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D u; Y GEGENBAURS MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH =. / 3 RX 7 I - => j a \ 1 ı Uk \ ir ® | n J EINE ZEITSCHRIFT FÜR ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON E. GÖPPERT PROFESSOR IN MARBURG EINUNDFÜNFZIGSTER BAND MIT 247 FIGUREN IM TEXT UND 15 TAFELN LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1922 ba B, u « Js un ee > ET . . 2 An 18: ’ E SEA HIzAO 5 SR en y, 2; FIRE Ya a EEE 2.3 5 N ; ; NUR UM HASIKEN h u A) JADTEIR ILRITAENG TE IE WAR Bert 07 #, BER % Fe et, ui a ee ‚ Er F ch TE ‘ 5 2 2 £ * h 2 : & u Ka P - ‘ 1% IR : E1 BER; ER ET: HUEEENN = L: N X Fr er iR B; ERT * ® ef i . 2 Fu a 2 v 55 „ee, Fr L nr % a WEHR Fr , , - El ’ r : cs PIE) ” n 1i-garoz EA vers j i* ; 26 TEEN \ e : < r $ j h = Si Ey: A, Et, % Be. ar { Le. - Rn Fi Fa) e d a n er arT f j 5 ae is 1 ar Nah, v > .. : BAT ER £ e% t ; En E B & a; Inhalt des einundfünfzigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben am 27. Juli 1920 Seite » H. Hoyer und L. Michalski, Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen nebst Bemerkungen über die Verteilung der Blutgefäße. Mit 2 Figuren RE Pr RE 1 W. Lubosch, Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins und ihr morphologischer und konstitutioneller Wert. Mit 35 Figuren Bu Flo HASUTNEE EB UNE ee ae 91 Georg Ruge, Ursprung des breiten Rückenmuskels bei Halbaffen, Affen und a BE a 141 Zweites Heft. Ausgegeben am 22. Februar 1921 Gustav Michelsson, Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). a ae 147 Hans Schurig, Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten (Phocomele) nebst einigen Bemerkungen zur Atiologie. Mit 4 Figuren im Text und Tafel IV... .. 222.0. a Hedwig Frey, Vorkommen einer primitiven Form des muskulösen Achsel- bogens beim Menschen. Mit 9Figuren im Text. . ... 2... 259 Alfred Trautmann, Der Zungenrückenknorpel von Equus caballus. Mit ER Ta EEE RR 279 Drittes Heft. Ausgegeben am 26. Juli 1921 Gerhard Petersen, Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. Mit Figur 1—31 und 52—53 im Text und Figur 32—51 auf Tafel V—VII 291 Berta Erdmann, Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. Mit 4 Figuren im Text und Tafel VII und IX .. . 339 A. Benninghoff, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungs- geschichte des Amphibienherzens. Mit 11 Figuren im Text . . . . 355 . IV Viertes Heft. Ausgegeben am 11. April 1922 Richard N. Wegner, Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren, Dasypodidae und seine homologen Gebilde bei Am- phibien, Reptilien und Monotremen. Mit 43 Figuren im Text und SEE Va 0-0 ee Pie Te: © Bernhard Peyer, Über die Flossenstacheln der Welse und Pe sowie des Karpfens. Mit 68 Figuren im Text. ....... 5 H. M. de Burlet, Über durchbohrte Wirbelkörper fossiler und rı center Eden- taten, zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Venensystems der Faultiere. Mit 235 Figuren in Tertt. 2 vet See Seite . 493 a a use [Aus dem Institut für vergleichende Anatomie in Krakau.) Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen nebst Bemerkungen über die Verteilung der Blutgefäße. Von H. Hoyer und L. Michalski. Mit 2 Figuren im Text und Tafeln I—IIl. Inhaltsverzeichnis. SE ee Bra a A ET a ale opt) a 1 Be Tisrerspehunenmatorial,. : ne ee a ee 3 Be erlarlung dee BIGISGEABO 200 0 an en. 4 BEER ER AR EEE REREER EN EEE TEE ER FR NEN 4 an ee a Pre: 10 Bertr über Lympheefäße 2.1.1 an an lei ai mel 16 5. Die Verteilung der Lymphgefäße im I. Stadium . ... 2.222... 32 6. Die Verteilung der Lymphgefäße im II. Stadium. .... 2.2.2... 42 BeRepnBolsbe. des. Kopf 2. a TEEN TEN, 43 Dr EemphbefsBe’ den Rumpfes.-204 an ae Eee le 58 7. Zusammenfassung und Schlußbetrachtungen . . . .. 2.22... 79 1. Einleitung. Unsere Kenntnisse der Verteilung der Lymphgefäße bei Knochen- fischen sind noch derartig lückenhaft, daß es auf Grund der bisher vorliegenden Arbeiten kaum möglich ist, sich ein klares Bild davon zu machen. Hierzu kommen noch verschiedene Behauptungen der Forscher, welche heute als falsch erkannt, in die von ihnen gelieferte Darstellung der Lymphgefäße Verwirrung einführten und ihre Befunde wenig glaubwürdig machten. So behauptet FoumAnn (1827) unter dem Eindrucke der Arbeiten Lıprıs (1825) und bei Benutzung der derzeitig allgemein üblichen Quecksilberinjektionen die Existenz von Verbindungen zwischen Lymphgefäßen und Venen in Lymphdrüsen; Morpholog. Jahrbuch. 51. 1 2 -H. Hoyer und L. Michalski Acassız (1856) und Vocr (1843, 1845, 1856) glauben bei Fischen Verbindungen zwischen Lymphgefäßen und Schleimkanälen und damit Kommunikationen zwischen dem Wasser als umgebendem Medium und dem Blute der Tiere gefunden zu haben, und Sarrer (1880) nimmt überdies noch Verbindungen zwischen Lymphgefäßen und Venenkapillaren an. Es nimmt daher nicht wunder, wenn P. MAYER (1888), welcher verschiedene Angaben von SAPPEY richtigstellt, der Existenz von Lymphgefäßen bei Fischen gegenüber sich überhaupt sehr skeptisch verhält. Für die uneingenommene Beurteilung der Literatur ist ferner der Umstand nicht ohne Belang, daß mehrere sehr gründliche Arbeiten über das Lymphgefäßsystem der Fische, wie diejenigen von JOURDAIN (1867, 1868) und Troıs (1878—1882) überhaupt kaum zur allgemeinen Kenntnis gelangt sind und die neuesten Arbeiten auf diesem Gebiete, wie die von ArLuen (1906—1913), noch keine genügende Berücksich- tigung erfahren haben. Nicht wenig trugen auch die technischen Schwierigkeiten dazu bei, daß keine genauere Einsicht in dies Gebiet gewonnen worden ist. Zählt doch ein so erfahrener Forscher wie HykrL die Dar- stellung der Lymphgefäße bei Fischen zu den »delikatesten Arbeiten«, die er kenne, und erwähnt, daß es ihm erst nach vielen mißlungenen Versuchen gelungen sei, brauchbare Präparate zu erhalten. So kommt es, daß unsere Kenntnisse vom Lymphgefäßsystem der Fische unsicher und lückenhaft sind und dasselbe daher bis in die neueste Zeit anders beurteilt worden ist (ALLEN, HUNTINGTON 1910, 1911, Mozesko 1913) als bei den höheren Wirbeltieren. Zur Darstellung der Lymphgefäße bei erwachsenen Fischen führt Injektion und Präparation allein zum Ziele. Hierbei bleiben bei noch so gelungenen Präparaten stets noch Zweifel, ob auch sämtliche wesentlichere Lymphgefäße einer Körpergegend dargestellt worden sind. Dieser Umstand sowie die Erfahrungen, welche einer von uns an den Lymphgefäßen von Frosch- und Salamanderlarven gesammelt hatte, veranlaßten uns, nicht erwachsene Fische, sondern in Ent- wicklung befindliche zum Gegenstand unserer Studien zu machen. Durch die Kleinheit der Objekte wird zwar ihre Injektion und Prä- paration erschwert, doch lassen sich diese Schwierigkeiten bei einiger Übung und bei Anwendung der vorzüglichen modernen Präparations- lupen überwinden. Andrerseits erweist sich das embryonale Material für derartige Untersuchungen außerordentlich günstig, da die Em- bryonen eine im allgemeinen geringere Anzahl von Lymphgefäßen Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 3 besitzen, dieselben sich zentral- und peripherwärts injizieren lassen und da schließlich das ganze Operationsgebiet leicht und vollständig übersehen werden kann. Ist nun eine größere Anzahl von Em- bryonen injiziert und wurde darauf Bedacht genommen, daß gewisse gefäßreiche und daher schwer entwirrbare Gebiete von verschiedenen Punkten injiziert wurden, so erhält man Präparate, die an Voll- kommenheit nichts zu wünschen übrig lassen und die Zweifel be- züglich der Unvollständigkeit der Injektion, welche bei erwachsenen Fischen aufgeworfen werden, beheben. Geht man in der gleichen Weise von jüngeren Stadien zu älteren vor, so erhält man schließlich Bilder der Gefäßverteilung, wie sie bei erwachsenen Fischen vor- liegen. Somit lassen die an dem embryonalen Material gewonnenen Resultate unmittelbar Schlüsse auf die Gefäßverteilung bei erwachsenen Exemplaren zu. Bei der Injektion von so kleinen Objekten, wie es die Embryonen von Forellen sind, lassen sich allerdings technische Fehler insofern nicht umgehen, als öfters außer Lymph- auch Blut- gefäße gefüllt werden, die jedoch nach ihrem Verlaufe und nach ihrer Form leicht zu unterscheiden sind. Nebenbei sei bemerkt, daß es am leichtesten gelingt, Lymphgefäße zu injizieren, schwerer Venen und am schwersten Arterien. Wir haben uns daher bemüht, von verschiedenen Entwicklungsstadien der Embryonen zunächst möglichst tadellose Injektionen von Arterien und gesondert von Venen zu er- halten und dann erst von Lymphgefäßen. Nur dadurch war es möglich, eventuellen Vorwürfen zu begegnen, daß wir Blut- und Lymphgefäße miteinander verwechselt hätten. 2. Das Untersuchungsmaterial. Das Material stammt aus der gräflich Potockischen Forellen- Brutanstalt in Dubie unweit Krakau und wurde uns von der Ad- ministration der Güter, insbesondere von Herrn Dr. J. Henoch in liberalster Weise zur Verfügung gestellt, wofür wir ihm unseren herzlichsten Dank an dieser Stelle aussprechen; desgleichen auch Herrn Dr. Staff, der uns noch nachträglich mit Material, welches von einem anderen Orte stammte, versorgt hat. _ Die Eier der Forellen aus Dubie gelangten unmittelbar vor dem Ausschlüpfen der jungen Brut ins Institut und wurden dort in einem entsprechend eingerichteten Brutkasten in fließendem Leitungswasser weiter gezüchtet, bis die Embryonen eine Länge von etwa 25 mm erreichten und nach Verlust des Dottersackes bereits die Gestalt der erwachsenen Fische angenommen hatten. 1* 4 H. Hoyer und L. Michalski Bei den Injektionen bedienten wir uns des von einem von uns beschriebenen Injektionsapparates und als Injektionsmasse vorwiegend des wasserlöslichen Berliner Blaus. Doch wurde auch eine Auf- schwemmung von Tusche und zu Doppelinjektionen auch neutrale Karminlösung benutzt. Letztere gibt zwar sehr schöne kontrastreiche Bilder, doch sind dieselben leider sehr vergänglich und höchstens zur momentanen Kontrolle zu gebrauchen, da das Karmin bei der Fixierung durch die Gefäßwände diffundiert. . Von einer Serie von Embryonen wurden die injizierten Exemplare in gesonderten, mit Nummern versehenen Präparatenröhrchen in 4% Formalinlösung zur weiteren Behandlung aufbewahrt. Einzelne gut injizierte Exemplare einer Serie wurden auch in anderen Flüssig- keiten fixiert, damit dieselben mikroskopisch auf Serienschnitten untersucht werden könnten. Die in Formalinlösungen aufbewahrten Embryonen wurden be- hufs Untersuchung vorsichtig in Glyzerinlösungen von steigender Kon- zentration und schließlich in reines Glyzerin übergeführt, in welchem sie, da das Aufhellen derselben besonders in bereits vorgerückteren Entwieklungsstadien nicht genügte, präpariert wurden. Es geschah dies in der Weise, daß bei der Beobachtung mit dem binokularen Mikroskop und bei guter Beleuchtung mittels zwei Pinzetten zunächst die Haut entfernt und durch weiteres Zupfen in die Tiefe vorgegangen wurde, bis die Gefäße deutlich zutage traten. Auf Grund solcher Präparate ist auch ein Teil der beigefügten Figuren angefertigt worden. Der übrige Teil derselben stellt Gesamtübersichten über die Gefäß- verteilung dar, welche aus einer Reihe von Präparaten gewonnen worden sind. 3. Die Verteilung der Blutgefäße. a) Arterien. Im folgenden wollen wir behufs besserer Orientierung zunächst eine kurze Übersicht über die Anordnung der Arterien und Venen geben und dann erst zur Beschreibung der Lymphgefäße übergehen. Vom Trunecus arteriosus entspringen bei den Forellenembryonen die vier typischen Kiemenarterien (Vasa branchialia afferentia, Tafelfig. 1, Ab,-,). Das erste zweigt sich vom Truneus unmittelbar ab, und die folgenden drei entspringen aus einem gemeinsamen, sich vom Truncus weiter hinten und median abgliedernden Stamme. Sie verlaufen eine Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 5 kurze Strecke an dem kaudalen Rande des Knorpels eines jeden Kiemenbogens und wenden sich dann auf dessen konvexe Außenseite. In frühen Entwicklungsstadien geht das Vas afferens der Kiemen unmittelbar in das Vas efferens über. Bei drei Wochen alten (nach dem Ausschlüpfen) und 20 mm langen Embryonen haben sich, wie dies MAurEr (1888) beschreibt und wir bestätigen können, die beiden Gefäße voneinander gesondert und gegen ihre Enden zu verjüngt. Die Verbindung zwischen den beiden Gefäßen stellen die Kapillar- schlingen in den Kiemenblättchen dar, und zwar geschieht dies in der Weise, daß aus der zuleitenden Arterie zwei Kapillaren ent- springen, welche an den einander zugekehrten Innenrändern der Blättehen zu ihrer Spitze verlaufen, dort auf den Außenrand um- biegen und schließlich in die ausführende Vene, welche zwischen der zuführenden Arterie und dem Knorpelbogen liegt, münden (Tafelfig. 2). In welcher Weise die Trennung der Kiemenarterie und -vene vor ‘sich geht, konnte zurzeit nicht genauer verfolgt werden und ist auch unserer Ansicht nach durch die Arbeit von Morrorr (1902) noch nicht klargelegt worden. Wir machen auf den getrennten Verlaut der zuleitenden Arterie und ableitenden Vene in den Kiemen aus dem Grunde aufmerksam, da dieser Tatbestand bei Teleostiern von HocHstErrErR in dem Handbuch von Hertwig übergangen worden ist. Die Blutgefäße der ersten Kiemenbogen verhalten sich anders als die übrigen und erfordern daher eine gesonderte Besprechung, zumal da sich in der Literatur Angaben finden, welche voneinander abweichen. Für die uns zu Gebote stehenden späteren Entwicklungs- stadien können wir die Befunde MAurers (1888) voll und ganz be- stätigen und nehmen wir daher auch für die früheren Entwicklungs- stadien die Darlegung MAurERs an. Nach ihm geht bei Forellen- embryonen, die im 35. Tage nach der Befruchtung stehen, vom “ Truneus jederseits ein Gefäßbogen ab, welcher zwischen Kiefer- und Zungenbeinbogen dorsalwärts verläuft und sich nach Abgabe eines . Zweiges für das Auge und Gehirn zur Aorta vereinigt. Derselbe wurde früher als A. hyoidea und wird jetzt von MAurEr als A. hyo- mandibularis bezeichnet. Bei Embryonen des 41. Tages nach der Befruchtung ist bereits ein zweiter Gefäßbogen vorhanden, der als ein sehr feines Gefäß an dem hinteren Rande des Hyoids verläuft. Dieses Gefäß nennt MaurER A. hyoidea. Bei Forellenembryonen vom 56. Tage, welche seit acht Tagen das Ei verlassen haben, haben sich die beiden Gefäße am dorsalen Ende des Hyoids vereinigt, und ihr gemeinsamer Stamm wird zur Arterie der Pseudobranchie. Bei 6 H. Hoyer und L. Michalski drei Wochen alten und 20 mm langen Embryonen, wie solche auch uns in großer Anzahl zu Gebote standen, hat sich noch das ventrale Ende der Kiemenvene des ersten Kiemenbogens mit der oben ge- nannten A. hyo-mandibularis vereinigt, wodurch die Pseudobranchie venöses Blut aus dem Truncus und arterielles Blut aus der 1. Kieme erhält (Tafelfig. 1 Ahm, Ah, Vb,). Abweichungen von dieser Gefäß- verteilung scheinen nicht selten zu sein. So führt MAurEr an, daß in einem Falle die Gefäße des Hyoidbogens sich nicht aus der Gabel des Truncus fortsetzten, sondern von der ersten linken Kiemen- arterie abgingen. Wir sahen bei einem Embryo die Gefäße aus der ersten rechten Kiemenarterie entspringen. Bei Forellenembryonen von 25 mm Länge obliteriert nach MAURER die Fortsetzung des Truneus und die hinter dem Hyoidknorpel verlaufende A. hyoidea in ihrem ventralen Anfange. Infolgedessen erhält die A. hyo-man- dibularis ihr Blut direkt aus der ventralen Fortsetzung der ersten Kiemenvene. Von der A. hyo-mandibularis, d. i. von der Arterie der Pseudobranchie ging ursprünglich noch ein Ast zum Operkularapparat ab. Mit der Rückbildung des vorderen Abschnittes des Kiemen- arterienstammes geht diese Operkularkieme nunmehr von der Arterie der Pseudobranchie ab. Dieser Umstand veranlaßt MAURER, von den sechs bei Knochenfischen ursprünglich angelegten Arterienbogen die Hyomandibulararterie, welche die Pseudobranchie versorgt, als den ersten anzusehen und die Pseudobranchie der Knochenfische mit der Spritzlochkieme der Selachier. und Ganoiden zu homologisieren, und die Hyoidarterie als den zweiten, an welchem sich bei Ganoiden die Kiemendeckelkieme und bei Selachiern die vordere Kiemen- blättchenreihe der ersten Kiemenspalte zwischen dem Hyoid- und dem ersten Kiemenbogen entwickelt. Durch diese Auffassung, der auch wir uns anschließen, werden die Befunde der älteren Forscher, wie die von v. Bazr (1835), Vocr (1842), Acassız und Vogr (1845), REICHERT (1858) und LEREBOULLET (1861), in Übereinstimmung ge- bracht. Die Pseudobranchie stellt nach unseren Befunden bei Forellen- embryonen von 23 mm Länge ein aus 7 Kiemenblättchen bestehendes Gebilde dar, in welches von der Dorsalseite das aus der Vereinigung der A. hyo-mandibularis, der A. hyoidea und der Vene des 1. Kiemen- bogens hervorgehende Gefäß mündet. Das Blut durchläuft alsdann die Kapillarschlingen der Kiemenblättehen und sammelt sich in dem ausführenden Gefäß, der Vene der Pseudobranchie (Tafelfig. 2 Vp), welche zunächst schräg nach vorn und medial verläuft, um sich dann Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 7 in spitzem Winkel nach außen gegen den Augenbulbus zu wenden, wo sie, wie dies J. MüLLEer (1841) bei erwachsenen Fischen ein- gehend beschrieben hat, zur A. ophthalmica magna wird und die Choreoidaldrüse versorgt. Die beiderseitigen Gefäße sollen an der Stelle, an welcher sie sich der Mittellinie am meisten genähert haben, miteinander anastomosieren, indessen konnten wir dies weder an den Injektionspräparaten noch an Serienschnitten feststellen. Diese Anordnung gilt indessen nach DoHrn (1886) nur für ältere Ent- wicklungsstadien und erwachsene Fische. Sehr frühe Entwicklungs- stadien weisen die gleichen Verhältnisse wie Selachier auf, indem das aus der Pseudobranchie hervorgehende Gefäß anfangs in den später noch zu besprechenden Circulus cephalicus mündet und aus diesem wiederum sich das zum Augenbulbus verlaufende Gefäß ab- zweigt. Wie wir gesehen haben, verbindet sich das ventrale Ende der 1. Kiemenvene mit der A. hyo-mandibularis.. Auch das ventrale Ende der 2. Kiemenvene setzt sich jederseits bis zum Truncus ar- teriosus fort, verläuft aber dann abwärts, um als A. coronaria die Herzwand mit arteriellem Blute zu versorgen‘. Die Kiemenvenen fließen an der Schädelbasis jederseits zur Vena branchialis communis zusammen, deren beiderseitige Stämme den von Hyrru (1838) so benannten Circulus cephalicus der Aorta bilden. Bei Forellenembryonen entsteht der Circulus nur aus den ersten 2 der 4 eigentlichen Kiemenvenen (Tafelfig. 2 Ce). Möglicherweise beteiligt sich an seiner Entwicklung ursprünglich auch noch die Vene der Pseudobranchie,: die aber, wie erwähnt, später vollständig selbständig wird. Die 3. und 4. Kiemenvene mündet zusammen und mit der der anderen Seite vereint und in kaudaler Richtung in den bereits ein- heitlichen Aortenstamm. Somit würden die beiden ersten Kiemen- venen hauptsächlich den Kopf mit arteriellem Blut versorgen und die beiden letzten vorwiegend den übrigen Körper. Der Circulus ist, wie dies bereits HyrrL hervorhebt, an der ı Hykrı (1838) behauptet, daß bei einigen Fischen, darunter auch bei der Forelle, die A. coronaria nur aus der 2. linken Kiemenvene entspringt, indem aus letzterer zwei Zweige hervorgehen, von denen der schwächere zum Zungen- bein und der stärkere zum »fleischigen und häutigen Herzen« verläuft. Ebenso lassen AGassız und VoGTr (1845) die A. coronaria aus der 2. linken Kiemenvene hervorgehen. Nach J. MüLLrr (1839, S. 26) entspringt dieselbe entweder aus der 2. linken oder »gemeinschaftlich aus der 2. rechten und linken Kiemenvene, wie ich beim Hecht sehe«. Nach unseren Befunden versorgen die symmetrisch verlaufenden A. coronariae auch noch den M. sterno-hyoideus (Tafelfig. 1 Ace). 8 H. Hoyer und L. Michalski Schädelbasis vorn nicht geschlossen; es geschieht dies erst innerhalb der Schädelhöhle, nachdem die vorderen Enden der Kreisbogen das Sphenoidium durchsetzt haben. Unter solchen Umständen kann von einem eigentlichen Kreise nicht gesprochen werden. Auch wir haben uns von der Existenz eines solchen bei Forellenembryonen nicht über- zeugen können, es sei denn, daß ein solcher in noch späteren Ent- wieklungsstadien zustande käme. Je nach der Spezies verhält sich der Kopfkreis auch verschieden und können daher die an einer Art gewonnenen Befunde nicht verallgemeinert werden. Die vorderste aus dem Kopfkreis entspringende oder vielmehr bei Forellenembryonen die Fortsetzung der V. branchialis comm. nach vorn bildende Arterie wird als Carotis anterior (Tafelfig. 2 Ca) be- zeichnet. Dieselbe dringt in die Schädelhöhle und gibt unmittelbar nach ihrem Eintritt einen Ast ab, der sich unter spitzem Winkel in gerader Richtung lateralwärts zu den Seitenteilen des Gehirns wendet. Der Hauptstamm setzt sich weiter nach vorn fort, umgibt bogenförmig den Ursprung des Sehnerven und verläuft in schräger Richtung nach vorn und auswärts. Auf seinem Wege entsendet derselbe zwei Ge- fäße, von denen das eine vor, das andere hinter dem N. optieus lateralwärts verläuft. Ersteres wendet sich zur vorderen Partie der Orbita, letzteres begleitet den Sehnerven bis zum Bulbus. Die A. carotis posterior (Tafelfig. 2 Cp) entspringt aus den nach vorn konvergierenden Schenkeln des Kopfkreises und verläuft zwischen den Schenkeln des von der A. ophthalmica magna gebildeten Winkels hindurch fast in gerader Richtung nach vorn zum Geruchsorgan. Hinter derselben, aber noch vor der ersten Kiemenvene, entspringt aus dem Circulus noch eine Arterie (Tafelfig. 2 Aa), welche sich lateral- wärts und dann kaudalwärts wendet, um am unteren Rande des horizontalen Bogenganges des Gehörorgans entlang zu verlaufen. Die obigen Ergebnisse der Gefäßverteilung am Kopfe wurden auf Grund von 7 Injektionspräparaten gewonnen, welche keine nennenswerten Abweichungen voneinander aufwiesen. Dieselben stimmen mit den Angaben von HyrTL (1838) und Acassız und Vogt (1845) nur unvollkommen überein. So soll nach HyrTL die A. carotis post., obwohl er dieselbe an der gleichen Stelle, wo wir sie sehen, entspringen läßt, die Nebenkieme und die Schleimhaut des Rachens und ihre Äste das Praeopereulum und die Muskulatur des Unter- kiefers versorgen und sich längs der Vereinigung der Palatina und des Vomer in den vorderen Teilen des Gesichtes ausbreiten. Doch wird nicht gesagt, daß sie, wie wir dies unzweifelhaft feststellen Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 9 konnten, zum Geruchsorgan verläuft. Nach Acassız und VogT ent- springt aus der 1. Kiemenvene eine A. cephalica, welche sich in die A. encephalopalatina und A. facialis und erstere wiederum in die A. orbitopalatina und die A. encephaloophthalmica spaltet. Von letzteren würde die A. orbitopalatina zur Riechgrube verlaufen. Auch über den Verlauf und über die Verästelung der Carotis ant. sind die Forscher verschiedener Ansicht. Abweichend von den Angaben HyrTLs und auch von den unsrigen stellt Eınstmann (1913), der sich voll- kommen an VoGr und Yung (1894) anschließt, die Gefäßverteilung im Kopfe der Fische dar. Noch am besten läßt sich unsere Dar- stellung der Arterien mit der von PARKER (1886) für Mustelus ant- arcticus gegebenen in Übereinstimmung bringen. Neuerliche Unter- suchungen auf diesem Gebiete wären dringend erforderlich. Über die Verteilung der Arterien im Körper der Fische lauten die Ansichten der Forscher im allgemeinen übereinstimmend. Die Aorta verläuft unter der Chorda dorsalis bzw. der Wirbelsäule bis zu ihrem Ende entlang. Auf diesem Wege gibt sie in jedem Myo- komma oder in jedem Intervertebralraum ein Paar Intervertebral- arterien ab, von denen jede dorsalwärts verläuft und den betreffenden Abschnitt des Rückenmarkes mit Blut versorgt. In frühen Ent- wicklungsstadien ist die Anordnung insofern eine andere, als nach den übereinstimmenden Angaben von v. BAER (1835), REICHERT (1858), Vogr (1842), LEREBOULLET (1861) und ZıEGLER (1902) die interverte- bralen Arterien mit den Venen alternieren. Die streng segmentale Anordnung derselben erfolgt erst später. In der Höhe der Seitenlinie entsendet jede Intervertebralarterie, was Vocr (1842), Acassız und Vosr (1845) und Vosr und Yung (1894) beschreiben und wir be- stätigen können, in dem zugehörigen Myokomma einen Ast zur Ober- fläche, welcher sich in der Seitenlinie in einen im Myokomma auf- und absteigenden Ast gabelt. Von diesen treten feine Zweige zwischen die Muskelbündel der Myomeren ein, während andere die Haut mit Blut versorgen. An den Stellen, wo sich später auf der Dorsalseite des Fischkörpers die unpaarigen Flossen entwickeln, bilden sich aus den dorsalen Enden der Intervertebralarterien ein oder mehrere Zweige stärker aus, welche zu dem oralen Rande der sich bildenden Flosse aufsteigen, dann längs der Basis derselben verlaufen und Zweige zu dem Flossensaum abgeben. Auf der ventralen Seite des Körpers verhalten sich die Flossen- arterien infolge des Vorhandenseins der Körperhöhle anders. Der Schultergürtel wird von gesonderten ‘größeren Arterien, nämlich von 10 H. Hoyer und L. Michalski den A. subelaviae, welche von der Aorta unmittelbar hinter dem Cireulus cephalieus entspringen, versorgt. In der Bauchhöhle zweigen sich von der Aorta paarige Zweige ab, welche in den Myosepten an der Innenwand der Bauchhöhle entlang verlaufen. In der Höhe der Bauchflossen werden einige von diesen stärker und länger, und eben diese dringen wahrscheinlich in die Bauchflossen ein. Es ließ sich dies an unseren Präparaten nicht genau feststellen, da in sämtlichen die Gefäße der Bauchflossen ungefüllt geblieben waren. Die After- flossen erhalten ihre Arterien ebenfalls von der Aorta. Doch zweigen sich dieselben von ihr bereits eine Strecke vor der Analöffnung ab und verlaufen der hinteren Krümmung der Bauchhöhle entsprechend bis zur Basis der Analflossen, von wo sie sich in denselben weiter ausbreiten. Im Schwanzabschnitt des Körpers verläuft die Aorta unterhalb der Chorda bis zu ihrem Ende. Unmittelbar über der Aufwärtskniekung derselben gabelt sie sich und zweigt sich von der Aorta ein Ast ab, der sich, wie dies LEREBOULLET (1861) sehr schön dargestellt hat, in eine Anzahl von Schlingen auflöst. Dieselben ordnen sich alsdann fächerförmig an. Schließlich bildet sich aus dem Aortenast ein auf- und absteigender Schenkel, von welchem feine Gefäße radial in den Flossensaum ausstrahlen!. Die Eingeweidearterien sind in den frühen Entwicklungsstadien nur wenig ausgebildet und entwickeln sich erst stärker, wenn der Dottersack geschwunden ist. Wir haben dieselben daher auch nicht eingehender verfolgt, zumal da sie bei erwachsenen Tieren von Acassız und Vocr (1845) und von späteren Forschern ausführlich beschrieben worden sind. Die A. eoeliaca, welche weit oben von der Aorta entspringt, bildet das Hauptgefäß, von welchem sich die Gefäße zu den Gonaden, zu der Schwimmblase und zum Darm ab- zweigen. Gesonderte, sich von der Aorta abzweigende Äste versorgen die bereits angelegte Vorniere und Urniere. b) Venen. Trotz der grundlegenden Arbeiten von RArHke& (1838), HyrTL (1838 und 1843), J. MüLter (1841), Acassız und Vogr (1845), HocH- stErTR (1893, 1906) sind in der Kenntnis der Verteilung der Venen 1 Sehr eingehende Untersuchungen über die Verteilung der Arterien in der Schwanzregion der erwachsenen Fische finden sich in den Arbeiten von FAvARO (1906) und ALuen (1906—1908), doch sind unserer Meinung nach noch weitere Studien erforderlich, um ein klares Bild der Gefäßverteilung in diesem Gebiete zu erhalten. Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 11 bei Teleostiern noch zahlreiche Lücken geblieben, welche auch die unlängst erschienene Arbeit von Eınstmann (1913) nicht auszufüllen vermochte. Unsere Untersuchungen beziehen sich nur auf ein ge- wisses mittleres Entwicklungsstadium der Venen und können daher auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, waren jedoch in Rücksicht auf die Ausbreitung der Lymphgefäße notwendig. Über die vorderen Kardinalvenen oder Jugularvenen ist zu den Be- schreibungen der Forscher wenig hinzuzufügen. Dieselben verlaufen an der Schädelbasis (Tafelfig. 2Vca) jederseits über den Kiemen in einem lateralwärts leicht konvexen Bogen, welcher unmittelbar hinter dem Gehörorgan eine deutlich markierte stärkere Ausbuchtung nach außen besitzt. Unter ausgesprochener Konvergenz münden die beiderseitigen Kardinalvenen in die Ductus Cuvieri ein. Nach vorn zu verlaufen die Hauptstämme fast parallel zueinander und weiterhin in der Orbita divergent. Durch kleinere vom Gehirn und von den Augen ausgehende Äste werden die beiderseitigen Kardinalvenen in der Mitte der Schädelbasis miteinander in Verbindung gesetzt. Infolgedessen entsteht ein großer venöser Gefäßkreis, welcher lateral von den Kar- dinalvenen gebildet wird und hinten von den Cuvierschen Gängen und dem Herzsinus und vorn von den Venen der Hirnbasis und der Augen geschlossen wird. Der aus dem Augenbulbus unterhalb des Sehnerven entspringende Venenast, welcher von J. MÜLLER V. ophthalmieca magna und von Acassız und VoGr »la veine oculaire« benannt wird, bildet einen medianwärts konvexen Bogen und ergießt sich dann in den Stamm der Kardinalvene (Tafelfig. 2 Vom). In diese mit ihren Konvexitäten einander zugekehrten Augenvenen mündet ein unpaariges, von der Hirnbasis herkommendes Gefäß unter Gabelung ein und stellt so vorn die Verbindung zwischen den beiden vorderen Kardinalvenen her. Dort, wo die Augenvene in die Cardinalis mündet, besteht an letzterer eine Erweiterung, welche Hyrrı (1843) Sinus oder Bulbus ophthalmicus venae jugularis nennt und ähnlich wie den weiter unten beschriebenen Sinus cephalicus zum Lymphgefäßsystem in Beziehung zu setzen glaubt. Dieser Jugularsinus mag wohl bei vielen Fischen existieren, ist aber, wie dies bereits Acassız und Vocr (1845) her- vorheben, bei der Forelle kaum angedeutet. Wenn sich an der ge- nannten Stelle eine Erweiterung der Vena jugularis bemerkbar macht, so ist das wohl dem Umstande zuzuschreiben, daß daselbst 2, nach Acassız und Vocr sogar 4 Gefäßäste zusammenfließen. Dadurch wird der Stammvene plötzlich viel Blut zugeführt und erscheint die- 12 H. Hoyer und L. Michalski selbe daher im Verhältnis zu den Ästen verbreitert. Acassız und Vocr führen folgende 4 in die Cardinalis ant. mündende Äste an: die Hirnvene, die Augenvene und die Vena facialis interna und ex- terna. Es ist möglich, daß das vordere Ende der Stammvene bei erwachsenen Fischen eine derartige Form annimmt, als wenn die 4 Gefäße ihre Wurzel bildeten. Nach unseren Befunden an Em- bryonen stellen sich die Gefäßverhältnisse etwas anders dar. Wir betrachten als die einzigen in die Stammvene mündenden Äste die V. ophthalmica magna und die V. facialis externa, während die Hirn- vene, wie beschrieben, von der Augenvene aufgenommen wird und die V. faeialis interna (V. facialis posterior von RATHKE, 1838) als größtes und längstes Gefäß die eigentliche Fortsetzung der vorderen Kardinalvene bildet. Letztere verläuft an der hinteren Wand der Orbita medial- und dorsalwärts, gibt außer zahlreichen kleinen Ästen zum Bulbus, zu den Augenmuskeln und zum Füllgewebe der Orbita in der Höhe des Zwischenhirns einen starken Zweig zum Plexus chorioideus ant. ab und begibt sich dann, die dorsale Wand der Orbita verlassend, zu dem vorderen Teil der Gesichtsfläche. Neben- bei sei bemerkt, daß sich auf der Oberfläche der Iris ein Kranz von venösen Gefäßen befindet, aus welchem 3 genau meridional, und zwar vorn, medial und lateral, angeordnete Venen das Blut ableiten. Durch die in der fetalen Augenspalte (medial) liegende Vene fließt das Blut aus dem Venenkranze in die V. ophthalmica, durch die übrigen in die V. facialis interna. In diese, nach unseren Untersuchungen eine solche Ausbreitung besitzende V. cardinalis anterior mündet von der medialen Seite die oben beschriebene V. ophthalmica magna und von der lateralen das als V. facialis ext. bezeichnete Gefäß. Es ist nur unbedeutend und sammelt das Blut aus dem M. adductor mandibulae, an dessen äußerem Rande dasselbe nach AGassız und Vor entlang läuft. Die vordere Kardinalvene erhält auf der ganzen Strecke ihres Verlaufs bis zu ihrer Vereinigung mit der hinteren Kardinalvene noch zwei venöse Zuflüsse, nämlich das von Hyrrı (1843) als ver- einigte Unterkiefer- und Kiemendeckelvene bezeichnete Gefäß und ein Ast aus dem kaudalen Abschnitt des Gehörorgans, welcher außerdem noch das Blut aus dem Plexus choroideus posterior und der Medulla ablongata aufnimmt. Von den Venen des Kopfes wären schließlich noch die im Jahre 1699 von Duverney entdeckten Venen, welche das Blut aus dem Kiemenkorbe in den Sinus venosus leiten, zu erwähnen. FOHMANN Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 13 (1827) leugnete das Vorhandensein derselben und sah die betreffenden Gefäße als Lymphgefäße an. Diese Angelegenheit ist dann von J. Mürter (1811) eingehend erörtert worden, und derselbe gelangt ebenso wie Acassız und VoGrT zu dem Schlusse, daß solche Venen, welche die Funktion von Vasa nutritia efferentia der Kiemen be- sitzen, existieren. Sie werden von ihm und Srtannxıus (1854) als Vv. jugulares inf. und von Acassız und VoGr als »veines bron- chiques« oder »Duvernoysche Venen«! bezeichnet. Nach der An- sicht der letzteren Forscher sind die Venen paarig, verlaufen über dem Truncus arteriosus längs der Copula des Hyoids und vereinigen sich auf dem Perikard zu einem einzigen Stamme, welcher sich in das Atrium ergießt. In neuerer Zeit beschäftigen sich mit den Venen GROossER (1907), Feporow (1913) und Eınstmann (1915). GROSSER nimmt ihre Existenz bei Teleostiern an und FEDOROW? beschreibt ihre Entwicklung. bei Salmo fario sehr ausführlich. Sie sind nach seinen Befunden paarig und münden, ohne sich zu einem einzigen Gefäß zu vereinigen, in den Sinns venosus. Eıstmann (1913) hat beim erwachsenen Karpfen eine unpaarige Jugularis inf., die das venöse Blut des Mundbodens fortfübrt und weiterhin jederseits 4 von den Kiemen herkommende Aste aufnimmt, dargestellt und abgebildet, läßt sich aber im übrigen auf keine Dis- kussion ein?®. Uns ist es nicht gelungen, die genannten Venen durch Injektion sichtbar zu machen, doch konnten wir an Serienschnitten durch die Herzgegend das Vorhandensein von paarigen, in den Sinus mündenden Gefäßen feststellen. Trotzdem möchten wir uns ange- sichts der noch nicht völlig aufgeklärten Verhältnisse jeglichen Ur- teils darüber enthalten. 1 Die Verwechslung von DUVERNEY und DUvERNOY findet sich nicht nur bei AGassız und VoGT, sondern auch bei MıLnE EpwArps (1859). Nach J. MÜLLER hat Duverney (1648—1730) 1699 die Vv. jugulares beschrieben, sie können da- her nur Duverneysche Venen genannt werden. DuvErnoy (1777—1855) hat die Werke Cuviers herausgegeben und um das Jahr 1835 mehrere Arbeiten über Blutgefäße veröffentlicht. 2 Wenn auch die Befunde FEporows bei Trutia zu Recht bestehen, so erheben sich bezüglich der Vv. jugulares inf. bei Tritonen und wahrscheinlich auch bei Amblystoma mexicanum Zweifel, ob die von FEDoROw beschriebenen Gefäße wirklich Venen sind. GreiL hat 1903 und Hoyer und Upzier.a 1912 bei Salamanderlarven und Hoyer gelegentlich bei Triton festgestellt, daß auf der Dorsalseite des Truncus sich Lymphgetäße befinden, welche genau so an- geordnet sind, wie die Vv. jugulares inf. von FEDoRow. 3 In Fig. 2 Taf. I ist von dem gleichen Autor noch eine unpaarige Jugularis inf. eines anderen Fisches dargestellt, ohne daß sie im Text erwähnt ist. Der Arbeit eine Figurenerklärung beizufügen, hat EınstmAann überhaupt unterlassen. 14 H. Hoyer und L. Michalski Die Venae cardinales post. bilden die venösen Hauptstämme des Rumpfes. Nach den übereinstimmenden Angaben der Forscher über- trifft die rechte an Größe und Länge die linke und setzt sich un- mittelbar in die V. caudalis fort, welche unterhalb der A. candalis bis zum aufsteigenden Ende der Wirbelsäule resp. Chorda verläuft und sich dort gabelt. Es wurde bereits oben erwähnt, wie die in den frühesten Stadien von der Aorta ausgehenden, an der Chorda und am Rückenmark aufsteigenden und zur AH Cardinalis post. zu- rückkehrenden Gefäß- schlingen angeordnet sind. Nachdem sich dieselben während der folgenden Entwick- lungsstadien so weit umgeordnet haben, daß in je einem Myoseptum eine Arterie zu liegen kommt, befindet sich zur Seite einer jeden Arterie auch eine Vene. Die Anordnung der Venen ist aus der Textfig. 1 ersichtlich. Dieselbe gibt das Bild Verteilung der Venen am Rumpf eines eben ausgeschlüpften eines Präparates, in Forellenembryos von 15 mm Länge. Vergr. 1/45. = A Rfl. Rückenflosse; Bjl. Bauchflosse; Vis. Venae intersegmentales welchem ausschließlich superficiales; Vip. Venae intersegmentales profundae; Vc. Vena die Venen durch In- cardinalis post.; Vi. Vena intestinalis. Fig. 1. EHE TER jektion zur Darstellung gelangt sind. Von der Stammvene gehen in regelmäßigen Zwischen- räumen Zweige ab, welche jederseits an der Chorda aufwärts steigen (Vip.) und über dem Rückenmark miteinander in Verbindung treten. Etwa in der Hälfte der Chorda spaltet sich von jeder dieser Venen unter spitzem, kaudalwärts geöffnetem Winkel ein Ast ab, welcher nach kurzem Verlauf im Myoseptum sich”in einen auf- und ab- steigenden Zweig (Vis) gabelt. Letztere verlaufen oberflächlich unter der Haut in den etwas vertieften Myosepten. Die Gabelungswinkel dieser Venen liegen sämtlich in einer Reihe unter der Seitenlinie. Eine solche Anordnung der Venen findet sich am ganzen Rumpfe auf Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 15 beiden Körperseiten. Nur in dem Schwanzabschnitt ändert sich die- selbe insofern, als es dort nicht mehr zur Ausbildung der ober- flächlichen Äste kommt. Man sieht daher in diesem Abschnitte nur die tiefen, die Chorda umfassenden Intervertebralvenen, welche den kleineren Myomeren entsprechend dichter nebeneinander liegen. Offenbar bilden sich die in der Seitenlinie zur Oberfläche aufsteigen- den Venenäste erst aus, wenn die Rumpfmuskulatur eine gewisse Dicke erlangt hat. Nach Angabe der älteren Autoren bestehen in der Höhe des Rückenmarkes zwischen den alternierenden Gefäßen bogenförmige Verbindungen. Derartige regelmäßig angeordnete Bildungen sind an unseren Präparaten nicht mehr wahrzunehmen, wohl aber bestehen zwischen den Venen der rechten und linken Seite und stellenweise auch zwischen den Venen der einen Seite verbindende Anastomosen, welche jedoch in ihrer Anordnung keinerlei Regelmäßigkeit erkennen lassen. Nur an den Stellen, wo sich später die Flossen entwickeln, treten die Verbindungen häufiger und dichter und in Form eines Plexus auf, in welchen dann vereinzelte Äste aus der sich bildenden Flosse einmünden. Auf der ventralen Seite des Körpers weisen die Venen ein etwas anderes Verhalten auf. Den wesentlichsten Anteil an der Zirkulation nimmt ursprünglich der Dottersack, wie dies LEREBOULLET (1861) hervorhebt. Wohl am genauesten ist die Entwicklung und Verteilung der Dottersackgefäße dann von ZIEGENHAGEN (1894, 1896) beschrieben worden, insbesondere das allmähliche Überwiegen der linken Dotter- vene über die rechte und die Beziehung der V. intestinalis zur hin- teren unpaaren Dottervene. Die Venen der Brustflossen ergießen sich jederseits in die Duc- tus Cuvieri. In der Bauchhöhle sind die Venen den Arterien ent- sprechend angeordnet und verlaufen in den Myosepten an der Innen- wand zu den Kardinalvenen. Durch eben diese Gefäße fließt das Blut aus den Bauchflossen ab, nur sind die betreffenden Venen im Bereiche der letzteren stärker ausgebildet. Aus den Afterflossen fließt das Blut durch eine Vene ab, welche ebenso wie die Arterie der Krümmung des Endes der Leibeshöhle entsprechend nach vorne verläuft und eine Strecke vor dem Ansatz der Afterflossen in die rechte Cardinalis mündet. Die in der Schwanzflosse fächerartig aus- gebreiteten Venen vereinigen sich in den zwei Gabelästen, welche in die V. caudalis münden. Im Verhältnis zu der Arterie erscheint die Vene etwas mehr distal verschoben. Bei erwachsenen Fischen kom- 16 H. Hoyer und L. Michalski plizieren sich die Gefäßverhältnissein derSchwanzgegend bedeutend und scheinen auch je nach der Art zu variieren. Die Veranlassung hierzu gibt die bei verschiedenen Arten sehr verschiedenartige Anordnung der Skelettstücke und ferner das Auftreten des kaudalen Lymph- herzens. Von Eingeweidevenen ist lediglich die Subintestinalvene stärker ausgebildet. Im übrigen haben wir die Anordnung der Venen der Baucheingeweide nicht näher verfolgt. 4. Literatur über Lymphgefäße. Die Lymphgefäße der Fische sind bereits seit langem Gegen- stand der Untersuchung gewesen, und BAarrHoLın (1652) hat, wie MıLnE Epwarns berichtet, als erster Lymphgefäße bei Fischen ge- sehen und beschrieben. Von neuem entdeckt wurden dieselben gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch Hzwson (1769) und Moxxo (1787), von denen jeder sich die Priorität der Entdeckung anmaßte. HEwsoNn beschreibt beim Schellfisch, Kabeljau, bei der Scholle und Steinbutte folgende Lymphgefäße: eins in der Mittellinie des Bauches, welches in ein Netzwerk von breiten Lymphgefäßen mündet, die das Peri- cardium umgeben. Ein weites Lymphgefäß verbindet dieses Netz- werk mit dem Ductus thoraeieus und nimmt noch die Lymphgefäße der Brustflossen, das Seitenlymphgefäß samt seinen segmentalen Ästen, Abflüsse von der Niere, von den hinteren Kiemen und von der Nase, dem Mund und der Orbita auf. Aus dem Netzwerk leitet ein Ge- fäß die Lymphe in die Vena jugularis. Die als Milchgefäße be- zeichneten Lymphgefäße des Darmkanals verlaufen zu beiden Seiten der mesenterialen Arterien in ein Receptaculum, welches in seinem unteren Teile aus zwei Ästen besteht. Der eine erhält Lymphgefäße von der Leber, vom Pankreas und Magen und von einem Teils des Dünndarms, der andere diejenigen von Rectum und von den übrigen Teilen des Dünndarms. Der aus dem Receptaculum hervorgeliende »Ductus theoracieus« teilt sich in zwei Stämme, von denen der eine rechts, der andere links verläuft. Beide verbinden sich mit dem oben erwähnten weiten Lymphgefäß. Außerdem gibt es noclı ein Lymphgefäß, welches zwischen den Wurzeln der Processus spinori des Schwanzabschnittes der Wirbelsäule entspringt, die Lymphgefäße der dorsalen Flossen aufnimmt und am Kopfe sich gabelnd jederseits in den Ductus thoracieus mündet. Nach Monro (1787) verlaufen die Milchgefäße des Darmes bei Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 17 Gadus morrhua und @. aeglefinus zunächst in einem Behälter und aus diesem durch einen rechten und linken großen Kanal in einen wei- teren großen Behälter, der zwischen dem Schlüsselbein und den untersten Kiemen liegt. In denselben ergießen sich außerdem noch folgende Lymphgefäße: 1. ein Gefäß von der Mitte des Bauches, von den Bauch- und Brustflossen und vom Herzen; 2. das Seiten- lymphgefäß; 3. ein Gefäß aus dem Rückenmark und den oberen Teilen des Kopfes; 4. ein Geflecht von Lymphgefäßen, welche die Lymphe vom Gehirn, den Sinnesorganen, vom Mund, von den Kiefern und den Kiemen ableiten. Die Behälter stehen hinter dem Herzen miteinander in Kommunikation und münden mittels eines Kanals an der Vereinigungsstelle der »unteren Hohlader« und der Drosselader. An der Mündung befinden sich Falten statt Klappen. Fonnmann (1827) gibt in seinem groß angelegten Werke zunächst eine Übersicht über die ältere Literatur und behandelt dann ver- schiedene Fragen allgemeinen Inhalts. Er verwirft zwar die An- sicht Lipris über die vielfachen Verbindungen zwischen Lymph- gefäßen und Venen, glaubt aber solche in den Lymphdrüsen nach- gewiesen zu haben, ferner tritt er für die einsaugende Funktion der Lymphgefäße ein und ist der Ansicht, daß die Lymphgefäße an ihren Wurzeln blind endigen. Den meisten Raum in der Arbeit nehmen die Tafeln und die Erklärung der Figuren ein, ohne daß eine Ge- samtübersicht über die Verteilung der Lymphgefäße gegeben wird. Die Befunde FOHMANNS stimmen, soweit aus den Figuren zu ersehen ist, mit denen der vorhergehenden Forscher überein und werden weiter unten bei der speziellen Beschreibung der Lymphgefäße noch berücksichtigt werden. J. Mürer (1839) macht über die Lymphgefäße der Myxinoiden kurze Angaben und bemerkt von Teleostiern nur, daß zwischen den Augenmuskeln bedeutende Lymphräume liegen, aus welchen, wie 2. B. beim Hecht, bei Eröffnung der Augenhöhlen von unten eine große Menge von Lymphe hervordringt. Hyrrr (1843) richtet, durch die Entdeekung des Kaudalherzens beim Aal durch Marshall Han dazu veranlaßt, seine Aufmerksam- keit hauptsächlich auf die Lymphherzen und -sinusse der Fische, macht aber dabei auch einige wertvolle Bemerkungen über die Ver- teilung der Lymphgefäße. Er bestätigt zunächst die Befunde Marshall Harrs beim Aal und findet bei allen von ihm untersuchten Fischen außer Gadus lota am Schwanz einen paarigen Behälter, welcher Lymphgefäße aufnimmt und in die Kaudalvene mündet. Morpholog. Jahrbuch. Öl. 2 18 | H. Hoyer und L. Michalski Die Behälter stehen miteinander in Kommunikation. Ob dieselben selbständig pulsieren wie beim Aal, konnte HyrrL nicht mit Sicher- heit entscheiden. Weiterhin beschreibt er sehr eingehend das Iympha- tische Seitengefäß mit seinen subkutanen Nebenzweigen und die sub- kutanen Sinus an der Anheftungsstelle der Brust- und Bauchflossen. Bei Silurus findet er drei Seitengefäßstämme, die sich hinten ver- einigen und wie die einfachen Seitengefäßstämme in den Kaudal- sinus münden. Vorn ergießt sich das Seitengefäß in den jederseitigen Kopfsinus. Letzterer ist kontraktil und verbindet sich mittelst eines Ausführungsganges mit der Jugularvene. Beim Lachs und bei der Forelle erweitert sich das vordere Ende des Seitengefäßes, krümmt sich nach abwärts und mündet in die »Hohlvene« (d. i. in die Vena cardinalis post.) Bei Perca, Tinca und Cottus ergießt sich das Seitengefäß sowohl in den Kopfsinus wie auch in die Vena cardinalis post. Verbindet sich das Seitengefäß mit dem Kopfsinus, so nimmt es noch vorher »die Wassergefäße der Mund- und Rachenschleimhaut, des Kiemengerüstes, derZunge und der Membrana branchiostega« auf, wäh- rend die Lymphgefäße des Kopfes und namentlich der Augenhöhlen mit der Vena jugularis zusammenhängen. Bei Leueiscus nimmt der Kaudalsinus noch einen im Spinalkanal verlaufenden Stamm auf. Rogın (1845) hat den lateralen Lymphstamm bei Labrax lupus injiziert. Es füllten sich dabei nicht nur die subkustanen Lymph- gefäße und diejenigen der Flossen, sondern auch die des Rectums, der Genitalien, der Schwimmblase, der Umgebung der Nieren und des Mesenteriums. Rogın behauptet mit Nachdruck, daß die Kom- munikation zwischen dem Lateralgefäß und denjenigen des Abdomens durch die Gefäße der Kloakengegend vermittelt wird. Das Seiten- gefäß mündet in die Ductus Cuvieri. Innerhalb der Leibeshöhle verlaufen mehrere subperitoneale Lymphstämme dem Körper ent- lang. Nachdem Vogr bereits im Jahre 1843 durch Injektionen Ver- bindungen zwischen den Schleimgängen der Fische und dem Lymph- gefäß- und Venensystem nachgewiesen zu haben glaubte, welche durch einen Klappenapparat so beschaffen sind, daß aus den Schleim- gängen Flüssigkeiten in die Lymphgefäße und Venen, nicht aber aus diesen in jene übergehen können, behandelt er denselben Gegen- stand ausführlich in seiner in Gemeinschaft mit Acassız herausge- gebenen »Anatomie des Salmones« (1845) und kommt, sowie auch Acassız (1850), in kurzen Mitteilungen noch einmal darauf zurück. Unter dem Kapitel der »Schleimkanäle« beschreiben die beiden For- Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 19 scher in ihrem Hauptwerk, wie es ihnen gelungen sei, am Körper der Fische einen Kanal darzustellen, welcher der Ansicht Hykrus entgegen ohne Seitenäste versehen ist. Am Schwanze angelangt gabeltsich derselbe in einen auf-undeinen absteigenden Schenkel. Dabei füllt sich von demselben aus ein der Schwanzflosse jederseits an- liegender Sack, der kontraktil ist und in die V. cardinalis mündet. Die beiden Säcke stehen auch untereinander in Verbindung. Am Kopfe öffnet sich »der laterale Kanal« in einen ziemlich geräumigen Behälter, der durch eine mit einer starken Klappe versehene Spalte in den Duetus Cuvieri mündet. Wie aus dem Obigen hervorgeht, haben die Verfasser den Iymphatischen Seitenstamm tatsächlich dar- gestellt, mit ihm zugleich aber auch den Schleimkanal der Seiten- linie, wodurch sie irregeleitet wurden. In ihrer weiteren Beschrei- bung der vier in den Kopfbehälter mündenden Kanäle vermögen sie sich von dem Irrtum nicht mehr freizumachen und behaupten, daß die Lymphgefäße sich mit den Schleimkanälen verbinden. Letztere würden durch Poren in der Haut mit dem Wasser in Kommuni- kation stehen und erstere mit dem Venensystem. Eine derartige Auffassung der einsaugenden Funktion der Lymphgefäße finden wir bereits bei Monro (1787) ausgesprochen, welcher durch Injektionen bei Rochen nachzuweisen suchte, daß die Lymphgefäße mittelst vieler, feiner, regelmäßig verteilter Öffnungen auf der Haut ausmünden. Von den erwähnten vier von Agassız und VosT beschriebenen "Kanälen ist der erste wohl sicher als Schleimkanal anzusehen, der zweite soll von den drei ersten Kiemenbogen und der dritte und vierte hauptsächlich von dem vierten Kiemenbogen herkommen. Der dritte Kanal kommuniziert mit dem entsprechenden Kanal der an- deren Körperhälfte, und diese Anastomose nimmt die beiden großen Lymphgefäße auf, welche die Aorta begleiten und die Lymphe aus den Eingeweiden sammeln. Dem gleichen Irrtum, daß Schleimkanäle und Lymphgefäße mit- einander zusammenhängen, ist auch Sarpey (1880) verfallen. Wir schließen daher die Ergebnisse seiner Untersuchungen hier sogleich an, obwohl seine Arbeit zeitlich viel später erschienen ist. Letztere hat hinsichtlich der Technik und eines Teils der Untersuchungs- resultate von seiten P. Mayzrs (1888) bereits eine scharfe Kritik er- fahren, aber auch den Befunden Sarpevs bezüglich der Verteilung der Lymphgefäße gegenüber verhält sich P. Mayer ablehnend, da er sämtliche bei Fischen beschriebene Lymphgefäße, selbst die von Hvrrı bei Knochenfischen dargestellten als Venen betrachtet. In- 2* 20 H. Hoyer und L. Michalski dessen lassen sich ebenso wie in der Arbeit von AGcassız und VogT auch bei Sarpey verschiedene wichtige Beobachtungen über die Lymph- gefäße auffinden. In dem »Conduits mucipares et vaisseaux lym- phatiques des poissons osseux« überschriebenen Kapitel werden zu- nächst die Schleimkanäle und dann die Lymphgefäße behandelt. , Letztere besitzen drei hauptsächliche Ursprünge: die Eingeweide, die Muskeln und die Hautdecke. In letzterer verlaufen zwei große laterale, zwei dorsale und zwei ventrale Stämme. Der laterale Stamm ist an den Mündungen der intersegmentalen Seitenäste etwas er- weitert und zwischen denselben eingeengt. Mit seinem hinteren Ende mündet der Seitenstamm in eine abgeplattete Ampulle. Beide Am- pullen stehen miteinander in Kommunikation, ergießen ihren Inhalt aber nicht, wie Hy&rL behauptet, in die V. caudalis, sondern in einen Ast der Hinterflossenvene. SAaPPpkY sieht die Ampulle nicht als ein kontraktiles Lymphherz an. Das vordere Ende des Seitenstammes verbindet sieh unmittelbar mit dem Hals der V. jugularis. Der dor- sale Stamm ist in der Regel doppelt; in der Höhe der Dorsalilosse, wo derselbe gewöhnlich unpaarig und nur selten paarig ist, verläuft derselbe in dem die Flossenstrahlen durchsetzenden Knochenkanal als starkes Gefäß, von welchem aus es leicht gelingt, den Seiten- stamm und überhaupt das ganze Lymphgefäßsystem mit Quecksilber zu injizieren. An seinem vorderen und hinteren Ende finden sich nur kleine, ihm parallel verlaufende Stämmchen. Die ventralen _ Stämme sind ebenfalls paarig und nur im Gebiet der Analflosse un- paarig. An der Basis der Bauch- und Brustflosse findet sich stets ein kurzer Stamm. Alle diese Stämme sind durch die oben erwähnten intersegmentalen Äste miteinander verbunden. In den Flossen selbst findet sich ein sehr feines Lymphgefäßnetz. Von tiefen oder muskulären Stämmen unterscheidet SArPpEY dor- sale, intraspinale und subvertebrale. Die paarigen dorsalen verlaufen zu beiden Seiten eines unter der Dorsalflosse liegenden Muskelbündels. Weiter nach vorn nähern sie sich der Wirbelsäule, ohne ihre Längs- richtung aufzugeben. Eine Menge von kleinen Zweigen verbindet sie mit dem dorsalen subkutanen Stamme und mit dem intraspinalen. Letzterer ist der größte der tiefen Stämme und hat als Sammelgefäß dieselbe Bedeutung wie der Seitenstamm. Er erstreckt sich vom letzten Schwanzwirbel bis zum ersten Halswirbel, welchen er um- kreist, um sich in die V. jugularis zu ergießen. Der Stamm liegt im Spinalkanal und nur bei Perca und Esox in einem gesonderten, von den Dornfortsätzen gebildeten Kanale. Er wird von einer Vene Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. PA begleitet und nicht, wie Hyrru beschreibt, von einem zweiten Lymph- gefäßstamm, welcher in dem Kaudalsinus endigen würde. Nach Sırpey hat der intravertebrale Stamm keine Kommunikation mit dem Kaudalsinus. Der dritte tiefe Stamm, nämlich der subverte- brale, liegt im Kaudalkanal unter der Kaudalvene. Weiterhin be- schreibt Sarrey seine Befunde an Pleuronectes, welche wir über- gehen, da es schwierig ist, sich in denselben zurechtzufinden. Wenn schon die Verwechslung der Schleimkanäle und Lymph- gefäße und die von P. Mayer richtiggestellte Beschreibung der kontraktilen Organe bei Rajiden das Vertrauen zu SaPPpEY erschüttert haben, so tut dies noch nachdrücklicher folgender zum Schlusse an- geführte Satz: »Rappelons que tous les vaisseaux Iymphatiques musculaires, de m@me que ceux de la peau, communiquent avec les capillaires veineux, et qu’en les injectant on remplit non seulement ces capillaires, mais les rameaux, les branches et m@me les trones qui en dependent.« In der chronologischen Reihenfolge folgt auf die Arbeiten von Acassız und Vocr das Handbuch der Zootomie von STAannıus (1854), in welchem die Ergebnisse früherer Forscher durch eigene Unter- suchungen ergänzt zur Darstellung gelangen. Am Rumpf unterscheidet StAannıus als wichtigste Gefäße die den Truncus lateralis nervi vagi begleitenden Seitenstämme, welche aus den Ligamenta intermuscularia zahlreiche Quergefäße erhalten. Letztere »bewirken eine Kommuni- kation mehrerer mehr dorsal gelegenen Längsgefäße mit dem Seiten- längsstamme«. Ferner führt er einen unpaarigen epigastrischen Längsstamm an, welcher zwischen den ventralen Hälften der beiden Seitenmuskeln nach vorn verläuft. In ihn münden die Gefäße der Afterflosse und auch die Quergefäße der Ligamenta intermuseularia. Zu den untergeordneten oberflächlichen Längsstämmen rechnet er die Längsstämme, die bei Sılurus und Cottus durch die Kniekungs- winkel der Myomeren des Seitenmuskels verlaufen, und ferner einen Stamm, der »an der oberen Grenze des Seitenmuskels und dem Längsmuskel der Rückenflosse oder längs der Basis der Rücken- flosse« verläuft. Alle diese Längsstämme stehen durch die in den Myokommata liegenden Quergefäße in Verbindung. An der Basis der Brustflossen befindet sich ein Sinus, in welchen die Gefäße der Flossenstrahlen einmünden. Der Seitenlängsstamm und der Längs- stamm des Canalis spinalis münden unter Vermittelung eines kon- traktilen Kaudalsinus in die V. caudalis. Eine zweite ständige Ver- bindung der Lymphgefäße mit den Venen findet sich »an der Über- 2 H. Hoyer und L. Michalski gangsstelle der V. vertebralis ant. in den Truncus transversus«. Dort sammeln sich die vom Kopfe, den Kiemen und vom Rumpfe kom- menden Lymphgefäße in einem Sinus, der ebensowenig kontraktil ist wie die Lymphgefäße selbst. Bezüglich der Lymphgefäße des Kopfes folgt Srannıus den Berichten von AGassız und Vor. MıLne Epwarps (1859) gibt in seinem bekannten Werke nur eine zusammenfassende Übersicht über die Untersuchungen des Lymph- gefäßsystems der Fische, ohne selbst etwas zu denselben beigetragen zu haben. Hierauf folgen zeitlich die sehr bemerkenswerten, aber voll- ständig in Vergessenheit geratenen Arbeiten von JourDAIN (1867 und 1868) über das Lymphgefäßsystem von Gadus morrhua und Conger mit denen wir zugleich auch die anderen, viel später veröffentlichten Mitteilungen desselben Forschers besprechen wollen. Die Lymphgefäße von Gadus gelangen zu einer beträchtlichen Entwicklung. Sowohl diese sowie die großen Lymphbehälter sind von einer Gefäßmembran begrenzt. Ein aus Lymphgefäßstämmen und kleineren Kavitäten bestehender großer gemeinschaftlicher Sinus bildet in der Höhe des Schultergürtels eine Art Halsband. Die be- deutendste Kavität liegt zu beiden Seiten des Craniums unter der Kopfniere und vor der Schwimmblase. Am Zusammenfluß der beiden Hälften des gemeinsamen Sinus in der Mittellinie unter dem Herzen befindet sich eine Erweiterung, in welche die Lymphgefäße der Kiemenbogen, des Branchiostegalapparates und eines Teiles des Ge- sichtes münden. Von rückwärts erhält der Sinus comm. 1. einen unpaaren Stamm aus der ventralen Mittellinie. In letzteren münden die Lymphgefäße der ventralen Flossen und die intersegmentalen Lymphgefäße des Seitenmuskels ein. Derselbe Stamm umgibt ring- förmig den Anus und anastomosiert in diesem Gebiet mit den peri- renalen Behältern, mit den Lymphgefäßen des Endabschnittes des Verdauungstractus, mit denen der Ovidukte und der Harnblase und mit denen der Analflosse. In den Sinus comm. münden ferner 2. paarige Stämme aus den Sinus der Brustflossen, 3. die paarigen Seitenstämme mit ihren intersegmentalen Ästen. Jenseits des Anus vereinigen sich letztere zu einem bogenförmigen Gefäß, welches unter den die Rücken- und Schwanzflosse entfaltenden Muskeln gelegen ist und sich an den unter den Flossenstrahlen verlaufenden Stamm anschließt. In seiner Endpartie nimmt der Seitenstamm fächerförmig angeordnete Gefäße auf, welche aus einem halbmondförmigen Kanal an der Basis der Schwanzflosse ihren Ursprung nehmen. An seiner EEE WERE EEE EEE ne . Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 23 Mündung in den Sinus comm. wird der Seitenstamm durch ein die Lymphe aus den Seitenteilen des Kopfes ableitendes Gefäß verstärkt. 4. In den Hämapopbysen des Schwanzes verläuft unter der A. und V. caudalis ein Lymphkanal, welcher aus dem an der Basis der Schwanzflosse liegenden Gefäß entspringt und federförmige Äste der unteren Dornfortsätze aufnimmt. Der Kaudalkanal entsendet in der Höhe eines jeden Wirbelkörpers eine Anastomose zu dem im Wirbel- kanal verlaufenden Lymphgefäß, welches Hykru als solches richtig beschrieben hat. In der Leibeshöhle gabelt sich der Kaudalkanal und verläuft jederseits in dem prismatischen Raum, welcher sich zwischen der Schwimmblase und Leibeswand befindet. Diese peri- renalen Kanäle erhalten Äste von der Schwimmblase, von der Harn- blase und subperitoneale Zweige von der Leibeswand. Vorne treten sie unter Vermittelung der vorderen Nierenlymphgefäße mit dem Sinus communis in Verbindung. Das intraspinale Lymphgefäß gabelt sich vor dem Oceipitale und mündet ebenfalls in den Sinus communis. 5. Die Lymphgefäße des Darmtractus begleiten unter reichlicher Anastomosenbildung meistens paarig die Arterien. Aus der Ver- einigung derselben und derjenigen der Leber und Milz entsteht ein voluminöser Stamm, welcher an der rechten Seite des Osophagus entlang läuft, Lymphgefäße aus dem Eierstock aufnimmt und sich in den Sinus communis ergießt. Der Sinus communis mündet, nach- dem er noch Lymphgefäße aus den oberen Partien des Kiemenkorbes, des Operculums und der Orbita aufgenommen hat, verengert in die V. cardinalis ant. etwas hinter ihrem Austritt aus der Orbita. Die Mündung ist mit einer doppelten Klappe versehen. Die von HyrrL beschriebene durch das Kaudalherz vermittelte Verbindung zwischen Lymph- und Venensystem stellt JournAın als möglich dar, nicht aber die von Foumann behaupteten zahlreichen Verbindungen. Diese Arbeit JourRDAINs findet durch seine an Üonger aus- geführten Untersuchungen insofern eine Ergänzung, als bei Conger die Existenz der subvertebralen Stämme (Ductus thoraeici) nachge- wiesen wird. Das kaudale Lymphgefäß bei Conger nimmt die der Verzweigung der A. caudalis enisprechenden Lymphgefäßäste aus den Flossen, Muskeln und der Haut des hinteren Körperabschnittes auf. In der Bauchhöhle gabelt sich das kaudale Lymphgefäß am hinteren Ende der Niere in die zwei subvertebralen Stämme, welche . in einer Rinne der Wirbelsäule liegen. Sie sammeln die Lymphe aus der Schwimmblase, aus den Genitalien und den Eingeweiden. In der Höhe der Kiemenbögen nimmt jeder Subvertebralstamm ein 24 H. Hoyer und L. Michalski diekes Gefäß auf, welches sich in so viele Äste teilt, als Kiemen- bogen vorhanden sind, und ferner ein Gefäß von dem Branchiostegal- apparate. Unter dem 2. oder 3. Wirbel anastomosieren die beiden Stämme untereinander und ergießen sich in die Kopfsinus, welche in die Venae cardinales ant. ausmünden. In seiner 1880 veröffentlichten Arbeit bemerkt JourpAıs, daß beim Python ebenso wie bei Fischen drei subkutane longitudinale Lymph- _ stämme existieren, und zwar einer in der Mittellinie des Bauches und die beiden anderen in den Seitenlinien. Alle drei stehen miteinander durch transversale Aste in Verbindung. Die Lymphgefäße der un- paarigen Flossen bilden eine der Wurzeln der Lymphgefäße. ‘Über die Gefäßverteilung in den Flossen von jungen Exemplaren von Platessa vulgaris berichtet JOURDAIN in seiner Mitteilung vom Jahre 1880. Jeder Strahl wird von sechs Gefäßen begleitet, und zwar von drei auf jeder Seite. Eines von diesen ist eine Arterie, das andere eine Vene, die übrigen Lymphgefäße. Von letzteren führen die einen die Lymphe zur Spitze des Strahles, die anderen zur Basis. Die nun zeitlich folgenden Arbeiten von MeLxıkow (1867) und LAanGer (1870) behandeln nur die Lymphgefäße der Darmwand. Weitere wertvolle Beiträge zur Kenntnis des Lymphgefäßsystems bei Fischen liefern die Arbeiten von Troıs, zumal da sie sich vor- wiegend auf bis dahin noch nicht untersuchte Fischarten erstrecken. Seine ersten Arbeiten waren uns leider nicht zugänglich, doch ent- nehmen wir aus seiner Arbeit vom Jahre 1878 und aus dem Literatur- bericht von Favaro (1906), daß Troıs in denselben die Literatur über die Lymphgefäße der Fische und einen Teil seiner Beobach- tungen an Lophius piscatorius angeführt hat. In seiner Arbeit vom Jahre 1878 beschreibt Troıs bei Lophius piscatorius einen oberflächlichen Seitenlymphstamm nebst seinen Ver- ästelungen in den Myosepten, der der Arterie entlang verläuft, und einen zweiten intermuskulären, der die Vene begleitet. Beide münden vereint in den Sinus cephalicus. Beide Lymphstämme sind durch . zahlreiche Anastomosen verbunden, zwischen denen gleichsam ein- gescheidet die genannten Blutgefäße verlaufen. Ferner beschreibt Troıs den dorsalen Lymphstamm als ein bei allen Arten konstant auftretendes Gefäß. Dasselbe teilt sich an der zweiten Rückenflosse in drei Gefäße, von denen zwei seitlich an den Basen der Flossen- strahlen, das dritte in den Bogen derselben verlaufen. Nach vorne zu nähern sich die Gefäße einander derartig, daß sie wie ein ein- ziges zutage treten. Der Dorsalstamm steht mit den Seitenstämmen Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 25 in Verbindung und nimmt die Lymphgefäße der Flossen und die subkutanen Gefäße der oceipito-frontalen Gegend auf. — Die ab- dominalen Stämme sind auf der Strecke zwischen Schultergürtel und Anus paarig und »esaminati con diligenza, si vedono constare della riunione di piu vasi insieme riuniti da irregolari anastomosi«. Sie nehmen die Lymphgefäße der Analflosse auf und verbinden sich mit den transversalen Ästen des Seitenstammes. An der Brustflosse wird jeder Flossenstrahl von zwei Lymphgefäßen hegleitet. Sie sammeln sich in einem gemeinsamen Gefäß an der Basis, aus welchem 3—4 Gefäße die Lymphe in den Kopfsinus leiten. Die Seitenstämme jeder Körperhälfte münden vereint in den Kopfsinus der betreffenden Seite. Beide Kopfsinus vereinigen sich in der Mittellinie untereinander. In diese Anastomose mündet der aus dem Zusammenfluß der Abdominalstämme hervorgehende un- paarige Stamm. Ferner beschreibt Troıs noch ein tiefes oder sub- muskuläres Lymphgefäßsystem, welches hauptsächlich aus zwei Stäm- men besteht, von denen der eine in den Neuralbogen, der andere in den Hämalbogen der Wirbelsäule entlang verläuft. Die Stämme stehen durch interspinale Gefäße miteinander in Verbindung und nehmen aus den Myosepten 9—10 interkostale Lymphgefäße auf. Auch stehen sie sowohl mit den Dorsalstämmen als auch den Ab- dominalstämmen in Verbindung. Schließlich berichtet TroIs über Lymphgefäßnetze in der Haut, an den Kiemenbögen, am Diaphragma, welch letztere in die Kopfsinus münden, und ferner an der Leber, Gallenblase, Milz, an dem Magen, Darm, an der Harnblase, an den Övarien und Augen. In seiner weiteren Arbeit vom Jahre 1880 beschreibt Troıs das Lymphgefäßsystem bei Uranoscopus scaber, welches im allgemeinen die gleiche Anordnung aufweist wie bei Lophius. Der Seitenstamm ist sehr stark, besitzt bis 4 mm im Durchmesser, ober- und unter- halb desselben verlaufen noch akzessorische Stämme dem Körper entlang, welche zwischen den transversalen Ästen noch sekundäre Verbindungen herstellen. Der dorsale Stamm ist einfach, der ab- dominale doppelt. Das submuskuläre Lymphgefäßsystem verhält sich ähnlich wie bei Lophius, ebenso die Lymphgefäße der Kiemen, der Leber und Eingeweide. Bemerkenswert ist die Angabe, daß die Lympbhgefäße des Magens und der Eingeweide sich zu einem größeren Stamme auf der rechten Seite des Osophagus und zu einem kleineren auf seiner linken Seite vereinigen. Die beiden folgenden Arbeiten von Troıs (1881) befassen sich 26 H. Hoyer und L. Michalski mit den Lymphgefäßen der Pleuronectiden, die nur in gewissen Punkten von denen anderer Fische abweichen. Der Seitenlymph- stamm, dessen Existenz von Sappzy bei Pleuronectiden geleugnet wird, ist stets vorhanden, weicht aber insofern von der Verlaufs- richtung des Schleimkanals ab, als derselbe gleichsam die Sehne des sich dorsalwärts bogenförmig vorwölbenden Schleimkanals bildet. Arnoglossus besitzt überdies noch zwei akzessorische Seitenstämme, durch welche weitere Verbindungen zwischen den transversalen Ästen hergestellt werden. Fernerhin wird der dorsale und abdominale Längsstamm beschrieben, welche durch die Basalstücke der Flossen- strahlen verlaufen und die von letzteren kommenden Lympbhgefäße aufnehmen. Jeder Flossenstrahl wird mindestens von je einem Lymphgefäß auf jeder Seite begleitet. Bei gelungener Injektion kann man jedoch beobachten, daß jedes Gefäß sich aus 2—3 durch zahl- reiche Anastomosen verbundenen Gefäßen zusammensetzt. Weiter berichtet er über die tiefen, submuskulären Stämme, von denen er außer den erwähnten spinalen und subvertebralen Stämmen noch zwei weitere unterscheidet, welche etwa in der Mitte der Strahlenträger auf der dorsalen und ventralen Körperseite in longitudinaler Richtung verlaufen. Es werden schließlich noch die Lymphgefäße der Ein- geweide und die Lymphgefäßnetze in der Haut des Kopfes und um die Augen beschrieben. In seiner letzten Mitteilung über Motella trieirrata und M. ma- culata beschreibt Troıs (1882) alle vorher angeführten Lymphgefäße und insbesondere den dorsalen und abdominalen und die lateralen Längsstämme, ferner akzessorische Seitenstämme, ein ringförmiges, das Auge umgebendes Gefäß, Lymphgefäße in der Membrana branchiostega, den spinalen Längsstamm und paarige subvertebrale Stämme, welche die V. caudalis seitlich begleiten und durch Ana- stomosen in unregelmäßigen Zwischenräumen miteinander in Ver- bindung stehen. Oberhalb des Wirbelkanals verläuft das von SAPPEY beim Hecht beobachtete interspinale Längsgefäß und ein ihm ent- sprechendes in dem postanalen Abschnitte. Schließlich wird noch angeführt, daß in der Schleimhaut des Mundes sich außerordentlich reichliche Lymphgefäßnetze ausbreiten. Obwohl sich die Arbeit von Horkıns (1893) mit den Lymph- gefüßen eines Vertreters der Ganoiden, nämlich Amia calva, beschäf- tigt, führen wir sie dennoch hier an, zumal da die Ergebnisse, zu denen Horkıns gelangt, sich mit den Resultaten der Forscher, welche ihre Untersuchungen an Teleostiern angestellt haben, sehr gut decken. Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 27 Die Ergebnisse von Hopkıns sind für uns um so wertvoller, als die- selben dartun, daß das Grundprinzip der Anordnung der Lymph- gefäße sowohl für die Fischordnung der Teleostier wie für die der Ganoiden Geltung besitzt. Hopxıns unterscheidet bei Amia subkutane und viscerale Lymph- gefäße. In der Seitenlinie liegt der longitudinale Seitenstamm mit seinen zahlreichen (transversalen) Seitenästen. Von den unpaarigen Stämmen wird der dorsale und ventrale Längsstamm erwähnt. An der Basis jeder Brustflosse befindet sich ein weiter Lymphsinus, der durch ein am Hinterrande des Schultergürtels verlaufendes Gefäß mit dem Lateralstamm und durch ein anderes mit dem Perikardial- sinus in Verbindung steht. Der Seitenstamm verläuft nach Aufnahme des Astes vom Pektoralsinus unter dem Schultergürtel hindurch und öffnet sich in den weiten Kopfsinus, der sich gegen die Orbita hin verfolgen läßt. Der Sinus mündet auf der Ventralseite in die Jugular- vene. Das Ausflußgefäß ist mit einer Klappe versehen. Ein anderes, ebenfalls mit einer Klappe versehenes Gefäß führt aus ihm in den Perikardialsinus. Am Schwanzende mündet der Seitenstamm in den verhältnismäßig großen Kaudalsinus, welcher sich in die Kaudalvene ergießt und durch eine Klappe abgeschlossen wird. Die Sinus der beiden Seiten stehen mittels zweier Gefäße in Kommunikation miteinander. Zwischen dem Dorsal- und Seitenstamm besteht am Schwanz eine direkte Verbindung, eine ebensolche beobachtete Horkins in einem Falle auch zwischen dem Ventral- und Seitenstamm. Der Ventralstamm beginnt an der Basis der Schwanzflosse und emp- fängt Äste von der Anal- und Beckenflosse, von denen jede an ihrer Basis einen kleinen Sinus besitzt. Der Ventralstamm mündet vorne gegabelt in den Perikardialsinus. Der Dorsalstamm verläuft in der Mittellinie vom Schwanzende bis zum Kopf, spaltet sich an der Basis eranii in zwei Äste, von denen jeder in den Kopfsinus der ent- sprechenden Seite mündet. Unter den Lymphgefäßen der Eingeweide lassen sich drei breite Sinus und die in dieselben miündenden Lymphgefäße unterscheiden. Zwei von den Sinus liegen zu den Seiten des Ösophagus (der linke ist stets größer als der rechte), und der dritte breitet sich längs der Wand der Schwimmblase auf der rechten Seite aus. Letzterer mündet in den Sinus des Ösophagus der rechten Seite und die Sinus des Ösophagus sollen nach Hopkıns direkt in die Ductus Cuvieri der betreffenden Seite, und zwar mittels dreier Öffnungen münden. In seiner die Lymphräume des Gehörorgans der Fische be- 28 H. Hoyer und L. Michalski handelnden Arbeit tut Nussaum (1903) auch der Lymphgefäße Er- wähnung. Er hat, Sarpey folgend, bei Cyprinoiden die Lateralstämme, einen dorsalen Stamm, der an der Basis der Radien der dorsalen Flosse verläuft, einen Stamm ‚an der Basis der Analflosse, einen Stamm oder Lymphsinus, der in dem Wirbelsäulekanal oberhalb des Rückenmarkes, und einen unpaarigen Lymphsinus, der in der Gegend der paarigen Vorderflossen zwischen der Haut, den Muskeln dieser Flossen und dem paarigen Peritonealblatte sich erstreckt, beobachtet. Favaro (1906) bespricht in seiner umfangreichen Arbeit über die Verteilung der Gefäße und über die Sinus in der Schwanz- region der Fische auch die Anordnung der ILymphgefäße. Bei Teleostiern unterscheidet er einen dorsalen und ventralen longitudi- nalen Lymphstamm, ferner die Seitenstämme und schließlich ein Vas Iymphaticum neurale, welches dorsal vom Rückenmark innerhalb oder außerhalb des Rückenmarkskanals verläuft, bei der Mehrzahl der Physostomen aber fehlt, und zwei hämale Lymphgefäßstämme, welche dureh Anastomosen untereinander und mit den anderen Längs- stämmen verbunden sind. Die gleiche Anordnung besitzen die Lymph- gefäßstäimme auch bei der von FAvAro untersuchten Forelle, bei welcher noch die transversalen, in den Seitenstamm mündenden Äste und ein reiches Lymphgefäßnetz in der Fettflosse erwähnt wird. Eine ausführliche Beschreibung erfährt der Bau des Kaudalsinus, welcher sich aus einem Atrium und einem Ventrikel zusammensetzt. Jossırow (1905 —1906) hat die Lymphgefäße bei Oonger vulgaris und Anguilla anguilla untersucht. Er teilt dieselben in eigentliche Lymphgefäße und Milchsaftgefäße ein und findet, daß letztere die Blutgefäße umscheiden. Nach der Schilderung der Milchsaftgefäße beschreibt er den Verlauf der beiden Ductus thoraeiei, welche er »troncs lIymphatiques perivertebraux« nennt. Der im Schwanzab- schnitt noch einheitliche Stamm spaltet sich gegen die Bauchhöhle aufsteigend in zwei, welehe bis zum Kopf verlaufen. Der Stamm liegt in einem Kanal, dessen Dorsalwand die Wirbelsäule und dessen Seitenwände derbes Bindegewebe bildet. In demselben verläuft die Arterie zu oberst, der Lymphstamm zu unterst, dazwischen die Vene. Von dem Schwanzabschnitt des Lymphstammes behauptet JOSSIFOW: »L’injeetion a dömontr& en premier lieu, que le vaisseau caudal est form‘ par la confluence des branches Iymphatiques laterales qui prennent naissance dans la musculature de la queue, et, en second lieu, que ce vaisseau ne communique pas avec la veine caudale.« Am Kopf münden die paarigen Stämme in die Kopfsinus, in der Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 29 Höhe des 4. Wirbels verbinden sie sich durch eine quere Anastomose und in der Höhe des 15.—16. Wirbels münden die Milchsaftgefäße in den rechten Stamm. Die Seitenstämme, deren Ursprung zu er- mitteln Jossırow nicht gelungen ist, verlaufen auf eine gewisse Strecke den ihnen entsprechenden Blutgefäßen parallel. Die Kopf- sinus sind von dreieckiger Form und werden von den ÖOberkiefer- knochen und den Respirationsmuskeln bedeckt. Sowohl die Mün- dung des Perivertebralstammes in den Sinus als auch dessen Mündung in die Vena jugularis ist mit halbmondförmigen Klappen versehen. Am Schwanzende befindet sich ein paariges Lymphherz. Die peri- vertebralen Stämme von Anguslla verhalten sich im großen und ganzen denen von Conger ähnlich, nur füllen sich bei der Injektion derselben auch die Lymphgefäße der Kiemen und Sinus, die zu beiden Seiten der Wirbelsäule gelegen sind und Lymphgefäße aus der Mucosa der Kiemen aufnehmen. Die Perivertebralstämme münden in die Kopfsinus und diese in die Vv. jugulares. Während die Kaudalherzen als aktive Propulsionsorgane angesehen werden, stellen die Kopfsinus nur Behälter dar, auf welche die Bewegungen des Kiemenapparates einwirken. Jossırow hat seine Arbeit in Paris und an dem gleichen Material ausgeführt wie JOURDAIN, erwähnt aber letzteren nicht mit einem Worte. Seine Arbeit, welche wir vergleichshalber mit Absicht aus- führlich zitiert haben, ist 27 Jahre nach derjenigen JOURDAINS ver- öffentlicht, stellt aber, wie wir sehen, nicht den geringsten Fortschritt gegenüber der anderen dar. Die bei weitem genauesten Angaben über das Lymphgefäßsystem der Fische liefert ALLEn in mehreren sich zum Teil ergänzenden Arbeiten. Zwei derselben handeln über die Verteilung der Lymph- gefäße in der Kopf- und Schwanzregion der Ganoiden Polyodon und Lepisosteus. Eine beschäftigt sich mit der Entwicklung der veno- lymphatischen Gefäße in der Schwanzregion des Myxinoiden Polisto- trema stouti und zwei, die zugleich für uns die wichtigsten sind, mit den Lymphgefäßen der Teleostier Scorpaenichthys marmoratus und in der Schwanzregion auch mit denen von Olimocottus analıs. Im folgenden wollen wir nur eine allgemeine Übersicht über die Ver- teilung der Lymphgefäße bei Scorpaenichthys geben und auf Einzel- heiten erst bei der Besprechung unserer eigenen Untersuchungen eingehen. ALLEN unterscheidet am Rumpf oberflächliche und tiefe Lymphgefäße und unter den ersteren vier Stämme, nämlich die beiden Seitenstämme und den dorsalen und ventralen Längsstamm. Jeder 30 H. Hoyer und L. Michalski der Seitenstämme geht unter dem Schultergürtel hindurch und spaltet sich in zwei Äste, von denen der obere nach Aufnahme eines Gabel- astes des spinalen Lymphgefäßes sich in den unter dem Hyomandi- bulare gelegenen Kopfsinus und der tiefere sich in den Perikardial- sinus ergießt. Auf seinem Verlauf nimmt der Seitenstamm zahlreiche dorsale und ventrale Queräste auf, welche mit dem Dorsal- und Ventralstamm in Kommunikation stehen. Der Dorsalstamm verläuft unter der Haut in der Medianlinie. Im Bereich der Dorsalflosse spaltet er sich in drei Stämme, von denen zwei lateral und einer durch den Basalkanal der Flossenstrahlen verlaufen. Diese Gefäße stehen durch zahlreiche Anastomosen miteinander in Verbindung und nehmen die Lymphgefäße aus der Flosse auf. Vorne endigt der Dorsalstamm nicht unmittelbar in dem Kopfsinus, sondern vereinigt sich zunächst mit den Kopflymphgefäßen, die sich dann in den Kopf- sinus ergießen. Der Ventralstamm ist im Bereich der Analflosse paarig. Zwischen den Bauchflossen bildet er einen Behälter, welcher die Lymphe aus den Flossensinus aufnimmt. Vorne mündet er in den Perikardialsinus. Auf seinem ganzen Verlaufe stebt er mit den transversalen Ästen des Seitenstammes und den hämalen Gefäßen in Verbindung. Der am meisten kranialwärts gelegene transversale Ast wird als Pektoralsinus bezeichnet. In der Schwanzregion bestehen ebenfalls die vier longitudinalen subkutanen Stämme, zu denen dann noch zwei tiefe Stämme hinzukommen. Sämtliche verbinden sich miteinander, was ALLEN ausführlich beschreibt, nicht aber mit einem Kaudalherz, noch mit den Blutgefäßen. Das tiefe oder submuskulare Lymphgefäßsystem wird von zwei Hauptstämmen gebildet. Der myelonale oder obere Längsstamm, der bei Scorpaenichthys das größte und wichtigste Gefäß ist, verläuft im Rückenmarkkanal direkt über dem Rückenmark, durch ein Septum von letzterem geschieden. Am Kopf gabelt er sich und die Gabel- äste vereinigen sich mit dem Seitenstamm der entsprechenden Seite; am Schwanz tritt er ebenfalls mit dem Seitenstamm in Verbindung. Auf seinem ganzen Verlauf nimmt er zahlreiche mit dem dorsalen Längsstamm kommunizierende interspinale Gefäße auf. Den zweiten tiefen Längsstamm bildet der »longitudinal haemal« oder »inferior spinal lymphatic trune«, welcher im Hämalkanal verläuft. Unter dem letzten Wirbel ist derselbe ein ganz unscheinbares Gefäß, wel- ches wohl nur sehr wenig Lymphe aus dem Schwanzgebiet aufnimmt. Auf seinem Verlaufe empfängt er mit dem ventralen Längsstamm kommunizierende Hämalgefäße und mtindet in den Abdominalsinus, Das Lymphgefäißsystem von Forellenembryonen usw. 31 Der letztere liegt direkt unter der Niere, mündet vorne in den Kopf- und Perikardialsinus und nimmt zahlreiche kleine Gefäße von den Geschleehtsorganen, den großen Eingeweidelymphstamm und einige interkostale Gefäße auf, welche eine Verbindung mit dem tiefen ventralen Lymphstamm herstellen. Letzterer hat einen ähnlichen Verlauf wie der oberflächliche ventrale Längsstamm und ergießt sich in den Perikardialsinus. Am Kopf lassen sich ebenfalls oberflächliche und tiefe Lymph- stämme unterscheiden. Der oberflächliche hat zwei Ursprungsäste, der dorsale kommt vom Munde und von der Umgebung der Riech- grube, während der ventrale dem Maxillare folgt. Nach ihrer Ver- einigung verläuft der Stamm nach hinten und mündet in den Kopf- sinus. Der tiefe Stamm ließ sich nur in der Orbita auffinden und weiterhin kaudalwärts nur auf eine kurze Strecke verfolgen. Der- selbe mündet wahrscheinlich in den Abdominalsinus. Ferner wurden am Kopf noch zwei Hyoidgefäße aufgefunden, von denen das eine auf der Ober-, das andere auf der Unterseite des Hyoids verläuft. Letzterer sammelt die Lymphe aus der Branchiostegalgegend und erweitert sich nach Aufnahme des oberen Astes in einen Sinus, _ welcher sich in den Kopfsinus ergießt. Die Eingeweidelymphgefäße sammeln sich in einem Stamme, welcher der A. coeliaco-mesenterica folgt und in den Abdominalsinus mündet. Die Befunde ALtens über die Verteilung der subkutanen Lymph- gefäße am Kopf von Polyodon und Lepisosteus und am Schwanz von letzterem stimmen im allgemeinen mit der bei Scorpaenichthys über- ein. Da Polydon sich durch den Mangel an sinuös erweiterten Ge- fäßen auszeichnet, steht er nach der Ansicht von ALLEN den Selachiern näher, während Lepisosteus, dessen »subkutane Gefäße dünnwandig und entschieden sinusähnlich sind«, mehr den Teleostiern ähnelt. Neuerdings hat McCrure (1913) an einem großen Material von Embryonen von Ganoiden und Salmoniden die Entwicklung der Lymphgefäße untersucht. Im Einklang mit seiner schon früher ge- äußerten Ansicht behauptet McCrure, daß das Kanalsystem der sich entwickelnden Lymphgefäße nicht von Anfang an mit den Venen in kontinuierlichem Zusammenhange steht, sondern durch eine Serie von unabhängigen und diskontinuierlichen Lymphsäcken oder Lymph- räumen dargestellt wird, welche später miteinander zusammenfließen und an bestimmten Punkten sich mit den Venen vereinigen, um das kontinuierliche Lymphsystem der Erwachsenen zu bilden. Sobald 32 H. Hoyer und L. Michalski letzteres beim Forellenembryo hergestellt ist, lassen sich folgende Hauptgefäßstämme unterscheiden: 1. Das laterale pharyngeale Lymph- gefäß, welches eine oberflächliche Lage in der lateralen Wand des Pharynx einnimmt und die direkte Fortsetzung des Seitenstammes nach vorne zu bildet. Dieses Gefäß kam mit der Cardinalis ant. an ihrer Mündung in den Ductus Cuvieri zusammen mit dem Seiten- gefäß in Verbindung treten oder auch weiter vorne oder an beiden Punkten. Diese Kommunikationspunkte können in der Ein- oder Mehrzahl vorhanden sein; 2. der subokulare Lymphsack. Es ist dies in diesem Entwicklungsstadium ein relativ sehr weiter Lymph- sack, welcher auf der ventro-medialen Seite der kaudalen Hälfte jedes Auges gelegen ist und in das laterale pharyngeale Lymphgefäß mündet; 3. das mediale pharyngeale Lymphgefäß, welches medial tiefer gelegen ist als das erste. Dasselbe verläuft etwa von der Mitte des lateralen Pharyngealgefäßes, mit welchem es öfters kom- muniziert, schräg nach vorne und mündet in die Cardinalis ant. kaudal von dem Punkte, wo letztere die Schädelhöhle verläßt; 4. die prä- kardinalen oder jugularen Lympbhgefäße, welche sich längs der Car- dinalis ant. entwickeln und am kaudalen Ende des Gehörorgans in das laterale Pharyngealgefäß münden. Durch dieses System von . Gefäßen gelangen in späteren Stadien auch die mesenterialen Lymph- gefäße in das laterale Pharyngealgefäß. Bei der Besprechung der Literatur haben wir die an den Lymph- gefäßen der Selachier ausgeführten Untersuchungen der Forscher voll- ständig übergangen, weil die gewonnenen Resultate unserer Meinung nach zurzeit noch zu wenig gefestigt sind, als daß sie ohne weiteres zu einem Vergleich mit den an anderen Fischordnungen erzielten herangezogen werden können. Abgesehen von den bereits früher geäußerten Zweifeln Mavers (1888) bezüglich des Vorhandenseins von Lymphgefäßen bei Selachiern, stehen sich auch in neuerer Zeit die Ansichten von NEuviLLe (1901) einerseits und die von VIALLETON (1902) und Dıamare (1913) andererseits gegenüber. 5. Die Verteilung der Lymphgefäße im I. Stadium. Die Lymphgefäße der Fische wurden von früheren Forschern in Milchgefäße und Iymphatische Gefäße (Monro) oder in Lymph- gefäße der Körperhöhlen und peripherische (Stanxıus) oder in tiefe und oberflächliche (MıLne Epwarps, TRroIs, SAppEy) eingeteilt. Der Anordnung der Blutgefäße entsprechend unterscheiden wir ober- Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 33 flächliche und tiefe Lymphgefäße des Kopfes und des Rumpfes und werden dieselben auch in dieser Reihenfolge besprechen. Die jüngsten von uns untersuchten Forellenembryonen waren eben ausgeschlüpft, während die ältesten den Dottersack verloren und die Gestalt der erwachsenen Fische bereits angenommen hatten. Während die An- zahl der durch Injektionen darstellbaren Lymphgefäße am Kopf und Rumpf der eben ausgeschlüpften Embryonen verhältnismäßig sehr gering war, steigerte sich dieselbe in dem Maße, wie die Embryonen wuchsen. Infolgedessen stellte sich die Notwendigkeit heraus, die bei den Embryonen am frühesten angelegten Lymphgefäße gesondert . zu betrachten. Da diese Gefäße zugleich die Hauptgefäßstämme sind, die auch in den späteren Stadien die größte Bedeutung haben, stellen wir sie als primäre den sich später entwickelnden und das Lymphgefäßsystem vervollkommnenden sekundären entgegen. Der Hauptlymphstamm des Kopfes, wir bezeichnen denselben als Truncus lymphatieus jugularis (Tafelfiıg. 3 7%), verläuft zu beiden Seiten des Kopfes lateral von der Vena jugularis. Er entsteht aus dem Zusammenfluß eines oberflächlichen (Rst}) und eines tiefen Astes (Rptj). Der oberflächliche läßt sich bei unseren Embryonen durch - Injektion bis an den hinteren Rand der Orbita verfolgen, der tiefe bis zur Gegend, wo die Orbita sich an das Mittelhirn anlehnt. Wird die Kanüle behufs Ausführung einer Injektion in die seitliche Ge- sichtsgegend unterhalb des Gehörorgans eingestochen, so füllen sich stets die genannten Aste und der Stamm des Truncus. An dem oberflächlichen Aste entsteht jedoch am ÖOrbitalrande meistens ein Extravasat, aus welchem die Injektionsmasse in einen großen, unter- halb des Bulbus oculi gelegenen Raum eindringt. In der Über- zeugung, daß dieser Raum durch die in die Orbita vorgetriebene Injektionsmasse erst künstlich geschaffen wird, legten wir demselben anfangs keinerlei Bedeutung bei. Erst nachdem die 1913 erschie- nene Mitteilung von MCCLurE zu unserer Kenntnis gelangt war und wir uns an Schnitten von der Existenz dieses Raumes überzeugt hatten, wandten wir demselben größere Aufmerksamkeit zu. Nach McCLurE soll dieser Raum, den er als subokularen Lymphsack bezeichnet, aus mesenchymatösen Höhlungen und Spalten, welche »medial zu dem kaudalen Ende des Auges zusammenstoßen«, hervorgehen. Diese Höhlungen fließen schließlich zusammen, um zuerst einen mehr- kammerigen und dann einen einheitlichen Sack zu bilden. Nach McCrture dient der Lymphsack als ein lokales und unabhängiges Reservoir für die Lymphe, welche er aus dem Kopfe aufnimmt und Morpholog. Jahrbuch. 51. 3 34 H. Hoyer und L. Michalski so lange zurückhält, bis derselbe schließlich mit dem lateralen pharyngealen Lymphgefäß in Verbindung tritt. Vorher sei es nicht möglich, den subokularen Lymphsack von den Venen aus oder auch die Vene von den ersteren aus zu injizieren. Die Verbindung tritt bei Salmo Gairdneri erst am 22. Tage nach der Befruchtung auf, scheint indessen nicht ganz beständig zu sein. Wenigstens konnte McCrurE bei einigen Embryonen die Verbindung nur auf einer Körperseite feststellen, während dieselbe auf der anderen fehlte. Bei Embryonen von Ganoiden (Amia und Lepidosteus) steht der sub- okulare Lymphsack während einer gewissen Entwicklungsperiode in unzweifelhafter Weise direkt mit den Venen in Zusammenhang. Alsdann löst sich der Lymphsack von den Venen los und scheint auch fernerhin ohne Verbindung mit den Venen und dem übrigen Lymphgefäßsystem zu bleiben. Dort, wo bei Forellenembryonen der Subokularsack liegt, verläuft bei Ganoiden ein Lymphgefäß, welches in das vordere Ende des lateralen pharyngealen Lymphgefäßes mündet und welches bei Forellenembryonen nicht vorhanden ist. Über die erste Entwicklung des Subokularsackes bei Forellen können wir nichts aussagen, da wir nicht Gelegenheit hatten, so Junge Stadien wie MCCLurE zu untersuchen, und können nur fest- stellen, daß der Lymphsack bei frisch ausgeschlüpften Embryonen bereits vorhanden ist, die ganze ventrale Wand der Orbita bis zur Trabeceula communis einnimmt und sich vorne und hinten noch eine Strecke bogenförmig um den Bulbus herumlegt. Nur von den Extra- vasaten aus ist es uns gelungen, denselben mit Injektionsmasse zu füllen, und können wir auch nicht angeben, ob der Lymphsack einen Abfluß besitzt und, wenn dies der Fall ist, wo derselbe zu suchen ist. In unserer kurzen Mitteilung (1915) hatten wir behauptet, daß der oberflächliche Ast des Truncus jugularis in dem subokularen Lymphsack entspringt. Das ist nicht richtig. Derselbe läßt sich bei jungen Embryonen nur bis zum hinteren Rande der Orbita verfolgen, später aber bis in die Orbita hinein, doch liegt er dann unmittelbar unterhalb des Lymphsackes, von welchem er nur durch eine dünne Schicht von Bindegewebe getrennt ist. Dieser Umstand macht es verständlich, weshalb an dieser Stelle so leicht Zerreißungen ent- stehen und der Lymphsack von dem oberflächlichen Aste des Truncus aus gefüllt werden kann. Ferner wird dadurch auch der Befund McCrures aufgeklärt, daß bei Ganoidenembryonen an Stelle des subokularen Lymphsackes eine Fortsetzung des lateralen pharyngealen Lymphgefäßes vorhanden ist. Wie wir weiter unten sehen werden, ent- Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 35 sprichtletzteres Gefäß unserem oberflächlichen Gesichtsaste, und dieser setztsich nach unseren Befunden beiälteren Forellenembryonen ebenfalls in die Orbita fort; somit würde bezüglich der Lage und des Verlaufes dieser Gefäße bei Forellen und Ganoiden vollkommene Übereinstim- mung herrschen. Nur das Verhältnis des subokularen Lymphsackes zu dem übrigen Lymphgefäß- resp. zu dem Blutgefäßsystem würde noch rätselhaft und ferneren Untersuchungen aufgespart bleiben. Der vom hinteren Rande der Orbita entspringende oberflächliche Ast des Truncus verläuft dann in schräger Richtung kaudal- und dorsalwärts bis etwa zur Mitte des äußeren (horizontalen) Bogen- ganges, von wo er sich dann unterhalb desselben gerade nach hinten wendet. Auf dieser Strecke nimmt das Gefäß außer zahlreichen kleinen und unbedeutenden Ästen einen größeren auf, welcher in einem gewissen Abstand von dem Subokularsack dem Rande des Oberkiefers entlang verläuft (Tafelfig. 3 Rmax). In diesen Ast münden an seinem proximalen Ende zwei kleine Zweige unter einem fast rechten Winkel ein. Diese beiden Zweige sind in den meisten In- jektionspräparaten kaum angedeutet und könnten leicht übersehen werden, wenn sie sich in späteren Stadien nicht zu ansehnlichen Gefäßen entwickeln würden. Mit diesen Zweigen steht wahrscheinlich schon in diesem Entwicklungsstadium der Embryonen ein Lymph- gefäß in Verbindung, welches in der Mittellinie des Unterkiefers auf dessen Ventralseite ziemlich oberflächlich verläuft und sich über dem Hyoid etwas verbreitert. Dieses Gefäß durch Injektion darzustellen, ist uns nicht gelungen, doch haben wir uns von dessen Existenz an Serienschnitten überzeugt, ohne aber seine Verbindung mit den oben erwähnten Zweigen mit Sicherheit festgestellt zu haben. Da die- selbe aber in späteren Stadien vorhanden ist, so müssen wir an- nehmen, daß sie sich bereits in den frühen Stadien entwickelt. Wir werden auf dies Gefäß später noch ausführlicher zurückkommen. Unter der Mitte des horizontalen Bogenganges vereinigt sich mit dem oberflächlichen Gesichtsaste der tiefe Ast. Derselbe läßt sich bis zu der Stelle verfolgen, wo die V. jugularis durch das spätere Foramen jugulare in die Schädelhöhle eintritt. Er verläuft von dort in schräger Richtung von vorne und medial nach hinten und lateral längs des Hyomandibulare bis zu seiner Vereinigung mit dem ober- flächlichen Aste. An einigen Präparaten konnten wir feststellen, daß der tiefe Ast bereits in diesem frühen Stadium erstens in der Gegend des späteren Foramen jugulare mit einem Lymphgefäß in Kommuni- kation tritt, welches die V. jugularis an ihrer lateralen Seite be- Z* 36 H. Hoyer und L. Michalski gleitet und zweitens noch einmal mit diesem weiter kaudalwärts an der Mündung der Unterkiefer-Kiemendeckelvene in die V. jugularis. Diese Anastomosen scheinen erst in der Ausbildung begriffen zu sein, da sie sich unter den zahlreichen Präparaten nur einige Male fest- stellen ließen. Dasselbe scheint auch bezüglich des Begleitgefäßes der V. jugularis, das wir unten noch genauer kennenlernen werden, der Fall zu sein. Der aus dem Zusammenfluß des oberflächlichen und tiefen Astes gebildete Truncus jugularis verläuft weiterhin unmittelbar unter dem horizontalen Bogengange kaudalwärts und nimmt auf dieser Strecke zwei Nebenzweige auf, von denen der vordere über den horizontalen Bogengang hinweg (Tafelfig. 3 rn), der andere hinter dem hinteren Bogengange dorsalwärts (Tafelfig. 3%) verläuft. An einzelnen Präparaten gelangten die beiden Zweige zur Vereinigung und verliefen in der vom Mittelhirn‘ bezugsweise von dem sich entwickelnden Kleinhirn und von der Medulla oblongata gebildeten Furche auf die Dorsalseite, wo sie sich jederseits zu einem Sinus zu erweitern beginnen. In das Endstück des Hauptstammes ergießen sich noch zahlreiche kleine Äste, die untereinander anastomosierend in jener Gegend ein feines Netz bilden und mit den noch zu besprechenden Lymphgefäßen der Schädelbasis in Kommunikation stehen. Der Truncus mündet mit einem Ast in die Vena cardinalis posterior und mit einem zweiten in das zu einem Sinus erweiterte vordere Ende des Seitenstammes. Bei der Injektion des letzteren nach dem Kopf zu dringt die Injek- tionsmasse nur ganz ausnahmsweise in den Truncus ein, injiziert man aber vom Kopf aus, dann füllt sich stets auch der vordere Ab- schnitt des Seitenstammes, was dafür spricht, daß dieser Weg mit- samt der anderen Mündung in die V. cardinalis post. die natürlichen Abflußwege der Lymphe aus dem Truncus darstellen. Wie erwähnt, bilden die kleinen Äste des Endstückes des Truncus ein Netzwerk von Ästen an der lateralen Seite der Schädelbasis. Von diesem gehen weitere Zweige aus, welche der Mittellinie der Schädelbasis zustreben. Schon unmittelbar nach dem Ausschlüpfen der Embryonen dringen einzelne dieser Lymphgefäßäste in der Gegend der Mündung der 3. und 4. Kiemenvene und auch kaudal von denselben bis zur Aorta selbst vor und breiten sich an letzterer in oraler und caudaler Richtung aus. Diese Gefäße sind noch sehr unvollkommen ausgebildet, was an ihren unscharfen Konturen zu er- kennen ist. Auch reichen sie nur ausnahmsweise über die Mittel- linie hinüber. Schon wenig später zeigen sie bereits ihre volle Ent- Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 37 wicklung, und es treten die Lymphgefäße der rechten und linken Kopfseite an der gemeinsamen Mündung der 3. und 4. Kiemenvene in der Mittellinie mittelst zweier Anastomosen miteinander in Ver- bindung, indem die eine Anastomose vor, die andere hinter dem Mündungsstamm der Venen in die Aorta gelegen ist. Nach vorne zu setzen sich die Lymphgefäße am Aortenstamm entlang jederseits bis höchstens zu seiner Gabelung fort, nach hinten zu lassen sich dieselben als ansehnliche einheitliche Stämme an injizierten Präpa- raten bis etwa zum 10. Rumpfmyomer verfolgen. Auch an Schnitten lassen sich die Stämme bis zu dieser Gegend leicht nachweisen, darüber hinaus aber wird ihr Lumen diskontinuierlich und ist an ein- zelnen sichtbar, an anderen geschwunden, so daß eine weitere Ver- folgung nicht recht möglich ist. Der rechte Stamm scheint kaudal- wärts weiter zu reichen als der linke. Diese Stämme stellen, wie aus unseren Untersuchungen der späteren Stadien hervorgeht, die Kopfabschnitte der Ductus thoraciei dar, welche sich der obigen Beschreibung nach unabhängig von ihrem im Rumpfe gelegenen An- teil entwickeln würden. Am Rumpf läßt sich unmittelbar nach dem Ausschlüpfen der Embryonen der in der Seitenlinie verlaufende Stamm stets mit Leich- tigkeit injizieren, stellt also ein Gefäß dar, das sich bereits früh- zeitig entwickelt. Eine Zeitlang waren wir im Zweifel, ob dieser Stamm tatsächlich ein Lymphgefäß ist, denn so oft wir einen auf dem Objektträger liegenden lebenden Embryo bei geeigneter Beleuch- tung und Vergrößerung untersuchten, fanden wir in dem Gefäß der Seitenlinie zahlreiche sich kranialwärts fortbewegende rote Blut- körperchen, wie sie sonst nur in Blutgefäßen angetroffen werden. Sorgt man dafür, daß der Embryo längere Zeit in ruhiger Lage ver- harrt, ohne daß er an der Oberfläche eintrocknet, so schwinden die Blutkörperchen aus dem Gefäß, und sein Inhalt wird klar und durch- scheinend. Dieser Umstand sowie die vorgenommenen Injektionen des Seitenstammes als auch die gesondert ausgeführten Injektionen von Arterien und Venen, schließlich auch die Untersuchung der Serienschnitte überzeugten uns, daß wir es mit einem Lymphgefäß zu tun haben. Durch die der Untersuchung vorausgehenden Mani- pulationen des Herausfischens des Embryos und des Auflegens auf den Öbjektträger sowie durch seine eigenen Abwehrbewegungen dringen offenbar Blutkörperchen aus den Blutgefäßen in die Lymph- gefäße ein und können so leicht zu Täuschungen Anlaß geben. Inter- essant wäre es festzustellen, auf welchem Wege dies geschieht? 38 H. Hoyer und L. Michalski Doch haben wir darüber außer in der Arbeit von Crark (1909) keine genaueren Anhaltspunkte. Crark beobachtete nämlich, daß bei Froschlarven die Zellen der Lymphgefäßwände Blutkörperchen aktiv aufnehmen und dem Inhalt des Gefäßes einverleiben können. Ein solcher Vorgang beansprucht jedoch eine längere Zeit und käme hier wohl nicht in Betracht. Eher wäre an eine Diapedese durch die noch zarten Wandungen der Blutgefäße und an ein Eindringen in die noch sehr zartwandigen Lymphgefäße oder auch an einen zeitweiligen Rückfluß des Blutes aus den Blutgefäßen in das an der Mündung noch klappenlose Lymphgefäß zu denken. Eine solche Füllung der Lymphgefäße mit Blut ist bei Embryonen höherer Tiere eine recht häufige Erscheinung und ist von einem von uns bei Schweins- embryonen oft beobachtet worden. Der Lymphstamm (Tafelfig. 3 7Wl) beginnt am Schwanze an der Stelle, wo sich die Chorda dorsalwärts krümmt, und verläuft dann in der Seitenlinie bis zum Kopf. Dabei liegt derselbe in dem auf Durchsehnitten dreieckigen Raume, welchen die dorsalen und ven- tralen Myomeren miteinander bilden, am oberflächlichsten. Erst später bildet sich zwischen demselben und der Haut noch der Schleim- kanal der Seitenlinie aus. Unterhalb des Lymphstammes verläuft der Seitennerv. In den Myosepten kommt sowohl der Lymphstamm wie der Seitennerv in den Gefäßgabeln zu liegen, welche die aus der Tiefe aufsteigende Arterie und Vene bilden. Der Anzahl der Myosepten entsprechend, nimmt der Seitenstamm die gleiche Anzahl von Seitenästen auf, welche oberflächlich in den Myosepten verlaufen (Fig. 3 Ris). Die Seitenäste lassen sich in diesem Entwicklungsstadium meist nur bis zur Hälfte ihrer Länge injizieren, reichen also offenbar noch nicht bis zur dorsalen und ventralen Mittel- linie. Nur am vorderen Ende des Seitenstammes finden sich auf der Ventralseite im Bereich des Dottersackes längere Gefäße, welche auf die Wand des letzteren übergreifen. Alle Seitenäste münden unter spitzem Winkel in den Stamm ein. Im Anfangsteil des Stammes im Sehwanzabschnitt verwischtsich dieseregelmäßige Anordnung derGefäße insofern, als zwischen dem Stamm und seinen Seitenästen noch zahl- reiche kleine Verbindungsäste vorhanden sind. Bei aufmerksamer Durchsicht der Injektionspräparate lassen sich solche kleine Anastomosen längs des ganzen Stammes in ziemlich großer Anzahl feststellen, und zwar nicht nur zwischen dem Stamm und den Seitenästen, sondern auch vielfach als Kollateralen am Stamme selbst, indem dieselben an einer Stelle vom Stamme abgehen und sich nach kurzem Verlauf Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 39 an einer oder mehreren anderen Stellen wieder mit ihm vereinigen. Ferner kann man noch beobachten, daß in den Myosepten, wo die Seitenäste in den Stamm münden, sich eine Lücke in dem letzteren befindet. Durch diese steigt ein Nervenast zu dem daselbst liegenden Hautsinnesorgan auf. Alle diese Bilder deuten darauf hin, daß sich der Seitenstamm nicht als einheitliches Gefäß anlegt, sondern in Form eines langgezogenen Netzwerkes oder eines Plexus, aus welchem sich erst später ein einheitlicher Stamm entwickelt. Bei gewissen Arten, wie dies Troıs bei Pleuronektiden beschreibt, bleiben die plexusartig angeordneten Gefäße zeitlebens bestehen und bieten nach seinen Worten »ein rankenförmiges Aussehen« dar. Nach dem Kopfe zu verbreitert sich der Seitenstamm immer mehr und geht schließlich in einen Sinus (Sl) über. Letzterer hat annähernd die Form eines rechtwinkeligen Dreiecks, dessen eine Kathete dorsalwärts und dessen andere kranialwärts gerichtet ist. Durch seitliche Ausbuchtungen verwischt sich allerdings vielfach die Form des Dreiecks. Der kaudale Winkel des Sinus setzt sich in den Seitenstamm fort und der ventrale verlängert sich zu einem Aus- flußrohr, unter dessen Vermittelung der Sinus in die Vena cardinalis post.! mündet. Die Mündung liegt lateral zwischen der Vena car- dinalis ant. und der V. cardinalis post. an der Stelle, wo beide in den Duetus Cuvieri zusammenfließen. Außerdem mündet hier noch der Hauptlymphstamm des Kopfes, und zwar mittelst eines feinen Gefäßes am kranialen Rande des Sinus in diesen selbst und ferner noch mittelst eines zweiten feinen Gefäßes neben dem Ausflußrohr des Sinus direkt in die Vena cardinalis post. Die gleiche Anord- nung der Gefäße haben wir sowohl auf der rechten (Tafelfig.4) wie auf der linken Körperseite (Tafelfig. 5) vorgefunden, nur ändert sich das Bild auf der linken Seite insofern, als hier noch die starke Vena vitellina an der gleichen Stelle in die Vene mündet. 1 In unserer vorläufigen Mitteilung (1915) haben wir den Sinus des Seiten- stammes kurzweg als Kopfsinus bezeichnet, da dies bei der Forelle der einzige an den Seiten des Körpers dieht hinter dem Kopf gelegene Sinus ist. Unsere weiteren Studien belehrten uns erst, daß der am Ende des Seitenstammes be- findliche Sinus als ein Gebilde sui generis aufzufassen und nur in Gemeinschaft mit dem Hauptstamme des Kopfes als Homologon des Kopfsinus anderer Fische zu betrachten sei. Desgleichen hatten wir in unserer Mitteilung, der Beschreibung anderer Forscher folgend, angegeben, daß der Sinus und der eine Ast des Truneus in den Ductus Cuvieri mündet. Es ist wohl richtiger, nur den Gefäß- abschnitt, welcher medial von der Einmündung der Vena jugularis liegt, als Duetus Cuvieri zu bezeichnen. Demnach würden die erwähnten Gefäße noch in die Vena card. post. münden. 40 H. Hoyer und L. Michalski Die Wände des Sinus bestehen nur aus einer diehteren Schicht von embryonalem Bindegewebe. Von kontraktilen Elementen haben wir nichts wahrnehmen und bei der Untersuchung von lebenden Fig. 2. Netzartige Anlage des linksseitigen Ductus thoracicus bei einem eben ausgeschlüpften Embryo von 15 mm Länge. Die Anlage steht mit den tiefen intermyo- meren Lymphgefäß- ästen, welche, soweit dieselben injiziert waren, mittels Punktierung dar- gestellt sind, in un- mittelbarer Verbindung. Vergr. ungefähr 1/30. Embryonen keinerlei selbständige Kontraktionen an dem Sinus feststellen können. Außer den oberflächlichen intermyomeren Asten zweigt sich ferner in einem jeden Myoseptum der Seitenlinie ein Lymphgefäß ab, welches in schräger Richtung nach vorn bis zur Chorda dringt. Ungefähr auf halber Höhe der Chorda teilt es sich in einen auf- und absteigenden Ast, von denen in den ersten Tagen nach dem Ausschlüpfen nur der letztere gut sichtbar ist; doch lassen sich schon nach einiger Zeit auch die aufsteigenden Äste durch Injektion veranschaulichen. Diese tiefen intermyomeren Äste umgreifen die Chorda seitlich und die absteigenden dringen bis zu den großen Blutgefäßen des Körpers vor, wo sie in ein längs der Blutgefäße angeordnetes Netzwerk (Textfig. 2) übergehen. Dieses Netzwerk von Lymphgefäßen haben wir an mehreren eben aus- geschlüpften Embryonen zur Darstellung bringen können, und verhielt sich dasselbe an allen un- gefähr in der auf der Textfig. 2 veranschaulichten Weise. Es dehnt sich hier zwischen dem 10. und 26. Myomer aus, kann aber noch weiter bis etwa zum 40. Myomer reichen, d.h. bis fast zum Ende der Bauchhöhle, da wir an unseren Injektions- präparaten auf der Strecke zwischen dem 26. und 40. Myomer vereinzelte Zweige des Netzes be- obachten konnten. Dagegen konnte nicht fest- gestellt werden, daß das Netz nach vorn über das 10. Myomer hinausreicht. In allen beobachteten Fällen bestand hier eine Unterbrechung der Kon- tinuität der beiderseitigen Lymphgefäßnetze, hinter welcher sich weiter kranialwärts die paarigen vom Kopfe herkommenden Ductus thoracieci bemerkbar machen. Unmittelbar nach dem Ausschlüpfen würden sich also in der Bauchhöhle durch Injektion vorn die beiden Ductus thoraciei und weiterhin Das Lymphgeräßsystem von Forellenembryonen usw. 41 nach einer kurzen Unterbrechung jederseits ein Netzwerk von Lymph- gefäßen darstellen lassen, aus welchem sich erst die einheitlichen Ductus entwickeln. In der Tat findet man in nur wenig älteren Embryonen statt des Netzes jederseits einen bereits einheitlichen Stamm vor, der sich durch Einschmelzung gewisser Äste und Aus- bildung anderer aus dem Netzwerk herausgebildet hat. Im Schwanz- abschnitt jenseits der Bauchhöhle umspinnen die Ausläufer der ab- steigenden Äste die großen Blutgefäße, und die so gebildeten seg- mental angeordneten Gefäßnetze treten in der Längsrichtung mitein- ander in Kommunikation, stellen aber weder ein zusammenhängendes Netzwerk noch deutliche Längsstämme dar. Unsere Befunde, welche wir an Serienschnitten von nicht in- jizierten Embryonen gleichen Alters wie die vorhergehenden angestellt haben, stimmen mit den durch Injektion gewonnenen im allgemeinen überein. Zunächst dem Kopfe sind an Querschnitten zu beiden Seiten der Aorta die weiten Lumina der Ductus thoraeiei zu sehen. Weiter- hin verengern sich dieselben zu Spalten und verschwinden stellenweise fast vollständig. Ja, an einzelnen Schnitten sind die Lumina über- haupt nicht sichtbar. Noch weiter kaudalwärts tritt das spaltförmige Lumen wieder deutlicher hervor, auch lassen sich bereits hier und dort die seitlich an der Aorta absteigenden Äste und die Mündungen der tiefen intermyomeren Lymphgefäße erkennen, und noch weiter nach hinten bis zum Schwanze treten die Lumina und die absteigen- den Aste noch deutlicher zutage. Abgesehen von der allerersten Anlage der Lymphgefäße, welche wir an dem uns zu Gebote stehenden Material nicht verfolgen konnten, ist das Auftreten eines Iymphatischen Netzes für den Entwicklungs- gang der Lymphgefäße insbesondere ihrer großen Stämme von großem Interesse. Demnach würden sich die Stämme in Form eines Lymph- gefäßnetzes anlegen und sich erst später aus diesem zu ihrer defini- tiven Gestalt heranbilden. Nur noch schwache Andeutungen einer solchen Entwicklungphase haben wir oben bei der Beschreibung des Seitenstammes, und zwar in Form von kurzen Anastomosen zwischen dem Stamm und seinen Seitenästen, ferner von kollateralen Ästen längs des Stammes und schließlich noch von einem Netzwerk am Schwanzende desselben, kennengelernt. Einen ähnlichen Bildungs- vorgang'hat einer von uns bei der Entwicklung der Lymphsäcke bei Froschlarven, über deren Lymphgefäßsystem demnächst berichtet werden soll, beobachtet. Wenn dergleichen Bilder sich der allge- gemeinen Kenntnis bisher entzogen haben, so ist das wohl haupt- 42 H. Hoyer und L. Michalski sächlich dem Umstand zuzuschreiben, daß sie nur von kurzer Dauer sind und den definitiven Zuständen alsbald Platz machen. Zur Vervollständigung des Bildes der Lymphgefäße im ersten Stadium wäre noch zu erwähnen, daß von der Anlage der Duetus thoraciei in der Höhe des Afters sich vereinzelte Äste abzweigen und gegen die ventrale Oberfläche des Körpers vordringen. Eben- solche Gefäßäste lassen sich auch auf der Dorsalseite unterhalb der Rückenflosse beobachten und zu den die Chorda und das Rücken- mark umgreifenden aufsteigenden intermyomeren Ästen verfolgen. 6. Die Verteilung der Lymphgefäße im Il. Stadium. Die im vorhergehenden beschriebenen primären Gefäßanlagen vervollkommnen sich in der Folgezeit allmählich durch stärkere Ent- wicklung der bereits vorhandenen und durch Bildung von neuen Gefäßen, wodurch die ursprüngliche einfache Anordnung der Lymph- gefäße recht kompliziert wird. Als Ausgangspunkt für die weitere Beschreibung haben wir diejenigen Entwicklungsstadien der Embryonen gewählt, in denen der Dottersack äußerlich nicht mehr sichtbar ist und die Embryonen die Gestalt von erwachsenen Fischen angenommen haben, was nach unseren Aufzeichnungen in etwa 8—10 Wochen nach dem Ausschlüpfen erfolgt. Außer den vollkommener ausge- bildeten primären Gefäßen sind in diesem zweiten Stadium bereits fast alle in der Zwischenzeit hinzugekommenen sekundären vorhanden wodurch das Lymphgefäßsystem der Embryonen dem der erwachsenen Fische fast gleichkommt. Abgesehen von der Darlegung der Ent- wicklung der neu hinzukommenden sekundären Gefäße werden wir im folgenden zu untersuchen haben, inwiefern die von uns darge- stellten Gefäße mit den aus der Literatur bekannten sich in Ein- klang bringen lassen. Für die meisten ist dies, wie wir sehen werden, sehr wohl möglich, nur bezüglich gewisser Gefäße sind wir in Zweifel geblieben, da die verschiedenen Spezies Unterschiede in der Anord- nung erkennen lassen und da ferner gewisse Gefäße bei erwachsenen Formen sich zu größeren sinuösen Räumen erweitern, welche die Anordnung der Gefäße unter einem völlig veränderten Bilde er- scheinen lassen. Dazu kommt noch der Umstand hinzu, daß nach den Befunden von Hyrız die Forelle zu denjenigen Ausnahmen ge- hört, welche einen den anderen Fischarten eigentümlichen Kopfsinus nicht besitzt. Derselbe wird hier durch den Truncus jugularis und durch den Sinus des Seitenstammes ersetzt. Infolgedessen münden Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 43 die Lymphgefäße des Kopfes nicht in die Vena jugularis, sondern sowohl in den Sinus des Seitenstammes wie auch in die Vena car- dinalis posterior. Hierdurch wird die Identifizierung der Lymph- gefäße und speziell derjenigen des Kopfes, um die es sich hier be- sonders handelt, außerordentlich erschwert und ist nur möglich, soweit dieselben von den Forschern genauer beschrieben und auf Figuren dargestellt worden sind. a) Lymphgefäße des Kopfes. Was zunächst den von McCrurE bei Embryonen entdeckten Subokularsack anbetrifft, so ist derselbe auch in den älteren Entwick- lungsstadien vorhanden, ist aber durch Injektion von den benach- barten Lymphgefäßen, insbesondere von dem Hauptstamm des Kopfes und von seinen Asten aus, ebensowenig darstellbar wie bei ganz jungen Embryonen, es sei denn, daß sich ein Extravasat bildet, von welchem die Injektionsmasse in den Lymphsack eindringt. Da die Wände des letzteren sowie auch die Wände der benachbarten Lymphgefäße sich beim Wachstum der Embryonen gefestigt haben, so treten in späteren Stadien die Extravasate spärlicher auf und füllt sich infolge- dessen der Sack von jenen aus seltener. Wie an Schnitten fest- gestellt werden kann, hat der Lymphsack auch bei älteren Embryonen die gleiche bedeutende Ausdehnung wie im ersten Stadium und be- hält dieselbe, wie es scheint, auch bei erwachsenen Fischen bei. Bei letzteren ist er von J. MÜLLER entdeckt und als Lymphraum be- zeichnet worden, aus welchem man leicht eine größere Menge von Lymphe sammeln kann. Im übrigen wird der Lymphsack von keinem Forscher sonst erwähnt, und seine Beziehungen zu den benach- barten Lymphgefäßen müssen ferneren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Der oberflächliche Ast des Truncus jugularis, den man der Kürze halber auch als Ramus facialis bezeichnen kann, erstreckt sich bei den von uns untersuchten Embryonen des zweiten Stadiums über die Orbita und die Riechgrube hinaus bis vorne zur Haut des Mundrandes (Tafelfig. 6 Rstj). Hier beginnt derselbe mit feinen Ge- fäßen, welche zwischen die Anlagen der Zähne eindringen. Diese Gefäße fließen zu größeren Stämmehen zusammen und vereinigen sich mit den Lymphgefäßen, welche die Riechgrube mittelst eines dichten Netzes allseitig umgeben. Aus diesen geht dann ein Ast hervor, welcher vorne und ventral in die Orbita eindringt, unterhalb des Subokularsackes am Boden derselben verläuft und sie an ihrem 44 H. Hoyer und L. Michalski hinteren Rande an der Stelle verläßt, bis zu welcher wir im ersten Stadium den Gesichtsast verfolgt hatten. In das Lymphgefäßnetz der Riechgrube mündet von der droso- medialen Seite ein oder mehrere Lymphgefäße ein, welche mit dem später noch zu besprechenden supraorbitalen Aste in Verbindung stehen. Ferner anastomosieren mit den Gefäßen des Netzes Zweige des Oberkieferastes und die den Ramus maxillaris nervi trigemini begleitenden Lymphgefäße, von denen unten auch noch die Rede sein wird. Infolge dieser verschiedenen Verbindungen und Zuflüsse weist der Gesichtsast des Truncus jugularis eine ansehnliche Stärke auf, ist jedoch in keinem seiner Teile sinuös erweitert und läßt auch bei gelungener Injektion keinerlei Verbindungen mit dem subokularen Lymphsack erkennen, obwohl jener dicht an dessen unteren Wand entlang läuft. Über diesen ersten Abschnitt des Gesichtsastes finden sich in der Literatur außer ganz allgemein gehaltenen Angaben (Monro, HYktı, JOURDAIN) nur einige wenige Bemerkungen. So hebt Hewson ausdrücklich hervor, daß die Lymphgefäße der Orbita nicht dieser allein angehören, sondern von der Nase und vom oberen Teile des Mundes kommen. Gefäße am Mundrand sind auch von Troıs bei Lophius piscatorius, bei Rhombus maximus und bei Pleuronectes Grohmanni beobachtet und abgebildet, aber nicht beschrieben worden, und von AtLEN erfahren wir nur, daß das oberflächliche Gesichts- gefäß seinen Ursprung aus der Umrandung des Mundes nimmt. Der Gesichtsast des Truneus jugularis verläßt die Orbita unge- fähr auf halber Höhe ihrer kaudalen Wand und verläuft dann in einem dorsalwärts konvexen Bogen längs des Ursprungs des M. ad- duetor mandibulae. Auf diesem Wege nimmt er mehrere kleine, von dem Muskel kommende Zweige auf und ferner Äste, welche sich demselben von der Dorsalseite des Kopfes zuwenden. Der erste ist das supraorbitale Gefäß (Tafelfig. 6 Rso). Dasselbe umgibt die Orbita von der dorsalen Seite und tritt vorn mit dem Lymphgefäßnetz der Riechgrube in Verbindung. Auf seinem Verlaufe entsendet es noch Zweige, welche sich auf der Dorsalseite des Kopfes unter der Haut ausbreiten und daselbst eine regelmäßige Anordnung zu besitzen scheinen. Leider konnten diese Gefäße nicht genauer verfolgt werden, da sie sich nur in einem Präparat und noch dazu in unvollkommener Weise gefüllt hatten. Auch wiesen sie Eigentümlichkeiten auf, wie solche nur an sich entwickelnden Lymphgefäßen bei der Injektion beobachtet werden, nämlich unscharfe Konturen und zahlreiche kleine Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 45 Extravasate, woraus zu schließen ist, daß diese Gefäße erst in der Ausbildung begriffen sind. Sehen wir von diesen Gefäßen auf der Dorsalseite des Kopfes ab, so würden bei den Forellenembryonen zwei Gefäße bestehen, von denen das eine als Gesichtsast des Truncus die Orbita von der ven- tralen und der andere als supraorbitaler Ast dieselbe von der dor- salen Seite umgeben. Nun behauptet aber Troıs (1878, 1881, 1882), daß bei verschiedenen Fischen innerhalb der Orbita ein ringförmiges Sammelgefäß bestehe, welches er auch bei Lophius abbildet. Würde man sich lediglich an die kurze Beschreibung von Troıs halten, so müßte man annehmen, daß das von ihm gesehene Ringgefäß von den von uns beschriebenen Gefäßen völlig verschieden sei. Bei Betrach- tung der Abbildung desselben bei Zophius erkennt man aber, daß das Ringgefäß hinten nicht geschlossen ist, sich also die Gefäße wahrscheinlich erst in der Tiefe vereinigen. Damit würde aber auch eine ziemliche Übereinstimmung mit den von uns beschriebenen Ver- hältnissen bestehen und der Unterschied auf die ungenaue Ausdrucks- weise von TRro1s zurückzuführen sein. Das zweite von der dorsalen Seite in den oberflächlichen Ast des Truncus mündende Gefäß verläuft an dem hinteren Rande des vorderen Bogenganges (Tafelfig. 6v) und verbindet sich dorsal mit dem später noch zu besprechenden mittleren und hinteren der über dem Gehörorgan sich ausbreitenden Gefäße. Dasselbe scheint nicht beständig zu sein und wurde von uns unter den zahlreichen Präpa- raten nur einige Male beobachtet. Während sich der oberflächliche Ast des Truncus jugularis im ersten Stadium in seinem weiteren Verlauf bogenförmig nach hinten wendete, ändert sich seine Verlaufsrichtung in den späteren Stadien insofern, als in seine Bahn ein starker Gefäßring eingeschaltet ist (Tafelfig. 6 Zgr). Derselbe befindet sich an der Stelle, wo das Oper- eulum und Praeopereulum sich mit dem Hyomandibulare verbindet, und zwar an der Innenseite des Kiemendeckels. In injiziertem Zu- stande macht sich der Ring mit außerordentlicher Deutlichkeit be- sonders bei jungen Exemplaren, bei denen der Kiemendeckel noch durchscheinend ist, bemerkbar, entzieht sich aber bei älteren Fischen wenn sie auch injiziert sind, der Betrachtung von außen. Bei nicht injizierten Embryonen läßt nur eine stärkere Anhäufung von Pigment die Lage des Ringes erkennen. Der Gesichtsast mündet vorne und unten in den Ring, und oben und hinten befindet sich sein Ausfluß, Soweit wir feststellen konnten, 46 H. Hoyer und L. Michalski bildet der dorsale Ringabschnitt die ursprüngliche Bahn des Gesichts- astes, während der ventrale erst später hinzugekommen ist. Dieser Ring ist insofern von großer Bedeutung, als in denselben fast alle übrigen oberflächlichen Lymphgefäße des Kopfes münden. Der be- deutendste ist der uns bereits vom ersten Stadium her bekannte Oberkieferast, welcher dem seitlichen Mundrande parallel verläuft und am vorderen und unteren Umfange in den Gefäßring mündet. Er entspringt mit feinen Zweigen am seitlichen Mundrande, erhält daselbst auch Lymphgefäße von der Innen- und Außenseite des Maxillare und tritt vorne mit dem Gefäßnetz der Riechgrube in Ver- bindung!. In seinem weiteren Verlaufe nimmt derselbe außer zahl- reichen kleinen Zweigen einen größeren, vom Unterkiefer kommenden auf und schließlich die uns bereits vom ersten Stadium her bekannten zwei fast unter einem rechten Winkel in ihn mündenden Zweige. Ebenso wie der oben erwähnte Gefäßring tritt dieses von den beiden Gefäßen begrenzte Gebiet an allen Präparaten in charakteristischer Weise hervor, und zwar annähernd in der Form einer Sanduhr (Tafelfıg. 6 Sym). Das von den beiden Gefäßen umgebene sanduhr- förmige Gebiet entspricht genau der Lage und Größe des Symplec- ticum. Während dies Gefäßgebiet aber in den frühen Entwicklungs- stadien von der ventralen Seite noch nicht vollständig geschlossen war, ist dies jetzt bereits der Fall. Hierzu trägt besonders ein Gefäß bei, welches von dem Gefäßring bogenförmig zum hinteren Rande des Symplecticum verläuft, sich mit dem daselbst verlaufenden Gefäß vereinigt und so eine zweite Verbindung zwischen dem Ge- fäßring und diesem Gefäßgebiet herstellt. In das am Vorderrande des Symplecticum verlaufende Gefäß mündet noch ein vom Unter- kiefer kommender Ast, den wir später noch kennenlernen werden. Das Gefäß am Vorderrande des Symplecticum, welches wir als eines der primären kennengelernt hatten, setzt sich, wie später noch be- schrieben werden wird, auf die dorsale Seite des Hyoids fort, das- jenige des Hinterrandes, das uns ebenfalls als primäres bekannt ist, verläuft an der ventralen Seite des Hyoids. Letzteres verdoppelt ı Arven (1906) erwähnt, daß Acassız und Vor (1845) einen »unteren Maxillarast< am oberflächlichen Lymphstamm beschreiben; indessen haben wir diese Angabe in der Arbeit von AGassız und Vocr nicht auffinden können. Wohl aber wird ein supra- und infraorbitales Gefäß von diesen Autoren an- geführt, das aber mit Bestimmtheit als Schleimkanal aufgefaßt werden muß, da ausdrücklich erwähnt wird, daß beide Gefäße sich mittels zahlreicher kleiner Löcher auf der Oberfläche der Haut öffnen. Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. an; sich alsbald (Tafelfig. 6 u. 7 Rhv). Beide Gefäße stehen durch zahl- reiche Anastomosen miteinander in Verbindung und entsenden in kaudaler Richtung zahlreiche, einander parallel angeordnete Gefäß- zweige, welche in den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Radien in die Membrana branchiostega auslaufen. In dem Raume, welcher zwischen dem Gefäßring und den das Symplecticum umgebenden Gefäßen liegt, hat sich aus den ursprünglichen nur spärlichen Lymph- gefäßzweigen ein feines Netzwerk von Gefäßen ausgebildet, von welchem einzelne Gefäße gegen die Peripherie des ganzen Operkular- apparates ausstrahlen.. Diese Gefäße, wie überhaupt alle Gefäße dieses Gebietes, waren bereits früheren Forschern bekannt, da bei der Beschreibung der Hautlymphgefäße von Rhombus maximus und R. laevis Troıs (1881) ausdrücklich darauf aufmerksam macht, daß die Lymphgefäße am Kopfe sehr reiche und schöne Netze bilden, besonders auf dem Maxillare, Intermaxillare, auf den Operkularknochen und auf der Membrana branchiostega, in welcher jeder Radius ein rankenförmiges Lymphgefäß zur Seite habe. Von dem Oberkieferast geht ferner ein Gefäßzweig ab, der in der Tafelfig. 6 Rp. nur angedeutet, aber auf Tafelfig. 8 Rp. in seiner ganzen Ausdehnung dargestellt worden ist, nämlich das Lymphgefäß der Pseudobranchie. Dasselbe zweigt sich von dem ÖOberkieferast an der Stelle ab, wo sich das Sympleeticum mit dem Hyomandibulare verbindet, und verläuft in schräger Richtung nach innen und vorne der Anheftung der Pseudobranchie entlang. Außer den aus den ein- zelnen Kiemenblättchen entspringenden Zweigen und zahlreichen, aus der ganzen Umgebung der Pseudobranchie kommenden kleinen Ge- fäßen, nimmt dasselbe noch Lymphgefäße aus der Orbita auf, welche erst nach der Herausnahme des Bulbus deutlich sichtbar werden. Dieselben beginnen am vorderen unteren Winkel der Orbita, woselbst sie mit dem vom Gefäßnetz des Riechorgans kommenden Gesichtsast des Truncus in Verbindung treten. Sie begleiten dann zu beiden Seiten den Maxillarast des Trigeminus, indem sie unterhalb des Subokularsackes und medial von dem Gesichtsaste in schräger Rich- tung am Boden der Orbita zu deren dorsalen und hinteren Winkel ver- laufen und schließlich in das Lymphgefäß der Pseudobranchie mün- den. Nach Aufnahme der beschriebenen Äste wendet sich letzteres gegen die Mittellinie der Schädelbasis und geht an der Stelle, wo der arterielle Kopfkreis vorn am engsten ist, in das der gegenüberliegenden Seite über. An eben dieser Stelle setzt sich den Arterien entsprechend das Lymphgefäß jederseits in der Tiefe nach vorne fort, indem beide ne H. Hoyer und L. Michalsk Gefäße eine Strecke weit parallel verlaufen und dann ebenso wie die Arterien divergieren. Dort, wo das Lymphgefäß der Pseudo- branchie die V. jugularis überkreuzt, verbindet es sich mit dem später noch zu besprechenden, die Vene begleitenden Lymphgefäß. Hinsichtlich der Verteilung der Lymphgefäße des Gesichtes findet sich in der Literatur außer den bereits erwähnten Angaben die ausführlichste Beschreibung derselben bei ALLen (1906, 1907). Der von ihm bei Scorpaenichthys angeführte »superficial facial lym- phatie trunce« entspricht im allgemeinen dem von uns beschriebenen Gesichtsast des Hauptstammes. Etwas anders verhält es sich mit seinem »profundus facial lymphatie trune«. Derselbe entspricht nicht dem von uns unterschiedenen und später noch zu besprechenden tiefen Aste des Truncus, sondern dem Verlauf und der Lage nach den oben beschriebenen Gefäßen, welche den Maxillarast des Trige- minus begleiten, doch vermochte ALLEN das proximale Ende des Stammes nicht aufzufinden und behauptet, daß er in den Abdominal- sinus mündet, während wir die zwei Gefäße bis zum Lymphgefäß der Pseudobranchie verfolgen konnten. Der Umstand, daß wir zwei und ALLEN nur ein Gefäß beobachtet hat, ist von geringerer Bedeu- tung, zumal da er erwähnt, daß sich das Gefäß innerhalb der Orbita spaltet und sich dann wieder vereinigt, wobei sich der Teilungsast- sinuös erweitert. Nebenbei bemerkt, ist diese sinuöse Erweiterung nur gering und kann daher mit dem von McCLurk und MÜLLER beschriebenen Subokularsack nicht in Parallele gesetzt werden. Da sich das von ALLEN beschriebene Gefäß nur auf die Orbita beschränkt und eine nur untergeordnete Bedeutung zu haben scheint, ist seine Bezeichnung als tiefer Gesichtsast wohl besser zu vermeiden. Die Lymphgefäße des Gesichtes bei Polyodon (1907) hat ALLEN, wie es scheint, mit denen von Scorpaenichthys selbst nicht zu identifizieren ver- mocht und siezum Unterschied von jenen als »faciallymphatie trune« und »anterior facial lymphatic trune« bezeichnet. Letzteres würde noch am ehesten dem von uns beschriebenen, dem Öberkieferrande entlang laufen- den Ast des Hauptstammes entsprechen, den ersteren aber vermögen wir mit einem der von uns beobachteten Gefäße nicht zu identifizieren. In den Gefäßring am Ansatz des Operkularapparates an das Hyomandibulare mündet von der Dorsalseite noch ein Lymphgefäßast, welcher sich in dem Raume zwischen den drei Bogengängen des Labyrinthes oberflächlich unter der Haut ausbreitet und mit einem noch weiter hinten von dem Hauptstamme sich abzweigenden Aste mehrfach in Verbindung tritt. Der Ast, wir wollen denselben als Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 49 den mittleren bezeichnen (Tafelfig. 