Wahl der Maßnahme vorn oder hinten sehr erheblich sich verschieben müssen. Ich habe, um den höchsten Grad der Rückbildung festzu- stellen, die Stelle des Höchststandes gewählt. Sie entfällt in der Regel auf den dorsalen Abschnitt des Lappens; sie fällt z. B. auf Fig. 36 etwas hinter, auf Fig. 37 aber vor die Hohlvenenachse. Es ließen sich nun aber auch bestimmte andre Punkte für die Maßnahmen empfehlen. Die Mitte des sagittalen Leberdurchmessers könnte z. B. gewählt werden, um die Abnahme der Höhenausdehnung am linken Lap- pen zum Ausdrucke zu bringen. Magen und Milz haben das Nachbarorgan im Dorsalabschnitte am erheblichsten zur \ kückbildung veranlaßt. Leber eines älteren Embryos, von links Wie die Fig. 36 zeigt, kann der gesehen, bei senkrechter Einstellung der E “ . 5 Hohlvenenachse. 2%. Angabe des linken linke Seitenrand mit seinem Höchst- Denis Stande bereits bei Embryonen in. die durch den Scheitel gelegte Horizontale entfallen. Der scharf auslaufende Randteil bedeutet, abgesehen von einem völligen Schwunde, den höchsten Grad der Rückbildung. Hinter dieser Tatsache verbirgt sich die Erscheinung, daß die auf die Rückbildung des linken Leberlappens wirkenden Kräfte des funktionierenden Magens auf die embryonale Formgestaltung der Organe zurückwirken, daß die auf die Organe des entwickelten Fig. 36. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 455 Individuums mechanisch umgestaltenden Ursachen sich in über- tragener Weise an den embryonalen Teilen äußern. Der linke Seitenrand setzt sich bei Embryonen von 20 und 42 em Länge, von denen Er. MürLLer Abbildungen in Dorsalansicht gibt (Taf. IV Fig. 9, Taf. VI Fig. 1), steil aufsteigend in die dorsale Kante fort. Diese ist in der Gegend der Impressio oesophagea nicht weit vom Scheitel des Organs entfernt. An der Leber des Erwachsenen (Z. M. 1903. 10. E. II. 15) fällt die höchste Stelle des linken Randes unmittelbar hinter die Cava- Achse. Sie liegt nur 1 cm caudalwärts von der den Leberscheitel schneidenden Horizontalen. Der Seitenrand fällt mit eranialer Aus- buchtung allmählich gegen die Incisura umbilicalis ab. Beim Neugeborenen (Z. M. 1905. 117. E. a. II. 26) fällt die höchste Stelle des Seitenrandes mit der linken Dorsalecke zusammen; sie liegt etwa 2,3 cm hinter der Cava-Achse. e. Linker Seitenvorderrandwinkel. Er ist durch die Hohlvenenachse und den linken Leberrand vor ihr bestimmbar. Die Achse schneidet den linken Seitenrand in der Regel an dessen höchster Stelle. Der Rand fällt von hier aus mei- stens in ventraler Richtung ab. Der Abfall erstreckt sich auf den linken Vorderrand, oft bis zur Ineisura umbiliealis fort. Bei der Seitenansicht erscheint der Seitenvorderrand als eine unregelmäßig, mehrfach gewellte Linie, welche zuweilen zur Bestimmung für ein Winkelmaß unmöglich benutzt werden kann. Als feste, immer wieder aufzufindende Linien und Punkte können für die Winkel- bestimmung gewählt werden außer der Hohlvenenachse 1) die Stelle, wo letztere den linken Seitenrand bei seitlicher Ansicht schneidet. Die Stelle fällt mit dem Scheitel des Winkels zusammen; 2) die Linie, welche vom Scheitel des Winkels zur Ineisura umbilicalis ge- zogen wird. Sie bestimmt die Winkelgröße. Wenn der Scheitel des Winkels an den miteinander zu ver- gleichenden Objekten je an gleicher oder nahezu entsprechender Stelle sich befindet, so läßt sich durch die Winkelgröße genau oder ziemlich genau der Grad der Rückbildung des linken Lappens aus- drücken. Ist der Winkel klein, so ist die Volumsverminderung im ventralen Lappenabschnitte geringer als bei der Zunahme des Winkels. Der vordere Schenkel des Winkels kann den linken Lappen an verschiedenen Stellen schneiden. Das findet statt, wenn an den betreffenden Stellen Lebermassen in eaudaler Richtung sieh entfaltet 456 Georg Ruge und erhalten haben. Solche Stellen werden links neben der Ineisura umbiliealis bis zur linken Vorderrandecke häufiger als ganz links angetroffen. Der vordere Schenkel des Winkels kann aber auch in ganzer Ausdehnung caudalwärts vom Seitenvorderrande zu liegen kommen. Es ist der Fall, wenn die Rückbildung des linken Lap- pens in ganzer Randausdehnung erheblich zugenommen hat. Dieser Zustand findet sich auf den Fig. 37 und 38. Eine Steigerung der Massenverminderung am linken Lappen kann ihren Ausdruck dadurch erhalten, daß der Winkel groß ist, und daß der Lappenrand sich gleichzeitig in ganzer Ausdehnung eranialwärts vom vorderen Schenkel des Winkels hält. Ein solcher Fall findet sich auf Fig. 38 im Vergleiche etwa mit Fig. 37. Ein strenger Vergleich der Befunde untereinander ist nur dann statthaft, wenn der Scheitel des Winkels je an gleicher oder nahezu entsprechender Stelle sich befindet, also etwa in die Horizontale entfällt, welche den Leberscheitel schneidet. Liegt letzterer höher, so deutet dies immer auf eine stärkere Volumsentfaltung in der Frontalebene hin, in welcher die Cava-Achse liegt. Da die größte Rückbildung des linken Randabschnittes in der Nähe des Scheitels des Winkels angetroffen wird, so gleichen sich die Schwankungen in der Winkelgröße etwas aus. Die Abweichungen in der Gestalt der linken Zwerchfellkuppel, diejenigen der durch die Herzlage bedingten verschiedenen Nei- gungen des linken Randes werden die Winkelgröße beeinflussen und deren Verwertung erschweren. Immerhin bleibt die Möglichkeit be- stehen, bestimmte Rückbildungserscheinungen am linken Lappen für den Einzelfall aus dem Verlaufe des vorderen Schenkels zum Rand- abschnitte, aus der Höhenlage des Scheitels des Winkels sowie aus der Winkelgröße ziemlich genau abzulesen. 1) Leber eines älteren Embryos (Fig. 36). Der Scheitel des Winkels liegt hoch, etwas unter der Horizontalen der Leberkuppe. Der vordere Schenkel des Winkels entfernt sich in ganzer Ausdeh- nung vom Seitenvorderrande des linken Lappens. Die größte Ent- fernung beträgt 0,8 em. Der Winkel beträgt 48°; er drückt die Tieflage der Ineisura umbiliealis aus. 2) Neugeboren (Z. M. 1905. 117. E. a. I. 26). Der Scheitel des Winkels liegt 3cm caudalwärts vom Leberscheitel und 2,3 em vor der linken Dorsalecke. Der Winkel beträgt 73°. Der vordere Schenkel schneidet in ganzer Ausdehnung den Randteil. Der scharfe Rand entfernt sich dabei in ventraler Riehtung mehr und mehr vom Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 457 vorderen Schenkel bis zur Entfernung von 1 cm. Der Vorderrand ragt in gleicher Weise caudal von der Ineisura umbilicalis herab. In der großen Entfernung des Seitenrandes vom Leberscheitel sowie vom vorderen Schenkel des Winkels spricht sich die gute Entfaltung des linken Lappens aus. Diese Verhältnisse bedingen zugleich die Größe des linken Seitenvorderrandwinkels. 3) Leber eines 4 Monate alten Kindes (Fig. 37). Der Scheitel des Winkels liegt 0,9 em unter der die Leberkuppe schneidenden Horizontalen. Der Lappen ist an der Stelle des Scheitels etwas voluminöser als auf Fig. 36. Der vordere Schenkel des Winkels ist in ganzer Ausdehnung vom Lappen- rande ziemlich weit entfernt. Die größten Entfernungen von 0,7 und 0,8 em liegen vor der Hohlvenen- achse und am linken Vorderrande. Der Winkel beträgt 71°. Seine Größe entspricht der wenig steilen Lage des vorderen Schenkels. Die Inei- sura umbilicalis liegt bedeutend höher als auf Fig. 36. Der linke Lappen ist also auch hier im Vorder- abschnitte stärker rückgebildet. 4) Leber eines 15jährigen gung: Leber eines 4 Monate alten Kindes, bei linker lings (Hıs’ Modell). Der durch den Seitenansicht und senkrechter Hiisteltne rechten Lappen gebildete Leber- der Bellmnmchn, Anal de la scheitel liegt 6,2 em oberhalb des caudatus ist abgrenzbar, Auf ihn setzt sich Scheitels des linken Seitenvorder- ®" ee we yandwinkels. Der Seitenrand bleibt, wo ihn die Cava-Achse schneidet, vom tiefst gelegenen Punkte der Leber S cm entfernt. Der Winkel läßt sich auf ungefähr 65° be- stimmen. Der vordere Schenkel des Winkels schneidet den Randteil des linken Lappens in ganzer Ausdehnung. Dieser Umstand ist dadurch bedingt, daß der Vorderrand eaudalwärts von der Ineisura umbili- calis etwas ausgedehnt ist, und der linke Seitenrand nahezu gerad- linig verläuft. 5) Erwachsener (Z..M. 1903. 10. E. I. 15). Der Winkel be- trägt 45°. Sein Scheitel entfernt sich nur 1 cm von der den Leber- scheitel schneidenden Horizontalen. Der vordere Schenkel entfernt Fig. 37. 458 Georg Ruge sich in ganzer Ausdehnung bis zur Ineisura umbilicalis von dem aufwärts liegenden, ausgeschweiften Rande. Die größte, etwa in der Mitte des Seitenrandes anzutreffende Entfernung beträgt 2,3 cm. Durch die Höhenlage des Scheitels des Winkels, ferner durch die Entfernung des Seitenrandes vom vorderen Schenkel des Winkels drückt sich die starke Rückbildung des linken Lappens in dorsaler Richtung aus. Die Kleinheit des Winkels spricht für eine Tieflage der Ineisura umbiliealis, mithin für eine starke, eaudalwärts ge- richtete Ausdehnung des ventralen Lappenabschnittes. d. Größte Höhenausdehnung des linken Lappens. Der linke Lappen erreicht seine größte Höhe meistens in der Nähe der Hauptlängsfurche. Von hier an pflegt nur noch der rechte Lappen in lateraler Richtung an Höhe zuzunehmen. Wie wir jedoch bei der Bestimmung des Vorderrandwinkels gesehen haben, kann der linke Lappen lateral von der Ineisur an Höhe gewinnen, in er- heblicher Weise bei jungen Individuen, bei denen der embryonale Zustand sich erhalten hat. Bringen wir die größte Höhe des linken Lappens in Relation zu der des rechten Lappens, so hilft das ge- wonnene Verhältnis der größten Höhen beider Lappen zueinander unsre Vorstellung von der Rückbildung des linken und der wechsel- seitigen Entfaltung des rechten Lappens vervollständigen. Das schwankende Verhältnis zwischen größter Höhe der rechten und linken Leberhälfte betrug beim Schimpanse 1,5—1,8:1, beim Orang 1—2:1, bei Hylobates syndactylus 2,2—3,4:1, bei Hylobates Müller‘ 2:1. Der rechte Abschnitt hat bei Aylobates den linken um mehr als das Dreifache an Höhe überholt. | Größte Höhe der Verhältnis || rechten linken beider | Leberhälfte zueinander Embryo, 17 cm lang | nach 26cm | 22 cm | 1,18:1 - 20 - - „ERIKMÜLLER, 2,6 - 24 - 1. 3 I. ION) US REERRRE Te; 55 - | A Alterer Embryo (Fig. 36) 62 - Se RU - - ( =: 32 589:1+ 2,7 var BE Neugeboren (Fig. 25 o) 76 - 5.2.5, | 15 28 - ( - 26) 82 - 6,0 - 14.73 - ( - 34) 82 - 4,8 - nich 4 Monate altes Kind (Fig. 37) pi 40 - A | 15jähriger Jüngling (Hıs’ Modell) 142 - 6,6 - 2,15:1 Erwachsen 14:5 - -1,.1,10:07- 1,45:1 - (Z. M. 03. 10. E.II. 15) || 19,5. - | 103° - 1.83% - (Z.M. 07.4. E.2.32) | 175 - | 95 - | 181 Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 459 Die Befunde am menschlichen Organe sind in der vorstehenden Tabelle zu finden. Die Maße sind bei senkrechter Einstellung der Cava-Achse aufgenommen worden. Ho In der späteren Embryonalzeit kann das Verhältnis zwischen größten Höhen beider Lappen von 1,7:1 auf 2,2:1 steigen. Der linke Lappen kann also eine sehr beträchtliche Einbuße in der Höhenausdehnung erfahren. Bei Neugeborenen schwankt das Verhältnis zwischen 1,3:1 und 1,7:1. Es ist nach den vorliegenden spärlichen Befunden konstanter als in der späteren Embryonalzeit. Beim 4 Monate alten Kinde zeigt das Verhältnis von 2,8:1 die größte Höhenabnahme des linken Lappens an; es beträgt beim 15jährigen 2,15:1. Beim Erwachsenen nähert sich der Wert 1,8:1 dem .bei Neu- geborenen gefundenen. Eine regelmäßige Höhenverminderung des linken Lappens läßt sich nicht nachweisen. Größeres Beobachtungsmaterial muß auch hier den Entscheid durch die Feststellung von Mittelwerten bringen. e. Entfaltung des linken Lappens in sagittaler Richtung. Die größten sagittalen Durchmesser beider Leberlappen bringen in Gegenüberstellung miteinander durch ihre Versehiedenheiten die Verminderung des einen und die Entfaltung des andern Lappens nach einer andern Richtung hin zum Ausdrucke. Bei den Anthropoiden konnte der linke Sagittaldurchmesser den rechten an Größe übertreffen. Das war beim Gorilla der Fall, wo das Verhältnis von links zu rechts durch die Werte 1:0,83—0,9 ge- geben war. Die beiderseitigen Durchmesser waren beim Schimpanse gleich; sie verhielten sich bei sieben Orangs wie 1:0,9—1,2. Einmal war der linke Durchmesser größer als der rechte, zweimal gleieh wie dieser und viermal kleiner. Bei Hylobates war an sechs Individuen der linke Durchmesser kleiner. Die Werte waren 1: 1,2—1,7. An 36 gut erhaltenen menschlichen Objekten wurden die Maße bei Einstellung der Hohlvenenachse in die Frontalebene aufgenom- men. Organe von Embryonen, Neugeborenen und solche aus den verschiedensten Lebensaltern kamen in Betracht. Zweimal war die linke Sagittale größer als die rechte, je ein- mal beim Neugeborenen und beim 16 Monate alten Kinde (1,08:1 und 12:1). Sechszehnmal waren die sagittalen Durchmesser gleich. In 460 Georg Ruge allen übrigen Fällen überwog die rechte Sagittale die linksseitige um ein weniges mit den Werten von 1,04:1 bis 1,2:1. Eine stetige Veränderung konnte nicht festgestellt werden; denn bei Embryonen betrug der Mittelwert der Verhältnisse von links zu rechts 1:1,02, bei Neugeborenen 1:1,03, bei Kindern aus den ersten Lebensjahren 1:1, aus dem 3. Jahre 1:1,2, bei Organen aus dem 10. Jahre 1:1, dem 14. Jahre 1:1,13, dem 25. Jahre 1: 1,14. Bei Erwachsenen traten gleiche Werte wieder auf (1:1 Z. M. 1903. 10,,.E.:11:415); Aus den bildlichen Darstellungen der Organe eines 30 und eines 42 cm langen Embryos, welche Erık MÜLLER auf Taf. IX Fig. 1 und 2 gibt, berechne ich das Verhältnis der Sagittalen zueinander zu 1:1 und 1:1,14. Das Mittel beträgt 1: 1,07; es weicht von dem an eigenen Objekten gefundenen Mittelwerte 1:1,02 nicht erheblich ab. Das Verhältnis ist beim l5jährigen (Hıs’sches Modell) 1:1,13. Der Mittelwert, aus allen Beobachtungen gezogen, beträgt 1:1,11. Der rechte Lappen überwiegt den linken also nur um einen kleinen Bruchteil. Der größte sagittale Durchmesser des linken Lappens wird in der Regel in der Nähe der Ineisura umbilicalis angetroffen, da, wo er mit dem rechten Lappen verschmolzen ist. Die Rückbildung des linken Lappens kommt in der größten Ausdehnung der Sagittalen nicht zum Ausdrucke. Vergleichen wir aber die geringsten Größen der Sagittalen am linken und rechten Leberlappen, so tritt die am linken Lappen statt- sefundene Rückbildung deutlich hervor; denn während die Sagittale rechts sich nirgends erheblich vermindert, so verringert sie sich links in sehr auffälliger Weise. Die höchste Abnahme läßt sich am Seiten- teile des linken Lappens feststellen, was mit der Bildung eines Lig. triangulare sinistrum, der Verschmälerung der Randpartien und der Höhenabnahme des Lappens zusammenhängt. Der Formwechsel des linken Lappens bei Ansicht von oben oder unten bedingt einen großen Wechsel in der Länge des klein- sten sagittalen Durchmessers. Er erreicht den geringsten Grad, wenn dorsaler und ventraler Rand sich unmittelbar in den Seiten- rand fortsetzen und unter Bildung eines stumpfen, linken Seiten- höckers zusammentreffen. Geht der Vorderrand unter allmählicher Rundung in den Seitenrand über, um an der linken Dorsalecke mit dem Hinterrande zusammenzutreffen, so vermindert sich der sagit- tale Durchmesser trotz starker Einbuße des Volums in nicht so auf- Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 461 fallender Weise. Ein Gleiches trifft zu, sobald der ganze Rand bei Abnahme des Volums des Lappens gleichmäßig abgerundet ist. f. Die größte quere Ausdehnung der gewölbten Flächen beider Leberabschnitte. Durch das Sichelband sind die beiden Lappen abgegrenzt. Die leicht bestimmbaren Maße geben ebenfalls einen Anhaltspunkt bei der Feststellung der Volumsverminderung des linken Lappens. Unter den Anthropoiden schwankte das Verhältnis der Ausdeh- nung des rechten zu der des linken Lappens bei Orang zwischen 15:1 und 2,0:1, bei Gorilla zwischen 1,5:1 und 2,3:1, bei Schimpanse zwischen 1,8:1 und 2,4:1, bei Hylobates zwischen 1,5:1 und 2,6:1. Die Maße an der Leber des Menschen erstrecken sich auf 77 Be- funde, welche meistens an Sektionsleichen aufgenommen worden sind. Das Verhältnis der Breitenausdehnung der gewölbten Flächen des rechten und linken Lappens schwankt bei Embryonen zwi- schen 1,2:1 und 2,7:1. Der Mittelwert beträgt 1,7:1. Das Ver- hältnis schwankt bei Neugeborenen zwischen 1,36:1 und 1,7:1. Mittelwert 1,5:1. Für die verschiedenen Altersperioden finde ich: Variationsbreite Mittelwert 1.—6. Monat 1,6 :1—24 :1 4,3771 (4 Fälle) 7.—12. - 14 :1-3,0 :1 29-%7 (23% 7) 2. Lebensjahr 13 :1—18 :1 1,5.,1 Fe] 3. - 1,6 :1=19 :1 Een 4 -) 4. - 1,6 :1-3,0 :1 | eh 5. - 14 :1—15 :1 1,45:1 (ii. = A 7.—10. - 1,7 :1—1,85:1 1,78:1 Bu») 14. - 19 :1—22 :1 2,05:1 Re 17.—18.—19. Lebensjahr 1,55:1—2,3 :1 1,89:1 BGE 20.—30. Lebensjahr 1,5 :1—24 :1 LINZ 2:2) 31.—40. - 1,9 :1=-22:1 | Ei =) 41.—50. - 1,7 :1—4,0 :1 2,3 :1 14 9) 51.—60. - 13 :129 :1 2,07:1 (10 - ) 61.— 70. - 2,0 :1—25 :1 2,2 :1 B=2.-r] 71.—80. - 14 :1—26 :1 20,1 Br.) Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß die Mittelwerte bei Embryonen (1,7: 1) und Neugeborenen (1,5:1) mit zu denjenigen gehören, welche eine verhältnismäßig größere Breitenausdehnung des linken ‚Lappens andeuten. Diese Werte werden an den Objekten aus dem 2., 3. und 5. Jahre wieder angetroffen. Morpholog. Jahrbuch. 37. 30 462 Georg Ruge Die Mittelwerte der Objekte aus dem 1.—30. Lebensjahre schwanken zwischen 1,45:1 und 2,3:1; diejenigen aus dem 31.—80. Jahre bewegen sich zwischen 20—2,3:1. Wir dürfen also an- nehmen, daß nach dem 30. Lebensjahre eine geringe Verminderung der Breite am linken Lappen sich einstellt. Der Mittelwert für alle Objekte des 1.—30. Jahres beträgt 1,84 :1, derjenige für die des 31.80. Jahres 2,15.:1. Der linke Lappen überwiegt den rechten an Breitenausdehnung der gewölbten Fläche niemals. Wenn, was wahrscheinlich ist, die Ergebnisse der Messungen durch reicheres Material im wesent- lichen nicht gestört werden, so müssen wir annehmen, daß die Ur- sachen für die Beeinträchtigung am linken Lappen nach dem 30. Lebensjahre noch weiterhin wirksam sind. Die Nachbarschaft von Magen und Herz ist, wie früher ausgeführt worden ist, für die gesamten Rückbildungserscheinungen in erster Linie verantwortlich zu machen. Ob noch andre Kräfte sich hinzugesellen, ist nieht aus- zumachen. Der Mittelwert für alle gemessenen menschlichen Lebern ist 18:1. Vergleichen wir ihn mit den Werten bei Anthropoiden, so ergibt sich die Übereinstimmung mit dem Mittelwerte von 1,8:1 bei Orang und von 1,9:1 beim Gorilla. Die Mittelwerte beim Schimpanse von 21:1 und der von Hylobates von 2,2:1 deuten auf eine größere Abnahme der Breite am linken Leberabschnitte im allgemeinen hin. Der Mittelwert 2,15:1 bei 3l1—80jährigen übertrifft die Werte von Orang und Gorilla, erreicht den beim Schimpanse, bleibt aber etwas zurück gegen den bei Hylobatiden. Die Stellung der Formen zueinander ist wie folgt: Orang 1,871 Schimpanse 21:1 Mensch 1871 Hylobates 2,2:1 Gorilla ıby)eal Die Größenverhältnisse für die Cercopitheeiden sind nicht auf- genommen worden. Das wird nachzuholen sein. Liegt dann auch ein größeres Material für die Anthropoidenleber vor, so werden die Ergebnisse an Sicherheit gewinnen können. Ein auffallend hoher Wert von 2,8:1 ergibt sich für die Leber des 15jährigen am Hısschen Modell. Er übertrifft den bei Hylo- batiden gefundenen Mittelwert um ein bedeutendes und den Höchst- befund bei ihnen um den Bruchteil 0,2:1. Das Verhältnis beträgt an den Organen Erwachsener aus der Zürcher Sammlung 2,4:1 und 3:1 (Z.M. 1903. 10. E. 1. 15). Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 463 $. Breitenausdehnung der Intestinalflächen beider Lappen. Sie läßt die Rückbildung des linken Leberabschnittes gleichfalls hervortreten. Das Größenverhältnis von rechts und links stimmt wegen der Ungleichartigkeit der Flächen mit den Werten unter f nicht genauer überein. Der graduelle Unterschied bleibt aber gleich zu beurteilen. Die Reihenfolge im Grade der erkennbaren Verminderung der Ausdehnung des linken Lappens ist unter den Anthropoiden eine etwas andre als unter f. Hylobates steht auch hier wegen der auf- fallenden Ausbildung des rechten Lappens am Ende der Reihe. Es ergaben sich die folgenden Werte für das Verhältnis der rechten zur linken Breite. Die Maße wurden an den Flächen selbst ge- nommen, ohne Berücksichtigung der natürlichen Haltung der Leber. Gorilla 1,17—1,4:1 Orang 1,3—1,87:1 Schimpanse 1,3 —1,4:1 Hylobates 1,4—25 :1 Je steiler die Fläche des rechten Lappens nach rechts unten abfällt, desto mehr nimmt das Verhältnis zu ihren Gunsten zu. Die Maßnahme ist auch für die menschliche Leber einfach, da die Längsfurche eine scharfe Grenze zwischen beiden Lappen bildet Die Befunde sind vielfach an Sektionsleiehen aufgenommen worden. Die vorauszusehenden individuellen Schwankungen fehlen nicht und treten an 90 Beobachtungen zur Genüge hervor. Das Breitenverhältnis der Intestinalflächen des rechten und linken Lappens schwankt bei jüngeren Embryonen zwischen 1:1 und 1,35:1, bei älteren zwischen 1,7:1 und 1,9:1. Der Mittelwert ist für jene 1,18: :1, für diese 1,8:1. Ich berechne aus Er. MÜLLERs Abbildungen das Verhältnis beim 30 em langen Embryo auf 1,27:1, beim 42 cm langen Objekte auf 1:1,4 (Taf. IX Fig. 1 und 2, 1896). Der Wert steigt zugunsten des rechten Lappens. Das Verhältnis schwankt bei Neugeborenen zwischen 1,2:1 und 1,5:1. Der Mittelwert ist 1,4:1 (9 Fälle). Für die verschiedenen Altersperioden finde ich: Anzahl Variationsbreiten Mittelwerte der Objekte 1.—6. Monat 1,2 :1—15:1 73221 8 Va 10 :8213-4 138 :1 4 2. Lebensjahr 1,05:1—1,38:1 1,48:1 6 3. = 10.1214 1,26:1 8 4. - ie 16 :1 4 B. s 1,25:1 1,25:1 1 30* 464 Georg. Ruge SR ! £ Anzahl Variationsbreiten Mittelwerte 4 er Objekte 7.—8. Lebensjahr 1,25:1—1,3:1 1,27:1 2 10. - 14,23 Fe! 1 14. - 1,3731 1 1 18.—19. Lebensjahr 1,3 :1—1,66:1 1,46:1 4 21.—30. - 1,2 :1—-2,7 1,66:1 10 31.—40. - 1,33: 1—1,65 1,46:1 3 41.—50. - 15 :1—1,58 1.08°4 5 51.—60. - 14 :1—2,0 :1 1,63: 1 g 61.— 70. - 16 381,2 ;1 1,65:1 2 71.—80. - 14 #1 66:1 14 :1 3 Der Querdurchmesser der Intestinalfläche ist links durchgehends kleiner als rechts. Bei jüngeren Embryonen von 8—27 em Scheitel-Steißlänge wird der für den rechten Lappen die geringste Ausdehnung bezeichnende Mittelwert von 1,18: 1 angetroffen. Später verliert der linke Lappen an Ausdehnung. Dies vollzieht sich aber keineswegs schrittweise für die verschiedenen Altersperioden. Vielmehr werden hohe und niedere Werte durcheinander bei jüngeren und älteren Individuen gefunden. Darin spricht sich die große Schwankung individueller Befunde aus. Die höchste Entfaltung erreicht der rechte Lappen bei älteren Embryonen und bei einem 14jährigen Mädchen. Der Wert ist je 1,8:1; er darf nur als ein vorläufig geltender angenommen werden, welcher durch eine größere Beobachtungsreihe sich ändern wird. Die tabellarische Zusammenstellung läßt sofort erkennen, dab die Mittelwerte bis zum 20. Jahre in der Regel niedrige sind, der linke Lappen also verhältnismäßig groß ist, daß die Werte bis zum 80. Jahre zugunsten der Ausdehnung des rechten Lappens aber zu- nehmen. Werte von 1,2—1,3:1 werden nach dem 20. Jahre nicht mehr angetroffen. Beim 1löjährigen (Hıs’ Modell) beträgt der Wert 1,2:1. Wenn wir den Mittelwert für alle Objekte einerseits bis zum 20., anderseits vom 21.—80. Jahre berechnen, so tritt diese Tatsache hervor. Der Wert beträgt im ersten Falle 1,41:1, im zweiten 1,47:1. Der Rückgang der linken Intestinalfläche in der Breite ist gering, aber er besteht. Die Ursachen für ihn dürften daher beim Erwachsenen noch wirksam bleiben. Um diese Ergebnisse auf ihre Zuverlässigkeit zu prüfen, werden Massenuntersuchungen erforderlich sein. Der Mittelwert für alle Objekte nach der Geburt stellt sich auf Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 465 1,44:1. Vergleichen wir ihn mit den Werten bei Anthropoiden, so ergibt sich folgende Reihe: Gorilla br! Orang 1,63:1 Schimpanse 1,34:1 Hylobatess 2,06:1 Mensch 1,44:1 Die höheren Primaten reihen sich bezüglich des Rückganges am linken Lappen verschieden aneinander, je nachdem die gewölbte oder die intestinale Fläche der Leber für die Bestimmung in Be- tracht gezogen wird. Hilobates steht jedesmal am Ende der Reihe; die andern Formen wechseln jedoch ihre Rangordnung. Die Ur- sache für diese auffallende, die Untersuchung und weitere Schluß- folgerungen erschwerende Tatsache bleibt zunächst unbekannt. Sie wird mit der Verlagerung der Hauptlängsfurche und der Anheftung des Sichelbandes, bei den einzelnen Formen in verschiedenem Sinne durehgeführt, im Zusammenhange stehen können. Bei der Fest- stellung dieser Verhältnisse stellten sich mancherlei, nicht überwun- dene Schwierigkeiten in den Weg. Die Querdurchmesser der Intestinalflächen beider Leberhälften lassen sich nur an gut fixierten Organen bei deren natürlicher Hal- tung, also bei senkrechter Einstellung der Hohlvene, genau be- stimmen. Die Lösung dieser Aufgabe steht noch aus. Das Verhältnis zwischen den Breiten rechts und links stimmt nicht mit demjenigen überein, bei welchem, wie in der vorigen Ausführung, die Intestinal- flächen selbst gemessen geworden sind. War der Verhältniswert für die Leber des l5jährigen des Hısschen Modells für den einen Fall 1,2:1, so konnte er für den andern auf 1,14:1 berechnet werden. Hierbei kam je der die Pforte vorn schneidende Durchmesser in Betracht. An dieser Stelle zeigte der linke Lappen die größte Breitenausdehnung, während die geringste Breite für ihn am Dorsal- ende der Längsfurche (Fossa duetus venosi) sich befand. Nimmt man den Durchmesser, der diesen Punkt schneidet, zur Maßnahme, so ergibt sich das Verhältnis 1,5:1. Die drei verschiedenen Werte, am gleichen Objekte gewonnen, von 1,2:1, 1,14:1 und 1,5:1 zeigen die Notwendigkeit, daß die Wahl der Punkte für die Messungen an den verschiedenen Objekten je übereinstimmend sei. Ich bin der Meinung, daß der das Dorsalende der Längsfurche schneidende Querdurehmesser für die Messung gewählt werden soll, da der Punkt leicht bestimmbar und wohl am wenigsten veränderlich 466 Georg Ruge ist. Von ihm aus ist die größte Breitenausdehnung für beide Leber- hälften aufzunehmen. _ An dem zurzeit mir zur Verfügung stehenden Materiale habe ich die folgenden Ergebnisse gewonnen: 1. Cereopitheeiden (s. Aufsatz IV). Cer ee RR En : F ig. \ Mittel 1.28:1 - petaurista 13 :1 - 42 - callitrichus 1,3 :1 - 51 5 talapoin 1.571 - 4 Papio sphinz 1,0121. - babuin 1.191 - 34 Macacus nemestrinus 10321 =, - sindeus 101 - 29 A £ \ £ as Ta Mittel 1,1:1 - eynomolgus 10,5 ku 48 j ’ h 4 ATS Mittel 1,05:1 Mittelwert 1,18: 1 2. Hylobatiden — Anthropomorphen (s. Aufsatz V). Hylobates syndactylus in. Fig. 1 - lar III 1.8: -, Bra e ErT 17 . 9 j Mittel 1.6:4 - Miilleri Zt Mittelwert 1,57: Ar lH m _ — 08 1% 1C) Gorilla 1193 h Orang II 101: Sa A 13% =’ 06 Mittel 1,23:1 =. VII 1.4: - 8 Schimpanse 19 = 4 E 1,9 . 1 5 | Mittel 19-4 Mittelwert 1,4:1 3. Mensch. Alterer Embryo 1,4 1 ie ‚ k S 1,6 1 > 39 Mittel 1,5: 1 Neugeboren DT ANEHERS / & Tee Mittel 11:1 4 Monate alt 1,46 1: 430 15jähriger 15 :1 Hıs’ Modell Erwachsener 19-21 (Z. M. 1907. 44) \ Mittel1,57:1 R 1,71:1 (Z.M. 1903. 10) Mittelwert 1,4:1 Aus den Mittelwerten 1,18:1 für Cercopitheeiden, 1,4:1 für An- thropoide und Mensch sind die Schlußfolgerungen leicht zu ziehen. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 467 Der Vergleich der Einzelwerte untereinander ergibt gewünschten näheren Aufschluß. h. Linker Stamm- und linker Seitenlappen. Die Gebiete des Stamm- und Seitenteiles am linken Lappen sind beim Menschen in der Regel so innig untereinander verschmol- zen, daß jegliche, äußerlich nachweisbare Grenze zwischen ihnen fehlt. Dadurch ist auch die Möglichkeit verloren gegangen, festzu- stellen, welches Gebiet des Lappens bei der Verminderung des Um- fanges dem andern vorauseile. Die seltenen Fälle mit Erhalten- bleiben einer linken Seitenspalte könnten zur Lösung der Frage benutzt werden. An dem durch L. Borx (02) veröffentlichten Falle, an welchem die Fissura interlobaris sinistra erhalten ist, scheinen linker Stamm- und Seitenlappen von etwa gleichem Umfange zu sein. Genaueres ist aber nicht aus der Abbildung zu entnehmen. Da die Randabschnitte des Lobus sinister die Verluste an Um- fang am ausgesprochensten zeigen, so ist es auch wahrscheinlich, daß das Gebiet des linken Seitenlappens den Einflüssen der Rück- bildung am meisten ausgesetzt sei. Es ist sicher für die Höhen- ausdehnung der Fall. Für die Ausdehnung in die Breite muß es erst durch neue Beobachtungen dargelegt werden. i. Linker Abschnitt des Kranzbandes. Rückbildungen am linken Lappen äußern sich an der Verkür- zung des linken Abschnittes des Kranzbandes. Je kürzer es im Vergleiche zum rechten Abschnitte ist, um so ausgesprochener muß die Einschmelzung an der Dorsalfläche des linken Lappens in querer Ausdehnung stattgehabt haben. Die Längenmaße lassen sich ziem- lich genau nehmen, wenn erstens irgend eine Stelle oberhalb der Fossa duetus venosi bis zur Übergangsstelle des Sichelbandes in das obere Blatt des Kranzbandes, und zweitens die Endanheftungen an den dorsalen Seitenecken als Meßpunkte angenommen werden. Für die Anthropoiden hat sich die folgende Reihe ergeben; in ihr ist das Verhältnis des linken zum rechten Abschnitte des Kranz- bandes in seinen Schwankungen berücksichtigt: Gorilla 1:12 Orang 1:1,8—2,3 Schimpanse 1:1,5—2,0 Hiylobates 1:2,2—3,3 Gorilla, Schimpanse und Orang lehnten sich enger an die Ver- hältnisse bei Cereopitheciden mit den Werten 1:1,2—2,0 an, während Hrylobates eine Sonderstellung am Ende der Reihe einnalhm. 468 Georg Ruge Aufnahmen an menschlichen Organen haben Folgendes ergeben: | Längenverhältnis | zwischen linkem | Anzahl und rechtem Ab- der \ schnitte d. Kranz- Fälle | bandes Altere Embryonen | eat 2 Neugeborene a 2 5 2 1. Lebensjahr | 1:1,58 2 2, - | 1:1,0 | 1 3 - 1:71,43 3 3% - 1:22 al 10. 5 1:2,0 1 14. - 121495 2 DA | 1:23,05 1 34.37. Lebensjahr | 1:2,55 2 52.—57. - | 1:22,85 2 Mittelwert 1: 1,87 19 Die Werte bleiben bis zum 5. Lebensjahre unter 1:2; sie er- reichen späterhin diese Höhe oder übersteigen sie. Der höchste Wert wird bei den ältest untersuchten Individuen gefunden. Aus den Befunden geht hervor, daß der linke Abschnitt des Kranzbandes nach dem 3. Jahre noch ziemlich gleichmäßig an Länge verliert. Die Rückbildung der Breite des linken Leberlappens an der Dorsal- fläche spricht sich hierin aus. Der Mittelwert für die Objekte bis zum 3. Jahre ist 1:1,4, für die älteren 1: 2,2. Das Kranzband ist ein Befestigungsapparat für die Leber an der hinteren Bauchhöhlenwand. Die größere Länge seines rechten Abschnittes erlaubt den Rückschluß auf das größere Massiv des rechten Lappens. Nach den Mittelwerten reihen sich die höheren Primaten fol- gendermaßen aneinander an: Gorilla 1:1,2 Orang 1:28 Schimpanse 1:1,75 Hylobates 1:53 Mensch 1:1,85 Lassen wir die bei jüngeren und älteren menschlichen Objekten bestehenden Verschiedenheiten zu ihrem Rechte kommen, so ergibt sich folgende Reihe: Gorilla 3,1,2 Orang 1728 Mensch bis 3. Jahr 1214 Mensch vom 5. Jahre an 1:2,2 Schimpanse 1:1,75 Hylobates 1:31 Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 469 Wir ersehen aus den Zusammenstellungen, daß es nötig ist, für den Vergleich der Werte je die jugendlichen und die erwachsenen Zustände bei allen Formen einmal kennen zu lernen, wenn wir uns nicht damit begnügen, die Altersveränderungen außer acht lassend, nur die Gesamtmittelwerte in Rechnung zu ziehen. Der Mittelwert des Längenverhältnisses beträgt für die Cerco- pitheeiden 1:1,57. Gorilla und jugendliche menschliche Individuen bleiben mit ihren Werten hiergegen zurück. Bei den andern Ab- teilungen ist ein höherer Grad der Rückbildung des linken Kranz- bandabschnittes erreicht. Das Längenverhältnis zwischen linkem und rechtem Absehnitte des Kranzbandes beträgt bei einem 5jährigen Individuum 1:1,7 (Z.M. 1907. 50. E. a. 33), beim 15jährigen (Hıs’ Modell) ungefähr 1:3,1. Dieser Wert übertrifft alle beim Menschen gefundenen Einzel- werte und erreicht den Mittelwert von Hylobates. Die Maßnahme geschah dabei nicht zuungunsten des linken Bandabschnittes. An der gut erhaltenen Leber eines Erwachsenen (Z. M. 1903. 10. E. II. 15) beträgt das Verhältnis nur 1:2,14, in einem andern Falle 1:2,2 (Z. M. 1907. 43. E. a. 31). Das Ligam. triangulare könnte zur Bestimmung eines ge- wissen meßbaren Grades erfolgter Rückbildung des linken Lappens herangezogen werden; denn es ist die Folgeerscheinung derselben. Die Ursache seines Erhaltenbleibens darf in der Verwendung als Aufhängeapparat der zugespitzten Lappenecke gesehen werden. Das Band hat als Reduktionsergebnis des linken Lappens auf der rechten Körperhälfte kein gleichwertiges Gebilde neben sich. Die hier auf- tretenden Einrichtungen sind vielmehr Neubildungen, geknüpft an die starke Entfaltung des rechten Lappens. Sie werden, um den Gegensatz zum Ligam. triangulare lateris sinistri hervortreten zu lassen, als Proc. inferior des reehten Kranzbandabschnittes bezeichnet werden. k. Formen des linken Leberlappens als Folgen von Rückbildungen. Die Verkümmerungen des linken Lappens treten oft in der sehr markanten Form des Randes auf, was aber, in Zahlen auszudrücken, umständlich, zuweilen unmöglich ist. Der Lappenrand besitzt ur- sprünglich einen dorsalen, einen seitlichen und einen vorderen Ab- schnitt, welehe gegeneinander, gleichwie auf der rechten Hälfte, ziemlich scharf, oft rechtwinklig voneinander abgesetzt sind. Mit 470 Georg Ruge dem Einschmelzen der Randpartien am linken Lappen vermindern sich zunächst die scharfen Ecken, welche als eine dorsale und eine ventrale den Seitenrand anfangs begrenzen. Dann kann ein Über- gang des dorsalen Randes in den Seitenrand sich einschleichen, und in gleicher Weise kann eine unmittelbare Fortsetzung des Vorderrandes in den Seitenrand sich einleiten. Auf diese Weise kommt ein dorso- lateraler und ein ventro-lateraler Rand zustande, welche durch einen seitlichen Vorsprung voneinander getrennt bleiben. Diese Form des linken Lappens wird als ein Ergebnis der Rück- bildung bei Anthropomorphen oft angetroffen. Sie kehrt an der menschlichen Leber zuweilen wieder. Eine andre Form des linken Lappens bildet sich dadurch aus, daß die dorsale Seitenecke durch die Anheftung des Ligam. trian- gulare sich scharf entwickelt und allmählich in einen spitzen Fort- satz ausgezogen sein kann. Von ihm aus setzt sich dann der Seiten- rand, unter Einschmelzen der vorderen Seitenecke, in den Vorder- rand ganz unmittelbar fort. Auch diese Form wird oftmals an der Leber von Anthropoiden beobachtet. Sie ist beim Menschen eine häufige Reduktionserscheinung des linken Lappens. Aus dem verschiedengradigen Rückbildungsvorgange leiten sich die zahlreichen Schwankungen der Formen ab; sie lassen sich aber unschwer aufeinander beziehen und in eine genetische Reihe bringen. Es seien hier zunächst die Befunde bei den Anthropoiden vorge- führt. Die ausgesprochen ursprünglichen und abgeänderten Formen menschlicher Organe sollen darauf besprochen werden. Hylobatiden (Fig. 38, 1—6). 1. Die Dorsal- und Ventralecke sind erhalten; die dorsale Ecke ist scharf, die ventrale abgerundet. Die drei Randabschnitte stehen senkrecht zueinander. Fig. 38. 1—6. Umrisse der linken Leberlappen von Hylobates. Um die Verschiedenheit der Formen deut- lich hervortreten zu lassen, sind die Objekte in gleicher Größe dargestellt worden. Ansicht von der Intestinalfläche aus. 7, 3, 5 Hylobates syndactylus; 4, 6 Hylobates lar; 2 Hylobates Mülleri. 2. Die Dorsalecke ist in eine spitze Zacke ausgezogen, die Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 471 Vorderecke abgerundet. Vorder- und Seitenrand setzen sich noch gegeneinander ab. 3. Beide Ecken sind erhalten, aber einander genähert, wodurch der Seitenrand verkleinert ist. 4. Beide Eeken sind stark abgerundet, so daß ein allmählicher Übergang der drei Randabschnitte sich vollzogen hat. 5. Dorsale und ventrale Eeke sind mehr geschwunden. Ein seitlicher Vorsprung hat sich eingestellt. Er trennt einen dorso- lateralen von einem ventro-lateralen Abschnitte ab. 6. Der seitliche Vorsprung tritt schärfer in die Erscheinung. Dorso-lateraler und ventro-ventraler Randteil treten am deutlichsten zutage. Gorilla (Fig. 39, 1—5). 1. Der linke Lappen hat eine nahezu rechteckige Gestalt. Dorsal- und Ventralecke liegen weit nach außen. Die erstere ist zugespitzt, die letztere ein wenig abgerundet. Der Seitenrand, scharf vom dor- salen und ventralen Rande abgesetzt, schlägt eine sagittale Richtung ein. Die Entfaltung des Lappens ist nach allen Richtungen gleich- mäßiger, indifferenter Art. 2. Die Dorsalecke ist abgerundeter als im vorigen Falle. Der Fig. 39. 1-5. Umrisse der linken Leberlappen von Gorilla, in einander entsprechender Größe dargestellt. 12 und 2 nach A. Tnonson, 3 nach DENIKER, 5 nach Bıscnorr, 4 Heidelberger Exemplar. Seitenrand ist dadurch etwas gewölbter geworden. Die Volumsver- minderung ist dorsal weiter als ventral vorgeschritten. 3. Die Reduktion ist im ventralen Randgebiete deutlicher als dorsal. Die Ventralecke ist dadurch medianwärts verschoben. Der Seitenrand ist gewölbter als im vorigen Falle. 4. Die Einschmelzung im ventralen, seitlichen Randgebiete ist so weit vorgeschritten, daß die Ventralecke vermißt wird. Der latero-ventrale Rand endigt nahe der Ineisura umbilicalis in ‚einem stumpfen Vorsprunge. Dadurch, daß auch dorso-lateral eine Ein- 472 Georg Ruge schmelzung des Randgebietes vorliegt, springt der Seitenrand in seiner Mitte stark vor. Die Dorsalecke ist stark abgerundet, wo- durch eine mehr einheitliche dorso-laterale Randfläche sich ausge- bildet hat. 5. Eine andre Kombination von Umgestaltungen liegt hier vor. Die abgerundete Dorsalecke ist scharf ausgeprägt und nimmt eine ursprüngliche laterale Lage ein. Im Ventralgebiete ist der Seiten- rand eingeschmolzen, wodurch die Ventralecke deutlich ausgeprägt und einer starken medianen Verschiebung ausgesetzt worden ist. Der Seitenrand verläuft ventro-medianwärts, der Vorderrand ist in eine schräge Verlaufsrichtung mit ausgesprochener Riehtwendung ge- langt. Andeutungsweise ist ein solches Verhalten im vorigen Falle bereits vorhanden. Schimpanse (Fig. 40, 1—5). 1. Dorsal- und Ventralecke sind scharf ausgeprägt. Der Seiten- rand des linken Lappens schlägt nahezu eine sagittale Richtung ein. Der Dorsalrand schließt mit dem Seitenrand einen spitzen Winkel von m 45° ein. 2. Die Dorsalecke ist stark abgerundet. Die vordere Grenzecke Fig. 40. 2: en I A x FE 2 DE %% 1—5. Umrisse der linken Leberlappen von Schimpanse, in einander entsprechender Größe dargestellt. 1 nach P. RATHkE; 2 nach Tuorsten RENVALL. ist deutlich ausgeprägt, aber erheblicher als im ersten Falle abge- stumpft. 3. Beide Ecken werden vollständig vermißt. Der ganze Rand des linken Lappens bildet einen Halbkreis, so daß ein einheitlicher dorso-latero-ventraler Rand vorliegt. 4. Die Dorsalecke ist spitz nach hinten ausgezogen. Von ihr setzt sich ein gleichmäßig schwach gewölbter latero-ventraler Rand fort, welcher nahe der Längsfurche in einem abgerundeten Höcker endigt. Die vordere Grenzecke ist eingeschmolzen. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 473 5. Eine stärkere Volumsverminderung hat sich im ventro-lateralen Randgebiete eingestellt, so daß der Seitenrand von der Dorsalecke aus ventro-medianwärts gerichtet ist. Eine leichte Andeutung der vorderen Grenzecke blieb erkennbar. Der ursprüngliche Vorderrand hat aber eine laterale Lage eingenommen. Die Dorsalecke ist durch die Anheftung des Ligam. triangulare an ihr spitz nach hinten aus- gezogen. 6. Ein andrer, nicht abgebildeter Befund stimmt mit dem vorigen im wesentlichen überein; jedoch ist die dorsale Eeke weniger spitz. Im Vorderrandgebiete ist die Rückbildung etwas weiter vorgeschritten. Orang (Fig. 41, 1—7). I. Die ursprünglichste Form ist hier erhalten, indem beide Grenzecken sowie die drei Randabschnitte noch deutlich bestehen; aber es sind sowohl die Ecken als auch der Seitenrand im abge- rundeten Zustande vorhanden, wodurch der Übergang der Rand- strecken ineinander angebahnt worden ist. 2. Im dorso-lateralen Randgebiete kommt die Volumsverminde- rung schärfer zum Ausdruck. Die Dorsalecke ist undeutlicher ge- Fig. 41. ee 1—7. Umrisse der linken Leberlappen von Orang, in einander entsprechender Größe von der In- testinalfläche aus dargestellt. worden und eigentlich nur noch durch die Anheftung des Ligam. triangulare anzugeben. Auch ventralwärts ist der Übergang der Randteile eingeleitet. 3. Im dorso- und im ventro-lateralen Randgebiete ist die Volums- verminderung am stärksten. Dadurch ist am gewölbten Seitenrande ein Vorsprung entstanden, welcher dorsalwärts von der Randmitte sich befindet. Die Dorsalecke ist medianwärts verschoben und ist spitz. Die Ventralecke ist noch gerade angedeutet. 4. Der Fall gleicht dem vorigen. Die Ventralecke ist aber völlig verschwunden, so daß der latero-ventrale Rand gleichmäßig gewölbt ist. Der größte Vorsprung des Seitenrandes liegt im dessen Mitte. 474 Georg Ruge 5. Der Seitenrand geht in den vorderen ganz unmittelbar über. Die Dorsalecke ist medianwärts verschoben. Von einer Vorderecke ist niehts mehr erkennbar. ' 6 und 7. Im dorsalen sowie im ventralen, seitlichen Randge- biete sind die Einschmelzungen so hochgradig, daß der Seitenrand sehr stark bei 6, mehr abgerundet bei 7, in der Mitte des Lappens vorspringt. Die dorsalen Grenzecken sind medianwärts verschoben. Die bildlichen Darstellungen auf den Figuren erlauben einen raschen Überblick über die Wandelbarkeit der Form des linken Lappens bei den Anthropoiden. Ursprüngliche Zustände sind bei allen Vertretern der Familie erhalten, welche in mehr oder weniger gleichartige Umgestaltungen bei den verschiedenen Anthropoiden auszuarten vermögen. Der Übersichtlichkeit wegen sind alle Figuren auf eine gleiche Größe übertragen worden. Sie sind den Abbil- dungen im Aufsatze V, B entnommen. Mensch. In der Gestalt des linken Lappens, wie sie sich in der Ansicht von der Intestinalfläche darstellt, lassen sich mehrere Arten unter- scheiden, welche je von einer ursprünglicheren Form abzuleiten sind und dadurch eine größere Übereinstimmung untereinander be- wahren können. Ich unterscheide an meinem Beobachtungsmaterial drei Formarten. Es ist möglich, daß noch andre Ausbildungsgrade sich ihnen werden anreihen lassen, da der einer starken Volums- abnahme unterliegende Leberabschnitt den größten Schwankungen ausgesetzt ist. a. Die einem Indifferenzzustande am meisten entsprechende Form kann nur diejenige sein, bei welcher der linke Lappen in all- seitiger Ausdehnung und an Umfang am meisten dem rechten Leber- abschnitte gleichkommt und eine ähnliche Gestalt wie dieser besitzt. Liegt ein solcher Fall vor, so läßt sich ein dorsaler, ein lateraler und ein ventraler Rand am linken Lappen unterscheiden. Die drei Ränder sind durch einen, allerdings sehr verschiedenartig ausgepräg- ten dorsalen und einen ventralen Vorsprung voneinander abgesetzt. Die indifferente Gestalt wird naturgemäß in embryonaler Zeit angetroffen. Sie scheint aber in dieser Entwicklungsperiode keine regelmäßige Erscheinung mehr zu sein. Wenigstens leiten sich Rückbildungen an den Randpartien, namentlich ventral, schon in früher Embryonalzeit ein, und die daraus entspringenden Befunde bilden dann den Ausgangspunkt für eine unter ce aufgeführte Form. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 475 1) An der Leber eines 8 cm langen weiblichen Embryos (Fig. 42) ist der ausgedehnte Dorsalrand des linken Lappens fast senkrecht durch eine abgerundete Ecke vom Seitenrande abgesetzt. Dieser ist leicht gewölbt und geht ohne Unterbrechung in einen stark ge- rundeten Vorderrand über. Der Rand gleicht im ganzen demjenigen des rechten Lappens. An der lateralen Dorsalecke hat der Rand des Lappens weniger an Masse eingebüßt als am abgerundeten Übergange des Seiten- randes in den Vorderrand, und dies ist na- mentlich linkerseits scharf ausgeprägt. 4 ! 2) Der linke Lappen der Leber eines um elle eh 14 cm langen weiblichen Embryos zeigt auf a Fig. 43 die drei Randabschnitte. Dorsaler jeher Lage eingezeichnet: Ma- und ventraler Rand liegen in gleichen fron- N N talen Ebenen wie die des rechten Lappens. Gallenblase und untere Hohlvene. Die Grenzecke zwisehen dorsalem und late- u ralem Rand springt dorsalwärts stark vor, Leber in gleiche Abschnitte. wodurch der Dorsalrand zugleich eine me- diale Richtung einschlägt. Der stark gekrümmte Seitenrand geht auch hier ganz unmittelbar in den kurzen und gekrümmt neben der Fig. 43. Fig. 43. Leber eines 14 cm langen, weiblichen Embryos, von der Intestinalfläche aus gesehen. Yı. Der die Leber in gleiche Abschnitte teilende Querdurchmesser ist durch zwei seitliche Linien an- gegeben. Fig. 44. Leber eines 14,8 cm langen, weiblichen Embryos, von der Intestinalfläche aus gesehen. Y/ı. Von Nachbarorganen in natürlicher Lage sind eingezeichnet: Magen (Ma.), Milz (Mi.), Colon transv., rechte Niere (J.r.), rechte Nebenniere (J..r.). Der die Leber in gleiche Teile trennende Querdurch- messer ist durch zwei seitliche Linien angegeben. Längsfurche endigenden Vorderrand über. Im Vergleiche mit dem vorigen Falle scheint die dorsale Grenzeeke medianwärts verschoben, und die Impressio vertebralis ist stärker ausgeprägt, Me a Dorsalrand eine Schrägstellung erhalten hat. 3) Die Leber eines 14,8 cm langen, weiblichen Embryos (Fig. 44) 476 Georg Ruge zeigt im Dorsalgebiete des linken Lappens ähnliche Formverhältnisse wie der vorige Fall. Der Dorsalrand, in Anpassung an die Wirbel- säule schräg gestellt, ist durch eine abgestumpfte, aber scharf ausge- prägte Ecke vom gebogenen, seitlichen Randteile abgesetzt. Letzterer ist nicht gleichmäßig wie auf Fig. 43 gebogen, ist vielmehr durch einen Vorsprung in zwei Abschnitte getrennt, von denen der dorsale Abschnitt dem eigentlichen Seitenrande zugehört, der ventrale den Übergang von ihm zum Vorderrande übermittelt. Der vordere Ab- schnitt reicht weniger weit ventralwärts als der entsprechende Rand- teil des rechten Lappens, so daß linkerseits eine ansehnliche Volums- verminderung im Vorderrandteile vorliegt. Es ist nicht auszumachen, ob in früheren Zeiten eine stärkere Entfaltung des Lobus sinister in ventraler Richtung bestanden habe, ob also bereits eine tatsäch- liche Rückbildung sich vollzogen habe, oder ob der linke Lappen in allen Entwicklungsphasen volumvermindert angelegt gewesen sei. Im Vergleiche mit den Fällen 1 und 2 ist der Vorderrandteil fraglos hier verkümmert. Dasselbe trifft im vergleichend-anatomischen Sinne zu; denn die Ausdehnung des linken Lappens bis an die vordere Bauchwand ist ein primärer Zustand. Wir können also feststellen, daß der linke Lappen schon in früher embryonaler Zeit ansehnliche Rückbildungen im ventralen Randabschnitte zutage treten läßt, wodurch ein Grenzhöcker zwi- schen einem dorsalen Abschnitt des Seitenrandes und einem latero- ventralen Randteile zur Ausbildung gelangt. Damit ändert sich die ursprüngliche Lappenform der Fig. 42 und 43 in eine neue Form um, welche weiter unten besprochen wird. — Eine auffallende Ein- schmelzung des linken Lappens liegt bei einem 42 cm langen Em- bryo vor (E. MÜLLER, Taf. IX Fig. 1). Die Verkümmerung erfolgte in der Breite und im sagittalen Durchmesser. Der Vorderrand des linken Lappens liegt 0,6 em hinter dem des rechten. Der seitliche Rand geht in den vorderen über, so daß die Rückbildung auch im vorderen Seitengebiete des Lappenrandes sich eingestellt hat. An Lebern aus früher Embryonalzeit läuft der Seitenrand von der stets vorhandenen Dorsalecke an in eine abwärts gerichtete scharfe Kante aus, welche krempenartig caudalwärts herabhängt und die benachbarte Intestinalfläche nischenförmig gestaltet. In der Nische lagern sich Milz, Colon und Darmschlingen ein. Der umgekrempelte Rand ist entweder vielfach genarbt (Fig. 43) oder scharf (Fig. 42, 44). Er fehlt immer am Vorderrande des linken Lappens, was als ein Zeichen von Massenverminderung beurteilt werden darf. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. ATT Auch am rechten Leberlappen stellen sich an entsprechenden Stellen caudalwärts gerichtete scharfe Grenzkanten ein, durch welche sehr ausgesprochene Nischen für Nebenniere, Niere und Colon zu- stande kommen. Ganz ähnliche, krempenartige Vorsprünge bestehen beiderseits an der Leber eines 30 cm langen Embryos, während am Organe eines 42 cm langen Individuums der linke Randvorsprung völlig geglättet ist (Er. MÜLLER, Taf. IX Fig. 1 und 2). Die Hauptursache für die Rückbildung des linken Lappens in der Primatenreihe ist der Magen. Milz und Colon mögen an der Volumsverminderung ihren Anteil haben. Im Vergleiche mit dem zeitlich stark anschwellenden Magen können sie jedoch nur eine geringe Wirkung ausgeübt haben. Es ist von Interesse zu sehen, daß Magen, Milz und Dickdarm keinerlei direkten, embryonalen Einfluß auf die Reduktion an den embryonalen Lebern ausgeübt haben können. Denn diese Organe liegen fest eingelagert im Dorsalgebiete der Intestinalfläche, was die Fig. 42 und 44 erkennen lassen. Sie sind vom volumvermin- derten Vordergebiete des linken Lappens noch völlig ausgeschlossen. Wir haben es hier mit einer jener den Bau der Organismen allent- halben durchdringenden Erscheinungen zu tun, welche sich für unsern Fall folgendermaßen formulieren läßt: Die Rückbildung des linken Leberlappens ist im stammesge- schiehtlichen Sinne durch den benachbarten Magen erfolgt, welcher rein mechanisch durch seinen Umfang auf die nachgiebige Leber einwirkte. Diese durch äußere Einflüsse erzielten Umgestaltungen der Leber stellen sich beim Menschen innerhalb der Embryonalzeit ein, in welcher der Magen noch keinerlei nennenswerte Einwirkungen auf die stattlich entwickelte Leber ausüben kann. Es handelt sich demnach um eine auf den menschlichen Organismus übertragene Er- scheinung, welche, unabhängig von den stammesgeschichtlich wirk- sam gewesenen Momenten, sich als vererbte Eigenschaft einge- bürgert hat. Es ist ein lehrreiches Beispiel dafür, daß die durch äußere Ein- flüsse an einem Organe einmal erzeugten Veränderungen stationär bleiben, um dann zu Zeiten aufzutreten, in welchen die ursprünglich gestaltenden Kräfte noch nicht wirksam sind. 4) (Fig. 45.) Der linke Lappen gleicht in seiner Form dem rechten. Er besitzt 1) einen Dorsalrand, welcher durch die Im- pressio vertebralis in eine schräge Stellung übergeführt ist, 2) einen dureh eine spitze Dorsalecke vom Dorsalrande abgesetzten Seiten-. Morpholog. Jahrbuch. 37. 31 478 Georg Ruge rand, welcher, gleichmäßig gebogen, sich unmittelbar 3) in den Vorderrand fortsetzt. Dieser erreicht die vordere Bauchdecke und liegt in gleicher Frontalebene mit dem rechten Vorderrandteile der Leber. 5) Ein sehr ähnliches Verhalten liegt an der Leber eines Neu- geborenen auf Fig. 46 vor. Die Dorsalecke ist etwas abgestumpfter, | Fig. 45. Fig. 46. \ OR 4 Fig. 45. Leber eines älteren Embryos, von der Intestinalläche aus gesehen. 2. Der die Leber halbierende Querdurchmesser ist durch zwei seitliche Linien angegeben. Fig. 46. Leber eines Neugeborenen, von der Intestinalfläche aus gesehen. 1/;. Der die Leber hal- bierende Querdurchmesser ist durch zwei seitliche Linien eingetragen. pap Lobulus papillaris; tr Processus triangularis. und der Vorderrand erreicht eine größere Ausdehnung. Der linke Lappen läßt die Rückbildung in der Gestaltung nicht erkennen; denn er gleicht dem rechten Lappen in auffallender Weise. 6) (Fig. 47.) Die Leber eines Fig. 47. 6 Wochen alten Kindes zeigt am linken Lappen ursprüngliche Form- verhältnisse durch den Besitz einer ausgeprägten Dorsalecke, welche einen größeren Dorsal- rand von einem leicht gebogenen Seitenrand abgrenzt. Letzterer setzt sich unmittelbar in einen vorderen Randteil fort. Der linke Lappen ist in sagittaler Richtung Leber eines Neugeborenen, von der Intestinalfläche übermäßig entfaltet, dafür aber au zen Je, Anett dr die Leber Pa in querer Ausdehnung klein, Linien. 7) Mehrere beobachtete Fälle decken sich im wesentlichen mit den Befunden auf Fig. 48a, b,c. Der linke Lappen ist in der Quer- ausdehnung erheblich reduziert; er hat aber seine drei Randteile bewahrt. Der Seitenrand ist leicht gekrümmt und setzt sich unmittel- Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 479 bar in den Vorderrand fort. Die Dorsalecke als Grenze zwischen seitlichem und dorsalem Rande ist verschiedenartig erhalten, auf Fig. 48a und ce gut entwickelt, auf Fig. 485 gleichmäßig abgerundet. Fig. 48 e. Drei Lebern von der Intestinalfläche aus gesehen. Fig. 48 a !/,. Fig. 48 b 1/s. 6 Wochen altes Kind. Fig. 48 c !/s. Erwachsener. Die Organe zeigen eine Reduktion des Lobus sinister in der Quere. An- gabe der die Lebern halbierenden Querdurchmesser. Auch was die Ausdehnung in die Quere betrifft, treten Ver- schiedenheiten auf. Den ursprünglicheren Zustand findet man auf Fig. 48 a, den differentesten auf Fig. 48 c. b. Während die zuvor aufgeführten Formen des linken Lappens ihre Ursprünglichkeit im Bewahren der ausgeprägten drei Randteile und eines großen sagittalen Durchmessers, die Umformung aber in der Abnahme des queren Durchmessers zu erkennen geben, lassen sich zweitens solche Fälle unterscheiden, welche durch die Größe der Lappenbreite an ursprüngliche Verhältnisse anknüpfen. Indem bei ihnen oft ein gleichzeitiges Einschmelzen am dorsalen sowie am ventralen Abschnitte des Seitenrandes beobachtet wird, leitet sich schließlich in extremer Weise eine eigne Form des linken Lappens ein. Er läuft bei verhältnismäßig großer Breite seitlich in einen Vorsprung aus, von welchem aus ein latero-dorsaler und ein latero- ventraler Randteil zu verfolgen sind. Die Dorsalecke kann erhalten sein; sie ist aber medianwärts verschoben, was im Einklange mit dem vorspringenden Seitengebiete steht. Der Vorderrand kann da- bei verschiedenes Verhalten zeigen. Es bestehen Übergänge dieser Formen mit den unter a aufgeführten. An der Hand von einigen Beispielen soll das Nähere erörtert werden. 