6 m), verläuft ungefähr dem Innen- rande des hinteren Bogenganges parallel und vereinigt sich mit dem oben erwähnten unbeständigen vorderen Aste, welcher am Innen- rande des vorderen Bogenganges entlang läuft. Der hintere und mittlere Ast sind die ursprünglicheren Gefäße und sind im ersten Stadium bereits deutlich sichtbar. Nachdem sich das mittlere und hintere und eventuell auch noch das vordere Lymphgefäß der Bogen- gänge dorsal vereinigt haben, verläuft ein einzelnes Gefäß an der Stelle, wo der vordere und hintere Bogengang zusammenstößt und eine Einsenkung bildet, in einem nach hinten offenen Bogen dorsal- wärts und erweitert sich jederseits zu einem recht umfangreichen Sinus (Tafelfig. 6 Sm). Die beiden Sinus machen sich bereits sehr frühzeitig bemerkbar, und ihre erste Anlage scheint in die Zeit un- mittelbar nach dem Ausschlüpfen des Embryos zu fallen. Es sind dies zwei Lymphräume, welche auf der Medulla oblongata zu beiden Seiten des zapfenartig ausgezogenen Cerebellum gelagert sind. Sie besitzen die Form von Halbmonden, die mit ihren Konvexitäten ein- ander zugekehrt sind. Wir wollen dieselben als Medullarsinus be- zeichnen. Mit ihrem konvexen Vorderabschnitt lehnen sich die Sinus jederseits an die hinteren Bogengänge an und weiter medial an das Ende des Cerebellum. Die laterale Seite ist frei nach außen und unten gerichtet. Mit den lang ausgezogenen hinteren Spitzen stoßen die beiden Sinus in der Mittellinie zusammen und vereinigen sich zu einem breiten Stamm, welcher sich weiter kaudalwärts verschmälert und in der Mittellinie auf das Rückenmark fortsetzt. In jeden Sinus münden an seinem Vorderrande Gefäße, welche sich am hinteren Bogengang und nach vorn über das Mittelhirn ausbreiten, und an seinem ‚medialen vom Cerebellum kommende Gefäße. Die Gefäße des Mittel- und Kleinhirns gehören mit den oben erwähnten Zweigen des Supraorbitalastes zu dem Komplex der dorsalen Kopfgefäße. In den hinteren einheitlichen Abschnitt der beiden Sinus münden eben- falls Gefäße, welche die Medulla von beiden Seiten umgreifen. Das Abflußgefäß zu dem zwischen dem vorderen und hinteren Bogengange liegenden Ast geht von dem konvexen Vorderrande eines jeden Sinus ab. Obwohl der über dem Rückenmarke verlaufende Stamm von ver- schiedenen Forschern gesehen worden ist, so beschreiben nur wenige seinen vorderen Abschnitt und seine Verbindung mit den Lymph- gefäßen des Kopfes. Nach Hrwson gabelt sich der Rückenmarks- stamm vorne, und jeder Ast verbindet sich mit dem Duetus thoraeieus der betreffenden Seite. Monro erwähnt nur, daß der Stamm die Morpholog. Jahrbuch. 51. 4 50 H. Hoyer und L. Michalski Lymphe vom Rückenmark und »den oberen Teilen des Kopfes« ab- leitet und in den Kopfsinus mündet. Desgleichen behauptet Jour- Damm, daß sich derselbe vor dem Oceipitale gabelt und jeder Gabelast in den Kopfsinus, Sarpey dagegen, daß er in die V. jugularis mün- det. Nach der Beschreibung von ALLEN teilt sich der Stamm, nach- dem er den Schädel erreicht hat, und jeder Gabelast verbindet sich mit dem seitlich am ersten Wirbel gelegenen Oceipitalsinus, welcher aus dem Zusammenfluß des Rückenmarks- und Seitenstammes entsteht und vermittelst des Kopfstammes (cranial lymphatie trunc) sich in den Kopfsinus ergießt. — Sehen wir von der Beschreibung Sarpzys ab, so sind die Befunde der anderen angeführten Forscher insofern über- einstimmend, als fast alleden Rückenmarksstamm in den Kopfsinus münden lassen. Diese Art der Verbindung des letzteren mag für alle die Fische, welche einen Kopfsinus besitzen, Geltung haben, aber die Forelle gehört zu den Ausnahmen, denen der Kopfsinus fehlt, daher geht bei ihr der Rückenmarksstamm Verbindungen mit dem Truneus jugularis und seinen Ästen ein. Unaufgeklärt würde der Befund von SarrpEyY bleiben. Ferner besteht noch ein Unter- schied zwischen unseren Befunden und der Beschreibung ALLENS in- sofern, als unser Medullarsinus seinem Oceipitalsinus nicht entspricht, weil ALLEN in letzteren den Seitenstammm münden läßt. Nach ALLEns eigenen Worten entsteht der Oceipitalsinus nur durch den Zusammen- fluß des starken Rückenmarks- und Seitenstammes und stellt eigent- lich nur eine Erweiterung des Kopfstammes dar. Somit würden sich die bei Scorpaenichthys bestehenden Verhältnisse den Befunden der anderen Forscher nähern und sich durch die Existenz eines Kopf- sinus erklären lassen. ALLEN erwähnt den Rückenmarksstamm weder bei Polyodon noch bei Lepisosteus, wohl aber bei letzterem einen Oceipitalsinus, welcher ebenfalls den Seitenstamm aufnimmt und mit dem von Arten als »branchial Iymphatie sinus« kommuniziert, also wiederum einen anderen Lymphraum als den Oceipitalsinus bei Scor- paenichthys darstellt. Mit den Lymphgefäßen des Gesichtes stehen diejenigen des Unterkiefers und Zungenbeins in unmittelbarer Verbindung. Von dem Öberkieferast des Gesichtsgefäßes zweigt sich ungefähr unter der Mitte des Auges ein Lymphgefäß (Tafelfıg. 6 u. 7 Rmanp) ab, welches am inneren Rande der Mandibula bis zur Mittellinie nach vorn ver- läuft, ohne sich jedoch mit dem der anderen Seite am vorderen Winkel der Mandibula zu verbinden. An der vorderen Umrandung des Mundes erweitert sich das Gefäß recht ansehnlich und entsendet Das Lymphgefüßsystem. von Forellenembryonen usw. 51 zahlreiche feine Kapillaren in regelmäßigen Zwischenräumen zum inneren Rande des Unterkiefers, wo sie sich zwischen den Zahn- anlagen ausbreiten. Außerdem entwickelt sich von den beiderseitigen Randgefäßen gegen die ventrale Mittellinie ein Gefäßnetz, welches im vorderen Winkel des Unterkiefers unmittelbar unter der Haut liegt. Ferner zweigt sich von dem Gefäß am Vorderrande des Sym- pleeticum ein weiterer Ast ab (Tafelfig. 6 u. 7 Rmans), welcher medial zu dem vorhergehenden, demselben aber annähernd parallel verläuft und ebenfalls dem Unterkiefer zustrebt. Dieses Gefäß liegt ober- flächlicher als das vorhergehende, steht aber mit letzteren durch Anastomosen in vielfacher Verbindung. Es verläuft jedoch nicht bis zur Spitze des Unterkieferwinkels, sondern beschreibt in einiger Ent- fernung von der Spitze einen nach vorn konvexen Bogen und ver- einigt sich mit dem entsprechenden Gefäß der anderen Seite in der Mittellinie zu einem einheitlichen, nach hinten verlaufenden Stamme, den wir einstweilen als den medialen Stamm (Tafelfig. 7” Tmm) des Unterkiefers bezeichnen wollen. Es ist der Lage nach ebenderselbe Stamm, den wir bereits im ersten Stadium, allerdings nur an Schnitten beobachtet hatten. Derselbe verläuft weiter medial und ventral von der Copula, gibt zahlreiche kleine Zweige zur Haut und den Muskeln nach den Seiten ab und mündet in einen ansehnlichen birnförmigen Sinus (Tafelfig. 7 Sr), der ebenfalls median und ventral von der Copula gelegen ist. Dieser Sinus scheint als Sammelgefäß von nicht unwesentlicher Bedeutung zu sein, denn außer dem von vorne in den- selben mündenden Mediangefäß des Unterkiefers erhält derselbe von den Seiten noch zwei Paar von Lymphgefäßen, die das Hyoid jeder- seits an seiner dorsalen und ventralen Seite begleiten. Das erstere geht aus dem Gefäß hervor, welches, wie bereits beschrieben, das Symplecticum von der vorderen Seite umgibt. Es verläuft am dor- salen Rande des Hyoids und mündet in das vordere verschmälerte Ende des Hyoidsinus von der dorsalen Seite. Das ventrale (Tafelfig. 6 u. 7 Rhv) ist uns als das Sammelgefäß der Lymphgefäße der Radii branchiostegi bereits bekannt. Dasselbe umgibt das Sympleeticum von der kaudalen Seite, verdoppelt sich im Gebiete der Branchio- stegalmembran, verläuft dann weiter als einzelnes Gefäß auf der ventralen Seite des Hyoids und mündet in das verbreiterte hintere Ende des Hyoidsinus. Auch verbinden sich die beiderseitigen ven- tralen Hyoidgefäße kaudalwärts vom Hyoidsinus an der Stelle, wo die Branchiostegalmembran der einen und der anderen Seite in der Mittellinie bogenförmig ineinander übergehen. 4* 52 H. Hoyer und L. Michalski Als Abflußgefäß des Hyoidsinus (Tafelfig. 7 AS%h) betrachten wir das am hinteren verbreiterten Ende medial von ihm ausgehende Ge- fäß, da dasselbe im Vergleich zu den anderen die größte Breite be- sitzt. Dasselbe senkt sich unmittelbar hinter seinem Ursprung in die Tiefe und gelangt auf die dorsale Seite der die Kiemenbogen ver- bindenden Copula. Dabei gabelt es sich, und jeder Teilast verläuft am Rande der Copula nach hinten, um sich an ihrem Ende wieder zu einem einzelnen Gefäß zu vereinigen. Auf dieser Strecke um- greifen kleine Äste den daselbst liegenden Truncus arteriosus und setzen sich lateralwärts in die einzelnen Kiemenbogen fort, auf denen sie wenigsteus auf kurze Strecken deutlich verfolgt werden konnten. Weiterhin verläuft das einheitliche Gefäß dorsal auf dem Bulbus cor- dis resp. in dem das Herz umgebenden Pericardium und mündet wahrscheinlich in das weiter unten noch zu besprechende Lymph- gefäßnetz an der Schädelbasis. Außer ganz allgemein gehaltenen Angaben über die Verteilung der Lymphgefäße in dieser Gegend von Monro und HyrTL erwähnt JourpAın (1867) den Hyoidsinus, in welchen die Lymphgefäße der unteren Abschnitte der Kiemenbogen und diejenigen des Branchiostegalapparates und eines Teiles des Kopfes münden, und ferner ALLEN. Letzterer beschreibt auf der ventralen und dorsalen Seite des Hyoids Getäße, welche er als »posterior or ventral« und »anterior or dorsal hyoidean Iymphatie trunc« bezeichnet. Der erstere erscheint ihm als das Hauptgefäß, welches auch Äste von der Branchiostegalmembran aufnimmt. An ihren dorsalen Enden schwillt jedes Gefäß zu einem Sinus an. Der dorsale mündet in den ventralen und letzterer in den Sinus cepha- lieus. Bei Polyodon und Lepisosteus beschreibt ALLEN einen Sinus hyo-opereularis und einen Truncus hyo-opereularis, berichtet aber nicht, in welchem Verhältnis beide zu den betreffenden Gefäßen bei Scorpaenichthys stehen. Der Lage nach entsprechen die bei Scor- paenichthys von ALLEN beschriebenen Hyoidgefäße den von uns bei Forellenembryonen dargelegten Gefäßen mit dem Unterschiede, daß ALLEN ihre ventralen Enden und den von uns als unpaarigen medialen Hyoidsinus bezeichneten Sammelbehälter nicht kennt und an unseren Präparaten dagegen die von ALLEN beschriebenen sinuösen Räume an den dorsalenEnden der Hyoidgefäße nicht vorhanden sind. Auch münden letztere bei unseren Forellenembryonen nicht in einen Kopfsinus, son- dern in den beschriebenen Gefäßring und aus diesem erst in den Truneus jugularis. Möglicherweise ist der von ALLen beschriebene Sinus hyo- opereularis dem von uns beobachteten Gefäßring gleichzusetzen. Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 53 Der tiefe Ast des Truncus jugularis (Tafelfig. 3, 6, 8 Rptj). Im ersten Stadium konnten wir den tiefen Ast (Ramus profundus trunei jugularis) bis in die Gegend des Foramen jugulare verfolgen, woselbst derselbe bogenförmig in das laterale Begleitgefäß der Vena Jugularis übergeht. Auch in den späteren Stadien bleibt diese An- ordnung bestehen. An der gleichen Stelle mündet in die Jugular- vene ein kleiner Venenast, der dieselbe Richtung verfolgt wie der tiefe Ast und daher leicht zu der Täuschung Anlaß geben kann, als vereinige sich der tiefe Ast unmittelbar mit der Jugularvene, was, wie wir uns in unzweifelhafterweise überzeugt haben, nicht der Fall ist. Den'tiefen Ast von der Umbiegungsstelle weiter distalwärts zu ver- folgen, gelang uns zwar an einigen Präparaten, jedoch nur auf kurze Strecken. Derselbe tritt mit der Vene durch das Foramen jugulare in die Gehirnsubstanz ein, entzieht sich aber dann, da die Injektions- masse nicht weiter vorgedrungen ist, der Beobachtung. Ziehen wir aber in Betracht, daß die V. jugularis als ein großer Stamm aus dem Gehirn hervorgeht und der tiefe Ast des Truncus bereits frühzeitig angelegt ist und sich an die Vene anlehnt, so gelangen wir zu dem Schlusse, daß der tiefe Ast seinen Ursprung ebenfalls aus dem Ge- hirn nimmt, zumal da in dieser Gegend kein anderes aus den mitt- leren Partien des Gehirns austretendes Lymphgefäß aufzufinden ist. Bei einer derartigen Anordnung der Lymghgefäße, wie dieselbe hier vorliegt, geht die Injektionsmasse aus dem tiefen Aste viel eher in das Begleitgefäß der Vene oder in umgekehrter Richtung über, als daß sie in das in den Bogen mündende Gefäß eindringt. Auf seinem weiteren Verlauf außerhalb des Schädels ist der tiefe Ast, wie wir bereits im ersten Stadium erwähnt haben, mit dem lateralen Begleitgefäß der Jugularvene vermittelst einer doppelten Anastomose verbunden, welche zu beiden Seiten der Unterkiefer- Kiemendeckelvene gelegen ist (Tafelfig. 8v,). Während diese Ana- _ stomosen im ersten Stadium nicht immer anzutreffen sind, sind sie in dem späteren beständig vorhanden. Neu hinzugekommen ist eine weitere Anastomose, welche sich zwischen dem tiefen Aste und dem oben beschriebenen Lymphgefäßring an der Innenseite des Oper- kularapparates vorfindet (Tafelfig. 8 v,). Das Begleitgefäß der V. jugularis, welches im ersten Stadium nur schwach entwickelt war, ist nunmehr zu einem starken Gefäß geworden (Tafelfig. 8 Vi), ja es tritt sogar auf der medialen Seite der Vene noch ein zweites kleineres Begleitgefäß auf (Tafelfig. 8 VI), welches mit dem lateralen durch Anastomosen in Verbindung tritt. 54 H. Hoyer und L. Michalski Dieser Umstand sowie die Tatsache, daß das laterale Gefäß beim Wachstum umfangreicher wird, lassen vermuten, daß die Begleit- gefäße und besonders das laterale mit der Zeit die Aufgabe des tiefen Astes, d.i. die Ableitung der Lymphe aus dem Gehirn, über- nehmen, während der tiefe Ast bedeutungslos wird. Wie bereits er- wähnt, entspricht der von ALLen (1906) unterschiedene »profundus facial lymphatie trune« nicht unserem tiefen Aste, sondern den Lymph- gefäßen, welche den Maxillarast des Trigeminus begleiten und in das Lymphgefäß der Pseudobranchie münden. Wohl aber scheint das von Mc Crure (1913) als »the medial pharyngeal Iymphatic« bezeich- nete Gefäß, soweit aus der kurzen Beschreibung zu entnehmen ist, mit unserem tiefen Aste und die von ihm unterschiedenen »prae- cardinal or jugular Iymphaties« mit unseren Begleitgefäßen der V. jugularis identisch zu sein. Der aus der Vereinigung des oberflächlichen und tiefen Astes hervorgehende Truncus verläuft seitlich an der Schädelbasis kaudal- wärts und mündet in der bereits im ersten Stadium beschriebenen Weise mittelst eines dünnen Gefäßes in den Sinus des Seitenstammes und mittelst eines zweiten größeren neben dem Ausflußgefäß des Sinus in die Cardinalis post. Auf dieser. Strecke mündet in den Truneus von der dorsalen Seite des Kopfes das uns bereits bekannte hintere Lymphgefäß des Gehörorgans (Tafelfig. 3, 6%), welches samt dem mittleren das Hauptabflußgefäß des Medullarsinus bildet und am lateralen Rande des hinteren Bogenganges verläuft. Unmittelbar vor seiner Mündung nimmt der Truncus auf der ventralen Seite die beiden Begleitgefäße der V. jugularis und mit diesen zusammen auch noch die Ducetus thoraciei auf. Lymphgefäße an der Schädelbasis (Tafelfig. 8). Während im ersten Stadium zwischen dem Truncus jugularis und der Aorta sich noch ein Netzwerk von Lymphgefäßen ausgebreitet hatte, aus welchem sich einzelne Gefäßstämmchen deutlicher herausdifferenzierten, gegen die Aorta vordrangen und dort die Anlage der Ductus thoraciei bildeten, läßt dies Gebiet im zweiten Stadium bereits eine typische Anordnung der Gefäße erkennen. Am deutlichsten markiert waren im ersten Stadium die Lymphgefäße am Endabschnitt der 3. und 4. Kiemenvene. Dieselben haben sich beim weiteren Wachstum des Embryos vollkommener entwickelt und lassen an injizierten Präpa- raten die charakteristische Figur von sich unter einem spitzen Winkel über die Aorta hinweg überkreuzenden zwei Paaren von Lymphge- fäßen erkennen. Eine jede Vene wird nämlich von jeder Seite von Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 55 einem Lymphgefäß begleitet. An der gemeinsamen Mündung der 3. und 4. Vene geht nun das vordere Lymphgefäß der 3. und das hintere der 4. Vene in das entsprechende der andern Seite über, das hintere Lymphgefäß der 3. Vene verbindet sich jederseits mit dem vorderen der 4. Vene, und schließlich fließen alle Gefäße jeder Seite längs des Stammes der Aorta im rechten bzw. linken Ductus thora- cicus zusammen. Wo die Kiemenvenen den knorpeligen Kiemenbogen verlassen, um sich zu dem gemeinsamen, in die Aorta mündenden Stamme zu vereinigen, findet sich eine Anastomose, welche die beiden die Vene begleitenden Lymphgefäße verbindet. Von der gleichen Stelle setzen ‘sich Lymghgefäße lateralwärts fort, mittelst deren sie sich mit den Begleitgefäßen der Vena jugularis und mit dem Truncus jugularis verbinden. Ferner liegen in dem Raume zwischen der 4. Kiemenvene und dem Ductus Cuvieri ziemlich regelmäßig ange- ordnete Lymphgefäße, welche eine weitere Verbindung zwischen dem Ductus thoracicus und dem hinteren Begleitgefäß der 4. Kiemen- vene einerseits und den Begleitgefäßen der V. jugularis und dem Truncus jugularis andererseits herstellen. Das hinterste derselben verläuft, an den Ductus Cuvieri angelehnt, demselben annähernd parallel. Oralwärts geht aus dem Winkel, welchen die sich überkreuzenden Lymphgefäße mit dem Ductus thoracicus bilden, jederseits ein Ge- fäß hervor, welches in schräger Richtung von dem Duetus zur Mündung der 2. Kiemenvene verläuft. Ein weit dünneres Gefäß, welches aus dem gleichen Winkel hervorgeht, begleitet die Aorta und setzt sich weiter auf die beiden Bogen des Circulus cephalicus fort. Das letz- tere Lymphgefäß anastomosiert auf seinem Verlaufe mit dem ersteren und vereinigt sich mit ihm an der Mündung der 2. Kiemenvene. Weiterhin überbrückt das aus der Vereinigung hervorgehende Gefäß die 2. Kiemenvene und verläuft an dieser und lateral am Bogen des Circulus weiter nach vorn, verjüngt sich immer mehr und läßt sich dann nur noch auf eine kurze Strecke weit verfolgen. Die Über- brückung der 2. Kiemenvene macht sich an den Injektionspräparaten stets in der Form einer Schlinge bemerkbar, von welcher eine Ana- stomose zu den Begleitgefäßen der Vena jugularis ausgeht. Während die angeführten Lymphgefäße und ihre Verbindungen sich bereits frühzeitig entwickelt hatten, tritt das Lymphgefäß an der medialen Seite des Circulus cephalicus erst sehr spät auf und läßt sich an den Arterienbögen bis etwa zur Mündung der 1. Kiemenvene verfolgen. Wie aus der obigen Beschreibung hervorgeht, breitet sich nur 56 H. Hoyer und L. Michalski ein Teil der Lymphgefäße der Schädelbasis längs der Arterien aus, ein anderer Teil bildet in den seitlichen Partien infolge der zahl- reichen Anastomosen ein großmaschiges Netzwerk, welches wir in seiner Anlage bereits im ersten Stadium kennengelernt hatten. Dieses Netzwerk steht mit den die Venae jugulares begleitenden Lymph- gefäßen (Tafelfig. 8 Yu. VIm) und mit den Trunei jugulares (Tafel- fig. 8 7Uj) in Verbindung. Die Ductus thoracici (Tafelfig. 8 Dth) reichen in ihrer vollen Ausdehnung genau genommen nur bis zur Mündung der 2. Kiemenvene, da ihre weiteren Fortsetzungen nach vorne ganz unbedeutend sind. Sie verbinden sich auf der Strecke zwischen der 2. Kiemenvene und den Ductus Cuvieri mittels zahlreicher Anastomosen mit den seitlichen Lymphstämmen und münden schließlich unter deren Vermittlung an den typischen Stellen, die wir bereits oben beschrieben haben, in die Venen. Hier sei noch hinzugefügt, daß wir an den ältesten von uns untersuchten Embryonen vereinzelte Gefäße beob- achtet haben, welche von dem Netzwerk am hinteren Teil der Schädel- basis ausgingen und sich seitlich am Perikard ausbreiteten. Ferner gehen von den Gefäßanastomosen, welche die Lymphgefäße des Cireulus cephalicus mit den seitlichen Stämmen verbinden, feine Gefäßäste aus, die in die Wurzeln eines jeden Kiemenbogens ein- dringen und an den Seiten der Blutgefäße weiter in ihm verlaufen. Soweit festgestellt werden konnte, verlaufen stets zwei Lymphgefäß- äste in jedem Kiemenbogen, von denen das eine vor, das andere hinter den Blutgefäßen liegt. Von eben diesen Lymphgefäßen zweigen sich fernerhin an den Wurzeln der Kiemenbögen noch weitere Äste ab, welche in die Schleimhaut dieser Gegend vordringen. Demnach würde die Lymphe aus der Schleimhaut im Gebiete der Kiemen in die Lymphgefäße der Kiemen abfließen. Der Teil der Schleimhaut, welcher zwischen den Augen und den ersten Kiemenbögen liegt, wird von den zahlreichen Lymphgefäßästen der Pseudobranchie versorgt, und die Schleimhaut im vordersten Abschnitt der Mundhöhle erhält Lymph- sefäße aus dem Gefäßnetz der Riechgrube (Fig. 8 Vimue), indem sich von letzterem ein größerer Zweig ablöst, etwa in der Mitte des Raumes zwischen dem vorderen Augen- und Mundrand in die Schleim- haut eindringt und sich dann netzartig nach der Medianlinie zu, besonders aber in der Richtung nach hinten, ausbreitet. Alle be- schriebenen Lymphgefäße der Schleimhaut, insbesondere die aus dem Gefäßnetz der Riechgrube hervorgehenden, sind erst in der Aus- bildung begriffen, worauf ihre unscharfe Begrenzung und zahlreiche, bei der Injektion auftretende Extravasate schließen lassen. Es ist Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 57 anzunehmen, daß die Lymphgefäße der Schleimhaut, welche in diesem ' Stadium auf die beschriebenen drei Bezirke beschränkt waren, bei der Weiterentwicklung und bei erwachsenen Fischen sich zu einem einheitlichen Lymphgefäßnetz ausbilden, und daß höchstens nur noch die drei gesonderten Abflußgebiete erhalten bleiben. Was nun die Literatur über die Lymphgefäße an der Schädel- basis betrifft, so finden wir bereits sehr bemerkenswerte Angaben darüber bei Hewsox. Er behauptet nämlich, daß hinter den Augen ein Netzwerk auftritt, welches zum Teil aus den seitlichen Stämmen und dem Ductus thoraecicus besteht, sehr kompliziert ist und schließlich in die V. jugularis mündet. Weiter hinten liegt noch ein zweites Netzwerk, welches das Herz fast gänzlich umgibt und mit dem Ductus thoraeicus im Zusammenhang steht. Dieses Netzwerk nimmt auch Gefäße von den oberen Teilen der Kiemen und vom Schlunde auf. Von Monro erfahren wir nur, daß die beiderseitigen Kopfsinus hinter dem Herzen und der Speiseröhre miteinander in Kommuni- kation stehen und daß eines der vier in den Kopfsinus mündenden Gefäße ein Geflecht bildet, welches die Lymphe vom Gehirn, den Sinnesorganen, vom Mund, von den Kiefern und Kiemen ableitet. FoHmann bildet bei Muraena und Esox die Mündung der Ductus thoraeiei in die V. jugularis ab. Ferner unterscheidet er an den Kiemen zu- und ableitende Lymphgefäße. Demgegenüber behauptet J. MÜLLER, daß es in den Kiemen zwar Blut-zu- und ableitende Vasa nutritia gäbe, nicht aber Lymphgefäße. Acassız und Vogr berichten von einem den Ansatz des 4. Kiemenbogens ringförmig umgebenden Lymphgefäß, in welches ein vom 3. Kiemenbogen und ein von der Mitte des Körpers kommendes Gefäß münden. Letzteres anastomosiert mit dem entsprechenden Gefäß der anderen Körperseite, und die Anastomose nimmt von der kaudalen Seite die Ductus thoraciei und von der oralen Seite kleine Äste auf, welche vom Gehirn zu kommen scheinen. Nach JourDAIN nimmt bei Conger jeder Ductus thoraeicus in der Höhe der Kiemenbögen einen dicken Stamm auf, welcher sich in so viel Äste teilt, als Kiemenbögen vorhanden sind. Unter dem 2. oder 3. Wirbel anastomosieren die beiden Duetus miteinander und ergießen sich, nachdem sie einen Stamm von dem Branchiostegal- apparat aufgenommen haben, in den Kopfsinus. Bei Gadus beschreibt JOURDAIN einen großen, aus mehreren Nebenabteilungen sich zusam- mensetzenden gemeinschaftlichen Sinus, welcher in der Höhe des Schultergürtels eine Art von Halsband bildet, und in welchen zahl- reiche Lymphgefäße münden. In den Arbeiten von Troıs ist über 58 H. Hoyer und L. Michalski die Lymphgefäße der Schädelbasis nur wenig zu finden. Über die Lymphgefäße der Kiemen berichtet er ausführlich bei Lophöus, Uranoscopus und Motella und erwähnt bei letzterer, daß die Mund- schleimhaut sehr reichliche Lymphgefäßnetze enthält. Die Befunde ALLEens weichen von den unsrigen und auch von denen anderer Forscher insofern ab, als er am Kopfe große mehr- kammerige Sinus beschreibt, welche mit den von uns beobachteten Stämmen, Gefäßen und Netzbildungen nur mit Schwierigkeit zu iden- tifizieren sind. Der von ALLEN unterschiedene Abdominalsinus scheint seiner Lage und seinen Verbindungen nach mit dem von uns beschriebenen kranialen Abschnitt der Ductus thoraciei übereinzu- stimmen. Zwar wird derselbe von ALLEN im allgemeinen als un- paarig bezeichnet, doch dabei erwähnt, daß »in einigen Exemplaren die Injektionsmasse so geronnen war, daß der Anschein der Existenz von zwei Abdominalsinus erweckt wurde«. Dieser Sinus steht nach ALLEN in Kommunikation mit dem Pektoralsinus, den wir an der Basis der Brustflosse später noch kennenlernen werden, mit dem Perikardialsinus und mit dem kranialen Lymphstamm. Drei am An- satz der Kiemenbogen befindliche Branchialsinus bilden nur blinde Aussackungen des Abdominalsinus. Der kraniale Lymphstamm ALLENS ist wahrscheinlich unseren Truncus jugulares gleichzusetzen. Der Perikardialsinus besteht nach ALLen aus 3 Kammern, welche das Herz von der lateralen und ventralen Seite umgeben und sehr stark ausgebildet sind. Über diese Gefäße vermögen wir nichts auszusagen, da dieselben in unseren Präparaten eben erst in Entwicklung be- griffen waren. Würde man sich nach dem Gesagten den Abdominal- sinus paarig und in Form von nicht erweiterten Gefäßen vorstellen, so würde man annähernd die von uns beschriebene und auf Tafelfig. 8 dargestellte Anordnung der Gefäße an der Schädelbasis erhalten. b) Lymphgefäße des Rumpfes. Während die Lymphgefäße des Kopfes in dem Zeitabschnitt, welcher zwischen dem Ausschlüpfen der Embryonen und dem Verluste des Dottersackes gelegen ist, eine reiche Ausgestaltung erfahren, ı Beim Studium der Befunde ArLuens haben wir den Eindruck erhalten, als wenn die Lymphgefäße des Kopfes bei den von ihm untersuchten Fischen durch die Injektionsmasse übermäßig ausgedehnt wären. Eine über die normalen Verhältnisse hinausgehende Erweiterung der Kopfgefäße scheint bei Injektionen sehr leicht vonstatten zu gehen, da wir unter unseren Präparaten zahlreiche der- artige Fälle zu verzeichnen haben. Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 59 kommen am Rumpfe selbst zu den ursprünglich angelegten primären Gefäßen verhältnismäßig nur wenig neue sekundäre hinzu. Eine Ausnahme hiervon machen nur die Lymphgefäße der Eingeweide, welche sich mit der in diesem Zeitabschnitt einsetzenden Kamel der Eingeweide ebenfalls auszubilden beginnen. Die Hauptlymphgefäße des Rumpfes stellen die Seitenstämme und die Ductus thoraciei dar. Der Seitenstamm samt seinen Ästen (Tafelfiıg. 6 TUI) wird mächtiger, zeigt aber im übrigen das gleiche Verhalten, wie wir dasselbe bei seiner Besprechung im ersten Stadium geschildert hatten. Er beginnt am Schwanze über den letzten Myo- meren mit einem Netzwerk von unregelmäßig angeordneten Gefäßen, verläuft dann in der Seitenlinie nach worne, nimmt auf diesem Wege die oberflächlichen intermyomeren und die in der Seitenlinie aus der Tiefe aufsteigenden Äste auf und erweitert sich vorne unter dem Schultergürtel zu dem in die V. cardinalis post. mündenden Sinus (Tafelfig. 6 Sl). Die oberflächlichen intermyomeren Seitenäste (Tafel- fig. 6 Ris) sind ebenfalls mächtiger und länger geworden, haben ent- sprechend der Verschiebung der Myomeren dorsal und ventral eine Kniekung nach vorn erfahren und treten im Bereich der Flossen dorsal und ventral mit den Lymphgefäßen derselben in Kommuni- kation. Abgesehen von den aus der Tiefe aufsteigenden intermyo- meren Ästen, welche wir weiter unten noch gesondert betrachten werden, gehört der Seitenstamm mit seinen oberflächlichen Ästen zu den am frühesten und am besten erkannten Lymphgefäßen des Fisch- körpers. Derselbe wird von folgenden Forschern beschrieben: HEwSON (1769), Monko (1787), Hyrru (1843), Rosın (1845), Acassız und Vor (1845), Stannıus (1854), MıLne Epwarps (1859), Jourpaın (1867, 1868), Troıs (1875, 1880, 1881, 1882), Sarpey (1880), Hopkıns (1893), Nusßaum (1903), FAvaro (1906), Jossırow (1905—06), ALLen (1906, 1907, 1908, 1910). Die den Verlauf des Seitenstammes betreffenden Beschreibungen sind im allgemeinen übereinstimmend, nur behaupten Acassız und Vo«@T, daß der Stamm keine Seitenäste besitze. Wie bereite erwähnt, haben diese Forscher den Seitenstamm mit dem Schleimkanal der Seitenlinie verwechselt, lassen aber den Seiten- stamm in den Ductus Cuvieri münden. SarrEy beschreibt zwar bei Knochenfischen einen Schleimkanal und den Seitenstamm, behauptet aber, daß der Schleimkanal bei Pleuronectiden niemals von dem Seitenstamme begleitet werde. Wie Troıs (1881) dargetan hat, hat sich SarpEyY geirrt, denn beide Gefäße verlaufen in der hinteren Hälfte des Rumpfes nebeneinander, in der vorderen dagegen beschreibt 60 H. Hoyer und L. Michalski der Schleimkanal gegen den dorsalen Seitenrand des Körpers einen konvexen Bogen, dessen Sehne von dem gerade nach vorne verlaufen- den Seitenstamm gebildet wird. Hinsichtlich der Mündung des Seitenstammes lauten die Ansichten der Forscher verschieden. So lassen MONRO, HYRTL, STANNIUS, JOURDAIN, TRoIs, HoPpkıns und Jossırow den Seitenstamm in den Kopfsinus, Rogm, AGassız und Vosr in den Ductus Cuvieri, SArPEY in die V. jugularis, HEwsoN in einen Lymphstamm des Kopfes und ALLEN in den kranialen Lymphstamm münden. Hyrru hatte bereits darauf hingewiesen, daß sich die Fische in dieser Beziehung verschieden verhalten, indem der Seitenstamm bei vielen in den Kopfsinus, bei Perca, Tinca und Cottus sowohl in den Kopfsinus als auch in den Ductus Cuvieri und bei Salmoniden unter Vermittlung des zu einem Sinus erweiterten vor- deren Endes des Seitenstammes direkt in den Ductus Cuvieri mündet. Behufs Aufklärung dieser Verhältnisse müßten weitere vergleichende Untersuchungen vorgenommen werden. Doch steht so viel fest, daß bei der Forelle die von Hykrz entdeckte und auch abgebildete Art der Einmündung besteht, die wir noch eingehender verfolgt und im ersten Teil dieser Arbeit ausführlich beschrieben haben. Außer dem Seitenstamm können nun an den Seitenteilen des Fischkörpers. noch weitere sekundäre Stämme auftreten, welche über dem dorsalen und dem ventralen Abschnitt des Seitenrumpfmuskels dem Hauptstamm parallel verlaufen. So beschreibt Hyrru bei Sılurus zwei solcher Nebengefäße und Srannıus solche bei Silurus und Cottus. Auch Sarpzy scheint dieselben gesehen zu haben. Nach der Angabe von Troıs treten dieselben am deutlichsten bei Urano- scopus scaber, Pleuronectiden und Gadoiden zutage, und ALLEN hat solche akzessorische Gefäße am Rumpf von Scorpaenichthys in der Nähe des Kopfes angetroffen. Bei der Beschreibung der Blutgefäße des Rumpfes hatten wir hervorgehoben, daß von den von der Aorta entspringenden Inter- vertebralarterien in der Seitenlinie ein Ast zur Oberfläche aufsteigt und sich in einen dorsal und ventral verlaufenden intermyomeren Ast spaltet. Desgleichen vereinigen sich auch die von der Haut und den Muskeln kommenden Venen zu dorsalen und ventralen inter- myomeren Asten, die in der Seitenlinie vereinigt in die Tiefe steigen und an der Chorda in den intervertebralen Venenast münden. Infolge dieser Anordnung befindet sich in jedem Myokomma der Seitenlinie eine arterielle und venöse Gefäßgabel, und der Iymphatische Seiten- stamm verläuft vom Schwanz bis zum Kopfe durch die ganze Reihe Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 61 dieser Gefäßgabeln. Seine oberflächlichen intermyomeren Seitenäste lehnen sich in jedem Myokomma an die dorsalen bzw. ventralen Gabeläste der Blutgefäße an, außerdem entsendet der Seitenstamm in jedem Myokomma einen Ast, welcher neben den Blutgefäßen in die Tiefe zur Chorda verläuft (Tafelfig. 9, Rper) und sich daselbst in einen auf- und absteigenden Ast teilt (Tafelfig. 9, 10 Rip). So weit aus den Literaturangaben zu entnehmen ist, sind diese in die Tiefe dringen- den Äste bisher nicht beobachtet worden, wohl aber die an der Chorda auf- und absteigenden Äste, welche die Chorda von beiden Seiten bogenförmig umfassen, und zwar von JOURDAIN bei Anguilla, von Troıs bei Passer italicus, bei welchem er sie auch abbildet, von FAavAaro bei Lophius und von ALLEN bei Scorpaenichthys. Die in die Tiefe dringenden Äste sind von großer Bedeutung, da dieselben eine vielfache Kommunikation zwischen den oberflächlichen und tiefen Lymphgefäßen herstellen, indem sich die aufsteigenden Äste mit dem dorsalen Längsstamm und eventuell auch mit dem über dem Rücken- mark verlaufenden Lymphstamm und die absteigenden mit den Ductus thoraeiei verbinden. Während eben diese die Chorda bogenförmig umgebenden Äste im ersten Stadium noch einfach waren, haben sie sich in diesem späteren Stadium verdoppelt, indem sie die Inter- vertebralarterien und -venen seitlich begleiten. Im ersten Entwicklungsstadium ließen sich die tiefen aufsteigen- den intermyomeren Lymphgefäßäste höchstens bis zum Rückenmark verfolgen. Mit der Zeit wachsen sie über dasselbe hinüber und es gelangen die beiderseitigen Gefäße über demselben zur Vereinigung. Von dieser Vereinigungsstelle zweigen sich zwar fast an jedem Ge- fäß kurze Äste zur unmittelbaren Umgebung ab, doch haben wir an den von uns untersuchten Embryonen niemals beobachtet, daß sie zu einem einheitlichen Stamm, der in der Mittellinie längs des ganzen Rückenmarkes verlaufen wäre, zusammengeflossen wären. Die er- haltenen Bilder lassen höchstens vermuten, daß ein solcher Stamm in noch späteren Stadien gebildet werde, zumal da die von verschie- denen Forschern bei verschiedenen Fischarten gemachten positiven Angaben für das ständige Vorhandensein desselben sprechen. Statt dieses Stammes macht sich bei unseren Forellenembryonen in diesem zweiten Stadium ein anderer bemerkbar, welcher viel höher gelegen ist und wenigstens im kaudalen Rumpfabschnitt ein einheitliches Gefäß bildet. Von der Stelle, wo sich über dem Rückenmark die beiderseitigen tiefen intermyomeren Äste vereinigen, setzen sich nämlich Lymphgefäße in dorsaler Richtung fort, welche auf einer 62 H. Hoyer und L. Michalski gewissen Höbe in kranialer und kaudaler Richtung Aste entsenden. Aus dem Zusammenfluß der benachbarten Äste entsteht zunächst ein langgezogenes Geflecht oder Netzwerk, das sich dann in einen kon- tinuierlichen Stamm umbildet (Tafelfig. 6, 10 Td). Dieses Netzwerk liegt in dem medianen bindegewebigen Septum zwischen den beiden Seitenrumpfmuskeln fast unmittelbar unter der Oberfläche. Es be- ginnt am Schwanz, wo es sich mit den Lymphgefäßen der Schwanz- flosse verbindet, und verläuft dem Rückenmark parallel unter dem Ansatz der Fettflosse hinweg bis zur Rückenflosse. Am hinteren Ende derselben senkt es sich ein wenig, verläuft unmittelbar unter- halb der Flossenmuskeln und dann auf der Strecke zwischen dem vorderen Ende der Rückenflosse und dem Kopfe wieder in der gleichen Höhe wie vorher weiter nach vorn, doch konnte es auf keinem unserer Präparate bis zu dem Kopfe verfolgt werden. Bei der Besprechung der Lymphgefäße des Kopfes hatten wir erwähnt, daß sich aus der Vereinigung der beiden Medullarsinus ein kurzer Stamm in der Mittellinie auf das Rückenmark fortsetzt. Mit diesem könnte zwar das oben beschriebene Lymphgefäßgeflecht in Verbin- dung treten, zumal da sich beide in der gleichen Höhe befinden, doch haben wir an unseren Präparaten weder den aus dem Medullar- sinus kommenden Stamm weiter nach hinten, noch das Gefäßgeflecht weiter nach vorn bis zu seiner Vereinigung mit jenem verfolgen können und müssen daher mit der Möglichkeit rechnen, daß in noch späterer Zeit zwei Längsgefäße übereinander vorhanden sind, und zwar würde das eine unmittelbar über dem Rückenmark, das andere über demselben näher der Oberfläche des Körpers verlaufen, worauf auch die von verschiedenen Seiten gemachten Angaben in der Lite- ratur hinweisen. Der spinale Stamm wird bereits ziemlich ausführlich von Hew- son beschrieben. HykTL zeichnet bei Leuciscus zwei nebeneinander liegende Lymphgefäße und läßt sie nach ihrer Vereinigung am Schwanz in den Kaudalsinus münden. Auch JOURDAIN spricht bei Gadus von einem solchen Stamm, den er als »canal neural« bezeichnet. Von allen drei Forschern wird ein dorsaler Longitudinalstamm nicht er- wähnt, ebensowenig wie von irgendeinem der früheren Forscher, bis erst von Troıs und Saprey.. Durch die verschiedene Bezeichnung des spinalen Stammes als »vaso« resp. »tronco longitudinale spinale superiore«, »tronco sopravertebrale« und »tronco rachidiano« könnte man in der Beschreibung von Troıs leicht irregeführt werden, wenn er außerdem nicht noch ausführlich auf den dorsalen Longitudinal- Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 63 stamm eingehen würde. Der Spinalstamm wird von ihm nur kurz erwähnt, während der andere als ein mit Knoten versehenes Gefäß beschrieben wird, welches sich am hinteren Ende mit den Lymph- gefäßen der Schwanzflosse verbindet, sich im Gebiet der Dorsaltlosse in drei Gefäße teilt und vorne mit den subkutanen Lymphgefäßen des Kopfes in Verbindung tritt. Dieser Stamm würde demnach dem von uns oben beschriebenen Dorsalstamm sehr gut entsprechen. SAPPEY unterscheidet zwei subkutane, nebeneinander verlaufende Stämme, zwei etwas tiefer liegende Dorsalstämme und einen tiefen Stamm, welcher in den meisten Fällen im Spinalkanal verläuft und nur bei Perca und Esox in einem gesonderten, von den Dornfortsätzen ge- bildeten Kanale!. Nach seiner Ansicht ist der Stamm unpaarig und der größte der tiefen Stämme. Hyrrı befinde sich betreff dieses Gefäßes im Irrtum und habe die tiefer liegende Vene bei Leuciscus als zweites Lymphgefäß aufgefaßt. Von Hopkıns wird nur der Dorsal- stamm erwähnt, dessen Verlauf und Verhalten mit der von Troıs gegebenen Beschreibung übereinstimmt. Desgleichen behauptet FAvAro, daß bei Fischen im allgemeinen zwei Dorsalgefäße vorhanden seien. Der Spinalstamm, welchen er Vas Iymphaticum neurale (superius oder rachidieum) nennt, fehlt nach seiner Meinung bei der Mehrzahl der Physostomen und verläuft bei denjenigen, bei denen er vorhanden ist, entweder innerhalb oder außerhalb des Spinalkanals.. Auch ALLEn macht bei den von ihm untersuchten Fischen einen scharfen Unterschied zwischen dem Dorsal- und Spinalstamm, von denen er den letzteren- bei Scorpaenichthys und Clinocottus als den bedeu- tendsten der tiefen Stämme bezeichnet. Da der Spinalstamm in unseren Präparaten erst angedeutet ist und der Dorsalstamm seine volle Entwicklung noch nicht erreicht hat, diese beiden Stämme aber, wie es scheint, bei allen Fischen im erwachsenen Zustand vorhanden sind, so müssen wir annehmen, dab sie sich erst beim weiteren Wachstum ausbilden und in den von uns untersuchten embryonalen Stadien einstweilen durch die tiefen inter- myomeren Gefäßäste ersetzt werden. ı Der von uns unterschiedene Dorsalstamm entspricht den tieferen Dorsal- stimmen Sarppeys. Es ist wohl denkbar, daß derselbe sich bei dem späteren Wachstum des Fisches verdoppelt. Von den subkutanen, in der dorsalen Mittellinie verlaufenden Gefäßen, welche Sarrey anführt, haben wir an einzelnen Präparaten nur eine Andeutung in Form eines langgezogenen Netzes wahr- genommen, welches mit dem tiefer gelegenen vielfach anastomosiert. Mit diesem subkutanen Netze verbinden sich unmittelbar die oberflächlichen intermyomeren Äste des Seitenstammes. 64 H. Hoyer und L. Michalski Wie oben bei der Besprechung der primären Lymphgefäße dar- getan worden ist, haben die tiefen absteigenden intermyomeren Äste im Vergleich zu den aufsteigenden eine etwas höhere Stufe der Aus- bildung erlangt, indem aus ihrem Zusammenfluß unterhalb der Chorda sich ein Netzwerk von Lymphgefäßen entwickelt hat, welches sich über eine große Strecke des Rumpfes erstreckte. Aus diesem Netz- werk gehen dann die Ductus thoraciei hervor. Wie etwas spätere Entwicklungsstadien, die auf das erste folgen, dartun, beschränkt sich das Gefäßnetz, aus welchem die Ductus thoraeiei hervorgehen, nicht ausschließlich auf das Gebiet lateral von den großen Gefäßen, sondern greift auch auf die Gefäße selbst über, die somit lateral und ventral von den Lymphgefäßen übersponnen werden. Allerdings geschieht dies nicht auf der ganzen Länge des Rumpfes, sondern hauptsäch- lich nur auf dem hinter der Bauchhöhle gelegenen Abschnitt. Aus den lateralen Teilen des Gefäßnetzes entstehen die Ductus thoraeiei (Tafelfig. 10 Dihs) und aus dem ventralen noch ein akzessorischer dritter Lymphstämme (Tafelfig. 10 Dika), welcher mit den lateralen durch vielfache, meist segmental angeordnete Anastomosen in Verbindung steht. Alle drei Gefäßstämme beginnen am Schwanz an der Stelle, wo sich die Chorda aufwärts krimmt, in der Weise, daß das akzes- sorische Gefäß sich gabelt und, wie wir dies noch genauer besprechen werden, in die eigentlichen Ductus thoraciei übergeht. Die drei Stämme verlaufen alsdann nach vorn. Während aber die Ductus nur dünne und unbedeutende Gefäße darstellen, bildet sich der akzes- sorische Stamm zu einem starken Gefäß aus. Ein solches Verhältnis im Kaliber der Stämme bleibt solange bestehen, als dieselben im Schwanzabschnitt verlaufen. Nach dem Eintritt in die Bauchhöhle gabelt sich zwar der akzessorische Stamm wiederum und verbindet sich mittelst dieser Gabeläste, die nur dünn sind, mit den beiden Ductus thoraciei, der Hauptsache nach wendet er sich aber in einem Bogen nach äbwärts und nimmt die den After umgebenden und von der Afterflosse kommenden Lymphgefäße auf (Tafelfig. 10 Tan), bildet sich also zu dem hauptsächlichsten Abflußgefäß der Lymphe dieses Gebietes aus. Die eigentlichen Ductus thoraeiei behalten in der Bauch- höhle ihre laterale Lage bei, anastomosieren miteinander durch ver- einzelte über die Blutgefäße sich hinwegspannenden Anastomosen und gehen schließlich, indem sie an Umfang allmählich zunehmen, in den - Kopfabschnitt der Ductus über. In der Literatur finden sich über die Ductus thoraciei sehr ver- schiedenartige Angaben. Von Hykrz, Srannıus und RoBın werden Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 65 dieselben garnicht erwähnt. HEewson, Monro und Hopkıns beschreiben zu den Seiten des Oesophagus Lymphgefäße, welche Hrwson zwar als Ductus thoraeiei bezeichnet, welche aber tatsächlich nur Äste desselben darstellen. Monko und Horkıns lassen diese Gefäße ohne Benennung, weil sie bezüglich ihrer Identität mit den Ductus thoraeiei wohl im Zweifel waren. Eine gewisse Anzahl der Forscher hat indes die Ductus thoraciei richtig erkannt und ihren Verlauf beschrieben. So bildet FoumAann zwei Ductus thoracieci nebst ihren Anastomosen bei Muraena anguilla ab und bemerkt dabei, daß sie sich bis zum Ende des Schwanzes hinziehen. Acassız und Vosr erwähnen sie nur ganz kurz als zwei große Stämme, welche die Aorta begleiten und die Lymphgefäße der Eingeweide und des Körpers aufnehmen. JOURDAIN hat bei Gadus nur den Schwanzabschnitt der Ductus er- kannt und beschreibt denselben als einen unpaarigen »canal caudale«; bei Conger spricht er zwar von letzterem als einem unpaarigen Gefäß im Schwanzabschnitt, läßt denselben aber bei seinem Eintritte in die Bauchhöhle sich gabeln und die »subvertebralen« Lymphgefäße bilden, welche weiterhin zum Kopf und zu den Kopfsinus verlaufen. Ganz in der gleichen Weise stellt Jossırow die betreffenden Gefäße bei Conger und Anguilla dar, ohne die Arbeiten von JOURDAIN zu kennen. Wie es scheint, bildet sich bei diesen Fischarten das von uns be- schriebene akzessorische Gefäß besonders stark aus und ersetzt die Ductus in dem Grade, daß dieselben entweder ganz schwinden oder zu unbedeutenden, leicht übersehbaren Gefäßen herabsinken. SAPPEY erwähnt nur, daß ein unpaariger subvertebraler Stamm unterhalb der Vene gelegen ist und Äste von den tieferen Muskeln und vom Rücken- mark aufnimmt. Troıs hat einen Subvertebralstamm unter den von ihm untersuchten Fischen das erste Mal bei Passer vtalicus aufge- funden. In der entsprechenden Abbildung zeichnet er neben dem- selben noch ein »sekundäres« Gefäß, ohne des weiteren darauf ein- zugehen. Ein Jahr später spricht er bei Motella bereits von zwei Gefäßen in folgenden Worten: »I tronchi linfatiei sottovertebrali sono nelle Motelle dupliei, e seguono la vena caudale uno per lato in tutto il suo decorso riuniti insieme a regolari intervalli da anastomosi trasverse.< In seiner im Jahre 1878 über die Lymphgefäße von Lophius veröffentlichten Arbeit werden allerdings schon »tronchi lin- fatici spinali inferioric erwähnt und auch abgebildet, welche der Lage nach den obigen Subvertebralgefäßen entsprechen würden, und es ist nicht recht ersichtlich, warum diese Gefäße von Troıs mit jenen nicht identifiziert worden sind. FAvaro nennt die Ductus Morpholog. Jahrbuch. 51. 15) 66 H. Hoyer und L. Michalski Vasa Iymphatica haemalia oder subvertebralia. Bei gewissen Fischen sollen sie fehlen, bei anderen gewöhnlich in der Mehrzahl vorhanden sein. Sie liegen dann zu den Seiten der Arterie und Vene oder ober- oder unterhalb derselben, oder finden sich auch gleichzeitig in diesen verschiedenen Lagen. Vorne münden sie gewöhnlich zu einem Stamme vereint ins Herz. FAvAro hat hauptsächlich nur den Schwanzabschnitt der Fische, und zwar an Querschnitten untersucht, es ist daher erklärlich, daß er zu Ergebnissen gelangt ist, welche innerhalb so weiter Grenzen schwanken. ALLEN beschreibt im Schwanzabschnitt von Scorpaenichthys einen »longitudinal haemal or inferior vertebral Ilymphatie trunc«, welcher unter dem letzten Wirbel als feines Gefäß beginnt. Nach Aufnahme der ventralen Lymph- gefäße der Schwanzflosse verläuft derselbe als einzelnes Gefäß oder auch in mehrere aufgelöst weiter nach vorn und geht in der Bauch- höhle in den bereits oben erwähnten Abdomnalsinus über, welcher Äste von den Bauchorganen und von den Interkostalräumen auf- nimmt. Bei Lepisosteus findet ALLEn im Schwanzabschnitt zwei solcher Longitudinalgefäße im Hämalkanal, von denen er annimmt, daß sie ebenfalls in einem Abdomnalsinus endigen. Wie in der dorsalen Mittellinie der dorsale Längsstamm den Körper seiner Länge nach durchläuft, so bildet sich auch in der ventralen Mittellinie ein jenem ähnlich verlaufender Stamm aus, welchen wir nach dem Vorgange der Forscher als den ventralen - Längsstamm bezeichnen wollen, obwohl er dem dorsalen nicht gleich- wertig ist und aus vier Abschnitten besteht, welche sich nicht alle zu gleicher Zeit entwickeln. (Tafelfig. 6, 7, 10 7u,, Tvy, Tv;, Tv,). Zählen wir von der Schwanzflosse nach vorne zu, so tritt der zweite Abschnitt 7v,, der zwischen der Analflosse (diese mit einbegriffen) und dem Anus liegt, am frühzeitigsten auf. Erst später entwickelt sich der erste Tv, zwischen Schwanz- und Analflosse und der dritte Tv; zwischen dem Anus und den Bauchflossen gelegene und zuletzt erst der vierte Tv, vor den Bauchflossen befindliche Abschnitt. Im ersten, d.i. in dem Schwanzabschnitt, zweigen sich von dem akzessorischen Stamm der Ductus thoraciei mehr oder weniger streng segmental angeordnete Zweige ab, welche in dem Septum zwischen den beiderseitigen Seitenrumpfmuskeln abwärts verlaufen und in der ventralen Mittellinie fast unmittelbar unter der Haut einen in der Längsriehtung angeordneten Plexus bilden. Nach vorne zu verläuft der Plexus dorsal von der Muskelmasse der Analflosse und mündet dann in den Analstamm (Tafelfig. 10 Tan). Sowohl am hin- Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 67 teren wie am vorderen Ende der Analflosse tritt der Plexus mit den basalen Lymphgefäßen derselben in Verbindung. Die Fortsetzung des Analstammes stellt den zweiten, aber am frühesten sich entwickelnden Abschnitt des ventralen Längsstammes dar. Derselbe beginnt als mittleres Gefäß der basalen Lymphgefäße der Analflosse, verläuft in der ventralen Mittellinie bis zum Anus, nimmt auch von diesem Lymphgefäße auf, beschreibt dann einen der hinteren Wölbung derselben entsprechenden nach abwärts und vorwärts offenen Bogen und geht unter der Chorda unter Aus- bildung eines starken Knies in den akzessorischen Ductus thora- eicus über. Den dritten Abschnitt des ventralen Längsstammes bilden die den Anus umkreisenden Gefäße, welche sich bis zu den Bauchflossen fortsetzen und sich als zwei parallel verlaufende Plexus oder Stämme darstellen. Die den Anus umgebenden Lymphgefäße, die in mehreren Präparaten verdoppelt waren, haben ihren Hauptabfluß in den Anal- stamm, wogegen ihre Fortsetzungen nach vorne zu, die allmählich dünner werden und sich an schwach injizierten Präparaten in der Form eines zarten paarigen Plexus, an stark injizierten als zwei ein- heitliche Gefäße darstellen, sich bis zu den Bauchflossen fortsetzen. Der vierte Abschnitt des ventralen Längsstammes gelangt erst dann zur Entwicklung, wenn sich der Dottersack rückgebildet und sich vollständig in die Bauchhöhle zurückgezogen hat. Mit den Lymph- gefäßen des vorhergehenden Abschnittes steht derselbe durch das mediale, zwischen den Basen der Bauchflossen hindurchlaufende Gefäß in unmittelbarer Verbindung, nimmt noch die lateralen Gefäße der Flossen auf und verläuft auf einer kurzen Strecke als ein einheit- licher Stamm nach vorn, spaltet sich aber dann und verläuft an den medialen Rändern der Musculi recti bis zum Schultergürtel, woselbst er in die Tiefe dringt und sich mit den Lymphgefäßen vereinigt, welche sich seitlich am Perikard ausgebreitet und aus den Gefäßen der Schädelbasis hervorgegangen waren. Auf dieser Strecke nimmt jeder der Stämme noch einen Lymphgefäßast aus der Brustflosse der entsprechenden Seite auf. Während bei Forellenembryonen die vier genannten Gefäßab- schnitte noch deutlich zu unterscheiden sind, scheinen sich dieselben bei erwachsenen Fischen zu einem mehr einheitlichen Gefäßstamm auszubilden, wie ein solcher von den meisten Forschern beschrieben wird. Dieser Stamm scheint bei erwachsenen Fischen auch mit der Mehrzahl der oberflächlichen intermyomeren Äste des Seitenstammes b* 68 H. Hoyer und L. Michalski in Verbindung zu stehen, während eine solche bei unseren Embryonen nur an einzelnen Stellen nachzuweisen war. In dem hinter dem Anus gelegenen Körperabschnitt entspricht die Verteilung der Lymphgefäße der Dorsalseite im allgemeinen der- jenigen der Ventralseite, indem der dorsale und ventrale Längsstamm in letzter Linie aus den Ausläufern der tiefen intermyomeren Äste des Seitenstamms gebildet wird. Durch die Ausbildung der Bauch- höhle erfahren jedoch diese tiefen Äste im vorderen Körperabschnitt eine andere Anordnung. Hier zweigen sich nämlich direkt von den Ductus thoraeiei Äste ab, welche in den beiderseitigen Myosepten, nur vom Peritoneum bedeckt, ventralwärts verlaufen und die von Troıs und ALLEN so benannten interkostalen Lymphgefäßäste darstellen. Obwohl wir dieselben an unseren Präparaten niemals bis zur ven- tralen Mittellinie haben verfolgen können, so ist es wohl denkbar, daß dieselben in späterer Zeit doch schließlich in der ventralen Mittel- linie zusammenstoßen und auf der Innenseite der Bauchwand den von ALLEx beschriebenen tiefen ventralenLongitudinalstamm bilden kön- nen. Auf der Höhe, wo das Peritoneum von der Leibeswand sich auf die Nieren umschlägt, entwickeln sich, wie wir deutlich beobachten konnten, zwischen den Interkostalgefäßen Längsanastomosen, welche zusammen- fließend jederseits ein longitudinales Gefäß hervorgehen lassen. ‚Diese Gefäße verlaufen der Chorda annähernd parallel. Sie beginnen hinter dem Anus am Analstamm, mit welchem sie sich verbinden, und münden vorn am Kopf in den Duetus thoraeicus der entsprechenden Seite, stellen also gewissermaßen Kollateralstämme der Ductus thoraeiei dar. Dieselben scheinen bereits von Rogın beobachtet worden zu sein, da er von Lymphgefäßen an der Innenseite der Bauchdecken spricht, welche von vorn nach hinten verlaufen und subperitoneale Äste aufnehmen. Auch Troıs erwähnt diese Gefäße bei Uranoscöpus. Die Längsstämme der ventralen Körperoberfläche sind von den meisten Forschern in einer mehr oder weniger ausführlichen Weise beschrieben worden. Hrwson spricht von einem Lymphgefäß, welches genau in der Mittellinie der ventralen Bauchwand verläuft, Lymph- gefäße von der Brustflosse aufnimmt und in das das Herz umgebende Netzwerk von Lymphgefäßen mündet. Monro läßt das mediane Bauchgefäß, welches die Lymphe von den Bauch- und Brustflossen und auch vom Herzen sammelt, in den Kopfsinus münden. ROBIN hat nur Gefäße in der Umgebung des Anus beobachtet. STANNIUS beschreibt einen unpaarigen »epigastrischen« Stamm, welcher von dem After zwischen den ventralen Hälften der beiden Seitenmuskeln Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 69 nach vorn verläuft und sich bis zum Schultergürtel erstreckt. Hinten münden die Gefäße der Afterflosse in ihn ein, und in der Rumpf- gegend nimmt er die Quergefäße auf, welche dem Verlaufe der Lig. intermuseularia folgen. Nach JourDAIN erstreckt sich ein unpaariger Stamm in der Mittellinie von dem perikardialen Behälter bis zum Anus. Im Bereich der Bauchflossen verläuft der Stamm tiefer und erhält Zuflüsse von denselben und von den oberflächlichen inter- myomeren Ästen. Um den Anus bildet er einen ringförmigen Sinus, anastomosiert mit den perirenalen Behältern und erhält Aste von dem Endabschnitt des Verdauungskanals, vom Eileiter, von der Harnblase und von der Analflosse. Nebenbei bemerkt, dürften unter den peri- renalen Behältern Jourpaıns wohl die von uns als Kollateralstämme der Ductus thoraeiei unterschiedenen Gefäße gemeint sein. Nach Troıs tritt bei Lophius und Uranoscopus in der Nachbarschaft des Schultergürtels ein »Abdominalstamm« auf, der sich alsbald gabelt und in Form von zwei Ästen bis hinter den Anus verläuft. Daselbst vereinigen sich die beiden Gabeläste und setzen sich weiterhin als einheitlicher Stamm bis zu der Schwanzflosse fort, wo derselbe mit den Lymphgefäßen der letzteren anastomosiert. Auf der letzteren Strecke verbinden sich mit dem »Abdominalstamm« die transversalen Äste des Seitenstammes. Troıs fügt noch hinzu, daß der Stamm und seine Gabeläste bei eingehender Untersuchung aus mehreren mitein- ander anastomosierenden Gefäßen gebildet werden, also einen plexus- artigen Charakter besitzen. Bei Rhombus hat Troıs nur einen ein- zelnen Abdominalstamm nachgewiesen. SAPPEY beschreibt zwei und in der Höhe der Analflosse nur einen Stamm, welche alle sich mit den intermyomeren Ästen des Seitenstammes verbinden. Horkıss führt bei Amia einen ventralen Stamm an, der an der Schwanzflosse beginnt, in der Mittellinie verläuft und sich gabelnd in dem Perikardial- sinus endigt. Auf seinem Verlauf nimmt derselbe die Lymphgefäße der Analflosse und der Brustflossen auf. Nach ArLtukn, welcher die ausführlichste Beschreibung des ventralen Longitudinalstammes bei Scorpaenichthys, aber auch bei Lepisosteus gibt, beginnt derselbe als einzelnes Gefäß an der Schwanzflosse. Am hinteren Ende der Anal- flosse gabelt sich derselbe und jeder Gabelast verläuft zur Seite der- selben und weiter nach vorn zur Seite des Anus auf seine vordere Seite, woselbst sich die Gabeläste wieder zu einem Stamme ver- einigen. Dieser verläuft weiter nach vorn und endigt in der ven- tralen Abteilung des Perikardialsinus. Wie wir sehen, stimmen die Angaben der Forscher bezüglich 70 H. Hoyer und L. Michalski des Verlaufes der ventralen Longitudinalstämme untereinander sehr gut überein. Nur bezüglich ihrer Anzahl im Bauchabschnitt sind die Ansichten geteilt. Daß bei den einen nur ein und bei anderen zwei Stämme vorhanden sind, hängt wohl in erster Linie mit der Verschiedenheit der untersuchten Arten zusammen, dabei darf aber die Bemerkung von Troıs nicht außer Acht gelassen werden, daß nämlich die Bauchstämme aus mehreren miteinander anastomosierenden Gefäßen bestehen können. Bei schmalbäuchigen Formen können dieselben so nahe beieinander liegen, daß nur ein einzelnes Gefäß vorgetäuscht wird, während dieselben bei breitbäuchigen Formen, wie es Lophius ist, auseinanderrücken und dann zwei deutlich ge- sonderte Gefäße darstellen. In den Flossen entwickeln sich nach unseren Befunden die Lymphgefäße in dem Zeitraum, welcher zwischen dem ersten und zweiten Stadium liegt, und zwar früher in den paarigen Brust- und Bauchflossen, die ja zur Zeit des Ausschlüpfens bereits angelegt sind, und später in den unpaarigen Flossen, welche sich erst allmählich aus dem indifferenten Flossensaum herausdifferenzieren. Die am frühesten entwickelten Brustflossen lassen die Lymphe durch ein Gefäß abfließen (Tafelfig. 6), welches an der lateralen Seite der Flossen- basis beginnt, in schräger Richtung nach oben und vorn verläuft und sich dabei zugleich in die Tiefe senkt und zusammen mit dem Aus- flußgefäß des Sinus des Seitenstammes in die Vena cardinalis post. mündet. Ein zweites, diesem entsprechendes Gefäß verläuft an der medialen Seite der Flossenbasis, wendet sich alsdann nach vorn und in die Tiefe, um sich in die zwischen dem Truncus jugularis und dem Perikard ausbreitenden Lymphgefäße zu ergießen. Beide Ge- fäße der Flossenbasis treten am hinteren Rande der Flosse mitein- ander in Verbindung. An eben dieser Stelle treten dieselben in noch vorgerückteren Stadien mit dem ventralen Longitudinalstamm der entsprechenden Seite in Kommunikation (Tafelfig. 7). Das laterale Flossengefäß ist weit stärker als das mediale und kann mit Recht als Sinus bezeichnet werden. Dasselbe verbindet sich auch noch mit den oberflächlichen intermyomeren Ästen des Seitenstammes, s0- weit dieselben in den Bereich desselben reichen. Sowohl von dem lateralen wie vom medialen Gefäß der Flossenbasis geht an jedem Flossenstrahl je ein Gefäß ab, welches bis zu seinem distalen Ende verläuft. Ein jedes dieser Gefäße verästelt sich vielfach und tritt mittelst Anastomosen mit den benachbarten Gefäßen der Flossen- strahlen in Verbindung. Ein mittleres, die Basen der Flossenstrahlen Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 71 durchsetzendes Gefäß, wie ein solches von Troıs, SArpEy und ALLEN beschrieben wird, ist uns nicht gelungen darzustellen, doch wäre es nicht ausgeschlossen, daß dasselbe ebenso wie in den unpaarigen Flossen vorhanden ist. Im übrigen würden unsere Befunde mit den Angaben der Forscher gut übereinstimmen, denn der Umstand, daß die meisten Forscher das Abflußgefäß der Brustflosse in den Kopf- sinus münden lassen, läßt sich durch den Mangel eines Kopfsinus bei Forellen erklären. Die Lymphgefäße der Bauchflossen, die sich etwas später als die der Brustflossen entwickeln, stehen zu den ventralen Längsstämmen in nächster Beziehung. Der aus der Analgegend kommende plexus- artige Gefäßstamm bildet am hinteren Rande der Flossenbasis eine sinuöse Erweiterung, von welcher sich jederseits ein Lymphgefäß abzweigt und die Flossenbasis von der lateralen Seite umgibt. Aus der Mitte des Sinus zweigt sich ferner noch ein unpaariges Gefäß ab, welches oberflächlich und median zwischen den beiden Flossen nach vorn verläuft und sich am vorderen Rande der Flossen mit den beiden lateralen verbindet (Tafelfig. 7). Die letzteren sind umfang- reicher als das mediale. An schwächer oder vorsichtiger injizierten Präparaten stellen sich alle drei Flossengefäße ebenso wie das vom Anus kommende als ein in die Länge gezogenes Netzwerk dar, in welchem man die einzelnen Maschen deutlich unterscheiden kann. Mit den lateralen Flossengefäßen treten die im Bereich derselben befindlichen oberflächlichen intermyomeren Gefäßäste des Seiten- stammes in Kommunikation und mit der sinuösen Erweiterung der- selben am Hinterrande der Flossen noch ein Paar der oben beschrie- benen interkostalen Lymphgefäße, welches sich vor den übrigen durch größere Stärke auszeichnet. Am vorderen Rande der Bauchflossen geht aus dem Zusammenfluß der drei Gefäße der ventrale Längsstamm hervor. An den Strahlen der Bauchflossen bemerkten wir immer nur ein Gefäß, welches dem einzelnen Strahl entlang verlief und in das laterale Gefäß der Flossenbasis mündete.e Dem Gesagten zufolge könnte die Lymphe aus den Bauchflossen 1. in den hinter denselben liegenden Abschnitt des ventralen Längsstammes, 2. in seinen vor den Flossen liegenden Abschnitt, 3. in die intermyomeren Äste des Seitenstamms und 4. in die beiden interkostalen Gefäße abfließen. Die drei letztgenannten Wege dürften wohl als die regelmäßig be- nutzten anzusehen sein, da in dem zum Anus führenden Gefäß in- folge seines netzartigen Charakters der Lymphstrom zum mindesten stark verlangsamt werden dürfte. 72 H. Hoyer und L. Michalski Bezüglich der Lymphgefäße der Bauchflossen beschränken sich die meisten Forscher nur auf kurze Bemerkungen. Nur Tkoıs, Sırver und ALLEN geben eine etwas genauere Beschreibung, welche sich mit unseren Befunden sehr wohl deckt. Die Verteilung der Lymphgefäße in der unpaarigen Rücken- und Afterflosse ist die gleiche, und nur die Abflußgefäße sind verschieden. An der Basis einer jeden Flosse befinden sich drei Gefäße, von demen das mittlere das Hauptgefäß ist und in der Mitte unterhalb der Flossen- strahlen verläuft und die beiden anderen an den Seiten derselben (Tafelfıg. 6, 7, 10). Die seitlichen verbinden sich mit dem mittleren am Vorder- und Hinterrande der Flosse miteinander, aber auch durch Queranastomosen zwischen einem jeden Flossenstrahll. Von dem mittleren Basalgefäß steigen vor und hinter jedem Strahl Gefäße auf, welche, sich verästelnd und miteinander anastomosierend, bis zur Spitze desselben reichen. Diese Gefäße breiten sich somit in der Mitte zwischen den Strahlen aus. Außerdem entspringt aus den seit- lichen Basalgefäßen an jedem Strahl je ein Gefäß, welches unmittel- bar unter der Haut auf der rechten und linken Seite der Flosse aufsteigt. Dieser Befund würde somit mit den Beobachtungen von JoUR- paın (1880) übereinstimmen, welcher an jungen lebenden Exemplaren von Platessa vulgaris und Pl. flesus an jedem Strahl im ganzen 6 Gefäße beschreibt, und zwar zwei als Blutgefäße und die übrigen als Lymphgefäße. In letzteren sollte die Lymphe in der gleichen Weise wie in den Blutgefäßen nach aufwärts und nach abwärts kreisen, was natürlich irrtümlich ist. Alle übrigen Forscher sprechen nur von zwei die Flossenstrahlen begleitenden Lymphgefäßen. Die drei Basalgefäße der Rückenflosse verbinden sich an dem Vorder- und Hinterrande der Flosse mit dem dorsalen Längsstamm und entwickeln sich ebenso wie dieser aus den über das Rückenmark hinweg aufsteigenden tiefen intermyomeren Ästen des Seitenstammes, von denen der zum Vorder- und Hinterrande der Flosse aufsteigende Ast bereits frühzeitig stark entwickelt ist. Die drei Basalgefäße der Afterflosse münden in den Analstamm, stehen jedoch auch mit den intermyomeren Asten, welehe vom Ductus thoracieus zur Flossenbasis absteigen, und ferner mit dem ventralen Längsstamm in Verbindung. Wir vermuten, daß sie sich haupt- sächlich von dem Analstamm aus entwickeln. Die Fettflosse nimmt insofern eine eigenartige Stellung ein, als in ihr die Verteilung der Lymphgefäße eine unregelmäßige ist. Sie Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 73 erhält die Lymphgefäße ebenfalls aus den aufsteigenden tiefen inter- myomeren Ästen wie die Rückenflosse, von denen das erste und letzte in sie eindringende das stärkste ist. Wie bereits FAvaro (1906) berichtet, bilden die Lymphgefäße in der Fettflosse ein ziemlich reiches Netzwerk. Die Lymphherzen. In Anbetracht der ausführlichen Arbeiten von FAvaro über die Gefäßverteilung und über die Lymphherzen im Schwanze der Fische glaubten wir auf diese eigenartigen Ge- fäßverhältnisse nicht näher einzugehen zu brauchen, zumal uns die Verfolgung des übrigen Lymphgefäßsystems vollkommen in Anspruch genommen hatte und die Schwanzgegend einer gesonderten Unter- suchung bedurft hätte. Indes hatten wir Gelegenheit, an unserem umfangreichen Material verschiedene Beobachtungen anzustellen, welche mit den Beschreibungen von FAvAro und denen anderer Forscher nicht übereinstimmten. So entschlossen wir uns denn, diese unsere Befunde hier anzufügen, obwohl dieselben nur die gröberen ana- tomischen Verhältnisse berücksichtigen, die noch durch weitere Unter suchungen ergänzt werden müssen. Das Auftreten eines Lymphherzens in der Schwanzflosse der Fische ist eine auffallende Erscheinung, welche darauf schließen läßt, daß die Zirkulation der Lymphe in diesem Körperabschnitt eine andere ist als in anderen Körperteilen. Denn angenommen, die Longitudinalstämme des Körpers reichten bis in die Schwanzflosse und nähmen auch die Lymphgefäße derselben auf, so erschiene die Existenz eines besonderen Apparates, welcher die Lymphe aus der Flosse in die Venen überführen würde, überflüssig. Nun ist aber ein pulsierendes Lymphherz bei verschiedenen Fischen nachgewiesen. Demselben würde die Aufgabe zufallen, die Lymphe aus einem ge- sonderten Bezirke zu sammeln, mit welchem die Längsstämme nur in einem lockeren Zusammenhange stehen, und das ist auch tatsächlich in der Schwanzflosse der Fall. Andererseits verbinden sich einzelne Längsstämme direkt mit dem Lymphherzen. Es müßte demnach im Verlauf derselben, was auch bereits HykrL hervorhebt, ein Punkt existieren, von welchem die Lymphe vorwärts und rückwärts strömen würde. Ein solcher Punkt müßte sich unserer Ansicht nach im Ver- lauf der Gefäße durch Änderung des Kalibers bemerkbar machen, und zwar müßte das Gefäß an diesem Punkte eingeengt sein und sich von dort in kranialer und kaudaler Richtung allmählich er- weitern. Ein solcher Fall ist tatsächlich nicht beobachtet worden, wohl aber eine Anordnung der Gefäße, welche demselben funktionell 74: _ H. Hoyer und L. Michalski entspricht, nämlich ein Kollateralgefäß, welches die Lymphe aus einer Körpergegend sammelt und in das Lymphherz ableitet, welches aber mit den Längsstämmen nur durch schmale und unbedeutende Gefäßäste in Kommunikation steht. Diese Einrichtung wird um so verständlicher, wenn wir berücksichtigen, daß während einer gewissen Entwicklungsperiode die Lymphe aus dem hinteren Körperabschnitt fast ausschließlich auf diesem Wege in die Kaudalvene befördert wird. In späterer Zeit verliert das Lymphherz wahrscheinlich an Bedeutung, und soll dessen Verlust von den Fischen ohne weitere Folgen ertragen werden. Wir wollen nunmehr darlegen, was wir bei unseren Unter- suchungen ermitteln konnten. Injiziert man den Seitenstamm in der Richtung nach dem Schwanze zu, so füllen sich niemals die Lymph- gefäße der Schwanzflosse. Man bemerkt höchstens nur, daß etwas Injektionsmasse in das Lymphherz gelangt, daß sie aber daselbst nur sehr kurze Zeit verweilt und durch die Eigenbewegungen des Herzens sogleich in die Vene befördert wird. In der gleichen Richtung von der Kaudalarterie oder Vene ausgeführte Injektionen lassen stets ein deutliches und schönes Blutgefäßnetz in der Schwanzflosse hervor- treten. Hier könnte eingewendet werden, daß die Lymphgefäße der Schwanzflosse sich erst zu einer etwas späteren Zeit entwickeln. Das ist wohl auch tatsächlich der Fall, doch lassen sich auch bei allen älteren Embryonen bis zu unserem zweiten Stadium die Lymph- gefäße des Schwanzes weder von dem lateralen noch von dem dor- salen und ventralen Stamme füllen. Hieraus wäre zu schließen, daß sich die Lymphgefäße erst im Anschluß an das Auftreten des Lymph- herzens entwickeln und nur durch dasselbe hindurch der Injektion zugänglich wären. Von dem Lymphherzen als von einem neuen Ent- wieklungszentrum breiten sieh die Lymphgefäße peripheriewärts aus, und so kommt es, daß eine Injektion dieser Lympbgefäße vom Rumpfe aus zu keinen Ergebnissen führt, zumal da sich an ihrer Mündung im Herzen sehr bald Klappen ausbilden. Die Lymphgefäße von der Schwanzflosse selbst zu injizieren, ist uns bei der Zartheit derselben nicht gelungen, doch sind wir überzeugt, daß dies nunmehr, nachdem wir eine größere Übung im Injizieren erlangt haben, sehr wohl möglich wäre. Dagegen haben wir die Lymphgefäße der Flosse samt dem Lymphherzen an einigen Präparaten zufällig auf indirektem Wege zur Anschauung gebracht, nämlich von einem Extravasat aus, welches sich bei der Injektion in distaler Richtung gebildet hatte. Die Injektionsmasse war von dem Extravasat in der Flossenbasis in Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 75 die Lymphgefäße der Flosse eingedrungen und hatte von denselben aus das Lymphherz gefüllt. Nachdem die Präparate fixiert und von den störenden Extravasatmassen gereinigt worden waren, konnten die Gefäßverhältnisse sehr gut übersehen werden und stellten sich, mit den durch direkte Injektionen gewonnenen Präparaten verglichen, in folgender Weise dar: An der Biegung, welche die Chorda in dor- saler Richtung ausführt, spaltet sich die Arteria caudalis, tritt aus dem Hämalkanale aus und verläuft jederseits in einem Bogen zu dem Spalte, welcher nach der Bezeichnung von AGassız und VoGr zwi- schen den Hämapophysen des letzten Wirbels und denen des vorletzten Wirbels gelegen und von FAvAro Intervallum hypurale benannt worden ist. In dem Spalt vereinigen sich beide Gabeläste wieder und bilden nach ihrem Austritt in die Flosse ein feines Netzwerk. Die Vena caudalis gabelt sich im Hämalkanal an der gleichen Stelle wie die Arterie, die Gabeläste treten aus dem Kanal heraus und verlaufen an der Chorda aufwärts bis zu ihrem Ende. In der Höhe des genannten Intervallum hypurale nehmen sie die in demselben verlaufenden und von der Schwanzflosse kommenden Venenäste auf. Unterhalb der Biegung der Chorda, auf der zweiteiligen Hämapo- physe des vorletzten Wirbels (nach der Bezeichnung von AgGassız und Vogr) und zwischen den Gabelästen der Arteria caudalis liegt nun jederseits ein Lymphherz. Durch einen in der Hämapophyse des vorletzten Wirbels vorhandenen Kanal stehen die beiden Lymph- herzen miteinander in Kommunikation. Nach unseren Befunden be- sitzt jedes eine gesonderte Mündung in die Kaudalvene, und zwar liegt dieselbe in dem Winkel, welchen der zum Urostyl aufsteigende Ast derselben mit dem von der Flosse kommenden und in dem Spalt verlaufenden Ast bildet. Ferner glauben wir gesehen zu haben, daß in jedes Lymphherz zwei Lymphgefäße münden, nämlich der Ductus thoraeicus der betreffenden Seite und ein Ast der Lymphgefäße der Schwanzflosse (Tafelfig. 10). Wir haben früher bereits ausführ- lich dargetan, daß die eigentlichen Ductus thoraciei im Schwanz- abschnitt zu unscheinbaren Gefäßen herabsinken, welche an einzelnen Stellen noch die ursprüngliche netzförmige Anordnung aufweisen, wohingegen der akzessorische Stamm außerordentlich stark ist und die Lymphe aus der Analflosse, dem Anus, dem Endabschnitt des Darms und aus den tiefen Schichten des Seitenrumpfmuskels dieser Gegend ableitet. Im Hämalkanal an der Basis der Schwanzflosse spaltet sich der akzessorische Stamm und vereinigt sich seitlich wieder ınit den eigentlichen Ductus thoraeiei, welche also auf diesem kurzen 76 H. Hoyer und L. Michalski Abschnitt an Umfang wieder bedeutend zunehmen. Auf Querschnitten sehen wir daher im Hämalkanal unterhalb der Chorda die kleine Kaudalarterie, ventral von derselben die große Kaudalvene und lateral neben beiden die dreieckigen Lumina der ansehnlichen Ductus thora- eici. Letztere münden am vorderen Rande des abgeplatteten Lymph- herzens der betreffenden Seite ein. Der Lateralstamm löst sich, wie oben berichtet, an der Basis der Schwanzflosse in ein Netzwerk von unregelmäßig angeordneten Gefäßen auf. Dieses Netzwerk ist auch bei allen von uns unter- suchten Embryonen des späteren Stadiums in der Haut, welche die Muskelmassen der Schwanzflosse bedeckt, noch deutlich sichtbar. Diese Gefäße treten weder mit den Lymphgefäßen der Schwanzflosse noch mit den Lymphherzen in Verbindung. Dagegen existiert an der Stelle der Aufwärtskrümmung der Chorda auf jeder Seite noch ein vom Seitenstamm in die Tiefe dringender Ast, wohl der letzte der tiefen intermyomeren Äste, welcher sich mit dem Endast des Duetus thoracicus der betreffenden Seite in Verbindung setzt, ehe derselbe in das Lymphherz mündet. Derselbe stellt einen nur sehr feinen Ast dar, dem wohl keine größere Bedeutung zukommt. Dem- zufolge würde die Lymphe der seitlichen Körperoberfläche ihrer Hauptmenge nach in der Richtung nach dem Kopfe abfließen und nur ein geringer Teil derselben vom Ende des Schwanzes auch in das Lymphherz gelangen, wie wir dies auch durch unmittelbare Beobachtung des Lymphstromes an lebenden Exemplaren, so weit dies möglich war, feststellen konnten. Wird der Seitenstamm in der Richtung nach dem Schwanze zu injiziert, so entsteht mei- stens ein Extravasat an der Basis der Schwanzflosse, weil das oben erwähnte zarte Verbindungsgefäß zwischen Seitenstamm und Ductus thoracicus gesprengt wird. Nur ausnahmsweise gelingt es bei sehr vorsichtiger Injektion, die Masse bis zum Lymphherz vorzutreiben, verbleibt aber in letzterem nur einen kurzen Moment, da sie von dem aus der Flosse kommenden Lymphstrom und wohl auch durch die Eigenbewegungen des Lymphherzens in die Vena caudalis hinein- gespült wird. Nebenbei bemerkt, haben wir an unserem Material die Kontraktionen der Herzen niemals direkt beobachtet, was bei ihrer tiefen Lage nicht wunderbar erscheint. Ist doch auch bei an- deren Tieren das Pulsieren der Lymphherzen, wie z. B. bei den ein- heimischen Molchen, bei unversehrter Haut nur unter gewissen gün- stigen Umständen sichtbar. Trotzdem sind wir von der selbständigen Tätigkeit der Lymphherzen bei Forellen überzeugt und sind durch Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 77 die oben erwähnten Injektionsversuche in unserer Meinung bestärkt worden. Soweit wir feststellen konnten, entwickeln sich die Lymphherzen zu der Zeit, in welcher auch der Rumpfabschnitt der Ductus thoraeiei zur Anlage kommt. Solange letzterer mit dem Kopfabschnitt noch nieht in Verbindung getreten ist, würde ihnen also die Aufgabe zu- fallen, die Lymphe aus den tieferen Teilen des hinteren Körper- abschnittes, welche sonst nur auf dem Umweg durch die tiefen inter- myomeren Gefäßäste in den Seitenstamm gelangen könnte, direkt in die Kaudalvene überzuführen. In den späteren Stadien, in welchen die Ductus thoraeiei bereits kontinuierlich geworden sind, würde in denselben ein Teil der Lymphe nach dem Kopfe zu abfließen, ein anderer Teil nach den Lymphherzen. Die Orte, wo sich die Lymphe gewissermaßen wie in einer Wasserscheide nach vorne und nach hinten wenden würde, wären nach dem Gesagten nicht schwer auf- zufinden. Sie würden nämlich durch die verhältnismäßig feinen Ge- fäße dargestellt werden, welche den akzessorischen Stamm der Ductus thoraeiei und den Seitenstamm einerseits mit den Hauptstämmen der- selben andererseits verbinden. Im akzessorischen Stamm und seinen Zuflüssen würde die Lymphe sich in der Richtung nach den Lymph- . herzen bewegen und im Seitenstamm und in den Ductus thoraciei nach dem Kopfe zu. Auch der zwischen dem Anus und den Bauch- flossen bestehende Gefäßplexus, der einen Abschnitt des ventralen Longitudinalgefäßes darstellt, dürfte wohl auch die Strömung der Lymphe erschweren, so daß die Lymphe aus den Bauchflossen nach vorn und aus dem Anus nach hinten abfließt. Wie oben erwähnt, münden in jedes Herz noch zwei von der Flosse kommende Lymphgefäße, welche in dem Intervallum hypurale verlaufen. Kurz bevor sie in den letzteren eintreten, bilden sie ein dichtes Netz von breiten Gefäßen, aus welchen ein bogenförmig nach oben und nach unten gekrümmtes Gefäß hervorgeht. Dasselbe liegt an den Basen der Flossenstrahlen und nimmt die den Strahlen ent- lang laufenden Lymphgefäße der Flossenstrahlen auf, welche ebenso wie in den anderen Flossen vielfach miteinander anastomosieren. Bei den uns zu Gebote stehenden Embryonen des zweiten Stadiums war noch ein Teil des ursprünglichen häutigen Flossensaumes erhalten. Derselbe reichte dorsal vom kranialen Rande der Schwanzflosse bis fast zum Ansatz der Fettflosse und ventral vom Rande der Schwanz- flosse bis fast zur Basis der Analflosse. In diese Flossensaumreste dringen die äußersten Enden der bogenförmigen Äste der Schwanz- 78 H. Hoyer und L. Michalski flossenlymphgefäße ein und bilden daselbst feine Netze (Tafelfig. 10), welche wiederum mit den kaudalen Ausläufern des dorsalen resp. des ventralen Longitudinalstammes in Zusammenhang stehen. An diesen Orten würden also die sonst von dem übrigen Lymphgefäß- system vollständig separierten Lymphgefäße der Schwanzflosse bei älteren Embryonen wenigstens mit jenen noch eine Verbindung besitzen, durch welche ein geringer Teil der Lymphe abfließen könnte. Da unsere hier dargelegten Ergebnisse noch nachgeprüft werden müssen, enthalten wir uns einer Diskussion der Literatur dieses Ge- bietes und bemerken nur, daß unsere Resultate von denen FAvARos, welcher die umfassendsten Untersuchungen über die Lymphherzen der Fische angestellt hat, in verschiedenen Punkten abweichen. Mit seiner Einteilung des Gefäßapparates im Schwanze der Teleostier in drei gesonderte Organe: nämlich den Sinus Iymphatieus caudalis, das Lymphherz und den kaudalen Venensinus könnten wir uns noch einverstanden erklären, da es sehr wohl anzunehmen wäre, daß bei erwachsenen Forellen die Lymphgefäße der Schwanzflosse, ehe sie in den Hypuralraum eintreten, eine sinuöse Erweiterung bilden und daß auch der Anfang der Kaudalvene sich zu einer Art von Sinus erweitere. Indes erscheint uns die Verallgemeinerung seiner am . Lymphherzen des Aales gewonnenen Ergebnisse, insbesondere die Unterscheidung eines Atriums und eines Ventrikels im Lymphherzen, auf die Mehrzahl der Teleostier noch zu verfrüht. Führt er doch selbst bei Besprechung des Lymphherzens der Forelle an, daß bei einigen Exemplaren die Seitenstämme nicht zusammen in das Atrium, sondern jeder in die Herzhälfte der entsprechenden Seite münde. Diese Beobachtung würde für die funktionelle Gleichwertigkeit der beiden Herzhälften und gegen ihre Differenzierung in ein Atrium und in einen Ventrikel sprechen. Auch von der Ansicht ALLens, daß das Kanalsystem des Schwanzes eher den venösen als den Iympha- tischen Gefäßen zuzurechnen sei, weichen unsere Ausführungen nicht unbeträchtlich ab und stimmen vielmehr mit dem überein, was HyrRTL über die Kaudalsinus ausgesagt hat. Auffallend spät scheinen sich die visceralen Lymphgefäße zu entwickeln. Zwar hatten wir es nicht versucht, dieselben durch Injektionen in die Darmwand darzustellen, doch hätten sie sich unter unseren zahlreichen Präparaten von den zentralen Lymphstämmen aus- füllen müssen, wenn sie reichlich entwickelt wären. Indes haben wir nur in zwei Fällen Gefäße am Darm aufgefunden, welche wir überdies ‚Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 79 nieht mit voller Bestimmtheit als Lymphgefäße anerkennen können. Indem wir uns die Darstellung der visceralen Lymphgefäße für spätere Untersuchungen vorbehalten, verweisen wir an dieser Stelle auf die Berichte, welche von den meisten im vorhergehenden ange- führten Forschern für erwachsene Fische gegeben worden sind. 7. Zusammenfassung und Schlußbetrachtungen. Wir unterscheiden Lymphgefäße des Kopfes und des Rumpfes und betrachten dieselben in zwei Entwicklungsstadien, nämlich an eben ausgeschlüpften Embryonen und an solchen, die nach Verlust des Dotterbläschens schon die Form von erwachsenen Fischen an- genommen haben. Am Kopf von Embryonen des ersten Stadiums sind bereits fol- sende Lymphgefäße angelegt: Die Truncus jugulares, von welchen jeder sich an der entsprechenden Kopfseite in einen oberflächlichen Gesichtsast und einen tiefen Gehirnast spaltet. Ersterer läßt sich bis zum hinteren Rande der Orbita und in seinen Asten bis in den Oberkiefer verfolgen, letzterer bis zu dem späteren Foramen jugulare des Schädels.. Ein Ast des Truncus verläuft jederseits über das Gehörorgan hinaus dorsalwärts und bildet die Anlage des paarigen Myelonalsinus. Andere Äste breiten sich an der Schädelbasis aus und dringen längs der 3. und 4. Kiemenvene bis zur Mittellinie vor. Der Truneus jugularis mündet mittelst eines Astes in den Sinus des Lateralstammes und mittelst eines zweiten in die Vena cardinalis posterior. Am Boden der Orbita ist ein subokularer Lymphsack vor- handen, doch konnte seine Verbindung mit dem Lymphgefäßsystem einstweilen nicht ermittelt werden. Am Rumpf bilden die Seitenstämme die primären Hauptlymph- gefäße. Dieselben beginnen jederseits am Schwanz und setzen sich längs der Seitenlinie bis in die Gegend des Schultergürtels fort. In den Seitenstamm münden die den Myokommata entsprechenden oberflächlichen intermyomeren Äste der Seitenrumpfmuskulatur und ferner noch aus der Tiefe in der Seitenlinie aufsteigende Äste. Letztere spalten sich an der Chorda in ein auf- und absteigendes Gefäß, welche zusammen die tiefen intermyomeren Äste bilden. Aus dem Zusammenfluß der letzteren gehen an den großen Blutgefäßen (Aorta und Vena cardinalis posterior dextra) die zurzeit noch netz- förmigen Anlagen der Duetus thoraciei des Rumpfes hervor. In der Höhe des Schultergürtels erweitert sich der Seitenstamm zu einem 80 H. Hoyer und L. Michalski Sinus, der in die Vena cardinalis post. der entsprechenden Seite mündet. Demnach würden die Jugular- und Seitenstämme mit ihren zurzeit noch geringen Verästelungen die sich bei Fischen am frühesten anlegenden Lymphgefäße darstellen. Im zweiten Stadium hat der Gesichtsast des Truneus jugularis an Umfang zugenommen. Ein Ast desselben läßt sich durch die Orbita hindurch bis zum Geruchsorgan und über dieses hinaus bis zum vorderen Mundrand und bis zur Schleimhaut des Mundes ver- folgen. Andere verlaufen längs des Oberkiefers, des Unterkiefers und des Hyoideums und ferner zum Operkularapparat. Alle diese Gefäße fließen in einem neugebildeten ringförmigen Lymphgefäß zusammen, welches auf der Innenseite des Operkularapparates am Ansatz des Operculums an das Hyomandibulare gelegen ist. Von der dorsalen Seite mündet in dieses Gefäßgebiet der Supraorbitalast, welcher die Orbita umkreist, sich vorn mit den Lymphgefäßen des Geruchsorgans verbindet und sich in der Haut über dem Gehirn ausbreitet, und ferner noch drei aus dem Myelonalsinus hervor- gehende Äste. An der Ventralseite des Unterkiefers bildet sich aus dem Zu- sammenfluß der Lymphgefäße der mediane Lymphgefäßstamm des Unterkiefers, welcher sich weiter hinten zu einem Sinus erweitert. Aus letzterem fließt die Lymphe durch die oben erwähnten Lymph- gefäße des Hyoids ab und ferner noch durch Lymphgefäße, welche auf der Innenseite des Kiemenkorbes liegen, nach dem Herzen zu gerichtet sind und die Lymphgefäße der Kiemenbögen aufnehmen. An der Innenseite des Opereulums mündet in das ringförmige Lymphgefäß noch das starke Lymphgefäß der Pseudobranchie, welche Aste aus dem vorderen Abschnitt des Gehirns, aus der Orbita und aus der Schleimhaut des Mundes aufnimmt. Die beiderseitigen Pseudo- branchialgefäße stehen in der Mittellinie in Kommunikation miteinander. Der tiefe Ast des Truncus jugularis dringt durch das Foramen jugulare in die Schädelhöhle ein. Unmittelbar davor tritt er mit den Lymphgefäßen in Verbindung, welche die Vena jugularis be- gleiten und proximal in den Truncus Iymphaticus jugularis münden. Aus den spärlichen Lymphgefäßen, welche vom Truncus aus- gingen und im ersten Stadium kaum bis zur Aorta reichten, gehen starke Äste hervor, welche sich an den Verlauf der 3. und 4. Kiemen- vene halten. An der gemeinsamen Mündung der letzteren vereinigen sich die beiderseitigen Äste und breiten sich zu beiden Seiten der Aorta in der Längsrichtung aus. Aus diesen Gefäßen geht der Kopf- Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 81 abschnitt der Duetus thoraeiei hervor, welcher weiter hinten mit dem Rumpfabschnitt derselben zur Vereinigung gelangt. Da dieser Prozeß bereits frühzeitig zum Abschluß gelangt, erscheinen die Ductus tho- racici im zweiten Stadium als zwei einheitliche, symmetrisch ange- ordnete Stämme, welche von der Schädelbasis bis zu den Schwanz- wirbeln reichen. Aus dem Kopfabschnitt derselben gehen ferner Lymphgefäße hervor, welche die beiden Bögen des Circulus cepha- lieus nach vorn begleiten, und ferner Äste, welche sich in der Schleim- haut des hinteren Abschnittes der Mundhöhle und seitlich am Peri- cardium ausbreiten. Am Rumpf hat der Seitenstamm an Stärke bedeutend zuge- nommen. ‚Seine oberflächlichen intermyomeren Äste reichen bis zur dorsalen und ventralen Mittellinie. Die in die Tiefe dringenden Äste des Seitenstamms bilden die tiefen intermyomeren Äste, welche in diesem Stadium meist verdoppelt sind. Die aufsteigenden Zweige derselben fließen unterhalb der dorsalen Mittellinie in der Längs- richtung zusammen und bilden den dorsalen Längsstamm, welcher am Schwanze beginnt, mit den Lymphgefäßen der Fettflosse und der Dorsalflosse kommuniziert und bis in die Nähe des Kopfes zu ver- folgen ist. Ob sich außerdem unterhalb desselben bei Forellen ein dem Rückenmark aufliegender spinaler Längsstamm entwickelt, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Das aus den ab- steigenden intermyomeren Zweigen ursprünglich entwickelte Lymph- gefäßnetz hat sich, wie erwähnt, zum rechten und linken Ductus thoraeicus des Rumpfes umgebildet und mit dem Kopfabschnitt des- selben vereinigt. Im Schwanzabschnitt ist aus dem Lymphgefäßnetz, welches sich auch auf die ventrale Seite der Kaudalvene ausgebreitet hatte, noch ein medianer akzessorischer Stamm des Ductus entstanden. Derselbe vereinigt sich bei seinem Eintritt in die Bauchhöhle einer- seits und unterhalb der Schwanzwirbel andererseits mit den Haupt- stimmen mittelst gabelförmiger Anastomosen, steht aber auch sonst noch mittelst zahlreicher, aber feiner Äste mit den Hauptstämmen in Verbindung. In der Bauchhöhle setzt sich dieser akzessorische Stamm als Analstamm bis zum After fort und nimmt die Lymph- gefäße von demselben und von der Afterflosse auf. Der ventrale Längsstamm verläuft in der ventralen Medianlinie unmittelbar unter der Haut. Er ist dem dorsalen nicht völlig gleich- wertig und besteht aus vier Abschnitten, welche sich nicht gleich- zeitig entwickeln. Am frühesten tritt der zweite, zwischen After- flosse und After liegende Abschnitt auf, der von dem erwähnten Morpholog. Jahrbuch. ö5t. 6 Ir En 82 H. Hoyer und L. Michalski Abdominalstamm gebildet wird. Erst später entwickelt sich der erste und dritte, nämlich der zwischen der Schwanz- und Afterflosse und der zwischen dem After und den Bauchflossen befindliche Abschnitt und zuletzt, nämlich nach dem Verschwinden des Dottersackes, der vierte, am Bauche verlaufende. Der ventrale Längsstamm entsteht im Schwanzabschnitt aus dem Zusammenfluß von intermyomeren, aus dem akzessorischen Ductus entspringenden Ästen. Dieser Abschnitt tritt mit den Lymphgefäßen der Afterflosse in Kommunikation und geht in den Analstamm über. Von diesem setzt sich ein Gefäß- geflecht bis zu den Bauchflossen fort und dann als ein einheitliches oder paariges Gefäß bis in die Nähe des Herzens, wo es in die Tiefe dringt und sich mit den Ausläufern der Lymphgefäße der Schädelbasis verbindet. Der ventrale Längsstamm steht mit den ober- flächlichen intermyomeren Ästen des Seitenstammes sowie mit den Lymphgefäßen der Afterflosse und mit denen der Bauch- und Brust- flossen in Kommunikation. Im Bereiche der Bauchhöhle zweigen sich von den Ductus tho- racici noch die interkostalen Lymphgefäße ab, welche, vom Peritoneum bedeckt, zur ventralen Mittellinie verlaufen. Längs der Umschlag- stelle des Peritoneums auf die Niere entwickeln sich zwischen jenen jederseits Anastomosen, welche zur Ausbildung von zwei den Ductus kollateralen Stämmen führen. In den Flossen beginnen die Lymphgefäße mit feinen Anfängen an dem distalen Rande derselben und verlaufen zwischen den Strahlen zu einem die Strahlenbasen durchsetzenden Längsgefäß. Letzterem parallel verläuft an den lateralen Rändern der basalen Flossenmuskeln je ein Lymphgefäß, welches am vorderen und hinteren Ende der Flosse und zwischen einem jeden Flossenstrahl mit dem mittleren in Verbindung tritt. Die basalen Lymphgefäße der Dorsalflosse stehen mit dem dorsalen Längsstamm und diejenigen der Analflosse mit dem ventralen Längsstamm in Kommunikation. An jeder Brust- flosse bildet sich ein lateraler Sinus aus, welcher sich mittelst eines Gefäßes zusammen mit dem Truneus jugularis in die Vena cardinalis posterior ergießt und sich mittelst eines zweiten mit dem ventralen Längsstamm verbindet. Die Lymphe der Bauchflossen fließt in einem Sinus zusammen, welcher median zwischen den hinteren Rändern der beiden Flossen gelegen ist und mit dem ventralen Längsstamm in engster Beziehung steht. — Nur in der Fettflosse ist die Anordnung der Lymphgefäße eine andere, nämlich eine baumförmige. Aus den- selben fließt die Lymphe in den dorsalen Längsstamm ab. Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 83 Die Lymphgefäße der Schwanzflosse münden nach unseren Be- funden, die jedoch noch überprüft werden müssen, in das paarige kaudale Lymphherz. Jede Abteilung desselben erhält noch einen Zufluß vom Ductus thoraeicus der betreffenden Seite, der durch ein feines Gefäß wiederum mit dem Seitenstamm der betreffenden Seite in Kommunikation steht. Jedes der Herzen mündet gesondert in einen Ast der Vena caudalis. Bezüglich der Verteilung der Lymphgefäße in den Eingeweiden verweisen wir auf die von verschiedenen Forschern gegebenen Be- schreibungen derselben bei erwachsenen Fischen, da wir sie nicht näher verfolgt haben. Unsere Bemühungen waren im wesentlichen darauf gerichtet, die Hauptbahnen des Lymphstromes im Fischkörper festzustellen, ganz abgesehen davon, wie man sich die erste Entwicklung der Lymphgefäße vorstellt. Diese Hauptbahnen sind die Trunei Iympha- tiei jugulares und die Trunei longitudinales laterales corporis. An diese schließt sich erst die Entwicklung der übrigen Lymphgefäße des Körpers an. Da die beiden Hauptlymphstämme zu einer Zeit vorhanden sind, in welcher sich die Blutzirkulation bereits in voller Ausbildung befindet, so schließen wir, daß die Lymphgefäße bei Forellenembryonen sich später entwickeln als die Blutgefäße, letztere also die ursprünglichsten Zirkulationsorgane der Teleostierembryonen darstellen. Ferner stellen wir auf Grund unserer Untersuchungen fest, daß die von uns bei Forellenembryonen aufgefundenen Lymph- gefäße von vornherein Lymphgefäße sind und keine vasolymphatischen Übergangsgebilde, wie dies einige Forscher (ALLEn, HUNTINGTON und MozEJKo) für die ersten Gefäße des Fischkörpers annehmen. Nach unseren Beobachtungen hängt das Lymphgefäßsystem an vier Stellen mit den venösen Gefäßen zusammen, nämlich vorne jederseits an den Venae cardinales posteriores und hinten vermittelst der Lymphherzen jederseits mit einem Ast der Vena caudalis. Im Verlauf unserer Untersuchungen hatten wir beobachtet, daß an verschiedenen Stellen des Fischkörpers der Ausbildung der ein- heitlichen Lymphgefäße eine Entwicklungsstufe vorausgeht, in welcher sich dieselben in Form eines Netzwerkes oder Geflechtes darstellen. Analoge Vorstufen hat in neuerer Zeit Evans (1909) bei der Ent- wicklung der Blutgefäße beschrieben, die allerdings von Erze (1914) einer Kritik unterworfen worden sind. Es würde uns zu weit führen, auf diese Verhältnisse hier näher einzugehen, und bemerken nur, daß wir die Existenz solcher Lymphnetze am Rumpfabschnitt des Ductus 6* 84 H. Hoyer und L. Michalski thoracicus festgestellt haben, dessen Herkunft trotz verschiedener ge- rade auf diesen Punkt gerichteter Untersuchungen noch in Dunkel gehüllt ist. Der von uns gebrachte Nachweis des Zusammenhanges des Seitenstammes mit den Duetus thoraciei vermittelst der in die Tiefe dringenden intermyomeren Äste, der auch bereits bei Urodelen- larven beobachtet worden ist, dürfte wohl in Zukunft zur Aufklärung der Entwicklung des Ductus thoraeieus wenigstens bei niederen Wirbel- tieren von Bedeutung sein. Krakau, August 1916. Literaturverzeichnis. Blutgefäße. Acassız, L., et Vogt, C., Anatomie des Salmones. M&moires Soc. Se. nat. Neuchatel, T. 3. : 1845. BAER, v., K.E., Untersuchungen über die Entwieklungsgeschichte der Fische. Leipzig, 1835. DoHrn, A., Studien zur Urgeschichte des Wirbeltierkörpers. XI. Spritzlochkieme der Selachier, Kiemendeckelkieme der Ganoiden, Pseudobranchie der Teleostier. Mitteil. zool. Station Neapel. Bd. 7, 1886—1887. EinsTmann, J. W., Über das Venensystem der einheimischen Teleostier. Arch. f. Naturgeschichte. 79. Jahrg., Abt. A, 1913. 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Ab,, Abs, Abs, Abs Arteriae branchiales (Vasa branchialia afferentia) 1, 2, 3, 4; Ace Art. coronariae cordis; Ah Art. hyoidea; Alhm Art. hyo-mandibularis; 4 Herz; Ta Truncus arteriosus; Vbı, Vb» Venae branchiales (Vasa branchialia efferentia) 1 und 2. Fig. 2. Arterielle und venöse Gefäße an der Schädelbasis eines Forellenembryo von 23 mm Länge. Vergr. 1/17. A Aorta; Aa Art. auditiva; Ad,, Abs, Abs, Aby Art. branchiales (Vasa br. affer.) 1, 2, 3, 4; Ah Art. hyoidea; Ahm Art. hyo-mandibularis; Aom Art. ophthalmica .magna; Ap Art. pseudobranchialis; C« Carotis anterior; Ce Circulus cephalicus; Cp Carotis posterior; No Nervus opticus; Va Vena auditiva; Vb, Vbs, Vb3, Vb4 Venae branchiales (Vasa br. effer.) 1, 2, 3, 4; Vca Vena car- dinalis ant.; Vep Vena cardinalis post.; Vfi Vena facialis int.; Vom Vena ophthalmica magna; Vp Vena pseudobranchialis. Fig. 3. Eben ausgeschlüpfter Forellenembryo (I. Stadium) von 16,5 mm Länge mit injizierten Lymphgefäßen. Vergr. 1/10. 7/j Truncus Iymphatieus jugularis; Rst} Ramus superfieialis trunei jug. (Ramus faecialis); Aptj Ramus profundus trunei jug.; m, » mittlerer und hinterer, über die halbzirkelförmigen Kanäle hinweg verlaufender Ast; Rmax Ramus maxillaris; S/ Sinus des Seitenstammes; 74 Truncus lymph. longi- tudinalis lateralis; Rds Rami intersegmentales superficiales (oberflächliche intermyomere Äste); Rip Rami intersegmentales profundi (tiefe inter- myomere Äste); Dth Ductus thoracicus. Fig. 4 und 5. Einmündung der Lymphgefäßstümme in die Venen: Fig. 4 bei einem eben ausgeschlüpften Embryo auf der rechten Seite, Fig. 5 bei einem nur wenig älteren Embryo auf der linken Seite. 72 Truneus lymph. longitudinalis lateralis; S! Sinus desselben; 7! Truneus Iymph. jug.; Vea Vena cardinalis ant.; Vep Vena cardinalis post.; DC Duetus Cuvieri; Vv Vena vitellina (sinistra). Fig. 6. Lymphgefäße an der Seitenfläche des Kopfes und Rumpfes bei einem Forellenembryo des II. Stadiums von 26 mm Länge. Vergr. 1/10. Ty Truncus lymph. jugularis; Zst} Ramus superfieialis trunei jug.; Rptj Ramus profundus trunei jug.; Rso Ramus supraorbitalis; », m, h vorderes, mittleres und hinteres Lymphgefäß der halbzirkelförmigen Kanäle; Sm Sinus medullaris; Folf Fovea olfactoria; Rmax Ramus maxillaris; Rmanp und Rmans Ramus mandibularis profundus und superficialis; %p Ramus pseudobranchialis; Rhv Ramus hyoideus ven- tralis; gr Lymphgefäßring; Sym Symplecticum; Vep Vena cardinalis post.; 7/1 Truneus Iymph. longitudinalis lateralis; S/ Sinus lateralis; Ris Rami intersegmentales superfieiales; 7d Trumeus dorsalis; 7’oı, 7vs, Tv, Tog 1., 2., 3. und 4. Abschnitt des Truncus ventralis. Fig. 7. Lymphgefäße eines Embryo des gleichen Stadiums wie Fig. 6 von der Ventralseite. Vergr. 1/10. Rmans Ramus mandibularis superficialis; Rmanp Ramus mandibularis profundus; 7mm Truneus mandibularis Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen usw. 89 ‚medius; SA Sinus hyoideus; Rhv Ramus hyoideus ventralis; ASh Ab- flußgefäß aus dem Sinus hyoideus; Tu, Tv, To, Try 1., 2., 3. und 4. Abschnitt des Truncus ventralis. Verteilung der Blut- und Lymphgefäße an der Schädelbasis eines Forellenembryo von 26mm Länge. Vergr. 1/14. Arterien rot, Venen schwarz, Lymphgefäße blau. Vca Vena cardinalis ant.; Ve» Vena cardinalis post.; Vmop Vena mandibulo-operecularis; 74! Truncus Iymph. longitudinalis lateralis; 7) Truneus Iymphaticus jugularis; Rstj Ramus superfieialis trunei jug.; Rptj Ramus profundus trunei jug ; Rp Ramus pseudobranchialis; Lyr Lymphgefäßring; Vll Vas Iymphati- cum laterale (laterales Begleitgefäß der V. jugularis); VIm Vas Iym- phaticum mediale (mediales Begleitgefäß der V. jugularis); v, Verbin- dungsgefäß zwischen ZRstj und Kptj; va Verbindungsgefäße zwischen Rptj und Vll; VImue Vasa Iymphatica mucosae; Dth Ductus thoraeiei. Verhältnis der oberflächlichen Lymphgefäße zu den tiefen bei einem Embryo mittlerer Größe ungefähr in der Mitte des Rumpfes. Vergr. 1/65. TUl Truneus lymph. longitudinalis lateralis; Rs Rami intersegmentales superfieiales; Avp Rami intersegmentales profundi (ascendentes et des- cendentes); /ipen Ramus penetrans; A Aorta; Vcep Vena cardinalis post.; Dihs Ductus thoracicus sinister; Dihd Ductus thoraeicus dexter. Verteilung der Lymphgefäße im Schwanzabschnitt eines Forellenembryo des II. Stadiums von 26 mm Länge. Vergr. 1/18. Msp Medulla spinalis; Ch Chorda; Rip Rami intersegmentales profundi; Diha Ductus thora- cicus accessorius; Dihs Duetus thoraeicus sinister; Tan Truneus analis; An Anus; Ole Cor lymphaticum caudale; Ff Fettflosse; 7d Truncus dorsalis; 7vı, Tva, Tvz 1., 2., 3. Abschnitt des Truncus ventralis. Morphologisches Jahrbuch Ba! Li. 'yer del Verlag v Wilhelm Tafel I Lith Anst vE.AFınkeleipäg mann inleipzig > j - Dr Morphologisches Jahrbuch Bd. Li u Fi RR: Tan. 2 Verlag v. Wilhelm Tafel W. 7 u I ı EN en S- ir) jelmann in Leipzig. Fith AnstvE A Furike, Leipzic Morphologisches Jahrbuch Bd. Li. Kmanp N I ; Bra h E Rmans R ee R.manp R.mans y 3 kB EEE Ri’ Hoyer del Verlag v. Wilhelm En. Sn Tafel I eipzig. L ın ın [Aus dem anatomischen Institut zu Würzburg.) Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brust- beins und ihr morphologischer und konstitutioneller Wert. Von Dr. W. Lubosch, a.0o. Professor der Anatomie an der Universität Würzburg. Mit 42 Textfiguren, darunter 8 Kurven. # Inhalt. Seite N NEN E GER R La L NaE RRREe oc SE 92 rstRalumne dee BIEopniase 0.2 en N 93 BETEN N OR IE I RL eier 93 EBEN De a a Se a re Eh ee Er sa 104 BET Se a nn ea an at ae A ee a at 112 Anhang: Bedeutung für die topographische Anatomie der vorderen TB RE I N en NE SZ A BEN ERS 113 Eu: Boaurtelluns: das Ereebninse 5:7 2%. 02:0. Aare Ken has 115 Sam Zusammenhang: mib der Literatur... : „ o,l.n le a 0 unalsne 115 a ee TE 115 RE REIT FE TE EN Bar LAT PRBe Me RI RARTRE a 117 BR 1 HEBEN ME NS BETT 5 PEARL NH 118 2 imkaonelle Einfillese: 0... ruhen. 121 BoEmsiımtionelle Kirlilisne. 2: 21.3250 ls lea egeun een 126 6. Zusammenfassung. -. - . 2... .- a er en an 129 b) im Zusammenhang mit morphologischen Erwägungen ...... 129 1. Auf Grund der vergleichenden Anatomie .. : 2... 129 23 uf Grund der 'Gensslogie\.. N 2. nr ealenelielle 135 92 W. Lubosch Einleitung. Eigentümliche Unterschiede in der Gestaltung des Brustbeinkörpers und der Rippenansätze waren mir schon vor vielen Jahren aufgefallen. Ich hatte sie lange Zeit hindurch beobachtet, sowohl in Jena, als auch hier in Würzburg, wo sie mir an dem Unterrichtsmaterial ebenfalls wieder entgegengetreten waren. So lange ich in ihnen nichts anderes sah, als »Varietäten«, konnte ich mich zu näherer Untersuchung der Frage nicht entschließen. Seitdem man aber weiß, daß sich unter den »Varietäten« ganz andere Dinge verborgen halten können, näm- lich erblieh-konstitutionelle, nach den Vererbungsgesetzen übertragene Einzelmerkmale, gewann die Frage für mich einen neuen Wert. Es waren vor allem die Untersuchungen von KLAATSCH, die mich angeregt hatten. So willkürlich sie auch in ihren Deutungen sind — sind sie gleichwohl als die ersten zu bezeichnen, die den recenten Menschen als Mischungsprodukt aus verschiedenen Rassenkomponenten auffassen wollten. Im Sommer 1913 habe ich mit KraarscH in Breslau die Frage des Brustbeins besprochen und auch durch seine Freigebigkeit das Sternum einer der von ihm mitgebrachten Australierleichen in situ präparieren können. KraArscH sprach damals die Hoffnung aus, es werde sich am Sternum, wie an jedem Skeletteil, der »orangoide« und »gorilloide« Typus nachweisen lassen. So scheinen die Dinge nun wohl doch nicht zu liegen! Weit entfernt davon, daß wir, wie es leider oft kurzsichtigerweise geschieht, in KLaATscHs Annahme kurzerhand das Produkt einer »blühenden Phantasie« sehen dürfen, können wir heute als gewiß ansehen, daß unser Körper, vielleicht bis in kleinste Einzel- heiten hinunter, ein Mosaik aus erblich übertragenen unveränderlichen Merkmalen ist, die nun allerdings nieht — wie KLAATscH wollte — nur auf zwei, sondern vielleicht auf viele, und nicht nur auf menschliche, sondern auch tierische Urrassen zurückzuführen sein werden. Die Analyse dieser »Kombinationen« und die Bestimmung der Bahnen, auf denen sie entstanden sind, ist — wie ich schon mehrfach angedeutet habe ' — eine der wichtigsten Aufgaben der Morphologie, die zu diesem Zwecke ihre Methodik der Vergleichung durch genealogische und biometrische Hilfsmittel weiter auszubilden und dadurch größerer Kxaktheit entgegenzuführen hat. Ich gehe unmittelbar zur Sache über und werde zunächst (I) die Ergebnisse selbst schildern, sodann (II) ihre Beurteilung versuchen. 1 1914, 1916. — Zuletzt in einer Abhandlung »Über das Problem der tierischen Genealogie nebst einer Untersuchung über den genealogischen Zu- sammenhang der Schnecken des Steinheimer Beckens in der Festschrift für Oscar Hertwig (1920). Formverschiedenheiten amı Körper des menschlichen Brustbeins usw. 93 I. Darstellung der Ergebnisse. \ a) Beschreibende Darstellung. Die aus dem Verband des Thorax gelösten Brustbeine kommen uns entweder mit Rippenansätzen oder ohne Rippen in die Hand. Am leichtesten sind die folgenden Be- obachtungen an rippenlosen Brustbeinen zu machen. Betrachtet man (Fig. 1) ein solches nach bestimmter Absicht aus- gewähltes, so erkennt man den Körper als eine langgestreckte Bildung, die von G. Primatoider Typus. ö- Primatoider Typus. — Sinus costales (Rippen Drittes Segment frei, »eingefalzt«). oben nach unten nahezu völlig gleiche Breite besitzt. Die Breite au der Verbindungsstelle zwischen Manubrium und Korpus ist hier viel schmaler, als die Breite des Körpers etwa in der Höhe der 5. Rippe und an seiner Verbindung mit dem Processus xiphoides. Solche Brustbeine, wie ich eines auch in Fig. 2 und — wenn auch nicht so ausgesprochen — in Fig. 3 abbilde, machen den Eindruck zierlicher Spangen von oft beträchtlicher Schlaukheit. Fast immer sieht man bei diesen Brustbeinen deutliche Lineae sternales als Andeutungen der ursprünglich vorhandenen Segmentgrenzen. 94 W. Lubosch Einen wesentlich anderen Anblick bieten Brustbeine dar, wie sie in den Figuren 4—9 abgebildet sind. Ihnen allen ist eigentüm- lich, daß sie nach abwärts eine mehr oder wenige starke. Breiten- zunahme besitzen. Dies ist bereits durch den bloßen Augenschein zu erkennen, wenngleich erst Messungen genauere Vergleiche zulassen. Verhältnismäßig den schmalsten Eindruck macht Fig. 4, während bei Fig. 5 und 6 der Unterschied gegen Fig. 1 und 2 zwar auffällt, aber Fig. 3. Fig. 4. a nt a i« = Wohl ©. Primatoide Form, 5. SpeZifisch hominider ö. Hominider Typus. — Rippen sechs Segmente sichtbar. Typus. — Rippeninser- unten »aufgesetzt«. Jenaer Material. tionen »aufgesetzt«. ol doch auch wieder zurücktritt gegen den in Fig. 4, weil hier (bei Fig. 4) die Ansatzstelle der 2. Rippe sehr schmal, in Fig. 5 dagegen recht breit ist und in Fig. 6 wegen der vorhandenen Rippeninsertionen breiter erscheint, als er ist. Bis zu welchen Graden diese Gestal- tung sich steigern kann, zeigt Fig. 7 und 8, besonders aber Fig. 9; -das hier abgebildete Brustbein ist das breiteste, das mir vorgekommen ist. Es gehört der Jenaer Anatomie (s. u.); ein aus Heidelberg stammendes (s. u.) war bei ähnlicher Gestaltung auch ähnlich breit. Will man nun ein Maß dieser Breiten einführen, so bietet sich zwanglos der »Index der größten Korpusbreite« (GBr.) dar, der dadurch erhalten wird, daß man die Länge des Korpus von der Synchondrose zwischen Manubrium und Korpus bis zur Basis der Proc. xiphoides bestimmt und auf diesen = 100 gesetzten Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 95 Wert die gemessene größte Breite des Körpers bezieht (MArrın p. 900). Diese Maße sind nicht immer einfach und sehr oft nicht exakt zu bestimmen, da z. B. die Basis des Schwertfortsatzes gelegentlich durch Rippen überdeckt wird und — namentlich bei breiten Formen — eine Asymmetrie zwischen rechts und links besteht, so daß auf der einen Seite diese größte Breite tiefer liegt als auf der anderen. Immerhin ist es möglich, zunächst eine gute Übersicht über die Fig. 7. Fig. 6. Fig. 8. ©. Processus costales. Jenaer $ ©. Hominider Typus. — ©. Hominider Typus. — Material, Sehr starke Processus Rippen unten aufgesetzt. costales. angedeuteten Verhältnisse zu erlangen. So ist bei dem Sternum der Fig. 1 der Index = 28,7 mm; das Sternum in Fig. 2 hat den Index 25,0 mm. Dagegen haben wir für Fig. 4 G Br. = 50,0 mm Fig.7 G Br. = 58,7 mm Fig.5 > >» = 562 > Fig 2 — 621 3 Fie,® »ı». = 82,9 » Fig..9 > >» = 790 >» Beschränke ich mich zunächst auf unser hiesiges Material von Brustbeinen, so liegen die Breitenindices zwischen 25,0 und 64,3. Im Einzelnen finden sich mit einem Index von 25,0 bis 29,9 12 Sterna 45,0 bis 49,9 15 Sterna 300 >» 349 19 > 500 > 549 5 > 35,0 > 399 25 > 66,0. 3.590. 3. > 40,0 » 49 2 » 60,0 » 640 4 > f 96 W. Lubosch Die Kurve 1 (S. 104) gibt ein graphisches Bild dieser Verteilung. Untersucht man nun die Brustbeine genauer, so fällt bei den reinen Formen, als welche ich einmal Fig. 2 und Fig. 7 aufgefaßt sehen möchte, etwas Weiteres auf: Der Unterschied in der Gestalt des Körpers verbindet sich mit einer besonders ausgezeich- neten Art der Insertion der Rippen. Auffälligerweise habe ich diesen jederzeit demonstrierbaren Unterschied in keinem Lehrbuch der systematischen oder topographischen Anatomie erwähnt gefunden. Als Norm der Befestigung gilt überall die Einfügung der Rippen in dreieckige bis halbmondförmige Ineisuren (Sinus costales LUSCHKA). Dies ist in der Tat auch stets der Fall bei den schmalen Sterna (Fig. 2). Entsprechend den ursprüng- Fig. 9. lichen Sternalsegmenten (sternebrae) trägt hier jedes Segment, oben und unten abgestutzt, zur Bildung dieser Gelenkgrube bei. Eine an der Außen- seite des Sternums gezogen gedachte Linie überbrückt die Ineisionen. Fig. 10. Wohl 5. Breiteste beobachtete Form ö-. Hominider Typus. (Index 63), mächtige Processus costales. -— Von der dorsalen Jenaer Material. Fläche gesehen. »Pro- cessus costales«. Ganz anders liegen die Dinge bei den breiten Formen. In den unteren Abschnitten solcher Sterna gibt es keine Sinus costales, viel- mehr befestigen sich die Rippen in Grübchen, die auf massiven, Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 97 mehr oder weniger stark hervorspringenden Knochenerhebungen liegen. In Fig. 4 sieht man dies Verhältnis angedeutet, besser da- gegen, in minderen Graden, wenn man ein Brustbein von dorsal her betrachtet (Fig. 10). Hier sind deutlich die Erhebungen für die In- sertion der 3. Rippe (schwach), der 4. (stärker) und der 5. (sehr stark) zu erkennen. Der Index dieses Brustbeins ist etwa 48,9. Zu wie eigentümlichen Gestaltungen das führen kann, zeigt Fig. 7 (Index 58,7), Fig. 6 (Index 62,7) und Fig. 9. Bei diesem breiten Brustbein, wo namentlich rechts an der 5., 6. und 7. Rippe die Grenze zwischen Rippe und Brustbein sehr deutlich ist, erheben sich die »Processus costales« zu ansehnlicher Höhe. Hierdurch wird der Verlauf der Rippenknorpel in einer Weise beeinflußt, daß Annähe- rungen an den von HEnkE als typisch weiblich beschriebenen Ver- lauf entstehen (kein spitzwinkliges Aneinandertreten, sondern paral- leler Verlauf der innersten Teile der Rippenbögen). Hier handelt es sich aber um ein typisch männliches Brustbein. Nicht in allen Fällen sind die Processus costales so ausgezeichnet; meistens haben wir Brustbeine, die oben mehr an den ersten, unten mehr an den zweiten Formtypus erinnern, wie z. B. Fig. 5 und Fig. 8, die diese Kombination in verschiedener Weise zeigen. Die beiden verschiedenen, extremen Formen des Brustbeinkörpers, der schmale und breite, scheinen sich also mit bestimmten Eigen- tümlichkeiten der Rippeninsertionen zu kombinieren. Unter 108 Brust- beinen fand sich die Kombination schmale Form und eingefalzte Rippen 28mal, wovon wiederum 18 ähnlich mustergültig wie unsere Abbildungen 1 und 2 gestaltet waren. Die Indices dieser 28 Sterna lagen zwischen 25,0 und 30,0. Umgekehrt fanden sich breite Sterna mit »aufgesetzten« Rippen in reiner Form 32, deren Indices im Durchschnitt um 45,0 liegen. Unter diesen waren von der 3. Rippe ab bereits aufgesetzt 9 Stück » » 4. » » » » 15 » » » 5. » » erst » 8 » Diese bilden dann den Übergang zum Gros der Sterna, bei denen die Charaktere nicht mehr so entschieden zusammenfallen. Schmale und breite Sterna scheinen aber auch noch mit anderen Besonderheiten in Zusammenhang zu stehen. Es existieren bekannt- lich viele Angaben über Unregelmäßigkeiten in der Verschmelzung der Sternalsegmente. In meinem Material kommen zunächst 3 Fälle vor, bei denen das 1. Korpussegment (d. h. das 2. Brustbeinsegment) - Morpholog. Jahrbuch. 51. ( 98 W. Lubosch selbständig geblieben ist. Von diesen 3 Fällen ist einer in Fig. 2 abgebildet, ein zweiter ist ihm nahezu ganz ähnlich, während ein 3. Fall von der 4. Rippeninsertion ab eine geringe Breitenzunahme aufweist (Index 36,4). Außerdem liegt mir 1 Fall vor, bei dem die Inceisurae semilunares jederseits sehr tief einschneiden (vgl. Fig. 3, das zum Jenaer Material gehört); auch dieser gehört (Index 33,3) unter die schmäleren Typen. Andererseits kommen, wie man weiß, Fälle vor, bei denen das Manubrium mit dem Körper synostotisch verschmolzen ist. Unter 108 Brustbeinen zeigten 8 diesen Zustand. Davon gehörten 2 Stück (anscheinend weiblich) dem schmalen Typus an, 6 dagegen dem breiten (anscheinend 2 ©, 4 g'). Die Indices dieser 6 Sterna liegen bei 61,1, 45,4, 45,1, 44,6, 44,2 und 37,2. Unter ihnen zeigen 5 Stück das Merkel de ats osehzten Rippen sehr deutlich. Es findet sich also bei meinem Material einerseits die Freiheit des 1. Segments nur bei schmalen Formen, die Verknöcherung zwischen Manubrium und Korpus 2mal bei schmalen, 6mal bei breiten Formen. Aus dem Material von Strauch entnehme ich dazu die mit meinen Beobachtungen übereinstimmende Tatsache, daß unter 100 männlichen Brustbeinen 9mal, unter 100 weiblichen 8mal diese Verschmelzung zu beobachten war. Die 9 männlichen Sterna ergaben unter Zugrundelegung der Srrauchschen Zahlen die Indices 30,0, 31,2, 33,6, 39,0, 44,4, 45,1, 48,6, 48,9, 57,4. Die 8 weiblichen die Indices 35,9, 39,0, 40,0, 43,0, 43,4, 45,9, 52,0, 52,9. Unter 17 Fällen waren also 2 von der ausgesprochen »schmalen«, 2 von Mittelformen und 13 von der breiten Form. In den Veröffentlichungen von ROTSCHILD ist von einer »Exostose« die Rede, die nach der Verschmelzung entstehen und im Leben einen stärkeren Angulus sternalis vortäuschen solle. In der großen Polemik zwischen Ror- SCHILD und HAnSEMANN, HART und LiSSAUER spielt diese »Exostose« eine große Rolle. RorscHiLD beruft sich auf GEGENBAURS Zeugnis. Seine Gegner können an der Autorität dieses Namens nicht zweifeln, erklären aber, daß sie selber niemals »Exostosen« gefunden hätten. Die Sache erklärt sich aber sehr einfach dadurch, daß GEGENBAUR nur sagt: »Nach entstandener ‚Synostose‘ wird die Grenze zwischen Manubrium und Korpus durch eine quere Erhabenheit ausge- drückt«e. Das ist etwas, was man an jedem derartigen Fall sehen kann, aber keine »Exostose«. Neuerdings hebt TAnDLER hervor, daß auch die faserige Verbindungsmasse schon über das Niveau der beiden Knochenstücke ein wenig hervorrage. Dazu möchte ich dann noch bemerken, daß Andeutungen er- halten gebliebener Paarigkeit der Sternalanlage (besonders Spaltungen im distalen Teil des Korpus) unter den 28 schmalen Formen 9mal, Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 99 unter den breiten Formen nur 2mal vorkommen, und auch die Lineae sternales bei den schmalen Formen immer deutlich sind, nicht aber bei den breiten Formen oder den breiten Bezirken der weniger scharf zu klassifizierenden Sterna. Zusammenfassend können wir also sagen, daß die schmalen Formen eingefalzte Rippen und oft tief einschnei- dende Ineisurae semilunares besitzen, daß sie die Lineae sternales stets erhalten zeigen, häufiger als die breiten Formen Zeichen von Paarigkeit darbieten und vorzugsweise zur Unterdrückung des An- schlusses des 3. Segmentes an den Brustbeinkörper neigen. Umge- kehrt tragen die breiten Formen die Rippen auf Processus costales, besitzen selten Lineae sternales, neigen weniger zur Erhaltung der Paarigkeit und mehr als die erste Gruppe zur Synostose zwischen Manubrium und Korpus. Der weniger Erfahrene würde hier sofort bereit sein, jene erste Gruppe als »auf fötaler Stufe stehen gebliebene primitivere Form« zu bezeichnen. Etwas Richtiges liegt darin, aber die Sachlage ist doch anders, wie wir sehen werden. Es sei hieran nun gleich die Besprechung des Jenaer Materiales! angeschlossen, bei dem wir uns kürzer fassen können. Die Vertei- lung der 63 Brustbeine nach Indexgruppen ist aus der Kurve 2 zu ersehen. Sie deckt sich natürlich nicht mit Kurve 1. Gerade die niedrigeren Indices sind hier nicht so häufig als bei dem Würzburger Material. Von diesen 63 Brustbeinen zeigen nur 6 die wirklich schlanke Form der ersten Gruppe, wozu noch 7 andere treten, die ihnen darin sehr nahe stehen. Zu den breiten Formen würden 30 Stück gerechnet werden können, während 20 Stück zwischen beiden Gruppen stehend, Mittelformen aufweisen, d.h. Gruppe 1. 13 Brustbeine: Indices 22,9, 25,9, 28,0, 30,0, 31,5, 32,5, 34,8, 35,0, 35,2, 38,0, 40,2, 41,4. Gruppe 2. 30 Brustbeine: Indices 25,2 (ein Stück), 30,0 (ein Stück), 30,4 (ein Stück), 34,0—39,9 (acht Stück), 40,0—79,9 der Rest. Gruppe 3. 20 Brustbeine dazwischen Gruppe 1 und 2. Daß in Gruppe 1 einige Formen mit hohem Index, in Gruppe 2 einige mit niedrigem Index vorkommen, beruht auf dem Maß der Länge. Kurze Sterna erhöhen, lange erniedrigen natürlich den Index unabhängig von der Breite. ! Ich bin den Herren Braus, KArLLıus und MAURER zu bestem Danke dafür verpflichtet, daß sie mir die Vorräte ihrer Institute zur Untersuchung über- lassen haben. 7* 100 W. Lubosch Auch hier machen sich, wenn natürlich auch nicht exakte Grenzen und Beziehungen vorliegen, die Zusammenhänge zwischen Rippen- ansatz und Breite des Körpers geltend. Unter den 13 Brustbeinen der ersten Gruppe sind fast ausschließlich solche mit »eingefalzten« Rippen vorhanden, ebenso unter den 30 Brustbeinen der 3. Gruppe vorzugsweise solche mit stärkeren oder schwäche- RE WPTEET FT, ren Processus costales. Man vergleiche die obige Figur 3, die dem Jenaer Material angehört und die hier folgende Figur 11, die beide »eingefalzte« Rippen tragen. Fig. 11 ist eine der so häufigen Mittelformen, deren oberer und unterer Teil im Typus verschieden sind. Der ‘Index dieses Brustbeins ist 38,7. Daneben ver- gleiche man Fig. 12, die’ gute Processus costales zeigt, und die bereits oben beschriebenen Figuren 6 und 9, die gleichfalls dem Jenaer Material an- gehören. Wie verhalten sich die beiden Gruppen hin- sichtlich der Selbständig- keit einzelner Teile des Schlankes Brustbein, Jenaer Material, eine der sehr häufigen Sternums? Eine völlige Mischformen, mit OR costales unten, Freiheit des ‘E Körper- segmentes, wie in Fig. 2 abgebildet, war bei den 63 Jenaer Sterna nicht vorhanden. Am nächsten kam diesem Zustande das in Fig. 3 bereits oben abgebildete Brustbein, dessen Incisurae semilunares am Ansatz der 3. Rippe sehr tief einschneiden. Auch sonst ist dies Brustbein auffällig, weil an ihm mühelos die Spuren auch der übrigen Körpersegmente aufgefunden werden können. (Das distale Stück ist nicht der Proc. xiphoides!) Fig. 11. Form verschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 101 Kann hier also ein Zusammenhang mangels ergiebigen Materials nicht behauptet werden, so zeigt nun die Gruppe 2 dagegen 9 Brustbeine, in denen Körper und Manubrium verwachsen sind; bei dreien davon ist diese Ossifikation allerdings nicht in der ganzen Tiefe.der Syn- chondrose erfolgt. Auch in der Mittelgruppe von 20 Brustbeinen finden sich noch 8 mit verknöcherter Synchondrose, so daß das Fehlen dieser Erscheinung in der ersten Gruppe beim Jenaer Ma- terial als auffällig festgehalten werden muß. Össifikation der Rippenknorpel. Da an dem Jenaer Mate- rial viel häufiger, als bei meinem hiesigen die Rippenansätze er- halten waren, konnte auch auf deren Ossi- » fikation geachtet werden. Es fiel nämlich Pig« 12. auf, daß die Processus costales des Brust- gsyumnmgz beins oft mit zackigen Platten auf | N E die Vorderfläche des Rippenknorpels hinübergriffen, und es entstand die Frage, ob nicht überhaupt diese eigentüm- lichen seitlichen Vorsprünge des Sternums als verknöcherte Enden der Rippen anzu- sehen seien. Hierfür würde z. B. das Ver- halten in Fig. 7 und die Ansätze der 4. und 5. Rippe links in Fig. 11 sprechen. Es fanden sich im ganzen 9 Brustbeine, also der 7. Teil, mit mehr oder weniger ausgebreiteten perichondralen Verknöcherungen vor, nämlich bei den Brustbeinen 5, 18, 20, 27, 32, 34, 50, 54 und 60. Es wurden folgende Verhältnisse festgestellt. Sternum Nr. 5. Die Ossifikationen sind 2 $ = 3 ; Breite Form (5), Processus dünne, kleine Plättchen, die links auf den costales, 2. und 3. Segment ver- Knorpeln der 3.—”7. Rippe, rechts auf denen der schmolzen. Jenaer Material. 2.—4., der 6. und 7. Rippe liegen. Auf der hin- teren Fläche sind Ossifikationen kaum angedeutet. Die vorderen Ossifikationen liegen immer dicht am Ansatz an das Brustbein. Sternum Nr. 20. Vorn beiderseits trägt die 2. Rippe kleine Ossifikationen am Rippenansatz; die 3. Rippe ähnlich, aber nur rechts. Die 4. Rippe trägt beiderseits eine Ossifikationsplatte, die links mit dem Brustbein verwachsen ist. Die 5. und 6. Rippe ist beiderseits verknöchert, links stellt die platten- förmige Verknöcherung einen vom Korpus ausgehenden Fortsatz dar. Die 6. Rippe zeigt beiderseits nur Spuren von Ossifikation. Hintere Fläche. Nur die 4. Rippe rechts und die 7. Rippe beiderseits zeigt eine Knochenplatte, die rinnenförmig die untere Kante des Knorpels umgreift. Sternum 32. Vorderfliche. Rechts. 2.—6. Rippe tragen Plättchen, die mit dem Körper des Brustbeins verwachsen sind. Sie nehmen bis zur 5. Rippe 102 W. Lubosch an Größe zu und werden dann wieder zu kleineren Spuren. Die 7. Rippe trägt eine breite Platte seitlich in einiger Entfernung vom Ansatz. Links ist alles ähnlich, aber stärker. Die 4. Rippe trägt außerdem einen nach seitwärts aus- gedehnten Knochenbelag, an der 6. Rippe besteht ein starker kontinuierlicher Belag. Die Hinterfläche zeigt überall nur Spuren von Ossifikationen. Sternum 54. 2. Rippe beiderseits an der Insertion einen Zwickel aus Knochensubstanz, weiter seitlich tragen beide Rippen unten eine zarte Knochen- hülse. Ebenso die 3. Rippe. Die 4. Rippe verhält sich ebenso, hat aber auch nach oben eine zarte Hülse. An der 5. und 6. Rippe fließt ein oberer schalen- förmiger Belag mit dem vorderen Belag zusammen. An der 7. Rippe ist jeder- seits eine breite Verknöcherang vorhanden, die mit dem Belag an der oberen Kante fest zusammenhängt. Auf der Hinterfläche findet sich an der 2. Rippe ein zartes Plättchen, rechts stärker als links, sonst ist eine Ossifikation nur an der 6. und 7. Rippe vorhanden und auch da nur an der Insertionsstelle. Sternum 60. Vorderfliche. An den Insertionen liegen überall Plättchen, die von der 4.—6. Rippe zu mächtigen periostalen Hülsen werden, links schwächer als rechts. Die Hülsen umgreifen die Knorpel hakenförmig auf der unteren Seite. Hinterfläche ist ganz frei von Knochenbelägen. Sternum 50. Vorderfläche. 2. Rippe zeigt beiderseits eine terminale Ossifi- kation, die links in eine den Knorpel unten umfassende Hülse übergeht. 3. Rippe. Terminale Verknöcherungen. 4. Rippe. Terminale Verknöcherungen, die mit dem Brustbein verwachsen sind; außerdem Hülsen unten um die Knorpel. 5. Rippe mächtige terminale Verknöcherungen, mit dem Brustbein verwachsen und in die untere Hülse übergehend. Daneben ohne Verbindung auch ein oberer hülsenförmiger Belag. 6. Rippe links eine. mächtige, bis zum Brustbein reichende Platte, rechts nur Andeutung von Knochenbelag, desgleichen 7. Rippe links stark, rechts kaum ausgebildeter Belag. Hinterfläche. Nur an den Insertionen der 2. und 3. Rippe und den folgenden Rippen sind Spuren von Verknöcherung vorhanden. Die auf der Vorderseite ent- wickelten Knochenhülsen greifen auf die Hinterfläche nur wenig über. Sternum 34. Vorderfliche. Die 2. Rippe zeigt nur Spuren von Ossifi- kation. Von der 3.—6. Rippe stärkere terminale Ossifikationen, mit dem Brust- bein verwachsen und sich seitlich ausbreitend. Von der 5. Rippe an nehmen die Ossifikationen wieder ab. Hinterfläche ist frei. Sternum 5. Hier wo nicht alle Rippen vorhanden sind, besteht eine auf- fällige starke Ossifikation der 2. Rippe rechts vorn, die zwickelförmig gegen die In- eisur zwischen Manubrium und Korpus vorspringt und die Rippe vorn und unten umhüllt. Die Hinterfläche ist frei. Sternum 18. Vorderseite. Von der 2.