1. (Fig. 49.) -Leber eines 16 Monate alten Kindes. Die abge- stumpfte Dorsalecke ist medianwärts verschoben; der schräg gestellte Dorsalrand ist klein. Der Seitenrand ist ungleichmäßig gewölbt. Der stärkste Vorsprung liegt genau in der Mitte des sagittalen Leberdurchmessers. Vor und hinter dem seitlichen Vorsprunge sind 31* 480 Georg Ruge die Randteile etwas eingezogen. Der Vorderrand bleibt hinter dem- jenigen des rechten Lappens nicht unbeträchtlich zurück, was eine Einbuße von Substanzteilen bedeutet. Der linke Lappen ist in der Breite gering entwickelt, und da- durch schließt sich der Befund an die unter a aufgeführten Fälle enger an. 2) (Fig. 50.) Die Dorsalecke ist medianwärts verschoben und springt kuppelförmig nach hinten vor. Der Dorsalrand ist klein, durch die Einlagerung der Speiseröhre gebuchtet. Der Seitenrand Fig. 49. Fig. 50. u N N Fig. 49. Leber eines 16 Monate alten Kindes, von der Intestinalfläche aus gesehen. !/ı. Angabe des die Leber halbierenden Querdurchmessers. Fig. 50. Leber eines Neugeborenen, von der Intestinalfläche aus gesehen. 1/3. Angabe des Quer- durchmessers durch die Mitte der Leber. ist stark gekrümmt und zeigt in der Mitte des Sagittaldurchmessers der Leber einen ansehnlichen Vorsprung. Dieser trennt den Seiten- rand in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt, von welchen der letztere unmittelbar in den Vorderrand fortgesetzt ist. Die Breite des linken Lappens ist Fig. 51. nur 1 cm kleiner als die des rechten. In dieser Beziehung trägt der linke Lap- pen ein ursprüngliches Gepräge. Er ist umgestaltet durch die Einbuße von Ma- terial vor und hinter dem seitlichen Vor- sprunge, wodurch dieser sich hat aus- Leber eines 18 Monate alten Kindes, bilden können. HB RE ae 3) Ähnliche Verhältnisse liegen an der gansschneidenden Querdurchmessers. Lieber eines 18 Monate alten Kindes vor (Fig. 51). Die dorsale Ecke, welche sich zwischen den Dorsal- und den Seitenrand einschiebt, befindet sich etwa in der Mitte der Lappenbreite. Der Dorsalrand ist als Im- pressio oesophagea leicht eingezogen. Der Seitenrand ist stark gewölbt. Sein Übergang in den deutlicher abgesetzten Vorderrand vollzieht Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 481 sich allmählich. Der ganze Rand gleicht einem Kreisabschnitte, so daß der seitliche Vorsprung wohlgerundet ist. Der Vorderrand liegt nur 0,5 cm hinter dem des rechten Lap- pens; der große sagittale Durchmesser gibt einen ursprünglichen Zustand des linken Lappens an. Auch die Breite ist ansehnlich und entspricht einer ursprünglichen Lappenform. Die Reduktionen haben im dorsalen und ventralen Abschnitte des Seitenrandes statt- gefunden. Es sei hier aus den vielen Beobachtungen noch ein Fall mit- geteilt, an welchem das eigenartige Gepräge des linken Lappens besonders auffällt. 4) (Fig. 52.) Die Dorsalecke ist medianwärts bis über die Hälfte der Lappenbreite verlagert. Der kurze Dorsalrand ist nur wenig aus der Querachse verdrängt; er trägt die Impressio oesophagea. Fig. 52. Fig. 53. Fa Fig. 52. Leber eines Kindes, von der Intestinallläche aus gesehen, 1/. Der die Mitte der Leber schneidende Querdurchmesser ist durch zwei seitliche Linien angegeben. Fig. 53. Leber eines Kindes, von der Intestinalfläche aus gesehen. !/. Angabe des die Mitte des Organs schneidenden Querdurchmessers. Der Vorderrand ist in den Seitenrand fast ganz hineinbezogen; er bleibt als solcher nahe der Ineisura umbilicalis ausgeprägt und liegt hier nur 5 mm hinter dem rechten Vorderrandabschnitte. Der Seiten- rand springt in der Mitte des Sagittaldurehmessers der Leber als abgerundeter Höcker stark vor. Dadurch werden ein dorsaler und ein ventraler Seitenrandteil voneinander geschieden. Der linke Lappen ist sowohl in sagittaler als auch in transver- saler Richtung gut entwickelt. Die Einbuße an Material ist am Seitenrande dorsal und ventral erfolgt, was die typische Form her- vorgerufen hat. | Eine eigenartige Kombination der Formverhältnisse, unter a und b aufgeführt, findet sich auf der Fig. 53. Die Ausdehnung des linken Lappens steht hinter der des rechten nieht sehr zurück Der 482 Georg Ruge linke Lappen ist in sagittaler sowie in querer Richtung ansehnlich entfaltet. Er besitzt einen großen, quer gestellten Dorsalrand, wel- cher seitlich durch einen abgerundeten Höcker vom Seitenrande ab- gesetzt ist. Dieser zeigt etwa in der Mitte des sagittalen Leber- durchmessers eine starke Vorwölbung. Der quer gestellte, große Vorderrand ist vom Seitenrande beinahe rechtwinklig abgesetzt. In der Ausdehnung hat der linke Lappen Ursprüngliches be- wahrt. Im übrigen besitzt die Leber Eigenartigkeiten, welche ver- schieden beurteilt werden müssen. c. Eine dritte Art von prägnanter Form des linken Lappens leitet sich durch die Rückbildung des vorderen und des anstoßen- den Seitenrandteiles ein. Das dorsale Gebiet erhält sich mehr oder weniger ansehnlich. Der Vorderrand kommt zunächst weiter dorsal zu liegen als der des rechten Lappens. Er schwindet bis auf einen kleinen Vorsprung in der Nähe der Ineisura umbilicalis und kann selbst unter Ausdehnung des rechten Lappens zur Seite gedrängt werden. Durch den Schwund des vorderen Seitenrandteiles ver- schmälert sich der Lappen allmählich im Ventralgebiete. Hierbei können verschiedene andre Umbildungen sich hinzugesellen. Von den vielen hierher zu rechnenden Beobachtungen seien drei Fälle als Beispiele für diese Umgestaltung am linken Lappen herausgegriffen. Schon im embryonalen Leben kann die Form zum Vorschein kommen, wie die Fig. 44 zeigt. Auch kann sie Ähnlich- keit mit einem der beiden zuvor geschilderten Typen gewinnen, was in den weniger ausgesprochenen Zuständen einzutreten vermag. So zeigt die Fig. 48a z. B. die stattge- fundene Rückbildung am Vorderrandteile, welche auch die Ursache für die hier zu nennende Form ist. 1) (Fig. 54.) Der Dorsalrand zerfällt in einen kleinen sagittal gestellten, zur Bildung der Impressio oesophagea dienen- a a den Teil und in einen breiteren, quer stinalfläche aus gesehen. Y. Angabe gestellten Abschnitt. Er geht allmählich des Querdurehnessers Sure zwei in einen ‚gekrümmten Seitenrand über, dessen Fortsetzung in den verkümmerten vorderen Randteil unmittelbar erfolgt. Letzterer liegt 6 mm hinter dem rechten Vorderrande der Leber zurück. Der Dorsalteil des Lappens ist breit, der Vorderabschnitt schmal. 2) (Fig. 55.) Der linke Lappen ist schmal. Sein Längsdurch- Fig. 54. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 483 messer ist schräg gestellt; er ist von hinten seitlich nach vorn und median gerichtet. Der Dorsalrand dient zur Bildung der Impressio oesophagea. Er ist durch einen seitlichen dorsalen Vorsprung, an welchem das Ligam. triangulare festgeheftet ist, vom gewölbten Seitenrande abgesetzt. Letzterer setzt sich unmittelbar in den ver- kümmerten Rest des Vorderrandes fort. Dieser besteht nur als kleiner Vorsprung neben der Ineisura umbilicalis. 3) (Fig. 56.) Eine ausgesprochene Form liegt hier vor. Das ganze Organ hat eine eigenartige Gestalt angenommen. Der linke Lappen ist dorsal breit und gut entwickelt. Der Vorderrandteil Fig. 55. Fig. 55. Leber eines Kindes, von der Intestinaifläche aus gesehen. l/;. Angabe des Querdurch- messers durch zwei seitliche Linien. Fig. 56. Leber eines Kindes, von der Intestinalfläche aus gesehen. !/, Angabe des Querdurch- messers durch zwei seitliche Linien. liegt 1,7 cm dorsal vom am weitesten vorspringenden rechten Vorder- randabschnitte. Er ist zur Seite verschoben und läuft neben der Ineisura umbilicalis spitz aus. Der Vorderrand ist dem Seitenrande einverleibt worden. Dieser ist leicht gewölbt, hinten durch eine Ecke vom Dorsalrande abgesetzt, welcher auch hier in zwei Teile gegliedert ist. Der eine ist in die Wandung der Impressio oeso- phagea hineinbezogen, der andre nimmt eine Querstellung ein. — Durch die vollständige Überbrückung der Fossa venae umbilicalis ist die Lappengrenze nur noch an der Pforte und an der Ineisura umbiliealis erhalten. Die drei Arten von Formen, welche der linke Lappen im Wandel der Rückbildung beim Menschen annehmen kann, lassen sich auch an den Organen der Anthropomorphen auffinden. Der Vergleich der menschlichen Befunde mit den Fig. 33—41 zeigt die Übereinstim- mungen für jeden einzelnen Fall in geringerem oder höherem Grade. 484 Georg Ruge Der linke Lappen kann beim Menschen unter abnormen, unbe- kannten Bedingungen eine exzessive Rückbildung erfahren. Der- artige Fälle sind für eine vergleichend-anatomische Untersuchung nicht verwertbar, da pathologische Veränderungen vorzuliegen scheinen. Der Lappen ist bei einem 35jährigen Manne bis auf einen wallnuß- großen Anhang rückgebildet, worüber MoucHEr (1898) berichtet. Er tritt bei einem 53jährigen als kleiner, bindegewebiger, paren- chymloser Fortsatz des rechten Lappens auf (s. WACKFIELD, 1898). Die Hauptlängsfurche fehlte in diesem Falle, und der Dorsallappen war nur durch einen schwach entwickelten Lobulus caudatus ver- treten. Der linke Lappen wird zuweilen ganz vermißt. H. KAxToR beschreibt zwei derartige Fälle (1905); er deutet den Mangel als einen angeborenen oder als einen in früher Fötalperiode entstan- denen Bildungsfehler. Diese Deutung kann richtig sein; sie ist aber nicht zwingender Art; denn durch langsam wirkende, mecha- nische Einflüsse abnormer Art kann auch postembryonal eine völlige Reduktion erklärt werden. l. Impressio lienalis. Die Einlagerung der Milz in den Randteil des linken Lappens ist eine embryonale Erscheinung (man vgl. die Fig. 42 und 44). Sie hängt von der relativen Größe des Lappens sowie von der geringen embryonalen Ausdehnung des Magens ab. Mit der Zunahme des letzteren an Umfang und mit der Abnahme des linken Lappens ver- liert die Milz die unmittelbare Nachbarschaft mit der Leber. Eine Impressio lienalis kann bei erwachsenen Individuen abnormerweise erhalten bleiben, was entweder das Vorhandensein eines gut ent- wickelten linken Lappens oder einen geringeren Umfang des Magens in der Fundusgegend oder beides zugleich voraussetzt. Die Tatsache vom Auftreten einer Impressio lienalis ist bekannt. PH. C. Sarpey (1889, S. 293) gibt z. B. an, daß die Milz beim Fötus und beim Kinde den linken Lappen berührt. Erık MüLter (1897) beschreibt erstens an der fötalen Leber aus dem 3.—5. Monate die durch Magen und Milz erzeugten Eindrücke (S. 45), zweitens die Be- rührungsfläche der fötalen Milz mit der Leber als Teil der äußeren, konvexen Fläche, welehe durch eine wulstförmige Erhebung von der Facies phrenica abgesetzt sein kann (S. 69). An der bildlichen Dar- stellung der Leber-eines 42 em langen Embryos ist die Impressio lienalis zu erkennen (Taf. IX Fig. 1). Die Leber des Neugeborenen steht nach Barrantyne (1891) ebenfalls noch mit der Milz in Be- Die äußeren Formyverhältnisse der Leber bei den Primaten. 485 rührung. Harman (1900) beobachtete bei einer 23jährigen Frau einen ansehnlichen linken Leberlappen, welchem die Milz sich an- fügte und einen Eindruck verlieh. Ähnliches ist öfters beobachtet worden, auch mir aus eigner Erfahrung bekannt. Es ist wahrscheinlich, daß derartige Zustände sich in der Regel aus der Jugendzeit erhalten haben. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß dureh eine später erfolgte Vergrößerung des Lobus sinister oder eine später sich einstellende, nur geringfügige Ausdehnung des Magens die Berührung von Milz und Leber aufs neue eingeleitet wird. Es ist fernerhin möglich, daß an der Leber des Weibes durch die Schnürung eine Überlagerung der Milz durch die Leber sich einstellt. So ist Lear (1399) der Meinung, daß der Schnürakt als Ursache des Auftretens einer Impressio lienalis hepatis anzunehmen sei, und daß diese deshalb besonders häufig bei Frauen angetroffen werde. Das regelrechte Verschwinden der Impressio lienalis hepatis darf indessen mit der Umfangsverminderung des Lobus sinister in Zusammenhang gebracht werden. Wenn dies im allgemeinen Gel- tung hat, so werden gleiche Erscheinungen vielleicht auch durch eine Verdrängung der Milz durch Erweiterungen des Magens er- folgen können. Der Zustand, welcher sich an den Verlust der Einlagerung der Milz in die Leber anschließt, ist die Ausdehnung des linken Leber- lappens bis an die Milz. Er stellt sich nach SoBorrA nicht selten ein (1904, S. 249). Das Erhaltenbleiben embryonaler Befunde mit Impressiones lienales kann als eine Hemmungsbildung betrachtet werden. Die embryonale Anlagerung der Milz an die Leber ist eine spezifisch embryonale Erscheinung, bedingt durch die funktionelle hohe Be- deutung und die entsprechend starke Volumsentfaltung der Leber beim Stoffwechsel des Embryos, welcher die Anschwellung der Leber zur Folge hat, bedingt ferner durch den funktionslosen Zustand des Magens in embryonaler Zeit, welcher dementsprechend lange winzig klein bleibt und die Milz an die Leber herantreten läßt. Inwiefern diese Hemmungsbildung einen phylogenetischen Hintergrund besitzt, ist nicht leicht zu entscheiden. Ich vermisse Milzabdrücke in der Regel an der Leber bei den Anthropoiden, bei den Cercopitheeiden und bei Westaffen. Nachuntersuchungen über diesen Punkt sind erforderlich. Von Bedeutung können die Verhältnisse bei den Pro- simiern sein. 486 Georg Ruge Die in ihren Grunderscheinungen seit langer Zeit bekannten embryonalen Entwieklungsphasen der Leber können nur zum Teile für eine vergleichend-anatomische Untersuchung herangezogen wer- den, da das Organ in frühester Embryonalzeit als blutbereitender Apparat und im Dienste des Stoffwechsels bis zum 4. Monate etwa (WALTER, 1792) in einer ganz bevorzugten Weise anschwillt und dadurch eine rein embryonale Form annimmt. Die embryonalen Umwandlungen an der Leber, insbesondere an deren linkem Lappen, werden eine zutreffende Beurteilung nur dann erfahren, wenn neben der vergleichend-anatomischen Betrachtungsweise die Tatsache Be- rücksichtigung findet, daß das Organ mit bedeutsamen, eignen em- bryonalen Funktionen betraut ist, welche zu formativen, durch die Nachbarorgane nur wenig beschränkten Ausbildungen hinleiten. Da- bei stellen sich besondere Anpassungen an das embryonale Herz und die Urnieren, Nebennieren usf. ein. Daß derartige Embryonalerseheinungen zuweilen für sich be- urteilt werden müssen und nicht durch vergleichend-anatomische Tatsachen Erklärung finden, wissen wir u. a. aus der Anpassung des Brustkorbes an die Nachbarorgane, woraus rein embryonale Ge- staltungen erwachsen (CH. MÜLLER, 1906). Es ist bekannt, daß die Leber im 3. Monate der Schwangerschaft ungefähr die Hälfte des Körpergewichts ausmacht, weit in die Bauchhöhle herabreicht, und daß der Umfang während der zweiten Hälfte der Schwangerschaft und über letztere hinaus allmählich abnimmt. Die Leber des Neu- geborenen macht im Mittel nur noch den 18., des Erwachsenen aber gar nur den 36. Bruchteil des Körpergewichts aus (vgl. Aegy, 1871; KÖLLIKER, 1879). Die Volumsverminderung in der späteren embryonalen und der postembryonalen Zeit erstreckt sich aber nicht auf das ganze Organ gleichmäßig. Es ist bekannt, daß der linke Leberlappen die größte Einbuße erfährt. Er bleibt zur gegebenen Zeit im Wachstum nicht nur zurück, sondern er verkümmert tatsächlich. Die asymmetrische Gestalt der Leber ist hierauf zurückgeführt worden. Die Entstehung des Ligam. triangulare sinistrum, das Auftreten von Gallengang- netzen (FERREIN, 1753) und von abgesprengten Substanzinseln in ihm haben als Überbleibsel der Rückbildung des linken Lappens an der betreffenden Stelle immer nur ein und dieselbe Deutung erfahren und werden in diesem Sinne in den Lehrbüchern aufge- führt (vgl. TOLDT-ZUCKERKANDL, 1876). Der linke Lappen ist beim Übergange in das Ligam. triangulare oft in einen derberen Fortsatz Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 487 ausgezogen, welcher neben dem erwähnten Inhalte Reste des Binde- sewebsmaterials des reduzierten Leberparenchyms und der Kapsel in sich schließt und dann in einer Appendix fibr. hep. auftreten kann. Als Ursache für die Verminderung des Gesamtorgans an Umfang wird der Druck genannt, welcher durch den Zuwachs des Darm- rohres und dessen Füllung mit Meconium auf die Leber ausgeübt werden muß (WALTER, 1792; MERKEL, 1894). Die Abnahme der Bedeutung als blutbildendes Organ, die Übernahme dieser Funktion durch andre Organe darf als die Hauptursache für die allgemeine Rückbildung gelten. Normale Druckverhältnisse können wohl Ver- schiebungen, aber unter normalen Bedingungen keine Verkümme- rungen an einem funktionierenden bedeutsamen Organe zustande bringen. Wäre das der Fall, so wäre das Gehirn vielen Verkümme- rungen ausgesetzt, da dem wachsenden Gehirn allerseits Druck- flächen entgegenstehen. Als Ursache für den Rückgang des linken Lappens an Umfang, für das Auftreten einer »Appendix fibrosa hepatis« ist aus naheliegenden Gründen der auf das Nachbarorgan drückende Magenfundus von den Anatomen mit Recht angegeben worden. Die individuell sehr verschiedene Länge des linken Lappens ist ebenfalls mit der durch den Magen bedingten Atrophie in Zu- sammenhang gebracht worden (SosorrA, 1904, S. 249). Die aus Rückbildungserscheinungen sich herleitende Appendix fibrosa ist den allergrößten Schwankungen unterbreitet. Daraus erklärt es sich, daß das Auftreten von Parenchymzellen in ihr auch geleugnet wird (Fr. MERKEL, 1901, S. 265). Manche Autoren geben für die Rück- bildungen am linken Lappen bestimmtere Zeiten an. Sie sollen beim Neugeborenen beginnen (SoBoTTA) oder in den Kinderjahren sich vollziehen (MErkEL). Da die zur Rückbildung führenden Kräfte auch beim Erwachsenen wirksam sind, kann vielleicht auch die Rückbildung über eine größere Spanne Zeit sich ausdehnen. Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Volumsverminderung bereits in embryonaler Zeit anhebt, wo die Druckwirkungen eines gefüllten Magens noch nicht einsetzen. Zutreffende Schilderungen von den angedeuteten Verhältnissen, welche jedoch einer erneuten besonderen Behandlung harren, finden sich in Lehrbüchern der Entwicklungsgeschichte und der systema- tischen Anatomie. Sie knüpfen an die älteren Arbeiten ARNOLDS, LuscHkas, Hyrrıs, Argys (1871), TOLDT-ZUCKERKANDLSs (1875) usf. an. Das Kopfskelet der Amnioten. Morphogenetische Studien. 3. Fortsetzung.) Von Dr. A. Fleischmann, Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Erlangen. Der Abschluß der vor 4 Jahren eingeleiteten: Untersuchungen über die Gaumenbildung der Amnioten (vgl. Morpholog. Jahrbuch, Bd. XXXIII) hat sich dureh äußere Hemmnisse verschiedener Art so lange hinausgezogen, daß ich erst jetzt einen weiteren Teil der tesultate dem Drucke übergeben und die Fortsetzung in baldige Aussicht stellen kann. Bei der Wahl des Themas verfolgte ich den Zweck, mir einerseits eine sichere Kenntnis der tatsächlichen Vor- gänge zu erwerben, anderseits die Frage zu prüfen, ob man die Bezeichnungen: »Gaumenfalte«, »sekundäre Choane«, »Ductus naso- pharyngeus« mit sachlichem Rechte für den Formzustand des Mund- daches bei den Sauropsiden gebrauchen dürfe. Nachdem unsre Analyse die Unmöglichkeit dieser Nomenklatur ergab, habe ich eine neue Terminologie eingeführt und die Stilcharaktere der Nasenregion des Munddaches anschaulich herausheben lassen. Wir sind gegen- wärtig damit beschäftigt, die Formeigenschaften der Orbitalregion und des Pharynx in derselben Weise durchzudenken. Je tiefer man in das stilistische Problem eindringt, um so schmerzlicher empfindet man, wie ungenügend die heutigen Kenntnisse sind, und wie sehr es not tut, an Stelle der traditionellen Lehren positive Beobachtungen auf breiter embryologischer Basis zu sammeln. Das Zusammentragen neuer Tatsachen gewinnt jedoch erst den rechten wissenschaftlichen A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. 489 Wert, wenn man der topographischen und morphologischen Ver- knüpfung derselben eifrig nachspürt, um dadurch die eigentlichen Stilgesetze der tierischen Formbildung zu eruieren. Mein Schüler W. SırpEL, dessen Abhandlung ich hiermit vorlege, hat sich, unter- stützt durch hervorragendes Formverständnis, redliche Mühe ge- geben, in dem unbekannten Gebiete als aufklärender Pionier vor- zudringen. Mit meinem vollen Einverständnisse hat er die von 0. HormAann angebahnten Gedanken zu einem abgerundeten Stilbilde geschlossen. Erlangen, 31. Mai 1907. ub Das Munddach der Vögel und Säuger. Von Dr. Wilhelm Sippel, Oberveterinär im K. 3. Feldartillerie-Regiment München. Mit Tafel XI und 12 Figuren im Text. Unsre Kenntnisse über das Munddach der Vögel sind sehr gering. Hvuxtey hat 1867 die Skeletelemente desselben behandelt, um die Grundlage für eine systematische Einteilung der ganzen Vogelklasse zu gewinnen, welche sich freilich heute nicht mehr aufrecht halten läßt. Vor ein paar Jahren hat E. GörpErT (2b) auf die engen Be- ziehungen zwischen Munddach und Mundboden, sowie die Bedeu- tung der Vogelzunge für den Abschluß der Nasen-Kehlkopfbahn des Luftweges hingewiesen. Doch hat er die rein anatomische Erkenntnis wenig gefördert, weil er physiologische Erwägungen in den Vorder- grund stellte und die morphologiseche Analyse der in Betracht kom- menden Teile der Mundhöhle nicht versuchte. Er begnügte sich mit einer Beschreibung des oberflächlichen Reliefs der dorsalen und ventralen Mundwand, wie man es nach Spaltung der Mundhöhle wahrnimmt. Da GÖPrERT einen genauen Vergleich des Munddaches bei den Amnioten nicht angestellt hatte, so schien es eine dankbare Aufgabe, denselben wirklich einmal durchzuführen. Ich unterzog mich daher gern dieser Arbeit, nachdem Professor FLEISCHMANN mich auf dieses Thema aufmerksam gemacht hatte, und begann ziemlich gleichzeitig mit OÖ. Hormann das Studium des Munddaches bei Vögeln und Säugern. Leider griffen dienstliche Pflichten, nicht zum wenigsten meine Versetzung nach München störend ein und zwangen mich mehrmals, die Arbeit auf längere Zeit zu unterbrechen, so daß ich meinen Bericht erst drei Jahre nach dem Erscheinen von O. Hormanns Dissertation (4) abschließen konnte. Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 491 Meine Behandlung des Themas fußt vollständig auf der von HormAnNn geschaffenen Basis, wobei vor allem die für das Mund- dach der Saurier klargelegten einfachen Formzüge als Ausgangs- punkt der vergleichenden Beschreibung der wichtigsten Stilcharaktere dienen sollen. Alle Abweichungen in Aufbau und Lagerung der verschiedenen Teile des Munddaches bei Vögeln und Säugern können zwanglos an dieses eine Grundschema angegliedert werden, ohne gewaltsam schablonisieren zu müssen. Die vergleichende Betrach- tung erfährt dadurch eine wesentliche Vereinfachung, das Ver- ständnis für die oft sehr komplizierten, am Munddache der ver- schiedenen Tiergruppen sich abspielenden Entwicklungsvorgänge wird erleichtert. Bevor ich mit der Darstellung meiner Beobachtungen beginne, möchte ich nicht verfehlen, meinem hochverehrten Lehrer für seine hochherzige und unermüdliche Unterstützung und Förderung meiner Arbeit, welchem Umstande ich einzig und allein ihre Beendigung unter den bereits erwähnten mißlichen Verhältnissen zu danken habe, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Ebenso danke ich Herrn Privatdozenten Dr. ZANDER für die Liebenswürdigkeit, mit der er mir die mannigfachen Schwierigkeiten in technischen Fragen überwinden half. I. Das Munddach der Vögel. Ich bespreche zuerst die Ansichten, welche GÖPperT (2b) über den anatomischen Bau und die Deutung des Munddaches geäußert hat. Er glaubt, daß »paarige Gaumenfortsätze« unterhalb der primitivren Choanen (Aperturae nasales internae) einen Teil der Mundhöhle unvollständig abtrennen und der Nasenhöhle als acces- sorischen Raum, oder wie er sich ausdrückt, als einen »unvoll- kommenen Ductus naso-pharyngeus« zuweisen. Daher seien die primitiven Choanen ventral überdacht und die Nasenhöhle der erwachsenen Vögel münde durch die »sekundäre Choane«, einen länglichen, nach hinten erweiterten Spalt von wechselnder Breite, der zwischen den paarigen Gaumenfortsätzen klaffe. Die sekundäre Choane befindet sich in dem länglichen, oft mit Papillen besetzten »Choanenfeld« des Munddaches; dieses wird von einer Schleimhautleiste, der »Grenzleiste« umfaßt, welche den Verlauf der schlanken Ossa palatina ungefähr andeutet. Dicht hinter der Choane liegen die gemeinsame Tubenöffnung und nicht weit davon 492 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. zwei paarige Schleimhautblätter mit ausgezackten Rändern, die »Pharynxfalten«. Die Konfiguration des Munddaches wird, wie GÖPPERT mit Recht betont, erst verständlich, wenn man zugleich den Mundboden be- trachtet und dadurch erkennt, daß das Choanenfeld das negative Relief der Zunge darstellt. Letztere paßt bei Passer, Tetrao, Gallus, Falco, Columba usw. ausgezeichnet in das Choanenfeld; sie sehmiegt ihren Rand dicht an die Grenzleiste desselben, gleich als sei der Zungenkörper in das Munddach eingedrückt worden und habe dort seine negative Matrize hinterlassen. Solange der Schnabelmund geschlossen ist, bedeckt die dem Choanenfeld, bzw. den Gaumenfortsätzen und der Grenzleiste enge anliegende Zunge den vorderen Teil des langen, sekundären Choanen- spaltes. Sie bilde gewissermaßen den Boden eines von der Mund- höhle unvollständig abgetrennten Ductus naso-pharyngeus der Atem- luft. Der hintere Teil der sekundären Choane dagegen bleibe frei, um als wirkliche Choane zu funktionieren, d. h. Luft in den Kehl- kopf zu leiten, der dieht unter dieser Stelle liegt. GÖPPERT illustriert seine Angaben durch eine Reihe instruktiver Abbildungen des Munddaches und Mundbodens verschiedener Vogel- arten, welche volles Lob verdienen. Aus eigner Anschauung kann ich die Richtigkeit seiner Zeichnungen durchaus bestätigen. Da- gegen verwerfe ich die Deutung, welche er einzelnen Teilen ge- geben hat. Ich bestreite das Recht, die am Munddache der Vögel sichtbare Spalte »sekundäre Choane«!, bzw. unvollständigen Duetus naso-pharyngeus, und den beiderseitigen Rand derselben »Gaumen- fortsatz« zu nennen. Mir scheint sogar eine eingehende Untersuchung über die Frage notwendig, ob die für die Verhältnisse bei Säugern geltenden Bezeichnungen auf die Vögel überhaupt angewendet wer- den dürfen. Zur Beantwortung sind Querschnitte anzusehen, weil man den Wert der morphologischen Elemente des Munddaches an dessen Flächenrelief nicht sicher bemessen kann. Querschnitte aber ent- hüllen merkwürdig übereinstimmende Verhältnisse mit den Befunden, welche OÖ. Hormann für die Saurier beschrieben hat, so daß man eine stilistische Ähnlichkeit zwischen Vögeln und Eideehsen wohl behaupten kann. Nachdem Hormann die Gaumenfortsätze der Saurier 1 An andrer Stelle gebraucht GÖPPERT den synonymen Ausdruck »Gaumen- spalte«. Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 493 im Sinne von Busch und GÖöPPrERT als nicht existierend nachge- wiesen hat, will ich jetzt zeigen, wie wenig man berechtigt ist, von Gaumenfortsätzen der Vögel zu sprechen. Vergleicht man freilich das Munddach eines Sauriers, z. B. Platydactylus, mit dem eines Vogels, so treten auf den ersten Blick derartige Unterschiede in der Modellierung der einzelnen Teile zu- tage, daß es beinahe bedenklich erscheinen möchte, die für das Munddach der Saurier eingeführte Nomenklatur Hormanns auf das Mundrelief beim Vogel zu übertragen. Doch bei näherer Betrach- tung läßt sich eine weitgehende Homologie für die Struktur des Munddaches in der Nasen- und Orbitalregion nachweisen, welche durch die abweichende Entwicklung des Nasenschlauches und der benachbarten Skeletelemente in gewissem Grade modifiziert ist. Da meine Ansichten auf der Arbeit von OÖ. Hormann fußen, lasse ich einen kurzen Auszug seiner anatomischen Ausführungen folgen. Am Munddache von Platydactylus unterscheidet er (Fig. 1) zwei Abschnitte: unterhalb der Nasenschläuche das »Nasen- feld«, charakterisiert durch die spaltförmigen Eingangsöffnungen (Cs) in die Nasenhöhle, unterhalb der Augengegend das muldenförmig eingesenkte »Orbitalfeld« (Om + Ok); daran schließt sich die Tubenzone des Vorder- darmes oder Rachens mit den Öffnungen (Tu) der Paukenhöhle. Dem Nasenfeld ist eine niedere Mulde von hufeisenförmiger Ge- Mnudach von Prehpigehiien 0 stalt, die »Vomermulde« eingegraben, welche zatus. As Anstieg; Cs Choanen- von einem durch Prämaxilla und Maxilla lie ER oe gestützten Rahmen (Sp) umwallt ist. Hor- mulde; Pk Palatopterygoidkante; MANN nennt denselben kurzweg »Kiefer- Ze me ae spange«, um die komplizierten Bezeich- nungen von BuscH zu vermeiden, der sie wieder in Außenlippe, Zahnreihe, Innenlippe und Lippenfalte (= Grenzleiste des Choanengebiets, GÖPPERT) zerlegte. Von der Grenz- leiste zieht die mediale Fläche (As) der Kieferspange gegen die Choanen, bzw. das zwischen beiden eingefügte Vomerpolster (Vp). HOFMANN zeigt, daß dieser Abschnitt von BuscH und GÖPPERT mit Unrecht als Gaumenfalte angesprochen wurde, und gibt ihm den objektiven Namen: »Anstieg«; denn er ist eben nichts weiter als Morpholog. Jahrbuch. 37. 32 494 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. die mediale Fläche der unter dem Vomerpolster ventral vorspringen- den Kieferspange. Hinter dem Nasenfeld entfaltet sich die breite Orbitalmulde (Om); der Anstieg verstreicht in leichtem Bogen lateral gegen die großen Kaumuskelwülste (X) und umrahmt gemeinsam mit diesen eine zweite Region des Munddaches, das »Orbitalfeld« (Ok + Om), das durch die scharf vorspringenden Palatopterygoid- kanten (Pk) in drei Bezirke geteilt wird, nämlich 1) die »orbitale Randkehle« (O%), 2) die »orbitale Mulde« (Om) und 3) die »Inter- orbitalrinne«. Das Vomerpolster (Vp) liegt mehr ventral als die Orbitalmulde. Die Tubeneingänge (7x) sind weit voneinander entfernt. Ich schildere nun das Aussehen des Munddaches vom Kiebitz (Vanellus cristatus) nach einer Schnittserie durch den Kopf eines Embryos von 21 mm Schnabelscheitellänge (Taf. XI Fig. 1—8). Die Querschnitte erläutern die engen, von GÖPPERT zuerst betonten und an einigen schönen Kopfschnitten illustrierten Beziehungen zwischen dorsaler und ventraler Wand der Mundhöhle noch viel deutlicher als die Flächenbilder; man sieht (Taf. XI Fig. 1-3), wie eng der rechte und linke Seitenrand der Zunge (Z) den niedrigen Grenz- leisten (l) ansteht, und wie ausgezeichnet der Zungenrücken in das Choanenfeld paßt und die inmitten liegende, von GÖPPERT »sekun- däre Choane« oder »Gaumenspalte« bezeichnete Spalte bedeckt. Man sieht ferner den Hohlraum (sr), welcher zwischen dem ven- tralen Rande des Nasenseptums und dem Zungenrücken einge- schoben und von GÖPPERT der »unvollkommen geschlossene Ductus naso-pharyngeus« genannt worden ist. Zu seinen beiden Seiten stehen die als »Gaumenfortsätze« gedeuteten Abschnitte (f) des Munddaches. Die sog. sekundäre Choane und der Hohlraum des unvollkommenen Ductus naso-pharyngeus ist noch an den Schnitten (Taf. XI Fig. 5—”7) zu erkennen, welche, hinter die Gegend der Nasenschläuche fallend, die beiden Augen, also die Orbitalregion der Mundhöhle, treffen. Die schmale Lichtung über dem Zungen- rücken (Taf. XI Fig. 3) zieht eben caudal weiter, auch unter der Fortsetzung der knorpeligen Nasenscheidewand, nämlich dem Inter- orbitalseptum (Taf. XI Fig. 4—7). Sie zeigt hier ein mehr bilateral symmetrisches Gepräge, weil sie eine rechte und linke rinnenartige Aussackung besitzt. Sie endet ungefähr über dem Kehlkopf. Hier liegt im Munddach (Taf. XI Fig. 8) eine mediane Sagittalpapille als Verbindungsstück der paarigen Pharynxfalten, zwischen welchen übrigens wiederum eine mediane Furche eingegraben ist; der Zu- gang zu den beiden Tuben. Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 495 Die Grenzleisten (2) beginnen ziemlich weit vor der oralen Ecke der sekundären Choane als schmale, ventral vorspringende Wülste des Munddaches, die vom Palatinum gestützt sind. - Sie liegen un- gefähr in der Mitte zwischen dem Schnabelrande und der Choane, konvergieren auch ungefähr in der Mitte zwischen der Schnabel- spitze und der oralen Choanenecke. Nach rückwärts erstrecken sie sich nicht so weit, sie enden sehr häufig schon etwa in der Mitte der sekundären Choane, in einer Zone, wo die Mundhöhle der Vögel durch die vom Unterkiefer an den Schädel aufsteigenden Muskel- massen transversal eingeengt wird, umfassen also bloß den Teil des Choanenfeldes, in welchem die vordere Hälfte der sog. sekundären Choane als enger Spalt entwickelt ist. Die Analyse der Querschnitte bestätigt die Richtigkeit der von GÖPPERT geschilderten Befunde und erhärtet zugleich, daß er mit vollem Rechte auf die engen Beziehungen zwischen Zunge und Choanenfeld hingewiesen hat. Eine andre Frage jedoch ist es, ob seine theoretische Deutung zu Recht bestehe. Wenn ich mich jetzt der Erörterung derselben zuwende und, wie GÖPPERT es getan hat, das Munddach der Saurier und Vögel vergleiche, muß ich zuerst den Bau der Nasenhöhle nach den Untersuchungen von A. BEECKER und an Hand der Querschnitte (Taf. XI Fig. 1—5) rekapitulieren, weil es sich bei der Entscheidung der Frage, ob ein Teil der Mund- höhle durch die Gaumenfortsätze (f) abgetrennt wird, um die Be- ziehungen zwischen Mund- und Nasenhöhle handelt. Mir. scheint nun, als habe GÖPPErT denselben zu geringe Beachtung geschenkt und sei so in Fehler verstriekt worden. BEECKER unterscheidet zwei Hauptabsehnitte: den Vorhof und die Muschelregion. Der Vorhof besitzt ein schmales, auf dem Quer- schnitt halbmondförmiges Lumen, das Dach ragt wulstartig als Vor- hofsmuschel ein. Sie erstreckt sich über den ganzen Vorhof und stellt eine stilistische Eigentümlichkeit der Vögel dar. Die Muschel- region (Taf. XI Fig. 1—5) liegt in einem höheren Niveau als der Vorhof und differenziert sich in drei deutlich voneinander zu schei- dende Abschnitte — in den medianen Stammteil (S) mit zwei Seiten- taschen, der ventralen Aulax (Ax) und dem dorsalen Sakter (Sa). Charakteristisch für den Stammteil ist seine direkte Fortsetzung gerade abwärts in den ventralen, etwas schräg medial geneigten Choanengang (Cg), während bei den Sauriern (Fig. 2 und 3) ein horizontal gebogener Schenkel (hs) des letzteren eingeschoben ist. Der Stammteil (S) erscheint deshalb mehr wie eine einfache, dorsale 32* 496 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Verlängerung des Choanenganges (Cg), weniger wie ein besonderer Abschnitt des Nasenschlauches. Infolge der geringen Breite des Nasenseptums liegen die beiden Choanengänge, sowie deren primi- tive Choanenspalten (Cs) median sehr nahe beisammen. Der Choanen- gang ((g) steigt parallel dem Septum empor und buchtet die Aulax (Au) als laterale Bogentasche aus. Die zwischen Stammteil und Aulax befindliche Gewebsmasse (Co) stellt die mittlere Muschel vor. Dorsal trägt der Stammteil den Sakter (Sa), eine von der Seite gegen die Mitte eingedrückte, dorsal aufgeriehtete schmallichtige Blase, die nur am vorderen und hinteren Rande etwas weitlumigere, lateralwärts gerichtete Auftreibungen aufweist: oral die Sicheltasche (Taf. XI Fig. 2, 3), caudal eine kleine, dreieckige Nische. In der Einbuchtung (Taf. XI Fig. 3—5 R) der schräg geneigten Sakterdecke liegt eine weitere, nur den Vögeln zukommende stilistische Eigen- tümlichkeit des Nasenschlauches, das Nasoturbinale oder der Riech- hügel GEGENBAURs. Der Tränennasengang mündet dieht hinter dem Vorhof in die laterale Seitenwand des Choanenganges (nahe dem unteren Rande desselben) ein. Das JacoBsoxsche Organ fehlt den Vögeln. Der stilistische Gegensatz, welcher im Ausbau des Nasenschlauches zwischen Vögeln und Sauriern besteht, legt uns eine gewisse Vor- sicht für den Vergleich des Munddaches auf. Man darf nicht von vornherein völlige Übereinstimmung erwarten, sondern hat damit zu rechnen, daß die dorso-ventrale Höhenentfaltung der Nasenschläuche, ferner die Ausbildung des Hornschnabels mit Verschiedenheiten des Munddaches gepaart sei. Ich fasse hauptsächlich die Nasenregion ins Auge und vergleiche Querschnitte dieser Gegend von Platydac- tylus und Mabwia (s. Morph. Jahrbuch, Bd. XXIII, Taf. I Fig. 1—6, 9—13) und Vanellus (Taf. XI Fig. 1—5) miteinander. Die Figuren machen es einleuchtend, daß das Choanenfeld der Vögel bis zu einem gewissen Grade (jedoch nicht vollständig, wie wir weiter unten sehen werden) der Vomermulde der Saurier ent- spricht; denn in beiden Fällen schmiegt sich der Zungenrücken einem deutlich abgegrenzten Felde des Munddaches an, das O. Hor- MANN die »Vomermulde« der Saurier und GÖPPERT das »Choanen- feld« der Vögel genannt hat. Die Einfügung der Zunge in dasselbe wird dadurch gesichert, daß bei Platydactylus die Lippenfalte (2) der Kieferspange, bei den Vögeln die sog. Grenzleiste (2), den Zungen- rand reehts und links umfaßt. Ein Stilgegensatz herrscht nur insofern, als die Vomermulde bei Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 497 Platydactylus (Fig. 2) zum größten Teile von dem breiten Vomer- polster (Vp) gebildet wird, das den Anstieg (As) an transversaler Entfaltung hindert, während bei den Vögeln das Vomerpolster auf- fallend schmal und der horizontale Schenkel des Anstieges breiter entwickelt ist. Doch spielt die Breite des Vomerpolsters für die Beurteilung des Stileharakters keine große Rolle, weil auch bei Sauriern Fälle mit schmalem Vomerpolster (z. B. Tejus, Teliqua, Eumeces) von HoFmAnn beobachtet wurden. Viel wichtiger ist der Querschnitt durch die Nasenregion des Kopfes von Platydactylus guttatus (großer Embryo, 5,7 cm lang). Vergr. 15/.. Knorpel punktiert, Epithel und Knochen schwarz. As Anstieg; as Choanengang, absteigender Schenkel; Au Aulax; Co Muschel; Cs Choanenspalte; d Zahnanlage; As Choanengang, horizontaler Schenkel; I Grenzleiste; Sa Sakter; Sp Kieferspange; ir Tränennasengang; U Unter- kiefer; V Vomer; Vp Vomerpolster; Z Zunge. Umstand, daß das Vomerpolster der Vögel nicht im Niveau der »Anstiegmulde«, sondern dorsal höher liegt und durch einen deut- lichen Hohlraum (sr) (sog. Ductus naso-pharyngeus GÖPPERT) von dem Zungenrücken entfernt ist. Daher stößt der horizontale Schenkel des Anstieges (As) nicht an das Vomerpolster. Er endet in einem mehr ventral liegenden Horizont, und von seiner medialen Ecke ragt fast unter rechtem Winkel eine bei Sauriern nicht ausgeprägte »Steilwand« (St) dorsal empor, welche den vom Zungenrücken 498 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. und Vomerpolster ventro-dorsal begrenzten Hohlraum (sr) seitlich um- faßt. Ich deute diese »Steilwand« als einen stilistisch eigen- artigen Abschnitt des Anstieges der Kieferspange, welcher den Sauriern unbekannt, dagegen bei den Vögeln entwickelt ist, so daß das Vomerpolster (Vp) über die Anstiegmulde dorsal emporgehoben wird. Da die Eingangsspalten (Cs) in die Choanengänge der beiden Nasenschläuche bei Platydactylus (Fig. 2) lateral vom breiten Vomer- polster liegen, darf man die beiden engen Spalten, welche zu beiden Seiten des schmalen Vomerpolsters der Vögel (Fig. 4, 5) in die Nasen- Querschnitt durch die Nasenregion des Kopfes von Mabuia mullifasciata. Vergr. %5/ı. Knorpel punk- tiert, Epithel und Knochen schwarz. As Anstieg; as Choanengang, absteigender Schenkel; Co Mu- schel; d Zahn; hs Choanengang, horizontaler Schenkel; } Grenzleiste; Sa Sakter; Sp Kieferspange; U Unterkiefer; V Vomer; Vp Vomerpolster; ot Winkeltasche; Z Zunge, höhle leiten, als die »eigentlichen Choanen« deuten. Dann ist der unter diesen Spalten befindliche, von den Steilwänden des An- stieges umrandete Raum (sr) eine stilistisch unabhängige Bildung, und es geht nicht an, ihn ohne weiteres als sekundäre Choane oder unvollständigen Ductus naso-pharyngeus anzusprechen. Ich glaube seinen morphologischen Charakter richtiger zu treffen, wenn ich ihn den »Subehoanalraum« (Cavum subchoanale) nenne und als Neben- höhle der Anstiegmulde betrachte. Das Verhältnis der Konfiguration der Anstiegmulde der Vögel zu derjenigen der Saurier läßt sich Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 499 leicht durch die Vorstellung erklären, daß mit dem Zufügen der Steilwand (St) dorsal oberhalb des Anstieges (As) das bei jenen im Niveau der Vomermulde befindliche Vomerpolster (Vp) dorsal ge- hoben wurde. Würde das bei Platydactylus (Fig. 2) geschehen, so müßte sich ebenfalls ein ventral unter dem Vomerpolster liegender, subehoanaler Raum bilden, freilich von breiter transversaler Aus- dehnung, weil das Vomerpolster selbst breit ist. Bei den Vögeln (Fig. 4, 5) aber, deren Vomerpolster schmal, ja sogar medial zuge- spitzt erscheint, ist der subchoanale Raum schmal und in Konse- quenz dieses Formenzuges der horizontale Schenkel des Anstieges Fig. 4. breiter als bei vielen Sauriern und überdies noch durch eine vertikale Fortsetzung, die Steilwand (St) vervollständigt. Erst am Ende der Steilwand beginnen die Nasenschläuche, d.h. dort liegen die wirklichen Choanen (Cs). Es ist also die bisher als Choane bezeichnete Längsspalte des Choanenfeldes am Munddache der Vögel gar keine Choane, sondern der Eingang in den Subchoanal- raum oder kurz gesagt, der »Subchoanalspalt« (Fissura sub- choanalis). Das Maß der Ähnlichkeit und Unterschiede im Bau des Nasen- feldes von Sauriern und Vögeln läßt sich folgendermaßen charak- terisieren. In beiden Fällen ist die Vomer- bzw. Anstiegmulde 500 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. samt ihrer Grenzleiste (2) deutlich angelegt, nur ihre Komponenten, d. h. Anstieg (As) und Vomerpolster (Vp) sind verschiedenartig aus- gebildet. Niemals wird die Mulde vom Anstieg (As) der Kieferspange vollständig begrenzt: der horizontale Schenkel desselben erreicht in keinem Fall die Medianlinie, sondern endet in etlicher Entfernung von derselben. Zwischen dem rechten und linken Anstieg ist bei Platydactylus das Vomerpolster (Vp) eingeschaltet, so daß es in Fig. 5. Erklärung der Fig. 4 und 5. Querschnitte durch die Nasenregion des Kopfes von Vanellus cristatus (Embryo 21 mm Kopflänge). Vergr. 18/. Der Abstand beider Schnitte beträgt 0,12 mm. Knorpel punktiert, Epithel und Knochen schwarz. As Anstieg; Au Aulax; Cg Choanengang; Cs Choanenspalte; 7 Grenzleiste; Co mittlere Muschel; R Riechhügel; Sa Sakter; Sp Kieferspange; sr Subcehoanalraum; S# Steilwand des Au- stieges; U Unterkiefer; Y Vomer; Z Zunge. gleichem Niveau mit dem horizontalen Teile des Anstieges steht. Bei den Vögeln jedoch ist die Mundhöhle unter dem Vomerpolster dorsal vergrößert; über der eigentlichen Zungenmulde ist der Sub- choanalraum (sr) zugleich mit der Steilwand (S?) des Anstieges ge- schaffen worden. Die über der Zungenmulde befindlichen Nasenschläuche zeigen ebenfalls verschiedene Formen. Bei den Sauriern (Fig. 2,3) wird Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 501 der Choanengang in einen horizontalen (%s) und absteigenden (as) Schenkel abgebogen, und das Mesoderm des Vomerpolsters (Fp) springt gleich zwei Armen lateral gegen die mediane Wand des Choanenganges. Bei den Vögeln (Fig. 4, 5) dagegen läßt das schmale Vomerpolster die Choanen (Cs) dicht neben der Mittellinie münden, so daß der Choanengang (Cg) wie eine direkte Verlängerung des Nasenschlauches aussieht. Der horizontale Schenkel des Anstieges entfaltet sich hier als breiter Streifen, um allein die Decke der Zungenmulde zu bilden. (Das ist ein Formcharakter, welcher übri- gens auch bei den Seineiden (Fig. 3) anklingt, obwohl deren Vomer- polster im Niveau des Anstieges liegt) Die Umschlagsstelle des Anstieges zur Steilwand (St) ist von je einer schmalen, medial etwas vorspringenden und mit verhornten Papillen versehenen Kante be- grenzt, welche oft dicht genähert sind und den Anblick der wirk- lichen Choanen verwehren. Nach dieser Darlegung scheint mir die Stilverwandtschaft und der Stilkontrast beider Gruppen völlig geklärt. Ein scharfer Gegen- satz spricht sich noch in der Form des äußeren Teils der Kiefer- spange (Sp) aus, welche lateral von der Grenzleiste bzw. dem An- stieg einen das Zungenfeld umschließenden Rahmen bildet. Während derselbe bei vielen Sauriern annähernd gleiche Breite beibehält und vorn im sog. Vomerknopf konvergiert, wird er beim Kiebitz und andern Arten je nach Art und Bau des Schnabels oralwärts unver- hältnismäßig stark verbreitert und zur Schnabelspitze ausgezogen, so daß seine Gesamtform etwas an den Umriß eines gotischen Spitz- bogens erinnert. Aus der bisherigen Darstellung ergibt sich, daß ich den Aus- druck »Gaumenfortsätze« zur Bezeichnung der über dem Zungen- rücken liegenden Abschnitte des Munddaches ebenso entschieden verwerfe, wie O. HoFMANnN für die Saurier. Wenn man die Gewebs- masse (f), deren mediale Fläche als Grenzleiste (2), horizontaler Schenkel des Anstieges (As) und Steilwand (St) freiliegt, mit GÖPPERT »Gau- menfortsatz« oder »den Beginn eines solchen« nennt, so muß not- wendigerweise der Beweis erbracht werden, daß dorsal über ihr ein abgeschnürter Teil der Mundhöhle liegt, den die Gaumenfortsätze überdecken. Aber die Querschnitte (Taf. XI Fig. 1—4) offenbaren den dort befindlichen Hohlraum als Abschnitt der Nasenhöhle; denn von der Steilwand (S?) zieht die laterale Epithelwand des Nasen- schlauches schräg dorsal geneigt und rasch in die sichelartig medial eingerollte Aulaxnische (Au). Der sog. Gaumenfortsatz (f) trägt also 502 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. die laterale Wand des Choanenganges (Cg) und ist durch die pri- mitive Choanenspalte (Cs) vom Nasenseptum getrennt. Er bildet gar keine ventrale Brücke unter den Choanen, sondern bloß die seitliche Umrahmung des subchoanalen Raumes (sr), in welchen die primären Choanen (Cs) ausmünden; er liegt somit ventral unter den Choanen und hilft dazu, deren lateral-ventralen Rand zu stützen, das sind lauter Eigenschaften, welche die Deutung als Gaumenfort- satz ausschließen. Meine Analyse bestätigt durchweg die Ansicht von O. HOFMANN, der für Platydactylus und die andern Saurierarten gezeigt hat, daß die von BuscH, GÖPPERT und SEYDEL als Gaumenfalte gedeutete Zone ein Abschnitt des soliden Munddaches selbst ist. Auch bei den Vögeln sind die Gaumenfortsätze (im Sinne der meisten Autoren) nichts weiter als Teile der soliden Munddecke. Die Verwechselung mit Gaumenfortsätzen, wie sie bei Säugern embryonal erscheinen, ist bei den Sauriern (Fig. 2, 3) zu entschuldigen, weil der Choanen- gang des Nasenschlauches lateral (as) geknickt ist und dicht über dem Munddache hinzieht, so daß bei oberflächlicher Betrachtung der Anstiegteil (As) der Kieferspange (Sp) für eine die Nasenhöhle deckende Falte gehalten werden kann. Bei den Vögeln (Fig. 4, 5) aber liegen die Verhältnisse viel klarer. Die Nasenschläuche sind hier dorso-ventral und nicht lateral entwickelt, der Choanengang (Cg) steigt sehr wenig schräg geneigt nach aufwärts und bildet in kurzer Entfernung von der Choane (Cs) seine laterale Aulaxnische (Au). Alles, was unter diesen Teilen liegt, kann bloß Munddach, nicht Gaumenfortsatz sein! Der Subcehoanalraum (sr) zwischen den beiden Steilwänden ist als Nebenraum der Mundhöhle zu betrachten, weil er unpaar ist und die Mündungen (Cs) der paarigen Nasenschläuche aufnimmt, welche durch das Septum (S), bzw. das ventral zugespitzte Vomer- polster (Vp) getrennt sind. Wenn man das Munddach der Saurier (Fig. 2, 3) und Vögel (Fig. 4, 5) vergleicht, so liegt bei letzteren das Vomerpolster (Vp) höher als die horizontale Fläche des Anstieges (As). Darum ist zwischen dem Zungenrücken und dem Vomerpolster der für die Vögel allein charakteristische Subcehoanalraum (sr) ein- geschoben. Man kann nicht behaupten, daß er durch Vorwachsen der Gaumenfalten entstehe. Er ist vielmehr als eine selbständige Bildung, als eine dorsale Vergrößerung der Mundhöhle zu beurteilen, der nichts Homologes bei den Sauriern entspricht, wo das Vomer- polster direkt den Zungenrücken berührt. Sein Verhältnis zu dem Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 503 Ductus naso-pharyngeus der Säugetiere will ich an späterer Stelle untersuchen. Noch ist die sagittale Länge des subcehoanalen Raumes- (sr) zu bestimmen. Sowohl die Totalpräparate des Munddaches, wie die Querschnitte (Taf. XI Fig. 1—8) erwecken den Anschein, als ob der- selbe sich über die primitiven, beiderseits vom Vomerpolster (Vp) liegenden Choanen (Cs) caudal erstrecke und mindestens bis an den oralen Rand der Pharynxfalten (Taf. XI Fig. 8), d. h. ungefähr so weit, wie das Choanenfeld reiche. Ebensolange scheint seine Aus- gangsspalte am Munddache, welche GÖPPERT und andre bisher kurzweg als sekundäre Choane betrachteten. Darf man nun die ganzeFurchealsSubehoanalraum bezeichnen ? Bevor ich eine definitive Antwort erteile, muß ich daran erinnern, daß O. HormanNn bei den Sauriern hinter der Nasenregion des Munddaches die Orbitalregion unter- schieden hat. Es ist zu prüfen, ob den Vögeln ein homologer Abschnitt zukommt. Ich glaube das bejahen und als Orbitalmulde (Om) des Munddaches jene kurze Strecke hinter den Nasenschläuchen ansprechen zu dürfen, welche auf Querschnitten (Taf. XI Fig. 6, 7) die oben ($. 494) beschriebene dor- Be en sale Furche mit den seitlichen Ausbuchtun- x Kaumuskelwulst; Ok orbitale gen zeigt. - Dafür spricht der Umstand, daß pn Bea rn sie ventral vom Interorbitalseptum verläuft ferspange; Tu Tubeneingang; und von den Palatina (P) umfaßt wird. Als caudale Grenze der Orbitalmulde fasse ich die oben (S. 494) erwähnte sagittale Papille (Taf. XI Fig. 8, p) auf. Die mediane Furche, welche hinter der Papille zwischen die Pharynx- falten eindringt und bis zur Mündung der paarigen Tuben reicht, würde der Pharynxregion entsprechen. Wenn man meinen Erwä- gungen beipflichtet, wird die Ansicht GÖPPERTS zu verwerfen sein, der die Rinne am Munddache der Vögel als »langgestreckte Kom- munikation zwischen Mund- und Nasenhöhle«, als »genau abgegrenzte Bahn« für den respiratorischen Luftstrom zwischen Nasenhöhle und Kehlkopf, oder als »lange, weit nach vorn reichende Choanenspalte« ansah. Sie ist weder COhoanenspalte noch Subchoanalraum, son- dern das Produkt von zwei wohl zu unterscheidenden Hohlrinner, 504 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. nämlich des Subchoanalraumes + Orbitalmulde. Subchoanalraum (sr) ist bloß derjenige Teil der langgezogenen Medianfurche, der direkt unter den primitiven Choanen, bzw. dem schmalen Vomerpolster oder Nasenseptum liegt (Taf. XI Fig. 1—5), Orbitalmulde (Om) dagegen die Rinne (Taf. XI Fig. 6, 7), welche hinter dem eaudalen Ende der primitiven Choanen weiter zieht, symmetrische Ausbuchtungen besitzt und zugleich seichter und breiter wird. Zum Beweise meiner Deutung darf man nicht an die Verhält- nisse bei Platydactylus denken; denn hier ist der Gegensatz zwi- schen Vomer- und Orbitalmulde sehr deutlich, weil letztere ein höheres dorsales Niveau behauptet als das Vomerpolster, und weil die Palatopterygoidkanten weiter auseinander stehen.. Das hintere Ende der Choane öffnet sich in die etwas höher liegende breite Orbitalmulde, während der größere Teil der Choane als langge- streckter Choanenspalt jederseits vom Vomerpolster frei am Mund- dache liegt. Der Stilcharakter des sog. sekundären Choanenspaltes oder, wie ich besser sage, des Cavum orbitosubchoanale wird erst verständlich, wenn man die von O. Hormann richtig gedeuteten Verhältnisse des Munddaches der Seineiden (Fig. 6) in Vergleich zieht, wo die Ränder (Ok) der Orbitalmulde (Om) nicht so weit entfernt stehen wie bei Platydactylus (Fig. 1) und andern Sauriern, sondern medial zusam- mengeschoben sind, daß statt der breit offenen Orbitalmulde ein etwa zur Hälfte geschlossener Orbitalkanal gebildet wird, der dicht hinter dem Vomerpolster (Vp) durch eine schmale Längsspalte zu- gänglich ist und gegen die Kaumuskelwülste (Km) etwas weiter klafft. Auf diese Weise ist die bei einfacheren Formen offene Or- bitalmulde in einen orbitalen Gang verwandelt und kann für die Leitung der Atemluft verwendet werden, weil ja die jederseits am Vomerpolster frei mündenden Choanenspalten (Cs) durch die ihnen innig angeschmiegte Zunge abgeschlossen sind und in der Regel wahrscheinlich nur wenig Luft in die Mundhöhle passieren lassen. Die Konfiguration des Munddaches der Vögel (Fig. 7) scheint mir damit direkt übereinzustimmen. Die Orbitalkanten sind medial genähert, freilich nicht so stark wie bei Mabwia und Tikiqua; immer- hin grenzen sie die schmale Orbitalfurche (Om) deutlich ab und umsäumen den hinteren Teil des sog. sekundären Choanenspaltes (ss). Der Unterschied gegenüber den Seineiden liegt nur darin, daß das Vomerpolster samt den primitiven Choanen nicht frei am Mund- dache, bzw. in der Zungenmulde, sondern in einem etwas höheren, Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 505 dorsalen Niveau liegt. Durch diese geringfügige Modifikation des Höhenabstandes ist bei den Vögeln der subehoanale Raum geschaffen und fließt ohne scharfe Grenze mit der schmalen Orbitalmulde zu- sammen. Wenn man, um ganz klare Einsicht in die Lagerungsver- schiedenheit zu gewinnen, eine horizontale Tangentialebene an das Vomerpolster legt, die gerade senkrecht zur Höhe des Nasenseptums steht, so zieht bei Mabwia, Euprepes, Chalcides der horizontale Schenkel des Anstieges im Niveau des Vo- merpolsters, das Gewölbe der Orbitalmulde aber in einem etwas mehr dorsalen Horizonte. Bei den Vögeln liegt der horizontale Schenkel des Anstieges (As) tief unter dem Vomerpolster.. Daher bleibt zwischen den medialen Rändern des horizontalen Anstieges ein schmaler Spalt (ss), der in den bei Sau- riern durchaus unbekannten Subchoanalraum führt. Jedoch die Tangentialebene des Vo- Munddach von Meleagrisgallopavo. merpolsters berührt auch das Gewölbe der "* SR schmalen Orbitalmulde, daher geht der sti- bitalfeld; Om Orbitalfurche; ph listisch eigenartige Raum über der Anstieg ra mulde ohne Grenze in die enge Orbital- furche über. Der Zusammenfluß des subehoanalen Raumes mit der Orbitalmulde zum Cavum orbitosubehoanale ist die für den Stilplan des Munddaches am meisten charakteristische Eigenschaft. Sie prägt den Vögeln eine selbständige morphologische Eigenart auf, die in gutem Einklange mit andern Organisationszügen dieser Gruppe steht. Die enge Verquickung des Subchoanalraumes mit der Orbital- furche zeigt sich übrigens auch in einem andern Formcharakter, den O. Hormann bei der Beschreibung der Munddecke von Tiliqua gigas hervorgehoben hat. Er sagt (4, S. 33 unten): Der breite, horizontale Teil des Anstieges setzt sich ohne Grenze in das Orbitalfeld fort. Es ist nicht möglich, den Anstieg von der ungefähr in dem gleichen Niveau, jedoch ziemlich flach streichenden orbitalen Randkehle zu unterscheiden. Bei den Vögeln sind ganz ähnliche Verhältnisse. Die orbitale Randkehle ist nicht vom Anstieg abgesetzt. Daher fällt im Flächen- bilde das Orbitalfeld gar nicht auf. Infolgedessen hat GörrErT bloß vom Choanenfeld gesprochen, das bis zu den Kaumuskelwülsten, bzw. Pharynxfalten (pk) reicht. Morphologisch richtiger wird es 506 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. sein, das Choanenfeld als ein Mischprodukt anzusehen, es ist zum Teil aus der Anstiegmulde, zum Teil aus dem Orbitalfelde zusammen- gesetzt. II. Das Munddach der Säugetiere. Die Bildung des sekundären Gaumens und des Ductus naso- pharyngeus bei den Säugern ist in der Literatur vielfach beschrieben und der Hauptsache nach genügend geklärt. Wenn ich mich trotzdem veranlaßt sehe, auf diese Verhältnisse näher einzugehen, so geschieht das nicht, um bereits Bekanntes zu wiederholen. Nach- dem aber von allen früheren Forschern für Reptilien und Vögel Ge- bilde als »Gaumenfortsätze« oder »Vorstufen des sekundären Gau- mens« angesprochen worden sind, die es nach HOFMANNS und meinen Ausführungen unmöglich sein können, hielt ich mich verpflichtet, die Gaumenleisten der Säugetiere auf ihre Ähnlichkeit mit den Differenzierungen am Munddache der Sauropsiden von neuem zu prüfen. Hıs ($, 5. 