—”7. Rippe steigende Belegung mit Knochen. Die Hinterfliche zeigt nur einzelne Plättchen. Dieses letztere Brustbein bilde ich in 2 Aufnahmen ab (Fig. 13 und 14), weil es den stärksten Grad der Ossifikation in dem von mir untersuchten Material darstellt und weil die in den soeben gegebenen Einzeldarstellungen besonders bemerkenswerten Tatsachen hier besonders in die Augen fallen. Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 103 Würdigen wir diese an sich ja wenig umfangreichen Beobach- tungen, so ergibt sich ein recht auffälliges Verhalten. Die 9 er- wähnten Brustbeine zeigen die Indices 30,0, 31,3, 39,1, 42,0, 42,7, 42,8, 46,7, 47,0, 52,1, d. h. sie liegen, bis auf 2, in den höheren Breitenklassen. Sechs von ihnen, nämlich die mit den Indices 30,0, 39,1, 42,0, 42,7, 47,0, 52,0, besitzen mehr oder weniger deutliche processus costales. Drei davon wiederum (unter ihnen das abgebildete Brustbein 18) besitzen eine verknöcherte Synostose zwischen Manubrium Fig. 14. Ossifikation der Rippenknorpel. a) von vorn. Ossifikation der Rippenknorpel. b) von hinten. und Korpus. Die beiden Sterna mit den niedrigen Indices (30,0 und 31,3) verhalten sich insofern verschieden, als das eine, Nr. 18, zwar einen äußerst hohen Grad der Ossifikation besitzt, das andere da- gegen (8. 0. Nr. 5) nur Spuren davon zeigt. Im Ganzen scheint es also so zu sein, daß auch die stärkere Tendenz zur perichon- dralen Ossifikation der Rippenknorpel häufiger mit einer breiten Beschaffenheit des Brustbeins zusammenhängt, insbesondere sich oft mit einer Synostose zwischen Manubrium und Korpus verbindet. Das Heidelberger Material, das nur 19 Brustbeine umfaßte, zeigte eine ähnliche Verteilung der Indices, wie aus der nachstehenden 104 W. Lubosch Kurve hervorgeht. Unter dem Breslauer Material (12 Stück) be- fanden sich gleichviel breite und schmale Formen. Unter ihnen war ein Brustbein (Index 44,0, weiblich), bei dem das 1. Segment des a] Era GER ER EEE ERGENITRTEERRTN TE ERINNERN IE NEBEN RRGHEZGEARAEAEER SE [4 09 209 29.9 3899 a2} 9 EA er 1} 699 Kurve a) Breitenindices von 105 Würzburger Sterna. 0 er mol BEE = —- 19.9 209 20.9 399.399 Kai “5 599 649 69.9 70.9 79.9 Kurve b) Breitenindices von 63 Jenaer Sterna. ‚0 240 299 9 ErE no ”. Ed 399699 Kurve c) Breitenindices von 19 Heidelberger Sterna. Korpus ganz und das 2. (am Ansatz der 4. Rippe) an- deutungsweise frei war; auch waren Spuren von Paarigkeit vorhanden. Ein anderes (Index 55,0) zeigte eine Ge- stalt ganz ähnlich der, wie sie in Fig. 9 abgebildet ist. b)Biometrische Beurteilung. Betrachten wir die 3 Einzelkurven a, b und e (Fig. 15, 16, 17), so fällt ohne weiteres auf, daß es sich in jedem Falle um eine asymmetrische Verteilung des Materials handelt. Das Würzburger Material zeigt die Hauptmasse der Brust- beine bei den Indices 39,9 bis 44,9. Da die sog. »Minus- variationen« sich in diesem Falle bis zum Index 29,9 hinab erstrecken, so wäre, gleichmäßige Verteilung des Materials vorausgesetzt, zu erwarten, daß es breitere Brustbeine als solche mit dem Index 54,9 nicht gäbe. Das aber ist, wie die Kurve a zeigt, nicht der Fall, viel- mehr sitzt noch ein Kurven- schenkel daran, der sich um 10 Indexeinheiten weiter hinerstreckt. Das gleiche zeigt das Jenaer Material. Hier liegt die Haupt- masse der Sterna bei dem Index 44,9. Die Minusseite reicht bis 24,9, Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 105 die Plusseite anstatt bis 64,9 gar bis 79,9, wobei allerdings zu be- merken ist, daß zwischen 64,9 und 79,9 kein einziges Brustbein be- obachtet wurde. Im Heidelberger Material liegt die größte Masse bei dem Index 39,9. Die Minusseite reicht bis 24,9, die Plusseite, anstatt bis 54,9 bis 64,9. Da mir mehr Material, als die 190 Brustbeine, nicht zur Ver- fügung stand, so suchte ich, um diesen nicht erwarteten und auf- fälligen Befund weiter zu verfolgen, literarisch bereits verwertetes Ma- terial heranzuziehen. Dieses bot sich zunächst in 200 Brustbeinen, die STRAUCH in seiner Dissertation genau gemessen hat. Da unter seinen Maßen auch die von mir genommenen vorhanden sind, so ließen sich die Fig. 18. Indices leicht berechnen. Die « Kurve d (Fig. 18) zeigt die Er- gebnisse der Zusammenstellung, wo- bei zu bemerken ist, daß ich die _ absoluten Maße eingesetzt habe, ohne 4 die von STRAUCH vorgeschlagenen, nach der Methode der kleinsten Quadrate von Beobachtungsfehlern befreiten Werte zugrunde zu legen. Das Ergebnis würde durch diese Yu a m nur a ie ABEIEZ IM BREUER | [3 komplizierte Umrechnung ım Groben, Kurve d) Breitenindices von 100 männ- worauf es hier ankommt, nieht be- lichen (gestrichelt) und 100 weiblichen & B f \ (punktiert) Brustbeinen, nach den Maßen einflußt worden sein. Es zeigt sich, von STRAUCH. daß die 100 männlichen Brustbeine ihre größte Zahl bei dem Index 34,9 besitzen. Die Plusseite dürfte demnach nur bis 44,9 reichen; sie dehnt sich aber bis 54,9 aus. Die weiblichen Brustbeine zeigen ihre größte Anzahl bei dem Index 44,9; die Plusseite reicht aber anstatt nur bis 54,9 bis 64,9. Ein weiteres Material bot sich dann dar in 180 fötalen Brust- beinen, die MARKOWSKI in seiner Abhandlung über die Verknöcherung des Brustbeins nach Photographien bei genau bezeichneter Verkleinerung einzeln abbildet. Diese Abbildungen konnten also direkt mit dem Zirkel gemessen werden. Hier bei der Ausmessung der verkleinerten Abbildungen sind natürlich große Beobachtungsfehler zu erwarten, deren Eliminierung weiterhin erfolgen muß. Für das Große und Ganze des Ergebnisses ist das aber zunächst ohne Einfluß, denn die Kurve e (Fig. 19) zeigt, daß auch hier dieselbe Asymmetrie vorliegt. Die zahlreichsten Sterna sind die mit dem Index 34,9. Anstatt bis 106 W. Lubosch 44,9 reicht die Kurve auf der Plusseite bis 64,9. Dieser Befund ist insofern von großer Bedeutung, als er zeigt, daß die Breite des Brustbeinkörpers nicht erst durch Ossifikation endgültig fixiert wird, sondern bereitsim knorpligen Zustande, nachdem die Sternalleisten zum Brust- beinkörper zusammengetreten sind. Das Gesagte kommt,. wie zu er- warten, nun auch in der Gesamtkurve f zur Geltung, in der rein empirisch sämtliche 570 Brustbeine eingetragen sind. Man sieht hier (Fig. 20), daß der »Gipfel« der Kurve etwa bei einem Index von 36,9 liegt. Die Minus- seite umfaßt Material bis hinab zum Index 22,0. Die Ausdehnung der e ne we JPlüsseite wäre also bis rund 51,0 zu Kurve e) Breitenindices von 180 fötalen erwarten. Sie erstreckt sich aber bis ante Akten 64,5. nnd, «wenn wir. den: cinema gewöhnlichen Fall hinzunehmen, bis 79,5. Unter der Annahme also, daß bei Untersuchung weiterer 430 Brustbeine, d. h. bei einer Gesamtzahl von 1000 Objekten, das Verhältnis nicht wesentlich geändert würde, können wir feststellen, Fig. 20. KRRBNBREEZIRARE NDR ESF ei Tapete ee DEAZEEKANNIRDRANAREARAER'N A + US. 95.) 139 [7777 DE ?”’7 BR 7’ Bar 17 Ba 7 Be > Te 7 FR Kurve f) Empirische Kurve us Breitenindices eines äußerst gemischten Materials von 570 Brustbeinen. (Klassengrenzen 24,5 —25,5 usw.) daß in einer beliebigen Population europäischer Sterna die Ver- teilung aufdie Breitenindices unregelmäßig erfolgt, so zwar, daß sie nicht gleichmäßig um einen Mittelwert schwanken, sondern sich auf der Minusseite stärker zusammendrängen, auf der Plusseite dagegen wieder in den höheren Indices eine Häufung zeigen. Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 107 Es ist nun diese empirische Kurve, so nahe sie bereits zu be- stimmten Vermutungen hinführt, zu Schlüssen nicht brauchbar. Sie muß zunächst von ihren mannigfachen Fehlern gereinigt werden. Zunächst sind die zahlreichen Zacken und Gipfel der Kurve f zweifel- los nicht der Ausdruck allgemein gültiger Verhältnisse. Ein anderes Bild ergibt sich schon, sobald die Klassengrenzen nicht von 24,5— 25,5 usw., d.h. mit einem Klassenmittel von 25,0 angenommen werden, sondern von 24,0—25 usw., d. h. mit einem Klassenmittel von 24,5. Die punktierte Linie in Kurve g (Fig. 21) zeigt den Einfluß dieser Verschiebung. Die Strecke bis zur Ordinate 30 wird gleichmäßiger, der Abfall von 40—50 wird regelmäßiger, die Zacken von 50 nach aufwärts gleichen sich mehr aus. Es bleiben auch hier aber be- stehen die starken Zacken zwischen 30 und 40. Diese nun sind, 2] a, Ei 0 > 20 25 30 35 40 45 ey) 55 60 65 7% 75 80 ae Kurve g) Die Kurve f für die Klassengrenzen 24-25 usw. (punktiert) und ausgeglichen (ausgezogen). wie die Berechnung zeigt, auf den Einfluß der Indices der fötalen Sterna zurückzuführen. Berechnet man die Fehlergrenzen dieser Messungen, so ergibt sich, daß die mit e markierten Punkte der Kurve ausgeglichen werden. Die Kurve verläuft zwischen ihnen dann in der Richtung der ausgezogenen Linie. Aber selbst, wenn die übrigen Werte nach derselben Methode reduziert werden, bleiben die übrigen Zacken, vor allem die bei * bestehen. Konstruiert man unter diesem Vorbehalt dann eine gleichmäßige Kurve (g, ausgezogene Linie), so erhält man einen annähernd realen Ausdruck der Indexverhältnisse der 570 Brustbeine. Wie man sieht, bleibt das Wesentliche der früheren Kurven a bis f auch hier erhalten. Der Gipfel liegt etwa zwischen 35 und 37,5 und die ganze Kurve ist asymmetrisch weit nach der Plusseite hin verschoben. Eine tiefere Einsicht in das Wesen dieser Kurve gibt aber auch diese Darstellung noch nicht. Sie ist erst zu erwarten von einem unmittelbaren Vergleich dieser Kurve mit einer normalen Bi- 108 W. Lubosch nomialkurve!. Eine solche ist in Fig. 22 durch die rote Kurve h dargestellt. So müßte sie aussehen, wenn es sich bei den Breiten- dimensionen des Brustbeins um ein gleichmäßiges Schwanken, um einen Mittelwert handelte. Dieser Mittelwert, aus meinem Material berechnet, ist 36,6. Er würde bei gleichmäßiger Verteilung mit der sog. Mediane, Schwerpunktsordinate, zusammenfallen. Nach der Fig. 22. Er Seneelgeis ABER RRBAUETE BENBiR BU EN BER ED PER Bü Rat] er Ar EENSBEBEEEE 4-4 BEF nase EN ER BE RM EN EN HEBERNEBERETN BERSDESENEENS BER NSÜBESEEEEERBBEE IN = Dies er En Er EI ui 0 Wi iR BAT, BA HEEEEENIY.AEE Sa RED 4 N era Sezacsnanen & _ Ne Ei BED ERZIRATE ERBEN ER FERNER La Zus FERCHEERSEZEFEEEE BERRREBEREN SS 20 25 30 kr . 40 45 50 55 60 RN 70 75 Mittelwert (grösste Häufung 36.7) IN | Be & a 2 R 2 N R | | ß R A [| [a & EE 33 E® 5 de ES BR @ BE & 0 Kurve h) Kurve g für eine Population von 11000 umgerechnet (schwarz ausgezogene Linie) und verglichen mit einer normalen Binomialkurve (rot ausgezogen). Die punktierten Linien stellen die nicht reduzierten Werte, wie in Kurve g, dar. Größte Häufung bei 36,7. * Das 550. Brustbein. Minus- wie Plusseite stünden die Werte in völlig gleichmäßiger Ver- teilung da. Um die Kurve g mit ihr vergleichbar zu machen, ist es notwendig, sie auf ein so zahlreiches Material umzurechnen, daß sie zu einer möglichst zackenfreien Linie wird. Es ist bei einer Be- rechnung auf 10000 Sterna zu erwarten, daß sich die durch zu ge- ringe Einzelbeobachtungen hervorgerufenen Zacken ausgleichen werden. 1 Bei diesen und den vorhergehenden Berechnungen und Konstruktionen habe ich mich auf das Werk von Lang (1914) gestützt, hätte aber ohne die Hilfe von Herrn cand. math. Goos in Würzburg zu keinen brauchbaren Ergebnissen gelangen können. - Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 109 Die schwarz ausgezogenen Kurven in g und h entsprechen also den Resultaten, wie sie erweiterte Beobachtungen mit sich bringen würden. Technisch ist das Verfahren der Umrechnung folgendes. Man bestimmt zunächst die Einheit des Koordinatensystems, die also an die Stelle der em- pirischen Klasseneinheiten zu treten hat. Diese empirische Klasseneinheit war lem (z. B. 24,0—25,0. Die neue Einheit wird unter Zugrundelegung der sog. »Standartabweichung« berechnet. Als Standartabweichung gilt die mittlere Ab- weichung von der Mediane nach der +- und — Seite hin. Sie umfaßt eine Strecke der Abszisse, die erhalten wird, wenn man Anfang und Ende des mitt- leren, nach innen konkaven Teils der Normalkurve auf die Abszisse projiziert. In diesem Spielraum liegen bei der Normalkurve die zahlreichsten Variationen. Sie gilt als zuverlässigstes Maß der Variabilität. Diese Abweichung läßt sich be- rechnen nach bestimmten Formeln. Sie ist für die 570 Sterna = 17,6, d. h. trägt man von der Null-Linie jederseits 3,8 Einheiten ab und errichtet in den Endstücken Ordinaten, so läge, bei normal verteiltem Material, in der hierdurch be- grenzten Fläche die Hauptmasse der Sterna. Als Einheit der Umrechnung gilt nun der Wert 28 wobei a —= dem empirischen Klassenwert ist, hier also = 10mm. a 7,6 szissenachse jetzt dieselbe Rolle spielt, wie bei der Kurve g die Entfernung 24,0 — 25,0, 25,0 — 26,0 usw. Zu diesen neuen Abszissen sind dann weiterhin die neuen Ordinaten zu berechnen, die sich ergeben, wenn anstatt 570 Sterna 11000 Sterna untersucht worden wären. Es ergeben sich dann anstatt der Höhen- zahlen O— 40 der Kurve g die Zahlen O— 500 der Kurve f. Die hiernach entstehende, schwarz ausgezogene Kurve f ist dann mit der rot gezeichneten normalen Binomialkurve unmittelbar zu vergleichen, wenn man den empirischen Mittelwert (36,6) mit der Mediane der Normalkurve zur Deckung bringt (rot M in Kurve h). Würdigen wir nun die Ergebnisse dieses Vergleiches. Vor allem ergibt sich, daß in der Indexkurve die größte Häufung bei 36,7 (dieser Punkt liegt etwa da, wo die von der roten Linie M nach rechts oben ausgehende punktierte Linie die schwarze Kurve schneidet) liegt, d. h. nicht mit dem Mittelwert (36,6) zusammenfällt.. Die Hälfte des gesamten Materiales sodann liegt zwischen q, und q, (den sog. »Quartilsgrenzen«, Hälftespielraum), d. h. zwischen den Indices 34,0 und 43,0. Des weiteren sehen wir, daß sich die tatsächliche und die ideelle Kurve an verschiedenen Punkten in mannigfacher Weise einander nähern oder voneinander entfernen. Am aufsteigenden Teil der negativen Seite (bei I) bleibt die Kurve hinter der roten Idealkurve weit zurück. Hier sind also viel weniger Sterna vor- handen, als zu erwarten gewesen wären. Die Kurve wird nahezu völlig erreicht bei II, um dann wieder auf kurze Strecke verlassen zu werden. Es folgt der Schnittpunkt und der Aufstieg zur größten Häufung, hierauf viel steiler der Abstieg, der zunächst wieder zu einer Es ist also —1,3, der Klassenwert, der bei den Abtragungen auf der Ab- 110 W. Lubosch Annäherung führt (zwischen IV und V) und einer weiteren Häufung(V). Hierauf wendet sich die Kurve nach innen (bei VI), um nach einem abermaligen, weit in der Plusseite liegenden Schnittpunkt außerhalb der roten Kurven und weiter nach rechts hin zu verlaufen als diese. Die »Mediane«, d. h. die Ordinate, in der das 5500. Brustbein ent- halten ist, ist durch die * Linie markiert. Begrifflich gesprochen, würde das bedeuten: Wir haben in den mittleren Breitenindices eine sehr starke Häufung von Sterna, stärker, als es bei einer regelmäßigenVerteilung im Sinne der Binomialkurve der Fall wäre (bei III und IV). Dabei ist die größte Häufung um ein wenig nach rechts verschoben. Unmittelbar neben der größten Häufung finden wir dann ein Sinken der Häufigkeitsziffer. Besonders ist das links der Fall, zwischen II und III, wo weniger Sterna vorhanden sind, als zu erwarten wäre. Bei II ist die in der Norm zu erwartende Zahl nahezu erreicht, während noch weiter nach der Minusseite ein ganz beträchtlich geringeres Maß von Sterna vorhanden ist, als es der Fall sein müßte, wenn es sich um eine reguläre Verteilung handelte. Auf der Plusseite sind anfänglich mehr als normal Sterna vorhanden. Dann tritt zwischen IV und V eine Annäherung an die Norm ein. Bei V ist wieder eine kleine Anhäufung. Dann fehlen bei VI wieder Sterna, während bei VII ein neues beträchtliches Plus vorhanden ist. Die Multiformität des Brustbeinkörpers, die sich in der Kurve aus- drückt, ist also keine kontinuierliche Klassenvariation, bei der um einen Mittelwert herum nach zwei Seiten hin gleichmäßige Zu- und Abnahme des Merkmals stattfindet. Nicht einmal annähernd entspricht sie diesem Typus. Die Voraussetzung wäre eben die, daß es sich um ein geno- typisch-einheitliches Material (Lang S. 208) handelte. Daß dies nicht der Fall sein kann, ist ja von vornherein einleuchtend. Aber diese komplizierte Zusammensetzung der Kurve ist doch wider alle Erwartung und erfordert eine weitere Analyse ihrer genotypischen Zusammen- setzung. Sie macht aber diese Analyse auch möglich, und das ist ihr wichtiges Ergebnis. Wir haben zunächst auf der Minus- und auf der Plusseite je eine auffällige Häufung, gleichsam zwei, wenn auch nicht ausgesprochene Gipfel. Der eine umfaßt Brustbeine mit dem Index von etwa 29,0, die andere solche vom Index 43,0. Wir haben dann eine weitere Gruppe in den Indices 55,0— 70,0. Die Indices unter 29,0 sind so gut wie gar nicht, die zwischen 29,0 und 34,0 sind sehr wenig zahl- reich vertreten, was sich in der empirischen Kurve (g, punktiert) durch die tiefe Senkung bei » ausgedrückt hatte. Die Indices zwischen 40,0 und 43,0 sind wieder vertreten, dagegen fast gar nicht die zwischen 43,0 Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 111 und 55,0. Dazwischen nun liegt gehäufter als normal die Hauptmasse der Sterna bei den Indices 34,0—40,0. Dies Verhältnis ist nur so zu deuten, daß wir die Existenz von mindestens zwei, natürlich ebenfalls in sich genotypisch nicht ein- heitlichen, aber doch gegen andere wohl abgrenzbaren Typen als bewiesen ansehen, die in der Population vorhanden sind, nämlich einen schmalen Typus, etwa vom Index 29,0 und einen breiten Typus, etwa vom Index 50,0 und mehr. Die mittlere Zone von 34,0—40,0 ist dann kein »Mittelgut« im gewöhnlichen Sinne, sondern stellt ein Gemenge aus den beiden extremen Typen dar. Diesen Mischtypus müßte man sich als im einzelnen Individuum durch Bastardierung erfolgt vorstellen, durch die ein scheinbar »intermediärer« Typus von indi- viduell wechselnder Breite entsteht, ähnlich, wie in vielen Fällen bei Pflanzenhybriden rosa Nuancen als Mischungsergebnis zwischen weißen und roten Blüten auftreten. Nimmt man an, daß es sich um zwei ursprünglich in Europa tatsächlich vorhandene Typen des Brustbeins gehandelt habe, so würde man heute eine Population erwarten dürfen, die etwa der mittleren Kappe der Kurve entspräche. Aber auch die ganze Strecke der Kurve im Bezirk V würde verständlich werden, wenn man sich vorstellte, daß die »Breite« des Sternums von »meh- reren« Faktoren bestimmt wird, wie man sich ausdrückt, »polymer« ist. Man würde dann dauernd in der Population Komponenten haben, die durch Anwesenheit aller Faktoren die Sterna in die ganz hohen Indexklassen verweisen, wie auch solche, die beim Fehlen einiger solcher Faktoren, die Sterna in die niedrigeren Klassen ver- setzen. Es würde also hier ein Verhältnis vorliegen, wie es das Kreuzungsexperiment schafft, das Blumen mit weißen und roten Blüten kreuzt und — Polymerie des roten Merkmales vorausgesetzt — bei hin- reichend großer Zahl der Nachkommen eine unendlich fein abgestufte Reihe von rot und weiß erzielt, bei Unvollständigkeit des Materials indes den Anschein »intermediärer« Vererbung hervorruft. So könnte die vorliegende Kurve in der Tat gedeutet werden als Ausdruck eines nur scheinbar intermediären Mischungsproduktes zweier Typen, deren einer polymer be- stimmt ist. Die Kurve lehrt aber auch weiterhin, daß die »größte Häufung« nach rechts hin vom Mittelwert (36,6), wenn auch nur wenig, ver- schoben ist; auch ist die ganze Kurve außerdem nach rechts hin asymmetrisch. Das bedeutet, daß die »breite« Mischungskomponente häufiger in der Population wirksam ist, als die schmale; man könnte 112 w. Lubosch mit einiger Willkür, aber doch nicht ganz ohne Grund dies Häufigkeits- verhältnis auf etwa 1:2 schätzen. Nun bleiben aber selbst jetzt noch zwei Besonderheiten der Kurve ungedeutet, nämlich die Frequenzverminderung zwischen dem Punkte II und dem Schnittpunkt der roten und schwarzen Kurve, sowie die An- schwellung V. Die Frequenzverminderung ist bereits in der Fig. 21 (*) deutlich ausgesprochen. Sie wird bei zahlreicherem Untersuchungs- material vielleicht weniger auffällig werden; doch müssen wir vorab noch mit ihr rechnen. Eine Deutung würde möglich sein, wenn man annehmen dürfte, daß sich der Einfluß des breiten Typus nur bis an den Schnittpunkt der beiden Kurven erstreckte, und daß auch der »schmale Typus« von mehreren »Faktoren«, etwa »Hemmungs- faktoren«, abhinge, deren vollständige Anwesenheit größte »Schmalheit« ergäbe. Man hätte dann in der Kurvensenkung den Ausdruck von Faktorenverlusten (Verlustmutationen, durch die bestimmte Sterna eli- miniert werden) vor sich. Doch ist das natürlich alles dunkel, beweist nur die unbegreifliche Komplikation der die »Form« eines Skeletteils bestimmenden Faktoren und stellt weitere Aufgaben für die Forschung. Anders liegt es mit der Erhebung V, für die eine Aufklärung mit ziemlicher Sicherheit gegeben werden kann. Hier macht sich „weifellos der Einflaß des sexuellen Dimorphismus bemerkbar, indem durchschnittlich die weiblichen Sterna breiter, als die männlichen sind. Es wird das in der folgenden kritischen Erörterung behandelt werden. c) Ergebnisse. Fassen wir das Ergebnis der Untersuchungen zusammen, so können wir wohl, ohne einem Einwand zu begegnen, feststellen, daß die eingangs beschriebenen Varietäten der Breite des menschlichen Brustbeinkörpers die Folge eines Mischungsprozesses sind, in den zwei Typen des Knochens eingetreten sind. Wir wollen den einen als »primatoiden«, den anderen als »hominiden« Typus bezeichnen. Der primatoide Typus ist ein langgestrecktes, schmales Sternum un- gefähr vom Index 29,0. Bei ihm sind die Rippen in Inzisuren ein- gefalzt; es besteht die Neigung, das erste Segment des Körpers selb- ständig zu erhalten, und es zeigen sich relativ häufig Andeutungen von Paarigkeit in der Anlage des gesamten Knochens. Möglicher- weise beruht die »Schlankheit« des Knochens auf der Anwesenheit mehrerer »Hemmungsfaktoren«. — Der hominide Typus stellt einen breiten Knochen vom Index zwischen 50,0 und 60,0 dar. Diese Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 113 Knochen besitzen mehr oder weniger starke Processus costales; sie haben die Tendenz zur knöchernen Verbindung zwischen Corpus und Manubrium und zeigen auch stärkere Neigung zu einer perichondralen Össifikation der Rippen, die vorzugsweise auf der ventralen Fläche der Rippen stattfindet. Dieser hominide Typus ist mindestens doppelt so häufig als der primatoide in der Population wirksam. Es scheint, daß die »Breite« des Knochens durch zahlreiche Faktoren »polymer« bestimmt ist. Hierdurch wäre die eingangs gestellte Aufgabe gelöst, wenn nicht etwa Einwände dagegen geltend zu machen wären. Es ist also eine Kritik dieses Ergebnisses geboten, zu der wir uns jetzt wenden müssen. Vorher sei aber noch kurz in einem Anhang eine praktische Erwägung eingeschoben. V. BARDELEBEN hat bereis vor langen Jahren (1885) angedeutet, daß Asym- metrien des Brustbeins und der Rippen bei der Projektion der Lage des Herzens von Einfluß seien. Er hat sich aber über Einzelheiten nicht ge- Fig. 23. äußert, ist auch später auf diese Frage nicht mehr zurückgekom- men. Sie wird auch in den Lehr- büchern der Topographischen Anatomie nicht besprochen, trotz der zweifellos doch vorhandenen praktischen Bedeutung. HENKE (1883), der nachweist, daß die Form des weiblichen und männ- lichen Thorax am Ansatz der unteren Rippen verschieden ist, wenigstens bei einem Teil der Individuen, ohne daß eine »weibliche« Form nicht auch am männlichen Thorax vorkommen könne, betont zwar, daß die Lage des Herzens und der Brust- eingeweide dadurch nicht beein- flußt werde, daß aber ver- schieden sei die Projektion auf das Skelett, indem beim weib- lichen Thorax die vordere Brust- töntgenogramm des Herzens und des Sternums eines wand nicht allein durch das gesunden jährigen Mannes, — Primatoide Form. (22,2 ) Sternum, sondern auch durch den Processus xiphoides und die sternalen Enden der unteren Rippen gebildet werde. Daß die Projektion des Herzens auf die vordere Brustwand, die s0g. »Herzfigur« oder das Gebiet der relativen Herzdämpfung, an Umfang und Gestalt Morpholog, Jahrbuch. 51. 8 114 W. Lubosch individuell verschieden ist, ist bekannt, und zweifelios hat die Form des Herzens und seine Lagerung im Mediastinum darauf den Haupteinfluß. Daneben aber muß nun betont werden, daß auch die Breite des Brustbeins dabei in Be- tracht kommt. Das läßt sich an Röntgenaufnahmen beweisen, obwohl die Technik dieser Aufnahmen nicht leicht ist, weil bei den gewöhnlichen Röntgeno- grammen der Umriß des Brustbeins im Herzschatten verschwindet (GRASHEY, KÖnLer). Das ist gewiß auch der Grund dafür, daß die Sache bei den un- zähligen Aufnahmen des Herzens nicht zum Bewußtsein gelangt ist. Man kann das Sternum aber nebst Rippenansätzen auf die Haut aufzeichnen und danach eine Bleisilhouette ausschneiden (Fig. 23) oder (Fig. 24 und 25) die Ränder des Sternums im Bereich der Interkostalräume durch Bleipunkte markieren, die durch Heftpflaster angeklebt werden. Der Norm am nächsten kommt wohl nun die Fig. 25. Fig. 24. Röntgenogramm des Herzens und des Brust- Röntgenogramm des Herzens und des Brustbeins beins eines gesunden Mannes. — Hominide eines gesunden 35jährigen Mannes. — Mittelbreite Form des Brustbeins (44,6). Form (etwa 40,0). Fig. 25, während Fig. 23 und 24 extremere Zustände darbieten. Rein äußerlich sind die breiten Formen des Brustbeins schon daran zu erkennen, daß die Ein- senkung zwischen dem Mm. pectorales najores oberhalb des Epigastriums eine breite, dreieckige Fläche darstellt. Die Fälle sind nach dem bisher Gesagten sehr viel häufiger, als die schmalen Brustbeine, nach denen man schon stets sehr suchen muß. Der Mann, dem Fig. 23 angehört, war der einzige unter etwa 200 Leuten. Für die klinische Untersuchung kämen aber gerade diese seltenen Fälle in Betracht, da bei ihnen die »Dämpfung rechts vom Sternum« sehr viel größer ausfallen kann, als in der Norm. Man wird sich daher, wenn man einen ganz exakten Befund aufnehmen will, in solchen Fällen vergewissern müssen, ob eine große Dämpfung durch ein schmales Brustbein hervorgerufen wird oder nicht. ı Für die Hilfe bei der Herstellung der Aufnahmen der Fig. 23-25 bin ich Herrn Dr. Dan, Leiter des hiesigen Röntgeninstituts, zu großem Danke verpflichtet. Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 115 Auch auf die Lage der Pleuragrenzen, des Pericardiums und der Arteria mam- maria interna ist das Gesagte sinngemäß anwendbar. Wir wenden uns nun, wie schon am Schluß des I. Teiles an- gedeutet, zu der notwendigen Il. Beurteilung der Ergebnisse. Zunächst fragt es sich, inwieweit in der Literatur etwa ähnliche Berichte niedergelegt sind oder inwieweit sich aus ihr Anhaltspunkte zum Verständnis der Tatsachen ergeben. a) Im Zusammenhang mit der Literatur. 1. Ahnliche Befunde. Soweit ich sehe, fassen alle Anatomen das Sternum als eine morphologisch eindeutige Bildung auf und schenken den Abwei- chungen der Form keine Beachtung. Die »schlanke« Form mit dem sinus costales daran ist in allen Abbildungen der Lehrbücher und Atlanten das Paradigma für die Gestalt des Knochens. Nur bei MERKEL (1896) finde ich die Fig. 26. breite Form abgebildet (vgl. nachstehende Fig. 26). Er sagt dazu, die typische Form des Knochens erleide mancherlei, hier und da »geradezu aben- teuerliche Modifikationen«. Dieses abnorm ge- staltete Sternum ist aber kein anderes als ein solches mit breitem Typus und schön ausgebil- deten Processus costales, ganz einwandfrei ver- gleichbar der oben gegebenen Fig. 9. An dies ) von.MERKEL abgebildete Sternum knüpft sich fol- ynorm gestaltetesster- gende wichtige Erörterung an. Die alte Darstellung num nach der Abbildung von ACKERMANN kennt drei Formen des Brustbein- son scher Anatomie, Bd. II, körpers. Entweder ist es durchaus von gleicher 316, ergänzt nach einer Originalskizze von Prof. Breite oder es ist am Anfang schmäler und am Ende Vom in Göttingen. breiter oder es hat der entgegengesetzte Fall statt. ACKERMANN setzt hinzu (S. 67 Anmerkung): »Der erste Fall ist nicht selten, der zweite ist der gemeinste, der dritte hingegen ist schon seltner, doch besitzen wir auch Beispiele davon. Unter allen denen aber, die Herr Hofrat SOEMMERING besitzt, und ich zähle (deren Anzahl sich auf mehr denn 200 er- streckt) fand ich keins, dessen Klinge in der Mitte breit und an den beiden Enden schmal wäre. Ja die Seltenheit dieses Falles wird noch mehr dadurch bekräftigt, indem ich ihn, soviel ich mich wenigstens zu erinnern weiß, auch sonst noch nirgend abgezeichnet gesehen, außer einmal von Herrn Professor BLUMENnBACH, der die Abzeichnung Herrn SOEMMERING zuschickte.« + 116 W. Lubosch Die Angabe war es wert, nachgeprüft zu werden, denn ein so abenteuerliches Brustbein hätte doch auch sonst wohl noch einmal unter die Augen des Anatomen kommen müssen. Die Prüfung war sehr einfach, denn glücklicherweise konnte mir Herr Professor VoITt in Göttingen Photogramm und Projektionszeichnung eines Brustbeins senden, das wahrscheinlich jenes von ACKERMANN i. J. 1788 erwähnte ist. Es stammt aus der Sammlung des alten physiologischen Institutes in Göttingen, und es ist, wie Herr Vorr meint, nicht ausgeschlossen, daß es seinerzeit dorthin aus BLUMENBACHSs Besitz übergegangen ist. Die mir gesendeten Abbildungen beweisen zugleich, daß dieses selt- same Brustbein eben das bereits von MERKEL abgebildete und von mir oben reproduzierte ist (Fig. 26). Das Brustbein ist aber, wie nun erst aus der Zeichnung VoITs hervorgeht, noch aus einem anderen Grunde merkwürdig. Aus Mergers Abbildung ist nämlich nicht zu ersehen, daß an der engsten Stelle die Insertion der dritten Rippe sitzt. Dies zeigt die mir zur Verfügung gestellte Abbildung. Es ist also hier das dritte Segment, d.h. das erste Korpussegment, mit dem Manubrium ver- schmolzen. Zur Bestimmung des Index ist also nicht die schmalste Stelle zu verwenden, sondern eine etwas weiter nach oben liegende. Der Index wäre dann 80,0, also der höchste, mir bisher bekannt ge- wordene, der aber dem meiner Figur 9 nahe steht. Es zeigt also die Analyse dieses merkwürdigen Brustbeins, daß gerade auch in diesem Fall wieder hoher Index mit Synostose zwischen Korpus und Manubrium verbunden ist. Aus beiden Umständen ist dann der Anschein eines in der Mitte breiten, an beiden Enden schmalen Sternums hervorgegangen. Es ist also soviel sicher, daß meine Beobachtungen auch von anderen gemacht worden sind, ohne daß ihre wahre Bedeutung er- kannt worden wäre. Die Literatur bietet aber noch in anderer Hinsicht eine Bestä- tigung meiner Beurteilung. Zahlreiche Fälle nämlich gibt es (BuBENIK, WALLMANN, ZUCKERKANDL, BUCHANAN u. a.), in denen sich auffällige Hemmungsbildungen am Brustbein fanden. So. berichtet WALLMANN von einem aus neun Stücken zusammengesetzten Sternum; BUCHANAN bildet ein solches mit sieben Stücken ab. Bugenıx beschreibt ein Sternum, das vom Ansatz der 4. Rippe abwärts rein knorplig ge- blieben war. ZucKERKANDL bildet zwei schöne Sterna ab, die beide nur zwei Körpersegmente besaßen, so daß von der 4. Rippe nach abwärts die Rippenknorpel das Sternum nicht mehr unmittelbar er- Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 117 reichten. In all diesen Fällen, die sich noch vermehren ließen — doch dies sind die vorzüglichsten —, handelt es sich stets um schmale, schlanke Brustbeine. Es gibt keine Hemmungsbil- dungen der beschriebenen Art, die sich mit einem »breiten« Sternum verbänden. Gehen wir nun auf die Möglichkeiten ein, die von mir be- schriebenen Eigentümlichkeiten mit anderen Faktoren in Zusammen- hang zu bringen, so bietet sich zunächst 2. Der Einfluß des Alters dar. Er ist, soweit ich sehen kann, nicht nur nicht vorhanden, sondern es zeigt sich auch, daß umgekehrt in fötalen Zuständen bereits der Typus des Brustbeins endgültig gegeben ist. Die von mir untersuchten Brustbeine gehörten verschiedenen Lebensaltern an, natürlich nur solchen, in denen Leichen zur Mazeration zu gelangen pflegen. Ob im kindlichen oder juvenilen Alter etwa ein Überwiegen eines der beiden Typen vorkommt, ist also nicht zu entscheiden. Daß dies wahrscheinlich nicht der Fall ist, lehren die Objekte Markowskıs, der 180 fötale Sterna abgebildet hat. Mißt man diese durch, wie ich es für meine Messungen getan habe, so erhält man hier, also noch im knorpeligen Zustande des Sternums, die gleichen Breitenschwankungen, wie beim Erwachsenen (vgl. Kurve e Fig. 19). Es ist also nicht so, daß die breiten Typen erst durch die Verknöcherung entstehen, sondern schon die knorpligen Sterna sind breit und schmal und anscheinend bereits in dem end- gültigen Zahlenverhältnis beider Typen zueinander. Eine andere Frage ist es, ob nicht etwa während der ersten Entwicklung des Sternums Momente vorliegen, die die Entstehung einer breiten Form begünstigen? Man könnte dies den ausgezeichneten Untersuchungen entnehmen, die Charlotte MÜLLER über die Entwick- lung des menschlichen Brustkorbes angestellt hat. Aus ihnen geht hervor, daß die Zeit der Vereinigung der Sternalleisten von der Lage des Herzens abhängig ist. Erst wenn das Herz weiter kaudal rückt, erfolgt proximal davon die Vereinigung der Sternalleisten; erst wenn das Herz in den Thorax hineingetreten ist, kann vor ihm die Ver- einigung erfolgen. Da nun das Wachstum der Rippen und die An- näherung der Sternalleisten aneinander »durch eine lebhafte Zell- wucherung an der Grenze von Rippe und Sternalleiste« hervorgerufen wird (RuGE, bei MÜLLER $, 72), so ließe sich denken, daß eine Hem- 118 W. Lubosch mung des Zusammenschlusses zu einer Verbreiterung der Sternalleiste führen könnte. In der Tat würde die große Breite der Sterna gerade im Bereiche des Herzens dafür sprechen, obwohl andererseits nicht begreiflich wäre, warum die Einzelleisten stärker wachsen sollten, als bei normalem Verschluß. Indes wollen wir diese Annahme, selbst wenn sie zuträfe, nicht als eine »kausale Erklärung« auffassen; denn sie wäre lediglich eine mechanische, und es würde sich zeigen können, daß etwas mechanisch erklärbar sei, ohne kausal erklärt werden zu können. In diesem Falle nämlich würde ja in die Kurven nur die »verspätete oder rechtzeitige Verlagerung des Herzens« eintreten für »breite« und »schmale« Formen. Der Typus beider Kurven müßte auch dann wiedererkennbar sein, mit anderen Worten, die gleiche Ursache wie für die eigentümliche Kurve der Sterna würde dann für die Kurve gelten, die die zeitlichen Schwankungen in der Herz- entwicklung wiedergibt. 3. Einfluß des Geschlechts. Anders steht es mit dem sexuellen Dimorphismus. Durch die Untersuchungen von ACKERMANN, LUSCHKA, STRAUCH, DWIGHT, PETERMÖLLER, KRAUSE, MERKEL und BocusAr sind wir über die am Sternum vorkommenden Geschlechtsmerkmale gut unterrichtet. Es läßt sich im allgemeinen sagen, daß, wenn wir von den Proportionen der einzelnen Bestandteile des Brustbeins zueinander absehen, die ja das Brustbein zu einem wichtigen geschlechtsdifferenzierten Knochen machen, die Breite des weiblichen Brustbeins durchschnittlich größer ist als die des männlichen. Dieser Umstand, vereint mit dem seiner geringeren Länge, ist es ja, der, wie HENKE u. a. betont haben, die unteren Rippen veranlaßt, mit ihren sternalen Enden eine steilere Aufwärtsbewegung vorzunehmen und dadurch den Rippenbogen unterhalb des Schwertfortsatzes einzuengen. Dieses Phänomen der srößeren Breite zeigt sich nun auch sehr deutlich in meinem Material. Es sind allerdings die weiblichen Sterna nicht besonders ausge- schieden; aber die Kurve der Fig. 18 zeigt sehr deutlich, wie sich die Breitenverschiedenheit äußert. Es würde gewiß also eine Kurve, wie die in Fig. 22, wenn sie auf 11000 männlichen Sterna aufge- baut würde, ein anderes Bild geben, als wenn sie auf ebensoviel weib- lichen errichtet würde, und beide würden von der vorgelegten ab- weichen. Zweifellos ist, wie schon oben bemerkt, die Erhebung V auf den Einfluß der weiblichen Sterna zurückzuführen. Bei einer Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 119 rein männlichen Population würde voraussichtlich die Erhebung V fehlen, die größte Häufung würde mehr nach links hin liegen, viel- leicht bei 34,0— 35,0 anstatt bei 36,7, und die Absenkung zwischen II und III wäre weniger ausgesprochen. Umgekehrt würde bei einer rein weiblichen Population wahrscheinlich diese Einsenkung nicht verschwinden, der Schnittpunkt der schwarzen und roten Kurve würde mehr nach rechts rücken, und möglicherweise ginge die größte Häu- fung, dann etwa bei 40,0 gelegen, kontinuierlich in die Erhebung V über. Wie man aber ohne weiteres einsieht, verliert die Kurve dadurch nichts von ihrer besonderen Eigentümlichkeit, so schön es wäre, wenn das nötige Material zu ihrer Konstruktion vorhanden wäre. Fig. 27. Fig. 28. Weibliches Brustbein mit einer Männliches Brustbein mit einer Korpuslänge von 11 cm. Maße Korpuslänge von 11,1 cm. Maße nach STRAUCH. Verkleinerung nach STRAUCH. Verkleinerung auf 2). auf 2/5. Woran das liegt, ist auch leicht einzusehen. Denn der sexuelle Faktor und der von mir festgestellte, bisher unbekannte, bestehen nebeneinander. Männliche wie weibliche Brustbeine zeigen die- selben eingangs erwähnten Formabweichungen. Um dies zu illustrieren, 120 W. Lubosch sind nachstehend Brustbeine konstruiert, denen die Maße von Strauch zugrunde gelegt sind (d. h. es sind um die Maße herum die Umrisse schematisch entworfen). Die Figg. 27 und 28 zeigen zwei Sterna, deren Körper nahezu gleich lang sind. Das weibliche ist viel schmäler als das männliche (@ = 3,0 mm, d.h. Index —= 27,11; g'= 5,9, d.h. Index — 53,9). Figg. 29 und 30 stellen zwei Brust- 4 Fig. 29. Fie. 30. \ / Weibliches Brustbein mit der Männliches Brustbein von 23,9cm Gesamtlänge von 23,9 cm, auf Gesamtlänge, auf ?/s verkleinert. 2/;s verkleinert. Größe der Frau Größe des Mannes 158 cm, 168,5 cm. beine von gleicher Gesamtlänge gegenüber, die nun die typische Breitenverschiedenheit aufweisen (Indiees @ =588, Jg = 3,9) Figg. 31 und 32 zeigen dagegen das schmalste weibliche und das breiteste männliche Brustbein des SrraucHschen Materiales. Jenes hat den Index 29,5, dieses den Index 48,4. Fig. 33 zeigt im Gegen- satz zu Fig. 29 ein weibliches Brustbein mit dem Index 37,2. Wie wenig die Breite auch von der Körpergröße des Menschen abhängt, zeigen die Figg. 34 und 35. Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 121 Dies alles zeigt nun, daß eine Zurückführung meiner Beobach- tungen allein auf sexuelle Unterschiede ebensowenig möglich ist, wie auf Altersunterschiede. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 31. . Schmalstes weibliches Sternum Breitestes männliches Brust- Weibliches Brustbein mit der „des STRAUCH schen Materials. bein des STRAUCH schen Mate- Gesamtlänge von 22,6 cm. Gesamtlänge des Brustbeins rials. Gesamtlänge des Brust- Größe der Frau 148 em, Auf 17,6cm. Größe der Frau 153 cm. beins 23,3 cm. Größe des 2% verkleinert. Auf 2/; verkleinert. Mannes 168,9 cm. Auf 2/5 verkleinert. 4, Funktionelle Einflüsse. Hiermit muß es anders stehen. Denn da es keine Form ohne Funktion und umgekehrt gibt, so muß ein Zusammenhang irgendwelcher Art bestehen. Es fragt sich nur, ob das breitere Sternum durch eine bestimmte Abweichung im Atemtypus — um den kann es sich wohl nur handeln — hervorgerufen werde, oder aber, ob es sich um eine Abhängigkeit beider voneinander im Sinne einer mathematischen Funktion handele. Dann könnten beide gleichsinnig von anderen Faktoren abhängen, und dies ist mir das Wahrscheinliche. Nach BRAUNE ist das Sternum ein »Hemmungsapparat«, der den Rippen 122 W. Lubosch verwehrt, ihren durch ihre Wirbelverbindungen bestimmten Bewe- gungen zu folgen. Hierbei sollten sich die Wirkungen der beiden oberen (rein hebenden) und die der 5 unteren (seitwärts führenden) Rippen kombinieren und die Hebung des Manubriums durch das Übergewicht der Wirkung der 5 unteren Rippen unmöglich gemacht werden, die sofort herbeizuführen war, wenn Atembewegungen an einem Thorax ausgeführt wurden, an dem das Manubrium unterhalb des Ansatzes der 2. Rippe durchgesägt worden war. Fig. 34. Fig. 35. (0) Weibliches Brustbein vom Index Männliches Brustbein vom Index 43,8. Nach STRAUCH. Körper- 34,5. Körpergröße des Mannes größe der Frau 164 cm. Auf 164 cm. Auf ?/ verkleinert, 2/5 verkleinert. Diese Fragen sind früher (VıERORDT und Lupwiıs, FREUND, LUSCHKA, ACKERMANN, RIEGEL u. a.) und neuerdings sehr viel dis- kutiert worden (RorscHıLD, EHRLICH, HANSEMANN, LISSAUER, SAN- poz, Harr, Hart und Harras u.a). R. Fıck hat i. J. 1911 den Mechanismus der Brustbeinbewegung eingehend erläutert und ist dabei zu folgenden Ansichten gelangt: Die Übertragung der Bewe- gung der sternalen Rippenenden auf das Brustbein erfolgt so, daß das Brustbein im großen und ganzen im Sinne einer »Gradführung« der Technik auf- und abwärts verschoben wird; die Rippen wirken hierbei wie Pleuelstangen; der Winkel, in dem sie sich mit dem Sternum verbinden, ändert sich dabei, und es tritt Torsion der Rippen- Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 123 knorpel und auch der Rippenknochen ein. Die Rippenknorpel leisten dabei elastische Widerstände, und auch die Rippenknochen erweisen sich als biegungsfähig. Aufhebung dieser Elastizität hebt auch die thorakale Atmung auf. Diese Gradführung des Brustbeins ist aber erstens verbunden ‘mit einem Vorstoß des Brustbeins in seinen unteren Partien und zweitens kombiniert mit einer Drehung des Sternums. Diese »Eigen- drehung« führt Fıck auf 2 Momente zurück. 1. Vor allem darauf, daß sich das gesamte Brustbein um eine etwa 13 cm hinter der oberen Brustbeinwand liegende quere Achse dreht und 2. auf Kniekbildung zwischen Manubrium und Korpus in der Fuge zwischen beiden Stücken. Bewegungen um andere weiter unten liegende, quere Achsen des Brustbeins (S. 172, 173) sind anscheinend zwar möglich, sind aber in Wirklichkeit nicht vorhanden, da die dafür vorauszusetzende Bieg- samkeit des Sternums nicht existiere (S. 175). Nach der Entfer- nung der vorderen Rippenenden von den vertebralen Anheftungen und nach der Stellung der Achsen der Costovertebralverbindungen sollte man erwarten, daß die unteren Sternalabschnitte stärker ge- hoben und — wegen .der Flankenbewegung der unteren Rippen — wenig vorgestoßen würden. In Wirklichkeit findet sich das Gegen- teil: geringere Hebung und stärkerer Vorstoß der unteren Teile des Brustbeins, eine Erscheinung, die Fick eben durch Bewegung des Sternums um die von ihm aufgefundene obere, hinter dem Sternum gelegene quere Achse erklärt. Die uns zur Beantwortung vorliegende Frage nun, ob die Breite des Sternums bei diesem Mechanismus eine Rolle spielt und welche, ist, soweit ich sehe, bisher gar nicht in Betracht gezogen worden. Man hätte hierbei nach zwei Richtungen hin Überlegungen und Versuche anzustellen. Zunächst würde es sich um die Biegsamkeit des Brust- beins handeln, die von Hasse, HArr, Hart und HARRAS neuerdings in den Vordergrund gestellt worden ist. Diese Autoren haben nach Beobachtungen am Lebenden und nach Röntgenbildern festgestellt, daß der größte Vorstoß des Sternums nieht an der Fuge zwischen Manubrium und Corpus, sondern tiefer, etwa in der Höhe des vierten Rippenansatzes erfolge. Liıssauer hat am herausgenommenen Sternum niemals eine größere Beweglichkeit zwischen Manubrium und Korpus feststellen können. Auch Harr hält die fibrös-elastische Manubrium- Corpusverbindung nur für eine im Dienste der »allgemeinen Ela- stizität«e des Sternums stehende Einrichtung. Hansemann schließt sich dieser Ansicht an. Sie treten damit denen entgegen, die an 124 W. Lubosch der Bedeutung jener Fuge für die Kniekung innerhalb des Brust- beins festhalten (BRAUNE; von neueren EHRLICH, ROTSCHILD, Fick); die am Lebenden durch RotscHitp mit seinem Goniometer festgestellte winklige Knickung (die von RoTscHILD dafür gefundenen Winkel- werte konnten von SanDoz nicht bestätigt werden) führt HAnssmAnN auf Biegungen des Sternums zurück. Übrigens müßten auch Be- wegungen um eine quere Achse hinter dem Sternum im Sinne Fıcks ähnliche mit dem Goniometer feststellbare Ergebnisse haben. Ob, abgesehen von den Bewegungen des Gesamtsternums um diese Achse, die auch die während des Lebens beobachteten Verhältnisse (HAsse, HART, HArRRAS) erklären könnten, die Eigenbewegungen des Sternums durch Knickung in der Fuge, oder durch Biegsamkeit des ganzen Knochens herbeigeführt werden, bleibt noch zu untersuchen. Biegsamkeit des Brustbeins ist zweifellos da. An einem mäßig breiten, nicht macerierten (!) Sternum gelingt die Biegung in der Höhe des 4.—5. Rippenknorpels ganz leicht, so daß die Annahme, voll- ständige Synostose aller Teile des Sternums beeinträchtige not- wendigerweise die Brustkorbbewegung (Fıck S. 176), mir — soweit sie auf der Theorie der Kniekung im Angulus sternalis beruht — nicht zwingend erscheint, ebensowenig wie die Annahme EHrLICHs, daß die abnorm vorkommende Fuge in der Höhe der dritten Rippe Beziehungen zur Atmung habe. In den nicht seltenen Fällen, wo 2 Fugen bestehen, müßte dann erwartet werden, daß es zu 2 Knik- kungen käme. Eine weitere Frage wäre dann die: ob wirklich der anatomische Unterschied zwischen der 1. Sternocostalverbindung und den folgenden so weitgehende funktionelle Folgen hat, daß — wie ROTSCHILD meint — die Bewegungen der Rippen hier vollständig »abgefangen« werden, während an der 1. Rippe unmittelbare Übertragung der Bewegung auf den unteren Rand des Manubriums stattfinde. Daß ein solches »Abfangen« nicht möglich ist, scheint mir doch aus der höchst unvoll- kommenen Form dieser »Halbgelenke« hervorzugehen, ganz abgesehen davon, daß sie eben in zahlreichen Fällen wirklich kontinuierliche Verbindungen darstellen (Tscıuaussow). Denkt man an die echten Gelenke, die hier bei Säugetieren vorkommen, so ergibt sich der funktionelle Unterschied von selbst. Ähnlich beurteilt Sosorra die Sachlage (»die Beweglichkeit in den Sternocostalgelenken ist an und für sich gering, wird jedoch durch die Biegsamkeit der Rippen- knorpel wesentlich erhöht«), und auch Fıcks Darlegungen scheinen das Gleiche zu meinen. Es kann daher immerhin die Frage berechtigt Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 125 erscheinen, ob nicht die Breite des Brustbeins auch im Zusammen- hang mit den mechanischen Einflüssen zu beurteilen wäre, die von den unteren Rippen darauf ausgeübt werden, zumal es für die Funk- tion möglicherweise nicht gleichgültig ist, ob Rippen in Sinus costales oder auf Processus costales befestigt sind. Inwieweit der feinere Bau der Verbindung in solchen Fällen etwa verschieden ist, bleibt noch festzustellen. Wir haben also immerhin 2 Anhaltspunkte zu einer Beurteilung der Abhängigkeit der Breite des Sternums entweder von der Funk- tion oder gemeinsam mit der Funktion von einer weiteren gemein- samen Ursache. Man könnte erstens meinen, daß ein schmales Sternum besser federe, als ein breites, und 2., daß ein breites Sternum stärker unter dem Zuge der Rippen stehe als ein schmales. Der erste Punkt führt — in Zusammenhang mit den oben erwähnten An- sichten über Synostose des Brustbeins und deren Wirkung auf die Brustkorbbewegung — zu weiteren Überlegungen. Denn wenn unser Schluß, daß Synostose von Manubrium und Corpus bei breitem Typus des Sternums häufiger sei, als bei schmalem, richtig ist, so würde vielleicht weniger der Mangel einer Fuge zwischen Manu- brium und Corpus, als die mit der breiten Form verbundene ge- ringere Federkraft die Brustkorbbewegung beeinflussen. Wie dem auch sei — wir sehen, daß, wenn überhaupt der Breite des Sternums eine Rolle unter den zahlreichen für die Bewegungen des Thorax maßgebenden Faktoren zukommt, sie nicht als Folge eines spezifischen funktionellen Einflusses beurteilt werden kann, vielmehr wahrscheinlich als Glied einer Kette von Faktoren, die charakteristisch für einen bestimmten Atmungstypus sind. Über die Ursachen, die zur reinen Thorax- oder reinen Bauch- atmung, zur vorzugsweis oberen oder vorzugsweis unteren oder auch zur gemischten Atmung führen, weiß man noch wenig. Nicht ein- mal die Frage, ob der eine Typus mehr dem männlichen, der andere mehr dem weiblichen Geschlecht zukomme, und ob bereits bei Kindern eine sexuelle Differenzierung im Atemtypus bestehe, ist mit Sicherheit entschieden. Sehr zuverlässig erscheinen die Unter- suchungen von TscHAussow, der weder in dem Zustande des Brust- beins, noch der Rippen, noch ihrer Verbindungen untereinander und mit dem Brustbein einen anatomischen Anhalt dafür gewinnen konnte, daß die Frauen anders atmen, als die Männer. Auch seine Unter- suchungen an Kindernund Erwachsenen beiderlei Geschlechtes scheinen zu zeigen, daß es nur individuelle, nicht sexuelle Unterschiede 126 W. Lubosch im Atemtypus gebe. Später hat dann allerdings GREGOR für Kinder das Gegenteil beschrieben. — Wie dem auch sei — es scheint dem verschiedenen Atemtypus zweifellos eine ganze Reihe schwer zu übersehender Verhältnisse am Thorax zugrunde zu liegen, die dem- nach als konstitutionell zu bezeichnen wären, und ich glaube, daß die Breite des Sternums und die mit ihr verbundenen Zustände nicht der unwichtigste Faktor in diesen konstitutionell verschiedenen Zu- sammenhängen sind. Daß auf die Form des Sternums die Brusteingeweide von Ein- fluß sein sollten, ist schwerlich anzunehmen, wenngleich für abnorme Fälle von Herzvergrößerung HyrTL, PIORRY, SAHLI und neuerdings SwoBopA (Literatur s. bei diesem) die Plastizität des Sternums und des ganzen Thorax nachgewiesen haben. Es ließe sich also immerhin annehmen, daß bestimmte, bisher nicht analysierbare Formverschiedenheiten an Herz und Lungen im einzelnen Fall bestimmend auf die Form des Brustbeines einwirken. Trotzdem wird wohl keine Möglichkeit bestehen, die von mir geschilderten Befunde in vollem Umfange auf solche Momente zu- rückzuführen, vor allem nicht die eigentümliche biometrische Vertei- lung des Materials. So bleibt, nach Abweisung der Alters-, Geschlechts- und Funktionseinflüsse, nur die bereits von Anfang an ins Auge gefaßte Lösung übrig, die beiden Brustbeinformen auf 5. Konstitutionelle Einflüsse zurückzuführen. Es liegen denn auch eine Anzahl Erfahrungen vor, die, unabhängig von meinem Material, eine solche Ansicht stützen. In erster Linie möchte ich hier auf die Verknöcherungen des Brust- beins und der Rippen aufmerksam machen. Im Gegensatz zu älteren Meinungen (Hyrru S. 600, GEGENBAUR S. 160), die die Verknöcherung zwischen Manubrium und Corpus als Alterserscheinungen auffaßten, wissen wir jetzt durch zahlreiche Einzelangaben, daß das nicht der Fall ist. So drückt SogorrA (S. 18) das Verhältnis richtig aus, während die Angabe von KorscH, daß beide Teile »gewöhnlich bis zum mittleren Lebensalter getrennt bleiben« (S. 47), wohl zu allgemein ist und auch durch die weitere Bemerkung (S. 257): »Synostose ist seltener«, wieder eingeschränkt wird. Liıssauer hat unter 60 Sterna 8 Synostosen gefunden, worunter 1 Fall eines 30 jährigen war. ROT- scHILD findet den Beginn der Ossifikation im 5., oft aber auch schon im 4. Dezennium, doch ist die Synchondrose auch noch bis zu 60 Jahren vorhanden. Harr fand die Verknöcherung sehr selten Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 127 (unter 400 Fällen 1mal, bei kleinerem Material 2mal bei 30jährigen; Tscuaussow l1mal unter 57 Fällen im Alter von 15—90 Jahren). Auch LuscHhkA und MERKEL haben bereits die Ansicht vertreten, daß die Verknöcherungsvorgänge im Brustbein keineswegs in Ab- hängigkeit vom Alter des Menschen stehen. Dasselbe wissen wir in betreff der Ossifikation der Rippen- knorpel. Schon Freunp hat i. J. 1858 mitgeteilt, daß die periostale Knochenbildung, die sog. »scheidenförmige Verknöcherung des Rippen- knorpels« (FrEeunD 8. 54), »wohl vorzugsweise bei alten Leuten vor- kommt, indes kann man auch exquisite Fälle an Individuen in den 20- und 30er Jahren beobachten«. Weniger bekannt dürfte die An- gabe von HyrTL sein in betreff eines 162 Jahre alten, von Harvey sezierten Mannes und eines im Berliner Museum vorhandenen Skeletts einer Hundertjährigen; bei beiden waren sämtliche Rippenknorpel unverknöchert. Es gibt da also zweifellos Einflüsse im Körper, mögen sie erworben oder vererbt sein, die auf die Ossifikation des Brustbeins und der Rippen von Einfluß sind, unabhängig von Alter, Geschlecht und Funktion. So hat man auch stets nach einer Regel für das Verhalten der Össifikationszentra im knorpeligen Brustbein gesucht (PETERMÖLLER, PArErson, LUSCHKA, MARKOWSKI), die entweder paarig oder ein- fach auftreten können. LuscHkA hält den zweireihigen Typus für den phylogenetisch älteren. MARKOwSKI pflichtet ihm bei und hält die Sterna mit einreihigen Verknöcherungszentren für eine »höhere Entwicklungsform« und phylogenetisch für den jüngsten Typus des knöchernen Brustbeins. Auch im Tempo der Verschmelzung der einzelnen Knochen- zentren gibt es keine Beziehungen zum Alter des Fötus oder des Kindes. So findet Markowskı die Verbindung zwischen 3. und 4. Segment des Brustbeins in 573 Fällen bis zum 4. Jahr offen, vom 5.—11. Jahr ist sie in 12%, bis zum 16. Jahr in 33% verwachsen. Die Verschmelzung zwischen 4. und 5. Segment ist bis zum 6. Jahre in 16%, bis zum 11. Jahre in 50 % verwachsen. Die Verwachsungs- zeit des 5. und 6. Segmentes reicht vom 9. Fötalmonate bis zum 15. Lebensjahr, die zwischen 6. und 7. Segment vom 9. Fötal- monate bis zum 8. Lebensjahr. Bisher noch ganz unklar ist die Rolle jenes Mesenchymgewebes, das PATErson als »erste unpaarige Anlage des Sternums« beschreibt, MÜLLER und Rue dagegen auf die Anlage des Brustbeins ohne Einfluß sein lassen (vgl. bei MÜLLER 5.73). Es ist jedenfalls eine Gewebsmasse, die ganz ohne Be- 128 W. Luboseh ziehungen zur Brustbeinanlage doch unmöglich sein kann, wenngleich man über ihre Bedeutung völlig im unklaren ist. Auf konstitutionelle Einflüsse weisen dann ferner die rassen- mäßigen Verschiedenheiten in der Anatomie der Rippen und der Gestalt des Thorax hin, obwohl hier noch kaum die Anfänge gründ- licher Untersuchung vorliegen. Erwähnt sei nur, daß eine unregel- mäßige Gliederung des Sternums (Grenze zwischen Manubrium und Corpus in der Höhe der 3. Rippe anstatt in der Höhe der 2. Rippe) in der Mehrzahl der Fälle bei Negern beobachtet worden ist (Kern). Desgleichen ist die Befestigung der 8. Rippe am Brustbein anschei- nend sehr viel häufiger bei Nichteuropäern, vor allem Negern, Indianern (Rosınson, Lamp). Ich kann hier hinzufügen, daß nach meiner Untersuchung des KLAATscHschen Australiers auch dieser 8 Rippen an seinem schlanken Sternum trug. Endlich ist dann ferner daran zu erinnern, daß dem Thorax eine hohe pathognomische Bedeutung innewohnt, die man zwar nicht immer gleichartig beurteilt hat, gegenwärtig aber doch ganz allge- mein im konstitutionellen Sinne auffaßt. Man ist hiermit zu den älteren Ansichten (Freunn 1858 und 59) zurückgekehrt, während in der Zwischenzeit gerade die entgegengesetzte Ansicht Geltung ge- wonnen hatte, wonach der Thorax sich nach dem Inhalte, besonders dem kranken, forme. So betrachtet Braune (S. 306) den Thorax als ein Kleid, das sich dem Eingeweidekern anlege. Neuerdings ist man (vgl. die Arbeiten von SrıLter 07, FREUND und MENDELSOHNS 08, Harr und HArrAs 08, van den VELDEN 10, FREUND und van den VELDEN) dann geneigt, primäre Thoraxanomalien anzunehmen, die eine mecha- nische Disposition zu Erkrankungen bestimmter Lungenpartien er- geben. Besonders dürften uns hier erwähnenswert sein die Zustände am Thorax (Freunn u. v. d. VeLDen, S. 556 ff.), die sich im Laufe des 2.—6. Dezenniums an den oberen Rippenknorpeln entwickeln und zu einer Erstarrung des Brustkorbes führen können. Dieser Zustand kann ein Emphysem erzeugen, indem der Thorax sekundär in der Inspirationsphase erstarrt. So sprechen die Autoren auch von einer »Senescenz an den Knorpeln der 2.—6. Rippe«, obwohl sie leider über die anatomischen Veränderungen an den Rippenknorpeln nichts mitteilen, ob es sich um stärkere Verkalkung oder jene »scheidenförmige« Verknöcherung handele, die ich oben (S. 102) be- schrieben habe. Über dieses Phänomen habe ich überhaupt — wenn man von der 1. Rippe absieht — in der Literatur keine Mitteilung gefunden. Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 129 6. Zusammenfassung. Es ist durch diese kritische Würdigung aller in Betracht kom- menden ätiologischen Faktoren soviel festgestellt, daß weder Alter, noch Geschlecht, noch funktionelle Einflüsse imstande sind, den Dimorphismus des menschlichen Brustbeins zu erklären, daß viel- mehr einzig an erblich-konstitutionelle Einflüsse gedacht werden kann, wenn wir uns dem Verständuis nähern wollen. Wir wollen der Prü- fung dieser Einflüsse nun morphologisch näher treten und dabei zunächst den vergleichend-anatomischen Standpunkt einnehmen, von dem wir über das »Was« aufgeklärt werden — sodann den genea- logischen, der uns über das »Wie« der Ausbildung wenigstens an- nähernd Klarheit verschaffen soll. b) Im Zusammenhang mit morphologischen Erwägungen. 1. Auf Grund der vergleichenden Anatomie. Wer Säugetierskelette kennt, weiß, daß das Brustbein bei ihnen allen, mit Ausnahme der Anthropoiden, eine Gliederung in einzelne Segmente aufweist, zwischen denen bei den meisten Säugetieren die Rippen mit besonderen Knochen, den sog. Ossa sternocostalia an- setzen. Diese den menschlichen Rippenknorpeln anscheinend gleich- wertigen Skeletteile sind ausnahmslos gelenkig mit dem Brustbein verbunden. Auf Einzelheiten des Vergleiches zwischen diesen Ossa sternocostalia und den Rippenknorpeln der Anthropoiden und des Menschen will ich nicht eingehen. Mit Ausnahme der Arbeit von LuscHkA (1860) ist mir nichts darüber bekannt geworden; ich lasse es dahingestellt, ob mir Angaben darüber entgangen sind. Bei der nicht geringen Wichtigkeit der Sache ist es immerhin möglich, dab Untersuchungen darüber existieren. Eine große Rolle hierbei spielen die niederen Affen, abgesehen von den Anthropoiden. Hier finde ich an den trockenen Skeletten unserer Sammlung durchaus keine Einheit- lichkeit. Die Verbindungsstücke weichen jedenfalls auch in ihrem feinern Bau durchaus ab von den Rippenknorpeln der Anthropoiden und des Menschen. Vielfach scheinen knöcherne Verbindungsstücke vorhanden zu sein. Soweit sie knorplig sind, zeigen sie meist eine innere stark verkalkte Zone und ein sehr dickes Perichondrium, ge- legentlich mit periostaler Verknöcherung. Eine genauere Untersuchung dieser Verhältnisse wäre sehr erwünscht. Auch die Verhältnisse des Sternums scheinen nicht ganz einheitlich zu sein. Ich finde bei allen hiesigen Sammlungsskeletten von katarrhinen und plathyrrhinen Affen Morpholog. Jahrbuch. 51. 9 130 W. Lubosch ein segmentweise gegliedertes Sternum. Kerr# berichtet dagegen, daß bei Semnopithecus unter 19 Fällen 18malund bei Macacus unter 16 Fällen 16mal eine Gestaltung wie beim Menschen vorhanden war. Ich Brustbein und Rippen eines Schimpansenweibchens (Nr. 2135 d. Würzb. Samml.). KEITH, 26 Fälle. 17mal wie beim Menschen, 9mal unter- halb der 3. Rippe. demonstrieren!. ınan den Zustand der Fig. 36 für den Schimpansen als die Regel ansehen darf, ist sehr fraglich. Es sind hier das 1. und 2. Korpus- frei. Ein junger Schimpanse zeigt sämtliche Segmente segment lasse daher die Besprechung auch der Verhält- nisse bei katarrhinen und plathyrrhinen Affen ganz beiseite. Wo Rippenknorpel an Stelle der Ossa sternocostalia vorhanden sind, da fällt auch die Gelenkbildung zwischen Rippe und Verbin- dungsstück, und zwischen Brustbein und Ver- bindungsstück weg, und es sind ganz andere mechanische und funktionelle Wirkungen vor- handen. Von diesem Gesichtspunkt aus be- urteilt scheint in der Tat Luscuka (1860) Recht zu haben, wenn er auch die Gelenkbildung zwischen 1. Rippe und ihrem — verkalkten oder ossifizierten — Knorpel als eine ererbte Erscheinung auffaßt, entgegen der Annahme von FreunD (1858, vgl. auch Harr und HARRAS 1908), der in dieser Gelenkbildung ein Aus- hilfsmittel der Natur sehen wollte, um den engen knöchernen Ring, den die obere Thorax- apertur um die Lungenspitzen legt, zu sprengen. Was die anthropoiden Affen betrifft, so kann ich hier nur die mir eben zugänglichen Fälle Eine Verallgemeinerung verbietet sich. Schon ob 1 Es sind dies folgende: . Erwachsener Gorilla $ Samnl.-Nr. 2041 > Gorilla © » » 1299 > Orang & > » 2183 » Orang 9 » » 2152 £ » Orang © » » 2134 . Junger Orang > » 807 . Erwachsener Schimpanse >» » 2135 . Junger Schimpanse » » 2632. (Im Katalog nur als » Affe« bezeichnet.) . Erwachsener Gibbon > » 2997 . Junger Gibbon > >» 315. (Im Katalog nur als Simia bezeichnet.) Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 131 frei. Nach Kerru (1896) ist dagegen unter 26 Fällen beim Schim- pansen 17mal das Verhältnis, wie beim Menschen (Synchondrosis zwischen Manubrium und Korpus). 9mal liegt der Spalt unterhalb der 3 Rippen. Beim Gorilla zeigen meine beiden Exemplare (Fig. 37 und 38) ein ganz verschiedenes Verhalten. Das des Weibchens ist ganz menschenähnlich, das des Männchens zeigt einen beim Men- schen nur als seltene Ausnahme bezeichneten Zustand. Ein 3. junger Fig. 37. Fig. 38. Brustbein eines Gorilla- Brustbein eines Gorilla- männchens (Nr. 041 der weibchens (Nr. 1299 der Würzburger Sammlung). Würzburger Sammlung). KEITH, 26 Fälle. 16mal wie Mensch, 7mal unter der 3. Rippe, zweimal ganz knöchern, Gorilla ist ähnlich wie der hier abgebildete männliche gebaut. Nach Keıt# waren unter 26 Fällen 16 wie beim Menschen, 7 Fälle zeigten den Spalt unterhalb der 3. Rippe. 2 Fälle zeigten das Sternum ganz knöchern. Auch meine beiden Orangfälle (Fig. 39 und 40) zeigen ein sehr abweichendes Bild. Hier ist es das Weibchen, das völlige Synostosierung aufweist, während das Männchen das 1. Korpusseg- ment frei zeigt und deutlich paarige Zentren besitzt. Ein anderes hier vorhandenes Weibchen (Nr. 2134) zeigt dagegen nicht nur die Trennung unter der 3. Rippe, wie das Männchen (Fig. 39), sondern noch eine weitere Trennung unter der 4. Rippe, und es stehen in 9* 132 W. Lubosch diesem (dem 2.) Korpussegment deutlich 2 Zentren nebeneinander. Das mir vorliegende Gibbonskelett zeigt einen Spalt unterhalb der 3. Rippe, einen weiteren unter der 4. Rippe, während die 5. und 6. Rippe am unteren Ende das Korpus inserieren. Nach KeıtH lag unter 33 Fällen die erste Spalte unterhalb der 3. Rippe, 1 mal unter- halb der 4. Rippe. Semnopithecus, Macacus und Ateles zeigen nach Fig. 40. Brustbein eines Orangmännchens (Nr. 2183 Brustbein eines Orangweibchens (Nr. 2152 der Würzburger Sammlung), ebenso Q 2134. der Würzburger Sammlung). KeEıtH in der Mehrzahl aller Fälle die Synchondrose dort, wo der Mensch sie hat.. Man kann hiernach sagen, daß die Anthropoiden sich in diesem Merkmal, d. h. der Lage der Synchondrose, anders verhalten, als der Mensch. Es ist ferner mit Keır# als sicher anzusehen, daß der Gibbon die Synchondrose zwischen Manubrium und Korpus typisch an der 3. Rippe zeigt. Beim Menschen kommt dies öfter vor. KeırH hat es 9mal bei Negern beobachtet. Ich selbst habe diesen Zustand, der auch sonst in der Literatur erwähnt wird, unter meinem ver- hältnismäßig kleinen Material 1mal beobachtet. Diesen Fall zeigt Fig. 41. Zwei andere Fälle (Fig. 12 und 42) zeigen ähnliche Zu- stände, soweit wenigstens die nach oben verschobene Lage der 2. Rippe und das verlängerte Manubrium in diesem Sinne zu deuten sind. Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 133 Betrachten wir die Breitenverhältnisse des Körpers, so zeigt der Schimpanse ein schlankes Brustbein, das ganz allgemein an die Zu- stände der Säugetiere anzuschließen ist. Darüber kann ein Zweifel wohl nicht bestehen. Ganz ähnlich finde ich es beim Gibbon, während der Gorilla beim Männchen den Index 41, beim Weibchen den In- dex 33 zeigt. Es scheinen also hier Verhältnisse obzuwalten, die denen beim Menschen entsprechen. Beim Orang dagegen finden Fig. 41. Fig. 42. Sternum aus der Heidelberger Samm- lung mit abnorm ge- stalteten Manubrium 1. und 2. Segment mit 3. Segment verschmolzen. sterni. Insertion der'3. Rippe da, wo sonst die 2. inseriert. wir den Index von 75 beim Männchen, von 69 beim Weibchen. Bei dem Weibchen Nr. 2134 beträgt der Index 70. Diese Übereinstimmung der 3 hiesigen Exemplare ist natürlich nicht Zufall. Die ganze Gestalt des Brustbeins ist so abweichend von der bei den übrigen Säugetier- und Anthropoidenskeletten, daß man in dem breiten, plattenförmigen Sternum ein Organisations- merkmal des Orang erblicken muß. Das ist um so auffälliger, als die Tiere verhältnismäßig platte, kurze und zarte Rippenknorpel besitzen. Will man hierbei an eine funktionelle Deutung denken, so müßte man annehmen, daß zwischen Rippenknorpeln und Breite des 134 W. Lubosch Brustbeins ein kompensatorisches Verhältnis bestehe in dem Sinne, daß beide umgekehrt proportional seien, d.h. daß bei kurzen Rippen- knorpeln die Spannung ein breiteres Sternum erfordere. Doch ist das sehr ungewiß. Hinsichtlich der Einfügung der Rippen habe ich nirgends bei An- thropoiden einen Zustand gefunden, der sich den auf Processus costa- les aufgesetzten Rippen vergleichen ließe; alle Rippen sind in Sinus co- stales eingefügt. Doch sind diese beim Orang sehr flach, ja man könnte an der 5. und 6. Rippe (Fig. 40, besonders rechts), aber auch beim Gorilla (Fig. 38) die Andeutung eines Processus costalis finden. Wie diese Dinge physiologisch zu beurteilen sind, ist schwer zu sagen und ebenso wenig wissenschaftlich untersucht worden, wie die Atmungsvorgänge bei Säugetieren. Von Harrer (Physiologie, Lib. VIII, S. 42) wurde beob- achtet, daß sich beim lebenden Hunde das Brustbein bei der Einatmung vor- wölbe (sterni eminentia), bei der Ausatmung zurückdrücke (sterni repressio). Die einzige neuere Betrachtung über die Funktion des Thorax bei der Atmung der Säugetiere ist die von Hasse (9). Er vertritt den Standpunkt, daß die Thoraxform die Atmung beeinflusse und die Thoraxform wiederum von der Lebens- weise abhängig sei. Tiere, die die Last des Körpers auf 4 Füßen tragen, be- sitzen einen seitwärts komprimierten Thorax, wenig bewegliche Rippen und vor- zugsweise Bauchatmung; Tiere, deren Thorax entlastet ist, sei es durch Fliegen, Schwimmen, Klettern oder durch Gang auf 2 Beinen, besitzen einen kegelför- migen oder querovalen Thorax, freier bewegliche Rippen und gemischte oder reine Brustatmung. Hasse stellt sich vor, daß die Zwerchfellatmung das Primäre beim Säugetier gewesen sei und sich allmählich mit der thorakalen verbunden habe. Den höchsten Grad der Thoraxatmung besitzen nach Hasse die Halbaffen. Man kann, ja man muß diesen Ableitungen, die sich auf die Richtung und das Kaliber der Bronchien gründen, zustimmen, kann aber doch darüber ver- schiedener Ansicht sein, was nun für den Menschen und seine Ahnenformen als das Ursprüngliche anzusehen sei. Das hängt davon ab, ob mau sich wirk- lich die ältesten Säugetiere oder wenigstens die Ahnen des Menschen als Vier- füßer oder als hockende oder kletternde Tiere vorstellen will. Tut man letzteres, so würde für den Menschen und die ihm nahestehenden Tierformen folgen, daß die Bauchatmung das Sekundäre sei, wozu scheinbar aber wiederum der Bau des fötalen Thorax und die von GREGOR beschriebene Erscheinung nicht passen würde, daß der menschliche Säugling Bauchatmung habe, bis er sich aufrichte. Man ist aber gewiß nicht berechtigt, ‘die Anpassungsfähigkeit des Säuglings- körpers an seine Lebensweise ohne weiteres als phyletische Rekapitulation zu beurteilen. Tatsache ist jedenfalls, daß, auch ganz abgesehen von dem phyletischen Zusammenhang, abdominale Atmung bei Vier- füßern und beim Menschen, wie die oben berichteten Tatsachen zeigen, mit ganz verschiedenen Skeletteinrichtungen ausgeführt werden. Sehen wir also vom Funktionellen ab und beurteilen wir die Sachlage zunächst rein morphologisch, so scheint auch hier der neuer- dings so oft gezogene Schluß berechtigt zu sein, daß der Mensch Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 135 unter keinen Umständen eine Fortbildung irgendeines Anthropoiden- zustandes zeige. Es kommen gelegentlich so schlanke Sterna vor, wie sie der Gibbon und der Schimpanse besitzen; es finden sich auch im Durchschnitt sehr oft Sterna von der Gestalt und den Propor- tionen des Sternums vom Gorilla. Der Verwachsungszustand zeigt in der Mehrzahl aller Fälle beim Menschen ein beständigeres Ver- halten. Verlagerungen der Verwachsungsgrenze sind bei den Anthro- poiden offenbar sehr viel häufiger als beim Menschen. Die Grenze zwischen 2. und 3. Rippe ist die Norm beim Gibbon, der also ein längeres Manubrium hat, als der Mensch. Beim Menschen kommt diese Gibbongrenze allerdings öfter vor, besonders oft anscheinend bei Negern. Doch macht Dwisur darauf aufmerksam, daß die Ent- stehung hier ‚und dort verschieden sei, indem der Gibbon das Ver- knöcherungszentrum des 1. Korpussegmentes zur Rückbildung bringe, der Mensch dagegen das des 2. Manubriumsegmentes, so daß beim Menschen die 2. Rippe an die 1., beim Gibbon die 3. Rippe an die 2.rücke. Eine Theromorphie darf man also wohl darin beim Menschen nicht erblicken, obwohl KeıtH darauf hinweist, daß er in einem Fall beim Neger gleichzeitig Variationen der Muskulatur gefunden hat, die den Typus des Gibbon wiederholten. Auffällig im höchsten Maße ist es aber, daß das offenbar für den Orang typische Verhalten eines breiten Sternums mit Andeu- tungen von Processus costales auch bei einem Teil der menschlichen Sterna herrscht, allerdings so, daß es nicht in der Gesamtgestalt des Knochens, sondern nur in seinen unteren Partien hervortritt und in der Bildung der Processus costales einen Typus zeigt, der in diesem Grade bei keinem Säugetier zu beobachten ist. Unter diesen Um- ständen werden die in der Darstellung meiner Befunde oben ge- brauchten Termini eines primatoiden und eines hominiden Typus des Brustbeins als gut begründet anzusehen sein. 2. Auf Grund der Genealogie. Da wir an der Deszendenz des Menschen von tierischen Ahnen- formen nicht zweifeln, dagegen die monophyletische Deszendez im Sinne der bekannten »Stammesreihe«: katarrhine Affen, Anthropoiden, Vormensch, Mensch für durchaus zweifelhaft halten, so ist die Auf- gabe der genealogischen Forschung — wie ich das bereits an anderen Stellen betont habe — gegeben: auf Grund der beobachteten morpho- logischen Einzelmerkmale an der Hand der uns heute bekannten Vererbungsgesetze zu bestimmen, woher der Mensch die Einzelmerk- 136 W. Lubosch male seines Körpers ererbt hat. Diese unendlich mühselige, aber exakt lösbare Aufgabe hat die Phantasien der Stammbaumforsehung in Zukunft zu ersetzen. Kehre ich daher zu den in der Einleitung erwähnten Arbeiten von KLaArtsch zurück, so hat er in seiner Annahme zweier Typen, die er den gorilloiden und orangoiden Typus nennt, zweifellos das Prinzip ganz richtig erkannt, wenngleich wir seine Hypothese dahin erwei- tern müssen, daß es sicherlich nicht diese beiden Genera allein gewesen sind, die dem Menschen Erbgut übermittelt haben, sondern zahlreiche andere tierische Ahnen. Die Ansicht, KrAATscH habe mit seiner Hypothese eine zwiefache Entstehung des Menschen angenommen, ist nach dem Wortlaut seiner Lehre berechtigt. Aber der Sinn dieser Lehre läßt sich auch anders fassen, ‚und da ist er mit dem, was wir heute wissen, zweifellos in Übereinstimmung. Denn schwerlich ist es anders denkbar, als daß bereits der Vormensch eine rassenmäßige Divergenz besessen hat, und daß diese Rassen- bildungsvorgänge genau da begonnen haben, wo die tiefsten Wurzeln der Vormenschendifferenzierung liegen. Ganz treffend bezeichnet E. FıscHer dies Verhältnis (1913), wenn er sagt, daß Menschwerdung und Rassenbildung zusammenfallen. Läßt man dies bereits für Vor- menschbildung gelten, so ist es im wesentlichen ja das, was KLAATSCH gewollt hat. Das geneologische Netzwerk weist die Anthropoiden und Vor- menschen nicht in das Verhältnis von »Ahnen« und »Nachkommen«, sondern in das von Netzknotenpunkten, zu denen die Ahnenreihen aus zahlreichen Richtungen her zusammentreten. Damit, daß alle »Merk- male«, »Eigenschaften« — mögen sie primär entstanden sein wie sie wollen — dort, wo die Stammreihen divergent zu werden beginnen (Isolierung), Gelegenheit haben, auf verschiedene Stämme über- zugehen, und daß andererseits in dem gleichen Stamm die verschie- densten »Eigenschaften« kombiniert sein müssen, haben wir — wie ich kürzlich an anderer Stelle gezeigt habe (1920) — als mit einer Tat- sache zu rechnen. Es kann also nicht wundernehmen, daß beim Men- schen fast bei allen daraufhin untersuchten Organen (Skelettsystem, Ge- hirn) sich Beziehungen zu allen Anthropoiden, ja auch zu primitiveren Organisationen zeigen; dies spricht nicht gegen die »Deszendenz«, aber gegen die »Stammbäume«; es verpflichtet uns zur exakten Ana- lyse der »Menschenmerkmale« und ihrer Verfolgung rückwärts in die einzelnen Stämme. In meiner hier vorgelegten Untersuchung habe ich den Versuch Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins usw. 137 einer solchen Analyse und der Ausarbeitung ihrer Methodik ge- macht. Es ergibt sich im Rückblick folgendes. An den dem euro- päischen Rassengemisch angehörigen Sterna tritt ein Faktor für die Gestaltung des Knochens hervor, der als ein uraltes Säugetiermerk- mal anzusehen ist. Er ist durch funktionelle Einflüsse wohl ver- wischt, aber nicht unkenntlich geworden. Er ist bei den einzelnen Formen der Anthropoiden in ganz verschiedenem Maße erhalten und steht dabei gewiß unter funktionellem Einflusse, aber nicht aus- schließlich. Daneben zeichnet sich ein anderes Merkmal ab, das in reiner Form seltener, aber doch mit aller wünschenswerten Exaktheit nachzuweisen ist. Es ist wahrscheinlich, daß auch dies Merkmal älter als das Menschengeschlecht ist, und es scheint, daß in der Ein- führung dieses Merkmals in die Menschenrassen Verbindungen mit der Entwicklungsbahn des Orang eine Rolle spielen. Dieses Merk- mal geht mit einer stärkeren Tendenz zur Verknöcherung, nicht nur am Sternum, sondern: auch an den Rippenknorpeln Hand in Hand und hat sich innerhalb des Menschengeschlechts so gesteigert, daß ein direkter Vergleich darin mit der Tierwelt nicht mehr möglich ist. In der europäischen Bevölkerung sind beide Merkmale, das primatoide und das hominide, durch Kreuzungen derart kombiniert, daß das Brustbein zu einem äußerst polymorphen Skeletteil wird. Nach zwei Richtungen wäre das Ergebnis weiter zu verfolgen. Einmal im rassenanatomischen Sinne. Exakte Untersuchungen über die Sterna der Hauptrassen, vor allem solcher, die auch sonst am Skelett abweichende Einrichtungen zeigen (Weddas, Tamilen, Austra- lier) fehlen und werden gewiß weiteren Aufschluß über die Fragen geben. Sodann würde die pathologisch-anatomische und klinische Beobachtung feststellen können, ob dem »breiten« Brustbein oder dem extrem »schmalen« nicht eine pathognomische Bedeutung im Sinne der jetzt so ernsthaft aufgenommenen Untersuchungen über konstitutionelle Dispositionen zukomme. Da, wenn man darauf achtet, das breite Brustbein am Lebenden sehr leicht festzustellen ist, würde die Herstellung einer ausgedehnten Beobachtungsreihe keine Schwierig- keiten machen. Hierzu möchte ich zum Schluß gern die Anregung geben. Würzburg, 31. Juli 1919. 138 1788. 1855. 1858. 1858. 1859. 1860. 1863. 1864. 1873. 1874. 1876. 1880. 1881. 1881. 1881. 1882. W. Lubosch Literatur. 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T. mit ihr wenigstens im gleichen Tempo sich abspielen und in dieser Weise wenigstens mit ihr in Einklang stehen. Alle Ursprungsgebiete des Muskels werden in diesem Sinne be- troffen. 1. Die an den Wirbeldornen bei allen Primaten auftretende Pars vertebralis s. spinalis reicht bei niederen Abteilungen höher hinauf als wie bei höheren Affen und beim Menschen. Wir finden sie bei Halbaffen schwankend bis zum 2. thorakalen Wirbel hinauf- reichend (Ohiromys), oder nach unten bis zum 6. oder 8. Wirbel ver- schoben. Bei Platyrrhinen liegen die Grenzen der schwankenden Verhältnisse zwischen dem 6. und 9., bei Cercopitheeidae zwischen dem 5. und 8. Wirbel, und nur bei Colobus dehnt die orale Ur- sprungsgrenze sich bis auf den 10. Wirbel aus. Bei Hylobatiden ist die orale Zacke am 8., 9. oder am 10. Wirbel zu finden. Sie ist unter den Anthropoiden bei Orang und Schimpanse auf den 9. oder 10., bei Gorilla aber auf den 9., 10. oder 11. Wirbel kaudalwärts gerückt. Aus dieser Reihe ergibt sich die Ursprünglichkeit eines oral- wärts vorgeschobenen Ursprungsfeldes.. Der 9., thorakale Wirbel bildet, mit Ausnahme von Ateles, nur bei Hylobatiden und Anthro- pomorphen, der 10. und 11. nur bei den letzteren die obere Ur- Sprungsgrenze. 142 Georg Ruge Beim Menschen stellen sich ursprünglichere Verhältnisse ein. Niedere Rassen lassen den 5., 6., 7. oder 8. Wirbel als orale Grenze für den Muskelursprung erkennen, die Europäer den 4.—9. Wirbel. Dies Verhalten beim Menschen bleibt zweideutig. Entweder ist bei ihm der ursprünglichere Primatenbefund immer erhalten geblieben, oder er hat sich aufs neue wieder eingestellt, nachdem Wandlungen wie bei Anthropomorphen vorausgegangen waren. 2. Die von den Rippen ausgehenden Muskelabschnitte werden bei Halbaffen vermißt; bei Cercopithecidae spielen sie eine unter- geordnete Rolle, indem sie bei den meisten Formen fehlen und nur bei Papio babuin, Semnopithecus und Colobus angetroffen worden sind. Eine Pars costalis gehört aber zum Bauplane der Platyrrhina, Hylobatidae, Anthropomorphae und der Menschenrassen. Für diese Abteilungen läßt sich eine geschlossene Reihe feststellen, welche die Richtung der Veränderungen an den Rippenzacken angibt. Sie dehnen sich in verschiedener Weise oralwärts bis zur 7. Rippe aus. Gesetz- mäßige Umwandlungen lassen sich feststellen, wenn die untere Grenze des Ursprunges zum Ausgangspunkte der Betrachtungen ge- wählt wird. Die 14. Rippe bildet die untere Grenze bei Ateles ater, die 13. Rippe bei anderen Platyrrhinen, Hylobatidae, Gorilla, Schimpanse in 66,7%, Orang in 33,3 %, die 12. Rippe bei Schimpanse in 33,3%, bei niederen Rassen in 91,3%, bei Europäern! in 39%, die 11. Rippe bei Orang in 33,3%, niederen Rassen in 7,7% und bei Europäern in 58%, die 10. Rippe bei Europäern in 2%, die 9. Rippe bei Europäern in 1%. Hieraus geht hervor, daß die 14. und die 13. Rippe in der auf- steigenden Reihe die Bedeutung als Ursprungsstätten des Latissimus dorsi vollkommen einbüßen, daß dafür die 12. Rippe beim Schimpanse einrückt an den Platz, an welchem die letzte Zacke gefunden wird, daß sie bei niederen Rassen (91,3%) die regelmäßige Stätte für sie geworden ist, und daß sie bei Europäern nur noch selten (39%) diese darstellt. Die 11. Rippe hat bei Europäern die Rolle in 58% übernommen; sie hat in selteneren Fällen beim Orang (33,3 %) die- selbe Eigenschaft erworben. ! Die Angaben für Europäer beziehen sich im besonderen auf die Züricher Bevölkerung. Ursprung des breiten Rückenmuskels bei Halbaffen, Affen u. beim Menschen. 143 Die 11. Rippe wird, soweit es bekannt ist, nur bei Europäern ausgeschaltet. Das trifft aber nur in 2% zu. Die 10. Rippe ist bei Europäern nur in 1% dem Ursprungs- gebiete entzogen. Diese Ausschaltung von Rippen aus dem Ursprungsgebiete des Latissimus dorsi macht sich an fünf Segmenten in voller Wirkung oder in den ersten Anfängen geltend. Sie geht Hand in Hand mit der Rückbildung von aboralen Rippen selbst und ist demnach eine offenkundige Folgeerscheinung der segmentalen Verkürzung des Rumpfes. Beim Menschen spielt sich der Vorgang z. T. im Bereiche der 12. Rippe am lebhaftesten ab. Sie steht auf dem Aussterbeetat und wechselt erheblich in ihrer Länge; sie ist bei der Züricher Bevöl- kerung in der Regel so kurz, daß sie aus dem Bereiche der Pars costalis gewichen ist. Die 11. und 10. Rippe lassen entsprechend ähnliche Verkürzungen erkennen und leiten die oralwärts stattfindende Verlagerung der letzten Rippenzacke ein. Eine Reihe bedeutsamer Tatsachen wurde von H. Frey bei der Züricher Bevölkerung durch Häufigkeitsaufnahmen mitgeteilt. Was die Häufigkeit der Zackenzahl betrifft, so treten 3 Zacken in 42%, Ans » 32%, a » 24%, 1 Zacke » 2% auf. Die mit Ursprungszacken besetzten Rippen ordnen sich nach ihrer Inanspruchnahme wie folgt: 11. Rippe in 97,5%, U ra 95 9. » » 54 %, Pe er 8. >» > 3 %. 11. und 10. Rippe bilden hiernach fast immer für den Muskel Ursprungsstätten; die 9. Rippe kommt in mehr als der Hälfte der Fälle in Betracht. Die 12. Rippe ist jedoch in 61% ausgeschaltet worden. Die Art dieser Ausschaltung bleibt erkennbar; sie vollzieht sich unter Verkürzung der 12. Rippe, unter Zurückziehen des freien Endes aus dem Bereiche der Ursprungszacke, welche sich erhalten kann, und dann auf die Fascie des M. obliquus abdom. externus den Aus- 144 Georg Ruge gangspunkt verlegt. Das findet in 7% aller Fälle statt. Der Ur- sprungsort befindet sich dann vor der verkürzten 12. Rippe. Fehlt die 12. Rippenzacke, so ist auch die 11. beeinflußt; indem sie nicht mehr am häufigsten die untere Ursprungsgrenze des Muskels anzeigt, diese Eigenschaft vielmehr auf die 10. und 9. Rippe, also auf ein höher liegendes Segment übertragen hat. Die Ausdehnung des Ursprunges in oraler Richtung ist fol- gendermaßen verteilt: auf die 8. Rippe in 3%, 9. » » 49 %, 10. » » 41%, I. » » 3%. Bildet die 8. Rippe die kraniale Grenze, so läßt der Brustkorb Merkmale stärkster Umbildung erkennen: die 12. Rippe ist verküm- mert, und die 7. hat ihren Anschluß an das Brustbein verloren. Dorsal und ventral sind Reduktionen also am Skelett eingetreten, und als Folge davon griff der Latissimus dorsi auf die 8. Rippe über. Die Schwankungen der aboralen und oralen Ursprungsgrenze stehen demnach in erkennbarer Korrelation zu Veränderungen am Brustkorbe; erstere in engster Abhängigkeit von der sich verkürzen- den 12. Rippe, letztere in Wechselbeziehung zum Verluste der Eigen- schaft der 7. Rippe als einer »sternalen«. Die 12. Ursprungszacke ist wie die 12. Rippe dem Untergange geweiht. Für die 12. Rippen- zacke des Muskels spricht sich dies darin aus, daß sie 1. nur noch in 39% besteht, 2. in 7% vom Obliq. abdom. ext. ausgeht und 3. in 54% fehlt. Hiermit steht im Zusammenhange, daß die 11. Rippenzacke beim Menschen in 51% oder in 58%, wenn die 7% unter 2. für die 12. Zacke hinzugezählt werden, die aborale Grenze für den Muskel abgibt. Die 11. Rippe hat demnach die Rolle der 12. Rippe in der Mehrzahl der Fälle übernommen. Abhängigkeit der 12. und 11. Zacke von der Länge der 12. Rippe prägt sich in der Tatsache aus, daß die 12. Zacke 1. besteht, wenn die Rippe wenigstens 14,6 cm lang ist, daß sie 2. fehlt, wenn die Rippe auf 9cm verkürzt ist, daß sie 3. ebenso wie die 11. Zacke fehlt, wenn die 12. Rippe sehr ver- kürzt oder ausgeschaltet ist. Ursprung des breiten Rückenmuskels bei Halbaffen, Affen u. beim Menschen. 145 Ist nun gar die 11. Rippe sichtlich der Reduktion verfallen, so stellt sich die letzte aborale Muskelzacke an der 10. Rippe ein. Hierin sprechen sich sehr enge Wechselbeziehungen zwischen Skelett und Muskulatur im aboralen-dorsalen Gebiete des Thorax aus. Aber auch weitere Korrelationen sind statistisch nachgewiesen. Ist der Brustkorb in ursprünglichem Aufbau mit 3 sternalen Rippen, so ist die primitive 12. Zacke des Muskels in 89% der Fälle er- halten. Ist die 8. Rippe auf einer Seite vom Brustbein gelöst, so kann die 12. Muskelzacke fehlen. Dieser Befund legt die Annahme nahe, daß der Rückbildungsvorgang dorso-aboral sich rascher als ventro-oralwärts vollziehe.e Diese Annahme wird gestützt durch die Tatsache, daß ein progressiv gebauter Brustkorb mit nur 6 Sternal- rippenpaaren regelmäßig nicht nur die 12., sondern auch die 11. kostale Latissimuszacke eingebüßt hat. Der normale Brustkorb mit 7 Sternalrippen zeigt die 12. kostale Muskelzacke in 34%, besitzt sie als von der Rippe auf den äußeren schrägen Bauchmuskel übergetretene in 8% und läßt sie vermissen in 58%. Die im Dorsalgebiete rascher als ventral fortschreitende Ein- schmelzung von Segmenten muß eine Ursache haben. Es liegt nahe, die Einlagerung von Herz und großen Gefäßen, von Teilungsstelle der Luftröhre u. s. f. in den ventralen und weiter oral befindlichen Thoraxraum für die langsamer fortschreitenden Veränderungen in dem Komplex von Erscheinungen verantwortlich zu machen. Da das Auftreten von freien oder fluktuierenden Rippen nur eine Teilerscheinung des Verkürzungsvorganges am 8.—13. Rippenpaare ist, so hat H. Frey bei den zielbewußten, statistischen Aufnahmen auch eine Wechselbeziehung zwischen den jeweiligen Befunden von freien Rippen und Latissimuszacken feststellen können: a) ist die 11. Rippe die erste freie Rippe, so besteht die 12. kostale Muskelzacke in 86% ; b) ist die 10. Rippe frei geworden, so besteht die 12. Zacke nur noch in 27%; ec) hat die 9. Rippe sich aber vom festen Rippenbogen gelöst, so kann nicht nur die 12., sondern auch die 11. Zacke fehlen. Hier liegt eine Fülle von erfreulichen Ergebnissen, auf einem kleinen Untersuchungsfelde gewonnen, vor, welche den in großen . Zügen innerhalb der ganzen Primatengruppe sich abspielenden Um- wandlungsvorgang auch im engeren Kreise des Genus homo deutlichst uns vor Augen treten lassen und dabei zugleich manches Neue lehren. Morpholog. Jahrbuch. 51. 10 146 Georg Ruge, Ursprung des breiten Rückenmuskels bei Halbaffen, Affen usw. 3. Eine am Darmbeinkamme ausgehende Pars iliaca fehlt den Halbaffen, Platyrrhinen und unter den Katarrhinen allen Cercopithe- ciden und Hylobatiden. Bei letzteren wird sie in ersten Andeutungen angetroffen. Sie kommt jedoch allen Anthropomorphen zu und ist als regelmäßige Bildung auch dem Menschen zuzuerkennen. Die Bevölkerung des Kantons Zürich besitzt sie in 92,86 1. Auch diese Erscheinung deckt sich mit der Tatsache, daß die segmentale Verkürzung des Rumpfes den höchsten Grad bei den- jenigen Vertretern erreicht hat, bei welchen eine Pars iliaca besteht. Mit der Abnahme der Höhe der Rückenlende stellen sich von selbst die Bedingungen einer Anheftung des Latissimus-Ursprunges am Hüftbeine ein. Andere Momente mögen dabei auch eine Rolle spielen, wie z. B. die mächtige Entfaltung der Darmbeinschaufeln der Anthropomorphen und eine stärkere Ausbildung des ganzen Mus- kels an den freier werdenden oberen Gliedmaßen. Diese Änderungen stehen aber unter dem Einflusse der sich einstellenden aufrechten Körperhaltung bei Antbropomorphen und beim Mensch, welche als eine Haupttriebfeder für die Umwandlungen am Rumpfe und an der Muskulatur der freier werdenden oberen Gliedmaße sich äußert. Hier machen sich aber Einwirkungen geltend, welche im einzelnen nicht aufgeklärt sind. Man sollte z. B. erwarten, daß die Pars iliaca beim Menschen rechterseits häufiger als links zur Ausbildung käme. Es ist aber nach H. Frey das Gegenteil der Fall: das Verhältnis im Fehlen der Beckenportion zwischen rechts und links ist 5:2. Diese Tatsache steht wohl im Einklange damit, daß der ursprüngliche Bau am Thorax sich rechts länger erhält als links, aber sie deckt sich nicht mit der Ausbildung der Rechtshändigkeit, welche die fort- schrittliche Entwicklung der Muskulatur begünstigen sollte. ı H. Frey, 1917. Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). Von Gustav Michelsson, Prosektorgehilfe am anatomischen Institut der Universität Dorpat. Mit 13 Figuren. Die Hautmuskulatur der Säugetiere nimmt unter der übrigen Skelettmuskulatur eine Sonderstellung ein. Dank ihrer Insertion an der Haut, welche keine scharf begrenzten Ansatzflächen bietet und ihrem häufigen Ursprung von Faszien und Bindegewebe, welche einen nicht minder variablen Ursprung bieten, hat sie sich eine größere Verschiebungsmöglichkeit erhalten, als die Skelettmuskulatur, welche durch feste Ansatzpunkte mehr fixiert ist. Hierzu kommt noch, daß die Haut in der Säugetierreihe verschiedenen Funktionen angepaßt ist, und mit ihr auch die sie versorgende Hautmuskulatur verschie- denen Aufgaben zu genügen hat. Die Hautmuskulatur des Pferdes, welche dazu dient, um einzelne Hautbezirke in zitternde Bewegung zu versetzen, ist anders gestaltet, als die Hautmuskulatur der mit Stacheln versehenen Säugetiere, bei denen sie die mächtige Schutz- waffe wirksam entfalten muß, und wieder anders bei den Panzer- und Schuppentieren, wo sie zur Bewegung der einzelnen Schilde . dient. Diese Mannigfaltigkeit der Hautmuskulatur ist nicht nur an und für sich interessant, sondern es läßt sich annehmen, daß eine gründliche Kenntnis der Hautmuskulatur auch auf die Gesetze der Wanderung und Differenzierung der Muskeln überhaupt einiges Licht werfen wird. Andererseits erschwert die große Variabilität und das beinahe vollständige Fehlen fester Ansatzpunkte das Studium dieser Muskeln bedeutend. Beinahe als einziger zuverlässiger Leitfaden kann mıs die Innervation dienen. Auf den großen Wert der Innervation bei morphologischen Unter- suchungen der Muskulatur hat namentlich FürBrınGEr aufmerksanı Morpholog. Jahrbuch. 51. 11 148 ° Gustav Michelsson gemacht. In seiner Arbeit »Zur vergleichenden Anatomie der Schulter- muskeln« stellt er fest, daß die Innervation der Muskeln weit weniger variiert, als Muskelansatz, Versorgung mit Blutgefäßen und gegen- seitige Lagerung. In seinem großen Werk »Zur Morphologie und Systematik der Vögel« versuchte FÜRBRINGER, diese Konstanz der Innervation kausal zu begründen. Nach seiner Theorie bilden Muskel und zugehöriger motorischer Nerv von den ersten Entwick- i lungsanfängen an ein untrennbares Ganzes: den Neuromuskelapparat; daher können zu homologen Muskeln nur homologe Nerven gehören. Da nun die Nerven höchst konservativ sind und daher leicht iden- tifiziert werden können, haben wir ein sicheres Mittel Muskelhomo- logien festzustellen. Die große Tragweite dieses Gesetzes leuchtet ohne weiteres ein und es ist verständlich, daß FÜRBRINGER dasselbe eingehend zu begründen sucht. Der Kernpunkt der Frage liegt in der Feststellung des Zeit- punktes, an welchem sich Nerv und Muskel verbinden, eine Frage, in welcher auch heute noch keine vollständige Übereinstimmung herrscht. -Zwei Möglichkeiten kommen in Betracht. Einmal ist es denkbar, daß Muskel und Nerv sich unabhängig voneinander ent- wiekeln und erst sekundär, während des Embryonallebens vereinigen; andererseits ist es möglich, daß Muskel, Nervenfaser und Ganglien- zelle aus einer Zelle hervorgehen und daher einen unzertrennlichen Apparat bilden. Die Mehrzahl der Forscher schließt sich der ersten Annahme an. Es läßt sich nicht leugnen, daß dieser Theorie eine gewisse Schwierigkeit anhaftet, es läßt sich nämlich schwer vorstellen, wie der frei wachsende Nerv den zugehörigen Muskel oder sein Endargan finden kann und zwar mit absoluter Sicherheit. Hauptsächlich diese Denkschwierigkeit veranlaßt andere Forscher, einen primären Zusammenhang von Nerv und Muskel anzunehmen, zu diesen gehört auch FÜRBRINGER. Bei seinen Ausführungen stützt er sich auf keine konkreten Beobachtungen, sondern führt seinen Beweis indirekt, indem er bestrebt ist die Ausführungen seiner Gegner als nicht beweiskräftig darzustellen. FÜRBRINGER nimmt an, daß wir anfänglich den Zusammenhang von Muskel und Nery nicht sehen, weil unsere Technik noch nicht imstande ist denselben darzustellen. Bei Vervollkommnung unserer Färbetechnik würden wir, seiner Mei- nung nach, diese Verbindung wahrnehmen können. Bei unseren jetzigen Methoden läßt sich die Verbindung nur dann nachweisen, wenn die Differenzierung des Gewebes so weit vorgeschritten ist, Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 144 daß sie unserer Färbetechnik zugänglich wird. Da diese Differen- zierung vom Zentrum zur Peripherie fortschreitet, so wird ein freies Wachstum des Nerven vorgetäuscht. Eine Stütze der FÜrBRINGERschen Anschauung könnte man in Herps Plasmodesmentheorie suchen. HeLp nimmt an, daß alle Or- gsane des embryonalen Körpers von vorn herein durch plasmatische Fäden, die Plasmodesmen, miteinander verbunden sind, in diese Bahnen wachsen später die Nerven hinein und gelangen auf diese Weise zu ihren Organen. Jedoch spricht die HzLnsche Theorie nicht zu Gunsten FÜRBRINGERS Neuromuskeltheorie, da ja Hero selbst die Plasmodesmen nicht für undifferenzierte Nerven hält, sondern die Nerven erst durch die Fäden zum Organ gelangen läßt, die Ver- bindung von Nerv und Muskel ist also doch letzten Endes sekundär. Die Untersuchungen der letzten Jahre entscheiden die strittige Frage offenbar zu Gunsten einer sekundären Verbindung von Nerv und Muskel. Schon Ramon Y CAJAaL gelang es die Endkolben wach- sender Nerven darzustellen. HArrıson gelang es 1908 in vitro Nerven zu züchten und ihr Wachstum unter dem Mikroskop direkt zu beob- achten. Wenn.hierdurch bewiesen ist, daß die Nerven frei und ohne jegliche unsichtbare Verbindungen wachsen, so stellte BOEKE fest; daß die Endapparate der motorischen Nerven, d. h. die endgültige Verbindung von Nerv und Muskel, sich verhältnismäßig spät bildet. Die Nerven wachsen in die Urwirbel zu einer Zeit ein, wo diese sich im Stadium des Syneytiums befinden, sie umflechten jede Muskel- zelle und wachsen zusammen mit ihnen, die Endplatte aber bildet sich erst viel später, wenn die Querstreifung schon deutlich hervortritt. Aus diesen Untersuchungen scheint uns einwandfrei hervorzu- gehen, daß Nerv und Muskel sich sekundär verbinden. Hierdurch verliert allerdings die FÜRBRINGERsche Theorie ihren Charakter eines absolut geltenden Gesetzes, die Möglichkeit von Ausnahmen muß zugegeben werden und tatsächlich sind solche auch beobachtet worden. Allerdings scheinen Fälle, wo homologe Muskeln von verschiedenen Nerven versorgt werden, außerordentlich selten zu sein und meistens unter nahe stehenden Muskelgruppen vorzukommen. ÜUNNINGHAM hat eine Reihe solcher Fälle gesammelt und veröffentlicht. Als typisch für eine ganze Gruppe soleher Variationen kann das Verhalten der Innervation der Mm. interossei und lumbricales an Hand und Fuß des Menschen gelten. Es findet hier ein Wettstreit zwischen N. me- dianus und‘ ulnaris bzw. N. plantaris medialis und lateralis statt. Es ist leieht einzusehen, daß solchen Ausnahmen keine große Be- 11* 150 Gustav Michelsson deutung zugesprochen werden kann, da beide Nerven nicht nur von ein und demselben Geflecht stammen, sondern aus gleichen Rücken- marksnerven zusammengesetzt sind. Es ist daher durchaus denkbar, daß in allen diesen Fällen Ganglienzelle, Nervenfaser und Muskel- taser dennoch streng homolog sind. Hierher können wir offenbar auch: einen anderen von CUNNINGHAM angeführten Fall rechnen. Nach PATErson wird der m. ischio-femoralis bei den Reptilien nicht immer von gleichen Nerven innerviert. Bei J/guana wird er von einem Zweig aus dem Plexus ischiadieus versorgt, bei Krokodilen vom N. obturatorius und beim Varan von beiden. Andererseits wird der M. adduetor magnus, welcher nach CunxInGHAM dem ischio-femo-— ralis der Reptilien homolog ist, bei den Beuteltieren, wie bei /guana aus dem Plexus ischiadieus innerviert, bei den übrigen Säugetieren aber, wie beim Varan vom Ischiadicus und Obtoratorius. Außer der Möglichkeit, daß auch hier die homologen Nervenfasern nur in anderem Rahmen zu ihren Muskeln gelangen, kann es aber auch möglich sein, daß der M. adductor magnus (außer bei den Beutel- tieren) und der ischio-femoralis des Varan aus zwei, ursprünglich getrennten Muskeln entstanden sind, welche sich bei Krokodilen und Iguana noch getrennt erhalten haben. Ein weiterer von CUNNINGHAM angeführter Fall ist weit schwie- riger. Nach Russ Angaben werden bei Ornithorhynchus der M. tibialis anterior und ein Teil des M. extensor hallucis longi von einem Zweig des M. femoralis innerviert. Wenn man den M. tibialis anterior von Ornithorhynchus demjenigen der übrigen Säugetiere homolog ‚setzt, so muß man annehmen, daß ein Wechsel der Innervation statt- gefunden hat, was Rue und mit ihm auch CunNInGHAM, mit Recht für unwahrscheinlich hält. Rue nimmt an, daß bei Ormztho- rhynchus der ursprüngliche M. tibialis anterior geschwunden ist und durch neue Muskelmassen, welche vom Oberschenkel herabwanderten, ersetzt worden ist. Der Muskel wäre also nach Rus dem gleich- namigen Muskel der übrigen Säugetiere nicht homolog. Uns scheint auch diese Erklärung nicht sehr wahrscheinlich, es ist auch in diesem Fall warscheinlicher anzunehmen, daß die homologe Nervenfaser in einem anderen Nerven verläuft. In einer unlängst erschienenen Arbeit von FızrAnpr finden wir Angaben, welche der Fürsrınserschen Theorie direkt widersprechen. In seiner Zusammenfassung der Innervation der Zungen- und Zungen- beinmuskulatur sagt er: »Soweit wir jetzt den Plexus hypoglosso- eervicalis kennen, ist es überhaupt unmöglich, eine strikte oder kon- Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 151 stante Innervation in diesem Gebiet anzugeben. Das ganze Gebiet ist flüssig. Bald wird z. B. der M. thyreo-hyoideus ausschließlich von zervikalen Fasern, bald nur von Hypoglossus-Zweigen, bald von beiderlei Fasern zusammen innerviert. Dasselbe können wir von dem M. genio-hyoideus sagen. Es ist also durchaus unnötig, darüber zu streiten, wie weit die zervikalen Fasern beim Menschen reichen, da sie sicherlich bei verschiedenen Individuen ganz ver- schieden verlaufen!.c Aus der an derselben Stelle von FIEAnDT ge- gebenen Tabelle entnehmen wir z. B. für den M. geniohyoideus, daß er bei einigen Beuteltieren ausschließlich vom N. hypoglossus inner- viert wird, bei einigen Insektivoren vom Hypoglossus und den beiden ersten Halsnerven, bei Macacus dagegen ausschließlich vom zweiten (oder CIII?) Halsnerven. Ähnliche Verschiedenheiten der Innervation findet man in dieser Tabelle auch für die anderen Muskeln dieser Gruppe. Jedoch scheint uns, daß Fıisaxpr die Innervation nicht einwand- frei bewiesen hat. Seine Resultate sind allein auf Grund von Prä- parationen gewonnen, er versuchte auf diese Weise die Nervenge- flechte am Halse zu entwirren und die einzelnen Nervenfasern durch die Anastomosen hindurch zu verfolgen. Wer sieh mit derartigen Präparationen beschäftigt hat, wird wissen, wie unsicher die Resul- tate dieser Methode sind, völlige Gewißheit dürfte wohl kaum zu erlangen sein. Bei solehen Arbeiten kann nur die Reizung des Nerven. entscheidende Resultate gewährleisten. Übrigens gibt auch FıEanpr selbst dieses zu, auf S. 534 der angeführten Arbeit sagt er, daß er sich völlig bewußt war, »daß eine vergleichend-anatomische Untersuchung doch nicht unzweideutig und endgültig das ganze große Problem des Nervus hypoglossus enträtseln kann, sondern daß dazu noch parallele Untersuchungen auf dem Gebiete der Physiologie und Embryologie erforderlich sind«. Solange dieser physiologische Be- weis noch nicht erbracht ist, scheinen uns die von FiEAnDT gemachten Angaben zur Diskussion der uns interessierenden Frage noch nicht reif zu sein. Wenn wir also auch eine sekundäre Vereinigung von Nerv und Muskel annehmen und damit die Fürsrıngersche Theorie nicht für absolut zwingend halten, so sind wir doch der Meinung, daß der Innervation beim Studium der Muskulatur eine hervorragende Rolle zukommt, «a ohne Frage die Nerven die unveränderlichsten Elemente 1 FIEANDT, 1. c. S. 615. 152 Gustav Michelsson sind und die wenigen bis jetzt bekannten Ausnahmen der FÜRBRINGER- schen Theorie beweisen wie groß die Konstanz der Innervation ho- mologer Muskeln durch homologe Nerven ist. Die Hautmuskulatur der Säugetiere ist noch wenig untersucht, gut bekannt ist nur die Hautmuskulatur der Monotremen und die. Gesichtsmuskulatur der Halbaffen und Affen, über welche Arbeiten von RuGE vorliegen, welcher auch die Nerven berücksichtigt hat. Recht gut bekannt ist auch die Hautmuskulatur der Insektivoren. Von den übrigen Säugetieren liegen nur vereinzelte oder gelegent- liche Bemerkungen vor, wobei die Innervation meistens nicht berück- sichtigt ist. i Die Hautmuskulatur des Igels, welche den Gegenstand der vor- liegenden Untersuchung bildet, ist schon einigemal beschrieben worden. Die erste mit Abbildungen versehene Arbeit stammt von ZoNIEwW (Acta Petropolitana 1779, Seite 224). Die nächste bemerkenswerte Arbeit verdanken wir Hımry, der die Hautmuskulatur des Igels im allgemeinen richtig beschreibt, obschon auch beträchtliche Irrtümer vorkommen. Die Arbeit von WETTER ist nur ein Auszug dieser Abhandlung von HımLy. Bei Carus finden wir ziemlich primitive Abbildungen, aus denen man sich keine Vorstellung von dem ver- wickelten Bau der Hautmuskulatur des Igels machen kann. Diese Abbildungen hat auch Weser in seinem bekannten Werk über die Säugetiere aufgenommen. In der Doktordissertation von LEUKERT werden der Hautmuskulatur des Igels nur drei Seiten gewidmet, die Muskeln werden nicht riehtig beschrieben und auf den bei- gegebenen Tafeln nicht minder falsch abgebildet. Im Vergleich zu Hımzy bedeutet die Arbeit entschieden einen eroßen Rückschritt. Im Tafelwerk von Cuvier und BAUVILLARD ist die Hautmuskulatur des Igels in vielen Beziehungen unklar und ungenau dargestellt, ein beschreibender Text fehlt leider. Die besten Beschreibungen verdanken wir Huxıy und Dogson, namentlich hat der letztere in seinem großen Werk über die Insektivoren eine recht eingehende Beschreibung der Hautmuskulatur dieser Ordnung gegeben. Aber auch in diesen Arbeiten finden sich Ungenauigkeiten und die Inner- vation ist gar nicht berücksichtigt. Kurze Notizen über die Haut- muskulatur des Igels finden wir u. a. auch bei EısLer und PArsons. In der vorliegenden Arbeit haben wir uns bemüht eine genaue Beschreibung der Hautmuskulatur des Igels zu geben, mit ein- gehender Berücksichtigung der Varietäten. Zu diesem Zwecke habe ich über 35 Igel zergliedert. Gemäß der großen Wichtigkeit, Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 153 welche unserer Meinung nach der Innervation zukommt, wurde ein besonderes Gewicht auf die Feststellung derselben gelegt. Außer Präparation der Nerven, wobei auch ihr intramuskulärer Verlauf be- rücksichtigt wurde, wandte ich in ausgedehniester Weise die physio- gische Methode an. Die Nerven wurden an leicht narkotisierten Tieren freigelegt und mit dem Induktionsstrom gereizt. Die Ergeb- nisse wurden an mehreren Exemplaren nachgeprüft. Beim Lesen morphologischer Arbeiten befremdet es einen oft, daß diese einfache Methode so selten angewandt wird, auch in Fällen wo lebendes Material leicht zu beschaffen ist. Auch die sorgfältigste Präparation, selbst wenn das Mikroskop zu Hilfe genommen wird, kann in vielen Fällen keine absolut sicheren Resultate geben. Zum Beleg des gesagten, können die vielen Widersprüche über Muskel- innervation dienen, welche auch in der menschlichen Anatomie vor- kommen, z. B. der M. sternocleidomastoideus, trapezius u. a. Auf dem Gebiete der Innervation der Hautmuskulatur bietet uns eine Polemik zwischen KOHLBRUGGE und RuGE einen weiteren Beweis für die Richtigkeit des gesagten. KOoHLBRUGGE behauptet, daß bei den Beuteltieren die tiefen Schichten des Hautmuskels vom N. thora- ealis anterior, die oberflächlichen dagegen von den N. intercostales innerviert werden. Auch die Gesichtsmuskulatur wird nach ihm von zwei Nerven innerviert, vom N. facialis und Zervikalnerven. Es muß noch erwähnt werden, dab KOHLBRUGGE unter der Lupe präpa- rierte und die Anastomosen anschnitt und unter dem Mikroskop weiter untersuchte. Zu gleichen Resultaten kamen auch McKay für die Monotremen und LEHKE für Galeopetheus. RuGE leugnet dagegen eine doppelte Innervation, seiner Meinung nach hat KOHLBRUGGE motorische mit sensiblen Nerven verwechselt, welche nach seinen Erfahrungen immer leicht zu unterscheiden sind. Für die Hautmuskulatur wird die Unterscheidung noch dadurch erschwert, daß die oft sehr dünnen Muskeln der Haut fest anliegen, oder wie der M. orbieularis beim Igel, mit ihr verwachsen sind, es ist dann sehr schwer festzustellen ob ein Nerv den Muskel durch- setzt um zur Haut zu gelangen oder in ihm endigt, ganz abgesehen davon, daß auch im Muskel sensible Nerven vorkommen. Aber außer diesen Schwierigkeiten, die man vielleicht noch überwinden könnte, gibt es Fälle, wo eine Entscheidung, welcher Nerv den Mus- kel innerviert unmöglich ist, ich meine alle diejenigen Fälle, wo sensible und motorische Nerven auf dem Muskel oder auch in ihm Nervengeflechte bilden, von denen erst Ästehen abgehen, welche den 154 Gustav Michelsson Muskel innervieren. Durch Präparation können wir in diesen Fällen nicht feststellen, in welchem der beiden Nerven die motorischen Fasern verlaufen. Wie FROoHSE, EISLER u. a. nachgewiesen haben, sind diese Endgeflechte durchaus keine Seltenheit, ja höchst wahr- scheinlich bilden sie die Regel. Ich führe als schönes Beispiel aus der menschlichen Anatomie den M. oceipitalis an. Nach EısLer be- findet sich auf dem Muskel ein Endgeflecht, an dem sich der N. oeeipitalis minor, major und der N. facialis beteiligen, die motorischen Fasern gehen als feine Ästchen von diesem Geflecht ab. Aber nicht nur Endgeflechte machen eine absolut sichere Be- stimmung des motorischen Nerven unmöglich, es genügen auch schon Anastomosen, wie gerade die Widersprüche in den Angaben der Innervation der Halsmuskulatur zeigen. Beim Igel bilden alle Haut- muskelnerven Anastomosen: der N. thoracalis anterior mit den Nn. intercostales; der N. facialis mit Zervikalnerven und der N. acces- sorius ebenfalls mit Zervikalnerven. In allen diesen Fällen kann nur die physiologische Methode sicheren Aufschluß über die Inner- vation geben. \ Wie bei den Säugetieren überhaupt, so können wir auch beim Igel die Hautmuskulatur in zwei Gruppen einteilen: 1. Die vom N. facialis innervierte Hautmuskulatur des Halses und Kopfes und 2. die Rumpfmuskulatur, welche vom N. thoracalis anterior innerviert wird, mit Ausnahme des M. dorso-cutieularis, welchen der N. acces- sorius versorgt. Die Hautmuskulatur des Halses und Kopfes. M. fronto-dorsalis. Die mächtigen Muskelmassen, welche die ganze Oberfläche des Schädels bedecken und in der Mittellinie sich berühren, ziehen zwischen den Ohren hindurch nach hinten, wobei sich ein Teil an der Ohrmuschel festsetzt. Hinter den Ohren divergieren die beiderseitigen Muskeln, ziehen unter dem queren Teil des M. orbieularis hindurch und setzen sich in der Schultergegend an der Haut an. Die ganze mächtige Muskelmasse hat durch Ein- lagerung von Bindegewebe ein lockeres Gefüge und läßt sich leicht nach Belieben in einzelne Schichten und Fasergruppen zerteilen. Wir können jedoch auf Grund verschiedener Faserrichtung und An- satzpunkte eine Anzahl Unterabteilungen unterscheiden, welche sich allerdings nicht ganz einwandfrei von der allgemeinen Muskelmasse abtrennen lassen, aber dennoch eine gewisse Selbstständigkeit auf- Die Hautmuskulatur des Igels (Erinacens europaeus. 155 weisen. Wir unterscheiden folgende Gruppen: 1. Eine oberflächliche Schieht pars superficialis, 2. eine tiefe Schicht pars profunda, welche in drei Unterabteilungen zerfällt: a) Portio praeaurienlaris, b) Portio postauricularis, e) Portio reeta. Pars superfieialis. Die oberflächlichsten Bündel dieser Schicht (Fig 1, frdus) weisen meistens eine große Selbständigkeit auf, so daB sie eine besondere Schicht bilden. Diese Fasern beginnen zusammen mit den übrigen der Pars super- fieialis am Intermaxil- lare, ziehen direkt nach | hinten und setzen sich ( | a PR: init äußerst kurzen A\\\ |) III Sehnen am derben Bindegewebspolster an, welches auf und vor TR N eh: dem vorderen Rand des G \ IS he M. orbieularis liegt. Ss IN /ev Dieübrigen Fasern IR mn der Pars superfieialis IR, bilden eine ziemlich pls dieke Muskellage (Fi- gur 1/frds), welche ‚ die ganze Breite der Oberflächliche Schicht der Hautmuskulatur von Hals und Kopi. d t > i > d /rds. M. fronto-dorsalis, pars superficialis; frdus. dessen ober- arunter ıezenden flächlichste Bündel; posf. M. ironto-dersalis, portio postauricu- ’ T ’ Sehiehten desM.fronto- 1aris; plp. Platysma, portio postaurieularis; fbs. M. temporo- a e buccalis, pars superficialis; aulab. seine pars auriculo-labialis; dorsalis bedeckt. Die auerb. M. auriculo-orbitalis; ev. M. levator labii superioris; Fasern beginnen vom m. M. maxillo-nasalis; „ls. P.atysma 'abii superioris; est. M. : 2 \ collo-sternalis; orb. M. orbicularis; jib. derbes Bindegewebe Os intermaxillare und hinter dem M. orbieularis; cd. M. caudo -dorsalis. ziehen nach hinten. Die lateraleren Fasern haben eine mehr schräge Richtung und gehen von vorn und medial nach hinten und lateral. Je weiter medial nehmen die Fasern eine immer mehr gerade Richtung an und laufen nahe der Mittellinie fast parallel derselben. Der Muskel zieht unter dem vorderen queren Teil des M. orbieularis hindurch. Die medialeren Fasern enden hier bald mit kurzen Sehnen an der Haut des Rückens. Die lateraleren Fasern durchsetzen den längsverlaufenden Seitenteil des M. orbieularis um sich ebenfalls an der Haut des Rückens aber etwas weiter nach hinten als die medialen anzusetzen. Da beide Muskeln in gleicher Richtung verlaufen, so ist es sehr schwer die 156 Gustav Michelsson Fasern des M. fronto-dorsalis durch den M. orbicularis zu verfolgen; es läßt sich jedoch bei sorgfältiger Präparation feststellen, daß die Fasern des M. fronto-dorsalis zu kleinen Bündeln vereinigt durch den M. orbieularis hindurchtreten und sich zugespitzt mit äußerst kurzen Sehnen an der Haut ansetzen. Nur ein ganz unbedeutender Teil scheint zwischen den Fasern des M. orbicularis zu enden. An einem Igel fanden sich zwei aberrante Bündel,- welche vom vorderen Rande des M. orbiecularis zur Faszie des M. temporo-bucealis und M. levator labii superioris zogen. Pars profunda. Unter der beschriebenen oberflächlichen Schicht des M. fronto-dorsalis liegt die tiefe Schicht, an welcher wir, wie oben gesagt drei Unterabteilungen unterscheiden. Portio praeauricularis. Dieser Teil beginnt zusammen mit den übrigen vom Öberkiefer, Zwischenkiefer und Stirnbein. Die Fasern ziehen, sich fächerförmig ausbreitend nach hinten und außen und setzen sich an der vorderen Fläche der Ohrmuschel an. Die- jenigen Fasern, welche am Schädel am meisten kaudal und am nächsten der Mittellinie beginnen, setzen sich an der Ohrmuschel am meisten lateral an, diejenigen Fasern, welche am Schädel’mehr nach vorn und außen beginnen, setzen sich weiter medial an der Ohr- muschel an, die am meisten vorn entspringenden Fasern laufen zum medialsten Rande der Ohrmuschel. Es sind also die am Schädel am weitesten hinten entspringenden und an der Öhrmuschel am wei- testen lateral endenden Fasern die tiefsten und verlaufen am meisten schräg; die darauffolgenden bedecken diese z. T. und verlaufen viel gerader, die innersten verlaufen beinahe ganz parallel der Mittellinie und schließen sich der Portio reeta unmittelbar an. An seinem la- teralen- Rande grenzt der Muskel an den M. aurieulo-orbitalis und geht oft in ihn ohne scharfe Grenze über. Zuweilen findet kein so allmählicher Übergang aus der schrägen Richtung in die Längsrichtung statt, sondern man kann zwei recht scharf getrennte Teile unterscheiden, einen tieferen mit schräger Faserrichtung, welcher hinten und medial auf dem Os fron- tale entspringt und am lateralen Rande der Ohrmuschel sich ansetzt und ein oberflächlicherer, vorderer Teil, welcher am Schädel mehr vorn seinen Ursprung nimmt und an der Ohrmuschel mehr medial ansetzt. | Portio postaurieularis (Fig. 1post, 3post). Die Fasern dieser Sehieht beginnen von der Hinterfläche der Ohrmuschel, ziehen nach hinten unter dem M. orbieularis hindurch und setzen sich an der Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 157 Haut des Rückens zusammen mit der Portio reeta an.-Kaudal wird eine Überlagerung der Fasern dadurch hervorgerufen, daß die late- raleren Fasern sich unter die medialen, welche an der Ohrmuschel mehr medial entspringen, schieben. Je medialer eine Faser an der Ohrmuschel entspringt, desto geraderen Verlauf hat sie. Die medial- sten Fasern auch dieser Abteilung des M. frontodorsalis verlaufen beinahe parallel der Mittellinie und schließen sich der portio recta unmittelbar an. Diese fächerförmige Anordnung der Fasern kann mehr oder weniger deutlich ausgeprägt sein. An einem Igel fand sich rechterseits folgende Variation: Eine Faser trennte sich vom unteren Rande der Portio postauricularis ab, wandte sich nach oben auf die übrige Muskelmasse, hier zog sie die Faserrichtung des Muskels kreuzend nach innen und vorn und setzte sich vor der Ohrmuschel an der Faszie des M. temporo-bucealis an. Portio reeta (Fig. 3rec). Die Fasern dieser Schicht verlaufen in der Längsrichtung. Sie beginnen vom Stirnbein und Oberkiefer, ziehen nach hinten, wobei sie sich in der Mittellinie berühren. La- teral gehen sie ohne scharfe Grenze, vor dem Ohr in die Portio prae- aurieularis und hinter dem Ohr in die Portio postaurieularis über. Zusammen mit der Portio postauricularis geht der Muskel unter dem M. orbieularis hindurch und setzt sich an der Rückenhaut im Gebiete der Schulterblätter an. Die ganze Pars profund. m. fronto-dorsalis bildet eine einheit- liche Muskelmasse in welche sich vom lateralen Rande die Ohr- muschel gleichsam eingeschoben hat, wodurch eine Unterbrechung des . Faserverlaufs stattfand, der vordere Teil dieser Bündel ist die Portio praeauricularis, der hintere die Portio postaurieularis und der von der Ohrmuschel nicht getrennte Teil die Portio recta. Wir müssen noch den Ansatz des M. fronto-dorsalis am ‚Schädel besprechen. Der gemeinsame Ansatz hat die Form eines langgestreck- ten Ovals, er beginnt vorn auf dem Zwischenkiefer, geht dann auf den Oberkiefer über und reicht medial bis zur Sutura maxillo-nasa- lis, hinten reicht er auf dem Stirnbein beinahe bis zur Sutura frontalis. Bei schwacher Ausbildung des M. fronto-dorsalis lassen sich zwei Muskelansätze beobachten (rechte Hälfte der Fig. 2). Die vor- dere halbmondförmige mit nach innen gerichteter konvexer Seite, geht beinahe parallel der Sutura praemaxillo-nasalis und maxillo- nasalis, von hier nehmen diejenigen Muskelfasern ihren Ursprung, welche sich nieht an der Ohrmuschel ansetzen also die Pars super- 158 Gustav Michelsson fieialis und die Portio reeta der Pars profunda. In diesen Fällen entspringt vom hinteren Ansatzfeld, welches sich auf dem Oberkiefer und Stirnbein befindet, die Portio praeauricularis. Der M. fronto-dorsalis ist in seiner ganzen Ausdehnung von einer Faszie bedeckt, welche von dem vorderen Rande des M. orbicularis, dort wo die Stacheln beginnen, verdiekt ist und mit der Haut und den darunterliegenden Muskeln verwachsen ist. Zwischen den Ohren wird der Muskel von der Aponeurose des M. temporo-buccalis, weiter nach vorn von derjenigen des M. levator labii superioris, welcher vor dem Auge gelegen ‚ist, gekreuzt. Der M. fronto-dorsalis wird von Hımıy Depressor euculli frontalis genannt. Der Muskel fängt nach seiner Beschreibung mit 5 bis 6 Biindeln vom vorderen Rande des M. orbieularis an. setzt sich an der Ohrmuschel an, die Hauptmasse setzt sich am Oberkiefer und Nasenbeine an. Nach Dogsox (M. fronto- a en & eucullaris) beginnt der Muskel vom Stirn- unerb. Ansatz des M. aurieulo- und Nasenbein und setzt sich an den Rand Per des M. orbieularis an. Seine Beziehungen zur Ohrmuschel und seine Ausdehnung bis ins Schulterblatt wird nieht erwähnt. M. oceipito-frontalis (Fig. 6cf, S. 168). In der Rinne, welche ‚in der Mittellinie des Schädels durch die beiden Mm. temporales ge- bildet wird, liegen, bedeckt vom M. fronto- dorsalis zwei dünne band- artige Muskeln die Mm. oceipito-frontales (Attollens eueulli oceipitalis Hınry; Oeceipito-frontalis Dogson). Der Muskel beginnt nahe der Mittellinie von der Crista oceipitalis, begibt sich nach vorn und setzt sich im Gebiet des Stirnbeins an die untere Fläche des M. fronto- dorsalis. M. auriculo-orbitalis (Abb. lawerb.; 3auerb.). Wie schon oben erwähnt, schließt sich der M. auriculo-orbitalis unmittelbar an die Portio praeaurieularis des M. fronto-dorsalis an. Dieser dünne vor dem Ohr liegende Muskel hat eine dreieckige Gestalt und. ist beinahe vollständig vom M. temporo-buccalis, sein oberer Teil vom M. fronto-dorsalis bedeckt. Der M. aurieulo-orbitalis beginnt beinahe von dem ganzen vorderen Rande der Ohrmuschel, bei schwacher Ent- wicklung vom mittleren Drittel derselben. Die Fasern konvergieren schnell und setzen sich an einem kleinen, runden Felde am oberen Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 159 Orbitalrande, dort wo derselbe von der Sutura fronto-maxillaris ge- schnitten wird, an (Fig. 2). Die tiefer an der Ohrmuschel entspringen- den Fasern setzen sich am Knochen miehr medial an, indem sie sich unter die höher liegenden schieben. Häufig lösen sich einfache Fasern vom M.- aurieulo-orbitalis, namentlich von dessen unterem Rande, ab und schließen sich, eine schräge Richtung annehmend, dem M. fronto-dorsalis an. Vom Ansatz des M. aurieulo-orbitalis ziehen kaum wahrnehmbare Fasern zur Haut des oberen Augenlides. M. temporo-buccalis. Dieser platte Muskel beginnt mit einer Aponeurose, von der Mittellinie des Kopfes in der Gegend zwischen den Ohren, zieht vor der Ohrmuschel nach unten in die Wangen- gegend, wo sich an ibn der M. sphincter intermedius anschließt. Wir unterscheiden an diesem Muskel drei Abteilungen, die sich nicht immer scharf trennen lassen: 1) eine oberflächliche Schicht, pars superfieialis, 2) eine tiefe pars profunda und 3) eine zum Mundwinkel ziehende pars auriculo-labialis.. Alle drei Teile beginnen mit einer gemeinsamen Aponeurose von der Mittellinie des Schädels, wo die beiderseitigen Muskeln zusammenhängen. Das hintere Ende der Apo- neurose ist mit dem derben Bindegewebspolster, welches vor dem vorderen Rande des M. orbieularis liegt, verwachsen. Pars superfieialis (Fig. 1fbs; 4tbs; 11tbs; 12tbs). Die Pars superfieialis beginnt von der gemeinsamen Aponeurose, die Fasern ziehen nach unten und enden auf dem Platysma labii superioris. Die "hinteren Fasern sind kürzer als die vorderen und setzen sich an dem vorderen Rande der Ohrmuschel an. Meistenteils lässt sich die ober- tlächliche Schicht vollständig von der darunterliegenden, tiefen trennen. In einigen Fällen jedoch ist eine Trennung nicht möglich oder die . oberflächliche Schicht fehlt ganz, in diesen Fällen lösen sich von der tiefen Schicht einige Fasern ab, welche auf dem Platysma enden. Pars profunda (Fig. 3thpr). Die tiefe Schicht beginnt eben- falls von der gemeinsamen Aponeurose. Die Fasern ziehen nach unten, bedecken das Platysma auriculo-zygomaticum, gehen darauf zwischen den Fasern des Platysma labii superioris hindurch, indem sie sich mit ihnen durchflechten und enden z’T. bald nach Durch- tritt durch das Platysma z. T. aber auch an der Unterseite des Halses. Die Durchflechtung der beiden Muskeln ist ziemlich verwickelt und bei allen untersuchten Igeln verschieden. Diese Mannigfaltigkeit erklärt sich dadurch, daß die Pars profunda niemals in geschlossener Masse durch das Platysma hindurehgeht, sondern es gehen einzelne 160 Gustav Michelsson Bündel an verschiedener Stelle und in verschiedener Weise hindurch, einige früher, andere später. Das Bild wird noch dadurch bedeutend kompliziert, daß oft einige Bündel nicht gleich durch die ganze Dicke des Platysma hindurchgehen,- sondern eine Strecke lang innerhalb desselben verlaufen. Es kommen selbst Fälle vor, wo einzelne Bündel durch das Platysma hindurchgehen, darauf nach kurzem Verlauf wieder zurück an die Oberfläche gelangen um dann endgültig das Platysma zu durchsetzen. Die Verhältnisse werden weiter noch da- durch verwickelt, daß in diesem Gebiet auch der Sphineter inter- medius endet. Die Präparation wird noch bedeutend dadurch er- schwert, daß stellenweise das perimuskuläre Bindegewebe beider Muskeln miteinander verwächst. Die einzige Gesetzmäßigkeit, welche sich vielleicht bei der Durchflechtung beider Muskeln feststellen läßt, ist die, daß die kaudaleren Fasern der Pars profunda die Tendenz haben, mehr geschlossen durch das Platysma hindurchzugehen. Die meisten Fasern enden schon beim Durchtritt durch das Pla- tysma, die noch übrigbleibenden Fasern liegen zunächst unter dem Platysma labii inferioris und ziehen dann an die Unterseite des Halses, wo sie mit den dieselbe kichtung einhaltenden Fasern des Sphineter intermedius eine Schicht bilden und deswegen äußerst schwer von ihnen zu trennen sind. Die kaudalen Fasern der Pars profunda haben am Halse eine mehr schräge Richtung, die vorderen verlaufen bei- nahe quer. ‘ Parsaurieulo-labialis (Fig. lawlab; 3aulab; llaulab; 12aulab). Der dritte Teil des M. temporo-bucealis zieht zum Mundwinkel. Meisten- teils bietet er im Verhältnis zu den anderen Teilen die tiefste Schicht. In seltenen Fällen beginnt er vom kaudalen Ende der gemeinsamen Aponeurose und zieht unter den beiden oberflächlichen Schichten hin. In anderen Fällen liegt er vor den beiden anderen Teilen. Zwischen . diesen beiden extremen Fällen kommen alle Übergänge vor. Die Pars aurieulo-labialis verläuft bogenförmig nach vorn und unten und setzt sich an der Haut des Mundwinkels an. Dieser Ansatz kommt in vier Typen vor. In einigen Fällen durchtlechten die Fasern des Aurieulo-labialis am Mundwinkel das Platysma labii superioris, welches auch am Mundwinkel inseriert, und gelangen unter ihm liegend zu ihrem Ansatz. In diesem Falle trennen sich einige Fasern vom Aurieulo-labialis ab und schließen sich dem Platysma labii superioris au. In anderen Fällen liegt der Auriculo-labialis auf dem Platysma. Ferner kommen Fälle vor, wo ein’ Teil der Fasern unter dem Pla- tysma, der andere auf ihm liegt. In diesen Fällen ist das Platysma Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaens). 161 labii superioris zwischen zwei Schenkeln des Auriculo-labialis ein- geschlossen. In drei Fällen endlich fand eine vollständige Durch- flechtung beider Muskeln am Mundwinkel statt. Was die Varietäten des M. temporo-buccalis anbetrifft, so haben wir schon oben Fälle beschrieben, wo aberrante "Bündel von der oberflächlichsten Schicht des M. fronto-dorsalis und von der Portio postaurieularis an die Aponeurose des M. temporo-bucealis gelangten. Zuweilen schließen sich einige Bündel der tiefen Schicht dem M. aurieulo- sternalis an. An einem Igel fand ich beiderseits eine sehr inter- essante Varietät (Fig. 3 va). In diesem Fall begann einmächtigesMuskelbündel zusammen mit dem M. aurieulo-orbitalis vom obe- ren Rande der Augenhöhle, Fig. 3. PR wandte sich bogenförmig und in der Breite sich aus- dehnend, nach unten, hier ging das Bündel unter dem Aurieulo-labialis hindurch und schloß sich vorn der tiefen Schicht des M. tem- poro-buccalis an, mit wel- esf aust plinf Oberflächliche Schicht der Hautmuskulatur des Kopfes. Die oberflächliche Schicht des M, temporo - bucealis ist entfernt. orb. M. orbicularis; est. M. collo-sternalis; rec. M. ironto- dorsalis pars recta; post. M. fronto-doırsalis, portio post- auricularis; Zbpr. M. temporo-buccalis, pars profunda: aulab. P:rs auriculo-labialis desselben Muskels; awerb. M. aurieulo-orbitalis; v«. Muskelbundel vom oberen Orbital- ‚ rand zur Pars profunda des M. temporo-buccalis(Varietät): plp Platysma portio postauricularis; plinf, Platysma labii inferioris ; pls. Platysma labii superioris; lev. Levator labii superioris; or. M. orbicularis oris; aust. M. auriculo- sternalis ; i»t. Sphincter colli intermedius ; ant. Sphincter anterior. chem es einen einheitlichen Muskel bildete. Die Fasern dieses Bündels gehen dar- auf beinahe als einheitliche Masse durch das Platysma labii superioris hindurch und verhalten sich im weiteren wie die pars profunda des M. temporo-bucealis. Platysma. Wir fassen unter der Bezeichnung Platysma eine Gruppe von längsverlaufenden Muskeln zusammen, welche an der Seiten- fläche des Halses und Gesichts gelegen sind. Ihre Zusammengehörigkeit geht daraus-deutlich hervor, daß sie ebenso wie die Teile des M. fronto- dorsalis sich nicht scharf voneinander trennen lassen und an den Rändern ineinander übergehen. Wir unterscheiden folgende Abteilungen des Pla- tysma: 1) Portio postaurieularis platysmatis, welche auf dem Rücken 162 Gustav Michelsson- in der Schulterblattgegend beginnt und sich an die Öhrmuschel ansetazt. 2) Portio aurieulo-zygomatica, welche von der Ohrmuschel zum Pro- cessus zygomaticus des Oberkiefers geht. 3) Platysma labii superioris, welches zusammen mit der Portio postaurieularis auf dem Rücken beginnt und zur Oberlippe zieht und 4) Platysma labii inferioris, welches von der Unterfläche des M. collo-sternalis beginnt und zur Unterlippe zieht. Portio postauricularis platysmatis (Fig. 1plp: Splp; Yplp; llplp). Die Fasern dieser Schicht beginnen von dem unteren Teil der hinteren Ohrmuschelfläche, ziehen nach hinten unter dem M. orbieularis hindurch und setzen sich im Gebiet der Schulterblätter an die Rückenhaut an. Diejenigen Fasern, welche höher von der Ohrmuschel entspringen, verlaufen beinahe gerade von vorn nach hinten und medial, wobei sie sich allmählich auf die vorhergehenden auflagern. In der Schulterblattgegend nähern sich die Portio postaurieu- laris platysmatis und die gleichnamige des M. fronto-dorsalis, wobei der M. fronto-dorsalis mit seinem lateralen hinteren Ende den medialen kand des Platysma bedeckt. Das Platysma setzt sich weiter kaudal als der M. fronto-dorsalis an der Rückenhaut an. Platysma labii superioris (Fig. 1pls; 11pls). Dieser Teil beginnt zusammen mit der Portio postauricularis von der Rücken- haut, die Fasern verlaufen noch schräger als die lateralen Fasern der Portio postauricularis und lagern sich daher ebenfalls auf die medialeren auf. In dem hinter dem Ohr gelegenen Abschnitt lassen sich die beiden Teile des Platysma nicht voneinander trennen. Der Muskel wendet sich nach vorn, geht unter der Ohrmuschel hindurch und gelangt zur Oberlippe. Die untersten Fasern ziehen zum Mund- winkel und durchflechten sich hier mit der M. orbieularis oris und M. aurieulo-labialis in der oben beschriebenen Weise. Die Haupt- masse des Muskels breitet sich ein wenig fächerförmig aus und setzt sich am Schnurrhaarpolster an. Der Muskel bedeckt den M. Zygo- matico-labialis und levator labii superioris. Durch den Muskel hin- durch geht die tiefe Schicht des M. temporo-bucealis, wie wir schon oben ausführlich beschrieben haben. Portio zygomatico-aurieularis (Fig. Yıgau). Dieser Teil be- ginnt von der unteren Hälfte der vorderen Ohrmuschelfläche, häufig schließen sich ihm auch noch Bündel vom benachbarten Platysma labii superioris an. Die Fasern bilden einen dieken, scharf begrenz- ten Muskel, welcher sich am scharfen Kamm der Unterfläche des Processus zygomatieus des Oberkiefers ansetzt (Fig. 5.). "Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 163 An einem Igel trennte sich beiderseits ein feines Muskelbündel ab, ging zwischen den Fasern des M. aurieulo-labialis hindurch und schloß sich dem Platysma labii superioris an. Rechts ging das Bündel vom unteren Rande der Portio zygomatico-aurieularis ab, kreuzte den ganzen Muskel und sich dem M. aurieulo-labialis an- schließend, inserierte es zusammen mit ihm am Mundwinkel. An demselben Igel fand sich rechterseits eine andere interessante Varietät, von der Portio zygomatico-aurieularis gingen kaum wahr- nehmbare Fasern zum Bindegewebe des vorderen Abschnittes des Augenlides. ’ Platysma labii inferioris (Fig. 3plinf; 12plinf). Dieser Teil des Platysma beginnt von der Unterfläche des M. collo-sternalis. Die obersten Fasern sind bei ihrem Anfang bogenförmig gekrümmt, so- daß sie aus einer mit dem M. collo-sternalis gleichnamigen Längs- richtung in eine quere übergehen. Die Hauptmasse der unteren Fasern beginnt gleich hinter dem vorderen Rande des M. collo-sternalis. Der Muskel zieht nach vorn zur Unterlippe. Die dorsalsten Fig. 4. Fasern setzen sich am Mund- winkel an, wo sie auf dem Platysma labii superioris liegen. Die Hauptmasse gelangt zur Haut der Unterlippe, wobei die untersten Fasern am meisten vorn enden und daher auch am längsten sind. Vom unteren Rande lösen sich von Zeit zu Zeit feine Bündel ab, welche sich bogenförmig zur Mittellinie wenden, sie liegen auf dem Sphincter colli. Sphineter ceolli. Die N Muskeln der Sphineter eolli- Haußnuukelatue der ventralen Halsfläche. est. M. collo-sternalis; aust. M. auriculo-sternalis; Gruppe haben alle einen queren int. Sphincter intermedius; ant. Sohincter anterior; Verlauf und liegen an der ven- IR Platysma; ib. M. arena pars super- tralen Fläche des Halses und der Brust. Man kann vier Muskeln unterscheiden, welche wir von hinten nach vorn gerechnet, benennen: 1) M. collo-sternalis, 2) M. auriculo-sternalis 3) Sphineter intermedius und 4) Sphincter anterius. Zwischen , den genannten Muskeln bleibt immer ein mehr Morpholog. Jahrbuch. 51. 12 164 Gustav Michelsson oder weniger bedeutender Zwischenraum. Die Breite dieses Zwischen- raums variiert stark im Zusammenhang mit der Ausbildung des Mus- kels, jedoch habe ich in keinem Fall gefunden, daß der Sphineter den Hals als einheitliche Muskelmasse bedeckte, wie es Dogson darstellt. M. collo-sternalis (Fig. 1, 4est, 1lcrt, 12est). Er beginnt von der Vorderfläche des Brustbeins medial vom Ansatz des M. pectoralis, beinahe von der Mittellinie. Die Fasern verlaufen bogenförmig nach vorn und oben, umfassen von vorn das Schultergelenk und gelangen unter den M. orbicularis, wo sie ungefähr 1'/, em von dessen unterem Rande mit dünner Aponeurose an dessen Unterfläche sich ansetzen. Auf der Brust bedeckt der M. eollo-sternalis den medialen Teil der Pars sternalis und celavieularis des M. pectoralis, bei Weibchen auch noch die vordere Milchdrüse. Weiter oben bedeckt er den Ursprung des Platysma labii inferioris, welches von seiner Unterfläche be- ginnt. Noch höher hinauf bedeckt er die Portio postauricularis platys- matis, allerdings ist er von ihr durch eine dicke Fettschicht getrennt. Vom hinteren Rande des Muskels lösen sich einfache Muskelbündel ab und wenden sich bogenförmig nach außen und unten auf den M. pectoralis. M. auriculo-sternalis (Fig. 3, 4, 11, 12awst). Der M. aurieulo- sternalis beginnt vom unteren Rande der Ohrmuschel, die vorderen Fasern greifen auch noch etwas auf den Vorderrand derselben über. Einige Fasern beginnen vom derben Bindegewebe, welches sich an der Ansatzstelle der Portio postauricularis platysmatis am unteren Rande der Ohrmuschel befindet. Der Muskel zieht nach unten, schließt sich dem M. collo-sternalis an. Der Anfang dieses Muskels ist vom Platysma labii superioris bedeckt. Sphineter intermedius (Fig. 3, 4, 11, 12:nt). Zu diesem Muskel gehören querlaufende Muskelbündel, welche in der Wangen- gegend zwischen Fasern des M. temporo-buccalis, dort wo derselbe durch das Platysma labii superioris hindurchtritt, beginnen. Von hier ziehen sie medialwärts ohne Unterbreehung über die Mittellinie des Halses hinüber auf die andere Seite und enden hier zwischen den Fasern des M. temporo-buccalis der anderen Seite. . Sphincter anterior (Fig. 3, 4—11, 12ant). Der vordere Ab- schnitt des Sphincter colli besteht aus schwachen Muskelbündeln, welche in querer Richtung verlaufen. Die vorderen zwei Drittel befinden sich zwischen beiden Unterkieferkörpern, lassen jedoch den vorderen Teil dieses Raumes frei. Die Fasern beginnen bedeckt vom M. orbi- cularis oris und Platysma labii inferioris von der Haut und Schleim- Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 165 haut der Unterlippe und endigen in entsprechender Weise auf der anderen Seite. Das hintere Drittel des Sphineter anterior liegt hinter den Mundwinkeln und reicht kaudal bis zum Sphineter indermedius. Zwischen beiden Muskeln bleibt ein schmaler nicht von Muskelmassen bedeckter Spalt, an welchem die Halsfaszie frei zu Tage tritt. Die hinteren Fasern des Sphineter anterior gelangen unter das Platysma labii inferioris, dringen durch die Fasern dieses Muskels und des Platysma labii superioris hindurch, darauf treten sie ein wenig fächer- förmig auseinander und enden auf dem M. auriculo-labialis und den anderen zum Mundwinkel gelangenden Muskeln, an der Haut. Beim Durehtritt durch das Platysma durchflechten sich beide Muskel, wo- bei einige Fasern früher, die anderen später hindurchgehen. Endlich durchsetzen nicht alle Fasern das Platysma, einige bleiben auch unter ihm. Die kaudaleren Fasern sind länger. Die Muskeln der Sphincter eolli- und Platysmagruppe betrachten sowohl Hınty als auch Dogsonx als einen Muskel. Hımuy beschreibt beide Gruppen unter dem Namen Platysma myoides collare, DoBsoN unter dem gemeinsamen Namen M. sternofacialis. HımLy unterscheidet eine quere Abteilung, welche aus zwei Teilen besteht: dem Depressor euculli secundus, unser M. collo-sternalis, und dem Depressor euenlli maxillaris, unser M. temporo-buccealis. Die Längsschicht, welche unse- rem Platysma entspricht, bezeichnet HımLy als Depressor eueulli lateralis. Dogsox unterscheidet ebenfalls eine quer- und eine längsver- laufende Abteilung seines M. sternofaeialis. Die querverlaufende Ab- teilung bedeckt nach seiner Beschreibung den ganzen Hals angefangen von der vorderen Hälfte des Brustbeins, bis zur Hälfte der Unter- kieferkörper. Die hinteren Fasern, welche unserm M. collo-sternalis entsprechen, setzen sich hinter dem Ohr an den M. orbieularis an. Einen M. auriculo-sternalis und Sphincter anterius unterscheidet DoBson nicht. Die vor dem Obr gelegene und unserm M. temporo-buccalis entsprechende Muskelmasse, rechnet Dogsox ebenfalls zum M. sterno- facialis. Der Durchtritt dieses Muskels durch das Platysma wird von DoBson auch erwähnt, jedoch es scheint ihm nicht gelungen zu sein dieses komplizierte Gebiet zu entwirren, da er angibt, daß beide Muskeln so weit verwachsen, daß es unmöglich ist sie von einander zu trennen. An der längsverlaufenden Abteilung des M. sternofacialis unterscheidet Dosson drei Teile. Zwei gehen vom Mundwinkel aus, die oberflächliche von ihnen entspricht unserem Platysma labii in- ferioris, die tiefere unserem Platysma labii superioris. Der dritte Teil beginnt nach Dogsons Beschreibung vom Os zygomaticum und 12* 166 Gustav Michelsson zieht zum Rücken, offenbar unterscheidet DoBson nicht unsere”Portio zygomatico-auricularis und Platysma labii superioris. Vom Ansatz längsverlaufender Fasern, welche unserm Platysma postaurieulare entsprechen würden, spricht DoBson nirgends. M. levator labii superioris, Fig. 1, 3, 11 ev. Dieser band- förmige Muskel beginnt im Gebiet des Stirnbeins mit einer feinen Aponeurose, welche dem M. fronto-dorsalis aufliegt, von der Mittel- linie des Schädels und zieht vor dem Auge nach unten und etwas nach vorn zur Oberlippe. Der vordere Teil, ungefähr zwei Drittel des ganzen Muskels setzen sich an dem Schnurrhaarpolster an, der Rest gelangt unter den M. zygomatico-labialis und inseriert an der Haut der Oberlippe, kaudalwärts reicht er nieht bis zum Mund- winkel. In einem Fall gingen einige Fasern statt unter dem M. ‚zygomatico-labialis ‚auf ihm zur Haut der Oberlippe. Im allgemeinen zeichnet sich der M. levator labii superioris dureh eine große Beständigkeit aus. | Nach Entfernung dieses Muskels finden wir vier Nasen- Ki muskel. & Igelschädel mit Muskelmarken. M. maxillo-nasalis 7. M. maxillo-nasalis; 2. M. zygomatico- nasalis (Fig. 1; 9 mn) (Levator labii superior und medius; 3. M. zygomatico-nasalis ; inferior; 4. M. zygomatico-labialis; 5. Platysma, superior1s propriusDobson). Der portio zygomatieo-auricularis. Muskel beginnt vor der Augen- höhle vom Oberkieferknochen. Sein Ansatz ist auch am mazerierten Schädel deutlich zu erkennen, er beginnt vom vorderen Rande der Orbita, reicht nach oben bis zur Sutura maxillo-frontalis und Crista supraorbitalis, nach unten erstreckt er sich bis zur Wurzel des Processus zygomaticus des Oberkiefers, nach vorn verschmälert sich der Ansatz und reicht bis zum Foramen infraorbitale. Die von diesem großen Ansatz beginnenden Muskelfasern konvergieren sehr stark und gehen in eine feine platte Sehne über. Auf diese Weise entsteht ein drei- eckiger, gefiederter Muskel. Die Sehne setzt sich am oberen Rande des Nasenknorpels an. | M. zygomatico-nasalis superior, (Fig. 9, s). (Levator alae nasi superior Dobson). Ein kleiner parallelfaseriger Muskel, welcher zusammen mit dem Folgenden von der oberen Hälfte des Processus zygomatieus des Oberkiefers, beginnt (Fig. 5, 2). Die Muskelfasern gehen in eine feine, lange Sehne über, welche sich an den Nasen- knorpel, oberhalb der Nasenöffnung, ansetzt. ir 3 z; Die Hautmuskulatur des Igels (Erinäceus europaeus). 167 M.zygomatico-nasalis medius (Fig. 9, »). (Levator alae nasi inferior Dobson). Beginnt zusammen mit dem Vorhergehenden vom Processus zygomaticus des Oberkiefers (Fig. 5, 2). Die Fasern gehen ebenfalls in eine dünne, lange Sehne über, Selche sich am lateralen Rande der Nasenöffnung ansetzt. M. zygomatico-nasalis inferior (Fig. 9, .). (Zygomaticus mi- nor Dobson). Dieser Muskel ist bedeutend mächtiger als die beiden vorhergehenden, er beginnt vom Processus zygomatieus des Oberkiefers unmittelbar vor der Sutura maxillo-zygomatica und von der Naht selbst (Fig. 5, 3). Die Muskelfasern vereinigen sich zu einer langen, dünnen Sehne, welche sich am unteren Rande der Nasenöffnung ansetzt. Zwischen den Sehnen der Nasenmuskel finden wir mehr oder weniger stark ausgebildete Muskelfasern, welche vom Periost der Oberkieferknochens beginnen und zwischen den Nasenmuskelsehnen hindurch zum Schnurrhaarpolster und der angrenzeuden Hauf ge- langen. Auf diese Weise sind die langen Sehnen gleichsam in ein- zelne Fächer eingeschlossen, deren Scheidewände von den genannten Muskelfasern gebildet werden, welche eine senkrechte Richtung zur Oberfläche des Oberkiefers einnehmen. M. zygomatico-labialis. (Fig.9, x/.) (Zygomaticus maior Dob- son). Dieser schmale Muskel beginnt vom Processus zygomaticus des Oberkiefers unter dem Ansatz des M. zygomatieo-nasalis et me- dius und über dem Ansatz der Portio zygomatico-auricularis platys- matis (Fig.5, 4). Der Muskel setzt sich am Schnurrhaarpolster an. Das Platysma labii superioris bedeckt teilweise den M. zygomatico-labi- alis, welcher seinerseits den Ansatz des M. levator labii superioris bedeckt. M. maxillo-labialis. Nach Entfernung der Nasenmuskeln finden wir auf dem Knochen einen schwachen Muskel. Er beginnt vom Periost des Ober- und Zwischenkiefers, die Fasern gehen von vorn und oben schräg nach unten und hinten und setzen sich an der Schleimhaut der Oberlippe an, zwischen Mundwinkel und Schnurr- haarpolster. M. buceinator. (Fig. 9, baee.) Der M. buceinator beginnt von der Linea obliqua des Unterkiefers, von hier geht der Muskel sich verbreiternd zur Ober- und Unterlippe. Die zur Unterlippe ziehenden Fasern sind stärker entwickelt und gelangen beinahe bis zur Unter- kiefersymphyse, sie bedecken die Mundschleimhaut vollständig. Die zur Oberlippe ziehenden Fasern gelangen bis zum Schnurrhaarpolster, 168 Gustav Michelsson sie lassen oben ein kleines Stück der Mundschleimhaut frei, welches nicht von Bucecinatorfasern bedeckt ist. Im Muskel sind einzelne seröse Drüsen eingelagert, größere Drüsen drängen die Muskelfasern stark auseinander. . M. orbieularis oris. (Fig, 3, or.) Der M. orbieularis oris ist sehr schwach entwickelt und bildet eigentlich nur den verdickten Rand des M. buccinator, von dem er nicht getrennt werden kann. Nur am Mundwinkel sind seine bogenförmigen Fasern gut ausge- bildet. Die Muskulatur der Augenlider ist sehr schwach ent- wickelt. Oben wurden schon Fasern beschrieben, welehe zuweilen vom M. aurieulo-orbitalis und von der Portio zygomatico-auricularis des Platysma zum unteren Augenlide ziehen. Außerdem kommen noch kaum wahrnehmbare Fasern im vorderen Abschnitt des unteren Augenlides vor, welche einen dem Augenspalt parallelen Verlauf haben und offenbar einen schwachen M. orbieularis oculi darstellen, in einigen Fällen liessen sich diese Fasern nicht nachweisen. Die Ohrmuskeln. Aus der Gruppe der Ohrmuskeln sind schon jene Teile des M. fronto-dorsalis, Sphineter colli und Platysma be- schrieben, welche sich an die Ohrmuschel ansetzen. Es sind die Portio post- und praeauricularis des M. fronto-dorsalis und Platysma, die Portio zygomatico-aurieularis und der M. aurieulo-sternalis. Hier- her gehört auch der oben be- schriebene M. auriculo-orbitalis. Es bleiben noch übrig der M. oceipito- auriculo-mandibularis, M. oceipito-auricularis (Fig. 6, vau). Die Fasern dieses Muskels haben queren Verlauf, sie beginnen von der Crista oceipitalis und Ligamentum nuchae und reichen En SEEN kaudalwärts bis zur Hälfte ‚des M. vau. M. oceipito-auricularis; car. M. cervico- trapezius. Der Muskel läuft zur auricularis; nwch. M. nüchalis; of. M.oci- Ö)hrmuschel und teilt sich bald in pito-frontalis; auerb. M. auriculo-orbitalis; 2 R “ T. M. temporalis. zwei Zipfel. Beide Zipfel setzen sich nicht weit voneinander an die obere Fläche der Ohrmuschel an. Über ihrem Ansatz, aber nicht im Zusammenhang mit ihnen befinden sich auf der Ohrmuschel einige Muskelfasern. auricularis, cervico-aurieularis und 4 EEE TERN ..-r Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 169 M. cervico-auricularis. (Fig. 6, caw.) Er beginnt vom Liga- mentum nuchae etwas weiter kaudal als der vorhergehende und geht nach vorn und außen zur Ohrmuschel, indem er die Fasern des M. oceipito-auricularis kreuzt. Der Muskel setzt sich an der oberen Fläche der Ohrmuschel an, etwas vor dem vorderen Zipfel des M. oceipito-auriceularis. M. aurieulo-mandibularis. Beginnt von der Ineisura inferior des Unterkiefers und zieht von hier sich fächerförmig ausbreitend zur Ohrmuschel, wo er sich angefangen vom unteren Rande des M. auriculo-orbitalis bis zum unteren Rande der Ohrmuschel ansetzt. M. nuchalis. (Fig. 6, 9, nuch) (Attollens euculli eervicalis Himly; M. cervico-euticularis Dobson). Dieser tiefste Hautmuskel des Igels beginnt vom Ligamentum nuchae, die vorderen Bündel liegen unterm hinteren Ende des M. cervico-aurieularis. Kaudalwärts reicht der Muskel bis zum Gebiet des Schultergelenks. wo sie sich unterhalb des medialen Bündels des M. dorso-euticularis an den M. orbieularis ansetzen. Die kaudalen Fasern des M. nuchalis bedecken die vor- dersten Fasern des Stratum transversum des Orbicularis, mit welchem sie die gleiche querlaufende Faserrichtung haben. Nervus facialis. Alle bisher beschriebenen Hautmuskeln des Kopfes und Halses werden vom N. facialis innerviert. Es erscheint uns am zweckmäßigsten den Nerv selbst zu beschreiben, statt die Innervation jedes einzelnen Muskels. Sofort nach seinem Austritt aus dem Foramen faciale externum gibt der N. facialis einen Ramus auricularis posterior ab (Fig. 7, aur). Der Zweig wendet sich nach hinten und zieht hinter der Ohrmuschel nach oben, er liegt auf der Halsfascie bedeckt von den Ursprüngen der Partes postauriculares des M. fronto-dorsalis und Platysma. Un- gefähr in der Höhe des oberen Ohrmuschelrandes teilt er sich in zwei Ästehen, welche den M. oceipito-aurieularis und M. cervico-auri- eularis innervieren. Vom hinteren Zweig geht beinahe unter rechtem Winkel ein Astehen zum M. nuchalis (Fig. 7, nuch) er gelangt an die Unterseite des Muskels und tritt beinahe in dessen Mitte in ihn ein. Bald nach Abgang des Ramus auricularis posterior geht vom Gesichtsnerv ein langer Ast zum M. digastrieus (Fig. 7, d). Die bei- den folgenden Zweige der Ramus auriculo-sternalis und R. collo- sternalis gehen oft von einem gemeinsamen Stamme ab, in anderen Fällen geht der R. collo-sternalis früher ab. Der R. oceipitalis (Fig. 7, oec) geht nach oben und hinten, durchbohrt die Ohrspeicheldrüse, in 170 Gustav Michelsson welcher er ein unbedeutendes Netz bildet, und teilt sich darauf in zwei Äste. Der hintere von ihnen tritt von der Unterfläche in die Portio postauriceularis platysmatis und den kaudalen Abschnitt des Platysma labii superioris, in denen er sich zwischen den Muskel- fasern verzweigt. Der vordere Ast verzweigt sich in derselben Weise in der Portio postaurieularis und Portio reeta des M. fronto-dorsalis. Fig. 7. OL. rd ard Mo rd rd x R 16 rd fd) p98 7) BANG ei: Z aur au zgaU } \ u’ I p Fr zgau N öv nuch 4 HH —_< z= E : or r.guv Dec “ VER % \ buce = . aust; d pl Sph e5F h d Sp A ausf Sp ? Schema des N. facialis. VI. N. facialis; V. Anastomose vom N. trigeminus; aur. R. auricularis posterior; nuch, Ast zum M. nuchalis; d. R. digastricus; oec. R. oceipitalis; r.auv. sein Ramus anastomotieus; plp. Ast zur Portio postauricularis platysmatis; pos/. Ast zur Portio postauricularis M. fronto-dorsalis; orb. Äste zum M. orbicularis; est. R. collo-sternalis; aus. Äste zum M. aur culo-sternalis; aum. Äste zum M. auriculo- mandibularis; /rd. Äste zum M. fronto-dorsalis; 2b. Äste zum M. temporo-buccalis; zguu. Äste zur Portio zygomatico-auricularis des Platysma; pl. Äste zum Platysma ; sph. Äste zum Sphineter colli; brce. Äste zum M. buccinator; or. Äste zum M., orbicularis oris; na. Äste zum M. maxillo-nasalis und zygomatico-nasalis; bv. Ast zum M. levator labii sup°rioris., Einige Astehen durchbohren den M. fronto-dorsalis und verzweigen sich zwischen den Muskelfasern des vorderen Abschnittes des M. orbi- eularis (Fig. 7, orb). Schon vor seiner Teilung in einen vorderen und hinteren Ast, anastomosiert der R. occeipitalis mit einem Ast aus dem dritten Halsnerven (dem N. aurieulo-oceipitalis). Der R. collo-sternalis (Fig. 7, est) wendet sich nach unten und hinten und tritt bald von der Unterfläche in den M. collo-sternalis ein, in welchem er sich verzweigt. Die vorderen Ästehen inner- vieren auch den M. auriculo-sternalis. Es gelang mir den R. eollo- Ei Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 171 sternalis im gleichnamigen Muskel bis zu dessen Ansatz am Sternum zu verfolgen. Ungefähr in der Mitte des Muskels anastomosiert der R. eollo-sternalis mit dem N. eutaneus colli. Außerdem verzweigt sich im medialen Teil des Muskels noch der R. colli des fünften Hals- nerven, welche zusammen mit Fasern vom R. collo-sternalis ein groß- maschiges Geflecht an der Unterseite des Muskels bildet. Der R. colli CV wird später beschrieben werden. Der nächste vom Fazialisstamm abgehende Nerv, der R. auri- eulo-sternalis (Fig. 8, aust) liegt unter dem M. auriculo-sternalis, welchen er auch innerviert, außerdem gibt er aber auch noch feine Ästehen zum Platysma. Häufig geht der R. auriculo-sternalis vom R. oceipitalis ab. Die folgenden vom Facialis abgehenden Äste liegen schon vor der Ohrmuschel, man kann zwei Gruppen unterscheiden: Rr. tempo- rales, welche nach vorn und oben ziehen und die zwischen Ohr und Auge gelegenen Muskeln innervieren; und Rr. buccales, weiche sich in der Wangengegend verzweigen. Rr. temporales. Gleich nach Abgang vom Fazialisstamm gehen 2—3 feine Zweige zum M. aurieulo-mandibularis (Fig. 7, aum). Etwas weiter geht ein ziemlich dieker Ast ab, welcher unmittelbar vor dem Ohr nach oben zieht und sich im M. fronto-dorsalis ver- zweigt. Die Hauptmasse der Rr. temporales zieht nach oben und vorn und bildet vor dem Ohr z. T. in der Muskelmasse ein Geflecht. Die Äste treten von der Unterfläche in den M. temporo-bucealis ein und ziehen, seine Faserrichtung kreuzend, schräg nach oben, wobei sie je höher desto oberflächlicher werden. Die von diesem Geflecht abgehenden äußerst feinen Ästehen innervieren den M. auriculo-orbi- talis, temporo-bucealis (Fig. 7, tb) und fronto-dorsalis (Fig. 7, frd). Nach unten ziehende Ästehen innervieren die Portio zygomatico-auri- eularis (Fig. 7, xgau) und das Platysma labii superioris (Fig. 7, pl). Sehr oft geben die Rr. temporales auch Äste zum Sphineter colli und Platysma labii inferioris. Rr. buccales. Hierher gehören 4—5 Äste, welche vom Fazialisstamm nach unten abgehen und miteinander anastomasierend den Sphineter colli intermedius und anterior (Fig. 7, spk) und das Platysma labii superioris und inferioris (Fig. 7, pl), innervieren. Der Nervus facialis hat von seinem Ursprung bis zum Mund- winkel einen geraden Verlauf, hier macht er eine scharfe Biegung nach oben und läuft nach einer abermaligen Biegung parallel dem Oberlippenrande. Von dem geraden Abschnitt gehen außer den Rr. 172 Gustav Michelsson buceales noch 2—-3 Ästehen zum M. buceinator ab (Fig: 7, buce). Am Mundwinkel gehen Ästehen zum M. orbieularis oris ab (Fig. 7, or). Im Gebiet der Oberlippe geht ein starker Ast nach oben, von welchem unter rechtem Winkel kurze Ästchen zu den drei Mm. zygo- matico-nasales abgehen (Fig. 7, na). Jeder Muskel erhält zwei feine Fädehen. Weiter oben gibt dieser Ast ebenfalls unter rechtem Win- kel 7—8 Ästchen zum M. maxillo-nasalis (Fig. 7, na). Der M. zygo- matico-labialis erhält direkt vom N. facialis zwei selbstständige Ästehen. Etwas weiter geht vom Stamm des N. facialis ein ziemlich an- sehnlicher Ast zum M. levator labii superioris (Fig. 7, /ev), er zerfällt in ihm in mehrere Ästehen, welche an die einzelnen Muskelbündel treten. Ein Ast durchbohrt den Muskel und wendet sich bogenförmig nach oben und hinten, um in der Haut des oberen Augenlides zu endigen. Der Hauptstamm des N. facialis begibt sich längs der Oberlippe nach vorn und zerfällt in eine Anzahl kleiner Ästehen, welche die übrigen Gesichtsmuskeln der Oberlippe innervieren.. Außer den schon beschriebenen Anastomosen des N. Tacialik mit Halsnerven, anastomosiert er auch noch mit dem N. trigeminus. Dort wo vom Fazialisstamm die Rr. temporales abgehen anastomo- siert ein dieker Trigeminusast, wobei er sich gabelförmig teilt: ein Schenkel geht zum Fazialisstamm, der andere zum kurzen gemein- samen Stamm der Rr. temporales. Außerdem anastomosiert auch noch“der N. infraorbitalis mit den Endzweigen des N. facialis. Die Halsnerven. Im Verbreitungsgebiet des N. facialis ver- zweigen sich auch Halsnerven, welche nach Ansicht einiger Forscher an der Innervation der Hautmuskulatur beteiligt sind, es ist daher notwendig auch die Halsnerven und ihre Anastomosen mit dem N. facialis zu untersuchen. Der Ramus anterior des ersten Halsnerven schließt sich dem N. hypoglossus an. Vom zweiten Halsnerven, oder von der Schlinge, welche den ersten und zweiten Halsnerven verbindet läuft ein Ast zum Halse, welcher sich mit dem’ R. descendens n. hypoglossi ver- einigt und so die Ansa hypoglossi bildet (Fig. 8, ansa), welche Ast- chen zu den Mm. sternohyoideus, sternothyreoideus und omohyoideus entsendet. Die genannten Halsnerven variieren recht bedeutend. Der stark entwickelte dritte und vierte Halsnerv sind durch eine Schlinge verbunden, von welcher drei dicke Nerven abgehen, welche am hinteren Rande des M. cleido-oceipitalis hervortreten. Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 173 Der oberste Nerv, der N. auriculo-oceipitalis (Fig. 8, auroec) begibt sich nach oben und vorn zur Ohrmuschel, hier teilt er sich in zwei Äste. Der ventrale von ihnen (R. auricularis) zerfällt in 4—5 Äste, welche zur hinter dem Ohr gelegenen Haut gelangen.- Der dorsale Ast (R. oceipitalis) verbindet sich vermittels eines Ästchens mit dem R. oceipitalis des N. facialis, und verzweigt sich in der Portiopostaurieularisundrecta des M. fronto-dorsalis, ein weitmaschiges Netz bildend. Den größten Teil der von diesem Netz abgehenden Äst- chen konnte ich durch den M. fronto-dorsalis hindurch zur Haut verfolgen. Der End- zweig durchbohrt die Portio postauricularis platysmatis, darauf den M. orbieularis und gelangt zur Haut. Vor seiner Verzweigung anastomosiert der R. aurieulo-oceipitalis mit dem N. accessorius. Neben dem KR. aurieulo-oceipitalis läuft ein feiner Nerv, welcher entweder selbstständig oder zusammen mit ihm von der Schlinge des dritten und vierten Halsnerven entspringt, er durehbohrt ebenfalls die Portio postaurieularis platys- matis und den M. orbiecularis und gelangt zur Haut. Der zweite Nerv, welcher Fig. 8. a: INS AUr OEeCc e. coll er sypril er CY Ei v.call = Supra DE er derdse FE , cz Muse. ur _ Be L a lat 7h Schema des Plexus cervicalis und brachialis. CI—CVIIIA.—8. Halsnerv; thI 1. Brustnerv; Hyp.N. hypoglossus; ansa. Ansa hypoglossi; aur.oec. N. auri- eulo-oceipitalis; c.call. N. cutaneus colli; supril. N. supraclavieularis; Zrap. Ast zur Haut in der Gegend des M, trapezius; supra. N. suprascapularis; v.call. Ramus colli des fünften Halsnerven; derbse. N. sub- scapularis; Pee. Rr. pectorales; Musc.cut. N. musculo- eutaneus; Med. N. medianus; Aldll N. axillaris; Red. N. radialis; pbn. N. ulnaris ; Cul. N. eutaneus brachii ; Lat. N. latissimi dorsi; 7h. N. thoracalis anterior. von der Schlinge des dritten und vierten Halsnerven abgeht, ist der N. cutaneus colli (Fig. 8, ce. call). Der Nerv geht nach vorn und unten, anastomosiert mit Zweigen des R. collo-sternalis n. faecialis und geht sich verzweigend zur Haut der lateralen und ventralen Halsgegend. Der dritte Nerv zerfällt sehr bald in mehrere Nerven, es sind die Nn. supraclavieulares (Fig. 8, supril). Eine Gruppe von Nerven geht zur Haut der Schlüsselbeingegend, eine andere, weniger 174 Gustav Michelsson zahlreiche geht unter den M. collo-sternalis, wo sie mit dem R. colli des fünften Halsnerven ein Geflecht bildet. Den größten Teil gelang es mir bis an das Brustbein zu verfolgen, wo sie den Muskel durchbohren und zur Haut im Gebiete der Articulatio sterno-elavi- cularis gelangen. Der fünfte Halsnerv gibt den N. suprascapularis ab , (Kig. 8, supra). An der Wurzel dieses Nerven gehen 2 bis 3 feine Zweige ab, welche bogenförmig vor dem Schultergelenk vorbeiziehen und die Haut des Schulterblattgebiets innervieren. Außerdem geht von dieser Stelle noch ein ziemlich dieker Nerv ab, es ist der R. colli n. cervicalis V. Der Nerv zieht nach vorn, durchdringt das Fettgewebe vor dem Sehlüsselbein und gelangt unter den M. eollo-sternalis, hier anasto- mosiert er mit den Nn. supraclaviculares und mit dem R. collo-ster- nalis des N. facialis und bildet an der ganzen Unterfläche des M. collo-sternalis ein weitmaschiges Netz, von welchem äußerst feine Fädehen in den Muskel eindringen und zwischen den einzelnen Muskelfasern hinziehen. Der Hauptstamm des R. colli zieht nach vorn und gibt Aste zum M. auriculo-sternalis, Sphineter colli inter- medius und anterior, wobei die Äste des R. colli mit den dieselben Muskeln versorgenden Zweigen des N. facialis anastomosieren und mehr oder weniger ausgedehnte Netze bilden. Es gelang mir, den R. colli bis zum Sphineter anterior zu verfolgen, er gibt immer ein Astechen zum Mundwinkel. Aus der menschlichen Anatomie ist ein entsprechender Nerv nicht bekannt, auch bei der Katze und Ratte habe ich ihn vergebens gesucht. Wie wir sehen anastomosiert der N. facialis mit dem N. trige- minus, ferner mit dem dritten, vierten und fünften Halsnerven. Der dritte Halsnerv wiederum anastomosiert mit dem N. accessorius. Außerdem bildet der N. facialis mit Halsnerven an der Unterfläche der Hautmuskulatur Endgeflechte, an denen sich zwei oder drei Ner- ven beteiligen, welche dank der Anastomosen schon Fasern ver- schiedener Nerven führen. Erst von diesen Geflechten gehen die den Muskel innervierenden Fädchen ab. Das verwickeltste Endge- flecht befindet sich unter dem M. collo-sternalis, an ihm beteiligen sich, wie wir sahen der R. colli des fünften Halsnerven, Nn. supra- clavieulares und der N. facialis. Aber auch an anderen Stellen beschrieben wir Endgeflechte. Es ist in allen diesen Fällen absolut unmöglich festzustellen, aus welchen Nerven die motorischen Fasern stammen; welche durch das feine Fädchen in den Muskel gelangen. Die feinste und geschickteste Präparation, selbst unter dem Mikro- a4 Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaens). 175 skop, kann hier keinen Aufschluß geben, wir müssen, wie schon anfangs ansgeführt, die physiologische Methode heranziehen. Wenn wir den Stamm des N. faeialis, gleich nach seinem Aus- tritt aus dem foramen faciale externum, bevor er noch mit irgend einem Nerven anastomosiert hat, mit dem Induktionsstrom reizen, so erhalten wir eine Kontraktion aller beschriebenen Hautmuskeln des Kopfes und Halses. Außerdem erhalten wir auch noch eine Zuckung des vorderen queren Teiles und der unmittelbar anliegenden Teile des längsverlaufenden Abschnittes des M. orbieularis.. Eine Reizung des Stammes des zweiten, dritten und vierten Halsnerven gibt keine Kontraktion der Hautmuskulatur. Bei Reizung des R. aurieulo-oceipitalis und cervicalisII hinter der Anastomose mit dem "N. facialis erhalten wir eine Zuckung des vorderen Abschnittes des M. orbieularis, die motorischen Fasern stammen also aus dem N. facialis und verlaufen teilweise im R. aurieulo-oceipitalis. Endlich erhalten wir ‘bei Reizung des N. accessorius auch keine Zuckung der bisher beschriebenen Hautmuskulatur. Interessant sind die Verhältnisse am R.colli des fünften Halsnerven. Allgemein gibt eine Reizung. dieses Nerven keine Reaktion, es kommt aber zuweilen eine Zuckung aller Teile des Sphineter colli vör, am stärksten reagiert der M. collo-sternalis, charakteristisch ist ein Herabziehen des Mundwinkels. Die Kontraktion ist übrigens weit schwächer als bei Reizung des N. facialis. Nach Durchschnei- dung des R. colli gibt die Reizung des peripheren Stumpfes keinen Effekt, die Reizung des zentralen Stumpfes oder des Stammes des fünften Halsnerven gibt aber die beschriebenen Kontraktionen. Dieses Verhalten über dessen Richtigkeit ich mich an fünf Igeln überzeugte, kann natürlich nur durch Rertex erklärt werden, der R. colli ist offenbar ein sensibler Nerv der den Reiz durch die Ganglienzentren zum N. facialis leitet. Von dieser Voraussetzung ausgehend habe ich das Experiment etwas modifiziert. An einem leicht narkotisierten Igel wurden zunächst die oberflächliche Halsmuskulatur und der R. colli des fünften Halsnerven freigelegt und durch Reizung des R. ceolli eine Zuckung aller Abschnitte des Sphincter colli erhalten. Darauf entfernte ich das Rückenmark. Nachdem ich nach einigen Minuten durch Reizung des N. faeialis und der Nerven des Armgeflechtes festgestellt hatte, daß die Erscheinungen des Shokes gewichen sind, reizte ich abermals den R. ceolli des fünften Hals- nerven; eine Kontraktion fand nicht statt, selbst bei Anwendung be- deutenderer Stromstärke. Auf Grund -dieser Versuche halte ich es 176 Gustav Michelsson für bewiesen, daß der R. colli des fünften Halsnerven keine moto- | rischen Fasern für die Halsmuskulatur enthält. Wir können also auf Grund der durch die physiologiche Methode gewonnen Resultate sagen, daß beim Igel alle bis jetzt beschriebenen Hautmuskeln des Halses und Kopfes einzig und allein vom N. fa- cialis innerviert werden. In der Literatur fand ich nur eine Bemerkung über die Inner- vation der eben beschriebenen Hautmuskulatur des Igels. EisLEr!) gibt an, daß es ihm in zwei Fällen gelang beim Igel einen dünnen Zweig der Nn. thoracales anteriores, welcher den M. peetoralis maior innervierte durch denselben hindurch bis zum lateralen Rande des M. sternofacialis zu verfolgen. Der mediale Teil des Muskels wurde vom N. facialis innerviert. Trotz sorgfältigster Präparation habe ich‘ keinen Zweig der Nn. thoracales anteriores zum M. collo-sternalis und den weiter nach vorn liegenden Teilen des Sphineter colli finden können. Eine Reizung der Nn. thoracales anteriores gibt keine Kon- traktion der Hautmuskulatur des Halses und Kopfes. Es scheint mir daher wahrscheinlich, daß EısLer den R. colli des fünften Hals- nerven mit einem Ast des N. thoracalis anterior verwechselt hat. Nachdem wir die Hautmuskulatur des Halses und Kopfes des Igels und deren Innervation beschrieben haben, wenden wir uns der vergleichenden Anatomie dieser Muskelgruppe zu. Die Hautmuskulatur des Kopfes und Halses der Säugetiere. Die Hautmuskulatur der Monotremen ist von RUGE in einer aus- fübrlichen Monographie beschrieben worden. Ferner gibt SCHULMANN eine eingehende Beschreibung des Sphinceter colli bei beiden Arten, endlich liegen noch kürzere Beschreibungen von WESTLING u. a. vor. Die vom N. facialis versorgte Muskulatur läßt zwei Schichten er- kennen: eine neutrale querverlaufende und eine längsverlaufende, welche sich über Kopf, Hals und Nacken ausbreitet. Die erste be- zeichnet RuGE als Sphincter eolli, die letztere als Platysma. Der Sphineter colli (Sphineter colli externus ScHULMANN) bedeckt bei beiden Arten den Hals. Bei Ornithorhynchus beginnen seine Bündel an der seitlichen Halsfläche von einer Linie, welche etwa 1 em hinter dem Mundwinkel beginnt, ventralwärts reicht er bis zur Mittellinie, wo die Fasern ohne Unterbrechung auf die andere Seite übergehen. Der ganze Muskel ist durch Bindegewebe sehr fest mit der Haut ver- 1 EısLEer, Der Musculus sternalis. S. 69. ”. Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 177 lötet. Die zwischen Schnabel und Auge liegenden Bündel enden nach SCHULMANN zwischen tieferen Platysmabündeln, einige gelangen auch zur Haut. Unterhalb der Augen und Ohröffnung scheinen nach SCHULMANN einige Bündel sich ebenfalls mit Platysmabündeln zu durchflechten. Hinter dem Ohr enden die Bündel auf der Faszie der darunterliegenden Muskelschicht. Bei Echidna beginnt der Muskel ebenfalls von der Seitenfläche des Halses, die vordersten Bündel setzen sich an die Haut und Faszie des Platysma hinter dem Mnndwinkel an, die folgenden zwischen Auge und Ohr gelegenen setzen sich an dieselbe Faszie und an Sta- ‚cheln an, weiter kaudal liegende heften sich an den unteren Rand der Gehöröffnung und an die Faszie der tiefen Längsschicht an. In der Umgebung der Auricula schieben sie sich bisweilen zwischen Bündel dieser letztgenannten Schicht Die hintersten Bündel setzen sich an Stacheln hinter dem Ohr an. Was die Innervation des Muskels bei beiden Tieren betrifft, so gibt Ruce an, daß er vom N. facialis versorgt wird, SCHULMARN läßt die Frage offen. Er konnte zwar zum genannten Muskel einen Fa- cialisast feststellen, derselbe anastomosierte aber unterwegs mit Zer- vikalnerven. Unter dem eben beschriebenen Sphineter colli findet man bei Ornithorhynchus in der Halsgegend einige von Rus als Fascieulus hyoideus bezeichnete Muskelbündel. Bei Kechidna findet sich hier nach SCHULMANN eine ausgedehnte tiefe Sphineterschicht, der Sphincter colli internus. SCHULMANN rechnet außerdem noch zur tiefen Schicht die ganze Buceinatorgruppe. Es ist gewiß möglich, daß dieselbe von einem tiefen Sphincter colli abstammt, der Beweis ist aber noch nicht geliefert, vielleicht würden ontogenetische Untersuchungen hier Aufschluß geben. Jedenfalls ist die Buceinatorgruppe soweit selbst- ständig, daß es uns nach dem Vorbilde anderer Autoren zunächst am zweckmäßigsten erscheint sie als besondere Gruppe zu behandeln. Der Faseieulus hyoideus ist bei Ormithorhynchus schwach ent- wickelt und stellt ein transversal verlaufendes Muskelbündel dar, welches an der Ventralseite des Hyoidapparates gelegen ist und an der Platysmafaszie inseriert. Bei Kehidna unterscheidet ScHULMAnN eine Portio aurieularis, cer- vicalis und humeralis, welche er als postglenoidale Gruppe seines Sphincter internus zusammenfaßt. Die Portio aurieularis beginnt in der Hyoidgegend von der Mittel- linie, die Muskelbündel ziehen schräg nach vorn und lateralwärts und 178 Gustav Michelsson inserieren am unteren Rande der Gehöröffnung, »die oberflächlichsten vor der Gehöröffnung an der Spitze des Tragusknorpels. In der Nähe des Ohres sind die Aurieularisbündel von längsverlaufenden Bündeln bedeckt« (SCHULMANN). Unmittelbar an die Portio aurieularis schließen sich mehr ober- flächlichere Bündel der Portio cervicalis an, welehe SCHULMANN als Übergangsbündel bezeichnet, sie beginnen an der Ventralfläche des Halses, wo sie mit der oberflächlichen Schicht des Sphincter colli verwachsen sind. Dorsalwärts ziehend, schieben sie sich zwischen die dorsalen Längsbündel ein und inserieren an Wurzeln von Randstacheln. Die kaudalere, tiefere Schicht der Portio cervicalis hängt in der, Episternalgegend ebenfalls mit dem oberflächlichen Sphineter zu- sammen, dorsalwärts ziehend setzen sich die Fasern, bedeckt von longitudinalen Schichten, an tiefliegenden Stachelwurzeln an, man kann sie bis zur Ohrspitze verfolgen. Die kaudalste Schicht, die Portio humeralis bildet ein breites Muskellager, welches die vordere Extremität von oben ringförmig um- greift. Der Muskel beginnt an der Seite der Brust von Stacheln und von der Haut, zieht aufwärts und inseriert an Haut und Stacheln auf der Faszie der dorsalen Längsschicht. Bei seiner Insertion steigen die Muskelbündel nach SCHULMANN sukzessiv an die Oberfläche. Bei Ornithorhynchus beginnt das Platysma nach Ruscss Dar- stellung vom Oberkieferknochen unterhalb der Orbita. Der Ursprung liegt gleich hinter der häutigen Lippenkappe und erstreckt sich vor- und aufwärts vor die Backentasche und dem hier befindlichen Zahn- ‘apparat. An der vorderen Wandung der Backentasche greifen Ur- sprungsbündel auch noch auf den Unterkiefer über. Der Muskel zieht von hier sich allmählich verbreiternd nach hinten und bedeckt die Backentasche und die Bauch- und Rückenseite von Kopf und Hals. Die dorsalen Bündel verlaufen unter dem Ohr, an welches sie sich fest anlegen, nach hinten und oben und nehmen hinter dem- selben einen beinahe queren Verlauf an, sie gehen unmittelbar in eine querverlaufende Portion über, welche Rue als aurieularis dorsalis seu posterior bezeichnet. Diese läuft vom oberen Rande des rudi- mentären Ohres sich verbreiternd zur Mittellinie des Schädels. Die mittleren Bündel des Platysma haben einen mehr geraden Verlauf und gehen bei der Interskapulargegend unmittelbar in den längsverlaufenden dorsalen Hautrumpfmuskel über, so daß es schwer ist, eine genaue Grenze beider durch verschiedene Innervation ge- schiedener Muskeln festzustellen. Die ventralsten Bündel des Platysma .. Die Hautmuskulatur des Igels (Erinäceus europaeus). 179 setzen sich am Skelett der vorderen Gliedmaße fest, hier werden sie von Bündeln des Hautrumpfmuskels, welcher ebenfalls hier inseriert, eingefaßt. "Unter diesem Muskel befindet sich bei Ornithorhynchus noch ein tiefer humero-cranialer Muskel, welcher bandartig vom Humerus zur dorsalen Mittellinie zieht, wo er mit einer glänzenden Lehne etwa in der Höhe des Parietalauges endet. Er wird durch den M. dorso- euticularis (costo-nuchales Muskelbündel RuGE) von der oberflächlichen Schicht getrennt. Gemeinsam von der Aponeurose des M. clavae- eutieularis entspringen dem Accessoriusgebietangehörige Muskelmassen, welche fast dieselbe Faserrichtung wie der humero-ceraniale Muskel aufweisen, sich aber von ihm außer der verschiedenen Innervation auch noch durch den verschiedenen Ansatz am Skelett unterscheiden. Während der humero-craniale am BHumerus inseriert, setzen sich diese am Schultergürtel an. Zu diesen Muskeln kommen noch zwei mehr selbständig gewor- dene tiefe Muskeln. Sie entspringen beide vom Oberkiefer, der stär- kere hintere Muskel zieht zur Obrmuschel, es ist nach Ruce ein M. maxillo-aurieularis. Dünnere Bündel ziehen zwischen Ohr und Auge dorsalwärts, sie repräsentieren einen M. maxillo-orbitalis. Bei Echidna ist das Platysma dank seiner Beziehung zur stärker entwickelten Ohrmuschel viel reicher gegliedert. Das Platysma be- ginnt vom Oberkiefer und der Kaumuskelfaszie. Die proximal ent- springenden Bündel sind oberflächlicher, die kaudaleren liegen tiefer. Die ganze hier entspringende Platysmamasse läßt sich in eine ven- trale, unter dem Ohr und eine dorsale über demselben nach hinten ziehende Muskelportion einteilen. Der ventrale Abschnitt läuft ziemlich gerade nach hinten und endet in der seitlichen Halsgegend, bedeckt von den oberflächlichen Fasern des Sphineter colli. Ihrerseits bedecken sie unter dem Ohr die Pars auricularis des tiefen Sphineter. Tiefere Bündel des ven- tralen Platysma gelangen bis in die Regio scapularis und intersca- pularis, wo sie mit dem Hautrumpfmuskel und dem Sphineter colli verschmelzen. Die ventrale Abteilung entspricht dem ganzen Platys- ma bei Ornithorhynchus, außer den humero-cranialen Bündeln, welche bei Echidna kein Homologon haben. Hinter dem Ohr zeigt das ven- trale Platysma von Echidna interessante Verhältnisse, es sondern sich nämlich Bündel zu einem M. auricularis posterior ab, welcher aber nicht scharf von der Hauptmuskelmasse geschieden ist. Nach Ruck ist dieser Teil trotz verschiedener Faserrichtung dem gleichnamigen Morpholog, Jahrbuch. 51. 13 180 Gustav Michelsson Muskel bei Ornöthorhynehus homolog und enthält bei beiden das ganze Material, »welches zu einem M. auricularis posterior, M. oceipitalis, sowie den Mm. proprii auriculae posteriores bei höheren Formen verwendet wurde«. (l. c. S. 144.) Die dorsale Platysmaabteilung zieht vom gemeinsamen Ursprung am Oberkiefer zwischen Auge und Ohr dorsalwärts. Man kann mehrere Schichten unterscheiden. Die oberflächlichste, welche eine gewisse Selbständigkeit erlangt hat, endet frei auf den tieferen Sehichten, ein vorderes Bündel zieht zur Orbita, ein hinteres lief bei einem Exemplar abwärts. Die nächst tiefere Schicht zieht zum In- tegument der Scheitel-Nackengegend. Die oberflächlichsten Bündel dieser Schicht setzen sich auch noch an dem vorderen Rand der Ohr- muschel an. Die Hauptmasse zieht dorsal vom Ohr bis zur Median- linie und reicht kaudalwärts bis zur Schultergegend, wo sie zusammen mit der neutralen Abteilung des Platysma in den dorsalen Haut- rumpfmuskel übergeht. Die hinter dem Ohr gelegenen Bündel schließen sich eng dem M. auriceularis posterior. an. Tiefe Fasern des dorsalen Platysma ziehen direkt dorsalwärts zum Scheitel, andere Fasern setzen sich am neutralen Rande der Ohrmuschel an. In diesen Bündeln, welehe RuGe M. maxillo-aurieularis nennt, erblickt er das Material, aus welchem sich der M. auriculo-labialis inferior höherer Formen bildet, er würde also der Portio zygomatico-aurieularis beim Igel entsprechen. Am oberen und vorderen Rande der Ohrmuschel setzen sich bei Echidna ebenfalls tiefe und oberflächliche Platysma- bündel an, es ist nach Ruce ein M. maxillo-aurieularis superior, welcher das Material für den M. aurieulo-labialis superior höherer Formen liefert. Unter dem M. maxillo-aurieularis befindet sich noch eine tiefe Schicht, welche ebenfalls vom Oberkiefer entspringt und als einheit- liche Muskelplatte vor dem Ohr dorsalwärts zieht, wo sie sich mit einer festen Aponeurose an der Unterfläche der oberflächlichen Schich- ten ansetzt. Vor dem Auge befindet sich eine Muskelmasse, welche Rucz als frontale Muskelplatte bezeichnet, sie entspringt oberhalb des M. bucei- nator vom Oberkiefer und inseriert an einer aponeurotischen Membran, welche sich interorbital ausbreitet und mit der anderseitigen zu- sammenhängt. Wir wenden uns nun der Buceinatorgruppe zu. Wie wir schon oben erwähnten, rechnet ScHULMANN die ganze Gruppe zum Sphincter internus, # Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 181 Bei Ornithorhynchus beschreibt SCHULMANN einen neuen Muskel, den er M. orbieularis plicae anguli oris bezeichnet. Es sind feine Bündel, welche, von der dorsalen Hälfte der Lippenkappe an dem Mundwinkel vorbei auf die ventrale Hälfte ausstrahlen, ohne die Mittel- ‚linie zu erreichen. Kaudal stehen sie durch Übergangsbündel mit dem M. buceinator in Verbindung. Der M. buceinator entspringt bei Ornithorkhynchus vom Oberkiefer längs einer Linie, welche der dorsalen Umschlagsstelle der Mund- schleimhaut entspricht. SCHULMANN unterscheidet drei Abteilungen: Die vorderste, Portio ecanina orbieularis triangularis, entspringt vom Processus infraorbitalis und inseriert zusammen mit Fasern vom Or- bieularis plicae anguli oris am Unterkiefer, dicht an dem Rande des vorderen Hornzahnes. Die mittlere Abteilung Portio buceinatoria unterscheidet sich von den vorhergehenden durch mehr perpendikulären Verlauf der Fasern. Sie inseriert längs dem scharfen dorsalen Man- dibularrand. Die kaudalste Abteilung Portio orbieularis bursae buc- calis entspricht Ruges Sphincter bursae buccalis. Die Fasern dieser Schicht verlaufen anfangs in schräger Richtung von oben nach unten und hinten. Die hintersten sind am längsten und haben einen am meisten schrägen Verlauf, umgreifen von hinten her die Backentasche und setzen sich am vorderen Rande des Processus alveolaris mandi- bulae an. Die vorderen kürzeren Bündel setzen sich schon früher an der Backentaschenfaszie an. Bei Echidna unterscheidet SCHULMANN zwei Schichten am M. buceinator. Die oberflächliche, welche dem M. buceinator bei RuGE entspricht liegt unmittelbar unter dem Integument, die Fasern beginnen vom Öberkiefer und setzen sich am Unterkiefer an. Die vordersten Bündel beginnen sich zu einen M. orbieularis oris zu differenzieren, Unter dieser Schicht findet ScHuLmANnN noch eine tiefe, welche RugeE nicht beschreibt, sie hat longitudinalen Verlauf, kreuzt also die Fasern der oberflächlichen Schicht. Die Fasern ziehen schräg nach hinten zu einer konvexen Insertionslinie der Bindegewebswand der Wange. Kaudal vom Buceinator liegt bei Echidna noch ein Muskel, welchen Schumann als Mixillarabteilung bezeichnet, sie unterscheidet sich vom oberflächlichen Buceinator dadurch, daß die vom Oberkiefer entspringenden Fasern sich nicht am Unterkiefer ansetzen, sondern über denselben wegziehend an einer Faszie an der ventralen Mittel- linie des Halses. Bei den Beuteltieren besteht die Hautmuskulatur des Halses aus zwei Schichten. Die oberflächliche geht von der Unterkiefersymphyse 13* - 182 Gustav Michelsson und ventralen Mittellinie zum Gebiet des Schlüsselbeins Aid Schulter- blatts. Die tiefe Schicht, welche offenbar dem Sphincter colli ent- spricht, hat genau die entgegengesetzte Richtung. Bei Parodoxurus inseriert der Sphineter am Brustbein, bei Cuscus und Maeropus an der Halsfaszie. Etwas genauere Angaben finden wir bei Boss und PaurLy für Halmaturus und Didelphys. Bei Zalmaturus ist der Sphineter pro- fundus gut entwickelt und hat eine am Ohr ansetzende Portio auri- eularis. Die Portio palpebralis gelangt unter den M. orbieularis oculi. "Das Platysma ist sowohl bei Zalmaturus als auch bei Didelphys eine zusammenhängende Muskelplatte, welche vom Nacken unter dem Ohr hindurch zum Mundwinkel zieht. - Bei Didelphys gibt es zwei breite, flache Ohrmuskeln. Der vor- dere von ihnen, der M. scutularis, hat eine selbständige Portion, welche von der Mittellinie des Schädels beginnt und mit feiner Sehne an vorderer, dorsaler Fläche der Ohrmuschel ansetzt (Pars transiens BoAs und Pavurry). Der M. seutularis selbst setzt sich als breiter Muskel mehr medial und näher zum Schädel an der dorsalen Fläche der Ohrmuschel an. Die tiefe Schicht der Ohrmuskeln ist ein typi- scher M. oceipito-auricularis — cervico-auricularis, welcher hinten un- mittelbar in das Platysma übergeht. Ähnlich sind die Verhältnisse bei AZalmaturus. Die Hautmuskulatur der Insektivoren ist durch die Monographie dieser Tierordnung von Dozson recht gut bekannt. Bei Gymnura beginnt der M. fronto-dorsalis (M. fronto-eutieularis Dobson) vom oberen Rande der Augenhöhle und dem Stirnbein und inseriert an der Haut zwischen den Ohren. Der M. oceipito-frontalis beginnt von der Crista oceipitalis und setzt sich vor den Augen an die Haut. Der M. cervico-aurieularis beginnt von der Crista oceipitalis und dem Ligamentum nuchae und setzt sich mit zwei Zipfeln an die Ohr- muschel. Die Sphincter-Gruppe ist gut entwickelt. Die vordersten quer verlaufenden Fasern liegen zwischen beiden Unterkieferkörpern und enden nach Dobson auf dem M. orbieularis oris (unser Sphincter anterius). Die kaudalen Fasern haben eine mehr schräge Richtung, der mittlere Teil beginnt von einer Raphe, welche vor dem Brustbein liegt und endigen am Halse.. Der kaudalste Teil beginnt vom Brustbein und endigt im Schulterblattgebiet (unser M. collo-sternalis),. Der M. nu- chalis beginnt vom Lig. nuchae, die vorderen Fasern inserieren an der Ohrmuschel, die kaudalen an der Seitenfläche des Halses am Sphineter eolli. Leider haben wir über die Hautmuskulatur von .. Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 183 Gymmura, dem nächsten Verwandten des Igels, keine weiteren An- gaben. Beim Taurek (Centetes ecaudatus) ist nach Boas und PAurLy der Sphincter profundus gut entwickelt. Die Portio aurieularis reicht bis zum Ohr, die Portio palpebralis nicht bis zum M. orbieularis oeuli. Ventral stoßen die beiderseitigen Muskeln kaudal in der Mittellinie zusammen, oralwärts gehen sie direkt in einander über. Nach Dogson setzen sie sich kaudal auch noch am Brustbein an. Kaudal von der Portio auricularis kommt nach Dosson noch ein Muskel vor, welcher vom Brustbein entspringt und darauf nach oben zieht. In der Nähe des Schultergelenks teilt er sich in zwei Teile: der eine inseriert zusammen mit der Pars clavieularis des M. pectoralis am Humerus, der andere inseriert an die Sehne eines anderen Haut- muskels, welcher den Unterarm bedeckt. Außer dem tiefen Sphincter beschrieben BoAs und PaAurry bei Centetes noch einen oberflächlichen Sphincter, er bedeckt in der ventralen Halsgegend das Platysma. Das Platysma beginnt nach der Abbildung, welche Boas und PAaurLy geben, zu urteilen im Nacken von der Mittellinie und zieht als breite Muskelschicht unter dem Ohr ins Gesicht. Vor dem Ohr befinden sich drei Muskeln, welche Boas und Paurzy gemäß ihrer Nomenklatur als Teile des M. scutularis zusammenfassen. Der erste Teil (pars antero-inferior) beginnt auf der Oberfläche des Schädels etwas vor dem Auge, ver- wachsen mit demjenigen der anderen Seite. Er zieht nach hinten und setzt sich mit seinen unteren Fasern an den oberen Teil des vor- deren Randes der Ohrmuschel an. Er entspricht unserem M. auri- eulo-orbitalis. Die zweite Portion beginnt vom Mundwinkel und . zieht zum Ohr, auf der Abbildung sind zwei getrennte Muskeln dar- gestellt, von denen der vordere frei auf dem M. aurieulo-orbitalis endet, der hintere am Vorderrande des Ohrs inseriert. Er entspricht dem M. temporo-buccalis beim Igel. Endlich die dritte Portion beginnt am Ohr von der Insertionsstelle der beiden vorigen und zieht dorsal- wärts, wo er sich in der Mittellinie des Scheitels mit dem der an- deren Seite vereinigt. Bei Ericulus, welcher ebenso wie unser Igel mit Stacheln be- deckt ist, beginnt nach Dogson der M. collo-sternalis (M. sterno- facialis Dobson) vom Brustbein, nach oben ziehend inseriert er am M. caudo-dorsalis, welcher den ganzen Rücken bedeckt. Der M. fronto-dorsalis beginnt vor den Augen vom Stirnbein, zieht nach hinten und schließt sich im Schulterblattgebiet dem M. eaudo-dorsalis an. 184 Gustav Michelsson Bei Chrysochloris beginnt der M. collo-sternalis (M. sterno-cuti- cularis Dobson) vom vorderen Viertel des Brustbeins und inseriert an der Seitenfläche des Halses, Der M. acromio-euticularis beginnt vom Akromion und setzt sich an die Haut der Schultergegend. Der M. fronto-dorsalis beginnt vom Stirnbein und dem Oberkiefer und inseriert an der Haut zwischen den Ohren. Der M. oceipito-frontalis, cervico-auricularis und nuchalis unterscheiden sich nicht wesentlich von denselben Muskeln bei Gymnura. Endlich der M. cervieo-euti- cularis beginnt vom Lig. nuchae und endigt etwas oberhalb des Gehörganges. Bei Myogale, Caudylura, Scalaps und Scapanus beginnt der M. fronto-dorsalis vom Stirnbein und Oberkiefer und inseriert an der Haut zwischen den Ohren. Der M. oceipito-frontalis beginnt von der Crista oceipitalis und inseriert an der Faszie, welche die Nasen- beine bedeckt. Der M. oceipito-euticularis beginnt vom Lig. nuchae und inseriert an der Haut etwas oberhalb der Gehöröffnung. Der M. collo-sternalis (M. sterno-cuticularis Dobson) beginnt vom Brust- bein und endigt an der Haut der Seitenfläche des Halses. Bei den Zahnarmen, welche mit Schuppen und Panzer bedeckt sind, ist die Gesichtsmuskulatur schwach entwickelt, bei Manis fehlt sie nach KOHLBRUGGE ganz. Am Halse unterscheidet KoHuLBRUGGE, bei diesem Tier zwei Schichten: 1. Eine oberflächliche, diese bedeckt die Brust und einen Teil des Oberarms, die Fasern begeben sich ‘nach vorn und oben, erreichen aber den Nacken nicht. 2. Die tiefe beginnt von einer Faszie, welche vor dem Ohr liegt und inseriert am Manu- brinus sterni, er ist offenbar unserem M. auriculo-sternalis homolog. Bei den Fledermäusen unterscheidet MAcALISTER vier Muskeln der Platysma-Gruppe. Der M. oceipito-pollicalis beginnt vom Hinter- . hauptsbein und geht längs dem freien Rande der Flughaut zum Dau- men. Das Platysma myoides superius beginnt vom Unterkiefer und setzt sich an dem hinteren Rande des M. oceipito-pollicalis an. Das Platysma myoides inferius beginnt vom Lig. nuchae oder nach MAISONEUVE von der Seitenfläche des Halses, die Fasern ziehen zum Brustbein und Unterkieferwinkel wo sie kaudal auf dem M. oceipito-pollicalis enden. Das Platysma myoides medium beginnt kaudal ebenfalls vom M. oceipito-pollicalis, die Fasern haben einen schrägen Verlauf und vereinigen sich in der ventralen Mittellinie des Halses mit denjenigen der anderen Seite, sie erstrecken sich vom Brustbein bis zum Unterkiefer. Diesen Muskeln fügtMAısoxzuve noch einige hinzu: Der peaueier Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 185 cervical superieur, welcher den Raum zwischen beiden Unterkiefer- körpern ausfüllt und offenbar zur Sphinctergruppe gehört. Um den Mund ist ein M. buceinato-labialis gut entwickelt. Ebenfalls gut ent- wickelt ist der M. levator labii superioris, er geht vor dem Auge zur’ Oberlippe. Stark entwickelt sind auch die beiden von MAISONEUVE als M. zygomaticus maior und minor beschriebenen Muskeln. Der erste geht vom vorderen Rand der Öhrmuschel zur Oberlippe, der zweite vom Processns zygomatieus des Oberkieferknochens ebenfalls zur Oberlippe. Über die Gesichtsmuskulatur der Nagetiere liegen eine ganze Anzahl zerstreuter Angaben vor, welche aber für uns kein Interesse haben. Wir beschränken uns auf eine Zusammenfassung, welche PARsoN in seiner Arbeit über die Muskulatur der Sciuromorpha und Hwystricomorpha gibt. Bei diesen Nagern ist die Gesichtsmuskulatur stark entwickelt und läßt zwei Schichten erkennen. Die oberfläch- liche Schicht beginnt vom Nacken und den die Augen umgebenden Muskeln und setzt sich an die Spina scapulae an. An der ventralen Halsfläche reichen die Fasern dieser Schicht vom Unterkiefer bis zum M. pectoralis, in der Mittellinie durchkreuzen sich die Fasern. Unter dieser Schicht liegt eine tiefe, welche PArson M. sterno-faci- alis nennt, welche aber offenbar dem Sphincter colli entspricht. Die Fasern. dieser Schicht beginnen vom Vorderrande des Brustbeins und enden auf der Masseterfaszie, die kaudalen Fasern inserieren am Acromion, Spina scapulae und Crista pectoralis humeri. Unter den Raubtieren haben nach den Untersuchungen von WınpLe und Parsons die Feliden im allgemeinen einen gut ent- wickelten Sphincter colli, die Caniden dagegen ein gut entwickeltes Platysma (M. risorius und zygomaticus). Die Gesichtsmuskulatur unserer Hauskatze ist in vielen Bezieh- ungen sehr einfach gebaut und ist von Interesse beim Vergleich mit dem Igel, ich halte es daher nicht für überflüssig dieselbe hier nach eigenen Untersuchungen, welche auch die Innervation berücksichtigen, zu beschreiben. Das Platysma der Katze besteht aus zwei Teilen. Der kürzere Nackenteil beginnt von der Mittellinie des Nackens an- gefangen gleich hinter der Ohrmuschel bisin die Schulterblattgegend. Die Fasern ziehen schräg nach unten und vorn und inserieren sehr bald an der Haut der Seitenfläche des Halses in einer Linie, welche der Mittellinie parallel verläuft. Von derselben Linie an, welcher der vorige Abschnitt inseriert, beginnt der vordere Teil des Platysma, die Fasern gehen unter der Ohrmuschel hindurch nach vorn und 186 Gustav Michelsson bedecken die Seitenfläche des Halses und Gesichts. Die oberen Fasern inserieren am Bindegewebe des unteren Augenlides, die übrigen ziehen zur Ober- uud Unterlippe, wo sie sich dem M. orbieularis oris anschließen. Zuweilen findet die Unterbrechung beider Teile an der Linie an der Seitenfläche des Halses nicht statt, sondern das Platysma ist einheitlich, solch einen Fall beschreibt auch Srrauss-DurkHemm. Unter dem Platysma liegt eine tiefe Schicht mit querverlaufender Faserrichtung — der Sphineter colli. Der hinterste Abschnitt des Sphincters, M. aurieulo-sternalis, beginnt vom unteren Rande der Ohr- muschel und zieht sich verbreiternd nach unten und hinten, wo er sich an das Manubrium sterni und vor ihm an eine Raphe ansetzt. Der nächste Abschnitt, der Sphineter intermedius, beginnt mit den kaudalsten Fasern vom vorderen Rande der Ohrmuschel mit den übrigen vom unteren Rande des M. auriculo-labialis; er zieht sich fächerförmig ausbreitend nach unten bis zur ventralen Mittellinie, wo er sich mit dem Muskel der anderen Seite vereinigt. Der M. auri- eulo-labialis liegt an der Seitenfläche des Gesichts, er beginnt vom unteren Rande der Ohrmuschel und inseriert am Mundwinkel. Die Ohrmuskeln der Katze sind selır gut entwickelt. Der M. oeeipito-auriceularis (M. sagitto-conchien Strauss-Durkheim) beginnt von den Scheitelbeinen nahe der Pfeilnaht in deren hinterem Drittel und setzt sich am oberen hinteren Rande der Ohrmuschel an. Er wird bedeckt vom M. cervieo-auricularis, dessen Fasern einen mehr schrägen Verlauf haben. Dieser beginnt vom Lig. nuchae und dem kaudalen Abschnitt der Pfeilnaht, am hinteren Rande der Ohrmuschel, sodaß seine vordersten Fasern die vordersten Fasern und die kau- dalen die kaudalsten des M. oceipito-aurieularis überragen. Der dritte Muskel dieser Gruppe wird von SrrAuss-DurkHueim Lambdo- conchien genannt, er beginnt mit einer kurzen Sehne von der Lambda- naht in deren mittlerem Drittel und inseriert unter den beiden vorher- sehenden etwas über dem Knorpel des Gehörganges. Am Scutellum, welches bei der Katze sehr stark entwickelt ist, inseriert der mächige M. aurieulo-orbitalis (seutellaris), er beginnt vom ganzen Unterrande des Sceutellums und dem angrenzenden Vorder- rande der Ohrmuschel und inseriert am ganzen oberen Orbitalrande. Am oberen Rande des Seutellum inseriert der M. aurieularis superior, welcher von der Galea aponeurotica der Parietalgegend entspringt. An der Unterfläche des Seutellums, welche zum Schädel gerichtet ist, befestigt sich der M. seuto-couchien Strauss-Durkheim, er verbindet das Seutelluam mit dem vorderen Rand der Ohrmuschel. 77 Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). +87 Der M. oceipitalis ist bei der Katze schwach entwickelt, der M. frontalis dagegen sehr stark. Die Mm. orbieularis oculi, orbieu- laris oris, buecinator und levator labii superioris sind gut entwickelt. Die ganze Gesichts- und Halsmuskulatur der Katze wird nur vom N. facialis innerviert, Halsnerven beteiligen sich an der Inner- vation nicht, wovon ich mich durch die physiologische Methode überzeugt habe. Nach dem Austritt aus dem Foramen faciale ex- ternum gibt der N. facialis zwei Nerven ab, welche die hinter dem Ohr gelegenen Muskeln innervieren. Der vordere Nerv innerviert den M. oceipito-aurieularis, cervico-aurieularis und oeeipitalis; der hintere den M. cervico-auricularis. Vom hinteren Nerv geht ein feiner Zweig zum oberen Teil des Platysma (M. nuchalis). Vor der Ohrmuschel gehen Zweige zu den kleinen Ohrmuskeln und ein dieker zum M. scutellaris ab. Längs dem unteren Rand des M. seutellaris geht ein Zweig zum oberen Orbitalrand, er innerviert den M. scutel- laris und hauptsächlich den M. frontalis. Der Fazialisstamm zieht zur Oberlippe und gibt auf diesem Wege Ästchen zum Platysma, M. orbieularis oculi, orbicularis oris und levator labii superioris. Unmittelbar nach dem Austritt aus dem Foramen facialis externum gibt der N. facialis auch noch einen dieken Nerv nach unten ab, von ihm gehen Äste zum M. auriculo-sternalis und eine ganze An- zahl feiner Ästchen zum Sphineter colli, der Hauptstamm dieses Nerven geht zur Unterlippe und innerviert den unteren Teil des M. _ orbieularis oris. Hinter dem Mundwinkel anastomosiert dieser Nerv vermittelst mehrerer Äste mit dem Hauptstamm des N. facialis. Von diesen Verbindungszweigen gehen Ästchen zum M. buceinator und orbieularis oris. Die Gesichtsmuskulatur des Wolfes zeichnet sich nach Boas und PAurur durch das Vorhandensein eines Sphincter superfieialis aus, es sind weit auseinander stehende Muskelfasern, welche in trans- versaler Richtung auf dem Platysma verlaufen und die ventrale Halsfläche bedecken. Alle Teile des Sphincter profundus sind gut entwickelt, namentlich die Portio palpebralis bildet einen starken Muskel, welche in der Infraorbital- und Nasengegend ausstrahlt. Das Platysma ist in seinem Gesichtsteil gut entwickelt, reicht aber kaudal nicht bis zur Mittellinie des Nackens, sondern endet schon früher an der Seitenfläche des Halses. Bei den Ungulaten ist der Sphineter superfieialis nach Angaben von BoAs und Paurts, falls er überhaupt vorhanden ist, schwach entwickelt und auf die ventrale Halsfläche besehränkt. Der Sphincter 188 Gustav Michelsson profundus besteht beim Kamel aus zwei Abteilungen, der pars auri- cularis und palpebralis. Das Platysma beginnt von der Seitenfläche des Nackens und zieht unter dem Ohr hindurch zum Mundwinkel und Unterlippe. Getrennt von diesem Teil entspringt vom Arcus zygomaticus mit einer flachen Sehne die Pars zygomatica, welche ebenfalls zum Mundwinkel zieht. Beim Elch, Zebu und Wapiti ver- halten sich, ebenfalls nach Angaben von BoAs und PauLLı die Ge- sichtsmuskeln in allem wesentlichen ähnlich. Beim Tapir fanden die genannten Autoren eine gut entwickelte Portio auricularis des Sphineter profundus. Außerdem fand sich noch ein schmales Muskel- band, welches vom M. buccinator beginnt und zum Augenlid zieht. Nach BoAs und PAurLı eine Portio palpebralis. Das Platysma ist sehr stark entwickelt, es beginnt von der ventralen Halsfläche und zieht nach vorn und oben, den M. masseter bedeckend und endet in drei Abteilungen. Die mittlere von diesen zieht zum Mundwinkel, ‘die obere zum unteren Rande der Pars zygomatica, die unterste schließt sich dem M. buceinator an. Die Pars zygomatica des Pla- tysma bildet auch hier einen selbständigen Muskel. Beim Pferde liegen die Verhältnisse nach den genannten Autoren sehr ähnlich. Der Sphineter profundus zeigt eine gut entwickelte Portio aurieularis. In der Augengegend befindet sich ‚ein flacher Muskel, der M. malaris der Tierärzte, welehe von der Crista facialis auf- und rückwärts zum unteren Augenlid läuft. BoAs und PaAuLLı vermuten in diesem Muskelband eine Portio palpebralis. Das Pla- tysma beginnt aponeurotisch vom Hinterhaupt und läuft in seiner Hauptmasse zum Mundwinkel. Die oberen Bündel strahlen frei auf die Masseterfaszie aus. Beim Schwein ist ein oberflächlicher Sphineter vorhanden. Er beginnt zum Teil von einer Aponeurose, welche die sternalen Mus- keln bedeckt, teils vom vorderen Ende des Sternums. In der Mittel- linie findet eine Durchkreuzung der beiderseitigen Muskeln statt. Die Muskelfasern breiten sich dorsalwärts und etwas nach hinten aus, auf der Seitenfläche des Halses teilt der Muskel sich in zwei Zipfel, der breitere hintere verläuft auf dem Platysma. Der vordere, bedeutend schmälere verläuft unter dem Platysma, die meisten Fasern enden hier bald an der Unterfläche des Platysma, jedoch schließen sich die vordersten der Portio aurieularis des tiefen Sphineter an. Die Portio aurieularis des tiefen Sphineter beginnt vom unteren Rande der Ohrmuschel und teilt sich in zwei Portionen, die vordere endet bald auf der Masseterfaszie und der Parotis, die hintere läuft »E Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 189 zwischen der Glandula submaxillaris und parotis nach unten und schließt sich dem Sphineter superfieialis an. Die Portio palpebralis beginnt von der Unterfläche des Platysma und zieht zum unteren Augenlid. Die Gesichtsmuskulatur der Halbaffen und Affen ist von Rue untersucht und in zwei Monographien ausführlich beschrieben worden. Das Platysma der Halbaffen beginnt im Unterkiefergebiet, an welchen es sich aber nie festsetzt, die oberflächlichen Fasern gehen zur Haut der Unterlippe und desMundwinkels, die tiefen Fasern gehen zur Außen- fläche des Unterkiefers. Die Hauptmasse des Muskels zieht kaudal- wärts und inseriert an der Haut des Halses und der Brust. Am stärksten ist das Platysma bei Lepilemur mustelinus entwickelt, es beginnt vom Lig. nuchae, Schlüsselbein und Spina scapulae und geht unter dem Ohr hindurch zum Mundwinkel und zur Unterlippe. Es erinnert in seiner Ausdehnung an das Platysma der Katze. Vom oberen Rande des Platysma löst sich ein Bündel ab, der M. auriculo- labialis inferior, welcher vom untersten Abschnitt des vorderen Ohr- muschelrandes zum Mundwinkel ziebt. Der M. oceipito-aurieularis beginnt vom Lig. nuchae und inseriert mit zwei oder drei Zipfeln am hinteren und oberen Rande der Ohrmuschel. Bei Lepilemur mustelinus hängt er mit dem Platysma zusammen, bei den anderen Halbaffen ist er selbständig. Die Muskelmasse, welche bei den Halbaffen die Mm. auriculo- labialis superior, orbieularis oeuli und levator labii superioris alaeque nasi umfaßt, bezeichnet RugE als M. subcutaneus faciei. Von ihnen beginnt der M. aurieulo-labialis superior vom vorderen Rande der Öhrmuschel und setzt sich an der Haut der Oberlippe an. Im Zu- sammenhang mit ihm steht der M. orbieularis oeuli. Der M. levator labii superioris alaeque nasi "beginnt auf dem Schädel zwischen beiden Augenhöhlen und setzt sich an die Oberlippe und an der Nasenhaut an. Sehr gut entwickelt ist der M. aurieularis superior, zuweilen berühren sich die beiderseitigen Muskeln in der Mittellinie. Der M. orbito-auricularis beginnt vom Vorderrand der Ohrmuschel und dem oberen Rand der Augenhöhle und zieht von hier, sich fächerförmig ausbreitend zum Stirnbein (M. frontalis) und zur Schläfen- gegend. Bei Lepilemur und Propithecus ist er stark entwickelt, er beginnt hier vom ganzen oberen Orbitalrande und bedeckt das ganze Stirnbein und einen Teil des Scheitelbeines, die beiderseitigen Muskel berühren sich in der Mittellinie. Bei Avahis ist er schwächer ent- wickelt und bei Chiromys bedeckt er nur einen Teil des Stirn- und 190 Gustav Michelsson Scheitelbeins. Bei Chiromys beschreibt ZuUCKERKANDL noch einen Ohrmuskel den M. fronto-aurieularis, er liegt unter dem M. aurieulo- labialis superior und orbito-auricularis und dehnt sich zwischen Stirnbein und Ohrmuschel aus. Er beginnt kaudal vom oberen Or- bitalrand und setzt sich zwischen dem M. orbito-auricularis und man- dibulo-aurieularis an die Helix, der untere bindegewebige Teil setzt sich an den M. mandibulo-aurieularis. Unter dem Platysma liegt der Sphincter colli. Bei Varecia bildet der Sphineter eine zusammenhängende Masse, welche vom vorderen Rande des Brustbeins bis ungefähr zu der Kehlkopfgegend mit dem Muskel der anderen Seite zusammenhängt. Die kaudalen Fasern endigen unter dem Ohr auf der Ohrspeicheldrüse, die mittleren setzen sich am unteren Augenlide an, die vorderen umgeben die Mundspalte und stellen einen M. orbieularis oris dar. Endlich setzen sich einige Fasern am Öberkiefer an und bilden einen M. caninus. Bei den übrigen Halbaffen wird der Sphincter eolli in dem Sinne modifiziert, daß einige Teile sich loslösen und selbständiger werden. Zum .Sphineter rechnet Ruge auch noch die Mm. nasalis, ma- xillo-labialis und buceinator. Eine Sonderstellung nimmt nach Rue der M. aurieulo-mandi- bularis (M. maxillo-aurieularis RugE) ein. Er beginnt vom unteren Teil des Unterkieferastes und inseriert am Vorderrande der Ohr- muschel. RusE nimmt an, daß er vom N. trigeminus innerviert wird und rechnet ihn daher zu den Kaumuskeln.' Nachdem wir uns an der Hand von Literaturangaben mit dem Bau der Gesichtsmuskulatur der übrigen Säugetiere bekannt gemacht haben, wenden wir uns einer genaueren Analyse der. entsprechenden Muskulatur beim Igel zu. Wir beginnen mit dem Sphincter colli. Wie wir schon sahen unterscheiden einige Autoren zwei Schichten dieses Muskels: einen Sphineter superficialis und einen Sphineter profundus. Leider fehlen in der Literatur genauere Definitionen. BoAs und PAurLı trennen die beiden Muskeln rein topographisch nach ihrer Lage zum Platysma, der Sphineter superfieialis liegt oberflächlich zu diesem längsverlaufenden Muskel, der Sphineter profundus liegt unter ihm, so daß sie durch eine intermediäre Längs- schicht, das Platysma, voneinander getrennt werden. SCHULMANN gibt überhaupt keine Definition. Ein Sphincter superficialis kommt nach Boss und Paurtı bei Echidna und Ornülhorhynchus vor. Ferner finden ihn die genannten Autoren auch noch bei Cemtetes m x ; In .‘ . ni . a m a mn Pr Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 191 gut entwickelt, ebenso beim Hunde, bei Myopolamus ist er schwächer entwickelt, erstreckt sich aber bis zum Mundwinkel. Bei den Ungu- laten ist er nur am Halse entwickelt. Gänzlich fehlt er bei den Beuteltieren; Halbaffen und Affen. Nach SchuLmann kommt ein Sphineter superfieialis außer bei den Monotremen, auch noch bei den Insektivoren wie beim Igel, Maulwurf und Crassopus vor. Es fragt sich nun zunächst zu welcher Schicht wir den Sphincter colli des Igels zu rechnen haben, gehört er wie SCHULMANN will dem Sphineter superficialis an, oder lassen sich an ihm beide Schichten nachweisen. Um hierüber Klarheit zu gewinnen, beginnen wir mit einem Vergleich des Sphineter colli bei den Monotremen mit dem Igel. Wir haben oben SCHULMANNS Beschreibung der Portio aurieu- laris bei Echndna ausführlich wiedergegeben, um zu zeigen, daß der Bau dieses Muskels mit dem M. auriculo-sternalis beim Igel bis in Einzelheiten übereinstimmt. Ich hebe hier noch einmal hervor den Ursprung am hinteren Teil des Halses und am vorderen Teil der Brust, wo die Fasern sich in der Mittellinie kreuzen und die Inser- tion am vorderen Rande der Gehöröffnung »die oberflächlichsten vor der Ohröffnuung an der Spitze des Tragusknorpels!. Der Ansatz am Ohrknorpel ist sowohl bei Echidna als beim Igel von längsver- laufenden Platysmabündeln bedeckt. Auf den Abbildungen von Ruge und BoAs und Paurui ist diese Überlagerung bei Echidn«a nicht dargestellt, ganz deutlich aber bei ScHuLmanN Tafel 6, Fig. 3. Der genannte Muskel ist also bei Echidna und dem Igel homolog und entspricht durchaus einem Sphincter profundus. Kaudal schließt sich beim Igel der M. eollo-sternalis an, dieser Muskel liegt überall oberflächlicher als das Platysma und gehört somit einem Spincter snperficialis an. Bei Kchidna schließen sich hinter dem Ohr breite Bündelmassen an, welche ebenfalls das Pla- tysma bedecken?. Interessant ist es, daß diese postauriculare Sphine- terpartie vom M. subeutaneus trunei bedeckt wird, allerdings von Muskelfasern, welehe vom Bauch aus nach vorn und dorsalwärts ziehend, das Schultergelenk von vorn umgreifen, während beim Igel der M. collo-sternalis unter den M. orbieularis zieht. Immerhin ist 1 SCHULMANN, 1. c. S. 29. 2 Die Abbildungen, welche Rue (Taf. XII, Fig. 5), SchuLmann (Tafel 2 und BoAs und PaAuui (Taf. X, Fig. 1,2) von der oberflächlichen Gesichtsmus- kulatur von Eehidna geben, weichen übrigens recht stark von einander ab. 192 Gustav Michelsson hierdurch eine prinzipielle Analogie gegeben, welche uns gestattet beide Muskeln für homolog zu halten. Der Sphineter intermedius ist heim Igel vom Platysma bedeckt und wäre also auch einem Sphineter profundus zuzurechnen. Schwie- riger liegen die Verhältnisse beim Sphincter anterius. In seinem vor dem Mundwinkel liegenden Teil ist er vollständig vom Platysma bedeckt, hinter dem Mundwinkel aber ist er anfänglich vom Platysma bedeckt, durchbricht aber dann dasselbe und liegt dann oberflächlich, wobei auch einige Fasern unter ihm enden. Man kann also den Sphincter anterius schwer in eine der Gruppen unterbringen, rechnen wir ihn auch zum Sphineter profundus, da doch seine Hauptmasse vom Platysma bedeckt ist, so kann beim Igel nur der M. collo-ster- nalis zum Sphineter superficialis gerechnet werden. Bei Echidna liegen die vor dem Ohr rostralwärts gelegenen Sphineterbündel alle auf dem Platysma gehören somit dem Sphincter superficialis an und sind den betreffenden Muskeln beim Igel nicht homolog. Zu den analysierten Sphineterabteilungen kommen bei Eehidna noch weitere Bündel. Nach ScHuLMmanns Beschreibung gelangen die kaudalsten Bündel der hinter dem Ohr gelegenen Portio cervicalis unter das Platysma wo sie sich bis zur Ohrspitze verfolgen lassen. Die kaudalste Abteilung, die Portio humeralis liegt unter dem Pla- tysma und gehört somit ebenfalls dem Sphineter profundus an. Bei Echidna würden wir also von hinten nach vorn gerechnet (wenn wir zunächst von den tiefen Schichten Faseiculus hyoideus ganz ab- sehen) die Portio humeralis dem Sphinceter profundus zurechnen müssen, den kaudalen Teil der cervikalen Portion dem Sphincter pro- fundus, deren oralen Teil dagegen dem Sphineter superfieialis, den auricularen Teil wieder dem Sphincter profundus und die weiter oral gelegenen dem Sphincter superficialis. Es fragt sich, ob so einer rein topographischen Einteilung eine große morphologische Bedeutung zukommt. Bei RuGe finden wir keine Einteilung des Sphincter in eine oberflächliche und tiefe Schicht, sondern er hält die oberfläch- lichen Bündel für abgesprengte Bündel ein und derselben Sphineter- schicht. | Ar ‚Aus allen Beschreibungen des Sphincter bei Echidna geht jeden- falls soviel hervor, daß beide Muskelschichten eng zusammengehören. In der ventralen Hals- und Brustgegend verwachsen beide Schichten miteinander. Die tiefen Bündel der Portio cervicalis werden nach SCHULMANN in der Episternalgegend oberflächlich und verschmelzen mit dem oberflächlichen Sphinceter. Auch die Auricularportion ist z; Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 193 an ihrem Ursprung mit der oberflächlichen Schicht verwachsen und nur am Ohr gelangen Bündel außer dem tiefen Ansatz auch auf das Platysma. E Bei Ornithorhynchus gehört nach SCHULMANN der ganze Muskel einem Sphincter superfieialis an, mit Ausnahme des Fascieulus hyoi- deus, welcher offenbar dem tiefen Sphincter auricularis bei Ecehidna entspricht. Aber auch bei Ornüthorhynchus treten Fasern des im allgemeinen oberflächlich liegenden Sphineter zu tiefen Schichten in Beziehung. Die dorsale Insertion zwischen Schnabel und Auge vereinigt sich mit tiefen Platysmabündeln. Eine Verflechtung findet auch unterhalb der Augen- und Ohröffnung statt. Vor der Schulter findet ebenfalls eine Vereinigung von Bündeln des Sphincter colli mit tiefen Platysmabündeln statt. Wir finden also bei Ornitho- rhynehus ähnliche Verhältnisse wie bei der sogenannten tiefen Schicht von Echidna d.h. teilweise Insertion oder doch unterschieben unter das Platysma und zwar dessen tiefe Schicht. Uns erscheint daher nach allem gesagten, namentlich wenn man die Verhältnisse bei Ornithorhynchus mit berücksichtigt der Gegensatz zwischen tiefer und oberflächlicher Schicht bei Echidna nicht so tiefgreifend. Leider fehlen über den Sphincter superficialis bei den anderen Säugetieren genauere Angaben. DoBsoxns Angaben über Centetes sind unklar, Boas und Pauruı beschränken sich darauf, anzugeben, daß der Sphincter superficialis stark entwickelt ist. Nach der Ab- bildung zu urteilen, hängen jedoch ventral der tiefe und ober- flächliche Sphineter bei Centetes zusammen. Bei Gymnura sollen nach Dogsons Angaben Fasern des Sphincters auf dem M. orbieu- laris oris, d. h. auf dem Platysma enden, da aber die entsprechenden Fasern beim Igel unter dem M. orbieularis oris verlaufen, scheint mir eine Nachprüfung dieser Angabe noch nötig. Beim Schwein hängt der Sphincter superfieialis ebenfalls eng mit, dem tiefen zu- sammen, er beginnt, wie wir oben nach BoAs und PAuLLuı angaben, vom vorderen Ende des Sternums und von einer Faszie vor dem- selben und Fasern ziehen nach oben und hinten und teilen sich an der Seitenfläche des Halses in zwei Abteilungen, die hintere verläuft auf dem Platysma, die vordere desselben Muskels aber unter ihm. Bei allen übrigen Säugetieren bei denen ein Sphineter super- fieialis vorkommt, fehlen uns genauere Angaben. Aus dem über den Sphincter superfieialis gesagten sehen wir, daß es sich um Muskelfasern handelt, welche in allerengster Be- ziehung zum tiefen Sphincter stehen, es können Bündel ein und 194 Gustav Michelsson derselben Abteilung zum tiefen und oberflächlichen Sphineter ge- hören. Ob der oberflächlichen Schicht eine besondere morphologische Be- deutung zukommt, müssen weitere und ausgedehntere Untersuchungen dartun, vorläufig kann man in ihnen nur durch Anpassung an die Haut aberrierte Bündel sehen, etwa analog den Durchflechtungen des M. temporo-buccalis beim Igel, wo tiefe Muskeln oberflächlichere durchbrechen und umgekehrt. 3 Der Sphineter superfieialis gehört überhaupt zu den konstantesten Hautmuskeln, wir finden ihn mit kleinen Modifikationen in der gan- zen Säugetierreihe.e. BoAs und PaAurLı haben ein Schema der Ge- sichtsmuskulatur entworfen. Der Sphineter profundus erstreckt sich nach ihnen vom Munde, wo die vordersten Fasern (pars oris) die Mundspalte bogenförmig umfassen bis zum Ohr, wo die pars auri- eularis vom unteren Rande der Ohrmuschel zur Brust hinunterzieht. Kaudal von der pars- oris liegt die pars palpebralis, welche am un- teren Augenlid inseriert, zwischen pars palpebralis und aurieularis liegt die pars intermedia. In diesem Schema muß man unseres Erachtens kaudal noch eine Portion, die portio postauricularis hinzufügen, die portio humeri bei Kehidna und einigen Insektivoren welche unter dem Platysma gelegen ist und zum Oberarm gelangt, würde ich hierher rechnen. Die Bezeichnung postauricularis wähle ich weil es wahr- scheinlich ist, daß der Ansatz am Humerus für diese Muskelportion nicht charakteristisch ist und es auch Tiere ohne diesen Knochen- ansatz geben wird. Der oberflächliche Sphineter ist im Schema von BoAs und PAuLLı überhaupt nicht gegliedert und erstreckt sich nur auf die ventrale Halsgegend. Uns scheint, daß man den Sphineter super- fieialis, wenn man ihn überhaupt gesondert darstellen will, in der- selben Ausdehnung und Gliederung wie den tiefen darstellen muß. Tatsächlich finden wir bei Echidna und beim Igel eine postaurikulare Portion, der oberflächliche Sphineter bei Centeies und beim Hunde wäre auch dieser Abteilung zuzuzählen, anderseits reicht der Muskel bei Myopotamus nach BoAs und Paurur’s Angaben bis zum Munde. Auch prinzipiell scheint es uns richtig dem Sphincter superficialis die gleiche Ausdehnung wie dem profundus zu geben, da nach unserer Ansicht sich an jeder beliebigen Stelle vom tiefen Sphineter auf dem Platysma verlaufende Bündel abtrennen können. Weit schwieriger als die Gruppe des Sphineter colli ist die Platysmagruppe zu beurteilen. Wir beginnen wieder mit einem Ver- nn. u Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 195 gleich der Verhältnisse bei den Monotremen mit denjenigen des Igels. Wir finden zunächst in der unterhalb des Ohres verlaufenden ventralen Abteilung des Platysmas bei Monotremen und Igel recht große Übereinstimmung. Beim Igel wird die ganze mächtige ventrale Platysmamasse durch das Ohr, welches sich gleichsam wie ein Keil von oben her hereinsenkt, in einen post- und präauricularen Abschnitt getrennt. Durch Anheftung des präauricularen Abschnittes am Joch- bogen kommt dann die Portio zygomatico-auricularis zustande. Ähn- liche Verhältnisse finden sich soweit wir wissen nur bei den Mono- tremen. Bei Ornithorhynchus beginnen am Platysma, wie wir schon sahen, die ventralen Fasern von der Backentasche und gehen unter dem Ohr hindurch, im Nacken schließen sich an diese Fasern Muskel- bündel, welche von der Hinterfläche der Ohrmuschel ihren Ursprung nehmen. Noch größer ist die Ähnlichkeit mit Echidna. Auch hier schließen sich dem von der Wange nach hinten ziehenden Platysma Bündel an, welche von der Hinterfläche der Ohrmuschel entspringen. Außerdem kommt aber noch ein Muskel vor, welcher der Portio zygomatico-aurieularis entspricht, nämlich derjenige Teil des Platysma, welchen Rue Maxillo-auriceularis nennt, er beginnt vom Öberkiefer- knochen und setzt sich am vorderen Rande der Ohrmuschel an. Bei höher stehenden Formen haben sich aus den am Ohr an- setzenden Bündeln selbständige Ohrmuskeln gebildet, so finden wir schon bei Centetes zwei kräftige Mm. postauricularis und vor dem Ohr einen Adductor inferior (Aurieulo-labialis inferior). Die undifferen- zierte Hauptmasse des Platysmas reicht bei einigen Tieren noch sehr weit hinauf auf den Nacken. Besonders primitiv scheinen mir die Ver- hältnisse noch bei der Katze zu liegen. Hier beginnt der Muskel noch in der Mittellinie des Nackens und zieht dicht unter dem Ohr hindurch ins Gesicht zum Mundwinkel, ähnlich liegen die Verhältnisse beim Hunde und den übrigen Karnivoren. Interessant ist es, daß bei den Halb- affen das ventrale Platysma ebenfalls stark entwickelt ist und von der Mittellinie des Nackens ausgeht. Der Auriculo-labialis inferior zeigt dabei deutliche Beziehungen gerade zu dieser Abteilung des Platysma was besonders deutlich bei Zepilemur mustelinus hervortritt. Anderseits kann dieses ventrale Platysma auch stark reduziert sein, es rückt dann mehr oder weniger weit vom Ohr ab und bildet nur ein schmales längsverlaufendes Band an der Seitenfläche von Hals und Kopf, etwa dem Platysma labii superioris beim Igel entsprechend. In so einer reduzierten Form finden wir das Platysma bei den Huftieren. Morpholog. Jahrbuch, 51. 14 196 Gustav Michelsson Viel verwickelter ist die dorsale und praeaurieulare Gruppe des Platysma, welche beim Igel durch den M. fronto-dorsalis, temporo- buccalis und aurieulo-orbitalis vertreten sind. Die beiden letzten lassen sich in der Säugetierreihe recht allgemein feststellen. Ganz ähnlich wie beim Igel finden wir sie auch beim Hunde. Der Muskel, welcher dem M. temporo-buccalis beim Igel entspricht (Seutularis BoAs und PAuuuı) besteht aus drei Abteilungen, die oberflächlichste beginnt ebenso wie die anderen vom Scutellum und zieht zum Mund- winkel, die beiden anderen Portionen ziehen vom Scutellum direkt ventralwärts. Diese ganze Muskelgruppe ist unverkennbar homolog dem M. auriculo-labialis bei anderen Tiergruppen. Interessant ist hier wiederum der Anschluß an die Halbaffen, bei denen dieser Muskel stark entwickelt ist, bei Lepslemur mustelinus entspringt die Haupt- masse von der Ohrmuschel, nur ein unbedeutender Teil vorderer Bündel nimmt seinen Ursprung vom M. orbito-auricularis, beim Pro- pithecus ist diese Sonderung weitergeschritten. Bei Centetes, welcher kein Sceutellum hat, finden wir zwei Muskeln, von denen der hintere vor dem Ohr, der vordere weiter nach vorn vom M. aurieulo-orbitalis entspringt, sie ziehen beide zum Mundwinkel. Interessant ist hier das Verhältnis des Sphincter profundus zum hinteren Muskel, der Sphincter legt sich nämlich auf den kaudalen Rand des Muskels. Ähnliche Verhältnisse finden wir auch bei der Katze: der Sphincter profundus, welcher sehr weit dorsal nach oben reicht, legt sich auf den hinteren Rand des einzigen vom Scutellum zum Mundwinkel ziehenden Repräsentanten der praeauricularen Muskeln. Diese eben gebildeten Beziehungen des Sphincter profundus zum temporo-bucealis lassen uns die Durchflechtung beider Muskeln beim Igel leicht ver- stehen: wir brauchen uns nur bei der Katze die beiden beim Hunde vorhandenen hinteren Muskeln dieser Gruppe hinzuzudenken, so muß eine Durchdringung von Sphincter profundus und M. temporo-buecalis stattfinden, da beide Muskeln gleiche Faserrichtung haben. s Der M. aurieulo-orbitalis kommt in der Säugetierreihe mit kleinen Modifikationen überall vor, wir finden ihn sowohl bei den Carnivoren, als bei Centetes und ebenso bei den Prosimiern. BoAs und PAULLI rech- nen den M. aurieculo-orbitalis zusammen mit dem temporo-buccalis zum M. scutularis. Uns scheint diese Vereinigung beider Muskel- gruppen durchaus berechtigt. Auf den ersten Blick mag eine Ver- einigung dieser Muskeln, welche eine ganz verschiedene Faserrichtung aufweisen, etwas befremden. Jedoch muß man berücksichtigen, daß sie gemeinsam vom Scutellum, wo dieses vorhanden ist, entspringen. Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). h Sa i0)7/ Beim Igel wird der nahe Zusammenhang beider Muskeln noch durch die oben beschriebene Varietät bewiesen. Bei dieser Varietät ging ein Muskelbündel vom Ansatz des M. auriculo-orbitalis am Orbital- rand direkt in den M. temporo-bucealis über. Auch die Innervation deutet auf einen nahen Zusammenhang hin, beide Muskelgruppen werden von Rr. temporales des N. facialis versorgt. Dorsal schließt sich beim Igel an den M. aurieulo-orbitalis un- mittelbar und ohn scharfe Grenze der M. fronto-dorsalis an, kaudal- wärts erstreckt er sich, wie wir sahen, bis in die Interscapulargegend. Der Muskel kommt auch den anderen Insektivoren zu, allerdings nicht in so starker Ausbildung. Bei Gymnura, Chrysochloris, Myogale, Condylura, Scalaps und Scapanus beginnt er wie beim Igel vom Stirn- bein und Oberkiefer, reicht aber kaudal nur bis in das interauriculare (ebiet, wo er sich an die Haut ansetzt. Ganz ähnlich scheinen nach einer Abbildung von BoAs und PaAuLLı zu urteilen die Verhältnisse auch bei Centetes zu sein. Bei den übrigen Säugetieren finden wir auf dem Scheitel keine so mächtige Muskelmasse, bei einigen fehlen sie hier ganz, so bei den Huftieren, beim Hunde und bei der Katze. Über die Herkunft dieser Muskelmassen wirft einiges Licht das Verhalten bei den Halb- affen. Bei Propithecus dehnt sich der M. aurieulo-orbitalis hoch auf den Schädel aus und reicht auch noch über dem Orbitalrande nach vorn. Der M. fronto-dorsalis und M. auriculo-orbitalis gehören also ein und derselben Platysmamasse an, welche sich durch Ansatz an die Ohrmuschel, welche sich ebenso wie wir es für die neutrale Platysmamasse annahmen keilförmig in die Muskelmasse einschiebt, in eine postauriculare und praeauriceulare Abteilung sondert, zu welcher letzteren auch der M. auriculo-orbitalis gehört. Nach dieser Auffassung würden also der M. fronto-dorsalis, tem- poro-buccalis und auriculo-orbitalis eng zusammengehören und Produkte der dorsalen Platysmaabteilung sein. Diese Auffassung wird durch einen Vergleich mit der dorsalen Platysmaabteilung bei Echidna ge- stützt. Bei Kehidna inseriert die ganze mächtige dorsale Muskelmasse am ÖOberkiefer, von hier aus gelangen die mittleren Muskelbündel sich dorsal und kaudalwärts wendend zu dem Ohr auf den Scheitel und reichen bis zur Schultergegend, von dieser einheitlichen Schicht haben sich einzelne Bündel mehr oder weniger abgesondert, zunächst wären hier die Bündel zu nennen, welche sich an das Ohr ansetzen und welche Rue als M. maxillo-auricularis superior bezeichnet. Zu- sammen mit dem noch tieferen vom Oberkiefer direkt dorsal verlaufen- 14* 198 Gustav Michelsson den Bündel haben sie eine Richtung angenommen, welche der des M. temporo-buccalis des Igels entspricht. Wir sehen also, daß bei Echidna eine durchaus einheitliche Muskelmasse die Gruppe des M. fronto-dorsalis, temporo-buccalis und auriculo-orbitalis des Igels er- setzt, eine Muskelmasse, welche nur schwache, hauptsächlich durch Beziehungen zur Ohrmuschel hervorgerufene Differenzierungen auf- weist. | | Es fragt sich nun ob wir die Verhältnisse bei Echidna als pri- mitiv auffassen können. Bedenken wir, daß bei allen Insektivoren ein gut entwickelter M. fronto-dorsalis vorkommt, welcher aber nur bis zur interauricularen Gegend reicht und nur beim Igel sich bis zur Schultergegend erstreckt, so liegt es nahe anzunehmen, daß sowohl beim Igel als auch bei Echidna, welche beide eine Stachelkleidung tragen, eine Anpassung an dieselbe stattgefunden hat. Als eine An- passung an die mächtig entfaltete dorsale Platysmamasse kann auch der Ansatz am Oberkiefer bei Echtdna aufgefaßt werden. Die oben dargelegte Auffassung, daß die interorbito-aurieulare Muskelgruppe mit dem Fronto-dorsalis genetisch zusammenhängt, wird auch durch die Entwicklungsgeschichte, so weit dieselbe bekannt ist, bestätigt. Beim menschlichen Embryo von 9 mm Länge ist der N. facialis noch in eine einheitliche Vormuskelmasse eingelagert, welche sich auf der unteren Seitenfläche des Hyoidbogens befindet. Von hier gehen, wie FUTAMURA gezeigt hat, die Myoblasten vor und hinter dem Ohr auf den Schädel und das Gesicht. Schon in diesem Sta- dium lassen sich zwei Schichten unterscheiden: eine tiefe, welche FuTAmura als Sphineter colli bezeichnet und eine oberflächliche, das Platysma. Der Sphineter umgibt mit bogenförmigen Fasern die Augen, Ohren, Nasen, und Mundöffnung und erstreckt sich auch noch auf die Stirn. Bei der weiteren Entwicklung verschwindet der Sphincter aus dem Stirn- und Wangegebiet, ebenso im nasalen Gebiet. Vom Platysma löst sich am frühesten (in der siebenten Woche) der M. oceipitalis vom Halsteil ab, er bleibt jedoch vorn mit dem Stirn- und Wangenteil des Platysma in Zusammenhang und bildet eine zusammen- hängende Muskelmasse, den M. fronto-aurieulo-oceipitalis (FUTAMURA). Aus dieser Muskelmasse bilden sich darauf der M. oceipitalis, fron- talis und die Ohrmuskulatur, welche beim Igel dem M. fronto-dor- salis, aurieulo-orbitalis und temporo-bucealis entsprechen. Die vom Nacken entspringenden Ohrmuskeln des Igels, der M. oceipito-auricularis und cervico-auricularis, finden wir nicht nur bei den Insektivoren (Gymnura, Chrysochloris), sondern auch bei höheren Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 199 Formen, wie bei der Katze und den Halbaffen wieder. BoAs und PAuusnt rechnen sie zu einer Oceipito-aurieularen Gruppe. Interessant ist der Zusammenhang des M. oceipito-aurieularis bei Zepelemur mu- stelinus mit dem M. nuchalis, der auf einen näheren Zusammenhang dieses Ohrmuskels zum Platysma hindeutet. Die übrige Gesichts- muskulatur des Igels unterscheidet sich nicht wesentlich von den- jenigen der anderen Säugetiere und hat daher für uns hier kein be- sonderes Interesse. Wir haben häufis von Umwandlungen innerhalb der Gesichts- muskulatur und den Ähnlichkeiten der Muskulatur des-Igels mit der- jenigen anderer Säugetiere geredet. Es lag uns dabei gänzlich fern irgendwelche phylogenetische Beziehungen feststellen zu wollen. Es sollte nur der allgemeine Plan dieser Muskulatur, die Homologien, festgestellt werden. Für phbylogenetische Spekulationen fehlt uns vorläufig noch jede Grundlage, da wir die Hautmuskulatur der Säuge- tiere viel zu wenig kennen. Über die Entwicklungsgeschichte der- selben liegt nur die Arbeit von FuramurA vor. Überhaupt dürfte ein Versuch einer Phylogenie des Muskelsystems, wie überhaupt der Weichteile, zu den undankbarsten Gebieten gehören, da wir nur fertige Formen untersuchen können. Es gelten von diesen Versuchen mit Recht die Worte EısLers: »Durch die geschickte Aneinanderfügung von Bildern ist eine Entwicklungsreihe konstruiert, aber die Bilder sind alle von fertigen Zuständen genommen.«! Jedoch scheint uns die von EiSLER gegebene Theorie nicht minder anfechtbar. EısLer vergleicht die Ausbreitung des Hautmuskels mit dem Fließen eines Stroms. Dieser »Zellstrom« wird durch das Ohr in einen Hinter- haupts- und einen Gesichtsteil getrennt, welche sich aber vor dem Ohr wieder vereinigen. Indem EıstLer das Bild eines fließenden Stromes in allen seinen Erscheinungen zum Vergleich heranzieht, er- klärt er die Entstehung der einzelnen Muskeln je nach Bedarf bald als Ablenkung vom Hauptstrom, bald als Stauungserscheinungen, hervorgerufen durch Aufeinanderprallung zweier Ströme, oder durch andere Hindernisse. Wie malerisch diese Theorie auch sein mag, so ist sie doeh keine Erklärung des Wachstums und der Wanderung der Gesichtsmuskulatur, sondern ein Phantasiegebilde, das sich auf keine realen Grundlagen stützt. ! EısLerR, Die Muskeln des Stammes. 8. 191. 200 Gustav Michelsson Die Hautrumpfmuskulatur des Igels. Wir wenden uns jezt der Beschreibung der Hautrumpfmuskulatur des Igels zu, welche ein besonderes Interesse beansprucht, da dieser mächtige Muskelapparat, welcher dem Igel zum Zusammenkugeln dient, bei anderen Säugetieren nicht vorhanden ist. M. humero-dorsalis. Der vordere Teil des humero-dorsalis (Abb. 9%d) beginnt zusammen mit dem M. pectoralis vom mittleren Drittel des Humerus. Von hier ziehen die Muskelfasern ein wenig auseinanderweichend dorsalwärts. Ungefähr 1 em von der Mittellinie Fig. 9. vorb [ec post PETER: Auen, TE one Ne jr i 2 SS Sl N I) Tiefe Schicht der Gesichts- und Hautrumpfmuskulatur. Entfernt sind M. orbicularis dorsi, levator labii superioris, temporo-buccalis, der Gesichtsteil des Platysma und der M. fronto-dorsalis. f. M. temporalis; M. M. masseter; mn. M. maxillo-rasalis; s. M. zygomatico-nasalis superior, n, medius, ?. inferior; zl. M. zysomatico-labielis; or. M. orbicularis oris; baec. M. buccinator; zysu. Platysma, pars zygomatico-auricularis; awurd. M. auriculo-orbitalis; rec. M. fronto-dorsalis, p. recta; post. dessen Pars postauricularis; »lp. Platysma, portio postauricularis; nuch. M. nuchalis; hd. M. humero-dorsalis vorderer Teil, rdp. dessen hinterer Teil; dorsent. M. dorso-cuticularis. des Rückens entfernt durchbohren die konisch zugespitzten Muskel- bündel in einer geraden Linie die beiden Schichten der dorsalen Haut- muskulatur und setzen sich mit kurzen Sehnen an der Rückenhaut an. Kaudal von diesem Muskel schließt sich unmittelbar ein weiterer an, der dieselbe Faserrichtung aufweist, aber nicht vom Humerus entspringt, wir fassen ihn, da er sich vom vorhergehenden nicht trennen läßt, als dessen hinteren Teil auf (Fig. 9%dp.).. Der kaudale Teil des M. humero-dorsalis inseriert an der Rückenhaut in derselben Weise wie dieser. Ventralwärts jedoch endet er an der Haut der Seiten- fläche des Körpers. Um zur Haut zu gelangen durchbohrt er in ein- zelnen Bündeln den lateralen Teil des M. humero-abdominalis (Fig. 11, 12hdp), wobei die Bündel nicht gleichzeitig in einer Linie den Muskel durchsetzen, sondern ‚einige früher, andere später, außerdem sind sie Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaens). 201 nach Durchtritt durch den M. humero-abdominalis nicht gleich lang, einige setzen sich gleich nach Durchtritt durch den Muskel an die Haut an, andere nach längerem Verlauf. Gewöhnlich bedecken in der Achselhöhle diese Bündel alle drei Zipfel des M. humero-abdo- minalis und begrenzen durch bogenförmigen Verlauf von hinten den- jenigen Spalt, welcher in der Achselhöhle durch das Auseinander- weichen des M. humero-abdominalis gebildet wird. Kaudalwärts erstreckt sich der Muskel bis zum Beckenknochen. Die Muskelfasern haben ebenso wie beim vorderen Teil einen transversalen Verlauf, jedoch finden sich immer einzelne Bündel, welche einen mehr schrägen Verlauf einnehmen und sich daher bald auf, bald unter die übrigen lagern. Je weiter kaudal, desto häufigertreten solche Unregelmäßig- keiten auf, außerdem stehen weiter kaudal die einzelnen Bündel weiter von einander entfernt und zwischen ihnen liegen oft recht bedeutende, Streifen Bindegewebes. Endlich werden die einzelnen Bündelkaudal- wärts immer kürzer, sie beginnen weiter von der dorsalen Mittellinie ° Ursprung der Hautmuskulatur vom Schwanz. und enden ventralwärts früher, die _caudad.Parscaudo-abdominalis desM. humero- kaudalsten Fasern durchbohren da- abdominalis; pr. tiefe Schicht des M. caudo- dorsalis; as. oberflächliche Schicht desselben; her nicht mehr den M. humero-ab- a Bündel, welche vor dem Schwanz liegen dominalis, sondern schon den M. "" "geı'aer oberächlichen Schicht orbieularis. M. caudo-dorsalis (Fig. 11cd). Der M. caudo-dorsalis besteht aus zwei Schichten, einer oberflächlichen und einer tiefen, welche an ihrem Ursprung von den Schwanzwirbeln, durch den zwischen ihnen hindurehziehenden M. humero-caudalis getrennt werden. Die medial- sten Fasern der oberflächlichen Schicht (Fig. 10a) entspringen nicht von dem Schwanzwirbel, sondern nehmen ihren Ursprung von der Haut der Schwanzwurzel, hier berühren sich die beiderseitigen Muskeln und bilden eine kurze Raphe (Fig. 10). Die übrigen Bündel des M. caudo-dorsalis beginnen von Schwanzwirbeln. Der kurze Schwanz des Igels besteht aus 11—13 Wirbeln, wobei sein freies Ende nur 5 bis 7 Wirbel enthält. Die oberflächliche Schicht, außer den beschriebenen medialsten Fasern, beginnt von der oberen und seitlichen Fläche des 7—9 Wirbels und zieht längs der Wirbelsäule nach vorn. Die medialsten von der Haut der Schwanzwurzel entspringenden Fasern 202 Gustav Michelsson divergieren sehr wenig und bleiben die ganze Zeit durch eine derbe Faszie miteinander verbunden, sie inserieren nach kurzem Verlauf an der unteren Fläche des hinteren, queren Abschnittes des M. or- bieularis, nicht weit von dessen kaudalem Rande. Die vom 7. und 8. Schwanzwirbel entspringenden Bündel haben einen mehr schrägen Verlauf, sie inserieren ebenfalls an der Unterfläche des M. orbieularis, aber weiter lateral und mehr nach vorn am vorderen Rande des hinteren Abschnittes. Die vom 9. Schwanzwirbel entspringenden Bündel inserieren ebenfalls am vorderen Rande des queren Orbieularis- Abschnittes, also weiter medial als die vorhergehenden, so daß sie ihn teilweise bedecken. - In die oberflächliche Schicht gehen regelmäßig Fasern aus dem M. caudo-abdominalis über. In einem Falle durchsetzen Fasern der oberflächlichen Schicht den M. caudo-abdominalis und setzen dann in normaler Weise ihren Verlauf zum Rücken fort. Häufig lösen sich vom lateralen Rande Muskelbündel ab, welche auf der Faszie des M. humero-caudalis enden. An einem Igel gingen linkerseits die lateralsten Fasern der oberflächlichen Schicht des M. caudo-dorsalis bogenförmig nach unten und setzten sich an der ventralen Seite an der Haut um den Anus an. Die tiefe Schicht des M. caudo-dorsalis ist bedeutend stärker als die oberflächliche entwickelt. Sie beginnt fleischig von der Seiten- fläche des 7. und 8. Schwanzwirbels und zieht längs dem Rücken nach vorn, wobei ihre Fasern je weiter kranialwärts, desto mehr aus- einanderweichen. Der Muskel geht unter dem hinteren queren Ab- schnitt des M. orbieularis hindurch und füllt auf dem Rücken fast den ganzen ovalen Raum aus, welcher durch den ringförmigen M. orbieularis gebildet wird. Die Muskelbündel inserieren schon in der Lendengegend an die Haut und setzen diese Insertion auch noch weiter kranial fort. Dadurch wird der Muskel je weiter kranial desto dünner, und zwischen den einzelnen Bündeln tritt mehr Bindegewebe auf. Gleich hinter dem Hinterrande des vorderen queren Abschnittes des M. orbieularis bleibt ein kleines Stück vom Muskel frei, hier findet sich nur derbes Bindegewebe. Auch an die tiefe Schicht des M. caudo-dorsalis schließen sich aberrante Bündel vom M. humero-caudalis an. In einem Fall fand sich ein dünner überzähliger Muskel, welcher von der Unterfläche des vorderen Randes des hinteren Orbicularisabschnittes entsprang und kaudalwärts zum Schwanz zog. Bald teilte er sich in zwei Bündel, das stärker entwickelte laterale schloß sich dem M. humero-eau- Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 203 - dalis an, das schwächere mediale der tiefen Schicht des M. caudo- dorsalis. M. orbieularis dorsi (Fig. 110rb). Im Zusammenhang mit dem M. eaudo-dorsalis steht beim Igel der merkwürdige M. orbieularis' dorsi, er bildet einen längsgezogenen dicken king; welcher sich nir- gends ans Skelett, oder andere unter ihm gelegene Organe anheftet, j sondern tberall fest mit der Haut verlötet ist, indem seine Fasern von der Haut beginnen und auch wieder an derselben inserieren. Der äußere Rand des Muskels fällt mit dem Beginn der Stacheln zusammen. caudalıs Az ey | a T N (Here en S| iR ink plinf p aust ur h do ao Oberflächliche Schicht der Hautrumpfmuskulatur. ev. M, levator labii superioris; frd. M. fronto-dorsalis; /bs. M. temporo-buccalis, pars superficials; aulab seine pars auriculo-labialis; plinf. Platysma labii inferioris; „Is. Platysına labii superioris; plp. Platysma, portio postauricularis; ant. Sphincter colli anterior; int. interm«dius; wust. M. auriculo-sternalis; cri. M. collo-sternalis; A«o M. humero-abdominalis pars ventralis; Adp. die Enden des hinteren Teils des M. humero-dorsalis; ed. M. caudo-dorsalis; erudulis. M. caudo-ab- dominalis superf.; cd. M, caudo-dorsalis innerhalb des M. orbicularis; au. Anus. Das vom Innenrand des M. orbieularis beschriebene ovale Feld wird von der tiefen Schicht des M. eaudo-dorsalis eingenommen (Fig. 1 und 11cd), welcher an den Rändern mit dem M. orbicularis zusammen- hängt. Diese beiden Muskeln bilden eine gewölbte Muskelmasse, welche einem Hohlschilde oder einer Kappe mit stark verdicktem Rande verglichen werden kann, daher auch der von Hınty gebrauchte Ausdruck Kappenmuskel (Cucullus). ‘Das ganze dem Cucullus ent- sprechende Hautgebiet ist mit Stacheln besetzt. Wir unterscheiden am M. orbicularis zwei Längsabschnitte, Partes laterales, welche an der Körperseite von vorn nach hinten verlaufen und zwei Querabschnitte, die Partes transversae. Die Partes laterales gehen lateral unmittelbar in den M. humero-caudalis und medial in die tiefe Schicht des M. eaudo-dorsalis über. Die Pars transversa 204 Gustav Michelsson posterior kreuzt in der Lendengegend den M. caudo-dorsalis; wie wir schon sahen, setzt sich die oberflächliche Schicht dieses Muskels hier an. Der vordere Rand der Pars transversa ist vermittels Bindegewebe mit dem darunter liegenden M. caudo-dorsalis fest verlötet. Die Pars transversa anterior liegt unmittelbar hinter den Ohren, auf ihrem vor- deren Rande und etwas vor ihm befindet sich derbes Bindegewebe, welches diese Teile mit der Haut verlötet, an dieses Bindegewebe setzen sich die oberflächlichen Fasern des M. fronto-dorsalis und die Aponeurose des M. temporo-buccalis an. Am Hinterrande der Pars transversa anterior liegt ebenfalls festes Bindegewebe (Fig. 1b), an welches sich die kranialsten Fasern des M. caudo-dorsalis ansetzen. Die Unterfläche des Cueullus ist mit einer äußerst feinen Muskel- schicht überzogen, Stratum transversum, welche sich jedoch verhält- nismäßig leicht vom Cucullus abtrennen läßt. Der ganze Cucullus ist von den darunterliegenden Muskeln durch eine große Fettschicht getrennt. Da er sich nirgends an tiefer liegende Organe anheftet, so wird er zusammen mit der Haut durch die übrige Hautmuskulatur bewegt. Der M. orbieularis ist, wie schon erwähnt, mit der Haut fest verlötet, die Wurzeln der Stacheln ragen in den Muskel hinein, jedoch setzen sich niemals an ihnen Fasern des M. orbicularis an, worauf schon HınLy hinweist. Die einzelnen Muskelfasern sind zu platten Bündeln vereinigt, zwischen denen sich ziemlich viel derbes Bindegewebe befindet. M. humero-abdominalis. Am M. humero-abdominalis können wir zwei Teile unterscheiden. Eine ventrale Pars ventralis und eine Pars eaudo-abdominalis. Pars ventralis (Fig. 11hao, 12hav). Die Pars ventralis des M. humero-abdominalis beginnt zusammen mit dem M. pectoralis maior vermittels dreier Zipfel von der Crista tubereuli minoris des Humerus. Bald, in den meisten Fällen schon am kaudalen Rande des M. pectoralis maior, legen sich die drei Zipfel aneinander und bilden eine einheit- liche Muskelmasse, deren Fasern nach hinten und innen verlaufen und sich am Penis und vor ihm an der Bauchhaut ansetzen. Lateral geht dieser Teil unmittelbar in den dorsalen und kaudalen Teil über. _ Von den drei Zipfeln ist der mediale am stärksten entwickelt, seine Fasern weichen kaudalwärts etwas auseinander und setzen sich etwa 2 bis 3cm vor dem Penis an der Bauchbaut und am Praepu- tium penis an. Die medialsten Fasern erreichen die Mittellinie nicht, sondern inserieren schon früher an der Haut vor dem Penis, die Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 205° Fig. 12. 2 a 5 IM IN \ SS 5 oo £ int ' M IBAN ne aust N U SG N ur \ Ex D | FE 5 mt pop caboalıs Die ventrale Hautrumpfmuskulatur. «nt. Sphincter colli anterior; int. intermedius; oust. M. auriculo-sternalis; «st. M. collo-sternalis; plinf. Platysma labii inferioris; ibs. M. temporo-buccalis, oberflächliche Schicht; pp. M. pectoralis maior; hav. M. humero-abdominalis, ventraler Teil; caudab. dessen pars caudo-abdominalis; Idp. M. humero-dorsalis, die Enden des hinteren Teils; cuwdalis. M. caudo-abdominalis superf.; pe. Penis; Clu. Anus. kaudalsten inserieren an einer ringföürmigen Verdickung des Prae- putium penis, welche das Orifieium externum umgibt. Der mittlere Zipfel liegt lateral vom vorigen und ist bedeutend schwächer entwickelt, er setzt sich kaudal vom vorigen an der Haut 206 Gustav Michelsson des Penis an, etwa am vorderen Drittel desselben. Der laterale Zipfel ist am schwächsten entwickelt und besteht häufig nur aus wenigen Fasern, welche sich noch weiter kaudal an der Penishaut ansetzen. > Beim Weibchen durchkreuzen sich in der Mittellinie und vor der Symphyse beinahe alle Fasern des medialen Zipfels mit den- jenigen der anderen Seite. Die kaudalsten Fasern des medialen Zipfels und der ganze mittlere und laterale Zipfel, welche sehr schwach entwickelt sind, setzen sich am sehr stark entwickelten Praeputium elitoridis an. | Häufig trennen sich vom lateralen Zipfel Fasern ab, biegen dorsalwärts um und enden zwischen den Fasern des M. humero-dor- salis. Viel seltener finden wir diese Erscheinung am mittleren Zipfel und nur einmal fand sie sich am medialen. In einem Falle begaben sich alle Fasern des lateralen Zipfels zum M. humero-dorsalis und in einem Falle fehlte er ganz. Pars caudo-abdominalis (Fig. 1Ocaudad, 12caudab). Dieser Teil beginnt in der Schultergegeud und von der Außenfläche des Ober- arms, dorsalwärts strahlen seine Fasern fächerförmig in der Schulter- gegend aus und schließen sich unmittelbar dem M. orbicularis an. Die Fasern beginnen vermittels eines verdickten Faszienzuges von beiden Fortsätzen des Acromion, ferner nehmen zentrale Fasern ihren Ursprung von der Tricepsfaszie, die untersten Fasern splittern sich von der übrigen Masse ab und enden bogenförmig nach unten ge- krümmt auf dem hinteren Rande des M. collo-sternalis. Der Muskel zieht nach hinten und. ventralwärts und füllt den ganzen Raum zwischen medialem Teil des M. humero-abdominalis und M. orbieu- laris aus. Die dorsalsten Fasern ziehen nach hinten und schließen sich unmittelbar dem M. orbieularis an, in den auch einige Fasern übergehen, umgekehrt gehen auch Fasern aus dem Orbicularis in den M. humero-abdominalis über. Kaudalere Bündel enden frei an der Haut der Schenkelgegend. Die Hauptmasse des Muskels geht bei muskelstarken Individuen auf die Bauchseite über, hier ziehen sie zwischen Schenkel und After nach hinten und gehen auf die Rückseite über. Hier setzt er sich als starker Muskel fleischig an die Oberfläche des 7. und 8. Schwanzwirbels an einer sehr schmalen Ansatzfläche an. Kurz vor seinem Ansatz liegt er zwischen tiefer und oberflächlicher Schicht des M. eaudo-dorsalis (Fig. 10). Beim Männchen geht in der Inguinalgegend ein mächtiges Muskelbündel ab, welches von hinten bogenförmig die äußere Öff- En u a Er u un ann Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 207 nung des Leistenkanales mit seinem Inhalt umfaßt. Dieses Bündel schließt sich der tiefen Schicht des M. caudo-dorsalis an und kann so stark entwickelt sein, daß es wie ein selbstständiger Teil der Pars lateralis des M. humero-abdominalis erscheint. Die ventralen Bündel der Pars lateralis des M. humero-abdo- minalis schließen sich unmittelbar dem ventralen Teil an, einige Fasern kann man mit diesem Muskel zusammen bis zum Penis ver- folgen. Der Muskel kann recht bedeutende Abweichungen vom eben beschriebenen Verhalten aufweisen durch Reduktion des mittleren Teils. In extremen Fällen kommen dann zwei Abteilungen vor. Die eine beginnt wie oben beschrieben vom Schwanz, durch beständige Insertionen an -der Haut wird er schmäler und schließt sich schließ- lich dem M. orbieularis an, es können je nach der Entwicklung des Muskels mehr oder weniger Fasern die Insertion in der Schulter- gegend erreichen. Die vom Schulterblatt entspringende Abteilung legt sich dann der ventralen Portion des M. humero-abdominalis an, mehr oder weniger vollständig in ihn übergehend. Der laterale Teil des M. humero-abdominalis ist in diesen Fällen in der Mitte gewisser- maßen unterbrochen, indem der vordere Teil ventral und der kaudale dorsal ausweicht. Nur in der mittleren Portion kommen dann durch- gehende Fasern vor. M. caudo-abdominalis superficialis (Fig. 11 caudalis). Dieser dünne Muskel beginnt von der Oberfläche des hinteren queren Orbieularisteils und zieht nach hinten und unten medial vom Leisten- ring und lateral von der Analöffnung zur Bauchfläche. Er bedeckt den Ursprung des M. caudo-dorsalis und der Pars caudalis des M. humero-abdominalis.. Ein Teil der medialen Fasern umgibt von vorn bogenförmig die Analöffnung und bildet so mit den Bündeln der anderen Seite einen Sphineter ani cutaneus. Die Hauptmasse zieht zur Haut, welche den Penis bedeckt, die Fasern der beider- _ seitigen Muskeln berühren sich in der Mittellinie, durchkreuzen sich aber nicht. Kranialwärts reichen sie beim Männchen bis zur Öffnung des Praeputiums. Nur in einem Falle beobachtete ich, daß die vor- dersten Bündel sich vor dem Penis in der Mittellinie durchkreuzten. Bei den Weibchen gibt der Muskel ebenfalls einige zirkumanale Bündel ab, die Hauptmasse zieht nach vorn und durchkreuzt sich auf der Symphyse in der Mittellinie mit den Fasern der anderen Seite. | Der Entwicklungsgrad des M. caudo-abdominalis superficialis ist sehr verschieden. Bei starker Entwicklung nimmt er die ganze 208 Gustav Michelsson Breite zwischen Penis und Innenfläche des Schenkels ein, bei schwa- cher Entwicklung bildet er einen dünnen, bandförmigen Muskel, welcher neben dem Penis liegt. In den meisten Fällen nimmt er die medialen zwei Drittel der unteren Bauchgegend ein. In jedem Falle bedeckt er den Ansatz der Pars ventralis des M. humero-ab- dominalis am Penis und lateral davon auch noch einen Teil der Pars caudalis desselben Muskelas. M. dorso-ceuticularis (Fig. I9dorsent). Der letzte Hautrumpf- muskel, den wir noch zu betrachten haben, der M. dorso-eutieularis, beginnt auf dem Rücken vermittels der Faseia lumbo-dorsalis von den beiden letzten Brustwirbeln (7% XII und XIII). Der Muskel zieht längs der Wirbelsäule nach vorn und liegt direkt auf dem M. dorso-scapularis posterior (einem Teil des M. trapezius) auf, er teilt sich in den meisten Fällen in zwei Zipfel, welche sich an den M. fronto-dorsalis bzw. an das Platysma anschließen, oder selbstständig neben ihnen an die Haut inserieren. Die Anheftung dieser Zipfel variiert ganz außerordentlich, so daß man mehrere Fälle unter- scheiden kann. In einem Falle legte sich der dorsale Zipfel der Unterfläche der Portio recta des M. fronto-dorsalis an und inserierte an dessen dorsalem Rande, einige Fasern setzten sich direkt an die Unterfläche des M. orbieularis an. Der untere Zipfel inserierte an der Unter- fläche der Portio postaurieularis platysmatis. Zwischen beiden Zipfeln gab es noch einige aberrante Fasern, welche sich ans Bindegewebe ansetzten. j In einem anderen Falle verhielt sich der obere Zipfel ebenso wie bei dem vorhergehenden. Der untere Zipfel setzte sich mit etwa einem Drittel seiner Fasern an die Unterfläche der Portio .postauri- eularis des Platysma an, die übrigen endeten weiter lateral am M. orbieularis. Bei einem dritten Igel waren drei Zipfel vorhanden, der oberste inserierte an der Unterfläche des oberen Randes der Portio recta des M. fronto-dorsalis, der mittlere an der Unterfläche des Platysma und der unterste an dem M. orbicularis unterhalb des Platysma. In einem anderen Falle inserierten der obere und untere Zipfel an der Unterfläche des M. fronto-dorsalis bzw. Platysma, zwischen ihnen befanden sich eine Anzahl fücherförmig ausstrahlender Bündel, welche eine Verbindung zwischen beiden Zipfeln darstellten. In einem weiteren Fall setzten sich beide Zipfel direkt am M. orbi- cularis an, der obere dorsal vom M. fronto-dorsalis der untere me- dial vom Platysma. Endlich fanden sich in einem Falle vier Zipfel, Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 209 der oberste bestand nur aus wenigen Fasern, welche längs der Wirbel- säule nach vorn zogen zum kaudalen Rande des M. nuchalis, wo er zwischen dessen Fasern sich nahe der Mittellinie an die Haut an- setzte. Nach Abgang dieses Bündels teilt sich der M. dorso-eutieu- laris in zwei weitere Zipfel, der obere von ihnen inseriert in gewöhn- licher Weise an der Unterfläche des oberen Randes des M. fronto- dorsalis, der untere gelangt zur Unterfläche des Platysma und setzt sich hart an dessen ventralem Rande, an den M. orbieularis an. Der unterste Zipfel setzt sich tiefer unten zusammen mit dem M. nuchalis am M. orbicularis an. Die von uns gegebene Beschreibung weicht in vieler Beziehung von derjenigen der anderen Autoren ab. Eine recht zutreffende Be- schreibung gibt HınLy. Er faßt den M. orbieularis, Pars profunda M. caudo-dorsalis und das dünne Stratum transversum als Cucullus zusammen, den Orbiecularis bezeichnet er als Sphinceter cueulli, die vom M. orbicularis eingeschlossenen Fasern der Pars profunda des M. caudo dorsalis bezeichnet er als Stratum longitudinale. Am M. humero-abdominalis, den er Depressor cuculli lateralis tertius nennt, unterscheidet Hımry ebenfalls zwei Abteilungen: einen vorderen Teil der sich an den Humerus und einen hinteren, welcher sich an den M. humero-abdominalis ansetz. Am M. caudo-dorsalis (Depressor eueulli coceycei) unterscbeidet HınLy zwei Schichten, eine oberfläch- liche und eine- tiefe, die Fortsetzung der tiefen Schicht auf den Rücken als Stratum longitudinale hat er nicht beschrieben. Von den übrigen Hautrumpfmuskeln des Rückens werden noch beschrieben der M. dorso-eutieularis (Attollens eueulli dorsalis) und der M. nu- chalis (Attollens cueulli cervicalis). Die ganze Unterhautmuskulatur des Bauches faßt Hımry als Platysma myoides ventrale zusammen. Dasselbe beginnt seiner Be- schreibung nach mit zwei oder drei Zipfeln vom Humerus und mit einem vierten von der Faszie des M. deltoideus. Er setzt sich nach Hımty an der Bauchhaut an, ein Teil geht auf die dorsale Fläche über und setzt sich am hinteren Rande des Sphineter cuculli an. SEUBERT läßt fälschlich den Cucullus am Hinterhauptsbeine und an der Schwanzwurzel inserieren. Do»son beschreibt vom Cueullus nur den M. orbiceularis, das Stratum longitudinale und transversum werden nicht erwähnt. Am M. caudo-dorsalis (Coceygeo-cutieularis) unterscheidet Dorsox zwei Schichten, welche sich seiner Ansicht nach beide an den kaudalen Rand des hinteren Querabschnittes des M. orbieularis ansetzen. Am 210 Gustav Michelsson M. humero-dorsalis beschreibt Dogson die beiden von uns unter- schiedenen Teile. Auch der M. nuchalis (M. cervico-cuticeularis) und der M. dorso-eutieularis werden erwähnt. Der M. humero-abdominalis inseriert nach DoBson an der ven- tralen Mittellinie vom Nabel bis zur Symphyse und bedeckt den Bauch von der Mittellinie bis zum unteren Rande des M. orbieularis; in der Inguinalgegend geht er auf den Rücken über und setzt sich am Schwanz an, kurz vor seiner Anheftung geht er zwischen beiden Schiehten des M. caudo-dorsalis hindurch. Unserer Pars dorsalis M. humero-abdominalis entspricht der M. humero-lateralis von Dop- son, er beginnt von der Deltoideusfaszie und setzt sich durch einen aponeurotischen Strang am Acromion fest, geht aber nach Dossons Beschreibung vollständig in den M. orbieularis über. Endlich be- schreibt Dossox noch feine Fasern, die mit einer Faszie verwachsen sind, welche den Penis bedeckt; sie beginnen vorn vom Präputium und etwas lateral von ihm und ziehen direkt nach hinten, wo sie sich zusammen mit dem M. humero-abdominalis am Schwanz ansetzen. Es handelt sich offenbar um unseren M. caudo-abdominalis super- ficialis. DoBsox ‚beschreibt ihn übrigens nur für das Männchen. Die Nerven der Hautrumpfmuskulatur. Von den beschrie- benen Hautrumpfmuskeln des Igels wird der vordere, quere Abschnitt des M. orbicularis, wie schon oben erwähnt, vom N. facialis inner- viert, der M. dorso-euticularis vom N. accessorius, alle übrigen aber vom N. thoracalis anterior. ; Der N. thoracalis anterior des Igels ist einer der mächtigsten Nerven des ganzen Armgeflechts und nur wenig dünner als der N. medianus. Er verläßt den Plexus brachialis zusammen mit dem N. ulnaris und an seiner Zusammensetzung beteiligen sich der 7. und 8. Halsnerv und der 1. Brustnerv (Fig. 87%). Der N. thoracalis an- terior geht beinahe unter rechtem Winkel vom Plexus brachialis ab und zieht nach hinten und oben, in der Achselhöhle liegt er unter dem M. humero-abdominalis. Gleich an seinem Ursprung gibt der N. thoracalis anterior einen Zweig zum M. pectoralis minor und je ein Ästchen zu den drei Zipfeln des M. humero-abdominalis. Der nächste, ziemlich dicke, nach oben’ abgehende Zweig teilt sich bald in zwei Äste, welehe etwas oberhalb des Ansatzes des M. humero- dorsalis von der Unterfläche her in ihn eindringen (Fig. 13). Der vordere Ast teilt sich sehr bald in drei bis vier Ästehen, welche zwi- schen den Muskelbündeln dorsalwärts ziehen, wobei sie von Zeit zu Zeit beinahe unter rechtem Winkel feine Fädchen abgeben, welche Se Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 211 in die einzelnen Muskelbündel eindringen. Die Nervenäste gelangen ungefähr im oberen Drittel auf die Oberfläche des Muskels, hier setzen sie die Richtung nach oben fort und gelangen zum M. orbicularis, in welchen sie eindringen. Die Mehrzahl der Nervenäste läßt sich zwi- schen den Fasern des M. orbicularis kranialwärts verfolgen. Der hintere Ast des Nerven ist stärker entwickelt, verzweigt sich aber in derselben Weise wie der vordere im M. humero-dorsalis und M. orbieularis. Beide Äste sind durch feine, in der Muskelmasse ge- legene Anastomosen verbunden und bilden ein intramuskulöses Ge- flecht. Noch vor dem Eindringen in den M. humero-dorsalis nimmt Fig. 13. orb orb ha ha ha Schema der Verzweigung des N. thoracalis anterior im M. humero-dorsalis. I, I, I4 zweiter, dritter und vierter Intercostalnerv; ha. Aste zum M. humero-abdominalis; orb. Äste zum M. orbieularis; €. Äste zum M. caudo-dorsalis. der gemeinsame Stamm dieser Äste eine Anastomose auf, welche sich aus Asten des 2. und 3. Interkostalnerven zusammensetzt. Zuweilen gehen beide Äste des M. humero-dorsalis selbständig vom Stamm des N. thoracalis anterior ab, dann erhält jeder von ihnen eine Anasto- mose von den Interkostalnerven. Nach Abgang des Nerven für den vorderen Teil des M. humero- dorsalis zerfällt der M. thoracalis anterior in vier oder fünf Nerven. Der unterste von ihnen verläuft beinahe gerade von vorn nach hinten, ungefähr entsprechend dem unteren Rande des M. orbieularis. Der vorderste dagegen verläuft beinahe senkrecht nach oben, die übrigen ‚nehmen Zwischenstellungen zwischen diesen beiden Extremen ein. Morphologe. Jahrbuch. 