376—382) schilderte vor einigen Jahren die Gaumen- bildung so erschöpfend, daß ich nichts Neues zuzusetzen habe: »Die Innenfläche des Oberkieferfortsatzes wächst zu einer an- fangs stumpfen, späterhin schärfer sich ausprägenden Kante aus, dem ersten Anfang einer Gaumenleiste. Vorn beginnt die Gaumen- leiste neben der primären Choane und sie geht hier unmittelbar in den primären Gaumen über. Von da ab erstreckt sie sich mit schräg verlaufendem Bogen dorsalwärts, und sie ist, über den Eingang zur Mittelohrtasche hinaus, bis in die Nähe des Kehlkopfeinganges zu verfolgen. Die Richtung der Gaumenleiste kreuzt sich unter einem spitzen Winkel mit der Richtung der ursprünglich vorhandenen Rachenhaut. Die Zunge, sobald sie einmal deutlich hervortritt, kommt zwischen die beiderseitigen Gaumenleisten zu liegen (Em- bryonen von 10—11 mm NI.).« »In der Folge tritt die Gaumenleiste selbständiger, als etwas überhängender Wuist jederseits gegen den Mundrachenraum hervor (Embryonen von 13—14 mm NI.).« »Weiterhin wandelt sich die Gaumenleiste immer mehr zu einer schmalen, neben der Zunge weit herabsteigenden Platte um, und nun sondert sich lateralwärts von ihr eine zweite Leiste ab, die Alveolarleiste. « Schon früher hat Hıs auf das eigentümliche Verhalten zwischen Zunge und Gaumenanlage hingewiesen: »Die Zunge steigt erheblich Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 507 höher herauf als die freien Gaumenränder, und sie wird stellen- weise von diesen förmlich eingeklemmt. Der Rücken der Zunge berührt während der zweiten Hälfte des zweiten Monats in größerer Ausdehnung die Schädelbasis, und die Zungenspitze legt sich, dem hinteren Naseneingang dicht an. An Sagittalschnitten gewinnt man geradezu den Eindruck, als ob die Zunge zwischen Gaumen und Schädelbasis hindurch in die Nasenhöhle gedrängt sei.« »Die Umlagerung der Gaumenplatten erfolgt zu Ende des zweiten oder im Beginn des dritten Monats. Von da ab findet man die Platten mit einander zugekehrten Rändern über der Zunge liegend. Ihre Ver- wachsung schreitet von vorn nach hinten fort, erfolgt aber nur lang- sam.« Bei einem Fötus von 3l mm S.Sl. sind die Ränder der beiden Gaumenplatten noch durch eine von vorn nach rückwärts breiter werdende Spalte voneinander getrennt. Bei einem andern ungefähr gleichgroßen Fötus von 25 mm NI., 29 mm S.Sl. sind die Gaumen- platten bis zur Berührung entgegengerückt. Bei einem Fötus von 51 mm S.S1. ist der vordere Teil der Gaumenplatten glatt verwachsen, nach rückwärts findet sich eine Strecke mit bloß epithelialer Ver- klebung, und dahinter folgt eine klaffende, an Breite rasch zuneh- mende Spalte. Diese entspricht schon dem hinteren Gaumenbogen, die noch unvollständig geschlossene Strecke dem Gaumensegel. Da die Gaumenplatten nicht nur neben, sondern mit ihren freien Rändern geradezu unter der Zunge liegen und die Zunge den über- liegenden Raum völlig ausfüllt, so kann nach der Ansicht von Hıs ein Emporsteigen der Platten offenbar nur erfolgen, wenn die Zunge zuvor ausgewichen ist, wie er glaubt, durch aktive Muskelbewegung derselben und Senken des Unterkiefers. Dabei ist es denkbar, daß die Hebung der Gaumenplatten nicht für beide Seiten zugleich er- folgt, sondern daß die Zunge erst nach der einen und dann nach der andern Seite hin Raum schafft. Gegen diese Deutung erhob A. Pörzu (6) Einspruch. Sie ver- tritt die einleuchtende Ansicht, nicht durch aktive Bewegungen, sondern durch ungleiches Wachstum verschiedener Abschnitte im Bereiche des Gesichts, der Schädelbasis und der Mundhöhle gelange die Zunge so weit nach vorn und hinten, daß der Raum zwischen den nach innen und unten gerichteten Gaumenplatten frei werde. Dann wachsen die letzteren, ihre Form ändernd, oberhalb der Zunge in horizontaler Richtung gegen die Mitte zu und verschmelzen. Die Schließung des sekundären 'Gaumens werde also dadurch ermög- 508 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. licht, daß »die Zunge aus dem Raum zwischen den Gaumenplatten nach vorn hinaus wachse, ohne von rückwärts in denselben hinein- zugelangen.« .G. ScHorRr (7) teilte neuerdings kurz mit, daß die Gaumenplatten durch Höhenwachstum des Oberkiefers und durch eine lebhafte Pro- liferation des Mesenchyms, medial von der Gegend der Zahnleiste, in die Horizontale und damit in eine zum primitiven Gaumen par- allele Ebene gestellt werden. Meine Beobachtungen, welche sich auf ein sehr reichhaltiges Material von Embryonen verschiedener Säugetierarten (Schwein, Sehaf, Katze, Maulwurf) erstrecken, haben nichts wesentlich Neues ergeben. Sie bestätigen im allgemeinen die Schilderung und Zeich- nungen der früheren Untersucher. Während der Bildung des harten Gaumens fallen zwei Hauptstadien auf, nämlich der Zustand der die Zunge seitlich umfassenden Gaumenleisten und die spätere Ver- einigung derselben in der Gaumennaht. Meine Hoffnung, durch die Bearbeitung einer recht großen Zahl von Schweineembryonen in der Größenstufe von 2—3 cm denjenigen Entwicklungszustand aufzu- spüren, in welchem die ventral abwärts gerichteten Gaumenleisten eben beginnen, sich zur medianen Verschmelzung anzuschicken, ging nicht in Erfüllung. Daher kann ich auch zu der zwischen W. Hıs und A. Pörzu bestehenden Meinungsverschiedenheit keine bestimmte Stellung einnehmen. Meine Absicht zielte übrigens nach andrer Richtung; ich wollte durch das Studium der Gaumenbildung die Frage klären, ob sich an den frühen Embryonalstadien eine morphologische Verwandtschaft mit dem Aufbau des Munddaches der Sauropsiden nachweisen lasse, bzw. inwieweit hier Ähnlichkeit und Unterschiede bestehen. Betrachtet man zu diesem Zweck Querschnitte durch Schweine- embryonen von etwa 2 cm Nstl. (Fig. 8), so sieht man folgende Be- sonderheiten: die Mulde des künftigen Ductus naso-pharyngeus zieht im mittleren Drittel des Munddaches, verhältnismäßig flach unter den Choanen, tiefer eingesenkt und etwas breiter hinter diesen, caudal seicht verstreichend bis zum Eingange in die Tuben. Die Ober- kieferanlage oder Kieferspange (Sp) bildet den gemeinsamen Rahmen für die am ganzen Munddache verlaufende Gaumenrinne (Gr). Die Grenze zwischen beiden ist durch die Gaumenleisten (gl) deutlich ausgesprochen, welche als schmale Kanten längs des seitlichen Zungenrandes herabsteigen und die lange Gaumenrinne umsäumen. Sie treten am oralen Rande der Choane schwach hervor, werden Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 509 pharyngeal länger und kräftiger (Schweineembryo 2,1 em Schstl.) und divergieren vor dem Kehlkopfe nach der Seitenwand des Pharynx. Die längst bekannte Tatsache, daß die Zunge eine Zeitlang in die Gaumenrinne (Gr) eingeschoben und von den Gaumenleisten (gl) seitlich umfaßt wird, hat, wie ich glaube, einen hohen morphologi- schen Wert. Sie erinnert direkt an die Verhältnisse bei den Sauro- psiden: die Gaumenrinne scheint der Nasenmulde derselben zu ent- sprechen; denn der laterale Zungenrand wird von den Gaumenleisten genau in der gleichen Weise umfaßt, wie von den Grenzleisten. Ich & AR ara EA MT Re Ve RT m I gl Querschnitt durch die Nasenregion von Sus domestica. Embryo 2,1 cm Schstl. Vergr. 18/ı. Knorpel punktiert, Epithel schwarz. Au Aulax; Cs Choanenspalte; d Zahnleiste; gl Gaumenleiste; @r Gau- menrinne; gs Seitenwand der Gaumenrinne; J Jacogsonsches Organ; Mt Maxilloturbinale; N? Naso- turbinale; Sa Sakter; VYp Vomerpolster; Z Zunge. betrachte daher beide Vorsprünge als homologe Differenzierungen des Munddaches und definiere sie durch ihre Eigenschaft, bei ge- schlossenem Maule den lateralen Zungenrand zu umsäumen. Ebenso liegt der Zungenrücken den beiden primitiven Choanen (Cs) der Nasenschläuche samt dem Nasenseptum direkt. gegenüber. Wer den Querschnitt durch die entsprechende Region eines Sauriers mit dem eines Säugers vergleicht, wird die Ähnlichkeit zwischen dem Vomerpolster und der Ventralfläche des Nasenseptums (Yp) nicht verkennen. In beiden Gruppen schiebt sich dasselbe zwischen die Morpholog. Jahrbuch. 37. 33 510 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Choanen (Cs) ein und ist der Zunge direkt benachbart. Freilich wird der topographische Einklang durch den Umstand gestört, daß der Anstieg der Kieferspange bei Sauriern von der Choane mit einem horizontalen Schenkel mehr oder weniger weit lateral zieht, um in leichtem Bogen ventral abzubiegen und an der Grenzleiste zu enden, während die Seitenwände (gs) der Gaumenrinne vom lateralen Rande jeder Choane (©s) ziemlich senkrecht gegen die Gaumenleiste (gl) herabsteigen. Wegen dieser Verschiedenheit kann ich die embryo- nale Gaumenrinne der Säuger nicht völlig homolog der Nasenmulde der Saurier halten; denn bei den Sauriern wird das Dach der Nasen- mulde sowohl vom Vomerpolster als dem horizontalen Schenkel des Anstieges gebildet, und letzterer deckt einen mehr oder weniger sroßen Bezirk der dorsalen Zungenfläche. Bei den Säugerembryonen aber besteht das Dach der Gaumenrinne bloß aus der ventralen Fläche des Nasenseptums, d. h. dem Vomerpolster; der horizontale Schenkel des Anstieges fehlt vollkommen. Die Seitenwände (gs) der Gaumenrinne (Gr) steigen von den Choanen ziemlich senkrecht gegen die Gaumenleisten (gl) herab, so daß der Zungenrücken eigentlich nur solchen anatomischen Elementen gegenüber liegt, welche bei Sauriern dem Medianabschnitte der Nasenmulde angehören. Ferner ist die Nasenmulde der Saurier seicht und breit, die Gaumenrinne der Säugerembryonen verhältnismäßig tief und schmal. Eine befriedigende Deutung habe ich erst durch den Vergleich mit den Vögeln gefunden. Wenn man den Querschnitt durch das Anstiegfeld des Kiebitz (Fig. 4 und Taf. XI Fig. 1—3) mit dem der (raumenrinne vergleicht, sieht man das Vomerpolster (Vp) in beiden Fällen höher über der Kieferspange (Sp) stehen, und zwar ist es bei den Vögeln vom Zungenrücken durch den Subchoanalraum (sr) getrennt, der über der eigentlichen Anstiegmulde, d. h. den hori- zontalen, den Zungenrücken lateral deckenden Schenkeln des An- stieges (As) sich befinde. Wenn man sich nun vorstellt, daß bei den Säugerembryonen sowohl der horizontale Schenkel des Anstieges als die über ihm liegenden Gewebsmassen, die bisher fälschlich als (saumenfortsätze bezeichnet wurden, also jene Partie, welche als Steilwand (5?) die laterale Grenze des Subehoanalraumes bildet, nicht zur Entfaltung kommen, dann würde der Subehoanalraum und die Anstiegmulde in einen einzigen Raum zusammenfließen, dessen la- terale Wand von den Choanen senkrecht zur Gaumen-Grenzleiste (gl) zieht. Somit ist die Gaumenrinne eine den Säugern allein zukom- mende eigenartige, morphologische Differenzierung, welehe nicht der Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 511 Anstiegmulde entspricht, sondern ein Additionsprodukt von zwei bei den Vögeln getrennt übereinander liegenden Hohlrinnen ist. Es wäre verfehlt, wollte man die ganze Gaumenrinne bis zu ihrem Ausgang an den Tuben der Anstiegmulde und dem Subeho- analraum der Vögel gleichsetzen; denn beide sind auf die Nasen- gegend des Munddaches beschränkt und enden so ziemlich in der Region des caudalen Choanenrandes. Wie nun mit diesen die enge Orbitalmulde innig verknüpft ist, so dünkt es mir wahrscheinlich, Querschnitt durch die Nasenregion von Sus domestica. Embryo 2,5 cm Schstl. Vergr. 1%/ı. Au Aulax; Cs Choanenspalte; d Zahnleiste; Dn Ductus naso-pharyngeus; @ Gaumen; gn Gaumennaht; Mt Ma- xilloturbinale; Nt Nasoturbinale; Sa Sakter; Vp Vomerpolster; Z Zunge. daß der hintere Teil der Gaumenrinne der Orbitalmulde homolog ist; denn er liegt hinter den Choanen, unterhalb der Augenhöhlen und endet am Tubeneingang. Eine scharfe Grenze zwischen den nach meiner Ansicht morphologisch zu unterscheidenden Komponenten der Gaumenrinne läßt sich freilich hier ebensowenig angeben, wie bei den Vögeln, und das kann gegen die Richtigkeit meiner Inter- pretation eingewendet werden. Besonders lang ist die Orbitalmulde nieht entwickelt, der sub- choanale Abschnitt der Gaumenrinne ist dagegen sagittal bedeutend 33* Hl A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. ausgedehnt im Einklang mit der Längsentfaltung, welche die Muschel- region des Nasenschlauches, Sakter und Aulax, sowie Naso- und Maxilloturbinale erfahren. Die vom Stile der Sauropsiden abweichenden Charaktere der Gaumenrinne, nämlich Mangel des Anstieges und der Steilwand, Verquiekung der Nasenmulde + Orbitalmulde + Subehoanalraum, sind als Vorbedingung für eine über den einfachen Typus weit hin- ausgehende Metamerphose (Fig. 9) zu betrachten, welche zur Bildung des harten Gaumens und Ductus naso-pharyngeus führt. Dadurch verliert die Gaumenrinne einerseits die Eigenschaft, eine negative Matrize der Zunge zu sein; sie bleibt in relativ kleinen Dimensionen bestehen, während die Zunge nach dem Gaumenschlusse in der durch Wegnahme der Zungenmulde und des Subehoanalraumes mor- phologisch reduzierten Mundhöhle Platz zu starker lateraler und dorso-ventraler Entfaltung findet. Anderseits wird, indem die Gaumenleisten median verwachsen, ein dorsaler, freilich nicht sehr großer Abschnitt (Dr) der Mund- höhle, welcher der Nasenmulde ++ Subchoanalraum der Vögel, so- wie der Orbitalmulde vergleichbar ist, von der übrigen Mundhöhle abgetrennt. Dadurch sind die primitiven Choanen (Cs) endgültig von der letzteren geschieden, und die enge Nachbarschaft zwischen Vomerpolster und Zungenrücken beseitigt. Die Choanen öffnen sich jetzt in die zu einem sub- und postchoanalen Canalis naso-pharyn- geus umgebildete Gaumenrinne. Endlich erfahren die Choanen eine den Sauropsiden unbekannte Veränderung. BEECKER hat schon hervorgehoben, daß die Choanen beim Gaumenschlusse nicht vollständig aus der Mundhöhle entfernt werden, da sich ihr vorderer, durch die Mündung des JAcoBSoN- ' schen Organs charakterisierter Rand vor den Gaumenleisten befindet. Er wird von ihrer Verwachsung nicht berührt, sondern bleibt als kleine Öffnung beiderseits vor dem harten Gaumen als Foramen in- cisivum bestehen. Erst hinter dieser Stelle stoßen die etwas schräg geneigten Gaumenleisten an das Vomerpolster bzw. den Ventral- rand des Nasenseptums und verwachsen mit ihm, so daß die primi- tiven Choanen auf eine kurze Strecke wirklich verlegt werden. Ein Teil der inneren Nasenöffnung verödet dadurch vollständig. Hinter der Verschmelzungsstelle stehen die Gaumenfortsätze in einem etwas tieferen Niveau als das Nasenseptum. Hier bleibt die Lichtung der Gaumenrinne als passierbarer Kanal (Ductus naso-pharyngeus) er- halten und der hintere Abschnitt der primitiven Choane mündet in Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 513 ihn. Es ist also für den Stilcharakter der Säugetiere nicht bloß die mediane Naht der Gaumenleisten, sondern auch die Persistenz des vorderen Choanenrandes in der Mundhöhle und die Verlegung eines kurzen mittleren Abschnittes der primitiven Choane bezeichnend. III. Der Gaumen-Stil. Unsre Studien haben die Stilgesetze für die Entwicklung des Munddaches aufgedeckt. In allen Fällen war eine nasale und orbi- tale Mulde, sowie deren bestimmte morphologische Komponenten fest- zustellen, nämlich in der Nasenregion: die Kieferspange, die Lippen- falte (= Grenz- und Gaumenleiste), der Anstieg, die Choanen, das Vomerpolster, in der Orbitalgegend: die Kieferspange, die Orbital- mulde, die Palatinkanten. Immer ist der Nasengegend des Munddaches eine dorsale Mulde eingegraben, um welche die Kieferspange einen im allgemeinen huf- eisenförmigen Rahmen bildet. Getrennt werden beide durch eine mehr oder weniger scharf vorspringende Grenz- bzw. Gaumenleiste. Die nach dem Mundboden schauende, ventrale Fläche der Kiefer- spange ist eben und schmal; von der Grenzleiste zieht ihre mediale Fläche als Anstieg hohlkehlenartig dorsal empor gegen den ven- tralen Rand der Choanen und deckt, wenigstens bei Sauriern und Vögeln, den Zungenrücken. Außerdem sind für das volle stilistische Verständnis die Form- eigenschaften der Nasenschläuche in Betracht zu ziehen. Diese Or- gane entwickeln sich gerade oberhalb der Nasenmulde, ihre beiden Choanen münden am Deckenfelde derselben, getrennt durch das Vomerpolster. Die Größe der dorsalen Mulde des Munddaches ent- spricht im allgemeinen der Zunge, welche sich dem gegenüber- liegenden Bezirk so innig anschmiegt, daß GÖPrPERT mit Recht von einem negativen Abdruck der Zunge an der Munddecke sprechen konnte. An die Nasenmulde schließt sich das Orbitalgewölbe mit der mehr oder weniger ausgeprägten, medianen Interorbitalfurche. Hinter der Zunge folgt der Kehlkopf, immer in deutlicher Entfernung von dem Vomerpolster und den Choanen, welche größtenteils von der Zunge verdeckt werden. Innerhalb der von uns untersuchten drei Hauptgruppen erleiden die Elemente dieses Stilkomplexes mannigfache und sehr weitgehende Modifikationen, die sich in den Weichteilen und Knochen des Schädels 514 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. deutlich aussprechen. Daher ist es notwendig, das verschiedene End- resultat getrennt zu besprechen. A. Saurier. Die nasale Mulde des Munddaches liegt innerhalb des Rahmens der Kieferspange als verhältnismäßig breites und seichtes Gewölbe unter den Nasenschläuchen (Fig. 1). Die Seitenwand der Mulde wird vom Anstieg, das Mittelfeld vom flachen Vomerpolster gebildet, und zwischen beiden liegen die Choanenspalten. Das Vomerpolster ist oft sehr breit, so daß die Choanen weit lateral gedrängt erscheinen (Fig. 2), in andern Fällen schmal, daß die Choanen dicht genähert sind (Fig. 3). Dementsprechend ändert sich die Größe des Anstieges, der einen horizontalen Schenkel gegen das Vomerpolster entsendet, und zwar einen kurzen, wenn das Vomerpolster breit ist, einen langen im entgegengesetzten Falle. Die Grenze zwischen dem eigent- lichen Anstieg und der Kieferspange wird von einer schwachen Kante (Grenzleiste) gezogen. Die Zunge berührt das Vomerpolster und den Anstieg, ihr seitlicher Rand stößt an die Grenzleiste, daher ist die niedrige Vomeranstiegmulde die negative Matrize der Zungen- form oder eine wirkliche Zungenmulde. Über dem Munddache stehen die Nasenschläuche, orocaudal kurze, aber transversal kräftig ausladende Hohlkörper (Fig. 2, 3). So- wohl der dorsale Sakter als auch der Öhoanengang biegen vom Septum in energischer Krümmung lateral; der Choanengang ist auffallend breit entfaltet und in zwei Schenkel, einen horizontalen und einen absteigenden, gekniekt. Besonders eigenartig erscheint die unterhalb des Choanenganges ziehende Choanenrandrinne, deren Lumen schräg von lateral oben nach innen medial geneigt ist und als lateralen Nebenraum die Winkeltasche bildet. Gerade die rinnenförmige Fort- setzung der Choanenöffnung unterhalb des ganzen Nasenschlauches bis zur Einmündung des JAcoBsonschen Organs ist ein wichtiger Stilcharakter der Saurier, der bisher nicht richtig verstanden wurde und deshalb zu der irrtümlichen Behauptung Veranlassung gegeben hat, daß bei den Sauriern eine Gaumenrinne! gebildet werde. 1 Der Ausdruck Gaumenrinne wird in sehr verschiedener Bedeutung ge- braucht. Busch und MıHALkovıcs betrachten das Lumen der Gaumenrinne als einen ursprünglich der Mundhöhle zugehörigen Teil, welcher durch einen leisten- förmigen Vorsprung des Munddaches, den sog. Gaumenfortsatz, abgetrennt wor- den sei. SEYDEL dagegen hält es für einen Teil der Mundhöhle, in welchen ein Teil der primären Nasenhöhle samt der Mündung des Tränenkanals und Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 515 Da die mediale Wand des Choanenganges vom Nasenseptum lateral in den horizontalen Schenkel zieht und dann in kräftiger Kniekung ventral und medial abbiegt, so schwillt das laterale Meso- derm des Nasenseptums sehr stark an, und es sieht auf Fig. 2 und 3 so aus, als treibe das Vomerpolster zwei in die Nasenhöhle ein- ragende sichelförmige Arme, um welche sich der Nasenschlauch vor- beikrümmen muß. Die Neigung des Nasenschlauches, lateral ab- gebogene gekrümmte Nebentaschen (Sakter und horizontalen Schenkel des Choanenganges) zu bilden, spiegelt sich also auch in dem an- stoßenden Mesoderm und veranlaßt die scheinbare Fortsetzung des Vomerpolsters in die Nasenhöhle. Besonders auffallend ist die lange Ausdehnung der Choanen als eine an beiden Seiten des Vomerpolsters hinziehende Längsspalte, deren oraler Abschnitt manchmal (Platy- dactylus) rinnenförmig gestaltet ist und die Mündung des JACOBSON- schen Organs aufnimmt. Als Weg der Atemluft wird dieser Teil in geringem Maße dienen, während der hintere Abschnitt der Choanen, welcher am caudalen Ende des Vomerpolsters liegt, sich ansehnlich erweitert und direkt in die Orbitalmulde öffnet. Durch ihn wird hauptsächlich die Atemluft streichen. Die Orbitalmulde wölbt sich in ein höheres dorsales Niveau, als das Vomerpolster selbst behauptet. Die Zunge paßt allein in die nasale Mulde und endet am Beginn des Orbitalgewölbes. B. Aves. Die nasale Mulde des Munddaches ist verhältnismäßig schmal und seicht und durch die niedrige Grenzleiste deutlich von der in eine mehr oder minder lange Sehnabelspitze ausgezogenen Kiefer- spange abgesetzt. Aber das gleichfalls schmale Vomerpolster bildet nieht die Decke der Mulde, sondern ist dorsal über dieselbe empor- gehoben; daher ist die von der Zunge erfüllte Mulde nur von dem Anstiege der rechten und linken Kieferspange gebildet. Inmitten der beiden Anstiege klafit der längliche unpaare, bisher fälschlich »sekundäre Choane« genannte Subehoanalspalt, der Ausgang des unter der Öffnung des Jacogsoxschen Organs einbezogen wurde, so daß er von der definitiven Nasenhöhle durch den sekundären Boden derselben abgeschlossen sei. GÖPPERT endlich spricht die Gaumenrinne, die durch die Nasengaumen- spalte in die Mundhöhle mündet, als ein unteres Stockwerk der primitiven Nasenhöhle an. Er vertritt also die gleiche Meinung wie O0. HOFMANN und ich. Leider hat GöPrerr damals nicht erkannt, daß damit die Behauptung von der Existenz des Gaumenfortsatzes hinfällig wird. r 516 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. dem Vomerpolster und über dem Zungenrücken liegenden »Sub- choanalraumes<«. Dieser ist eine den Vogelstil augenfällig bezeich- nende Lichtung ganz eigner Art. Bei dem Vergleich eines Quer- schnittes durch Vogel- und Eidechsenköpfe erkennt man leicht, daß er der Höhenlagerung des Vomerpolsters, bzw. einer Verdieckung der Kieferspange seine Existenz dankt. Im Gegensatz zu den Sauriern besitzt also das Mundlumen einen dorsalen Zuwachs. Sehr merk- würdig ist die geringe transversale Breite des subehoanalen Raumes. Sie verhindert es vornehmlich, daß der Zungenrücken an das Vomer- polster stößt. Geringe transversale Entfaltung ist, abgesehen vom Anstieg, nicht bloß für alle eben besprochenen Teile, sondern auch für den Nasenschlauch charakteristisch. Im schroffen Kontraste zu den Sau- riern sind diese dorso-ventral erhöht und lateral komprimiert. Das ist am klarsten beim Sakter zu erkennen, der sich nicht sichelförmig nach der Seite über die Aulax biegt, sondern dorsal emporgezogen und lateral nischenförmig eingedellt erscheint (Riechhügel). Ferner läuft der Choanengang parallel dem Nasenseptum nach abwärts, ohne jede Neigung, sich lateral zu einem horizontalen und abstei- genden Schenkel abzubiegen. Im Einklange damit ist auch das Vomerpolster nicht breit, sondern ganz schmal, und die Choanen münden dicht nebeneinander in den schmalen Subchoanalraum. Die Choanenrandrinne und das JacoBsonsche Organ fehlen durchaus. Die Form des Vomerpolsters erinnert etwas an die breiten lateralen Arme bei den Sauriern, da es je eine ganz niedrige Seitenkante in das Nasenlumen vortreibt und auf dem Querschnitt dreieckig er- scheint. Durch die Erhöhung der Kıeferspange liegt das Vomerpolster ungefähr in dem gleichen Niveau wie die kurze Orbitalmulde. Da- her fließt der Subchoanalraum ohne Grenze mit der schmalen Orbital- mulde zum Cavum orbitosubehoanale zusammen. Ebenso ist der Gegensatz zwischen dem Anstieg und der orbitalen Randkehle nicht ausgeprägt. C. Mammalia. In früher Embryonalzeit wird die Gaumenrinne angelegt, eine mediane Längsfurche des Munddaches, welche nicht direkt der Nasenmulde der Saurier oder dem Anstiegsubchoanalraum der Vögel homolog ist. Die schmale Zunge ragt erst in die Gaumenrinne, später aber gelangt sie in ein tieferes Niveau. Der Rand der Gau- Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 517 menrinne ist gegen die Kieferspange durch relativ kräftig ausge- prägte Grenzleisten abgesteckt. Letztere fielen allen Beobachtern auf und wurden »Gaumenfortsätze« oder »Gaumenleisten« genannt. Von den Gaumenleisten steigt die mediale Fläche der Kieferspange ziemlich senkreeht zu den Choanen und dem verhältnismäßig breiten Vomerpolster auf. Statt der flachen Anstiegmulde und dem schmalen Subehoanalraum ist also eine im Querschnitt | | viereckige Rinne gebildet. Der geläufige Namen »Gaumenrinne« drückt ihre Sonder- stellung im Kreis der Amnioten klar aus; denn sie ist als eine für Säuger charakteristische Stilform aufzufassen, da ihre fast parallel dem Nasenseptum ziehenden Seitenwände die hohlkehlenartige Krüm- mung, welche für den wahren Anstieg bei Sauriern und Vögeln typisch ist, vollständig vermissen lassen. Die Nasenschläuche sind dorso-ventral entfaltet und durch die Siebbeinzone vervollständigt. Die Muschelzone ist sehr stark in die Länge gestreckt, und infolgedessen sind Aulax und Sakter, bzw. Maxillo- und Nasoturbinale langgezogen. Im Einklange damit ist auch der Choanenspalt sagittal größer als bei Sauropsiden; seine Ausdehnung entspricht ungefähr der Länge der Muschelzone. Die Choanen liegen am Dache der Gaumenrinne zu beiden Seiten des Vomerpolsters als langgezogene, in der Mitte sich etwas erweiternde Spalten und reichen fast über die ganze vordere Hälfte des Mund- daches. Ihr vorderer Rand ist durch Ausmündung des JACOBSON- schen Organs genau bestimmt. Der über die Choanen, bzw. die Lamina transversalis bis zu den Tuben reichende Abschnitt der Gaumenrinne entspricht der Orbitalmulde der Sauropsiden, doch ist er nur durch seine topographische Eigenschaft, d. h. die Lage in der Orbitalregion als solche kenntlich. Die Kieferspange der Säuger erscheint infolge Unterbringung des breiten, zum Kauen bestimmten Gebisses verhältnismäßig breiter als beim Vogel. Sie erweitert sich in der Molargegend, dagegen ist sie schmal in der Region der Schneide- und Eckzähne. Wenn die Gaumenleisten median verschmelzen, ist die Gaumen- rinne um deren Dicke reduziert und in einen geschlossenen Kanal, den Duetus naso-pharyngeus verwandelt, und der Zungenrücken liegt dem harten bzw. weichen Gaumen gegenüber. Da das Nasensep- tum schräg gegen die Gaumenleisten geneigt ist, so wird bei der Verwachsung derselben die primitive Choane in zwei Abschnitte zer- legt. Ein vorderer kleiner Teil, der sog. Canalis ineisivus bleibt am Munddache offen. Der darauffolgende Teil samt dem Beginn 518 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. der Gaumenrinne verödet, weil die Gaumenleisten sich dem Vomer- polster oder dem ventralen Rande des Nasenseptums anlegen und mit ihm so fest verschmelzen, daß die ursprüngliche Grenze nicht mehr festzustellen ist. Erst hinter der Verwachsungszone folgt der eigentliche Duetus naso-pharyngeus mit einer deutlichen ventralen und lateralen Wand; die dorsale Wand dagegen ist wenigstens im Bereich der Nasenschläuche durch die beiden Choanen zerschlitzt. IV. Das Skelet des Munddaches. Die eben erläuterte Stilverschiedenheit des Munddaches bei den drei von uns untersuchten Amniotengruppen spricht sich sehr deut- lich auch im Schädelskelet aus. Freilich ist eine umfassende Unter- suchung desselben notwendig, um zu vollständigem Verständnis zu gelangen. Bei dem jetzigen Stand unsrer Kenntnisse begnüge ich mich mit einem Hinweise auf die bei Varanus, Ente und Hund herrschenden Formcharaktere, mehr um meine Gedanken anzudeuten, als sie endgültig darzulegen. Der Plan der im Erlanger zoologischen Institut betriebenen Kopfstudien wird in späterer Zeit eine größere Vollständigkeit der Beobachtung und Deutung erlauben, wenn das nötige Knochenmaterial zusammengetragen und von allen Familien ausreichend viel gesprengte Schädel vorhanden sein werden. A. Varanus nilotieus. Die Gegend der Choanenspalten ist am Schädelskelet deutlich zu erkennen als zwei langgestreckte Intervalle an der vorderen Hälfte des Gesichtsschädels, medial von den paarigen Platten des Vomer (V‘), lateral von der Maxilla (M), caudal vom bogigen Rande des Palatinum (P) umsäumt. Das breite Vomerpolster spiegelt sich in den paarigen, transversal entfalteten Vomerplatten (WV), deren vorderer Rand lateral der Maxilla (M), oral der schmalen, unschein- baren Prämaxilla (Pr) anstößt. Die Maxillen und Prämaxillen bil- den in ihrer Gesamtheit einen Knochenrahmen von Aförmiger Ge- stalt, der durch das Transversum (7) gegen das Pterygoid (Pf) ge- stützt wird. Die Zierlichkeit der schmalen, mit einer ununterbrochenen Reihe von Zähnen besetzten Knochenstücke spiegelt die schmale Natur der an der Mundwand beobachteten Kieferspange wider (Fig. 2). Auffallend ist die Neigung zu divergieren bei den mittleren Knochen des Munddaches; nur die beiden Vomerplatten (V) berühren ein- ander median, aber bloß in ihrem oralen Teile, caudal weichen sie Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 519 etwas auseinander, um sich mit dem inneren Ast der Palatina (P) zu verbinden, welche, stärker divergierend, gegen den vorderen Rand der Pterygoidea (Pi) ziehen. Die Flügelbeine beharren in dieser Neigung, weil sie gegen die Innenfläche der lateral gestellten Quadrata (0) gebogen sind. Die Länge der drei ebenge- nannten Knochen ist sehr ver- schieden. Entsprechend derlangen Choanenspalte zieht sich der Vo- mer (Y) lang aus; die Pterygoidea (Pt) sind unverhältnismäßig lange Spangen. Sie stützen die hin- tere Hälfte des Mundrachen- daches, legen sich ungefähr halb- wegs auf die Processus basi- pterygoidei und biegen von hier seitlich gegen das Quadratum. Die Palatina (P) dagegen sind zwei sehr kurze Elemente, zwi- schen Pterygoid (Pt), Maxilla (M) und Vomer (V‘) so eingekeilt, daß ihre beiden vorderen, kurzen Ventralansicht des Schädels von Varanus nilo- Gabelarme den hinteren Rand {icus. Ye nat. Gr. M Maxilla; P Palatinum; der Choane kennzeichnen. Die Y er To u Palatina liegen in der Mitte des Munddaches und fast ganz vor der Augengegend. Fig. 10. B. Ente. An dem Knochengerüst über dem Munddach (Fig. 11) fällt ein längliches Intervall auf, welches dem Subchoanalraum entspricht und bloß von den Palatina (P) umfaßt wird. Der Vomer (V)) steht als schmalkantige, vertikale Knochenplatte in einem mehr dorsalen Niveau. Das subehoanale Intervall ist eaudal von den beiden me- dial konvergierenden und verschmelzenden Palatina (P) umfaßt, oral dagegen ist ein kleiner Abschnitt der Maxillen (M) medial zwischen die Palatina eingeschoben. Die horizontalen Platten der Palatina stützen das Choanenfeld oder die Anstiegmulde des Munddaches. Die Knochen der Kieferspange, nämlich Prämaxilla (Pr) und Maxilla (M) liegen vor den Palatina (P); seitlich von letzteren zieht 520 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. lediglich der zarte Processus jugalis maxillae. Die rasch verwach- senden Prämaxillen (Pr) sind immer kräftige Knochenstücke; in Länge und Form bei den einzelnen Arten recht verschiedenartig ge- bildet, charakterisiert sie hauptsächlich ihre Neigung, die benach- barten Maxillen zu überdecken, so daß sie sowohl an der ventralen wie dorsalen Fläche die Maxillen fast vollständig umfassen und dorsal teils über, teils zwischen den Nasalia bis zum Vorderrand des Interorbitalseptums reichen. Obwohl die Maxillen (M) sehr breit und lang entwickelt sind und Fig. 11. die kräftige Grundlage des Schnabels abgeben, merkt man am fertigen Schädel sehr wenig von ihrer Ausdehnung; sie kommen eigentlich nur am Seitenrand des Schnabels zum Vorschein, weil sie dorsal und ventral von den Prämaxil- len, dorso-lateral vom Nasale bedeckt werden. Kurz vor dem Subehoanal- raum stoßen sie auf eine kurze Strecke median zusammen. Im Gegensatz zu Varanus fällt die geringere Längenentfaltung des Vomer (V), aber die stärkere Ausdehnung der Palatina (P) auf, deren horizontaler Teil sich vor dem subehoanalen Inter- vall in die Maxillen (M) gleich einer dünnen Platte einschiebt. Der Cha- rakter der Palatina ist bei den Vögeln ein ganz andrer. Bei Varanus sowohl Ventralansicht des Schädels von Ans Als bei der Ente sind sie eingeschaltet a an zwischen Pterygoid, Vomer und Maxil- 0 Quadratum; V Vomer. len; daher zeigen sie zwei oral ge- richtete, median zum Vomer (V‘), lateral zur Maxilla (M) divergierende Gabelschenkel und einen hinteren Arm zum Pterygoid (Pi), welche alle drei klein sind bei Varanus. Bei der Ente dagegen ist [der vordere Gabelast zur Maxilla (M) unverhältnismäßig lang ausgezogen im Vergleich zu den sehr kleinen Ästen für Vomer (7) und Pterygoid (Pl. Dazu gesellt sich die Lageverschiedenheit, daß in bezug auf die Gelenkstelle mit dem Pterygoid der Vomerast schräg oral und dorsal zum Vomer zieht, wodurch der maxillare Ast, dessen Rand annähernd dem Verlaufe Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 521 der Grenzleiste entspricht, einen hinteren, schräg von oben medial nach unten lateral geneigten Abschnitt und einen vorderen, hori- zontalen Teil aufweist. Aus der durchaus verschiedenen Gestalt der Randknochen geht deutlich hervor, daß das subchoanale Inter- vall einen ganz andern morphologischen Wert besitzt, als die von den Maxillen begrenzten, choanalen Längsfenster am Schädel von Varanus. Es wird also die oben vertretene Deutung der Weichteile durch die Struktur ihrer Knochenstützen ausgiebig bestätigt. Der innere Ast jedes Palatinum (P) dringt medial gegen den schmalen Vomer, so daß die beiderseitigen Knochen sich median berühren, ganz im Gegensatz zu Varanus, wo die Palatina caudal divergieren. Die Pterygoidea (Pt) sind verhältnismäßig kurz. Sie ziehen von der gelenkigen Verbindungsstelle mit dem hinteren Rand der Palatina (P) schräg gegen das Quadratum (9); ihre vordere, zwischen Palatinum und Processus basipterygoideus begrenzte Hälfte läuft ziemlich gerade und in geringem gegenseitigen Abstand. Da- durch wird die enge Lichtung der Tubenregion des Schlundes auch am Knochenskelet ausgesprochen. ©. Hund. Um den Vergleich mit den Sauropsiden zu ermöglichen, muß der knöcherne Gaumen entfernt werden (Fig. 12). Dann sieht man zwei weite Choanenintervalle, aus welchen die Nasenmuscheln, speziell das Maxillotur- binale herausschauen. Der Vomer (V)) hängt als eine schmale Platte senkrecht ventral zwischen den beiden Intervallen herab. Die Intervalle werden hauptsächlich von Maxilla (M) und Vomer (V), zum kleinen Teil von der Prämaxilla (Pr) umrahmt, das Palatinum (P) ist ganz davon ausgeschlossen, weil die Schlußplatte des Siebbeins, Lamina termi- nalis, eingeschoben ist. Die schräge Nei- gung des harten Gaumens ist sehr gut zu erkennen, weil die Höhenausdehnung des Vomer, welche zugleich das Maß der Höhe yontralansicht des Schädels von der Gaumenrinne abgibt, caudal zunimmt. Canis vulpes nach Entfernung des . . q & harten Gaumens. Yz nat. Gr. M Die Choanenintervalle liegen weit Vor wMaxilla; ? Palatinum; Pm Prä- der Orbitalgegend des Schädels, sie reichen masilla; Pf Pterygoid; TVomer. \ 522 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. von der Vordergrenze der Maxillen (M) bis etwas über deren Mitte. Die Palatina (P) sind dem Bereiche der Choanengänge entfremdet, welchen sie bei den Sauropsiden stets umrabmen. Hier aber werden sie durch den hinteren, rhombisch verbreiterten Teil des Vomer und die Lamina terminalis vom eigentlichen Choanenrand fern gehalten. Die Existenz der Gaumenrinne, bzw. des Ductus naso-pharyngenus, prägt den Knochen besondere Merkmale auf, welche den Sauropsiden fehlen. An Stelle der schmalen Kieferspange bei Varanus senden die Maxillen ihre horizontalen Gaumenplatten gegen die Medianlinie und verdecken dadurch den Vomer, der an und für sich in eine höheren Niveau liegt. Ein kleiner hinterer Teil des Ductus naso- pharyngeus wird von den horizontalen Platten der Palatina bedeckt, die sich gerade noch auf das hintere Ende des Vomer stützen und sich mit den Gaumenfortsätzen der Maxillen vereinigen, um den knö- chernen sekundären Gaumen zu vervollständigen. Der vertikale Ast bildet im Verein mit dem Flügelbein eine in der Verlängerung des Ductus naso-pharyngeus ziehende dorsale Rinne am knöchernen Munddache, die Umgrenzung der Orbitalmulde. Zusammenfassung. 1) Der längliche, nach hinten erweiterte Spalt am Munddache der Vögel ist nicht die »sekundäre Choane« GÖPPERTSs, sondern der Orbitosubehoanalspalt. 2) Das Choanenfeld GörrErTs ist dem Nasenfelde + Orbital- felde der Saurier zu vergleichen. 3) Die Grenzleiste GÖPPERTS ist der seitliche Bar des An- stieges der Kieferspange; der breite horizontale Schenkel des An- stieges bildet den größeren Teil des seichten Nasenfeldes. Das schmale Vomerpolster liegt in einem höheren Dorsalniveau, daher zieht die »Steilwand«, ein den Sauriern unbekanntes, morphologi- sches Element, vom Anstiege senkrecht zum Choanenrande empor und umgrenzt einen dorsalen, über dem Anstiegfelde liegenden Neben- raum der Mundhöhle, den ich Subehoanalraum genannt habe. 4) Die sog. Gaumenfortsätze (GöPrPp.) der Vögel sind Abschnitte der soliden Munddecke. 5) Der Subchoanalraum setzt sich ohne scharfe Grenze in die Orbitalmulde fort. 6) Die Gaumenrinne der Säuger besitzt einen morphologischen Sonderwert; sie ist nicht direkt mit dem ÖOrbitosubehoanalraum der Wilhelm Sippel, Das Munddach der Vögel und Säuger. 523 Vögel zu vergleichen, weil die Steilwand und der horizontale Schenkel des Anstieges fehlen. Die Gaumenleisten dagegen sind den Grenzleisten GÖPPERTS homolog. 7) Der vordere Teil der Gaumenrinne entspricht unvollkommen der Anstiegmulde + Subcehoanalraum, der hintere Teil entspricht der Orbitalmulde. 8) Beim Schluß der Gaumenrinne verwachsen die Gaumenleisten eine Strecke weit mit dem Vomerpolster. Dadurch wird einerseits die enge Nachbarschaft zwischen Vomerpolster, Choanen und Zungen- rücken aufgehoben, anderseits die Choanen in einen engen Vorder- teil, Canalis incisivus, einen dieht anstoßenden verödenden Teil und einen offenen hinteren Teil zerlegt. Die Gaumenrinne selbst wird in einen sub- und postehoanalen Ductus naso-pharyngeus umgebildet. Literaturverzeichnis. 1) K. Busch, Beitrag zur Kenntnis der Gaumenbildung bei den Reptilien. Zool. Jahrbücher. Abt. für Anatomie und Ontogenie. Bd. XI. 1898. (4. Heft. 20. Sept. 1898). 2a) E. GÖPPERT, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Kehlkopfes und seiner Umgebung mit besonderer Berücksichtigung der Monotremen. In: R. Semon, Zool. Forschungsreisen. 3. Bd. I. 1. Denkschr. med.- nat. Ges. Jena. Bd. VI. 1. T. 1897—-1%1. 2b) —— Die Bedeutung der Zunge für den sekundären Gaumen und den Ducetus naso-pharyngeus. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXXI. 1903. 3) W. Hıs, Beobachtungen zur Geschichte der Nasen- und Gaumenbildung beim menschlichen Embryo. Abh. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften. Math.-phys. Kl. Bd. XXVII. 1902. $. 349—390. ; 4) 0. Hormann, Das Munddach der Saurier. Morpholog. Jahrb. Bd. XXXII. 1905. 5) V. v. Misaukovics, Nasenhöhle und JacoBsoxsches Organ. Anatom. Hefte. Bd. XI. 1899 (Heft 34/35. September 1898). 6) A. Pörzr, Zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Gaumens. Anatom. Hefte. Bd. XXVII. 1905. 8.243 (besonders $. 267—270). 7) G. SCHORR, Zur Entwicklungsgeschichte des sekundären Gaumens bei einigen Säugetieren und beim Menschen. Anatom. Anzeiger. Bd. XXXVI. 1907. 8. 24. 8) 0. Seyper, Über Entwicklungsvorgänge an der Nasenhöhle und am Mund- höhlendache von Echidna, nebst Beiträgen zur Morphologie des peri- pheren Geruchsorgans und des Gaumens der Wirbeltiere.. In: R. SEMON, Zoolog. Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel. Bd. III. 3. Lieferung. 1899. 524 A. Fleischmann, Das Kopfskelet der Amnioten. Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. In allen Figuren ist das Epithel der Nasenhöhle, Mundhöhle und Epidermis’ durch grauen Ton, der Knorpel durch violetten Toon, die Knochen durch gelben Ton, das Mesoderm durch Punktierung bezeichnet. Das Lumen des Sakter ist durch blaue. das Lumen des Stammteils durch grüne Farbe, das Lumen der Aulax und des Choanenganges durch rote Farbe, das Cavum orbitosubehoanale durch grüne Farbe hervorgehoben. Gemeinsame Buchstabenbezeichnungen: As Anstieg, Au Aulax, Cg Choanengang, Co mittlere Muschel, Cs Choanenspalt, f Gewebsmassen des sog. Gaumen- fortsatzes, K Kehlkopf, l Grenzleiste, Oc Auge, OÖ Sinus orbitalis, om Orbitalmulde, p Grenzpapille zwischen Orbitalmulde und Tubenregion, R Riechhügel, S Stammteil des Nasenschlauches, Sa Sakter, sr Subchoanalraum, St Steilwand, tr Tränennasengang, U Unterkiefer, V Vomer, Vp Vomerpolster, Z Zunge. Fig. 1—8. Querschnitte durch den Kopf des Kiebitz, Vanellus eristatus, Embryo 21 mm Schnabelscheitellänge. Fig. . Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1: 2. un w Vergr. 11/1. Querschnitt am Beginn der Nasenregion und des Subcho- analspaltes, 1,12 mm hinter dem Nasenloch. Querschnitt. 2 - 2,32 - 2,88 - 3,00 - 3,48 - 3,88 - 4,52 mm hinter dem Nasenloch. Morpholog. Jahrbuch, Bd. 37. E Taf. AT. Litk Anst. v. Johannes Arndt, Jena Nachwort. Von A. Fleischmann. Das V. Kapitel dieser Studien (Morph. Jahrbuch. Bd. XXXII. 1905. S. 3) hat mein Schüler O. HormAnn mit dem Satze eingeleitet: »Erneute Untersuchungen über die Mundhöhle der Reptilien dürften manchen überflüssig dünken, da in den letzten Jahren K. Busch und E. GöprErT die übereinstimmende Ansicht vertreten haben, daß unter den Sauriern die Anfangsstufen der morphologischen Differenzierung zu treffen seien, welche im Gaumendache der Säugetiere gipfelt.« Dagegen hat E. GÖPPERT (Morph. Jahrbuch. Bd. XXXIII. S. 533) er- widert, daß er auf die Beziehungen des sekundären Gaumens der Säuger zu den Gaumenanfängen der Amphibien und Reptilien mit keinem Wort eingegangen sei. Da ich die beanstandete Wendung Hormanns damals gebilligt hatte, will ich heute, zugleich in dessen Namen, der, im Lehramte beschäftigt, keine Zeit zu weiteren Stu- dien hat, erklären, daß wir in dem oben zitierten Satz die Worte: »und E. GÖPPERT« gestrichen wissen wollen. Ferner stelle ich auf Görrerrs Vorhalt fest, daß er die sog. Gaumenrinne der Saurier, die durch die Nasengaumenspalte in die Mundhöhle mündet, als ein unteres Stockwerk der primitiven Nasen- höhle richtig gedeutet hat. Der Irrtum in unsern beiden Angaben wurde nur dadurch her- vorgerufen, daß GÖPPERT sich allzusehr auf die Arbeit von K. Busch verlassen!, dessen Ansichten ohne Vorbehalt wiederholt und die Ausdrücke: Gaumenanfänge, Gaumenfortsatz, Gaumenblatt, sekundäre Choane, Ductus naso-pharyngeus zur Beschreibung des Munddaches 1 In den Beiträgen zur vergleichenden Anatomie des Kehlkopfes (Jenaische Denkschriften. Bd. VI. 1901. S. 541) sagt Görrert: Die Saurier weisen alle Zwischenzustände zwischen dem ersten Beginn und der Vollendung eines Gau- mens auf, wie erst kürzlich durch BuscH in eingehendster Weise dargelegt worden ist. Morpholog. Jahrbuch. 37. 34 526 A. Fleischmann, Nachwort. bei Reptilien und Vögeln verwendet hat, ohne zu berücksichtigen, daß dem Gebrauche dieser Namen erst eine kritische Unter- suchung über die Frage vorausgehen muß, ob sie sich überhaupt auf andre Amnioten als Säugetiere anwenden lassen, was ich ver- neine. Mit der unberechtigten Terminologie hat sich aber GÖPPERT eine Übereinstimmung vorgetäuscht, welche in den reellen Tatsachen nicht gegeben ist und mich zum sachlichen Widerspruche gezwungen hat. Wie mir scheint, hat GÖPPERT die Objekte nicht genau genug geprüft, die Angaben andrer auf Treu und Glauben angenommen und seine Aufmerksamkeit zu einseitig auf das Matrizenverhältnis zwischen Mundboden und Munddach beschränkt. Ich habe daher durch die Arbeit meiner Schüler die Lücken ausfüllen lassen und glaube, dadurch nicht bloß unsre Detailkenntnis gefördert, sondern auch die Notwendigkeit einer Reform der von GÖPPERT arglos ge- brauchten Nomenklatur bewiesen zu haben. Nach den Aufschlüssen unsrer Präparate ist der von ihm (Morph. Jahrbuch. Bd. XXXI. 1903. S. 349—350) ausgesprochene Satz: »Bei den mit vollendetem sekun- dären Gaumen versehenen Formen durchläuft die Ontogenese, wie allgemein bekannt, Stadien, die in wesentlichen Punkten mit den Zuständen unvollkommener Gaumenbildung übereinstimmen«, hin- fällig geworden; denn die Gaumenfortsätze der Säugetiere tragen einen durchaus andern morphologischen Wert als jene Abschnitte des Munddaches, welche BuscH und GÖPPERT bei Sauriern und Vö- geln »Gaumenfortsätze« nannten. Ebenso unhaltbar ist seine An- sicht (Jenaische Denkschriften. Bd. VI. S. 548), daß die Gaumenbil- dung im Prinzip bei allen Amnioten gleichartig erfolge. Auch dürfte der Satz (Jenaische Denkschriften. Bd. VI. S. 541): »Was bei den Säugern in vollendeter Form vorliegt, findet sich bei den Reptilien in allen Stadien der Ausbildung erhalten«, heute nicht mehr zu ver- teidigen sein. Endlich hoffe ich mit W. SıppEL gezeigt zu haben, daß man weder die Vomermulde —+ Orbitalmulde der Saurier, noch das Cavum orbitosubehoanale einen unvollkommenen Ductus naso- pharyngeus nennen darf, will man nicht der Verwirrung in der ana- tomischen Nomenklatur Tür und Tor öffnen. Wenn ich den Kontrast unsrer beiderseitigen Deutung hier noch- mals betone, liegt es mir durchaus fern, das Verdienst GÖPPERTS zu schmälern, als erster auf die engen Beziehungen zwischen Mund- boden und Munddach hingewiesen zu haben. A. Fleischmann, Nachwort. 527 Kurz bevor das Manuskript des VI. Kapitels an Herrn Prof. Dr. Ruge abgesandt war (31. Mai 1907), erschien die Studie von Kurr HeipricH über »Die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel und ihre Drüsen« (Morph. Jahrbuch. Bd. XXXVH. Heft 1; ausgegeben am 28. Mai 1907, S. 9—69). Dieses Zusammentreffen macht es un- möglich, während der Korrektur auf den anatomischen Inhalt der Arbeit ausführlich einzugehen, aber den Unterschied unsrer Auffas- sung will ich doch mit ein paar Worten anzeigen. K. HeıprıcH hält dafür, daß die Mund-Schlundkopfhöhle der Vögel einen einheitlichen gemeinschaftlichen Hohlraum bilde, der nur unvollständig in eine vordere Abteilung (Cavum oris) und ein hinteres Cavum pharyngis geteilt werden könne. Die Grenze bei- der Räume sucht er ungefähr in der Mitte des Orbito-Subehoanal- spaltes, welchen er irrtümlich als Nasenausgangsöffnung (Choanen- spalte) deutet. Den vorderen engen Teil derselben rechnet K. Heinrich der Mundhöhle oder dem harten Gaumen zu und be- trachtet ihn gleichsam als die beim Vogel offen gebliebene Sutura palatina. Der hintere weitere Teil soll den Choanen der Säuger entsprechen und dem Cavum pharyngis angehören. Die Erörterungen meines Schülers W. SıppeL behandeln zum Teile die anatomischen Tatsachen, welehe mich bestimmen, HEIDRICHS Ansicht als unzutreffend zu verwerfen. Weitere Gründe für den sachlichen Widerspruch liefern mir die Schnittserien und Rekon- struktionsmodelle meines Schülers G. AuLmann. Derselbe bearbeitet seit Beginn dieses Jahres die Entwicklung der Schlundgegend bei Vögeln und Säugern und wird seinen Bericht im Winter erstatten. Erlangen, 1. August 1907. RN Be BmER UT Een 69 7 | RE al tage" N reae ee N; ar, ER re PT sd. Fan gi RER m 5 3 ah a ae PR RE FE ER RE TS Ir | 2 ee AN burg et. bir bad peyeh m u Lac Tan PO RE A ’ >h 5 Ui Een ice DRAN EL ER® { . da A Na La B, Bar a 9 ft A er ee a BR \ R 1. Iaarı ji ih u ER rip: “ urp, Sr WUEBERITL NT MER Are wufn Mir. ye N a a TE yrrı! r 4% rar MER PART KANU 4 N eu een e Maid könyräle 1 i ar BT vn" Ka Wen re ’ . ) y J 7, En nn DE FR, A ih ee ya BE 10 0 25 ae ee Re hl Kipa MA Hin re ET % Hrn en UArtr ISTEERFIE Ne er N “ PRET E en EEG Ras ie u ee ae j N 5 vr PRIE | ’ f N KIN EN. RT En > Ki ars PPERTN Er \ Em FH Tee ua he Eu tik u Fi an ’ a FR h, TE. 7; ; e Es KERN 17 E {) ae x " Br > _ ra Y ö i ee 4 s Far) ‚ Ya j N) 3. # “ j ' - IH: hi. ji 1,89 A Die männliche Beckenflosse von Hexanchus eriseus M. u. H. Ein Beitrag zur Kenntnis der Copulationsorgane der Selachier und deren Herkunft. Von Albert Krall. Mit Tafel XII und XUI und 17 Figuren im Text. Die vorliegende Arbeit sollte sich ursprünglich nur mit der Untersuchung des von M. v. Davıvorr, 1879, bei den Haien gefun- denen und als Nervus colleetor bezeichneten Stranges von Extre- mitätennerven der Hintergliedmaßen bei einem jungen Exemplar von Hexanchus griseus beschäftigen. Das Ergebnis war bestimmt, eine Lücke auszufüllen in der systematischen Untersuchung des genannten Nervenplexus, dessen verschiedene Länge bei den einzelnen Haiarten von GEGENBAUR als gewichtiges Argument für die Wanderung der Beckenflosse nach hinten eingeführt wurde. Da jedoch diese Unter- suchung im Vergleich zu den bei andern hexa- und heptatremen Selachiern (Chlamydoselachus und Heptanchus) bereits bekannten Ver- hältnissen nichts prinzipiell Neues zutage förderte, so schien es geboten, auch die Bauchflosse selbst in den Bereich der Arbeit zu ziehen. Ich beschäftigte mich dabei am eingehendsten mit den zum Copulationsorgane umgebildeten hintersten Partien der männ- lichen Flosse. Die Copulationsorgane der Haie sind zwar schon verschiedenfach bearbeitet worden, so besonders von GEGENBAUKR, 1870, Perreı, 1878, JUNGERSEN, 1899, und Huser, 1901, und jeder dieser Autoren hat eine große Reihe von Haien in Betracht gezogen, jedoch bei keinem dieser Forscher finde ich eine Mitteilung über ein geschlechtsreifes Exemplar von Hexanchus griseus. Der einzige, Morpholog. Jahrbuch. 37. 95 530 Albert Krall der das Copulationsglied dieses Haies untersucht hat, ist HuBEr, und diesem stand nur ein sehr junges Tier zur Verfügung. Außerdem herrschen zwischen den letzten Autoren, JUNGERSEN und HUBEr, noch Meinungsverschiedenheiten in der Deutung mancher Teile. Es lag daher nahe und schien berechtigt, besonders mit Rücksicht auf die primitive Organisation von Heranchus überhaupt, das vollent- wickelte Copulationsorgan genauer zu bearbeiten. Herr Prof. BrAus am anatomischen Institut zu Heidelberg, der mir die Anregung zu dieser Arbeit gab, stellte mir eine größere Anzahl sehr gut konser- vierter Bauchflossen von geschlechtsreifen Tieren in dankenswerter Weise zur Verfügung. Während von den bisherigen Autoren ent- weder nur das Skelet (GEGENBAUR) oder Skelet und Muskulatur (PETRI, JUNGERSEN, HUBER), diese beiden Systeme aber meist ohne Beziehung zueinander betrachtet wurden, will ich die Muskeln in ihrem Verhältnisse zu dem Skelet auf Grund der Kenntnis der Inner- vation klarzulegen suchen und ich hoffe, dadurch zu einer Erklärung der Entstehung des so eigenartigen Copulationsapparates der Haie überhaupt zu gelangen. Ich werde nach einer Beschreibung der äußeren Beschaffenheit der Flosse eine Darstellung des Knorpelskelets und der übrigen Stützorgane geben, daran anschließend die Muskulatur behandeln und endlich die Nerven zur Anschauung bringen. Den Schluß möge dann eine kritische Betrachtung der Resultate und eine Zusammen- fassung bilden. Was die Bezeichnungen anbelangt, so halte ich mich in der Hauptsache an die Arbeit HußErs, werde jedoch, wo ich es für nötig halte, wie z. B. bei der Muskulatur, Namen gebrauchen, die BRAUS (1900, S. 143 und 184) in die Nomenklatur einführte, oder die ich selbst gebildet habe. 1. Teil: Anatomische Beschreibung. A. Äußere Beschaffenheit der Flosse (Textfig. 1 und 2). Die Bauchflosse des Hexanchus-Männchens unterscheidet sich von der des Weibcehens durch die Differenzierung des eaudalen Flossenteiles zu einem Copulationsorgane. Wir unterscheiden an diesem Organe das eigentliche Copulationsglied und eine beson- dere Hülle desselben. Letztere steht in deutlichem Zusammenhang Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 531 mit der übrigen Flossenplatte und ist deshalb am leichtesten von derselben abzuleiten. In Textfig. 