5t. 15 212 Gustav Michelsson Den untersten Nerv, welcher wie wir sagten längs dem unteren Rande des M. orbieularis verläuft, gelang es mir bis zur Kreuzgegend zu verfolgen. Er gibt in seiner ganzen Ausdehnung feine, nach unten ziehende Fädchen ab, welche den M. humero-abdominalis innervieren (Fig. 14 ha). Dorsalwärts gibt er nur wenige Fädchen ab, welche den M. orbieularis und einen Teil der Bündel des hinteren Abschnittes des M. humero-dorsalis innervieren. Der nächste Nerv hat schon einen mehr schrägen Verlauf und zieht am unteren Rande der Pars posterior des M. humero-dorsalis nach hinten und oben. Er gibt ununterbrochen feinste Zweige ab, welche zwischen den einzelnen Bündeln des Muskels dorsalwärts ziehen und mit feinsten Fädchen die einzelnen Fasern versorgen. Der nächst höhere Nerv hat eine noch schrägere Richtung, er gibt ebenfalls Zweige zur Pars posterior des M. humero-dorsalis, die sich ebenso in ihm verzweigen wie es eben beschrieben wurde, die Haupt- masse der Zweige geht aber zur Pars profunda M. caudo-dorsalis. An die Bündel dieses Muskels herangetreten, teilen sich die Äste in mehrere feine Fädchen, welche zwischen den Fasern des Muskels kaudalwärts ziehen, wobei sie die ganze Zeit feinste Fädchen zu den einzelnen Muskelfasern abgeben. Vier oder fünf dickere Zweige ziehen ebenfalls zwischen den Fasern des Muskels bis in die Kreuz- gegend, wo sie sich in allen Schichten des M. caudo-dorsalis ver- , zweigen (Fig. 13c). Alle beschriebenen Äste des N. thoracalis Ehe anastomosieren mit Interkostalnerven. Wir haben schon oben die Anastomose des zum vorderen Teile des M. humero-dorsalis gehenden Astes mit dem 2. und 3. Interkostalnerven beschrieben. Der nächstfolgende Ast des N. thoracalis anterior anastomosiert mit dem 4., der nächstfolgende mit dem 5. Interkostalnerven usf. bis zum 7. oder 8. Interkostalnerven. Da die Äste des N. thoracalis anterior schräg verlaufen, so liegen auch die Anastomosen je weiter kaudal, desto mehr‘ dorsal. Durch Reizung des N. thoracalis anterior und der Interkostal- nerven mit dem Induktionsstrom läßt sich leicht feststellen, daß die Interkostalnerven an der Innervation der Hautrumpfmuskulatur nicht beteiligt sind. Der M. humero-dorsalis, M. caudo-dorsalis, alle Teile des M. humero-abdominalis, der M. caudo-abdominalis superficialis und der M. orbieularis, außer seinem vorderen vom N. facialis inner- vierten Abschnitt, werden einzig und allein vom N. thoracalis anterior innerviert. An einem Igel entfernte ich beiderseits den Anfang des N. thora- Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 213 calis anterior. Der so operierte Igel zeigte sehr interessante Läh- mungen der Hautrumpfmuskulatur. Bekanntlich kugelt sich ein Igel, welcher sich in Verteidigungszustand zu setzen wünscht, zusammen. Hımty und Dogsox haben den Mechanismus des Zusammenkugelns, wie uns scheint ganz richtig, beschrieben. Der Igel beugt durch Kontraktion der ventralen Muskulatur den Kopf auf die Brust, durch Kontraktion der Skelettmuskulatur, aber vor allen Dingen der Portio caudalis M. humero-abdominalis wird der Hinterteil_der Brust ge- nähert. Durch Tätigkeit des M. fronto-dorsalis, welcher die mit Stacheln besetzte Haut über den Kopf zieht, und des M. caudo-dor- salis, der ihn, unterstützt von der Pars caudalis M. humero-abdomi- nalis, auf den Hinterteil zieht, werden diese Teile vollständig bedeckt. Der M. humero-abdominalis zieht die Rückenhaut auch noch auf die ‚Seiten und auf den Bauch. Wenn auf diese Weise die mit Stacheln bedeekte Haut fast das ganze Tier bedeckt, zieht der M. orbieularis, welcher als mächtiger Sphinkter wirkt, die noch gebliebene Öffnung zu. Der Igel hat aber noch eine andere Art sich zu verteidigen als das Zusammenkugeln, welche er da anwendet, wo die Gefahr nicht so groß ist. Er zieht nämlich die mit Stacheln versehene Rücken- haut nach allen Seiten je nach Bedarf mehr oder weniger tief herab, sträubt die Stacheln auf der Stirn und attackiert unter Hervorbringung trommelnder und fauchender Töne seinen Gegner, indem er versucht, oft durch Emporschleudern des Vorderkörpers, den Feind zu verletzen. Beim operierten Igel hing die Rückenhaut am Körper schlaft herab, ausgenommen der vorderste Teil; das Tier verlor auch die Fähigkeit, sich zusammenzukugeln. In den ersten Tagen fehlte es nicht an Versuchen. Der Igel beugte den Kopf auf die Brust und zog den vorderen Teil der Rückenhaut mit seinen gesträubten Stacheln über den Kopf, dabei blieb es aber auch. Die Stacheln (bis auf die- jenigen des vorderen Abschnittes) konnten nicht gesträubt werden, sie lagen, aber nicht schlaff wie bei einem toten Tier, auf der Haut. Der Igel hatte vollständig die Möglichkeit verloren, die Rückenhaut zu bewegen. Berührt man. einen zahmen Igel etwa mit einer Blei- feder am Bauch, so zieht er sofort die Rückenhaut an dieser Stelle herab; am operierten Igel konnte man die nicht mit Stacheln be- setzte Haut an beliebigen Stellen berühren, es erfolgte kein Herab- ziehen der Rückenhaut. Noch an einem anderen Versuche tritt die Lähmung deutlich hervor: legt man einen zahmen Igel, der sich nicht mehr zusammenkugelt, auf den Rücken, so rollt er immer den Hinter- teil so ein, daß Bauch, Hinterbeine und Genitalien von der Rücken- 15* 214 Gustav Michelsson haut bedeckt sind, offenbar eine Kontraktion der Pars caudalis M. humero-abdominalis. An unserem operierten Igel lagen gerade diese Teile offen und der Kopf war auf die Brust herabgedrückt und mit der Rückenhaut ‘bedeckt. Wir sehen also, daß außer dem vorderen Teile der Rückenhaut, welche mit dem querverlaufenden vorderen Teile des M. orbieularis verlötet ist, die ganze Rückenhaut unbeweg- lich ist, es liegt also eine vollständige Lähmung der vom N. thora- ealis- anterior versorgten Muskulatur vor. Interessant ist es, daß der operierte Igel sich sehr bald an seinen Defekt anpaßte, indem er den oben beschriebenen zweiten Vertei- digungsmodus anwandte. Aufgescheucht drehte er sich mitaußerordent- - lieher Geschwindigkeit seinem Gegner zu, sträubte die vorderen Stacheln und suchte seinen Gegner zu verletzen, wobei er es mit großer Ge- schicklichkeit vermied, seinem Gegner Hinterteil und Seiten zuzukehren.. Da der Igel die Fähigkeit verlor, auch die Stacheln aufzurichten, so muß man annehmen, daß die Nerven zu den M. arrectores pilorum ebenfalls im N. thoracalis anterior verlaufen. Die Existenz solcher glatter M. arrectores beim Igel wurde von CoRLIER festgestellt, die Stacheln stehen, wie schon gesagt, in keinem direkten Zusammen- hang mit der Hautrumpfmuskulatur. Der tiefe, auf dem M. trapezius liegende M. dorso-eutieularis wird, wie schon gesagt, vom N. accessorius innerviert.. Der N. accessorius dringt am Halse durch die drei sterno-mastoidalen Muskeln, welchen er Ästchen abgibt, nimmt bald darauf eine bedeutende Anastomose vom 3. Halsnerven auf und begibt sich nach hinten, wo er unter das ventrale Ende des M. dorso-scapularis anterior (Teil des M. trapezius) tritt, welchen er innerviert. Hinter dem M. dorso-scapularis anterior liegt der Nerv unter dem M. dorso-scapularis posterior, hier anasto- mosiert er mit einem Aste des 5. Interkostalnerven, worauf sich ein dünner Ast zum M. dorso-cutieularis begibt, der andere sich im M. dorso-scapularis posterior verzweigt. Durch Reizung des N. acces- sorius läßt sich leicht feststellen, daß die motorischen Fasern für den M. dorso-euticularis und die beiden Mm. dorso-scapulares im N. ac- cessorius verlaufen, eine Reizung des 3. Hals- und des 5. Interkostal- nerven ruft keine Zuckung der genannten Muskeln hervor, in ihnen verlaufen also auch keine motorischen Fasern. Die Hautrumpfmuskulatur der Säugetiere. Nachdem wir uns mit der Hautrumpfmuskulatur des Igels be- kannt gemacht haben, müssen wir zum Vergleich mit derselben die Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 215 Hautrumpfmuskulatur der Säugetiere heranziehen. Leider ist die Hautrumpfmuskulatur noch weniger bekannt als die Gesichtsmusk u- _ latur, eingehendere Untersuchungen liegen nur für die Monotremen von RuscE und für die Insektivoren von DoBson vor. Die Hautrumpfmuskulatur der Monotremen ist von RusE in der schon erwähnten Monographie beschrieben worden. Bei beiden Gat- tungen dieser Tierordnung können wir einen M. humero-dorsalis und einen M. humero-abdominalis unterscheiden, welche RuGe als dorsalen und ventralen Abschnitt des M. subeutaneus trunci bezeichnet. Der M. humero-abdominalis bedeckt den ganzen Bauch und die Seiten- fläche des Tieres und geht unmittelbar in den M. humero-dorsalis über, weleher den Rücken bedeekt. Am M. humero-abdominalis unter- scheidet RuGe zwei Teile, einen medialen und einen lateralen. Bei Ornithorhynchus setzt sich der mediale Teil nirgends am Skelett an. seine Fasern enden auf dem Halse auf dem querverlaufenden Sphincter eolli. Der laterale Teil besteht aus zwei Schichten, einer oberfläch- lichen und einer tiefen. Sie entspringen beide vom Humerus, wobei die oberflächliche Schicht etwas höher und mehr lateral beginnt. Kaudalwärts wird die tiefe Schicht immer oberflächlicher und liegt schließlich neben der öberflächlichsten, mit ihr eine einzige Muskel- schicht bildend. Kehrdna unterscheidet sich von Ornithorhynchus da- durch, dab der laterale Teil des M. humero-abdominalis aus drei Schichten besteht. Die tiefe und mittlere Schicht treffen sich mit gemein- samer Sehne an dem Humerus, wobei diese Sehne zwischen den Sehnen der Pars sternalis und episternalis des M. pectoralis liegt. Die oberfläch- liche, schräg verlaufende Schicht setzt sich mit breiter Sehne an den Humerus, welche auf der Sehne der Pars sternalis des Brustmuskels liegt. Kaudal setzt sich der M. humero-abdominalis bei Ornöthorhynchus mit oberflächlichen Bündeln an die Haut des Schwanzes, mit tiefen aber an die Wirbel des rudimentären Schwanzes. Äußere Fasern enden auch schon an der Innenfläche des Ober- und Unterschenkels. Bei Echidna überkreuzen sich die oberflächlichen Fasern des M. hu- mero-abdominalis auf dem Halse und auf der Brust in der Mittellinie. Auf dem hinteren Teil der Brust und auf dem Bauche lassen sie in der Mitte ein ovales Feld ünbedeckt von Muskelfasern, unterhalb dieser Stelle überkreuzen sich die Fasern wieder in der Mittellinie. Aut diese Weise wird das ovale Feld von allen Seiten von bogenförmigen Muskelbündeln umgeben, welche Ruse als Sphincter marsupii be- zeichnet. Um die Kloake herum finden sich auch kreisfürmige Fasern, welche einen Sphineter eloacae bilden. 216 Gustav Michelsson Ein Teil der Muskelbündel des M. humero-abdominalis zieht zum Schwanz; es ist bei RuGgE nicht angegeben, welcher Portion sie an- gehören, offenbar aber der mit hv, bezeichneten Schicht. »Die zum Schwanz ziehenden Faserbündel laufen seitlich um die Kloake und strahlen zur Haut aus; sehr kräftige begeben sich zum ganzen hin- teren Körperende, wo sie teilweise die Stacheln aufsuchen, welche kaudal die Rückenhaut bedecken« (vgl. S. 94). Bei ihrem Ansatz am Schwanz durchkreuzen sich die Fasern des M. humero-abdominalis mit denjenigen des M. dorsalis. | Die schräg verlaufende, oberflächliche Schicht des M. humero- abdominalis (Rv, bei RugE) zieht zur Haut der lateralen Grenzzone von Bauch und Rücken, wo der Stachelbesatz beginnt. Bei einem weiblichen Individuum fand sich eine Varietät dieser Portion: die Muskelbündel setzten sich nicht am Humerus an, sondern an eine Zwischensehne, welche zwischen Fazialismuskulatur und Hautrumpf- muskel gelegen ist. ; Tiefe Bündel derselben schrägen Portion des M. humero-abdomi- nalis, welche am Humerus entspringen, ziehen in mehr dorsaler Rich- tung zu den Stacheln des Rückens, wo sie sich gegen die Median- linie und bis gegen den Schwanz ausbreiten. Die Bündel treffen mit dem M. humero-dorsalis auf dem Rücken zusammen. Der M. humero-dorsalis entspringt bei beiden Monotremen mit einer Sehne, welche unter derjenigen des M. humero-abdominalis ge- legen ist, vom Humerus, zusammen mit dem M. pectoralis maior. Bei Echidna gelangt der Muskel zum ganzen Stachelkleide des Rückens, oberflächliche Fasern gelangen schon auf der lateralen Rumpffläche zusammen mit Bündeln der schrägen oberflächlichen Schicht des M. humero-abdominalis zur Insertion an der Haut, tiefere Biüindel setzen sich weiter dorsal an und können bis zum Schwanz verfolgt werden. Bei Ormithorhynchus bedecken die Fasern des M. bumero-abdo- minalis gleichmäßig den ganzen Rücken bis zur Mittellinie, wo sie sich z. T. an Dornfortsätzen ansetzen; kaudalwärts setzen sie sich mit mehreren Bündeln an die proximalen Schwanzwirbel an, an welche auch Bündel vom M. humero-abdominalis ansetzen (vgl. S. 98). Zu diesen Muskeln kommt noch bei Ornithorhynchus eine Muskelplatte, welche sich nicht am Skelett ansetzt, sondern von der Skapular- faszie entspringt, sich aber kaudal dem M. humero-dorsalis an- schließt. Außer den schon beschriebenen Hautrumpfmuskeln beschreibt RuGe noch drei Muskeln bei Ornithorhynchus: Der M. dorso-lateralis; Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 217 er beginnt von einer Faszie im Nacken- und Schulterblattgebiet, außer- _ dem beginnen einige Bündel auch noch vom Humerus. Ein Teil der Bündel begibt sich nach oben und hinten und setzt sich an der Haut des Rückens und an Brustwirbeln an, die übrigen Bündel ziehen nach unten und enden auf der Brustmuskulatur. Der M. dorso-cervi- calis beginnt auf dem Rücken und endet im Nacken- und Schulter- blattgebiet; der Muskel bedeckt Muskelbündel des N. facialis-Gebietes, welche vom Schädel hierher gelangen. Der M. costo-nuchalis liegt am tiefsten, unmittelbar auf dem M. trapezius. Der Muskel beginnt von kaudalen Rippen, zieht nach vorn und setzt im Nacken an das derbe Bindegewebe, welches die Unterfläche der Fazialismuskulatur bedeckt. Alle drei beschriebenen Muskeln kommen bei Eechrdna nicht vor. Außer dem M. costo-nuchalis, dessen Innervation RuGe nicht fest- stellen konnte, werden alle Hautrumpfmuskeln der Monotremen nach RusE vom N. thoracalis anterior innerviert. Dieser Nerv setzt sich nach CHARLOTTE WESTLING aus Fasern vom 5. und 6. Halsnerv zu- sammen. ; Über die Hautrumpfmuskulatur der Marsupialia haben wir nur die Angabe von KoHLBRUGGE, daß der M. humero-abdominalis aus einer oberflächlichen und einer tiefen Schicht besteht, die letztere heftet sich an den Humerus an. Die Hautrumpfmuskulatur der Insektivoren ist durch die Mono- graphie Dogsons besser bekannt. Ein männliches Exemplar von Macroscelides typicus konnte ich selbst zergliedern. Der M. humero- abdominalis und M. humero-dorsalis beginnen bei Macroscelides zu- sammen mit dem M. pectoralis vom Humerus. Der Ansatz des M. humero-dorsalis liegt zwischen dem Ansatz des M. pectoralis und des M. humero-abdominalis. Der M. humero-abdominalis zieht nach unten und hinten auf den Bauch, vor dem Penis durchkreuzen sich die beiderseitigen Muskeln in der Mittellinie. Den weiteren Verlauf des Muskels honnte ich an meinem Exemplar nicht verfolgen. Der M. humero-dorsalis besteht aus zwei Teilen, der vordere beginnt in der oben beschriebenen Weise vom Humerus, die vorderen Fasern dieses Teiles gehen nach oben und setzen sich nahe der Mittellinie an die Haut an, die weiter hinten liegenden Fasern nehmen eine immer mehr schräge Richtung an, die kaudalsten haben beinahe Längsrichtung und setzen sich an der Haut der Schwanzwurzel an. Der hintere Teil des M. humero-dorsalis setzt sich nicht am Humerus an, sondern endet frei auf dem oberen Rande des M. humero-abdominalis, kaudal- 218 Gustav Michelsson wärts nähern sich die Fasern der Längsrichtung und schließen sich den kaudalen Fasern des vorderen Teiles an, mit denen zusammen sie an der Rückenhaut und an der Haut der Schwanzwurzel ansetzen. Die äußeren Fasern enden frei auf der Außenfläche des Oberschenkels. An beiden beschriebenen Muskeln von Macroscelides verzweigt sich der N. thoracalis anterior. Bei den nahen Verwandten des Maulwurfs: Condylura, Scalops und Sceapanus ist der M. humero-abdominalis und M. humero-dorsalis, -auf Grund der Untersuchungen Dogsons, schwach entwickelt. Ein M. dorso-eutieularis ist bei ihnen vorhanden. Beim Desman Myogäle moschata ist der M. humero-abdominalis stärker entwickelt als der M. humero-dorsalis, jedoch reichen beide nicht bis zum Schwanz. Bei Gymnura, einer Gattung aus der Familie der Erinaceiden, beginnt der M. humero-dorsalis mit langer Sehne vom Humerus, der Muskel zieht nach oben und hinten und bedeckt den ganzen Rücken und die Seitenflächen, in der dorsalen Rückenlinie berühren sich die beiderseitigen Muskeln. Kaudal setzt sich der Muskel mit Muskel- fasern an den Schwanzwirbeln an. Der M. humero-abdominalis be- sinnt zusammen mit dem M. pectoralis maior vom Humerus, er in- seriert an der Haut der ventralen Mittellinie, angefangen vom Nabel. Kaudal setzt sich der Muskel vermittels einer kurzen Sehne an die Scehwanzwirbel an. Der M. dorso-cuticularis beginnt von den 2—3 letzten Brustwirbeln und setzt sich an der Haut der Schulterblatt- gegend an. i Bei Potamogale beginnt der M. humero-dorsalis vom Humerus und bedeekt Rücken und Seitenfläche. Der M. dorso-cutieularis be- ginnt von der Faseia lumbo-dorsalis im Gebiet der letzten Brustwirbel und setzt sich an der Haut der Schulterblattgegend an. Die Hautrumpfmuskulatur von COentetes und Erieulus hat für uns ein besonderes Interesse, da beide Tiere ähnlich wie der Igel mit Stacheln bedeekt sind. Leider ist die Beschreibung von DoBsoN etwas unklar, und die Abbildungen von CuvIer haben keinen Text. Bei Centetes gibt es offenbar einen Muskel, welcher seinen Ursprung von Sehwanzwirbeln nimmt, sich darauf längs dem Rücken nach vorn wendet und im Nackengebiet unter dem M. fronto-dorsalis endet. Dieser Muskel (bei Cuvier mit 5° bezeichnet) entspricht offenbar dem M. caudo-dorsalig des Igels. Der M. humero-dorsalis beginnt mit.einer Sehne zwischen dem Ansatz des M. teres maior (Caput externum) und M. latissimus dorsi, er wendet sich nach hinten und oben und schließt Die Hautmuskulatur des Igels 'Erinaceus europaeus). 219 sich dem M. caudo-dorsalis an. Der M. humero-abdominalis beginnt zusammen mit dem M. pectoralis minor vom Humerus und bedeckt den Bauch und die Seiten, über seinen weiteren Verlauf finden sich bei Dosson keine Angaben, nach Cuviers Zeichnungen zu urteilen gelangt er bis zum Schwanz. Der M. caudo-dorsalis ist bei Hriculus weit mächtiger entwickelt und erinnert bis zu einem gewissen Grade - an die Verhältnisse beim Igel, jedoch ist ein M. orbieularis nicht vor- handen oder doch nur angedeutet. Die Chiropteren scheinen keine Hautrumpfmuskulatur nach dem Typus des M. humero-dorsalis und M. humero-abdominalis zu haben. Wir finden bei ihnen eine ganze Reihe kurzer Muskeln, welehe mit der Flughaut in Beziehung stehen und deren Entstehung noch ganz dunkel ist. Hierher gehören die Mm. dorsi-patagialis, pubio-eutanens, eoraco-eutaneus, humero-cutaneus, tibio-cutaneus internus und externus, calcaneo-cutaneus und uro-cutaneus. Besser bekannt ist die Hautrumpfmuskulatur von Galeopithecus, welche derjenigen der Fledermäuse sehr ähnlich ist. Die Beschrei- bung von LEcHE ist dadurch wertvoll, daß er auch die Innervation der Muskeln untersucht hat. In die Flughaut, welche zwischen beiden Extremitäten und dem Rumpf ausgespannt ist (Plagiopatagium), ge- langen drei Muskeln: der erste geht von der ulnaren Seite der oberen Extremität ab und wird nach LecHE von zwei Nerven versorgt: vom R. dorsalis n. ulnaris und vom R. eutaneus humeri aus dem N. axil- laris; der zweite Flughautmuskel entspringt von der tibialen Seite der unteren Extremität, er wird vom N. saphenus innerviert, der dritte Muskel beginnt vom Humerus zwischen dem M. anconeus und dem M. brachialis internus und wird vom N. eutaneus brachii internus versorgt. Außerdem steht mit dem Plagiopatogium noch der M. coraco- eutaneus in Beziehung; er beginnt an der Flughaut und inseriert am Processus coracoideus, er wird ebenfalls vom N. eutaneus brachii internus innerviert. Der M. dorso-brachialis entspricht offenbar einem M. humero-dorsalis, er beginnt vom Humerus zusammen mit dem M. latissimus dorsi und setzt sich an den fünf letzten Brust- und am 1. Lendenwirbel an. LecHe nimmt an, daß alle beschriebenen Mus- keln nur Abkömmlinge der Hautrumpfmuskulatur der anderen Säuge- tiere sind, jedoch widersprechen seine Angaben über die Innervation, falls sie richtig sind, einer solehen Annahme durchaus. Bei den Zahnarmen, welche keinen Panzer haben, wie Oryete- ropus, oder bei welchen derselbe schwach entwickelt ist, wie bei Manis, ist die Hautrumpfmuskulatur gut entwickelt. Bei Manis be- 220 Gustav Michelsson ginnt der M. humero-dorsalis nicht nur vom Humerus, sondern auch noch von der Crista scapulae, an jede Panzerschuppe setzen sich einige Muskelbündel an. : Bei den Edentaten mit stark entwickeltem Panzer, wie Chlamydo- phorus truncatus und Tatusia peba, ist die Hautrumpfmuskulatur stark „modifiziert. Bei Tatusıa beschreibt MACALISTER sieben Hautmuskeln. Der M. abdomino-tergalis beginnt von der Mittellinie des Bauches, zieht hinter dem Ellenbogengelenk nach oben und setzt sich am Rückenschild an; dieser Muskel dürfte dem M. humero-abdominalis entsprechen. Kaudal finden wir einen M. ischio-tergalis, er beginnt vom Tuber ischii und geht zum hinteren Rande des Beckenschildes. Der M. abdomino-femoralis beginnt vom Femur und zieht zum Bauch. Der M. pectoro-brachialis beginnt von der Pectoralisfaszie und inse- riert an der Faszie der oberen Extremität. Der M. dorso-pectoralis beginnt von der Haut der Schlüsselbeingegend, begibt sich nach vorn und oben und inseriert am vorderen Rande des Brustschildes. Ferner Muskelbündel, welche vom Mundwinkel zum lateralen Rande des Rückenschildes ziehen. Endlich beschreibt MACALISTER noch einen Muskel, der längs dem Rückenschild verläuft, an dessen Rand er sich ansetzt. Uber die Hautrumpfmuskulatur der Nagetiere ist sehr wenig be- kannt. Bei den Sciuromorpha und Hystricomorpha ist nach Angaben von Parsons die Rumpfhautmuskulatur gut entwickelt. Der ventrale Teil besteht aus zwei Schichten, die oberflächliche liegt auf demM. pectoralis, die tiefe beginnt unter ihm von den Rippenknorpeln nahe an deren Ansatz ans Brustbein. Der dorsale Teil der Hautrumpf- muskulatur endet auf den M. glutaei und an der Schwanzfaszie. Bei Coelogenys gibt es Muskelbündel, welche die Geschlechtsorgane in Gestalt eines zirkulären Muskels umspannen. Bei Pedetes caffer ist, so weit man auf Grund der Abbildungen von Cuvier urteilen kann, die Hautrumpfmuskulatur außerordentlich stark entwickelt; sie be- ginnt nicht nur vom Humerus, sondern auch noch von der Spina scapulae. Ähnliche Verhältnisse finden sich bei Zystriv. Nach den Angaben von KOHLBRUGGE befestigen sich die Fasern der oberfläch- lichen Sehieht an den mächtigen Stacheln, die tiefer liegende Schicht beginnt vom Tubereulum minus und der ganzen lateralen Fläche des Humerus, vom Öleeranon und der Spina scapulae. Unter dieser Schicht liegt beim Stachelschweine noch eine tiefe Schicht, welche unter dem M. pectoralis liegt und vom Brustbein und den angrenzen- den Rippenknochen ihren Ursprung nimmt. Kaudal legen sich alle Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 21 drei Schichten aneinander und bilden eine einzige Lage. Der M. pecto- ralis ist also zwischen zwei Schichten des M. humero-abdominalis eingeschlossen. -Nach PAarsons wird die Hautrumpfmuskulatur der Nagetiere vom N. thoracalis anterior internus, die lateralen Schichten aber auch vom N. eutaneus lateralis der Interkostalnerven innerviert; übrigens hält Parsons selbst die Beteiligung des letzteren Nerven für nicht ganz sichergestellt. Nach KOHLBRUGGE wird bei Aystrix die oberfläch- liche Schicht von Hautnerven der Interkostalnerven versorgt. Die Innervation des M. humero-dorsalis läßt sich sehr bequem _ an der Ratte feststellen. Der Muskel beginnt vom Humerus und be- deckt nach hinten ziehend den ganzen Rücken und die Seitenflächen, kaudal inseriert er an der Faszie des Schwanzes. Im dünnen, blaß- roten Muskel ist die Nervenverzweigung gut sichtbar. Die Nerven stammen alle vom N. thoracalis anterior und verteilen sich strahlen- förmig im M. humero-dorsalis, man kann sie bequem ohne Präparation unter der Lupe bis zum Schwanz verfolgen. Durch Reizung der Interkostalnerven und des N. thoracalis anterior kann man feststellen, daß bei der Ratte die Interkostalnerven an der Innervation der Haut- rumpfmuskulatur nicht beteiligt sind. Der M. humero-dorsalis wird allein vom N. thoracalis anterior versorgt. Bei der Katze ist der M. humero-dorsalis gut entwickelt, er be- gsinnt vom Humerus, die lateralen Fasern enden auf der Außenfläche des Oberschenkels, die medialen setzen sich an Schwanzwirbeln fest. STRAUS-DURKHEIM beschreibt und bildet auch ab einen dünnen, quer- verlaufenden Muskel, den M. dermo-gastrique, welcher quer über den . Bauch zieht; mir gelang es nicht, ihn zu sehen. Bei AZyrax capensis besteht nach der Beschreibung von MurIE und Mıvarr der M. humero-abdominalis aus zwei Schichten. Die tiefe Schicht beginnt zusammen mit dem M. pectoralis vom Humerus, ‚die oberflächliche ebenfalls vom Humerus zusammen mit dem M. teres maior und M. latissimus dorsi, ein Bündel kommt noch von der Faszie des M. biceps. Die tiefe Schicht ist stellenweise mit dem M. pecto- ralis minor am lateralen Rande verwachsen. Kaudal reicht der Muskel bis zur Innenfläche des Oberschenkels. Soweit man aus den Abbil- dungen von CuviEr erkennen kann, beginnt der M. humero-abdomi- nalis beim Elefanten vom Humerus, Brustbein und Schulterblatt. Über die Hautmuskulatur der Halbaffen und Affen ist sehr wenig bekannt. Bei Tarsius spectrum ist nach Burmeister der M. humero- abdominalis schwach entwickelt; er beginnt mit einer dünnen, platten 222 Gustav Michelsson Sehne vom Humerus, wo er sich neben dem M. pectoralis minor an- setzt. Bei Chiromys madagascarensis beginnt der M. humero-abdomi- nalis ebenfalls zusammen mit dem M. pectoralis minor vom Humerus. Die lateralen Fasern enden nach den Untersuchungen von KAUDERN an der Innenfläche des Oberschenkels, wo sie bis zur Kniegegend reichen. Die medialen Bündel bilden ein dünnes Muskelband, welches nach hinten zieht und, sich in der Mittellinie mit dem der anderen Seite vereinigend, den Penis von unten her N (Sphineter mar- supii oder M. praeputio-abdominalis). Die dürftigen Angaben über die Hautmuskulatur der Säugetiere, welche außerdem noch oft einen durchaus zufälligen Charakter haben, gestatten es nicht, ein erschöpfendes Schema der Hautrumpfmusku- latur zu entwerfen. Dazu sind ausgedehnte Untersuchungen unter Berücksichtigung der Innervation notwendig. Im allgemeinen läßt sich aber schon jetzt feststellen, daß zwei Hautrumpfmuskeln, der M. humero-abdominalis und der M. humero-dorsalis, zum Grundplane dieser Muskulatur gehören. Der M. humero-abdominalis beginnt vom Humerus in naher Beziehung zur Pektoralisgruppe, bei starker Ent- wieklung gesellt sich noch ein Ursprung vom Schulterblatt (meistens von der Spina seapulae) oder dem Akromion hinzu. Der Muskel be- deckt Bauch und Seitenteile des Körpers, reicht medial bis zur Mittel- linie, läßt aber meistens die Brust frei, kaudal reicht er bis zum Schwanz, bei starker Entwicklung kann er sich selbst an Schwanz- wirbeln ansetzen. Der M. humero-dorsalis beginnt Eraels vom Humerus und steht ebenfalls zur Pektoralismuskulatur, nach anderen Angaben mit dem M. latissimus und M. teres minor, in Beziehung, er bedeckt Rücken und Seitenteile des Rumpfes, wobei er meistens lateral mit dem M. humero-abdominalis zusammenhängt; dorsal vereinigen sich die beider- seitigen Muskeln in der Mittellinie. Kaudal reicht er bis zur Schwanz- wurzel, bei sehr starker Entwicklung setzt er sich fleischig an die Schwanzwirbel an, bei schwächerer bindegewebig oder vermittels einer Sehne. In den meisten Fällen jedoch setzt er sich an die Schwanzfaszie an. Soweit wir die Innervationsverhältnisse dieser beiden Muskeln kennen, werden sie vom N. thoracalis anterior innerviert. Die An- gaben über Beteiligung von Hals- und Interkostalnerven ist höchst fragwürdig. Ganz besondere Verhältnisse, welche sich in das oben gegebene Schema gar nicht einordnen lassen, finden wir bei den Zahnarmen Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 93 und Fledermäusen, allerdings sind unsere Kenntnisse dieser Musku- latur derartig gering, daß ein Vergleich derselben zurzeit überhaupt nieht möglich ist. Nachdem wir uns soweit es möglich war mit dem allgemeinen Bauplan der Hautrumpfmuskulatur der Säugetiere bekannt gemacht haben, müssen wir versuchen, die Muskulatur des Igels in denselben einzuordnen. Der M. humero-abdominalis des Igels entspricht offenbar dem gleichnamigen Muskel der Säugetiere. Beim Igel ist er sehr stark "entwickelt, wir finden hier außer dem Ursprung vom Humerus auch noch einen Ursprung von der Faszie der Schulterblattgegend und vom Akromion, kaudal setzt sich der Muskel fleischig an Schwanz- wirbeln fest. Allerdings hat eine gewisse Verschiebung der Muskel- bündel stattgefunden, worauf wir schon oben hinwiesen, da die Pars caudo-abdominalis eine gewisse Selbständigkeit erlangt hat. Von den ' übrigen Insektivoren hat auch Gymnura den Ansatz an Schwanz- wirbeln, jedoch fehlt ein Ursprung vom Schulterblatt. Der M. eaudo- abdominalis superfieialis ist offenbar nur eine oberflächliche Schicht des kaudalen Abschnittes vom lateralen Teil des M. humero-abdomi- nalis, welche eine größere Selbständigkeit erlangt hat. Er ist bis jetzt nur von mir beim Igel beschrieben, es ist jedoch möglich, daß dieser dünne Muskel, welcher außerdem noch dieselbe Faserrichtung wie die darunterliegenden aufweist, bisher übersehen worden ist. Die oberflächlichsten Fasern des kaudalen Abschnittes des M. humero-abdominalis bei Eehidna sind offenbar diesem Muskel homo- log zu rechnen. Sie gelangen von der ventralen Bauchfläche neben der Kloake zur Rückengegend, wo sie sich an die Haut ansetzen, den schrägen oberflächlichen Fasern des M. humero-abdominalis, welche iiber den Rücken zum Schwanz ziehen, aufliegen (s. Fig. 12 bei: RuGE). Der M. dorso-cutieularis kommt in der: Säugetierreihe sehr häufig vor und variiert sehr wenig, er ist höchstwahrscheinlich kein ganz echter Hautrumpfmuskel, sondern hat sich vom M. trapezius oder dessen Teil, dem M. dorso-scapularis, abgetrennt und Beziehungen zur Haut gewonnen. Die Innervation durch den N. accessorius deutet auf seine nahe Verwandtschaft mit dem M. trapezius hin und trennt ihn anderseits von den übrigen Hautrumpfmuskeln. Am interessantesten ist die dorsale Gruppe der Hautrumpfmusku- latur; unserer Ansicht nach gehören der M. humero-dorsalis, M. caudo- 224 Gustav Michelsson dorsalis und z. T. der nur beim Igel vorkommende M. orbicularis eng zusammen und entstanden aus einer gemeinsamen Muskelmasse, welche dem M. humero-dorsalis der übrigen Säugetiere entspricht. Auf diesen engen Zusammenhang deutet auch die Innervation hin. Sie werden alle von Asten des N. thoracalis anterior innerviert, wobei häufig ein und derselbe Nervenast zwei Muskeln innerviert. Die Differenzierung der ursprünglich einheitlichen Müskelmasse kann man sich so vorstellen, daß anfänglich ein stark entwickelter M. humero- dorsalis vorhanden war, welcher sich fleischig an Schwanzwirbel an- setzte. Durch Anpassung des Muskels an veränderte Lebensgewohn- heiten. des Tieres teilt sich der Muskel. Der vordere Teil, der M. humero-dorsalis im engeren Sinne, behielt seine ursprüngliche Lage bei. Der kaudale Abschnitt nahm eine mehr längsverlaufende Rich- tung an.und erhielt im Vergleich zum vorderen Abschnitt eine mehr oberflächliche Lage. Die Nerven haben interessanterweise an dieser Umgruppierung nicht teilgenommen, sie gehen beim Igel genau ebenso strahlenförmig von der Achselhöhle aus, wie wir es auch bei der Ratte sehen. Unsere Auffassung wird dadurch gestützt, daß Oentetes ähnliche Verhältnisse aufweist, wie wir sie für die Entwicklung der Igel- muskulatur annahmen. Wie oben beschrieben, hat Centetes einen M. humero-dorsalis, welcher dem gleichnamigen des Igels entspricht, außerdem aber kommt bei ihm noch ein M. caudo-dorsalis vor, der von Schwanzwirbeln entsteht und im Nackengebiet auf der Fazialis- muskulatur endet. Wir fassen beide Muskeln bei Centetes als Teile eines ursprünglichen M. humero-dorsalis auf. Der dritte Muskel dieser Gruppe, der M. orbieularis ist unserer Ansicht nach hauptsächlich aus Fasern des lateralen Teiles des M. humero-abdominalis entstanden, dem sich aber wahrscheinlich auch noch Fasern vom M. humero-dorsalis anschlossen. Der laterale Teil des M. humero-abdominalis nimmt zwischen seinen Nachbarn, dem M. humero-abdominalis und dem M. orbieularis die Stelle eines Über- gangsmuskels ein. Wie wir oben beschrieben haben, beginnt der Muskel in der Schultergegend. Die mittlere Hauptmasse des Mus- kels zieht auf der seitlichen, dann ventralen Bauchseite zum Schwanz. Die dorsalen Bündel, manchmal ein ansehnlicher Teil des ganzen Muskels schließen sich ohne Grenze dem M. orbieularis an, die ven- tralen dem M. humero-abdominalis. Aus den dorsalen Bündeln des lateralen Teils des M. humero-abdominalis ist unserer Ansicht nach der größte Teil des M. orbieularis hervorgegangen. Außer diesem Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus.. 325 Material werden sich an der Bildung des M. orbieularis auch noch Fasern vom M. caudo-dorsalis beteiligt haben. Ursprünglich müssen ja der M. caudo-dorsalis und der laterale Teil des M. humero-ab- dominalis hier aneinandergestoßen sein. Bei der weiteren Entwick- lung fand eine Verdickung des Muskels statt. Ursprünglich reichten alle Muskelfasern bis zum Schwanz, auch die des lateralen Teils des M. humero-abdominalis; zu dieser Auffassung sind wir durch Vergleichung mit den Verhältnissen bei Echrdna berechtigt. Die hintere Kamissur kam dadurch zustande, daß die am Schwanz sich anheftenden Fasern sich von ihrem Ursprung lösten und in die Kreuz- gegend hinaufrückten. Eine Stütze dieser Annahme kann man viel- leicht darin sehen, daß die oberflächlichsten Bündel des M. caudo- dorsalis sich von den Schwanzwirbeln gelöst haben und zum größ- ten Teil von einer Raphe kranial vom Schwanz beginnen, nur hinten stehen sie noch mit der Schwanzhaut in Beziehung. Es scheint, daß Ericulus einen Übergang von Centetes zu dem beschriebenen Zustand darstellt, bei ihm ist ein M. orbieularis nur eben angedeutet. Leider ist die Beschreibung von Do»sonx so knapp und unklar, daß sich hierüber keine Gewißheit erlangen läßt. Schwierig ist es den vorderen queren Teil des M. orbieularis zu deuten, um so mehr da er der Facialismuskulatur angehört, höchst wahrscheinlich stammt er vom M. fronto-dorsalis und Platysma, von denen sich in ähnlicher Weise wie am Schwanze Bündel vom Ansatz an den Ohren lösten und sich in der Mittellinie vereinigend, den vorderen queren Teil bildeten. Auf eine nahe Beziehung von diesem Teil des M. orbieularis und der Portio postauricularis des M. fronto- dorsalis deutet ja auch der Umstand hin, daß Fasern der Portio postauricularis sich dem M. orbicularis anschließen. Jedenfalls wird durch die Annahme, daß der M. orbieularis z. T. vom lateralen Teil des M. humero-abdominalis abstammt, erklärlich, daß die Innervation des M. orbieularis durch Nn. thoracales im Schultergebiet beginnt, da ja ursprünglich der M. humero-abdominalis in dieser Gegend ent- sprang. Immerhin läßt es sich nicht leugnen, daß es schwer ist sich vorzustellen, wie Muskeln zweier verschiedener Nervengebiete sich zu einem einheitlichen M. orbieularis vereinigen konnten. Eine weitere Stütze unserer Auffassung von der Entstehung des M. orbieularis sehen wir im Verhalten der schrägen oberflächlichen Schicht des M. humero-abdominalis bei Echidna. Diese Schicht ent- springt, wie oben geschildert vom Humerus und zieht auf die laterale 226 Gustav Michelsson Körperseite und den Rücken, kaudal läßt sie sich bis in die Schwanz- gegend verfolgen. Auch von tieferen Schichten des M. humero-ab- dominalis gelangen Fasern zusammen mit den schrägen oberfläch- lichen zum Rücken. Die schrägen oberflächlichen Fasern sind unserer ‚Ansicht nach homolog dem lateralen Teil des M. humero-abdominalis beim Igel. Der Umstand, daß die Fasern bei Echidna nieht in der Sehultergegend, sondern vom Humerus entspringen, fällt unserer Ansicht nach nicht ins Gewicht, da ein accessorischer Ansatz des M. humero-abdominalis nicht allen Säugetieren zukommt. Die oben für die Entstehung des M. orbieularis postulierte Ausdehnung des lateralen Teils des M. humero-abdominalis auf den Rücken finden wir also bei Eehödna verwirklicht. Aber auch die andere An- nahme, daß Fasern vom M. humero-dorsalis sich am Aufbau des M. orbienlaris beteiligen, findet ihre Stütze bei Echidna, da Fasern dieses Muskels sich an der Randzone, d. h. dort wo sich beim Igel der M. orbieularis befindet, mit denjenigen der schrägen oberfläch- lichen Schicht vereinigen. Die Abbildung 12, welche RuGE von Eehidna gibt, kann in gewissem Sinne geradezu für ein Schema der Entwicklung des M. orbieularis beim Igel gelten. Wenn wir von einer Entwicklung der Hautrumpfmuskulatur des Igels sprachen und Oentetes und Ericulus zum Vergleich heranzogen, so sollte damit nicht gesagt werden, daß der Igel genau solche Stadien durchgemacht hat, oder gar von diesen Tieren abstammt. Bei dem nächsten Verwandten des Igels Gymnura (Hylomys ist nicht beschrie- ben) bildet die Hautrumpfmuskulatur keinen Übergang zu der des Igels; Gymmura hat nur einen sehr stark entwickelten M. humero- dorsalis, der sich fleischig am Schwanzwirbel ansetzt, es ist keine Andeutung einer Trennung in M. caudo-dorsalis und humero-dorsalis vorhanden. Überblicken wir zum Schluß noch einmal kurz die Hauptresultate unserer Untersuchung, so finden wir, daß die Hautmuskulatur des Igels, namentlich die Gesichtsmuskulatur ein Gemisch von primitiven Verhältnissen mit höheren darstellt. Die Gesichtsmuskulatur erinnert einerseits sehr stark an diejenige von Echidna, allerdings könnte man hier an eine sekundäre Erscheinung bei beiden Tieren denken, denn sowohl Igel als Eehidna sind mit Stacheln bedeckt und kugeln sich ein, doch steht die Gesichtsmuskulatur von Echidna auch in naher Beziehung zu Ornithorhymchus, wo diese Anpassung nicht vor- handen ist. Anderseits weist der Igel eine ganze Reihe von Muskeln Die Hautmuskulatur des Igels (Erinaceus europaeus). 227 auf, welche wir nur bei höheren Formen finden, wie z.B. den M. oceipito-aurieularis, cervico-auricularis u. a., welche wir bei den Monotremen nicht finden. Die Hautrumpfmuskulatur, welche einen mächtigen Apparat zum Einkugeln des Igels darstellt, hat auf den ersten Blick wenig gemeinsames mit der Hautrumpfmuskulatur der Säugetiere, der M. orbicularis findet sich nur beim Igel, dennoch läßt es sich zeigen, daß diese ganze dorsale Muskulatur aus dem M. humero-dorsalis hervorgegangen ist, welcher eine große Verbrei- tung in der Reihe der Säugetiere hat, wenn nicht allen gemeinsam ist. Ferner konnten wir nachweisen, daß die ganze Gesichts- und Halsmuskulatur des Igels vom N. facialis, die Hautrumpfmuskulatur vom N. thoracalis anterior innerviert wird. Eine Ausnahme bildet der M. dorso-cutieularis, der von N. accessoris innerviert wird, offen- bar aber auch nicht zur Hautmuskulatur im engeren Sinne gerechnet werden kann. Eine doppelte Innervation kommt nicht vor. Weder Hals- noch Intercostalnerven beteiligen sich an der Innervation der Hautmuskulatur. Die Tatsachen bestätigen also vollkommen RuGes Anschauung. Literatur. 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Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten (Phocomele) nebst einigen mr maungen zur Ätiologie. Von Hans Schurig “ aus Beuthen a. Oder. Mit 4 Figuren im Text und Tafel IV. Einleitung. . Im Jahre 1897 traf Herr Prof. Dr. Rızrcer, der Vorstand der hiesigen Psychiatrischen Klinik, zufällig auf der Straße in Würzburg einen Mann ohne Arme, der aus seinem Heimatort, einem Dorf im Spessart, in die Stadt gekommen war, um Geschäfte für einen Nach- bar zu erledigen. Herr Prof. Rieger veranlaßte ihn, in die Klinik einzutreten. Dort fand er eine Reihe von Jahren Beschäftigung. So war er als Schreibgehilfe tätig, aber auch zu anderen Arbeits- leistungen brauchbar. ‘ Anfang dieses Jahres übergab Herr Prof. RıEGER diesen Fall zur wissenschaftlichen Bearbeitung Herrn Prof. Dr. LugoscH, welcher ihn mir überwies. Hierfür, wie auch für die Ratschläge, die er mir bei der Durcharbeitung des Stoffes in so liebenswürdiger Weise zu Teil werden ließ, sage ich ihm meinen verbindlichsten Dank. I. Beschreibung. Der Mann ohne Arme (Fig. 1) Ludwig K. entstammt einer erb- lich belasteten Familie. Sein Vater zeigte eine leichte Mißbildung; von seinen 10 Geschwistern sind ebenfalls vier mit einer mehr oder weniger großen Mißbildung behaftet, und auch ein Kind seines älte- sten gleichfalls mißgestalteten Bruders. An Hand von Abbildungen und Röntgenaufnahmen soll zunächst auf die außergewöhnlichen Verhältnisse bei Ludwig K. eingegangen werden und an späterer Stelle erst auf die Mißbildungen seiner Geschwister. 232 Hans Schurig . Ludwig K. ist 59 Jahre alt, von kräftigem Körperbau, abgesehen von dem abnormen Befund, den die oberen Extremitäten darbieten. Gesichtsfarbe gebräunt, Haar leicht ergraut. Am Schädel nichts Abnormes feststellbar. Die Zähne sind regelmäßig. Weicher und \ Fig. 1. 2 Be harter Gaumen wohlgebildet. Die Brust ist abgeflacht und zeigt be- sonders in dem unteren Abschnitt des Sternums eine stärkere Ein- senkung. Eine Incisura jugularis am Brustbein kaum angedeutet. Ein Manubrium läßt sich gegen das Corpus sterni nicht abtasten. Der Processus xiphoides ist nur als ein knopfgroßes Gebilde zu fühlen. Die Länge des Brustbeins beträgt 23 cm. Die Breite in der Mitte des Corpus 5 em. Die Stelle der tiefsten Einsenkung, die Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 233 5 cm beträgt, befindet sich 15 em unterhalb der Ineisura jugularis des Brustbeins. Die Schlüsselbeine zeigen die seitliche Krümmung deutlich, die innere Krümmung ist nicht vorhanden, hier verläuft das Schlüsselbein gerade. Die Länge beträgt beiderseits 16 em. Das Sternoelavikulargelenk ist nicht deutlich zu fühlen. Die Schulter- blätter sind handtellergroß, der untere Winkel der Scapula steht nach außen gewendet, der obere Winkel ist bis auf Handbreite der Wirbelsäule genähert. Der Margo axillaris liegt im Bereich der Rippen und der Schultermuskulatur. Die Spina scapulae tritt schwach hervor, das Acromion ist deutlich abzutasten. Auch der Proc. coracoides ist beiderseits als ein weit über das Schultergelenk her- vorspringender Fortsatz zu fühlen, der auf stärkeren Druck deutlich nach hinten ausweicht. Scapula gemessen von der Spitze des Acro- mions zum unteren Schulterblattwinkel 16 cm. Vom Acromion auf der Spina scapulae entlang zum Margo vertebralis 13 cm. Äußerer Befund an den oberen Extremitäten: Beiderseits fällt die tiefe Stelle unter dem Acromion auf. Der proximale Teil eines Humerus ist deutlich durch die schwach ent- wickelte Muskulatur zu fühlen, er hat äußerlich gemessen eine Länge von 15cm. Ein Schultergelenk ist in der Tiefe feststellbar. Der rudimentäre Teil des Oberarms geht nach einer leichten seitlichen Einfurchung in einen handartigen Abschnitt über. Dieser zeigt eine dicke fleischige medial gerichtete und eine rauhere nach außen stehende Seite. Die Anwesenheit von 3 Skelettstücken läßt sich darin nachweisen. An diesen Abschnitt schließen sich 3 regelmäßig ausgebildete Finger. Funktion der oberen Extremitäten: Beide Arme können seitlich bis etwas über 90° erhoben werden, dabei geht das Schulterblatt nur ganz wenig mit. Nach vorwärts können die Arme gleichfalls etwas über die Horizontale gehoben werden. Auch ist die Führung des Armstumpfs vor die Brust möglich. Der Arm kann, wenn auch nicht ausgiebig, ein- und auswärts gerollt werden. Die Hebung des Arms nach hinten ist in beschränktem Maße gleichfalls ausführbar. Die aktiven Bewegungen in den distalen Gelenken sind beschränkt. Am besten ist die Beugung der Hand bis fast zu einem Winkel von 90° gegen den Humerus möglich. Die Hand kann jedoch nicht dorsal flektiert werden, ebenso ist die Pronations- und Supinationsbewegung nicht möglich. Die drei Finger stehen in leichter Beugekontraktur, die eine Streckung nicht zuläßt, während eine weitere Krümmung in geringem Grade beson- ders des kleinen Fingers ausgeführt werden kann. Betrachtet man 234 Hans Schurig die Muskulatur des Schultergürtels, soweit sie sich dem Auge und dem tastenden Finger darbietet, so findet man den Trapezius beider- seits deutlich ausgebildet; auch der Latissimus dorsi grenzt sich wahr- nehmbar ab, seine zum Humerus verlaufende Ansatzsehne ist gut zu fühlen. Der Pectoralis major tritt bei der Führung des Arm- stumpfes vor die Brust deutlich hervor. Es fällt sofort auf, daß er beiderseits nur schwach ausgebildet ist. Man kann eine kleine zwei- _ fingerbreite sternocostale und eine ebensobreite elavieulare Portion feststellen. Bei Kontraktion des Muskels sinkt die dazwischen lie- gende Partie tief ein. Der Deltoides ist nur sehr schwach ent- wickelt, eine claviceulare Partie läßt sich mit gewisser Deutlichkeit durchfühllen. An dem Extremitätenstumpf ist an der medial gerich- teten Seite ein Biceps abtastbar. Die Beugemuskulatur der Finger scheint in dem fleischigen Handabschnitt auf der volaren Seite zu liegen. Eine Streckmuskulatur läßt sich am Arm nicht feststellen. Durch Reizung mit dem faradischen Strom konnte der durch äußere Untersuchung aufgenommene Befund über Vorhandensein und Funktion der Muskeln bestätigt werden. Das elektrische Verhalten der Mus- keln war, wie zu erwarten, normal. Im Folgenden soll nun näher auf das Knochenskelet der miß- gebildeten Extremitäten eingegangen werden. Wenn ich dabei in der Lage bin, an Hand von ganz vorzüglichen Röntgenaufnahmen über die Verhältnisse des Skelets der mißgebildeten Gliedmaßen einen Aufschluß zu geben, wie er bisher noch nicht mit einer solchen Deutlichkeit bei ähnlichen Mißgestaltungen erbracht werden konnte, so verdanke ich dies dem liebenswürdigen “Entgegenkommen des Herrn Dr. Dart, der sich der Mühe unterzog, die Aufnahmen zu machen. Es ist mir eine angenehme Pflicht, ihm auch an dieser Stelle dafür meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Betrachtet man zuerst das von vorn bei seitlich erhobenem Arm aufgenommene Bild 1 der Tafel und Textfigur 2, welches das Schulter- gelenk zur Darstellung bringt, so sieht man oben die Spitze des Acromions, von der im leichten Bogen die Clavieula nach vorn zieht. Darunter fällt die etwas langgezogene Cavitas glenoidalis auf, der der lange spornartige Proc. eoracoides vorgelagert ist. Der unteren Hälfte der Cavitas glenoidalis ist der in seiner Form vom Normalen sehr abweichende Kopf des Humerus gegenübergestellt. Besonders auffallend ist der hier im Bilde nach unten zeigende massige Vor- sprung am Hals des Humerus, den man wohl als das stark ausge- bildete Tubereulum minus aufzufassen hat. Das nächste Bild (Taf. IV, Über 'einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten... 235 Fig. 2 und Textfigur 3) zeigt noch einmal die Verhältnisse am Schulter- gelenk und zwar senkrecht von oben bei seitlich erhobenem Arm- stumpf, wobei das Dorsum manus nach oben zeigt. Man sieht dies- mal vorn zuerst den weit vorspringenden Proc. coracoides, dann Fig. 2. Proc. coracoides Clavicula Acromion Caput humeri Sulcus inter tuber- Cularis Tuberculum Tob minus uberculum majus die Cavitas glenoidalis, über die hinweg das stark ausgezogene Acromion zieht, weiter den sonderbar gestalteten Humeruskopf und den jetzt nach hinten zeigenden Vorsprung des Tubereulum minus. Auf dieser Aufnahme kommt auch das etwas konisch zulaufende Ende des Humerus zu Gesicht, an das sich, ohne eine Gelenkfläche zu bilden, zwei isolierte Knochenstückehen anschließen, die wiederum mit einem größeren dreieckigen Knochenstück, nach dieser Seite mit 256 . Hans Schurig Gelenkflächen versehen, distal in Zusammenhang stehen. Man wird wohl die beiden isolierten Knochenstücke als Rudimente von Radius und Clavicula Cavitas glenoidalis Proc. coracoides Tuberculum minus Radius Rudiment Acromion Ulna Rudiment Ulna ansehen müssen, ohne jedoch die Deutung ganz von der Hand zu weisen, daß sie auch zwei Handwurzelknochen darstellen können. - q i j Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäter. 237 Dabei würde es aber seltsam erscheinen, daß sie als Handwurzel- knochen, die doch sonst in gegenseitiger Berührung stehen, einen solehen Zwischenraum unter sich aufweisen. In dem dreieckigen Knochenstück hat man eine Verschmelzung mehrerer Handwurzel- knochen vor sich. Die Mittelhand und Fingerknochen zeigen nichts Absonderliches, sie sind ihrer Form und Größe entsprechend normal ‘ gebaut und als Zeige-, Mittel- und Ringfinger aufzufassen. Die Stellungsanomalien in den Phalangealgelenken sind durch die Beuge- kontraktur bedingt. In der 3. Aufnahme kommt die Stellung der Knochen bei der Beugung der Hand besonders gut zum Ausdruck. Das Handgelenk ist gegen den Humerusstumpf subluxiert, auch hier zeigt sich deutlich, daß eine gelenkige Verbindung zwischen den isolierten Knochenstücken einerseits und dem Ende des Humerus andererseits nicht besteht. , Untersuchung wie Durchleuchtung er- geben für beide oberen Extremitäten dieselben Verhältnisse. Es war in der Beschreibung der äußeren Form davon gesprochen, daß der stark hervorspringende Proc. coracoides auf Druck deutlich nach hinten ausweicht, was zu der Annahme Veranlassung gibt, daß eine bewegliche Verbindung zwischen M. coracoides und der Scapula be- stehen muß. Betrachtet man daraufhin noch einmal die beiden ersten Aufnahmen und die danach entworfenen Skizzen, so stellt Fig. 1 eine Projektion der das Schultergelenk bildenden Knochen senkrecht von vorn dar, während Fig. 2 eine Projektion senkrecht von oben auf das Gelenk zeigt. Achtet man nun auf die Stellung des Proc. coracoides in beiden Abbildungen, so sieht man, daß in der Fig. 1 sein vorderes Ende über die Spitze des Acromions hin- wegragt. Vergleicht man damit Fig. 2, so fällt auf, daß sich die Stellung des Proc. coracoides zum Acromion wesentlich geändert hat; die Spitze des Fortsatzes steht jetzt hinter der des Acromion etwas zu- rück. Die Erklärung für dies Verhalten läßt sich durch die An- nahme einer beweglichen Verbindung zwischen Scapula und dem Proc. coracoides finden. Bei der 1. Aufnahme wurden nämlich zwi- schen Brust und Tubus feste Polsterkissen gelegt, und dann der Tubus stark auf die Brust aufgesetzt. Der Druck genügte, um den beweglichen Proc. coracoides ausweichen zu lassen, so daß nun seine Spitze über die des Acromions heraus stand. Sonst ist am Körper kein abweichendes Verhalten von der Norm festzustellen, außer einer Verlagerung des Herzens in geringem Grade nach links. Wir haben es hier also mit einer rudimentären verkim- 238 ans Schurig merten Anlage beider oberen Extremitäten zu tun, die auf beiden Seiten vollkommen symmetrisch ist, damit verbindet sich noch eine Triehterbrust mit teilweisem Defekt des Peetoralis major. Es wird nicht uninteressant sein, wenn ich einiges darüber berichte, wie Ludwig K. seine verkümmerten Arme geschiekt zu gebrauchen weiß. Am An- fang war bereits davon gesprochen, Fig. 4. - daß Ludwig K. als Schreibgehilfe in | der hiesigen Klinik beschäftigt war. Beim Schreiben (Fig. 4) hält er den Federhalter so zwischen seine drei Finger eingeklemmt, daß der Mittel- finger oben, der Zeigefinger und Ring- finger darunter zu liegen kommt, mit dem Munde führt er dann den Mittel- finger. Aber er kann nicht nur sehr gut schreiben, auch im Musikalischen hat er ganz Erstannliches geleistet. "Ganz autodidaktisch hat er Har- moniumspielen ohne Arme gelernt; wobei er sich selbst Hölzcehen kon- struiert hat, die er zwischen die Tasten und seine drei Finger passend ein- geschaltet hat. So hat er lange Jahre bei allen Gottesdiensten in der Kapelle der Klinik Harmonium gespielt. Mit großer Geschicklichkeit hat er auch täglich vieles aufgeklebt, Akten ge- ordnet und ähnliches. Die fehlenden Daumen ersetzt er durch große Ge- schicklichkeit innerhalb seiner Finger. Was die normale Hand zwischen Daumen und andere Finger faßt, das faßt er auch ebenso fest und ge- schickt zwischen‘ seine drei Finger (RIEGER). Aber auch zu grober Be- schäftigung kann er seine Hände ge- brauchen. So hackt er z. B. Holz, indem er den Axtstiel in seine nach innen gebeugten Hände legt und ihn dann gegen die Brust drückt. Ein Strick verbindet noch die Axt mit dem einen Armstumpf, um ein Herausgleiten derselben zu verhindern. Mit einer kurzen seitlichen Beugung des ganzen Oberkörpers führt er dann den Schlag aus.! ! Sonderbar ist in diesem Fall auch die Stellung, welche die Versicherungs- anstalt Würzburg zur Erwerbsfähigkeit des Ludwig K. einnahm. Sie hielt den Ludwig K. nicht für berechtigt, sich selbst zu versichern und Marken zu kleben, da er im Sinne des Invalid.-Vers.-Gesetzes nicht als erwerbsfähig anzusehen sei. Sie sagte sich dabei wohl, Ludwig K. habe keine Arme, folglich könne Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 239 Ich komme nun zu den Mißbildungen, mit denen der Vater und die Geschwister des L. K. behaftet sind. Leider muß ich mich da- bei nur auf kürzere Beschreibung des äußeren Befundes beschränken, da es mir nicht möglich war, die beiden noch lebenden Geschwister zu veranlassen, sich in der Stadt röntgen zu lassen. In dem Bericht über die Mißbildungen des Vaters und der verstorbenen Geschwister sowie noch eines lebenden Bruders muß ich mich lediglich nur auf die Angaben beziehen, die mir von L.K., seiner Schwester und dem dort praktizierenden Arzt gemacht wurden. Die Angaben über den Vater sind folgende. Beide Arme waren nicht besonders kräftig ausgebildet. Die Unterarme waren etwas schmal und dünn und zwar links nicht so ausgesprochen, wie rechts, wo auch das Hand- gelenk auffallend schmächtig, der Daumen kleiner und dünner, der angeblich nur ein Gelenk gehabt haben soll. Außerdem war die Brust ziemlich eingefallen. Der gleichfalls schon verstorbene älteste Bruder hatte dieselben schwachen Arme wie der Vater, nur fehlten noch an beiden Händen die Daumen. Auch bei ihm zeigte sich die einge- fallene Brust, wie sie der Vater hatte. Über die im jugendlichen Alter verstorbene Schwester wird berichtet, daß die Arme und Hände sehr schwächlich und nach verschiedenen Richtungen gekrümmt ge- wesen seien. Die Daumen fehlten auch bei ihr. In der Reihe der Geschwister folgt nun der anfangs genau beschriebene L. K., darauf _ die noch lebende von mir untersuchte Schwester Maria K., die am rechten Arm folgende Mißbildung aufweist. Der ganze Oberarm ist sehr schmächtig, die Muskulatur schwach ausgebildet. Die Bewe- gungen im Schultergelenk sind nicht behindert. Der Unterarm steht im rechten Winkel zum Oberarm und ist in dieser Stellung fixiert. Eine weitere Beugung wie Streckung ist also vollkommen unmöglich. Der Vorderarm ist auffallend dünn und steht in Pronationsstellung. Der Epieondylus medialis wie lateralis und das Oleeranon sind deutlich tastbar. Ob im oberen Abschnitt des Vorderarms zwei Knochen vorhanden sind, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Im distalen Abschnitt ist das Knochenskelett so schmal, daß man annehmen muß, daß Radius und Ulna sehr zart ausgebildet, oder er auch nicht arbeiten und seinen Unterhalt selbst verdienen. Daß er aber zwei sehr geschickte Hände mit 3 Fingern besitzt, mit denen er sehr vieles machen kann, ergeht ja wohl zur Genüge aus der vorhergehenden Schilderung. Und so mußte auch die Versicherung auf Grund eines Gutachtens von Prof. RIEGER zugeben, daß Ludwig K. Selbstversicherer im Sinne des Inv.-Vers.-Ges. und wohl berechtigt sei, Marken zu kleben. 240 Hans Schurig zu einem etwas breiteren Knochen verschmolzen sind. Handgelenk und Hand sind gleichfalls schmal, 4 Metakarpalknochen sind durch- zutasten, an die sich vier normal entwickelte Finger anschließen. Der linke Arm ist im Schultergelenk gleichfalls frei und gut beweg- lich. Die Bewegungen im Ellbogengelenk sind hier vollkommen un- behindert. Epicondylus medialis und lateralis sowie Oleeranon sind deutlich fühlbar. Der sehr dünne Unterarm zeigt dieselben Verhält- nisse wie rechts, gleichfalls auch Handgelenk und Hand. Von den Fingern ist der erste, der Zeigefinger, sehr verkleinert, aber besitzt sonst die normale Gliederung. Von dem jüngsten Bruder wird auch wieder angegeben, daß er eine eingefallene Brust habe. Die Ober- arme sind, wie bei den anderen Geschwistern, schwach ausgebildet. Die Bewegung im linken Ellbogengelenk ist etwas behindert. Von den Vorderarmen, die wieder auffallend dünn sind, ist der linke etwas radialwärts gekrümmt und die Hand rechtwinklig nach oben abgebogen und in dieser Stellung fixiert. Die Daumen fehlen an beiden Händen. An der linken Hand ist der Zeige- und Mittelfinger in gekrümmter Stellung verwachsen. Zuletzt sei noch erwähnt, daß ein Kind des ältesten Bruders die gleiche Mißbildung wie sein Vater gezeigt haben soll; es ist aber schon früh gestorben. Über die eigentümliche Mißgestaltung der Unterarme, die bei vier Geschwistern des L. K. auftritt, wird man wohl sagen können, daß bei dem ältesten Bruder und der von mir untersuchten Schwester der äußere Befund und die gemachten Angaben einen Knochendefekt ohne weiteres noch nicht wahrscheinlich machen. Bei der verstorbe- nen Schwester und dem jüngsten Bruder lassen jedoch die Angaben über die Mißbildung die Annahme zu, daß es sich hier um einen partiellen oder totalen Knochendefekt (Radius) handelt. Nach Kümmer ist nämlich bei fast allen Radiusdefekten das Auffallendste, daß die Längsachse der Hand gegen die des Vorderarms nach der radialen Seite und oben verschoben ist, und die Ulna im offenen Bogen nach oben gekrümmt ist. In der Familie besteht also eine in ihrer Form schwankende Mib- gestaltung der Arme, die bei einem der Mitglieder sich bis zum voll- kommenen Fehlen des Unterarms und- des distalen Abschnitts des Oberarms, bei anderen nur bis zu einem teilweisen Defekt der Unter- arme steigerte, während bei der schwächsten Form der Mißbildung nur das Fehlen der Daumen und die schwächliche Entwicklung der Arme bemerkbar wurde. Bei den männlichen Mitgliedern kombiniert sich diese Mißbildung mit einer Triehterbrust und Pectoralisdefekt. — Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 241 II. Literatur. In seinem Werke: »Histoire generale et partieuliere des anoma- lies« gibt GEOFFROY St. Hilaire eine Einteilung der Extremitätenmiß- bildungen nach der äußeren Form. Die erste Gruppe bezeichnet er mit Phocomelos und rechnet dazu »Mains ou pieds paraissant exister seuls et s’inserer immediatement sur le trone«. Bis auf den heutigen Tag hat sich diese Bezeichnung für solche Mißbildungen, wo Hände oder Füße direkt an den Rumpf ansetzen, erhalten. Der Name Pho- comele bedeutet selbst Robbenglied und weist auf die Ahnlichkeit der mißgestalteten Glieder mit denen von Robben hin. Nach einer von KümumEL gegebenen Einteilung würde man die Mißbildung, wie sie der Ludwig K. zeigt, den atypischen Strahl- defekten zuzurechnen haben. KrÜGer hat in einem Buch »Die Phocomelie und ihre Übergänge: eine Zusammenstellung sämtlicher bisher veröffentlichten Fälle dieser Mißbildung gebracht unter Hinzufügung und Beschreibung einiger neuer Beobachtungen, die, wenn man sie nur auf die menschlichen Mißbildungen beschränkt, 78 Fälle umfaßt. Von diesen war ein großer Teil eine Beschreibung nicht lebensfähiger abgestorbener Früchte, so daß die Zahl der Fälle, die eine Darstellung von bereits über ein Jahr alten Individuen gaben, auf nur 17 herabsank. Von diesen wieder lag bei 7 eine Mißbildung der unteren Extremitäten vor. Die restlichen 10 betrafen 7 Fälle, bei denen nur die eine obere Extremität mißgestaltet war, 3 betrafen symmetrische Mißbildung beider oberen Extremitäten, ähnlich wie sie in meinem Fall bei L. K. vorliegt. Von den letzteren sei zuerst der von DUMERIL beschriebene Fall erwähnt. Dieser berichtet von einem gewissen NARCO CATAZZO, der im Jahre 1800 zu Paris im Alter von 61 Jahren starb. Außer einem Defekt am Schädel fehlte Ober- und Unterarmknochen beiderseits vollkommen. An Stelle der Schulter- gelenkhöhle saß ein rudimentärer Gelenkkopf, an dem sich sogleich die sonst wohlgebildeten Hände ansetzten. Auch die unteren Extremitäten wiesen beider- seits einen weitgehenden Defekt auf; das Femur bestand nur aus dem Kopf und der Unterschenkel nur aus einer gekrümmten Tibia, an die sich ein wohlgebildeter Fuß anschloß. Von einem weiteren Fall dieser Art Mißbildung bei einem im 45. Lebensjahr verstorbenen spanischen Marktschreier gibt SöpıLLor 1874 einen Bericht. Als 3. Fall entnehme ich der Aufstellung KrÜüGers das von Dr. DAFFNER in der Münch. med. Wochenschr. 1898 beschriebene »Bärenweib«, die Mulattin Mrs. Alice Vance, die sich vor 20 Jahren in Deutschland sehen ließ. Die Mißbildungen sind bei ihr symmetrisch auf obere und untere Extremitäten verteilt. Während die Oberarmknochen normal gebildet sind, zeigen die Unter- arme eine bedeutende Verkürzung. Der Radius ist knollig verdickt, etwas ver- krümmt und nach innen und vorn vom Humerus verschoben, gleichzeitig auch 242 Hans Schurig 2 die Ulna. Der Daumen steht fast in gleicher Höhe mit den anderen Fingern. Die Untersuchung der unteren Extremitäten ergibt, daß bei normalem Femur Tibia und Fibula nur rudimentär vorhanden sind. Die Füße selbst zeigen keine wesentliche Formveränderung. Nicht unerwähnt soll noch die Angabe bleiben, daß die Mutter von Alice Vance in gleicher Weise mißgebildet gewesen sein soll, ihr Vater aber normal war, und sie selbst einen normalen Knaben geboren hat, der aber bald starb. _ Außer diesen Fällen, die ich der Zusammenstellung von KRÜGER entnehmen kann, fand ich in KLaussner’s Buch »Über Mißbildungen der menschlichen Gliedmaßen und ihre Entstehungsweise« einen Fall abgebildet und erläutert, der dem von mir beschriebenen fast voll- kommen gleicht. Ich gebe daher KLAUSSNERS arg dieser Mißbildung wörtlich wieder. Der 15 Jahre alte Knabe J. B. ist das einzige Kind gesunder und normal entwickelter Eltern. Er ist mit einer Difformität beider Arme behaftet, sie sind verkürzt und die Vorderarme und Hände stehen rechtwinklig zur Achse des Oberarms. Die eingehende Unter- suchung ergibt folgendes: Die Schlüsselbeine, beide 13 em lang, sind gut ausgebildet, ebenso die Schulterblätter. Der Brustkorb ist nor- mal gebaut, doch erscheint die Brust in den oberen Partien hoch- gradig abgeflacht. Es rührt dies davon her, daß beiderseits der Mus- culus pectoralis major fehlt; der M. peetoralis minor ist vorhanden. Die äußeren Enden der Clavicula springen stark hervor. Beide Arme sind auffällig kurz, die difformen Hände stehen in hochgradiger Weise radialwärts verschoben, reichen aber in die Höhe der Brustwarzen. Die beiden Arme besitzen, wie die manuelle Untersuchung und die Röntgendurchleuchtung ergaben, nur einen gracilen etwa 16 cm langen Knochen, dessen Achse nach abwärts von dem lateralen Ende der Clavieula verläuft. Das obere Ende ist nicht gut palpabel, auch auf dem Skiagramm nicht gut zu unterscheiden. Das untere Ende des Knochens ist etwas verdickt. Das Gelenkende jedoch nur schwach angedeutet. An diesen Knochen, der wohl als Ulna(?) zu deuten ist, schließt sich eine als Carpus anzusehende Knochenmasse und dieser schließen sich, in spitzem Winkel dazu stehend, drei gleich geformte und gleich lange Knochen (Metacarpalien) an, die, proximal nahe bei- sammen liegend, distal gegen die Hand zu sich etwas voneinander entfernen. Die Epiphysenlinien sind an ihnen gut sichtbar. Am Röntgenbild sind nur zwei Metacarpalien deutlich ersichtlich. An sie setzen sich drei, mit 3 Phalangen versehene Finger an, die wohl dem Mittel-, Ring- und Kleinfinger entsprechen. Untersuchung wie Durchleuchtung ergaben für beide Seiten völlig gleiche Verhältnisse. Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 243 Der Knabe vermag seine Arme in der Schulter ziemlich gut zu bewegen und auch über die Horizontale zu erheben. Mit seinen Händen kann er Gegen- stände fassen. Beim Ergreifen eines solchen stützt er, wenn möglich, zunächst die Ulnarseite der Hand irgendwo auf, um dann den Gegenstand zwischen die zwei ersten Finger zu fassen. Er kleidet sich ohne Hilfe an, ißt selbständig und schreibt ziemlich gut. Zuletzt mögen noch zwei Fälle Erwähnung finden, die gleichfalls der Zusammenfassung KLAUSSNERS entnommen sind, bei denen sich aber die Mißbildung nur auf eine obere Extremität erstreckt, während die andere wohlgebildet ist. Es handelt sich im ersten Fall um ein .12jähriges Mädchen, dessen Eltern wie zwei Geschwister keine Miß- bildungen aufweisen. Der Befund ergab hier: rechte Extremität normal; links äußeres Ende der Clavicula steht 3 cm höher als rechts, das Schulterblatt ist in seinen Konturen normal, aber viel kleiner als rechts. Eine Cavitas glenoidalis ist nicht deutlich zu fühlen. Die Schulter- wölbung fehlt. Unter der Claviecula den Rippen anliegend ist ein kleines Knochenstück zu fühlen. An dieses reiht sich eine rudimen- täre Hand an, die aus zwei Metacarpalknochen, an die sich 3 Finger anschließen, besteht. Eine fast analoge Mißbildung zeigt nun auch der folgende Fall. Ein Knabe, dessen Eltern wie seine sämtlichen 8 Geschwister leben und gesund sind, zeigt eine hochgradige Verbildung der linken oberen Extremität. Auf derselben Brustseite ist der Pectoralis major nur rudimentär entwickelt. Die Muskulatur des Schultergürtels zeigt sonst keinen Defekt. Bei der Besichtigung ist eine höckerige Prominenz an der linken Schulter sowie eine unter dieser liegende nur aus zwei Fingern bestehende Hand auffällig. Scapula auch im ganzen kleiner als rechts. Die linke Clavieula stark nach aufwärts gerichtet, ihr laterales Ende (entspricht dem obersten Punkt der erwähnten Pro- minenz) steht in Verbindung mit der nach hinten und schrägabwärts verlaufenden Knochengräte der Spina scapulae. 7 cm unterhalb des Vorsprungs setzt sich die rudimentäre Hand an. Sie enthält zwei Metacarpalknochen für Daumen und Zeigefinger. In den drei letzten von KraussnEer entnommenen Fällen und dem von mir berichteten, findet sich mit den Mißbildungen der oberen Extremitäten verbunden eine Kleinheit der Scapula (in meinem Fall nur Handteller groß) und ein teilweiser oder vollkommener Pectoralis- defekt. Es scheint dies darauf hinzuweisen, daß die Ursachen, welche die Mißbildung an den oberen Extremitäten zur Entstehung bringen, auch an diesen Erscheinungen in mehr oder weniger großem Maße beteiligt sind. In der Abhandlung »Über kongenitalen Pectoralis- Morpholog. Jahrbuch. 51. 2 244 Hans Schurig defekt« wird von GUNDLAcH darauf hingewiesen, daß derselbe häufig mit anderen Mißbildungen zusammen auftritt. Daraus will GUNDLACH auf die Entstehungsursache schließen und sagt: »Der Pectoralisdefekt ist nur ein Glied in der langen Kette, der durch Druck verursachten Mißbildungen«. Inwieweit auch für unsern Fall eine solche Erklärung Gültigkeit hat, soll erst später untersucht werden. Die Literatur über partiellen und totalen Knochendefekt am Unter- arm, wie wir ihn in der ganzen Familie des Ludwig K. auftreten sahen, hat in den letzten Jahren sehr zugenommen. KünmmeL konnte in seinem Buch »Die Mißbildungen der Extremitäten« schon 80 Fälle zusammenfassen. Von diesen betrafen 67 einen teilweisen oder voll- kommenen Radiusdefekt und 13 einen solchen der Ulna. Seitdem sind noch eine große Zahl neuer Beschreibungen hinzugekommen. Uns werden in erster Linie nur solche Fälle interessieren, wo die Mißbildung gehäuft in einer Familie analog wie in meinem Fall anf- getreten ist. Es gelang mir nur einen derartigen Fall in der Lite- ratur aufzufinden; er wird von JOACHIMSTHATL in der Versammlung der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1895 berichtet. Es sei daraus folgendes wiedergegeben. ; Die Mutter, 34 Jahre alt, stammt aus gesunder Familie; es findet sich bei ihr dorsale Subluxation der Daumen, die rudimentär ent- wickelt und in Flexionsstellung fixiert sind. Die Erscheinungen bei den Kindern sind wesentlich auffallender. Der 10jährige älteste Knabe hat an der rechten Hand keinen Daumen, dafür saß der radialen Seite des Zeigefingers ein kleiner rudimentärer Finger an, der später entfernt wurde. Links ist der Oberarm um 1 cm gegen rechts ver- kürzt, dem kürzeren Unterarm fehlt der Radius, gleichfalls auch der Daumen mit dem dazugehörigen Metacarpale, sowie die Handwurzel- knochen Multangulum majus und Navieulare. Flexion und Extension im Ellbogengelenk möglich, Pronation wie Supination jedoch nicht. Bei dem zweiten 8 jährigen Sohn beschränkt sich rechterseits die Deformität nur auf das Fehlen des Daumens und die Existenz eines zweiglied- rigen Zeigefingers. Links jedoch ist die ganze obere Extremität mit- samt dem Sehultergürtel in der Entwicklung zurückgeblieben, so daß sämtliche Knochen, vom Sehultergürtel angefangen, sich als schwächer und kürzer erweisen. Ebenso ist die Muskulatur atrophisch. Der Radius fehlt in seinem oberen Abschnitt, weiter unten läßt er sich neben der Ulna feststellen. Daumen und Metacarpale fehlen. Die Be- wegungen im Ellbogen sind beschränkt, vollkommene Streckung un- möglich, es fehlen noch 40° daran. Der Vorderarm steht in starker r Ns u. > Se Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 245 Pronationsstellung® Das 3. Kind, gleichfalls ein Junge, ist im Alter von 3 Jahren gestorben; nach der Beschreibung der Mutter ließ sich vermuten, daß auch hier ein totaler Radiusdefekt bestand. Das 4. Kind, ein 5jähriges Mädchen, zeigt als einzige Anomalie eine De- viation der linken Daumenphalanx, so daß das zweite Glied etwa um 15° abweicht. Das letzte Kind, ein 2jähriges Mädchen zeigt Mißbildungen an beiden Händen. Beiderseits schließen sich an 5 wohlgebildete Metacarpalknochen 5 dreigliedrige Finger an, so daß auch der Daumen, dem die Möglichkeit der Opposition fehlt, und der dieselbe Länge wie der benachbarte Zeigefinger besitzt, ebenfalls 3 Phalangen aufweist. In dieser Familie zeigen also sämtliche Kin- der mißgebildete Gliedmaßen. Man sieht ohne weiteres, daß sich zwischen der Familie Ludwig K. und der von JOACHIMSTHAL be- richteten manche gleiche Momente finden lassen, worauf aber erst später eingegangen werden soll. Hören wir erst, was JOACHIMSTHAL über die Ätiologie seines Falles sagt. Es erscheint ihm am plau- sibelsten, wenn man es nicht vorzieht, nach dem bisherigen Stand unseres Wissens auf eine Erklärung der in der Familie beobachteten Anomalien zu verzichten, »an eine Einwirkung amniotischer Fäden, Falten und Stränge auf die in Entwicklung begriffenen Gliedmaßen ;u denken. Den Sehlüssel für das Auftreten der Deformität bei Mutter und Kindern müßte man dann allerdings in der Annahme. der Vererbung der bedingenden Ursache, d. h. der krankhaften Be- schaffenheit des Amnions suchen. Ill. Zur Ätiologie. Ehe ich selbst zur Frage der Ätiologie in meinem Fall Stellung nehme, sei es mir erlaubt, kurz die Erklärungsversuche zu streifen, welche über die Entstehung im allgemeinen, wie der Extremitäten- mißbildungen im besondern in den letzten Jahrzehnten gegeben wurden. In der Zeit der Fortschritte auf dem Gebiete der phylo- genetischen Forschung machte sich das Bestreben bemerkbar, die Ergebnisse dieser Forschung auch zur Erklärung der Mißbildungen heranzuziehen. Aus jener Zeit stammt die Bezeichnung Phocomele. Jedoch ging man in der Anschauung der atavistischen Hemmungs- mißbildung zu weit. VIrCHOw war es, der ihr Gebiet auf ein ver- ständliches Maß einschränkte und nur bei gewissen leichten Fällen der Mißbildung Atavismus zuließ, indem er annahm, daß eine solche Störung im Wachstum des Embryos gewissermaßen spontan eintreten und dann Formen hervorbringen könne, die im Tierreich rückwärts 177 246 Hans Schurig ihr normales Vorbild finde. So würde in unseren Fall die beweg- liche Verbindung des Proc. coracoides mit der Scapula bei L. K. seine Erklärung finden und als ein Atavismus, ein Rückschlag auf einen Urahn des Menschengeschlechts, aufzufassen sein, bei dem das Coracoid ein selbständiger Knochen war und nur mit der Scapula eine bewegliche Verbindung aufwies. Die Anschauung der atavistischen Hemmungsmißbildungen war also bald überwunden und konnte nur noch in ganz vereinzelten Fällen aufrecht erhalten werden. Ähnlich erging es auch der An- nahme, daß eine fötale Rachitis in vielen Fällen die Urheberin der Mißbildung sei, eine Anschauung, die man als ganz unhaltbar, voll- kommen fallen lassen mußte. In einer späteren Zeit gewannen im- mer mehr die schon früher zum Teil geäußerten Ansichten Boden, daß es sich bei der Entstehung der Mißbildungen um mechanische Ursachen handele. So sagt MARCHAND: »In unserem Bestreben, die Mißbildungen ihrem Entstehen nach zu begreifen, werden wir mehr und mehr dahin geführt, dieselben auf mechanische Ursachen zurück- zuführen. Wir kommen zu der Erkenntnis, daß das Wesen der meisten Mißbildungen in der Tat auf einer Behinderung der normalen Entwicklung beruht, also auf Bildungshemmung im mechanischen Sinne des Wortes. Allerdings können wir für eine große Anzahl von Hemmungsbildungen das hemmende Moment noch nicht nach- weisen, wir können aber aus der en schließen, daß ein solches eingewirkt haben muß«. Dieses sind auch die Grundzüge der Anschauungen, die von den verschiedenen Autoren (KÜMMEL, KLAUSSNER, SCHWALBE) über die- löntstehung der Mißbildungen vertreten werden. Man kann nach ihnen die kausale Genese der Mißbildungen in die zwei großen Gruppen einteilen: 1. endogene, innere und 2. exogene, äußere Ursachen. Endogene sind solche, die schon in der Geschlechtszelle, in dem Keimplasma enthalten sind und dem befruchteten Ei eine anomale Entwicklungsrichtung geben, wo also die die Erblichkeit tragende Substanz von einer der beiden Gesehlechtszellen oder beiden verändert ist. Eine solche Veränderung kann man sich schon bei der Ent- stehung der Geschlechtszellen durch irgend welche schädigenden Ein- flüsse wirksam denken. Oder man nimmt an, daß nach der Lehre von der Kontinuität des Keimplasmas durch die Keimbahn die Ver- änderung der Erbträger fortlebt. 'Exogene Ursachen sind solehe, die nach der Befruchtung auf Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 247 eine sich normal entwickelnde Fruchtanlage einwirken. Von der größten Bedeutung sind dabei die mechanischen Insulte, die wohl bei der Entstehung der Mißbildung eine nicht wegzuleugnende Rolle spielen. Es kommen als solche in Betracht 1. ein einmaliger plötz- licher Druck (Trauma), 2. ein langandauernder Druck, wie er bei abnormer Enge des Amnions, des Uterus angenommen werden muß. Eine besondere Gruppe für sich bilden die amniotischen Stränge und Verwachsungen, die als Ursache für Mißbildungen hauptsächlich noch in Betracht kommen. Mißbildungen, bei denen sich aber keinc Residuen solcher Verwachsungen, Strangbildungen oder Amputations- stümpfe, die auf die Wirksamkeit solcher Stränge hinweisen, finden, wird man in ihrer Entstehungsursache dieser Gruppe nicht zurechnen dürfen. Man wird sie ohne weiteres der Gruppe der Mißbildungen zuweisen, deren Entstehung durch mechanische Momente bedingt ist. Ein plötzliches Trauma wird man wohl immer nach der Anamnese feststellen können. Doch nur in den seltensten Fällen konnte einem solchen bisher die Schuld für die Entstehung der Mißbildung zu- geschrieben werden. Es bleibt also noch die Ursache durch lang- dauernden Druck und die Annahme, daß eine endogene Ursache vorliegt. Die Stellung der Autoren zu der letzten Annahme will ich kurz im Auszug wiedergeben. KümmeL sagt: »Heute gelten beide Ein- teilungen (endogene und exogene). Aber das Kausalbedürfnis ver- anlaßt wohl jeden zu dem Streben, das Gebiet der endogenen Miß- bildungen, deren Entstehung wir ohne das Rechnen mit ganz un- bekannten Größen nicht begreifen können, möglichst einzuschränken. Die endogene Entstehung wird, bis wir etwa ganz neue Erfahrungen gesammelt haben, notwendig wohl nur für die exquisit vererblichen Mißbildungen ihre Geltung haben. Dagegen besteht für alle anderen wenigstens theoretisch die Möglichkeit, daß die an sich normale Ent- wicklung durch äußere Einflüsse gestört wurde.«< Und SCHWALBE läßt in seiner Abhandlung »Das Problem der Vererbung in der Pa- thologie«, Münch. med. Wochenschr. 1903, auch nur dort endogene Ursachen zu, wo »Umstände sich in gleicher Weise mit einiger Regel- mäßigkeit bei Eltern und Kindern finden, und für deren Ursache ' man exogene Momente nicht heranziehen kann. Man scheut sich also, endogene Ursachen dort anzunehmen, wo man mit exogenen Erklärungen noch auszukommen glaubt. Wenn man die neuere Literatur über Mißbildungen durchsieht, so findet man überall diese Scheu vor der endogenen Ursache und das 248 Hans Schurig Bestreben, irgendwelche Momente zu finden, die eine Einwirkung äußerer Einflüsse glaubhaft erscheinen lassen. Als eine der häufigsten Angaben zur Erklärung der Entstehung der Mißbildung findet sich als Ursache angeführt: »langdauernde Druckwirkung, hervorgerufen durch Amnionringe, die ihrerseits durch Fruchtwassermangel erklärt wird.«e Die geringe Fruchtwassermenge, die ja wohl auf einer Anomalie in der Beschaffenheit des Amnions beruhen muß, wird als eine vererbbare Eigenschaft angenommen und man sucht auf diese Weise das so wechselnde Auftreten mancher Mißbildungen (Poly- daktylie, Syndaktylie) zu erklären. Anderseits möchte man aber damit einer rein endogenen Ursache aus dem Wege gehen, bei der man annehmen muß, daß die Substanzteilchen des Keimplasmas, die für die Entwicklung des mißgebildeten Körperteils bestimmend sind, in irgend einer Weise geschädigt sind. Wie man sich die formale Genese nach den oben genannten Autoren (KümmeL) bei der Entstehung von Mißbildungen besonders wieder. derjenigen der oberen Extremitäten unter der Annahme von langdauerndem Druck, wie er durch Amnionenge hervorgerufen werden soll, zu denken hat, will ich im folgenden kurz angeben. »Ein Druck ‘auf die Körperanlage ausgeübt, wird sich gleichmäßig über deren ganze Oberfläche ausbreiten, soweit nicht einzelne Punkte stärker prominieren. Von solchen existieren aber eine ganze Reihe und sind zuerst in den vier Extremitätenknospen zu sehen, die als relativ lange und schmale Anhänge über die Körperoberfläche hervorragen und gänzlich freiliegen, dagegen bieten Rücken, Nacken und Sehädel breite glatte Flächen dar; für die Gesichts-, Kiemenbogen-, Herz- und Lebergegend bildet die Nabelblase ein gutes Polster gegen Druck von außen in den frühesten Stadien. In späteren Stadien rücken die genannten Organe durch Ausbildung der Nackenkrümmung mit dem Schwinden der Nabelblase ins geschützte Zentrum der Anlage. Die Extremitäten bleiben noch lange exponiert. Die obere findet erst vom Ende der fünften Woche ab eine geschützte Lage zwischen Thoraxkuppe und Kiemenbogengegend; die untere liegt auch dann noch unvorteilhaft, während sie in der vierten Woche eine relativ günstige Lage neben dem Steißende einnimmt. Es kann also bei mäßigem diffusem Druck die Störung sehr leicht auf die Extremitäten beschränkt bleiben. Immerhin wird in solchen Fällen auch eine Reihe der benachbarten Organe leicht Spuren dieses Einflusses durch Mißbildungen verschiedensten Grades zeigen können. Durch solehen störenden Druck kann das Wachstum der Anlage überhaupt ganz Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 249 zurückgehalten werden oder nur so lange, bis die Anhäufung von Liquor amni sie von dem Druck entlastet. Ist das letztere der Fall, so können inzwischen die benachbarten Stammespartien, in denen die Anlage der proximalsten Extremitätenteile noch versteckt ist, und die ja unbehindert bleiben können, ruhig weiter wachsen. Infolge davon werden dann die Beziehungen des proximalen Extremitätenteils, der Schulter hauptsächlich, sich in wechselnder Weise gegen die vor- läufig noch auf tiefer Stufe stehenbleibende Anlage des distalen Teils verschieben. Holt letzterer nun sein Wachstum nach, was wohl nie so geschehen wird, als ob er unbehelligt geblieben wäre, so werden wir z. B. an der oberen Extremität wesentliche Veränderungen in der Beziehung des Schultergürtels und Oberarms zu dem eventuell rudi- mentären Vorderarm und Hand finden. Bleibt umgekehrt die Anlage des distalen Teils so lange in ungünstigen Verhältnissen, daß sie nicht mehr nachträglich sich entwickeln kann, so wird ein Stehen- bleiben des freien Endes der Extremität auf frühester Stufe resultieren, während der proximale Teil, dessen Entwicklung und Hauptwachstum in die Zeit der reicheren Sekretion des Amnionwassers fällt, even- tuell ganz oder fast normale Verhältnisse darbietet.« Wie haben wir uns danach nun die Entstehung der Mißbildung in meinem Falle zu denken und was haben wir als Ursachen anzu- sehen? Es ist wohl ohne weiteres verständlich, wenn man bei dem gehäuften Auftreten der Mißbildung in einer Familie, wie sie hier in ziemlich gleicher Weise bei Vater und Kindern auftrat, an eine "endogene Ursache denkt. Es fragt sich nun, soll man auch wie JOACHIMSTHAL die Vererbung der krankhaften Beschaffenheit des Amnions annehmen, die hier in der geringen Fruchtwassermenge des Amnions bestände? Dieselbe würde dann Raumbeengung zur Folge haben, und wir könnten uns die formale Genese der Mißbildung in der nach Künuer wiedergegebenen Weise denken. An Hand der normalen Entwicklungsgeschichte könnte man dann die Embryonal- zeit feststellen, zu der spätestens die mißbildende Ursache eingewirkt haben muß. Dies tiele bei uns in die Zeit, wo die Extremitäten- anlagen ihr Hauptwachstum zeigen und am stärksten über die Körper- oberfläche prominieren, was ungefähr der Entwieklungszeit der IV. bis VI. Embryonalwoche entsprechen würde. Nach den Normaltafeln zur Entwieklungsgeschichte des Menschen von KEIBEL und Erze besitzt ein Embryo im Alter von 28 Tagen eine Gesamtlänge von 7 mm, die Extremitätenanlage eine solche von 1-15 mm. Ein Embryo im Alter von 40 Tagen weist eine 250 e Hans Schurig Länge von 9,75 mm auf, die Länge der oberen Extremitätenanlage beträgt höchstens 3 mm. Man wird sich also vorstellen müssen, daß, wenn nur ein Teil der Extremität mißgebildet ist, der Druck des Amnions nur auf einen ganz kleinen Bezirk der Extremitätenanlage schädigend gewirkt haben muß. Bei einem Radiusdefekt also auf den ganz beschränkten Bezirk, aus dem der radiale Teil der Ex- tremität hervorgeht. Bei vollkommenem Defekt des Unterarmes und eines distalen Teils des Oberarmes, wie er bei meinem Fall vorliegt, auf einen etwas größeren Abschnitt der Extremitätenanlage. Bei einem 4 Wochen alten Embryo betrug die Länge der oberen Ex- tremitätenanlage 1—1,5 mm, bei einem 6 Wochen alten 3 mm. Der Druck müßte also nur auf einen verhältnismäßig ganz kleinen Bruch- teil dieser Extremitätenlänge von insgesamt 1—3 mm a ein- gewirkt haben. Es wird wohl zugegeben werden müssen, daß die Annahme eines solch scharf lokalisierten Amniondruckes, der den Anlaß zur Miß- bildung geben soll, etwas sehr Unwahrscheinliches hat. Aber auch die Annahme, daß ein solch zartes embryonales Gewebe — wie es doch zu der Zeit das Amnion noch darstellt — eine solch schädigende, das Wachstum behindernde Rolle spielen soll, erscheint mir wenig glaubhaft. Ich bin vielmehr geneigt anzunehmen, daß das Amnion den wachsenden Extremitätenknospen nachgibt, anstatt sich ihnen hemmend in den Weg zu stellen. In meinem Fall wird der Versuch, die Mißbildung durch Amniondruck entstanden zu deuten, auch noch an der Tatsache scheitern, daß gerade die Hand mit den drei Fingern so normal ausgebildet ist, da man doch annehmen muß, daß durch einen Druck, der den unteren Abschnitt vom Humerus, Radius und Ulna nicht zur Entwicklung kommen ließ, die distalen Teile (Hand und Finger) in der Ernährung so beeinträchtigt werden, daß ihre weitere Entwicklung ebenfalls nicht mehr möglich ist. Dies alles trägt dazu bei, daß die Druckwirkung des Amnions als Entstehungs- ursache der Mißbildungen so unwahrscheinlich wird, daß man mit ihr hier nicht ernstlich rechnen darf. Man wird also auch nicht die Vererbung der krankhaften Beschaffen- heit des Amnions annehmen dürfen, die ja im Grunde nur wieder ihre Ursache in einer (sei es morphologisch oder chemisch) abnormen Beschaffenheit des Keimplasmas speziell der Faktoren hat, die für ‚die Entwicklung des Amnions bestimmend sind. Man wird vielmehr sagen müssen: Hier, wo der Vater selbst eine Mißbildung zeigt, ist das Spermium der Träger der Ursache. Die Faktoren, die für die Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 251 oberen Extremitäten als die richtunggebenden anzusehen sind, wird man sich als geschädigt denken müssen. Damit wird man aber nicht die Tatsache in Einklang bringen können, daß von den 11 Ge- schwistern 6 normal und 5 mißgebildet sind, weil man doch an- nehmen sollte, daß alle Samenzellen des Vaters-eine Schädigung der Faktoren für die Extremitäten besitzen und folglich alle Kinder miß- gebildet sein müssen. Man könnte nun in der Annahme, daß die Entstehungsursache hier endogener Natur ist, wieder irre werden. PLATE hat in seinem Werk über Vererbungslehre darauf hingewiesen, daß in solchen Fällen, wo sich nieht ermitteln läßt, ob eine Krank- . heit endogener oder exogener Natur ist, sich die Mendelsche Analyse als sehr wertvoll erweisen wird. Denn läßt sich nachweisen, daß die betreffende Krankheit mendelt, so folgt daraus, daß sie endogener Natur ist. In meinem Falle würde diese Beweiskraft wesentlich an Stärke zunehmen, wenn ich anstatt nur an einem Fall, an einer Reihe der gleichen Mißbildungen zeigen könnte, daß sie immer mit einer ziemlichen Gleichmäßigkeit der Mendelschen Vererbungsregel folgen. Dies ist mir aber nicht möglich, weil bis jetzt ein gehäuftes Auftreten dieser Mißbildung in einer Familie noch wenig oder gar nicht be- obachtet worden ist. Für die Mendelsche Vererbung ist es charakteristisch, daß in der zweiten Generation Spaltungen auftreten. Ein Beispiel soll kurz diese Tatsache erläutern. Nehmen wir an, das eine Elternpaar hätte die gleiche Eigenschaft A an seine Nachkommen vererbt, die danı als AA zu bezeichnen wären.. Ein anderes Elternpaar hätte diese Eigenschaft nicht besessen, folglich seine Nachkommen gleichfalls nicht, die dann! mit dem Zeichen aa zu bezeichnen wären, wenu a das Fehlen der Eigenschaft darstellt. Heiratet ein AA ein aa, so werden die Nachkommen alle die Eigenschaft Aa aufweisen. Es kommt dann lediglich darauf an, ob das Vorhandensein der Eigen- schaft über das Fehlen dominiert oder umgekehrt. Im ersten Falle werden alle Kinder die Eigenschaft zeigen, was in meinem Fall aber heißt, alle Kinder werden mißgebildet sein. Kommt nun solch ein Aa mit einem ebensolchen in Verbindung Aa>x Aa, so wird das Resultat in der Nachkommenschaft AA: Aa: Aa:aa, also eine Spal- tung 1:2:1 sein. Dominiert dann A wieder über a, so werden aus einer solchen Ehe drei mißgebildete und ein normales Kind hervor- gehen, oder das Verhältnis der Mißgebildeten zu den Gesunden wird ungefähr immer 3:1 entsprechen. In unserem vorliegenden Falle sind aber von den Geschwistern 6 gesund und 5 mißgebildet, das Ver- IV il 19) ® Nach- kommen mißgebildet ai; | weibliche männliche 4 6) Q 9" Ötotgeboren ® 015 Kinder normal —————————————————— ee. ——————————————— nn nn a m nern QA.B Mutter | 6) ®M.K. Stammbaum der Familie L.K. ®” Ludwig 7? ®” Vater + © Barbara K. KR, Keine Nachkommen Q | Q F» Hans Schurig bältnis also etwa 1:1. Man wird sich also eine andere Kombination denken müssen und zwar in Form einer Rück- kreuzung, indem man für den miß- gebildeten Vater das Zeichen Aa einsetzt und für die Mutter aa, die man damit als vollkommen gesund ansieht, was ja auch den Tatsachen hier entspricht, denn in ihrer Blutsverwandtschaft ließ sich eine erbliche Belastung nicht nachweisen. Das Ergebnis einer solchen Kreuzung. Aa aa ist dann für die Nachkommen folgendes: Aa: Aa:aa:aa, das heißt aber, Kranke und Gesunde müssen in gleicher Zahl auftreten, oder nach dem ersten Beispiel solehe Kinder, die die Eigenschaft zeigen, müssen ungefähr in ebensolcher Zahl vorhanden sein wie solche, die die Eigenschaft nicht besitzen. Das Verhältnis 1:1 ist aber in unserem Falle, wo 5 Kinder mißgebildet sind und 6 normal, mit ziemlicher Genauig- keit erreicht. Wir haben damit die Ver- erbungsformel für die Mißbildung in der Familie des Ludwig K. Ein Stammbaum zeigt die Verhält- nisse der Vererbung in der Familie des L. K. deutlicher. Der Vater der Geschwister K. ist ein uneheliches Kind der Barbara K. Eine jede weitere Nachforschung auf- wärts ist natürlich durch diese Tatsache unterbrochen. Aber man wird wohl nieht fehl gehen, wenn man annimmt, daß der Vater nicht das erste Glied in der As- cendenz ist, welches mit einer Mißbildung behaftet gewesen ist; sicherlich hat sie sein in Betracht kommender Vater schon aufgewiesen und vielleicht auch schon sein Großvater. Zu dieser Ansicht Kommt Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 253 man auch durch die Überlegung, daß bei einem Verhältnis der kranken zu den gesunden Kindern von 1:1 aus der Ehe mit einer gesunden Mutter der Vater nur.in die Erbformel mit dem Zeichen Aa einzusetzen ist. Solches aber besagt, daß ihm von der einen Seite‘ seiner Eltern der mißbildende Faktor überkommen ist, was in diesem Falle nur von dem Vater sein kann, da seine Mutter gesund war. Wenn aus der Ehe des ältesten Bruders, der nach der Erbformel als Aa zu schreiben ist, mit einer gesunden Frau aa von 4 Kindern nur 1 Kind mißgebildet gewesen ist, so spricht das nicht gegen die Vererbungsformel, sondern man wird annehmen müssen, daß bei einer größeren Anzahl von Kindern aus dieser Ehe ungefähr wieder das Verhältnis 1:1 erreicht würde. Denn wenn die theoretischen Anschauungen richtig sind, müssen die berechneten und beobachteten Zahlen übereinstimmen, und zwar umsomehr, je mehr Individuen in der betreffenden Generation vorhanden sind. In dem JoacnınstuAauschen Fall, wo alle Kinder Mißbildungen zeigten, muß nach dem oben zur Erläuterung angeführten Beispiel, die mißgebildete Mutter mit dem Zeichen AA in die Formel einge- ‚setzt werden. Es wird damit angenommen, daß ihr von beiden Eltern je ein Mißbildungsfaktor überkommen ist. Mit einem gesun- -den Mann aa ergibt sich daraus bei der Kreuzung AA X aa — Aa: Aa:Aa:Aa. Das heißt aber, alle Kinder zeigen Mißbildungen, wenn man wie in dem anderen Fall das Vorhandensein einer Eigenschaft (Mißbildung) dominieren läßt über das Niehtvorhandensein. Der Unterschied würde im Fall von JoACHIMSTHAL nur der sein, dab eine frühere F-Generation zur Beobachtung gelangt ist, während man in meinem Fall mindestens eine F,- oder F,-Generation vor sich hat. Zunächst bleibt jetzt noch ungeklärt die Variabilität der Miß- bildung innerhalb einer Generation und die Steigerung von einer zur anderen. Der Vater zeigte nur schwache Arme und kleine ru- dimentäre Daumen, bei den mißgebildeten Kindern fehlen die Dau- men, ja bei einem sogar der ganze Unterarm und ein Teil des Ober- arms. Eine ähnliche Steigerung und Variabilität findet sich ja auch bei dem von JOACHIMSTHAL berichteten Fall. Die Mutter hatte nur geringe Mißbildung an den Daumen, die Söhne zeigten jedoch größere Defekte am Unterarm (Radius und Daumen fehlten), während die Töchter wieder ähnlich der Mutter mißgebildet waren. Nach den Lehren der modernen Erblichkeitsforschung könnte man für die Steigerung und Variabilität der Mißbildungen die Er- 254 Hans Schurig klärung so suchen, daß man sich vorstellt, daß ein und derselbe Erbfaktor verschiedene Potenz haben kann, d. h. quantitativ ver- schiedene Wirksamkeit, und die Potenz eines Erbfaktors.durch innere ‘ wie äußere Faktoren beeinflußbar ist. PLArE sagt darüber: »Wo- rauf diese Variabilität in der Vererbung eines Merkmals beruht, ist zur Zeit noch ganz unsicher. Rein theoretisch kann man an zwei Hauptursachen denken: an somatische Einflüsse und an Abhängig- keit von den übrigen Erbeinheiten«. Es sei darüber noch HÄcKER gehört, der in einer Arbeit »Über entwicklungsgeschichtliche Verer- bungsregeln« (Abstammungs- und Vererbungslehre 1917) sagt: »Wenn wir uns die Entstehung einer Außeneigenschaft durch alle Zwischen- eigenschaften und Zwischenprozesse hindurch oder morphologisch ausgedrückt längs bestimmter Zellinien zurückverfolgt denken bis auf eine Eigenschaft der befruchteten oder unbefruchteten Eizelle, so wird auch dann, wenn jene Eigenschaft in ihren wesentlichen Zügen als Funktion einer ganz bestimmten Seite der Keimesbeschaffen- heit dargestellt werden kann, und ihre Entwicklung der Hauptsache nach als autonom zu betrachten ist, dennoch fast immer eine stärkere oder geringere Interferenz benachbarter Zellinien und der in ihnen wirksamen Entwicklungsmittel anzunehmen sein.« Es führt dies zu der zur Zeit noch stark umstrittenen Frage der Rein- oder Unreinheit der Gameten, auf die jedoch nicht näher eingegangen werden soll. Inwieweit es auch möglich ist, für das Auftreten einer gesteigerten Eigen- schaft (Mißbildung) innerhalb einer Generation, wie sie in meinem Fall mit be- sonderer Deutlichkeit bei. Ludwig K. zu Tage tritt, nach den modernen Lehren der Erblichkeitsforschung eine Formel zu entwickeln, will ich noch kurz zeigen. M sei das Zeichen für den Mißbildungsfaktor, m für sein Fehlen, E = Erregungs- faktor, e= sein Fehlen und S = Steigerungsfaktor, s = sein Fehlen. Man muß dann annehmen, daß der Faktor S nur eine Steigerung des Mißbildungsfaktors M hervorrufen kann, wenn er mit dem Erregungsfaktor E gemeinsam auftritt. Die Kreuzung müßte dann in folgender Art verlaufen: P. Mes x mes ern MmeeSs Fı. MmeeSs X mmEess Mes | Mes \ / mEs meS / \ mes mes Fa. MmEeSs, MmeeSs, MmEess, Mmeess mmeESs, mmeeSs, mmEess, mmeess das bedeutet, nach der ersten Kreuzung P treten der Mißbildungsfaktor M und der Steigerungsfaktor $ zusammen. Die daraus hervorgehende Generation Fı weist also M und $ auf; eine Steigerung tritt aber noch nicht auf, da der Er- regungsfaktor nicht vorhanden ist, der die Bedingung für die Wirksamkeit von F, Gameten Über einen Fall symmetrischer. Mißbildung beider oberen Extremitäten. 255 S ist. Zu dieser Generation würde der Vater gehören. Bei der nächsten Ge- neration tritt nun der Erregungsfaktor hinzu, der jetzt von der Frau in die F> Generation hineingebracht wird. Aus der Formel ersieht man, daß nur einmal alle 3 Faktoren in einem Nachkommen zusammen wirken, also eine Steigerung der Mißbildung hervorrufen müssen, während das Verhältnis der Mißgebildeten zu den Normalen wieder 1:1 ist. Natürlich ist dies nur eine rein theoretische Betrachtung, die keineswegs eine Erklärung für die Erscheinung der Steigerung sein soll. Denn die Faktoren, mit denen man in der Vererbungslehre rechnet, sind ja selbst hypothetische Gebilde, über deren Natur nichts Sicheres bekannt ist. Zwei Auffassungen über ihr Wesen stehen einander gegenüber. Nach der einen entstehen die einzelnen Teile des Embryos durch Differenzierung einer ursprünglich einheitlichen, wenn auch sehr komplizierten Substanz unter dem Einfluß äußerer Reize und der Wechselwirknng der inneren Verhältnisse. Nach der anderen glaubt man, daß sich hierdurch die ganze Mannigfaltigkeit der Gewebe und Organe eines Embryos nicht erklären lassen. Man nimmt daher an, daß das Keimplasma aus bestimmten Substanzteil- chen in den Erbfaktoren zusammengesetzt sei, von denen jeder während der Ontogenie eine spezifische Wirkung ausübe. Wendet man diese beiden Anschauungsweisen wieder auf mei- nen Fall der Mißbildung des Ludwig K. an, so ist mit der ersten Auffassung nicht vereinbar, daß_ die Schädigung, — denn die müßte doch danach bei der Differenzierung der oberen Extremitäten zur Wirksamkeit kommen, — so zu sagen das Mittelstück aus einer Entwicklungslinie herausgeschnitten hat, ohne dabei das Endstück, die Hand mit den 3 Fingern, in ihrer normalen Entwicklung zu be- einflussen, ja ohne überhaupt die Entstehung zu hemmen. Viel besser kommt man mit der zweiten Auffassung in meinem Fall aus, wonach man ja annimmt, daß für die Gestaltung jedes einzelnen Körperteils im Keimplasma auch ein ganz bestimmter Fak- tor vorgebildet sei. Für eine solche Annahme spricht die selbständige Entwicklung der Hand, der‘ Finger, des Processus coracoides, Tu- bereulum majus und minus. Natürlich erscheint es ungeheuerlich, in eine solch kleine Zelle eine so enorme Zahl von Faktoren hin- einzudenken. Doch wenn man hört, daß auf dem Gebiete der Chemie in der Atomtheorie die neusten Forschungen zeigen, daß die Atome, diese winzigen Stäubehen der Materie, wieder ganze Welten sind, daß jedes wieder ein ganzes Sonnensystem darstellt, dann kommt es einem nicht so unwahrscheinlich vor, daß auch dem Keimplasma, der lebenden Zelle eine solch komplizierte Gliederung zukommen soll. 256 Hans Schurig Schluß. Zum Schluß sei mir ein Wort über die Frage der Entstehung der Mißbildungen im allgemeinen erlaubt. Ich hatte schon einmal darauf hingewiesen, daß ein Bestreben besteht, den exogenen Ur- sachen in der Entstehung von Mißbildungen ein möglichst weites Wirkungsgebiet zuzuschreiben, während man das Gebiet der endo- genen Entstehungsursache möglichst eng zu begrenzen sucht und nur auf die Fälle von ganz exquisit vererblichen Mißbildungen anwenden möchte (wie Polydaktylie, Syndaktylie, Brachydaktylie). Ich glaube vielmehr, daß auch in solchen Fällen, wo keine Erblichkeit darauf hinweist, eine endogene Ursache immer mit in Betracht gezogen werden muß. Denn in den meisten Fällen größerer Defektmißbil- dungen wird das Individuum, so es überhaupt lebensfähig ist, nur keine Gelegenheit haben, Nachkommen zu zeugen, die mit der gleichen Mißbildung behaftet, mit zwingender Notwendigkeit darauf hinweisen würden, daß bei der Mißbildung ihres Erzeugers eine endogene Entstehungsursache im Spiele war. Warum hat sich für die Entstehung der leichten Mißbildungen Polydaktylie, Syndaktylie usw. durch die Vererbung die endogene Ursache beweisen lassen? Doch wohl, weil diese geringe Mißbildung für die damit behafteten Individuen kein Hinderungsgrund war, eine Ehe einzugehen, aus der dann wieder Kinder mit derselben leichten Mißbildung der Hände hervorgingen. Literaturverzeichnis. BIRNBACHER, R., 3 Beobachtungen über Verkürzung der oberen Extremitäten. Dissert. med. 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Coraceideus Cavitas glenoidalis Clavicula Humeruskopf 4 3 = Acrormion | | | | r2 z z z Tübereulum minus v4 Tuberculum majus Y ‚elmann in Leipzig. Über einen Fall symmetrischer Mißbildung beider oberen Extremitäten. 257 GUNDLACH, Über kongenitalen Pectoralisdefekt und seine RAIREUNESMENEE: Dissert. med. Breslau, 1910. HÄCKER, Über entwieklungsgeschichtliche Vererbungsregeln. Ztschr. für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre, 1917. ” JOACHINSTHAL, Über angeborene Anomalien der oberen Extremitäten. Verhandl. d. deutsch. Ges. für Chirurg. 1894. 24. Kongreß. —— Die angeborenen Verbildungen der oberen Extremitäten. Fortschr. auf d. Gebiete d. Röntg., 1/2, 1900. Kausg, Über eine besondere Art von Phokomelie. Dissert. med. Würzburg, 1899. KeıßEL und Erze, Normentafeln zur Entwicklungsgeschichte des Menschen. KLAUSSNER, Die Mißbildungen der menschlichen Gliedmaßen. Wiesbaden, 1900- —— Über Mißbildung der menschlichen Gliedmaßen. Neue Folge, 1905. 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Die Textfiguren 2 und 3 habe ich selbst nach den Röntgenbildern ent- worfen und ausgeführt. Die Originale zu den Textfiguren 1 und 4 hat Herr Professor RıEGER freundlichst zur Verfügung gestellt. A | 1 N = Sr 5 ia A; Ip: ung HR Be: 6 ER Bin ec FE: Br Arur® Aus dem anatomischen Institut der Universität Zürich.) Vorkommen einer primitiven Form des muskulösen Achselbogens beim Menschen. Beitrag zur Systematik des Achselbogens. Von Privatdozent Dr. Hedwig Frey. Prosektor am anatomischen Institut. Mit 9 Figuren im Text. Die Leiche eines 21jährigen Mannes aus Dachsen (bei Schafl- hausen) zeigte beidseitig prachtvolle Reste des Hautrumpfmuskels, die geeignet, sind ein Wesentliches beizutragen -zur Frage über die Abstammung des »muskulösen Achselbogens« vom Panniculus car- nosus der Säugetiere. Wir finden hier nämlich in direktem Anschlub ‚an die Portio abdominalis des M. pectoralis major eine ausgedehnte Muskelplatte, die sich zwischen diesem Muskel und dem Latissimus dorsi an der lateralen Thoraxwand ausbreitet, ein Zustand, der sich ‚ in ähnlicher, vielleicht nicht so ausgedehnter Form, beim Gorilla finde. Und daß von dieser Muskelplatte sich nun der lateralste Teil dem Latissimus angelegt, sich mit ihm verschmolzen hat, um als Achselbogen die Axilla zu durchkreuzen, erhöht die Bedeutung, die der zufällige Befund für die vielumstrittene Frage des Achsel- bogens hat. E Bevor wir diesen Einzelfall vergleichend anatomisch zu deuten und ihn in den großen phylogenetischen Werdegang einzureihen versuchen, wollen wir ihn kurz beschreiben. Rechts: Ursprung des M. pectoralis major wie gewöhnlich: von Clavieula, Sternum, 1. bis 6. Rippenknorpel und Rektusscheide. Diese letztere Partie, die Pars abdominalis des M. pectoralis major, erscheint im Ursprung einheitlicher Natur (Fig. 1); sie sondert sich aber nach ganz kurzem Verlauf in zwei sich überkreuzende Muskel- bündel: Das an die Pars sternocostalis anschließende, etwa 3 cm breite Muskelbündel (@ der Fig. 2) zieht, wie es für die Pars abdo- Morpholog. Jahrbuch, 51. 18 260 Hedwig Frey minalis charakteristisch ist, zur Crista tubereuli majoris und strahlt hier als proximalster Teil der Pectoralissehne nicht unbeträchtlich aus in die Faseia coracobrachialis, strebt sogar durch vereinzelte Sehnenzüge eine Verbindung zum Processus coracoideus an (Fig. 2). Die schmälere, fast 2 em breite, lateralwärts sich anschließende Fig. 1. Achselboyen Jntermerliä Muskelpluä Muskeln der rechten Thoraxhälfte eines 21 jährigen Mannes; oberflächliche Lage. P. abdominalis des Pectoralis major läßt zwei Ursprungsportionen « und d erkennen. Eine breite Muskelplatte zwischen Pectoralis major und Latissimus dorsi und ein muskulöser Achselbogen stellen Reste der Skeletportion des Hautrumpfmuskels der Säugetiere dar. Portion 5 der Pars abdominalis schiebt sich unter die eben beschrie- bene und gelangt, sich lateralwärts dem Peetoralis minor anfügend, mit kräftiger Sehne zum Proc. coracoideus. Zwischen den Insertions- sehnen der beiden Bündel « und b spannen sich in Fortsetzung der Faseia eoracobrachialis starke Sehnenzüge aus, welche mit auf die genetische Zusammengehörigkeit beider Muskelbündel hinweisen. Der M. pectoralis minor entspringt muskulös von der 2. bis 4., Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 261 sehnig von der 5. Rippe und zeigt im ganzen Verlauf und in der.mit dem Muskelbündel 5 gemeinsamen Insertion am Coracoid, daß auch er zu diesem Muskel in naher verwandtschaftlicher Beziehung stehen muß. Unmittelbar an das Muskelbündel 5, man könnte es dem Ursprung nach dem Peetoralis major, der Insertion gemäß dem Pectoralis mi- Fig. 2. - _ e Dect MAR, Bu hart Se { Achselbogen] n ln ln En j m 4 nl Muskelplastd} II Sa | h/R I Pabdomin. il BE 26 m.pec maj; Bart! 2 ZA Mara BINIH I N I | | Ni | | | \ »i . Darstellung wie Fig. 1 nach teilweiser Entfernung des M. pectoralis major. Portion « der -Pars abdominalis inseriert an der Crista tuberculi maj. und mft ausstrahlenden Sehnenfasern nahe dem Coracoid, Portion b an diesem zwischen Pectoralis minor einerseits, intermediärer Muskelplatte anderseits. Alle diese Muskelindividuen deuten durch ihre Insertion am Coracoid auf die gemein- same Abstammung aus der tiefen Pectoralismuskulatur. nor, zuzählen, schließt sich nun lateralwärts eine dünne, breite Mus- kelplatte an, die den Saum zwischen Peetoralis major und Latissi- mus dorsi als »intermediärer Muskel« fast vollständig ausfüllt. Wir erkennen in ihr in einer seltenen Ausbildung laterale Hautmuskel- reste, das sind Überreste des humeralen Teiles des Hautrumpf- muskels der Säugetiere, welche in mehr oder weniger ausgedehnter Weise die laterale Thoraxwand bedecken können. Die dünne Mus- 18* 262 Hedwig Frey kelplatte ist durchaus oberflächlich gelagert, nimmt ihren Ursprung mit drei nicht deutlich abzugrenzenden Zacken von der Faszie des M. serratus anterior und zwar oberflächlich zu den Serratuszacken, die sich an 5., 6. und 7. Rippe anheften; die dorsolateralste Partie strahlt rechts noch auf die Zacke der 8. Rippe aus. Kranialwärts konvergieren die Muskelbündel, schieben sich fächerartig hinterein- ander und z. T. hinter die Endsehne des Muskelbündels 5), um sich dorsolateral der vorigen am Coracoid mit kurzer Sehne anzuheften. Die Innervation wird besorgt durch einen feinen Ast der Nn. thora- cales anteriores, und zwar, geht er ab von dem Nervenbündel, das zur Pars abdominalis pectoralis major zieht. Dieser Hautmuskelrest dehnt sich lateralwärts bis nahe an den Latissimus dorsi aus, die Stelle der größen Annäherung weist kaum l1cm Zwischenraum auf. Ja diese Annäherung wird dadurch ge- wissermaßen vervollständigt als Latissimusrandbündel, sie stammen rechts von der 9. Rippe, als dünner, !/, cm breiter Muskelbauch vom Muskel sich abtrennen, um als Achselbogen mit langer, dünner Sehne, gemeinsam mit der Endsehne des intermediären Muskels, das Cocaecoid zu erreichen. Die Beziehungen dieses scheinbar aus dem Latissimus hervorgegangenen Achselbogens zu der intermediären Muskelplatte sind so in die Augen springende, daß wir vorausgreifend schon sagen dürfen, daß hier wohl eine sekundäre Verbindung von Resten des Hautmuskels mit dem Latissimus stattgefunden haben muß. Links sind im ganzen dieselben Verhältnisse: Pectoralis major mit den beiden sich in ihrem Verlauf sondernden Teilen der Pars abdominalis; Muskel « (abgschnitten auf Fig. 3) überkreuzt das laterale Muskelbündel 5; ihre Insertionen an der Crista tubereuli majoris, bzw. dem Coracoid, sind etwas selbständiger von einander als rechts. Peetoralis minor: wie rechts, d. h. normal. Erwähnt mag werden, daß die linke dritte Rippe in ihrem sternalen Teil eine Gabelung aufweist. Nicht, daß wir dem Zusammentreffen von Skelet- anomalien mit Hautmuskelresten eine Bedeutung zusprechen. EIsLER hat (1901) indessen die Ansicht ausgesprochen, daß solche Bezie- hungen für den M. sternalis (in welchem wir wiederum einen Panni- culusrest erkennen wollen,) vorhanden sein können. Sollten spätere Untersuehungen gegen unsere Vermutung eine Korrelation im Auf- treten dieser Erscheinungen feststellen, so mag der tatsächliche Zu- stand Verwertung finden. Auch links ist das ganze seitliche Thoraxgebiet zwischen Pecto- ralis major und Latissimus dorsi zum größten Teil bedeckt durch EEE Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 263 Hautmuskelreste, die in der Höhe der 6. und 7. Rippe von der Faszie des M. serratus anterior entspringen. Die kranialste Latissi- muszacke kommt von der 8. Rippe, verläuft der intermediären Mus- kelplatte z. T. sehr nahe, und geht auch hier wie rechts in einen dünnen Muskelbauch über, der, die Axilla schief durehkreuzend ver- Fig. 3. Linke Thoraxhälite derselben Leiche wie in Fig. 1 mit im Wesentlichen denselben Verhältnissen wie rechts. Pars clavicularis und Pars sterno-costalis des Pectoralis major sind abgeschnitten, ebenso Portion « der Pars abdominalis, die wie rechts an der Crista tuberculi maj. inserierte. mittelst langer, dünner Sehne am Coracoid Anheftung findet. “Wir stehen auch hier nicht an, diesem Teil des Latissimus, obschon er äußerlich durchaus als einheitlich mit der übrigen Latissimusmasse erscheint, vorausgreifend eine Abstammung von lateralen Hautmuskel- resten zuzuschreiben. Zusammenfassend können wir bei unserm Befund kurz feststellen, daß rechts und links (Fig. 2 und 3) als anormal in Erscheinung 264 Hedwig Frey “ treten: 1. eine Muskelpartie der P. abdominalis des M. pectoralis major, die als Mittelding zwischen Pectoralis major und minor von der Rektusscheide zum Coracoid hinzieht; 2. eine Muskelplatte, die oberflächlich an der seitlichen Thoraxwand gelagert, Beziehung ge- winnt zum Coracoid; 3. ein muskulöser Achselbogen, der vom La- tissimus abzweigend sich den vorigen zwei Muskeln anschließt, um sich mit ihnen am Coracoid anzuheften. 3 Die erste unserer Anomalien bedarf wohl kaum einer Deutung. Wir wissen, daß bei den niederen Formen eine oberflächliche und eine tiefe Peetoralisgruppe besteht, daß aus der letzteren beim Men- schen die Pars costoabdominalis des Pectoralis major und Pectoralis minor (RuGE 14, S. 1) sich differenziert haben.- Sehr oft treten Fälle in Erscheinung, bei denen die Insertion der P. abdominalis peeto- ralis major weit proximalwärts hinaufreicht, gar nicht selten mit. mehr oder weniger starken Faserzügen sich am Coracoid festheftet, und dadurch die engen Beziehungen betont, die zwischen P. abdo- minalis pect. maj. und Peetoralis minor bestanden haben. Beide beziehen Bausteine aus demselben Myomer, nämlich C,; (Rue 14, S. 9. Wenn nun aus der gemeinsamen Muskelmasse heraus ein Gebilde sich differenzierte, das im Ursprung zu dem einen, im An- satz zum andern Muskel engere Beziehungen beibehalten hatte, so liegt dies durchaus im Bereich einer möglichen Entwicklung. Da- gegen die beiden andern Anomalien, die »intermediäre Muskelplatte« und der Achselbogen, fordern ihre Erklärung, und wenn wir sie kurzerhand als Reste des Hautmuskels der Säugetiere ansprachen, so müssen wir, um dies zu belegen, zurückgreifen auf Befunde in der Primaten-, bzw. Säugetierreihe. Der Hautrumpfmuskel (Pannieulus carnosus, M. subeutaneus trunei) ist ausschließliches Besitztum der Säugetiere. Bei den Mono- tremen treffen wir so weit bekannt ist zum 1. Mal in der Wirbel- tierreihe einen Hautmuskel im Bereich des Rumpfes. Er tritt dort sozusagen unvermittelt auf, ohne daß bei niedern Formen, z. B. bei den Reptilien, Hinweise auf ihn anzutreffen wären. So dürfen wir ihn wohl als Neuerwerb der Säuger ansprechen, der vielleicht korre- lativ mit dem Haarkleid sich entwickelte. Die Hautmuskulatur hat ihren Namen aus der mehr oder weniger engen Beziehung zur Haut erhalten: es ist ein subkutan gelagerter Muskel. Nur diese Nach- barbeziehung gibt uns das Recht von Hautmuskeln zu sprechen. Ihrer Genese nach sind es echte Skeletmuskeln, die erst sekundär Beziehungen zur Haut gewonnen haben. Ihr ursprüngliches Gebiet > Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 265 ist ein genau umschriebenes und durch die versorgenden Nerven charakterisiertes. Wie der Facialis die Hautmuskulatur für Kopf und Hals (und einen Teil der vorderen Extremität bei Monotremen) innerviert, so beherrschen die Nn. thoracales anteriores denjenigen Teil des Hautmuskels, welcher bei den verschiedenen Formen mehr oder weniger stark den Rumpf (eventuell Teile der hinteren Extre- mität) bedeckt. Die Hautrumpfmuskulatur überlagert also auf große Streeken Muskeln, die ihr genetisch durchaus fremd sind, aber die Innervation deutet stets auf die Stelle ihres Ausgangspunktes hin: ebenso wie die Nn.thoracales anteriores ihre Zweige nahe der Humerus- insertion, am Lateralrande des M. pectoralis, in den Muskel eintreten lassen, um von hier aus die eventuell entfernten Partien aufzusuchen (Ruse 1895), ebenso nimmt der Rumpfhautmuskel hier seinen Ursprung. Die tiefe Pectoralismuskulatur ist der Mutterboden für den Rumpfhautmuskel: gemeinsame Innervation (C,;, und Th, nach RucE 14, 8. 9), gemeinsame Anheftung an Coracoid- bzw. der Faseia co- racobrachialis bis zur Crista tubereuli majoris, unmittelbarer Über- gang der tiefen Pectoralisschichte in den Hautmuskel, das sind Fak- toren, welche für die innere Abhängigkeit des so außerordentlich differenzierungsfähigen Muskels sprechen. Und mag der Muskel noch so sehr ausgebreitet sein über entfernte Teile des Rumpfes, sich hier in den Dienst des Mammarapparates stellen, dort als Auf- richter der Haare oder Stacheln (Echidna) funktionieren, oder wie wir es stündlich sehen können, dem Hund, dem Pferd erlauben, seine Haut zu bewegen, so müssen wir trotz aller Ausdehnung seines Gebietes den Muskel auf seinen Ausgangspunkt zurück verfolgen, und ihn als das charakterisieren was er ist: ein mehr oder weniger stark differenzierter Abkömmling der Peetoralismuskulatur. Im Laufe der Säugetierreihe erfährt er eine außerordentlich starke Reduktion, so daß er bei den Primaten, wenn auch in ‚ein- zelnen Fällen noch recht ansehnlich, oft nur in dürftigen Resten oder gar nicht mehr vorhanden ist. Und gerade im Verlaufe seiner Re- duktion prägt sich die primäre Zugehörigkeit zur tiefen Schicht der Pektoralismuskulatur nochmals deutlich aus. Die größeren oder klei- neren Reste des Rumpfhautmuskels wie ihn die Primaten aufweisen. behalten alle als Charakteristikum die Beziehungen zum Humerus bzw. zum Coracoid aufrecht: von dieser Insertionsstelle aus strahlt er, unter dem Pectoralis hervordrängend, als dünne Muskelplatte aus auf die Lateralfläche des Thorax, eventuell weiter dorsalwärts, ober- flächlich zum Latissimus dorsi, eventuell beträchtlich inguinalwärts. 266 Hedwig Frey Von den Primaten besitzen die niederen Formen sämtlich mehr oder weniger große und unzweideutige Reste dieses einst so mäch- Fig. 4. Fig. 5. IN ce n - M, deltoideus Caput breve bic. M. coraco-brach. N. thorec.-ant. ; Ast zum Pect. maj, £ cc =, AN 4 Se SS Ast zum Pect. min. Skelett- I Äste zum Pannie, portion 7 Pannic. camos. Skelettgortion Freie Pannie. carmos. - nmic.- freie Fasern : . Portio abdom. M. pect. Rumpfhautmuskel bei Macropus benneti. Fig. A von der Seite gesehen, Fig. 5 von vorn, Beide Figuren nach TOBLER ($.A66, Fig. 1 und 2). Der Rumpfhautmuskel besteht aus a) einer Skelet- portion, die vom Humerus ausstrahlt, und b) einer freien Portion, die sich vom Skelet beireit hat und in die oberflächliche Brustfaszie ausstrahlt, tigen Hautmuskels, von den Anthropomorphen in der Regel nur Gorilla. Beim Menschen kennen wir nach den ausgedehnten und Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 267 sorgfältigsten Untersuchungen von G. Rue zwei Formen, unter denen er zuweilen noch in Erscheinung treten kann: als sog. muskulöser Achselbogen und als M. sternalis. Unsere Ausführungen be- zwecken in erster Linie den muskulösen Achselbogen und seine Ge- nese aus dem Hautrumpfmuskel etwas näher zu beleuchten. Um das Wesen des Hautrumpfmuskels besser zu verstehen, besonders um einen Einblick in die äußerst variablen Formen zu gewinnen, welche dem Menschen zuweilen eigen sind und der nur aus dem ganzen Bilde heraus gewonnen werden kann, mögen einige Befunde aus der Tierreihe hier wiedergegeben werden. Da- bei stützen wir uns in der Hauptsache auf die Untersuchungen von TogLer (1905). Den klassischen Ausführungen von Russe (1895) in der Monographie über die Monotremen entnehmen wir, daß der Haut- rumpfmuskel bei den Monotremen, obwohl dort zum 1. Male auf- tretend in der Tierreihe, außerordentlich kompliziert ist, und zwar dadurch, daß peripheren Teilen desselben Funktionen übertragen wurden, die Spezialisierung erforderten. Diese Teile, wir denken an die Beteiligung des Hautmuskels am Mammarapparat, den sphinkter- artig ausgebauten Muskel, der die Kloake umzieht, haben die mittel- bare Verbindung mit dem Skelet eingebüßt, aber die versorgenden Nerven stammen aus dem ursprünglichen Gebiet, es sind untere cervikale Spinalnerven, also dieselben Nerven, welche die Pectoralis- muskulatur innervieren. Sie zeigen uns den Weg an, den die Mus- kulatur in ihrer Entwicklung genommen hat. Bei den Marsupialiern liegen die Verhältnisse (nach TosßLer) einfacher. Macropus benetti (Fig. 4 und 5) hat wohl noch einen ausgedehnten Hautrumpfmuskel. Er bildet eine einfache Lage, läßt nur obere Brust- und untere Bauchgegend frei. Freie Fasern des Rumpfmuskels schieben sich von der Seite kommend über den freien Rand des M. pectoralis major, bedecken seine lateralen Teile, indem sie auf dessen Faszie sich anheften. Diejenigen Partien, die von der seitlichen Rumpffläche kommen, finden am lateralen Rand des Pectoralis major Anheftung, während die Hauptmasse des Rumpt- hautmuskels, welche den ganzen Rücken bis zum Beckengürtel be- deekt, durch die Anheftung am Skelet ausgezeichnet ist. Diese auf dem Rücken breit ausgedehnte Muskellage wird gegen die Axilla hin sehr schmal, schiebt sich unter die Insertionsportion des Pecto- ralis major, um in eine flächenhafte Sehne überzugehen, die z. T. an der Fascia coracobrachialis sich anheftet, in der Hauptsache ver- wächst mit der Sehne der Abdominalportion des Pectoralis major, 268 \ Hedwig Frey um mit ihr gemeinsam am Humerus zu inserieren (Fig. 6). Medial gelegene Fasern der Endsehne vermögen noch bis gegen den Proe. coracoideus zu gelangen. Der Hautrumpfmuskel beherrscht also mit seiner Skeletportion ein Gebiet, das von der Fascia coracobrachialis über die Crista tubereuli majoris hinüberreicht bis zum Coracoid; es Fig. 6. Pect. maj. Sehnen- streifen MH. coraco-brach. Poannic. carnos. Humerusportion MH. pect. minor Insertionsweise des Hautrumpfmuskels am Humerus bei Macropus benneti; nach TOBLERsS Fig. 3. M, pectoralis major ab- geschnitten und umgeklappt. Die Skelet- portion inseriert breit mit der abdominalen Portion des Pectoralis major, von Hier auf die Faszie des Coracobrachialis einerseits, zeren das Coracoid anderseits ausstrahlend. Sie bestreicht mit ihrer Insertion dasjenige Gebiet, das für die Insertion der Hautmuskel- reste beim Menschen (muskulöser Achsel- bogen) in Betracht fallen kann. ist dasjenige Gebiet, das bei der Anheftung des muskulösen Achsel- bogens beim Menschen in allen Va- riationen noch bestrichen werden kann. : Wir unterscheiden somit bei den Marsupialiern: deutlich eine Skelet- portion des :Hautrumpfmuskels und eine freie Portion. Doch auch diese letztere nimmt ihren Ausgangspunkt von der Peetoralismuskulatur, wie Lage und Innervation beweisen: die Nerven stammen (nach TogLer S. 466) aus den Nn. thoracales anteriores, gehen vom selben Stamm ab, wel- cher den M. pectoralis versorgt. Die freie Portion des Hautrumpfmuskels ist es nun, welche in aufsteigender Tierreihe zuerst der Reduktion an- heimfällt, die Humerusportion bildet sich im Laufe der Primatenreihe mehr allmählich zurück, um aber selbst bei dürftigsten Resten noch zähe an der alt ererbten Insertion festzuhalten. Als Vertreter der Primaten greifen wir zwei Catarrhinae aus der Familie der Cercopithecidae her- aus und von den Anthropomorphen den Gorilla. Die drei Formen, in denen sich hier der Hautrumpfmuskel zeigt, sind geeignet, uns den Gang seiner Rückbildung vor Augen zu führen, einer Rückbildung, die sogar innerhalb einer Familie, wie es die beiden Cercopitheeiden dartun, recht bedeutend sein kann. Oynocephalus babuin (Fig: 7) besitzt noch einen ausgedehnten Hautrumpfmuskel. Seine peripheren Teile ziehen, wenn sie auch li 2 a Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 269 zum Teil recht dünn sind, noch weit an der vorderen Bauchwand herab, seitlich bis in die Leistenbeuge. Der besonders stark ent- wickelte kraniale Ab- schnitt reicht mit seinen Ausläufern bis gegen die dorsale Me- dianlinie. Nur wenige Grenzfasern sindohne Skeletbefestigung, weitaus die Haupt- masse gehört der am Humerus sich an- heftenden Skelet- portion an. TOBLER schreibt S. 471 zu- sammenfassend über die - Insertionsweise bei den Cynocepha- liden: »Die Insertion findet an der Faszie des Oberarmes statt, läßt sich jedoch teil- weise mit dieser zur Crista pectoralis oder zur Sehne des M. pectoralis verfolgen. Ein ähnliches Ver- halten zeigt die ab- dominale Portion des Pektoralmuskels, die an der Insertion sich stets im Anschluß an den Hautmuskel findet«. Cercopithecus ce- phus (Fig. 8) besitzt einenin vielstärkerem Maße reduzierten Hautmuskel. Sehr dünn, flächenartig Fig. 7. Panniculus carnosus N.intercosto-humeralis Nervenast zum Panni- culus, Ansa bildend. M. vectoralis major Rumpfhautmuskel bei Cynocephalus babuin von der Seite; naclı ToBtERS Fig.5. Die Skeletportion ist in ansehnlicher Ausbildung “erhalten, die freie Portion ist geschwunden. 270 Hedwig Frey ausgebreitet, reicht er dorsalwärts nicht mehr bis zur Mittellinie, seitlich bis etwa auf die Höhe der 9. bis 11. Rippe. Ganz spärliche Reste, makroskopisch kaum mehr als Muskulatur erkennbar, finden sich noch in der Gegend der Leistenbeuge. Diese beiden niederen Catar- rhinen zeigen uns, wie außerordent- lich verschieden der Hautrumpf- muskel bei nahe verwandten Formen Fig. 8. Pr Rn kKranialer Pannie.-Rest sein kann. Das reiche Material, das der ToprLerschen Arbeit zu Grunde liegt und auf das hier’ ver- wiesen wird, zeigt uns aber noch, M. pect. major daß große ist. Der Muskel steht eben bei den Primaten auf dem Aus- sterbeetat, und was innerhalb der phylogenetischen Entwicklung des Menschen gilt, besteht auch hier zu Recht: Organe, die in Rückbil- dung begriffen sind, unterliegen einer großen Variabilität. Hervor- gehoben mag hier nochmals werden, daß die Rückbildung ganz syste- matisch vor sich geht, zentral- \ wärts gegen das Insertionsgebiet. Von diesem wachsen embryonal we Muskel und zugehöriger Nerv aus, hier wird der größte Widerstand vorhanden sein bei der sich voll- ziehenden Reduktion. Deshalb müssen auch an dieser Stelle even- tuelle Rückschläge innerhalb des Genus homo erwartet werden und wenn wir sie hier in Gestalt der verschiedenen Typen von Achsel- bogen antreffen, liegt dies durchaus im Bereich einer natürlichen Entwicklung bzw. Rückbildung. Wie wir sahen, verläuft der Hautrumpfmuskel stets oberflächlich zur übrigen Skeletmuskulatur. Er überdeckt also auch den Latissimus dorsi, ohne aber mit ihm in nähere Beziehung zu treten. Dagegen Ingwinuler Rest RER Rumpfhautmuskel bei Cercopithecus cephus von der Seite; nach TOBLERs Fig. 12. Reste der Skeletportion des Rumpfhautmuskels strahlen dorso-kaudalwärts aus, den Latissimus dorsi überkreuzend. innerhalb einzelner Genera. selbst die Variationsbreite eine sehr Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 71 fand Bork (nach Eıster, 12 S. 490) bei Lepilemur und Propithecus die Sehne des Hautmuskels an die des Latissimus geheftet. ToBLER (92 5. 471) zitiert eine Angabe UHampnevs, der bei einem Oynocephalus amubis folgenden Befund erhob: »er (der Hautmuskel) gab einige Fasern dem Latissimus dorsi, nachdem er vorher einige von ihm empfangen«. Wenn nun auch TogLer bei seinen untersuchten Affen keineVerbindungen von Latissimus und Haut- muskel angetroften hat, so dürfen wir die Möglichkeit einer solch sekundären Verbindung (denn nur um eine solche kann es sich da handeln) nicht in Ab- rede stellen. Ja, je wei- ter die Rückbildung fort- schreitet, je unbestimmter das ganze Muskelindivi- ehmenfusern Fig. 9. M. pectoralis major ZZ CC, GGG LT, = Dh j >, /} HHHLHA duum wird, desto eher "rretmino N l dürf: . daß M, »pect. IV.