1 und 2 ist zu sehen, wie die Hülle, welche ich mit Huvger als Flossenkelch (FA) bezeichne, konti- Ausgeschnittene männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus. Dorsale Ansicht. A Cloake. Man sieht die Schni!tflächen der Seitenrumpfmuskulatur und nach außen davon die der Rumpf-Flossen- muskulatur. Vorn ist noch ein Teil der angeschnittenen Bauchhöhle € sichtbar. 3!/; der nat. Gr. 35* 532 Albert Krall nuierlich mit der dorsalen, medialen und ventralen Fläche der Flosse zusammenhängt. Man fühlt auch, wenn man die Innenfläche des Flossenkelehes betastet, daß die Knorpelstäbe, die zur Stütze der Männliche Beckenflosse. Ventralansicht. Rechts ist das Copulationsglied fast ganz im Flossenkelch versteckt, links ist es in großer Ausdehnung sichtbar. A Cloake, nach hinten aufgeschlitzt. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 533 Flosse im allgemeinen dienen, sich auch in diesem Abschnitt finden (14.—16. Seitenradius des Metapterygiums s. u.). Allerdings liegen diese Stäbe nur der latero-dorsalen Wand des Kelches an, wie sich bei der speziellen Beschreibung des Skelets herausstellen wird. Ebenso wie die knorpeligen Stützelemente setzen sich auch die Hornfäden kontinuierlich von der übrigen Flosse in den Flossen- kelch fort und bilden hier, wie bei den Flossen überhaupt, den aus- gedehntesten und wichtigsten Bestandteil der Hülle. Das Copulationsglied selbst (Ag Textfig. 1 rechts) steckt mit seiner Basis vollständig im Flossenkelche, ähnlich wie beim Penis die Eichel im Präputium. Sehr bald aber wird es partiell und zwar an seiner mediodorsalen Peripherie frei, indem der Flossenkelch sich hier öffnet und seitlich zurückweicht. Die Spitze des Copulations- gliedes endlich ragt völlig frei aus dem Flossenkelche heraus. Das Copulationsglied als Ganzes stellt sich uns als ein lang- gestreckter, caudal gerichteter Kegel dar, dessen Grundfläche bei dem abgebildeten Exemplare einen Durchmesser von etwa 9—6 cm hat, dessen Höhe, soweit das Glied vom Flossenkelche partiell oder vollständig unbedeckt ist, 14 cm beträgt. Man kann jedoch die Basis des Gliedes noch 6 cm weit in die Tiefe des Flossenkelches ver- folgen. Dabei geht die Hautbedeckung des Copulationsgliedes in diejenige des Flossenkelches medial und lateral mittelst Hautfalten über (7 Textfig. 1 und 2). Das Copulationsglied im einzelnen setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, von welchen zwei schon bei äußerer Be- trachtung besonders hervortreten und deshalb für die Form des Gliedes besonders bedeutsam sind. Es sind dies der Genital- stamm und der Genitalsack, der erstere ein Teil des Knorpel- skelets, der letztere eine muskulöse Bildung. In ihrer vollständigen Situation sind beide erst nach genauer Präparation erkennbar (vgl. Textfig. 3,b und Taf. XIL Fig. 1). Doch sieht man bei äußerer Betrach- tung (Textfig. 1 und 2 links), wie an der Basis des Copulations- gliedes der Genitalsack sich als vielfach gefalteter Wulst vorwölbt (68) und wie terminal das Relief des Gliedes von dem Genital- stamm (Gst) beherrscht wird. Auf der Dorsalfläche des Copulationsgliedes bemerken wir den Eingang des Genitalsackes, einen in schwacher Spirale eaudalwärts zur lateralen Seite der Gliedspitze verlaufenden Schlitz (Sch), der an der Außenseite durch einen etwa 0,6 em breiten Muskelwulst (W) begrenzt ist. Dieser Wulst ist nur von ganz dünner Haut bedeckt. 534 Albert Krall Die andre Seite des Schlitzes wird durch den harten, mit Haut über- zogenen Genitalstamm gebildet. | Führen wir den Finger durch den Schlitz, was mit einiger Ge- walt gelingt, so kommen wir in den weiten, ungefähr knabenfaust- großen Genitalsack, der eine große Zahl von Ausbuchtungen besitzt. An seiner Innenfläche ist dieser Sack von einer weißen, zarten, durchsichtigen Haut ausgekleidet, die eine Fortsetzung der äußeren Haut darstellt. Sie läßt die Muskelfasern allenthalben durchscheinen. Durch bloßes Abtasten der Innenwand des Sackes kann man leicht zu dem Eindruck gelangen, daß der Genitalstamm mit der ventralen Hälfte seiner Peripherie frei in dem Genitalsack läge und daß man vom Innern des Sackes aus überall seine Fläche, speziell die ven- trale Seite und auch etwas von der medialen Circumferenz unmittelbar befühlen könnte. In Wirklichkeit liegt aber der Sack, wie die Untersuchung der Muskulatur noch ergeben wird, dem Genitalstamm nur äußerlich an, etwa wie der Peritonealsack den partiell in ihn eingestülpten Organen (man denke z. B. an den Hoden und die Höhle des Hodensackes bei offenen Processus vaginalis). Ich verweise vor- läufig, um eine Vorstellung von seinem Verhalten zu geben, auf den Querschnitt durch den Genitalstamm und die Muskulatur des Sackes in Textfig. 11, in welcher deutlich zu sehen ist, wie die Muskulatur an der ventromedialen Nische des Sackes (bei *), rückläufig wird und im Bilde ungefähr gegenüber dem Muskelwulst (W), also dem late- ralen Ausgangspunkt, endet. Die Tiefe des Sackes beträgt in der Längsrichtung des Gliedes 22 cm. Das caudale Ende des Schlitzes ist eingefaßt von zwei stein- harten, vollständig mit Haut bedeckten Körpern, den sogenannten Terminalstücken. Außerdem ist noch zu bemerken, daß die den Gliedstamm dorsal bekleidende Haut sich als eine Lippe (Z) in den Sack fortsetzt (Textfig. 11). Diese Lippe ist so lang wie der Schlitz selbst. Während die ganze Oberfläche der eigentlichen Flosse und die Außenseite des Flossenkelches mit feinen, caudal gerichteten Haut- zähnchen besetzt sind, ist die Innenfläche des Flossenkelches, sowie das ganze Copulationsglied nebst den es mit dem Kelche verbin- denden Übergangsfalten glatt. Die Haut hier ist meist hell, dünn und lederartig, an der Spitze des Copulationsgliedes jedoch ist sie schwarz pigmentiert und zart. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus grisens M. u. H. 535 B. Skelett. Das Skelet der Flosse besteht aus dem Knorpelgerüst, welches bekanntlich allein mit dem Gliedmaßenskelet der höheren Vertebraten vergleichbar ist, und ferner aus besonderen integumentalen Skelet- elementen der Fischflossen, nämlich den Hornfäden und Terminal- stücken. 1. Das Knorpelgerüst. Bei der Beschreibung des Knorpelgerüstes möchte ich mich zu- nächst an das in Textfig. 3 und 4 abgebildete Exemplar halten. Die Bezeichnungen der Hauptabschnitte entnehme ich dabei den Arbeiten (GEGENBAURS!. Das knorpelige Skelet der Beckenflosse (Textfig. 3 und 4) besteht aus der Beckenplatte = Pelvis und dem Skelet der freien Flosse. Letzteres setzt sich in unserem Falle zusammen 1) aus dem Meta- pterygium, 2) aus zwei Radien, die direkt mit dem Pelvis articu- lieren, also die Stelle eines Mesopterygiums einnehmen und 5) dem Propterygium. Außerdem findet sich 4) ein kleines, dreieckiges Knorpelstückehen x, das mit der dorsalen, seitlichen Kante des Pelvis artieuliert und durch Bindegewebe mit der Dorsalfläche des Basale metapterygii verbunden ist. Das Pelvis (P), dessen rostro-caudaler Durchmesser bei den ein- zelnen Exemplaren stark variiert, wird dargestellt von einer ungleich- mäßig dicken, querstehenden, annähernd trapezähnlichen Platte, die in ihren seitlichen Teilen bedeutend verstärkt ist. Ungefähr 1,5 cm von den seitlichen Rändern finden sich fünf Nervenlöcher, d.h. die Eingänge zu Kanälen, die meist in senkrechter, manchmal auch in etwas schräger Richtung den Knorpel durchsetzen. Das vorderste dieser Nervenlöcher ist das kleinste und ist ganz nahe am rostralen Pelvisrande gelegen (in Textfig. 3 deshalb nicht zu sehen, wohl aber in Textfig. 4). Die nach hinten zu folgenden Löcher werden successive größer. Der rostrale und caudale Rand des Pelvis ist zugeschärft, die Seitenränder sind dick und scharf abgeschnitten, so daß beiderseits breite Flächen entstehen. Diese Seitenflächen stoßen in einem Winkel von etwa 80° an die Dorsalfläche, während sie in die untere Fläche allmählich in bogenförmiger Linie über- gehen. Nur an dieser abgestumpften Stelle artieuliert das Skelet ! Ich verstehe also unter Metapterygium den hinteren Teil des Knorpel- skelets, der aus dem Basale nebst seinen Fortsetzungsstücken in der Stamm- reihe und den an diesen Knorpeln befestigten Radien besteht. In. derselben Weise ist Pro- und Mesopterygium zu verstehen. Albert Krall 536 Fig. 4. Fig. 3. I En — — em IN MIRS u 143 INNÄITUIESSS = DIHHRRRDRRNUR TG ie WI Er. > NN _ Ds DE, CDP, GCßYßhYHE GG LTR > u N ——G TDEMD ne m, km I ! I l a. DD Skelet. Ventrale Ansicht. Ter- minalstück erhalten. Männliche Flosse, Männliche Flosse, Skelet. Dorsale Ansicht. Ter- der nat, Gr. minalstück erhalten. */s Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 537 der freien Flosse (Textfig. 6 4). Somit bleibt eine etwa 1,5 em hohe Fläche für dorsale Muskelursprünge übrig. Die Articulation der Flosse nimmt die ganze rostro-caudale Länge in Anspruch bis auf eine etwa 0,7 em lange Stelle am caudalen Ende. Dadurch entsteht eine Rinne, in der ein Nerv verläuft. Ich möchte hier schon darauf hin- weisen, daß ich in einem andern Exemplare an dieser Stelle ein ganz nahe am hinteren Pelvisrande gelegenes Nervenloch fand. Es war also wahrscheinlich hier der Nerv eingeschlossen, bzw. hatte er im ersten Falle den Beckengürtel verlassen. Allerdings ließ sich nicht ermitteln, ob der betreffende Ast in beiden Fällen zu dem- selben serialen Spinalnerven gehörte. Möglicherweise entspricht aber doch in unserem Falle die Nervenrinne einem 6. Nervenloche. Skelet der freien Flosse. Das Basale propterygii stellt eine etwas schräg nach vorn seitlich verlaufende Knorpelspange dar, deren hinterer Rand an einer treppenförmigen Anheftungsstelle 4 Radien trägt. Einer von diesen bildet die Fortsetzung des Basale. Jeder dieser Radien zerfällt terminal in 1 oder 2 kleinere Querglieder. Zwischen Propterygium und Metapterygium liegen, wie oben erwähnt, zwei Radien, die dem Pelvis selbst aufsitzen. Der vordere Radius ist am terminalen Ende in zwei Teile gespalten und zwar reicht die Spaltung bis in das proximalste Stück hinein. Auch diese Radien sind am Ende in mehrere Querglieder zerlegt. Ein Basale mesopterygii besteht nicht. Ich nenne die beiden Radien mesoptery- giale Radien. Das Basale metapterygii B ist ein 12 cm langes dreikantiges Knorpelstück, dessen mediale und ventrale Fläche in einem rechten Winkel zusammenstoßen. Rostral überwiegt die Breite des Basale die Höhe, doch geht dies Verhalten allmählich in das Gegenteil über, je weiter wir nach hinten kommen. Auf das Basale folgt (Textfig. 3 und 4) ein Schaltstück b,, das eine Länge von 2,7 cm hat und aus einer vertikal stehenden Platte besteht. Diese Platte ist in ihrer Mitte, entsprechend der Längsrichtung der Flosse (ML Taf. XIH Fig. 7) dünner als an dem ventralen und dorsalen Rande. Die Dieke der Platte beträgt 0,5—0,8 em. An der genannten dünnen Stelle entdecken wir eine, äußerlich durch eine gelbe Farbe deut- liche, auf dem Schnitte jedoch weniger gut zu verfolgende Gelenk- linie. Wahrscheinlich handelt es sich nur um eine faserige Um- wandlung der Knorpelgrundsubstanz, die durch mechanische Um- stände (Muskelzug) verursacht ist. | Auf das Schaltstück db, folgt der, in den Arbeiten JUNGERSENS 538 Albert Krall und Hugers mit £ bezeichnete Knorpel als direkte Fortsetzung der dorsalen Hälfte des Schaltstücks.. Am Ursprung cylindriseb, wird £ von der Mitte ab dorsoventral abgeplattet. Fast in der ganzen Länge ist # durch Bindegewebe fest verbunden mit dem genau ventral davon liegenden Stamm des Copulationsgliedes und mit dem ceylin- drischen, 0,8—1,0 em langen und ebenso dieken Schaltstück bs, das sich zwischen dem abgegliederten ventralen Teile von 5, und 5 be- findet. (An einem andern Skelete fehlt dieses Stück b,. Dafür ist die Artieulationslinie breiter. Was den Knorpel Db betrifft, der mit einer Länge von 20,5 cm alle andern Teile überragt, so handelt es sich um einen schwach 2-förmig gekrümmten, ungleichmäßig dieken Stab, der in der Richtung des Basale sich direkt nach hinten er- streckend, von den Autoren für die Fortsetzung der Stammreihe gehalten wird. Mit dem Basale ist 5 durch die Schaltstücke 5, und b, verbunden. Der Querschnitt von 5b ist in den ersten vier Fünfteln oval, wobei die längere Achse des Ovals von medial unten nach lateral oben verläuft. Das letzte Fünftel ist im Durchschnitt plan- convex. Die convexe Seite sieht nach medial oben. Der größte Durchmesser hat also dieselbe Richtung wie in den proximalen Teilen. Das Ende von 5 ist in eine griffelartige Spitze ausgezogen, wie dies für andere Haie von GEGENBAUR und JUNGERSEN beschrieben ist. Betrachten wir nun die übrigen Knorpelstäbe, die mit dem Basale metapterygii in Zusammenhang stehen, so finden wir 18 Ra- dien, wovon die 7 letzten keine Gliederung aufweisen, während die 11 vorderen je 2—4 Endglieder tragen. Je weiter vorn die Radien stehen, um so kürzer und gedrungener sind die Querglieder. Es ist dies derjenige Teil der Flosse, welcher sich am meisten beim Schwimm- akt (Balanzieren) beteiligt, während der hintere Teil der Flosse, der ungegliederte Radien besitzt, beim Schwimmen wohl nicht in Be- tracht kommt. Diese Inaktivität hat ihren Ausdruck in dem Mangel an Gliederung der stützenden Radien. Die Radien des Propterygiums, sowie die mesopterygialen Radien ziehen rein lateral, während die Radien des Metapterygiums allmählich eine mehr caudale Richtung annehmen, bis die letzten Radien nur wenig mehr von der rostrocaudalen Linie abweichen. In den Textfig. 3 und 4 sind die letzten Radien der Übersichtlichkeit halber zum Teil etwas auseinandergezogen. Die Anfügungsstellen der Radien an das Basale zeigen mehrere Textfiguren (3, 4, 8, 9). Dieselben finden sich, solange das Basale einheitlich ist, an der lateralen unteren Kante mit Ausnahme des Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 539 14. metapterygialen Radius, der etwas dorsal gerückt ist und auch eine geringe Drehung im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers gemacht hat. Der 15. Radius ist schon dem Schaltstücke 5, ange- fügt, ebenso die drei folgenden Radien. Die Anfügungsstelle der letzten vier Radien beschreibt einen dorsaleonvexen Bogen an der seitlichen Wand des Schaltstückes b,, beschränkt sich aber dabei auf die dorsale Hälfte desselben und greift nur beim 18. Radius auf die oben beschriebene Gelenklinie, die das Schaltstück 5, in zwei Teile teilt (MZ Taf. XIU, Fig. 7 und Textfig. 5), über. Vielleicht ist eben der Ansatz der Radien eine weitere Ursache der Gliederung des Sechaltstücks d,, weil durch ihn eine Verdünnung des Knorpels resultiert. Die an dieser eigentümlichen Lagerung beteiligten Radien sind gegenüber den vorderen Radien alle abgeplattet. Die größte Achse des Querschnitts fügt sich jeweils einer der Anfügungsstelle der Radien entsprechenden Kreislinie ein, die jedoch einen größeren Durchmesser hat, als der Bogen der Ursprünge (Textfig. 8 und 9). Diese eigentümliche Formation trägt bei zur Entstehung des Flossen- kelches. Ich werde später noch darauf speziell zurückkommen. Am Aufbau des Copulationsorgans beteiligen sich nach dieser Schilderung vom 14. metapterygialen Radius ab alle weiter terminal liegenden Skeletelemente, indem sie teils, wie beschrieben, den Flossenkelch, teils das Copulationsglied selbst stützen. Ich gebrauche für alle diese Knorpelstützen des Copulationsorgans insgesamt den von GEGENBAUR eingeführten Namen: Mixipterygium. Varietäten: Außer dem oben beschriebenen Fehlen von db, habe ich noch andre interessante Befunde erheben können. So fand ich bei einer weiblichen Flosse, daß weder ein diskretes Mesoptery- gsium bestand, noch daß, wie in dem beschriebenen Falle, zwei Radien mit dem Pelvis artieulierten. Vielmehr war ein Radius, wahr- scheinlich der zweite der im ersten Falle gefundenen mesopterygialen Radien, zwischen Pro- und Metapterygium eingekeilt. Seine Wurzel war ungefähr 1 cm vom Pelvisrand entfernt. Außerdem trug in demselben Falle das Propterygium nicht vier, sondern fünf Radien an dem hinteren Rande. Bei einem kräftig entwickelten Männchen, bei dem auch das Fehlen von db, konstatiert wurde, fand sich auch kein eingekeilter Radius mehr, sondern auch dieser war offenbar auf das äußerst kräftige Propterygium gerückt. Dabei waren der der Spitze des 540 Albert Krall Propterygiums ansitzende und der auf ihn folgende propterygiale Radius miteinander verschmolzen, was auch eine mäßig tiefe Längsfurche auf diesem Stücke andeutete. Ferner fand ich bei einem ausge- wachsenen Weibchen ein Basale mesopterygii, das drei Radien trug. Das Knorpelstückehen x habe ich bei acht von mir daraufhin untersuchten Flossen siebenmal gefunden. Wegen der Nervenlöcher im Pelvis und deren beträchtlicher Variabilität verweise ich auf die Beschreibung der Flossennerven. Bei einem jungen Männchen fand ich das Fehlen der Längs- gliederung des Schaltstücks b,, wie es HugEr beschrieben hat. 2. Terminalstücke (Textfig. 10 A und DB). Das letzte Fünftel des Gliedstammes b ist der Träger der bei Hexanchus in Zweizahl vorhandenen Terminalstücke. Für andre Haie sind solche Terminalstücke von allen andern Untersuchern fest- gestellt worden, bei Hexanchus waren dieselben bisher nicht be- schrieben. PETRI hat zuerst erkannt, daß diese Körper mit dem eigentlichen Knorpelskelet nichts zu tun haben, und nannte sie daher sekundäre Knorpel. Das eine der beiden Terminalstücke 7’d, das mit dem M. dila- tator in Beziehung steht, ist ein dreikantiges, 4,5 em langes, etwa l cm dickes, steinhartes Stück, das nach der dem Knorpel 5 anlie- genden Seite leicht gekrümmt ist. Mit dieser Fläche reitet dies Terminalstück in ganz spitzem Winkel (von etwa 10°) auf der oberen Kante des Stammes 5 in der Weise, daß der proximale Schenkel lateral, der distale Schenkel medial von der genannten Kante liegt. An der Kreuzungsstelle ist das Terminalstück in einer Ausdehnung von etwa 0,5 cm durch sehr straffes Bindegewebe mit b verbunden, jedoch so, daß zwei Fünftel caudal, drei Fünftel rostral schauen, daß also ein ungleicharmiger Hebel entsteht. Im übrigen ist das Terminalstück seiner ganzen Länge nach durch lockeres Bindegewebe mit b verbunden. Der Angriffspunkt an dem dem Stamme b be- weglich aufsitzenden Terminalstück ist der distale, kurze Hebelarm. In Textfig. 10 zeigt A die Ruhelage von 7d, B die maximale Ver- schiebung bei Muskelzug (M. dilatator). Das zweite Terminalstück Te ist gerade auf der entgegen- gesetzten Kante des Knorpels b befestigt und zwar fast mit der ganzen Länge seines handes durch straffes Bindegewebe. Te hat eine schalenartige Gestalt (5 cm lang, 2,5 em breit), seine Konkav- seite ist der planen Seite des Knorpels 5 zugewandt. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 541 Durch die beiden Terminalstücke und die plane Seite des Stammes b wird eine fast geschlossene Rinne gebildet. Der schmale Spalt, der zwischen den Rändern der Terminalstücke bleibt, bildet die Fort- setzung des Sackschlitzes. Der proximale Rand von Te dient der Anheftung der Sehne des Musculus compressor und der Sackmuskulatur. Der freie, mediale Rand von Te ist verdickt und ist rostral in einer Länge von etwa 1,5 cm von dem dünneren Körper abgespalten (Textfig. 10 A). An diesem Rande ist ein von dem Musculus eompressor, d. h. von der seitlichen Begrenzung des Sackschlitzes, ausgehender aponeurotischer Streifen angeheftet. Eine Trennung von Te in zwei Knorpel er- scheint mir künstlich, könnte jedoch früher einmal bestanden haben. Die Wirkung der oben genannten Muskeln mag, soweit sie sich auf das Terminalstück Te erstreckt, eine Verengerung oder einen seitlichen Ver- schluß der Rinne bewirken. Bei Verschluß desjenigen Teiles dieses Spaltes, welcher von den beiden Terminalstücken flankiert wird, muß immer noch eine Öffnung F (Textfig. 10) an der Spitze des Copulations- gliedes bestehen bleiben, da bis hierher die Terminalstücke nicht reichen. 3. Hornfäden. Die Hornfäden stehen in engster Ver- bindung mit der Muskulatur. Wie die Mus- kulatur der Flosse, so scheiden wir auch die Hornfäden in eine dorsale und eine ven- trale Lage. Die beiden Hornfädenplatten bedecken nur die äußersten Spitzen der Radien. Letztere ragen eben nur auf eine kurze Strecke zwischen die dorsalen und nn 0 neiden ventralen Hornfäden hinein. Weiter distal Lamelle; vZ ventrale Lamelle; legen sich die beiden Platten unmittelbar De ei TE el aneinander (Textfig. 6 ZF). Beim Weib- chen sind die Hornfäden dorsal wie ventral gleichmäßig ausgebildet und finden sich über den distalen Enden sämtlicher Radien. Beim Männchen jedoch haben sich die Verhältnisse vom 14. metapterygialen Radius ab terminalwärts stark geändert. Es ist sehr schwer, in einer 542 Albert Krall Abbildung des natürlichen Objektes diese Verhältnisse klarzulegen. Zur Orientierung diene deshalb zunächst eine schematische Zeiech- nung (Textfig. 5), in welcher die beiden Hornfädenplatten als ein- fache Lamellen in ihren wesentlichen Beziehungen zueinander dar- gestellt sind. Die links liegende Lamelle repräsentiert die dorsalen Hornfäden, die rechts liegende, zum größten Teil verdeckte, die ventralen Hornfäden. Ich nenne sie deshalb kurz die dorsale und ventrale Lamelle (dZL und vZL). Das Schema stellt nun dar, wie Fig. 6A und DB. M.ptk.ventr. Schema des Faserverlaufes der dorsalen und ventralen Muskelplatte. A im vorderen Drittel der Flosse; B in den zwei hinteren Dritteln (nach Auftreten des Basale metapterygü); Ao obere Aponeurose; Ar untere Aponeurose; ZwsS Zwischensehne; 4F Hornfäden; B Basale; M.zk.dors. Musculi zonocera- toidei dorsales; M.trk. Mm. trunco-ceratoidei; M.zk.ventr. Mm. zono-ceratoidei ventrales; M.ptk. Mm, pterygo-ceratoidei; M.zpt. Mm. zono-pterygiales. die dorsale Lamelle anfangs plan liegt, dann aber plötzlich umbiegt und sich im ferneren Verlaufe so einrollt, daß die Concavität der entstehenden Rinne der ventralen Lamelle zugewendet liegt. Dabei ist die Lamelle so zugestutzt, daß die Rinne an der dem Beschauer zugewendeten oberen Seite des Schemas eine halbkreisförmige Höh- lung (0) besitzt, an der unteren Seite dagegen sich abflacht und spitz ausläuft (#). Die ventrale Lamelle biegt ebenfalls, und zwar in derselben Richtung wie die dorsale, um. Abersie erfährt die Kniekung oben erst etwas später als die dorsale, so daß hier die Lamelle in . Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 543 ihrer alten Richtung frei über die dorsale Lamelle hinausragt (gegen- über 0). Unten im Schema (») korrespondieren dagegen die Um- Fig. 7.4. Fig. 7B. Ansicht des Flossenkelches von innen nach Präparation der Hornfäden (vgl. Textfig.5). Das Knorpel- skelet ist entfernt. dors.M. dorsale Muskulatur; Cc Konzentrationspunkt der letzten dorsalen Horn- fäden; dZ dorsale Lamelle; vZ ventrale Lamelle; d/frK dorsale freie Kante; vfrK ventrale freie Kante; dKK dorsale Kniekungskante; voAK ventrale Knickungskante; abF aberrierende Hornfäden. Die mit römischen Ziffern versehenen Richtungslinien entsprechen den in Textfig. 7 B dargestellten schema- tischen Querschnitten. Ventrale Lamelle schwarz, dorsale Lamelle weiß. 2/3 der nat. Gr. biegungsstellen beider Lamellen miteinander, und hier legt sich in- folgedessen der schief zugeschnittene frei endigende Teil der ventralen 544 Albert Krall Lamelle fest an die dorsale an. Betrachten wir nun das Objekt selbst, bei welchem zunächst das knorpelige Skelet entfernt und die Hornfäden allein präpariert sind (Textfig. 7A und 5), so wird man leicht hier das schematisch Skizzierte wieder erkennen. Bei dKK Fig. 9. /J UN SB u NIS N NV Ir ——r — IINER IS AS EN Sc I A Ne, N N 4 NR NL \ N N Mr — 7 N NG NG — Le) © Fig. $S. Darstellung des hinteren Endes des Flossenskelets nach Entfernung der ventralen Hälfte des Ventrale Ansicht. Es ist die Schaltstückes db} mitsamt dem Schaltstück dz und dem Gliedstamm b. dorsale Ausbuchtung der Radienreihe (14.—18. metapterygialer Radius) zu sehen. Fig. 9. Dorsale Ansicht des gleichen Präparats wie in Fig. $. /s der nat. Gr. liegt die Kniekungskante der dorsalen, bei vÄ K diejenige der ven- tralen Lamelle, bei d. fr. K. bzw. v. fr. K. befinden sich die freien Enden derselben. Das, was in unserm Schema zu oberst lag (bei 0), entspricht also beim Objekt der Ursprungslinie der Hornfäden, wie Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 545 ich den proximalen Anfang der Hornfädenplatten nennen möchte, d. h. der Stelle, an welcher die Muskeln sich an den Hornfäden be- festigen. Die untere Kante im Schema (« und «,) repräsentiert den freien distalen (lateralen) Flossenrand. Das Wichtigste ist, daß also die Ursprungslinien der Lamellen an der Basis des Flossenkelches auseinanderweichen, während die freien Ränder und die diesen be- nachbarten Partien im Zusammenhang bleiben und jedenfalls früher auch noch ausgedehnteren Zusammenhang besaßen als jetzt; denn das Ausstrahlen vereinzelter ventraler Hornfäden über die dorsale Platte hin («5 F') möchte ich als Rest einer einst größeren relativen Entfaltung der ventralen Platte deuten, und die Zusammenraffung der dorsalen Hornfäden bei C'c weist ebenso darauf hin, daß hier die dorsale Platte an ihrer Basis einst größer war, sich so aus- breitete, wie jetzt roch ihre eigenen terminalen Partien, also eine nachträgliche Verkleinerung erfahren hat. An der Stelle, wo die Hornfädenplatten auseinanderweichen, liegt aber das Copulations- glied mit seiner Muskulatur. Dieses ist aus dem Spalt herausge- wachsen und gibt uns durch seine gewaltige Entwicklung die Er- klärung für das Auseinanderweichen der beiden Hornfädenplatten. Aus den schematischen Querschnitten in Textfig. 7 DB, bei welcher die Ziffern sich auf die in Textfig. 7A angegebenen Horizonte be- ziehen, läßt sich am leichtesten ablesen, wie dabei die geschilderte Einrollung der Hornfädenplatten eintreten konnte. In Schnitt I sind die beiden Platten in ihrer Grundstellung gezeichnet, die schwarze ventrale (vZ) oben, die weiße dorsale (dZ) unten. In Schnitt II sehen wir die Folgen des Wachstums des Copulationsgliedes, näm- lich das Auseinanderweichen der medialen Partien der beiden Horn- fädenplatten. Da aber jenseits des Schlitzes, der durch das Aus- treten des Gliedes entsteht, beide Platten im ursprünglichen Zu- sammenhang verharren, so wird in den Schnitten III—VI sichtbar, daß die ventrale Lamelle dem Zuge der dorsalen folgt und infolge- dessen sich in die dem Copulationsgliede angepaßte Rinne der dor- salen Lamelle hineinlegt. Das Merkwürdige, daß in Schnitt VI die Lage beider Lamellen zueinander gerade entgegengesetzt derjenigen in der Grundstellung (Schnitt I) ist, erklärt sich dadurch von selbst. Von besonderem Interesse ist es, festzustellen, wie sich die Radien des Knorpelskelets zu diesen eigenartigen Modifikationen der Hornfädenplatten verhalten. Bis zum 14. Radius zeigen die Horn- fäden keine Besonderheiten der Lage. Wie oben bei der Beschrei- bung des Knorpelskelets erwähnt wurde, beginnt bei diesem Radius Morpholog. Jahrbuch. 37. 36 546 Albert Krall die dorsale Ausbiegung der Radienreihe. Die Hornfäden der dor- salen Platte folgen dieser Ausbiegung bis zum 16. Radius, mit dessen Spitze die letzten Hornfäden durch etwas festeres Bindegewebe ver- bunden sind. Eine solche Verwachsung der Hornfäden mit dem Knorpel findet sich nur bei diesem Radius. Muskulatur besitzen diese Hornfäden außer spärlichen Resten nicht. Wenden wir uns nun zu den ventralen Hornfäden, so bietet sich uns ein andres Bild dar. Auch hier finden sich gleichmäßige, unveränderte Verhältnisse bis zum 14. metapterygialen Radius (exklusive). Vom 14. Radius ab liegen die ventralen Hornfäden ebenso wie die zugehörige Musku- latur den Radien nicht mehr an, sie machen die dorsale bogenför- mige Ausbiegung der Radienreihe nicht mit. Vielmehr bleibt die Ursprungslinie der Hornfäden ganz gerade, sie überspringt gewisser- maßen die Nische, die durch die Ausbiegung der Radienreihe ent- steht. Demnach sind die fünf letzten Radien ventral nicht mehr von Muskulatur bedeckt. Allerdings trifft die Ursprungslinie der Hornfäden nicht mehr die gegenüberliegende Wand der Radiennische, weil sie vorher endigt. Dieselben Verhältnisse, wie ich sie hier beschrieben habe, fand ich auch beim Heptanchusmännchen. An der Stelle, wo die dorsale und ventrale Hornfädenplatte auseinanderweichen (Textfig. 7A und BD), liegt der 14. metapterygiale Radius; dieser ist auch an jener Stelle im Innern des Flossenkelches leicht durchzutasten, da er ja naclı dieser Seite nicht von Hornfäden bedeckt ist. Dieser hadius ist also an seiner ursprünglichen Ven- tralseite, die durch Drehung im entgegengesetzten Sinne des Uhr- zeigers caudalgedreht ist, nur von Haut bedeckt. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß die Stelle, die zwischen den beiderseitigen Übergangsfalten des Flossenkelches liegt (Text- figur 1 und 2), dem Knorpel 3 entspricht. Es wird dies später bei der Deutung der Skeletteile von Wichtigkeit sein. C. Muskulatur (Taf. XII und XIII, Fig. 1—10). In der allgemeinen Bezeichnung der Muskeln lehne ich mich an BrAavs an (1900, S. 142 und 184). Die spezielle Bezeichnung der Muskelindividuen des Copulationsgliedes entnehme ich JUNGERSEN und HuBEr. Der Einfachheit halber behandeln wir zuerst die ven- tralen Muskeln. « Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 547 l. Ventrale Muskulatur der Flosse (Taf. XII Fig. 1). «, Die ventrale Muskelplatte im allgemeinen. Das Integument ist durch ein diekes, derbes Faseienblatt fest mit der ventralen Muskulatur verbunden und schickt zwischen die einzelnen Faserbündel starke Bindegewebssepten zum Knorpelskelet, so daß ein Abheben der Muskeln von der Unterlage unmöglich ist. Diese Septen überschneiden zum größten Teile die Radien in spitzem Winkel. Es sind also auch die Muskeln nicht überall genau ent- sprechend den Skeletradien ausgerichtet, sondern schräg zu diesen gelagert. Sehen wir einmal vorläufig ab von den zu dem Copulationsglied in Beziehung getretenen Muskeln (M. flexor exterior und interior und Musculus dilatator) und betrachten wir die übrige ventrale Mus- kulatur, die sich beim Männchen ganz ähnlich verhält wie beim Weibehen, als Ganzes, so stellt sie sich als eine in grobe Bündel eingeteilte Muskelplatte dar, deren hinter dem Becken frei werdender medialer Rand stark wulstig vorspringt. Dieser Wulst tritt noch deutlicher hervor durch eine Inscriptionslinie J, die da, wo das Basale metapterygii in der Tiefe liegt, in lateral-konvexem Bogen nach hinten ziehend die einzelnen Muskelbündel halbiert. Dieser soeben ange- führte Muskelwulst (Taf. XII Fig. 1, 2, 3, M. adductor) ist bei der prä- parierten Flosse auch von der dorsalen Seite zu sehen (4A Fig. 2 und 3) und dieser Teil wird von HußEr, soviel ich ihn verstehe, als ein besonderer Muskel (Musculus adductor) aufgefaßt. Diese Bezeichnung für den beim Männchen besonders stark ausgebildeten dorsalen Teil des Muskelwulstes ist vielleicht durch die Funktion gerechtfertigt, da der damit in Beziehung stehende Teil der Flosse wohl nur noch sehr wenig an der Schwimmbewegung teilnimmt. Der Muskel dient wohl nicht mehr wie der übrige Teil der ventralen Muskelplatte zur Senkung der Flosse, sondern erstreckt seinen medial gerichteten Zug auf das Basale mwetapterygii und durch dieses auf das Copulationsglied. Man muß sich aber bewußt bleiben, daß es kein selbständiges Muskelindividuum ist, denn die einzelnen Bündel zeigen genau dasselbe Verhalten wie alle andern Bündel des Wulstes. Die distale (laterale) Hälfte der ventralen Muskelplatte zeigt eine atlasglänzende Aponeurose auf allen Muskelbündeln. Die rechte und linke ventrale Muskelplatte entspringen einander gegenüber von einem beiden gemeinsamen, etwa 1,0 cm breiten, aponeurotischen Sep- tum intermuseulare (Taf. XII Fig. 1 und 6), das auf dem Beckenknorpel 36* 548 Albert Krall befestigt ist, dessen Oberfläche in zwei gleiche Hälften zerlegt und ihn nach hinten noch eine kleine Strecke überragt. Die vordersten Muskelbündel entspringen nicht von dem Septum, sondern von einer sie deckenden, seitlich ziehenden Aponeurose, an der auch die Bauch- muskulatur Ansatz gewinnt. Außer vom Septum entspringen die Muskelfasern noch von der ganzen Oberfläche des Beckens und vom Basale metapterygii; das Propterygium, Mesopterygium und sämtliche Radien bleiben von Muskelursprüngen vollständig frei. Die Insertion, die sich, abgesehen von den letzten Bündeln, an den Hornfäden be- findet, hat die doppelte Ausdehnung wie die Ursprungslinie, etwa 22 cm. Die Verlaufsrichtung ist eine medio-laterale, wobei die vorder- sten Bündel ziemlich quer gerichtet sind, die hinteren mehr caudal ziehen, und zwar ungefähr, aber nicht genau, entsprechend der Lage der von ihnen überdeckten Radien. Die Muskelplatte nimmt in ihren einzelnen Bündeln in caudaler Richtung an Dicke zu. Jedes einzelne Blindel verliert lateral an Querschnittsgröße, die Sehnen sind jedoch breiter als die Bündel selbst. Die Spalträume zwischen den einzelnen Muskelindividuen (Mm. radiales) sind medial wenig, lateral stark ausgeprägt. Auf diese Weise kommt die Ver- längerung der Insertionslinie zustande. Die Länge eines Muskel- bündels beträgt S—10 em, die Breite 0,6—1,2 cm bei dem Objekt, welches ich der Schilderung zugrundegelegt habe. Die einzelnen Bündel sind am Ursprung fingerförmig geteilt und werden erst im zweiten Drittel ihres Verlaufs einheitlich. Bemerkenswert ist, daß an mehreren Stellen von einem caudalen Bündel eine Abzweigung zu einem rostralen Bündel zieht, ähnlich wie bei pentanchen Haien entwieklungsgeschichtlich Anastomosen zwischen benachbarten Muskel- knospen — allerdings nur vorübergehend — bestehen (MOLLIER). Die beiden letztgenannten Befunde sprechen wohl gegen eine pri- märe Einteilung in einzelne Muskelbündel entsprechend den Radien. Der Faserverlauf in den einzelnen Muskelbündeln (Mm. radiales), 1 Nach den geschilderten Ursprungs- und Insertionsverhältnissen haben wir also Fasern zu unterscheiden, welche 1) vom Rumpfe, speziell dem diesem angehörigen Beckengürtel entspringen. (Andre Ursprünge am Rumpfe gibt es bei der ventralen Muskulatur nicht.) Die Insertionen dieser Muskeln liegen in der freien Flosse, und zwar entweder am Knorpelskelet (Pterygium) oder den Hornfäden (Fibrae ceratoideae). Sie gehören also zu den Musculi zono-cera- toidei oder Museuli zono-pterygiales. 2) Andre Fasern entspringen in der freien Flosse selbst, und zwar am Knorpelskelet, und inserieren in ihr an den Horn- fäden: Mm. pterygo-ceratoidei. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 549 welche in den rostralen zwei Dritteln der eigentlichen Flosse liegen, ist einfacher als in denjenigen des caudalen Drittels. Die oberfläch- lichen Fasern in ihnen gehen ungefähr in der Mitte ihres Verlaufs in Sehnengewebe über und bilden so die oben beschriebene ober- flächliche Aponeurose. An dieser Aponeurose gewinnen sämtliche Fasern des Bündels einen Anheftungspunkt (Textfig. 6 A, M.xk.ventr). Diese Verhältnisse ändern sich an der Stelle, wo das Basale hinter dem Becken frei wird. Hier sehen wir zuerst an einem Muskel- bündel eine kleine Inseription in den tiefsten Lagen und eine An- heftung von Fasern am Basale: Mm. zono-pterygiales. Vom Basale selbst entspringen an derselben Stelle einige Fasern, die genau ebenso an den Hornfäden inserieren wie Mm. zono-ceratoidei (Textfig. 6 D). Sie sind auf diese Weise zu Mm. pterygo-ceratoidei geworden. Wo sich eine Inseription in nebeneinanderliegenden Bündeln findet, da sind diese Bündel untereinander verwachsen. Außerdem sei bemerkt, daß am Basale inserierende und von ihm entspringende Fasern sich eng durchflechten. Je weiter wir nach hinten kommen, um so deutlicher wird die Inseription, die schließlich das ganze Muskelbündel durchsetzt und so an der Oberfläche sichtbar wird. Sie bildet die oben beschriebene konvexe Linie (J Fig.1 Taf. XII). Wir haben also festgestellt, daß die Inseription von der Tiefe zur Ober- fläche fortschreitet, daß also von einem Eingreifen der oberflächlichen Fasern in die tiefere Lage, wie es von HuUBER angegeben ist, nicht die Rede sein kann. Durch die Inseriptionslinie teilen sich also die Muskelfasern in zwei Gruppen, erstens Mm. zono-pterygiales, von denen freilich die meisten nicht mehr am Becken selbst, sondern an dessen Fortsetzung, dem Septum, entspringen, zweitens Mm. pterygo- ceratoidei. Es sei noch bemerkt, daß die ersteren, speziell die vom Septum entspringenden Fasern ihre rein medio-laterale Richtung länger beibehalten, als die Mm. pterygo-ceratoidei, so daß dadurch eine Winkelstellung der beiden Systeme zueinander zustandekommt. An der ventralen Oberfläche ist davon wenig zu sehen, doch wird dies deutlich nach Spaltung der Ursprungsaponeurose der caudalsten mit ihrem Beckenursprunge medial und dorsal um den Wulst herum- greifenden Bündel (M. adductor, Fig. 3 und 7). Die soeben erwähnte Ursprungsaponeurose ist die stärkere und selbständigere Ausbildung einer Aponeurose, die sich bei den an der ventralen Oberfläche sichtbaren Fasern weit auf den Wulst erstreckt (Ap.Fig.1 Taf. X), und von der zahlreiche .neue Fasern entspringen. Wenn man die Ursprungsaponeurose der dorsalwärts verlagerten Muskelbündel des 550 Albert Krall Wulstes spaltet, wie dies in Fig. 7 Taf. XIII geschehen ist, so sieht man, daß das, was dorsalwärts als Wulst vorspringt, zum aller- größten Teil von einer Unterpolsterung durch die tiefen, mediolateral ziehenden Fasern hervorgebracht ist. Wie oben erwähnt, sind dies Mm. zono-pterygiales, die speziell vom Septum entspringen (Mm.z.pt) und die tiefe Schicht der an der ventralen Oberfläche der Flosse sichtbaren Muskeln darstellen. Die Mm. zono-pterygiales werden nach der Flossenspitze zu in demselben Maße länger, als die Mm. pterygo-ceratoidei kürzer werden. Bei den eaudalsten drei Bündeln ist das letztere der beiden Systeme nur noch rudimentär und die beiden letzten Bündel haben keine Beziehungen mehr zu Hornfäden, sondern nur noch zu der Übergangsfalte des Flossenkelches. Vom 14. metapterygialen Radius ab liegen den Radien ventral keine Muskeln mehr an, wie sich dies aus der im vorigen Abschnitt beschriebenen dorsalen Ausbiegung der Radienreihe leicht erklärt. Von dieser Stelle ab liegen auch die ventralen Hornfäden, die ja im engsten Zusammenhang mit der Muskulatur stehen, den ausbie- genden Radien nicht mehr auf, sondern bleiben in derselben Ebene liegen, wie die vorhergehenden. Die Hornfädenplatte reicht ja aller- dings nicht mehr weit und der freie Rand schlägt sich, wie oben genau beschrieben, um 180° dorsal um (Textfig. 7@ rechts). Aber immerhin ziehen noch die Bündel, die ursprünglich zum 14. und 15. Radius gehörten (Mm. pterygo-ceratoidei) nach Dorsalwärtstreten der Radien nun über die entstandene Nische zu den zugehörigen Hornfäden, oder wo die Hornfäden fehlen, zu der medialen Über- gangsfalte (Taf. XII Fig. 1 bei*). In die Nische hinein erstreckt sich der rostral und lateral vorgebuchtete Muskelsack (Taf. XII Fig. 4), der so also mit seinem vordersten Ende zwischen Radien und ventrale Muskulatur zu liegen kommt. 3. Die speziellen ventralen Muskeln des Copulationsorgans. Gehen wir nun über zu der Besprechung derjenigen ventralen Muskeln, welche sich im Zusammenhang mit der Entfaltung des Copulationsorgans zu selbständigen oder fast selbständigen Muskel- individuen differenziert haben, so ist vorauszuschicken, daß in der Tiefe des schon beschriebenen Wulstes (des M. adduetor HUBERS) (Taf. XII Fig. 1e0) sich besondere Fasern finden, welche Ähnlichkeit mit bestimmten Systemen jener Muskelindividuen haben und deshalb die Deutung des Zustandekommens derselben vermitteln. Ich er- innere daran, daß der Wulst aus Mm. zono-pterygiales besteht, welche Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 551 um so länger werden, je mehr sich die durch die Inseriptio tendinea (J) von ihnen geschiedenen Mm. pterygo-ceratoidei verkürzen. Diese Mm. zono-pterygiales setzen sich da, wo die Insceription vom Basale metapterygii auf das Schaltstück d, übergeht, so an den Knorpel an, daß von ihnen eine Gelenklinie, nämlich die zwischen B und b,, übersprungen wird. Dadurch wird es verständlich, daß Muskelfasern, welehe durch Vermittlung der Zwischensehne am Schaltstücke 5, inserieren, ihren Ursprung vom Becken auf das Basale metapterygii verlegt haben. Es sind dies also Mm. pterygiales proprii, d. h. Fasern, deren Ursprung und Insertion am Skelet der freien Flosse selbst gelegen sind. Es existieren deren nur einige wenige Bündelchen. Sie sind also imstande, durch ihre Kontraktion die beiden Skelet- teile, an welchen sie angeheftet sind, 5 und d,, gegeneinander in dem sie verbindenden Gelenke nach Art der Hebelwirkung bei den Gelenken höherer Wirbeltiere zu bewegen. Es ist das derjenige Typus, welchen wir bei den eigentlichen Muskeln des Copulations- gliedes in viel höherer Entfaltung finden werden. Da bei den Flossen der Selachier, auch deren Brustflossen, Mm. pterygiales proprii un- bekannt sind (Braus, 1900, S. 201), so ergibt sich, daß hier bereits eine spezielle Differenzierung vorliegen muß, welche der ganzen Situation nach mit der Entwicklung des Copulationsorganes im Zu- sammenhang zu denken ist. Ich erwähnte auch bereits, daß der Musc. adduetor eine, wenn auch nicht sehr innige Beziehung zu demselben besitzt. Bemerkenswert ist, daß die Differenzierung sol- cher Mm. pterygiales proprii bei den Dipnoern ganz allgemein in der Flosse ausgebildet ist und hier eine ganz andre Bedeutung als beim Mixipterygium besitzt, nämlich die, eine Benutzung der Extre- mität als Gehwerkzeug einzuleiten. Das sind offenbar zwei völlig getrennte Wege der Entwicklung; das was wir hier beim Copulations- organ finden, ist nur eine Analogie zu den Verhältnissen bei den lungenatmenden Fischen. Von den eigentlichen Muskeln des Copulationsorgans, den Mm. flexores und M. dilatator, entsprechen die beiden ersteren, meiner Auffassung nach, im wesentlichen solchen Mm. pterygiales proprii, welche bei der Entfaltung des Mixipterygium eine weit höhere Be- deutung und Entwicklung erlangt haben, als jene winzigen Bündel- chen in der Tiefe des M. adductor. Allerdings bestehen beim M. flexor exterior gewisse Schwierigkeiten, da er aus sehr verschiedenen sich durchflechtenden Lagen zusammengesetzt ist und möglicherweise eine komplizierte Entwicklungsgeschichte hat. Der M. flexor interior 552 Albert Krall jedoch besteht lediglich aus Mm. pterygiales proprii. Daß dieselben Elementen des M. adductor entsprechen, geht insbesondere daraus hervor, daß ich bei den rostralsten Fasern an deren Insertion an b, noch einige rudimentäre Muskelbündelchen entspringend fand, welche ganz Mm. pterygo-ceratoidei entsprachen. Es ist das also dasselbe Verhalten, allerdings in sehr reduzierter Form, wie beim M. adductor und dem beschriebenen Muskelwulst überhaupt, an dessen Insertion anfänglich sehr stark entwickelte, caudalwärts aber allmählich sich verkleinernde Mm. pterygo-ceratoidei anhängen. Der Musculus dilatator ist meiner Ansicht nach im Gegensatz zu den Flexores, vor allem dem Flexor interior, lediglich aus Mm. pterygo- ceratoidei entstanden. Ich beginne die detaillierte Beschreibung mit dem oberfläch- lichsten dieser Muskeln, dem Musculus flexor exterior (HuUBER). Dieser Muskel (Fig. 1 und 2 Taf. XII) entspringt zum Teil vermittelst einer Aponeurose vom Becken und vom Basale metapterygii neben dem Adducetor (Fig. 2 und 3 Taf. XII Fl.ext.). Mit der Hauptmasse seiner Muskelfasern entspringt der Muskel jedoch direkt vom Basale meta- pterygii und zwar etwa 3 cm vom hinteren Beckenrande entfernt in einer Ausdehnung von 3:cm an der dorsalen Kante desselben. Sein Ursprung ist durchsetzt von mehreren hart am Knorpel zur Tiefe verlaufenden ventralen Nervenästen und zeigt Verwachsungen und Verflechtungen mit der darunter liegenden Wulstmuskulatur (Muse. adductor) und mit dem M. flexor interior. Der Muskelbauch ist dorsoventral abgeplattet und scheint auf den ersten Blick parallel- faserig zu sein. In Wirklichkeit ist der Muskel sehr kompliziert gebaut. Ich halte ihn nicht für einheitlich. Die genauere Feststellung seiner Abkunft muß ich andern Untersuchungen überlassen. Ich kann nur die Vermutung äußern, daß der Muskel hauptsächlich aus zono-pterygialen Fasern entsteht, die jedoch durch Wanderung ihre ursprüngliche Lage aufgegeben haben. Der Musculus flexor exterior inseriert an der medialen Kante von £ bis zur Spitze dieses Knor- pels. Er zieht also über zwei Gelenke hin: 1) das Gelenk zwischen B und b,, 2) das Gelenk zwischen 5, und £. Er kann deshalb eine Flexion nach der medialen Seite ausüben, sowohl auf £ wie auf den damit festverbundenen Genitalstamm 5. Dies wird begünstigt durch das vertikal stehende, dünne Schaltstück b,. Es sei noch bemerkt, daß ein selbständiger M. flexor exterior auch beim Weibehen vor- kommt (Taf. XII Fig. 6), Weder HuBEr (Hexanchus) noch voNX Davivorr (Heptamchus) berichtet etwas hierüber. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 553 Der Musculus flexor interior ist, wie oben gezeigt, eine direkte Fortsetzung der Wulstmuskulatur (Muse. adductor). Die Trennung von dieser Muskulatur ist da möglich, wo das letzte von der ven- tralen Seite sichtbare Bündel der ventralen Muskelplatte an dem Basale metapterygii mit einer Zwischensehne befestigt ist. Mit dieser Zwischensehne zeigt die Endsehne des ersten Bündels des Muse. flexor interior eine Verwachsung, wie dies oben für die Inseriptions- linie, die den Wulst lateral begrenzt, als allgemeines Verhalten an- gegeben worden ist. Eben an diese Endsehne des ersten Bündels des M. flex. int. setzt sich in unserem Falle ein kleines Muskelbündelchen als Ver- längerung an, das zu der medialen Übergangsfalte des Flossen- kelehes (Textfig. 2 m F.) zieht. Von einem der nächsten Bündel des M. flex. int. ist noch solch ein zartes Bündel zur Haut des Muskel- sackes, die ursprünglich aus der Haut des medialen Flossenrandes stammt, zu verfolgen. Da die Hautfalten an dieser Stelle des Flossenkelches die direkte Fortsetzung derjenigen Partien bilden, in welchen die Hornfädenplatten existieren, so handelt es sich in diesen Muskelbündelchen um Museuli pterygo-ceratoidei. Dieselben haben allerdings ihre ursprünglichen Insertionspunkte, die Hornfäden, an dieser Stelle verloren und befestigen sich deshalb an der Haut selbst. Wegen der Umgestaltungen der Hornfäden verweise ich auf das früher Gesagte und die Ausführungen im allgemeinen Teile. Die Ursprungslinie des Musculus flexor interior zieht von der ventro-medialen Kante des Basale eaudalwärts, indem sie allmählich an der medialen Fläche des Basale in die Höhe steigt bis etwas über die dorsale Kante und sich von hier fortsetzt auf die dorsale Hälfte der medialen Fläche des Schaltstückes 5,. Außerdem tritt der Ursprung noch über auf den Knorpel 3 (ventrale Seite und mediale Kante unterhalb der Insertion des M. flexor exterior.. Wir haben also ein schräges Ansteigen der Ursprungslinie. Der Faserverlauf ist schräg rostro-caudal, von (lateral) oben nach (medial) unten. Die Fasern sind kurz und beschreiben fast einen Halbkreis. Die Insertion findet sich an der Unterseite von 5, und an dem untersten Teile der Medialseite von 5, soweit wie ungefähr die Spitze des Knorpels £ reicht. Bei Fehlen von 5, erstreekt sich die Insertion nur auf b. Zwischen Ursprung und Insertion liegt die das Schaltstück b, in zwei Teile zerlegende Gelenklinie und die Articulation zwischen 5, und 5,, sowie die zwischen d, und 5b. Nach seinen Insertionsver- hältnissen kann der Muskel nur auf d, und 5b wirken und wird nach 554 Albert Krall meiner Ansicht neben einer Flexion eine Rotation hervorbringen. Die Folge einer solchen Rotation mag wohl die Abgliederung der unteren Hälfte des Schaltstückes b, sein. Trotz dieser Auffassung Fig. 10 A und 102. ‚SI . nn N ' AN N IN N hi a\ NL ” N, N.dil. / Al / M.compr. ins RTL Ss III S RN Darstellung des hintersten Teiles des Copulationsgliedes. Muskeln und Terminalstücke präpariert. A. Das hintere Ende des Sackmuskels ist dargestellt. Z.w.S. vgl. Z.w.S. in Textfig.6 A. Tec kom- pressorisches Terminalstück; 7'd dilatatorisches Terminalstück. B. Der Sackmuskel ist vom Knorpel b abgelöst und zurückgeschlagen. Der Muse. dilatator ist bis auf seine Endsehne abgetragen, doch ist durch die schräge Stellung von 7d seine Wirkung auf dieses Terminalstück dargestellt. Die Innenfläche von Te ist sichtbar. belasse ich den Namen »Flexor«, um nieht durch neue Bezeichnungen den Vergleich mit der Arbeit HuBERS zu erschweren. Zuletzt bleibt noch ein ventraler Muskel übrig, der Musculus dilatator (JUNGERSEN, HUBER). Er ist ein langer, platter Muskel, der der dorsalen und medialen Fläche des Copulationsgliedes b auf- liegt und sich dessen Form angepaßt hat (Fig. 3 M.dilat.). Er ent- Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 555 springt als tiefere, mehr caudal gerichtete Partie des Musculus flexor interior, von dem er kaum zu trennen ist. Sein ventralster Teil, der rein caudal gerichtet ist, geht direkt aus einer Aponeurose der letzten Fasern des Flexor interior hervor. Die Ursprungsstelle des Muskels am Skelet finden wir an der letzten Hälfte der Ventralseite des Knorpels 5. Der Muskel hat auf seiner Unterseite eine zarte, die rostrale Hälfte bedeckende Aponeurose, die mit dem Perichon- drium des Genitalstammes durch derbes faseriges Bindegewebe ver- bunden ist. Doch entspringen keine Muskelfasern von 5 selbst. Zwischen Muskel und Knorpel 5 verlaufen sensible ventrale Nerven. Der Faserverlauf des Muskels ist auf den Zeichnungen gut zu er- kennen. Schon sehr bald beginnt auf der Oberfläche eine Aponeu- rose, die seitlich alle Muskelfasern aufnimmt. Der Muskel inseriert (Fig. 10 B) an dem caudalen Ende der medialen Kante des Terminal- stückes 7Td, also an dem oben erwähnten kurzen Hebelarm. Der Muskelzug stellt somit dieses Terminalstück schräg zu b. Das rostrale Ende von 7d wird wie der Widerhaken eines Pfeiles das Heraus- gleiten des in die Cloake des Weibchens eingeführten Copulations- gliedes verhindern. Bei Nachlassen der Muskelaktion wird das ge- spannte Bindegewebe (S. 540) die normale Stellung wiederherstellen. Der Ausdruck »Museulus dilatator« scheint mir nicht gut gewählt, da man leicht annehmen könnte, daß es sich um eine Dilatation des Sackes oder des Schlitzes handelt, was nicht der Fall ist. Ich will jedoch auch hier den Namen der Einfachheit halber beibehalten. Die von Huser (1901, S. 13) beschriebenen »Fasern an den Drüsensack« habe auch ich beobachtet. 2. Dorsale Muskulatur der Flosse (Taf. XII Fig. 2, 3 und Taf. XIII Fig. 8). «@. Die dorsale Muskelplatte im allgemeinen. An die dorsale Beckenfläche ist lateral von den Nervenlöchern die Seitenrumpfmuskulatur angeheftet (Taf. XIII Fig. 9). Die vom Becken entspringende Flossenmuskulatur findet daher nur Platz an der late- ralen Beckenfläche. Die Beckenplatte hat an dem hier der Beschrei- bung zugrundeliegenden Präparat am seitlichen Rande eine Dicke von etwa 2 cm. Die Radien nehmen nur den untersten Teil der Seitenfläche in Anspruch, so daß ungefähr 1—1,5 em dorsal davon für den Ursprung der dorsalen Muskeln übrig bleibt. Dieselben sind an ihrem Ursprunge zu einer Platte vereinigt, die sich in einer Entfernung von etwa 2 cm in einzelne Bündel auflöst. Der Raum 556 Albert Krall an der Seitenfläche des Beckenknorpels genügt aber nicht für den Ursprung der sehr starken Muskelmasse, die nach der Dicke der einzelnen Abteilungen der gefiederten Muskelbündel gemessen, einen Quersehnitt von über 4 cm hat. Als weitere Ursprungsgelegenheit tritt daher sowohl auf der Unter- wie auf der Oberseite des Muskels eine Aponeurose auf, die sich bis auf die Mitte der Muskelbündel erstreckt (Textfig. 6 Ao.Au). Im Längsschnitt hat jedes Bündel eine schief-rautenähnliche Gestalt. Die einzelnen Fasern gelangen zu einer in der Diagonale sich findenden Sehne (Zw.S), so daß das Bild der doppelten Fiederung entsteht. Dieses Verhalten wird uns später beim Vergleiche mit der Sackmuskulatur noch interessieren. Die Zahl der Bündel entspricht der Zahl der Radien, doch sehen wir, ebenso wie bei der ventralen Muskulatur, eine geringgradige Überkreuzung. Dieselbe ergibt sich daraus, daß zwar die Insertion der Muskelbündel an den Hornfäden gerade über den Radien liegt, daß sich dagegen der Ursprung bei einer großen Anzahl von Bün- deln um etwa !/, Radienbreite vor der Radiuswurzel befindet. Bei den weiter caudal gelegenen hadien (10.—14. metapteryg. Radius) decken sich Bündel und Knorpel, bei den letzten liegt der Muskel- ursprung sogar hinter der Radienwurzel. Auch ein ausgedehnter Faseraustausch besteht zwischen den einzelnen Faszikeln und zwar bei jedem Bündel mit seinem nach vorn und seinem nach hinten gelegenen Nachbarn. Auf der medialen Hälfte der Oberfläche der lateral ziehenden Muskelplatte ist die Sonderung in einzelne Indivi- duen nur angedeutet; ja es entspringen von der oben erwähnten Aponeurose an der Grenze der weiter seitlich sich sondernden Par- tien zahlreiche Fasern gemeinsam, welche distal in getrennte Muskel- bündel eintreten. Die laterale Hälfte der Muskelplatte zeigt jedoch oberflächlich eine ausgesprochene Sonderung in einzelne Muskel- bündel. Allerdings treten auch hier noch hier und da Fasern von einem Bündel zum andern. Zwischen oder in die Bündel eintretende Ner- ven sind in ihren Ästen meist sowohl nach vorn als auch nach hinten durch je 1—2 Bündel zu verfolgen. Es ist noch zu erwähnen, daß die vordersten Bündel nieht vom Basale propterygii, sondern von einem vom Becken aus dem Propterygium entlang ziehenden, aponeurotischen Streifen entspringen und viel geringer entwickelt sind, als die nach hinten sich anschließenden Muskelbündel. Auch die zwei dem Becken direkt ansitzenden Radien (Mesopterygium) sind wie auf der Ventralseite, so auch dorsal im Gegensatze zum Metapterygium frei von Muskelursprüngen. Dieser Unterschied zwischen Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 557 Meso- und Propterygium einerseits und Metapterygium andrerseits sprieht wohl auch für einen verschiedenen Wert dieser Flossen- abschnitte in der phylogenetischen Entstehungsgeschichte. Beim Beginne des Basale metapterygii greift die Muskulatur mit ihrem direkten und aponeurotischen Ursprunge auf die laterale Fläche dieses Knorpels über, nimmt dann Besitz von dem Schalt- stücke 5, und zuletzt von ?. Die undifferenzierte Muskulatur grenzt nach dem Übergang auf £ an den Museulus compressor, den wir zusammen mit der Sackmus- kulatur weiter unten betrachten wollen. Zuerst seien jedoch noch einige Worte über den Verlauf der Bündel der dorsalen Muskelplatte gesagt. Derselbe ist im großen ganzen medio-lateral gerichtet, wobei die vordersten Bündel eine geringe Neigung nach vorn (rostral) zeigen, während die in der Höhe des Beckens liegenden rein lateral, die hintersten stark caudal- wärts ziehen. Die Muskeln inserieren, soweit überhaupt Hornfäden vorhanden sind, also bis zum 16. metapterygialen Radius, an diesen. Dabei sei erwähnt, daß sämtliche Bündel bis etwa zum 12. metapterygialen Radius ziemlich lose den Knorpeln anliegen, daß aber von da an die Muskeln durch ziemlich festes Bindegewebe mit dem hier der- beren Periehondrium verwachsen sind. An der Stelle, wo die Radien die bekannte dorsale Ausbuchtung machen, inserieren die Muskeln sogar an den Radien, wenn auch noch einige Fasern zu den Horn- fäden ziehen. Es sind dies, wie schon oben angedeutet, die Radien, deren Hornfädenbelag mit dem Schwimmen nichts zu tun hat; Radien und Hornfäden zusammen bilden hier vielmehr den Flossenkelch. Von der Stelle ab, wo die dorsale Hornfädenreihe gänzlich aufhört (16. metapteryg. Radius), ziehen die Fasern ausschließlich zu den Radien (16.—18. Radius). Auch in der dorsalen Muskulatur bilden sich also hier in der Nähe des Copulationsgliedes bereits Mm. ptery- giales proprii aus, ähnlich denen in der ventralen Muskulatur (S. 551). Die Fasern der bisher beschriebenen dorsalen Muskelplatte sind also zum größten Teil Mm. zono-ceratoidei bzw. pterygo-ceratoidei, zum kleinsten Teil Mm. pterygiales proprii. Eine besondere Stellung nehmen Muskeln ein, welche nur in der dorsalen Muskulatur sich finden und zu welchen die ventralen Muskeln kein Analogon besitzen. Ich nenne dieselben: Musculi trunco-ceratoidei. Diese Muskeln werden ebenfalls durch eine in Bündel eingeteilte Platte dargestellt. Dieselbe entspringt mittels 558 Albert Krall einer Aponeurose von der verstärkten Fascie der Seitenrumpfmus- kulatur. Die Dieke der Platte nimmt nach hinten immer mehr zu, wie dies in Fig. 2 Taf. XII zu sehen ist. Fig. 10 Taf. XIII zeigt uns, daß die Ursprungslinie am Rumpfe nicht so weit caudalwärts reicht, wie die Insertionslinie an der Flosse. Die Dicke der Muskulatur in den eaudalen Teilen mag daher kommen, daß die Ursprünge aller Mm. truneo-ceratoidei des ganzen caudalen Drittels der Flosse an einem Punkte der Bauchwand konzentriert sind. Es mag dies zum Teil mit der starken Ausbildung und funktionell hohen Differen- zierung des betreffenden Flossenteiles zusammenhängen. Wie wir in Fig. 10 Taf. XIII am rostralen Ende besonders deut- lich sehen, setzt sich diese Muskulatur wieder aus zwei Schichten zusammen; caudal gehen dieselben ineinander über. Wahrscheinlich handelt es sich um eine rostral weiter vorgeschrittene Differenzierung. Die äußerste Schicht besteht aus einer einfachen, etwa 1—2 mm dieken Lage nebeneinandergereihter Bündel, die, abgesehen von der dem ganzen Muskel eignen dorso-ventralen Richtung (Textfig. 6 M.trk.), eine ganz geringe Neigung zu schräg caudo-rostralem Verlaufe zeigt. Die rostralsten Bündel stehen zum Teil etwas auseinander, so daß man an manchen Stellen die dieke, tiefere, schräg rostro-caudal ziehende Lage sehen kann. Diese oberflächliche Lage reicht auch nicht so weit nach vorn wie die tiefere grobbündelige Lage. Die Insertion der Mm. truneo-ceratoidei bei unsrer ausgebildeten Flosse eines Männchens von Hexanchus geht nieht, wie dies VON DAVIDOFF bei einem Heptanchus-Weibehen beschrieben hat, überall an die Horn- fäden direkt, sondern findet sich, wie die Textfig. 6 und Fig. 10 Taf. XIII zeigen, am lateralen Ende der dorsalen Ursprungsaponeurose (4o Textfig. 6) der dorsalen Muskelplatte. Es können somit unsere Muskeln nur durch Vermittelung der Aponeurose und der von dieser entspringenden Muskelmasse auf die Hornfäden wirken. Es gibt aber bei der männlichen Flosse auch Mm. trunco-ceratoidei, welche direkt an den Hornfäden inserieren. Denn das gewöhnliche Verhalten erleidet eine Änderung insofern, als die Insertion, je weiter wir nach hinten schreiten, immer tiefer an der lateralen Oberfläche der dor- salen Muskelmasse hinabgleitet und schließlich selbst zu den Horn- fäden gelangt (Taf. XIII Fig. 10). Da ich bei einer weiblichen Flosse von Hexanchus sämtliche Fasern, welche vom Rumpfe entspringen, in direkter insertiver Verbindung mit den Hornfäden fand, (so wie dies v. Davıporr auch bei Heptanchus beschreibt), so halte ich diesen Befund für den primitiveren und belasse deshalb auch den Fasern Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 559 des Männchens den Namen Mm. truneo-ceratoidei, obgleich sie ihn nicht mehr uneingeschränkt verdienen. An denjenigen Radien, bei denen keine Hornfäden mehr vor- handen sind, inserieren die Mm. trunco-ceratoidei an den Radien selbst, erlangen also eine Wirkung auf diese und werden zu Museuli truneo-pterygiales. Da die Muskelfasern einerseits hier sehr gedrängt und durch Bindegewebe und Faseraustausch eng miteinander ver- bunden sind, andrerseits die Radien an ihrem Ursprunge und teil- weise auch in ihrem Verlaufe dicht aneinandergepreßt sind, muß die Muskulatur hier wohl als Ganzes auf den gesamten Radienkom- plex, der den Flossenkeleh bildet, im Sinne einer Elevation oder Adduktion des Kelches an den Rumpf, vielleicht auch einer geringen Abduktion von der Medianlinie oder dem Copulationsglied wirken. Bei letzterer Auffassung würden die Museuli flexores interior und exterior das Copulationsglied gerade entgegengesetzt zu der Richtung bewegen, in welcher diese Mm. trunco-pterygiales den Flossenkelch bewegen, so daß durch diesen Antagonismus das Gliedende aus dem Flossenkelche herausgehoben wird. Eine weitere Eigentümlichkeit bieten uns noch die medialsten Bündel des hinteren, dicken Wulstes der trunco-pterygialen Musku- latur. Auf der Fig. 9 Taf. XII bei * sehen wir eine merkwürdige Configuration von am Knorpel % inserierenden und von ihm ent- springenden Fasern. Bei genauester Präparation der einzelnen Muskel- bündel des trunco-pterygialen Wulstes findet man nämlich, daß sich caudalwärts ziehende Bündel plötzlich in zwei Teile spalten, von denen der eine die ursprüngliche Richtung beibehält, während der andre zu P, zu b,, ja sogar in einem Falle bis zu der Wurzel eines Radius zieht. Untersucht man diese Stelle genauer, so sieht man dann meist ein verhältnismäßig kleines Bündel daselbst entspringen. das sich dem ursprünglichen Bündel wieder beigesellt (Textfig. 12). Es handelt sich wohl um eine Anheftung von dem Knorpel zunächst liegenden Bündeln an diesem und um Gewinnung neuer Insertionen und Muskelursprünge zwecks kräftiger und funktionell differenzierter Tätigkeit. Die neuen Fasern führen uns zu dem Musculus com- pressor, dem sie sich zugesellen. 8. Die speziellen dorsalen Muskeln des Copulationsorgans. Trennt man die von ß entspringenden Bündel der dorsalen Muskeln, die zu den miteinander verwachsenen Radien (17. und 18. metapt. Radius) gehören, ab, so bleibt der Musculus compressor 560 Albert Krall (JUNGERSEN, HUBER) zusammen mit der Sackmuskulatur stehen. Erkann von der Sackmuskulatur nicht getrennt werden, ist also kein selb- ständiges Muskelindividuum, und ich will deshalb auch zunächst Compressor und Sackmuskulatur als einheitlichen Muskel beschreiben. Der Ursprung findet sich an £% und erstreckt sich von da etwas rostral bis in den Winkel zwischen dem 18. metapterygialen Radius und dem Genitalstamm 5 (Textfig. 3 und 9). An dieser Stelle ist er be- deckt von demjenigen Teile der dorsalen Muskelplatte, welche an dem genannten Radius inseriert (Taf. XIII Fig. 8). Breiten wir den Sack aus, so ist die ganze Muskelplatte in dessen Wand, abgesehen von geringfügigen, durch die Ausbuchtung bedingten Verschiebungen der Muskelfasern gegeneinander, leicht so präparatorisch zu isolieren, daß man dasselbe Bild erkennt, wie an einem gewöhnlichen dorsalen Muskelfaszikel (M. radialis dorsalis). Denn es be- steht gerade wie bei letzterem (vgl. Textfig. 6 Zw.S.) eine Zwischen- sehne (Textfig. 10 A, Zw.S.). Diejenigen Fasern des doppeltgefiederten Muskels, welche von der Skeletseite her an diese Zwischensehne herantreten (Textfig. 10 A»), entspringen geradeso, wie bei den ge- wöhnlichen Mm. radiales dorsales von einer Aponeurose (Textfig. 6 Au.). Diese Ursprungsaponeurose verhält sich geradeso wie diejenige der eaudalsten Mm. radiales der dorsalen Muskelmasse, d. h. sie hat ihren Ursprung an b, (vgl. auch S. 557). Diejenigen Fasern andrer- seits, welche bei gewöhnlichen Mm. radiales von der Oberfläche der dorsalen Muskulatur her an die Zwischensehne verlaufen, sind eben- falls in der Muskulatur des Sackes in großer Menge vorhanden (Textfig. 10 A »*), und es fehlen auch nicht die Mm. truncoceratoidei, welche zu den typischen Mm. radiales gehören (Textfig. 6). Sie werden im wesentlichen von dem als Compressor bezeichneten Rand des Muskels repräsentiert (Textfig. 10 A Compressor). Allerdings gehen die Fasern des Compressor nicht zu eigentlichen Hornfäden, wie man nach diesem Vergleiche erwarten sollte, sondern an das. Terminalstück Te. Ich werde im allgemeinen Teil noch auseinander- zusetzen haben, daß die Terminalstücke höchstwahrscheinlieh aus Hornfädenkomplexen hervorgegangen sind. Es fehlt ferner beim Sackmuskel die dorsale Aponeurose der gewöhnlichen Muskelfaszikel (Textfig. 6 Ao); doch ist diese auch bei den caudalsten Muskeln der letzteren Art fast ganz verschwunden und statt dessen entspringen die Muskelfasern direkt von den Knorpeln der Stammreihe. An £ entspringt aber auch der Compressor. So ist also in allen Punkten eine prinzipielle Übereinstimmung des Baues der in der Sackwand 561 Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. liegenden Muskulatur mit einem dorsalen Musculus radialis nach- gewiesen; freilich ist dieser ursprüngliche Musculus radialis durch seine Beteiligung am Aufbau des Sackes gewaltig gewachsen, ver- breitert und verlagert worden. Eine Übersicht über die Anordnung der Sackmuskulatur im Vergleiche zu den übrigen dorsalen Muskeln soll die schematische Textfig. 13 erleichtern. Hier sieht man im Querschnitt eines jeden dorsalen Muskelindividuums das oberflächlich liegende Paket der Mm. trunco-eeratoidei (m.tr.k.) und das darunter befindliche Bündel der Mm. pterygo-ceratoidei (m.pt.k.). Der zum letzten Radius des Schemas (b) gehörige Muskel ist aus denselben Bestandteilen zusammengesetzt, wie die übrigen, nur ist vor allem die tiefere Partie erheblich ver- breitert und so verlagert, daß der Sack entsteht. Aus dem Schema ist ersichtlich, daß auch die über Radius 17 und 18 dahinziehenden Muskelfaszikel bereits etwas ver- lagert sind. Es hängt dies damit zusammen, daß die betreffenden Radien im Schema eine Drehung im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers erlitten haben. allgemeinen Teile werde ich aus- Im Schematischer Querschnitt durch Gliedstamm 2 mit einandersetzen, daß der Knorpel- stab b sich gerade in entgegenge- setztem Sinne, also in der Richtung den ihm anliegenden (nicht von ihm entspringen- den!) Muskeln (M. dilatator und Sackmuskel). W wulstartig verdickter Rand des Sackmuskels = Muse. compressor; Z Hautlippe. des Uhrzeigers, um seine Achse gedreht hat und so die Veranlassung zur Sackbildung gab. Durch diese einander entgegengesetzten Drehungen kommt die Sackmusku- latur größtenteils unter die zu Radius 18 gehörige Muskulatur zu liegen, ein Verhalten, das am Präparat selbst sehr deutlich ist und oben beschrieben wurde. Eine besonders bedeutungsvolle Eigentüm- lichkeit des Ursprungs der Sackmuskulatur wird nach diesem Schema verständlich. Am Präparat selbst scheint es nämlich auf den ersten Blick, als ob der Sackmuskel von der ganzen Länge des Gliedes b entspränge; doch sieht man bei genauer Präparation, daß die Mus- kulatur nicht von 5 selbst Ursprung nimmt, sondern daß es sich nur um eine Verwachsung der unteren Ursprungsaponeurose mit dem Perichondrium handelt, wie dies oben (S. 557) für die Muskulatur des 12.—14. metapterygialen Radius beschrieben wurde. Der in Textfig. 11 Morpholog. Jahrbuch. 37. 37 562 Albert Krall abgebildete Querschnitt durch das Copulationsglied läßt sehr deut- lich erkennen, daß auch die Muskelfasern parallel dem Genital- stamm verlaufen, also wie dieser quer getroffen sind und nicht von ihm ihren Ursprung nehmen. Es hängt der Sack nur dem Genital- stamm lateral an und zwängt sich zwischen diesem und dem 18. metapterygialen Radius so hindurch, daß seine Konvexität auf der Ventralseite der Flosse vorquillt. Daß ein Übergang der Sack- muskulatur in den Mus- culus dilatator, wel- chen HUBER gesehen zu haben glaubt, nicht stattfindet, zeigt eben- falls der in Textfig. 11 abgebildete Quer- schnitt. Es ist zudem, wie sich durch die Schematische Darstellung der Beziehungen der letzten Mm. trunco- s - ceratoidei zur Stammreihe. Innervation beweisen läßt, der eine ein dor- Fig. 12. saler, der andre ein ventraler Muskel. Es muß noch erwähnt werden, daß von der Spitze des 18. meta- pterygialen Radius ein kleines Muskelbündel entspringt, das sich den Fig. 13. _M.tr.K. . ” % Ser "Mpt.k. b Schematischer Querschnitt durch die Radien des Flossenkelches und db, sowie durch die zugehörigen, verlagerten Muskeln. Alle Querschnitte sind in eine Ebene projiziert. ß ist nicht gezeichnet, da es kürzer als b ist. Fasern des Musculus compressor zugesellt. Ich halte diesen Ursprung für sekundär. Vielleicht handelt es sich um Reste von Mm. trunco- ceratoidei, welche die Spitze des Knorpels berührten und dann hier Ansatz gewannen. Ich konnte auch an einem andern Exemplar Mm. trunco-ceratoidei direkt in den Musculus compressor verfolgen. 3. Die dem Becken benachbarte Partie der Rumpfmuskulatur. Es sei noch kurz einiges ‘über die Rumpfmuskulatur, die für uns in Betracht kommt, gesagt. “Ich verweise auf Taf. XIH Fig. 9. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 563 Am Vorderrand des Beckens sehen wir eine Muskulatur ansetzen, deren Faserrichtung der Längsrichtung des Tieres entspricht, deren intermuskuläre Septen quer ziehen (Rectus abdominis). An diese Muskulatur schließt sich seitlich die Seitenrumpfmuskulatur an (M. obliquus). Zwischen beiden bildet das Bett der Vena parietalis eine Vertiefung, unter welcher der Nervus collector verläuft. Während nun der Rectus nur bis zur Beckenplatte reicht, setzt sich der Mus- culus obliquus auf das Becken fort. Die Verbindung der Muskulatur mit dem Becken ist keine feste. Der Faserverlauf des Muse. obli- quus entspricht dem Faserverlauf des Musc. obliquus abdominis externus der Säugetiere. An einer einzigen Stelle (Taf. XIII Fig. 9 bei x) sehen wir, wie einige Fasern nicht so schräg, vielmehr in der Längsrichtung des Tieres verlaufen. Es scheint also der Faserverlauf variabel zu sein. MAURER (1891, Taf. IV Fig. 10) gibt an, bei seinen Objekten den Faserverlauf entsprechend demjenigen des Muse. obliquus internus der höheren Vertebraten gefunden zu haben. Die intermuskulären Septen ver- laufen senkrecht zu den Fasern. Solche Verhältnisse finden wir vor dem Becken und in der Höhe des Beckens. Untersuchen wir aber die Muskulatur caudal vom Becken, so fällt uns auf, daß der untere Rand der beiderseitigen Muskulatur da, wo sie auseinanderweicht, um der Cloake Platz zu machen, mit sehr sehnigen Muskelzügen fest am hinteren Rande des Beckens befestigt ist. Die Fasern und die Septen haben nicht mehr die regelmäßige Anordnung wie die oben beschriebene Seitenrumpfmuskulatur. Die subperitoneale Faseie, die an dieser Stelle außerordentlich diek und hart wird, dient den Muskelfasern als Insertionsgelegenheit. Diese Muskelverwerfungen sind seitlich begrenzt durch eine vom Becken aus schief latero- caudal ansteigende Linie. An dieser Linie treten die meisten der metazonalen Nerven, die zur Extremität gehen (s. unten), durch die Bauchwand. Ich glaube, daß diese Linie verwandt ist mit der vor dem Becken zwischen Rectus und Obliquus hinziehenden Vertiefung, in welcher, wie wir sehen werden, auch zur Extremität gehörige Nerven die Bauchwand durchsetzen, und daß die Partie mit den unregelmäßig gelagerten Muskelfasern dem Reetus entspricht. Daß die Verwerfung der Muskelfasern mit der Lage der Bauchflosse, deren Anheftung sie entspricht, in Zusammenhang steht, ist höchst wahrscheinlich; welcher Art allerdings diese Beziehung ist, konnte ich ohne ausgedehntere Untersuchungen nicht ermitteln. Hinter der Cloake tritt die beiderseitige Muskulatur wieder zusammen. le 564 Albert Krall D. Nerven. Die Muskulatur der Flosse wird von Ästen der Spinalnerven versorgt. Die Spinalnerven verlaufen direkt unter dem Peritoneum an der Innenseite der Bauchwand. Bei diesem Verlaufe bemerkt man eine Überkreuzung der intermuskulären Septen durch die Ner- ven. Früher nahm man an, daß die zwischen je zwei Septen ge- legene Muskulatur nur von je einem Spinalnerven versorgt werde. Wıkström (1897) und Braus (1900) haben jedoch nachgewiesen, daß diese Myomere nicht mehr haploneurer Natur sind. Auch ich kann diesen Befund bestätigen, da ich feststellen konnte, daß von den Ästen eines Nerven vier aufeinanderfolgende Myomere versorgt wurden. Jeder der für die Bauchflosse in Betracht kommenden spinalen Nervenstämme gibt einen Ramus pterygialis communis zu der Flosse ab. Dieser Ast selbst teilt sich entsprechend der dor- salen und ventralen Muskulatur in dorsale und ventrale Zweige. Es nehmen nicht allein die Nerven, die in der Höhe des Becken- sürtels an der Innenseite der Bauchmuskulatur liegen, sondern auch viele Nerven vor und hinter dem Beckengürtel an der Innervation der Flossenmuskulatur teil. Die Flossennerven, die auf ihrem Ver- laufe auf den Beckengürtel stoßen, schicken ihre ventralen Flossen- äste durch die oben erwähnten Nervenlöcher zu ihrem Bestimmungs- ort. Sie heißen diazonale Nerven. Die vor dem Becken zur Flosse ziehenden Nerven werden prozonale, die hinter dem Becken ver- laufenden metazonale Nerven genannt. Die Summe der Rami pte- rygiales der prozonalen Nerven bildet den Nervus eolleetor. Bei einem unreifen Hexanchus-Weibehen von 1,69 m Länge be- stimmte ich als ersten sicheren prozonalen Extremitätennerven den 29. Spinalnerven (Taf. XIII Fig. 11). Ich konnte mich nicht über- zeugen, daß durch die Verbindung zwischen dem 28. und 29. Spinal- nerven dem Nervus collector noch Fasern zugeführt werden. Bei der Zählung ging ich aus von dem 16. Spinalnerven, den Braus (1900) als letzten Brustflossennerven festgestellt hat. Der Nervus collector beginnt also mit einem feinen Ästehen des 29. Nerven und reicht bei dem genannten Exemplar bis zum 34. Nerven (einschl.), so daß er sich aus den Ästen von sechs prozonalen Nerven zusammensetzt. Vom 32. Nerven ab teilt sich der Nervus colleetor in zwei durch Faseraustausch miteinander verbundene Äste. Diese beiden Äste treten in der Höhe des 33. Nerven durch die Bauchwand, erhalten aber noch von diesem, wie vom 34. Nerven Verstärkungen. Nach Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 565 dem Durchtritt durch die Bauchwand spalten sich die Collectoräste wiederum in dorsale und ventrale Zweige, die mit den entsprechen- den Anteilen des ersten diazonalen Nerven in Verbindung treten. Was nun die diazonalen Nerven betrifft, so fand ich bei dem Hexanchus-Weibcehen und bei einem 1,56 m langen unreifen Männ- chen nur zwei diazonale Nerven. Die Beckenplatte des Weibchens war, in der Linie der Nervenlöcher gemessen, 3,4 cm breit, die des Männchens 3,7 em. An dem 3,1 cm breiten Becken eines unreifen Männchens (aus- geschnittene Flosse) fand ich drei Nervenlöcher. Durch das erste Loch zog jedoch außer einem rein diazonalen Nerven noch ein selb- ständiger Collectorast. Wir haben also vier diazonale Nerven bei drei Nervenlöchern. Bei einem erwachsenen, stark entwickelten Männchen (ausge- schnittene Flosse) fand ich eine Beckenbreite von 5,5 cm. In diesem Falle waren vier Nervenlöcher vorhanden. Ich hatte den Eindruck, als ob ein prozonaler Nerv (34.) von dem rostralen Rande des Pelvis umwachsen sei. Zum vierten diazonalen Nerven schien mir ein ur- sprünglich metazonaler Nerv (37.) geworden zu sein, da dieser letzte diazonale Nerv nur durch eine etwa 3 mm dieke Knorpelspange vom hinteren Beckenrande getrennt war, und die bei Besprechung des Hüftgelenks erwähnte Incisur (S. 537) fehlte. Bei einem andern geschlechtsreifen Männchen (Beckenbreite von 4,5 cm) durchsetzten neben zwei rein diazonalen Nerven zwei dünne Ästchen eines im übrigen prozonalen Nerven das Becken in zwei separaten feinen Kanälchen. Ein fünftes Nervenpräparat von einem 2,70 m langen Fische zeigte eine Beckenbreite von 5,4 em mit drei Nervenlöchern und einem zwischen den beiden vorderen Nerven- löchern gelegenen Gefäßloch. (Bei den andern Präparaten zogen auch zum Teil Gefäße durch die Nervenlöcher.) Bei einer weiblichen, fast ausgewachsenen Flosse sah ich zwei rein diazonale Nerven und einen Ast eines prozonalen Nerven (34. Nerv?) durch drei Nervenlöcher zur Ventralseite gelangen. Die Beckenbreite betrug 4,4 em. Das als Muskelpräparat verwendete, unzertrennte männliche Flossenpaar wies auf der einen Seite fünf, auf der andern Seite vier Knorpelkanäle auf. Auf der letztgenannten Seite fand sich jedoch in dem Gewebe, das die Artieulation zwischen Pelvis und Metapterygium herstellte, ein fünfter Nervenkanal. Die Beckenbreite betrug 6 cm. 566 Albert Krall Ordnet man die hier gewonnenen Zahlen nach der Anzahl der Löcher, so ergibt sich für die Breite des Beckens in der Riehtung der Linie, auf welcher die Löcher liegen, daß im allgemeinen mit der Zunahme der Beckenbreite auch die Löcher zunehmen. Die Tabelle lautet: Nervenlöcher Beckenbreite 1) 2 3,4 cm 2) 2 a = 303 3,1:%9= 4) 3 4,4 - 5) 3 54 - 6) 4 45 - N) 4 55 - 8) 5 6,0 - 9 5 156,0 = Nur Fall 3 und 6 machen eine Ausnahme. Sie zeigen, dab diese Beziehung also nur bedingte Gültigkeit hat. Leider fehlen mir bei den meisten Flossen die Längenmaße der Tiere, so daß ich über das Verhältnis der Beckenbreite zur Länge des Tieres und darüber, ob dies Verhältnis bei jungen und ausgewachsenen Tieren verschieden ist, nichts aussagen kann. Bei der Untersuchung der metazonalen Nerven ergibt sich, daß die vier oder fünf vordersten die Bauchwand durchsetzen, dagegen die letzten um den unteren Rand der Muskulatur herum zur Flosse ziehen. Über die Stelle des Durchtritts durch die Bauehmuskulatur ist oben schon gesprochen worden. Es sei noch bemerkt, daß der letzte durchtretende Nerv schon näher dem unteren Rande liegt, als der vorhergehende. Dies kann daher kommen, daß sich der Rumpf nach hinten zuspitzt, also der ventrale Rand der Rumpfmuskulatur caudo-dorsalwärts aufsteigt, oder daß die Nerven allmählich dem unteren Rande zuwandern. Bei einem Präparate (junges Weibchen) fand ich, daß der letzte durchtretende Nerv (fünfter metazonaler Nerv) nur durch einen dünnen Sehnenstreifen vom Rande getrennt war. Bei den ausgesehnittenen Flossen konnte die Zahl der freien metazonalen Nerven nicht sicher bestimmt werden, da die Bauch- muskulatur immer an der betreffenden Stelle durchgeschnitten war. So kommt es, daß ich manchmal nicht sagen kann, ob es sich um echte Stämme oder um Äste handelt. In den sicheren Fällen betrug die Zahl der metazonalen Nerven 8. Von ihnen waren meist Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 567 vier, einmal auch fünf perforierende Nerven (d.h. solche, die, wie oben dargelegt, die Bauchwand durchsetzen). Der Verlauf der dorsalen Flossennerven in der eigentlichen Flossenmuskulatur ist derart, daß fast zwischen allen aufeinander- folgenden Ästen Anastomosen bestehen. Die Anastomosen sind meist in der Muskulatur gelegen. Bei einem Exemplar fand ich sie aller- dings zum größten Teil in oberflächlicher Lage. Einen ausgeprägten Längsstamm, wie ihn von DAviporr (1879) für Acanthias vulgaris beschrieb, konnte ich nicht finden. Die Zahl der Nerven (16) ent- spricht nicht der halben Zahl der Radien, deren Gesamtzahl 26 beträgt. Ein Nerv versorgt, wie ich mit Sicherheit bestimmen konnte, nicht nur zwei Muskelbündel, sondern bis zu vier Muskelfaseikel. Es sind dabei nur solche Zweige gezählt, welche nicht in Anastomose mit Nachbarnerven standen. Dieser Befund ist wichtig, da in letzter Zeit GooDRIcH (1906) durch elektrische Untersuchungsmethoden bei Raja nachgewiesen zu haben glaubt, daß von einem Nerven nur zwei nebeneinander gelegene Muskelbündel, entsprechend der RAaBLschen Formel, innerviert werden. Für diazonale und metazonale Nerven fand ich z. B. folgende Innervationsverhältnisse: Der 1. diazonale Nerv versorgte das 6. und 7. Bündel. Ana- stomosen mit den beiden Nachbarnerven waren vorhanden und des- halb die Ausbreitung der Nerven wahrscheinlich eine viel größere. Der 2. diazonale Nerv versorgte das 7., 8. und 9. Bündel (auch hier fanden sich Anastomosen mit den beiden Nachbarn). Der 3. metazonale Nerv ging zu dem 12.—15. Bündel. (Anastomosen mit den Nachbarn.) Von besonderer Wichtigkeit für uns ist, daß die Sackmuskulatur und der Musculus compressor, wie alle andern Mm. radiales dorsales, nur von dorsalen Nerven versorgt werden. Somit ist die (aber nicht auf Grund der Innervation) von JUNGERSEN behauptete, von HUBER aber geleugnete dorsale Abkunft des Sackes sichergestellt. Die Nerven verlaufen auf der Außenseite des Sackes, also auf der ur- sprünglich rostralen Seite des ausganggebenden Musculus radialis. Dicht am Genitalstamm 5 verlaufen auch in den proximalen Teilen dorsale Nerven auf der Innenseite des Sackes, treten jedoch bald zwischen dem Rande des Muskels und dem Knorpel zur Außenseite. Die ventralen Flossennerven verlaufen direkt auf den Radien und anastomosieren sehr früh miteinander. Einen der letzten ventralen Nerven konnte ich auf die Außen- seite des Sackes verfolgen, konnte aber feststellen, daß es’ ein rein 568 Albert Krall sensibler Nerv ist, der sich unter der Haut des Genitalsackes zum Flossenkeleh begibt. Offenbar ist beim Auseinandertreten der beiden Hornfädenplatten die von ventralen Nerven versorgte Haut zum Teil zur Bekleidung des aus der Tiefe hervorwuchernden Copulations- gliedes verwandt worden. Es ist zu bemerken, daß die Spitze des Copulationsgliedes von einer auffallend großen Menge von ziemlich dicken sensiblen Nervenstämmehen versorgt wird. Dieselben sind entweder ventraler Abkunft und verlaufen dann am unteren Rande des Musculus dilatator oder unter diesem Muskel selbst zu ihrem Bestimmungsorte, oder sie sind dorsaler Abkunft und nehmen ihren Weg über den Muskelsack oder im Winkel zwischen dem unteren Rande des Muskelsackes und dem Knorpel 2. Verglichen mit andern Selachiern (Braus, 1900, Taf. XVII), fällt der Anfang der Innervationszone der Hexanchus-Bauchflosse zusammen mit derjenigen von Heptanchus, doch reicht dieselbe um sechs seriale Nerven weniger weit caudalwärts als die letztere. Die Stellung des hinteren Endes des Innervationsbezirkes entspricht also serial mehr dem gewisser Spinaciden (Acanthias, Centrina), und mit diesen ist auch die Lage des Beckens vergleichbar. Das Becken von Heptan- chus steht serial beträchtlich weiter hinten als das von Hexanchus. Noch viel weiter hinten ist bekanntlich das Becken von Chlamydo- selachus gelegen. Es ist also unter den hexa- und heptatremen Selachiern bei Hexanchus der Beckengürtel serial am meisten dem Schultergürtel genähert und am weitesten eranialwärts gelegen. IL Teil. Beurteilung der Resultate und einige allgemeine Ergebnisse. Für allgemeinere Betrachtungen stehen bei dem merkwürdigen und oft beschriebenen Copulationsorgan der Selachier die Befunde am Skelet, dem Mixipterygium, in erster Reihe. Ich möchte des- halb hier mit der Besprechung meiner Ermittelungen über das Mixi- pterygium von Heranchus beginnen. Das Eigentümliche des Mixipterygiums der Haie im allgemeinen beruht darauf, daß die sonst ziemlich gleichmäßige Anordnung des freien Flossenskelets in Form von Basalia und diesen angereihten Radien, also die typische kammartige Organisation durchbrochen er- scheint. Denn die Knorpelteile, welche im Copulationsglied und im Flossenkeleh liegen, sind ihrer relativen Länge nach außerordentlich voneinander verschieden und auch in ihrer gegenwärtigen Situation Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 569 durchaus nicht so hintereinander gereiht wie die Seitenradien der übrigen Flosse, welche ja bekanntlich ganz wie die Zähne eines Kammes in einer Ebene nebeneinander gelagert sind. Es ist notwendig, von vornherein bei einem Versuche, die Skelet- teile des Mixipterygiums von einer indifferenten Organisation der Selachierflosse abzuleiten, aufs schärfste zwei verschiedene Frage- stellungen auseinanderzuhalten. Einmal kann man sich darüber Rechenschaft zu geben ver- suchen, welches die ursprüngliche Reihenfolge der radienartigen Skeletteile war, als die betreffende Partie noch keine Verlagerungen erlitten hatte. Die Lösung dieser Frage ist unabhängig davon, ob man die Anordnung der Radien zu den Basalia ursprünglich als eine einreihige oder doppelreihige deutet. Sie steht deshalb auch in keiner notwendigen Beziehung zu einer der zahlreichen Hypothesen über die ursprüngliche Form des Extremitätenskelets (Archipterygium, Stiehopterygium usw.); denn darin sind alle diese Anschauungen einig, daß im primitiven Stadium an einem Basale Radien als 1., 2., 3., 4. und sofort aufgereiht waren. Zu sagen, ob von den radien- artigen Skeletstücken des Mixipterygiums solche, von denen eine der- artige Reihenfolge nicht direkt ersichtlich ist, z. B. bei 5 und £, nun das eine ursprünglich vor dem andern oder hinter dem andern in dieser Reihe gelegen habe, soll unsre erste Aufgabe sein. Zweitens aber erhebt sich die andre Frage, ob an der Becken- flosse der Selachier noch die ursprüngliche Achse im Sinne eines ehemaligen Archipterygiums nachweisbar ist und durch welchen Ra- dius sie geht. Daß eine doppeltgefiederte Anordnung der Knorpel- radien einst vorhanden war, ist allerdings nur bei der Brustflosse fossiler Selachier (Pleuracanthiden) nachgewiesen und durch die embryonalen Reste bei rezenten Squaliden (BrAus, 1904, S. 215) auch für die Vorfahren dieser bestätigt. Aber die allgemeine Ähnlichkeit des Brust- und Bauchflossenskelets macht es wahrscheinlich, daß auch der Bau des letzteren ursprünglich ähnlich dem des ersteren gewesen sei. Auch ist bei den Pleuracanthiden, deren Brustflosse noch ein deutliches biseriales Archipterygium besaß, bereits an der Hinterflosse des Männchens ein Mixipterygium gebildet, bei dem ich einen Genitalstamm und die Radien des Flossenkelches geradeso wie beim rezenten Hexanchus glaube unterscheiden zu können. Wenigstens kann ich die von JAEKEL (1895, S. 75, Fig. 2 rechts) abgebildeten Strahlen, welche die Basis des Genitalstammes ver- decken, nur für solche, welche der Kelehwand angehörten, halten 570 Albert Krall (vgl. z. B. mit meiner Textfig. 3). Die mediale Reihe entspricht in ihrer Lage vollständig dem Knorpel £ des rezenten Tieres. Da- durch erklärt sieh auch die von JAEkEL (1895) als Drehung ge- deutete Lage der Radien. Wenn nun die Spitze des Archipterygiums schon so früh in der Vorgeschichte der Haie bei der Bildung des Mixipterygiums eine Umwandlung erfuhr, so wird man nur Aussicht haben, beim Männchen innerhalb dieses Organs noch Reste der ur- sprünglichen Zustände aufzudecken, nicht aber beim Weibchen, bei welchem mit dem Mangel eines Copulationsorgans eine hückbildung der Spitze einherging. Da die progressiven Veränderungen des Skelets im Copulationsglied und bei der Entwicklung desselben eine sekundäre Umbildung mancher Teile bewirkt haben können und wir nicht ohne weiteres wissen, ob die besondere Größe mancher Stücke oder ob besondere Beziehungen zu den Weichteilen hier aus funk- tionellen Gründen neu entstanden oder aus historischen Gründen von früher her auf den jetzigen Zustand übertragen worden sind, so ist - es nötig, die historische Achse oder »Stammreihe« von einer etwa später entstandenen funktionellen Achse zu unterscheiden. 1. Die Reihenfolge der Radien im Mixipterygium. Über die Einfügung des am schwierigsten zu deutenden Knor- pels # in die Reihe der Radien gehen die Ansichten der Autoren sehr auseinander. GEGENBAUR (1870, S. 452)- und JUNGERSEN (1898, S. 504) halten ihn nicht für einen eigentlichen Radius, sondern für eine sekundäre Abspaltung. Das kleine Knorpelehen bei Cacharvas, auf welches GEGENBAUR als Ausgangspunkt dieser Abspaltung ver- weist (Taf. XV Fig. 10 3), ist aber auch gelegentlich bei der männ- lichen Flosse von Hexanchus in ähnlicher Weise zu finden (Taf. XII Fig. 4*) und also, da es mit unserm £ in derselben Flosse vor- kommt, unmöglich mit letzterem identisch. Ich bin mit Perkt, 1878, und Huser, 1901, der Ansicht, daß ein so großes, radienähnliches Stück wie £ meistens sich darstellt, ein selbständiges Gebilde ähn- lich den andern Radien sein dürfte und daß die engen, ligamentösen Verbindungen mit dem Genitalstamm sich aus der nahen funktionellen Beziehung zu der Tätigkeit des Copulationsgliedes herleiten. HUBER hat auch embryologisch £ als einen selbständigen Knorpel nach- gewiesen. Er bezeichnet nun aber £ als einen Radius, welcher einst lateral vom Genitalstamm 5 lag, also in der Reihe der Radien 5 ursprünglich vorausging. Er soll aus der Reihe herausgerückt und sekundär in seine jetzige Lage, dorsal von 5b, gelangt sein. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 571 Ich bin jedoch zu einer andern Auffassung als HuBEr gelangt, und zwar auf Grund der Lageverhältnisse der Muskulatur in ihren Beziehungen zu den Radien. Für unsre Betrachtungen können wir von einem Zustande ausgehen, in welchem zu jedem wohlentwickelten Knorpelstrahl je ein dorsaler und ventraler Musculus radialis gehört. (Daß dieselben bei HZexanchus nicht genau in ihrer Lage und spe- ziell in der Richtung ihrer Achsen mit den Knorpeln übereinstimmen, sei hier nur vermerkt; es ist dies für die hier zu behandelnde Frage gleichgültig, da auch trotz dieser Abweichungen die Cöineidenz eine genügend sichere ist.) Gehen nun die hadien Veränderungen ihrer Lage, Drehungen oder Verschiebungen ein, welche die Reihenfolge verwischen, so ist doch, wie ich fand, an den Muskeln noch die ursprüngliche Ordnung erkennbar. Die nächste Aufgabe war nur die, alle differenzierten Muskelindividuen des Copulationsorgans auf die primitiveren Musculi radiales zurückzuführen. Dies geschah im speziellen myologischen Teil dieser Arbeit unter Berücksichtigung des feineren Faserverlaufes und der Innervation. Es gelang auch, in dem anscheinend vom Typus der gewöhnlichen Mm. radiales ganz abweichenden Muskel des Genitalsackes ein einziges, nur verbrei- tertes und besonders ausgebuchtetes dorsales Individuum dieser Art zu erkennen. Sieht man nun zu, wie die jetzt noch erkennbaren Mm. radiales aufeinander folgen, so ergibt sich mit Notwendigkeit, daß nicht, wie HUBER annimmt, $ aus der Reihe gerückt und dorsal von b getreten ist, sondern daß umgekehrt 5 die ursprüngliche Reihe verließ und sich ventral von £ lagerte. Wir wollen uns einmal an einem Schema die Ansicht HUBERSs und meine Deutung klarmachen. Dazu wäre wegen der verschie- denen Richtung der Radien nötig, Schnitte in zwei Ebenen zu führen. Wir wollen jedoch die Querschnitte der seitlichen Radien in die Schnittebene des Gliedes 5b verlegen (Textfig. 14). Eine solche sche- matische Figur würde plastisch gedacht eine Anordnung der Radien wie in Textfig. 15 A ergeben. Es sei hier schon darauf hingewiesen, daß der Balken A _A schematisch diejenigen Knorpel repräsentiert, welche an dem medialen Rand der Flosse liegen und den Mm. radiales Ursprung gewähren, wie es z. B. an den Knorpeln B und 5b, unzweifelhaft zu erkennen ist. Der Querschnitt durch diesen Balken, welcher in Textfig. 14 auch geradeso quer geschnitten ge- dacht ist, wie die Radien selbst, ist mit einem besonders großen schwarzen Centrum markiert. Zugleich geben die Figuren ein Schema des Muskelverlaufes bei undifferenziertem und differenziertem 572 Albert Krall Skelet. Es ist mittels gestrichelter Pfeile bezeichnet, wie die Mm. radiales von ihrem Ursprung an den am meisten medial liegenden Knorpeln aus zu den Radien verlaufen; es ist also die Verlaufs- Fig. 14. Em x. .# 9os00000 2oion r 12 Huber ----.. ---- @. A 20 14, se Schematischer Querschnitt durch die Radien und die Achse zur Erläuterung der notwendigen Ver- schiebungen des Muskelverlaufes nach Differenzierung des Copulationsgliedes.. Der Muskelverlauf ist durch gestrichelte Pfeile angedeutet. a indifferentes Schema; b Differenzierung nach Annahme des Verfassers (entsprechend dem tatsächlichen Verlauf); d Differenzierung nach Annahme Husers (den t tsächlichen Verhältnissen nicht entsprechend). x richtung durch den Pfeil markiert, nicht etwa die Insertion (s. be- treffend letzterer den spez. Teil). In Textfig. 14 ist die ursprünglich dorsale Hälfte der Radien weiß, die ventrale schwarz schraffiert wiedergegeben. Die ursprüngliche Horizontalebene, in welcher die Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 573 Radien lagen, ist durch Textfig. 14a repräsentiert. In Textfig. 145 ist die Verlagerung, wie ich sie annehme, nach Art der in Fig. 14a gewählten Darstellung gezeichnet und in Fig. e ist nur die Kurve aufgezeichnet, welche man erhält, wenn man die ursprünglichen Fig. 15 A und 5. A Bez 1 | \ ı \ | | ||: N I A AT le le 12, Zu A ıp N J w x ? 8 N 5 I} Ale: ‚ N , 5 n ‘ ‘ ST: } E elf / ei A og ?” N h ! => 1 Re ).% EN zu! 14 20(P) 1906 Schema der indifferenten (A) und differenzierten (B) Radien und Muskelanordnung. Vgl. Textfig. 14a und b. horizontalen Halbierungsebenen aller Radien miteinander verbindet. Die Stelle, wo der Mittelpunkt der Radien sich befindet, ist in der Kurve durch einen Punkt angedeutet. Textfig. 14d und e verdeut- lichen in derselben Weise die Verhältnisse, wie sie sich nach der Ansicht HuBErs ergeben müßten. In Kurve 14c geht infolge der Drehung des 19. Strahls, See 574 Albert Krall ich auf Grund der Muskel- und Nervenverhältnisse annehme, ein. Recessus von der Dorsalseite aus an der mit ++ bezeichneten Stelle zwischen dem 20. Strahl und dem Bogen, welchen der 14.—18. Strahl beschreiben, in die Tiefe. Dieser Bogen gibt die Verlagerung an, welche bei den Radien in der Wand des Flossenkelches eingetreten und welche im speziellen Teile beschrieben ist. Wenn nun in der Reihe der Radien nach meiner der Textfigur zugrunde gelegten Ansicht Strahl # = 20 in Wirklichkeit ursprünglich auf Strahl = 19 folgte, so müssen von £ die Ursprünge der Muskeln ausgehen. Denn es stellt dann # einen Teil des Balkens AA (Textfig. 15 A) dar, welchem seiner medialen Lage wegen, wie wir sahen, alle Muskel- ursprünge angehören. Von ß entspringend müssen die Muskeln in ihrem ferneren Verlaufe so gerichtet sein, daß der drittletzte dorsale Muskel, welcher von den drei letzten Muskeln die geringste Lage- veränderung erlitten hat, noch ziemlich gerade zu Strahl 17 geht; der zweitletzte (y) muß sich zu Strahl 18 begeben und ebenso der letzte (x) zu 19, wobei diese beiden Muskeln, um ihre Lage dorsal zu den Radien beizubehalten, starke Biegungen beschreiben müssen. Daß sie dabei einander überkreuzen, zeigt speziell Textfig. 15 B an der betreffenden Stelle (Muskeln zum 18. und 19. Radius). Andrer- seits muß der letzte ventrale Muskel (x’) von der Unterseite von 20 zu der medialen, früher ventralen Seite von 19 verlaufen. Da die Ventralseite des Flossenkelches keine den Radien (17. und 18.) an- gelagerten Muskeln besitzt, so haben wir leider keine Kontrolle über das Verhalten dieser und brauchen auch ihren Verlauf theoretisch nicht zu konstruieren. Diese ganze Konstruktion ist durch den Ver- gleich von Textfig. 145 und e mit Textfig. 14a und 15 A und DB leicht zu kontrollieren. Die realen Verhältnisse erfüllen nun bei Hexanchus vollständig die Bedingungen, welche hier für Ursprung und Verlauf der Muskeln der Dorsal- und Ventralseite des Skelets aufgestellt worden sind. Denn dem letzten dorsalen, von # zu 5 ziehenden Muskel des Schemas x entspricht vollkommen die Lage des Sackmuskels, welcher auch von dorsalen Nervenästen versorgt wird. Auch wird dieser von dem zum 18. Strahl gehörenden Musculus radialis, welcher ganz in der Rich- tung des vorletzten Muskels (y) des Schemas verläuft, teilweise ge- deckt, wie es die Konstruktion verlangt. Muskel x ergibt sich am Präparat ohne weiteres in dem Musculus radialis, welcher zum 17. Strahl gehört. Auch der letzte ventrale Muskel x’ des Schemas ist vollständig in seinen charakteristischen Merkmalen durch den Die männliche Beekenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 575 Musculus dilatator repräsentiert, denn dieser ist am Präparat von ventralen Nervenästen versorgt, entspringt an ß, liegt fernerhin ventro- medial von £ und begibt sich zu D. Die Übereinstimmung des Muskelursprunges und Muskelverlaufes zwischen Präparat und Schema ist also eine vollständige, und des- halb halte ich diese zunächst nur schematisch skizzierte Ansicht für die richtige. Auch drängt sich, wenn man bedenkt, daß die den letzten Radialmuskeln x’ und x entsprechenden Muskeln (M. dilatator und Sackmuskulatur) geradeso an den Terminalstücken inserieren, wie dies die gewöhnlichen Mm. radiales an den Horn- fäden tun, die Vermutung auf, daß die Terminalstücke mit den Horn- fäden genetisch in Beziehung stehen. Bei fossilen Pleuracanthiden findet man in der Tat an dem terminalen Ende des Copulations- gliedes, wo die Terminalstücke liegen sollten, hornfädenartige Kom- plexe (0. JAEKEL, 1895, S. 75, Fig. 2). O. JAEKEL betrachtet auch die sichelförmigen Krallen am Copulationsorgan dieser Tiere als Modi- fikationen von Hornfäden (l. e., S. 82). Fernerhin ergibt sich aus den Muskelverhältnissen, aus der Lage des Eingangs zum Genitalsack und der Lage der Terminalstücke, daß in der Tat der Genital- stamm 5b die Drehung erlitten hat, welche in Textfig. 14 b skizziert ist. Denn die untere Kante des dorsalen Sackmuskels (welche be- kanntlieh nicht hier am Knorpel entspringt [vgl. S. 561]), liegt auf der jetzigen ventro-lateralen Seite von b und erweist diese also als die ursprüngliche Dorsalseite. Gerade gegenüber — also hier dorso- medial — liegt der ventrale Musculus dilatator und erweist diese Seite als die ursprüngliche Ventralseite. Auch könnte der Muskel- sack nicht nach der ventralen Seite der Flosse so stark vorquellen — ein Verhalten, was dazu führte, daß er irrtümlicherweise für einen Teil der ventralen Muskulatur gehalten wurde —, wenn 5 sich nicht im entgegengesetzten Sinne wie Radius 18 gedreht hätte, so wie es die Kurve in Fig. 14c angibt. Es verläuft ja in der Tat die Sack- muskulatur ganz in der Richtung des Recessus, welcher in diesem Schema bei +* seine Öffnung hat. Dies führt uns zu der näheren Betrachtung des Schlitzes, der bei unserem Objekte die Öffnung des Sackes repräsentiert. Er ist dorsalwärts offen, gerade wie im Schema des Recessus. Er läuft auch spiralig um die jetzige laterale Seite des Genitalstammes herum, also ganz in dem Sinne des Schemas (auf der rechten Körperseite in der Richtung des Uhrzeigers). End- lich bemerken wir an den Terminalstücken, von welchen das eine, entsprechend den an ihm inserierenden Muskelfasern, als Derivat 576 Albert Krall der dorsalen Flossenfläche, das andre analogerweise als Derivat . der ventralen Flossenfläche aufzufassen ist (gleichgültig ob die- selben in der Tat von Hornfäden abstammen oder genuin im Meso- derm entstanden sind), daß sie keine rein dorsale und rein ventrale Lage besitzen, sondern so gelagert sind, wie es der angenommenen Drehung von 5b (rechts) im Sinne des Uhrzeigers um etwa 100 Grad entspricht. Es liegt das mit dem ventralen Museulus dilatator zu- sammenhängende Terminalstück dorso-medial zu db. Ich nenne es wegen seiner Beziehung zum Dilatator: »dilatierendes Terminal- stück« =Td. Das andre mit dem dorsalen Musculus compressor zusammenhängende Terminalstück liegt ventro-lateral zu d. Ich nenne es wegen seiner Beziehung zum Compressor: »komprimierendes Terminalstück« = Te. Wenden wir uns dagegen zu der Ansicht HuBers, nach welcher ursprünglich 3 der 19. Radius und 5 ursprünglich der 20. Radius gewesen sein und also den medialen Rand der Flosse gebildet haben soll (s. Schema Textfig. 14d und e), so ergeben sich genau nach den- selben konstruktiven Priuzipien, wie sie in Textfig. 145 und ce an- gewendet wurden, Linien für den Muskelverlauf, wie sie der Wirk- lichkeit nicht entsprechen. Denn die dorsalen Muskeln x, y und x müßten von dem Genitalstamm aus zu f, dem 18. und 17. Strahl verlaufen und der ventrale Muskel x’ von dem Genitalstamm zu ziehen, wie es Textfig. 8d verdeutlicht. Entweder stimmt an den beim Präparat vorhandenen Muskeln der Verlauf nieht mit diesem Sehema (dorsale Muskeln), oder es fehlt überhaupt der entsprechende Muskel (ventraler Muskel). Auch öffnet sich der Recessus in dem nach HuBer entworfenen Schema nach unten (Textfig. 14e), in Wirk- lichkeit aber der auf die Kurve zu beziehende Sack nach oben. Auch bleibt die Lage des Schlitzes und die Lage der Terminal- stücke nach der Hugerschen Ansicht unverständlich. Fragen wir uns zum Schluß, wie man sich auf Grund meiner Befunde die Ursachen für die Verlagerung der Radien und wie man sich die Entstehung des Copulationsgliedes überhaupt vorstellen soll, so läßt sich folgendes sagen. Die beträchtliche Vergrößerung des 19. metapterygialen Radius zum Genitalstamm, welche auch ent- 1 JUNGERSEN braucht die Bezeichnungen: dorsales und ventrales T’erminal- stück Td und To, von welchen 7Td meinem 7d, Tv meinem Te entspricht. Ich habe die Nomenklatur deshalb geändert, weil das von JUNGERSEN als »dorsal« bezeichnete Stück in Wirklichkeit ventralen Ursprunges ist, und umgekehrt das ventrale JUNGERSENs der dorsalen Seite angehört. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 577 wieklungsgeschichtlich (postfötal) mit der Entfaltung des Copulations- organs erst in Gang kommt (JUNGERSEN, HUBER), führte nicht nur zu einer Verlängerung, sondern auch zu einer Verdickung dieses Skeletteiles. Eine beträchtliche Verdiekung mußte veranlassen, daß der Genitalstamm aus der heihe der übrigen Radien wegen Platz- mangels heraustrat und zwar ventralwärts, weil hier die Muskulatur eine schwächere ist als dorsal (es fehlen z. B. die Mm. truneo- ceratoidei). Anderseits sind die übrigen Radien (14.—18. metaptery- gialer Radius) in entgegengesetzter Richtung (dorsalwärts) ausge- wichen, denn an ihnen inserieren dorsale Muskeln, wie im spezi- ellen Teile beschrieben wurde, ein Verhalten, was die andern Radien nicht zeigen. So konnte leicht die Bildung des Flossenkelches ein- geleitet werden. Mit dem Austreten von 5b aus der Reihe der übrigen Radien wird aber weiterhin verständlich, daß der Copulationsstamm (rechts) im Sinne des Uhrzeigers sich um seine Achse drehte, wenn man den Verlauf der ventralen Muskulatur zu dem Schaltstücke, auf welchem 5 sitzt, nämlich d,, und zu 5 selbst im Auge behält. Der Musculus flexor interior verläuft so, daß unter seiner Wirkung eine solche Drehung befördert wird, zumal der antagonistische Mus- eulus radialis dorsalis als solcher fehlt, weil er zum Aufbau des Sackmuskels Verwendung fand. Mit dem Austritt von 5 aus der Reihe und seiner Rotation er- klärt sich aber auch die Entstehung des Genitalsackes bzw. seiner Muskulatur. Denn ein hochkant auf 5 stehender dorsaler Musculus radialis, wie er für die dorsalen Muskeln charakteristisch ist, muß, wenn 5 tiefer tritt und dabei rotiert, sich um den Knorpel herum- wickeln und so schon eine Tasche bilden. Natürlich werden noch andre funktionelle Ursachen hinzugekommen sein, die zu solch einer Vergrößerung des Sackes führten, wie sie tatsächlich besteht. Ich verweise auf Textfig. 11 und 13. Es ist natürlich, daß bei einem Tiefertreten des Radius 5 auch die Muskulatur, die zu 5 gehört, an dem 18. metapterygialen Radius und dessen Muskulatur vorbei in die Tiefe treten muß. Auch die dem Knorpel 5b in dem Sacke angeheftete Lippe Z (Textfig. 11) läßt sich durch eine Drehung des Gliedes b erklären. Es handelt sich wahrscheinlich um die untere Kante des ursprüng- lichen medialen Randes der Flosse. Dieser mediale Rand mußte beim Auseinanderweichen der Hornfädenplatten dieker werden. Caudal von dem kurzen Strahle %, der von dem üppig wachsenden 5 weit überragt wurde, fand dann zwischen dorsaler und ventraler Kante Morpholog. Jahrbuch. 37. 38 578 Albert Krall des nunmehr dieken mediälen Randes das Austreten des Gliedes 5b und an diesem die Einstülpung statt. Bei Drehung des Knorpels b wurde dann die untere Kante mit in den Sack eingerollt und ver- srößerte sich aus Zweckmäßigkeitsgründen. Dies alles läßt sich allerdings am Präparat leichter demonstrieren als mit Worten aus- einandersetzen. Durch ihre jetzige Größe und durch ihre Glätte ist die Lippe geeignet, zusammen mit dem M. compressor einen voll- ständig dichten, ventilartigen Abschluß des Schlitzes zu bewerk- stelligen. Durch die ventro-mediale Verschiebung des Radius 5 läßt sich auch begreifen, warum man einen großen Teil der ventralen Mus- kulatur von der dorsalen Seite her erblicken kann. 2. Die historische Achse und ihre Lage im Mixipterygium. Wenn man nachzuforschen versucht, ob überhaupt eine Achse historisch unter den Strahlen, welche jetzt das Mixipterygium bilden, bestand, so muß man sich darüber klar sein, daß die Eigenschaften, welche jetzt an der Flosse bei dem Basale metapterygii klar eı- kennbar sind, auch für die Fortsetzung desselben, die terminalen Glieder der Stammreihe, Geltung haben mußten. Am Skelet selbst ist für das genannte Basale charakteristisch, daß an ihm lateral (präaxial) die Radialia einreihig mit ihren Ursprüngen befestigt sind, während sonst die Radialia selbst stets nebeneinander liegen und nie ein Radius (abgesehen von terminalen Spaltungen) den Ursprung eines andern trägt. Ob auch medial (postaxial) am Basale meta- pterygii der Beckenflosse einst Radien saßen, dafür haben wir keine sicheren Belege. Allerdings hat A. FrITscH in seiner Rekonstruk- tion (1890, Bd. III, S. 17, Fig. 208. 2) einen postaxialen Radius abge- bildet, welcher am Pelvis neben dem Basale artieuliert und letzterem fest angefügt ist. Es ist auffallend, daß ich an derselben Stelle, postaxial vom Basale, aber etwas dorsalwärts, fast konstant ein kleines Knorpelehen bei Hexanchus fand (Textfig. 3x). Inwiefern hier wich- tige Rudimente oder Neubildungen vorliegen, wage ich nicht zu be- urteilen. Bei den Dipnoern (Ceratodus) besteht heute noch embryonal ein postaxialer Radius des ersten Gliedes der Stammreihe (SEMON, 1898), und die ausgewachsenen Tiere haben Reste von einem oder von mehreren solchen (Braus, 1900, S. 257). Es handelt sich also darum, ob unter den terminal von dem Basale metapterygii liegenden Knorpeln sich solche befinden, an welchen einreihig oder sogar zweireihig andre Knorpel (Radien) Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 579 articulieren. Es trifft dies bei Hexanchus bei db, zu, auf welchem sechs Knorpelstäbe befestigt sind (15.—18. metapterygialer Radius, db, mit 5 und £). Weiter terminalwärts ist bei Hexanchus kein radien- tragender Knorpel mehr vorhanden und deshalb führt uns Hexanchus in dieser Frage nicht weiter. Dagegen hat JUNGERSEN darauf hin- gewiesen, daß bei Rochen an allen Zwischengliedern der Reihe, deren Fortsetzung das Copulationsglied bildet, Ursprünge gefunden werden. Einen gleichen Befund erhob er auch bei Squaliden. Ich möchte, da JUNGERSEN nicht besonders auf die Bedeutung dieser Befunde für die Fig. 16. Bestimmung der Achse eingegangen ist, an seinem Befund an Somniosus miero- cephalus, einem Spinaeiden, dartun, wie B sich die Fortsetzung der Achse nach seinen Bildern nachweisen läßt. Ich gehe dabei davon aus, daß £ in der Reihe der Radien auf 5b folgte (siehe voriger Ab- schnitt), und verweise auf Textfig. 16, ein Schema, welches die Ursprünge der Ra- dien an den Knorpeln der Stammreihe getreu den Befunden JUNGERSENS am Ob- | f jekt wiedergibt. 