« II ürfen wir erwarten, da aa es noch einen letzten Rest von Halt von seiner näch- sten Umgebung zu emp- fangen sucht. Auf diesen Umstand möchte ich jetzt schon hinweisen, anläß- | lich der vielerlei Verbin- dungen, die zwischen dem nexte der Skeletportion breiten sich (als Peetoralis quartun Latissimus dorsi und dem n. TOBLER) zwischen Peetoralis major und Latissimus dorsi aus, Man beachte die Ähnlichkeit, die sie mit der »inter- - Achselbogen des Menschen mediären Muskelplatte« in Fig. 1-3 aufweisen. möglich sind. Die höheren Catarrhinae, die Aylobatidae und die Anthropo- morphae, ermangeln mit wenig Ausnahmen jeglicher Reste eines Hautrumpfmuskels. Aus der Literatur sind uns nur folgende Fälle bekannt: ToBLer (05 S. 482) beschreibt bei 2 Gorillamännchen je einen typischen Hautmuskelrest, EısLer (14 S. 491) fand bei seinem Gorilla eine ähnliche Bildung in schwächerem Grade. In Fig. 9 haben wir den einen TogLerschen Befund wiedergegeben. Wir er- kennen mit ToBLer in dem als Pectoralis IV bezeichneten Muskel unschwer einen Rest des Hautrumpfmuskels. Etwas weniger weit dorsalwärts ausgreifend, dagegen mehr ventrale Muskelelemente auf- 372 Hedwig Frey weisend als z. B. Cercopithecus cephus (Fig. 8) besitzt er diejenigen - Merkmale, die für den Hautrampfmuskel charakteristisch sind: Sub- kutane Lage in unmittelbarem Anschluss an die Pars abdominalis peetoralis major, Insertion an der Faseia ceoracobrachialis bis nahe an das Öoracoid und Innervation durch den N. thoracicus anterior (ToBLER 05. 36). Aus dem seltenen Vorkommen von Hautmuskelresten bei den Anthropomorphen dürfen wir schließen, daß der Rückbildungsprozess dort weit fortgeschritten sei, weiter als beim Menschen, wo solche Reste relativ häufig in Erscheinung treten. Sie haben hier aber in den meisten Fällen ihre ursprüngliche Form eingebüßt durch sekun- däre Verbindung mit dem Latissimus, und es wird ihnen dadurch . äußerlich ein Charakter aufgeprägt, den sie ihrer Genese nach nicht besitzen. Selten liegen die Verhältnisse beim Menschen so klar und ein- fach wie in unserm eingangs erwähnten Fall. Ihm verwandt werden wohl die Fälle sein, die Eıster (12 S. 478) mit dem Namen M. pectoralis inter- medius belegt, die Macalister (n. EısLer $. 479) als M. pectoralis quartus, GRUBER (nach EısLer) als Costo coracoideus supermunerarius beschreibt. Die Ursprünglichkeit der Form erlaubt uns unsere Varietät in nächste Be- ziehung zu bringen zu dem Zustand, wie er beim Gorilla angetroffen wird. Vergleichen wir in erster Linie die beidseitige intermediäre Muskelplatte (Fig. 1—-3) mit den Resten des Hautrumpfmuskels, wie sie ToBLer bei seinen zwei Gorilla (Fig. 9) hat feststellen können, so fällt uns sofort die große Ähnlichkeit auf, die auf eine innere Verwandt- schaft mit aller Deutlichkeit hinweist. Einmal die Insertion des frag- . liehen Muskels: beim Menschen am Coracoid, beim Gorilla in dessen unmittelbarer Nachbarschaft, aber durchaus auf dem Gebiet, das in der Säugetierreihe von der Skeletportion des Hautrumpfmuskels be- nützt wurde; ferner die Lagebeziehungen zu der tiefen Pektoralis- gruppe bzw. ihren Abkömmlingen (Pars abdom. pect. maj. und Pec- toralis minor) und die für die Hautmuskelreste typisch oberflächliche Lage zum Serratus anterior; vor allem wird die Wesensgleichheit aber betont durch die Innervation durch Nn. thoracales anteriores. Das ganze Bild dieses Muskels, wie es uns bei dem jungen Mann beidseitig vor Augen tritt, kann, wenn wir den Hautrumpf- muskel und seine Rückbildung innerhalb der Säugetier-, bzw. Pri- matenreihe verfolgen, zwanglos eingeschaltet werden in die Reihe der sich bietenden Formen. Alle die mannigfachen Zustände, ziel- bewußt eingeordnet, ergeben eine eng gegliederte Kette von Einzel- bildern, die von dem gut ausgebildeten Hautrumpfmuskel niederer ee Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 273 Tiere relativ schnell überleiten zum Fehlen eines solchen bei Anthro- pomorphen und dem Menschen. Und daß dieser Rückbildungsprozess verhältnismäßig rasch ‚vor sich geht in der Phylogenie, zudem jün- geren Datums ist, mag mit die Ursache sein, daß Hautmuskelreste beim Menschen ziemlich häufig und in den verschiedensten Zuständen auftreten. In Anbetracht der Ausführungen über den Rückbildungsprozess des Hautrumpfmuskels stehen wohl kaum ernstliche Zweifel der An- sicht entgegen, daß wir es bei der intermediären Muskelplatte un- serer Varietät mit Resten derselben zu tun haben. Es bleibt uns noch die dritte Frage zu erledigen, ob das vom Latissimus dorsi abgehende Muskelbündel, das als Achselbogen die Axilla durchkreuzt, derselben Genese sei. Gegen die Ansicht, daß wir es mit einem Latissimusabkömm- ling zu tun haben, spricht die einem Morphologen sehr fragwürdige Tatsache, daß hier eine Verbindung auftreten sollte von Muskeln dorsaler Lage zu Muskeln, die von ventralen Ästen des Plexus cer- vico-brachialis versorgt werden. Die Sonderung beider Muskelge- biete ist durch die Tierreihe hindurch aufrecht erhalten, sie wird betont durch die zwischen ihnen durchziehenden großen Nerven- und Gefäßstämme. Warum sollten sich beim Menschen Zustände anbahnen, die, funktionell durchaus nicht gefordert, nur durch Ver- schiebungen im Grundplan der Entwicklung möglich wären? La- tissimus- und Pektoralisgebiet stehen sich innerlich fern; und mag eine Annäherung ihrer Ursprungsgebiete aus diesem oder jenem Grunde eintreten, die Insertion hält konservativ am altererbten Ge- biete fest, vor allem ist durch .die Innervation die Trennung eine absolut gegebene. Für die Ansicht, das unser Achselbogen, obgleich er vom La- tissimus abgeht, ein Abkömmling des Hautrumpfmuskels sei, spricht die glückliche Kombination der maßgebenden Faktoren unseres Bei- spiels. Hier ist der Hautmuskelrest (die intermediäre Muskelplatte, noch weiter dorsolateralwärts ausgebildet als beim Gorilla, ja die Annäherung an den Latissimus ist so weit gediehen, daß ein schwaches Muskelbündel als »Achselbogen« sichihminnig angegliederthat. Dessen Ursprungsteil, der fälschlich als Latissimuszacke imponiert, rechts von der 9., links von der 8. Rippe kommt, liegt in unmittelbarer Fort- setzung der Ursprungszacken unseres intermediären Muskels, der von der Serratusfaszie oberflächlich zur (8.) 7., 6., 5. Rippe rechts, bzw. 7., 6. Rippe links, entspringt. Und wie im Ursprung, so im weiteren 274 Hedwig Frey Verlauf und dann vorzüglich in der gemeinsamen Insertion am Co- raeoid prägt sich die innere Abhängigkeit beider aus. Leider konnte die Innervation für den Achselbogenteil nicht ermittelt werden. Aber trotzdem dürfen wir in Anbetracht der übrigen maßgebenden Fak- toren nicht an der Zusammengehörigkeit beider Muskelindividuen, intermediäre Muskelplatte und Achselbogen, zweifeln und wenn erstere als Rest des Panniculus carnosus erkannt wird, gilt dasselbe für diesen Achselbogen. Wir erkennen somit in den beiden abnormen Muskeln jederseits ein einheitliches Gebilde, einen relativ sehr beträchtlichen Rest des Hautrumpfmuskels, der durch seine Ausdehnung auffällt. Denken wir uns den kleineren .Hautmuskelrest beim Gorilla etwas weniger stark reduziert, was bei der großen Variationsbreite innerhalb der einzelnen Genera durchaus möglich ist, so wird der laterale Rand leicht den Latissimus erreichen und wir haben einen Zustand, wie ihn unsere menschliche Varietät aufweist. Ob nun der Pannieulusrest oberflächlich vom Latissimus dorsi zu liegen kommt gemäß seiner Lage bei niederen Tieren, ob er, wie es bei diesen auch vorkommen kann (S. 13), einen Faseraustausch mit ihm eingeht, ob eine solche Verbindung durch Vermittlung einer Zwischensehne geschieht, oder ob die Muskelfasern unmittelbar sich einander anschließen, das sind Umstände, die mehr nebensächlicher Natur sind. Das Entscheidende ist, daß die vom Pectoralisgebiet herkommenden Muskelfasern auch wirklich diesem entstammen, sekundär sich dem Latissimus ein- verleiben und nicht umgekehrt ein Übergreifen des Latissimus in das Gebiet ventraler Muskeln darstellen. Was wir für unseren speziellen Fall geltend machen, das gilt nun auch für alle Fälle eines sog. muskulösen Achselbogens. Unter einem solchen verstehen wir bekanntlich: mehr oder weniger kräftige Muskelbündel, die vom Latissimus herkommend, schief die Axilla durchkreuzen und sich auf einem Gebiet zwischen der Insertion des M. pectoralis major und dem Coracoid anheften. Genetisch gesprochen sind es laterale Reste der Skeletportion des Rumpfhautmuskels, eben dieselben, wie sie durch den schwachen Achselbogen unserer Varietät - dargestellt werden. Wäre die intermediäre Muskelplatte nicht mehr zur Ausbildung gelangt, sondern nur der Achselbogen, dann hätten wir einen Fall von Achselbogen vor. uns, wie er beim Menschen sehr häufig ist. So bietet sich uns aber ein vermittelnder Zustand, ein Anklang an den Befund bei niederen Primaten mit dem Ausblick auf die Achselbogenformen beim Menschen. Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 275 Alle Gründe, die bei'unserem speziellen Achselbogen gegen seine Zugehörigkeit zum Latissimusgebiet sprachen, und alle Gründe, die ihn als Abkömmling der Pectoralisgruppe dokumentierten, sind für den muskulösen Achselbogen beim Menschen ebenfalls entscheidend. Die Insertion spricht durchaus für Panniculus Genese, vor allem die Innervation durch Nn. thoracales anteriores, die heute wohl kaum mehr ernstlich bestritten wird. Die Beziehungen des Achselbogens zum Latissimus dorsi können, wie schon angedeutet wurde, ver- schieden sein und sind oft Ursache gewesen, den Achselbogen von ihm abstammend anzusehen. Und wenn heute noch von Latissimus- achselbogen gesprochen wird, so sollen wir dabei stets im Auge be- halten, daß beide, Latissimus und Achselbogen, nur äußerlich ver- bunden sind und in keinem primären Zusammenhang stehen. Mag ‘nun die Verbindung sein wie in unserem Falle: der Achselbogen geht unmittelbar über in die Latissimusmasse ohne sehnige Verbin- dung, oder eine mehr oder weniger vollständige Zwischensehne gibt die Stelle an, wo der Achselbogen sich dem Latissimus angegliedert hat — immer werden wir, im Hinblick auf den Rückbildungsprozeß des Hautrumpfmuskels in der Phylogenie, den Achselbogen als se- kundär mit dem Latissimus verbunden ansehen müssen. Daß gerade diese laterale Partie des Hautmuskelrudimentes am häufigsten zur Ausbildung gelangt, ist eigenartig. Nicht unmöglich ist es wohl, daß der sich rückbildende Muskel in der Verbindung mit dem Latissimus noch einen Halt sucht, daß er eventuell funk- tionell noch verwertet wird als Spanner der Fasecia axillaris, so daß gewissermaßen dem funktionslos gewordenen Hautmuskelrest eine neue Aktionsmöglichkeit eingeräumt wird. Auf jeden Fall müssen wir irgend ein konservierendes Moment voraussetzen, anders wäre das relativ häufige Vorkommen eines Achselbogens im allgemeinen und das seltene Auftreten vorderer Hautmuskelreste (wie sie in unserer intermediären Muskelplatte dargestellt sind) im Speziellen nicht zu erklären. Wir haben bis dahin nur den muskulösen Achselbogen in Be- tracht gezogen, ohne den faszialen, sog. Langerschen Achselbogen zu berücksichtigen. Ob dieser nun dem ersteren genetisch gleich- gestellt werden darf, wage ich nicht zu beantworten. Für seine Herkunft bestehen wohl zwei Möglichkeiten: einmal wird eine Ab- stammung vom Hautrumpfmuskel absolut sicher sein, nämlich da, wo durch sehr starke Reduktion des muskulösen Achselbogens eine Sehne die Verbindung von Latissimus- mit Peetoralisgebiet noch aufrecht Morpholog. Jahrbuch, 5l. 19 276 Hedwig Frey erhält. Anderseits mögen bestimmte Züge der Achselfaszie durch Forderungen der Funktion besser ausgebildet werden, vielleicht die- selben Funktionsbedingungen, welche gerade für das lange Bestehen- bleiben des muskulösen Achselbogens wirksam sind. Für den ein- zelnen sehnigen Achselbogen werden wir über seine Genese wohl kaum Bestimmtes aussagen dürfen, so lange wir mit der Möglichkeit - rechnen müssen, daß eine andere als die Panniculusabstammung noch in Frage kommen kann. Bei diesen Erörterungen über den Rückbildungsprozeß des Haut- rumpfmuskels innerhalb der Primatenreihe dürfen wir nicht unter- lassen, kurz auf den M. sternalis hinzuweisen; er stellt nach unserer Ansicht die andere Form dar, in welcher der Panniculus carnosus beim Menschen noch als Rudiment vorkommen kann. Wir erkennen in diesem Muskel einen letzten Rest desjenigen Teiles des Hautrumpf- - muskels, der bei primitiven Zuständen die vordere Brustwand noch weitgehend bedeckte, also der bei den Marsupialiern erwähnten freien Portion, die am frühesten der Rückbildung anheimfällt. Daß gerade der Mensch und zwar relativ häufig (5—6%) Reminiszenzen an jene niederen Zustände aufweist, ist eine Tatsache, die ihrer Erklärung harrt (Ruse, 05, 8. 371). Bei den Primaten soll er äußerst selten sein; EISLER erwähnt (12, S. 488) das beiderseitige Vorkommen eines Sternalis bei einem Zylobates syndactylus. Unsere Untersuchung er- laubt uns nicht, auf die Genese dieses vielumstrittenen Muskels ein- zugehen. Eine Einigung in der Sternalisfrage scheint immerhin da- durch eingeleitet zu sein, daß der Ansicht Russ über die Inner- vation durch Nn. thoracales anteriores nun auch Eıster (12, S. 475) beipflichtet. Die innere Zugehörigkeit des Sternalis zur Peetoralis- gruppe kann kaum mehr bestritten werden, die Art seiner Abhängig- keit allgemein zufriedenstellend zu deuten, wird Aufgabe weiterer Forschung sein. Überblicken wir kurz unsere Ausführungen über die Rückbildung des Hautrumpfmuskels in der Phylogenie und bringen unseren Einzel- fall dazu in Beziehung, so dürfen wir wohl zusammenfassend sagen: Wir haben in unserer Varietät einen ursprünglichen Zustand vor uns, einen Rest des Hautrumpfmuskels, wie er ähnlich bei Primaten sich noch findet. Ein Teil dieses Muskels tritt mit dem Latissimus dorsi in Beziehung; es ist gerade derjenige Teil, der in der Regel beim Menschen am längsten erhalten bleibt und als muskulöser Achsel- . bogen relativ häufig vorkommt. Der übrige Teil, in unserem Falle sehr mächtig, findet sich beim Menschen selten; er ist geeignet, das Vorkommen einer primit. Form d. muskulösen Achselbogens beim Menschen. 277 Bindeglied darzustellen zwischen dem Hautrumpfmuskel, wie ihn niedere Catarrhinen noch aufweisen, und dem muskulösen Achselbogen des Menschen. Dieser kann in sehr verschiedenen Formen auftreten, seine Abstammung vom Hautrumpfmuskel wird nur noch durch die Innervation und Insertion belegt; die sekundäre Verknüpfung mit Latissimusteilen täuscht Beziehungen vor, die nichts mit seiner Genese zu tun haben. Zürich, Februar 1920. k Literatur. 1901. - EıSLER, P., Der Musculus sternalis, seine Ursache und Entstehung, nebst Bemerkungen über die Beziehungen zwischen Nerv und Muskel. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop., Bd. III, H. 1, S. 21—22. 1912. —— Die Muskeln des Stammes. v. Bardelebens Handbuch der Anatomie, 21. Lieferung, Jena, 1912. 1895. Ruge, G., Die Hautmuskulatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammarapparat. R. Semon, Zoolog. Forschungen in Australien und dem malayischen Archipel. Jena, 189. 1905. —— Zusammenhang des M. sternalts mit der Pars abdominalis des M. pectoralis major und mittels dieser mit dem Achselbogen. Morph. Jahrb., Bd. 33, H. 2 u. 3, S. 347—373. 1905. —— Der Hautrumpfmuskel der Säugetiere. — Der M. sternalis und der Achselbogen des Menschen. Morph. Jahrb., Bd. 33, H. 2 u. 3, S. 379—531. 1914. —— Der Hautrumpfmuskel des Menschen. Morph. Jahrb., Bd. 48, H.1, S. 1-57. 1902. TOBLER, L., Der Achselbogen des Menschen, ein Rudiment des Panniculus carnosus der Mammalier. Morph. Jahrb., Bd. 30, H. 3, $. 453—507. 19* th ae Be } ei BT aa ie ee DE 2 Rh er b 2 l # ’ Ew ET Es be ri Ze Fi 2 r a. r [Aus dem physiologischen und histologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. Direktor: Geheimer Rat Prof. Dr. Ellenberger.) Der Zungenrückenknorpel von Equus caballus. Von Professor Dr. Alfred Trautmann. Mit 2 Figuren im Text. Es ist eine auffallende Tatsache, daß sich die Zunge des toten Pferdes und noch mehr die aus dem Leichnam herausgeschnittene morphologisch anders verhält als die des lebenden Pferdes. Die Verschiedenheiten beziehen sich auf den Zungenrüicken. Während ' beim lebenden Tiere die Rückenfläche der Zungenspitze, ohne eine wesentliche Abgrenzung hervortreten zu lassen, in die des Zungen- körpers übergeht, hebt sich letztere beim gestorbenen oder getöteten Tiere deutlich von ersterer ab, indem der Rücken des Zungenkörpers wulstartig erhöht und die Grenze zwischen Zungenspitze und Zungen- körper auf der dorsalen Fläche deutlich ausgeprägt erscheint. Ganz besonders ausgesprochen ist dieses Verhalten an Pferdezungen, die in toto z. B. in Formalin fixiert worden sind. In der Regel ist an solchen Präparaten der über die dorsale Zungenspitzenfläche erhöhte Zungenkörperrücken noch durch eine mehr oder weniger tiefe Furche abgegrenzt. Wir haben dann ähnliche Verhältnisse, wie sie beim Rinde vorhanden sind, bei welchem der Zungenkörper am Zungen- rücken sich bekanntlich zu dem Zungenrückenwulst erhebt. Wie aus dem später zu beschreibenden strukturellen Aufbau ersicht- lich ist, werden meiner Ansicht nach beim Pferde die genannten Verhältnisse durch ein in der Mittellinie unter der dorsalen Schleim- haut des Zungenkörpers liegendes Gebilde veranlaßt, das (seinem histologischen Verhalten nach) als Zungenrückenknorpel bezeichnet und unter diesem Namen in die Lehrbücher der Veterinäranatomie aufgenommen worden ist, ohne von den einzelnen Autoren eine ein- deutige Auffassung zu erfahren. 280 Alfred Trautmann Dieses Gebilde wurde im Jahre 1850 von BRÜHL! zuerst be- schrieben und als Zungenrückenknorpel bezeichnet. Nach BRÜHL kommt in der Zunge des erwachsenen Pferdes konstant ein ansehn- licher 5—6, auch 7" langer, 1—1!/, Linien im Durchmesser halten- der, rundlicher, sehr derber Faserknorpel vor, der einer zylindrischen Gerte gleicht und unmittelbar unter der Schleimhaut des Zungen- rückens liegt. Unterhalb der Zungenmitte der Rückenschleimhaut sieht man im Querschnitt eine kreisförmige, weißgelbe, beim Anfühlen knorpelharte Stelle, welche rechts, links und unten von dem ver- worrenen Gewebe des muskulösen Zungenkernes umgeben wird. Außer seiner fibrös-knorpeligen Beschaffenheit soll er nach BRÜHL sogar auch manchmal Verknöcherungspunkte enthalten. Er soll nach diesem Autor nicht als Anheftungsstelle für Muskelfasern dienen und durch fetthaltiges Gewebe von der ihn umgebenden Muskelschicht getrennt sein. Alle zu ihm sich scheinbar erstreckenden Muskelfasern sollen sich leicht von ihm sondern lassen. Über seinen Zweck ver- mag BRÜHL nichts gewisses zu sagen. Nach ELLENBERGER? und seinen Schülern Kunze und MÜHLBAcH® wird in der Medianebene des Zungenrückens von der Zungenschleim- haut mit Einschluß der Submucosa eine knorpelharte Verdickung, der sogenannte Zungenrückenknorpel, gebildet. Die Bildung kommt zustande durch ein festes Zusammenfügen der in den verschiedensten Richtungen verlaufenden Faserbündel. An einzelnen Stellen enthält diese derbe Bindegewebsplatte kleine Hohlräume mit Fettgewebe und zuweilen auch umkapselte Knorpelzellen. Später gibt ELLENRERGER® noch an, daß der Zungenrückenknorpel als ein 10—14 cm langer, 2—4 mm hoher zylindrischer, derber Körper unter der Propria mu- cosae gelegen ist. Soweit ich aus der Literatur ersehe, ist das bisher beim Pferd als Zungenrüickenknorpel bezeichnete Gebilde nur noch von NuUssBAUM und MArkowskı (Zur vergleichenden Anatomie der Stützorgane in der Zunge der Säugetiere. Anat. Anz., Bd. 12, 1896) untersucht, die mit wenigen Worten die Befunde Brünts bestätigen. Da der Körper des Zungenrückenknorpels ganz an der Rückenseite der Zunge seine ! BrüHL, Kleine Beiträge zur Anatomie der Haussäugetiere. Wien 1850 und Der Zungenrückenknorpel des Pferdes. Vierteljahrsschrift f. wissensch. Veterinärkunde, Bd. 1, 1851. 2 ELLENBERGER, Vergl. Histol. d. Haussäugetiere, 1887. 3 Kunze und MÜHLBACH, Zur vergl. mikrosk. Anatomie der Organe der Maulhöhle, des Schlundkopfes usw. Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin, Bd. 10, 1884. * ELLENBERGER, Handb. d. vergl. mikrosk. Anat. d. Haustiere. Bd. III, 1911. Der Zungenrückenknorpel von Equus caballus. 281 Lage hat und mit der Schleimhaut dieser Seife sehr fest zusammen- hängt, halten sie ihn gleich BrüuL und ELLENBERGER nicht als homolog dem als Lyssa bezeichneten, bei den Fleischfressern und bei den Insektivoren existierenden, von ihnen hauptsächlich untersuchten Stützgebilde der Zunge, vielmehr betrachten sie ihn als einen differen- zierten und einem speziellen physiologischen Zweck angepaßten Teil der Schleimhaut. Über seine wirkliche Funktion sprechen sich Nuss- BAUM und MARKOWSKI nicht aus. Die Befunde Brünus sind in die verschiedenen Lehrbücher der Veterinäranatomie aufgenommen worden. Merkwürdigerweise hat von den einzelnen Autoren das Verhalten des Zungenrückenknorpels des Pferdes nicht immer eine eindeutige Auffassung erfahren. Vielmehr ergibt sich aus manchen Schilderungen ein Bild, das geeignet ist, eine unklare Vorstellung zu erwecken, und, wie später zu ersehen sein wird, den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht. So schreiben ELLENBERGER und Baum (14. Aufl. 1915): Die sehr derbe, relativ starke Zungenschleimhaut erreicht ihre größte Dicke in der Mitte des Zungenrückens, wo sie auf einer Strecke von 12—16 cm 2—3—4 mm dick, sehr derb und knorpelartig hart ist und den bindegewebigen Zungenrückenknorpel bildet. Eine gleiche Auffassung der fraglichen Verhältnisse findet sich in ihrem Lehrbuch der topo- graphischen Anatomie des Pferdes 1914. Im Lehrbuch der Anatomie der Haustiere (II. Bd., 2. Aufl. 1915) von MARTIN wird 'gesagt, daß die Zungenschleimhaut in der Mitte des Zungenrückens einen 12—18 cm langen, mehrere mm breiten, verdickten Längsstreifen bildet, welcher wegen seiner knorpeligen Härte, trotzdem er aus Bindegewebe besteht, in dem nur hier und da Knorpelzellen auftreten, als Zungenrückenknorpel bezeichnet wird. Nach Franck (Handb. Anat. d. Haust., 3. Aufl. 1892) ist in der Medianfläche die Propria der Zungenschleimhaut auf eine Länge von etwa 18 cm verdickt und von knorpelartiger Härte. Bei manchen Individuen entwickelt sich allerdings Knorpelgewebe. StruskA (Lehrb. d. Anat. d. Haust. 1903) sagt, daß die Zungen- schleimhaut stark und derb ist, besonders am Zungenrücken, wo sie einen medianen, fast knorpelhaften Strang, den sog. Zungenrücken- knorpel, bildet. LEISERING, KARL MÜLLER und ELLENBERGER (Handb. d. vergl. Anat. d. Haust., 6., 7., 8. Aufl. 1890) finden die den Zungenrücken überziehende Schleimhaut in der Mitte der Zunge besonders stark und verdickt (2 mm und mehr). 282 * Alfred Trautmann Be Interessant ist bei Bestätigung der BrüutLschen Befunde bei Franz MÜLLER (Lehrb. d. Anat. d. Haust., 3. Aufl., Wien 1885), daß _ er die an Zungen toter Pferde auftretende deutliche Grenze zwischen Zungenspitze und Zungenkörper als einen vor dem Zungenrücken- knorpel liegenden, von der Gebißstange herrührenden queren Ein- druck hält. In der Gurtrschen vergleichenden Anatomie der Haustiere (4. Aufl. 1860) wird der Zungenrückenknorpel als eine unter der Rückenschleimhaut liegende, dünne Knorpelplatte geschildert. Wie aus obigen Ausführungen ersichtlich ist, müssen die wenigen Angaben BrRÜHLs, ELLENBERGERS und seiner Schüler und auch die NussBAUMs und MARKOWSKIS hinsichtlich der Feststellung der bau- lichen Verhältnisse unzureichend genannt werden. Außerdem ist der Aufbau des fraglichen Gebildes nicht in seiner Totalität histologisch untersucht worden. Anläßlich anderer Studien konnten von mir zu- fällig an diesem Teile der Zunge Befunde erhoben werden, die es fraglich erscheinen ließen, ob die in der Literatur vorhandenen An- gaben erschöpfend sind und den tatsächlichen Verhältnissen ent- sprechen. Zudem schien mir eine genauere Kenntnis der strukturellen Eigentümlichkeiten des Zungenrückens des Pferdes von großem Vor- teil, ehe ich mich mit der beabsichtigten embryologischen Unter- suchung des Organs näher befasse; denn nur diese allein wird uns einen nach jeder Hinsicht befriedigenden Aufschluß über die Bedeu- tung des Zungenrückenknorpels zu geben vermögen. Leider stößt zurzeit die Zusammentragung geeigneten embryologischen Materials auf erhebliche Schwierigkeiten. Ich hoffe jedoch, in absehbarer Zeit die Ergebnisse der embryologischen Erforschung des Zungenrücken- knorpels dieser anatomischen und histologischen Abhandlung folgen lassen zu können. - Zur Feststellung der anatomischen und histologischen Verhältnisse dienten mir die Zungen von 22 Pferden. Die Mehrzahl der Pferde war über 10 Jahre alt. Nur 2 Tiere hatten ein Alter von 6 und 8 Jahren. Leider ließ sich Material von noch jüngeren Individuen nicht beschaffen. Makroskopisches: Das bisher als Zungenrückenknorpel des Pferdes bezeichnete Gebilde liegt in der Medianebene des Zungen- körpers unter der Schleimhaut, hat im allgemeinen langgestreckte, stabförmige, zylindrische Gestalt und ist bei allen erwachsenen Pferden auffindbar. Es setzt sich zusammen aus 2 Teilen, einem oralen, diekeren, derberen, federkielähnlichen Körper und einem aboralen, EG { Der Zungenrückenknorpel von Equus caballus. 283 dünneren, weniger festen, fadenartigen Endstück. Die Länge des ganzen Organs wechselt individuell und nach der Rasse. Infolge- dessen bewegt sich dieselbe in Grenzen von 11—17 cm; niedrigere oder höhere Werte scheinen zu den Ausnahmen zu zählen. Es ent- fallen in der Regel ?/, der Gesamtlänge auf den Körper, während ?/, von dem schwanzartigen Endstück eingenommen werden. Die Schleim- haut der Zunge wird am Sitze des Zungenknorpels nicht vorgewölbt, -so daß er infolgedessen bei der Betrachtung der Zunge von außen im Gegensatz z. B. zu der Lyssa des Hundes nicht wahrnehmbar ist. Auch kann durch Abtasten der vom Zungenrückenknorpel eingenom- menen Zungengegend mit dem Finger das Endstück gar nicht, der Körper dagegen nur undeutlich gefühlt werden. Durch Anlegung von Querschnitten durch den Zungenrücken kann man sich leicht über seine Ausdehnungsverhältnisse, seine Beschaffenheit, sein Aus- sehen und seine Dickengrade orientieren. Der Zungenrückenknorpel fängt durchschnittlich in einer Ent- fernung von 10—13 cm von der Zungenspitze an und zwar gerade an der Stelle, die sich nach dem Tode des Tieres fast immer durch eine wulstartige, mehr oder weniger plötzlich einsetzende Erhöhung der dorsalen Fläche des Zungenkörpers über die Zungenspitzenfläche kennzeichnet. Das hintere Ende des ganzen Organs liegt etwa 4 bis 7 cm vor einer zwischen den Papillae vallatae gezogenen Ver- bindungslinie. Die Freilegung des Zungenrückenknorpels und nament- lich seines oralen Abschnittes läßt sich von der ventralen Fläche der Zunge aus durch Präparation gegen den Zungenrücken hin relativ leicht, schwerer dagegen von der Schleimhautoberfläche bewerk- stelligen. Die Trennung des Endabschnittes von seiner Umgebung ist nicht immer leicht durchführbar und ohne weiteres möglich. An sorgfältig in dieser Weise behandelten Zungen ist im allgemeinen feststellbar, daß, makroskopisch betrachtet, der Zungenrückenknorpel mit einigen wenigen Faserzügen in der Schleimhaut der Zungenober- fläche beginnt, relativ schnell bis zu einer durchschnittlichen Dicke von 4—6 mm und einer Breite von 3—4 mm, die etwa am Ende des ersten Drittels des ganzen Gebildes erreicht werden, anschwillt, um dann sich wieder zu verjüngen. Etwa in der Mitte des zweiten Drittels des Zungenrückenknorpels ist seine Dicke durchschnittlich 3 mm und seine Breite 2 mm. In diesen Stärkeverhältnissen hält sich das Organ bis kurz vor sein Ende, um dann entweder in einer Spitze, abgestumpft oder gabelig auszulaufen. Anfang und Ende des Zungenrückenknorpels sind im Gegensatz zum übrigen 284 Alfred Trautmann wohlbegrenzten Teil nicht scharf umrissen. Da die verschieden deut- lich ausgeprägten Enden des Organs von BRÜHL nicht mitgemessen sind, erklärt es sich auch, daß die von mir gefundenen Längenwerte durchschnittlich größere sind. Der Zungenrückenknorpel liegt dicht unter der Propria der Schleimhaut und ist mit dieser ziemlich fest verwachsen, während die Verbindung mit der Umgebung an seinen lateralen und ventralen Partien z. T. eine lockerere ist. Etwas mehr als die vordere Hälfte des ganzen Gebildes ist also wesentlich stärker als der hintere Abschnitt. Erstere weist eine cha- rakteristische Spindelform mit meist ovalem, selten auch kreisförmigen Querschnitt von grauweißer bis weißgelblicher Farbe auf und zeichnet sich vor letzterem durch seine häufig an Knorpel erinnernde Be- schaffenheit, namentlich in den zentralen Partien aus. Der kaudale dünnere, auf dem Querschnitt sich oft dreieckig präsentierende Ab- schnitt ist weniger derb, hat das Aussehen von Sehnengewebe und unterscheidet sich bezüglich der Farbe nicht von dem Gewebe der Propria mucosae. Ob das Alter der Tiere einen Einfluß auf die Massenentwicklung des Gebildes hat, möchte ich nicht ohne weiteres entscheiden. Nach den wenigen Fällen, die ich untersuchen konnte, war ein wesentlicher Unterschied in der allgemeinen Ausbildung des Zungenrückenknorpels bei jüngeren und älteren Tieren nicht festzustellen. Er scheint sich also bezüglich seiner Länge, Dicke und Konsistenz nicht nach dem Alter des erwachsenen Tieres zu richten. Wie der Zungenrücken- knorpel sich bei ganz jungen und unerwachsenen Tieren verhält, dar- über hoffe ich im Verein mit meinen embryologischen Untersuchungen Aufschluß zu erhalten. Das kaudale Ende des Zungenrückenknorpels steht, wie ich mich einwandfrei überzeugen konnte, nicht in irgend einer Verbindung mit dem Zungenbein, sondern verliert sich in der Propria mucosae oder im intermuskulären Bindegewebe der Zunge. Mikroskopisches: Vorauszuschicken ist, daß der Zungen- rückenknorpel, wie an mikroskopischen Präparaten deutlich nachzu- weisen ist, nicht etwa, wie das in verschiedenen Lehrbüchern der Anatomie ausgesprochen wird, als eine Verdickung der Schleimhaut aufzufassen ist. Er liegt vielmehr innerhalb der Zungenmuskulatur unter der Propria mucosae eingebettet. Die Schleimhaut des Zungen- rückens des Pferdes ist, sowohl was das Epithel wie auch die Propria anlangt, im Bereich des Zungenrückenknorpels nicht verdickt, also auch nicht verschieden von den benachbarten Gebieten. Der Zungen- un in Der Zungenrückenknorpel von Equus caballus. 285 rückenknorpel hat, wie man aus einzelnen Schilderungen entnehmen könnte, nichts gemein mit. dem Zungenrückenwulst des Rindes, in dessen Bereich ja bekanntlich die Schleimhaut durch eine wesentliche Verdickung namentlich des mit einem mächtigen Stratum corneum ausgestatteten Epithels und eine knorpelartige Beschaffenheit gegen- über der Nachbarschaft ausgezeichnet ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die an der Dorsalfläche des Zungenkörpers des Pferdes etwa !/„—1l mm dicke Propria mucosae tritt allerdings in der Median- linie mit dem Zungenrückenknorpel einmal an den Enden, an denen sich einzelne Bindegewebsbündel in sie hinein erstrecken und sodann an der dorsalen Fläche des Rückenknorpels, die mit dem Propria- sewebe durch Austausch verschieden starker Bindegewebsbälkchen verbunden ist, in innigere Beziehung. An den Seiten und ventral ist das Organ von der Umgebung nicht durch eine kapselartige Bil- dung abgesetzt, vielmehr geht es seitlich in Zungenmuskulatur, inter- muskuläres Bindegewebe und Fettgewebein verschiedener Ausdehnung und Menge und ohne bestimmte Anordnung über. Ventral bildet in in der Regel im dieckeren oralen Abschnitt des Gebildes reichlich vorhandenes Fettgewebe in Form eines unter ihm liegenden dickeren Stranges die ausschließliche Begrenzung. Im Gegensatz zu BRÜHL, der dem Zungenrückenknorpel des Pferdes den Mangel jeder Muskel- insertion zuspricht, habe ich öfter Muskelfasern deutlich an dem Ge- webe desselben, und zwar besonders seitlich an Bindegewebsbündel sich anheften sehen (Fig. 2). Die Struktur, besonders des vorderen dieken Abschnittes des ZungenrücKenknorpels ist eine ganz eigenartige und läßt sich mit keinem, im Körper befindlichen Gewebe in Parallele stellen. Die Hauptmasse des Gewebes wird hier nicht, wie bisher von allen Autoren behauptet worden ist, von mehr oder weniger dicken Bindegewebs- bündeln gebildet, sondern aus elastischem Gewebe, das in überaus großer Mächtigkeit entwickelt ist und demgegenüber das Bindegewebe weit zurücktrit. Das elastische Gewebe ist in der zentralen Zone dieses Teiles des Zungenrückenknorpels am mächtigsten (Fig. 1), in den peripheren Abschnitten dagegen schwächer, aber dennoch stark aus- gebildet. Bei Betrachtung von Schnitten, die in der üblichen Weise mit Hämalaun-Eosin gefärbt sind, tritt dem Beschauer die Kompliziertheit des Gewebes kaum zu Gesicht. Erst Anwendung von Elastinfärbung (auch van Gieson) lassen den wirren Aufbau mit aller Deutlichkeit hervortreten. Die elastischen Fasern, die im allgemeinen nicht dick, peripher aber feiner als zentral sind, durchziehen in verschieden 286 Alfred Trautmann dicken, breiten und langen Strängen das ganze Organ in vornehmlich frontalem Verlaufe in den allermannigfaltigsten Richtungen. Eine erhebliche Zahl elastischer Fasern hat einen mit der Längsachse des Zungenrückenknorpels parallel gerichteten Verlauf. Nur die Minder- zahl durchläuft schräg das Organ. Die elastischen Fasern zeigen innerhalb der Stränge wohl gebogenen, aber geradlinigen Verlauf und werden von sehr wenig Bindegewebe zusammengehalten. Sie bilden weniger Netze, sondern Fig. 1. durchkreuzen und über- kreuzen sich unter den verschiedensten Winkeln, indem dabei Teile eines Stranges in andere ab- biegen können, und sind infolgedessen geflecht- oder mattenartig dicht zusammengewirkt. Neben den hauptsächlich aus elastischem Gewebe be- stehenden Strängen kom- men allerdings mehr in der Peripherie des Organs, seltener zentral ver- schieden dicke Bündel von vorwiegend bindegewebi- gem Charakter vor, die Querschnitt aus dem zentralen Teil des oralen Abschnittes aber keine bestimmte Ver- des Zungenrückenknorpels. Photographie. Elastinfärbung ] fi . ht = k nach WEIGERT. Oben links und rechts mit Fettzellen unter- auistıchtung erkennen mischte größere Knorpelgewebsherde. lassen. In den Fächern, die von den sich über- kreuzenden und verbindenden, gröberen elastischen und binde- gewebigen Strängen ee aber von zarten einzeln verlaufen- den kollagenen Faserbündelchen oder elastischen Fasern in allen Richtungen durchzogen werden, liegen Fett- und Knorpelzellen. Der Gehalt an diesen beiden Zellarten schwankt individuell. Bei einem Tiere waren die Knorpelzellen außerordentlich reichlich in allen Gegenden vorhanden. Die Fettzellen lagern in allen Teilen des Organs, die Knorpelzellen dagegen lassen die peripheren Abschnitte gewöhnlich frei. Sie liegen entweder vereinzelt oder zu mehreren in Gruppen beisammen und unterscheiden sich in nichts von denen, Der Zungenrückenknorpel von Equus caballus. 287 die an anderen Körpergegenden gefunden werden. Vereinzelt liegen die Knorpelzellen auch in Reihen und zwar gewöhnlich dann in Bindegewebsbündeln, ein Verhalten, wie es für den Faser- knorpel ja bekannt ist. Auch in gleichförmiger Grundsubstanz lie- gende Knorpelzellen konnten beobachtet werden. Wir haben hier also ein Gewebe vor uns, das aus einem Gemisch von charakteristi- schem, allerdings keine wirklichen Netze bildenden elastischen, fibrö- sen und hyalinen Knorpelgewebe besteht mit der Eigentümlichkeit, daß Fettgewebe und, wie unten noch erwähnt, Muskulatur in das- selbe eingelagert, und es außerdem vaskularisiert ist. Durch das - Knorpelgewebe wird auch die Festigkeit des oralen Abschnittes des Zungenrückenknorpels bedingt und charakterisiert. An der oralen Ursprungsstelle sind auf etwa 1 em Länge Knorpelzellen im Zungen- rückenknorpel noch nicht auffindbar. Hier besteht das Gewebe des Organs aus dichten, in allen Richtungen verflochtenen Bindegewebs- bündeln mit weniger elastischen Fasern. Die Knorpelzellen zeigen auch das Ende des Körpers des Zungenrückenknorpels an, das ge- wöhnlich mit der makroskopisch sichtbaren Abschwellung desselben zusammenfällt. Verknöcherungspunkte, wie sie BRÜHL gefunden hat, sind mir in keinem Falle begegnet. In den vorderen Abschnitt des Zungenrückenknorpels sind auch mitunter kleinere oder größere Bündel quergestreifter Muskulatur ver- streut eingelagert. Dieselben haben immer einen mit der Längsachse des Organes parallel gerichteten Verlauf und sind gewöhnlich in den schleimhautseitigen Partien lokalisiert, selten liegen sie tiefer. Das Vorhandensein von Muskulatur im Zungenrückenknorpel scheint zum Gehalt an Knorpelzellen in Beziehung zu stehen. Es ist auch in der nächsten Nachbarschaft der Muskulatur typisches Knorpelgewebe an- zutreffen. Der aborale, fadenförmige Endabschnitt ist, soweit ich feststellen konnte, frei von Knorpelzellen. Er geht stellenweise mit der Propria mucosae einen so innigen Gewebsaustausch ein, daß er sich dann nicht immer, wie der vordere Teil, deutlich von der Schleimhaut im mikroskopischen Bilde abhebt. Mitunter wird das Endstück des Zungenrückenknorpels von der Schleimhaut durch Muskelbündel der Zunge, die sich zwischen beide schieben, getrennt. Es ist dann all- seitig von Muskulatur umgeben. Im Endabschnitt herrscht die binde- gewebige Struktur vor (Fig. 2). Die in das Bindegewebe eingelagerten elastischen Fasern sind in der Minderzahl. Die Bindegewebsbündel sind verschieden dick, sind aber nicht nach Art der Sehnen parallelfaserig 288 Alfred Trautmann angeordnet, sondern in allen Richtungen miteinander verflochten. Zwischen ihnen liegen stets reichlich größere und kleine Fettgewebs- nester. Das Ende des fadenförmigen Abschnittes des Zungenrücken- knorpels löst sich in einzelne Faserbündel auf, die bald in die Propria mucosae, bald in das intermuskuläre Bindegewebe ziehen, um sich dort zu verlieren. Ein nach jeder Richtung hin befriedigender Aufschluß über die Bedeutung des Zungenrückenknorpels des Pferdes wird erst nach der embryologischen Er- forschung des Gebildes gegeben werden können. Wie aus der Anatomie und Histologiegeschlossen werden kann, dient der recht kompliziert gebaute Zungenrückenknorpel des Pferdes einmal zweifellos als Insertionsorgan für gewisse Zungenmuskeln. Er übernimmt also für einen Teil der Muskeln des Zungenkörpers ge- wissermaßen die Rolle einer Mittelsehne. Weiter scheint derZungenrücken- knorpel bei dem beim Transport des Bissens bis Querschnitt aus dem aboralen Abschnitt des Zungenrücken- ZUM Racheneingang er- knorpels. Photographie. Hämalaun — van Gieson. An fi ] d A d fi k d der rechten unteren Seite sind die Enden von sich an Binde- 0 gen en Andrücken der gsewebsbälkchen des Zungenrückenknorpels anheftenden Zunge an den harten quergestreiften Muskelfasern sichtbar. Fig. 2. Gaumen der Zunge .als Stützmittel zu dienen, indem er ihre Druckkraft vermehrt. Er wird hierzu ganz besonders deswegen geeignet und imstande sein, weil er durch seine hohe Elastizität sich dem harten Gaumen gut anschmiegen kann. Ob wir beim Zungenrückenknorpel des Pferdes ein aus der Re- duktion von Skeletteilen der ursprünglichen Zunge entstandenes phylo- genetisches Gebilde, also eine der bekannten septalen bzw. rudimen- tären (Lyssa- usw.) Bildungen oder eine Neuerwerbung der Pferde- Der Zungenrückenknorpel von Equus caballus. 289 zunge vor uns haben, läßt sich auf Grund der vorliegenden Unter- suchungen nicht ohne weiteres entscheiden. Ohne hier vor Erledigung der embryologischen Untersuchung des Zungenrückenknorpels des Pferdes auf die phylogenetische Bedeutung desselben eingehen zu wollen, mag doch bemerkt sein, daß die Lage des Zungenrücken- knorpels in der Medianebene der Zunge also in der Ebene des Sep- tum linguae Beziehungen zu den septalen Bildungen anderer Tiere vermuten läßt, wofür auch zu sprechen scheint, daß strukturell eine weitgehende Übereinstimmung zwischen dem Zungenrückenknorpel des Pferdes und anderen spezifischen Zungenbildungen wie z. B. der Lyssa des Hundes besteht. Die wesentlichsten Unterschiede zwischen ersterem und letzterer beziehen sich auf die Lage. Sicher ist, daß trotz der verschiedenen Lage die genannten Zungenbildungen der Haustiere einander ähnliche Züge bei der Abwicklung der Gesamt- funktion der Zunge erkennen lassen, ‘wenn sie diese bei der Aufnahme, Verschiebung und Weiterbeförderung der Nahrung unterstützen. Auch der onto- und phylogenetisch anders zu beurteilende, von den sep- talen Bildungen ganz verschiedene Zungenrückenwulst der Wieder- käuer dürfte physiologisch von gleicher Bedeutung sein wie der Zungenrückenknorpel des Pferdes. Er dürfte als lokal differenzierter Teil der Schleimhaut des Zungenrückens funktionell ähnliche Wir- kungen wie der Zungenrückenknorpel des Pferdes ausüben und somit letzterem in gewisser Beziehung gleichzustellen sein. Die Formveränderung des Zungenrückens des Pferdes nach dem Tode, die sich in einer mehr oder weniger erheblichen wulstartigen Erhöhung des Zungenkörpers über die Zungenspitze präsentiert, ist aus seiner Struktur erklärlich. Sie wird hervorgerufen durch den stark elastischen Zungenrückenknorpel, der durch die nach dem Tode eintretende Entspannung einen Zug auf die sich ihm anheftenden Gewebsteile ausübt und dadurch die Gewebsteile des Zungenrückens im Bereich des Zungenrückenknorpels über die Zungenspitze empor- heben muß. ar + Tu Sriprrn |. > Me Bas $ ee N ae Sauhe AN ehe st Ba sa a HB Buß BIER «6 ER en erden ee > ne: Er ie “e A Bea. Rs Bee: EN Aal ie » ” r El het SER E% gi ER au Ws je ER la BT Kae BR: > #0 Er BR rör unge Beh Pr: u SE 3 Fir AL E SR Wer 7% et 3 x 4 rn vr ONE a En Ar ) RE Main Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. Von Gerhard Petersen, Assistent an der normal-anatomischen Abteilung der Königl. tierärztlichen und landwirtschaftlichen Hochschule zu Kopenhagen. (Vorstand: Professor Dr. med. S. Paulli.) Mit Fig. 1—31 und 52—53 im Text und Fig. 32—51 auf Tafel V-VI. Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung und Technik - .......%........ Gar ae SE a ae nr 291 1. Die erste Entwicklung des Vorderfußes. .. .. . EU NE NE 299 2. Die erste Entwicklung des Hinterfußes . . -- ... 2. 2 20% 309 3. Alizarinbehandelte Feten (die Verknöcherung) . . . » .».. 2. 22.2... 317 4. Die spätere Entwicklung des Fußes . . . . 2.22 22 2 nen. 319 Rolle E BE ae a a aA an Ka nn 321 Brreche: Mibbildungen u. 3 u.u) si Sn en lee ee 327 7. Zusammenfassung (im übrigen Resum& unter den einzelnen Abteilungen) 332 a Sa Lu 2 KR le Mn as Ra le ES DRS TEE KEHREEFEEHEN DET Bu Fr PER Ze 334 Für das Studium des Verwandtschaftsverhältnisses und der Ab- stammung der Wiederkäuer ist der Fuß von großem Interesse wegen seiner stufenweisen Umgestaltung, durch die er sich mehr und mehr von dem typischen Säugetierfuß entfernt. Die Aufmerksamkeit der Forscher nimmt nicht nur die gegenwärtigen Formen und die reichen paläontologischen Funde in Anspruch, sondern sucht auch von dem Satze aus, daß die Ontogenese die Hauptzüge der phylogenetischen Entwicklung abspiegelt, während der embryologischen Entwicklung Entwicklungsstufen und Bildungen zu finden, welche die ursprüng- licheren Verhältnisse vertreten, Verhältnisse, die sich bei dem erwach- senen Tier nicht wiederfinden und den Fuß dem typischen fünf- Morpholog. Jahrbuch. 51. 20 292 Gerhard Petersen zehigen Säugetierfuß nähern. An solchen transitorischen Bildungen ist eben der Wiederkäuerfuß reich. Dazu gehören in erster Reihe die kleinen Mittelfußknochen!, d. h. Metacarpale 2 und Metacarpale 5, Metatarsale 2 und Metatarsale 5, die bei außerordentlich vielen Formen, bei denen sie im erwachsenen Alter fehlen, während des embry- onalen Lebens in voller Ausdehnung angelegt und wieder resorbiert werden oder mit den großen Mittelfußknochen zusammenschmelzen. Wenn sich bei dem erwachsenen Tiere freie Reste davon erhalten, nennen wir sie Rudimente. Auch in der Fußwurzel treten einige von den Knochen transitorisch auf. Sie sind von Anfang an selb- ständig, verschmelzen aber später während des embryonalen Lebens “mit den übrigen Knochen oder werden davon aufgenommen. Bei der Verknöcherung können sie dann wieder eine kurze Zeit lang ihr Vorkommen durch die Entwicklung von selbständigen Knochen- kernen kundmachen. Auch das Vorkommen von atavistischen Mibß- bildungen ist von Interesse. Die Untersuchungen auf dem embryologischen Gebiete sind ge- ring an Anzahl und fragmentarisch. Die meisten davon stellen eigentlich nur das Vorkommen oder das Fehlen bestimmter Knochen fest und sind nicht detailliert. In betreff der wildlebenden Wiederkäuer be- ruht dieses natürlicherweise zum großen Teil auf der Schwierigkeit der Beschaffung von Feten von angemessener, geringer Größe, aber auch bei den Haussäugetieren (Rind, Schaf, Ziege), wo die Beschaf- fung der erwünschten embryonalen Stadien namentlich durch das wertvolle Mitwirken der Schlachthäuser doch ermöglicht ist, läßt die Kenntnis der Fußentwicklung noch sehr viel zu wünschen übrig. Von Gesamtuntersuchungen haben wir eigentlich nur ROSENBERGS Untersuchungen über den Fuß des Schafes nebst einer kurzen Be- merkung über den Fuß des Rindes. Ferner finden wir bei verschie- denen Verfassern Beschreibungen von einzelnen, zufälligen embryonalen Stadien zahmer und wildlebender Wiederkäuer. Ich habe daher die Untersuchung derjenigen Verhältnisse des Fußes des Rindes, die für die vergleichende Anatomie von besonderem Interesse sind, speziell die Entwicklung des Fußskelettes, einer Gesamtuntersuchung unter- zogen. Die gegenwärtigen Paarhufer zerfallen eigentlich durch Unter- 1 Unter dem Ausdruck Fuß verstehen wir sowohl Vorderfuß als Hinterfuß. Mittelfuß bezeichnet also sowohl Metacarpus als Metatarsus, Fußwurzel so- wohl Carpus als Tarsus. Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 293 schiede im Bau des Kraniums, des Magens und der Glieder in zwei Gruppen, die Schweinegruppe und die Wiederkäuergruppe Die erstere steht dem gewöhnlichen Säugetiertypus am nächsten, die Wiederkäuer haben sich dagegen in allen drei Beziehungen stark spezialisiert. Sie lassen sich jedoch durch fossile Funde auf nahe- stehende Stammformen zurückführen, wie man auch fossile Über- gangsformen findet. Aber auch unter den gegenwärtigen Paarhufern finden sich Formen, die in gewissen Beziehungen den Übergang zwischen den beiden Gruppen bilden. So stehen die Traguliden in betrefi' des Baues des Fußes (vollständige Entwicklung des 2. und 5. Mittelfußknochens, kein oder ein spätes Verschmelzen der großen Mittelfußknochen) auf einer ursprünglicheren Stufe als die übrigen Wiederkäuer. Innerhalb der Schweinegruppe kommen dagegen im Bau Züge vor, die man sonst nur bei den Wiederkäuern vorfindet. So vereinen sich Mt3 und Mt4 bei Dicotyles torquatus zu einem einzelnen Knochen, und Mt5 ist auf einen mit Mt4 verschmelzenden Stummel beschränkt. Der Fuß des Schweins wird daher beim Stu- dium des Wiederkäuerfußes als Vergleichsobjekt angewandt. Im Bau des Fußes liegen die Verschiedenheiten namentlich in der zunehmenden Reduktion der 2. und 5. Zehe bei den Wieder- käuern und der daraus folgenden Anpassung der Fußwurzel. Ferner zeichnen sich die Wiederkäuer im Vergleich mit dem Schwein durch stark ausgeprägte Neigung zu Verschmelzung, Koaleszenz! der Kno- chen in Fußwurzel und Mittelfuß aus. Bei Swidae sind alle Knochen des Fußes voneinander getrennt mit Ausnahme der bei allen Säugetieren durch Konnaszenz verbundenen C4 und C5, T4 und T5. Das Centrale fehlt an der Vorderglied- maße. Die proximale Karpalreihe besteht: aus Radiale, Intermedium und Ulnare, daran schließt sich das Pisiforme an. Die distale Karpal- reihe besteht aus C 1, C2, C3 und C4-+5. Der Metacarpus be- steht aus Me 2, Me 3, Me 4 und Me5; davon sind die beiden mitt- leren am kräftigsten entwickelt und tragen die Großzehen, während | Me 2 und Me 5 bedeutend schwächer, etwa !/, kürzer sind und die Nebenzehen tragen. Me 1 läßt sich nach G. Baur beim Schwein in ı Darunter verstehen wir die Verschmelzung von Skeletteilen während des embryonalen Lebens. Der Ausdruck Konnaszenz wird angewandt, wenn Skeletteile (z. B. C4+-5) tatsächlich mehr als ein Stück enthalten, ohne dal sich aber das Verschmelzen direkt nachweisen läßt. Agenesie bezeichnet, daß ein Skeletteil nicht mehr angelegt wird. 20* 294 Gerhard Petersen einem ganz frühen Stadium nachweisen, noch bevor sich in den. Knochen des Fußes Knorpel gebildet hat. Er fand es als einen kleinen Zellenhaufen an einem 18 mm langen Embryo. In den Neben- zehen finden sich 3 Knochen. In der Hinterfußwurzel finden sich 2 Knochen in der proximalen Reihe, Talus und Calcaneus, in der distalen Reihe 4, Tarsale 1—5. Medial im Tarsus zwischen den beiden Reihen findet sich ein Centrale. Mittelfuß und Zehen wie an der Vordergliedmaße. Bei den Wiederkäuern, Ruminantia, verhält sich die proximale Reihe der Fußwurzel wie beim Schwein; das Centrale fehlt im Carpus. In der distalen Karpalreihe fehlt C1 bei einigen, findet sich aber bei anderen. C2 und C 3 verschmelzen (mit Ausnahme der Tylo- poda). Im Tarsus findet sich T1 bei allen, T2 und T3 verschmelzen, das Centrale verbindet sich mit T4+5 (mit Ausnahme der Tylo- poda. Im Mittelfuß kommen nie mehr als 4 Mittelfußknochen (Nr. 2—5) vor. Die beiden mittleren sind am kräftigsten entwickelt und verbinden sich (mit Ausnahme des Hyaemoschus) miteinander zur Bildung eines doppelten Knochens, Os du canon, Canon, der doch stets 2 freie Gelenkrollen zur Verbindung mit den Großzehen hat. Der 2. und 5. Mittelfußknochen unterliegt dagegen einer größeren oder geringeren Reduktion und hat oft keine Verbindung mit den Nebenzehen. Rudimente der Mittelfußknochen werden Griffelbeine, Ossa ealamiformia, genannt. BoAs hat durch vergleichende Unter- suchungen dargetan, daß das proximale Ende von Mt2 und Mt5 bei den typischen Wiederkäuern mit den großen Mittelfußknochen zusammenwächst. Die Nebenzehen enthalten 1—3 Knochen und fehlen bei den gegenwärtigen Kameliden und Giraffen ganz. Bei Hyaemoschus aquatieus sind Me3 und Me4 vollständig getrennt, während Mt3 und Mt4 verschmolzen sind. Die kleinen Mittelfußknochen sind in ihrer ganzen Länge entwickelt und in Ver- bindung mit den Nebenzehen. Bei Tragulus verhalten die kleinen Mittelfußknochen sich wie bei Hyaemoschus. Mc3 und Me4 ver- schmelzen spät. Die verbundenen T2 und T3 verwachsen mit dem proximalen Ende von Mt3 (BoaAs). C1 liegt vor. Die Nebenzehen enthalten 3 Knochen. i Bei Cervidae fehlen freie kleine Mittelfußknochen im Hinterfuße. In der Vordergliedmaße ist der mittlere Teil der kleinen Mittelfuß- knochen stets verschwunden, zugleich fehlt entweder das proximale oder das distale Ende. Bei einigen Hirscharten, Telemetacarpalia, die zum größten Teil der neuen Welt angehören, finden sich nur Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 295 untere Griffelbeine, die dann mit den Nebenzehen Verbindung haben. Die übrigen Hirscharten sind plesiometakarp, d.h. wie die übrigen Pecora mit oberen Griffelbeinen versehen und gehören der alten Welt an. Im übrigen betrachtet man die Plesiometacarpalia, von denen die Cavicornia wahrscheinlich abstammen, als jünger als die Tele- metacarpalia. Sowohl obere als untere Griffelbeine fanden sich in der Eozänperiode bei Gelocus und können als individuelle Abweichung bei Cervus alcees vorkommen (BrAnpr). Bei dieser Form, die telemeta- karp ist und als sehr alt betrachtet wird (Vorkommen von C 1), und bei einzelnen anderen Formen kann man ab und zu (ROSENBERG, LEUTHARDT) proximale Spuren von Mt2 und Mt5 als ein mit dem doppelten Mittelfußknochen an jeder Seite verwachsenes Knochen- blatt nachweisen. Bei einem Embryo von C. alces, der von RosEN- BERG untersucht wurde, war das dünne zylindrische Mt2 proximal mit Mt3 verschmolzen; das sehr bedeutende Mt5 hatte sich noch nicht an Mt 4 angelegt. G. Baur hat einige Embryos von Hirschen untersucht. An einem Embryo von C. elaphus oder dama von 90 mm waren Mc2 und Me 5 in ihrer vollen Länge vorhanden; die mittlere Partie davon war im Schwinden begriffen. Me3 und Mc4 waren im Begriff zu ver- schmelzen. C1 findet sich bei einigen Hirscharten, fehlt bei anderen. Die Nebenzehen enthalten 3 Knochen. Boas stellt für die Abstammung der Wiederkäuer folgende Reihe auf: Lophiomeryz (Seitenzweig Tragulus), Gelocus, Urhirsch (Seiten- zweig telemetakarpe Hirsche), plesiometakarpe Hirsche, Antilocapriden, - Cavieornia, Bei Cavicornia finden sich nur obere Griffelbeine. Der Hinter- fuß weist keine Spur von Mt2 und Mt5 auf. CI fehlt. Bei den Antilopen sind die Rudimente der kleinen Mittelfußknochen lange, schlanke, dünne Knochen, die sich dicht an die lateralen Ränder des doppelten Mittelfußknochens anlegen und sich damit durch Binde- gewebe verbinden. Ich habe den Mittelfuß an 3 Skeletten unter- sucht: 1) Procapra gutturosa, Kalb, linke Vordergliedmaße. Me 3 und Mc4 sind proximal noch nicht ganz verknöchert. Me2 und Me5 sind als 2 lange, sehr dünne, verknöcherte Knochen mit einem kurzen, knorpeligen proximalen Ende entwickelt. Distal setzen sie sich in einem Bindegewebszug fort, der sich nicht bis zu den Neben- zehen verfolgen läßt. Med reicht proximal etwas höher als Mc2; keins davon erreicht aber die proximale Fläche des doppelten Mittel- 296 Gerhard Petersen fußknochens. Dieser ist 12,5 cm lang, Me5 8 cm, Me2 7,3 cm. Die Hintergliedmaße weist keine Spur von Mt2 und Mt5 auf. — 2) Procapra gutturosa, älter. Me3 mißt 17 cm, Me2 10,3 em und be- ginnt 1,3 cm unten an Me3. Me5.ist 10,6 cm lang und beginnt 4 mm unter der proximalen Fläche von Mc 4. — 3) Bandantilope. Me 3 mißt 13,5 cm, Me2 7 cm und Me5 8 cm. Beim Schaf erstreckt sich der äußere kleine Mittelfußknochen fast ganz his zur Mitte des doppelten Mittelfußknochens hinab und ist sehr dünn. Mitunter finden wir einen kleinen, dünnen Knochen an der Stelle, wo ein innerer, rudimentärer Mittelfußknochen zu suchen wäre; er reicht aber nicht so weit hinauf wie der äußere (BEnDzZ). ROSENBERG und G. Baur untersuchten Embryonen von Schafen und stellten Agenesie von C 1 (Trapezium) und Mel fest. Me 2 und Mc5 sind in frühen Stadien in ihrer ganzen Ausdehnung angelegt und setzen sich ohne Unterbrechung in die Zellenmasse hinein fort, aus der späterhin die Knochen der Nebenzehen angelegt werden. Es werden die 2. und 3. Phalanx angelegt, bei erwachsenen Tieren findet sich nach BEnpz nur die 3. Phalanx. In der Hintergliedmaße fand sich keine Spur von Mt1. Mt2 und Mt5 kommen vorüber- gehend zur Entwicklung. Sie differenzieren sich etwas später als Mt3 und Mt4. Proximal erreichen sie, während die distalen Par- tien schon früh reduziert werden, eine bedeutende Entwicklung und verschmelzen dann mit Mt3 und Mt4. Nach G. BAaurs Untersu- chungen sind an einem Embryo von’ 18 mm Mc3 und Mec4 vollständig getrennt. C2 artikuliert mit Me2 und ist ohne Artikulation mit Me3. In dem nächsten Stadium (Embryo von 20 mm) ist C2 näher an C 3 herangerückt, und Mc3 hat sich proximal ausgebreitet, so daß Ü2 teilweise darüber hinliegt. Dieser Vorgang ist an einem Embryo von 24 mm weiter vorgeschritten, und an Embryonen von 26 mm beginnt das Verschmelzen von C 2 und C3. An einem Embryo von 75 mm sind C2 und © 3 vollständig verschmolzen und artikulieren allein mit Me3. Beim Rind findet sich ein kurzes, kegelförmiges Rudiment von Mc5 außen am Vorderfuß. Es bildet proximal ein straffes Gelenk mit Me4 und reicht nicht bis an dessen proximale Gelenkfläche. Von Me2 kann mitunter ein kleines, dünnes Rudiment vorkommen, das in der Gestalt eines kurzen, zylindrischen Stabes, der proximal nicht so weit hinanreicht wie Med, in der Regel knochenhaft mit Mc3 zusammengewachsen ist. Am Hinterfuß kommen freie, rudi- mentäre Mittelfußknochen nie vor. Wenn ELLENBERGER und BAUM Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 297 einen »plattrundeligen, knopfförmigen, medialen Nebenmittelfußkno- chen, Mt2« beschreiben, so liegt eine Verwechslung mit einem so- wohl beim Schweine als bei Wiederkäuern konstant vorkommenden Sesambeine vor, das im M. interosseus medius gebettet mit einer sich plantar an Mt 3 befindenden kleinen Gelenkfläche artikuliert. ROSENBERG untersuchte einige embryonale Stadien und sagt, daß alle wesentlichen Verhältnisse mit den Verhältnissen beim Schafe übereinstimmen. Genauere Angaben finden sich nicht bei ihm. G. Baur untersuchte den Carpus einiger Rinderembryonen. Der jüngste davon, 16 mm groß, war zu jung in betreff der Skelettent- wieklung. Der nächste war 3l mm lang. Seine Erklärung, daß es eigentlich nie zu einer direkten Artikulation zwischen © 2 und Me 3 kommt wie beim Schafe, da C 3 einen Fortsatz zwischen C 2 und Me3 hineinsendet und dadurch die Artikulation hindert, und ferner, daß C 2 und © 3 zusammenschmelzen, ohne einen eigentlichen Anteil für die Artikulation mit Me 3 abzugeben, wird durch meine embryo- logischen Resultate (Serie und Modell B) widerlegt. METTAM untersuchte einzelne Stadien der Entwicklung des Fußes und teilt einige Querschnitte (photographische Aufnahmen) der 4 Mittel- fußknochen sowohl des Vorderfußes als des Hinterfußes mit. Die verbreitete Ansicht (BRAnDT, LEUTHARDT, METTAM, viele Lehr- und Handbücher), daß Me 2 mit dem »Canon« verschmilzt und in die Bildung desselben aufgeht, kann ich embryologisch nicht be- stätigen. LEUTHARDT bringt eine Unzahl von Tafeln mit Abbildungen des Fußes verschiedener Ungulaten. Eigene Untersuchungen des Fußskelettes des Rindes. Zu dem embryologischen Teil der Untersuchung wurde eine Serie von Rinderfeten verwendet, deren Größe von 3 cm bis auf 38 cm Scheitelsteißlänge schwankte. Es wurden teils frische Feten, teils solche angewandt, die kürzere oder längere Zeit hindurch in Alkohol aufgehoben worden waren. Der Fuß einiger davon, Vorder- ‚fuß und Hinterfuß desselben Embryos, wurde nach Stückfärbung und Einschmelzung in Paraffin in Serienschnitte geschnitten. Zur Fär- bung der kleinen Feten wurde Hämatoxylin (3—4 Stunden) ange- wandt, zu der der großen Hämalaun (etwa 48 Stunden). Von einer einzelnen Ausnahme abgesehen, wurden Querschnitte angewandt, die 10 «u und 20 « diek waren. 298 Gerhard Petersen _ Übersicht über die Sehnittserien: Länge des Embryos Vorderfuß Hinterfuß Serie Nr. Modell 3 em 4 mm 4mm AundAp AundAp 42 >» > G b » 6 > 1 B und Bp B 6,6 >» 10 » 11 » C und Cp Cp 9,2 >» 17.» 185 » D und Dp D 11,5 » 25 >» 26 » E und Ep E 13,5 >» 28. » 34 » Found Fp Die Rekonstruktionen wurden mittelst Zeichenprisma in Karton ausgeführt; alle Modelle 27,5mal vergrößert im Verhältnis zur natür- lichen Größe. Außerdem wurde eine große Anzahl von Feten mit Alizarin ge- färbt. Dieser Stoff färbt nur die verknöcherten Teile des Skelettes. Die Färbung wurde nach einer mir von Professor Dr. phil. A. BrınK- MANN, Bergens Museum, gütigst mitgeteilten Methode (Modifikation von LunpvaArs Verfahren) ausgeführt. Man färbt ganze Feten, wenn sie klein sind, oder isolierte Stücke in einer sehr verdünnten Lösung von Alizarin in Spiritus oder destilliertem Wasser. Die Lösung muß dünn sein, um eine Mitfärbung von Knorpel oder sonstigen Geweben zu verhüten. Einer Lösung von sublimiertem Alizarin in starkem Alkohol werden 25—50 Tropfen zu 50 cem Alkohol oder destilliertem Wasser entnommen. Einige Feten färben sich am besten in Alkohol, andere im Wasser. Ich erzielte stets Färbung mit der wässerigen Lösung, nur selten mit der spirituösen. Nach meinen Erfahrungen müssen formolerhärtete Feten vor der Färbung vom Formol befreit werden, da sie sonst zur Färbung der Haut geneigt sind. Die Fär- bung wird tagelang oder wochenlang fortgesetzt, bis die Farbe hin- länglich intensiv geworden ist, dann werden die Feten in Alkohol hinübergebracht. Nach der Färbung klärte ich die sagittal durch- schnittenen Feten in Benzol nach LuxpvALs Verfahren und ver- wahrte sie in Schwefeläther, Pfefferminzöl, Benzol. Die Färbung scheint hierbei etwas abzunehmen, darauf hält sie sich aber (ich hatte die Präparate über ein Jahr stehen). Zur Untersuchung wurde ferner das Material unseres normal- anatomischen und teratologischen Museums von skelettierten Feten und mazerierten Skeletten angewandt, und schließlich wurde mir in zuvorkommendster Weise von Herrn Prof. Dr. phil. J. E. V. BoAs zoologisches Material (aus dem zoologischen Museum unserer Hoch- Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 299 schule) und von Herrn Prof. A. F. FöLGEr Füße mit Syndaktylie (aus der pathologisch-anatomischen ie unserer Hochschule) zur Verfügung gestellt. 1. Die erste Entwicklung des Vorderfußes. Schnittserie A. Rinderembryo 3 cm. Linke Vordergliedmaße. Textfig. 1—7. Taf. V, Tafelfig. 32—33. Die Serie beginnt distal am Unterarm. Radius und Ulna sind knorpelig differenziert mitrecht großer Entfernung voneinander, Radius größer als Ulna, die nicht so weit distal knorpelig differenziert ist wie ersterer. Am distalen Ende der beiden Knochen hört der Knorpel ohne bestimmte Grenze auf und setzt sich in die Zellenmasse fort, in welcher die Knochen der Fußwurzel entwickelt sind. In der proximalen Karpalreihe sind Radiale, Intermedium und Ulnare knorpelig differenziert. Sie sind je von einer dichten Schicht Zellen umgeben, die sich ohne Grenze proximal in Radius und Ulna und distal in die Zellenschicht um die Knochen der distalen Reihe fortsetzen. Pisi- forme ist als Zellenhaufen lateral und volar von Ulnare ersichtlich. Es findet sich in demselben eine eben nur beginnende knorpelige Differenzierung. Eine Spur eines Centrale ist nicht ersichtlich. In der distalen Karpalreihe ist C2 als kleiner Knochen medial von C3 differen- ziert. Er ist volar am breitesten, wo er am nächsten bei Ü 3 liegt, und spitzt sich dorsal ein wenig zu. C3 ist bedeutend größer, mit einer ebenen Fläche lateral und volar und einer bogenförmigen dor- salen Fläckee C4-+5 ist der größte Knochen in der distalen Reihe. An dem distalen Teil von C4 +5, in der Nähe der lateralen, volaren Ecke, findet man einen kleinen Zellenhaufen mit eben eingeleiteter Knorpelbildung zentral in Verbindung mit dem Perichondrium von C4+5. An den folgenden Schnitten weist der Zellenklumpen keine Knorpelbildung auf und setzt sich direkt in den Zellenstrang fort, in welchem Me5 sich differenziert!. Es findet sich keine Spur von C 1. Beide Karpalreihen bilden einen schwachen dorsalen Bogen. Schnitte von Metacarpus ganz proximal zeigen die wohl ditfe- renzierten Me3 und Mec4 vollständig getrennt, auch mit dem Peri- ı Ein Vorderfuß eines Rinderfetus von 4,2 cm (Serie G), der auf dieses Verhältnis hin untersucht wurde, wies denselben Zellenklumpen in innerlicher Verbindung mit C4+5 auf. 300 Gerhard Petersen chondrium. Sie haben eine ebene Fläche gegeneinander und sind im übrigen abgerundet, zunächst gleich groß. In einiger Entfernung davon sieht man Mc2 und Me5 als2 kleinere Schnitte. Sie reichen “ proximal eben so weit hinan wie Mc3 und Me4, weisen aber in dem proximalsten Teil keine Knorpelbildung auf; doch zeigt Me 5, wie oben erwähnt, beginnende Knorpeldifferenzierung in dem Teil, der an C4-+-5 anliegt. Eine kleine Strecke nach unten zeigen sich die 2 Mittelfußknochen als Zellenstränge mit einem zentralen, Fig. 1—7. ul Ta es DINO O & p>M ars 445 3 445 3 ee BR, 2 vr V N A V°ı Vo @ Ber I vo oU Querschnitt des Vorderfußes. a Radius; «2 Ulna; » Radiale; © Intermedium; « Ulnare; p Pisiforme. Carpalia werden ällein durch arabische Ziffern, Metacarpalia allein durch römische Ziffern bezeichnet. 27,5/1. knorpeligen Teil. Me3 nimmt ein wenig weiter nach unten eine schiefe, viereckige Gestalt an. und ist breiter und tiefer als Me4. Letzteres ist zunächst dreieckig, indem der dorsale Teil davon be- deutend schmäler ist als der entsprechende Teil von Mc3. Distal weichen Me3 und Mc4 etwas voneinander hinweg und bilden je eine Gelenkrolle, noch ohne Bildung von Gelenkkämmen. Die Knorpel- bildung ist hier nicht so vollständig wie proximal, indem der Knorpel ohne bestimmte Grenze in das Perichondrium übergeht. Volar von den Gelenkrollen sehen wir eine dichte Anhäufung von Zellen. Darin differenzieren sich später die 4 Sesambeine zu den Fesselgelenken. In dem stark plattgedrückten und finnenartigen Fuß entfernen a nun 20, an Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 301 sich die beiden kleinen Mittelfußknochen mit ihren distalen Teilen weit von den beiden großen. Das distale Ende von Me 2 und Me5 weist keine Knorpelbildung auf und geht ohne Grenze in die dichten Zellenhaufen der Nebenzehen über, in welchen die Knochen der Nebenzehen sich später differenzieren. Me5 ist etwas dicker als Me2 und mißt etwa !/;, des Durchmessers von Me4. In den Großzehen findet sich ein dichter Zellenstrang, mit be- ginnender Differenzierung der beiden proximalen Phalangen. Die Knorpelknochen des Fußes differenzieren sich also in konti- nuierliche Zellenstränge und liegen zu Anfang mit großen Zwischen- räumen darin eingebettet. Die Knorpelbildung beginnt zentral in den Strängen und setzt sich teils nach den Seiten hin, teils proxi- mal und distal fort. Aus der äußersten Schicht der Zellenstränge bildet sich das Perichondrium. Die Knorpelbildung im Fuße schreitet von proximal her vor; die proximalen Knochen des Fußes sind besser differenziert als die distalen. Mel wird nicht angelegt. ModellA. In der aus der Serie hergestellten Rekonstruktion sind die knorpeligen Teile dargestellt. Die Gestalt der Knochen ist nur wenig ausgeprägt. Sie sind alle mehr oder minder plump. Zwischen ihnen finden sich große Spalträume. Der Radius breitet sich in seinem distalen Teil stark aus, wo er sich mit einer Ver- längerung über das Intermedium und etwas vom Ulnare hinschiebt. Radiale, Intermedium und Ulnare bilden einen schwachen dor- salen Bogen, das Radiale ist am höchsten in dem volaren Teil, das Intermedium breitet sich nach hinten aus, das Ulnare sendet vom _ volaren Teil eine kurze Verlängerung distal aus. Das Pisiforme ist ein kurzer, plumper Knochen, der distal nicht so weit reicht wie das Ulnare, wovon er durch einen verhältnismäßig breiten Zwischen- raum getrennt ist. In der distalen Reihe artikuliert C2 proximal mit dem Radiale, lateral mit C3. Es liegt proximal von Me2 und reicht nicht über Mc3 hinaus. O3 ist ein großer Knochen, der proximal mit dem Radiale und der Hälfte des Intermediums arti- Kuliert. Distal artikuliert er mit Me3 und hat denselben Umfang wie dieses. C4 +5 ist ein wenig größer und zugleich höher als C 3 und artikuliert proximal mit Intermedium und Ulnare, distal mit Mc 4 und verbindet sich ferner durch eine kleine, distal und lateral gerichtete Fläche mit Med. i Bei Schwein und Tragulus bildete C4+5 eine schräge, lateral-distale Gelenkfläche für Me5, das sich dadurch lateral von C4-+5 ein wenig hinan- schiebt. 302 Gerhard Petersen Me3 und Mec4 sind als 2 gleich große, plumpe Knochen er- sichtlich, die vollständig voneinander getrennt sind. Sie sind ver- hältnismäßig kurz (22 mm, Carpus 17 mm hoch) und artikulieren proximal bzw. mit C3 und C 4 +5. Ihr distaler Teil breitet sich stark aus. In ihrer Verlängerung sieht man 2 plumpe Zehen- knochen. Me2 ist ein dünner, stabförmiger Knochen medial und volar von Me 3; proximal artikuliert er mit O2. Me5 ist ein wenig schwerer und ein wenig länger. Der proximale Teil davon ist ab- gespaltet und verbindet sich mit 04-5. Die kleinen Mittelfuß- knochen entfernen sich distal stark von den großen Mittelfußknochen, wie beim Schwein. Die knorpeligen Teile von Mc2 messen 17 mm, die von Me5 20 mm, während Me3 und Mc4 am Modell 22 mm lang sind. Der 3cm lange Rinderfetus weist also eine verhältnismäßig primitive Zusammensetzung des Fußskeletts auf, das nicht wenig an das des Schweins erinnert. Dies zeigt sich auch in der Lagerung der Karpalknochen über den Metakarpalknochen. Wir können diesbe- züglich sogar nicht einmal bei dem Karpus des erwachsenen Schweins Halt machen, sondern müssen auf junge embryonale Stadien oder bis auf den des Hippopotamus zurückgehen. So fand G. Baur an einem Schweinefetus von 2cm C2, wie in der Serie A, nur distal mit Me2 artikulierend. Dies ist auch der Fall bei Hippopotamus, während Mc3 sich bei dem erwachsenen Schwein proximal ausge- breitet hat, so daß es nicht nur mit C3 artikuliert, sondern sich auch unter den größten Teil von C2 ausgebreitet hat, und Me 2 ist derart zur Seite gedrängt worden, daß es nur eine kleine Artikulationsfläche an C2 findet. Beim Schwein kann man ferner im embryonalen Leben dieselbe vorschreitende Dominanz von Me3 und Mec4 finden, die KowaLovskY (wie G. Baur hervorhebt) aus seinem paläontologischen Material phylogenetisch festgestellt hat (das Choerotherium entspricht den jüngsten embryonalen Stadien, der Paläochorus den älteren embryonalen Stadien, und zuletzt wird stufenweise die Form bei dem erwachsenen Schwein erreicht). Wie aus dem Folgenden zu ersehen sein wird, macht der Fuß des Rindes während des embryonalen Lebens eine noch größere und durcehgreifendere Umgestaltung durch, die ihn noch mehr als den Schweinefuß vom typischen Fuß: entfernt. Serie B. Rechter Vorderfuß eines Rinderembryos 5 em. Textfig. 8-12. Taf. V, Tafelfig. 36— 37. Das distale Ende von Radius und Ulna ist wohl differenziert, Untersuchungen über das Fußskelett des Rinde». 303 und die beiden Knochen liegen dicht aneinander, je von einem sehr zellenreichen Perichondrium umgeben. In der proximalen Karpal- reihe sind Radiale, Intermedium und Ulnare wohldifferenziert, von einem zellenreichen Perichondrium umgeben und voneinander und den proximalen und distalen Knochen durch ein lockeres, weniger zellen- reiches Gewebe getrennt. Lateral und volar schließt sich das Pisi- forme an das Ulnare an. Es ist noch nicht von dem Perichondrium ganz differenziert und liegt in recht großer Entfernung vom Ulnare. In der distalen Reihe sind C4-+ 5 und C3 als zwei zunächst viereckige Knochen mit einer ebenen Fläche gegeneinander er- sichtlich. Medial ist C2 mit C3 im mittleren Teil verbunden, Fig. 8—12. ROTEN oo, 98 [0] » Radiale; i Intermedium; « Ulnare; p Pisiforme; db Knochen einer Nebenzehe, Die Carpalia werden durch arabische Ziffern allein, die Metacarpalia durch römische Ziffern allein bezeichnet. 27,5/1. dagegen nicht proximal noch distal. Von volar her zieht auch ein Einschnitt zwischen sie hinein. Von einer Gelenkhöhlenbildung im Carpus ist noch keine Rede. Lateral vom distalen Teil von C4+5 sehen wir einen kleinen knospenförmigen Vorsprung, der als das mit C4-+-5 verschmolzene proximale Ende von Me5 zu deuten ist. In Serie A fand sich in diesem Teil beginnende Knorpelbildung, dagegen nicht in dem folgenden Teil, der in Serie B ganz ver- schwunden ist. Im Mittelfuß sind Me 3 und Me 4 an einer ganz kurzen Strecke proximal_ verbunden. Weiter unten sind sie getrennt. An einer Strecke haben sie aber gemeinsames Periehondrium an den benach- barten Flächen. Me5 tritt als Zellenstrang am lateral-volaren Rand 304 Gerhard Petersen vom Mc4 hervor, wird jedoch schnell knorpelig. Der Querschnitt davon ist dreieckig. Me 2 beginnt ein wenig weiter distal mit einem Zellenstrang medial von Mc3. Auf einer kurzen Strecke ist es darauf knorpelig und tritt dann in einer Anzahl von Schnitten wieder als Zellenstrang hervor. Das größere distale Stück ist darauf wieder knorpelig. Me 2 ist kleiner im Querschnitt als Me 5, das in seinem proximalen Teil besonders kräftig ist. Keiner von den kleinen Mittel- fußknochen reicht bis an das Niveau der großen; ihr proximales Ende ist resorbiert oder im Wachstum zurückgeblieben. Von den kleinen Mittelfußknochen kann man noch einen Zellenstrang in die Nebenzehen hinab verfolgen, in denen ein Knochen knorpeldifferen- ziert ist. Es liegt eine beginnende Differenzierung der Sesambeine zum Fesselgelenk vor. Me3 und Mc4 sind 2720 u lang, Me5 1440 u und Me2 1220 u. In Modell B sind die Knochen der proximalen Karpalreihe wohl ausgeformt und haben beinahe ihre endgültige Form angenommen. Das Pisiforme ist jedoch etwas zurück und ist nicht ganz bis ans Ulnare herangerückt. In der distalen Reihe ist C 4 + 5 am höchsten und ragt noch ein wenig lateral-volar über Me4 hinaus. C3+2 ist niedriger, aber viel breiter, und der von Ü2 stammende, durch einen Einschnitt von distal her erkennbare Teil ist noch nicht über Me 3 hinausgerückt, ist aber damit im Begriff. Er bildet noch eine Artikulationsfläche für Me2, das indessen nicht so weit hinan- reicht. Me3 und Me4 sind besser ausgeformt als in dem vorigen Modell. Das proximale Ende von Me4 breitet sich aus, namentlich lateral. Me3 breitet sich stärker aus an dem proximalen Ende. Die Ausbreitung ist auch hier namentlich eine laterale. Proximal an der dorsalen Fläche findet sich eine kleine Beule, die Muskel- spur von M. extensor carpi radialis. Die Knochen sind noch dick und plump. Es sind an den Gelenkrollen Gelenkkämme gebildet. Me2 besteht aus einem kurzen proximalen und einem langen distalen Stück. Me5, das höher oben beginnt als Me2, legt sich mit seinem proximalen Teil, der der kräftigste Teil ist, dieht an Mc4 an. Dieses Stadium ist eine interessante Mittelstufe der Entwicklung und ähnelt in mehreren Beziehungen einem Tragulusstadium. Die verbundenen C 2 und C 3 ragen mit einem volar-medialen Teil inner- halb Mc3 mit einer Artikulationsfläche für Me2. C4-+5 ragt volar-lateral mit einer Artikulationsfläche für Me5 hinaus. Me3 hat den größten Teil der Unterstützungsfläche übernommen. Ferner Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 305 reichen die kleinen Mittelfußknochen bis gegen die Gelenkrollen hinab, jedoch nicht so weit wie bei Tragulus. Serie ©. Rechter Vorderfuß eines Rinderembryos, 6,6 cm. Fig. 13—16. Sämtliche Knochen des Fußes sind nun wohldifferenziert. Sie liegen dicht aneinander, und es haben sich Gelenkhöhlen gebildet. C2 ist ganz mit © 3 verschmolzen, jedoch kann man noch den von - C2 stammenden Teil von Ü2 +3 als kegelförmigen, an der Basis ein wenig eingeschnürten Vorsprung erkennen, der den medial-volaren Teil dieses Knochens bildet. C2 ist nun ganz über Mec3 hinaus- gerückt, das eine Kante unter dasselbe hinein gebildet hat. Fig. 13—16. oO h) S “R Ss 8) b Knochen einer Nebenzehe; s Sesambein zum Fesselgelenk. Die Carpalia werden durch arabische Ziffern allein, die Metacarpalia durch römische Ziffern allein bezeichnet. 27,5/1. 109 oV Me 3 und Me 4 sind knorpelig proximal verbunden. Ein wenig über der Grenze zwischen dem proximalen und dem mittleren Drittel beginnt eine periostale Verknöcherung, und kurz darauf ist Endo- chondralverknöcherung ersichtlich, die ungefähr an der Mitte der Knochen aufhört. Darauf hört auch die periostale Verknöcherung auf. Me5 tritt proximal als großer dreieckiger Querschnitt hervor. Distal ist es rund. Es erstreckt sich knapp bis an die Mitte von Mc 4. Mc 2 besteht aus 2 Stücken, einem proximalen kurzen Stück, in welchem der Knorpel fast ganz resorbiert und das Perichondrium 306 Gerhard Petersen gleichsam zu einem Strang zusammengezogen ist, und nach einem Zwischenraum einem längeren distalen Stück. Dies ist dünner als Mec5 und bildet in dem proximalen Teil den Sitz einer Resorption, indem der Knorpel teilweise verschwunden ist (es sieht aus, als wäre der Knorpelstab aus dem Perichondrium herausgezogen und als wäre dieses darauf zusammengefallen). Auf der Höhe der Grenze zwischen dem proximalen und dem mittleren Drittel des Mittelfußes hört Me 2 -mit einem kurzen Strang ohne Knorpel auf. Es findet sich keine Verknöcherung in den kleinen Mittelfußknochen. Die Sesambeine zum Fesselgelenk sind differenziert, aber in ihrer Entwicklung etwas hinter den anderen Knochen zurück. Beginnende Gelenkhöhlenbildung im Fesselgelenk. In den Nebenzehen ist eine dichte Zellenmasse ersichtlich, in der 2 Knorpelknochen ausgeformt sind, der eine volar und distal von dem anderen. Wir sind nun zu einem Stadium gekommen, das sich dem fer- tigen Verhältnis stark nähert. Die Knochen haben ihre endgültige Lagerung im Verhältnis zueinander, Me3 und Mc4 bilden allein die Verbindung mit der Fußwurzel, die sich den Verhältnissen an- gepaßt hat, und Mc 2 und Me 5 haben eine weitere Reduktion durch- gemacht. Serie D. Rechter Vorderfuß eines Rinderembryos. 9,2 cm. Taf. VI, Tafelfig. 41—43. Die Knochen des Carpus liegen dicht aneinander, und jede Reihe bildet einen dorsalen Bogen. Die Gelenkbildung ist weit vorgeschritten. Das Pisiforme artikuliert mit dem Ulnare. Man kann die beiden Komponenten in C2 +3 nicht mehr unterscheiden. Me3 und Me4 sind an einer bedeutenden Strecke proximal in knorpeliger Verbindung miteinander. Die freien Teile sind in großer Ausdehnung verknöchert. Proximal liegt Mc5 dicht an Mc4, und es hat sich zwischen ihnen eine Gelenkhöhle gebildet. Distal davon liegt Me 5 in einiger Entfernung von dem lateral-volaren Rand von Mc4 und ist in weiter Ausdehnung verknöchert. Die Verknöcherung reicht ein wenig höher hinan als die in Me4, und in der Höhe der proxi- malen Verknöcherungslinie dieses Knochens beginnt eine Resorption von Med. Man sieht das periostale Knochengewebe an der lateralen Seite im Begriff zu verschwinden und die Markhohlräume lateral offen. Me5 endet sodann in einem kurzen knorpeligen Stab, der in einen kurzen periostalen Strang hinausläuft. Me 2 ist in 2 Stücke geteilt. Das proximale Stück ist als kurzer Perioststrang mit einem Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 307 unbedeutenden Stück Knorpel an der Mitte ersichtlich. Nach einer Unterbrechung tritt Me2 sodann als ein längeres verknöchertes Knochenstück auf, dessen proximaler Teil von der Seite eine be- deutende Resorption aufweist, so daß der Querschnitt an vielen Stellen halbmondförmig ist. Das distale Ende ist knorpelig und endet wie Mc5 in einem Perioststrang. Das distale Ende von Me3 und Me4 ist wohlausgeformt. Es haben sich Gelenkhöhlen gebildet. Die Sesambeine sind wohlent- wickelt. In den Nebenzehen sind die beiden Knochen wohldiffe- renziert, durch ein zellenreiches Perichondrium verbunden. ModellD. Die Rekonstruktion weist einen wohlausgeformten Carpus auf, die Knochen liegen dicht beisammen mit engen Spalten. Die gesamte distale Gelenkfläche der proximalen Karpalreihe ist volar zur Bildung einer querliegenden Gelenkschale ausgehöhlt. Der dorsale Teil der Gelenkfläche von Intermedium und Radiale ist flach. In der distalen Reihe finden sich 2 Knochen, C2 +3 arti- kuliert mit Me3 und ist der weitere, C4 +5 artikuliert mit Me4 und ist höher als C2 +3. Proximal bildet Me 3 medial und volar eine kleine abgerundete Kante. Auf der Höhe derselben ist das proximale Stück von Me 2 ersichtlich. Das distale Stück davon er- streckt sich mit seinem knorpeligen Ende unbedeutend distal von der Mitte von Mc3. Me5 reicht bis an die Mitte des Mittelfußes. Sein proximales knorpeliges Capitulum reicht nicht ganz bis an die proximale Fläche von. Mc4 hinan. Serie E. Rechter Vorderfuß eines Rinderembryos, 11,5 em. Taf. VI, Tafelfig. 44—45. Me3 und Me4 sind in großer Ausdehnung verknöchert. Das proximale und distale Ende sind fortwährend knorpelig, und es ist in den distalen Epiphysen noch kein Verknöcherungspunkt ersicht- lich. Die Resorption der kleinen Mittelfußknochen ist weiter vor- geschritten, Me5 ist nun auch in 2 Stücke geteilt, und die ver- knöcherten Teile weisen starke Resorption auf. Von Me 2 sieht man einen ganz kurzen Perioststrang medial von der medial-volaren Kante von Me3. Das distale Ende von den beiden kleinen Mittel- fußknochen ist knorpelig, und sie enden je in einem kurzen Periost- Strang. Modell E weist ein weiteres Wachstum auf als Modell D. Me 3 und Mc4 sind wohlausgeformt, sie haben sich gedehnt und sind Morpholog. Jahrbuch. 51. 21 308 Gerhard Petersen schlanker geworden. Dorsal von Me 3 ist direkt unter der Gelenk- fläche eine Beule zum Anheften des M. extensor carpi radialis er- sichtlich. Me3 bildet medial eine abgerundete Kante, Mc4 bildet einen lateralen Rand, an welchem das proximale, bleibende Ende von Me 5 sitzt. Dessen distales Stück findet sich auf der Höhe der Mitte des Mittelfußes als ein ganz kurzes, verknöchertes Stück, das mit einem knorpeligen Knopf endet. Me2 ist direkt distal von der Mitte von Me3 zu einem kurzen, zylindrischen Stück reduziert. Serie F. Rechter Vorderfuß eines Rinderembryos, 13,5 cm. In diesem Stadium ist das distale Stück von Me2 und Me5 ganz verschwunden. Von dem proximalen Teil von Me2 deutet eine ein wenig dichtere Ansammlung von Zellen Reste eines kurzen Zellenstrangs an. Mc 5 ist ein kurzer Knorpelstab, der proximal ein mit Me 4 gelenkverbundenes Capitulum bildet. Darauf rückt er als dünnerer, runder Knorpelstab etwas von Mc4 ab und ist an einer kurzen Strecke distal verknöchert. Das verknöcherte Stück ist stark resorbiert. Die Untersuchung der Schnittserien zeigt also, daß der Vorder- fuß des Rinderembryos seine bedeutendste Entwicklung und Aus- formung bei Embryonen durchmacht, die von dcm bis ungefähr 10cm messen. Me3 und Mec4 weisen bereits von Anfang an eine überwiegende Entwicklung auf und übernehmen bald die ganze Unter- stützungsfläche des Carpus; dessen proximale Reihe weist nichts Spezielles auf. Bemerkenswert in betreff von Pisiforme scheint es mir, daß es sich später differenziert als die übrigen Knochen des Carpus, in ähnlicher Weise wie z. B. die Sesambeine am Fesselgelenk, die eine spätere Differenzierung aufweisen als die Knochen, mit denen sie artikulieren. Dies scheint mir ein Argument gegen die Ansicht, für die namentlich WIEDERSHEIM eingetreten ist, daß das Pisiforme ein Rest eines ulnaren Randstrahls sei; denn zwar ist es eine Regel, daß rudimentäre Gebilde während der Entwicklung etwas zurück- bleiben (z. B. steht die Knorpeldifferenzierung in Me2 und Me5 hinter der in Me3 und Mc4 zurück), aber das Pisiforme ist ja doch ein Knochen in voller und wichtiger Funktion. Die distale Karpal- reihe setzt sich aus C4 +5 und C2 + 3 zusammen, letztere durch Koaleszenz verbunden. Die kleinen Mittelfußknochen werden in voller Ausdehnung angelegt, wenn auch nicht knorpelig proximal und distal, und in Artikulation mit dem Carpus. Sie werden aber schnell aus der Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 309 Verbindung damit hinausgedrängt, und das mit C4 + 5 artikulierende - Stück von Me5 wird in C4-+-5 aufgenommen. Die ganz kurzen proximalen Teile und die längeren distalen Stücke, die es nicht er- reichen, knorpelig zu werden, werden schnell resorbiert, und nach- dem die restierenden Teile eine weitgehende Entwicklung (Knorpel- differenzierung, Verknöcherung in großer Ausdehnung) durchgemacht haben, fallen sie einer schnell verlaufenden Resorption anheim. Diese greift die mittleren verknöcherten Teile am stärksten an und teilt die Knochen in 2 (Gelocusstadium), reduziert aber auch die knorpe- ligen Stücke’mit Ausnahme des proximalen Endes von Med. In derselben Periode wächst der Fuß enorm der Länge nach; man vergleiche die Länge des Mittelfußes von Modell A und Modell E (2,2 cm bis 24 em). Später werden wir die weitere Entwicklung des Fußes und den Fuß erwachsener Tiere untersuchen. Schließlich werden wir auch das Vorkommen von atavistischen Mißbildungen untersuchen. 2. Die erste Entwicklung des Hinterfußes. Serie Ap. Linker Hinterfuß eines Rinderembryos, 3 cm. Textfig. 17—21. Taf. V, Tafelfig. 34—35. Die Serie beginnt distal am Unterschenkel. Tibia und Fibula sind als zwei rundartige Schnitte mit recht großem Zwischenraum ersichtlich. Fibula ist viel dünner als Tibia. Sie sind wohldiffe- renziert von einem sehr zellenreichen Perichondrium umgeben. Plantar ragt Talus mit einem Gipfel in den Zwischenraum zwischen ihnen empor. Ganz distal sind sie nicht bestimmt abzugrenzen, indem der Knorpel nicht von der Zellenmasse abgegrenzt ist, in der Talus und Calcaneus entwickelt sind. Fibula reicht ein wenig weiter als Tibia. In der proximalen Tarsalreihe sind Talus und Calcaneus knorpelig differenziert mit einem dicken Perichondrium an allen Seiten. Im Tuber caleanei hat die Knorpelbildung nur eben eingesetzt. Distal von diesen Knochen und mit einem Zwischenraum von zellenreichem Gewebe findet man Centrale und T4-+ 5. Es findet sich noch kein Anzeichen einer Vergehmelzung derselben. In der distalen Reihe sind T1, T2, T3 und T4 +5 knorpel- differenziert. Sie sind in ihrer Entwicklung merkbar hinter den Knochen der proximalen Reihe zurück und sind von einer dicken Zellenmasse umgeben. Sie bilden nur einen schwachen Bogen. T1 ist ein sehr kleiner, rundartiger Knorpel, medial und plantar von T2. Dieser 21* 310 Gerhard Petersen ist etwas größer und wendet eine ebene Fläche gegen T3, woran er nahe anliegt. Nach einem Zwischenraum von zellenreichem Ge- webe kommt man sodann zu den Metatarsalknochen. Mt3 und Mt4 sind vollständig getrennt, Mt2 liegt in dem breiten, flachgedrückten Mittelfuß mit recht großer Entfernung, medial und ein wenig plantar von Mt3, Mt5 lateral und ein wenig plantar von Mt4, keine Spur eines Mt1.: Alle Metatarsalia weisen Knorpeldifferenzierung auf. Die kleinen Mittelfußknochen sind ganz proximal jedoch nicht Knorpel- differenziert und von ein wenig distal von der Mitte des Mittelfußes an lassen sie sich nur als ein Strang dicht liegender Zellen an jeder Seite verfolgen. Sie setzen sich ohne Unterbrechung in die Zellenhaufen hinein fort,in denen sich die Knochen der Nebenzehen später entwickeln. Fig. 17—21. eu 4+5 ctr Ze) OD JO en =” ae on Querschnitt des Hinterfußes. i Tibia; / Fibula; c Calcaneus; ta Talus; ctr Centrale. Tarsalia werden durch arabische Ziffern allein, Metatarsalia durch römische Ziffern allein bezeichnet. 27,5/1. Das distale Ende der beiden großen Mittelfußknochen ist nur wenig differenziert vom Perichondrium und ist schwer abgrenzbar von der plantaren, dicken Zellenmasse, in der sich später die 4 Sesam- beine zu den Fesselgelenken entwickeln. In den Großzehen sind Phalanx I und Phalanx II knorpeldifferenziert mit großen Zwischen- räumen. Modell Ap. Von der Serie wurden die knorpeligen Teile des Fußskeletts rekonstruiert. Man sieht am Modell das distale Ende der Tibia und Fibula. Es besteht eine große Entfernung zwischen ihnen. Die Tibia breitet sich unten aus und sendet eine breite Ver- längerung gegen die Fibula hin. Der Talus schiebt sich zwischen die beiden Knochen plantar empor und legt sich ferner nicht unmittelbar unter die Tibia hinein, sondern bildet eine schräge, distal-mediale Fläche. Direkt unter der Tibia findet sich kein Knochenstück, Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 311 SCHMALHAUSEN, der den Hinterfuß an kleinen Schweinefeten unter- suchte, stellte bei diesen dasselbe Verhältnis fest und meint, daß der Talus aus Intermedium plus einem proximalen Centrale besteht, während das Tibiale nicht angelegt wird. Auch Fürst sah bei seinen Untersuchungen über die Reduktion der Fibula beim Rinde dasselbe an einem Rinderfetus von 22 mm. Er schreibt: »Der Talus liegt hier mit seinem lateralen Teil der Facies dorsalis trochleae als ein Intermedium zwischen der Tibia und Fibula eingeschoben.« Der Caleaneus liegt lateral und plantar mit einem kurzen Tuber calcanei, das sich plantar und proximal erstreckt. Das Centrale liegt direkt distal vom Talus, der auch ein wenig mit T4+5 artiku- liert. Dies ist der größte der Knochen der distalen Reihe. Proximal artikuliert er mit Calcaneus und Talus, distal mit Mt4 und ragt auch ein wenig über diesen hinaus mit einer Fläche nach Mt5. T3 hat denselben Umfang wie Mt3 und ist zwischen diesen und das Cen- trale eingeschoben. Medial von T3 artikuliert der kleine T2 proximal mit dem Centrale. Distal hat er keine Artikulation mit Mt3. Am weitesten medial und ein wenig weiter distal ragend als die übrigen ist T1 als ganz kleiner Klumpen ersichtlich. T1 und T2 liegen proximal von Mt2. Mt3 und Mt4 sind vollständig gesondert, wesentlich dünner als in dem Vorderfuß. Ihre distalen Enden breiten sich stark aus und bilden noch keine Gelenkkämme. Distal von jedem von ihnen sieht man 2 Zehenknochen. Mt2 und Mt5 sind wesentlich kürzer als in dem Vorderfuß, dünner und reichen nicht ganz bis an das proximale Niveau von Mt3 und Mt4. Wird Mt2 proximal verlängert, so trifft es T1, aber auch ein wenig von T21. Wird Mt5 proximal verlängert, so trifft es eine schräge, distal-laterale Fläche von T4 + 52. Wie zu erwarten war, bietet also auch der Hinterfuß in seinen frühesten Stadien gewisse "ursprüngliche Anlagezüge, als von ferneren Ahnen ererbt, dar. Es finden sich noch keine Anzeichen von Zusammen- schmelzung irgend welcher Knochen, und außerdem ist die Lagerung der Tarsalia eine primitive.e T1 und T2 sind noch nicht über Mt3 hinausgerückt, T4 + 5 hat noch eine Artikulationsfläche nach Mt5, die Krümmung des Tarsus ist gering. Mt2 und Mt5 sind in voller Ausdehnung angelegt. Die Differenzierung schreitet von proximal her vor und steht ! Bei Hippopotamus und Schwein artikuliert Mt2 sowohl mit T1 als T2. 2 Bei Schwein und Tragulus ist die Fläche von T4+5, mit der Mtö artikuliert, schräg distal-lateral und ein wenig plantar gerichtet. 312 Gerhard Petersen noch hinter der Differenzierung im Vorderfuß zurück. Daß Mt2 und Mt5 nicht in so weiter Ausdehnung Knorpel gebildet haben wie Mce2 und Me5 ist jedoch sicherlich als ein Zeichen einer stärkeren Um- formung des Hinterfußes als des Vorderfußes zu deuten. Serie Bp. Rechter Hinterfuß eines Rinderembryos, 5 em. Fig. 22. Tibia und Fibula liegen ungefähr ganz aneinander an. Nahe am distalen Ende bildet die Tibia eine Rinne für die Fibula. Der Talus ragt zwischen die beiden Knochen empor. Aus diesem Vor- sprung wird der mediale Gelenkkamm am Talus gebildet. Es haben sich in der Articulatio tarso-cruralis keine Gelenkhöhlen gebildet: aber die Zwischenräume zwischen den Gelenkflächen sind von einem feinfaserigen, lockeren Gewebe mit beginnen- Fig. 22. der Spaltenraumbildung angefüllt. Dieses 2+3 4+3 Gewebe unterscheidet sich deutlich von dem zellenreichen Perichondrium der Knochen. Talus und Calcaneus sind wohldifferen- ziert. Das Tuber calcanei ist (als phylo- genetisch jüngere Bildung) etwas an Diffe- renzierung zurück. Centrale und T4+5 IX) liegen dicht beisammen, sind aber nicht zu- RUSS I Et sammengewachsen. Distal vom Centrale sieht ae man T2 und T 3 mit gemeinschaftlichem Peri- chondrium proximal (sämtliche übrige Knochen sind gesondert auch mit ihrem Perichondrium). T2 liegt ganz plantar von dem medialen Teil von T3, und in dem distalen Teil sind die beiden Knochen knorpelig verbunden. Direkt plantar von T2 ist T1 als kleiner rundartiger Knochen ersichtlich; der von dem Tarsalknochen ee Bogen ist somit stark zusammengekrümmt. Mt3 und Mt4 haben sich einander genähert und sind ganz proximal mit ihren dorsalen Teilen zusammengeschmolzen. Im Quer- schnitt sind sie ungefähr dreieckig mit einer breiten Fläche gegen- einander. Eine kurze Strecke nach unten trennen sie sich wieder, Mt3 wird medial etwas abgeflacht und nimmt eine Andeutung einer medial-plantaren Kante ein. Dieht an dem flachgedrückten Teil von Mt3 liegt Mt2 an, das nicht ganz proximal hinanreicht. Lateral von Mt4 sieht man den bedeutend größeren Schnitt von Mt5. Letz- teres reicht auch nicht bis an die proximale Fläche des Mittelfußes; ein Zellenstrang zu den Nebenzehen läßt sich nicht verfolgen. Das Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 313 distale Ende von Mt3 und Mt4 hat sich zu 2 getrennten Gelenk- rollen ausgeformt, an deren plantarer Seite man 4 Zellenklumpen als Anlage zu den Sesambeinen sieht. Es haben sich keine Gelenkhöhlen gebildet. Mt3 mißt 3250 «, Mt2 und Mt5 je etwa 900 u. In den Nebenzehen sind zwei ein wenig getrennte Zellenklumpen ersichtlich. Serie Cp. Rechter Hinterfuß eines Rinderembryos, 6,6 cm. Textfig. 23—29. Taf. V, Tafelfig. 33—40. Centrale und T4+5 sind durch ein ganz dünnes Perichon- drium dieht verbunden. Das Centrale sendet eine kurze Verlänge- Fig. 23-29. 1 O1 u V Io v I Io V O9 Q b S Ss o ctr Centrale; d Knochen einer Nebenzehe; s Sesambein zum Fesselgelenk. Tarsalia werden durch arabische Ziffern allein, Metatarsalia durch römische Ziffern allein bezeichnet, 27,5/1. rung hinab plantar von T2 +3. Direkt distal von dieser Ver- längerung liegt T1. T2 und T3 sind vollständig zusammengewachsen. T1liegt als kleiner, abgerundeter Knochen plantar von dem medialen Teil von T2 +3. Die Tarsalreihe ist stark konvex. Die Gelenk- 314 Gerhard Petersen höhlenbildung ist im Tarsus weit vorgeschritten, indem sich zwischen den Gelenkflächen große Spaltenräume gebildet haben, zwischen denen sich noch Überreste eines feinfaserigen Gewebes erhalten. Die Gelenk- bildung ist am weitesten vorgeschritten proximal im Tarsus; zwischen Tarsus und Metatarsus findet sich noch keine Gelenkhöhlenbildung. Mt3 und Mt4 sind proximal knorpelig verbunden. An Schnitten von Mt3 sieht man ganz proximal, daß die mediale Ecke stark aus- gezogen ist. Etwas dorsal von dieser Ecke sieht man an der medialen Fläche eine Verdickung des Perichondriums, von dem man bei Durch- musterung der folgenden Schnitte Mt2.sich ablösen sieht. Gleich- zeitig verliert sich die wulstförmige Ecke. An Mt4 tritt an der lateral-plantaren Ecke eine Verdickung des Perichondriums auf, die sich als das proximale Ende von Mt5 ergibt. Der freie Teil von Mt2 besteht aus Knorpel, der proximal an einer kleinen Strecke von einem Zellenstrang unterbrochen wird (Perichondrium als Überrest nach der Resorption des Knorpelstabs an der betreffenden Strecke). Während er distal verläuft, zieht er gleichzeitig mehr plantar um. Mt2 ist etwas dünner als Mt5. In diesem Stadium setzt die Verknöcherung im Fuße ein, indem man im Mt3 und Mt4 eine schmale verknöcherte Zone erblickt. Die Sesambeine zu den Fesselgelenken sind knorpelig differenziert, gleichfalls der eine Knochen in den Nebenzehen. Modell Cp. Die Knochen in der Fußwurzel sind wohlausgeformt. Centrale und T4 +5 sind verbunden. T4-+5 ist ebenso hoch wie das Centrale und T2 + 3 zusammen. T2 und T3 bilden einen einzelnen Knochen, dem sich T1 plantar anschließt. Mit ihrer distalen Fläche artikulieren T1 und T2+3 mit Mt3, das für T1 eine mediale plantare Ecke entwickelt hat. T4 +5 artikuliert mit Mt4 und ragt nicht über denselben hinaus. Plantar ragt die gesamte Gelenkfläche von Mt3 und Mt4 mit ihrer mittleren Partie, die sicherlich den zusammengewachsenen plantaren Verlängerungen von Mt3 und Mt4 beim Schwein entspricht, stark über die plantare Fläche hinaus. Unter dieser Partie führt ein Kanal von der proximalen Fläche an die Spalte plantar zwischen den beiden Knochen!. ! Am Schwein ist Mt3 proximal mit einer zusammengedrückten plantaren Verlängerung versehen, die in Gemeinschaft mit der medialen Fläche des Knochens eine Furche bildet, in der Mt2 liegt. Auch Mt4 bildet eine plantare Verlängerung. Bei Diecotyles verschmelzen diese Verlängerungen und bilden einen Kanal; bei Tragulus javanieus sind diese Verlängerungen angedeutet, in- dem Mt2 und Mt5 je in einer niedrigen Furche liegen. Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 315 Distal bilden sie je eine mit Gelenkkamm versehene Gelenk- rolle. Plantar davon sieht man 4 kleine Sesambeine. Mt4 ragt distal ein wenig weiter als Mt3. An der medialen Seite von Mt3, proximal in einer etwas ausgehöhlten Partie sieht man das kleine knospenförmige proximale Ende von Mt2 mit Mt3 verbunden!. Das distale Stück von Mt2 ragt knapp über das proximale Drittel des Mittelfußes hinab und ist als dünner zylindrischer Stab ersichtlich. Lateral ist Mt5 an die Kante von Mt4 festgewachsen. Der freie Teil reicht ungefähr bis zur Mitte des Mittelfußes. Eine Durchmusterung der oben angeführten Serien ergibt, daß der Hinterfuß bei Feten von 3 cm bis 6,6 cm eine starke Entwick- lung und gewaltige Umgestaltung durchmacht. Der von den Tarsal- knochen gebildete Bogen krümmt sich sehr stark. Mt3 und Mt4 beginnen sich zu vereinigen und übernehmen die ganze Unterstützung des Tarsus. T1 und T2 rücken über Mt3 hinaus und T2 und T3 schmelzen zusammen. T4-+5 ruht nunmehr allein auf Mt4, das das proximale Ende von Mt5 in sich aufnimmt. Mt2 verschmilzt proximal mit Mt3, und die nicht knorpeligen Teile von Mt2 und Mt5 werden schnell resorbiert. Gleichzeitig mit der ersten Spur von Verknöcherung im Fuße (Mt3 und Mt4) setzt die Resorption der kleinen Mittelfußknochen ein, indem Mt2 sich in zwei Stücke teilt. In den folgenden Stadien wird das weitere Wachstum des Fußes und die Resorption der kleinen Mittelfußknochen untersucht. Serie Dp. Rechter Hinterfuß eines Rinderembryos, 9,2 em. Längenschnitt. Textfig. 30. In diesem Stadium sind sämtliche Knochen des Tarsus wohl- gestaltet, und die Gelenkhöhlenbildung ist fast vollzogen. Eine Ver- knöcherung im Tarsus findet sich nicht. Man kann die Komponenten in T2+3 und Centre + T4-+5 nicht länger unterscheiden. Mt3 und Mt4 sind mit den proximalen, knorpeligen Teilen vereint und artikulieren mit sämtlichen Tarsalia. Zwischen T4+5 und ! Vgl. Fußnote S. 314. Bei Tragulus javanicus (eigene Untersuchung) ver- schmilzt Mt2 proximal mit Mt3 und T2-+-3, dorsal von T1, der plantar liegt, ohne Artikulation mit dem Mittelfuß. Bei Tragulus Stanleyanus dagegen arti- kuliert (nach BoAs, Uber den Metatarsus .. ..) T1 distal mit Mt2, woraus BoAs schließt, daß der unter T1 liegende Teil des Canon, d.h. die medial-plantare Kante bei Pecora Mt2 entspreche. Dies trifft indessen nicht zu. T1 verliert ganz die Verbindung mit Mt2 (Tragulus javaniceus) und kommt auf Mt3 allein zu ruhen (Pecora). 316. Gerhard Petersen Metatarsus findet sich ein Kanal, durch den man die Sehne von M. peroneus longus medial nach der Anheftung an T1 verlaufen sieht. Der Kanal wird plantar von den verbundenen, plantaren Verlänge- rungen der großen Mittelfußknochen begrenzt (wie beim Schwein). In dem übrigen Teil sind Mt3 und Mt4 getrennt und bilden distal je eine za wohlausgeformte Gelenkrolle, mit einem sagittalen Gelenkkamm versehen. Etwas z CH über das Drittel der Diaphyse ist ver- knöchert; die Verknöcherung streckt sich Er proximal etwas höher hinan als distal. Von Mt2 findet sich ein freies, ver- knöchertes Stück an dem proximalen N il Drittel des Mittelfußes. Der freie Teil von Mt5 ist dieker, gleichfalls verknöchert und setzt sich in ein proximales knor- peliges Stück fort. Längenschnitt des Hinterfußes. In den Großzehen sind alle 3 Knochen ta Talus; ctr Centrale. Tarsalia Fig. 30. werdendurcharabischeZiffernallein, Wohl entwickelt. Der Knorpel bildet mitten een ee im Phalanx I und Phalanx II und an dem distalen Ende von Phalanx III eine Verkalkungszone quer über die Knochen hin als Einleitung des fol- genden Verknöcherungsprozesses. In den Nebenzehen finden sich 2 Knorpelknochen. Die Sesambeine zu den Fesselgelenken sind wohldifferenziert und mit Mt3 und Mt4 gelenkverbunden (Gelenkhöhle). /: Serie Ep. Rechter Hinterfuß eines Rinderembryos. 11,5 em. Mt3 und Mt4 sind proximal in ziemlich großer Ausdehnung zu- sammengewachsen. Von der gemeinsamen proximalen Fläche führt ein spaltenförmiger Kanal distal nach der Spalte zwischen den beiden Knochen. Es findet sich keine Spur von Mt2. Mt5 erhält sich noch mit einem ganz kurzen (460 u langen) verknöcherten Stück ungefähr mitten am Mittelfuß. Als Spuren der mit Mt3 und Mt4 verschmol- zenen proximalen Teile von Mt2 und Mt5 sieht man proximal an der medialen Seite von Mt3 direkt am Gelenkrand und lateral an der Kante von Mt4 einen kleinen knorpeligen Vorsprung. Fassen wir die erste Entwicklung des Hinterfußes zusammen, so erhalten wir Folgendes. In der proximalen Reihe der Fußwurzel werden 2 Knochen angelegt, Talus und Calecaneus. Talus entspricht ETF Untersuchungen über das Fußskeleit des Rindes. 317 jedenfalls dem Intermedium; ob das Tibiale auch durch Konnaszenz darin miteinbegriffen ist, ist unwahrscheinlich, da direkt distal von der Tibia kein Knochenteil differenziert ist. Danach sollte das Tibiale fehlen. Es knorpeldifferenziert sich ein Centrale, das mit T4-+5 zusammenwächst. Letzterer wird als einzelner Knochen angelegt, T2 und T3 schmelzen zusammen, T1 bleibt selbständig. Die Tarsalknochen bilden zu Anfang einen ganz schwach krummen ‘Bogen und T1 und T2 artikulieren nicht mit Mt3, das sich allein auf T3 stützt. T4-+5 hat außer der Stützfläche auf Mt4 noch eine kleine Artikulationsfläche nach Mt5. Dieses primitive Bild ändert sich schnell. Mt3 und Mt4 breiten sich proximal aus, während die Tarsalreihe sich gleichzeitig stark krümmt. Dadurch rücken T1 und T2 über Mt3 hinaus, und die distale Fläche von T4 +5 entspricht nun Mt4 allein. Mt1 wird nicht angelegt. Mt2 und Mt5 werden in der Gestalt von Zellen- strängen in ihrer vollen Länge angelegt. Durch eine von proximal her vorschreitende Knorpeldifferenzierung gewinnen Mt3 und Mt4 sofort den Vorsprung. Sie sind von Anfang an getrennt, verbinden sich aber bald an ihren proximalen Enden. Es sind dies die ersten Knochen des Fußes, in denen sich eine Verknöcherung zeigt. Mt2 und Mt5 werden nicht selbständig knorpelig in einem kurzen proxi- malen Ende (das sich schnell mit Mt3 und Mt4 vereint) und einem längeren distalen Ende. Die freien Teile der kleinen Mittelfußknochen machen eine weitgehende Verknöcherung durch, um darauf sehr schnell vollständig resorbiert zu werden. 3. Alizarinbehandelte Feten. Textfig. 31. Um von der Verbreitung der Verknöcherung in den Gliedmaßen junger Feten eine Übersicht zu geben, werde ich nun einige Feten beschreiben, die in toto mit Alizarin gefärbt und in Benzol aufge- hellt wurden. Nur die verknöcherten Teile färben sich. In dem kleinsten Embryo, 4,5 cm lang, ist in dem Fuße keine Verknöcherung ersichtlich. Radius und Ulna weisen je einen ganz kurzen Knochenkern auf. In Humerus und Scapula sehen wir eine etwas größere verknöcherte Zone. Femur und Tibia und Fibula haben je einen kurzen Knochenkern. In einem Embryo von 9,5 cm (siehe Textfig. 31) sind Scapula, Humerus, Radius und Ulna in großer Ausdehnung verknöchert. Femur und Tibia weisen eine lange verknöcherte Partie der Diaphyse 318 Gerhard Petersen auf. Lateral von der Tibia ist die Fibula als dünner Knochenstab | mit einer Unterbrechung an der Mitte ersichtlich. Im Mittelfuß sind die 3. und 4. Metapodie verknöchert von je ihrem Knochenkern an mit Ausnahme etwa eines Viertels an beiden Enden. Der verknöcherte Teil von Me2 ist als dünner, etwas dorsal gekrümmter Stab ersicht- lich, der proximal bis an die Höhe der proximalen Verknöcherungs- linie von Me3 reicht und sich distal bis ein wenig unter die Mitte derselben erstreckt. Der verknöcherte Teil von Med ist länger, indem er sich sowohl proximal als distal weiter erstreckt. Am Hinterfuß ist Mt5 als dünner Knochenstab ersichtlich, der mit seinem ‚proxi- malen Drittel proximal von der Verknöcherungslinie an Mt4 ragt. Fig. 31. Linke Hälfte eines Rinderembryos, 9,5 cm lang. Mit Alizarin gefärbt und in Benzol aufgehellt. Von der medialen Seite gesehen. Am Unterarm sind Ulna und Radius ersichtlich. Im Metacarpus 3 Knochen, das dicke Mc3, und als 2 dünne, ein wenig gekrümmte Stäbe Mc? und Mc5. Letzteres ragt am weitesten hinab. In den Zehen ist ein Knochenkern in der Phalanx III ersichtlich. Im Becken ein Knochenkern in Os ilium und in Os ischii, im Schenkel ein Kern im Femur. Distalwärts folgt die Tibia und im Mittelfuß Mt3 und Mt?. Letzteres stellt einen kurzen, dünnen, ein wenig gekrümmten Stab dar. Distal reicht er bis an die Höhe der Grenze zwischen dem proxi- malen und dem mittleren Drittel von Mt4. Mt2 liegt in entspre- chender Weise innerhalb Mt3 und ist etwas kürzer als Mt5. Mt2 und Mt5 sind kürzer als Me2 und Me5. In der Fußwurzel keine Verknöcherung. In den Großzehen ist das distale, zugespitzte Ende von Phalanx III verknöchert, in den Nebenzehen keine Verknö- cherung. Ein Bild eines in Kalilauge und Glyzerin aufgehellten Embryos von 10 cm in Marrıns Lehrbuch weist dieselben Verknöcherungs- verhältnisse auf. Es hat jedoch den Anschein, daß sowohl Me2 als Me5 in der Mitte unterbrochen sind. Paz 3 Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 319 Rinderembryo 11,5 em. Von Me2 ist nur ein ganz kurzer Stum- mel direkt distal von der Mitte von Me3 ersichtlich. Me5 hat zwei Knochenstücke, ein proximales und ein distales. Von Mt2 ist keine Spur zu sehen, Mt5 ist auf ein kurzes Knochenstück in der Höhe der proximalen Hälfte von Mt4 reduziert. In Digitus III und DigitusIV ist nun auch Phalanx1 mit einem Knochenkern versehen. Phalanx II weist noch keine Verknöcherung auf. Rinderembryo 12,5 em. In diesem Embryo tritt in Phalanx II ein ganz kleiner Knochenkern auf. In einem Embryo von 13,5 cm ist keine Spur von Me2, Mt2 und Mt5 mehr zu sehen. Das distale Stück von Me5 fehlt. Kein Knochenkern in der Fußwurzel. Auch keine in den Nebenzehen. In den Großzehen sind die verknöcherten Teile gewachsen. Phalanx II ist am weitesten zurück. Vergleicht man das Obenstehende mit den Schnittserien, so gilt von dem ersten Auftreten der Verknöcherung in Mittelfuß und Zehen Folgendes (in der Fußwurzel stellt sich die Verknöcherung wie in dem Epiphysenknorpel und Nebenzehen erst weit später ein, siehe unten): Die Verknöcherung der Diaphyse in den beiden großen Mittelfußknochen beginnt bei zwischen 5 und 6,6 cm großen Feten. Die Verknöcherung der kleinen Mittelfußknochen beginnt etwas später. Phalanx III verknöchert bei Feten von 9,2—9,5 em, Phalanx I bei ein paar Zentimeter längeren Feten und Phalanx II bei Feten von 13,5 em. 4. Die spätere Entwicklung des Fußes. Ich habe sodann die Entwicklung des Fußes an einer Reihe von skelettierten Feten und Fetenteilen weiter verfolgt. Bei bis 38 em langen Feten sind die großen Mittelfußknochen nur mit den proxi- malen, knorpeligen Teilen verbunden. Die Diaphysen und die distalen Endstücke sind vollständig getrennt, jedoch nähern die großen Mittel- fußknochen sich fortwährend einander mit den Diaphysen, die sich abflachen und mit einem gemeinsamen Periost an den Zusammen- stoßflächen aneinander anlegen. In einem Rinderfetus von 38 em liegen die mittleren Drittel der großen Mittelfußknochen dicht anein- ander und sind im Begriff zu verschmelzen. Proximal und distal von diesem Teil kann man ein dünnes Periost zwischen ihnen entfernen. Die Gelenkrollen sind wohlausgeformt, haben einen sagittalen Kamm, der die Gelenkflächen in einen kleineren Teil gegen die Achse des Fußes hin und einen größeren äußeren Teil teilt. Die Gelenkrolle 320 Gerhard Petersen am 3. Mittelfußknochen ist ein wenig breiter als die am 4. Mittel- fußknochen. Ich habe am Metatarsus von alizaringefärbten Füßen folgende Maße ermittelt: Länge Länge Länge des des Fetus des Metatarsus verknöcherten Teils 13,5 cm 1,4 cm 0,8 cm SPAR 2,8 >» 18 > 30,5 » 43 » 3,4. )a 3 » b >» 34 » Rinderfetus, 25 Wochen und 3 Tage alt, etwa 41—42 em lang. Die großen Mittelfuaßknochen sind mit dem ganzen verknöcherten Teil zusammengewachsen, und die Verschmelzung wird nur durch eine schwache dorsale und volare (plantare) Längenfurche angedeutet. Von Me2 ist keine Spur ersichtlich. Me5 stellt einen kleinen, zu- gespitzten, nähnadeldicken Knochen, lateral an dem proximalen Teil vonMc4dar. Mt2 und Mt5haben keine Spur hinterlassen. In Digitus III und Digitus IV sind die Knochen in großer Ausdehnung verknöchert. Phalanx II ist am weitesten zurück. Es findet sich keine Verknöche- rung in den Nebenzehen, dagegen Knochenkern in einigen von den Fußwurzelknochen. Nach BEnpz spürt man einen Knochenkern in C3, C4 + 5 und Radiale ungefähr beim Übergang ins letzte Drittel des embryonalen Lebens, etwas später in den übrigen, zuletzt im Erbsenbein. Metacarpus ist 4,7 cm, Mc5 7 mm und Metatarsus 5,1 em lang. Rinderfetus, 23 Wochen. In diesem Fetus sieht man Verknö- cherungskerne in sämtlichen Knochen der Fußwurzel. Phalanx I und Phalanx II haben noch sowohl proximal als distal Knorpelepiphyse, Phalanx III eine proximale, knorpelige Epiphyse. Die beiden großen Mittelfußknochen sind nun derart verbunden, daß nur die Gelenk- rollen frei sind, eine dorsale und volare (plantare) Furche deutet die Verschmelzungslinie an. Me3 + 4 bildet einen langen Knochen mit einer gewölbten dorsalen Fläche und einer ebenen volaren Fläche. An beiden Seiten findet sich proximal eine niedrige, abgerundete Kante. Mt3 + 4 ist länger und schlanker, aber schmäler, zugleich etwas tiefer als Me3 + 4. Die Verknöcherung schreitet nun fortwährend weiter vor gegen beide Enden des Mittelfußes hin, und bei der Geburt ist von dem knorpeligen proximalen Ende eine knorpelige Scheibe von 1 em übrig. Distal verknöchern die Gelenkrollen mit je ihrem Verknöcherungs- Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 321 punkt. Diese treten in der letzten Hälfte des embryonalen Lebens auf (Benz). Die Verknöcherung von Mc5 schreitet gleiehmäßig vor von dem distalen verknöcherten Ende an. Die Nebenzehen ver- knöchern erst lange nach der Geburt. 5. Der entwickelte Fuß. Taf. VII, Tafelfig. 46—51. Der Vorderfuß. Die proximale Gelenkfläche von Radiale und Intermedium ist in eine dorsale ebene und eine volare ausgehöhlte Partie geteilt. Die Gelenkfläche von Ulnare ist sattelförmig. Teils wegen der Form der letzteren Gelenkfläche, teils wegen zwei schräger Gelenkkämme an der Gelenkrolle des Radius verschiebt sich die ganze proximale Knochenreihe stark medial während der Flexion. Die Achse durch die Knochen ist schräg medial und distal gerichtet im Verhältnis zur Längenachse des Radius. Das Radiale ragt volar empor mit einer kurzen, dicken Verlängerung; das Intermedium breitet sich mit dem volaren Teil stark aus. Das Ulnare hat eine sehr unregelmäßige Form; von dem volaren, schmalen, hohen Teil des Knochens, der mit einer Gelenkfläche für das Pisiforme ver- sehen ist, ragt eine dicke Verlängerung distal hinab und schiebt sich weit über die volare Fläche von C4 +5 hinab. Das Pisiforme ist klumpenförmig. Die distale Gelenkfläche der Knochenreihe ist durch einen niedrigen Kamm am dorsalen ebenen Teil des Intermediums in eine größere mediale und eine kleinere laterale Abteilung geteilt. Von den beiden Knochen in der distalen Karpalreihe ist C4—+5 der höchste. Von der proximalen Fläche aus setzt sich die Gelenk- fläche zwischen die dorsalen Teile der Knochen hinab bis zu der distalen Fläche hin fort, so daß zwischen der Artieulatio intercarpea und der Articulatio carpo-metacarpea eine Kommunikation entsteht. Sowohl C4 +5 als C2 +3 artikulieren mit dem Intermedium, un- gefähr gleich viel. Die distale ebene Gelenkfläche von 02 +3 ist bei erwachsenen Tieren mit einer Synovialgrube versehen und etwas breiter als die gleichfalls ebene Gelenkfläche von C4-+5. Der volare, dicke, beulenförmige Teil, der bei Schwein und Tragulus den größten Teil der Artikulationsfläche für Me5 abgibt, ist beim Rind nur schwach entwickelt. Im Mittelfuß sind Me3 und Me4 knochig verbunden, Os du canon, mit Ausnahme der Gelenkrollen. An dem doppelten Mittelfuß- knochen wird das Zusammenwachsen doch stets durch eine schwache 322 Gerhard Petersen dorsale und volare Längsfurche angedeutet, die proximal und distal mit einer Gefäßöffnung versehen ist. Die proximale Gefäßöffnung an der dorsalen Seite kann fehlen. Die dorsale Furche läßt sich nicht ganz bis an die Gelenkfläche hinan verfolgen, wie bei Tragu- lus, wo sie ein wenig lateralwärts abbiegt (siehe unten). Die volare Längsfurche ist in ihrem distalen Teil kaum angedeutet; proximal setzt sie sich in der Gestalt eines Einschnittes fort, der sich wiederum ungefähr halbwegs zwischen die beiden Teile der Gelenkfläche hinein fortsetzt. Letztere ist durch einen dorso-volaren, niedrigen Kamm! in einen größeren medialen, bei dem erwachsenen Tier mit einer Synovialgrube versehenen Abschnitt (bei neugeborenen Kälbern fehlt diese Grube, bei einem ®/‚jährigen Kalb ist sie in Bildung begriffen ersichtlich; sie findet sich bei Tragulus) und einen kleineren, lateralen . Abschnitt geteilt. Mit dem medialen Teil, dessen Breite sich zu der des lateralen ungefähr wie 3,5 zu 2,5 verhält, artikuliert C2 +3; mit dem lateralen Teil artikuliert C4 +5. Der mediale Teil der Gelenkfläche ist zunächst viereckig, der laterale zunächst dreieckig, indem Me3 (dorso-volar) viel tiefer ist als Mec4. Der doppelte Mittelfußknochen ist nach vorne hin gewölbt, volar eben und breitet sich proximal, wo ein lateraler und ein medialer, rauher Rand gebildet wird, stark aus. Der mediale Rand kann sich bei erwachsenen Tieren mehr oder minder kammartig hervorwölben. Diese Kante darf man nicht mit Me2 verwechseln (siehe unten). Der laterale Rand flacht sich ab, wo Me5 sich an denselben anlegt, und proximal bildet sich eine kleine Gelenkfläche für dasselbe. Diese Gelenkfläche steht in Verbindung mit der proximalen Gelenkfläche. Der Teil des doppelten Mittelfußknochens, der von Mec3 herstammt, ist breiter als der Teil, der von Me4 herstammt, namentlich proximal (vgl. die Gelenkfläche), und da Me3 außerdem (dorso-volar) in dem proximalen Teil tiefer ist als Me4, weist der doppelte Mittelfuß- knochen eine geringe Drehung um seine Längenachse auf in Form einer Pronation. An Me3 sieht man proximal die beulenförmige Spur des M. extensor carpi radialis. Die Gelenkrollen, von denen die mediale die breiteste ist, sind mit einem sagittalen Gelenkkamm ı Der Kamm selbst ist zweifelsohne aus Me3 gebildet. Bei den primitiveren Artiodaktylen (Hippopotamus, Schwein) ist die mediale, proximale Kante von Mc4 abgerundet; Mc3 entsendet in dem dorsalen Teil eine Verlängerung über dieselbe hinaus und artikuliertt dadurch mit C4-+5. Dieses Verhältnis, das eine Dominanz von Mc3 im Verhältnis zu Me4 offenbart, kommt auch bei Tragulus vor, ist aber bei den Oavieornia kaum angedeutet. Diese Auffassung wird von den embryonalen Verhältnissen unterstützt (Serie B). Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 3923 versehen, der die Gelenkfläche in einen breiteren äußeren und einen schmäleren inneren Teil teilt. Mec4 ist ein wenig länger als Me3. Me5 ist ein kleiner Knochenstab, der rudimentär ist und keine Artikulation mit dem Carpus erreicht. Der proximale, dicke Teil davon endet abgerundet und artikuliert mit Mc4. Der übrige Teil läuft distal in eine Spitze aus und legt sich an die laterale Kante von Me4 dicht an, mit der er sich durch eine Membrana interossea verbindet. Me2 hinterläßt in der Regel keine Spur. Mitunter sieht man jedoch medial von dem medial-volaren Rand des doppelten Mittelfußknochens (der die gewöhnliche rauhe Kante bildet) ein kurzes, stiftförmiges, dünnes Knochenstück, 1—2 cm lang, in knöcheliger Verbindung mit der Kante an der Stelle, wo man während des embryonalen Lebens das proximale Stück von Mec2 erblickt. Es muß sich somit ohne Zweifel um das rudimentäre Mc2 handeln (vgl. auch das Kapitel von atavistischen Mißbildungen). Dagegen darf man nicht den medialen Rand von Me3 selbst als aus dem in den Knochen aufgenommenen Me2 gebildet betrachten; im embryonalen Leben entwickelt der Rand sich ohne Verbindung mit Me2. Er ist zu Anfang ganz niedrig und abgerundet, und erst bei dem erwach- senen Tier wird er durch die Wirkung von Muskel- und Ligament- anheftungen zu einer Kante ausgezogen. In den Nebenzehen findet: sich ein kleineres, proximales und ein größeres, ein wenig klauen- beinartiges Knochenstück, die miteinander ein Gelenk bilden. Der Hinterfuß. Der Talus ist sowohl proximal als distal mit einer Gelenkrolle versehen und außerdem beweglich mit dem Cal- caneus verbunden. Der mediale Gelenkkamm an der proximalen Gelenkrolle schiebt sich zwischen Tibia und Os malleolare empor. Der Calcaneus ist proximal mit dem Os malleolare, medial mit dem Talus gelenkverbunden und schiebt sich auch weit über dessen plan- tare Fläche hinein, mit der er artikuliert. Distal artikuliert der Caleaneus mit T4 + 5. Die Achse der Artieulatio talo-cruralis steht schräge lateral und distal. Das Centrale ist mit T4 +5 zu- sammengewachsen und bildet in Gemeinschaft mit demselben eine mit einem Gelenkkamm versehene Gelenkschale proximal für den Talus.. T4 +5 artikuliert außerdem mit dem Calcaneus. An der distalen Fläche der beiden zusammengewachsenen Knochen kann man die beiden Komponenten noch an einer in der Mitte vertieften Furche erkennen, die sich mitunter in einen engen Kanal mitten zwischen die beiden Knochen hinan fortsetzt. Die distale Fläche von T4-+5 ist mit einer größeren dorsalen und einer kleineren Morpholog. Jahrbuch, Öl. 22 324 Gerhard Petersen plantaren Gelenkfazeite versehen. Zwischen den beiden Fazetten findet man die Furche für die Sehne von M. peronaeus longus. Die plantare Gelenkfazette sitzt weit medial, von der lateralen Kante des Knochens durch eine vertiefte Partie getrennt, an dem Teil von Mt4, welcher der plantaren, ein wenig medial gerichteten Verlänge- rung von Mt4 beim Schwein (vgl. S. 314) entspricht. Die distale Ge- lenkfläche am Centrale hat eine größere, dorsale Gelenkfazette für T2 +3 und eine kleine plantare Gelenkfläche für T1. Plantar da- von bildet das Centrale eine kleine, distale Verlängerung. T2 + 3 artikuliert proximal mit dem Centrale, distal mit Mt3. T1 ist kurz, vierseitig prismatisch und hat keine Gelenk- ' fläche (Facies artieularis interossea) für T2-+ 3. Proximal arti- kuliert er mit dem Centrale, distal mit Mt3, proximal und ein wenig plantar von der Stelle, wo Mt2 mit Mt3 zusammengeschmolzen ist!. Die proximale Fläche des Metatarsus wird durch eine Furche geteilt, die sich plantar als Kanal distal unter die Brücke hinein fortsetzt, die durch das Zusammenwachsen der plantaren Verlänge- rungen von Mt3 und Mt4 gebildet wird. Dieser Kanal mündet plantar in die Längenfurche von Mt3 +4. Die Furche an der proximalen Fläche gibt die Grenze der beiden Knochen an und teilt die Fläche in einen ein wenig größeren, medialen und einen ein wenig kleineren, lateralen Teil. Der Unterschied ist nicht so groß wie an der Vordergliedmaße. An dem medialen Teil sieht man eine dorsale Gelenkfläche für T2 + 3 und getrennt von derselben eine kleine, plantare Fazette für T1. Letztere liegt auf dem Randab- schnitt bei der medialen Fläche. Der laterale Teil der Fläche bildet eine größere dorsale Gelenkfazette, die die entsprechende an der medialen Abteilung unter Bildung eines niedrigen Kammes trifft. Die Untersuchung eines größeren Materials ergibt, daß dieser Kamm (vgl. Vordergliedmaße S. 322) ohne Zweifel von den beiden großen Mittelfußknochen gebildet wird, indem er mitunter (und zwar nament- lich an ganz jungen Knochen) in 2 Teile mit einer kleinen rauhen ! Bei Schwein (und Tragulus Stanleyanus, BoAs) artikuliert Mt2 sowohl mit T2 als mit T1. Bei Tragulus javanicus dagegen liegt T1 plantar, ohne distal mit dem Mittelfuße zu artikulieren. Mt2 liegt ganz unter T2+-3, womit er wie Mt3 zusammenwächst. Bei Pecora hat Mt3 eine Randpartie zur Unter- stützung von T1 entwickelt, und der Teil von Mt3, in den Mt2 aufgegangen ist, liegt distal von T2-+3. Diese Betrachtung wird nicht nur durch die em- bryonalen Verhältnisse, sondern auch durch die Paläontologie unterstützt (GAupDrY: Abbildungen von Dremotherium und Helladotherium). Bei den Wieder- käuern hat T1 also die Verbindung mit Mt2 verloren. - Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 325 Furche dazwischen geteilt ist. Bei Heppopotamus hat Mt3, Me3 der Vordergliedmasse entsprechend, aber weniger ausgesprochen, eine Artikulationsfläche für T4 +5. Dies ist bei Schwein und Tragulus eben angedeutet, findet sich aber beim Rind also nicht. Dieser Artikulationsmodus, der mit einer dominierenden Entwicklung der 3. Metapodie zusammenhängt, ist, wie bekannt, bei den Perissodak- tylen stark entwickelt; dagegen ist er bei den Artiodaktylen im Schwinden begriffen, indem hier das Übergewicht des 3. Mittelfuß- knochens offenbar wieder rückgängig geworden ist. Wie gewöhnlich ist die Entwicklung im Hinterfuß am weitesten vorgeschritten. Ferner ist der laterale Teil der Fläche mit einer kleinen plan- taren Gelenkfazette versehen. Zwischen den beiden Gelenkfazetten findet sich eine Sehnenrinne für die Sehne von M. peronaeus longus. Mt3—+4 ist länger als Me3-+4 (das Verhältnis ist ungefähr wie 8 zu 7), schlanker und schmaler aber tiefer. Die Gelenkrollen sind voneinander getrennt. Die dorsale Längenfurche an Mt3 +4 ist deutlich, mit Ausnahme von ganz proximal (bei Tragulus kann man sie ganz bis an die Gelenkfläche hinan verfolgen), und distal stark vertieft. Plantar gibt eine schmale Linie die beiden Kompo- nenten an. Proximal führt sie in einen Kanal hinein, der sich an der proximalen Fläche öffnet. Dieser Kanal läßt sich auf die offene Spalte zwischen den beiden plantaren Verlängerungen beim Schwein zu- rückführen. Mt3 ist ein wenig breiter und tiefer als Mt4, namentlich proximal. Die plantare Fläche des doppelten Mittelfußknochens ist eben mit abgerundeten Rändern distal. In der proximalen Hälfte sind die Ränder mehr hervorstehend, und ganz proximal heben sie sich als wulstartige Kanten hervor; die mediale ragt plantar recht stark hervor. Oft hebt die laterale Kante sich proximalwärts mit einer kleinen, zusammengedrückten Verlängerung. Bei Cervus dama und anderen Hirscharten ragt, wie BoAs dies beschreibt, von Mt4 eine Verlängerung empor. Diese Verlängerung artikuliert mit T4 +5 und wird durch Vergleich mit Tragulus als das proximale Ende von Mt5 identifiziert. Beim Rind hebt sich, wie erwähnt, die laterale Kante oft in eine kleine Verlängerung empor, die nicht mit T4 +5 artikuliert. Man kann sie jedoch nicht beim Rind direkt als das proximale Ende von Mt5 betrachten, da wir diese Verlängerung nicht immer vorfinden und sie nicht in den untersuchten embryonalen Stadien zu erkennen ist (wenn sie sich auch aus der Kante ent- wickelt, in welche Mt5 eingeht). Plantar an dem proximalen Ende 22* 326 Gerhard Petersen von Mt3 sieht man eine kleine Gelenkfläche für ein Sesambein. Mt4 ist unbedeutend länger als Mt3. Von den kleinen Mittelfußknochen ist keine Spur zu sehen. Mt5 geht proximal in die laterale Kante ein. Mt2 geht in Mt3 ein, an dessen medialer Fläche, distal von T2 + 3 und dem Zwischenraum zwischen letzterem und T1. An dieser Stelle kann man nach LEUT- HARDT bei einigen Wiederkäuern (C. alces, C. dama) ein flaches, kurzes Knochenstück abgrenzen, das bei Camelopardalis girafa sogar ein freies, zugespitztes Ende hat. Entsprechendes finden sich nicht beim Rind. Die Knochen in den Nebenzehen verhalten sich wie im Vorderfuß. Eine Untersuchung der fertigen Knochen des Fußes zeigt also, daß die proximale Knochenreihe des Carpus und Tarsus sich nicht von der entsprechenden Reihe beim Schwein weiter unterscheidet. Jedoch ist die Form der Knochen beim Rind ausgeprägter als beim Schwein. Die distale Reihe hat dagegen eine bedeutende Umgestal- tung, adaptive Reduktion, als Anpassung an den reduzierten Mittel- fuß durchgemacht. Das Wesentliche dabei ist, daß die Knochen sich über die beiden großen Mittelfußknochen zusammengedrückt haben und vielleicht infolge davon in großer Ausdehnung eine Koaleszenz eingegangen sind. Die Knochen sind ferner niedriger und distal abgeflachter geworden. Was den Mittelfuß betrifft, zeigt die vergleichende Anatomie, wie die embryologischen Verhältnisse, wie die kleinen Mittelfuß- knochen von der Verbindung mit der Fußwurzel hinweg gedrängt worden sind, welche Verbindung ausschließlich von den verschmol- zenen großen Mittelfußknochen gebildet wird. Der größte Teil der Gelenkfläche wird von der 3. Metapodie gebildet, die noch ein ge- wisses Übergewicht bewahrt und noch mit C4 +5 der Vorder- gliedmaße artikuliert. Es findet sich ein freies Rudiment von Med. Me2 ist so gut wie immer ganz verschwunden, beteiligt sich eben- falls nicht an der Bildung des »Canon«. Mt2 und Mt5 hinterlassen nach ihrem Verschmelzen proximal mit Mt3 und Mt4 keine Spur. Gleichzeitig mit der Übernahme der ganzen Unterstützungsfläche hat der doppelte Mittelfußknochen Randpartien entwickelt, die an der Hintergliedmaße besonders stark entwickelt sind. Mt5 geht in die laterale Randpartie, Mt2 geht nicht in die mediale Rand- partie ein. ; Die Entwicklung in rückwärtsgehender Richtung ist am weitesten vorgeschritten im Hinterfuß. Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 327 6. Atavistische Mißbildungen. Textfig. 52, 53. Z 1. Boas beschreibt und bildet die Vorderfüße eines neugeborenen Kalbes mit zusammengewachsenen Großzehen ab. Am rechten Vorder- fuß ist sowohl Mce2 als Me5 in einer Länge von etwa 10 cm ent- wickelt (der doppelte Mittelfußknochen etwa 15 cm lang), verknöchert und endet proximal und distal im einem kurzen Knorpelstab. An Me2 schließt sich ein sehr kräftiges, mit oberer Epiphyse versehenes - Fesselbein an und daran wieder ein kleiner Knochen, der wahrschein- lich die 2. und 3. Phalanx vertritt. Der knöcherne Stab Me5 ist ungefähr an der Mitte durch ein knorpeliges! Stück unterbrochen und trägt keine Phalanges.. Am linken Vorderfuß sind Me2 und Me5 in ähnlicher Länge entwickelt; aber hier ist Me5 vollständig und trägt Phalanges, während Me2 an der Mitte unvollständig ist und keine Phalanges trägt. BoAs meint, daß es sich um eine tat- sächliche atavistische Bildung, und nicht nur um die Persistenz von embryonalen Verhältnissen handelt, was er aus der Entwicklung der mit besonderer Epiphyse versehenen ersten Phalanx schließt, und er bringt die atavistische Bildung in Verbindung mit der relativen Re- duktion der Großzehen. Sicher ist, daß die Persistenz vielleicht ausschließlich in Verbindung mit dem Verschmelzen der Großzehen auftritt. Um das Vorkommen von stärker entwickelten kleinen Mittel- fußknochen und dessen Abhängigkeit von der genannten Mißbildung (Syndaktylie) genauer zu untersuchen, habe ich die in den Samm- lungen der Hochschule aufbewahrten Präparate von Füßen mit zu- sammengewachsenen Großzehen durchmustert. Der Grad der Syn- daktylie schwankt von Fällen an, in denen allein die Hornkapsel gemeinsam ist, bis zu Fällen, wo alle 3 Zehenknochen zusammen- gewachsen sind. Ein bestimmtes Verhältnis zwischen dem Grad der Syndaktylie und dem Grad der Entwicklung der rudimentären Mittel- fußknochen kann ich nicht entdecken. j 2. In einem Vorderfußpaar eines Kalbes ist Me5 stärker ent- wickelt als normal. Am linken Fuß erstreckt es sich als ein ganz dünner Knochen bis an das distale Viertel von Mc4, wo es in einem knorpeligen Stab (Epiphyse) endet. Am rechten Vorderfuß erstreckt ! Dieses kleine Stück ist nicht knorpelig, sondern besteht aus einem Bindegewebsstrang (wiederholte Untersuchung des Präparates), wie auch nach der Entwicklung zu erwarten ist. 328 Gerhard Petersen es sich ebenso weit und endet in derselben Weise, aber das ganze mittlere Stück ist resorbiert und durch einen Bindegewebsstrang ersetzt. Von Me2 ist keine Spur ersichtlich. 3. Die beiden Vorderglied- Fig. 52. maßen einer Kuh. Der doppelte Mittelfußknochen verhält sich ganz normal und weist eine normale proximale Gelenkfläche auf. Die kleinen Mittelfuß- knochen sind an beiden Glied- maßen zunächst gleich stark entwickelt. Mc5 am rechten Bein bildet einen mehr als blei- stiftdieken Stab, der proximal mit einer Gelenkfläche für Me4 versehen ist, von dem es in seinem proximalen Drittel iso- liert ist. Es reicht nicht bis an die proximale Gelenkfläche von Mce4. Mit seinem mittleren, dünneren und etwas unebenen Drittel ist es mit der lateralen Kante von Mc4 zusammen- gewachsen, und in seinem distalen, in einem Knopf enden- den Drittel ist es wiederum von Me4 isoliert, und es ragt ein wenig lateral und volar hervor. Länge —Z- rechter 13.5 > ) . Rechter Metacarpus einer Kuh mit Syndaktylie Fuß, 19; linker Fuß. der Großzehen. Me? ist in 2 Teile geteilt. Mc5 verbindet sich Am linken Fuß ist es in im ganzen mittleren Teilmit McA. Siehe im übrigen BR P den Text (Fall Nr. 3, S.328). II Mc2, V Mc5. größerer Ausdehnung proximal wärts mit Mc4 zusammen- gewachsen und die Gelenkverbindung ossifiziert. Distal ist es in 2 Aste gespalten. Mc2 besteht an beiden Beinen aus einem proximalen Teil, der etwa 2 cm distal von der Gelenkfläche von Me3 einen federkiel- dieken Stab bildet, und liegt medial.von dem knotigen medial-volaren Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 329 Rand des letzteren. Me2 ist sodann auf einer Strecke von etwa 2 cm (vgl. die Modelle), wo sich ein Bindegewebsstrang findet, unter- brochen, und darauf folgt ein längerer, distaler, etwas dickerer, stab- förmiger Teil, der in seiner proximalen Hälfte mit Mc3 zusammen- gewachsen ist. Die distale Hälfte ist frei und ragt volar etwas hervor. r Länge = rechter Fuß, . linker Fuß. 4. Die Vordergliedmaßen eines Kalbes. Die rudimentären Mittel- fußknochen sind an beiden Gliedmaßen in gleicher Weise entwickelt. Das verknöcherte Me5 reicht auf das distale Drittel des Mittelfußes hinab und endet in eine knorpelige Epiphyse. Der mittlere Teil ist durch einen Bindegewebsstrang ersetzt. An die knorpelige Epiphyse schließen sich 2 langgestreckte Knochenstücke mit knorpeligen End- partien an, die durch Bindegewebe zusammengehalten werden. Das distale von den beiden Stücken ist von der Hornkapsel der Neben- zehe umschlossen. In der Nebenzehe finden sich außerdem 2,extra Knochenstücke (Verdoppelung der Knochen der Nebenzehe?). Mc2 ist durch einen langen Bindegewebsstrang vertreten, der distal in derselben Höhe wie Me5 in ein kurzes, knorpeliges Stück endigt. 5. Rechter Vorderfuß eines Kalbes, Von Me2 findet sich nur ein kurzer Bindegewebsstrang proximal, der sich im Periost verliert. Das verknöcherte Me5 reicht mit seinem distalen knorpeligen Ende bis an das distale Drittel des Mittelfußes. Von dort setzt ein Binde- gewebsstrang sich distal fort und verbindet sich mit 2 Knochenstücken in der Nebenzehe. 6. Linker Vorderfuß eines neugeborenen Kalbes. Der Fall ähnelt ganz dem Fall 5. 7. Kalb mit zusammengewachsenen Großzehen an allen 4 Glied- maßen. Linker Hinterfuaß: Mt2 und Mt5 sind selbständig. Mt2 bilden einen 5 cm langen, ein. wenig krummen Knochenstab, der sich an den medialen, plantaren Rand von Mt3 dicht anlegt, mit dem er sich durch Bindegewebe verbindet. Das proximale knorpelige Ende ist an das knorpelige proximale Ende von Mt3 fest angewachsen. Distal läuft es in-einen dünnen Bindegewebsstrang aus, der sich bis zur Mitte von Mt3 verfolgen läßt; letzteres ist 16,5 cm lang. Mt5 ist ein wenig kürzer als Mt2 und enthält nur eine kleine verknö- cherte Partie; proximal ist es knorpelig mit Mt4 verbunden. Die rechte Hintergliedmaße weist dieselbe Entwicklung der kleinen Mittelfußknochen auf. Es finden sich in den Nebenzehen 2 kleine Knochen. An den Vordergliedmaßen sind Me2 und Med in etwa ?/; NEIN------- 330 Gerhard Petersen von der Länge des Mittelfußes entwickelt, gleichmäßig an beiden Vordergliedmaßen. Das verknöcherte Me2 ist in seiner ganzen Aus- dehnung an Mc3 fest angewachsen, nur das distale knorpelige Ende ist frei, und von da aus kann man einen Strang in die Nebenzehe hinab verfolgen. Im letzteren finden sich 2 Knochen, ein längerer proximaler und ein kürzerer distaler. Mc5 ist wohlentwickelt, frei, endigt in einen Knorpelknopf an der distalen Hälfte des Mittelfußes und, setzt sich von hier an durch einen Bindegewebsstrang fort, in dem proximal von der Nebenzehe ein langer, zylindrischer, verknöcherter, mit 2 knorpeligen Epiphysen ver- sehener Knochen und weiter distal, von der Hornkapsel umschlossen, ein kleinerer, knorpeliger Knochen ent- wickelt sind. ; 8. Linke Vordergliedmaße eines 8 Tage alten Kalbs. Mc5 besteht aus einem proximalen verknöcherten Teil, einem Bindegewebsstrang und einem distalen dicken Ende, das proximal verknöchert und distal knorpelig ist. Es reicht ganz bis an ‚das proximale Ende der Gelenkrolle an Mc4 hinab und setzt sich durch einen Bindegewebsstrang in dieNeben- zehe hinab fort, in der ein lang- gestreckter, zylindrischer Knochen Fig. 53. Linker Metatarsus eines Kalbes mit Syn- daktylie der Großzehen an allen AGlied- entwickelt ist, der sich mit einem maßen. Siehe den Text (Fall Nr. 7, S. 329). IT Mt2, IV+ III Mt4+3, V Mt. kurzen, unregelmäßigen auch ver- knöcherten Stück gelenkverbindet. Von Me 2findetsich proximal ein kurzer, dünner Bindegewebsstrang, distal ein dickes Knorpelstück mit einer kleinen, verknöcherten Partie proximal. 9. Rechter Hinterfuß eines Kalbes. Medial an Mt3 findet sich proximal als Rudiment von Mt2 ein langartiges, etwa l cm langes Knochenstück, ganz mit Mt3 zusammengewachsen. Die Knochen in der medialen Nebenzehe sind stärker entwickelt als normal und be- stehen aus drei verknöcherten Stücken mit Gelenkhöhlen dazwischen. Mt5 ist als 2 cm langes Knochenstück proximal mit Mt4 knorpelig verbunden. Der knöcherne Teil von Mt5 ist im Begriff, an Mt4 fest Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 331 anzuwachsen. In der lateralen Nebenzehe findet sich (an dem skelet- tierten Präparat) nur ein Knochenstück. 10. Rechte Vordergliedmaße eines Kalbes. Me5istin2 Stücke geteilt. Von Mc2 findet sich (an dem skelettierten Stück) nur ein distales Stück. 11. Rechte Vordergliedmaße eines Kalbes. Mc5 besteht aus 2 Stücken mit einem Bindegewebsstrang dazwischen und setzt sich distal in einen Strang mit zwei Knochenstücken fort. Keine Spur von Mc2 (an dem skelettierten Präparat). 12. Kalb mit Syndaktylie an beiden Vordergliedmaßen und der rechten Hintergliedmaße. Rechte Hintergliedmaße: Mt5 ist 2,5 em lang und liegt als flachgedrücktes Knochenstück dicht an Mt4 an. Proximal ist es mit demselben knorpelig verbunden. Der linke, nicht syndaktyle! Hinterfuß weist dieselbe Entwicklung von Mt5 auf. Von Mt2 sind keine unzweifelhafte Spuren ersichtlich. Beide Vorder- füße weisen dieselbe Entwicklung von Me2 und Me5 auf; diese ragen 10 cm an dem 16 em langen Mittelfuß hinab und sind je in 2 Knochen- stücke geteilt. Von Me5 kann man einen distinkten Bindegewebs- strang bis zur Nebenzehe verfolgen, die mit 2 Knochen versehen ist, einem längeren, proximalen mit Verknöcherung an der Mitte und 2 knorpeligen Enden und einem kürzeren, distalen Knochen mit Ver- knöcherung am distalen Ende. 13. Linke Vordergliedmaße eines Kalbes. Keine Spur von Me2 ersichtlich. Me5 ist lang, an der Mitte durch einen Bindegewebs- strang unterbrochen und setzt sich durch einen Bindegewebsstrang bis zur Nebenzehe fort. 14. Syndaktylie der Nebenzehe Nr. 2 und der Zehe Nr. 3; rechter Vorderfuß eines Kalbes. Me2 besteht aus einem kurzen proximalen Knochenstück, und von hier aus läuft ein langer, frei- liegender, sehnenartiger Strang bis zu einem distalen, knorpeligen Stück, das proximal ein wenig verknöchert ist. Dieses Stück liegt auf der Höhe des distalen Drittels des Mittelfußes und ragt ganz bis an die Nebenzehe hinab. Direkt plantar von diesem Stück findet man noch ein ganz entsprechendes Stück (vgl. auch Fall 3 mit Ver- gabelung des distalen Endes von Me5), das sich auch ganz bis an die Nebenzehe hinab verfolgen läßt, die unzweifelhaft einer Ver- doppelung unterliegt. Die Hornkapsel an der Nebenzehe ist mit einer Furche versehen und steht mit der Hornkapsel an der dritten Zehe in Zusammenhang. Me5 ist nicht in höherem Grade als normal entwickelt. i Die Hornkapsel fehlt. ° 332 Gerhard Petersen Es liegt also in allen 14 Fällen von Syndaktylie, die im ganzen 19 Vordergliedmaßen und 4 Hintergliedmaßen umfassen, eine stärkere Entwicklung entweder beider kleinen Mittelfußknochen oder nur des einen davon vor; in keinem einzigen Fall fehlt diese Entwicklung. Es ist ferner deutlich, daß die kleinen Mittelfußknochen im Vorder- fuße stärker entwickelt werden als die entsprechenden im Hinterfuße, und wie zu erwarten ist, weist die Metapodie Nr. 2 in der Regel eine schwächere Entwicklung auf als die Metapodie Nr. 5. Ver- gleicht man sie mit den von mir untersuchten embryonalen Stadien, kann man eigentlich nicht behaupten, daß die kleinen Mittelfußknochen (abgesehen davon, daß die Verknöcherung sich weiter ausgedehnt hat) eine stärkere Entwicklung durchgemacht haben, als sie bereits im embryonalen Leben erreicht hatten, so daß dies an und für sich nicht dazu berechtigt, die Fälle als etwas anderes als eine Persistenz der kleinen Mittelfußknochen zu bezeichnen; was ihnen ein besonderes Interesse mitteilt und uns dazu berechtigt, sie als atavistische Miß- bildungen zu bezeichnen, ist aber, wie Boas bemerkt, die vorhandene stärkere Entwicklung und weitere Ausbildung der Knochen der Nebenzehen und der offenbare Zusammenhang mit der interessanten Mißbildung, die man als Syndaktylie der Großzehen bezeichnet. 7. Zusammenfassung. Im Carpus werden 7 Knochen angelegt, Radiale, Intermedium, Ulnare . und Pisiforme in der proximalen Reihe, C2, C3 und C4+5 in der distalen Reihe. Während die proximale Reihe nicht von der entsprechenden Reihe bei den primitiven Artiodactylen verschieden ist, hat die distale Reihe bedeutende Veränderungen durchgemacht. C2 und C3sind vollständig verschmolzen und ruhen allein auf Me3; C4 +5 artikuliert allein mit Mec4 und hat die Artikulationspartie von Med in sich aufgenommen. Im Metacarpus werden Mc2, Mc3, Mc4 und Me5 angelegt. Die beiden mittleren, von denen Mc3 ein kleines Übergewicht über Me4 hat, weisen von Anfang an eine überwiegende Entwicklung auf und schmelzen proximal bereits in einem ganz frühen Stadium zusammen. Sehr schnell verdrängen sie die kleinen Mittelfußknochen aus der Verbindung mit dem Carpus und übernehmen allein die Unterstützung. Sie verknöchern je von ihrem Knochenkern aus, und erst verhältnismäßig spät, gegen die Mitte des embryonalen Lebens hin, beginnen die verknöcherten Diaphysen zu verschmelzen. Bei ! Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 333 dem erwachsenen Tier sind Mc3 und Mc4 zur Bildung des doppelten Mittelfußknochens, Os du canon, vereint, das jedoch fortwährend gesonderte Gelenkrollen hat. Me2 wird in der Gestalt eines Zellen- strangs in voller Ausdehnung angelegt, knorpeldifferenziert sich, aus- genommen ganz proximal und in einem distalen Stück, und wird nach weitgehender Verknöcherung vollständig resorbiert. Es be- teiligt sich nicht an der Bildung des doppelten Mittelfußknochens. Me5 wird angelegt und wie Mc2 differenziert. Ein ganz kurzes proximales Stück verschmilzt mit C&4 +5 und wird von dem fol- genden Teil isoliert, der verknorpelt und eine stärkere Entwicklung erreicht als der entsprechende Teil von Mc2. Er verknöchert und erhält sich bei dem erwachsenen Tier als dünner Knochenstab lateral an dem proximalen Ende des doppelten Mittelfußknochens. Persi- stenz der kleinen Mittelfußknochen tritt auf in Verbindung mit der Mißbildung Syndaktylie der Großzehen. In den Großzehen werden 3, in den Nebenzehen 2 Knochen angelegt. Die proximale Reihe im Tarsus besteht aus Calcaneus, der dem Fibulare entspricht, und Talus, der wahrscheinlich dem Intermedium entspricht, während ein Tibiale nicht angelegt wird. Medial zwischen der proximalen und distalen Reihe findet sich das bootförmige Cen- trale. In der distalen Reihe werden Til, T2, T3 und T4 +5 angelegt. T2 und T3 verschmelzen und vereinigen sich mit dem Centrale. T1 bleibt selbständig. T1—3 artikulieren mit Mt3, T4 +5 nur mit Mt4. »Canon« besteht aus Mt3, Mt4 und den proximalen Enden von Mt2 und Mt5. Die kleinen Mittelfußknochen werden in voller Aus- dehnung angelegt, verknorpeln aber nicht in so großer Ausdehnung, wie an der Vordergliedmaße. Die knorpeligen, freien Teile davon verknöchern von der Mitte an und werden darauf vollständig resor- bier. Mt3 und Mt4 verwachsen sehr schnell in den proximalen, plantaren Teilen, die den plantaren Verlängerungen bei dem Schwein entsprechen. Das proximale Ende des doppelten Mittelfußknochens breitet sich stark aus und entwickelt eine laterale Kante, die Mt5 aufnimmt, sowie eine mediale Ecke zur Artikulation mit T1. Mt2 beteiligt sich nicht an der Bildung dieser Ecke, verschmilzt aber mit Mt3 dorsal von dieser Ecke. Freje Rudimente der kleinen Mittelfußknochen erhalten sich nicht beim erwachsenen Tiere, aus- genommen in Verbindung mit der Mißbildung Syndaktylie der Groß- zehen. Nebenzehe wie an der Vordergliedmaße. 334 Gerhard Petersen Schluß. Die Untersuchung des Fußskeletts des Rindes bestätigt also, wie zu erwarten war, den auch in der Einleitung angeführten Satz, daß die Ontogenese uns ein Bild der phylogenetischen Reihenfolge darbietet. In den ersten Stadien der Entwicklung ist es nicht leicht zu entscheiden, ob ein vorgelegtes Präparat von einem Schweine- embryo oder einem Rinderembryo, von einem verhältnismäßig pri- mitiven Artiodaktyl oder von einem weit spezializierten Wiederkäuer herrührt. Demnächst treten die Unterschiede hervor, und der Fuß des Rinderembryos erinnert uns an den Fuß primitiver Wiederkäuer (Tragulus) und sodann an den Fuß mehr spezialisierterer Wieder- käuer (Gelocus, andere Pecora). Soweit aus den wenigen Beschreibungen von Embryonen von Hirschen. und anderen Pecora zu ersehen ist, stimmt die erste Entwicklung des Fußes bei ihnen allen überein. Es wäre daher vielleicht nicht ganz unberechtigt, aus der Entwicklung und somit aus dem Bau des Rinderfußes auf die Füße der übrigen Pecora hin Schlüsse zu ziehen, was dazu dienen kann, bei vergleichenden ana- tomischen Untersuchungen Mißverständnisse und falsche Deutungen von Details am Wiederkäuerfuße zu verhindern. Auf die genaue Übereinstimmung der Entwicklung des Fußes bei den rezenten Wieder- käuern deuten auch die fossilen Funde. Sehr zweifelhaft scheint es mir, daß Mc2 bei anderen Wieder- käuern als dem Rinde, wenn es nicht als freies Rudiment vorhanden ist, mit Mc3 zusammengeschmolzen und in die Bildung des »Canon« aufgegangen sein sollte. Um dies feststellen zu können, wäre allen- falls ein embryologischer Beweis erforderlich. Literatur. BAUR, G., Der Carpus der Paarhufer. Morph. Jahrb. Bd. 9. 1884. Benz, H. C. B., Haandbog i den physiologiske Anatomi af de almindeligste, danske Huuspattedyr. I. Del. Kjobenhavn 1853. —— lcones anatomic® vulgarium danicorum mammalium domesticorum. Fas- ciculus osteologieus. Hafn. 1850. Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 335 Boas, J. E. V., Leerebog i Zoologien. Kobenhavn 1905. ——- Über den Metatarsus der Wiederkäuer. Morph. Jahrb. Bd. 16. 1890. —— Ein Fall von vollständiger Ausbildung des 2. und 5. Metacarpale beim Rind. Morph. Jahrb. Bd. 16. 1890. —— Phylogenie der Wirbeltiere. Die Kultur der Gegenwart. Teil III. Abt. IV, 4. 1914. 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Volar von den Gelenkrollen sieht man die vier Sesambeine und einen Knochen, der zur Nebenzehe an jeder Seite gehört. 336 Gerhard Petersen Fig. 335 und 39. Modell Cp, von vorne und von hinten gesehen. 19/1. An Fig. 38 sieht man Mt3 und Mt4, an Fig. 39 Mt2—5. Mt2 ist in ein kurzes proximales und ein längeres distales Stück geteilt. Plantar von den Gelenkrollen sieht man vier Sesambeine und an jeder Seite einen Knochen, der zur Nebenzehe gehört. Über dem Metatarsus sieht man die distale Fläche von T1, T2+3 und T4+5. Die graue Zone kennzeichnet den verknöcherten Teil von Mt3 und Mt4. Fig. 40. Die proximale Gelenkfläche von Metatarsus, Modell Cp. Der von Mt3 gebildete Teil ist zunächst viereckig mit einer ausgeprägten medial- plantaren Ecke. Ein wenig-dorsal davon ist Mt2 mit Mt3 verbunden. Der laterale Teil der Gelenkfläche ist dreieckig. Tafel VI. Fig. 41—43 stellen das Modell D dar, von vorne, von hinten und von der me- dialen Seite gesehen. Die kleinen Mittelfußknochen sind ersichtlich, Me2 ist in zwei Stücke geteilt. Volar von den Gelenkrollen von Me3 und Mc4 sehen wir die vier Sesambeine. Ferner sieht man auf Fig. 43 die kleinen Knochen, die zu den Nebenzehen gehören. Die graue Zone an den Metacarpalien gibt die verknöcherten Teile davon an. 14,7/1. Fig. 44 und 45 stellen das Modell E dar, von vorne und von hinten gesehen. 14/1. Man sieht Mc2—5, Me5 in zwei Stücke geteilt. Die ver- knöcherten Teile sind durch einen grauen Ton gekennzeichnet. Tafel VII. Fig. 46—48. Metacarpus einer Kuh, von vorne, von hinten und von oben ge- sehen. 1/2 natürliche Größe. . Fig. 49—51. Metatarsus einer Kuh (von demselben Tier wie der oben an- geführte Metacarpus) von vorne, von hinten und von oben gesehen. 1/2. Für Tafel V, VI und VII. ra Radius. «ul Ulna. r Radiale. i Intermedium. « Ulnare. p Pisiforme. t Tibia. f Fibula. e Caleaneus. ta Talus. etr Centrale. b Knochen der Nebenzehe. s Sesambein zum Fesselgelenk. Carpalia und Tarsalia werden durch arabische Ziffern allein, Meta- carpalia und Metatarsalia durch römische Ziffern allein bezeichnet. a Anheftung für M. extensor carpi radialis. b Gelenkfläche für Med. d medial-volarer rauher Rand. Untersuchungen über das Fußskelett des Rindes. 337 e lateral-volarer Rand, mit einer Fläche für Mc5 versehen. f Synovialgrube. 9 Die Furche zwischen den großen Mittelfußknochen mit einer proximalen und einer distalen Gefäßöffnung. h Gelenkfläche für C4+5 (T4+5). > J zapfenförmiger Vorsprung an Mt4. k medial-plantare Ecke. ! die Zusammenwachsungsstelle für Mt2. n Gelenkfläche für T1. o Gelenkfläche für T2 +3. v Gefäßöffnung. x Gelenkfläche für T4+5. x Sehnenrinne für M. peronaeus longus. Narr Ar Ba en er Ew 27 ü & P She. 3 27; N eh ro we at ae ee a Ku ae RR 55 Be ER Br ‚ir > u “ } \ ö an: v / n z “u u “ . &* 4 « “ » ‚ > \ “ fr - ’ 2 ! ” ——— ' .— men ann —— A Morpholegisches Jahrbuch Bo. LI 36. 188% 37. 188/4 35.198/7 Tafel V lag vWilhelm Engelmann 'r fi Z Yu] 2] A / Monphologisches Jahrbuch Bo. L Tafel VI. Verlag vWilhelın Engelmann nLeipzig Lift AnstwE AFunke,Leipzig Morphologisches Morphologisches Jahrbuch Bo Li Tafel Vu Verlag vWilhelm Engelmann inLeipzig Lith AnstvEAFunke, Leipzig Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. Von Dr. med. Berta Erdmann. Mit 4 Textfiguren und Tafel VIII und IX. - Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren ist außer der grundlegenden Arbeit von GOETTE wenig bekannt. GoETTE beschreibt 1875 die Ausbildung des Herz- schlauches von Entstehung der Herzzellen und der Seitenplatte bis zu den Anfängen der Aufteilung und der Ausgestaltung des Herzens bei der Unke (Tafel XXI, Fig. 370). Meine Aufgabe beschränkt sich also darauf, der weiteren Ausgestaltung des Herzens der Anuren nach- zugehen, mit besonderer Berücksichtigung der Bildung des atrio- ventrikulären Klappenapparates und des Trabekelsystems. Zur Unter- suchung wurden Bombinator igneus, Rana temporaria, Rana escu- lenta und Rana catesbiana mugiens herangezogen. Die Entwicklung wurde an Bombinator-Larven untersucht, nur für die ersten Stadien mußten Rana-Larven verwendet werden. Besonderer Wert wurde auf die Entwicklung der Trichterwand, Entstehung der Endokard- kissen bis zum Erscheinen der fertigen Klappe gelegt, und der feinere Bau der Haupt- und Nebenkammern erforscht. Sammlung und Ver- arbeitung des Materials zu vorliegender auf Anregung von Prof. E. GöPPERT unternommenen Arbeit fand in den Jahren 1913 und 1914 statt; niedergeschrieben wurden die Ergebnisse äußerer Umstände halber erst am Schluß des Jahres 1919. Erwachsenes Stadium. (Textfigur 1—4.) Zum besseren Verständnis der folgenden Beschreibung der ein- zelnen Entwicklungsstadien der Atrioventrikularklappen der Anuren hebe ich die für meine Arbeit wesentlichen Punkte aus der Be- schreibung des fertigen Zustandes kurz hervor. Morpholog. Jahrbuch. 51. 23 340 Berta Erdmann , Textfigur 1 zeigt den Innenbau des Herzens von Rana catesbiana mugiens: Textfigur 2 soll durch einen Sagittalschnitt des Herzens von Rana esculenta eine histologische Übersicht der dorsalen und ventralen Atrioventrikularklappe geben, während Textfigur 3 und 4 den Hauptwert auf die Darstellung der rechten und linken Seiten- _ klappe legt. Textfigur 1 stellt einen Frontalschnitt dar; die Basis des Ventrikels hat 2 Öffnungen, links befindet sich die Einmündung des Vorhofes und rechts, mehr kranialwärts, die des Bulbus in den Ventrikel; Fig. 1. Herz eines amerikanischen Ochsenfrosches, durch Frontalschnitt geöffnet. Abkürzungen S. 304. beide sind durch Klappenapparate verschlußfähig. Am proximalen Eingang des Bulbus sitzen drei gleichgestaltete Taschenklappen; GAupP unterscheidet eine links und ventral, eine rechts-und ventral, sowie eine dorsal sitzende (pr.BW.). Von den Randteilen der Basis fällt die Muskulatur schräg zum tiefer gelegenen Ostium atrioventrieulare ab, so daß wir dieses mit dem ihm zugehörenden Klappenapparat in einer tieferliegenden Ebene als die Basis selbst finden. Am Ostium atrioventriculare bestehen vier Klappen. Die größten und wichtigsten liegen am dorsalen und ventralen Umfange des Ostiums (dors. AVKl.); mehr kranial rechts und links be- finden sich zu beiden Seiten zwei kleine Klappen; die rechte, breite und zungenförmige ist die größere, sie sitzt der sog. bulboaurikulären Leiste a Tu au ee or ee ’ Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. 341 auf (r.SKl.). Die linke, kleinere und lanzettförmige liegt mehr ventral vorgeschoben, der Basismuskulatur angeheftet (2.SK7.). Diese Seiten- klappen stehen den Seitenrändern der dorsalen und ventralen Klappen - in einer etwas höheren Ebene gegenüber. Eine etwas kom- pliziertere Form haben die Hauptklappen, jede wird durch das Septum atriorum in eine rechte, größere Hälfte und in eine linke, kleinere ge- teilt. Beide Hälften haben annähernd die Gestalt eines ovalen Polsters, dasmit seinem verdickten Ende (Text- figur 1) dorsalwärts zeigt. Die freien Rän- der des Polsters sind verdickt und dienen an der Unterfläche als An- heftungsstelle von Seh- nenfäden (Chordae),die, zu Bündeln angeordnet, ‚in geringen Zwischen- räumen vom oberen Rande des Endokard- überzuges der Haupt- kammer entspringen. Die Hauptkammer bildet einen von den muskulösen Trichter- Sagittalschnitt durch das Herz einer einjährigen Rana esculenta. Ventrale und dorsale Klappen. wänden dorsal und ventral begrenzten Raum (HK.). Er erstreckt sich von rechts nach links, sein sagittaler Durchmesser ist dagegen gering. Die Wände der Hauptkammer sind von einem endokardialen Ueber- zug bekleidet, der durch die Chordae mit der dorsalen und ventralen Klappe in Verbindung steht. Von dem apikalen Teil der Haupt- kammer gehen die Nebenkammern aus, und dringen von hier gegen die Ventrikelwand vor (NK.). Jede Nebenkammer ist von den be- 23* 342 Berta Erdmann nachbarten durch radiärgestellte Scheidewände getrennt (NS.). Diese etwa 8—10 an der Zahl sind keine soliden Gebilde, sondern bestehen aus Trabekeln und Hohlräumen. Die Oberfläche der Septen ist von dem sich aus der Hauptkammer fortsetzenden Endokard überzogen, ebenfalls die in ihrem Innern gelegenen Hohlräume. Textfigur 2 gibt den feineren Bau. Von beiden Seiten ragen in schräger Richtung in Gestalt eines sich zuspitzenden Trichters muskulöse Lamellen als kontinuierliche Fortsetzung der Vorhofwand in das Kammerlumen hinein. Diese Trichterwände erhalten sich bei den Amphibien dauernd, während sie bei Krokodilen, Vögeln und Säugetieren — schon in der Embryonalzeit — bei der Entwicklung Fig. 3. Fig. 4. Dieselbe Schnittserie wie in Fig. 2 mit linker Klappe. Wie in Fig. 3 mit rechter Klappe. des Klappenapparates verwendet werden. Die Muskelfasern der Triehterwand verlaufen in zirkulärer Anordnung. In das Lumen des muskulösen Trichters hängen die dorsale und ventrale Atrioventrikular- klappe hinein: Ein Sehnenfaden ist in seinem ganzen Verlauf er- kennbar vom freien Klappenrand bis zu seiner Ansatzstelle an der Trichterwand. Die Klappen selbst bestehen aus Bindegewebe, dessen Grundsubstanz an manchen Stellen von sternförmig verästelten Zellen durchsetzt ist. Sie sind an den Außenflächen mit Endothel bekleidet. Jederseits schließen sich rechte und linke Seitenklappe den Hauptklappen an. Sie inserieren an den entsprechenden Seitenwänden des Ostium atrioventrikulare und greifen beim Schluß des Ostiums zwischen die Hauptklappen ein (Textfigur 3 und 4). nn Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. 343 Erstes Stadium. Tafelfigur 1. (Sagittalschnitt einer 4 mm langen Larve von Rana temporaria). Das jüngste Entwicklungsstadium, mit dem ich meine Unter- suchungen beginne, gab eine 4 mm lange Kana temporaria-Larve. Es gelang mir leider aus technischen Schwierigkeiten nicht, eine völlig intakte Serie von dieser jungen Larve zu erhalten. Die Atrio- ventrikularöffnung, das eigentliche, von mir zu bearbeitende Gebiet, fehlt. Da aber das für diese Entwicklungsstufe Wesentliche, die histologische Kenntnis des primitiven Herzmuskel- sehlauches, auch aus den mir zugänglichen Herzteilen ersichtlich, kann ich auf Durchsicht und Wiedergabe der atrioventrikulären Öff- nung verzichten, zumal A. GoETTE eine lückenlose Darstellung in seiner »Entwicklungsgeschichte der Unke« von diesem Alter gibt. Der Herzschlauch ist bereits in Abschnitte differenziert; sein kranialer Teil, die Gegend des Ursprungs des Bulbus aus dem Ventrikel liegt vor uns. Das Myoepikard ist noch eine protoplasma- reiche undifferenzierte Zellmasse. Zellen mit rundem Kern und schwach konturierten Zellgrenzen lagern dicht aneinander. Das Endo- kard kleidet das Lumen aus, es besteht aus einer Reihe großkerniger Endothelzellen. Zwischen Myoepikard und Endokard ist ein Zwischen- raum. Die beiden Herzteile liegen in der Perikardialhöhe, umgeben von dem Parietalblatt. Zweites Stadium. Tafelfigur 2. (Sagittalschnitt einer 6 mm langen Larve von Rana temporaria Hämatoxylinfärbung.) Das zweite Stadium bringt die Sonderung von Epikard und Myo- kard. Ferner haben auch die einzelnen Herzabschnitte sich deutlich von einander gesondert. Aus der Vereinigung der venösen Gefäße geht der trichterförmig nach unten erweiterte Sinus hervor. Eine starke Einschnürung der Wand grenzt den Sinus von dem sich kranialwärts über ihn erhebenden "Vorhof ab. In dorsoventraler Richtung schließt sich die Kammer an. Am Übergang von Kammer und Vorhof liegt eine leichte Verengerung, der sog. Aurikularkanal, durch eine muskulöse ringförmige Ver- dickung gekennzeichnet. Kranial setzt sich der stark ausgebuchtete Ventrikel in den Bulbus cordis fort, der sich verjüngend und kranial- wärts ansteigend in den Truneus arteriosus übergeht. Das Endokard zieht als zarter einreihiger Zellschleier, vom Myo- kard durch einen Zwischenraum getrennt, durch das Herzinnere. 344 Berta Erdmann Die Entfernung von endokardialem Herzrohr und myokardialem Mantel ist im ganzen Herzraum verschieden. Das Spatium bildet sich ungleichmäßig zurück, stellenweise liegt das Endokard dem Muskelmantel locker auf, z. B. im Ventrikel und im Sinus; in den übrigen Herzabschnitten besteht noch ein ziemlich gleichmäßiger Ab- stand. Ihn überbrücken feine, netzförmig angeordnete Protoplasma- fäden, die in der Gegend der Atrioventrikulargrenze kräftiger her- vortreten. Das im ersten Stadium noch einheitliche Myoepikard zeigt jetzt den Beginn der Differenzierung. An einzelnen Stellen unterscheidet man bereits deutlich zwei Lagen, ein inneres Myo- und äußeres Epikard. (M.E.) Drittes Stadium. Tafelfigur 3. (Sagittalschnitt einer 6 mm langen Rana temporaria-Larve. Karminfärbung.) 2 Der eben geschilderten Entwicklung des einfachen Herzschlauches und seiner histologischen Differenzierung folgt nun die erste Anlage der Trichterwand und der Endokardkissen. Die Ventrikelwand zeigt zwei bemerkenswerte Veränderungen, im oberen Teil des Ventrikels werden die »Trichterwände« angelegt, im unteren Drittel des Kammerraumes, am Boden des Ventrikels, ragen niedrige Muskelbalken empor, die, senkrecht auf die Achse des Kammerrohres gerichtet, der Atrioventrikularöffnung zustreben. Diese Leistenbildungen erstrecken sich, wie erwähnt, nur auf den unteren Teil der Kammer. Dann hören sie auf und im Bereich der atrioventrikulären Öffnung stellt sich die Wand als zusammenhängende, verdickte Platte dar, die sich gegen das Atrium und ventrikelwärts verdünnt. Dieses Verhalten wird durch unsere Zeichnungen der kranialen Ventrikelwand wiedergegeben. In dem ventrikulären Ende der Platte der kaudalen Herzwand findet sich dagegen ein schmaler Spaltraum. Die folgenden Schnitte zeigen auch innerhalb der soliden Muskelplatte an verschiedenen der Atrioventrikularöffnung näher liegenden Stellen die Muskulatur gelockert und winzige Spaltbildung. Dadurch wird der nun einsetzende Ablösungsprozeß der «Trichterwand« in seinen ersten Anfängen angedeutet. Die histologische Struktur der Trichterwand gleicht der der übrigen Herzwand. (Tr. W.) Im Aurikularkanal haben erhebliche Endokardwucherungen ein- gesetzt, am mächtigsten sind sie an der Grenze von Vorhof und Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. 345 Kammer und ragen in das Lumen weit hinein. Nicht nur innerhalb der Endothelzellenreihe hat eine Zellvermehrung stattgefunden, auch die gerinnselartige, zellfreie, fädige Masse innerhalb des verbreiterten subepithelialen Spatiums hat sich zu einem kräftig hervortretenden Netzwerk ausgewachsen, dessen einzelne Protopläsmafäden mit ihren peripheren Enden auf der Trichterwand wurzeln. Aus diesen beiden Bestandteilen sind zwei Endokardkissen ge- bildet, deren Gestalt vorläufig sich mit einem stumpfen Dach ver- gleichen läßt (Tafelfigur 3). — Der Giebel liegt in der Atrioventri- kulargrenze, die Seiten verlaufen schräg abwärts ventrikelwärts bis zum Ende der Anlage der Trichterwand und verlieren sich in der Richtung des Vorhofes in dessen Endokard. Dieses hat im übrigen Herzbereich seinen ursprünglichen Charakter beibehalten. Von den Endothelzellen sind vereinzelte in das bisher zellfreie Spatium eingetreten. So genügen diese auf der Trichterwand befestigten Endokard- kissen, wenn auch noch in Bildung begriffen, schon ihrer funktionellen Aufgabe. Sie dienen als Verschlußapparat bei der Systole der Kammer. Viertes Stadium. Tafelfigur 4 und 5. (Sagittalschnitt- und Horizontalschnittserie einer 3 mm langen Larve von Bbombinator igneus Karminfärbung.) Folgender Entwicklungsfortschritt ist für das vierte Stadium fest- zustellen: Weitere Loslösung der Trichterwände von ihrem Mutter- boden, weitere Ausgestaltung der Endokardkissen. Als neue Er- scheinung: das Vorhofsseptum. Als Ausgangspunkt mögen die als feste Muskelplatte an der kranialen und kaudalen Wand sich darstellenden Trichterwände des vorigen Stadiums dienen. Im Gegensatz dazu ist auf dieser Entwick- lungsstufe im Bereich des oberen Ventrikelraumes das untere Drittel der kranialen Trichterwand von der Kammerwand abgelöst und ragt mit seinem freien Ende weit in das Ventrikellumen. Seine Entfernung vom Mutterboden ist noch gering; stellenweise ist es ohne Verbindung mit ihm, stellenweise vermitteln feine Muskelzüge den Zusammenhang mit der Herzwand. Die oberen Drittel der kranialen Trichterlamelle bilden noch einen mit der Ventrikelwand vereinigten, kompakten Muskelzug, der noch keine Spur der späteren Unterminierung er- kennen läßt. Der graduelle Unterschied in der Entwicklung zwischen ihr und 346 Berta Erdmann der kaudalen Trichterlamelle ist erheblich. An der Grenze von Kammer und Vorhof zweigt die schon völlig von der Ventrikelwand losgetrennte Platte in das Innere des Kammerlumens ab, so daß die freie Triehterwand bis ungefähr zur Hälfte der Ventrikelhöhe reicht. Zwischen Kammer und Trichterwand hat sich bereits ein trabekuläres Muskelsystem ausgebildet, bis zur Kammer-Vorhofgrenze ist es unterhöhlt. Es läßt sich vielleicht annehmen, daß durch die Unterminierungs- arbeit .des Blutes die »Trichterwände« entstehen. Mit Spaltbildung setzt der Loslösunssprozeß ein, die schmalen Lücken wachsen zu Hohlräumen aus, die in der Richtung gegen die Herzspitze an Größe zunehmen. Die Muskelbrücken bilden ein Trabekelsystem. In der Nähe der linken Herzwand werden die kaudale und kraniale Triehterwand durch zirkulär umrandende Muskelzüge ver- einigt. Infolgedessen erhält der von den Trichterlamellen gebildete Innenraum an dieser Stelle einen Abschluß. Vom Boden der Kammer- wand springen, wie bei der jungen Larve, Muskelwülste ins Lumen in der Richtung gegen den Aurikularkanal und den Bulbus vor. Die histologischen Veränderungen sind nicht bedeutend; in den Endokardkissen ist ein Zuwachs von sternförmigen Zellen mit kleinen Kernen erkennbar. Offenbar sind sie von der Endothelreihe ins Retikulum übergetreten; wenigstens ist dieses daraus zu erschließen, daß der periphere, der Trichterwand zunächst liegende Teil des Kissens frei von ins Retikulum eingewanderten Zellen ist. Neu findet sich die Teilung des Vorhofes in zwei Hälften. Das gegen das Ostium atrioventrikulare herabgewachsene Vorhofsseptum ist bereits mit den Endokardkissen in Verbindung getreten. An der dorsalen Wand der linken Vorhofsabteilung mündet auf den folgen- den Serienschnitten die an der Sinuswand hinaufsteigende Lungen- vene. Eine kurze Untersuchung der gleichaltrigen Larve in Horizontal- schnitten zeigt noch ergänzend das Verhalten des Endokards und der Muskulatur im Atrioventrikularring. Vom Bulbus sehen wir den proximalen Teil mit der noch ringförmig abgeschlossenen Einmündung in den Ventrikel und seine ampullenartige Erweiterung. Im ersteren liegt durch einen Zwischenraum von der Muskelwand getrennt ein endokardialer Zellring, dem kranial der in Bildung begriffene Bulbus- wulst I aufsitzt. Im Ventrikel ist der Atrioventrikularring mit den zirkulär verlaufenden Muskelfasern und ein Teil seiner Wandung mit _ den Trabekeln sichtbar (Tafelfigur 5). Innerhalb des Muskelringes Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. 347 liegen kranial und kaudal die Endokardkissen. Der Giebel des noch dachförmigen Kissens ist durchschnitten, auch hier sind in das Retikulum ‚Zellen mit kleinem Kern und protoplasmatischen Ausläufern, die unter sich verbunden sind, eingewandert. Vereinzelt beobachtet man auch Zellteilungsfiguren. i Fünftes Stadium. Tafelfigur 6. (Sagittalschnittserie einer 10 mm langen Bombindtor-Larve. Häm. Eosinfärbung.) In diesem Stadium ist die Entwicklung der Triehterwand zum Abschluß gekommen und die Ausgestaltung des Myokards weit fort- geschritten. Von der Atrioventrikularöffnung aus verlaufen jetzt ventral und dorsal die Trichterwände als Verlängerung des Ohrkanals in den Ventrikelraum. Beide sind völlig dem Boden, auf dem sie entstanden sind, entrückt. Der Abstand ihrer freien Ränder von der Kammer- wand beträgt etwa ein Drittel des dorso-ventralen Durchmessers der Kammer. Der Anstieg der Lamellen ist also steiler geworden, die Steigung beginnt schon an der Atrioventrikulargrenze. Eine weitere Folge ist, daß das die Kammer- und Triehterwand verbindende Balkenwerk bedeutend an Wachstum zugenommen hat. Diese Muskel- verbindung gleicht einem scheinbar regellosen Netzwerk, in dessen Maschen vereinzelt Blutkörperchen zu finden sind. Eine regelmäßige Gruppierung weist dagegen die Kammer- muskulatur im kaudalen Abschnitt des Herzkegels dieser Entwick- ‚langsstufe auf, wie Horizontalschnitte zeigen. Der ganze untere Ventrikelraum ist in 8—10 Fächer von ungefähr gleicher Größe ein- geteilt, die durch radiärgestellte Muskelbalken geschieden sind. Es handelt sich hier um die Anlage der Nebenkammern und der sie trennenden Septen. Die Endokardkissen sind den Lageänderungen der Trichterwände gefolgt, halb sitzen sie den Trichterwänden auf, halb dem Aurikular- kanal; (ihre Mitte liegt in der Höhe der Atrioventrikulargrenze. Einander genau gegenüber gelagert werden sie sich bei eingetretener Systole mit ihren Innenseiten berühren uud decken (Tafelfigur 6) und so wirksam dem Blut den Rücktritt in die Vorkammer verschließen. Der Innenraum des Kissens ist nun mit den aus dem vorangegangenen Stadium bekannten Sternzellen ausgefülltmit Ausnahme einer peripheren Zone. Die beigefügte Zeichnung macht die Vereinigung von kaudalem Kissen mit dem Vorhofsseptum anschaulich. 348 Berta Erdmann (Horizontalschnittserie einer 10 mm langen Bombinator -Larve. H. E.-Färbung. Tafelfigur 7, 8, 9,-10.) Es folgt nun die Durchsicht einer Horizontalschnittserie durch eine mit der vorigen gleichaltrige Larve, denn nur durch diese Be- trachtung erhält man einen’ klaren Überblick über den komplizierten, vielteiligen Aufbau der Kammermuskulatur der Anuren. Sie soll an der Herzspitze beginnen und an der Basis endigen. Das kaudale Ende der Herzkammer weist in verschiedener Richtung verlaufende Muskelzüge mit dazwischen liegenden Spalt- räumen auf, in die kleine Muskelleisten von verschiedener Größe ein- ragen. An Stelle dieser scheinbar willkürlichen Anordnung tritt eine gesetzmäßige. Eine kurze Strecke lang ziehen 6—7 stärkere, ge- schlossene Muskelzüge in gleichmäßiger Entfernung von der ventralen zur dorsalen Wand durch das ‚Ventrikellumen. Aber schon etwa an der unteren Grenze des mittleren Drittels des Ventrikels ändert sich das Bild. In gleichen Abständen springen gleichgeformte, radiärgestellte Septen in das Ventrikellumen vor (Tafelfigur 7). Jedem dieser Septen sitzt eine frei zu beiden Seiten endigende Querleiste auf, so daß an der Ventrikelwand 10—12 T-förmige Glieder — alle senkrecht auf die Achse-des Rohres gestellt — gebildet sind. Ein geringer Zwischen- raum trennt die einander benachbarten Querleisten. Auf diese Weise wird ein großer Innenraum, die Hauptkammer, von den kleinen, - peripher gelegenen Außenräumen, den Nebenkammern, abgegrenzt. Sie sind vom Endokard ausgekleidet, wie das ebenfalls die Figur zum Ausdruck bringt. | In Höhe des oberen Kammerdrittels fließen die Querleisten und ihre endokardiale Bedeckung anastomosierend zu einer kontinuier- lichen Lamelle zusammen und diese setzt sich als eine zu beiden Seiten- in das Ventrikellumen hängende Wand bis zur Basis fort (Tafelfigur 8). Schleierartig liegt der Endokardüberzug aufihr. Mit dem Zusammenfluß der Querleisten zur kontinuierlichen Lamelle — also mit Beginn der schon aus den Sagittalschnittserien bekannten Triehterwand — hört der geschilderte, regelmäßige Bau der Septen auf. Statt ihrer überbrücken keiner bestimmten Anordnung folgende Züge den Raum zwischen Triehter- und Ventrikelwand; teils ver- schmelzen sie spitzwinklig herantretend mit der Trichterwand, teils wachsen sie senkrecht oder gebogen in sie ein. So sind Trichter- und Ventrikelwand vermittels trabekulärer Muskelzüge miteinander verbunden. Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. 349 Im oberen Kammerdrittel, lateral und links kommt ein zirkulärer Zusammenfluß der Trichterwände in Gestalt der auf Figur 8 festge- haltenen charakteristischen Hufeisenform zustande. Auf den nächst- folgenden Schnitten gehen die hufeisenförmigen Trichterwandlamellen in die Ringmuskulatur an der atrioventrikulären Grenze über. Es sind zirkulär verlaufende Muskelfasern mit längsgestellten Kernen, an deren kreisförmiger Innenwand ventral und dorsal die Endokard- kissen sitzen (Tafelfigur 10). Die Einmündung des Bulbus in den Ventrikel zeigt Tafelfigur 9. Während ventral die bulboventrikuläre Grenze verwischt erscheint, ist sie an der Dorsalwand scharf ausge- prägt. Das ventrale Endokardkissen setzt sich in den proximalen Bulbuswulst I fort, an das dorsale grenzt der proximale Bulbus- wulst III. Somit wäre die Basis erreicht und der Bau des Innenraumes dargelegt, der im wesentlichen mit den Verhältnissen beim fertigen Tier bereits übereinstimmt. Sechstes Stadium. Tafelfigur 11. (Sagittalschnittserie einer 12 mm langen Bombinator-Larve. H. E.- Färbung.) Das sechste Stadium zeigt die Endokardkissen auf ihrer höchsten Entwicklungsstufe und den Beginn der Bildung des Klappenapparates. Die Atrioventrikularöffnung ist durch die mächtig entwickelten Endokardkissen eingeengt. Diese haben an Volumen um das Doppelte zugenommen und erstrecken sich fast über die ganze Länge der Triehterwände. Als Polster breit schon oberhalb der Atrioventrikular- grenze sich erhebend, besitzen sie in der Höhe der letzteren ihre größte Dicke, flachen sich ventrikelwärts ab und laufen in ein sich verjüngendes Ende gegen den Kammerraum zu aus. Die dem Lumen zugekehrte Fläche hat also einen konvexgebogenen Rücken. Sie ist mit der bereits erwähnten, endothelialen Zell-Lage bedeckt. Die innere Struktur der Kissen ist merklich verändert, die Interzellular- substanz ist reich an Fasern, in deren Gerüst die Zellen liegen. Der bis jetzt an jeder jüngeren Larve beobachtete, zellfreie äußere Bezirk existiert nicht mehr (Tafelfigur 11, dorsales Endokardkissen). Beide Kissen haben gleiche Gestalt und Lage. Sie hängen förmlich in den von den Trichterwänden gebildeten Kanal hinein. Das untere Ende des kaudalen Kissens hat sich von seiner Unterlage losgelöst und ist von unten her ausgebuchtet. Wieder scheint es, als wenn der durch die Kontraktion des Herzmuskels erzeugte Druck 1 350 Berta Erdmann der Blutwelle die Loslösung und Aushöhlung des Kissengewebes ver- ursacht habe und die Klappenbildung — analog der Trichterwand- bildung — durch einen Unterminierungsprozeß eingeleitet würde. Siebentes Stadium. Tafelfigur 12—13. (Horizontal- und Sagittalschnittserie einer 17 mm langen Bombi- nator-Larve. H.-E.) Es handelt sich jetzt darum, der weiteren Umbildung der Endo- kardkissen und der ihr folgenden, geweblichen Umgestaltung bis zu dem fertigen Zustand der Klappen mit ihren Sehnenfäden nachzugehen. Am besten eignen sich dazu Horizontalschnitte; sie liefern schräge Flächenschnitte der Kissen (Tafelfigur 12). Die kraniale Wand des in seiner ganzen Breite getroffenen Vorhofes geht in die Trichter- und Kammerwand über. Auf der kranialen Trichterwandlamelle haftet das ventrale Endokardkissen. Seinen zentralen Teil füllt eine solide, netzförmig strukturierte Bindegewebsmasse, im Gegensatz zu dem lockeren Gewebe der früheren Stadien. Der periphere Teil des Kissens ist unterhöhlt, verschieden große, bis an die Basis des Kissens reichende Hohlräume und zwischen ihnen stehende Ge- webspfeiler von verschiedener Breite sind entstanden, die Anlagen der Sehnenfäden. Die nächsten Schnitte belehren uns auch über die Stellung der Kissen zueinander. Auf einem vollständigen Ventrikelquerschnitt stehen sich das ventrale und dorsale Kissen an den Schenkeln der hufeisenförmig gestalteten Trichterwand gegenüber, zwischen ihnen liegt das rechte Seitenkissen, es ist ein solides, flachanliegendes Endokardgebilde. Das linke Seitenkissen habe ich auf dieser Serie nicht beobachtet; doch zeigen ältere und jüngere, durchmusterte Ent- wicklungsstadien, daß es als winzig kleiner Endokardwulst dem rechten Seitenkissen gegenüberliegt, an der linken Seite der Atrioventrikular- öffnung haftend. Chordaebildung habe ich weder an dem rechten noch an dem kleineren linken Seitenkissen beobachten können, obwohl später auch sie Chordae besitzen, wie es aus den Textfiguren 3 und 4 ersicht- lich ist. Auf Tafelfigur 13, einer ergänzenden Sagittalschnittserie, ist das ventrale Kissen mit einem in seiner ganzen Länge verlaufenden Sehnenfaden längs getroffen. Vom unteren, freien Rande des Polsters ausgehend, zieht der Faden zur Trichterwänd, an der er verankert ist. Fibrillenzüge aus den soliden, zentralen Kissenteilen ziehen in Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. 351 den Sehnenfäden abwärts. So ist durch formale und gewebliche Änderung der fertige Zustand auf dieser Entwicklungsstufe annähernd erreicht. ‘ Die Ergebnisse der vorhergehenden Beschreibung lassen sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: 1, Die ventrale und dorsale Ventrikelwand des embryonalen Anurenherzens verdickt sich unterhalb der Atrioventrikularöffnung nach vollendeter Ausbildung der einzelnen Abschnitte des Herz- schlauches. Es entsteht hier je eine Muskelplatte; durch Lücken und Spaltbildung hebt sich aus ihr die Trichterwandlamelle ab. 2. Die Verbindung der Trichterlamelle und der Ventrikelwand bleibt durch Muskelbalken erhalten. 3. Die Trichterwände sind Wände der Hauptkammer; radiär ge- stellte Septen mit Querleisten bilden die Wände der Nebenkammer. 4. Die Trichterwand ist ferner die Ansatzstelle der Endokard- kissen am Ostium venosum der Kammer. | a 5. Die Endokardkissen sind endokardiale Wülste, aus denen sich die bleibenden Klappen entwickeln. Ihre endotheliale Bekleidung liefert auch die Bindegewebszellen im Inneren der Kissen. Die Zellen bilden das bleibende fibrilläre Gewebe aus, wobei ihre ursprüngliche Sternform besonders an den dem Ventrikel zugekehrten freien Rändern erhalten bleibt. 6. Durch einen vom Ventrikelraum ausgehenden Aushöhlungs- prozeß werden aus den der Trichterwand zugekehrten Teilen der Endo- kardkissen die Sehnenfäden herausgebildet, während die inneren Teile der Kissen den Zusammenhang bewahren und die Klappen selbst bilden. / Besprechung der Literatur. Über die Bildung der Atrioventrikular-Klappen der Anuren ist wenig bekannt. Auch GoETTE hat nichts Eingehendes über die Ent- stehung des Klappenapparates bei der Unke berichtet. Dagegen ist die Entwicklung des Bulbus cordis mit seinem komplizierten Klappen- apparat hinreichend ausführlich von LAnGEr (1894) und Greıu (1903) beschrieben. Beide fassen den bulbären Klappenapparat als rein endo- kardiale Gebilde auf; was auch GEGENBAURS Untersuchungen für die Fische erwiesen haben. Auch für die Atrioventrikular-Klappen der Urodelen stellten HOCHSTETTER und GREIL die endokardiale Genese fest. Dies deckt sich vollständig mit meinen Untersuchungen, die unzweideutig die 352 Berta Erdmann Entstehung der Klappen aus den endokardialen Wülsten bei den Anuren festgestellt haben. Während zwischen GREIL und mir eine vollständige Übereinstimmung über die Herkunft der Atrioventrikular- klappen herrscht, muß es auffallen, daß dieser Autor die Sehnen- fäden nicht erwähnt. Diese Gebilde sind reine Endokardabkömm- linge, während die Mammalier im Gegensatz hierzu Sehnenfäden be- sitzen, die auf muskulöser Grundlage entstehen. Hinsichtlich der Bildung der Trichterwand kann ich mich nicht den Ansichten von Hıs jr. 1893 und Bräunıs 1904 anschließen. Hıs sagt: »Ohrkanal, das Zwischenstück von Vorhof und Ventrikel, stülpt sich als doppelwandiger Muskeltrichter in das Innere der Kammer ein.< Die gleiche Vorstellung hat BräunIg, wenn er angibt: »für die weitere Entwicklung gewinnt nun die Einstülpung des Ohrkanals in den Ventrikel und seine in den letzteren hineinragende, trichter- förmige Umschlagfalte hervorragende Bedeutung. Zwischen die beiden Blätter der Falten wächst vom Epikard Bindegewebe ein, das in- dessen in dem bezeichneten frühesten Stadium die Kontinuität der Muskulatur an ihrer Umschlagstelle nicht alteriert. Weiterhin trennt das Bindegewebe völlig die beiden Schichten der Muskulatur, von denen die äußere nur mit der Wand des Ventrikels verschmilzt und später nicht mehr nachweisbar ist, während die innere sich der Innen- fläche des Ventrikels anlegt, wo sie in die Trabekel übergeht, so eine sekundäre Muskelverbindung zwischen Atrium und Ventrikel herstellend.ce Aus meiner eigenen Darstellung (Tafelfigur 3, 4, 5) geht klar hervor, daß sich die Triehterwand sekundär von der Ven- trikelwand loslöst, also keine Umschlagsfalte der Herzwand ist. Auch gegen die zweite Bräunig’sche Behauptung möchte ich mich wenden, ich konnte weder im embryonalen Zustand Bindegewebe zwischen die von BrÄunıgG angenommenen Trichterlamellen einwachsen, noch es im fertigen Zustande sie trennen sehen. Literaturverzeichnis. ASCHOFF, Über die neueren anatomischen Befunde am Herzen und ihre Be- ziehungen zur Herzpathologie. Med. Klinik Nr. 8 u. 9, 1909. BERNAYs, Entwicklungsgeschichte der Atrioventrikularklappen. Morph. Jahr- buch, Bd. 2, 1876. BoAsS, Über den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien. Morph. Jahrbuch, Bd. 7, S. 511. 1882. Über die Entwicklung der Atrioventrikularklappen bei den Anuren. 353 BoAs, Über Herz- und Arterienbogen bei Ceratodus und Protopterus. Morph. Jahrbuch, Bd. 6. 1880. Born, Über die Bildung der Klappen, Ostien und Scheidewände im Säugetier- herzen. Anat. Anz., Bd. III, 1888. BrÄunıgG, Über muskulöse Verbindungen zwischen Vorkammer und Kammer bei verschiedenen Wirbeltierherzen. Inaugural-Diss., Berlin 1904. DoGiEL, Einige Daten der Anatomie des Frosch- und Schildkrötenherzens. 2 Taf. u. 11 Fig. Arch. mikrosk. Anat., Bd. 70, H. 4, 1907, S. 780, 797. EnGeL, Beiträge zur normalen und pathologischen Histologie des Atrioventri- kularbündels. Inaugural-Diss., Freiburg i. Br. 1910. FAHR, Zur Frage der atrioventrikulären Muskelverbindung im Herzen. Verh. d. deutschen pathol. Ges., Kiel 1908. FRITSCH, Zur vergleichenden Kiiktoute des Amphibienherzens. 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LANGER, Über die Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. Morph. Jahrbuch, Bd. 21, 1894. RETZER, Über die muskulöse Verbindung zwischen Vorhof und Ventrikel des Säugetierherzens. Archiv f. Anatomie u. Physiologie, Anatomische Ab- teilung 1904. Röse, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Herzens. Inaugural-Dissertation, Heidelberg 1888. SoBoTTA, Über die Entwicklung des Blutes, des Herzens und der großen Ge- füßstämme der Salmoniden nebst Mitteilungen über die Ausbildung der Herzform. Anat. Hefte, Abt. 1, Arb. a. anat. Inst. 1912. StöHr, Über den Klappenapparat im Conus arteriosus der Selachier und Ga- noiden. Morph. Jahrbuch, Bd. 2, 1876. TANDLER, Entwicklung des Herzens. Handb. der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Keibel und Mall. 1911. TAwARA, Das Reizleitungssystem des Säüugetierherzens. Gustav Fischer, Jena 1906. 354 B. Erdmann, Über die Entwickl. d. Atrioventrikularklappen b. d. Anuren. guibbbP> NS Ar Tafelerklärungen. Larve von Rana temporaria, 4 mm, Sagittalschnitt. Primitiver Herz- schlauch mit undifferenziertem Epimyokard. Larve von Rana temporaria, 6.mm, Sagittalschnitt. Herzschlauch mit seinen Abschnitten: Sinus, Atrium, Ventrikel und Bulbus. Sonderung der Herzwand in Epikard und Myokard. Larve von Rana temporaria, 6 mm, Sagittalschnitt. Erste Anlage. u Triehterwand und der Endokardkissen. Larve von Bombinator igneus, 8 mm, Sagittalschnitt. Loslösung er Triehterwände, weitere Ausgestaltung der Endokardkissen. Larve von Bombinator igneus, 8 mm, Horizontalschnitt. Verhalten der Endokardkissen im Atrioventrikularring. Larve von Bombinator igneus, 10 mm, Sagittalschnitt. Abschluß der Trichterwand-Bildung, fortschreitende Entwicklung des Myokards und der Endokardkissen. x Larve von Bombinator igneus, 10 mm, Horizontalschnitt. Ventrikel- querschnitt in etwa 1/3 Ventrikelhöhe, Bildung von Nebenkammern aus Septen und Querleisten. Wie Fig. 7. Ventrikelquerschnitt in etwa 2/3 Ventrikelhöhe. Zirkulärer Zusammenschluß der Trichterwände zur Hufeisenform. Bildung ger Hauptkammer. Wie Fig. 7. Atrioventrikularring mit ventralem und dorsalem Kun Wie Fig. 7. Bulboventrikuläre Mündung. Trabekelsystem. Larve von Bombinator igneus, 12 mm, Sagittalschnitt. Höhepunkt der Endokardkissenentwicklung. Einsetzen der Klappenbildung. Larve von Bombönator igneus, 17 mm, Horizontalschnitt. Umban der Kissen und Klappen. Einsetzen der Chordaebildung. 2 Wie Fig. 12. Sagittalschnitt. Ausbildung der Sehnenfäden. Abkürzungen. Atrium. N.S. Nebenkammer-Scheidewände. Aurikularkanal. P; Perikard. Atrioventrikularring. Pa. Parietalblatt. . Atrioventrikularklappen. Pr. Protoplasmafäden. Bulbus. ©.L. Querleiste. Bulboventrikuläre Einschnü- 5. Sinus. Bulbuswulst. rung. S.Kl. Seitenklappen. Chordae. Sp. Spaltbildung. Epikard. Spa. Zellfreies Spatium. Endokardkissen. Spi. . Spiralfalte. Re Spt. Septum atriorum. Endokard. St. Seitenplatte. Hauptkammer. Tr. Truneus. Lebergrenze. Tra. Trabekel. Myokard. Tr.W. Triehterwand. Muskelleiste. V. Ventrikel. Muskelzüge. Fi. Visceralblatt. Nebenkammer. V.W. Ventrikelwand. Morphologisches Jahrbuch Ba. LI. Tafel VIII | cranial. WLELLEIA m A ? A; 4 BP EN _caudal. Fig. 1. B. Erdmann, del. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. a N . erre.n ehe, > Ir E m Se PER Er ot 0 2 SEGEN 2 E | u e u Ali Be f h x oe . ER, Tafel IX. PP Fi IM -- > Morphologisches Jahrbuch Bad. LI. Tafel IX. B. Erdmann, del. EN Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Da ni ee Aus dem anatomischen Institut der Umiversität Marburg a. L.) Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Amphibienherzens. Von Ä A. Benninghoff. Mit 11 Textfiguren. Während GAupP in seiner Anatomie des Frosches, alle bisherigen Untersuchungen zusammenfassend, eine ausführliche Darstellung der Anatomie des Froschherzens gegeben hatte, wurde durch die Ent- deckung des Atrio-Ventrikularbündels im Säugetierherzen durch W. Hıs jun. (1893) das Interesse vorzüglich auf die Übergangszonen der ein- zelnen Herzabschnitte gelenkt. Hıs selbst beschreibt im Froschherzen den Atrio-Ventrikulartrichter, dessen Entstehung er’ so deutet, daß der Vorhof sich in die Kammer einstülpt, das äußere Blatt der Um- schlagfalte sich fest mit der Ventrikelbasis verbindet, das innere da- gegen schon früh in Verbindung mit den Trabekeln des Ventrikels tritt. BräÄunıs, der diese Theorie weiter ausbaute, gab an, daß auf diese Weise bei Fischen, Amphibien und Reptilien eine sekundäre Verbindung zwischen Vorkammer und Kammermuskulatur zustande ‘komme. Diese Deutung ist in- die meisten nachfolgenden Unter- suchungen übernommen worden, sie gibt zwar für die Formbeschrei- bung ein anschauliches Bild, ist aber als Ausdruck für den Entwick- lungsvorgang unzutreffend. Anknüpfend an die grundlegenden Untersuchungen von GASKELL, der schon vor Hıs die atrioventrikuläre Muskelverbindung im Frosch- und Schildkrötenherzen beschrieben hatte, haben dann Keırn, FLack und MACKENZIE durch vergleichend-histologische Untersuchungen die Entwicklung des Reizleitungssystems in der Tierreihe verfolgt. Sie stellten den Begriff des »nodal-tissue« auf, der indessen unklar de- finiert ist, und erkannten in der trichterförmigen atrioventrikulären Morpholog. Jahrbuch, 51. 24 356 A. Benninghoff Verbindung des Froschherzens das Äquivalent des Reizleitungssystems höherer Formen. In einer von den übrigen Darstellungen abweichenden Form schildert KüLgs das Verhalten der Muskulatur an der Vorhofkammer- grenze, während DocıEr eine muskuläre Verbindung dieser Teile überhaupt bestreitet. So liegen in dieser Frage noch widersprechende anatomische Angaben vor. Bei den vorliegenden Untersuchungen liegt der Schwerpunkt weniger in der Auffassung dieses Herzabschnittes als Reizleitungs- system, vielmehr soll seine morphologische Bedeutung gewürdigt und dazu seine Entwicklung untersucht werden, unter Beachtung der Tat- sache, daß es sich hier zunächst um einen Teil handelt, der im Dienste des Ventilabschlusses steht. Das führte zu einem genaueren Studium der Atrioventrikularklappen (A.-V.-Klappen), zumal diese in ihrer Entwicklung mit dem A.-V.-Trichter eng verknüpft sind. Die bisherigen spezielleren Angaben zur Anatomie des Amphibienherzens beziehen sich zumeist auf die einheimischen Froscharten, diese Lücke wurde ausgefüllt durch Heranziehen der geschwänzten Amphibien, sie bieten mit ihren primitiveren Verhältnissen eine leichtere An- knüpfung für eine vergleichende Betrachtung. Die Eigenschaft des A.-V.-Trichters als Verbindungsglied leitete die Untersuchung auch auf die angrenzenden Herzteile, so wurde besonders der Aufbau der Trabekularmuskulatur betrachtet. Die makroskopische Betrachtung wurde wesentlich erleichtert und übersichtlicher dadurch, daß mir einige große Amphibienformen zur Verfügung standen. Dieses Ma- terial verdanke ich zum größten Teil der Liebenswürdigkeit meines verehrten Lehrers und Chefs Prof. GÖPPERT, dem ich an dieser Stelle auch für die Anregung zur Arbeit und das Interesse an ihrem Fort- gang meinen aufrichtigen Dank sage. Durch Überlassung von Unter- suchungsobjekten verpflichtete mich ferner Herr Geh. Rat zUR STRASSEN in Frankfurt a. M. zu Dank. Zur Untersuchung gelangten folgende Formen: Urodelen Anuren Menobramchus lateralis 1 Exempl. KRana esculenta x Oryptobranchus japonicus 1 Expl. » fusca x Triton vulgaris x » catesbriana alpestris x Pentadactylus leptodactylus » cristatus x 1 Exemplar Salamandra macul. x Bombinator igneus Siredon Bufo vulgaris x. Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 357 Die mit x bezeichneten Formen wurden auch mikroskopisch untersucht. | Lungenlose Formen standen nicht zur Verfügung, sie mußten für die Betrachtung ausscheiden‘. Die in erster Linie zur makroskopischen Untersuchung verwandten Herzen der großen Formen waren Spirituspräparate. Auf die An- wendung der Hunterschen Methode der Injektion mit Talg, der nach- träglich wieder herausgeschmolzen wird, mußte daher verzichtet werden, das um so mehr, als bei diesem Verfahren nach Angabe früherer Bearbeiter die Klappen durch Eintrocknen schrumpfen. Das mikroskopisch bearbeitete Material wurde in Zenkerscher Flüssigkeit, Formollösung, Sublimatlösung oder absolutem Alkohol fixiert. Von einer Injektion der Fixierungsflüssigkeiten wurde abgesehen, da die Corticalis des Amphibienherzens als dünnster Teil der Muskulatur außerordentlich zartwandig ist und dem Eindringen der Fixierungs- medien wenig Widerstand entgegensetzt. Da andererseits versucht werden: sollte, den natürlichen Funktionszustand des Herzens mit Rücksicht auf den Ventilmechanismus mögliehst zu konservieren, wurde folgendermaßen verfahren. Die Tiere wurden mit Chloral- hydrat vergiftet, beim Stillstand des Herzens in Diastole die Gefäße abgebunden, und das Herz in situ mit eröffnetem Perikard in große Mengen der Fixierungsflüssigkeit gelegt, erst nach einigen Stunden wurde es dann herausgenommen und für sich weiter fixiert. Die Fixation in Systole wurde nach Injektion von Chlorbaryum in der- selben Weise ausgeführt. Wenn auch auf diese Weise die Objekte dem Bilde eines funktionell diastolischen oder systolischen Herzens nur angenähert sind, so bieten sie doch den Vorteil einer größeren Gleichmäßigkeit. Speziell für die Frage nach dem Übergang der Vorhofs- in die Kammermuskulatur sind nur in Diastole fixierte Herzen verwendbar, da mit zunehmender Kontraktion die Trabekel sich derart ineinanderschieben, daß ein Kontakt vorgetäuscht werden kann, wo in Wirklichkeit keiner vorliegt. Die in dieser Weise fixierten Herzen wurden in Paraffin eingebettet und in Schnittserien von durchschnittlich 10 « zerlegt, bei sagittaler, frontaler und trans- versaler Schnittrichtung. Nach der Hämatoxylin(Böhmer)-Eosinfärbung wurde mit Vorteil noch eine Färbung in alkoholischer Benzopurpurin- lösung angewandt, sie gibt dem Bindegewebe einen diskreten Orange- i Vgl. hierzu BRUNER, H. L, On the Heart of lungless Salamanders. Journ. of Morph., Vol. 16, 1900. 24* 358 A. Benninghoff ton, färbt auch das Plasma zart, zumal wenn das Eosin nur schwach eingewirkt hatte. Daneben wurden Bindegewebe nach van Gieson, elastische Fasern mit Tänzers Orceinlösung und Weigerts Resorein- Fuchsin gefärbt. | Zur entwieklungsgeschichtlichen Untersuchung wurde hauptsäch- lich Material von Triton alpestris benutzt, dabei Triton taeniatus zum Vergleich herangezogen. Nach Fixierung in Chromessigsäure, ältere Stadien in Zenker, wurden die in Paraffin eingebetteten Objekte in Schnittserien zerlegt. Um bei der Verlagerung der Herzabschnitte vergleichbare Schnittbilder zu erhalten, mußte die Schnittebene ent- sprechend geändert und, mit Transversalschnitten beginnend, allmählich zu Längsschnitten übergegangen werden. Die Beobachtung der em- bryonalen Herztätigkeit, die für die Beurteilung der funktionellen Bedeutung einzelner Einrichtungen wichtig ist, kann an Embryonen von Tritonen leicht ausgeführt werden, wenn man die Tiere in Rückenlage in einer geringen Menge Wasser in einem Uhrschälchen unter das Mikroskop bringt und bei durchfallendem Licht beobachtet. Es gelingt auch bei geeigneter Einstellung, die Endokardkissen und den Klappenspalt zu Gesicht zu bekommen, ohne durch irgendwelchen Eingriff den Embryo zu verletzen. Diesbezügliche Beobachtungen siehe S. 401. In den folgenden Ausführungen sollen zunächst die Einrichtungen an der A.-V.-Grenze und deren Verbindung mit dem Trabekular- system der Kammer an ausgewachsenen Formen und anschließend die Entwicklung dieses Abschnittes besprochen werden. Da sich prinzipielle Übereinstimmungen bei Urodelen einerseits und Anuren andererseits finden, würde es zu Wiederholungen führen, jede Spezies für sich abzuhandeln. Wo sich Abweichungen zeigen, werden sie besonders hervorgehoben. I. Urodelen. 'Wenn wir bei der Betrachtung des Herzens der geschwänzten Amphibien von dem Ostium atrio-ventrieulare ausgehen, so zeigt sich, daß dieses als ein verhältnismäßig kleines Queroval in die Kammer- basis eingelassen ist; es liegt dort etwas links von der Mitte derart, daß die Herzachse etwa ?/, der linken Herzhälfte zuteilt, und ist vom ÖOstium arteriosum durch eine Kammerwandstrecke getrennt, die bei Anuren, wie später gezeigt werden soll, zu einer schmalen Brücke der Bulbo-Aurikularleiste reduziert ist. Das Ostium a.-v. erscheint bei allen untersuchten Formen mehr oder weniger dem ventralen - Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 359 Rand der Kammerbasis genähert, was besonders an medianen Sagittal- schnitten zum Ausdruck kommt (vgl. Fig. 1)}!. Denkt man sich das Herz gerade gestellt, so daß seine Achse der Körperlängsachse par- allel läuft, dann bildet die Herzbasis eine Ebene, die einerseits von rechts nach links geneigt ist, andererseits ein wenig von kranial und ventral nach kaudal und dorsal abfällt und damit das venöse Ostium in dieselbe Lage bringt. Die Kammer wird dadurch einem an seiner Basis schräg abgeschnittenen Kegel vergleichbar und erhält ungleich lange Seitenränder. Am ausgesprochensten finden sich diese Ver- hältnisse bei den Salamandrinen, bei dem Exemplar von Crypto- branchus japonicus finde ich nur die Abflachung nach links, das Herz von Menobranchus zeigt in seiner äußeren Form Anklänge an das Herz der Knochenfische, die Herzbasis ist unregelmäßig gestaltet, die Fazette, auf der die A.-V.-Ötffnung sich befindet, ist stark nach dorsal geneigt. Die Gründe für diese Abflachung des Ventrikels sind augenscheinlich in der eigentümlichen Lage des Herzens zu suchen, die Röse als seitliche Verschiebung der Herzabteilungen beschreibt, die aber nieht im gleichen Maße für alle Formen zutrifft. Der Ven- trikel ist in situ etwas nach rechts gekehrt, von den \V.orhöfen liegt der linke nach ventral zu und, der schrägen Kammerbasis folgend, nach kaudal herabhängend, an den kaudalen Pol der Vorhöfe schließt sich der Sinus an (Salamandrinen), der in Diastole hier sichtbar wird und von dieser Lage aus seine Einmündung in den rechten Vorhof erreichen kann, da das Septum atriorum von links dorsal nach rechts ventral verläuft. Auf diese Weise wird die Kammer von links her abgedrängt. Wenn der Vorhof seine definitive Lage über der Kam- mer eingenommen hat, und, ihm folgend, der Sinus nach kranial an die Medianebene herangerückt ist, wird der linke Abschnitt der Kammer zur Entfaltung freigegeben, und so sehen wir bei Anuren, bei denen dieser Zustand erreicht ist, die Kammerbasis in eine Trans- versalebene eingestellt. Auch die schräge Einstellung des Klappen- spaltes, der von links ventral nach rechts dorsal verläuft, wird von RösE auf die besondere Lagerung der Herzteile zurückgeführt und als allgemeingültig für die Urodelen angegeben. Unter den von mir untersuchten Formen finde ich diese Eigentümlichkeit wiederum nur bei den Salamandrinen deutlich ausgeprägt, hier zeigt der Quer- durchmesser des A.-V.-Ostiums dieselbe Abweichung von der Trans- 1 Nach Abbildungen von GrEIL (17) scheint ein ähnliches Verhalten auch bei den Reptilien zu bestehen. 360 A. Benninghoff versalen der Kammerbasis. Das Richtunggebende ist auch in diesem Fall die Lage der Sinusmündung, die bei Tritonen sich ganz an der linken Seite der dorsalen Vorhofswand befindet; mit einer Drehung des venösen Schenkels der Herzschleife weiter medianwärts stellt sich auch das Ostium venosum mit seinem Querdurchmesser trans- versal ein, so eine gleichsinnige Drehung ausführend. In dieser An- ordnung der Herzabteilungen drückt sich ein primitives Verhalten aus. Wenn man sich die Einschnürungen durch ein gleichkalibriges Rohr verbunden denkt, gelangt man zur S-Form des Herzschlauches, bei dem insbesondere die Endstücke ihre ursprüngliche Lage bei- behalten haben. In der aufsteigenden Tierreihe macht sich eine Tendenz zur Verkürzung des Herzschlauches geltend: auf der einen Seite ein Konfluieren der Sammelräume (Sinus und Vorhof), auf der anderen eine Vereinigung der expulsierenden Abschnitte (Bulbus und Kammer), dabei wandert: der Sinus nach kranial und rechts an die Medianebene heran, entlang der gedachten Achse des Herzschlauches, der Bulbus dementsprechend nach links und kaudal. Von solchen Verschiebungen ist am Herzen der Urodelen noch nichts zu sehen; wir sind daher berechtigt, auch in dieser Hinsicht von einem primi- tiven Verhalten zu sprechen. Zur Bildung des engen Ostium atrio-ventrieulare (a.-v.), das mit seinem Querdurchmesser nur den 4.—5. Teil der Kammerbreite aus- macht, verjüngt sich der Vorhof trichterförmig. Der gewölbten Ven- trikelbasis anliegend und mit ihr durch Bindegewebe verbunden, senkt sich die Vorhofswand zum Ostium hin und schlägt sich in Form einer Falte in die kontinuierliche Außenschicht des Ventrikels, die Corticalis, um. Diese Umschlagsfalte sieht mit ihrem freien Rand in die Kammerhöhle hinein (vgl. Fig-1T.F.) und ist hauptsächlich ventral und dorsal mit den zentralen Trabekeln der Kammermusku- latur verbunden (Fig. 1c.7.). An diesen Stellen verschmelzen sowohl die vom Vorhof kommenden Fasern als auch die Corticalis des Ven- trikels mit dem Balkenwerk der Kammer, hier leitet der Vorhof un- mittelbar in den innersten Teil der Kammer über. Zwischen Vorhof und Kammer liegt somit eine tief einschneidende Furche, der Suleus a.-v. oder Suleus coronarius; den Grund der Schnürfurche bildet der Scheitel der Umschlagsfalte, dieser befindet sich unter dem Niveau der Kammerbasis, ist mitten in den Ventrikel eingesenkt. Die Spalte zwischen beiden Muskelblättern wird von perikardialem Bindegewebe ausgefüllt, das bei Oryptobranchus japonicus so derb ist, daß es nicht gelingt, die Spalte zu erweitern. Die Umschlagfalte in ihrer Ge- Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 361 samtheit begrenzt einen trichterförmigen Raum, man hat sie daher auch als die Wand des A.-V.-Trichters (Hıs) bezeichnet. Diese baut sich, vom Vorhof beginnend, aus folgenden Schichten auf: 1. Endo- kard des Vorhofs,. 2. Muskulatur des basalen Vorhofabschnittes, 3. perikardiales Bindegewebe des Suleus a.-v., 4. Üorticalis der Kammerbasis, 5. Endokard der Kammer. 1 und 2 kann man als inneres, 4 und 5 als äußeres Trichterblatt unterscheiden. Die Grenze des Trichters zum Ventrikel hin ist bis zum Scheitel der Umschlag- falte zu rechnen, von hier ab existiert eine einheitliche Wand nicht mehr. Die anschließen- den zentralen Kammertrabekel rechne ich im Gegensatz zu Hıs nicht mehr zum Trichter. Die Neigung der Umschlag- falte zum zentralen Kammer- raum hin ist verschieden stark und wird anscheinend beein- flußt vom Funktionszustand des Herzens. Was die Anordnung der Muskulatur in diesem Herz- abschnitt anlangt, so ist zu be- merken, daß die vom Vorhof radiär einstrahlenden Muskel- "eier 2 eng en a bündel allmählich zu einem -.a. Septum atriorum, $.a.r. Suleus atrioventri- Ringfasersystem umbiegen (vgl. ke A.av. Annulus se. c. Corti- calis, c.7. zentraler Trabekel, c.Kr. zentraler Kam- Fig. 22). Dabei schließen sich merraum, v.F. Scheitel der Umschlagfalte, d.a.r.K7. % n £ 2 n dorsale a.-v.-Klappe. die Züge auf und zeigen in sich einen parallelen Verlauf ihrer Fasern. Diese Ringmuskulatur ist als Annulus a.-v. zu bezeichnen (Fig. 1A.a.-v.). Die Vorhofswand zeigt an dieser Stelle eine geringe Verdiekung, die an Stärke abnehmend, in die Corticalis der Kammer übergeht, ohne die Verlaufsrichtung ihrer Fasern wesentlich zu ändern. Dort wo diese Ringfasern den Anschluß an die innersten Kammertrabekel gewinnen, zweigen sich schmale Bündel zu diesem ab, indem sie in den Längsverlauf um- biegen. An diesem Ausflußteil des Vorhofes besteht keine prominente Trabekularschicht, die innere Oberfläche ist vielmehr glatt, das Blut findet in dieser engen Passage einen möglichst geringen Reibungs- widerstand. Die genauere Umgrenzung des Ostium a.-v. ist aus Fig. 1. 362 A. Benninghoff entwicklungsgeschichtlichen Gründen in den Bereich des Annulus a.-v. zu verlegen. Dieser Abschnitt ist ein direkter Abkömmling der Wand des primitiven Herzschlauches. Die mehrfach wegen ihrer Beziehungen zur Umschlagfalte er- wähnten zentralen Kammertrabekel begrenzen den kleinen zentralen Hohlraum der Kammer, die sog. Hauptkammer, von ventral und Fig. 2. Herz von Oryptobranchus japonicus durch einen Frontalschnitt von dorsal her eröffnet. Der rechte Vorhof infolge ungleichmäßiger Kontraktion unverhältnismäßig klein. Vergr. 1:1,3. S.a. Septum atriorum, c.7. zentraler Kammertrabekel, N.S. Nebenkammerseptum, a.7. Ausströmungs- teil der Kammer, v.a.v.Kl. ventrale Atrioventrikularklappe, r.(l.)«.v.Kl. rechte (linke) laterale A.-v.- Klappe, Ch. mittlere Chorda tendinea, s.Ch. seitliche Chorda tendinea, > Umbiegen der radiären Vorhofsfasern zum A.-V.-Ring. dorsal. Sie treten aus dem Netzwerk der Muskulatur. wegen ihrer Stärke deutlich hervor und nehmen ihren Ursprung aus den unvoll- kommenen Scheidewänden der Nebenkammern, auf die weiter unten genauer eingegangen wird. Sie strahlen, deren Richtung im wesent- lichen fortsetzend, zur ventralen und dorsalen Zirkumferenz der Um- schlagfalte (vgl. Fig. 1 und 2c.7.). Auf diesem Wege überkreuzen sie sich z. T. und verbinden sich durch Queranastomosen miteinander, so daß die von der Umschlagfalte absteigenden Fasern sich auf Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 365 mehrere Septen verteilen können. Im rechten Abschnitt der Haupt- kammer ordnen sich diese Balken zu Zügen, die im parallelen Ver- lauf dem Bulbus zustreben, also von links proximal nach rechts distal ziehen und sich am Ostium arteriosum verankern; sie bilden im Kontraktionszustand einen glattwandigen längsgefurchten Kanal, der sich als Ausströmungsteil der Kammer deutlich abgrenzen läßt (s. Fig. 24.T.). Die Verlaufsrichtung dieses Ausströmungsteils weist schon darauf hin, daß die beiden Kammerostien nicht in einer Ebene liegen. Das Ostium arteriosum liegt weiter kranial und rechts vom ÖOstium venosum hart an der Peripherie der Kammerbasis, es ist schräg gestellt derart, daß es mit der Ebene des Ostium venosum | einen nach kaudal offenen stumpfen Winkel bildet. Der Grad der Schrägstellung ist für die einzelnen Formen etwas verschieden und wird auch beeinflußt durch den Winkel, unter dem der Bulbus aus der Kammer entspringt, worüber Boss genauere Angaben macht. Die Verlaufsart dieser Trabekel entspricht demnach der jeweiligen Strömungsrichtung des Blutes, Das in die Kammer einströmende Blut wird durch die ans Ostium venosum grenzenden Balken in die Nebenkammern geleitet, im Ausströmungsteil orientieren sich die Balken im Sinne des Blutstromes zum Ostium arteriosum hin. Das Maschenwerk der Ventrikelmuskulatur ist hier so geordnet, daß es der Blutbewegung den geringsten Reibungswiderstand entgegensetzt. - Dieses zentrale Muskelsystem ist der Vorläufer jener geschlos- senen Muskellage, die, wie später genauer dargestellt wird, bei Anuren an gleicher Stelle zum erstenmal als Lamelle auftritt und | von GrEIL für die Reptilien als Bulboaurikularlamelle bezeichnet wurde (Fig. 4 B.a.la.). Seine Ausdehnung herzspitzenwärts ist links am geringsten und nimmt nach rechts an Höhe zu, um weiterhin in den inneren Belag des Ausströmungsteiles überzugehen. Während diese längs und radiär verlaufenden Trabekel die dorsale und ven- trale Auskleidung der Hauptkammer bilden, ziehen in den seitlichen Abschnitten nur spärliche dünnere Bälkchen, die z. T. von den erst genannten sich abzweigen, zur Corticalis und zum freien Rand der Umschlagsfalte, so daß an diesen Stellen die letztere eine freiere Beweglichkeit erhält. Die beiden Kammerostien sind auf die be- schriebene Art durch ein wohl charakterisiertes starkes Trabekel- system mit den radiären Kammersepten verknüpft. Diesem gegen- über steht eine äußerst zartwandige Corticalis, und zwischen beiden spannt sich das Netzwerk der übrigen Trabekularmuskulatur aus, deren einzelne Elemente in der Peripherie sehr dünn werden. Die 364 A. Benninghoff tragfähigsten Bestandteile sind um die Hauptkammer gruppiert, hier sewähren sie den Ostien in dem Schwammgewebe des Ventrikels eine Stütze und ziehen wie Pfeiler zum Gewölbe der Herzbasis. Vom Aufbau der Kammermuskulatur sei im übrigen noch er- wähnt, daß aus der Masse der Trabekularmuskulatur einzelne un- vollkommene Scheidewände sich deutlich formulieren. Bei, Orypto- branchus japonicus kann man deren 8—9 unterscheiden. Mit ihrem freien konkaven Rand, der in die Hauptkammer ragt, verankern sich die vorerwähnten Trabekel und anastomieren auf diesem Wege teil- weise mit denen der. gegenüberliegenden Seite, so einen zwingen- förmigen Verlauf nehmend, z. T. auch strahlen sie in radiärer Rich- tung an der Oberfläche der Septen aus. Diese Septen sind nur in der kaudalen Hälfte der Kammer deutlich abgrenzbar, nach der Herzbasis zu verliert sich diese Anordnung; sie sind sagittal gestellt und mit ihrer Längsachse im wesentlichen nach dem Ostium arte- riosum zu orientiert. Peripherwärts verbreitern sie sich, nehmen ein lockeres Gefüge an und bringen durch allseitige Anastomosen den Spalt der Nebenkammern, die zwischen ihnen eingeschlossen sind, zum Verschwinden. In diesem peripheren Anastomosensystem trifft man konstant einzelne Faserzüge, die einen longitudinalen Verlauf nehmen und parallel der Kammeroberfläche verlaufen. Bemerkens- wert ist die Lagebeziehung dieser Halbscheidewände zu den Ostien, die man an Fig. 2 erkennen kann. Im linken Kammerabschnitt schieben sich die schräg gestellten Septen, nach der Mitte zu ge- staffelt, bis unter die Einmündung des linken Ostium a.-v. Dadurch wird erreicht, daß das arterielle Blut des linken Vorhofes nach seinem Eintritt in die Hauptkammer von den schräg gestellten Scheidewänden abgefangen und in den zugehörigen linken, oberen Abschnitt der Kammer geleitet wird. In dieser Weise wird durch die Septen eine Unterteilung des Ventrikels bewerkstelligt, im ganzen erreichen sie je- doch nicht die exaktere Ausbildung, wie wir sie bei den Anuren vorfinden. Im Vorstehenden sind nur die Hauptzüge des Trabekelgefüges beschrieben, eine eingehendere Schilderung dieses vielfältig sich ver- flechtenden und überkreuzenden Maschenwerkes, aus dem sich sehr wohl bestimmte Systeme hervorheben lassen, würde den Rahmen der . Arbeit überschreiten. Es kam darauf an, das Balkenwerk festzu- stellen, das den freien zentralen Kammerraum umzieht und die Ver- ankerung der Ostien im Ventrikel sichert. Ferner sollte darauf hin- gewiesen werden, daß in der Architektur der Trabekelmuskulatur eine strenge Gesetzmäßigkeit herrscht, durch die mit anscheinend Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 365 geringem Materialaufwand die Kammer in der Lage ist, allen An- forderungen gerecht zu werden. Der Ventrikel erscheint zunächst wie ein stützendes Gerüstwerk, das durch besondere Strukturen die Lagebeziehungen der Ostien, der Haupt- und Nebenkammern zuein- ander festlegt. Er verhindert durch den Aufbau in Septen bis zu einem gewissen Grade die Vermischung der Blutsorten, und ferner hat offenbar der diehter angeordnete Teil des Trabekelgefüges eine besondere Arbeit bei der Systole zu leisten; dieser letzte Punkt soll später noch erörtert werden. Hier sei nur noch auf die Bedeutung hingewiesen, die der Lagebeziehung des A.-V.-Ostiums zu den Ein- gängen in die Nebenkammern zukommt. Durch eine bestimmte Ein- stellung dieses Ostiums einerseits und der vollkommenen Septen andererseits wird, wie wir sahen, eine teilweise Trennung beider Blutarten im Ventrikel ermöglicht. Eine mangelnde gegenseitige Fixierung dieser Teile könnte in dem lockeren Gefüge eine Ver- schiebung dieser Lagebeziehung zur Folge haben und damit die Scheidung der Blutsorten aufheben. Demnach können wir erwarten, daß jene Trabekularstrukturen, die in erster Linie für die Veranke- rung der Ostien verantwortlich sind, bei einer exakteren Ausbildung der Kreislaufscheidung, wie wir sie bei den Anuren voraussetzen dürfen, eine. entsprechende Vervollkommnung erfahren. Daß dies tatsächlich der Fall ist, wird im II. Abschnitt dargelegt. Der a.-ventrikuläre Klappenapparat, dessen Beschreibung wir uns nunmehr zuwenden, besteht aus den Membranen der Taschen- klappen und den Chordae tendineae, aufs engste verknüpft mit diesem bindegewebigen Anteil ist der A.-V.-Ring. In der Literatur finden sich nur die ventrale und dorsale Taschenklappe erwähnt, erst OsawA beschreibt für Oryptobranchus japonieus zwei kleine Klappen an den Seitenrändern des Ostiums. Indessen läßt sich bei allen zur Untersuchung gelangten Formen eine rechte laterale Klappe nach- weisen, eine entsprechende linke ist mit Ausnahme von Crypto- branchus japonicus nicht ausgebildet, an ihrer Stelle befindet sich bei den Salamandrinen ein schmaler bindegewebiger Saum, der die ventrale und dorsale Klappe an ihrer Insertionslinie verbindet und nur an Transversalschnitten deutlich erkennbar ist. Es treten also bei den Urodelen (Oryptobranchus) zum erstenmal die A.-V.-Klappen in jener Zahl und Anordnung auf, wie sie als Endokardkissen im embryonalen Herzen aller höheren Formen wiedergefunden werden'. ! Vielleicht sind auch die Endokardwärzehen, die sich bei Oryptobranchus (und einigen Anuren) zwischen der dorsalen und der rechten lateralen Klappe 366 A. Benninghoff Die Form des Klappenspaltes in der Aufsicht vom Vorhof ist knopf- lochartig, je nach Ausbildung von lateralen Klappen schließen sich an die Ecken T-förmige Querstücke an. Von der Schrägstellung des Klappenspaltes war schon die Rede, obwohl dabei die Klappen in eine etwas andere Lage kommen, sollen sie durchweg nur als ven- trale, dorsale und laterale bezeichnet werden. Die Klappen sind an der Zirkumferenz des Ostiums derart untergebracht, daß sie durch Zwischenräume voneinander getrennt bleiben; diese freien Strecken erreichen je nach dem Kontraktionszustand dieses Herzabschnittes eine verschiedene Größe. Da die Weite des Ostiums in der Funk- tion beträchtlichen Schwankungen unterliegt, bietet auch der Flächen- inhalt der Klappen, verglichen mit jenem des Ostiums, kein konstantes Verhältnis. Der Querschnitt des erweiterten Ostiums kann von den Klappen nicht ausgefüllt werden, im kontrahierten Zustand anderer- seits überragt der Flächeninhalt der Klappen den des Ostiums. Die Haftlinie der Klappen liegt im allgemeinen in der Höhe des A.-V.- Ringes an dessen stärkster Stelle, sie überragen in ihrer größten Längsausdehnung den freien Rand der Umschlagsfalte und kommen damit durch dünne bindegewebige Fäden, die Chordae tendineae, in Beziehung zu den innersten Kammertrabekeln; daß an ihrer Unter- fläche die Ventrikelwand sich nischenartig ausbuchtet, wie Röse u. a. beschrieben haben, konnte bei der Betrachtung dieses Herzabschnittes nicht festgestellt werden, vielmehr setzt das innere Trichterblatt, das der Unterfläche der Klappen zugewandt ist, die Flucht der Vorhofs- wand in einem nach dem Lumen zu konvexen Bogen fort (Fig. 1). Auf die Vorhofsfläche der ventralen und dorsalen Klappe heftet sich das Vorhofsseptum derart, daß es vom Ostium atrio-ventrieulare ecom- mune ungefähr ?/;, dem rechten venösen und !/,; dem linken arteriellen zuteil. Dementsprechend befinden sich die Fußpunkte des Septums auf dem linken distalen Abschnitt der Klappen, von hier überspannt sein freier Rand in kurzem Bogen den Klappenspalt. Bei der Formbeschreibung der Klappen ist Oryptobranchus ja- ponicus zugrunde gelegt (vgl. Fig. 2). In den Monographien über diese Form werden entweder die ganze Klappe (HyrrL) oder aber deren Chordae tendineae (OsawA) als muskulös beschrieben, eine Angabe, die wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat, da es sich um primäre Klappen handelt. Zum mindesten werden die Chordae auch befinden, auf die zweiteilige Anlage der seitlichen Endokardkissen zu beziehen, wie sie von Maut (26) beim Menschen gefunden und von SATo (31) für das rechte Endokardkissen bestätigt wurden. Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 367 von anderen Autoren, die diesen Punkt ausdrücklich erwähnen, als zarte Trabekel aufgefaßt. Wenn auch. diese Angaben im einzelnen unrichtig sind, so scheint doch aus der ganzen Auffassung hervor- zugehen, daß man die membranösen Gebilde des venösen Ostiums wohl wegen ihrer relativen Kleinheit mehr als Auflagerungen einer muskulösen Grundlage angesehen, und ihre Bedeutung als selbständig funktionierende Klappen gering eingeschätzt hatte. Dennoch haben die dorsale und ventrale Klappe alle Merkmale von wohl ausgebildeten Taschenklappen. Ihre Membran zeigt an der Oberfläche Unebenheiten und ist durch Pigmenteinlagerungen von grau glänzender Beschaffenheit. Die Unterfläche der Klappen erhält ihr eigentümliches Relief durch den Abgang der Chordae tendineae, die das Klappenmaterial an ihren Insertionen z. T. zapfenförmig aus- ziehen. Der Saum ist stumpf, von ungleichmäßiger Dicke und un- regelmäßig gebuchtet; bei der dorsalen Klappe des Exemplars von Cryptobranchus japontieus wurde der Saum von einer dünneren La- melle eingenommen, die sich deutlich von der übrigen Klappenmem- bran abhob. Im ganzen haben die großen Klappen die Form eines Trapezes mit abgerundeten Ecken, die längste Seite entspricht dem Klappensaum, die bedeutend kürzere, ihr parallel laufende wird durch die nach dem Vorhof zu gelegene Umgrenzung dargestellt, während die seitlichen Ränder nach der Kammer zu divergieren. Der Verlauf der Ursprungslinie der Klappen entspricht dem distalen dreiseitigen Abschnitt dieser Figur, er bildet einen nach dem Ventrikel offenen Bogen. Die Anheftung ist nicht in allen Teilen gleichwertig; mit breiter Basis sitzt die Klappe nur im Scheitel des Bogens dem A.-V.- Ring auf, die Befestigung der in die Kammer sich hineinsenkenden Seitenränder geschieht durch eine immer dünner werdende Membran, die indessen den freien Rand der Klappe nicht erreicht, sondern kurz vorher sich in Chordae tendineae auflöst. Damit erhalten diese seitlichen Ecken der Klappen eine freiere Beweglichkeit und können als rechtes und linkes Klappenhorn unterschieden werden. Der An- heftungsrand überschreitet die Umschlagsfalte ventrikelwärts nie, die Verbindung der Klappe mit Muskeln der Kammer wird nur durch Chordae tendineae aufgenommen. Diese letzteren sind im Verhältnis zur Masse des übrigen Klappenmaterials sehr kleine zarte Gebilde. Man kann Chordae tendineae I. und II. Ordnung unterscheiden, nur die der I. Ordnung sind bei unversehrter Klappe sichtbar. Ihnen ist eine Verteilung am Klappensaum vorgeschrieben insofern, als sie der Lage nach ihren Ursprung nur von den zentralen Kammertrabekeln 368 A. Benninghoff nehmen können, die bestimmte Abstände voneinander halten. Von diesem Ursprung aus verlaufen sie als dünne, kurze Bindegewebs- fäden an die Unterfläche der Klappen und inserieren dort hart an deren Saum (vgl. Fig. 2Ch.). Eine stärkere Ausbildung und dichtere Gruppierung erhalten sie an den Klappenhörnern (vgl. Fig. 2s. C%.), von denen aus sie in radiärer Richtung als Bändchen und Stränge von ungleichem Querschnitte ausstrahlen. Hier sind die längsten Chordae zu finden, welche sich verbreiternd in die Membran der Klappe übergehen, so daß es den Anschein hat, als seien die Klappen- hörner zu Fäden ausgezogen. Diese seitlichen Chordae befestigen sich an Muskelbalken, die in den lateralen Partien der Hauptkammer verlaufen, und nähern sich somit an diesen Stellen denen der Gegen- seite, indem sie sich mit ihnen kreuzen. Die Chordae tendineae II. Ordnung ziehen von der glatten Wand des A.-V.-Trichters zur Klappenunterfläche, sie liegen im Raum der Klappenfurche zerstreut und reichen bis dicht an den Grund des letzteren. Der Klappen- unterfläche sitzen sie mit breiter Basis an und verjüngen sich all- mählich zu dünnen Fäden. Im einzelnen unterliegt die Zahl und Ausbildung der Chordae beider Ordnungen beträchtlichen Schwan- kungen, sie erwecken wegien ihrer Zartheit stellenweise den Eindruck von bindegewebigen Adhärenzen, durch welche die Membran sehr kurz gezügelt wird. Infolge dessen läßt sich diese nur wenig von ihrer Unterlage abheben, und es gelingt nicht, sie in die Querschnitts- ebene des Ostiums emporzuschlagen. Da sich diese beiden großen Taschenklappen ventrikelwärts stark verbreitern und durch die radiären Chordae tendineae ihrer Hörner auch auf die seitlichen Partien des zur Verfügung stehenden Raumes ausbreiten, bleibt zur Entfaltung von lateralen Klappen in die Tiefe kein Platz übrig. Diese letzteren beschränken sich daher auf eine Abdichtung der ausgesparten, lateralen Lücken des Ostiums vom Vor- hof her. Sie sind demgemäß von geringer Größe und haben ihren Sitz am A.-V.-Ring in gleicher Höhe mit der distalen Begrenzung der großen Klappen (vgl. Fig. 21. [r.] A.V.Kl.). Somit legt sich beim Verschluß ihre Unterfläche auf die Vor- hofsfläche der dorsalen und ventralen Klappe, die an dieser Berüh- rungsstelle eine entsprechende Vertiefung besitzen. Wie Fig. 3 zeigt, bilden sie kleine, zungenförmig ins Lumen vorspringende Gebilde, die mit breiter Basis aufsitzen und nach dem bogenförmigen freien Rand zu sich verjüngen. Ihre nach der Kammer gewandte Fläche ist konkav und trägt einige längsverlaufende Wülste. Zur Aus- N Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 369 arbeitung von freistehenden Chordae tendineae ist es nicht gekommen, da die Wülste, die als deren Vorläufer aufzufassen sind, sich aus dem Material noch nicht völlig herausgelöst haben. Auch diese kleinen Klappengebilde treten in Beziehung zur Kammermuskulatur und zwar durch bindegewebige flache Ausläufer, die sich auf die Kammertrabekel vorschieben und, diesen eng angeschmiegt, allmählich verflachen (vgl. Fig. 3F'.). Die übrigen untersuchten Formen bieten mit Ausnahme des linken Klappengebildes ähnliche Verhältnisse dar, so daß es auch mit Rück- sicht auf die große Variabilität dieses membranösen Apparates in feineren Einzelheiten sich nicht verlohnt, sie geson- Fig. 3. dert zu betrachten. Bei den Salamandrinen finden sich Chordae tendineae meistnurvondenKlappen- hörnern ausgehend. Diese Verschiedenheiten-in der Ausbildung der A.-V.- Klappen erreichen in- dessen bei weitem nicht den Grad wie bei den 7 Q N; WG , L Wr membranösen Einrich- Linke laterale Atrioventrikularklappe von Fie.2 bei stär- tungen des Bulbus cordis kerer Vergrößerung. Vergr. 4:1. En 4. Vorhof, V. Kammer, l.a.v.Al. linke A.-V.-Klappe, Fs. der Urodelen. Erwähnt Füßchen der Klappe, c.T. zentraler Kammertrabekel. sei noch, daß SABATIER bei Siren lacertina dem peripheren einen zentralen Klappenapparat gegenüberstellt. Owen, auf den er sich bei den Angaben über diese Spezies an anderer Stelle bezieht, macht über die Klappen von Siren lacertina derart kurze und ungenaue Angaben, daß sie hier nicht berücksichtigt werden können. Da mir kein Exemplar von Siren lacertina zur Verfügung stand, konnte diese Frage nicht nach- geprüft werden. Vom histologischen Bau dieses Herzabschnittes finde nur einiges Erwähnung, was sich bei der Durchmusterung der Schnittserien, die nach den oben angeführten Methoden behandelt waren, ergab. Diese Angaben beziehen sich auf Tritonen. Von besonderem Interesse ist die Beschaffenheit der Muskulatur in dieser Übergangszone. Hier zeigt sich an Querschnitten des A.-V.-Ringes konstant eine blasse Plasmafärbung; die Querstreifung besonders der in die Kammer ein- 370 A. Benninghoff seschobenen Partie ist schwach ausgeprägt. Die Form der Kerne wechselt, neben langgestreckten schmalen kommen auch weniger zahlreich breite ovale Kerne vor. Alle diese Besonderheiten sind in- dessen auch an Elementen der Kammer- und Vorhofsmuskulatur zu finden, das Charakteristische liegt nur in der Anhäufung solcher Fasern in der Übergangszone. Ein ganz ähnliches Verhalten be- schreibt GASKELL für diesen Abschnitt des Schildkrötenherzens. Neuere Untersuchungen über diesen Punkt beziehen sich fast durch- weg auf das Froschherz, wenn von Amphibien die Rede ist, und werden an anderer Stelle berücksichtigt. Die einzelnen Elemente des A.-V.-Ringes sind voneinander durch breite mit lockerem Binde- gewebe erfüllte Zwischenräume getrennt, im Kontraktionszustand schwinden diese Spalten. Die Blutversorgung geschieht durch Ge- fäße des Suleus a.-v., ein Verhalten, wie es ähnlich nur noch an dem kompakt gefügten Ringfasersystem des Bulbus vorkommt. Diese Tatsache ist bemerkenswert für die Auffassung des Annulus a.-v. als Abschnitt des Reizleitungssystems. Von dem sog. direkten Übergang der Vorhofsfasern in das Myo- kard der Kammer ist zu sagen, daß an der Umschlagfalte die zirkulär verlaufenden Fasern des inneren Trichterblattes sich an die Elemente der Kammercorticalis anlagern. Da man an dieser spitzwinkligen, schmalen Umschlagstelle nie beide Anteile im Längsschnitt erhält, konnte nicht festgestellt werden, ob tatsächlich eine Faser sich direkt in die andere fortsetzt. Die Corticalis hat hier einen schrägen Faser- verlauf, ist sehr dünn und fehlt an wenigen Punkten ganz, so daß Endo- und Perikard zur Berührung gelangen. An jenen Stellen, an denen die Umschlagfalte mit Kammertrabekeln verschmilzt, gehen feine absteigende Fasern vom A.-V.-Ring zu den letzteren ohne binde- gewebige Unterbrechung und verlieren sich in der Masse der gleich gerichteten Trabekelfasern. Dieser Übergang findet stets in gleicher Höhe statt; eine Anhäufung der Ringmuskulatur auf bestimmte Punkte der Zirkumferenz ist nicht nachweisbar, indessen erfährt die Muskel- verbindung stellenweise Unterbrechungen. Dort, wo der A.-V.-Ring sich verjüngt, um mit dem Myokard des Ventrikels zu verschmelzen, finden sich an einzelnen Stellen bindegewebige Unterbrechungen; sie stellen einen Ersatz der Muskulatur durch faseriges Bindegewebe dar und sind hauptsächlich dort zu treffen, wo Chordae tendineae sich an das innere Trichterblatt anheften, also an Stellen, die einer stärkeren Zugwirkung ausgesetzt sind. An diesen Partien liegt der Wand auch ein flacher Bindegewebsbelag auf. Wo keine Verschmel- = a a nn ee Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 371 zung der Umschlagfalte mit Kammertrabekeln statt hat, sieht man bei in Diastole fixierten Herzen kurz vor dem Übergang des A.-V.- Ringes in die Corticalis des Ventrikels an wenigen Stellen gleichfalls eine Unterbrechung der Muskulatur. Hier sind auf eine kurze Strecke Endokard und Perikard durch wenige Bindegewebsfasern verbunden, der zwischen ihnen liegende Spalt enthält keine Muskulatur; es hat den Anschein, als ob letztere sich aus diesem Raum bei der Aus- dehnung des Herzens zurückgezogen habe. Wenn man solche Bilder am kontrahierten Herzen nicht sieht, so ist jedenfalls kein Grund vorhanden, aus einer Aneinanderlagerung von Muskelfasern auf einen kontinuierlichen Übergang im Sinne eines Reizleitungssystems zu schließen. Im ganzen sind also die Bündel, die einen nachweisbaren direkten Übergang des Vorhofs in die Kammermuskulatur darstellen, auf einzelne Bahnen zusammengedrängt, die um die 'Zirkumferenz der Übergangszone verstreut sind. Der A.-V.-Ring besitzt eine besondere Umspinnung mit elastischen Fasern, die, subendokardial gelegen, quer zur Richtung der Muskel- züge verlaufen und in den Trichter absteigen. Sie sind von mittlerer Stärke und gehören jenem System an, das ganze Muskelbündel um- schließt. Diekere elastische Fasern finden sich in den Chordae ten- dineae, sie strahlen in das Gewebe der Klappe pinselförmig ein und verankern sich andererseits in der Muskulatur, indem sie tief zwischen deren Bündel eindringen. Die Membran der Klappe selbst ist von Endokard überzogen und besitzt jenes eigentümlich modifizierte Bindegewebe, wie es ähn- lich für die primären Klappen .des Froschherzens beschrieben ist. Die Rigidität der Klappe wird nicht erzeugt durch prallelastische Zellblasen nach Art des vesikulösen Stützgewebes (SCHAFFER), viel- mehr scheint die halbflüssige Interzellularsubstanz in den Maschen des Fibrillengeflechtes den Turgordruck hervorzurufen. Auf eine ge- nauere Schilderung soll hier nicht näher eingegangen werden. An der Anheftung am A.-V.-Ring, sowie bei der Verbindung mit dem Vorhofsseptum verliert dieses Klappengewebe seinen spezifischen Cha- rakter und nähert sich dem Typus des gewöhnlichen, fibrillären Bindegewebes. Von diesem stellen feine Fasern eine lockere Ver- bindung mit dem intermuskulären Bindegewebe des A.-V.-Ringes her, ohne, wie man erwarten könnte, eine innige Durchdringung einzu- gehen. Die Befestigung der Klappe dehnt sich mehr der Fläche nach aus, indem sie in dem Endokard und dem an dieser Stelle reichlicher auftretenden subendokardialen Bindegewebe sozusagen Morpholog. Jahrbuch. 51. 25 372 A. Benninghoff aufgehängt ist. Diese Art der Befestigung ermöglicht erst dem A.-V.- Ring eine freie Beweglichkeit bei der Kontraktion und Erschlaffung, sie wäre nicht gegeben, wenn sich die relativ starre Klappenmembran fest mit ihm verbinden würde. Wie schon hervorgehoben wurde, ist das Klappenmaterial allein nicht imstande, den Verschluß des venösen Ostiums zu bewirken. Einmal weil seine Gesamtfläche zu klein ist, und ferner, weil die Klappen sehr kurz gezügelt sind, so daß die trotz der elastischen Beschaffenheit ihrer Chordae tendineae nicht in die Ebene des Ostiums emporgeschlagen werden können. Die Verengerung des Ostiums, die erst den Klappenschluß ermöglicht, wird wohl z. T. durch die Wir- kung des A.-V.-Ringes erzielt. Allerdings ist die Masse seiner Mus- kulatur nicht sehr beträchtlich, am systolischen Herzen sieht man jedenfalls die. sonst flach ausgebreiteten Fasern ganz zusammen- gerückt, so daß der Querschnitt des Ringes eine dreieckige Form annimmt. Außerdem wäre die Möglichkeit erwägenswert, daß beim Ventilabschluß die Umschlagfalte eine Mitbewegung ausführte. Der im Gewölbe der Herzbasis sich fangende Blutstrom könnte einmal durch konzentrischen Druck den Trichter verengern, ferner aber auch die Umschlagfalte gegen den Vorhof andrängen. Für die letztere Aktion besitzen nur die seitlichen Partien eine größere Beweglich- keit, sie sind es auch, die mit minderwertigerem Klappenmaterial aus- gestattet sind, speziell besitzt bei den Salamandrinen die linke late- rale Circumferenz keinen Klappenbesatz. Denselben Mechanismus macht GrEIL für den ganz ähnlich gebauten entsprechenden Herz- abschnitt von Lacerta wahrscheinlich. Da es dem Zufall überlassen bleibt, bestimmte Funktionsphasen zu fixieren, ist diese Frage schwer zu entscheiden, zumal es sich nur um geringe Bewegungen han- deln kann. Die Betrachtung des Urodelenherzens zeigt uns in allen Teilen ein primitives Verhalten, durch das ein günstiger Ausgangspunkt für vergleichende Untersuchungen gegeben ist. Mit der Verwertung dieser Tatsache wurde begonnen in einer Untersuchung über die Phylogenie des Reizleitungssystems (s. Lit.-Verz. Nr. 33). Il. Anuren, Bei den zahlreichen Arbeiten, die das Froschherz betreffen, und es zu einem der bestuntersuchten Objekte machen, kann ich mich darauf beschränken, Einzelheiten, die den hier interessierenden Herz- abschnitt angehen, hinzuzufügen und dabei aus der Vergleichung mit TEE De Are ee Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 373 dem Urodelenherzen auf die Weiterbildung der dort hervorgehobenen Organisationen hinzuweisen. Am genauesten bekannt sind die mem- branösen Gebilde des Bulbus cordis (SABATIER, Boas), daneben ist über die Fortschritte im Aufbau des Herzens nur allgemein berichtet (Röse), speziell sind die Veränderungen an den Östien bisher nicht beachtet worden. Mit der Wanderung des Sinus venosus nach kranial und an die Medianebene hat sich der linke kaudale Pol des Vorhofs gehoben, die Kammerbasis kommt in eine Transversalebene zu liegen, das Vorhofsseptum dreht sich in eine Sagittalstellung, und das Ostium venosum stellt sich quer ein, so daß nunmehr genau eine ventrale und dorsale Klappe unterschieden werden können. Abgesehen von dieser Drehung ändert sich die Lage des Ostiums a.-v. auf der Kammerbasis nicht, wohl aber erfährt es an seinem rechten, late- ralen Umfang eine Umbildung, hervorgerufen durch eine neuerworbene Lagebeziehung zum Ostium arteriosum. Letzteres ist soweit nach links gerückt, daß beide Kammerostien nunmehr in unmittelbarer Nachbarschaft liegen. Jene Partie der Kammer, durch die sie bei den Urodelen von einander getrennt waren, ist der Breite und Höhe nach reduziert worden; an ihrer Stelle findet sich eine sichelförmige Leiste (vgl. Fig. 4 B.a.le.), die mit ihrem konkaven Rand nach der Hauptkammer sieht, ein Gebilde, das GrEıL bei den Reptilien als Bulbo-auricularleiste (= B.-A.-Leiste) bezeichnet. Im Scheitel dieser Leiste, dort wo sie am schmalsten ist, kommen die Ringfasergruppen beider Ostien zur Berührung, hier ist also die Kammerwand gänzlich geschwunden, von ventral und dorsal schieben sich an diese Stelle keilförmige Abschnitte der Ventrikelmuskulatur heran. Das Ostium arteriosum ist indessen nicht einfach nach links verlagert, vielmehr erscheint es tiefer in den Ventrikel gerückt, und zwar: ist es in der Richtung des Ausströmungskanals auf die Kammermitte zu gewandert, bis seine mediale Circumferenz an das venöse Ostium angrenzte. Hierdurch ist die Einbeziehung des Bulbus cordis in die Kammer, wie sie bei den Reptilien statt hat, angebahnt. Zusammen mit dem Eindringen des Sinus gegen den Vorhof erscheint somit bei den Anuren der arterielle und venöse Pol des Herzens einander ge- nähert, in Verfolg einer Tendenz zur Reduktion und Konzentration, die an allen Teilen des Herzens in der aufsteigenden Tierreihe sich auswirkt. Das Ostium arteriosum hat dabei seine Schrägstellung bei- behalten, so daß die am weitesten nach kranial gelegene - mediale Cireumferenz auch nach der Vereinigung mit dem rechten lateralen 2b* 374 A. Benninghoff Rand des Ostium venosum als Bulbo-auricularleiste sich über die Herzbasis erhebt. In ihr liegt der Scheitel eines nach kaudal offenen stumpfen Winkels, den beide Ostien miteinander bilden. Die Bulbus- mündung, die bei den Urodelen an der rechten Ecke der Kammer- basis lag, erhält bei den Anuren infolge ihrer Ortsveränderung einen e a Z Herz von Rana catesbiana durch einen Frontalschnitt von ventral her eröffnet. Das Vorhofs- septum ist etwas angespannt. Vergr. 1:3,5. S.a. Septum atriorum, B.c. Bulbus cordis, B.a.le. Bulboauricularleiste, B.a.la. Bulboauricularlamelle, N.S. freier Rand eines Nebenkammerseptums, d.aw.Al. dorsale A.-V.-Klappe, r.(l.)aw.Kl. rechte (linke) A.-V.-Klappe, Ch. Chorda tendinea. Saum vom Myokard des Ventrikels, der sie von rechts umschließt, und dessen spitzwinklige Umschlagstelle zur Bulbusmuskulatur eben- falls in die Kammer eingesenkt erscheint. Die Medianebene zeigt dasselbe Verhalten zum Ostium a.-v. Sie zieht von der Herzspitze durch die rechten Hörner der A.-V.-Klappen, läßt das Septum atrio- rum rechts liegen und teilt den größeren Abschnitt des Ostiums der linken Herzhälfte zu. Die Gestaltveränderung, die das Ostium a.-v. % Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 375 bei diesem Vorgange erfahren hat, besteht darin, daß der rechte Um- fang’ des Querovals vorhofwärts aufgebogen ist. Die hier befindliche B.-A.-Leiste stellt den am weitesten distal gelegenen Abschnitt dar und erhebt sich in steilem Bogen über den linken mehr in einer Transversalebene eingestellten Teil. Auf diese Weise vermittelt das Ostium unter der B.-A.-Leiste her eine Verbindung mit dem Eingang zur Bulbusmündung und eröffnet eine breitere Passage, die das venöse Blut in den rechten oberen Kammerabschnitt leitet. Der A.-V.-Trichter formiert sich in ähnlicher Weise wie bei den Urodelen. Der Suleus a.-v. schneidet tief in die Ventrikel ein und ist erfüllt von peri- kardialem Bindegewebe, das Blutgefäße und Ganglienzellen führt, und das innere Trichterblatt fest mit dem äußeren, der gegenüber- liegenden Corticalis der Kammer, verbindet. Infolge dieser festen Verlötung kann’ man von außen her den A.-V.-Ring in ganzer Aus- dehnung ohne präparatorischen Eingriff nicht zu Gesicht bekommen. Über der B.-A.-Leiste bildet der Suleus a.-v. jenen Spalt, dessen Bindegewebe die Muskulaturen der beiden Kammerostien fest an- einander heftet. Bei der Betrachtung der Muskulatur fällt zunächst am Vorhof auf, daß dessen innere, radiäre Muskelzüge eine größere Gleich- mäßigkeit ihrer Ausbildung und Anordnung gewonnen haben. Sie sind besonders am kontrahierten Vorhof als deutlich prominente Rippen zu erkennen und strahlen senkrecht auf den A.-V.-Ring zu. An der ventralen Vorhofswand, dort wo der Bulbus cordis sich ihr “anlagert, findet sich ein verstärktes Bündel dieser Fasern, bekannt als Vorläufer des Limbus Vieusseni, es strahlt in den rechten ven- tralen Umfang des Ostiums ein, z. T. auf die B.-A.-Leiste über- greifend. . Kurz bevor man in den Bereich des Ostiums kommt, ver- schwinden diese prominenten Trabekel von der inneren Oberfläche, sie biegen in kurzen Bogen in das Ringfasersystem ein und schließen sich zu gemeinsamem Verlauf auf, so die Glätte der Einströmungs- - Öffnung bedingend. Der A.-V.-Ring bildet eine geschlossene Lage von zirkulär angeordneter Muskulatur; indem er dem Verlauf des Ostium folgt, beteiligt er sich auch an der Bildung der B.-A.-Leiste. Dieser Ring als Vermittler der Vorhofs- und Kammermuskulatur ist von GAsKELL 1883 für das Frosch- und Schildkrötenherz beschrieben worden, er findet sich in gleicher Weise bei Fischen, Amphibien und Reptilien und weist stets die charakteristischen Beziehungen zu den primären A.-V.-Klappen auf. Demgegenüber fand BräÄuniıs einen sogen. kontinuierlichen Übergang der Muskulaturen ohne Einschaltung 376 A. Benninghoff eines Ringes. In mehreren späteren Arbeiten wird indessen das Vor- kommen dieser zirkulären Fasern bestätigt (KEITH u. FLAck, KüLss). Diese Ringmuskellage nimmt nach der Kammer zu an Stärke ab, aus ihr gehen feine Bündel hervor, die einen Längsverlauf einnehmen oder in flachen Spiralen zur inneren Schicht des Kammermyokards ziehen und mit ihm verschmelzen. Am linken lateralen Umfang dieses Verbindungsstückes findet an wenigen Stellen noch ein Über- gang in die Corticalis der Kammer statt, in Form jener Umschlag- falte, wie sie bei den Urodelen vorherrschend war. Im übrigen ist das Bild einer Umschlagfalte verloren gegangen, da nicht mehr ein- zelne Kammertrabekel zu deren Saum ziehen, sondern dafür dorsal und ventral eine ganze Muskelmembran auftritt, die nunmehr den freien Rand der Umschlagfalte besetzt. Es bleibt noch das Ver- halten am rechten lateralen Umfang des Trichters. Hier ist dessen Wand durchbrochen, nur die Ringmuskelschicht ist im Bereich der B.-A.-Leiste vorhanden. An den Fußpunkten der letzteren sieht man bei großen Formen makroskopisch ein kleines Bündelchen, das, vom A.-V.-Ring kommend, in den Ventrikel absteigt. Alle diese absteigenden Faserbündel sind außerordentlich schmal, auch bei den Anuren finden sich in ihrem Verlauf bindegewebige Unterbrechungen. Die Muskulatur des äußeren Trichterblattes, der Kammerecorticalis dieser Stelle, ist, wie es scheint, noch weiter redu- ziert. Sie fehlt stellenweise ganz und wird ersetzt durch das Binde- gsewebe der Koronarfurche, das alsdann die äußere Begrenzung der Kammer übernimmt. So ist hier schon der Anfang gemacht mit einem Ersatz der Muskulatur durch Bindegewebe, ein Prozeß, durch den die Umwandlung dieses Abschnittes zur Säugetierklappe einge- leitet wird. Das Bindegewebe stammt einerseits von Ausläufern der Klappe, andererseits vom perikardialen Gewebe der Koronarfurche. An wenigen Stellen sieht man bereits eine durchgehende Verbindung des subendokardialen Bindegewebes der Klappenfurche durch den Suleus a.-v. bis zum Endokard des äußeren Trichterblattes. Von diesem allgemein gültigen Verhalten, das der A.-V.-Trichter zeigt, nimmt BrÄunig ein Exemplar eines Froschherzens aus, das angeblich noch einen primitiveren Zustand bewahrt habe. Bei ihm springt der Trichter in den Ventrikel vor, die Koronarfurche liegt in einer Transversalebene mit der Kammerbasis. Zu dieser Auffassung eines primitiven Zustandes ist BRÄUNIG nur gekommen durch seine unbegründete und komplizierte Annahme einer sekundären Ver- schmelzung des äußeren Trichterblattes mit der Muskulatur des Ven- Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 377 trikels.. Während das äußere Trichterblatt von jeher ein Teil der Kammercorticalis ist. Wenn man die angezogenen Figuren;9 und 10 Tafel I vergleicht, so zeigt sich, daß Fig. 9, die ein normales Ver- halten beim Frosch und niederen Reptilien wiedergeben soll, ein stark kontrahiertes Ringelnatterherz mit tief einschneidendem Suleus coro- narius darstellt, dagegen Fig. 10 ein ganz dilatiertes Froschherz, bei dem der Suleus und mit ihm der Trichter in der Ebene des Ostiums emporgeschlagen ist. Der Trichter hat also bei beiden eine ganz verschiedene Lage, zur Annahme eines primitiven Zustandes liegt in dem einen Falle kein Grund vor. Wohl aber könnte man versucht sein, dieses Verhalten als einen Beweis dafür anzusprechen, daß der A.-V.-Trichter wie eine Muskelklappe eine Bewegung vorhofwärts aus- geführt habe, eine Möglichkeit, die schon bei der Besprechung des Urodelenherzens erwogen wurde. Indessen können diese Abbildungen keinen Anspruch darauf erheben, wirkliche Funktionszustände einwand- frei darzustellen, da die Herzen mit Igelstacheln auf Korkplättchen fixiert wurden. Man kann daher nicht entscheiden, ob es sich etwa nur um ein Ergebnis der Behandlung handelt. Da diesem Herzabschnitt eine große Bedeutung für die Frage nach der Reizleitung beigemessen wird, ist er mehrfach daraufhin untersucht worden, jedoch ohne einheitlichen Befund. Nach den Arbeiten von GAskELL (1883) wurde der Begriff des A.-V.-Trichters im Sinne einer Muskelverbindung von Hıs jun. 1893 aufgestellt. Als Vorläufer des Reizleitungssystems höherer Formen wurde er von Keıt# und FrAck beschrieben. Dabei soll der A.-V.-Ring dem Knoten, die von ihm ausgehenden vertikalen Fasern dem Bündel entsprechen. Nach diesen Autoren soll sich ferner der Beginn einer Konzentration dieser Verbindungszüge geltend machen, und zwar unter der Klappenbasis und besonders unter dem Vorhofseptum. Eine besondere Anhäufung oder eine besonders innige Verbindung konnte ich an diesen Stellen nicht feststellen. Es scheint indessen zweifel- haft, ob die genannten Autoren dabei die Gesamtheit der Verbindungs- muskulatur im Auge haben, und ob das, was von ihnen als »nodal tissue« bezeichnet wird, mit dieser Muskulatur identisch ist. Einige Angaben deuten darauf hin, daß dies nicht der Fall ist. Sie sprechen in The Lancet 1910 pag. 102 von nodal tissue, das neben den Ring- fasern des »Auricularkanals« bestehe. Nur wenn man die Musku- latur und die nervösen Elemente dieses Abschnittes als gemeinsame Masse betrachtet, kann man von einer Konzentration am Vorhof- septum sprechen, da hier die Bipverschen Ganglien liegen. Begriffe 378 A. Benninghoff wie nodal tissue, spezifische Muskulatur usw. haben sich bereits ein- gebürgert, ohne einheitliche Auffassung ihrer histologischen Merk- male. MACKENZIE gibt an: »Das Atrio-ventrikularbündel wird in den niederen Wirbeltieren durch den primitiven Aurikularring dargestellt, der den Vorhof mit der Kammer verbindet« (Zur Frage des Koordi- nationssystems im Herzen. Verhandl. d. Dt. Path. Ges. 1910 S. 91), und stellt fest, daß die Ringfasern des Vorhofkanals ein retikuläres Aussehen ohne Querstreifung besitzen. Hier ist offenbar wieder die Muskulatur des A.-V.-Ringes gemeint, der bestimmte histologische Eigentümlichkeiten beigelegt werden. Die Angaben dieser englischen Autoren sind nicht durch Zeichnungen belegt und bleiben stellen- weise unklar und widersprechend. Ich kann mich in diesem Punkte vollkommen der Beurteilung LAnGeEs anschließen, der sagt, daß die Berechtigung, ein besonderes, neuromuskuläres Gewebe anzunehmen bei niederen Tieren noch viel weniger gestattet sei als bei den Säugern. Es sei bereits an dieser ‚Stelle hervorgehoben, daß die Fasern der Verbindungsmuskulatur bei den Anuren im Bau denen der Urodelen gleichen, eine Querstreifung ist nachweisbar. Zu einer scheinbar wesentlich anderen Auffassung kommt Kürss. Da seinen Angaben von physiologischer Seite (MANGOLD, NAKANO) eine besondere Bedeutung beigelegt wurde, insofern, als durch sie ebenfalls eine anatomische Differenzierung des Reizleitungssystems gegeben schien, möchte ich näher darauf eingehen. KüLss unter- suchte Herzen von Rana esculenta und temporaria, hauptsächlich an Querschnittserien, er fand eine ringförmige Einstülpung der Vorhofs- muskulatur, »die sich nur in bezug auf ihre Form von dem Trichter! der Eidechse oder Schildkröte insofern unterscheidet, als sowohl vorne wie hinten sich bald ein Bindegewebsstreifen einschiebt; dadurch resultieren also zwei muskulöse Halbrinnen.« (Zeitsch. f. exp. Path. u. Therapie, Bd. XI, 1912.) Hieraus könnte man schließen, und so ist es auch bisher geschehen, als ob ventral und dorsal das innere Triehterblatt durch Bindegewebe von dem Kontakt mit der Kammer- muskulatur ausgeschlossen sei, und nur seitlich eine Vereinigung mit der Kammer stattfinde. Zweifellos hat aber KüLss bei dieser Be- schreibung das Herz anders orientiert, wie es sonst üblich ist, das geht aus folgenden Sätzen hervor, die sich an den oben angeführten anschließen. »Das vordere Ende dieser Muskelbündel zeigt auf den (JQuerschnittserien weiter unten, dort, wo die Aorta sich in den Ven- ! Unter Trichter wird hier im Hısschen Sinne der basale Vorhofsteil plus B.-A.-Lamelle verstanden. _ Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 379 trikel einsenkt, feine Verbindungsfasern mit der muskulösen Aorten- . wand. Hier wird das elliptische Ventrikelaortenlumen vorn durch Bulbusmuskulatur!, seitlich durch die muskulösen Halbrinnen be- "grenzt.«< Da beim Herzen in situ der Bulbus rechts liegt und nicht vorne-ventral?, sind also die beiden muskulösen Halbrinnen, die eine Verbindung mit dem Ventrikel herstellen, als ventrale und dorsale zu bezeichnen; es sind jene Partien der Trichterwand, die mit der später als’ Bulbo-auricularlamelle zu schildernden inneren Muskel- schicht des Ventrikels verschmelzen. Von Halbrinnen könnte man insofern sprechen, als einerseits an der rechten Circumferenz an der von mir beschriebenen B.-A.-Leiste das Rohr des »Trichters« durch- brochen ist, und andererseits am linken Umfang die Verbindung nur durch einzelne Kammertrabekel aufgenommen wird. Daß sich nun an diese seitlichen Partien ein Bindegewebsstreifen trennend ein- schiebt, trifft nicht zu und ist rechts auch unmöglich. Ebensowenig konnte ich die feinen Verbindungsfasern mit der muskulösen Aorten- wand feststellen. An der B.-A.-Leiste sind die Ringfasergruppen der beiden Ostien, wie schon dargelegt, durch Bindegewebe verbunden, ein Austausch von Fasern ist nicht nachweisbar. Die Begrenzung des sogen. Ventrikelaortenlumens wird durch die Bulbo-aurieularlamelle hergestellt, doch gehört sie nicht zum Bulbus selbst. Daß die von . mir beschriebenen bindegewebigen Unterbrechungen der Trichter- wände nicht identisch sind mit dem von KüLgs angegebenen Binde- gewebsstreifen, geht schon aus ihrer Lokalisation hervor. Von histo- logischen Merkmalen gibt KüLss an, daß diese Verbindungsmusku- latur quer gestreift sei und sich von jener des Vorhofs durch die geringe Affinität zu Protoplasmafarbstoffen unterscheide. BräÄunIG bemerkt, daß ihr Gefüge lockerer und das interstitielle Gewebe reich- licher sei als anderswo. Diese Angaben beider Autoren kann ich bestätigen, es sind dieselben Eigentümlichkeiten, die ich für das Urodelenherz erwähnt habe. Alle Untersucher finden an dieser Muskulatur irgendeine Be- sonderheit, im einzelnen herrscht jedoch keine Übereinstimmung. Es fragt sich, ob man sie auch im histologischen Sinne als spezifisch oder als einem embryonalen Typus angehörig bezeichnen kann, wie es vielfach geschieht. Entwicklungsgeschichtlich ist die fragliche Übergangszone ein Querschnitt des primitiven Herzschlauches, der nur geringe Veränderungen durchgemacht hat, insofern könnte man 1 Von mir hervorgehoben. ? In diesem Zusammenhang kommt nur das proximale Bulbusende in Frage. 350 A. Benninghoff gewisse Besonderheiten seiner Struktur als embryonal deuten. Es = ist andererseits zu bedenken, daß die Ringfasern des Trichters sich als kontraktile Elemente betätigen, beim Verengern des Ostiums nicht direkt bei der Propulsion des Blutes. Das ist um so mehr zu be- achten, wenn an dieser Stelle nach muskulösen Verbindungen ge- ‚sucht wird, und man in der Annahme, daß die Erregungsleitung an die muskulösen Elemente gebunden sei, ein einseitig differenziertes Gewebe erwartet. | Br Die funktionelle Wertigkeit einzelner Bündel des A.-V.-Über- ganges in bezug auf die Erregungsleitung prüfte NAKAno und fand, daß die höchste funktionelle Bedeutung beim Frosch wie beim Salamander dem dorsalen und den beiden lateralen Partien des A.-V.-Ringes zukommt. Es ist mir nicht gelungen, an diesen Stellen in der Muskulatur eine besondere Differenzierung zu finden. Es ist aber bemerkenswert, daß nach MAnGoLD und NAkAnNO die beiden lateralen Teile des A.-V.-Ringes als physiologisch gleichwertig an- gegeben werden und zwar sowohl beim Salamander wie beim Frosch. Nun existiert aber beim Frosch, was bisher nirgends erwähnt wird, am rechten lateralen Umfang des A.-V.-Ringes zunächst gar keine Verbindung mit der Ventrikelmuskulatur, die Ringfasern laufen hier den B.-A.-Bogen entlang, um an dessen Fußpunkten als ein ven- trales und dorsales Bündelchen in die innere Muskellamelle der Kammer einzustrahlen. Wenn daher die A.-V.-Grenze beim Frosch bis auf ein rechtes laterales Bündel durchschnitten wird, das die Koordination aufrecht erhält, so muß die Erregung nach dorsal oder ventral abgeleitet werden, da keine anderen Bahnen zur Verfügung stehen. So ist es auch denkbar, daß die beiden anderen von NAKANO gefundenen Bündel nicht jene Stellen bezeichnen, an denen tatsäch- lich der Übergang der Fasern in den Ventrikel stattfindet. Da das innere Trichterblatt sich fest mit dem äußeren verlötet, an einzelnen Punkten beide sogar völlig durch Bindegewebe substituiert sind, dürfte es im Experiment nur schwer möglich sein, den Vorhofs- anteil bis in den Grund der Koronarfurche zu resezieren, um ein- zelne die Überleitung besorgende Bündel übrig zu lassen. In den stehenbleibenden Cireulärfasern könnte von letzteren aus eine Weiter- leitung auf andere Punkte der Circumferenz statthaben. Dann wäre es unmöglich, das anatomische Substrat für diese physiologischen Daten noch genauer anzugeben, vorausgesetzt, daß man die Erregungs- leitung an die muskulösen Elemente sich gebunden denkt. Auch die Tatsache, daß die muskulöse Verbindung von Vorhof und Kammer Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 381 infolge bindegewebiger Unterbrechungen an einzelnen, um das Ostium zerstreuten Stellen sich vollzieht, wäre hinreichend zur Erklärung der physiologischen Ergebnisse. Bei einer Darstellung der Über- leitungsbündel im Experiment wäre es angezeigt, die Bündel weiter in die Kammer hinein zu isolieren, um eine seitliche Verbindung mit Resten der Vorhofsmuskulatur sicher zu- vermeiden. Was die automatische Reizbildung anlangt, so sind dazu die einzelnen Teile des A.-V.-Trichters (im Sinne von Hıs basaler Vor- hofsabschnitt und B.-A.-Lamelle) nach HABERLANDT (32) in gleichem Maße befähigt, in dieser Hinsicht ist demnach am Froschherzen innerhalb der A.-V.-Verbindung keine funktionelle Differenzierung ausgebildet. Die Betrachtung des Ventrikels lehrt, daß gegenüber jenem der Urodelen in dem Trabekelgefüge eine Tendenz zur Konzentration sich geltend macht. Die quergestreckte Form des zentralen trabekel- freien Raumes, der Hauptkammer, ist mehr abgerundet, einmal durch seine Ausdehnung unter die B.-A.-Leiste und ferner durch Reduktion des Anströmungsteils. Aus dem kanalförmigen Abschnitt des letzteren ist ein kurzer Vorraum geworden, der zur Bulbusmündung hinführt und bereits von SABATIER als Vestibulum bulbi bezeichnet wurde. Die bemerkenswerte Tatsache, daß bei den Anuren das Ostium bulbi in den Ventrikel hineingerückt ist, kommt somit auch durch die Ver- gleichung der Hauptkammern zum Ausdruck. Vom Vestibulum bulbi ist eine laterale Umgrenzung deutlich nachweisbar, nach medial wird dieser Raum nur durch eine ganz kurze Wandstrecke, die vom freien Rand der B.-A.-Leiste zum Ansatz der proximalen Bulbusklappe reicht, abgeschlossen, also bereits von der Wand des Bulbus selbst begrenzt. Dieselben Umstände, welche an der Hauptkammer eine Ver- kürzung ihres Querdurchmessers bewirkten, haben auch im Myokard ein Zusammendrängen der sie umgrenzenden, innersten Kammer- trabekel erzeugt. Mit dem Einrücken des Ostium bulbi in die Kam- mer haben sich diese Trabekel, die schon bei den Urodelen durch Queranastomosen verbunden waren, dorsal und ventral zu je einem einheitlichen Muskelblatt zusammengeschoben. Diese Bildung wurde von SABATIER für Bufo als masse charune anterieure und posterieure bezeichnet, seine Angabe, daß das dorsale Blatt ausgedehnter sei als das ventrale, kann ich nicht bestätigen. GREIL nennt das verwandte Gebilde bei den Reptilien Bulboauriceularlamelle!. Aus der Ver- ! Die Bezeichnung B.-A.-Lamelle soll hier übernommen werden, obwohl GREIL in ihr entwieklungsgeschichtliche Beobachtungen zum Ausdruck bringt, 382 A. Benninghoff gleichung mit dem Urodelenherzen geht hervor, daß die letztere aus Teilen der Kammer stammt, mithin zum A.-V.-Triehter nicht mehr gerechnet werden kann. Die Gestalt dieser Lamelle ist annähernd halbkreisförmig (vgl. Fig. 4Bala), in die Peripherie ihres Bogens strahlen die Scheidewände der Nebenkammern, ihre Basis verbindet die beiden Kammerostien untereinander. So liegt sie zu 2/; in der rechten Hälfte der Kammer und nimmt den 4.—5. Teil der Gesamt- ‚höhe der letzteren ein. Am ÖOstium venosum verbindet sich mit ihr dorsal und ventral der A.-V.-Trichter mit beiden Blättern, sie trägt dann die Fußpunkte der B.-A.-Leiste und gelangt zum Ostium arte- riosum. Hier heftet sich die bamelle an den ventralen und dorsalen Umfang der Bulbusmündung. Auf Querschnitten erscheint das Lumen der Kammer an den Fußpunkten der B.-A.