7 Hier sehen wir präaxial. in Fortset- A zung der Radien, welche vom Basale meta- pterygii ihren Ursprung nehmen, bis an die proximale Partie des Genitalstammes b selbst Artieulationsstellen von Radien rei- chen. Auf der postaxialen Seite Ent- sous mierocophules (entsprechend spricht diesen Radien der Strahl %, wel- a EU cher hier auch mit D artieuliert. Nach einem solehen Befunde ist es begreiflich, daß auch JUNGERSEN sich der Meinung der früheren Autoren (GEGENBAUR, PETRI) anschloß und die Stammreihe durch den Genitalstamm führte. Derselben Ansicht sind auch HugBer und BrAaus. Allerdings gehen die Anschauungen dieser Autoren über die Deutung von £ sehr auseinander (S. 570). Zu diesen Befunden am Skelet steht nun allerdings das Ver- halten der Muskulatur in einem scheinbaren Gegensatz. Achtet man nämlich auf die Ursprünge derjenigen Elemente der dorsalen Musku- latur, welche direkten Ursprung am Knorpelskelet nehmen (Mm. pterygo-ceratoidei und Mm. pterygiales proprii, spez. Teil, S. 557), 38* 580 Albert Krall so zeigt sich, daß die Ursprünge am Basale metapterygii und weiter terminalwärts an b, und £ befestigt sind. In dieser Beziehung ver- hält sich also $% genau so wie proximal B und könnte deshalb als Fortsetzung der Stammreihe angesehen werden. Es ist aber auch eine andre Deutung möglich, daß nämlich die ursprünglich vom Rumpfe über die Flosse sich ausbreitende Musku- latur dort in einem primitiven Stadium mit ihren Ursprüngen am Knorpelskelet sich ansetzte, wo dasselbe dem Rumpfe am nächsten gelegen und deshalb für die Muskulatur am leichtesten erreichbar war. Es ist dies der mediale Rand der Flosse und die in ihm liegenden Skeletteile, also nach den Darlegungen im vorigen Ab- schnitt B, 5, und $. Nach dieser Auffassung wäre das Verhalten der Muskulatur aus funktionellen Gründen erklärt und die ange- gebene heihe von Skeletstücken könnte als funktionelle Achse der Flosse bezeichnet werden. Mit der historischen Achse braucht sie nichts gemein zu haben. Was nun den Knorpel # betrifft, so würde derselbe, falls 5 die historische Achse ist, mit Notwendigkeit ein medialer (postaxialer) Radius sein. Denn es wurde im vorigen Abschnitt nachgewiesen, daß in der Reihenfolge der Radien £ hinter 5 rangiert. Nach allem, was wir von der Brustflosse wissen, ist eine biseriale Anordnung der Muskulatur bei einem biserialen Skelet nicht zu erwarten und auch bei Hexanchus an dieser Stelle nicht vorhanden. Sollte bei den Verlagerungen, welche im Mixipterygium stattgefunden haben, sekundär eine Verschiebung von Radienursprüngen auf Nachbarradien eingetreten sein, so käme freilich den Anordnungen der Skeletstäbe (Radien) an den Zwischenstücken keine Beweiskraft für unsre Frage zu. Hoffentlich bringt die Untersuchung der embryonalen Entwick- lung des Mixipterygiums weiteres Licht in die Frage nach der ur- sprünglichen Anordnung der Radien zu einer Achse. Auf Grund des hier zusammengestellten Materials, glaube ich, kann man über Wahr- scheinlichkeiten nicht hinauskommen. 3. Mangelnde Selbständigkeit der Musculi radiales und mangelnde Übereinstimmung des Verlaufes der Musculi radiales und der Skelet- ‘ radien. Bekanntlich wird von denjenigen Autoren, welche für eine Ent- stehung des Gliedmaßenskelets aus ursprünglich selbständigen Skelet- stiiben eintreten, Wert darauf gelegt, daß eine ursprüngliche komplette Übereinstimmung der Anordnung zwischen den Muskelindividuen der Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 581 Flossen und den Skeletstäben besteht. Denn da »freie« Radien bisher noch nicht mit Sicherheit beobachtet worden sind, ist das Hauptargument für die Annahme einer ursprünglichen Existenz sol- cher bei der Muskulatur gesucht worden. Ist diese wirklich ur- sprünglich in einzelne separate (als metamer anzusprechende) Indi- viduen geteilt, und entsprechen die Radien ihrer Anordnung, was Lage und Zahl angeht, bis ins Einzelne denselben, so muß das Basale, auf welchem die Radien sitzen, — so schließt man — auch einst entsprechend denselben aus einzelnen Stücken zusammengesetzt gewesen und aus ihnen sekundär verschmolzen sein. Für diese Frage ist es nicht ohne Interesse, daß bei Hexanchus die Mm. radiales der Beckenflosse nieht völlig selbständig, sondern durch Anastomosen miteinander verbunden sind (S. 556). Da bei Embryonen solcher Haie, welche im ausgebildeten Zustand selb- ständige Mm. radiales besitzen, Anastomosen zwischen den Anlagen derselben bestehen, so darf man, auch ohne die Entwicklung von Hexanchus zu kennen, wohl annehmen, daß hier diese Anastomosen zeitlebens persistieren. Es entsprechen auch die Verbindungsbrücken zwischen den Muskelindividuen der Hexanchus-Flosse nicht etwa nur in ihrer Lage dem Basale, so daß man daran denken könnte (C. Ragr), daß die angenommene Confluenz der Muskeln eine solche der Radien herbeigeführt habe oder umgekehrt, sondern sie finden sich auch distal über den Radien selbst. Die Muskulatur zerfällt also selbst dort nicht in völlig getrennte Stücke, wo das Skelet deutlich in einzelne Stäbe aufgelöst ist. Auch die Lage der zwar nur unvollständig voneinander getrennten, aber doch als Individuen unterscheidbaren Mm. radiales zu den Knorpelstäben ist keine ab- solut übereinstimmende, es finden sich vielmehr deutliche Über- kreuzungen (spez. Teil, S. 556). Für die Frage der Metamerie der Flosse liefert mein Objekt insofern einen Beitrag, als auch bei der Bauchflosse von Hexanchus ein Spinalnervenast mehrere (bis zu vier) Mm. radiales versorgt (S. 557). Da die Elemente groß genug sind, um auf Grund der Präparation sagen können, daß die betreffenden Nervenäste auch wirklich in den Muskeln endigen, in welche sie eintreten, und nicht etwa dieselben wieder als sensible Endäste verlassen, so hat dieser Befund eine gewisse Bedeutung gegenüber den Angaben von GOODRICH (1906, S. 369); denn dieser Autor gibt zwar zu, daß Nervenanasto- mosen innerhalb der Gliedmaßenmuskeln der Haie vorkämen, be- hauptet aber, dieselben seien nur sensibler Natur und die Muskeln 582 Albert Krall selbst seien geradeso metamer versorgt, wie die embryonalen DOoHRN- schen Muskelknospen (vgl. auch dazu Braus, Anat. Anz. Bd. XXIX. S. 558. Anm.). Nach den anatomischen Verhältnissen an der Hexanchus-Bauch- flosse hat man durchaus den Eindruck, daß es sich hier um eine einst einheitliche dorsale und ventrale Muskelplatte handelt, welche erst in ihren distalen (lateralen) Partien, entsprechend den Radien, sich zu gliedern begonnen hat. Anmerkung. Nach Beendigung der Arbeit machte ich eine inter- essante Beobachtung, die ich an dieser Stelle anführen zu dürfen glaube, da sie keinen wesentlichen Einfluß auf die Darstellung und Argumentation ausübt. Ich fand nämlich, als durch Zufall der Knorpel? durehbrach, daß derselbe von mit Peri- Fig. 17. chondrium ausgekleideten Kanälen durch- hattet setzt wird. Bei genauerer Betrachtung der RN. : N dorsalen Seite konnte ich hintereinander fünf &N. R in einer seichten Rinne gelegene Löcher fin- N N N den. Sie waren 3—4 mm vom medialen bl N \ ZN Rande entfernt (Textfig. 17). Es entsprachen : NN —_—A \ N ihnen ebensoviele Löcher auf der Ventral- s SS. sS\ \ seite. Die demnach vorhandenen Kanäle IS 2 EN N waren von feinen Nerven durchsetzt. Ver- } —_ ar; INN we mutlich handelt es sich um Rami ventrales, Bar SCH) N und die an der Innervation des M. dilatator teil- N \ a nehmen. Dieser Muskel bedeckt mit seinem N 6 Ursprunge die Austrittsöfinungen der Kanäle. N’ Ber Die Rinne mit den Nervenlöchern, welche \1. sich auf der dorsalen Fläche von £ befindet, WG spricht dafür, daß hier eine einst selbstän- DD, dige Knorpelspange $, mit dem eigentlichen ee a Körper von ?£ verwachsen ist, wahrschein- Nervenlöcher in 8 (Hexanchus lich ein medialer (postaxialer) Radius. Daß griseus). * Gelenklinie; ßı die . . Pate = ee Kr sich um einen mit 5 verschmolzenen Ra Teil des rechten Mixipterygiums dius handelt, wird dadurch wahrscheinlich, von medial und oben gesehen. d Bu; h d e a] N Faden ee ab sich etwas vor dem rostralsten Nerven- den früheren Textfiguren. loch noch eine deutliche Veränderung der Knorpelsubstanz in Form eines kleinen, etwa 1,5 mm breiten Streifen sfindet, wie dies für die Gelenke der Radien und der Stammglieder charakteristisch ist. Es handelt sich offenbar um ein außer Funktion gesetztes (Radien-)Gelenk. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 583 An zwei Präparaten konnte ich das Fehlen von Nervenkanälen im Knorpel # beobachten. In diesem Falle war 3 schmäler und eylindrisch. In vier Fällen habe ich die Kanäle feststellen können. Der Umstand, daß der hypothetische Radius an £ artieuliert, dürfte dafür sprechen, daß £ ein Basale ist (ob ein Teil des pri- mären Basale metapterygii oder ein sekundäres postaxiales Basale, möchte ich dahingestellt sein lassen). Die Deutung gewinnt durch diese letzte Entdeckung noch mehr als vorher an Interesse; hoffent- lieh kann sie entwieklungsgeschichtlich weiter durchgeführt werden. Die vorliegende Arbeit wurde im anatomischen Institut zu* Heidelberg (Herr Geh. Hofrat FÜRBRINGER) angefertigt. Die Anregung und das Material verdanke ich Herrn Prof. H. BrAaus, Heidelberg. 'Es drängt mich, Herrn Prof. Braus auch hier meinen innigsten Dank zu sagen für die mir in jeder Weise gewährte Unterstützung und für das große Interesse, das er stets meiner Arbeit entgegengebracht hat. Zu größtem Danke bin ich auch meinem hochverehrten Chef, Herrn Geh. Hofrat FÜRBRINGER verpflichtet, der mir in weitestem Maße und in liebenswürdigster Weise die Mittel der Anstalt zur Verfügung stellte. Literaturverzeichnis. BoLAu, 1881. Über die Paarung und die Fortpflanzung der Seylliumarten. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XXXV. S. 321-325. Braus, H., 1898. Über die Innervation der paarigen Extremitäten bei Selachiern, Holocephalen und Dipnoern. —— 1900. Die Muskeln und Nerven der Ceratodusflosse. DAvIDorF, M. v., 1879. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaßen der Fische. Morpholog. Jahrbuch. Bd. V. DÖDERLEIN, L., Das Skelet von Pleuracanthus. Zool. Anz. Bd. XII. S. 123—127. Leipzig 1889. FrıItscH, A., Über Pterygopodien permischer Haifische der Gattungen Pleura- eanthus und Hexacanthus. Zool. Anz. Bd. XIII. 1890. 8. 318—320. —— Fauna der Gaskohle und der Kalksteine der Permformation Böhmens. Bd. III. Heft 1. Prag 1890. $EGENBAUR, C., Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. II. Schultergürtel der Wirbelthiere, Brustflosse der Fische. 9 Tafeln. Leipzig 1865. —— Über die Modifikationen des Skelets der Hintergliedmaßen bei den Männ- chen der Selachier und Chimären. Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft. 1870. S. 449—456. GOODRICH, E. S., Oxford. Notes on the Development, Structure, and Origin of the Median and Paired Fins of Fish. The Quarterly Journal of Mieroscopical Seience. Vol. L. Part 2. 1906. pag. 333—376. 584 Albert Krall HUBER, Die Copulationsglieder der Selachier. Dissertation. 1901. JAEKEL, O., Über die Organisation der Pleuracanthiden. Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde. Jahrgang 189. S. 69—83. 2 Textfiguren. Berlin 1899 A. JUNGERSEN, H., Über die Bauchflossenanhänge der Selachiermännchen. Anat. Anzeiger. 189. —— On the Appendices genitales in the Greenland Shark, Somniosus micro- cephalus (Bl. Schn.) and other Selachians.. Copenhagen 1899. MAURER, F., Der Aufbau und die Entwicklung der ventralen Rumpfmuskulatur bei den urodelen Amphibien und deren Beziehung zu den gleichen Muskeln der Selachier und Teleostier. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XVIIl. 1892. S. 76—179. Mit Tafel IV—VI und 6 Figuren im Text. MOLLIER, $., Die paarigen Extremitäten der Wirbeltiere. I. Das Ichtyopterygium. Anatom. Hefte. Bd. I. S.1-156. 8 Tafeln. 12 Textfiguren. Wies- baden 189. RAgBL, C., Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. Zeit- schrift für wiss. Zoologie. Bd. LXX. S. 473—558. WiksTRöM, D. A., Über die Innervation und den Bau der Myomeren der Rumpfmuskulatur einiger Fische. —408. Jena 1897. Anat. Anzeiger. Bd. XII. S.40T Abkürzungen der Bezeichnungen auf Text- und Tafelfiguren. A Museulus adductor, Ap Aponeurose, B Basale metapterygii, b knorpeliger Gliedstamm, b, erstes Schaltstück der Stammreihe, bs zweites Schaltstück, dx.N diazonale Nerven, FK Flossenkelch, FIs Flossensaum, HF Hornfäden, J Inseription, M.e Musculus compressor, M.dil Musculus dilatator, M.fl.e Musculus flexor exterior, M.fl.‘ Musculus flexor interior, ML Gelenklinie, die 5, der Länge nach in eine dorsale und eine ventrale Hälfte teilt, M.o Musculus obliquus abdominis, M.ptk.v Musculus pterygoceratoideus ventralis, M.r metapterygialer Radius, M.reet Museulus reetus abdominis, M.xk Musculi zonoceratoidei, mx.N metazonale Nerven, M.xpt Museculi zonopterygiales, N.C Nervus collector, o.L.trk oberflächliche Lage der Museculi truncoceratoidei, P Pelvis, prx.N prozonale Nerven, RM Rumpfmuskulatur, R.pt.d Ramus pterygialis dorsalis des Ramus pterygialis communis, R.pt.v Ramus pterygialis ventralis des Ramus pterygialis communis, Sch Schlitzeingang in den Genitalsack, S.i Septum intermusculare, SM Sackmuskel, SRM Seitenrumpfmuskulatur, T.c compressorisches Terminalstück, T.d dilatierendes Terminalstück, t.L.trk tiefe Lage der Mm. truncocera- toidei, W Wulst. j F er i no“ ai PA? Pi, Y TRDE R f Morpholog. Jahrb. Bd. XXXVl. HH] / /J; / HN Br ITTTNUÄNT | KrallımaViermgdd. ze ’ Verlags. Wilhelm TarXl. Zith AnstvE.AFunkeleipzg elmann in Leivzig Ä / wa . N | ’ . y re " & h Bi j 4 M ‚ s 4 y N 2 j 8 i 3 j - U h e i " ag Meise “ Asrı 3 gas r Je j ru A M.tr Morpholog. Jahrb. Bo.XXXVil. L Krali und Vierling del v Wilhelm. Verlag / Tr TarfXM. > a Yy\ -AFSITIIITT SL DE HASIITIIIEN En — \ J x II a Is - S\ Nervus Collector M.dil.---"\N inleinzi Lith Anst vE.AFunkeLeipzi elmann inleipzig Lith AnstvE-AFunkeleipzg EL ) ’ B% RE ” ., r h m AR De ac, e » * . \ . — ‚ F I PER Fr NWELT TUT urn Fig: Fig. 2. Fig. 3 Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Rie.. ©7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Die männliche Beckenflosse von Hexanchus griseus M. u. H. 385 Erklärung der Abbildungen. Figuren ungefähr auf die Hälfte verkleinert. Tafel XII. Hexanchus griseus 5, ausgeschnittene rechte Beckenflosse. Ansicht der ventralen Muskulatur. Die Beckenplatte ist in der Medianlinie durchschnitten. Dorsale Ansicht der ausgeschnittenen rechten Beckenflosse nach Frei- legung der Muskulatur. Der größte Teil der Rumpfmuskulatur ist entfernt. Auch ein großer Teil der ventralen Muskulatur ist sichtbar. Am Flossenkeleh ist die Überkreuzung der Hornfäden gut zu sehen. (wie Fig. 2). Der Muse. flexor exterior ist bis auf zwei Stümpfe abge- tragen, um den Muse. flexor interior sichtbar zu machen. Ventrale Ansicht des hintersten Teiles der männlichen Beckenflosse. Die ventrale Muskelplatte ist an ihrem Ursprunge am Basale meta- pterygii abgelöst und lateral umgeklappt. Dadurch wird das vor- derste Stück des Muskelsackes sichtbar. Rechte weibliche Beckenflosse von Hexanchus griseus. Ventrale Mus- kulatur. Rechte weibliche Beckenflosse. Dorsale Ansicht. Die Beckenplatte ist seitlich von der Medianlinie durchtrennt. Tafel XIII. Männliche Beckenflosse. Dorsale Ansicht des vorderen und mittleren Drittels nach Entfernung des Musc. flexor exterior, flexor interior und dilatator. Loch in der Ursprungsaponeurose des Musc. adductor, durch das die septobasalen Fasern mit ihrem lateralen Verlauf sicht- bar werden. Dorsale Ansicht des hinteren Endes des Copulationsgliedes. Die dor- sale Muskulatur ist bis auf den Musc. radialis des letzten Radius (Muse. pterygialis proprius des 18. metapterygialen Radius) und den Sackmuskel abgetragen. Auch der ventrale Muse. dilatator ist sichtbar. Rechte männliche Beckenflosse mit einem Teil der Rumpfmusku- latur ausgeschnitten. Die Rumpfmuskulatur ist von der Innenseite gesehen. Daselbst verlaufen die Rami pterygiales communes der Spinalnerven, von denen fünf die Rumpfmuskulatur durchsetzen. Ro- stral ist der Nervus colleetor (N.C) im Bette der Vena parietalis zu sehen. Hinter der Seitenrumpfmuskulatur ist ein Stück der von dieser Muskulatur abgelösten, den Museuli truncoceratoidei Ursprung ge- währenden Fascie zu sehen. Das Copulationsglied ist nicht ganz ge- zeichnet. Musc. rectus vom Becken abgelöst. Seitliche dorsale Ansicht der rechten männlichen Beckenflosse. Die Fascie der Seitenrumpfmuskulatur ist nur so weit erhalten, als sie den Mm. truncoceratoidei zum Ursprung dient. Die Seitenrumpfmusku- latur ist sowohl von der Fläche als auch im Querschnitt zu sehen. Darstellung des Nervus collector sowie der übrigen Rami pterygiales communes. Ventrale und dorsale Äste. Dorsale Ansicht, rechte Seite von innen gesehen. Hexanchus griseus, junges Weibchen. Zur Anatomie und Histologie des Verdauungs- traktes von Halicore Dugong Erxl. Von J. F. Gudernatsch, Assistent am zoologischen Institut der Universität Üzernowitz. Mit Tafel XIV und 19 Figuren im Text. (Aus dem tierärxtl. Institut der k. k. deutschen Universität in Prag.) I. Mundhöhle. Das Material, das zu der vorliegenden Arbeit verwendet wurde, hat Professor HERMANN DEXLER (Prag) während einer Forschungs- reise gesammelt, die er im Jahre 1901 mit Unterstützung der »Ge- sellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Lite- ratur in Böhmen« an die Ostküste Australiens nach Queensland unternommen hatte. Es entstammt zum größeren Teile dem Ein- seweidetraktus eines alten Dxgong-Bullen, der lebend gefangen und gleich nach der Tötung seziert wurde; einzelne Stücke sind auch andern Tieren entnommen. Zur Konservierung des Materials für anatomische Beobachtungen wurde 10°/,iges Formol verwendet, die Stücke für histologische Untersuchungen wurden in ÖRrrHscher Mischung fixiert und in 75°/,igem Alkohol aufbewahrt. Die her- gestellten Schnitte wurden in DELAFIELDs Hämatoxylin und nachher in Wıssorzkys Eosin-Alkohol gefärbt. Leider war es mir nicht möglich, für die Beschreibung des gesamten Darmtraktes und seiner Adnexe selbständige Untersuchungen anzustellen, da einzelne wenige Partien teils fehlten, teils infolge allzulanger Konservierung einer eingehenden Beobachtung unzugänglich waren. In solchen Fällen mußte ich mich auf die Zusammenstellung und kurze Rekapitulie- rung der vorhandenen Literaturangaben beschränken. Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 587 Für die freundliche Überlassung des Materials und Förderung der Arbeit muß ich auch an dieser Stelle Herrn Professor DEXLER ergebenst danken. Zur leiehteren Durchführung der Arbeit wurde der Stoff in vier Kapitel geteilt, deren erstes »Mundhöhle und Zunge« den Inhalt der vorliegenden Abhandlung bildet. Dureh die mächtige Ausbildung des Oberkiefers, mit der jene des Unterkiefers nicht gleichen Schritt gehalten hat, hat bei Hak- core abweichend von den Verhältnissen bei Manatus die Längsachse der Mundspalte eine zur Längsachse des Kopfes und Körpers schräge Stellung gewonnen. Zwischen dem prämaxillaren Fortsatz des Gaumens und der Symphyse des Unterkiefers gelegen, umzieht sie bogenförmig die Schnauze, ungefähr 45 Grad zur Horizontalen geneigt. Dabei sind die Enden des Mundspaltbogens, die Mund- winkel, ungefähr 10 cm von der Mundspitze entfernt (DEXLER- FREUND, :06). Die Weichteile, die an der Begrenzung der Mundspalte Anteil nehmen, haben namentlich auf dem Oberkiefer eine Reihe durch- greifender Veränderungen erfahren, die zu ganz merkwürdigen, für die Sirenen charakteristischen Lippenbildungen geführt haben. Diese Lippenbildungen, die der Hauptsache nach als Tastorgane anzusprechen und als solche von hoher Funktionstüchtigkeit sind, geben dem ganzen Gesichtsteil der Sirenen ein spezifisches Gepräge. Im Hinblick auf die Armut des übrigen Körpers an besonderen Merkmalen haben diese seit jeher die Aufmerksamkeit der Beob- achter auf sich gezogen, so daß wir über eine gute Beschreibung derselben bereits verfügen (DEXLER-FREUND, :06). Auf diese sei auch für Details verwiesen. Hier will ich nur kurz erwähnen, daß die Oberlippe in ihrer mittleren Portion zu einer mächtigen, rüssel- artigen Tastscheibe (Taf. XIV Fig. 1—3 o) ausgebildet ist, die zu den Mundwinkeln in zwei schmale Fortsätze (Taf. XIV Fig. 1—8) ausge- zogen erscheint und durch eine tiefe Furche (Taf. XIV Fig. 3 e) vom Zwischenkieferfortsatz (Taf. XIV Fig. 1—3, 6—8 x) getrennt ist. Die Unterlippe (Taf. XIV Fig. 1,2 «) beschränkt sich auf eine schmale, stark gerunzelte, bandförmige Partie, die die Symphyse des Unterkiefers umzieht. Zwischen beiden liegt eine seichte Furehe. Der in der Mundhöhle liegende Teil der Unterlippe ist vorn etwas aufgewulstet und mit kurzen steifen Borsten versehen; eine mediane Furche teilt diese Region embryonal in zwei Erhe- bungen (KÜKkENTHAL, ’97). 588 J. F. Gudernatsch Im Mundwinkel gehen Ober- und Unterlippe ineinander über, wobei ihre Epidermis einen mächtigen Besatz von über 1 cm lan- gen, dieken, schmutziggelben Borsten trägt, die alle nach vorn und abwärts gerichtet sind (Taf. XIV Fig. 2; 4 mw). Rapp ('37) erwähnt bereits, daß die Lippen mit borstenartigen Tasthaaren besetzt sind. Doch ist von einer reichlichen Behaarung eben nur in den Mund- winkeln zu sprechen, während sie nach vorn zu spärlich wird. An der Unterlippe sitzen in ihrem vorderen Teile noch einige kurze, stachelartige, bis 2 mm dicke Borsten (Taf. XIV Fig. 2). Auch an der Oberlippe, an deren Seiten sie besonders über 1 mm stark sind, nehmen sie gegen die Mitte zu, wo sie ganz fehlen, an Länge und Zahl ab. KÜkENTHAL (97) schreibt, »daß sich an der Innenfläche der vorderen Unterlippe starke, kurze Borsten vorfinden, und daß derartige Haare auch an der Umbiegungsstelle der flachen, vorderen Schnauzenfläche in die Innenseite der Oberlippe auftreten«. TURNER (94) gibt für Manatus senegalensis braune, seidenweiche Haare an. Schließlich findet sich noch ein stark nach innen vor- ragender Haarbesatz an der Medialfläche der hinteren Oberlippe. Die diehtgestellten, etwa 5 mm langen Haare der vorderen Sehnauzen- fläche sitzen in Gruben, die in der Mitte kleiner, durch Furchen getrennter Felder liegen. Die Mundwinkel sind stark eingezogen und ihre Haut geht allmählich in die innere Auskleidung der Wan- gen iiber, wobei die Haare immer kürzer werden, um in der Gegend der Zähne ganz zu verschwinden (Taf. XIV Fig. 5). In der Mitte der Mundspalte finden wir ein interessantes Ge- bilde von der Gestalt eines quer ovalen, abgerundeten, am unteren Ende abgestutzten Wulstes; es ist dies der Zwischenkiefer- oder Gaumenfortsatz (Taf. XIV Fig. 1—3, 6—8 x), von TURNER noch als Lippenbildung »Mesial lip« angesehen, der selbst bei vollständig geschlossener Mundspalte (Taf. XIV Fig. 1—3) sichtbar ist. Er liegt in letzterem Zustande der Unterlippe vollständig an, wird dagegen von der Oberlippe durch eine tiefe, mächtige Spalte (Taf. XIV Fig. 3) getrennt, in der sich die beiden Schneidezähne (Taf. XIV Fig. 1, 2,6), sowie das Zahnfleisch des Zwischenkieferfortsatzes finden. Man könnte tatsächlich annehmen, daß die Mundöffnung sich dorsal von dem erwähnten Gaumenfortsatz vorfindet, da dort die Spalte viel größer und deutlicher ist als ventral, während in Wirklichkeit der Eingang in die Mundhöhle ventral vom Gaumenfortsatz zu suchen ist. Der Gaumenfortsatz unsres Exemplares — im konservierten Zustande gemessen — ist 7,2 em breit, 3,7 cm lang, seine Dieke Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 589 beträgt 5,2 cm; er ist ein mächtiger steifer Fortsatz des derben, fibrösen Gewebes, das sich auf der Ventralseite des Gaumens vor- findet. Dieses Gewebe wird von einer haarlosen Epidermis über- zogen, welche nach rückwärts ventral über eine tiefe Querrinne (Taf. XIV Fig. 6, 7) in die hornige Bürste des Gaumens, dorsal in die Gingiva des Zwischenkiefers übergeht. Der Gaumenfortsatz liegt somit in der direkten Verlängerung der Längsachse des Zwischen- kiefers, nach abwärts und vorn gerichtet. Er ist beim lebenden Tier vollständig glatt und zeigt keineswegs die Furchen, die an den Abbildungen des konservierten Materials zu sehen sind. Die Funktion des Zwischenkieferfortsatzes ist nicht ganz sichergestellt, doch glauben DEXLER-FREUND aus dem Umstande, daß die als Dugong-Spuren bezeichneten Furchen in den Sanden zwischen den Dugong-Gräsern genau die Breite und Tiefe dieses Fortsatzes haben, schließen zu dürfen, daß dieser Fortsatz bei der Nahrungsaufnahme eine wesentliche Rolle spielt, ohne sich jedoch über die Art dieser Beteiligung näher auszusprechen. Er dürfte, nach den Furchen zu urteilen, dazu dienen, nach Art einer Pflugschar den Sand auf dem Meeresboden zu lockern und ihn samt den in ihm sitzenden Halo- phila-Pflänzchen von den Wurzeln aus aufzuwerfen. Die hornige Bürste des Gaumens, die sogenannte obere Kau- oder Reibeplatte, liegt z. T. auf dem Oberkiefer, z. T. auf dem darüber ‘hinaus verlängerten Zwischenkiefer. Zwischen der Platte und dem präpalatinalen Gaumenfortsatz ist eine tiefe Furche zu finden. Die Platte (Taf. XIV Fig. 6, 7 op) hat die Form eines Trapezes mit nahezu parallelen Schenkeln und ist 11,2 cm lang und in der Mitte 6,5 cm breit. An ihrer hinteren, breiteren Seite verschmälert sie sich plötzlich stark, um dann mit einem schmalen Stiele in den eigentlichen maxillaren Gaumen überzugehen (Taf. XIV Fig. 7 9). Die vordere Begrenzungslinie baucht sich in der Mitte etwas ein. Die Gaumenreibeplatte ist mit einem dichten Besatz von Borsten über- zogen, zwischen denen ganz unregelmäßig angeordnet, kleine, feste Zapfen hervorragen. Die Borsten sind nichts andres als in kleinen Cylindern abgestoßenes Hornepithel, während die Zapfen bis 3 mm hohe, eylindrische, oben calottenförmig abgestutzte Hervorragungen darstellen, in denen viele Borsten besonders gedrängt stehen. Letztere stehen am dichtesten und sind am längsten im vorderen Teile der Kauplatte, namentlich gegen die Seiten zu; hier sind auch die Conuli am stärksten. Im letzten Drittel fehlt in den Rand- partien der Borstenbesatz ganz, die Zäpfehen sind niedrigere und 590 J. F. Gudernatsch mehr halbkugelförmige Erhebungen und sind in Zügen angeordnet. Die Züge stehen nur an den Rändern und verlaufen quer, etwa senkrecht zur äußeren Begrenzung. Je 3—5 Zapfen sitzen auf Fig. 1. Längsschnitt durch die obere Hornplatte. b Bindegewebe; h verhorntes Epithel; ep einfache Papille; vp verzweigte Papille; pk Kanal über einer Papille mit abgestorbenen Zellresten. Vergr. 20:1. einem gemeinsamen Wulst, zwischen ihnen ragen aber auch noch Einzelborsten hervor. Zwischen den Wülsten ist die Hornschicht glatt. Bemerkenswert ist, daß auch am Zwischenkieferfortsatz das Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 591 Epithel an der Unterseite, also dort wo es am meisten abgenutzt wird, dieselbe Formation zeigt wie auf der Reibeplatte; es finden sich, allerdings spärlicher, Borsten und Zapfen. Die Kauplatte (Taf. XIV Fig. 6, 7) besteht aus einer besonders dieken Hornschicht, welche dem Bindegewebe des Zwischenkiefers aufliegt (Fig. 1). Die Oberhaut ist hier viel stärker entwickelt als dies im allgemeinen der Fall ist, zeigt aber sonst im großen und ganzen dieselben histologischen Verhältnisse wie überall. »Die Horn- schicht ist (Krauss, ’70) am unteren Ende der Zunge fast 1 cm, am oberen, nach und nach dünner werdend, Fig. 2. nur O,1 em dick und auf der rechten und linken Seite umge- bogen und abgestutzt, indem sie daselbst das Bindegewebe einfaßt und mit einem schar- fen, dünnen Rande endigt.< Es lassen sich in ihr deutlich zwei Schichten unter- scheiden, von denen jede ungefähr die Hälfte der ganzen Breite einnimmt und die schon bei der ge- wöhnlichen Färbung ist! a - Längsschnitt durch die obere Hornplatte. b Bindegewebe; Ah ver- anz distinkt hervor- 5 x horntes Epithel; bo Borste; ce Conulus; ep einfache, vp verzweigte treten; makroskopisch Papille. Vergr. 10:1. ist die tiefer gelegene weiß, die zweite gelb anne Das Corium (Fig. 15) unter der Kauplatte ist viel papillöser als das der Zunge. Neben einfachen, ganz schmal in die Oberhaut aufsteigenden Papillen finden sich weit zahlreicher solche, die knotenartig eindringen und dann reich verzweigt sind. Besonders mächtig sind jene Papillen, die den schon im anatomischen Teile beschriebenen Erhebungen (Conuli) auf der Oberfläche der Kau- platte entsprechen. An solchen Stellen erhebt sich das Bindegewebe in einer breiten, konischen Papille fast bis zur Mitte der Oberhaut. 592 J. F. Gudernatsch Zellwände sind in den unteren Schichten des Stratum germinativum nicht zu sehen, sondern es finden sich die gewöhnlichen Riffzellen. Mögıvs (61) will beim amerikanischen Manatus bei Zusatz von verdünntem Kali scharf hervortretende Zellwände gefunden haben, doch dürfte er, nach seiner zur Erläuterung dieser Tatsache bei- gerebenen Abbildung zu schließen, die Reaktion an einer schon etwas höher gelegenen Partie des Stratum Malpighii vorgenommen haben. In der dem Bindegewebe zunächst liegenden Zellreihe stehen die Kerne in den prismatischen Zellen senkrecht zur Be- srenzungslinie und auch die darüber liegenden sind noch etwas in diesem Sinne orientiert. Alle diese Kerne sind in die Länge ge- zogen, eine Erscheinung, die auch bei den Kernen der Zellen auf- tritt, die den emporziehenden Papillen zunächst liegen und die in dem Sinne orientiert sind, daß sie zur Richtung der Papille parallel stehen. Im übrigen Stratum Malpighii sind die Zellen etwas regel- los angeordnet, obschon sich eine gewisse Orientierung korrespon- dierend mit der Begrenzungslinie gegen das Bindegewebe nicht übersehen läßt. Die Kerne sind oval bis vollkommen kreisrund, alle mit einem deutlich sichtbaren Nucleolus, hier und da finden sich Blasenkerne, und erst in der obersten Schichte tritt eine Ver- kleinerung und allmähliche Deformierung der Kerne ein. Hier finden sich sichtbare Zellwände; die Zellen, die hier größer sind, als in den tieferen Schichten, sind polygonal, in die Länge gezogen, mit der längeren Seite parallel der Oberfläche gerichtet. Eine Schieht von mit besonderen Granula erfüllten Zellen zwischen Stratum Malpighii und corneum konnte ich nicht sehen, obwohl doch in manchen Präparaten die Grenze zwischen beiden Schichten sich etwas dunkler färbte. Ein dann folgender dünner Streifen, dessen Zellen manchmal etwas lichter tingiert erscheinen, ist wohl das Stratum lueidum. Im Stratum eorneum werden die Zellen sehr schmal und langgestreckt, wieder mit Parallelstellung zur Ober- fläche, so daß im großen und ganzen eine Fluidalstruktur erreicht wird. Die Kerne werden spindelförmig und degenerieren, ihre Reste lassen sich aber auch in den obersten Schichten nachweisen. Daß zwischen den großen Papillen des Bindegewebes und den Erhebungen und Borsten auf der Oberfläche der Kauplatte eine Be- ziehung besteht, ist bereits oben erwähnt worden. Schon der ganze Körper der Papille (Fig. 1, 20p) erhebt sich in sekundären ganz schmalen Papillen (Fig. 1, 2 ep) weit ins Stratum germinativum hin- auf und jeder Schaft bildet knapp vor seinem Ende einen lacunösen Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Eızl. 593 Hohlraum, in dem Stütztrabekeln des Bindegewebes querziehen, und der, wie die darin vorhandenen Erythocyten beweisen, der Blutzirkulation dient. Die Lacunen deuten darauf hin, daß die Blutzufuhr zu den Papillen eine sehr reichliche ist, eine Einrich- tung, dureh die eine sehr intensive osmotische Ernährung des Stra- tum germinativum ermöglicht wird. Letztere ist in der Tat not- wendig, da bei der starken Abnützung der Reibeplatten der Ver- hornungsprozeß sehr rasch’ und die Proliferation der Epithelzellen in umfangreichem Maße vor sich gehen muß. Korrespondierend Querschnitt der dieken Homplatte nahe über dem Bindegewebe. ep einfache, vp verzweigte Papille des Bindegewebes; % Ho nschicht. Vergr. 38:1. mit den Papillen der Lederhaut erhebt sich das Stratum germina- tivum in schmalen Streifen in das Stratum corneum hinein und bildet Säulen, zwischen denen das Stratum corneum in die Keim- schicht herabreicht (Fig. 1). Der Verhornungsprozeß schreitet also etwas in die Tiefe fort, ein Umstand, der eine feste Verankerung der Hornplatte ermöglicht. Die Schicht, welche die Fortsätze des Stratum Malpighii eylindrisch umfaßt, ist an gefärbten Präparaten vom übrigen Stratum corneum differenziert und bedeutend heller als dieses. Es ist vielleicht als vertikal ziehendes Stratum lucidum anzusprechen. In den Wänden dieser Röhren stehen die Kerne parallel zur Längsachse, in den dazwischen liegenden Brücken der Morpholog. Jahrbuch, 37. 39 594 J. F. Gudernatsch Hornschicht aber senkreeht dazu. Nicht weit über den Lacunen in der Coriumpapille isolieren sich die Zellen der Keimschicht, degenerieren und werden in dem Kanal als ein schaumiges Maschen- werk (Fig. 1 pk, Fig. 4 pk), etwa dem Mark im Schafte eines Haares vergleichbar, mitgenommen und an der Oberfläche nach außen be- fördert, während sich die Wand des Kanales noch etwas über die Oberfläche erhebt und in Form eines oben offenen Hohleylinders die ” Fig. 4. LANE TB Querschnitt der dicken Hornplatte nahe der äußeren Oberfläche. Kanäle über den Bindegewebspapillen mit abgestorbenen Zellresten (pk). Vergr. 30:1. makroskopische sichtbare Borste bildet (Fig. 2 bo). Über den größten Papillen des Bindegewebes ist auch die Oberfläche des Stratum corneum in gleicher Weise erhoben und bildet so jene Hügel, die als Conuli beschrieben worden sind; die aufsteigenden Röhren stehen in diesen ganz dicht nebeneinander (Fig. 2 e). Am hinteren Rande der oberen Platte beginnt beiderseits wie- der eine Furche, die den eigentlich harten Teil des Gaumens von der seitlichen Schleimhaut trennt. Sie ist am tiefsten zu beiden Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 595 Seiten des Stieles zwischen Platte und hartem Gaumen, umzieht dann den letzteren, um sich in der Nähe der dritten Mahlzähne ganz zu verlieren. Der schon erwähnte Stiel ist der engste Teil des Gaumens; er ist nur 2,3 cm breit. Zu beiden Seiten einer Längsfurche stehen hier viel deutlicher ausgeprägte Wülste, die vorn noch ganz dicht gedrängt, mit den gleichen Zäpfchen besetzt sind wie die Platte. Gegen die Zähne zu werden die Wälle unregelmäßiger und die Zapfen kleiner, um zwischen diesen ganz zu verschwinden. Daraus, daß das Epithel des Reibplattenstieles noch dieselbe Abschilferung zeigt wie die Platte, ist zu ersehen, daß ersterer auch noch zur Reibung verwendet wird. Der harte Gaumen, dessen Längsachse mit der der oberen Platte einen Winkel von 110 Grad einschließt, bildet das Dach der eigentlichen Mundhöhle. Seine Länge beträgt von der Platte bis zur Verbindungslinie der letzten Molaren 10,8 cm, seine größte Breite — gemessen über die beiden vorletzten Molaren — 3,7 cm. Das Gaumendach ist zwischen den Zahnreihen ein wenig einge- wölbt, die Schleimhaut ist an dieser Partie vielfach gefaltet. Es stehen an einer seichten Längsrinne deutlich ausgebildete, quer verlaufende Wülste, zwischen ihnen hie und da, ganz unregelmäßig verstreut, kleine, knopfartige Erhebungen. Im rückwärtigen Teile wird die Faltung seichter, bis schließlich die Schleimhaut ganz glatt in die des weichen Gaumens übergeht. Der anschließende Teil fehlte bei meinem Material, weshalb ich auch über das Vorhanden- sein und die Beschaffenheit eines Gaumensegels nichts aussagen kann. »Am hinteren Ende des Gaumens«, schreibt RürpEL ('34), »schließt eine aus zwei Klappen gebildete Valvula den Kanal der Nasenlöcher, sich in deren Höhlung öffnend.« WALDEYER (’86) gibt übrigens für Manatus ein sehr rudimentäres Gaumensegel an. Mahlzähne sind auf jeder Seite vier vorhanden. Schmelz fehlt, obwohl es nach Kürentuar (97) bei den Backenzähnen des Em- bryos zur Ablagerung eines solehen kommt. Die breiteste Kau- fläche zeigt der dritte Molar, nach ihm der vierte, die Fläche des zweiten ist schon unregelmäßig, wenn auch teilweise immer noch abgeschliffen, die des vorderen ist ganz höckerig. Die Zerkauung findet also mehr an den rückwärtigen Zähnen statt. Bei Manatus latirostris hat HarrtLaup ('86) festgestellt, daß die Backenzähne im Kiefer von hinten nach vorn geschoben werden, und zwar durch den Druck, den die unaufhörlich neu entwickelten Keime auf die vor ihnen stehenden Zähne ausüben. In die Alveole eines ausge- 39*7 596 J. F. Gudernatsch fallenen Zahnes wird der hinter ihm stehende hineingedrängt. Da nun die Alveolarquerwände, die einen Zahn von dem andern trennen, immer die gleiche Stärke und Festigkeit besitzen, so muß man an- nehmen, daß auf der dem Drucke zugewandten Seite eine Resorp- tion der Knochensepten erfolgt und gleichzeitig auf der von ihm abgewandten vorderen Seite eine entsprechende starke Neubildung von Knochensubstanz. Die in dieser Weise nacheinander im Kiefer auftretenden Backenzähne, von denen gleichzeitig etwa sechs vor- kommen, dürften nach THomAS-LYDEKKERS ('97) Untersuchungen in jeder Kieferhälfte wahrscheinlich 30 oder mehr betragen, da die Neubildung von Zähnen wohl während der ganzen Lebenszeit er- folgt. Dieser lebenslängliche Zahnwechsel — auch bei dem fossilen Vorfahren Halitherium wurde ein Wechsel der vordersten Backen- zähne nachgewiesen, während er für Prorastomus von 'THOMAS- LYDEKKER bestritten wird — soll die rasche Abnützung der Kau- zähne, deren Kauflächen durch den der Algennahrung beigemengten reichliichen Sand beständig abgerieben werden, wettmachen. Bei Halicore ist ein derartiger Vorgang nicht beobachtet worden; diese scheint vielmehr zur Erhaltung ihres Gebisses nicht die Anpassungs- form der Manatus-Arten zu Hilfe nehmen zu wollen, sondern eher dem vollständigen Verluste des Gebisses, dem zahnlosen Zustande der Rhytina, zuzustreben. KÜKENTHAL führt an, daß die vorderen stiftartigen Backenzähne, deren anfänglich fünf bis sechs vorhanden sind, frühzeitig ausfallen, und daß in den Kiefern der alten Tiere nur noch der dritte und vierte Molar funktionieren. Aus diesem Grunde erklärt er auch die divergierenden Angaben der einzelnen Autoren über die Zahl der Backenzähne, gleichwie er sich in dem zitierten Werke über die Zahnentwicklung bei Halicore Dugong ver- breitet. An Hahcore-Embryonen fand er, daß im Zwischenkiefer nicht zwei Schneidezähne vorhanden sind, von denen der vordere frühzeitig resorbiert wird, wie man bisher angegeben hat, sondern es findet sich ein Stoßzahn des Milchgebisses und dessen Ersatz- zahn, der erst im späteren Embryonalleben angelegt wird und sich zu dem bleibenden Stoßzahn bildet. RürrEL (’34) und Rapp ('57) glauben noch, daß die ursprünglich konischen Backenzähne bald abgeschliffen werden und dann eine breite Kaufläche darbieten. KÜRENTHAL hat aber gefunden, daß schon bei dem kurz vor der Geburt stehenden Fötus diese Kauflächen sehr deutlich angelegt sind, und daß wahrscheinlich den ersten Anlaß zur Ausbildung dieser Kauflächen beim Embryo ein Resorptionsprozeß in den Spitzen Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 597 der Höcker gegeben hat; die bereits beim Embryo erfolgende Bil- dung der glatten Flächen kann aber, da eine Kautätigkeit sowie Druckwirkung überhaupt im intrauterinen Leben ausgeschlossen ist, nur durch Vererbung erworben worden seien. Das Zahnfleisch umzieht die Zähne als ein Wulst, der sich deutlich von der übrigen Gaumen- und Wangenschleimhaut abhebt. Auch an den Vorderenden der horizontalen Äste des Unter- kiefers, auf der Symphyse der Mandibularknochen, liegt eine Reibe- platte (Taf. XIV Fig. 4, 5), die im allgemeinen dasselbe Aussehen zeigt wie die obere. Ihre größte Breite beträgt 7 cm, ihre Länge 11,5 cm. Die beiden Seitenränder sind ausgebaucht, nach vorn und hinten zu wird sie bedeutend schmäler, die hintere Breite mißt nur 3,5 em. Der hintere Rand ist mit einem scharfen Winkel etwas eingeknickt, die vordere Spitze ist abgerundet. Das Epithel wetzt sich in ähnlicher Weise ab wie an der oberen Platte. Der Borsten- besatz steht am dichtesten gegen die Seitenränder zu. Die Warzen sind nicht so deutlich ausgeprägt, wie bei der oberen Platte, doch stehen immer mehrere Borsten in Büscheln. Die Platte ist von einer deutlich sichtbaren, etwa 0,8 cm breiten Längsfurche durch- zogen, die an der Knickungsstelle des oberen Randes anhebt, gegen die Mitte zu breiter und tiefer, dann wieder flacher wird, um schließlich ganz zu verlaufen. In ihr ist der Borstenbesatz durch- gehends ein sehr dichter. In ihrer oberen Mitte wird sie von zwei schmalen Wällen flankiert, die ebenfalls dieht mit ganz kurzen, mehr in kleinen Büscheln stehenden Borsten besetzt sind. Seitlich folgt diesen Wällen je eine seichte Längsfurche, die schon in der Mitte der Platte verläuft und deren Besatz sich auf weniger dicht stehende, ganz kurze Büschel beschränkt. Das gleiche ist an der vorderen Spitze der Platte der Fall. Die Zahnverhältnisse sind im Unterkiefer dieselben wie im Oberkiefer und sonach wäre die Zahnformel ee. u er) Der breiteste Mahlzahn ist der dritte, nach ihm der vierte, zweite und erste. Im Unterkiefer sind auch die zwei vorderen Mahlzähne vollkommen abgeschliffen. Unter der unteren Hornplatte kommt es bei der ersten Dentition in sehr großen Alveolen zur Anlage von vier Zähnen, deren erster der bei weitem größte ist. Aus seiner Form und Größe folgert KükentHar (97), daß es auch im Unter- kiefer von Halicore zur Anlage eines Stoßzahnes kommt, welcher dem Milchgebiß angehört und sieh nicht weiter entwickelt. Die 598 J. F. Gudernatsch drei weiteren Zahnanlagen besitzen zwei Höcker, einen größeren labialen und einen kleineren lingualen, weshalb sie KüÜKENTHAL als Prämolaren, nicht als Schneidezähne, wie dies bisher geschehen ist, auffaßt. Sie kommen bis ins Stadium der Verkalkung und be- sitzen Anlagen von Ersatzzähnen. Alle Antemolaren des Unter- kiefers werden aber resorbiert, wie dies auch bei Manatus (KüKEn- THAL ('97) der Fall ist, so daß der Embryo immer bedeutend mehr Antemolaren besitzt als das geschlechtsreife Tier. Nach ABEL (:05) fand bei den im unteren Mitteleoecän des Mokkatam bei Kairo ent- deekten sehr primitiven Sirenen, ähnlich wie bei den Squalodon- tiden, eine Vermehrung der Prämolaren statt. Die Zahnformel von Eotherium aegyptiacum Ow. lautet für den Oberkiefer J;, C;, Ps, M;. Die Reduktion der Prämolaren trat erst bei den jüngeren Typen ein. Prorastomus sirenoides Ow. hat nur noch fünf Prämolaren, die Jüngeren Formen vier, später drei Prämolaren; endlich werden die letzteren zwei Prämolaren bei Halcore tabernaculi und Felsinotherium Forestii zu Molaren umgeformt, das heißt sie lassen sich in ihrer Form von den hinteren zwei Molaren nicht mehr unterscheiden. Das Zahnfleisch ist auch im Unterkiefer durch eine Furche gegen die Schleimhaut abgesetzt. Die größte Mundbodenbreite — gemessen über die letzten Molaren — beträgt 6,4 cm. Zur Unterkieferplatte unter einem Winkel von 105 Grad geneigt liegt die Zunge, von der zwei Exemplare (a, b, Taf. XIV Fig. 9, 10) zur Untersuchung vorlagen, dem Boden der eigentlichen Mundhöhle auf. Sie hat die Gestalt eines dicken Muskelbandes, das ent- sprechend dem Mundboden eine leichte Krümmung zeigt, deren Konvexität dem Gaumen zugekehrt ist. Der Zungenrücken verbrei- tert sich von vorn nach rückwärts. Die Breite der Zunge a be- trägt am Vorderende 3 cm, in der Mitte 3,6 em und am Zungen- grund 5,2 cm. Die korrespondierenden Maße an der Zunge 5 sind 2,7 cm, 3,5 em und 4,5 cm. Die erste Zunge mißt in ihrer Länge von der Spitze bis zum Beginn des Zungengrundes 16,4 em, die zweite 16,1 em, so daß die Behauptung Cuviers (35), »la langue est etroite, courte ...c und die gleichlautende Rürpeus (34) nicht zutreffend erscheint, wie übrigens schon BiIscHorF (’47) konstatiert. Die genaueren Verhältnisse des Mundbodens vor und seitlich der Zunge konnten nicht untersucht werden, da die beiden Zungen aus dem Zusammenhange mit dem Unterkiefer gelöst waren. Die Zungenspitze ist etwa 2 cm von dem Ursprung der Zunge aus dem Mundboden entfernt, ein Frenulum linguae ist nicht vorhanden. Aus Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 599 dem oben angeführten Grunde kann über die bei andern Säugern seitlich vom Frenulum auftretenden diversen Bildungen, wie Falten, Öffnungen von Drüsen und dergleichen nichts berichtet werden. Der Zungenrücken ist mit einem Epithel überzogen, das an der Ober- fläche verhornt, und das sich in ähnlicher Weise in ganz kurzen Borsten abschilfert, wie das der Hornplatten. Rapp (37) bezeichnet diese Borsten als zahlreiche, harte, kleine »Papillen«, welche die Dugong-Zunge wie die der Rhytina als eine Feile erscheinen lassen, Rürpeu (34) nennt sie sogar »knorpelige Stacheln«, für Home (20) Fig. 5. anı m Schnitt durch die Zunge senkrecht zur Oberfläche, Zungenseite, Gegend der kleinen Ausführungsgänge. Vergr. 13:1. m mucinöse Drüsen; ! Lacune des Ausführungsganges a derselben; mı Schleim und ab- gestorbene Epithelreste, e Epithel; /y Lymphknoten; !ı Lacune eines zweiten Ausführungsganges. beweisen diese »langen Zotten«, daß der Tastsinn sehr fein ist. TURNER (94) kann bei seinen Embryonen nur konstatieren, daß die Zunge niedrig war, von einer Abschilferung, eventuell wenigstens Beborstung, erwähnt er nichts, ein Beweis, daß dieselbe erst mit Beginn der Kautätigkeit auftritt. Gegen den Zungengrund zu wird das Epithel immer glatter. Von dem »konischen, warzenförmigen, mit langen Zotten besetzten Körper«, den Rapp wahrscheinlich auf Grund der Angaben Houmzs im rückwärtigen Teile der Zunge beider- seits konstatiert, finde ich, wie BiscHoFF, nichts. Rapp scheint die Hörner des Zungenbeines zu meinen. An ihrem vorderen Ende 600 J. F. Gudernatsch läuft die Zunge unvermittelt spitz zu und ist in dieser Partie ganz verhornt und hart wie ein Knochen, an ihrem hinteren Ende geht Fig. 6 und 7. Querschnitt durch Ausführungs- gänge mucinöser Drüsen der Zungenseite: Fig. 6 in der Höhe der Drüsen; Vergr. 30:1. Fig. 7 im Epithel; Vergr. 13:1. 2 Lacune mit ge- schichtetem Epithele; m muceinöse Drüse; a Aus- führungsgang, in einer Coriumpapilie sitzend. N hr an DAN. Ve FESIH der Zungenrücken unvermitteltohne deutliche Grenze in den Zungen- grund über. Die Seitenflächen sind im allgemeinen glatt, nur leicht ge- faltet. Auf ihnen finden wir einige Gebilde, die besonders interessant sind und die bei der Histologie der Zunge eingehender besprochen werden sollen. Am hinteren Teile der Zunge, nahe vor dem Zungen- grund, liegen an den Seitenflächen unregelmäßig verstreut einige teils kreisrunde, teils schlitzförmige Öff- nungen (Taf. XIV Fig. 9, 10 ag), ungefähr 0,6 mm im Lumen, die Ausführungsgänge von Drüsen dar- stellen. Ihre Anordnung ist sehr unregelmäßig, doch auf der linken Seite regelmäßiger als auf der rechten. Ebenso schwankt ihre Zahl zwischen fünf und neun. Von dieser Zone zieht bis etwa zum vorderen Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 601 Drittel eine Reihe von bis 4 mm im Durchmesser haltenden Spiegeln (Taf. XIV Fig. 9, 10 sp), glatte Epithelflächen, die sich von dem übrigen Epithel markant abheben. Jeder dieser Spiegel sitzt auf einer nicht allzu deutlichen Erhöhung und ist von einem seichten Graben umgeben. Bei den nach rückwärts und oben zu liegenden Spiegeln ist der Graben mehr ausgebildet als bei den andern. Schließlich liegt eine dritte Gruppe von Gebilden im rückwärtigen Drittel der Zunge unterhalb der beiden beschriebenen. Es sind ganz kleine Löcher (Taf. XIV Fig. 9 ak), bis 0,2 mm groß, und stellen ebenfalls Ausführöffnungen der Zungendrüsen dar. Die Wand jeder Öffnung erhebt sich kraterförmig ganz wenig über die allge- meine Oberfläche. Die Grundmasse der Zunge bildet ein dicker Muskelkörper, der von Bündeln quer gestreifter Muskeln kreuz und quer durchzogen wird. Die einzelnen Muskellagen sind durch ein dünnes Perimysium externum, öfter durch einen dicken Bindegewebestrang voneinander getrennt, in den nebst Gefäßen und Nerven hier und da Fettzellen eingebettet sind. An der Zungenseite ist rückwärts die Submucosa (Fig. 5) sehr breit und von mächtigen Drüsenlagern erfüllt, aus der Muskelschicht ziehen auch starke Trabekel in sie hinein. Im vor- deren Teile hingegen ist auf dem Zungenrücken (Fig. 8) und an den Zungenseiten (Fig. 9) eine sehr geringe Submucosa vorhanden, die Muskelbündel liegen ganz nahe an der Propria und das Binde- sewebe der letzteren setzt sich direkt in das intermuskuläre fort. Die Propria mucosae besteht aus fibrillärem Bindegewebe, das dicht verfilzte, lange, elastische Fasern enthält, und ist am Zungen- rücken (Fig. 8), am dieksten. Sie bildet Papillen, deren Zahl und Form an verschiedenen Stellen der Zunge verschieden ist. Drüsen kommen’in der Propria nicht vor, in der Nähe der später zu be- schreibenden Geschmacksknospen findet sich in großen Lymphknoten Iymphadenoides Bindegewebe (Fig. 5, 11, 14 !y). Die Schleimhaut ist ebenfalls am stärksten am Zungenrücken und nimmt über- dies im allgemeinen von der Zungenspitze caudalwärts an Stärke ab. Im letzten Drittel der Zunge hat sie an den Zungenseiten eine Dicke von ungefähr 0,5—0,9 mm. Das Bindegewebe, das zwischen Muskelschicht und Mucosa in einer Breite von 1,5 mm liegt, erhebt sich am Rücken und in den vorderen Partien der Seiten in ziemlich gleichmäßigen Zwischenräumen in zahlreichen ganz schmalen Pa- pillen (Fig. 8, 9) bis in die Mitte, stellenweise in die obere Hälfte der Schleimhaut. Mit dem Schmälerwerden der Schleimhaut gegen 602 J. F. Gudernatsch den Zungengrund zu werden auch die Bindegewebspapillen kürzer, jedoch breiter (Fig. 11—15), und diese kurzen Papillen erscheinen an ihrer Basis etwas eingeengt, so daß die Zapfen der Mueosa, die die Zwischenräume zwischen ihnen ausfüllen, stellenweise mit kleinen, knopfartigen Auftreibungen beginnen. Die dem Binde- gewebe zunächst liegenden Zellen im Stratum germinativum sind rundlich polygonal, die Keime sind 8 « groß, rund oder länglich. Gegen die äußere Begrenzung zu werden die Zellen immer flacher, bei deutlich sichtbaren Zellhäuten, nach der Länge gestreckt, im zweiten Drittel stehen bereits alle in tangentialer Riehtung; diese Schnitt durch die Zunge senkrecht zur Oberfläche, Zungenrücken, vorderes Drittel der Zunge. Vergr. 14:1. e Epithel; 5b Bindegewebe; mz Muskulatur. Streckung wird immer ausgesprochener, bis die Zellen fast platten- förmig sind. Die Keime sind inzwischen degeneriert und eben- falls stark in die Länge gezogen. Manche Zellen haben ihren Kern bereits verloren. Zellkerne sind jedoch bis in den äußersten Lagen sichtbar. Ein Stratum granulosum und lucidum ist nicht sichtbar. Das Stratum corneum ist nicht besonders stark, etwa 70 u, die Zellen sind ganz abgeplattet und zu Lamellen verbunden. Die Schlieren liegen dann parallel der äußeren Begrenzung und ahmen alle ihre Erhebungen und Einsenkungen genau nach. An der freien Oberfläche schilfert sich das Stratum eorneum in langen Faden ab. Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 603 Am Zungenrücken, wo, wie erwähnt, die Hornhaut stärker ist, die Bindegewebspapillen sehr lang und schmal sind und dicht nebeneinander stehen, erhebt sich dann auch entsprechend diesen sp mu Schnitt durch die Zunge senkrecht zur Oberfläche, Zungenseite. Vergr. 16:1. e Epithel; b Binde- gewebe; na Muskulatur; sp Spiegel, darunter keine Drüsen; w dessen seichter Graben. weit aufsteigenden Papillen die Hornhaut über die Oberfläche und bildet kleine Borsten, ähnlich denen auf der Hornplatte. In der Submucosa liegt ein grobes Blutgefäßnetz, während das der Propria feinmaschiger ist. In jede Pa- pille tritt ein Stamm des letz- teren ein, führt bis in die Spitze x» hinauf und bildet dort Capil- v laren. Vom Nervensystem fand ich hier und da nicht allzu zahl- reich in einem breiten Binde- gewebsstrang der Submucosa ein mächtiges Ganglion mit einigen großen Zellen. Schnitt durch die Zunge senkrecht zur Oberfläche, Die großen Lager der tubu- Zungenseite, rückwärts. Vergr. 15:1. e Epithel; lösen, lobulären Driien finden 7; mr us ın Arsgel; Genıler minpeinöne sich hauptsächlich im letzten Drittel der Zungenseiten, dort wo äußerlich die zahlreichen kleinen und wenigen großen Poren zu sehen sind. Mucinöse und seröse Drüsen liegen getrennt nebeneinander (Fig. 11—15), eine Unter- Fig. 10. m 604 J. F. Gudernatsch mischung beider kommt nicht vor, in den tieferen Regionen ver- breitern sich die serösen, in den höheren die mueinösen Drüsen (Fig. 11—19), im allgemeinen sind Schleimdrüsen vorherrschend. Die Tubuli der Schleimdrüsen sind meist kreisrund, platten sich Fig. 11: m jedoch auch gegenseitig polygonal ab, die größten messen 100 « im Durchmesser. Der Kanal ist sehr klein, nur 20 « haltend. Die konischen Zellen sind sehr hoch, bis 40 «, und in wechselnder Anzahl, bis 12, vorhanden. Die 18 großen Kerne stehen gegen die Peripherie. Jeder Tubulus wird von einem sehr feinen, mehrere dann von einem stär- keren Bindegewebsstrei- fen eingeschlossen, in welchen stellenweise größere oder kleinere Muskelfaserbündel ein- geschlossen sind. Meh- rere Drüsenpakete er- gießen ihr Secret in eine oft tief in der Submucosa sitzende, birnförmig aufgetriebene Lacune (Fig. 5), von der ein schmaler Ausführungsgang zu einer kleinen Öffnung an der Oberfläche zieht. Die Oberhaut ist tief eingebuchtet, und die Lacune ist ebenso wie der Kanal mit der ins Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 605 Lumen proliferierenden Mucosa ausgekleidet (Fi- gur 6). Seröse Drüsen liegen nur dort, wo die an der Zungenseite sicht- baren großen Öffnungen sich befinden (Fig. 11 —19). Die Eiweißdrüse erscheint im Gesamtbilde stark granuliert und vom Hämatoxylin viel weniger intensiv gefärbt als die Schleimdrüse, ihre Tubuli sind bedeutend kleiner, N Fig. 11—15. Senkrecht zur Oberfläche Fig. 13. I a m m geführte Schnitte durch einen großen Ausführungsporus (Ge- schmacksgrube). Vergr. 16:1. e Epithel, der Oberfläche, der Grube und des Drüsenausführungsganges a; ly Lymphknoten; s seröse, m mueinöse Drüsen; g Geschmacksknospen; gı Geschmackshöcker dicht be- setzt mit Knospen; eı abgestorbenes Epithel. 606 J.: F. Gudernatsch höchstens 30 u im Durchmesser, die Randzellen sind infolgedessen ganz niedrig, die Kerne hingegen verhältnismäßig groß. Der Ab- fluß aus den serösen Drüsen erfolgt in einen in der Tiefe be- ginnenden Kanal (Fig. 15, 16), der ebenso gebaut ist wie der der Schleimdrüsen, ebenso wie jene in der Tiefe zu einer Lacune auf- getrieben ist, und der in eine Grube mündet, die durch eine seicht herabsteigende Einbuchtung der Oberhaut entsteht (Fig. 11-15). Die bei höheren Säugern sehr differenziert auftretenden Ge- schmackspapillen sind beim Dugong einfach gebaut. Von Papillae foliatae, wie sie GMELIN ('92), allerdings in einfachster Form bei Manatus latirostris an der Stelle der Ausführungsgänge der Drüsen gefunden hat, konnte ich bei Dugong nichts wahrnehmen. Von sroßen Papillenplatten (MAYERs Organe), wie sie BEDDARD (’97) an beiden Seiten der Zunge, u. z. bei Manatus latirostris einander etwas näher liegend als bei Manatus inunguwis konstatiert, und die, wie ich vermute, GMELIN (’92) richtig als vordere Tonsillen bezeichnet, kann ich nichts erwähnen, da jene Stellen meiner aus dem Kiefer gelösten Zunge bereits fehlten. Ich glaube aber keinesfalls, daß sich dort noch Papillae foliatae finden dürften. Die Bedeutung der schon im anatomischen Teile beschriebenen großen Spiegel an den Zungenseiten ist unklar; sie ließen sich der Form nach im besten Falle entfernt mit der Papilla eircumvallata vergleichen und wahr- scheinlich sind das auch ähnliche Gebilde, wie jene, die OwEn (’68) auch bei Manatus als an beiden Seiten der Zunge vom vorderen Drittel bis nahe zur Basis derselben stehend fand und die er als zahlreich vorhandene Papillae vallatae anspricht. Einerseits schließt schon die Stellung der Spiegel an der Zungenseite (Taf. XIV Fig. 9, 10 sp) die Richtigkeit dieser Annahme aus, anderseits ist unter den in der ersten Hälfte der Seitenflächen stehenden Spiegeln keine Spur von Drüsen zu finden (Fig. 9). Aus diesem Grunde und aus dem Umstande, daß das Epithel der Spiegel verhornt ist, kann hier von Geschmacksorganen keine Rede sein. Das Epithel, das äußerlich die Spiegel bildet, knickt bei man- chen ein wenig ein, und dieselben sind infolgedessen von einem ganz seichten Graben umgeben, der jedoch gar nicht deutlich aus- gesprochen ist (Fig. 9). Unter den Spiegeln erhebt sich die Propria bis dicht an die Oberfläche, so daß die Mucosa an diesen Stellen sehr dünn ist. Die äußerste Schichte ist, wie erwähnt, verhornt und färbt sich im Vergleich zum übrigen Stratum eorneum sehr distinkt; Zellkerne sind in derselben im Gegensatze zu allen andern Zur Anat. u. Histol. des Verdanungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 607 Fig. 16—19. Querschnitte durch eine Geschmacksgiube in ver- schiedenen Höhen. Vergr. 30mal nat. Gr. — Zeichen- apparat. 16 tiefster, 17, 18 mittlere Schnitte; 19 Schnitt beim Übergang in die umgebende Oberfläche der Zunge. 16) Z seröse Drüse; 2 Ausführungsgang derselben; 3 Geschmacksknospen; 4 Schleimhaut der Geschmacks- grube; 5 Lumen derselben; 6 Gefäßschnitt. 17) 1 seröse Drüse; 2 Ausführungsgang derselben; 3 Geschmacksknospen; 2 Schleimhaut; 5 Lumen der Geschmacksgrube; 6 mucinöse Drüse. 18) Z mueinöse Drüse; 2 seröse Drüse; 3 Schleimhaut; 4 Lumen der Geschmacksgrube; 5 Geschmacksknospe. 19) 7 Ausführungsgang einer serösen Drüse; 2 mucinöse Drüse; 3 Schleimhaut; 4 Lumen der Geschmacks- grube; 5 Bindegewebspapillen der Submucosa. 608 J. F. Gudernatsch Partien der Zunge nicht mehr vorhanden, so daß es sich tatsäch- lich um eine intensive Verhornung handeln muß. Die äußere Ober- fläche ist vollkommen glatt. Als wirkliche Geschmacksknospen sind aber die Gebilde anzu- sprechen, die sich vornehmlich in jenen Gruben vorfinden, in die, wie vorher beschrieben, in der Ein- oder Mehrzahl die Ausführungs- gänge der serösen Drüsen münden. GMmeLın konstatiert dort, wie vorher erwähnt, Papillae foliatae in einfachster Form. In die La- cunen ragen knollenartige Auftreibungen der Wände herein, die auf der ganzen Oberfläche himbeerartig mit Geschmacksknospen besetzt sind (Fig. 12, 13, 16—18). Man könnte hier vielleicht von einer Papilla eircumvallata sprechen, deren Körper aber nur wenig in den Hohlraum hineingewachsen ist. Die Knospen sitzen kurzen Cutispapillen direkt auf (Fig. 16, 17) und zeigen die gewöhnliche Zwiebelform. Der spitze Pol sieht nach außen, der innere ist sehr breit, bis 30 u. Die Höhe beträgt etwa 50 u. Soweit eine histolo- gische Diagnose überhaupt möglich war, konnte ich zwei Arten von Zellen unterscheiden, schlauchförmige mit in den Porus am äuße- ren Pole ragenden Zäpfehen und mit kleinen, sich sehr dunkel färbenden Kernen, die in verschiedener Höhe in Auftreibungen der Zellen liegen. Das sind Sinneszellen. Eine zweite Art von breiten Zellen, deren sehr große Kerne nur licht gefärbt wurden, sind Stützzellen. Die Geschmacksknospen liegen außer auf den er- wähnten Knollen auch vereinzelt oder zu mehreren nebeneinander in der Wand der Höhle bis knapp unter der Oberfläche (Fig. 18). Anderseits steigen sie in eine bedeutende Tiefe der Ausführungs- gänge herab und finden sich auch in den erwähnten Lacunen, an- fangs noch auf kleinen Hervorragungen sitzend, später vereinzelt ganz in der Wand liegend. In den tiefer gelegenen finden sich weniger Sinneszellen als weiter oben. GmeELın (92) findet bei Manatus latirostris in den erwähnten Gruben, wie oben gesagt, die Papilla foliata und nennt sie so wahrscheinlich nach der Stellung an der Zungenseite; bei meinem Objekt erscheint, wenigstens der Form nach, ein Vergleich mit der circumvallata oder fungiformis zutreffender. Die Papilla eircumvallata, die er auf dem Rücken der Manatus-Zunge vorgefunden hat, konnte ich bei Dugong nicht kon- statieren. TUCKERMANN (92) fand bei Manatus latirostris den Graben der Papillae nicht stets vollständig, die Geschmacksknospen in nicht regelmäßiger Anordnung (Orper, :00). Da mir seine Arbeit nicht zugänglich war, ist es mir unbekannt, welche Organe er als Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 609 Papillae vallatae bezeichnet. Daß sich um die Höhlungen, in die die Drüsenausführungsgänge münden, große Lymphknoten grup- pieren, ist schon oben gesagt worden. Es erscheint mir nicht uninteressant, ganz in kurzem einen Vergleich der Halcore-Zunge mit der der Cetaceen zu geben, jener Tiergruppe, die ja mit den Sirenen der konvergenten Anpassungs- erscheinungen an das Wasserleben wegen, die beide zeigen, so lange von den Forschern als zu einer Ordnung gehörig betrachtet wurden. Ich beschränke mich hier auf das Kapitel der Geschmacks- organe und entnehme die bezüglichen Notizen der Arbeit von Rawıtz (058). Während frühere Forscher auf der Cetaceenzunge teils Geschmacksorgane konstatierten, teils bestritten, konnte Rawırz von dem Vorhandensein solcher absolut nichts berichten. Er fand auf der Zunge von Delphinus delphrs L. ähnliche Gruben, allerdings an der Stelle der Papillae vallatae, wie ich auf der Zunge von Halicore an der Stelle der Papillae foliatae.e Während ich jedoch nachweisen konnte, dab jene Gruben unbedingt mit der Geschmacks- pereipierung in Zusammenhang stehen, da in ihnen wirkliche Schmeckbecher vorkommen, ist es RAawItz nicht gelungen, in den (Gruben der Delphinzunge dieselben zu entdecken. Allerdings fin- den sich auch beim Delphin um die Gruben zahlreiche Ganglien- zellenkomplexe ebenso wie bei Halcore, woraus eben Rawırz auf Geschmacksperception in den Gruben schließt. Bei beiden Tieren sind die Gruben mit geschichtetem Pflasterepithel ausgekleidet; Rawıtz hält es, da er keine Mitosen sah, allenfalls für ein kon- stantes Epithel, ich habe in meinen Präparaten abgeschilferte Zell- reste deutlich gesehen. In beiden Gruben ist die Auskleidung höckerig; während ich nur knotenförmige Austreibungen der Wand und des Bodens mit Schmeckbechern konstatieren konnte, fand Rawırz Papillen von typisch fungiformem Charakter ohne jede Spur von Geschmacksknospen. Vielleicht werden die Geschmackspapillen und mit ihnen die Geschmacksknospen bei im Wasser lebenden Säugern reduziert, denn auch bei Halkcore sind ja Papillen nur in rudimentärer Form und Schmeckbecher ebenfalls nur in der Wandung der Gruben verstreut zu finden. Interessant ist ferner auch das Verhalten der in der Nähe der Gruben stehenden Zungen- drüsen bei Delphin und Halicore. Beiderseits tubulöse, lobulöse Drüsen, bei Halicore Eiweiß- und Schleimdrüsen vollkommen ge- trennt, beim Delphin eine Untermischung beider. Es dürfte sich bei den ersteren, wie dies Rawırz beim Delphin konstatiert, auch Morpholog. Jahrbuch. 37. 40 610 J. F. Gudernatsch beim Dugong um Homologa der Esxerschen Zungendrüsen handeln, die unter den Geschmacksorganen vorkommen, nur finde ich sie hier rein serös. In der Nachbarschaft der Mundhöhle der Sirenen kommen die großen Speicheldrüsen vor, die den zweiten Repräsen- tanten der Wassersäuger fehlen, wie dies von MuriE ('72, ’80) für Manatus niedergelegt wurde, weshalb die besprochenen serösen Drüsen nicht wie bei den Üetaceen nur als Rest des Speichel secernierenden Gewebes anzusehen sind. Während beim Delphin die Drüsen ausschließlich in den vermutlichen Geschmacksgruben aus- münden, gibt es bei Halcore auch Ausführungsgänge, die mit jenen nicht in Verbindung stehen. Das Epithel der Gruben und Gänge ist bei beiden Typen gleichartig. Rawırz scheint es, daß Eiweiß- und Mucindrüsen vereint münden, vielleicht ist es bei Hakcore teil- weise auch der Fall; jedenfalls sah ich Ausführungsgänge, die nur Muein- und solehe, die nur Eiweißdrüsen zukamen. Im übrigen sind die Zungen beider Formen histologisch ziem- lich gleich gebaut. Durch zahlreiche und weit in das Epithel vor- dringende Coriumpapillen ist dasselbe fest mit dem Bindegewebe verankert. Der Verhornungsprozeß ist ein intensiver und, wie auch Rawırz aus den zahlreichen Mitosen im Stratum germinativum schließt, die Abschilferung eine sehr lebhafte. Ausbildung der Zellen und Stellung der Kerne ist in beiden Epithelien vollkommen gleich. Ganz besonders hervorzuheben ist, daß beider- seits die Zellkerne bis in die obersten Schichten zu ver- folgen sind. Rawıtz hatte das vorher (99) schon in der Haut der Öetaceen konstatiert und stellt es deshalb als allgemein gültige Tat- sache hin, daß bei Tieren, die dauernd im Wasser leben, die Verhornung nicht bis zum völligen Schwund des Zellkernes führt. Jedenfalls wird dieser Satz durch die Beobachtungen bei Hahcore bekräftigt. In den vorstehenden Fragen ist, soweit mir bekannt ist, für Pinnipedier noch nichts Genaueres berichtet worden, während auch bei dieser Tiergruppe teils gänzliches Fehlen, teils geringe Ausbildung der großen Mundhöhlendrüsen, also auch eine Anpassung an das Wasserleben, konstatiert wurde (CuvIEr, '10, Rapp, '37, MıLnE-EDwARrDs, ’60, GEGENBAUR, '78). Um schließlich nach der Besprechung der einzelnen Teile der Mundhöhle noch eine Darstellung des Gesamtbaues derselben zu geben, wäre nur zu betonen, daß das innere Lumen derselben kein besonders großes ist, da Ober- und Unterkiefer fast überall wie Mühlsteine aneinander liegen. Die Kautätigkeit besteht eben einzig Zur Anat. u. Histol. des Verdauungstraktes von Halicore Dugong Erxl. 611 in dem Zermahlen der kleinen Pflänzehen, zu welchem Zwecke die Kiefer ganz aneinandergepreßt und seitlich bewegt werden. Die Mundhöhle zerfällt entsprechend der Knickung der Kiefer in zwei Teile, einen vorderen zwischen den beiden Reibeplatten und einen rückwärtigen zwischen Zunge und Gaumen. Bei dem vorderen kann von einem Hohlraum eigentlich gar nieht gesprochen werden, er ist aber doch als ein Teil des Cavum oris anderer Säuger anzu- sehen, da die untere Reibeplatte auf den Resten von Zahnalveolen, die obere mit dem Zwischenkieferfortsatz unter den Stoßzähnen liegt. Der rückwärtige Teil, die eigentliche Höhle, besitzt aber auch nur ein sehr geringes Lumen, da die Kniekung des Gaumens gegen die obere Platte nur um weniges flacher ist als die des Mundhöhlenbodens gegen die untere. Von einem Vestibulum oris kann bei Halicore nicht gesprochen werden. Aus der Lage der Kauplatten und aus dem Hervorragen des Gaumenfortsatzes aus der Mundhöhle ist zu ersehen, daß die Lippenbildungen nicht so weit abstehen, um sich entsprechend der Mundspalte andrer Säuger schließen zu können, sondern sie sind flach ausgebreitet und sind in die weiter oben geschilderten Formationen übergegangen. Nur an den beiden Seiten kommt es zur Ausbildung von Resten eines Vestibulums, dort wo die stark eingezogenen Mundwinkel einen Zwischenraum zwischen Backenzähnen und Wangenbaut bilden helfen. Literaturverzeichnis, ABEr, O., 1905. Die phylogenetische Entwicklung des Cetaceengebisses und die systematische Stellung der Physeteriden. Verh. d. deutsch. zool. Gesellschaft. 1905. BEDDARD, FRANK E., 1897. Notes upon the Anatomy of a Manatee (Manatus inunguis) lately living in the Society’s Gardens. Proceed. Zool. Soe. London. BiscHorr, TH. L. W., 1847. Einige Beiträge zur Anatomie des Dugong (Hali- eore). MÜLLERS Archiv für Anatomie. CuvIEr, G., 1835—1837. 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Ansicht der Schnauze von vorn. o Oberlippe; « Unterlippe; x Gaumen- fortsatz; s Schneidezähne; / Kinn. Fig. 2. Ansicht der Schnauze von der Seite. o Oberlippe; « Unterlippe; x Gaumenfortsatz; s Schneidezähne; /: Kinn. Fig. 3. Ansicht der Schnauze von der Unterseite. o Oberlippe; « Unterlippe; x Gaumenfortsatz; e Eingang in die Mundhöhle; % Kinn. Fig. 4. Ansicht des Unterkiefers, vordere Hälfte. Vergr. 1:21/2. cn Processus condyloideus; er Processus coronoideus; «p untere Reibeplatte; xs Zun- genspitze; mw Mundwinkel. Fig. 5. Ansicht des Unterkiefers, hintere Hälfte. Vergr. 1:3. xb Zungenbein- hörner; en Processus condyloideus; »p untere Reibeplatte; xg Zunge; um untere Molaren. Fig. 6. Ansicht des Gaumens von unten. Vergr. 1:21/. x Gaumenfortsatz; op obere Reibeplatte; 9 Gaumen; om obere Molaren. Fig. 7. Ansicht des Gaumens von der Seite. Vergr. 1:21/.. x Gaumenfortsatz; op obere Reibeplatte; 9 Gaumen; om obere Molaren. Fig. 8 Ansicht des Gaumenfortsatzes. x Gaumen-(Zwischenkiefer-)fortsatz ; s Schneidezähne. Fig. 9 und 10. Ansicht der beiden Zungen (a, b) von der Seite. Vergr. 1: 11/.. 9 Zungengrund; xr Zungenrücken (die dunklen Flecken sind in Ab- schilferung befindliches Hornepithel); xs verhornte Zungenspitze, an ihr in Fig. 9 lange Hornborsten sichtbar; sp Spiegel; ag große Aus- führungsgänge der Drüsen (Geschmacksgruben), «a; kleine Ausführungs- gänge der Drüsen. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. Eine vergleichend-anatomische Untersuchung. Von Georg Ruge, Direktor der anatomischen Anstalt in Zürich. Mit 24 Figuren im Text. Figur 57—80.) Vi. Die Leber des Menschen. 1. Fortsetzung.) 3. Verschiebungen der Anheftungsstelle des Sichelbandes und der Hauptlängsfurche gegeneinander. Die sagittale Längsfurche bildet an der Intestinalfläche, die An- heftung des Sichelbandes an der gewölbten Fläche die Grenze des rechten und linken Leberabschnittes. Fallen beide Grenzen in eine und dieselbe Sagittalebene, so sind für obere und untere Flächen beider Lappen in ihrer seitlichen Ausdehnung nahezu gleichwertige Ausgangspunkte gegeben. Fällt diese Sagittalebene mit der Median- ebene zusammen, so erscheinen die Verhältnisse um so gleichartiger. Es ist möglich, daß die mediane Lage beider Lappengrenzen einem ursprünglichen Zustande entspricht. Der Nachweis hierfür ist aber noch nicht geliefert. Es ist nicht schwer, nachzuweisen, daß die obere und die untere Lappengrenze sehr oft aus ihrer dorso-ventralen geraden Richtung abgelenkt werden. So vollzieht sich z. B. die Anheftung des Sichel- bandes in einer gekrümmten, in dorsaler Richtung nach links ab- weichenden Linie. Vergleicht man sie mit der Befestigungslinie des Sichelbandes am Zwerchfelle, so bemerkt man, daß beide sehr oft nicht in die gleiche Sagittalebene fallen. Daraus folgt, daß das Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 615 Sichelband vom Zwerchfelle aus, horizontal gestellt, nach einer Seite zur oberen Leberfläche zieht und eine verhältnismäßig große Aus- dehnung gewinnt. Die Ursache für diese Erscheinung kann wohl nur in der Verschiebung des Grenzgebietes der Leberlappen nach derjenigen Seite gesucht werden, an welcher die Sichelbandanhef- tung sich findet. Die Leber ist verschiebbar; das Zwerchfell zeigt ihr gegenüber größere Beständigkeit in der Lage. Die Längsfureche mit ihrem vorderen und hinteren Abschnitte läßt einen Eingang in einen spaltförmigen Raum und einen Grund unterscheiden. Auf letzterem ruhen die aus den embryonalen Venen sich herleitenden Bindegewebsstränge. Eingang und Grund der Längsfurche fallen zuweilen in dieselbe Sagittalebene; sie weichen aber nicht selten von diesem Verhalten ab. Hierfür sind verant- wortlich zu machen die den Furchenzugang begrenzenden Lappen- teile, von welchen sich der eine oder andre Teil nach einer Seite hin auszubreiten vermag. Der Furchengrund wird wohl die größere Beharrlichkeit in seiner Lage besitzen. Um alle diese Verschiebungen der angegebenen Grenzlinien der Leberlappen gegeneinander für den Einzelfall genau festzustellen, müßten die in die Medianlinie entfallenden Teile des Zwerchfelles und der Leber bestimmt werden, wonach die seitlichen Deviationen der Anheftungen des Sichelbandes an Zwerchfell und Leber, sowie die seitlichen Abweichungen der Eingangsstelle zur Längsfurche und deren Boden festzustellen wären. Wenn die Sichelbandanheftung an der Leber sehr weit nach links verschoben ist, der Eingang zur Längsfurche aber sehr weit nach rechts gerichtet ist, so wird der quere Durchmesser der ge- wölbten Fläche des linken Lappens verhältnismäßig klein, der Quer- durchmesser der Intestinalfläche desselben Lappens verhältnismäßig groß sein. Hieraus geht hervor, daß die Verhältnisse zwischen den Breiten der konvexen und intestinalen Flächen beider Leberlappen nicht in dem gleichen Sinne lauten müssen. An einer größeren Be- obachtungsreihe können die Einzelobjekte in den gut geordneten Reihen eine verschiedene Stellung einnehmen, je nachdem das bei- derseitige Breitenverhältnis für die konvexe oder die intestinale Fläche in Betracht kommt. Im Abschnitte, welcher diese Dinge be- handelt, war auf diese Tatsache hingewiesen. Sie veranlaßte mich, zu prüfen, ob Verschiebungen im oben genannten Sinne nachzu- weisen wären. Mehrere gut erhaltene Objekte wurden bei senkrechter Einstellung 616 Georg Ruge der Hohlvene in Ansicht von oben und von unten aufgenommen. In die eine Figur konnten nun leicht die in Betracht kommenden Ver- hältnisse der andern Aufnahme übertragen werden, woraus sich die Verschiebungen gegeneinander direkt ablesen ließen. Ich habe mich darauf beschränkt, die gegen- Fig. 57. seitigen Lagerungen der Sichel- | bandanheftung und des Grundes der Längsfurche festzustellen. / PEN & Beide treffen vorn an der In- Say); N eisura umbiliealis und hinten am = N Ende der Fossa duetus venosi \ zusammen. Die Abweichungen ‚ liegen zwischen diesen Punkten. n Die begleitenden Figuren stellen obere Ansichten von Lebern dar. Der Verlauf der Längsfurche ist Labr ine Brvachsnen bi senkrechte Tine durch. eine: gestrichelte Linie je Verlauf des Grundes der Längsfurche ist auf die in die Figur eingetragen worden. obere Fläche übertragen und in unterbrochener Linie eingetragen worden. Z.M. 1903. 10. E. IL. 15. 1) Erwachsener (Z.M. 1903. 10. E. II. 15) (Fig. 57). Die Anheftung des Sichelbandes beschreibt eine rechts konvexe Linie. Der Boden der Längsfurche fällt fast vollkommen mit der ersteren zusammen; er weicht hinten etwas nach rechts, vorn etwas nach links vom Sichelbande ab. 2) 5 Monate altes Mädchen (Fig. 58). Das Sichelband beschreibt in der Mitte seiner Anheftung eine sehr starke Rechtskrümmung. Die Längsfurche liegt indessen nahezu sagittal. Die Entfernung beider voneinander ist in der Mitte der Verlaufsstrecken am größten; sie beträgt 1,2 em. Diese Verschiebung verhält sich zur Leberbreite von 10,2 wie 1:9. 21 ne 03 —e 3) Neugeboren (Fig. 59). Die Anheftung des Sichelbandes ist hinten durch Auseinander- weichen der serösen Blätter durch eine dreieckige, serosafreie Fläche markiert. Vorn, wo die serösen Blätter zusammengeschlossen sind, weichen sie nach rechts ab; sie sind nach starker Krümmung mit linker Konvexität zur Ineisura umbilicalis gewendet. Die Längs- furche ist nahezu sagittal gerichtet. Die größte Entfernung beider voneinander beträgt vorn 1,35 em. Diese Strecke verhält sich zur Leberbreite von 10,6 em wie 1:7,85. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 617 4) 1jähriges Kind (Fig. 60). Das Sichelband ist in nach rechts konvexer Linie festgeheftet. Die stärkste Krümmung liegt vor der Mitte des dorso-ventralen Durchmessers. Der Grund der Längsfurche hält eine gerade, sagit- tale Riehtung ein. Die größte laterale Entfernung vom Sichelbande su il) N N a ID 2c. Sn Fig. 58. Leber eines 5 Monate alten Kindes, bei senkrechter Einstellung der Hohlvene von oben dargestellt. Y/z. Fig. 59. Leber eines Neugeborenen. Gleiche Darstellung wie die vorige Figur. 12. Die Fig. 25a, 29 und 33 stammen vom gleichen Objekte, Die Längsfurche, auf die Oberfläche projiziert, ist in unterbrochener Doppellinie in sie eingetragen worden, um die Lagerung zum Sichelbande erkennen zu lassen. Fig. 60. Fig. 61. 1.6c. Fig. 60. Leber eines 1jährigen Kindes. Ansicht von oben bei senkrechter Einstellung der Hohlvene. 2/5, Fig. 61. Leber eines Neugeborenen in gleicher Darstellung wie Fig. 60. 2/5" Z.M. 1905. 117. E.a.II. 26, Der Verlauf der Längsfurche ist auf die obere Fläche projiziert und in unterbrochener Doppellinie eingezeichnet worden, um ihre Lage zur Anheftung des Sichelbandes zu versinnbildlichen. beträgt 1,65 cm; sie verhält sich zur Leberbreite von 12,6 cm wie 12.09. 5) Neugeboren, Fig. 61 (Z. M. 1905. 117. Ea. I. 26). Die Siechelbandlamellen sind vor der Hohlvene weit auseinander- sewichen und schließen ein dreieckiges, serosafreies Feld ein. Von 618 Georg Ruge dessen vorderer Spitze setzt sich das geschlossene seröse Doppel- . band mit Rechtskonvexität zur Ineisura umbiliealis fort. Der Grund der Längsfurche beschreibt in dorso-ventraler Richtung eine Sförmige Biegung. Die vordere Krümmung biegt nach links hin aus und ent- fernt sich vom Sichelband bis auf 1,6 cm. Diese Entfernung ver- hält sich zur Leberbreite von 11,5 em wie 1: 7,2. — Die Fälle 1—5 stimmen in der gleichartigen Verschiebung beider Linien gegenein- ander überein: die Anheftung des Sichelbandes liegt in einer Sa- gittalebene rechts von der des Längsfurchenbodens. Die Anheftung des Sichelbandes beschreibt im Falle 2—5 eine Krümmung mit rechter Konvexität; sie nähert sich dadurch der Mitte des Querdurehmessers der Leber bei Aufnahme in deren natür- licher Stellung. Dieser Umstand entspricht den Bedingungen des Lig. faleiforme als eines Aufhängeapparats für das gesamte Organ. Eine Ausnahme hiervon ist der Befund 1 (Fig. 57). Hier verläuft die Befestigungslinie nahezu sagittal und liegt demgemäß weit nach links von der Mitte des Querdurchmessers. Das häufige Auftreten der Rechtsverschiebung der Bandanhef- tung ist an den voluminösen rechten Leberabschnitt angepaßt. Als Anpassungserscheinung dürfte es eine sekundäre sein, während der geradlinige Längsfurchenverlauf sich als unveränderter Zustand be- urteilen läßt. Die Verschiebung beider Teile gegeneinander wäre als eine Folge der starken Entfaltung des rechten Leberabschnittes verständlich. Der Fall 1 (Fig. 57) fügt sich in diesen Rahmen nicht ohne weiteres ein; aber wir nehmen wahr, daß die sagittale und weit links gelagerte Anheftungslinie des Sichelbandes durch die Ausbil- dung eines sehr großen, serosafreien Feldes im rechten Kranzband- abschnitte eine Kompensation erfährt. Der rechte Leberlappen er- langt dadurch im Dorsalgebiete eine stärkere Befestigung an der Bauchhöhlenwandung. Mit der Einstellung dieser wechselseitigen Ausbildung konnte sich der Primärzustand am Sichelbande erhalten. Lassen sich auf diese Weise die übereinstimmenden und die ab- weichenden Zustände in den Fällen 1—5 dem Verständnisse näher bringen, so wird auch der folgende Fall nach gleichen Gesichts- punkten beurteilt werden müssen. Er unterscheidet sich von den ersteren sehr wesentlich. 6) 15jähriger Jüngling (Hıs’ Modell), Fig. 62. Die Anheftung des Sichelbandes liegt in einer links konvexen Linie vor. Völlig abweichend von den andern Befunden beschreibt Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 619 die Längsfurche eine Krümmung mit rechter Konvexität. Beide ent- fernen sich voneinander bis auf 2,2 cm. Diese Strecke verhält sich zur Leberbreite von 21 em wie 1:9,5. Die Verschiebung vollzog sich im entgegengesetzten Sinne. Das Sichelband liegt sehr weit nach links von der Mitte des Querdurchmessers und trägt hauptsächlich den schwachen, linken Abschnitt der Leber. Aber auch hier treffen wir ein auf die Oberfläche weit ausgedehntes serosafreies Feld imrechtenKranzbandabschnitte an, wodurch dem massiven rechten Lappen die feste An- Leber eines 15jährigen Jünglings, in Ansicht von a a he dt dung gewährleistet gewesen die obere Fläche durch unterbrochene Doppellinie | . B = . eingetragen, um die Lagerung zur Sichelbandanhef- ist. Die Größe des Feldes Kine ae übertrifft im Verhältnisse zur ganzen oberen Fläche die auf Fig. 57 des Falles 1, was durch den Unterschied in der Anheftung des Sichelbandes bedingt sein wird. Die uns vorliegenden Beobachtungen lassen sich übersichtlich tabellarisch ordnen. Neue Aufnahmen werden sich in eine solche Tabelle leicht einfügen lassen. Sie ist geordnet nach der Steige- rung der die Verschiebungen bestimmenden Werte. bigam. /alcitorm Größte gegenseitige Verschiebung zwischen Sichelband- anheftung und Längsfurchenboden, bestimmt nach den sie schneidenden Sagittalebenen: Verschiebung | Verhältnis beider des Sichelbandes nach || Leberbreite zueinander a. rechts | b. links a. b. Erwachsener (Z.M. 1903. | 10. E. UI. 15.) Fig. 57 0,3 cm 20,45 cm | 1:68 5 Mon. altes Mädchen (Fig.58) 12 - IE, u Neugeboren (Fig. 59) 1,355 - I10,6 - RS) 1jähriges Kind (Fig. 60) 1 1,65 - | 112,6 - || 1:76 Neugeboren (Z. M. 1905. 117. | | | E.a. 26) IRB 11,5, #02 15jähriger Jüngling (Hıs’ Mo- | | | dell) Fig. 62 22cm |210 -| 1:99 620 Georg Ruge Die Zunahme der Verschiebungen an der Sichelbandbefestigung vollzieht sich, wenn aus den spärlichen Beobachtungen ein Schluß gezogen werden darf, nicht mit zunehmendem Alter; sie geschieht unabhängig davon. Es ist möglich, daß eine größere Beobachtungs- reihe andre Ergebnisse hervortreten läßt. 4. Höhenlage der Imeisura umbilicalis. Die Höhenlage des durch das Lig. hepato-umbilicale erzeugten Einschnittes erscheint als ein immer gut bestimmbarer Punkt am Vorderrande der Leber. Durch sie läßt sich die Ausdehnung beider Leberhälften an besagter Stelle für den einzelnen Fall zum Ausdruck bringen. Steht die Ineis. umbilie. relativ tief, hängen die Lappen demgemäß weit herab, so nähert sich der Befund dem beim Embryo bestehenden, wo die Leber mit ihrem Vorderrande weit in die Bauch- höhle herabragt. Dieser embryonale Zustand kann jedoch nur dann im phylogenetischen Sinne ein ursprünglicher sein, wenn bei niederen Primaten ein tieferer Stand der Ineis. umbilie. als wie bei den höheren Formen nachgewiesen werden kann. Der höhere Stand des Einschnittes wäre, wenn das letztere zuträfe, was aber nicht der Fall ist, als ein Sekundärzustand zu beurteilen. Mit der Stel- lung der Frage entsteht der Wunsch nach deren Lösung. Sie ist nur an gut gehärtetem Material möglich und deshalb schwierig, weil die großen individuellen Schwankungen beim Menschen viele Be- obachtungen nötig machen. Hier erhebt sich eine nicht durchbro- chene Schranke, so daß wir uns mit dem Wunsche, der Frage näher- zutreten, begnügen müssen. Die Höhe der ganzen Leber als gut bestimmbare Größe darf für die Feststellung der Höhenlage der Incis. umbilie. zum Maßstabe gewählt werden. Durch das Verhältnis beider Größen zueinander erhalten wir Werte, welche untereinander verglichen werden können. Es können zwei derartige Werte gewonnen werden, erstens wenn wir die Entfernung der Ineisur vom Leberscheitel, zweitens wenn wir die Entfernung der Incisur von der tiefsten Stelle der Leber in Relation zur ganzen Höhe des Organs bringen. Die Maße müssen bei gleicher Einstellung der Leber gewonnen werden. Wir wählen hierfür die Einstellung der Cava-Achse in die Senkrechte. Die erhebliche Schwankung im Höhenstande der Ineisur läßt den Einfluß verschiedener variabler Faktoren auf den Stand ver- muten. Die wechselvolle Ausbildung des durch Zwerchfell und Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 621 Brustorgane bedingten Leberscheitels, die variable Ausdehnung des rechten Leberabschnittes nach abwärts gesellen sich zu den Schwan- kungen hinzu, welche im Verhalten des Vorderrandes herrschen. Bei den Messungen ist stets der Eingang zur Ineis. umbilic. als fester Punkt gewählt worden, da durch ihn die größte Entfaltung der Lappen an der Stelle des Vorderrandes angegeben ist. Der Boden des Einschnittes, als Meßpunkt genommen, könnte eine Be- sprechung für sich erfahren. Für die Cereopitheciden sind die Ergebnisse überraschend gleichlautend, was die folgende Zusammenstellung zu erkennen gibt. Entfernungen der Incis. umbilic. b. von der a. vom Leber- Kehentel unteren Grenze un der Leber ||im Verhältnis zur Höhe der Leber Cercopithecus cephus (Fig. 5) 1: 2,6 L’T6 - ER a) 1:2,5 Sa ları - talapoin (Fig. 12) 1:2,3 121% - petaurista (Fig.16) | 1:23 1218 Macacus eynomolgus (Fig. 25) | 1:2,4 1,2 Papio babuwin (Fig. 37) I 1:17 Die Schwankungen bewegen sich innerhalb kleinster Grenzen. Die Strecke der Ineisur bis zum Scheitel der Leber beträgt den 2,3.—2,6. Teil der Leberhöhe, die Strecke der Ineisur bis zur unter- sten Lebergrenze den 1,6.—1,8. Teil der Höhe des Organs. Bei den Anthropoiden ist die Gleichmäßigkeit in sehr erheb- licher Weise gestört. Auch die individuellen Schwankungen spielen eine Rolle. An Werten, den obigen entsprechend, sind folgende zu verzeichnen: Hylobates syndactylus (Fig.1) al:2 | 51:2 = Miilleri a ae Orang ET ee H = 65.1223,0 ı6,5.178,0 - - +) 1 b.1:2,9 Schimpanse wre 1 225 171,04 70 128,0 - (- a Was die Werte a, Entfernung der Incisur vom Leberscheitel zur ganzen Höhe des Organs, anlangt, so nähern sich nur die bei Syndactylus und Orang (Fig. 6) gefundenen (1: 2,0) denen der Oereco- pitheeiden. Zweimal ist die Scheitelentfernung der Ineisur sehr er- heblich verkleinert; sie beträgt bei Aylobates Mülleri den 5., bei 622 Georg Ruge Orang (Fig. 8) gar nur den 7,2. Teil der Leberhöhe. Hier liegt ein excessiver Bildungszustand vor, welcher auch bei menschlichen Ob- jekten nieht seinesgleichen findet. Dieser ausgesprochenen, weit über das Cereopitheeidenmab hinausgehenden Höhenverschiebung der Ineis. umbilie. stehen gegenüber alle Fälle mit relativem Tief- stande. An das Verhältnis von 1:2 reihen sich das von 1:1,7 beim Schimpanse (Fig. 5) und das von 1:1,5 bei Schimpanse (Fig. 4) und Orang (Fig. 7) an. Diese Werte liegen unter denen bei nie- deren Primaten. Ihnen reihen sich die meisten beim Menschen ge- fundenen an. Drei Beobachtungen beim Orang lassen die übergroßen indivi- duellen Schwankungen hervortreten; sie liegen zwischen den Werten 1:72 und 1:1,5. Zwei Beobachtungen beim Schimpanse stimmen nahezu überein; die Differenz beträgt nur 1:0,2. Fünfmal unter 7 Fällen liegt die Ineisur bei den Anthropoiden tiefer, zweimal erheblich höher als bei den Cercopitheeiden. Der häufige Tiefstand bei den Anthropoiden steht im Einklange mit der Breitenzunahme sowie mit der relativen Höhenabnahme der Leber bei ihnen (Aufsatz V, S. 145—147). Das Zusammentreffen beider Er- scheinungen an der Leber geht so weit, daß der Fall Orang (Fig. 8) im Breiten-Höhen-Verhältnis von 1,37:1 sich an die Cereopitheeiden anlehnt, während der Fall Fig. 7 durch den Wert von 2,5:1 sich sehr weit von diesen entfernt. Die unter 5 aufgeführten Verhältniswerte zwischen Entfernung der Ineisur vom tiefsten Punkte der Leber und der Leberhöhe sind so zu verstehen, daß der Hochstand der Ineisur bei Cerceopitheciden als ursprüngliches Primatenverhalten durch die größeren Bruchteile, wie z. B. durch 1:2 bei Orang (Fig. 6), angedeutet wird, daß der Tiefstand als Anthropoidenmerkmal aber durch die kleineren Bruch- teile, wie 1:2,9 bei Orang der Fig. 7, zum Ausdruck kommt. Beim Sehimpanse (Fig. 4) liegt der differenteste Befund mit dem Werte 1:3 vor. An die Stelle der Gleichartigkeit bei Cercopitheeiden tritt ein schwankendes Verhalten bei Anthropoiden. Diese Tatsache verdient volle Berücksiehtigung. Für ihre Eıklärung wird der Umstand maß- gebend sein, daß die Form der Anthropoidenleber eine eingreifende Veränderung erfahren hat, welche sich neben vielen andern Sym- ptomen aus der Breitenzunahme und der gleichzeitigen Abnahme der Höhe erkennen läßt. Neue Phasen in der phylogenetischen Um- wandlung der Organe ziehen generelle und individuelle Schwan- Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 623 kungen überall nach sieh. Die an der Leber sich vollziehenden Veränderungen sind, wie wir es ausdrücken können, bei den Anthro- poiden noch nicht zur Ruhe gekommen, da sie unter dem Einflusse der den ganzen Rumpf verändernden Einflüsse stehen. Die bei Anthropoiden auftretende Erscheinung pflanzt sich auf die Organisation des Menschen fort. Große Variationen in den be- stimmten Werten lassen das »Normale« wegen Mangels an reicher Erfahrung zunächst noch nicht hervortreten; aber die geringen Be- obachtungen zeigen dennoch einen engeren Zusammenhang einer einheitlichen stammesgeschichtlichen Entwicklung. Wir verfügen über das folgende Material. Entfernung | | [dar Ineisura umbilicalis Höhe Verhältnisse | yon b. vom tief der | der Leberhöhe zu | Leber- |sten Punkte, Leber || | scheitel | der Leber | A b Embryonen. 17 em lang (n. Er. Mürrer)| 1,95 cm 0,65cm | 2,6 cm El 1:40 20 = - 1 a oe ua lign 41 Age 25 - 121.667] :1:28 2 - - Pa Dr u Ian 961 ur 905#5.1.3231.36 I 154 Älterer Embryo (Fig.27) | 35 - |29 - |64 - | 1:18 | 1:22 Neugeborene. Fig. 29 5.251. NayıIE = 80 - 134:527)..2323 - 26(2.M.05.117.E.11.26)| 43 - |39 - 82 - 1297. 1723 4 Monate altes Kind (Fig. 28)| 3,55 - 6,83 - 104 - 1:3 r:%5 5 - - Mädchen 29 -.1 6,4, - I3,- 1:32 E=:1,46 ljähriges Kind 3,705 - 168 - 11055- 1:38 1:1,55 15jähr. Jüngling (Hıs’ Modell 98 - |45 - 143 - 721,46° 112730 Erwachsener (Z. M. 1907. 44. | | E. II. 32) 100.9 93 ia. > 1:1,73:,|,1:28 Erwachsener (Z. M. 1903. 10. | E. I. 15) It. = 1,84, ln 123.8..71:23 Die Stellung der Ineisura umbilicalis bei Neugeborenen und bei einem 4 Monate alten Kinde ist aus den Fig. 26—29 zu bestimmen. Ihre Linkslage, die Entfernung von der Cava-Achse sind aus ihnen ablesbar. In gleicher Weise ist die Haltung des vorderen Leber- randes und dessen Neigung zur Horizontalen durch die Abbildungen erkennbar. Ich lasse einige weitere Beobachtungen an gut gehär- teten Lebern von älteren Personen folgen. 1) 1jähriges Kind (Fig. 63). Die Ineisur steht verhältnismäßig hoch; sie entfernt sich um den 4. Teil der Leberbreite von der Cava-Achse. Der links von ihr befindliche Abschnitt der Leber 624 Georg Ruge beträgt den 3,3. Teil des Querdurchmessers des Organs. Der Vorder- rand steigt ziemlich steil nach links oben an und umschließt mit der Horizontalen einen Winkel von etwa 44°. Die Entfernungen der Ineisur vom Scheitel sowie vom tiefsten Punkte der Leber sind in der Tabelle und auf der Figur angegeben. Fig. 63. Fig. 64. Fig. 63. Leber eines 1jährigen Kindes, in Vorderansicht bei senkrechter Einstellung der Hohlveue 1/3. Lage der Ineisura umbilicalis zum Leberscheitel und zum tiefsten Punkte des Organs. Fig. 64. Leber eines 15jährigen Jünglings (Hıs’ Modell), bei senkrechter Einstellung der Cava-Achse in Vorderansicht. 1/4. Fig. 65. Fig. 66. | i / 4 < Mschn I9chm \ \ \ SEN IS a: S Fig. 65. Leber eines Erwachsenen, in Vorderansicht bei senkrechter Einstellung der Cava-Achse, Z. M. 1907. 44. E.a. 32. Ya. Fig. 66. Leber eines Erwachsenen, in gleicher Ansicht wie das vorige Objekt. Z. M. 1903. 10. E.a. 15. 2) 15jähriger Jüngling (Fig. 64). Die Ineisur steht tief und ist nach links verschoben; sie entfernt sich von der Cava-Achse um etwas weniger als den 6. Teil der Leberbreite. Der Breitenteil links von ihr beträgt den 2,5. Teil des ganzen Querdurchmessers der Leber. Der Lebervorderrand nimmt eine wenig steile Haltung ein und um- Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 625 schließt mit der Horizontalen einen Winkel von etwa 22°. Die Tiefstellung der Ineisur ist zum Teil durch die starke Ausprägung des durch das Herz erzeugten Eindruckes bedingt. 3) Leber eines Erwachsenen, Z. M. 1907. 44. E. a. 32 (Fig. 65). Die Ineisur liegt tief, ohne daß der Herzeindruck sehr ausgeprägt ist: sie ist weit nach links verschoben und entfernt sich von der Cava-Achse um den 3. Teil der Leberbreite. Der links gelegene Breitenteil beträgt den 3,7. Teil des ganzen Querdurchmessers. Der Vorderrand umschließt mit der Horizontalen einen Winkel von etwa 32°. 4) Leber eines Erwachsenen, Z. M. 1905. 10. E. II. 15 (Fig. 66). Das Organ ist auffallend gedrungen und in der Höhe stark ent- wickelt. Die Ineisur steht tief, bei geringer Prägung des Herzein- druckes; sie entfernt sich von der Cava-Achse um den 4. Teil des Querdurchmessers. Der links von ihr befindliche Abschnitt der Leberbreite beträgt den 4. Teil der ganzen Breite. Der Leber- vorderrand umschließt mit der Horizontalen einen Winkel von 40°, 3. Ineisura umbilicalis; Ausdehnung auf die Vorderfläche der Leber. Der Einschnitt dringt vom Vorderrande der Leber oft auf die gewölbte Vorderfläche ein. Die Ausdehnung beträgt bei älteren Em- bryonen und Neugeborenen zuweilen mehrere Zentimeter. In der Regel fällt der Einschnitt mit der Anheftung des Lig. faleiforme zusammen. Nicht selten schneidet das obere Ende der Ineisur eine Strecke weit in den linken, zuweilen auch in den rechten Lap- pen ein. Das war für den linken Lappen der Fall bei einem 6 Wochen alten Kinde, wo die Ausdehnung 1,5 cm betrug, ferner bei einem Neugeborenen, bei welchem die 2 cm lange Ineisur 0,4 cm in den Lob. sin. sich ausdehnte. Beim Erwachsenen kann die Ausdehnung der Ineis. umbilicalis eine größere Strecke zurücklegen. Das größte Maß bliebe festzu- stellen. Ich habe bei einem 58jährigen Manne eine 6 cm, bei einer 23jährigen Frau eine 5,5 em lange Incisur angetroffen. Außerdem wird die relative Länge der Ineisur zu einer andern Größe festzu- stellen sein. Ich habe als letztere die Grenze des Sichelbandes ge- wählt und für die Leber der Affen gefunden, daß die relative Länge der Ineisur bei den Cercopitheeiden allmählich zunimmt. Das Ver- hältnis der Länge der Ineisur und der des Sichelbandes ist bei Cercopithecus cephus juv. 1:4, schwankt in 11 andern Fällen zwi- Morpholog. Jahrbuch. 37. 41 626 Georg Ruge schen 1:2,5 und 1:1,6. Durch diesen Wert wird die verhältnis- mäßig große Ausdehnung des Stammlappens in ventro-caudaler Rich- tung ausgedrückt. Die Beobachtungen an der Leber der Anthropoiden sind zu spärlich, um bei den großen individuellen Schwankungen die regelmäßige Erscheinung herauszulesen. Wenn wir die Befunde bei Cercopitheciden als Vorstufen für die der Anthropoiden und des Menschen betrachten dürfen, so sind die Organe mit tief in die Vorderfläche einschneidenden Ineisurae umbilieales die ursprünglicheren. Unter Berücksichtigung dieser An- nahme lasse ich eine Beobachtungsreibe, an Individuen verschieden- sten Alters angestellt, folgen. Die Größe der Schwankungen ergibt sich dabei sofort aus der Tatsache, daß bei einem 40jährigen die Ineisur 5 em, bei einem 58jährigen gar 6 cm in die vordere gewölbte Fläche einschneidet, während bei einem 60jährigen der Einschnitt nur am Vorderrande der Leber angedeutet ist. Aus derartigen Befunden läßt sich nicht folgern, daß das Alter einen Einfluß auf die Länge des Einschnittes besitze, diese bestimme. Hier können statistische Aufnahmen möglicherweise eine Entschei- dung treffen. Tierische sowie embryonale Befunde werden soweit wie möglich bei der Beantwortung der schwierigen Frage berück- sichtigt werden müssen. Bei der Aufnahme der Länge des Sichelbandes wurde die Vorder- wand der Hoblvene als Endpunkt gewäblt. Da die meisten Mes- sungen an Sectionsleichen genommen wurden, schlichen sich notge- drungen Ungenauigkeiten ein. Verhältnis Alter Sea uns | der Me Sichel. beider männl.! weibl. | umbilicalis bandes || zueinander 9 Tage | + 1 em | 55cm 1:5,5 4 Monate |. + 19237 Pan 1:31 | + N 1:3,25 ng + 1730: 58. 1:2,9 1 Jah | z I 15 - 1.70. I + 108 - 55 - 1:70 1!/, Jahre | 2 20: = 1175 Sue 13 =] + 1.15.- 1658 De ala. je +:]1.30- =, 1,45. RE Pe 102 - |95 - | 1:475 3 ei 1.2,5°-- 1745 - ven | a 15° - 1850 IE ler 65 - 1:65 Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. Alter GenhIBCHE der en Sichel- ar männl. | weibl: | umbilicalis bandes zueinander | + | 10cm | 5,0 cm 1:5,0 4 Jahre | 30 - 20% 1:23 My5 - a N re ae 0 1:3,0 54, U EN 152 1: 2,08 Yu r= 030 Ye 1:2,3 oe ee a ee ige 1:45 10, | - Re N 1:2,6 1 Me es 2008 INBOR- 1:2,25 B® 30,3: 114,04 1:3,7 l,.- TR ? 18 = Ber 1100 > 1:40 NE 19 #94: er EB NUR 1:1,66 ee a Na 1:3,7 le ge 10 -: 1.80 = 12780 22 - | + gr > 1:19 2 255 - 1100 .- 1:2,0 | 4,5 - Vo 2 + 30 - sche 1:27 Re: 720-1 12 - 1:6,0 an + 45 - ? ? + 30°, 90 1:3,0 230,24. 1807- 1:3,7 Be EN a = 1:5,5 30 - es |.20.-..|120 1:6,0 Alert - 2 SE =. | 85 - 1:2,8 35 - r | 40 - 1100 - 1:25 + | 3:02= u h10,0»- 1:3,3 | 1 n- 1:4,8 an u | 40 - | 90 - 1:2,25 39 - I bu 0 Nu 1:18 a0 ® en 50° 8A LEE6 Alırme e OR 1:21 44 - + 140 - | 75 - || 1:187 2:35, 3,1107 31 Aue - + 12.0 ;- Er 1:2,5 7 il: = 2 807 > 1:4,0 r 17 4,0:02: 1 11,009 10192,8 48 - + 30.7- 10,0% 1:33 215 -,, 1.90% 1:6,0 507 = + | 235 - | 95 - 1:3,4 LE N eIEL- 1:10,0 52 - + 0r.. Alaore 1:4,0 = 7% + 25:24) 10.0)- 1:4,0 5 - 1.30%: 413.0. - 1:43 627 628 Georg Ruge 1 | Alter GeseTe || dersiecae: | des Sichel. a männl.| weibl. | umbilicalis | bandes | zueinander 56 Jahre | + 30.51 ELDEE | 1:32 58 - 2 6,0 - 1.85 = lasse 45 - | 85 23 St 607% +1 20.2 7 Pose It 30 = 10 64 - a ee ar) | 1:18 62. > ar 35 -.1.80 ee 9 - + | 830 - | 95 ser Tr e 30 - 1100 - || 1:33 og we 2.220 ange 1:4,75 Bo EuE Beliger ıT - 1:2,3 70 Falle || 36 | 34 Mittel: | Mittel: | Mittel |Fälle Fälle, 2,85 8538 | 1:48 Jahr: Fälle: | Mittel: |; Mittel: | Mittel: en Bir + A 61 1:48 3.—. 10 1.98 74 | 1:85 | (1: 3,88 7-2D, 10. | 31. |806 1: 3.04 21.—30. 1. 732 100 | 1:4,09 31. - 40. 7 3,8 9,5 1:2,72 41.—50. 0 | 238 945 | 1:39 51.— 60. 8 |. 32: | 108 1:3,5 61.—80. 6 31° .\.:88 1:2,94 Die Länge der Ineis. umbilicalis, wenn das Mittel aus allen Beobachtungen gezogen wird, 2,85 cm, beträgt im 1.—2. Jahre im Mittel 1,6 em. Die Ineisur nimmt im 3.—5. Jahre an Länge bis auf 1,98 em zu. Späterhin schwankt die Länge als Mittelwert nur wenig; sie beträgt ungefähr 3 em, steigt im 31.—40. Jahre aber auf 3,8 cm. Auch die Länge des Sichelbandes schwankt beim Erwachsenen wenig. Sie beträgt im Mittel für alle Fälle 8,8 cm, im 1.—2. Jahre 6,1 cm, im 3.—5. Jahre 7,4 cm und später 9—10 em. Im 61.—8&0. Jahre sinkt der Mittelwert auf 8,5 em herab. Das Verhältnis der Längen beider zeigt den Mittelwert von 1:42; es unterliegt in den einzelnen Jahresabschnitten Schwan- kungen, welche nach den vorliegenden geringen Beobachtungen zu groß sind, als dab eine gesetzmäßige An- oder Abschwellung nach- gewiesen werden kann. Die Mittelwerte für die Verhältniswerte sind bei so kleinem Materiale durch excessive Einzelwerte allzusehr beeinflußt. So ist der Wert für das 3.—5. Jahr in 10 Fällen 1: 8,25. u Bi u 1 li ® ud 7 u Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 629 Berücksichtigen wir den Fall eines 23/,jährigen Mädehens nicht (1:47), so fällt der Mittelwert für 9 Fälle auf 1:3,88 und schließt sich enger den andern Werten an. 6. Lagerung der Hohlvene im Leberparenchym. Die untere Hohlvene ist bei den Halbaffen allseitig vom Leber- parenchym umschlossen. Das ist eine allgemein gültige Erscheinung. Es sind eine untere Eintritts- und eine obere Austrittsstelle der Hohlvene zu unterscheiden. Es kann kaum einem Zweifel unter- liegen, daß dies anatomische Verhalten für die Primaten ein ur- sprüngliches ist; denn es stellt sich wieder bei den Westaffen ein, tritt in der Regel bei den Öercopitheeiden auf und verliert sich erst allmählich bei den Anthropoiden und beim Menschen. Bei den letzteren leitet die Umwandlung sich dadurch ein, dab der dorsale Belag von Lebermasse schwindet, bis schließlich die ganze dorsale Wandfläche der Hohlvene frei zutage liegt. Es bestehen bei den einzelnen Anthropoiden und beim Menschen alle denkbaren Rückbildungszustände des dorsalen Leberbelages an der Hohlvene. Eine ähnliche Rückbildung leitet sich aber auch schon am Or- gane der Westafien und der Cercopitheeiden ein. Es liegen aber immer nur vereinzelte Fälle der Umbildung, und meistens nur in ihren Anfängen, vor. Während der primitive Befund unter den Westaffen bei Cebus die Regel zu sein scheint, ist bei 4Aieles ein vorgeschritteneres Verhalten ausgesprochen. Die Hohlvene konnte ohne Verletzung der Lebermasse von hinten her aus der Drüse her- ausgelöst werden, was die Leber von Cebus nicht gestattete.e Man vergleiche die Abbildungen im Aufsatze II, 1902. Die Befunde bei Üercopitheeiden sind im ganzen primitiver Art, lassen aber den Be- ginn eines Substanzverlustes an der Dorsalwand der Hohlvene gut erkennen, was auf S. 204—206 des Aufsatzes IV, 1906, näher be- sprochen worden ist. Die Papionen zeigen das höchste Maß von Einschmelzung des dorsalen Mantels der Hohlvene. Für die Anthropoiden ist auf S. 222—225 des Autsatzes V, 1906, ausgeführt worden, daß die Hohlvene mit ihrer Dorsalwand völlig aus der Leber herauszutreten vermag. Die Leber des Gorilla kann mit ursprünglichem und ganz abgeändertem Verhalten versehen sein. Das Organ des Schimpanse ließ stets einen dorsalen Hohlvenen- belag erkennen, welcher entweder einheitlich erschien oder als Be- 630 Georg Ruge ginn einer Reduktion eine Naht erkennen ließ, in welcher die be- nachbarten Lappen (Dorsal- und rechter Seitenlappen) zusammen- stießen. Die Hohlvene war beim Orang in der Mehrzahl der Fälle vollkommen von der Leber umschlossen. Es bestand aber wie bei Schimpanse meistens eine Naht im Dorsalbelage. Der Belag konnte sehr dünn sein oder streckenweise auch ganz fehlen. Unter den Hylobatiden ist bei Hylobates Müller! Primitives bewahrt geblieben. Bei andern Arten kam es zu einem völligen Schwunde des dorsalen Hohlvenenmantels, so daß die Hylobatiden die Entwicklungsreihe unter den Anthropoiden beschlossen. Die Dorsalwand der Hohlvene ist durch Auswachsen der be- nachbarten Leberlappen von beiden Seiten her entstanden. Der Be- fund bei Cercopithecus talapoin sowie die häufig auftretenden Naht- stellen in der Wand sind dafür untrügliche Beweisstücke grob ana- tomischer Art. Treten wir der Beurteilung aller an der menschlichen Leber vertretenen Zustände näher, so haben wir für sie unter Verwertung der vergleichend-anatomischen Tatsachen den Schlüssel für deren Erklärung in der Hand. Alle Befunde mit allseitiger Einlagerung der Hohlvene in das Leberparenchym sind hiernach ursprünglicher Natur. Liegt die Dorsalfläche der Vene frei zutage, so handelt es sich um Sekundärerscheinungen. Damit steht zunächst die Tatsache im Einklange, daß die Hohlvene in früherer Embryonalzeit das Or- gan weit von dessen Dorsalfläche durehbohrt. An Organen junger und erwachsener Individuen tritt Ursprüngliches und Abgeändertes variierend in die Erscheinung. Als Regel hat aber das Heraustreten der Vene aus der Leber zu gelten. Statistische Aufnahmen an nahezu 90 Organen verschiedensten Alters stellen diese Tatsache fest. Die Kräfte, welche in der Primatenreihe die allmähliche dor- sale Verlagerung der Hohlvene in der Leber erzielen, wirken mög- licherweise während des Lebens weiter fort, wodurch im höheren Lebensalter der Erfolg schärfer als in der Jugendzeit hervortreten muß. Es ist erwünscht, dies durch Massenuntersuchungen einmal festzustellen. Die Tatsache der allseitigen Einlagerung sowie der freien Lage der dorsalen Venenwand in der Leber ist hinreichend bekannt, so daß diese Darstellung an Bekanntes anknüpfen und zur Vertiefung der fraglichen Punkte beitragen kann. Das neue Beobachtungsmaterial sei zunächst vorgeführt. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 631 Lagerung der Hohlvene in der embryonalen Leber. 1) Weiblicher Embryo von 8 em Scheitel-Steißlänge (Fig. 67). Die Hohlvene tritt in die Intestinalfläche der Leber 4 mm vor dem Dorsalrande ein. Der dorso-ventrale Durchmesser der Leber beträgt an der Eintrittsstelle 1,7 em, so daß diese etwa an der Grenze des 1. und 2. dorsalen Viertels des dorso-ventralen Durchmessers sich befindet. Die Vene ist in der Leber völlig eingebettet. 2) Weiblicher Embryo von 14,8 cm Scheitel-Steißlänge (Fig. 68). Die Eintrittsstelle der Hohlvene ist vom dorsalen Leberrande 1—2 mm entfernt. Der dorso-ventrale Durchmesser der Leber beträgt an der Eintrittsstelle etwa 2,5 cm, so daß diese im Vergleiche mit dem vorigen Fig. 67. Fig. 68. Fig. 67. Leber eines scm langen weiblichen Embryos, von der Intestinalfläche aus gesehen. Yı Die untere Hohlvene betritt die Leber 4 mm vor dem Dorsalrande und ist allseitig vom Parenchym umschlossen. Fig. 68. Leber eines 14,5 cm langen weiblichen Embryos, von der Intestinalfläche aus gesehen. Y/ı Die Hohlvene betritt die Leber 1—2 mm vor deren Dorsalrande. In der hinteren Parenchymwand der Hohlvene ist eine feine Naht erkennbar. Falle um ein sehr bedeutendes dorsalwärts verschoben erscheint. Die Hohlvene ist von der Lebermasse völlig umgeben. Eine feine Naht ist im dorsalen Mantelbelag der Hohlvene erkennbar; sie trennt die von rechts und links um das Gefäß ausgedehnten Drüsenläppehen. 3) Bei älteren Embryonen kann die .Hohlvene des dorsalen Be- lages mit Lebermasse bereits in ganzer Ausdehnung verlustig ge- sangen sein. Dies zeigt die Fig. 32, welche die Leber eines fast ausgetragenen Kindes, von der Dorsalfläche aus betrachtet, darstellt. Die Rückbildung des dorsalen Mantels hat oben und unten sich rascher vollzogen als in der Mitte der Verlaufsstrecke der Hohlvene durch die Leber. Von rechts her springt noch ein stumpfer Fort- satz des rechten Lappens über die Dorsalfläche des Gefäßes gegen den Dorsallappen vor. | 632 Georg Ruge 4) Eine Zwischenform zwischen 2 und 3 findet sich bei einem älteren Embryo der Fig. 31. Der Dorsallappen stößt mit dem rechten Lappen in einer senkrechten Naht zusammen. Beide bedecken die Hohlvene an der ganzen Dorsalwand. Oben und unten zeigt sich ein Verlust des Leberparenehyms in Einkerbungen, welche gegen die Nahtstelle vordringen. Leber von Neugeborenen. Neben dem ursprünglichen Verhalten lassen sich Fälle der Auf- lösung des dorsalen Parenchymbelages sowie solche der höchsten Umbildung wahrnehmen. Eine allseitige Umgebung durch Leberparenchym findet man für die Hohlvene auf der Fig. 47. Der dorsale und der rechte Lappen stoßen zur Bildung einer senkrechten Naht aufeinander. Auf Fig. 34 liegt die Hohlvene dorsal in der ganzen Längs- ausdehnung frei. Der Rückzug der Leberinseln zu den Seiten ist aber nicht gleichmäßig erfolgt. Unweit der Austrittsstelle der Hohl- vene aus der Leber stoßen die Mantelreste von rechts und links her noch beinahe aneinander. Abwärts davon wird die Cava-Wand freier und freier, und in der Höhe des unteren Randes des Dorsal- lappens entbehren sogar die Seitenflächen des Leberbelages. Auf den Fig. 353 und 35 ist die Hohlvene ganz aus der Leber herausgetreten. Der Dorsallappen lagert sich ihr mit scharfem Rande auf, während der rechte Lappen noch einen stumpfen Fortsatz in der Nähe der Austrittsstelle als Belag der dorsalen Venenfläche hinterlassen hat. Ein soleher ist abgerundet und winzig auf Fig. 35, etwas plumper und ausgedehnter auf Fig. 35. Auch diese Reste werden in andern Fällen vermißt. Jugendliche Individuen. Auch bei ihnen werden schwankende Verhältnisse angetroffen. Als Beispiel für einen primitiven Befund diene der Befund bei einem 4 Monate alten Kinde (Fig. 30). Die Hohlvene ist an ihrer Dorsal- fläehe unterhalb der Austrittsstelle mit Leberparenehym völlig be- lest. Es stammt vom Dorsallappen her, welcher rechts von der Vene mit dem rechten Lappen verschmolzen ist. Der Verlauf der Serosa-Anheftung gibt die. Stelle der Verschmelzung an. In der unteren Hälfte der Verlaufsstreeke durch die Leber ist die Vene frei von Drüsengewebe, und zwar an ihrer dorsalen sowie an der rechten Wandtfläche. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 633 Die Anheftungsstelle der Serosa biegt vom oberen Rande des Dorsallappens aus nach unten und rechts ab und findet sich schließ- lich 2 em rechts von der Hohlvene, an deren freier Wand sie schräg nach links unten herabsteigt. 4 Tage alter Knabe (Fig. 69). Die Hohlvene ist in der oberen Hälfte von einer 2 em dieken Parenehymbrücke bedeckt. Sie reicht bis zur Austrittsstelle der Hohlvene aus der Leber. Der scharfe untere + IQAIN. and der Brücke setzt sich nach faleit‘ rechts in jene Querleiste fort, welche Fig. 69. die tiefe Nebennierengrube aufwärts R5: absetzt. Unterhalb der Brücke liegen FEN die dorsale und die rechte Venenwand \ Jmpr. sıh frei. Die rechte Wand hilft die Impr. supraren. begrenzen. — Die Anhef- tungsstelle der Serosa liegt am Dor- sallappen links hinter der Cava inf.; -sie begibt sich von der Substanz- brüeke aus zur Mitte der dorsalen Leber eines 4 Tage alten Knaben, von der V d Dorsalfläche aus gesehen, bei senkrechter 'enenwand. Einstellung der Hohlvene. 2/3. Letztere In der Höhe der Nebenniere ist ist von einer 2 mm dicken Parenchymbrücke e . dorsal bedeckt. hier wie auf der Fig. 30 die Hohl- vene dorsal und rechts frei aus dem Leberparenchym herausgetreten. Die Anpassung der Nebenniere an Vene und Leber läßt sich in beiden Fällen als Ursache für die Einschmelzung des Parenchyms verstehen. Bei einem 14 Tage alten Mädchen ist eine quere Parenchym- brücke von etwa 4 mm Höhe zwischen dorsalem und rechtem Lappen erhalten. Die Brücke nimmt die Dorsalwand der Vene in der Mitte deren Verlaufsstrecke durch die Leber in Beschlag. Die Leber eines ljährigen Kindes zeigt den Verlust einer zu- sammenhängenden Substanzbrücke in ganzer Ausdehnung der Hohl- vene (Fig. 70). Dorsaler und rechter Lappen stoßen mit scharfen ändern etwa in der Mitte der Verlaufsstrecke der Hohlvene durch die Leber aneinander, ohne irgendwo zu verschmelzen. Auf- und abwärts von der Berührungsstelle der Lappenränder liegt die dor- sale Venenwand frei zutage. Abwärts lagert sich die rechte Neben- niere der Vene und dem serosafreien Felde des rechten Lappens auf. Entfernt man die Nebenniere, so tritt die tiefe Impr. supra- renalis zutage. Sie ist die Ursache dafür, daß auch die rechte big. —— falcıl. }. MN \ Farenchrm N z brürke \ =Ng Serost- \ SI Lobus VE \ N/ dorsalis N /dld \ —\ } Ne 634 Georg Ruge Venenwand vom Leberparenchym entblößt ist. Das Verhalten deckt sich mit dem auf den Fig. 30, 31 und 34. Die Anheftung des Bauchfelles folgt dem oberen Rande des Dorsallappens, hält sich dann an dessen rechtem Rande, um weiter abwärts auf die Mitte der freien, dorsalen Venenwand überzugehen. Die Lücken im dorsalen Parenchymbelage erweitern sich von der Berührungsstelle der Lappenränder aus rasch nach oben und Fig. 70. Fie.77% @sS 4] ER IE Fig. 70. Leber eines 1jährigen Kindes, von der Dorsalfläche aus gesehen, bei senkrechter Einstellung der Hohlvene. !/.. Die dorsale Parenchymwand der Vene ist gespalten. Dorsaler und rechter Lappen stoßen in der Mitte der Verlaufsstrecke der Vene durch die Leber aneinander, ohne verwachsen zu sein. Fig. 71. Leber eines 5 Monate alten Mädchens, von der Dorsalfläche aus bei senkrechter Einstellung der Cava-Achse dargestellt. 1/2. Die Hohlvene bleibt durch Auseinanderweichen des dorsalen und des rechten Lappens eine Strecke weit vom Parenchym unbedeckt. nach unten. Unten hat an der Atrophie die Nebenniere einen sicht- lichen Anteil genommen. Oben ist eine ohne weiteres erkennbare Ursache nicht vorhanden. 5 Monate altes Mädchen (Fig. 71). Die der Dorsalfläche der Hohlvene sich auflagernden Leberlappen bleiben bis auf 2 mm von- einander entfernt. Dabei zeigt der rechte Lappen einen stumpfen Höcker, dessen oberer Rand stärker als der untere Rand lateral- wärts ausweicht. Auf diese Weise liegt die obere Hohlvenenstrecke freier als die untere zutage, welche erst in der Gegend der Im- pressio suprarenalis des Parenehymbelages ganz verlustig geht. Erwachsene. Bei ihnen werden alle Grade der Ausbildung von dorsalen Sub- stanzbrücken an der V. cava angetroffen. Die zahlreichen Schwan- kungen stimmen überein mit den wenig gleichartigen Darstellungen der Anatomen von diesem Gebiete der Leber. Nach der Rückbildung des Leberparenebyms an der dorsalen Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 635 Venenwand bleibt häufig eine leicht darstellbare Bindegewebshaut von festerer oder zarterer Beschaffenheit zurück. Sie hängt unmittel- bar mit der Kapsel des benachbarten Drüsenmaterials zusammen, aus welcher sie ja auch hervorgegangen ist. Man hat diese Mem- bran ein Ligam. venae cavae geheißen. Es kann Reste von Leber- inseln und nach deren völliger Rückbildung zu allerletzt noch er- haltene Netze gröberer und feinerer Gallengänge in sich schließen. Diese Netze sind als Überreste von eingeschmolzenen Substanzbrücken mit vollem Rechte gedeutet worden. Sehr häufig verliert der in der Bindegewebshaut auftretende Kapselrest des eingeschmolzenen Dorsalbelages der Venenwand jeg- liche Selbständigkeit, worin ein letztes Stadium des Rückbildungs- vorganges erblickt werden muß. In den Lehrbüchern finden sich, allerdings meistens als Dar- stellungen von Einzelbefunden, alle wichtigen Tatsachen vermerkt. An einige Angaben sei hier erinnert. Die untere Hohlvene ist nach J. Hexte (1866, S. 186) mehr oder weniger tief in die Substanz der Leber eingelassen. Sie kann eine Strecke weit von der Leber rings umschlossen sein (S. 187). Zu- weilen ist die Hohlvene nach KıErnAan, wie HENLE erwähnt, an der Dorsalfläche von einem Bindegewebsstrange bedeckt, in welchem ein gröberes oder feineres Gallengangnetz gefunden wird (S.206, Fig. 154). Das letztere kann nur als ein Überrest einer Lebersubstanzbrücke gedeutet werden. Diese Erklärung gaben bereits KIERNAN, THEILE, SAPPEY, was HENLE genauer ausführte. Die Tatsache der wechselnden Einlagerung der Hohlvene in die Lebermasse findet sich unter andern bei Argr (1871, S. 551) und A. RAUBER vermerkt (1902, S. 694). Nach Aegy ist die Hohlvene mehr oder weniger tief in das Parenchym eingesenkt oder selbst ganz von ihm umschlossen. In andern Lehrbüchern sind Befunde, welche wohl kaum als die Regel gelten dürfen, als alleingültige aufgeführt worden. C. v. LANGER z. B. behandelt ein Ligam. venae cavae, welches sich vom rechten Rande des Lobus caudatus quer zum rechten Lappen hin- überspannt, als einen Normalzustand. Das Band ist, wie wir ge- sehen haben, jedoch nur der Rest einer Substanzbrücke, und sein Auftreten fällt mit einem weit vorgeschrittenen Stadium der Ver- lagerung der Vene in der Leber zusammen. Der ursprüngliche Zu- stand der völligen Einlagerung der Hohlvene in die Lebermasse bleibt der Erwähnung wert. 636 Georg Ruge Fr. Reınke (1898, S. 235) läßt die Hohlvenenfurche vom Ligam. venae cavae überbrückt sein, was auch nach SoBoTTA sich nieht selten vorfindet (1904, S. 247). Torpr bildet das Ligam. venae cavae als scharf begrenztes Band ab. Es zieht in der Nähe der Austrittsstelle des Gefäßes aus der Leber quer vom Dorsallappen (Lobus caudatus) zum rechten Lappen hinüber (l. e., Fig. 714—716). Die Fossa venae cavae stellt nach MERKEL eine tiefe Rinne dar (1901, S. 264). Dieser Zustand ist als das Endstadium der statt- sefundenen Umwandlungen anzusehen. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über eine größere Be- obachtungsreihe. Alter und Geschlecht sind berücksichtigt worden. Man findet durch Kreuze je angegeben, ob eine Substanzbrücke an der Dorsalwand der Vene bestanden hat, ob eine trennende Naht in ihr sich eingestellt, oder ob die dorsale Venenwand in ganzer Ausdehnung frei zutage gelegen hat. Angaben über die Längen der belegten und der freien Strecke der Venenwand sind nicht durch- sehends aufgenommen worden. 1 Alter Besnieer: I | Inh: = de BR männl. | weibl. Venenwand Bal=tan MpIEEE | der Hohlvene 4 Monate | + | + 16cm | | 4 - ir | | Sr | 10 - me | | u | 1Jahır | + | = | | 1 “ | == | || | _- 11/5 Jahre at | = 134 - + | | | == 21a - r | Br | 3 u | | 2 Du n= SF | | | =; 3 Ic + I +2em | | 2 cm HE +. | + | de + + | Alla un = | TE 41/a 5 I | FIR 31% + | | eis 5 = = + | I, #8 + 1 em breit 11 7 + = | ja en - Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. Alter | | Geschlecht 19 Jahre 1 = Als - + 44 +++ ++ + +++ ++ | | männl. | weibl. | + ++ 444 +++ + ++ 44 + + + +++ ‚Substanzbrücke | ‚, der dorsalen | Venenwand + 2,8cm 0,8 dick + 25cm Naht in der ‚Substanzbrücke | Freie Dorsalwand der 3.9 3,5 Hohlvene cm frei + cm frei F+t+t++ +4++++ +++ or H4Ht+t+t+t+t+tH+H+ HH frei ++84++ 63 - ( 658 Georg Ruge a BE er a || männl. | weibl. | Venenwand en der Hohlvene 56 Jahre | + | | + 57 anne | | * | LE - | + En re ERl4EN SE ee | ı 98.7 y= | = Dan m | = 60 - + + EN + | + Se + | + Be = | = Barıe au er 64 - + | + Dee _. | | + 4 - > | + 65 - E= 69 u | + 2 - | + | + 22. Be + | + 7 ER + | + 79 - di —. s0 - + + en + | | + 89 Fälle | 45 | 44 | 7mal=8%, |16mal=18%66mal— 740), Eine geschlossene, einheitliche Parenchymwand an der dorsalen Fläche der Hohlvene ist in 89 Fällen nur 7mal angetroffen worden. Das Zusammentreffen von Fortsätzen des dorsalen und rechten Leber- lappens zur Bildung einer Naht tritt 16mal auf. Die Vene bleibt 66mal von Substanzbrücken unbedeckt. Der erste Zustand besteht in 8°/,, der zweite in 18°/,, der dritte in 740/,. Das ursprüngliche Verhalten wird demnach beim Menschen selten gefunden. Der Übergang zum abgeänderten Verhalten ist häufiger vertreten. Am zahlreichsten sind die Fälle mit der Se- kundärerscheinung. Wir können sie den regelmäßigen Befund heißen. Der Mensch schließt sich diesbezüglich den Anthropoiden an. Das Heraustreten der dorsalen Hohlvenenwand ist beim Menschen zur vollendeten Tatsache geworden. Die geschlossene Substanzbrücke ist unter 7 Fällen 6mal bei Personen vom 1.—22. Lebensjahre, und später nur lmal bei einem S4jährigen angetroffen worden. In dem jugendlichen Alter (26 Fälle) tritt das Ursprüngliche in 23°/,, nach dem 22. Jahre in 1,6°%/, auf. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 639 Diese statistische Tatsache ist nur dahin zu übersetzen, daß der primäre, embryonale Zustand noch während des Lebens einen sehr beträchtlichen Rückgang erfährt. Das Zwischenstadium im Verhalten der dorsalen Venenwand ist häufiger vertreten, vor dem 42. Jahre 14mal, später nur noch 2mal. Nach dem 57. Jahre wird es in der Tabelle vermißt. Im 1.—41. Jahre besteht es in 28,6°/,, später nur noch in 5°/,. Es findet also auch für das Zwischenstadium in höherem Alter ein sehr beträcht- licher Rückgang statt. Die Eindeutigkeit der Beobachtungsreihe zeigt, daß der pithe- coide Charakter der Hohlvenenlage in der Leber noch während des Lebens beim Menschen allmählich ausgemerzt wird. Er ist nach dem 57. Jahre nicht mehr beobachtet worden. Es wird an der Trag- weite dieses Ergebnisses auch dann nichts geändert werden, wenn erneute Forschungen das Erhaltenbleiben primitiver Einriehtungen auch während des hohen Alters feststellen können. Als Ausnahmen werden sie voraussichtlich immer nur einen geringen Prozentsatz in der Gesamtreihe der Erscheinungen ausmachen. So mögen auch ausgedehntere Massenuntersuchungen Verschiebungen unsrer Werte im Gefolge haben können. Es ist aber unwahrscheinlich, daß das Ergebnis, welches mit dem vergleichend-anatomischen und dem em- bryonalen Verhalten in voller Harmonie sich befindet, sich je als unzutreffend erweisen wird. Das Ergebnis ist in jeder Beziehung zufriedenstellend; es stützt unsre Vorstellung von der fortschreiten- den Umwandlung der inneren Organisation, welclie, durch stammes- geschichtliche Vorgänge eingeleitet, noch im Leben des Individuums fortgesetzt wird. Eine alte Organisation erhält sich hier mit großer Zähigkeit bis in das mittlere Lebensalter hinein, um dann, wie es scheint, überwunden zu werden durch Kräfte, welche nicht leicht zu erkennen sind, weil sie nicht beim Individuum oder beim Genus wirken, sondern bei den höheren Primaten überhaupt einsetzen und langsam tätig sich erweisen. Diesen Kräften als Ursachen einer bekannten Umwandlung nachzuspüren, ist verlockend. Sollten sie sich bestimmen lassen, so wäre eine Kette von Erscheinungen in einen causalen Zusammenhang gebracht, so wäre ein wissenschaft- liches Bedürfnis befriedigt. Für die Entscheidung der Frage, bei welchem Geschlechte der Umwandlungsvorgang am weitesten gediehen sei, reicht unser sta- tistisches Material nicht aus. Immerhin spricht es zugunsten des weiblichen Geschlechts; denn unter 7 Fällen fand sich bei ihm nur 640 Georg Ruge imal eine geschlossene Substanzbrücke, und unter 16 Fällen nur 7mal eine solche mit einer Naht vor. Nehmen wir diese Fälle zu- sammen, so ist das Ursprünglichere beim männlichen Geschlechte in 65°/,, beim weiblichen nur in 35°, erhalten geblieben. Eine neu aufgenommene Untersuchung könnte sich die Aufgabe stellen, auszumachen, an welehen Stellen der Regel nach die Auf- lösung der Substanzbrücke an der dorsalen Hohlvenenwand erfolgt, welcher Leberlappen am längsten an der Bildung der Brücke be- teiligt bleibt. Für niedere Primaten bin ich der Frage näher ge- treten; für die Bestimmung beim Menschen sollten zahlreichere Be- obachtungen vorliegen. Die Ursachen für die Rückbildung der Substanzbrücke an der Dorsalwandung der Hohlvene, womit eine dorsale Verlagerung der Vene in der Leber unmittelbar zusammenhängt, sind möglicherweise verschiedenartige und wirken als solche vielleicht zusammen. Die feste Einlagerung der rechten Nebenniere in die Dorsal- fläche der Leber unmittelbar neben der Hohlvene darf dafür ver- antwortlich gemacht werden, dab eine Einschmelzung an entspre- chender Stelle sichtbar und ergiebig sich einstellt. Das Ergebnis der durch Druck des Nachbarorgans erzeugten Atrophie von Leber- material ist die Impressio suprarenalis. Bei den Cercopitheceiden ist die Hohlvene an der Stelle der rechten Nebenniere bereits vom Leberparenchym entblößt. Die Nebenniere liegt der Venenwand direkt auf. Eine Impressio suprarenalis kann deutlichst ausgebildet sein (vgl. Aufsatz IV, Fig. 14, 33 und S. 204). Die auf die rechte Nebenniere einwirkenden Druckverhältnisse sind direkt auf die Leber übertragen worden. Die hier in Betracht kommenden Kräfte können dieselben sein, welche die feste Einlagerung der Leber in die Dorsal- wandung der Bauchhöhle zustandegebracht haben. Zug von der Leber auf die Umgebung und Druck auf sie von der Nachbarschaft her dürfen hierfür verantwortlich gemacht werden. Bei den Anthro- poiden und beim Menschen hat sich eine festere Verkoppelung der Leber mit der hinteren Bauchwand vollzogen; bei ihnen stellt sich aber auch die Rückbildung der dorsalen Substanzbrücke ein. Die festere Anheftung der Leber an die Bauchwand, ablesbar aus dem Auseinanderweichen der serösen Blätter des Kranzbandes, sowie die scharfe Ausprägung der Impressio suprarenalis können, da sie gleichzeitig bei Anthropoiden und beim Menschen sich einstellen, von den gleichen causalen Momenten wie die Rückbildung der dor- salen Parenehymwand der Hohlvene beherrscht gewesen sein. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 641 Druck und Zug sind allbekannt als Kräfte, welche die mannig- faltigsten Organe umgestalten. Vielerlei Erscheinungen an diesen lassen sich durch Annahme von Zug- und Druckwirkung erklären. Es ist jedoch unwahrscheinlich, eine vollkommen befriedigende Er- klärung auch für die Rückbildung der dorsalen Parenchymbrücke durch Annahme dieser wirksamen Faktoren zu finden. Es ist näm- lich nicht einzusehen, warum ein allseitig auf die ganze Leber ein- wirkender Druck das Parenchym gerade an der Dorsalwand der Vene zerstören müsse, und warum der allseitig auf die Vene aus- geübte Druck deren Verlagerung gerade in dorsaler und warum nicht in ventraler Richtung bewerkstelligt habe. Zuzugestehen ist indessen, daß der durch die Einlagerung der Nebenniere entstan- dene Substanzverlust als einfache Druckerscheinung zustandege- kommen ist. Die Dorsalverschiebung der Hohlvene muß durch ganz bestimmte Kräfte geleitet worden sein. Sie als Erzeugnis von Druck und Zug so im allgemeinen auszugeben, klingt wie ein Zugeständnis, nichts Genaueres hiervon zu wissen. Sie muß eine Folgeerscheinung andrer Umgestaltungen sein, da wir eine jede Organisation in Abhängig- keit von andern kennen oder uns wenigstens zunächst denken müssen. Die fraglichen Umwandlungen müssen sich bei den Primaten voll- zogen haben, bei denen die Lageveränderung der Vene beobachtet worden ist. Halten wir aber Umschau unter den bekannt gewor- denen Örganisationsveränderungen bei den Primaten, so scheint die in der Lagerung der Brustorgane vollzogene Wandlung einen rück- wirkenden Einfluß auf die abdominale Verlaufsart der Hohlvene ausgeübt zu haben. Das Herz hat bei den Anthropoiden seine primitive, noch bei den Cercopitheeiden anzutreffende Lagerung mit einer neu erworbeneu vertauscht. Dieser Erwerb ist auf den Menschen übertragen worden. Die in das Herz einmündenden Gefäße sind bei diesem Verlage- rungsvorgange in Mitleidenschaft versetzt. Die untere Hohlvene hat dabei den größten Anteil erfahren. Wir rechnen bei der Vorführung dieser phylogenetischen Um- formung mit dem zuvor festgestellten Erscheinungskomplexe, nach welchem die untere Hohlvene in früher Embryonalzeit allseitig von der Leber umschlossen ist, um allmählich an die Dorsalfläche der Leber zu gelangen, wo sie von Leberparenchym an ihrer Hinter- wand völlig entblößt sein kann. Dieser Zustand gilt beim Erwach- senen als ein normaler. Der Entwieklungsgang beim Menschen . Morpholog. Jahrbuch. 37. 42 642 Georg Ruge deckt sich mit der Umwandlung der Hohlvenenlage in der Primaten- reihe. Ontogenie und Phylogenie lassen gleiche Erscheinungen zu- tage treten. Sie werden unter gleichen Ursachen sich ausgebildet haben. Während des Vollzuges der Verlagerung der Hohlvene lassen sich bedeutsame Umgestaltungen in der Form des Rumpfes, insbe- sondere des Brustkorbes nachweisen. An ihm findet innerhalb der Primatenreihe erstens eine stetige Zunahme des queren Durchmessers auf Kosten des sagittalen statt. Bei den Anthropoiden und beim Menschen ist der höchste Grad des Wechsels erreicht. Zweitens wird der Primatenrumpf allmählich gedrungener, wobei der Brust- korb neben der Breitenzunahme auch an relativer Länge Einbuße erleidet. Die Veränderung vollzieht sich unter Verminderung der Anzahl der Rumpfsegmente. Anthropoiden und Mensch stehen auch in dieser Beziehung am Ende der Reihe. Die Zahl thoraco-lumbaler Wirbel kann bei ihnen auf die Normalziffer 16 (Örang) sinken. Die beiden Veränderungen am Rumpfe, insonderheit am Brustkorbe der Primaten sind die Wahrzeichen für die sich anschließende Um- lagerung der Organe der Brust- und Bauchhöhle. Mit der Zunahme des queren auf Kosten des sagittalen Durch- messers des Brustkorbes steht in allerengster Wechselbeziehung die Umgestaltung an der Leber. Ihr querer Durchmesser erlangt das Übergewicht über die Ausdehnung in sagittaler Richtung, was bei Anthropoiden verwirklicht ist (vgl. Aufsatz V, 1906, S. 142). Die Leber reicht in den Brustkorb hinein, lehnt sich teilweise an dessen Wandflächen an und muß dessen Gestaltung widerspiegeln. Als mittlere Breite der menschlichen Leber werden 30 em, als mittlere Größe des dorso-ventralen Durchmessers 20 cm angegeben. Das Verhältnis beider zueinander ist 1,5:1; es stimmt mit dem bei Anthropoiden gewonnenen Werte überein. Bei jüngeren mensch- lichen Embryonen ist das Verhältnis beider Durchmesser der Leber zueinander 1,17:1. Dieser Wert steht nahezu im Einklange mit dem bei ÜCercopitheeiden gewonnenen. Das Verhältnis der Durch- messer an der Leber älterer Embryonen, Neugeborener und Kinder der ersten Jahre ändert sich in der Regel zugunsten des Querdurch- messers und nähert sich allmählich dem beim Erwachsenen gefun- denen Werte. Also auch hier decken sich die ontogenetisch- menschlichen Befunde mit den vergleichend-anatomischen Ergebnissen, die an den nächstverwandten Formen des Genus Homo festgestellt worden sind. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 643 Mit der Abnahme des sagittalen Leberdurchmessers läßt sich die Dorsalverschiebung der Hohlvene innerhalb des Leberparen- chyms in Einklang bringen. Die Wechselbeziehung wird verständ- licher, wenn das bei den höheren Primaten sich einstellende, starke Hervorragen der Wirbelkörper mit dem ihnen auflagernden Lenden- teile des Zwerchfelles mit in Rechnung gezogen wird. Die Ver- ringerung des sagittalen Durchmessers muß hauptsächlich in der Medianlinie, in deren Nähe die Hohlvene liegt, sich ausprägen, Da nun die Vene in ihrer dorsalen Lage durch die Beziehungen zum Bauchfelle und zu ihrem Quellengebiete in höherem Grade bedingt ist, so wird der erforderliche Schwund des Leberparenchyms vor allem vor der Wirbelsäule eintreten müssen. Dies äußert sich not- wendig in einer Dorsalverschiebung der Vene inmitten der Leber. Die relative Höhenabnahme des Brustkorbes in der Primaten- reihe hat eine Verlagerung des Herzens im Gefolge. Diese zieht nach sich eine dorsale Verlagerung der unteren Hohlvene, welche im Thorax sich zuerst einstellt, aber notgedrungen eine allmähliche tückwirkung auf die Lage im Zwerchfelle und von ihm aus auf die Lage in der Bauchhöhle äußern muß. Es handelt sich hier um folgende bedeutungsvolle Erscheinungsreihe. Die Längsachse des Herzens steht bei den niederen Primaten steiler als bei den höheren. Die thoracale, ursprünglich lange Strecke der unteren Hohlvene verkürzt sich mit der annähernden Einstellung der Längsachse des Herzens in die Horizontalebene. Während die thoracale Strecke der unteren Hohlvene bei den Cercopitheeiden noch ansehnlich ist, so schmilzt sie bei den Anthropoiden und beim Menschen allmählich auf ein Geringes ein. Als unmittelbare Folge der verminderten steilen Einstellung der Herzlängsachse und der Verkürzung der thoracalen Cava-Strecke vollzieht sich die innigste Verlötung des Herzbeutels mit dem Zwerchfelle. Die Verwachsung leitet sich an der Spitze des Herzens ein und dehnt sich dorsalwärts bis zu den Vorhöfen, bis zur Eintrittsstelle der unteren Hohlvene in das Atrium dextrum aus. Bei den Cercopitheeiden ist der Herz- beutel vom Zwerchfelle in der Regel noch in ganzer Ausdehnung getrennt, bei den Anthropoiden (Schimpanse, Gorilla, Orang) ist die Verschmelzung ebenso wie beim Menschen vollendet. Bei Hylobates sind Zwischenstadien vertreten. Hand in Hand mit der Verwach- sung von Herz und Zwerchfell verödet der bei den Cercopitheceiden noch in voller Entwicklung stehende Lobus subperieardiacus (Lob. impar) der rechten Lunge. Er wird bei Anthropoiden und beim 42* 644 Georg Ruge Menschen als freier Lappen vermißt. In den gleichen Kreis der Erscheinungen gehört die allmähliche Annäherung des Herzens an die vordere Wand des Brustkorbes. Bei den Cercopitheeiden schieben sich die Lungen noch zwischen Herz und ventrale Thoraxwand regel- mäßig ein; sie sind bei den Anthropoiden zur Seite gedrängt, wo- dureh die feste Verbindung des Herzbeutels mit der Thoraxwand ermöglicht ist. Der Mensch zeigt in der Regel Anschluß an die Anthropoiden, läßt aber nicht selten das ursprüngliche Lagerungs- verhältnis des Herzens zum Thorax erkennen, was in der Schwan- kung der sterno-costalen Pleuragrenzen sich äußert. Der Situs cordis profundus der niederen Primaten wandelt sich bei den höheren in den Situs cordis superficialis um. In den gleichen Verband von Erscheinungen gehört die ausgesprochene Linksverlagerung der Herz- spitze. Sie wird um so deutlicher, je inniger das Herz mit dem Zwerchfelle und der vorderen Wand des Brustkorbes vereinigt ist. Alle diese anatomischen Umgestaltungen in der Primatenreihe sind durch die Verkürzung des senkrechten und des sagittalen Durch- messers des Thorax und durch die ausgleichende Verbreiterung des- selben zustande gekommen. Da an den Erwerb der aufrechten Körperhaltung die genannte Umwandlung der Thoraxform der An- thropoiden und des Menschen geknüpft ist, so kann die erstere für die Ausbildung der Lage des Herzens und der Verlaufsart der Hohl- vene im Brustkorbe der höheren Primaten in letzter Instanz verant- wortlich gemacht werden. Man hat sich die Reihe der aufgeführten Umwandlungen am Brustkorbe der Primaten zu vergegenwärtigen, um zu verstehen, daß die untere Hohlvene im Brustraume der niederen Primaten eine ver- hältnismäßig mehr ventrale Lagerung besitzen muß als wie bei den höheren Lebewesen. Der Lobus subpericardiacus schiebt sich hinter der Hohlvene, zwischen ihr und Speiseröhre, nach links unter den Herzbeutel. Die geringere Steilheit der Herzlängsachse, die Ver- kürzung der Hohlvene und die Verwachsung von Herz und Zwerch- fell, die Verödung des zwischen Speiseröhre und Hohlvene sich unter das Herz einschiebenden Lobus subpericardiacus der rechten Lunge, die Annäherung der Hohlvene an die Speiseröhre haben bei den höheren Primaten die dorsale Verschiebung der unteren Hohl- vene im Gefolge. Man vergegenwärtige sich, daß das Herz der Anthropoiden und des Menschen, mit der Längsachse in den ver- kürzten sagittalen Durchmesser des Brustkorbes eingestellt, wegen Mangels an Raum notwendig mit der Spitze zur Seite (nach links) Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 645 abweichen muß. Man wird verstehen, wie das eingeengte Herz mit der Basis möglichst weit dorsalwärts zu lagern kommt. Die gleiche dor- sale Verschiebung der unteren Hohlvene muß sich allmählich auf die Lage der Durchbohrung des Zwerchfelles durch sie und auf deren Lage im benachbarten Leberparenchym fortpflanzen. Wenn nun hat nachgewiesen werden können, daß die Lage im Parenchym eine primitive Erscheinung ist, das Heraustreten aus dem Dorsallappen aber eine abgeleitete, so läßt sich die festgestellte Tatsache zwang- los in die Reihe wichtigster Umformungen am Rumpfe der Primaten einordnen, welche alle in engster gegenseitiger Abhängigkeit zu- einander sich befinden und mit dem Erwerb der aufrechten Körper- haltung sich ausgebildet haben. 7. Der vordere Abschnitt der Hauptlängsfurche (Fossa venae umbilicalis). Die Furche wird vom Vorderrande der Leber bis zur Pforte oft im offenen Zustande angetroffen. So bilden ihn die Autoren zu- weilen ab (ToLpr, Anat. Atlas, Fig. 714, 716) oder beschreiben ihn in dieser Weise als regelmäßigen Befund. Andre Autoren weisen auf das Offenbleiben der Längsfurche als Regel hin, erwähnen aber auch als Ausnahmen die streckenweise Umwandlung der Furche durch Parenchymbrücken zu einem Kanal (vgl. C. von LANGER, 1897, S. 345; C. GEGENBAUR, 1899, S. 76, Fig. 401; Fr. REINKE, 1898, S. 235; K. v. BARDELEBEN, 1906, S. 443 u.a.). In einigen Lehrbüchern ist eine Überbrückung der Furche im Texte unerwähnt geblieben, aber abgebildet. PH. C. Sarprr (1889, S. 290) beschreibt genauer die verschiedenen Zustände der Überbrückung, den mem- branösen Verschluß der Furche, die einfache oder doppelte Paren- chymbrücke. Die vollständige Umwandlung der Furche in einen Kanal ist durch F. HocHsTETTER (1886, Fig. 1, S. 370) beobachtet worden an der Leber eines 8 Tage alten Kindes, an welcher wegen Gallen- blasenmangels die Abgrenzung des Lobus quadratus nach rechts hin fehlte. MoncHoTTE und Kuss berichten 1900 in gleicher Weise von einer völligen Überbrückung der Furche bei einer 27 jährigen Frau; sie sprechen dieser Bildung eine phylogenetische Bedeutung nicht zu. Die Umwandlung der Furche in einen Kanal wurde von A. Tmomsox bereits im embryonalen Leben angetroffen, und zwar an 646 Georg Ruge 24 Fällen 12mal. Die Brücke war 11mal verschiedengradig lang, einmal vollständig ausgebildet. Älteren Anatomen ist die Überbrückung der Fossa venae um- bilicalis bereits bekannt gewesen. Eine Bedeutung haben nur die- jenigen Angaben, welche sich auf eine Überbrückung des präpor- talen Abschnittes der Längsfurche beziehen, da die anatomischen Bedingungen für die Ausbildung von Brücken über den postportalen Abschnitt fehlen. Bei J. Hente (1866, S. 187) findet sich nichts- destoweniger eine Angabe über die Überbrückung des hinteren Teiles der linken Sagittalfurche. Ein derartiger Befund könnte sich erst nach der Verödung des kleinen Netzes (Ligam. hep.-gastr.) vollzogen haben. Der offene Zustand der Furche ist ein primitiver. Das ist da- durch zu begründen, daß die Brücken durch Umwachsen des Ligam. venae umbilicalis zustandekommen, und daß die Nabelvene im ven- tralen Mesogastrium sich befindet, welches die Leberlappen in der Längsfurche voneinander scheidet. Der primitive offene Zustand ist bei den niederen Primaten nun aber durchaus keine allgemeine Erscheinung mehr. Unter den Pro- simiern ist. die Furche bei Nyeticebus, Chiromys und Lemur im offenen Zustande angetroffen worden, unter den Westaffen bei Ateles, unter den Cercopitheciden bei Cercopithecus cephus, Oercopr- thecus petaurista, Cercopithecus callitrichus, Cercopitheeus sabaeus, bei vier Individuen von Macacus nemestrinus und einem Papio maimon. Der überbrückte Zustand der Furche bestand bei andern Pro- simiern, unter den Westaffen bei Cebus, unter den Cercopithe- eiden bei verschiedenen Formen (Üercopithecus cephus, Talapoin, Macacus- und Papio-Arten). Der Grad der Überbrückung schwankt individuell und generell. Die Unbeständigkeit ist augenscheinlich. Erste Andeutungen von Brücken stellen sich in der Regel unmittel- bar vor der Pforte ein, von wo aus die weitere Umbildung der Furche zum Kanale erst fortschreitet. Die Brücke kann sich bei- nahe bis zum Vorderrande der Leber ausdehnen (Cercopithecus cyno- surus, Papio sphin«). Die Stelle der ersten Brückenbildung liegt etwa im Mittelpunkte der Intestinalfläche. Dahinter betreten und verlassen die Bestand- teile des Ligam. hepato-duodenale die Leberpforte. Der centrale Ort dürfte mit dem Platze zusammenfallen, an welchem bei der Zwerch- fellatmung die geringsten gegenseitigen Verschiebungen der Leber- abschnitte stattfinden. Dieser Umstand kann die Verlötung der Furchenränder begünstigt haben. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 647 Bei den Anthropoiden ist die Überbrückung der Fossa venae umbilicalis weiter geschritten, wennschon auch bei ihnen primitive Befunde sich erhalten. Die Furche ist beim Gorilla zweimal in ganzer Ausdehnung offen gefunden worden; sie ist in vier Fällen überbrückt gewesen, unvollständig vor der Pforte zweimal und voll- ständig bis zum Vorderrande der Leber zweimal. Beim Schim- panse wiederholen sich diese Verhältnisse. Auch hier treten erste Brückenbildungen vor der Pforte auf. Die Verlegung der ganzen Grube bildete THORSTEN RENnvALL (1905) ab. Beim Orang wird eine offene Furche zuweilen angetroffen. Unter acht Fällen wurde dies einmal von mir beobachtet. In der Regel ist die Umwandlung der Furche in einen Kanal in größerer Ausdehnung vollzogen, wo- durch die Orangleber ein kompaktes Aussehen empfängt. Fast ausnahmslos ist die Längsfurche der Hylobatiden in größerer Ausdehnung überbrückt. Auch hier treten die Verwach- sungen regelmäßig zuerst vor der Pforte auf; sie können den Vorder- rand der Leber erreichen. Eine ursprüngliche, ganz offene Furche war unter mehr als 10 Fällen nicht vorhanden. Die Hylobatiden scheinen bezüglich des Furchenzustandes am Ende der Entwieklungsreihe zu stehen. Die Verschiebungen der beiden Stammlappen gegeneinander müssen bei der Atmung beeinträchtigt oder gar aufgehoben werden, sobald die Verlötungen der Furchenränder eine gewisse Ausdehnung genommen haben. Da die Zerklüftungen der Leber in größere Lappen durch die bei der Atmung notwendigen Verschiebungen der- selben gegeneinander unterhalten werden, so dürfen wir vom Be- funde der Überbrückung auf beschränktere Lageveränderungen der betreffenden Abschnitte durch die Atmung zurückschließen. Wir heben die Tatsache hervor, daß die Überbrückung der Längsfurche bereits im embryonalen Leben sich einstellen kann. Das ist bei HAylobates der Fall. Auch beim Gorillafötus ist die Furche in den hinteren zwei Dritteln überbrückt gefunden worden. Das Aufhören von Verschiebungen an den Furchenrändern bei der Atmung kann hier dazu beigetragen haben, Veränderungen zu schaffen, welche auf den embryonalen Organismus übertragen wor- den sind. Beim Erwachsenen auf mechanischem Wege eingeleitete Einriehtungen könnten in diesem Falle fixiert und ohne Einwirkung der ursprünglich wirksamen Kräfte selbständig auftreten. Mensch. Die Verhältnisse bei ihm sind wie die bei den Simiern zu beurteilen. Es wird Aufgabe späterer Forschung sein, 648 Georg Ruge zu zeigen, wie sie sich im speziellen an die Befunde bei den Anthropoiden anschließen. Die Aufgabe wird sich durch statistische Beobachtungen lösen lassen. Nach unsern Beobachtungen läßt sich der Modus der Überbrückung der Hauptlängsfurche beim Menschen etwas genauer, als es bisher bekannt gewesen ist, feststellen. Embryonen aus früherer Zeit. l) Leber eines 8cm langen, weiblichen Embryos (Fig. 67). Die Furche ist in ihrer ganzen Ausdehnung nicht nur offen, sondern sie zeigt sich auch als breiter Spalt, welcher gegen den vorderen Leber- rand hin sich verbreitert. 2) A. Tuomson bildet die Leber eines jüngeren Embryos ab. Die Furche ist ebenfalls in ihrer ganzen Ausdehnung offen (1899, Fig. 1, S. 546). Der quere Durchmesser ist auf 13, der sagittale auf 11 mm bemessen. 3) Dasselbe ist auch an einem etwas umfangreicheren Organ l. c., Fig. 2) der Fall, welches in transversaler Richtung 25, in sagittaler 20 mm mißt. Der vordere Abschnitt der Furche ist weiter als der hintere, was in ähnlicher Weise am folgenden Objekte auftritt. 4) Leber eines 14,38 em langen Embryos (Fig. 68). Der Vorder- absehnitt der Längsfurche ist in ganzer Ausdehnung von unten her zugänglich, offen. Es sind an ihr zwei Abschnitte scharf voneinander gesondert. Ein hinterer Teil stellt eine enge Spalte dar, deren Wand- flächen eng aneinander schließen. Ein Vorderabschnitt erscheint als breite Grube, welche bis zum Vorder- rande der Leber reicht. Die Ab- schnitte sind etwa von gleicher Länge. 5) Leber eines 14 cm langen, Leber eines 14 cm langen, weiblichen Em- weiblichen Embryos (Fig. 72). Die Ka on er Teen a rer: Furche ist dreigeteilt. Eine 4 mm eine Strecke weit verlegt. Die Brücke be- lange Strecke vor der Pforte ist Sir Fe eine offene Spalte mit dicht anein- anderliegenden Wänden. Eine darauf- folgende, 3 mm lange Strecke ist überbrückt. Eine vordere, bis zum Vorderrande reichende Strecke von 8 mm Länge ist wieder offen. Fig. 72. Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 649 Die Brücke befindet sich also im zweiten hinteren Viertel der Längsfurche und entspricht einer Strecke der engen Spalte am vorigen Objekte. 6) Ein ähnliches Verhalten der Dreiteilung der Furche ist an einer weniger umfangreichen Leber (28—21 mm) bei A. THomsox abgebildet (Fig. 3, S. 548). Die Brücke liegt etwas weiter ventral, und der Vorderabschnitt der Furche ist breiter als auf der Fig. 68. Aus den Beobachtungen geht hervor, daß die Nabelvenenfurche anfangs in ganzer Ausdehnung frei zugänglich ist, daß sich darauf in ihrem hinteren Abschnitte die Wandflächen dicht aneinander legen und die Furche in eine enge Spalte umwandeln, und daß dann eine Strecke weit die Wandflächen miteinander verschmelzen können. Die so entstehenden Brücken über der Nabelvenenfurche werden also auch beim menschlichen Embryo zuerst in der Nähe der Leber- pforte angetroffen, d.i. an der Stelle, wo auch bei Anthropoiden und Cereopitheciden die ersten Verbindungsstellen ausgebildet zu sein pflegen. Wenn die Annahme richtig ist, daß diese Stellen durch die geringsten Verschiebungen während der Atmung sich am besten für die Verwachsung der Furchenwände eignen, so ist auch die weitere Annahme gestattet, daß diese Eigenschaft in das embryo- nale Leben allmählich sich eingeschlichen habe. Die Brückenbildung kann also als Sekundärerscheinung eine frühe embryonale sein; sie stellt sich aber nicht regelmäßig in der Embryonalzeit ein. Wäre das der Fall, so müßten die Befunde von offenen Furchen beim Erwachsenen als Tertiärerscheinungen aus dem sekundären Embryonalzustande hervorgegangen sein. Die zahlen- mäßigen Angaben A. Tuomsoxs lehren, daß in etwa der Hälfte der embryonalen menschlichen Fälle je der offene und der überbrückte Zustand der Fossa venae umbilicalis angetroffen werden. Die Über- brückung ist kein allgemein gültiges Durchgangsstadium. Das em- bryonale Verhalten wechselt wie das des Erwachsenen. Es ist nun sehr schwer zu entscheiden, ob alle Brücken, welche beim Erwach- senen angetroffen werden, bereits embryonal angelegt gewesen sind. Ich halte es für unwahrscheinlich, bin vielmehr der Meinung, daß die Verklebung der Furchenränder auch später eingeleitet sowie weiter gefördert werden könne. Auch hier müssen statistische Reihen entscheiden. Es darf als feststehend gelten, daß die embryonalen Ver- hältnisse den gleichen Schwankungen wie die des Erwachsenen unterliegen. Was für die Leber zutrifft, hat für andre Organ- 650 Georg Ruge systeme (Skelet-, Muskel-, Nervensystem, Gefäße usw.) gleiche. Geltung. Embryonen aus dem 5., 7. und 8. Monate zeigen an den bei A. Tuomsox abgebildeten Organen völlig offene (l. e., Fig. 5 und 7) oder zum Teil überbrückte Furchen (l. e., Fig. 4, 6), so daß der Wechsel der Verhältnisse auch im späteren Embryonalleben offenkundig ist. Die Brücke lagert zuweilen in der Mitte der Furchenlänge, während hinter und vor ihr offene Strecken bestehen bleiben. In einem Falle hat Tnomsox eine beinahe vollständige Überbrückung der Nabel- venenfurche beobachten können, was auf S. 562 kurz erwähnt ist. Meine eignen Erfahrungen über die Leber älterer Embryonen stimmen mit denen von THomsox überein. Offene und verschieden- gradig überbrückte Furchen treten nebeneinander in die Erschei- nungen. Statistische Aufnahmen habe ich nicht angestellt. Bei Neugeborenen, Kindern und Erwachsenen bestehen die Schwankungen im Verhalten der Nabelvenenfurche fort. An 34 Ob- jekten, welche ich wegen abnormer Furchen vor vielen Jahren ab- gebildet habe, ist die Furche 12mal in ganzer Ausdehnung offen, während sie 22mal in verschiedenem Grade überbrückt ist. Die ersten Andeutungen von Überbrückung der Furche treten in Verklebungen der serösen Überzüge der Wandflächen auf. Sie Fig. 73. Fig. 73. Leber eines Kindes, von der Intestinalfläche aus dargestellt. 1/2. Die Längsfurche ist von einer serösen, horizontal gestellten Brücke bedeckt. Außerdem ist der Nahtrest der rechten Seiten- spalte von der Pforte bis zum Vorderrande erhalten. Fig. 74. Gleiche Darstellung der Leber eines Kindes. 1/.. Die membranöse Brücke über der Längs- furche befindet sich weiter nach vorn. Über den Lobus praeportalis (quadratus) verläuft ein schräger subseröser Strang. Hinter ihm liegt ein kleines, gestieltes Läppchen. werden entweder in der Nähe der Pforte oder etwas weiter ventral- wärts angetroffen, ohne jedoch die Mitte der Furchenlänge nach vorn zu überschreiten. Die am weitesten hinten und die am weite- Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 651 sten vorn gelegene membranöse Brücke sind an den Objekten der Fig. 73 und 74 wahrgenommen worden. Im ersteren Falle fällt die Brücke auf das hintere zweite Achtel der Furchenstrecke, im letz- teren Falle etwas hinter deren Mitte. Diese extremen Zustände deeken sich bezüglich der Brückenlage ungefähr mit dem frühen embryonalen Verhalten der Fig. 72. Die Verlötung der Wandflächen kann in verschiedener Tiefe der Furehe beginnen. Beginnt sie in der Nähe der Oberfläche, so ist die membranöse Brücke frei über die Furche ausgespannt. Das ist am Objekte der Fig. 72 der Fall. Nimmt die Verschmelzung ihren Anfang in der Tiefe der Grube, um nach der Oberfläche vor- zuschreiten, so kommt es oft nicht zur Bildung einer durchgängigen Kanalstrecke. Diese fehlte am Objekte der Fig. 80, wo die Ver- lötung von der Oberfläche aus bis zum Ligam. venae umbiliealis bestand. In verschiedenen Fällen wurde eine Verschmelzung der serösen Wandflächen vor der Pforte nur in der Tiefe gefunden. Eine Ausdehnung bis zur Oberfläche fand nicht statt. Der seröse Über- zug des Ligam. venae umbilicalis ist in allen diesen Fällen in die Fig. 75. Leber eines Kindes, von der Intestinalfläche aus gesehen. ?/. Die Längsfurche ist vor der Pforte im zweiten Achtel der Ausdehnung überbrückt. Der Lobus praeportalis ist durch einen schrägen Einschnitt zerlegt. Verwachsung mit hineinbezogen worden, wohl deshalb, weil letztere von dem ersteren ihren Ausgang genommen hat. Die Mannigfaltigkeit der ersten Verwachsungszustände der serösen Wandungen ist ebenso groß wie die sich ihnen anschließenden Aus- bildungen von Substanzbrücken. Sie treten in der Nähe der Pforte auf, pflegen von ihr zunächst etwas entfernt zu bleiben. So nimmt 652 Georg Ruge die Brücke in einem Falle das zweite hintere Fünftel, im andern das zweite hintere Achtel der Furchenlänge ein (Fig. 75), in einem andern Falle das zweite und dritte hintere Fünftel. Verschiedene Male war die variabel große Substanzbrücke ventralwärts bis zur Mitte der Furchenlänge vorgerückt, wo sie einmal etwa ein Drittel derselben betrug. Seröse Duplicaturen als Brücken nehmen eine frontale oder eine horizontale Stellung ein. Als frontale Brücken können sie durch die ganze Furchentiefe entwickelt sein. Die horizontal gestellten serösen Brücken können aus kleinen Anfängen zu längeren Mem- branen auswachsen. Der ausgesprochenste Zustand fand sich bei einem 47jährigen. Die Brücke hatte eine 4 em lange dorso-ventrale Ausdehnung; sie wandelte die Furche eine Strecke weit in einen Kanal um. Schreitet die Verwachsung weiter fort, so scheint zuerst die kleine offene Strecke vor der Pforte in sie hineinbezogen zu werden. So beginnt eine Substanzbrücke unmittelbar vor der Pforte; sie schiebt sich nach vorn etwa bis zur Mitte der Furchenlänge vor. Die Brücke besteht aus einem hinteren, schmalen, portalen Streifen und einem vorderen Stück, welches etwa das hintere dritte Siebentel der Furchenlänge einnimmt. Beide Teile bleiben durch eine Spalte voneinander getrennt. Der vordere Teil wird der erst vorhanden gewesene sein, da eine entsprechende Brücke oftmals an andern Objekten allein angetroffen wird, was für die hintere portale Spange nicht zutrifft. Die Verlötung beider Brückenteile ist nicht erfolgt. Eine von der Furchenmitte bis hart an die Pforte ausgedehnte einheitliche Substanzbrücke ist mehrmals beobachtet worden. Weitere Ausbildungen von Substanzbrücken vollziehen sich in ventraler Richtung. Die Furche bleibt in verschiedenem Maße vorn, wo das Ligam. hepato-umbilicale zur Leber herantritt, offen. Einige - der ausgesprochensten Beobachtungen verhalten sich folgendermaßen: Fig. 76, Leber eines 18 Monate alten Kindes. Die Brücke ist einheitlich, geht vom vorderen Rande der Pforte aus und verlegt die hinteren zwei Drittel der Furche. Der vordere Rand der Brücke setzt sich schräg nach vorn und rechts zum Lob. praeportalis (Lob. quadratus) fort. Fig. 77, Leber eines 6 Wochen alten Knaben. Die Brücke reicht bis hart an die Pforte, wo ein Einschnitt den Rest der Furche andeutet. Sie bleibt vom Vorderrande der Leber 7 mm entfernt und verlegt im ganzen mehr als drei Viertel der Furchenlänge. Vorn liegen Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 653 die Wallränder einander dieht an. Die Impressio gastrica des linken und rechten Leberlappens ist größtenteils einheitlich. Leber eines 1!/sjährigen Kindes, von der Intestinalfläche aus gesehen. !/.. Die Längsfurche ist von der Pforte an in zwei Drittel ihrer Ausdehnung überbrückt. Die Nabelvenenfurche ist bei einem 1jährigen Kinde von der Pforte bis zum Vorderrande der Leber so vollständig überbrückt, daß vorn nur noch die Eintrittsstelle für das Ligamentum teres in einen kanalartigen Gang offen bleibt. Die Brücke ist einheitlich massiv. Fig. 78, Leber eines mehrjährigen Kindes. Die Fig. 77. Hauptlängsfurche ist in ihrer ganzen Ausdehnung so vollständig überbrückt, daß linker und rechter Lappen eine einheitliche Fläche für die Einlagerung des Magens in sie abgeben. Nichtsdestoweniger ist von der Pforte aus ein Rest der Furche als eine ventral ge- Ge ee ende Ente kennbar geblieben. Auch an bis in die Nähe des Vorderrandes der Leber überbrückt am Vorderrande der Leber besteht noch ein etwa 1 em langer Spalt, in dessen Grunde das Liga- mentum teres lagert, welches die Leber an der Vorderfläche betritt. Der Spalt begrenzt zugleich ein kleines, abnorm abgegliedertes Läppchen (Lobulus parumbilicalis sinister). Vollständige Brücken über die Nabelvenenfurche sind beim Fötus (A. Tuonsox), kurz nach der Geburt, beim 1jährigen, bei 1!/,- und 654 Georg Ruge bei mehrjährigen Kindern beobachtet worden. Ich bin ihnen mehrere. Male auch bei Erwachsenen begegnet. Fig. 79. Fig. 78. Leber eines mehrjährigen Kindes, von der Intestinalfläche aus gesehen. 1/. Die Längs- furche ist in ganzer Ausdehnung überbrückt. Vor der Pforte besteht noch ein kleiner Einschnitt, ebenso am Lebervorderrande, . Fig. 79. Leber eines Neugeborenen, von der Intestinalfläche aus gesehen, ?/». Der hintere Längs- furchenabschnitt ist überbrückt. In der Brücke sind zwei Nahtstellen erhalten. Fig. 80. DE FERPZ DH WELLE I IE UN (7 a IN ar Er IHNEN = AN ER ER 13a, Mala Leber eines älteren Embryos, von der Intestinalfläche aus gesehen. 1/ı. In der Brücke über der Längsfurche bestehen Spalten, welche die Brücke zerklüften. Nahtreste in den Substanzbrücken. Die Brücken erscheinen bei der Untersuchung mit bloßem Auge in der Regel einheitlich, lassen aber zuweilen deutliche Linien er- Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 655 kennen, welche die Grenzen zwischen den von rechts und von links her über die Furche vorgewachsenen Lappenteilen sind. Auf der Fig. 79 nimmt die Brücke mehr als die hintere Hälfte der Furche in Anspruch. Sie reicht bis an die Pforte heran, von der ein kleiner Spaltrest ventralwärts in sie sich einsenkt. In der Fortsetzung der Spalte befinden sich zwei Nahtstellen. Ventral liegt ein offener, vorderer Furchenteil. Statt der Nähte, in welchen die Lebermassen zur Bildung von Brücken zusammentreffen, können Spalten auftreten. Das setzt vor- aus, daß die Verschmelzung von einander entgegenwachsenden Massen an verschiedenen Stellen selbständig erfolgt ist. So erklärt sich das Auftreten der Spalte in der Brücke an dem oben beschriebenen Falle. Ähnlich ist der Befund an einer fötalen Leber zu erklären, Eine bis an die Pforte heranreichende Substanzbrücke ist, wie die Fig. 80 zeigt, mit einer ventralwärts konvexen Spalte versehen, welche rechts unweit der Pforte beginnt und sich nach vorm und links ausdehnt. Es wäre möglich, daß derartige Spalten, bei jugendlichen Indi- viduen angetroffen, durch Verlötung ihrer Wandflächen späterhin in Nähte oder einheitliche Brücken sich umgewandelt hätten. Jeden- falls stellen sie Vorläufer der letzteren dar. Selbständige Weiterbildungen der Substanzbrücken. Vorhandene Substanzbrücken lassen zuweilen selbständige Weiter- bildungen erkennen, welehe in Fortsätzen sich frei über den offenen Furchenteil ausspannen. So dehnte sich beim Erwachsenen von der fast bis zum Vorderrande reichenden Brücke ein stumpfer Fortsatz zur Ineisura umbilicalis aus, um sie auszufüllen. Es blieb unentschieden, ob sein Material vom linken oder rechten Lappen herstammte. Ein ähnliches Verhalten liegt auf Fig. 80 vor, wo ein breiter lappenförmiger Vorsprung sich von der Substanzbrücke bis zum Lebervorderrand vorschiebt, frei in der Furche lagernd. Bei einem 18jährigen Mädchen ist die 7 em lange Längsfurche bis auf das vordere, 2 em große Stück durch eine feste Parenchym- brücke verlegt. Von ihr geht gegen die Ineisura umbilicalis ein dreieckiger, stumpfer Fortsatz aus. Er ist ein Produkt der Brücke und steht mit den Lappen in keiner unmittelbaren Verbindung. Die Leber eines 7jährigen Mädchens besaß eine Fossa venae umbiliealis von 6,5 em Länge. Die hinteren 5 em waren völlig über- brückt. Vorn setzte sich von der soliden Brücke ein ventralwärts 656 Genr, Puße spitz auslaufender freier Forts ız gegen die Ineisura umbiliealis hin fort. Zuweilen nimmt die Brückenbildung vorwiegend von einer Seite her ihren Weg. Sie ist in einem Falle in der vorderen Strecke vom linken Lappen eingeleitet. Die Möglichkeit, daß kompakte Substanzbrücken auf Bindege- websstränge ohne Drüsengewebe sich reduzieren, kann nicht ganz in Abrede gestellt werden. Diese Art der Umwandlung ist jedoch bisher nicht nachgewiesen worden und spielt sicher keine nennenswerte Rolle. Die Überbrückung der Furche ist eine alte phylogenetische Eigenschaft; sie kann bei allen Primaten angetroffen werden, in un- vollständiger und vollständiger Weise. Unter den Anthropoiden ist sie bei Aylobates und Orang eine, wie es scheint, allgemein ver- breitete Erscheinung. Beide Arten entfernen sich dadurch von der menschlichen Organisation, welche die Brücke nicht immer, vielleicht nur als Ausnahme oder gleich oft wie den offenen Zustand der Furche zeigt. Die Befunde beim Gorilla und Schimpanse stimmen mit den menschlichen näher überein. Bei ihnen ist die Furche offen oder überbrückt. Statistische Aufstellungen können einmal weitere Auf- schlüsse über die Beziehungen zwischen den Anthropoiden und dem Menschen geben. Eine Erklärungsart für die erste Anlage und die weitere Ausbil- dung der Verlegung der Längsfurche durch Substanzbrücken blieb hier unberücksichtigt, weil die Tatsachen für sie keinen Anhaltspunkt boten. Es war nämlich zu erwägen, ob nicht die embryonal an- schwellende, verhältnismäßig mächtige Leber die Zustände verur- sachte, um sie auf den Erwachsenen zu übertragen. Träfe das zu, so müßten die Brücken bei jungen Embryonen häufig, vielleicht immer vorhanden sein. Das ist nicht der Fall, Ferner müßten die Erscheinungen an den Brücken nach der Geburt aus einem embryo- nalen, ausgesprochenen Verhalten sich ableiten lassen. Die Inter- pretation der Einzelbeobachtungen in diesem Sinne ist mir nicht ge- lungen. Ausgedehntere Untersuchungen embryonaler Organe können die Frage wieder zur Diskussion stellen. Welchen Ausgangspunkt die Substanzbrücken auch genommen haben mögen, ob vom embryo- nalen oder vom erwachsenen Organismus, die vergleichende Be- urteilung der verschiedenen Primatenzustände erfährt dadurch keine Verschiebung. Statistische Aufnahmen über die Häufigkeit des offenen und überbrückten Zustandes der Längsfurche rühren von A. THOMSON di \eı Ex Die äußeren Formverhältnis uer Leber bei den Primaten. 657 {Br (1899) her. Er hat beide Zustände bei 24 Embryonen je zu 50°/, festgestellt. Ich habe vor kurzem an einer Reihe von Leichen, welche am hiesigen pathologischen Institute zur Section gekommen sind, alle einschlägigen Verhältnisse aufgenommen und für die fol- sende tabellarische Zusammenstellung benutzt. Es handelt sich um 74 Beobachtungen, denen frühere nicht angeschlossen worden sind, da diese aus einem größeren Materiale wegen auffälliger Abwei- chungen ausgewählt worden sind. Fossa venae umbiliealis. | | Längen- Alter Geschlecht || Offene Furche | nn ee re | rücken brückter und v männl.) weibl. | offener Strecke n 1 9 Tage + | + 0:1 4 - I+|l + 0:1 4 Monate | + | + 0:1 -e + 133 10° - + | + 15cm | 1105, 1 Jahr + + 11,70, a ee en RE Llloe = Me 0,7 cm 7 13/4 - | 4 + 0:1 21/, Jahre + | 3° 0:1 23h - mat su 0:1 + | | + 01 2, 25 - 1:14 2 2,8 - 10,9 4 r | E | 8 0:1 a U 28: 1:18 en 25 = il sad IR 1 te 184: 12a 7 = Me 50, = 123039 10 - | + af Ir a0. 14 = Al Ze 0:1 Be + 0:1 I a 40 - ai 18: .,.=" le BAER 50 - 1:2,5 ee je ae 19: a | 2m 1:35 Dan: | 4) | 6- 1:0,8 23 - | + | 45cm 11,2 Morpholog. Jahrbuch. 37. 43 658 Georg Ruge Geschlecht männl. | weibl. 24 Jahre DDR NE 28. = 34 - 35.) + ++ +44 ++ ++ ++ +++ ++ ++ = + + TE, ++ Offene Furche |' en 50 - ae + + + 4 + 2 cm A (ee 2,5 cm En + 2cm - 4 - | 25cm + | = Beb 9 cm | 3 i + + d cm Be - —- | Si Tr TO | N HER | 4,5 cm + - + - EEE Längen- verhältnis zwi- schen über-_ brückter und offener Strecke m or else H"elsilmwor w nei 2 en MN o or oO fer HHrrp ©Ohrrmw 1 21212212 212 r [2121 elnlinlalmie rl "oO olrlr [e') Ha SWX) oO m oO er oO je Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. 659 | | | Längen- Alter | Geschlecht || Offene Furche | ar ee tel INEN weibl | akt ae. N «| eibl. | | | offener Streck 72 Jahre | + lem 120,9 Fr re ee de EZ | ale | 0:1 ul > Heer 74 Fälle | 35 | 39 | 37 Fälle | 37 Fälle 0:1 Fälle Fälle | 16 &; 21 @|19 $; 18 @ in 37 Fällen =460%; 54%, —=540/;46% = 50% | 11:0i.4Fällen = 5,40%) Eine offene Längsfurche wurde in 74 Fällen 37mal angetroffen, also in 50°,. Der überbrückte Zustand bestand ebenfalls in 50/,. Er zeigt im Gegensatze zum ersteren eine ganz variable Entwick- lungsreihe, welche mit geringfügigen Verschmelzungen beginnt und mit der Umwandlung der Furche in einen Kanal endigt. Die Werte, welche die Längenverhältnisse zwischen überbrückter und offener Strecke ausdrücken, liegen zwischen dem Anfangswert O:1 und dem Endwert 1:0, durch welche der völlig offene und der völlig über- brückte Furchenzustand ihren Ausdruck finden. Die Fälle verteilen sich nach der Häufigkeit des offenen und überbrückten Zustandes gleich wie die 24 Fälle aus embryonaler Zeit nach A. Tuomsox. Auf diese Coineidenz darf jedoch kein allzu großes Gewicht gelegt werden, da manche Objekte mit beginnender Brückenbildung, welche nur aus Verwachsungen der serösen Blätter zu horizontal oder frontal gestellten Doppelblättchen bestehen, nur schwer zu rubrifizieren sind. Ich habe sie in der Reihe der »offenen Furche« untergebracht, solange die serösen Brücken nur als einfache Doppellamellen sich verhalten. Stießen jedoch die Drüsenmassen der Längsfurchenwände aneinander, woraus wirkliche Substanzbrücken entstehen, so wurden die Befunde den »Substanzbrücken« auch ein- gereiht. Seröse Verbindungsstränge waren unter den 37 Fällen 11mal gefunden worden, so daß eigentlich nur 26 Fälle mit ganz offener Längsfurche zu verzeichnen wären. Bei einigen unter den 11 Ob- jekten, an welchen seröse Querbrücken aus dem Furchengrunde vom Ligam. venae umbilie. sich erheben, ist es in der Tat schwer, Ent- scheid über deren Einreihung zu treffen. Bei andern Fällen mit wirklichen, serösen Verbindungssträngen fällt der Entscheid über die 43* 660 Georg Ruge, Die äußeren Formverhältnisse der Leber bei den Primaten. Verteilung in unserm Sinne nur deshalb aus, weil die Tabelle die Substanzbrücken, also vorgeschrittenere Zustände, berücksichtigt. Statistische Zusammenstellungen über verschiedene Stadien von Vor- sängen, die auch in den unscheinbarsten Anfängen auftreten, können nie ganz genau sein, da durch den Übergang des einen Entwick- lungsstadiums in das andre auch die Möglichkeit einer zutreffenden Verteilung einiger Fälle aufıiört. j Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern treten bezüglich des offenen und überbrückten Zustandes der Furche aus der Tabelle kaum hervor. Beim weiblichen Geschlecht wird eine offene Furche etwas häufiger angetroffen (54°/,). Vollkommen überbrückte Furchen wurden viermal, also in 5,4%, angetroffen. Um eine Antwort aus der Tabelle auf die Frage zu erhalten, ob der offene Furchenzustand in der Jugend oder im Alter häufiger auftrete, kann man zunächst die 74 Fälle teilen und dann die Be- stimmung treffen. Vom 1.—34. Jahre wurde die Furche 17mal, vom 35.—84. Jahre 20mal offen gefunden, im ersten Falle in 47,20/,, im zweiten Falle in 52,8 /,. Der offene Zustand tritt hiernach im Alter etwas häufiger auf. Wäre die Tabelle genügend groß und schlösse alle Fehler aus, so wäre die offene Furche als Alterserscheinung und ableitbar von einer geschlossenen zu erklären. Hierfür sprechen aber die Wahrneh- mungen an Embryonen keineswegs. Die prozentualen Unterschiede sind so geringfügig, daß sie als Fehlerquellen einer zu kleinen Be- obachtungsreihe ausgegeben werden können. Teilen wir die 38 Fälle späteren Alters, um zu bestimmen, ob die offene Furche vielleicht bei ältesten Individuen sich häufiger ein- stellt, so finden wir, daß sie vom 35.—54. Jahre Smal, etwa in 40°), vom 56.—84. Jahre 12mal, etwa in 60°),, auftritt. Auch hiernach steigert sich die Zunahme des offenen Zustandes mit zunehmenden Alter. Dies Ergebnis verträgt sich nicht ohne weiteres mit unsrer Vorstellung von den Vorgängen an der Längsfurche und fordert zur Sammlung größerer entscheidender Beobachtungsreihen auf. Es ist ohne Frage auffallend, daß vom 58.—84. Jahre eine offene Furche im Verhältnis noch häufiger als früher angetroffen wird, in 14 Fällen 1Omal, also in 71,6°),. — —inn Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. N \ D un Fin N nn i N 1 j x In’ 22 ; U j a = | Wi IT, { A ad A u FM 2 374 ErN Kur j { At bi a Er » | b | h- j R Morpholoß! sches jel BIN JUN 1 2 1964 w # IN Ill 0130365 2 .. .ım em 2 - a Br er Pr »