-Leiste etwas eingeschnürt. Der Faserverlauf innerhalb dieses Muskelblattes, den man an Flach- schnitten erkennen kann, ist im Prinzip .der gleiche wie bei den inneren Kammertrabekeln der Urodelen, aus deren Verschmelzung sie entstanden ist. Die von den Septen radiär einstrahlenden Bündel geben starke Seitenäste ab, die sich z. T. überkreuzen, im rechten Anteil der Lamelle streben die Bündel in Längszügen zum Bulbus. So bildet die B.-A.-Lamelle einen Knotenpunkt, in dem sich einer- seits die Kammerostien, andererseits die Septen der Nebenkammern verankern. Sie stellt eine glattwandige Auskleidung der Haupt- kammer dar, hervorgerufen durch eine partielle Verdichtung der Trabekularmuskulatur, wie sie hier zum ersten Male in der Schwamm- struktur der Kammer auftritt. Sie sichert zugleich im erhöhten Maße die Verteilung der Blutsorten auf die Nebenkammern, indem sie ein Ausweichen des vom Vorhof kommenden Blutes unter das Gewölbe der Herzbasis verhindert, bevor es noch in die Eingänge zu den Nebenkammern gelangt ist. Sie scheint eine Anpassung an die Kreislaufbedingungen zu sein wie sie im Herzen ohne Kammer- scheidewand aber mit teilweiser Trennung der Blutarten bestehen. Bei Krokodilen verfällt sie der Rückbildung, bei Vögeln und Säuge- tieren tritt sie nicht auf. Die Glätte ihrer inneren Oberfläche wird die zum mindesten für das Amphibienherz nicht zutreffen. Nach GREIL »setzt sich die unterminierte Bulbuswand sowohl ventral als dorsal nach links hin un- mittelbar in die Innenlamelle der unterminierten Wand des Canalis auricularis fort und bildet mit dieser eine einheitliche Muskelplatte, die Bulboaurieular- lamelle« (Morph. Jahrb., Bd. 31, S. 183). Ich möchte diese Bezeichnung nur in dem Sinne anwenden, daß die B.-A.-Lamelle als Muskelplatte das Ostium bulbi mit dem Ostium a.-v. verbindet. Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 383 nicht allein durch die geschlossene Lage von Muskulatur erzeugt, wie GAupP betont, sondern auch durch eine Vermehrung des sub- endokardialen Bindegewebes, das mit elastischen Fasern durch- setzt ist. Im Bereich des Vestibulum bulbi ist die Lamelle ventral und dorsal mit je einem Bindegewebspolster ausgekleidet, das histologisch dem Klappengewebe nahesteht und 'makroskopisch bei Rana cates- biana als milchig opaker Belag erkennbar ist. Es handelt sich um nach der Kammer zu flach auslaufende Polster, die mit den proxi- malen Klappen des Bulbus kontinuierlich zusammenhängen und ent- wieklungsgeschichtlich wohl als Reste der proximalen Bulbuswülste zu deuten sind. Sie werden indessen weder von Boas noch von LAnger erwähnt. Eine Äußerung LAnGers deutet aber auf diese Entstehungsweise hin, wenn er sagt: »daß der an der Salamander- larve noch deutlich zu sondernde proximale Abschnitt (des Bulbus) hier (bei Rara) auf ein Minimum verkürzt ist, so daß die aus dem Ventrikel in den Bulbus führende Öffnung dicht an das untere Ende der Spiralfalte gertickt erscheint«. (Morph. Jahrb., Bd. 21, S. 50.) Das ventrale Polster setzt sich distal an Stärke zunehmend ohne Unterbrechung in die proximale Bulbusklappe I und in die Spiral- falte fort.. Das meist schwächere dorsale trägt in seiner Fort- setzung in der Hauptsache die Klappe II. Auch in diesen Befunden liegt somit eine Bestätigung für die erwähnte Behauptung, daß be- reits bei den Anuren der Bulbus cordis sich anschickt, in die Kammer einzuwandern. Die Scheidewände der Nebenkammern sind schärfer abgegrenzt als bei den Urodelen, ihr freier sichelförmiger Rand ist ebenfalls glatt, hier haben sich die einzelnen Muskelbündel bereits enger auf- geschlossen, die Eingänge zu den Nebenkammern sind dadurch er- weitert. Mit der Verschiebung des Ostium art. haben sich auch die Septen der rechten Seite neu orientiert. Ihre Längsachsen neigen sich mehr der Herzmitte zu, damit öffnen sich die von ihnen um- schlossenen Nebenkafme®rn in die Richtung auf jene breite Kom- munikation, die das Ostium a.-v. unter der B.-A.-Leiste genommen hat; ein Beweis dafür, daß die B.-A.-Lamelle für die Lagebeziehungen der beiden Kammerostien einerseits und der Eingänge zu den Neben- kammern andererseits verantwortlich ist. In dem Aufbau der Septen ist eine oberflächliche longitudinal verlaufende Schicht, die dem radiären Trabekelsystem der Kammer angehört, und eine innere, sagittal ziehende mit ziemlicher Regelmäßigkeit zu erkennen, eine 384 A. Benninghoff Anordnung, auf die schon GOMPERTZ hingewiesen hat. Die ober- flächlichen Längsfasern benachbarter Scheidewände verbinden sich teilweise miteinander und können so im Verein mit anderen Trabekeln unvollkommene Septen bilden, die sich quer zu den größeren sagit- talen Scheidewänden ausspannen und die Nebenkammern in halber Höhe nochmals in eine ventrale und dorsale Abteilung zerlegen. Diese Unterteilung ist indessen‘ weniger deutlich ausgesprochen, zu- mal nach der Peripherie zu wird die Abgrenzung undeutlich. Bei Rana catesbiana und Pentadactylus leptodactylus sind diese Septen II. Ordnung gut zu erkennen. Es ist noch bemerkenswert, daß die Scheidewände der Nebenkammern nicht genau sagittal eingestellt sind, sondern um ein geringes von rechts dorsal nach links ventral abweichen. Auf weitere Einzelheiten im Bau der Trabekularmusku- latur soll hier nicht eingegangen werden. en Am Ostium venosum beschreibt GAupPp vier mit Chordae ten- dineae ausgestattete Taschenklappen, je eine große ventrale und dor- sale und zwei kleinere laterale. Von den seitlichen eine größere rechte, die weiter nach kranial sitzt als die übrigen. Diese Anord- nung findet sich mit großer Regelmäßigkeit bei allen Anuren. Eine linke laterale Klappe ist konstant geworden. Das Heraufrücken der rechten Seitenklappe erklärt sich durch das Aufbiegen des A.-V.- Ringes zur B.-A.-Leiste. Im übrigen ist die Anordnung der Klappen dieselbe geblieben wie bei den .Urodelen, sie haften sämtlich am A.-V.-Ring, ohne sich mit ihren seitlichen Rändern zu berühren. Ihre Ausbildung ist weiter fortgeschritten, sie stellen eine hochentwickelte Form einer primären Klappe dar, an der alle Bestandteile exakt ausgeprägt sind. Die Form der Klappe ist nahezu dreieckig ge- worden (vgl. Fig. 4d.a.-v. Kl.), die Befestigung ist: dieselbe geblieben, nach dem freien Rand zu geschieht sie ebenfalls durch eine dünne Lamelle, die sich allmählich in Sehnenfäden auflöst. Es finden sich auch Anpassungen der großen Klappen an die veränderte Form des ÖOstiums. Sie bestehen darin, daß deren rechte Hörner verdickt sind und eine freiere Beweglichkeit besitzen. Weftn man diese Klappen durch Zug am Vorhofseptum spannt, so zeigt sich, daß der rechte, verdickte Teil sich weiter vorhofswärts abziehen läßt als der linke und so zum Teil wie ein Polster den Raum ausfüllt, der sich unter dem B.-A.-Bogen ausdehnt. Die Chordae tendineae I. Ordnung (vgl. Fig. 4ch.) sind gleichmäßiger ausgebildet, sie stehen ziemlich dicht, haften an der B.-A.-Lamelle, mit Ausnahme der seitlichen, radiär verlaufenden, und ziehen zur Unterfläche der Klappen derart, daß Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 385 ein schmaler Klappensaum frei bleibt. An Ursprung und Insertion zusammengefaßt, sind die starken Sehnenfäden während ihres freien Verlaufs noch in einzelne Fäden auflösbar, Pentadactylus leptodac- tylus zeigt von diesem Verhalten insofern eine Abweichung, als die sehr dieken Chordae kurz vor ihrer Insertion knotenförmig an- schwellen, und sich dann direkt in den freien Klappensaum fort- setzen. Die Klappenmembran ist dabei an Masse etwas reduziert. Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man am Ursprung der Chordae die Muskulatur zu einem niedrigen kleinen Höcker aus- gezogen, in ihn strahlen die elastischen Fasern der Sehnenfäden hinein. Legt man bei Rana catesbiana nach Durchschneidung aller Chordae die Klappenfurche frei und zieht die Klappe nach oben, so sieht man die von Röse erwähnte Nische in der Muskulatur. Sie stellt eine Ausbuchtung der B.-A.-Lamelle dar und dient zur Auf- nahme der dicken Klappenmembran. Weiterhin erkennt man an dieser Stelle eine Längsstreifung, die durch bindegewebige Auflage- rungen bedingt ist. Diese Streifen ziehen zum Grund der Klappen- furche und münden dort in die Klappe ein, durch sie wird die Ober- fläche vergrößert, mit der sich die Klappe auf ihrer Unterlage be- festigt, sie sind als wandständige Reste der primitiven Endokard- kissen aufzufassen. Das Vorhofsseptum gewinnt dieselben Beziehungen zu den großen Klappen wie bei den Urodelen. Die seitlichen Klappen sind insofern verschieden von denen der Urodelen, als sie sich zu regelrechten Taschenklappen mit Sehnen- fäden weiter entwickelt haben. (Vgl. Fig. 41 (r) A.-V.-Kl.) Sie haften am A.-V.-Ring in einer halbkreisförmigen Linie und legen sich bei der Systole mit ihrem freien Rand auf die Vorhofsfläche der großen Klappen. Die Klappenfurche ist von einer wechselnden Anzahl feiner Chordae durchzogen. Es ist bemerkenswert, daß die Entfernung der rechten lateralen Klappe von den beiden großen mit der Bildung des B.-A.-Bogens beträchlich zugenommen hat. So entsteht eine Lücke, die von Klappen frei ist und auf andere Weise verschlossen werden muß. | Indem ich auf diese Frage eingehe, seien einige durch die Untersuchung angeregte Betrachtungen über die funktionelle Be- deutung einzelner Einrichtungen, soweit sie sich aus den anatomi- schen Beziehungen ergeben, angeschlossen. Auch bei dem Anuren- herzen muß durch Muskelwirkung das venöse Ostium verengert 386 A. Benninghoff werden, um einen Abschluß durch das Klappenmaterial zu ermög- lichen. Es handelt sich hier aber nicht nur um die gleichmäßige Verengerung eines Querovals, wie bei den Urodelen, dazu muß jene Lücke unter dem B.-A.-Bogen ausgeglichen werden. Das kann ein- mal durch die Kontraktion des A.-V.-Ringes geschehen, und ferner durch die Verkürzung der B.-A.-Lamelle in ihrem längsten Durch- messer. Letztere trägt die Ursprungsstellen der Chordae tendineae und ist daher mit verantwortlich für eine Annäherung der Klappen. Auf diese Weise werden die großen Klappen und die B.-A.-Leiste aufeinander zu bewegt. Die Untersuchung des in Systole fixierten Herzens ergibt, daß die B.-A.-Leiste mit ihrem freien Rand seitlich auf die Vorhofsfläche der großen Klappen grenzt. Der freie Rand der letzteren steht nicht mehr wagerecht wie in der Diastole, sondern verläuft in geringer Neigung von links proximal nach rechts distal, diese Klappen sind somit durch eine kleine Verschiebung an die B.-A.-Leiste herangeführt worden. Sie kommen mit ihren rechten Hörnern beim Spannen zur Berührung mit der B:.-A.-Leiste. Der quere Klappenspalt ist durch die rechte laterale Klappe vom Vorhof her verschlossen. Bei dieser Aktion spielt auch die freiere Beweg- lichkeit der rechten verdiekten Klappenhörner eine Rolle. Die B.-A.- Leiste steht auch jetzt noch weiter vorhofwärts als die linke Circum- ferenz des Ostiums. Da in der B.-A.-Leiste zwei Ringfasergruppen sich berühren, von denen jede für sich den Abschluß eines Ostium sichert, wollen wir uns vergegenwärtigen, wie die Funktionen bei den Kammerostien während des Ablaufs einer Herzaktion ineinander- greifen. Im Augenblick, in dem die Kammersystole beginnt, ist der Bulbus mit dem Ostium art. im Zustand der Ruhe, wobei nach SABATIER der freie Rand der Spiralfalte mit der gegenüberliegenden Wand zur Deckung kommt. Das Ostium venosum wird in der eben beschriebenen Weise verschlossen. Unterdes empfängt der Bulbus die ausgeworfene Blutmenge, weitet sich stark, wobei die dem freien Rand der Spiralfalte anliegende Wand sich abhebt; dann kontrahiert er sich und überdauert in diesem Zustand die Kammersystole. Das Ostium a.-v. findet somit bei seiner Kontraktion die angrenzende Bulbusmündung im Zustand der Ruhe. Um den Verschluß während der ganzen Dauer der Systole zu sichern, muß bei den folgenden Aktionen des Bulbus die B.-A.-Leiste punetum fixum bleiben. Unter- sucht man daraufhin den Bau des Bulbus, so findet man, daß durch die fragliehe Stelle die Achse der Spirale geht, die der Bulbus selbst beschreibt, sie bezeichnet zugleich die Anheftungslinie der membra- Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 387 nösen Spiralfalte. In der Fortsetzung der B.-A.-Leiste findet sich daher die am wenigsten gekrümmte und durch die Achse der Spiral- falte versteifte Wandstrecke des Bulbus. In der Tat führt nun der Bulbus seine systolischen und diastolischen Bewegungen mit seinem äußeren, rechten Umfang aus, dabei entfernt sich diese Wand vom freien Rand der Spiralfalte und nähert sich ihr wieder, ohne daß dabei die B.-A.-Leiste vom venösen Ostium abgezogen würde. SABATIER, der die Behauptung BrRÜückes von der Verlängerung des Bulbus während der Systole widerlegt hat, beschäftigt sich ein- gehend mit der Formveränderung des letzteren und kommt zu diesem Resultat. Die obigen Angaben stehen somit vollkommen im Einklang mit der Lehre SABATIERs, die bis heute die größte Wahrscheinlich- _ keit für sich hat. Während diese Vorgänge an den Ventrikelostien sich abspielen, erfährt die gesamte Kammerbasis bei den Kontraktionen des Herzens Verschiebungen nach kranial und kaudal. Bei den Vorhofskontrak- tionen wird der maximal erweiterte A.-V.-Ring über die Blutsäule in den Vorhöfen nach oben gezogen. Dann verengert er sich, schnürt damit die umfaßte Blutmenge ab und wird von dem sich kontra- hierenden Ventrikel mit geschlossenen Klappen nach abwärts ge- | zogen. Dabei wird das Blut durch das Auspressen der Maschräume nach dem freien Ausweg, dem Bulbus, gedrängt. Die Verschiebung der Ventrikelbasis ist am freigelegten Froschherzen unschwer fest- zustellen. Auch am embryonalen Tritonherzen, das man, wie ein- gangs erwähnt, unter dem Mikroskop beobachten kann, ist dieser Vorgang einwandfrei wahrzunehmen, zumal, da man durch das zarte Gewebe die Bewegungen des Blutes sehen kann!. Im wesentlichen ähnliche Vorstellungen von der Blutbeförderung geben SPEE und Keıt# für das menschliche Herz, nur ist bei dem Maschwerk der Amphibienkammer die Annahme, daß die einzelnen Hohlräume aus- gepreßt werden, ein unbedingtes Erfordernis. Das Herz der Anuren. zeigt die für die Verschiebung der Ventrikelbasis in Frage kommende Muskelanordnung in klarer Ausprägung. Im Vorhof bildet das radiäre Muskelsystem dessen Hauptmasse und strahlt in den A.-V.-Ring, hier begegnet ihm das radiäre System der Kammer, das durch Vermitt- lung der B.-A.-Lamelle sowohl zum Muskelring des venösen wie des arteriellen Ostiums verläuft. Der Limbus Vieusseni bildet eine Ver- i Weitere Beobachtungen über den Ventilmechanismus der A.-V.-Klappen im embryonalen Tritonherzen siehe S. 401. Morpholog. Jahrbuch. 51. 26 388 ; A. Benninghoff stärkung der radiären Balken des Vorhofs und hat offenbar einen besonderen Anteil an dieser Aktion. Es ist hiernach verständlich, daß die Vorhofskammerverbindung stark beansprucht wird, und daß die zarte Muskulatur dieses Abschnittes stellenweise durch fibröses Gewebe substituiert ist. Die Kammer zeigt, entsprechend den vielseitigen Aufgaben, ein komplizierteres Gefüge. Was die Bedeutung, ihrer Muskelsysteme anlangt, so erscheint zunächst die B.-A.-Lamelle als ein zentrales, festgefügtes System, das die Kammerostien beherrscht und in ihren gegenseitigen Lagebeziehungen reguliert. Wie sie für das Blut den Sammelplatz begrenzt, der alle Zu- und Abflüsse auf sich zieht, so bildet sie auch durch ihre innigen Beziehungen zu den Septen der Nebenkammern einen Knotenpunkt für die Trabekularmuskulatur der Kammer, die in der Peripherie in feine Netze aufgelöst, in den Septen sich anfangs locker, später dichter zusammenschließt, um in dem Verband der B.-A.-Lamelle einzumünden. Bei der Systole schwinden die peripheren Maschräume zuerst, dann das Lumen der Nebenkammern, wobei die longitudinal ziehenden Muskelzüge der Septen deren Tiefe verkürzen, und die sagittal gestellten den Spalt in seiner Breite verengern. Es verbleibt darnach nur noch die Haupt- "kammer mit den breiten Ausmündungen der Nebenkammern als blut- führender Raum bestehen, der inzwischen mit arteriellem Blut, das zuletzt die Kammer verläßt, .gefüllt ist. Inzwischen hat sich aber die Anordnung der Muskulatur geändert. Mit dem Auspressen der sie trennenden Hohlräume haben die Trabekel, peripher beginnend, sich zu einer kompakten Masse verdichtet, die nun in Verbindung mit der soliden B.-A.-Lamelle unter konzentrischem Druck den In- halt der Hauptkammer austreibt. Dabei kommen auch die zwingen- formig verlaufenden Muskelzüge zur Geltung, die über den freien Rand der Nebenkammersepten die beiden B.-A.-Lamellen in Ver- bindung setzen. Der Effekt der an sich gleichmäßig fortschreitenden Kontraktion muß unter diesen Bedingungen ein anderer geworden sein. Während zu Beginn der Systole die einzelnen Trabekel ein großes in allen Maschen zerstreutes Blutvolumen bewältigen, schließen sich mit fortschreitender Kontraktion die Elemente zu einer einheit- lichen Wand auf und sammeln so die systolische Wirkung auf die immer kleiner werdende Oberfläche der verbleibenden Blutmasse, wie eine diekwandig gewordene Herzkammer diese austreibend. In dem Maße, wie der Widerstand im Bulbus steigt, in dem das Blut zuerst in den erschlafften Pulmonalteil sich ergießt, allmählich aber Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 389 durch den kontrahierten und verengten Bulbus im Aortenabschnitt dem Körperkreislauf zugeleitet wird, wächst somit auch die Kraft der Systole. Vermöge seiner eigentümlichen Struktur schafft der wn- geteilte Ventrikel bei einer einzigen Aktion in sich selbst die Be- dingungen für eine abgestufte Kraftentfaltung und wird den ver- schiedenen Anforderungen des großen und kleinen Kreislaufs ge- recht. So wird in einfacher Weise der Satz erklärt, den schon BrRÜCcKE für das Froschherz aufgestellt und bewiesen hat, daß näm- lich die Arbeitskräfte, die das Blut in die Körperschlagadern treiben, nicht gleich seien denjenigen, die es in die Lungen befördern. Die Vorgänge, die später SABATIER. bei der Entleerung des Ventrikels be- obachtet hat, stimmen völlig mit diesen Vorstellungen überein. Er sah zunächst das Blut aus den peripheren Räumen schwinden und ‘zuletzt aus der Hauptkammer. Andererseits bemerkt man, wie mit der Vervollkommnung der Kammerscheidewand in der Tierreihe die Masse der Trabekel immer mehr abnimmt auf Kosten einer Ver- diehtung der Kammerwand und Ausweitung des trabekelfreien Hohl- raumes. Dabei teilt sich der Ventrikel in seine Aufgaben durch Aus- bildung verschieden starker Wände und geht zu einer neuen Förm der systolischen Arbeit über. Die Trabekularmuskulatur des Froschherzens, die bisher nach dem Vorgange von SABATIER rein mechanisch als Einrichtung zur Trennung der Kreisläufe gewürdigt wurde, gewinnt somit nach den obigen Gesichtspunkten eine erweiterte Bedeutung. Diese Verhält- nisse lassen sich auch auf jene Wirbeltierherzen übertragen, die ein- mal durch besondere Differenzierung ihrer Muskulatur aus dem in- differenten Stadium herausgetreten sind, andererseits noch kein ‚Kammerseptum besitzen. Entwicklungsgeschichte. Triton alpestris. I. Periode. Embryonen von 4 bis zu 7,1 mm einschl. Gesamtlänge. Bei dem jüngsten zur Untersuchung gewählten Embryo von 4 mm Gesamtlänge hat der primitive Herzschlauch bereits die Form einer Schleife, deren Scheitel nach rechts kaudal sieht. Das venöse Ende liegt ventral vom Darm, von hier aus erfolgt eine Biegung des Rohres, ‚deren Konvexität nach links kranial gerichtet ist und den Anfang der Schleife bezeichnet. Als Mittelstück schließt sich ein absteigender : 26* 390 A. Benninghoff Schenkel an, der schief nach kaudal zieht, um in einem aufsteigenden Schenkel, das arterielle Endstüek, umzubiegen. Dieses liegt dorsal zum vorigen und strebt kranialwärts der Medianebene zu. Bei einem Embryo von 6,4 mm Gesamtlänge sind diese Krümmungen schärfer ausgeprägt, insbesondere befindet sich an der Stelle, wo das venöse Endstück zum Mittelstück umbiegt, am rechten und kaudalen Umfang des Rohres eine Furche, die ich als A.-V.-Knickungsfalte bezeichnen möchte. Mit fortschreitender Entwicklung beginnt das Mittelstück vor dem venösen Ende vornüberzusinken. Den Anfang dieser Ver- lagerung zeigt ein Embryo von 7,1 mm Gesamtlänge. Bei ihm ver- läuft die Achse des Herzschlauches zwischen End- und Mittelstück nahezuindorso-ventraler Richtung. Die vorer- wähnte Einknickung an dieser Stelle bezeichnet eine erste unvollkom- mene Abgrenzung zwi- schen dem späteren Vor- hof und der Kammer. Sie ist gleichzeitig mit . der Kriimmüng des Herz- schlauches entstanden und bildet den Aus- Querschnitt durch das ‚Herz eines Embryo von Zriton al- pestris von 7,1 mm Gesamtlänge. Vergr. 133 :1. gangspunkt des später E. Endokard, Me. Myoepikard, v.E. venöses Endstück, Ast. sich entwickelnden Sul- Mittelstück, a.&. arterielles Endstück, X/. Knickungsfalte. cus a.-v. So deuten die Biegungen bereits auf eine Unterteilung des Herzens hin. Auf diesem Stadium behält der Herzschlauch in allen Teilen noch ein annähernd gleich starkes Kaliber. Die Wandung des Herzschlauches besteht aus zwei Schichten. Die äußere wird von dem Myoepikard gebildet und setzt sich aus einer einfachen Lage von Zellen zusammen, die mit Dotterelementen vollgepfropft sind, Zellgrenzen nur stellenweise erkennen lassen, und einen rundlichen Kern besitzen. In diesem Mantel steckt die innere der beiden Schichten, das Endokardrohr, von dem ersteren anfangs durch einen breiten Zwischenraum getrennt. Die Endokardschicht ist ein Zellhäutehen, das stellenweise sehr dünn und strukturlos er- scheint, dazwischen wieder stärkere Stellen besitzt. An diesen diekeren Abschnitten liegen mit Dotter gefüllte Zellen, deren rund- liche Kerne an Größe und Form denen der äußeren Schicht gleichen. Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 391 An den zarten membranähnlichen Partien, die sich mit- Hämatoxylin gut färben, sieht man nur wenige ovale bis spindelförmige Kerne mit einem schmalen Protoplasmasaum. Während anfangs (bei Embryonen bis zu 6,4mm Gesamtlänge) beide Zellformen gleichmäßig verteilt sind, finden sich am Schluß dieser Periode jene dotterreichen, rund- lichen Zellen u. a. an zwei Stellen, die der Lage nach den spä- teren Endokardkissen des Aurikularkanals entsprechen, angehäuft. (Vgl. Fig. 5.) Kernteilungsfiguren lassen darauf schließen, daß von diesen Zellen, die über reichliches Dottermaterial verfügen, haupt- sächlich die Neubildung des Endokards ausgeht, während jene zart- wandigen Strecken bereits die weiter ausgebildete Form des Endo- kards darstellen, als welche es in einem kleinen Bezirk an der rechten Wand des venösen Endstückes schon. in dieser Periode zur Anlage- rung an das Myoepikard gelangt. In den übrigen Teilen des Herz= schlauches bleibt der Spaltraum zwischen dem Endokardrohr und der äußeren Herzwand bestehen. Es ist vermutlich mit seröser Flüssigkeit erfüllt, enthält keine zelligen Elemente und wird durch- setzt von einem zarten Gerüstwerk äußerst feiner Fäden, das sich zwischen beiden Schichten ausspannt und wegen seiner geringen Färbbarkeit nur schwer wahrnehmbar ist. I. Periode. Embryonen von 7,1—8,9 mm Gesamtlänge. Im Verlaufe dieser Entwicklungsperiode werden die vier Ab- schnitte des embryonalen Wirbeltierherzens: Sinus venosus, Vorhof, Kammer und Bulbus cordis in ihren Umrissen erkennbar, wenn sie auch äußerlich sich noch nicht vollständig gegeneinander abgrenzen lassen. Aus dem venösen Endstück entstehen Sinus venosus und Vorhof, aus dem Mittelstück die Kammer und aus dem arteriellen Endstück der Bulbus cordis. Die Verlagerung des Kammerteiles der Herzschleife kaudalwärts macht weitere Fortschritte, dadurch gelangt dieser Abschnitt zur Berührung mit dem Sinus venosus. Bei Em- bryonen mit 8,9 mm Gesamtlänge sind die Abteilungen der Herz- schleife ausgeweitet, zumeist der Sinus venosus und die Vorkammer, am wenigsten der Bulbusschenkel, welch letzterer distalwärts sich verjüngt. Die Ringfurche zwischen Sinus venosus und Vorhof schnei- det von rechts her tief ein. Das Vorhofsstück ist hauptsächlich nach kranial ausgesackt, die Einkniekung gegen den folgenden Kammer- abschnitt ist verschärft und bedingt eine Einengung des Lumens an dieser Stelle. Da sie aber nicht zu einem ringförmigen Einschnitt 392 A. Benninghoff vervollständigt ist, kann von einem Suleus a.-v. nicht gesprochen werden. Die äußere Abgrenzung des Vorhofs von dem Kammer- abschnitt bleibt somit am linken Umfang unvollständig. Das folgende Mittelstück der Schleife ist nach kaudal erweitert, es setzt sich als Ventrikel ohne jede äußere Grenze in den aufsteigenden Schenkel, der den Bulbus cordis hervorgehen läßt, fort. In der Ausgestaltung des Herzinnern vollziehen sich bier werte Umwandlungen. Schon bei Embryonen mit 7,3 mm Gesamt- länge ist die äußere Schicht des Herzens im erweiterten Vorhof sehr dünn, in der Kammer dagegen bedeutend stärker, sie nimmt in der Richtung auf die Kammer allmählich an Stärke zu. Zugleich erkennt man im kaudalen Pol der Kammer vereinzelte Muskelfibrillen, die sich über mehrere Kernbezirke erstrecken und Eosin leicht annehmen. Embryonen von 8,0 mm Gesamtlänge zeigen diese Muskelfibrillen deutlich im ganzen Bereich der Kammer und des Bulbus cordis, ebenso im basalen Vorhofsteil. Bei ihnen erscheinen außerdem an der Innenfläche der Herzmuskelschicht vereinzelte plumpe Erhebungen. Diese niedrigen leistenförmigen Vorsprünge finden sich in der kau- dalen Partie der Kammer und an jener Wandstrecke, die zwischen Vorhof und Bulbus cordis liegt. Die Differenzierung des Myoepikards im Ventrikel hat bei einem Embryo von 8,9 mm Gesamtlänge weitere Fortschritte gemacht. Die Bildung der Muskelleistchen, die an der stumpfen Spitze der Kammer eingesetzt hatte, zeigt hier auch den höheren Grad der Ausbildung, während nach dem Vorhof zu das Myoepikard noch eine gleichdicke, einheitliche Schicht darstellt, mit Ausnahme jener Zone zwischen Vorhof und Bulbus, wo eine wulst- förmige Leiste auf der verdickten Wand sich erhebt (vgl. Fig. 6). In der Richtung von der Herzbasis auf den kaudalen Pol der Kammer zu trifft man nacheinander folgende Zustände im Aufbau des Myo- epikards: Zunächst ist die Herzmuskelwand unregelmäßig verdickt, es erscheinen in ihr einzelne kleine Hohlräume, die sich bei weite- rem Verfolgen in der Schnittserie nach dem Kammerraum öffnen. Weiter trifft man zapfenförmig ins Lumen vorspringende Erhebungen: Querschnitt von Leisten. Diese Leisten begrenzen mit ihrem kon- kaven Rand den freien Kammerraum und anastomosieren unterein- ander. Im Bereich der stumpfen Herzspitze schließlich springen diese Muskelbälkchen am weitesten ins Lumen vor, sie sind mit der kon- tinuierlichen äußeren Schicht der Ventrikelwand, die stellenweise schon sehr dünn ist, durch zarte Trabekel verbunden. Die aufein- ander folgenden Bilder zeigen demnach: Verdiekung, Auflockernng Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 393 und Unterminierung des ursprünglich einheitlichen Myoepikards. Hierdurch hebt sich, wie in der nächsten Periode deutlich wird, ein System anastomosierender Leistehen von der kontinuierlichen Außen- schicht, die zur Corticalis wird, ab. Die innere Auskleidung der Herzhöhlen, das Endokard, ist im Vorhof und in der Kammer, mit gleich zu besprechenden Ausnahmen, dem Myoepikard unmittelbar angelagert (Embryo von 8,9 mm Ge- samtlänge). An diesen Stellen bildet das Endokard ein zartes Häut- chen, in dem von Strecke zu Strecke mehr oder weniger spindel- förmige Kerne liegen. Im Bereich der Übergangszone zwischen Vorhof und Ventrikel, in einem streifenförmigen Be- zirk der kranialen, dorsalen und kaudalen Vorhofswand, sowie an bestimmten Stellen des Bulbus, auf die hier nicht eingegangen werden soll, bleibt jedoch wie im vor- hergehenden Stadium der Spaltraum zwischen beiden Schichten der Herzwand be- stehen. Das im Bereich zwischen Vorhof und Kam- mer in seiner ursprünglichen _ TE Längsschnitt durch das Herz eines Embryo von Triton Lage verharrende Endokard alpestris von 8,9) mm Gesamtlänge. Vergr. 133:1. bildet damit kissenfürmige "(FR Nehme Mmskauaan Br Vorwölbungen, die bei allen .Wirbeltieren in gleicher Weise auftreten und der Lage nach als En- dokardkissen des Aurikularkanals bezeichnet werden, obwohl in diesem Falle ein sog. Ohrkanal noch nicht ausgebildet ist. Die Epithellage dieser Kissen besteht aus einer Reihe dicht gedrängter großkerniger Endothelzellen, deren Anhäufung an diese Stellen schon am Ende der vorigen Periode bemerkbar war. Daneben befinden sich im Spalt- raum selbst, aber in der Nähe der Epithellage, einige Zellen mit verzweigten Protoplasmafortsätzen. Wo sie liegen, ist das feine fädige Gerüstwerk zwischen beiden Schichten verdichtet und das Gewebe mit Hämatoxylin leichter färbbar. Unmittelbar am Myo- epikard bleibt ein zellfreier Streifen von derselben Beschaffenheit wie der Raum zwischen Myoepikard und Endothel früherer Stadien. Die dichte Aneinanderreihung von Zellen an der Oberfläche der Fig. 6. era 394 A. Benninghuff Kissen ist der Ausdruck einer regen Proliferationstätigkeit, und offen- bar sind die im Spaltraum befindlichen Zellen von hier aus ein- gewandert. Die Kissen werden als Auflagerungen des Myokards in ihrer Form bis zu einem gewissen Grade von dem Verhalten des letzteren beeinflußt. So bilden sie an Stellen, an denen das Myokard einen flachen Bogen beschreibt wie an der linken und kranialen Zirkum- ferenz des atrio-ventrikulären Übergangs langgestreckte Gebilde, einem Kreissegment vergleichbar. Da sie in diesem Bezirk eine ausgedehnte Wandstrecke besetzen, sind sie zur Abgrenzung von Vorhof nnd Kammer nicht verwendbar. Andererseits bilden sie im Bereich der Kniekungsfurche dem Verlauf der äußeren Wand folgend eine Falte (vgl. Fig. 6). Die A.-V.-Kissen bilden keinen ringförmigen Belag der Vorhofkammergrenze. An einer schmalen Stelle, die rechts kaudal gelegen ist, hat sich das Endokard der Muskelwand völlig angelegt, an einer anderen Stelle, die jener gegenüberliegt, also links kranial, ist das Endokard vom Myoepikard in einigen Fällen durch einen kleinen Spalt getrennt. So existieren zwei Kissen, die nach der letztgenannten Zone zu sich verflachen, nahe aneinander stoßen und an der entgegengesetzten Seite unterbrochen sind. Vom Quer- schnitt der Atrio-Ventrikulargrenze besetzt das eine Kissen dessen kraniale, rechte Zirkumferenz, das zweite den kaudalen linken Um- fang, der Spalt zwischen den Polstern verläuft schräg von links kranial nach rechts kaudal und bildet die innere Umgrenzung des ÖOstium a.-v., als welches das eingeengte Lumen zwischen Vorhof und Kammer bezeichnet wird. Mit den A.-V.-Kissen im Zusammen- hang steht eine Endokardbildung, die der Lage nach der Ursprungs- linie des späteren Septum atriorum entspricht. Sie bildet eine niedrige. sichelförmige Falte, die mit ihrem freien scharfen Rand in den Vor-. hofsraum hineinragt und mit breiter Basis der Muskelwand aufsitzt. Diese Falte endet in den beiden Endokardkissen und kommuniziert daher von vornherein mit den letzteren. Am freien Rand der Falte liegen mehrere Kerne und in der Nähe dieser befinden sich im Spaltraum vereinzelte Zellen mit Ausläufern, das Gewebe gleicht jenem der Endokardkissen. III. Periode. Embryonen von 8,9—11,5 mm Gesamtlänge. In dieser Epoche der Entwicklung verändert sich die äußere Gestalt des Herzens durch beträchtliche Vergrößerung des Sinus ve- ie a Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 395 nosus, des Vorhofs und der Kammer. Der Vorhof dehnt sich dabei zumeist nach kranial und links aus, die Kammer nach kaudal, so daß letztere vor die ventrale Seite des Sinus venosus zu liegen kommt. Bei dieser Ausweitung bleibt eine schmale Zone an der Vorhofkammergrenze im Wachstum zurück. Hier bildet sich am kranialen und linken Umfang eine seichte Furche, welche zusammen mit der kaudalwärts gelegenen Knickungsfalte früherer Stadien eine ringförmige Einschnürung, den Suleus a.-v., bildet (bei Embryonen von 10,2 mm Länge). Der am Grunde dieser nunmehr ringförmigen, aber ungleich tief eingreifenden Furche gelegene Teil der Herzwand wird als Canalis aurieularis bezeichnet, obwohl ein kanalförmiger Abschnitt nicht vorliegt. Die Achse dieser Verbindungsstelle verläuft nunmehr von dorsal und kranial nach ventral und kaudal. Bei der Untersuchung des Aufbaus der Herzwandung zeigt sich als neue Schicht das Epikard. Es ist bei Embryonen von 11 mm Länge deutlich erkennbar und besteht aus einer einfachen Lage von Zellen, deren spindlige Kerne in weiten Abständen voneinander liegen. Mit einer Anhäufung von epikardialem Gewebe ist der Suleus a.-v. erfüllt, hier finden sich auch verzweigte Bindegewebszellen. Im Myokard ist der Prozeß der Trabekelbildung weiter. fort- geschritten. Man kann jetzt in der Kammer durchweg eine äußere dünne Cortiealis und eine Trabekularmuskulatur unterscheiden. Die einheitlich gebliebene Vorhofswand verdickt sich in ihrem basalen Teil etwas und hat hier einen zirkulären Verlauf der Muskelelemente. Diese Ringfaserschicht, der Annulus a.-v., reicht nach der Kammer zu nicht so weit, wie die Ausdehnung der Basis der später zu er- . örternden Endokardlippen, im proximalen Drittel dieser letzteren findet sich als Grundlage eine längsverlaufende Muskulatur. Durch diese Anordnung seiner Muskulatur ist, wie später erörtert wird, der sog. Canalis auricularis charakterisiert, der äußerlich nicht abgrenzbar ist. Der Annulus a.-v. ist dadurch entstanden zu denken, daß die Ele- mente des primitiven Myokards, die ehemals im Bereich des ganzen Herzschlauches einen zirkulären Verlauf besaßen, an dieser Stelle ihre Anordnung beibehalten und sich verstärkt haben. Damit tritt ein Ringfasersystem in die Erscheinung. Die bereits in der vorigen Periode in der Kammer aufgetretenen Leisten haben ihren Abstand von der Corticalis beträchtlich vergrößert und bleiben mit letzterer verbunden durch kleine Bälkchen. Diese Muskelleisten halten be- stimmte Abstände voneinander und strahlen in einem größeren linken Abschnitt der Kammer radiär auf die Kammerbasis zu, nach dem 396 "A. Benninghoff -Bulbus zu verlaufen sie parallel der Achse des Binnenraums. Wie Fig. 8 zeigt, ist die Ausbildung der Trabekel im dorso-kaudalen Teil der Kammer am weitesten fortgeschritten, hier hat sich infolgedessen die Kammer stark ausgewölbt, der Abstand von Cortiealis und inneren radiären Bälkchen ist beträchtlich, der Suleus a.-v. schneidet dem- entsprechend tief ein, die Herzwand bildet vom Vorhof zur Kammer eine Umschlagfalte. Die einzelnen radiären Trabekel, die den relativ kleinen zentralen Kammerraum begrenzen, stehen im Zusammenhang mit dem Scheitel dieser Falte und setzen die Flucht der Vorhofs- wand fort. Auf der ventro- Fig. 7. kranialen Seite der Kam- mer hingegen liegen diese Trabekel noch nahe der Corticalis, der sie trennende Spalt ist noch klein. Der älteste Teil der späteren Kammerbasis ist somit dessen dorsale Hälfte. Auch an jenem Wandbezirk der Kammer, der zwischen Vor- hof und Bulbus gelegen ist und bereits in der vorigen Periode eine plumpe Er- hebung trug, setzt beieinem Embryo von 10,2 mm Länge Brom Längschh durch du He en Eu yen _ die Bildung von freistehen- S,a. Septum atriorum, V. Ventrikel, Bc. Bulbus cordis, den Bälkehen ein, indem a a aaa” in der kompakten und ver- diekten Wand Hohlräume auftreten, die sich vergrößern und damit eine innere Balkenschicht von einer Corticalis ablösen (s. Fig. 7). Die so entstandenen Trabekel verlaufen von der Vorhof-Kammergrenze zum Bulbus. Alle neu gebildeten Bälkchen sowie die von ihnen umschlossenen Räume er- halten einen Überzug des Endokards. Der Lage nach entsprechen die zentralen Trabekel der Kontur des noch einheitlichen Herzschlauches früherer Stadien. Von ihrer Entstehung kann allgemein gesagt werden, daß sie zunächst der kompakten Muskelwand unmittelbar anliegend sich von ihr unter Bildung von Hohlräumen ablösen. Während dabei die Bälkchen in ihrer ursprünglichen Lage verharren, hebt sich von ihnen die Corti- Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 397 calis peripherwärts ab und verbreitert so die Zwischenräume, welche einen Zuwachs des Kammerraumes darstellen. In dem Maße, wie die Corticalis von den zuerst gebildeten, zentral gelegenen Trabekeln abrückt, vervollständigt sich, von ihrer Innenfläche ausgehend, das Anastomosenwerk feiner Bälkchen, durch welches die Verbindung mit den erstgebildeten Trabekeln aufrecht erhalten wird. Diese letzteren gehen unmittelbar in die Wand des Suleus a.-v. über, da dieser in seinem Querschnitt ebenfalls dem Lumen des früheren Herz- schlauches entspricht. Wenn man sich das Fortschreiten dieses Pro- zesses der Trabekel- und Hohlraumbildung nach dem Vorhof zu als den Effekt einer Unter- minierungsarbeit vor- stellen will, wofür keine Beweise zu erbringen sind (s. S. 401), so ist es verständlich, daß dieser Vorgang von der Verlaufsrichtung der Muskelelemente beein- flußt wird. Daher ist es auch denkbar, daß der Prozeß beim Vor- dringen gegen den Vor- hof an .einer Stelle Fig. 8. Halt macht, wo ihm ım Sagittaler Längsschnitt durch das Herz eines Embryo von der Wand des Suleus Triton alpestris von 11,5 mm Gesamtlänge. Vergr. 133:1. 5 £ = 4. Atrium, $i. Sinus venosus, c.K. zentraler Kammerraum. Bey eine zirkulär ver-% 54... Snlcus atrioventricularis im Entstehen, ©. Corticalis, jaufendeMfusknlaturent- 7. ira Rabe, 17, Ss dr Omen gegentritt. Wie die Betrachtung der Fig. 8 lehrt, sind die fraglichen Ver- änderungen nicht an allen Stellen der Grenzzone gleich weit fort- geschritten. Dorso-kaudalwärts, im Bereich der früheren Knickungs- furche, deren ursprüngliche Kontur noch durch den innersten Kam- mertrabekel bezeichnet wird, besteht ein tiefer Spalt, durch den Vorhof und Kammer deutlich voneinander abgesetzt sind. Ventro- kranial ist eine seichte Furche angedeutet; sie liegt in derselben Ebene mit dem kaudalen Spalt, und ihr liegt keine Einkniekung der Herzwand zugrunde, eine scharfe Grenze zwischen Vorhof und Kammer ist hier äußerlich nicht anzugeben. Es ist bemerkenswert, daß der Suleus a.-v. und damit eine äußere Markierung des sog. 398 A. Benninghoff Canalis auricularis am ventro-kranialen Umfang erst auftritt, nachdem mit dem Anbau der Trabekel bis zu dieser Stelle und der dadurch bedingten Vergrößerung des Kammerhohlraums die Voraussetzung dafür hergestellt wurde. Wenn man daher die Grenze bestimmen will, bis zu welcher die sog. Unterminierung nach dem Vorhof zu vordringt, ist einerseits der Sulcus a.-v. in seiner Gesamtheit zur Bestimmung nicht verwertbar, andererseits muß der sog. Canalis auricularis durch andere Merkmale definiert werden. Da er an sich schon kein kanalförmiger Abschnitt ist, kommt diese Bezeichnung für die Übergangszone zwischen Vorhof und Kammer nur noch in über- tragenem Sinne in Frage. Die Ausdehnung der Endokardkissen ins- besondere nach dem Vorhof zu ist in dieser Periode noch zu groß, als daß mit ihrer Hilfe eine Lokalisation dieses Herzteiles zu er- möglichen wäre, wollte man nicht Teile, die unzweifelhaft der Vor- hofswand angehören, mit zu der Übergangszone rechnen. Es verbleibt noch die besondere Anordnung der Muskulatur am Suleus a.-v. Das Ringfasersystem, welches sich zwischen Vorhof und Kammer ein- schaltet, läßt sich deutlich abgrenzen, es entspricht in seiner Aus- dehnung der Basis der Endokardkissen späterer Stadien und kann daher zur Abgrenzung eines Zwischenstückes verwandt werden, ohne daß man damit berechtigt wäre, hier einen selbständigen Herzteil anzunehmen. Dieses späte Auftreten des Suleus a.-v. am ventro-kranialen Umfang steht in Zusammenhang mit der Verlagerung von Kammer und Vorkammer, die es mit sich bringt, daß die Seelenachse beider Herzabschnitte aus einer sagittalen Stellung in die Längsrichtung übergeht (vgl. Periode I und II). Dieser Vorgang ist ein Wachstums- effekt, indem der Vorhof sich nach kranial, die Kammer-mnach kaudal vergrößert. Diese Verlagerung müßte von einer entsprechenden Richtungsänderung des Sulecus a.-v. gefolgt sein, wenn, wie stets bei Wirbeltieren angegeben wird, der letztere sich frühzeitig zu einer Ringfurche vervollständigte.e Man wäre unter dieser Voraussetzung zu der Annahme gezwungen, daß die ursprünglich kraniale Zirkum- ferenz des Suleus a.-v. nach, kaudal herabwanderte (öder umgekehrt), ein Vorgang, der nirgends erwähnt wird und dessen Annahme große Bedenken gegenüberstehen. Es zeigt sich aber, daß zum mindesten bei den Tritonen diese Wanderung nicht ausgeführt wird, da der Suleus a.-v. in seinem ventralen Umfang erst entsteht, nachdem die Verlagerung der Herzabteilungen größtenteils beendet ist, und alsdann ‘gleich an der definitiven Stelle erscheint. Der Annulus a.-v., an Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 399 dessen unterem Rand die Furche auftrifft, liegt in seinem ventro- kranialen Umfang von vornherein näher der Herzspitze als im dorso- kaudalen Teil. Die Punkte bei S.a.v. und U.F. in Fig. 8 geben den unteren Rand des A.-V.-Ringes an. In Fig. 8 deutet der Pfeil den im ventralen Teil entstehenden Suleus a.-v. an, was aus dem Verfolgen der zugehörigen Schnittserie leicht festzustellen war. Die seichte Fürche über dem Pfeil ist dadurch entstanden zu denken, daß der prallgefüllte Vorhof an der Stelle umgeknickt ist, wo der dünne Teil seiner Wand in den diekeren übergeht. Diese Furche hat nichts mit dem Suleus a.-v. zu tun, sie ist nicht mit perikardialem Bindegewebe erfüllt, tritt nur temporär auf und ist dementsprechend nicht an allen Objekten zu finden. Auch Gkeır (17) weist darauf hin, daß die bei Reptilien an der Oberfläche des Herzens auftretenden Furehen nicht zur Grenzbestimmung von Herzabschnitten zuverlässig verwandt werden können, ohne allerdings auf die besondere Schwie- rigkeit, die bei der Verlagerung entsteht, aufmerksam zu machen. Es sei demgegenüber ausdrücklich betont, daß die Knickungs- falte als dorsokaudaler Teil des Suleus a.-v. von vornherein festliegt, stets den gleichen Abstand vom A.-V.-Ring innehält und zum Endo- kardkissen die gleiche Lagebeziehung bewahrt. Aber auch hier zeigt sich, daß von einer fortschreitenden Unterminierung nicht die Rede sein kann, auch nicht in dem Sinne, daß dieser Prozeß gleichen Schritt hält mit dem Wachstum des zu unterminierenden Teils, d. i. des Ohrkanals der bisherigen Nomenklatur. Die Annahme von der Unterminierung des Aurikularkanals läuft letzten Endes auf die Vor- stellung hinaus, daß nur die kompakte Wand des letzteren wachse, während der angrenzende Kammerabschnitt auf seine Kosten an Größe zunehme, eben durch Unterminierung. Es ist nun nicht ein- zusehen, warum nicht alle Muskelteile, die im Grunde des Suleus a.-v. zusammenstoßen (vgl. Fig. 9D), am Wachstum teilnehmen sollen. Wenn ferner der Aurikularkanal, dessen Ausdehnung nach GEIL (17) bei den Reptilien durch die Endokardkissen charakterisiert ist, bis zu etwa ?/, seiner Länge in die Kammer aufgenommen werden solle, so ist es verwunderlich, daß die endokardialem Gebilde nicht in der gleichen Richtung mitgenommen werden, wie es z. B. bei den proxi- malen Bulbusklappen der Fall ist, die nach der Aufnahme des Bul- bus in die Kammer in der letzteren selbst gefunden werden. Es sei durch diese Betrachtungen darauf hingewiesen, wie prob- lematisch der Aurikularkanal an sich ist und wie fragwürdig die Vorstellung von seiner Unterminierung bleibt. 400 A. Benninghoff Die Umbildungen an der Vorhof-Kammergrenze sind in Fig. 9 genauer dargestellt an Längsschnitten durch deren linken, lateralen Teil. Diese Schnitte treffen sämtlich die dorso-kaudale Klappe in deren mittlerem Abschnitt. - Schnitt a—c stammen aus der Serie eines Embryo, die ventro-kranial beginnt und nach dorso-kaudal fort- schreitet. In Fig. ce der Serie endet der Trabekel, der zur Unter- fläche des Kissens zieht, nicht in dem letzteren, sondern gewinnt später den Anschluß an die übrige Muskulatur. In dem von Kissen, Trabekel und Corticalis umgrenzten Raume liegt ein rotes Blut- körperchen, wodurch das Eindringen des Blutstromes in diesen Spalt- raum angezeigt wird. Die Betrachtung dieser Serie zeigt, wie die kompakte Herz- muskelwand sich scheinbar aufspaltet bis zu einer Stelle, die in den Fig. 9. Sagittaie Längsschnitte durch das Gebiet zwischen Vorhof und Kammer von Triton alpestris-Em- bryonen mit 10,2 mm (4—C) und 11,1 mm (D) Gesamtlänge. Vergr. 150:1. d.E.K. dorsokaudales Endokardkissen, S.a.v. Suleus atrioventriculaıss. proximalen Abschnitt der Endokardkissen hineinragt und an den zirkulären Muskelabschnitt angrenzt. Unter Zurücklassung je eines Trabekels wölbt sich der kortikale Teil aus, der Spalt zwischen beiden verbreitert sich zum blutführenden Hohlraum, die A.-V.-Furche vertieft sich. Hand in Hand mit diesem Prozeß geht eine Umformung der Endokardkissen vor sich. Diese letzteren sind in ihren mittleren Teilen zu lippenförmigen Gebilden geworden, die ins Lumen hinein- ragen (vgl. Fig. 9). Damit erhalten sie eine dem Vorhof, eine der Kammer zugewandte Fläche und einen stumpfen freien Rand. In den Randabschnitten hat sich die Form des flachen Polsters erhalten. Mit den zentralen Kammertrabekeln als den Resten ihrer ursprüng- Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 401 lichen Unterlage bleiben die Kissen mit ihrem proximalen Teil in Zusammenhang, dieser Kontakt besteht am ausgiebigsten an den langgestreckten Randpartien der Klappen, wo die ursprüngliche Längs- ausdehnung der letzteren erhalten bleibt. An Stellen, an denen die innersten Balken fehlen, ragen die Kissen von ihrer Basis, der kom- pakten Wandstrecke des basalen Vorhofteils, aus als Lippen frei ins Lumen hinein, setzen sich nach der Kammer zu scharf ab, während sie in der vorigen Periode als flache Polster, allmählich niedriger werdend, in dieser Richtung ausliefen, und gehen in den Endokard- überzug der Corticalis über. An ihrem stumpfen Rand deuten Kern- anhäufungen auf eine rege Proliferationstätigkeit hin, die Umformung des flachen Polsters zur Endokardlipne, wie die Kissen nunmehr be- zeichnet werden können, ist offenbar diesem Wachstumsvorgang zu- zuschreiben. Die Zellen innerhalb der Endokardlippen sind zahl- reicher geworden, die Färbbarkeit der faserigen Masse mit Häma- toxylin hat zugenommen. Die sichelförmige Falte des Vorhofsseptum ist am Schluß der Periode bis zur Hälfte der Vorhofshöhe herab- gewachsen. An dieser Stelle seien einige Beobachtungen am lebenden Objekt, die in der eingangs geschilderten Weise an Embryonen von 9—12 mm Länge aus- geführt wurden, mitgeteilt, da sie wesentlich zur Klärung der bisherigen ent- wicklungsgeschichtlichen Befunde beitragen. Es bestätigen sich zunächst jene Vorstellungen, die von der Blutbewegung im ausgewachsenen Herzen auf S. 387 gegeben wurden, mit aller wünschenswerten Deutlichkeit auch am embryonalen Herzen dieser Periode. Bei der Durchsichtigkeit der zarten Objekte kann man die Herzwand, das Blnt, und bei geeigneter Einstellung auch die Klappen (Endo- kardlippen) und deren Spalt am Ostium a.-v. gut zu Gesicht bekommen. So läßt sich deutlich feststellen, daß die Kammer in Diastole mit stark erweitertem venösen Ostium sich mit ihrer Basis dem Blutstrom entgegenbewegt und wie ein offener Sack über die Blutsäule des Vorhofs stülpt. Durch den Schluß des Ostium a.-v. wird die umfaßte Blutmenge gegen den Vorhof abgegrenzt, und mit der Kammersystole bewegt sich die Herzbasis kaudalwärts, um das Blut in den Bulbus auszuwerfen. Die A.-V.-Klappen sind zu Beginn dieses Vorgangs mit ihren Vorhofs- flächen einander nahezu parallel gerichtet, sie bieten in dieser Stellung dem Blutstrom die geringste Reibung. Von dieser Lage aus werden sie einander genähert, so daß sie sich zunächst mit breiter Fläche berühren, die Klappen sind vor Beginn der Kammersystole geschlossen, alsdann wird diese Berührungs- fläche vom Vorhof her gelöst, bis nur noch ein schmaler Saum ihres freien Randes den Kontakt herstellt, zugleich hebt sich dieser letzte Abschnitt ruck- artig gegen den Vorhof zu. Die Klappen sind gespannt. Aus diesem Zustand schnellen sie nach beendeter Aktion in die schlaffe Ausgangslage zurück, derart, daß man von ihrer physikalischen Beschaffenheit durchaus den Eindruck einer rigiden Membran bekommt. In der Tat stellen sie ja von einem Häutchen umschlossene Gebilde dar, die von Zellen und einem weitmaschigen Fibrillennetz 402 A. Benninghoft durchsetzt sind. Die Maschen des letzteren sind offenbar mit einer Flüssigkeit erfüllt, deren Turgordruck dem Ganzen die prallelastische Beschaffenheit verleiht. Diese Bewegungen der Klappen kommen einer Drehung um ihre angeheftete Basis gleich und werden augenscheinlich bestimmt durch das Verhalten des Myokards, insonderheit des basalen Vorhofsteils, dem sie größtenteils aufsitzen (s. Fig. 9. Wenn die Klappen in größter Ausdehnung zur Deckung gebracht sind, wird durch die einsetzende Diastole des Vorhofs dessen Wand von der Herzachse fortgeführt, und zwar um so mehr, je weiter man sich vom Grund des Suleus a.-v. entfernt. Dadurch werden die Klappen zu einer entsprechenden Mitbewegung gezwungen. Die gleichzeitig einhergehende Kammersystole erzeugt durch eine entgegengesetzt gerichtete Bewegung den gleichen Effekt von der Kammerseite her, und so resultiert die Drehung der Klappen. (Der Pfeil in Fig. 9D bezeichnet mit dem Suleus a.-v. zugleich die virtuelle neutrale Zone, den Drehpunkt dieser Bewegungsvorgänge.) Welchen Anteil nun Vorhof und Kammer für sich am Klappenschluß haben, das zeigen bis zu einem gewissen Grade Beobachtungen am absterbenden Herzen. Wenn die Kammer nicht mehr anspricht und nur der Vorhof sich kontrahiert, werden die erwähnten Schlußbewegungen der Klappen in annähernd gleicher Weise ausgeführt. Isolierte Kammersystolen können hingegen die Klappen nur mit ihrem freien Rand zur Deckung bringen, die anfänglich breite Berührung fällt weg, sie ist eine Wirkung der Vorbofskontraktion. Es ließ sich außerdem feststellen, daß die Klappen gegen das Myokard in geringem Maße verschieblich sind, eine Tatsache, die theoretisch gefordert wurde und auch histologisch begründet ist. Es ergibt sich somit, daß einmal von einem weichen plastischen Material der endokatrdialen Klappengebilde zu mindest auf diesem Stadium nicht ge- sprochen werden kann, daß ferner nur die Durchbiegung der Klappenmembran dem andrängenden Blutstrom allein zur Last gelegt werden darf, während ihr übriges Verhalten weitgehend von. dem Funktionszustand ihrer muskulösen Grundlage abhängig ist, also Mitbewegungen der letzteren darstellen. Diese Beobachtungen stehen in voller Übereinstimmung mit den morphologischen Er- gebnissen. Sie sind eine weitere Bestätigung der Tatsache, daß die A.-V.- Klappen und der basal verjüngte Vorhofsabschnitt in jeder Beziehung eng zu- sammengehören, andererseits geben sie keinen Anhaltspunkt, die Konstruktion eines sog. Canalis. aurieularis als eines selbständigen Herzabschnitts aufrecht- zuerhalten. IV. Periode. Embryonen von 11,5—24,2 mm Gesamtlänge. Am Schluß dieser Periode gleicht das Herz in seiner äußeren Gestalt der Form, die das ausgebildete Organ besitzt. Diesen Zu- stand erreicht es durch eine beträchtliche Vergrößerung von Vorhof und Kammer, wobei die letztere in der Weise sich umformt, daß sie insonderheit im ventro-kranialen Umfang des basalen Abschnittes sich mächtig vorwölbt. Damit tritt die an dieser Stelle seichte Furche zwischen Vorhof und Kammer immer mehr von der Oberfläche zu- rück und wird bei der Betrachtung von außen verdeckt durch das hi ,, Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 405 Gewölbe der Ventrikelbasis. Dadurch haben sich in diesem Bezirk ähnliche Verhältnisse hergestellt wie im dorsokaudalen Umfang der Vorhof-Kammergrenze, so daß schließlich eine ringförmige Furche, der Suleus a.-v., von allen Seiten tief einschneidet. Indessen erreicht diese spitzwinklige Spalte selbst im ausgebildeten Herzen ventral nicht die Tiefe wie dorsal. Im Verlauf dieser Veränderungen wird die dorso-kaudale Fläche zur dorsalen, die ventro-kraniale zur ven- tralen, es gewinnt das Herz die für den definitiven Zustand charak- teristische Lagebeziehung im Thorax. Bei den Veränderungen an der Wandung des Herzens, die während dieser Periode vor sich gehen, werden jene Pro- zesse fortgeführt, die wir bei der Besprechung des vorigen Abschnittes ken- nen gelernt haben. Der Anbau neuer Trabekel in der Kammer geschieht von der Corticalis aus, die hier gebildeten Bälkchenstrah- len zunächst senkrecht auf die Achse des Binnen- raumes, biegen aber nach kurzem Verlauf zu zahl- reichen Anastomosen seit- lich aus. Die ständig neu auftretenden inter- Fig. 10. trabekulären Hohlräume rrontaler Längsschnitt durch das Herz eines Embryo von liefern einen Zuwachs der * Triton alpestris mit 19,3 mm Gesamtlänge. Vergr. 60:1. S.a. Septum atriorum, A.7. Ausströmungstsil der Kammer, Kammerhöble. A.a.v. Annulus atrioventricularis, d.a.v.Al. dorsale atrio- ventrikulare Klappe, c.7. zentraler Trabekel, U.F, Scheitel Das Balkenwerk, der Umschlagfalte, p.5.W. proximale Bulbuswulst. durch welches der Zu- sammenhang der zentral gelegenen radiären Trabekel mit der Corti- calis hergestellt wird, läßt eine Sonderung in einzelne lamellenartig nebeneinander stehende Gruppen erkennen. Diese sind nach dem einheitlichen Kammerraume zu durch die zentralen Trabekel, denen sie der Zahl nach ungefähr entsprechen, scharf begrenzt, nach der Peripherie zu lösen sie sich in ein Netzwerk auf, das durch Neu- bildung von Bälkchen sich vergrößert. Diese Lamellen lassen die Nebenkammersepten der ausgebildeten Formen hervorgehen und ent- stehen nicht durch sekundäre Verwachsungen. Morpholog. Jahrbuch. 51. 27 404 A. Benninghoff An der Wandung des rechten Drittels der Kammer, zu dem auch die Wandstrecke zwischen Bulbus cordis und der Vorhofsmündung gezählt wird, vollzieht sich die Schichtung der Trabekularmuskulatur in etwas anderer Weise. In diesem Abschnitt verlaufen die zentralen Trabekel, die wie die übrigen als abgespaltene Reste des ursprünglich einheitlichen Myokards an alter Stelle liegen geblieben sind, parallel zur Achse des Binnenraumes. Sie stehen proximal mit den zentralen Balken des größeren linken Kammerabschnitts durch starke Anasto- mosen in Verbindung und reichen distalwärts an die kompakte Wand -des Bulbus cordis. In dieser Anordnung begrenzen sie einen kanal- förmigen Raum, der in seinen relativen Ausmaßen ebenfalls der Kontur des einfachen Herzschlauches entspricht und im ausgebildeten Zustand den Ausströmungsteil der Kammer darstellt. Während diese Muskelbalken einen nahezu geradlinigen Verlauf beibehalten, baucht sich um sie herum die Corticalis nach allen Seiten aus unter Zu- rücklassung eines Anastomosenwerks von Trabekeln, durch welches die Verbindung aufrecht erhalten bleibt. Unter ihnen sind ebenfalls zahlreiche Elemente, die senkrecht zur Achse des Ausströmungsteils verlaufen, zu erkennen, eine deutliche Einteilung in Septen tritt hier nicht auf (vgl. Fig. 10). Das Fortschreiten der Veränderungen im Gebiet zwischen Vorhof und Kammer erkennt man beim Vergleich der Fig. 9 und 11. Die Schnitte der Serie in Fig. 11 treffen alle der Länge nach einen zen- tralen Kammertrabekel und führen durch die linke Randpartie des dorsalen Endokardkissens. Zur Ergänzung diene Fig. 10, bei der die dorsale Klappe im mittleren Abschnitt getroffen ist. Die kom- pakte Vorhofswand geht in ihrem basalen Teil ohhe äußere Mar- kierung in das Ringfasersystem des Annulus a.-v. über. + Dieser trifft mit der Kammercorticalis am Grunde des Sulcus a.-v. zusammen und bildet die engste Stelle der Muskelwand im Lumen zwischen Vorhof und Kammer. In die Zirkumferenz dieser Enge strahlt von Strecke zu Strecke ein zentraler Kammertrabekel ein. Dieser Knotenpunkt der drei beschriebenen Muskelanteile bleibt für die folgenden Um- wandlungen eine festliegende Zone, die an der relativen Ausdehnung der Herzabteilungen nicht teilnimmt. Indem sich der Vorhof im Querschnitt weiter aussackt und die Corticalis des basalen Kammer- teils immer stärker auswölbt, gelangt die fixierte Vorhof-Kammerenge von der Oberfläche weiter in die Tiefe. Aber auch die zentralen Trabekel als solche nehmen an dem relativen Wachstum nicht teil, was besonders durch das Zurückbleiben ihrer Längsausdehnung wirk- af aid a ie ı a a F ee Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 405 sam wird. Dem gegenüber dehnt sich die Kammerbasis auch nach dem Vorhof zu aus (s. Schnitt B und © der Fig. 11). So überragt schließlich die Kuppe der gewölbten Kammerbasis den Grund des Suleus a.-v. Die ihn bildenden Wände laufen dicht benachbart ein- Fig. 11. & Sagittale Längsschnitte durch das Gebiet zwischen Vorhof und Kammer von Triton alpestris-Em- bryonen mit 14,4 mm (4), 22,2 mm (B) und 24,2 mm (C) Gesamtlänge. Vergr. 150:1. A.a.v. Annulus atrioventricularis, S.a.v. Suleus atrioventricularis, H. Hohlraum im dorsalen Endo- kardkissen (Randpartie), Ch.t. Chorda tendinea, C. Corticalis, c. 7. zentraler Trabekel, F.Ü, Fibrillen- übergang vom Annulus a.-v. zum zentralen Kammertrabekel, > Auflockerung des Klappengewebes. ander eine Strecke weit parallel und nehmen gemeinsam die Form eines Trichters an, es findet ein Umwachsen des fixierten basalen Vorhofteils durch die Kammer statt. Der ventrale Umfang des Suleus a.-v., der zu Beginn dieser Periode noch eine seichte Furche bildete, erfährt auf diese Weise die weitestgehende Verlagerung, während der 27* 406 \ A. Benninghoff dorsale Teil bereits in der vorigen Etappe in dieser Beziehung weit vorgeschritten war. Es sei hervorgehoben, daß ein weiteres Vordringen der Trabekel- bildung nach dem Vorhof zu nicht bemerkbar ist. Auch wird durch diesen Prozeß der Zusammenhang zwischen dem Annulus a.-v. und der Muskulatur des zentralen Trabekels oder der Kammereorticalis nicht gelöst. In Schnitt B der Fig. 11 sind die Muskelfibrillen ein- gezeichnet, die durchgehend beide Teile verbinden. Andere Schnitte wiederum zeigen nur eine Aneinanderlagerung der Ringfasern an die _ längsgerichteten Elemente der Trabekel ohne Austausch von Fibrillen. Der ohnehin geringe histologe Unterschied dieser Muskelfasern von jenen des übrigen Myokards wird erst später deutlich. Wenn auch für die Ausgestaltung des A.-V.-Trichters die zentralen Kammer- trabekel eine besondere Bedeutung besitzen, so muß doch beachtet werden, daß zwischen ihnen, zumal an den lateralen Abschnitten, trabekelfreie Strecken bleiben, an denen die Muskulatur des Annulus a.-v. sich in Form einer Umschlagfalte in die Kammercorticalis fort- setzt, ohne daß am Scheitel dieser Falte ein Muskelbalken hinzutritt. Die gleiche Fig. 11 zeigt auch die Umbildungen an den Rand- partien der Endokardkissen. Diese bildeten an ihren seitlichen Rändern in der vorigen Periode flach ausgebreitete Polster. Hier tritt nun im proximalen Teil ein Spaltraum auf (s. Schnitt A). Dieser vergrößert sich insbesondere nach distal (Schnitt B) und wird schließ- lich zu einem Raum, der einerseits von einem zentralen Trabekel, andererseits von den stehengebliebenen Teilen des Endokardkissens begrenzt wird (Schnitt C). Dem Trabekel lagern noch Reste vom Material der Kissen auf, sie imponieren im ausgewachsenen Zustand als streifenförmige Endokardverdickungen. Der proximale, stark verdünnte Abschnitt des Endokardkissens zeigt einen parallelen Ver- lauf starker Fibrillen und wird zur Chorda tendinea I. Ordnung. Der distale, dem Vorhof zugewandte Teil flacht sich entsprechend der Ausdehnung des Spaltraumes ab und läßt die Klappenmembran her- vorgehen. Diese letztere ist mit ihrer Basis auf den Bereich des Annulus a.-v. beschränkt. Zur Ausbildung von Chordae tendineae II. Ordnung ist es in dieser Periode noch nicht gekommen, sie sind die zuletzt auftretenden Teile des Klappenapparates und entstehen zweifellos mit dem Fortschreiten der Hohlraumbildung aus dem Ma- terial der Klappen am Grunde des Spaltraumes, der zur Klappen- furche wird. In Schnitt C deutet eine Auflockerung des Gewebes an dieser Stelle auf das Anbahnen dieses Prozesses hin. Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 407 Anders verhalten sich die Endokardgebilde in ihrem mittleren Teil, wo sie wegen ihrer Form schon in der vorigen Periode als Endokardlippen bezeichnet wurden. Hier findet eine Reduktion der dicken, wulstförmig vorragenden Lippen zu platten, lang ausge- streeckten Membranen statt (vgl. Fig. 10). Nach ihrer Basis, dem A.-V.-Ring, zu sind sie breiter und hier entstehen später durch Aus- höhlung von der Kammerseite her die Chordae tendineae. Die Tat- sache, daß die Endokardkissen in ihrem mittleren Teile erst zu lippenförmigen Gebilden, dann zu Membranen sich umbilden, macht es verständlich, daß die später entstehenden Sehnenfäden, sofern sie überhaupt auftreten, den freien Klappensaum nicht erreichen, sondern kurz dahinter inserieren. Die rechte, laterale Klappe der ausgebildeten Formen ist so klein, daß sie auch beim erwachsenen Tier nur auf Querschnittserien wahrgenommen werden kann. Ihre Entwicklung konnte wegen ihrer Kleinheit nicht genau verfolgt werden. Es kann nur mit Bestimmt- heit angegeben werden, daß sie später angelegt wird als die großen Endokardkissen. Das Vorhofsseptum ist am Schluß dieser Periode so weit herab- gewachsen, daß es in kurzem Bogen die Klappen überbrückt. Der Anschluß des Septums an die Klappen besteht bereits von der Zeit an, von der das erstere als sichelförmige Falte angelegt wurde. Zwischen den Endokardblättern des Septums treten in dieser Periode Muskelelemente auf. Die Entwicklung des Urodelenherzens ist von HOCHSTETTER im Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungs- geschichte kurz dargestellt, dabei sind Plattenmodelle von Salamandra atra wiedergegeben. Von der Entstehung der A.-V.-Klappe und dem Verhalten der Muskulatur an der Vorhof-Kammergrenze wird an- gegeben, daß »die Taschenklappen des Ostiums atrio-ventrieulare als zwei an der kranialen und kaudalen Wand des Aurikularkanals sich entwickelnde Endokardkissen angelegt werden. — Diese werden dann von der Kammer her, an deren Wand sich inzwischen ein reiches Netzwerk von Fleischbalken entwickelt hat, unterwühlt und so zu den Taschenklappen umgestaltet, die an der kompakten Wand des Canalis aurieularis wurzeln, welch letzterer als selbständiger Herzabschnitt auch noch beim erwachsenen Tier deutlich nachweisbar ist (GREIL)«. Ä FAvAro berücksichtigt in seinen Untersuchungen über die Endo- 408 A. Benninghoff kardbildungen im Wirbeltierherzen bei der Besprechung der Am- phibien in erster Linie Ayla viridis, daneben werden Triton alpestris und cristatus erwähnt. Er stellt fest, daß die A.-V.-Klappen aus unterhöhlten Endokardkissen hervorgehen und bezeichnet ihr Gewebe als paratheliales. Dabei wird angegeben, daß der Aurikularkanal z. T. unterminiert werde. Die Angaben von Hıs jun. über die Entstehung des A.-V.- Trichters durch eine Einstülpung des Vorhofs in die Kammer und eine sekundäre Verwachsung der Umschlagfalte mit den Trabekeln des Ventrikels beziehen sich auf das Froschherz. Es sind keine Ab- bildungen als Belege wiedergegeben. Die übrigen Autoren, die von einer trichterförmigen Einstülpung des Vorhofs in die Kammer bei Amphibien sprechen, geben die An- sicht von Hıs wieder. Dieser irrtümlichen Auffassung hat auch MACKENZIE widersprochen. In neuester Zeit hat BErRrA ERDMANN die Entwicklung des Anurenherzens (Bombinator igneus) unter besonderer Berücksichtigung des A.-V.-Trichters und seiner Klappengebilde untersucht. B. ERDMANN zeigt, daß in frühen Stadien an der A.-V.-Grenze das Myokard kranial und kaudal in beträchtlicher Ausdehnung sich - verdickt und dann unter Auftreten von Spalträumen sich der Länge nach in zwei Muskelblätter trennt, von denen das innere als » Trichter- lamelle« (= B.-A.-Lamelle GrEIL), das äußere als spätere Corticalis bezeichnet wird. Indem der Raum zwischen beiden unter Bildung von Muskelbälkchen sich vergrößert, entsteht in analoger Weise wie bei Triton alpestris das Gewölbe der Herzbasis, andererseits bewahrt die »Trichterlamelle« nach der Herzspitze zu den Zusammenhang mit den an dieser Stelle frühzeitig auftretenden Trabekeln, welche sich späterhin zu den Nebenkammersepten formieren. Eine sekun- däre Verwachsung von etwa eingestülpten Vorhofsanteilen kommt nicht in Frage. Eine Abgrenzung eines Canalis auricularis wird nicht versucht, es geht aber aus der Darstellung hervor, daß die »Trichterlamelle« nicht der Wand des Aurikularkanals entspricht, sie ist den zentralen Trabekeln des Urodelenherzens gleichzusetzen und bildet nur den ventrikulären Abschnitt des A.-V.-Trichters von His. Es ist bemerkenswert, daß die »Trichterlamelle« nicht durch Konfluieren von zentralen Kammertrabekeln sich bildet, sondern von vornherein als geschlossenes Muskelblatt auftritt. Die A.-V.-Klappen entstehen aus den Endokardkissen in ähn- "Beiträge zur vergl. Anatomie u. Entwicklungsgesch. d. Amphibienherzens. 409 licher Weise, wie dies FAvaro bei Hyla viridis beschreibt, das Auf- treten seitlicher Klappen wurde erst in späteren Entwicklungsstadien beobachtet. Zum Schluß sei die E micklinesgsichishiliche Ableitung der hier interessierenden Einrichtungen nochmals kurz zusammengefaßt. Die verengte Stelle zwischen Vorhof und Kammer und der an- schließende trabekelfreie Hohlraum der letzteren entsprechen in ihrer relativen Ausdehnung der Kontur des primitiven Herzschlauches. Der A.-V.-Ring geht hervor aus einer schmalen Zone des ursprünglichen Herzschlauches, dessen Elemente an dieser Stelle frühzeitig einen zirkulären Verlauf einnehmen, und die, abgesehen von einer absoluten Vergrößerung ihres Querschnitts und einer entsprechenden Ausbildung der Muskelfasern, keine weitere Differenzierung erfahren hat. Die in der Fortsetzung des A.-V.-Ringes liegenden zentralen Kammertrabekel bilden sich aus leistenförmigen Erhebungen des noch einheitlichen Myokards, die in ihrer ursprünglichen Lage ver- harren, während sich von ihnen eine kontinuierliche Außenschicht, die Corticalis, peripherwärts abhebt. Diese läßt von ihrer Innenfläche aus ein Netzwerk von Trabekeln entstehen und gestaltet so den inneren Aufbau und die äußere Form der Kammer. Die Bildung von Trabekeln reicht nach dem Vorhof zu bis an die Ringmuskulatur des Annulus a.-v. Der Prozeß der Leistenbildung beginnt an dem Teil der Kammer, welcher der späteren Herzspitze entspricht und schreitet nach dorsal fort. Infolgedessen ist nach der Heizspitze zu das Trabekulargewebe am tiefsten, und andererseits besitzen die aus den Leisten entstehenden zentralen Trabekel in dieser Richtung die weiteste Entfernung von der Corticalis. Da dieses Balkenwerk zuerst im dorso-kaudalen Bezirk entsteht, sind der dorsale und kaudale Abschnitt im Maschenwerk der aus- gebildeten Kammer die ältesten. Dem zwischen Vorhof und Kammer einschneidenden Spalt des Suleus a.-v. liegt im dorsalen Umfang eine Knickungsfurche der Herzschleife zugrunde, im ventralen Umfang bildet er sich einerseits infolge der mit der Trabekelbildung einsetzenden Ausweitung der Kammer, andererseits durch Aussackung des Vorhofs, wobei seine eigene Wand im Wachstum zurückbleibt. Die Annahme eines be- sonderen Canalis auricularis ist überflüssig, die Vorstellung von seiner Unterminierung ist unbegründet. Die Form des A.-V.-Triehters kommt dadurch zustande, daß der basale Teil des Vorhofes mit dem A.-V.-Ring durch die im Wachs- 410 A. Benninghoff tum zurückbleibenden, zentralen Kammertrabekel in seiner Lage fixiert ist, infolgedessen wird er durch die mächtig sich auswölbende Kammerbasis rings umwachsen, gelangt damit passiv unter das Ni- veau der letzteren und erhält zusammen mit der angrenzenden Kam- mercorticalis eine trichterförmige Gestalt. Eine sekundäre Verwach- sung von Muskelanteilen dieser Zone findet bei dem Vorgang nicht statt. Die A.-V.-Klappen mit ihren Chordae tendineae entstehen aus dem Material der Endokardkissen. In diesen besteht von Anfang an ein feinfädiges Gerüstwerk, dem sich Zellen mit verzweigten Proto- plasmafortsätzen, aus dem Verbande der Endokardzellen herkommend, beigesellen. Die Randpartien der Klappen mit ihren langen kräftigen Sehnenfäden bilden sich durch Aushöhlung der flachen Endokard- kissen, die übrigen Chordae, sofern sie-überhaupt sich bilden, ent- stehen erst nach Umformung der Kissen zur abgeplatteten Membran durch denselben Prozeß. Die Verbindung der Chordae mit den zentralen Kammertrabekeln erklärt sich aus der Tatsache, daß die letzteren als stehengebliebene Reste des einheitlichen Myokards von vornherein den Endokardkissen im proximalen Teil zur Unterlage dienten. Literaturverzeichnis. 1. Owen, On the structure of the heart in the perennibr. batrac“ja. Transact. of the Zool. Soc. London, I, 1855. ' 2. BRÜCKE, Beiträge zur vergl. Anat. u. Phys. des Gefüßsystems. Denkschrift der K. Akad. zu Wien. Mathem.-naturwissenschaftl. Klasse. Bd. III. 1852. 3. HyerL, Cryptobranchus japonicus. Wien, 1865. 4. Fritsch, Zur vergl. Anatomie des Amphibienherzens. Archiv f. Anat. u. Phys. 1869. 5. 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Er verdient sowohl in biologischer Hinsicht als infolge seiner vergleichend anatomischen Bedeutung ein besonderes Interesse. Vieler- lei Gründe ermöglichen eine Homologisierung mit einem Knochen an der Nasenöffnung der Amphibien, Reptilien und Monotremen. Dieser Knochen an der Nasenöffnung vieler Non-mammalia hat in der Lite- ratur eine sehr wechselnde Bezeichnung gefunden und wird in neueren Lehrbüchern! häufig unter der Parkerschen (10) Bezeichnung Os septo- maxillare geführt, eine Namensgebung, die höchstens für einige unter den Reptiliengattungen, bei denen dieser Knochen vorkommt, passend gefunden werden kann. Da mir die Paırkersche Bezeichnung in ihrer sonst widersinnigen Bedeutung für eine durchgehendere ver- ı Vergleiche unter anderen: WIEDERSHEIM, B., Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 7. Aufl., S.105 u. f. Jena 1909. ABEL, O., Die Stämme der Wirbeltiere, S. 51 usw. Berlin 1919. Morpholog. Jahrbuch, 51. 28 414 Richard N. Wegner gleichend anatomische Untersuchung direkt hinderlich war, glaubte ich sie mit Recht über Bord werfen und durch die Bezeichnung Os nariale ersetzen zu können. Die eingehende Begründung dafür findet sich im Kapitel »Nomenklatur«. Der kleine, leicht zerbrechliche, an mazerierten Gürteltierschädeln der Museen häufig fehlende, oder nur defekt vorhandene Knochen ist zwar der Aufmerksamkeit der älteren Autoren nicht völlig entgangen, aber doch keiner weiteren Beachtung gewürdigt worden. Nur zwei neuere Autoren haben sich eingehender mit ihm beschäftigt. Eine vollständige und richtige Abbildung hat er sogar meines Wissens bisher überhaupt noch nicht gefunden. Rapp (1852[1]) beobachtete den Stützknochen an der Nasenöffnung der Gürteltiere als erster. — »Bei Dasypus liegt auf jeder Seite am Rande der Öffnung der knöchernen Nasenhöhle ein schmaler, dünner Knochen. Er sitzt am vorderen Rande des aufsteigenden Astes des Zwischenkieferknochens und kommt mit dem gleichen Knochen der entgegengesetzten Seite nicht zusammen.» Das äußere Nasenloch (Apertura nasalis externa). An der Hautumrandung des äußeren Nasenloches sind die er- wähnten Lagebeziehungen deutlich wieder zu erkennen (Tafel XII, Figur 2). Die stark von oben nach unten hervorspringende Falte in der Hautumrandung des äußeren Nasenloches birgt den Alarknorpel (Fig. 5). In der Tiefe des Nasenloches wird an der medialen Seite des Alarknorpelwulstes noch ein kleinerer Hautwulst (Tubereulum ossis narialis) sichtbar, er birgt das Vorderende des Processus intrafenestralis ossis narialis. Der Processus intrafenestralis schiebt sich also mitten in das Nasenloch hinein und ermöglicht zusammen mit dem stark nach innen gekrümmten Alarknorpel einen weitgehenden Abschluß 426 Richard N. Wegner des Nasenloches. Die äußere Haut zeigt kleine, warzenartige, flache Erhebungen, die nach dem Innenrande des Nasenloches zu ver- schwinden. Der ganze durch das Os nariale eingeengte Vorhofs- bezirk der Nase ist von einem dicken geschichteten Plattenepithel überzogen. Beim neugeborenen Tatus (Tafel XII, Figur 1) ist der vor- springende Processus alaris noch lange nicht so ausgeprägt. Die von Fig. 4. Fig. 5. Alarknorpel (Processus alaris) Tuberculum os. narsals N / „ Alarknorpelwulst -“ (Processus alaris) * y 0,0 Nasenscheidewand " Nasenloch (Naris) Tatus novemcinctus Linne. Schnauzenspitze Tatus novemeinctus Linne. Rechtes Nasenloch eines Neugeborenen, eines alten 5 (Apertura nasalis externa), ihm gebildete Hautfalte verbirgt das Os nariale völlig (Fig. 4). Die Vor- sprünge der knorpeligen Nasenkapsel hat Fucns (7) (1911, S. 36—37, Figur 1 und 2) sorgfältig beschrieben. Er unterscheidet einen größeren vorderen Alarknorpelfortsatz (Cartilago alaris antica) und einen etwas mehr ventral liegenden Fortsatz (Cartilago alaris postica). Letzteren Fig. 6. - Seitenplatte des Nasenknorpels (Curtilago nasi lateralis Vordere Einbiegung des Alarknorpels (Cartilago alaris anterior) Hintere Einbiegung dıs Alarknorpels (Cartilago alaris posterior) = Nasenscheidewandknorpel (Cartilago septi nasi) ” Platter Nasenlochknorpel (Cartilago narialis) (Fenster der knorpeligen Nasenkapsel) Fenestra narina we Processus intrafenestralis - Thx ossis narialis r Os praemazillare (Pars palatina) Die Nasenknorpel von Tatus novemeinctus Linne. Altes 3. Eigene Sammlung. Vergr. 4,25:1. kann ich bei den von mir untersuchten Knorpeln des erwachsenen Tieres nicht so scharf ausgeprägt finden. Das Knorpelgerüst auf Tafel XII, Figur 4 zeigt den doppelt gebogenen Alarknorpel, der sich erst nach einer scharfen Umkniekung medialwärts in das Nasenloch hineinbiegt und dann nach einer zweiten Biegung in eine flache Knorpelplatte übergeht, welche die ventrale Seite des Os nariale be- deckt und sich an den Vorderrand des Zwischenkiefers anlehnt (Fig. 6). Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 427 Wie Querschnitte durch die Nasenhöhle eines neugeborenen Tatus bei Betrachtung durch das Mikroskop erkennen lassen, wird das Os nariale streckenweise nicht nur auf der Ventralseite, sondern auch auf der Dorsal- und Lateralseite von Zügen des Alarknorpels um- geben. Der Nasendachteil der knorpeligen Nasenkapsel wird kappen- förmig von den unter kreuzweiser Verflechtung zu einer Sehnenplatte miteinander verwachsenen Ansatzsehnenfasern der beiderseitigen Mus- culi maxillo-nasales überzogen. Musculus maxillo-nasalis = Pars superior m. maxillo- labialis. Der Verlauf dieses Muskels scheint bei allen Dasypodi- dae gleiehförmig zu sein. Er sei hier für die ganze Familie zu- sammenfassend beschrieben. Ich habe ihn bei den Gattungen Tatus, Chaetophractus, Xenurus und Chlamydophorus als einen sehr kräftigen spindelförmigen Muskel gefunden, der mit breiter Ursprungsfläche vom Jochbogenansatz des Maxillare bis zur Verbindungsstelle von Maxillare und Zygomaticum kommt und zusammen mit: dem symmetrischen Muskel der anderen Seite in der eben beschriebenen Weise kappen- förmig das Vorderende der Nasenkapsel überzieht. Ein homologer Muskel findet sich bei einer großen Anzahl von Säugetieren. Da er aber bei verschiedenen Ordnungen derselben bald nur bis zur knor- peligen Nasenkapsel reicht, bald zwischen den Nasenlöchern bis zur Oberlippe hinabzieht, wie beim Pferde, oder die ganze Dorsalseite des Rüssels entlang läuft, wie beim Tapir und Elefanten, so hat er bei den Autoren eine sehr verschiedenartige Bezeichnung gefunden, die ziemlich verwirrend wirken kann. Die veterinäranatomische Be- zeichnung des Muskels, der z. B. als Rüsselheber beim Schwein zu finden ist, pflegt Museulus levator labii superioris proprius zu sein. Diese Bezeichnung ist schon durchaus nicht für alle Ungulaten zu- treffend, denn bei vielen Ungulaten (Ovis, Cephalophus) endigt er an der Nase gerade über den Nasenlöchern. RusE! (1887) hat eine Muskelgruppe, die sowohl Fasern zur Nase wie zur Oberlippe sendet, als Maxillo-labialis bezeichnet. — Bo4s und Paurrı? (1908) haben in ihrer wundervoll illustrierten Monographie über die Gesichts- muskeln des Elefanten die in Frage kommenden Muskelzüge einer i RuGE, GEORG, Untersuchungen über die Gesichtsmuskulatur der Pri- maten. Leipzig 1887. 2 Boas, J. E. V. und Pauruı, $., The elephant’s head. Studies in the comparative anatomy of the organs of the head of the Indian elephant and other mammals. Part I. Jena 1908. 428 Richard N. Wegner vergleichend-anatomischen Betrachtung unterzogen. Sie bezeichnen als Maxillo-labialis eine Muskelgruppe, die vor, hinter und über dem Foramen infraorbitale entspringt und zur Oberlippe und rings um die Nasenöffnung herum geht. Sie erscheint völlig unabhängig von der M. caninus-orbieularis-Gruppe. — Dieser Oberkiefer-Lippen- Muskel oder Muskelgruppe hat die ausgesprochene Tendenz, sich in mehrere Bündel aufzulösen. Ein solcher Weg zur Auflösung oder zur Spezialisation wird bei einer ganzen Reihe von Säugetieren in fast gleicher Weise durchgeführt, so bei manchen Ungulaten, Inseeti- vora und Xenarthra. Zunächst spaltet sich eine obere, größere, einheitliche Partie ab, welche zum Nasenrücken verläuft und bei vielen Formen allmählich als vollständig selbständiger Muskel durch eine weite Lücke, dazwischenliegendes Fett usw. von der unteren Partie des ursprünglichen Muskels getrennt wird. UEKERMANN! (1912, S. 396) hat den Namen Maxillo-labialis nur auf den Muskel bei den Dasypodidae übertragen, der dem oberen Teil der ganzen Maxillo-labialis-Muskelgruppe entspricht, für die ein- zelnen Bündel des unteren Teils aber andere Namen verwandt. Hier für diesen Muskelteil allein verwandt, wirkt aber diese Bezeichnung unsinnig, weil der Muskel nur zum knorpeligen Nasendach geht. WiınpeEL und PArsons? (1901, p. 66) haben ebenfalls schon auf diese Unstimmigkeit aufmerksam gemacht und eine Bezeichnung als M. maxillo-nasalis vorgeschlagen. BurneE>3 (1901, p. 107) bezeichnet diesen Muskel bei Chlamydophorus als M. retractor naris, aber er ist nicht nur Zurückzieher, sondern auch zugleich Heber des Nasen- loches. Ich nenne ihn also Musculus maxillo-nasalis. ÜEKERMANN (1912), der diesen Muskel maxillo-labialis nennt, leitet ihn seiner Entstehung nach vom Musculus orbicularis oris ab. An * Pars palatina os. narlalis Ne Pars horizontalis | Sustentaculum «- -- |" "" os. praemazillaris Spina nasalis anterior ‚—” - Pars praevomeralis - Chaetophractus villosus © Fisch. Pampas bei Buenos Aires. Vordere Nasenöffnung mit dem Os nariale von der Ventralseite. Eigene Sammlung. Vergr. 2,25:1. der stäbchenförmige runde Processus intrafenestralis hervor. Nur eine leichte laterale Ausbuchtung an seinem Ursprung mag eine Spur einer Pars facialis andeuten (Fig. 9*). Seine vorderste Spitze zeigt ge- "legentlich eine rauhe Oberfläche oder ist kolbig angeschwollen. Knorpelskelet der Nase von Dasypus villosus. War das Os nariale bei Ch. villosus verhältnismäßig einfach gebaut, so ist das Knorpelskelet bei dieser Art um so komplizierter. Bestand die knorpelige Nasenkapsel bei Tatus für gewöhnlich und im wesentlichen nur aus einem einzigen Knorpelstück, so hat sich bei Chaetophractus dieses Knorpelgerüst zu mehreren einzelnen Teilen differenziert (Fig. 10). Der Nasendachteil der knorpeligen Nasenkapsel biegt sich lateralwärts zu einem an seinem Ende kolbig aufgetriebenen, flügelförmigen Fortsatz um. Anstatt einer zweiten Umbiegung, wie sie der Alarknorpel bei Tatus zeigt, findet sich beim Borstengürtel- tier ein spiralig gekrümmtes besonderes Knorpelstück (Cartilago alaris 29* 432 Richard N. Wegner posterior), welches ein zweites plattenförmiges Knorpelstück mit einer lateralkaudalen Anschwellung trägt. Die kaudalen Ränder der beiden letztgenannten Knorpelstücke lehnen sich an den Vorderrand der Pars horizontalis ossis narialis an, während der Processus intra- fenestralis auf dieselben gelagert ist. Betrachten wir das Knorpel- gerüst der Nase vom Borstengürteltier von der Unterseite, so sehen wir, daß nur der vordere Teil der Pars horizontalis nicht vom Knorpel bedeckt ist, während der Processus intrafenestralis von unten her ganz von dem erwähnten spiralförmigen und dem plattenförmigen Knorpel bedeckt wird. Der Processus intrafenestralis dient hier dazu, zu verhindern, daß die beiden Knorpel zu weit durch den Druck von außen in den Nasenvorraum hineingepreßt werden. Die Fig. 10. Fenster der knorpeligen Nasenkapsel (Fenestra narina) [4 Seitenplatte des Nasen- = des Flügelknorpels (Cartilago alaris posterior) norpels 0 ; (Cartilago nasi lateralis) -, HS a et Vorderer Alarknorpelfort- Br; „ Orus mediale t .- 4 schmolzen satz Cartilago alaris anterior ( 9 ) > Nusenlochknorpel (Cartilago narialis) zu einem zusammen- hängenden Knorpel ver- Nasenscheidewandknorpel (Cartilago septi nasi) £ “ Os nariale (Pars horizontalis Os praemazillare (Pars palatina) Die Nasenknorpel von Chaetophactus villosus Fisch. Altes 5. Vergr. 2,5:1. dorsale Fläche des Processus intrafenestralis bleibt vom Knorpel frei, sie wird direkt von einem Epithelüberzug aus g=schichtetem Plattenepithel überzogen. Die kaudale Kante des Os nariale wird wie gewöhnlich bei den Dasypodinae durch die Membrana nari-maxil- loturbinalis mit dem Maxilloturbinale verbunden. Diese Membran tritt auf der Unterseite auch zu dem plattenförmigen Knorpel in Be- ziehungen, und zwar zu seinem hinteren umgerollten Rande. Ich nenne diesen Knorpel, weil er in seiner ganzen Längenausdehnung mit dem Os nariale in Verbindung steht und das Nasenloch von unten her zudeckt, Cartilago narialis. Sein hinterer umgerollter Rand um- faßt den Vorderrand der Pars horizontalis ossis narialis. Seine me- diale Ecke wird vom medialen Schenkel des Flügelknorpels (Crus mediale cartilaginis alaris posterioris) umfaßt. Der laterale Flügel dieses Knorpels (Crus laterale cartilaginis alaris posterioris) steht Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 433 dagegen nur in lockerer Verbindung mit dem vorderen Alarknorpel (Cartilago alaris anterior). Äußeres Nasenloch (Apertura nasalis externa) Tafel XII, Fig. 3. Das äußere Nasenloch erscheint durch einen Fortsatz, welcher die Alarknorpel in sich birgt, fast völlig geschlossen (Fig. 11). Überdies zeigt das Nasenseptum noch eine starke Verbreiterung, die ich schon bei der Beschreibung des Knorpelskelets soeben erwähnt habe. Der Einblick in das Nasenfenster gewährt aber dadurch ein ganz besonders eigen- tümliches Bild, daß das Epithel des ganzen Nasenvorhofsbezirks lange, aus verhornten Plattenepithelien bestehende Fortsätze zeigt, welche wie zahlreiche Pfähle den Eingang in die Nasenhöhle ver- sperren. Offenbar dienen diese Epithelzapfen dazu, um den durch die Nasenknorpel geschaffenen Engpaß des Nasenvorraums noch Fig. 11. Seitliche Verbreiterung des Nasenseptums Nasenscheidewand Hornartige —" Epithelfortsätze Äuperes Nasenloch Aheriiene (Aperturanasalis externa) Chaetophractus villosus Fisch. Die äußeren Nasenlöcher von vorn gesehen. Vergr. 3:1. weiter zu versperren und so zu verhindern, daß größere Staubkörn- chen und Erdteilchen in die empfindliche und kompliziert gebaute innere Nase des Tieres eindringen. Derartige Insulte wären sonst um so leichter möglich, da die äußere Nasenspitze wie ein Keil beim schnellen Eingraben des Tieres mit vorgetrieben wird. In der Um- gebung des Nasenloches befinden sich zahlreiche Drüsen. - Innere Nase. Auf Tafel XIII ist durch einen Horizontalschnitt die rechte Nasenhöhle eröffnet. Der Schnitt ist so gelegt, daß er dicht über dem Processus intrafenestralis des Os nariale quer durch das Nasenfenster ging, und durch ihn das Nasoturbinale größtenteils sowie die Nasalia entfernt wurden. Im hinteren Teile des Schnittes sind die Siebbeinzellen noch zum Teil mit eröffnet, vor ihnen der Sinus maxillaris in voller Breite. Im vorderen Teil der Nasenhöhle (Fig. 12) sieht man sehr deutlich, wie das Maxilloturbinale, der Processus intrafenestralis des Os nariale und die beide miteinander verbindende Membran in einer einzigen 434 Richard N. Wegner glatt verlaufenden Nasenschleimhautfalte liegen. Diese Nasenschleim- hautfalte, welche in der Hauptsache vom Maxilloturbinale gebildet wird, und zwar von der oberen Einrollung desselben, trennt eine breitere mediale Nasenrinne von einer schmäleren lateralen. Die Pars perpendieularis des Ethmoids zeigt in ihrem vorderen Teile eine Verbreiterung und Ausbuchtung mit einer leichten Andeutung zu einer Einrollung, welche die Oberfläche des Schleimhautüberzuges der Nasenscheidewand vergrößern hilft. Man könnte diese Ausbuch- tung als Septoturbinale horizontale anterius bezeichnen, sie ist aber Fig. 12. Cartilago septi nasi=—_ _ Processus intrafenestralis- - - — Membrana nari-mazxillo- __- = turbinalis . _ .0s mazillare Musculus depressor Dem rze labii superioris | Parsinferior Naleye des Musculus 3 mazxillo-labi- \. Se Musculus retractor alis \_.----77 labii superioris Mazilloturbinale - --- - Septoturbinale horizontale anterius Ethmoturbinale II-- - - Recessus nasalis __ - Pr N -- - Husculus zygomaticus des Sinus masillaris \ \ \\ Musculus mazillo-nasalis \ RNEUNIN (Pars superior des Musculus = RN Nee mazxillo-labialis) Nasoturbinale-- an Os frontale Cellulae ethmoidales Chaetophractus villosus 5 Fisch. Die rechte Nasenhöhle ist durch einen Hori”Öntalschnitt er- öffnet. (Der Schnitt ist so gelegt, daß er dicht über dem Processus intrafenestralis des Os nariale quer durch das Nasenfenster ging und durch ihn größtenteils das Nasoturbinale sowie das Nasale entfernt wurden. Im hinteren Teil des Präparates sind der Sinus maxillaris und einige Siebbein- zellen eröffnet.) Vergr. 1,5:1. bei der Gattung Chaetophractus nur in geringem Maße entwickelt. Dagegen erfährt sie bei der Gattung Xenurus, wie wir noch sehen werden, eine erhebliche Ausbildung, so daß sie wenigstens bei der letzteren die Bezeichnung eines Septoturbinale mit Recht trägt. Auf Tafel XIII ist nur noch das hintere Ende des Nasoturbinale zu sehen, welches das Ethmoturbinale II einhüllt. Daneben sieht man im hin- teren Teil des Präparats die einheitliche Lufthöhle des Kiefers, den Sinus maxillaris; eine vordere mediale Ausbuchtung des Sinus, der Recessus nasalis sinus maxillaris, wird dorsalwärts durch das Nasen- Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 435 bein abgeschlossen, das eine entsprechende Delle an seiner Ventral- seite aufweist. Wir werden diesen Recessus in stärkerer Ausbildung beim Riesengürteltier wiederfinden. Gesichtsmuskulatur. Musculus maxillo-nasalis oder Pars superior des M. maxillo-labialis. Dieser Muskel ist bei der Gattung Chaetophrac- tus besonders kräftig entwickelt. Auch hier entspringt er mit breiter Basis dem Processus zygomaticus des Oberkiefers, sein Ansatz an der knorpeligen Nasenkapsel ist unter kreuzweiser Durchflechtung der Sehnenfasern mit dem Ansatz des gleichnamigen Muskels der Gegenseite verbunden, auch hier dient er ebenso wie bei Tatus dazu, bei seiner Kontraktion durch Hebung des Nasendachteils der knorpe- ligen Nasenkapsel das Nasenfenster zu lüften. Unter dem Musculus maxillo-nasalis liegen zwei kleine spindelförmige Muskeln, welche der Pars inferior der Maxillo-labialis-Gruppe der Gesichtsmuskulatur angehören. Der obere derselben wäre ungefähr der Pars angularis der M. quadratus labii superioris-Gruppe der menschlichen Anatomie und dem M. levator labii superioris alaeque nasi der älteren Autoren vergleichbar. UEKERMANN! wendet die letztere Bezeichnung auch auf die Dasypodidae an, doch ist diese Bezeichnung hier nur irreführend, weil der Muskel nicht bis zum Nasenflügel reicht, sondern viel eher als Zurückzieher der Oberlippe wirkt. Er entspricht zum Teil dem Musculus caninus der Veterinärmedizin, eine Bezeichnung, die eben- falls für eckzahnlose Formen, wie die Edentata, recht ungeeignet ist. BURNE? bezeichnet ihn neben dem unter ihm gelegenen De- pressor labii superioris einfach als M. zygomaticus, aber der Muskel entspricht keineswegs dem, was man wenigstens in der menschlichen Anatomie als M. zygomaticus zu bezeichnen pflegt. Um ihn spezieller innerhalb der Pars inferior der Maxillo-labialis-Gruppe zu kennzeich- nen, nenne ich ihn M. retractor labii superioris. Seine Fasern ver- laufen dicht unterhalb des Nasenloches in die Haut der Oberlippe. Er wird ziemlich weitgehend von einem deltaförmigen Muskel be- deckt, welcher vom Jochbeinansatz des Oberkiefers zum Mundwinkel zieht und dem Musculus zygomaticus der höheren Säugetiere ent- sprechen dürfte. Unter dem Musculus retractor labii superioris findet sich bei den Dasypodidae noch ein dritter spindelförmiger Muskel, c. 1912, pag. 396. 1 2 L. c. 1901, pag. 107. L. L. 436 Richard N. Wegner welcher ebenfalls vom Oberkiefer zur Oberlippenhaut der Schnauzen- spitze verläuft und der Maxillo-labialis-Muskelgruppe entstammt. Er entspricht einem Muskel, welcher ebenfalls bei Ungulaten vorkommt, so z. B. bei den Schweinen, wo er als Niederzieher des Rüssels be- kannt ist. Ich glaube auf den Muskel bei den Dasipodidae die Be- zeichnung der Veterinärmedizin als M. depressor labii superioris übertragen zu können. Er ist der Antagonist des M. maxillo-nasalis, doch ist der M. maxillo-nasalis etwa doppelt so stark wie der Mus- culus depressor labii superioris, was leicht erklärlich ist, da der M. maxillo-nasalis auch den schwerer zu biegenden Knorpel zu be- wegen hat. Der schon erwähnte dreiseitige M. zygomaticus, welcher die Ur- sprünge des M. maxillo-nasalis, retractor und depressor labii superi- oris bedeckt, ist eine sehr kräftige dreiseitige Muskelplatte. Er hat hier die ausgesprochene Funktion eines Hebers des Lippenwinkels und hat daher von BurnE! auch eine entsprechende Bezeichnung als M. levator anguli oris gefunden. Gattung: Xenurus (= Cabassous). Nacktschwanzgürteltiere. Xenurus gymnurus Illiger?. Material: 4 Schädel und 1 Kopf in Alkohol. Östeologisches: Bei der Gattung Xenurus (Fig. 13) nimmt das Os nariale die Form eines spiralgewundenen Hakens an, dessen Arme, nämlich der horizontale und der intrafenestrale Teil, stärker zu ein- ander gebogen sind, als sonst die Fortsätze des Os nariale bei den bisher beschriebenen Gattungen. Die Pars horizontalis ist stark verschmälert. Media: endigt sie mit einer kolbigen Auftreibung, auf deren Dorsalseite eine Delle der Anlagerung der Cartilago septi nasi dient. Auch am caudalen Rande der Dorsalseite der Pars horizontalis findet sich ein Falz zur Auf- nahme von Knorpel. Am lateralen Vorderende der Pars horizontalis erfolgt die Abkniekung zum sagittal gerichteten freien Fortsatz des Knochens. Diese Abknickung nach vorn geschieht ziemlich im rechten Winkel, während eine gleichzeitige Abbiegung in dorsaler Richtung nur geringfügig ist. Eine Fußplatte (Processus trabalis) zur Stütze ı L. c. 1901, pag. 107. 2 Nach neueren Angaben ist X. gymnurus lUlliger synonym mit Cabassous unieinetus Linne. Danach müßte die Speziesbezeichnung Cabassous unieinetus Linn“ 1758 lauten. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 437 des Os nariale auf den Zwischenkieferrand wird nur wenig ange- deutet, und der Processus posterior lateralis erscheint ebenfalls nur als ein rundliches Knöpfchen (Fig. 14). Der Processus lateralis poste- Fig. 13. Os nasale Processus extranasalis __ --- - Crista membranacea "--- Processus Jacialis Pars palatina _ nn .A---- Pars horizontalis os. narialis Spina nasalis anterior --- 7 Processus trabalis Pars praevomeralis - - EUR... 3 pP 2 = -- Foramen incisivum Xenurus (= Cabassous) gymnurus Illiger 5 Prov. Minas Gera&ös (Süd-Brasilien). Vordere Nasen- öffnung mit dem Os nariale von der Ventralseite. Eigene Sammlung. Vergr. 1,5:1. rior geht ohne Unterbrechung nach vorn in die erwähnte kleine Fuß- platte (Processus trabalis) über. Dieser kleine Balkenfortsatz (processus trabalis), den man bei dieser Gattung mit dem Fuß eines Stativs Fig. 14. Processus intrafenestralis ----. Be Seemann Crista membranacea Foramen nutricium —__ -- re en Processus (Pars) facialis Fale zur Aufnahme des .__ Flügelknorpels Fr aD sr me gerenennn Pedunculus Processus trabalis »------ ---— Processus medialis ” Pars horizontalis Facies inferior eines rechten Os‘ nariale von Xenurus (= Cabassous) yymnurus Illiger. Prov. Sio Paulo (Süd-Brasilien). Eigene Sammlung. Vergr. 7:1. Processus posterior lateralis vergleichen könnte, ist nur mit schwachen Bindegewebszügen mit einem wenig aus der vorderen knöchernen Nasenumrandung her- ausgeprägten Sustentaculum des Zwischenkiefers verbunden. Da- gegen setzen sich Bindegewebszüge zur Befestigung des Os nariale 438 Richard N. Wegner an eine schräge Kante auf der Ventralfläche des Stiels (Peduneulus) seines Processus intrafenestralis an. Der Stiel (Peduneulus) erscheint durch den schrägen Verlauf dieser Kante und der an sie grenzenden Flächen allmählich um 90° um sich selbst gedreht, so daß die untere Fläche weiter nach vorn medialwärts sieht. Die antero-laterale Fläche des Pedunculus wird von einem dreiseitigen Falz zur Auf- nahme des unteren Schenkels des Flügelknorpels ausgehöhlt. Das Vorderende dieser Ansatzfläche ist zu einem Vorsprung von wechselnder Länge (Processus oder Pars facialis) ausgezogen, der spitz oder flügel- förmig endigt. Die Pars facialis variiert stark und ist mitunter auch kaum angedeutet. Dicht hinter dieser Knorpelansatzfläche des Stiels beginnt der eigentliche medialwärts umgebogene und etwa sichelförmig gekrümmte Processus intrafenestralis. Dort, wo sich der sichelförmige Teil an den Stiel heftet, fand sich mehrfach auf der ventralen Seite ein Foramen nutrieium. Auf der dorsalen Seite des Processus intra- .fenestralis dient eine Knochenlamelle mit kaudalwärts gerichtetem scharfen Rande (Crista membranacea) zum Ansatz der Maxilloturbinale und Os nariale verbindenden Membran (Membrana nari-maxilloturbi- nalis oder conchalis). Das äußerste Ende des Processus intrafenestralis kann abgestutzt, kolbig verdickt, oder hakenförmig noch schärfer medialwärts umgebogen sein. Länge Breite Bxempları er Sb. 9,6 mm 5,7 mm » I ERROR. 85 » BI > IT 32... 12 > 6:9; Knorpelskelet der Nase von Xenurus gymnurus. Das Knorpelskelet von Xenurus gymmurus (Fig. 15 u. Tafel XV, Fig. 2) ist dem Prinzip nach in gleicher Weise gebaut, wie dasjenige von-Tatus. Der Alarknorpel zeigt zunächst zwei scharfe Krümmungen. Mit seiner ersten Biegung krümmt sich der Alarknorpel lateralwärts; dann biegt er scharf in das Nasenloch hinein, um mit einer zweiten Krümmung bei gJeichzeitiger Verbreiterung in eine flache Knorpelplatte überzugehen, welehe das Nariale ventralwärts bedeckt. Als besondere Spezialisation macht sich bei Xenurus geltend, daß der vordere Teil des Alarknorpels deutlicher vom Nasendachknorpel abgesetzt ist und als Knorpelhalbring über das Niveau des die Fenestra narina umgebenden Knorpels hervorragt. Die das Nariale bedeckende Knorpelplatte geht nicht gerade in dem Knorpelansatz zum Knochen über, sondern ist durch eine querverlaufende Muskelansatzleiste abgesetzt. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 439 Nach Untersuchung des Knorpelskelets der drei Gattungen Tatus, Dasypus und Xenurus scheint, soweit mein Material ein solches Ur- teil zuläßt, die Gestaltung des Knorpelskelets der Gürteltiere mancher- lei individuellen Schwankungen unterworfen zu sein. Nur die scharfe doppelte Einkrümmung in die Fenestra narina hinein zur Anlehnung an den Processus intrafenestralis des Os nariale bleibt ein stetiges und sehr charakteristisches Merkmal. Außeres Nasenloch (Apertura nasalis externa). Die äußere Ansicht, des Nasenloches ist der in Fig. 11 gegebenen Abbildung Fig. 15. Nasenscheidewandknorpel Seitenplatte des Nasenknorpels (Cartilago septi nasi) (Cartilayo nasi laleralis) ie BE RN ..-- Aal te ge Nasenkapsel ee: 2 A ; (Finsuers op‘ N d ' (Cartilago alaris anterior) Hintere Einbiegung des Alarknorpels (Cartilagoalaris posterior Processus intrafenestra=- »-...... lis os. narialis N Platter Nasenlochknorpel (Cartilago narialis) Os praemazillare «=... (Pars palatina) Die Nasenknorpel von Xenurus gymnurus Dliger. Vergr. 2,5 :1. von OChaetophractus villosus außerordentlich ähnlich. Die Epithel- zapfen, welche das Nasenloch umranden, besitzen sehr lange und feine Hornspitzen, die dasselbe für das unbewaffnete Auge wie behaart er- scheinen lassen. Innere Nase. In Fig. 16 ist durch einen Horizontalschnitt, der dicht über dem Processus intrafenestralis geführt wurde, der rechte Nasengang eröffnet. Im vorderen Teil unserer Figur ist der Processus intrafenestralis ossis narialis zu sehen. Er bildet zusammen mit dem unteren Ende des Alarknorpels einen dicken Kolben, der das ganze äußere Nasenloch erfüllt und zu noch bessererem Ver- 440 Richard N. Wegner schluß des Nasenloches gegen eindringende Fremdkörper überdies dicht mit feinen Epithelzapfen wie ein Morgenstern besetzt ist. Wir sehen aus dieser Figur, daß die hakenförmige Umbiegung des Os nariale bei Xenurus durch die starke Entwicklung des Septoturbinale horizontale anterius bedingt wird. Es bedeckt von oben fast ganz das Vorderende des Maxilloturbinale (Taf. XV, Fig. 1) und die obere Falte der Membrana nari-maxilloturbinalis. An ihrem Vorderende zeigt das Septoturbinale horizontale anterius eine Delle zur Aufnahme der kolbigen Auftreibung des Vorderendes des Processus turbinalis des Nasale. Fig. 16. Narina { —>- Epidermis IS St Chorion ( > Alarknorpel (Cartilago alaris) Processus intrafenestralis os. narialis HN. \ Seitenplatte des Nasenknorpels (Cartilago nasi lateralis) Delle für den Processus turbinalis des Nasale-ıL... Membrana narimasilloturbinalsi ... Husculus mazillo-nasalis (Pars superior des Musculus mazillo- labialis) (abgeschnitten) Septoturbinale horizontale anterius I" Pars inferior des Musculus mazxillo-labialis Maxilloturbinale -H---.. 24. "os praemazillare. Zenurus (= Cabassous) gymnurus Illiger. Paraguay. Die rechte Nasenhöhle, durch einen Hori- zontalschnitt eröffnet. Verg. 2,5:1. Xenurus (— Cabassous) hispidus Burmeister (1854). Bei dieser Art ist Stiel und Processus intrafenestralis des Os nariale glatter und rundlicher. Das Ende des Processus intrafenest- ralis variiert hier mehr zu zugespitzten Formen. Von einer Pars facialis ist nichts zu erkennen. Innere Nase. (Textfigur 17) zeigt uns von der Gaumenfläche aus einen Einblick in die innere Nase von Xenurus (Cabassous) his- pidus. Man sieht von unten her das Maxillo-turbinale; seine untere Einrollung ragt frei in den Naseneingang hinein, die Ursprungslamelle ist mit dem Os nariale durch die Membrana nari-maxilloturbinalis ver- bunden. In der Tiefe erscheint beiderseits ein spitzer Fortsatz, der noch über den Vorderrand des Zwischenkiefers hinausragt. Es sind dies die Spitzen besonderer Wülste der Lamina perpendicularis, Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 441 welche die senkrechte Lamelle dieses Knochens noch nach vorn über- ragen, und die ich schon bei der Gattung Chaetophractus als Septo- turbinalia anteriora erwähnt habe. Sie haben also mit dem Maxillo- turbinale nichts zu tun, sondern gehören dem Ethmoid an. Ethmoid. Das Ethmoid bildet bei Xenurus zunächst in ganz ähnlicher Weise wie bei den anderen Dasypodidae zwei mächtige halbmondförmige Körper, welche nach der Gehirnhöhle zu konvex ausgehöhlt sind und deren Lamina eribrosa ein Sieb mit sehr zahl- reichen und feinen Löchern ist. In der Medianlinie ist die Lamina eribrosa emporgewulstet, und erst inmitten dieses Wulstes erhebt sich die Crista galli als ein feiner langgestreckter Kamm. Oralwärts setzt sich derselbe in die Lamina perpendicularis fort. Die Lamina perpendicularis des Ethmoids bildet beiderseits flügelförmige Blätter (Alae laminae perpendicularis), welche nach verschiedenen Richtungen Fig. 17. Processus intrafenestralis os. narialis 'Septoturbinale horizontale anterius Foramen incisivum Membrana nari-mazilloturbinalis Pars horizontalis os. narialis praemazillaris Pars praevomeralis 08. Pars palatina — \ ——- Ursprungslamelle des Maxillo- turbinale Untere Einrollung des Mazillo- Vomer \ turbinale Xenurus (= Cabassous) hispidus Burmeister. Einblick in die Nasenhöhle von unten (links ist aus dem Vorderteile des Gaumendaches ein Stück herausgeschnitten). Vergr. 1.5:1. hin Fortsätze entsenden. Die hinteren umgekrempelten Platten der Alae laminae perpendicularis bilden die Außenwand des Ethmoids. Ein vorderer Fortsatz der Alae laminae perpendicularis biegt sich in ein dünnes Knochenblatt um, welches das Ethmoturbinale II vollkommen umfaßt und dasselbe wie eine Hülle umgibt, so daß nur eine schmale medialeKante, abgesehen von seiner Ursprungslamelle,freibleibt. Dieses umhüllende Blatt der Alae laminae perpendicularis bildet nach vorne zu eine zweite Einrollung, die sich in eine Ausbuchtung des Os nasale hineinerstreckt und als Nasoturbinale zu bezeichnen ist. Außerdem schickt die Lamina perpendicularis in ihrem hinteren Teil von der Ansatzstelle der Lamina cribrosa beginnend bis zur Abgangsstelle des Nasoturbinale feine Falten aus, welche schon WEBER! als Septotur- ! WEBER, Max. Die Säugetiere. Jena 1904, pag. 149. 442 Richard N. Wegner binalia bei den Dasypodidae erwähnt hat. Neben diesen feinen kurzen Septoturbinalia posteriora, welche vertikalen Blättchen der Lamina perpendicularis entspringen, besitzt die Lamina perpendieularis noch beiderseits zwei Ausbuchtungen, die sich in horizontaler Richtung nach vorn erstrecken. Die oberen derselben entsenden vordere flügel- artige Fortsätze »Alae anteriores« laminae perpendicularis, welche einer dachartigen Verbreiterung der Lamina perpendicularis, dem - Dorsum laminae perpendicularis, entspringen, sich dicht an das Os nasale anlegen und so zur Bedachung der Nasenhöhle beitragen. Sie sind nur bei sehr vorsichtiger Loslösuug der Nasalia aufzufinden. Fig. 18. Margo anterior os nasalis Rest des knorpeligen _ . Septum nasi Ex . Sn 7 Processus intrafenestralis , os. narialis Processus turbinalis --- -- - os. nasalis _ - Septoturbinale horizontale "7; anterius Processus fucialis - - - -L|- os. narialis 3 = = — - ‚MHaxilloturbinale Pars horizontalis-_ -- -- — S os. narialis -_-- = 7 == —„Margo anterior os. prae=- Pars praevomeralis os. praemasillaris mazillaris Xenurus (= Cabassous) gymnurus Dliger 5 Prov. Minas Gera&s (Süd-Brasilien). Einblick in die Nasen- öffnung, schräg von vorne. In der Mitte ist ein Stück der Cartilago septi nasi stehen geblieben, an die sich die Partes horizontales der Ossa narialia anlegen. Alle übrigen Teile des knorpeligen Nasengerüstes sind völlig entfernt. In der Tiefe der Nasenöffnung unter den Ossa narialia werden in der Reihenfolge von ventral nach dorsal sichtbar: Die Spitzen der Praemaxillaria, die Maxillo- turbinalia, die Septoturbinalia horizontalia anteriora und die Nasoturbinalia (Processus turbinales os. nasalium). Eigene Sammlung. Vergr. 2,25:1. Die unteren Ausbuchtungen sind die schon erwähnten horizontalen Knochenfalten, welche zwei Spitzen bis über den Vorderrand des Praemaxillare nach vorn entsenden, und die ich als Septoturbinalia horizontalia anteriora bezeichne. Dieser äußerst komplizierte Bau des Ethmoids ist in seiner ausgeprägtesten charakteristischen Form bei der Gattung Xenurus vorhanden, aber in geringerem Grade wird diese weitgehende Spezialisierung des ethmoidalen Lamellensystems auch bei anderen Gürteltiergattungen angedeutet. Da-sich die zarten Knochenlamellen des Ethmoids bis in die vordere Nasenöffnung er- strecken, wird uns die Bedeutung (Fig. 18) eines Schutzapparates vor demselben, dessen wichtigster Bestandteil durch das Os nariale geliefert wird, leicht begreiflich. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 443 Zur Orientierung über die topographischen Lagebeziehungen der einzelnen Knochenteile in der knöchernen Nasenhöhle diene ein Einblick schräg von vorn in die Nasenhöhle (Tafel XI, Fig. 1 und Textfigur 18). Zuerst treffen wir auf das Os nariale. Es wird aus dieser Abbildung ohne weiteres verständlich, wie sehr das Os nariale seiner Funktion, die den Naseneingang schützenden Knorpel zu stützen, dient. Dicht hinter ihm finden sich schon die Riechwülste, die infolge ganz be- sonderer Spezialisation sehr weit nach vorne reichen. In der Reihen- folge von ventral nach dorsal finden wir in der Tiefe der Nasen- öffnung: Die Spitzen der Praemaxillaria, welche sich in der Mediane zu einem Wulst erheben und einen Höker tragen, der einem rück- gebildeten Processus praenasalis ossis praemaxillaris entspricht. Der mediale Wulst dient dem praevomeralen Teil der Cartilago septi nasi zur Befestigung. Darüber folgen beiderseits die Maxilloturbinalia, deren Ursprungslamellen den Cristae membranaceae oss. narialium gegenüber liegen. Sie waren beiderseits durch je eine Membrana nari-maxilloturbinalis miteinander verbunden. Darüber liegen zwei ganz zarte, poröse Knochenblättehen. Es sind Septoturbinalia hori- zontalia anteriora, welche jederseits der Mitte der Lamina perpendi- eularis des Ethmoids in ihrem vorderen Teile entspringen und hier ganz ungewöhnlich’ weit nach vorne reichen. Zu oberst liegen, dicht an den Nasalia, die als Nasoturbinalia bezeichneten vorderen Ein- rollungen der Ethmoturbinalia I. Sie verbinden sich beiderseits mit einem als Processus turbinalis bezeichneten Fortsatz auf der Unter- seite des Os nasale. Priodontes giganteus E. Geoffroy (1803). Riesengürteltier. Osteologisches (Taf. XI, Fig. 5 u. 7, Textfig. 19 u. 20). Das Os nariale des Riesengürteltieres, welches alle anderen Gattungen in seinen übrigen Ausmaßen ziemlich erheblich übertrifft, ist verhältnismäßig klein nnd einfach gebaut. Im allgemeinen hat es etwa die Gestalt einer Axt, ähnlich wie bei der Gattung Chaetophractus, wenn man sich den Processus intrafenestralis als Stiel und den Processus medialis als Schneide der Axt vorstellen will. Dabei ist die Pars horizontalis ein klein wenig nach lateralwärts zu gekrümmt, und der Processus medialis ist in medial-caudaler Richtung zugespitzt. Er stößt nicht mit dem gleichnamigen Fortsatz desOs nariale derGegenseite zusammen, sondern ist von der Medianlinie um ein Beträchtliches entfernt. Der Processus medialis ist zugeschärft und trägt auf seiner oberen Seite einen tiefen Falz. Letzterer dient, wie ich bei einem Exemplar von Ilheos (Brasilien) 444 Richard N. Wegner Nr. 154 (1842) des Zoologischen Museums zu Kopenhagen, feststellen konnte, dem Ansatz einer Knorpelplatte, zu der sich die untere Fig. 19. UL - - Processus ntrafenestralis Furche zum Ansatz des —" Ligamentum sustentaculo- Processus medialis, trabeculare 3j- - - Processus alaris lateralis Priodontes giganteus 5 E. Geoffroy. Surinam. Links Os nariale. Facies inferior. Vergr. 4,5:1. Kante des Knorpelseptums verbreitert. Leider ist es mir nicht ge- lungen, auch einen Kopf mit allen Weichteilen dieses Tieres meiner Untersuchung zugänglich zu machen, so daß ich die genaue Gestalt der ganzen knorpeligen Nasenkapsel nicht feststellen konnte. Fig. 20. ure Processus intrafenestralis Tuberculum turbinale__ _ os. nasalis .Pars horizontalis - os. narialis Processus extranasalis __ -- Processus lateralis Sustentaculum - \ Mi os. praemazillaris Pars palatina —-- x N? "= Foramen incisivum Parspraevomeralis „Sutura mazillo- praemazillaris Priodontes giganteus 5. Schnauzenspitze, Ventralseite. Vergr. 1,5:1. Dort, wo sich die Pars horizontalis dorsalwärts emporzukrümmen beginnt, findet sich auf der ventralen Seite des Os nariale eine nach vorn zu verlaufende in einem spitzen Fortsatz endende Furche mit v Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 445 raubem Grunde. Sie variiert bei den einzelnen von mir untersuchten Exemplaren und zeigt mitunter kräftig aufgewulstete Ränder. Sie dient, wie ich an einem aufgeweichten Rohschädel feststellen konnte, dem Ansatz einer ziemlich kräftigen Bandmasse (Ligamentum susten- taculo-trabeculare), welches bei Priodontes allein zur Befestigung des Os nariale mit dem Sustentaculum des Zwischenkiefers dient. Denn das Os nariale ist bei den Dasypodidae, wie hier bei der größten Form der ganzen Familie, mit besonderer Deutlichkeit festzustellen ist, nicht durch Nähte, sondern durch Bindegewebe locker mit dem Zwischenkiefer verbunden. Lateralwärts vom Processus trabalis krümmt sich die Pars horizontalis noch etwas weiter dorsalwärts empor, um nach vorne zu allmählich zu dem drehrunden Stiel des Processus intrafenestralis überzugehen. Am hinteren Rande der rauhen Ansatzfläche des Ligamentum trabeculare kann ein kleiner Processus lateralis posterior angedeutet sein. Die obere Kante der lateralwärts von diesem Fortsatz emporgekrümmten Knochenplatte liegt in der geraden Fortsetzung des Maxilloturbinale und dient als Crista mem- branacea der Membrana nari-maxilloturbinalis zum Ansatz. Der Processus medialis klemmt sich zwischen dem Sustentacu- lum des Zwischenkiefers und der Spina nasalis anterior desselben ein und hilft hier den knöchernen Nasenboden desselben nach vorn verlängern. Die Vorderspitze des Processus intrafenestralis kann entweder gerade verlaufen oder etwas hakenförmig nach der Medianlinie zu umgebogen sein, wie z. B. bei dem Exemplar von Ilheos. Die late- rale und obere Kante des Processus intrafenestralis ragt frei in die Nasenöffnung, anscheinend nur von dünnem Periost und Schleimhaut überzogen, die Membran fast berührend, welche die laterale Incisur am Vorderrande des Zwischenkiefers überbrückt. Auf seiner Ventral- seite ist das Os nariale von Knorpeln bedeckt. Länge Breite Exemplar-J ı.:...r,..,. 12,5 mm 8,4 mm » Een 11,5 >» 78 » Innere Nase. Die Kostbarkeit des Materials gestattete keine Sägeschnitte durch den Schädel, dagegen ließ sich durch Heraus- nahme der bei der Mazeration ablösbaren Nasenbeine ein aufklärender Einblick in die innere Nasenhöhle gewinnen. Schon eine Betrachtung der Ventralseite der isolierten Nasen- beine erfordert unsere Beachtung. Die Nasenbeine zeigen an ihrem Morpholog. Jahrbuch. 51. 30 446 Richard N. Wegner hinteren Teile nämlich eine tiefe Aushöhlung zur Aufnahme des schon beim Borstengürteltier erwähnten Recessus nasalis der Kiefer- höhle, des Sinus maxillaris, der durch eine quere Knochenlamelle Fig. 21. Spinge nasales anteriores 22... „ Nasenstütsknochen y Ne Os nariale Sustentaculum os. prae-, N mazxillaris x ’ ' ‚| 1 ’ \ ' ' ” 1 _ -:Pars praevomeralis Foramen incisivum _ - os. praemazillaris _ — -« Vomer(mittieferRinnefür die Cartilago septi nası) Processus praenasalis 08. __ praemazillaris 1 - —- - - „Alae anteriores laminae ; perpendicularis 05. ethmoidalis Processus praemazxillaris_ _ _|_ os. mazillaris Ductus nasolacrimalis - - - ns — =- Nasoturbinale Processus palatinus 0s..- - S r praemazillaris > HMaxilloturbinale (obere Einrollung) Crista conchalis des 03. 7” mazillare (von der der vor- dere Teil des Maxillo- turbinale abgelöst wurde) WRDUN NT? PANSIEAL RE Ausgesägtes Stück aus . dem Margo nasalis des ”- Maxillare (Sutura naso- mazxillaris) = - __Dorsum laminae, per- pendicularis os. x ethmoidalis "=. Ethmoturbinale II Stehengebliebener hinte--” rer Teil der unteren Ein- rollung des Mazillotur- binale Foramen infra-. _ orbitale x Sutura naso-._ rontalis Be 5 k > _Recessus nasalis des Sinus mazil- laris | S 2. | | | N IM; f | N In P, /- - | | | in Spina frontalis- - -f 77 Priodontes giganteus E. Geofiroy. Surinam. Einblick in die knöcherne Nasenhöhle von oben nach Herausnahme der Ossa nasalia. (Rechts ist vom vorderen Teil der Sutura nasomaxillaris ab ein Stück aus dem Maxillare herausgesägt, um das Nasoturbinale besser sichtbar zu machen, links ist der vordere Teil des doppelt eingerollten Maxilloturbinale entfernt, um die Ausmündungsstelle des Ductus nasolacrimalis freizulegen. Vergr. 1,5:1. mit rauhem Nahtrande seinen vorderen Abschluß findet. Eine seit- liche Knochenlamelle dient überdies zur Anlagerung an den hinteren Teil des Naso-turbinale. Die medialen Ränder der Nasenbeine werden von unten her ganz bedeckt von jener breiten dünnen Knochen- lamelle, welche ich als eine dachartige Verbreiterung des oberen Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 447 Randes der Lamina perpendicularis bezeichnet habe. Nach vorne zu verläuft dieses knöcherne Deckblatt beiderseits in zwei lappenförmige Fortsätze, Alae anteriores laminae perpendicularis aus (siehe Text- figur 21 und Tafel XIV). r Gerade gegenüber der Stelle, an der die Nasalia am schmälsten sind, und das Os maxillare sich mit seinem medialen Nahtrande am meisten der Medianlinie nähert, bildet das Dorsum laminae perpendi- eularis eine hervortretende breitwinklige Spitze, die fast zu einer Berührung mit dem Os maxillare führt. In einer kaudalwärts ge- legenen Verbreiterung des Schlitzes zwischen dem Dorsum lam. per- pendicularis und dem Maxillare wird in der Abbildung die Spitze des Ethmoturbinale II sichtbar. In der oralwärts gelegenen Verbreiterung desselben Schlitzes werden auf der rechten Seite des Präparates die Spitzen des Nasoturbinale und des Maxilloturbinale sichtbar. Auf der linken Seite ist zwischen beiden in der Tiefe die Mündung des Tränennasenganges zu sehen, da auf dieser Seite meines Präparates der vordere Teil des Maxilloturbinale weggebrochen war. Wir können daher in der Tiefe des Präparates erkennen, daß der Knochenkanal “ des Ductus nasolacrimalis am Boden der Nasenhöhle ausschließlich vom Oberkiefer gebildet wird, der höchstens in einer kleinen offenen Rinne am Zwischenkiefer eine Fortsetzung findet!. Gerade über dem Knochenkanal des Ductus nasolacrimalis bildet der Oberkiefer einen kleinen Kamm, Crista conchalis zur Anlagerung für das Maxillotur- binale. Medial von der Mündung des Ductus nasolacrimalis sendet aber der Zwischenkiefer noch einen besonderen Fortsatz, Processus palatinus lateralis aus, so daß leicht bei oberflächlicher Betrachtung die Täuschung entstehen kann, als ob der Knochenkanal des Ductus nasolacrimalis noch mit vom Zwischenkiefer gebildet würde, was bei keinem Dasypodiden der Fall ist. Das Maxilloturbinale besitzt einen oberen und unteren eingerollten Rand. Die obere Einrollung des Maxilloturbinale liegt in der geraden Fortsetzung der schon bei der Beschreibung des Os nariale erwähnten Crista membranacea des Os nariale. In der Medianlinie wird die schaufelförmige Spitze des rinnen- förmigen oberen Randes des Vomers sichtbar, der zur Aufnahme des Septalknorpels dient. Tolypeutes conurus Is. Geoffroy (1847). Kugelgürteltier. Os nariale (Fig. 22—24). Auch beim Kugelgürteltier hat das Os nariale eine einer Axt oder besser einem Hockeyschläger ähnliche Ge- i Siehe Kapitel IV, Fig. 27, 30* 448 Richard N. Wegner d stalt. Zu betonen wäre noch, daß der Knochen eine starke Umbiegung medialwärts nach oben besitzt (Tafel X, Fig. 8). Auf der Oberseite des medial umgebogenen Processus medialis der Pars horizontalis, welcher der Innenseite der Nasenhöhle zugekehrt ist, zeigt der Knochen eine runde Einkerbung oder einen Falz für den Septalknorpel (Taf. XI, Fig. 6 und Textfig. 24). Ein Processus posterior ossis narialis ist nicht vorhanden. Praemasillare- — -— -- (F---—-- Nariale Die Umbiegungsstelle des Kno- chens von der Pars horizontalis Tolypeutes conurus Is. Geofiroy. Vorderende des Schädels mit Os nariale, rechte Seite. Vergr, 3:1. ZUM Pedunculus des Processus intrafenestralis lagert sich nicht direkt wie bei den übrigen Gürteltiergattungen auf ein bei Tolypeutes nur mäßig vorspringendes Sustentaculum des Zwischenkiefers, sondern ohne festere Bandverbindung lose und leicht beweglich auf dasselbe; Fig. 22. — —— - Nasale Masillare- - -— -- Fig. 23. =-- Processus intrafenestralis ıe 05. narialis =" Pars horizontalis Sustentaculum —- 08. praemazillaris e Pars praevomeralis — =: Foramen incisivum Tolypeutes conurus Is. Geoffiroy. Westargentinien. Vorderende des Schädels mit Os nariale von unten. Vergr. 3:1. es schiebt sich hier ein winziger Knorpelzipfel und Bindegewebe von lateralwärts her zwischen das Praemaxillare und Os nariale. Dies ist vielleicht auch der Grund, daß es nicht zur Ausbildung eines beson- ar deren Processus lateralis 1£. 3 . . ü & (siehe Tafel XI, Fig. 6) ge- — — Processus intra- 2 > fenestralis kommen ist, der sich sonst fest auf das Sustentaculum ossis praemaxillaris stützt. BR Der Processus intrafenestralis on Ze Ze — — Pars horizontalis , 3 2 & : ? ist nicht so lang wie bei Tolypeutes conurıs Is. Geoffroy. Rechtes Os narile den anderen Dasypodiden- Dorsalseite. Vergr. 9:1. . gattungen. Er zeigt am late- ralen Rande der Oberseite eine längs verlaufende Einkerbungsrinne zur Anlagerung des Alarknorpels. Außere Nase. Auf den ersten Anblick ist das äußere Nasen- Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 449 loch von Tolypeutes conurus demjenigen von Ühaetophractus vil- losus sehr ähnlich. Ein Eindruck, der noch dadurch verstärkt wird, daß dasselbe in gleicher Weise durch spitze, pallisadenartig angeord- nete Epithelzapfen versperrt wird. Die Hornpapillen sind bei Toly- peutes eher noch spitzer und länger als beim Borstengürteltier. Im übrigen springt der Alarknorpelwulst bei Tolypeutes etwas weiter in die Fenestra narina vor als bei Chaetophractus villosus. Auch ist das Nasenloch so dicht am Oberlippenrand gelegen, daß der Ober- lippenrand unterhalb der Fenestra narina sehr schmal ist und ziem- lich scharf nach dem Nasenloch zu eingezogen wird. Chlamydophorus truncatus Harlan (1825). Gürtelmull. Os nariale. Der Stützknochen des Gürtelmulls zeigt eine ziem- lich einfache Gestalt wie beim Kugelgürteltier, der Form eines Hockey- schlägers nicht unähnlich. Das Schlagende wäre dabei mit der hori- zontalen Platte (Pars horizontalis) zu vergleichen, die bei dem Os „„ Processus intrafenestralis S- Tuberculummar- ginale ’ 08. raemasillaris : - - 08. P \L.-. Pars horizontalis narialis Pars palatina...| u un m "— Processus posterior Foramen incisivum --.. Os nariale von Chlamydophorus truncatus Harlan. Mendoza (Westargentinien). Zoologisches Museum Berlin, Nr. 6006. Vergr. 6:1. nariale des Gürtelmulls allerdings breiter und dreieckförmiger ist als bei dem erwähnten Schlaginstrument. Die beiderseitigen deltaförmigen Horizontalplatten stoßen mit ihrer medialgerichteten Basis in breiter Nahtfläche in der Medianlinie zusammen, aber so, daß von diesen medialen Kanten oral- und kaudalwärts die Ecken abgeschrägt sind, so daß sie einen kleinen vorderen und größeren hinteren Abschnitt zwischen beiden Stützknochen umsäumen, in den die knorpelige Nasenscheide- wand eingreift. Gegen die lateralwärts gerichtete Spitze, Processus posterior der Pars horizontalis hin biegt der Knochen nach lateral- wärts und oben sich verjüngend um. Sein Processus intrafenestralis 450 Richard N. Wegner strebt von da ab als rundlicher Knochenfortsatz schräg nach oben, den Nasalia entgegen. Der Processus posterior ossis narialis erscheint hier also nur als die abgerundete und nach hinten gerichtete Ecke der dreiseitigen Horizontalplatte. Er lagert sich auf den abgerunde- ten Vorderrand des Zwischenkiefers, an dem kein Sustentaculum und keine Spina nasalis anterior ausgebildet wird. In der Mediane zeigen die beiden Zwischenkiefer im Gegenteil einen kleinen Einschnitt. Im ganzen zeigt dieser Stützknochen bei Chlamydophorus den ein- fachsten, am wenigsten komplizierten Bau (Tafel X, Fig. 1 und 2 und Textfig. 25 und 26. Äußere Nase. Für die Beschreibung der äußeren Nasenöffnung dieses kleinsten lebenden Vertreters der Gürteltiere kann ich die Beschreibung Fırzıngers (3) (1871, pag. 384) als klassisch zitieren: »Die Nasenlöcher sind klein, rundlich, nach abwärts gerichtet, am Fig. 26. a Processus intrafenestralis Die gu einer knöchernen —— — = — A os. narialis Tube verschmolzenen Na- salia, Praemazillaria und Masillaria -— — —- Pars horizontalıs os. narialis Chlamydophorus truncatus Harlan. Vorderende des Schädels mit Os. nariale, rechte Seite. Vergr. 6:1. unteren Vorderrande der Nasenkuppel liegend und an ihrem Innen- rande mit sehr kurzen steifen Härchen und einem kleinen Höcker besetzt, durch welchen sie beinahe vollständig geschlossen werden können«. Dieser kleine Höcker enthält den Processus intrafenestralis unseres Stützknochens». IV. Bemerkungen über den Zwischenkiefer der Dasypodidae. Über den Zwischenkiefer der Gürteltiere, zu dem das Os nariale in enge Beziehungen tritt, sind hier einige allgemeine vergleichend anatomische Bemerkungen hinzuzufügen. Am Zwischenkiefer der Säugetiere sind jederseits vier palatinalwärts gerichtete Fortsätze zu unterscheiden, deren Bezeichnungen oft durcheinander geworfen werden, weil sie sich nur selten alle vier gleichzeitig ausgebildet finden. Schon BaLocn (1860) und GAupr (1905) haben darauf auf- merksam gemacht, daß der medialwärts vom Foramen ineisivum be- Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 451 findliche Fortsatz des Zwischenkiefers völlig von dem lateralwärts gerichteten zu scheiden ist. Aber gerade mit dieser Bezeichnungs- weise GAupps, daß der erstere: »Processus palatinus medialis«, der letztere: »Processus palatinus lateralis« genannt wird, beginnen die Schwierigkeiten, weil andere Autoren diese Bezeichnungen für ganz etwas anderes gebraucht haben. BAaLocH (1860 p. 280) nennt den lateralen »Oberkieferfortsatz«, den medialen »Gaumenfortsatz«, Be- griffe, die auch in anderer Beziehung Anwendung finden. Beim Menschen wird bekanntlich in einer großen Anzahl von Fällen der medial vom Foramen ineisivum gelegene Fortsatz gar nicht mehr ausgebildet; das heißt, daß die beiden Foramina ineisiva zu einem einzigen verschmelzen können. Höchstens zeigt dann noch ein feines Knochensplitterehen, welches dieses Foramen ineisivum teilt, an, daß dasselbe ursprünglich aus zwei symmetrischen Foramina entstanden ist. Dagegen pflegt der Embryologe als Processus palatinus medialis des Zwischenkiefers die mediale Hälfte des lateral vom Foramen ineisivum gelegenen Zwischenkieferfortsatzes zu bezeichnen, welche durch die Ineisura interineisiva von dem Processus palatinus lateralis der Embryologen getrennt wird. Ich folge der Bezeichnung der Embryologen, nenne dagegen den medial vom Foramen ineisivum gelegenen Fortsatz Processus praevomeralis. Diese Benennung wird noch zu begründen sein. Bekanntlich ist die auffallende Bildung einer Inceisura interineisiva beim Menschen der Anlaß zu einer langen Reihe von Untersuchungen und zu einer heftigen Kontroverse ge- wesen, ob der Zwischenkiefer des Menschen aus zwei verschiedenen Knochenkernen jederseits entsteht oder nicht. Ich sehe zunächst davon ab, daß zur embryologischen Anlage eines seiner phylogene- tischen Entwicklung nach einheitlichen Knochens trotzdem mehrere Knochenkerne verwandt werden könnten, die frtihzeitig verschmelzen, anstatt eines einzigen Verknöcherungspunktes, ohne daß daraus die Berechtigung zu Schlußfolgerungen auf eine Genese auch aus meh- reren Knochenstücken im Laufe der phylogenetischen Entwicklung gezogen werden kann (individuelle Variabilität beim Embryo). Auch ohne dies ist es nach zahlreichen Untersuchungen, 1919 wieder durch Feuer, als feststehend zu betrachten, daß beim Menschen der Zwischen- kiefer jederseits lateral vom Foramen ductus ineisivi Stenonis —= F. ineisivum aus einem einzigen Stück angelegt wird. Dieser einheit- liche Knochenkern sendet kaudalwärts zwei horizontale Fortsätze aus, von denen der mediale früher auftritt als der laterale, und die in kaudaler Richtung schneller wachsen als in sagittaler Richtung, also 452 Richard N. Wegner daher häufig Anlaß zur Bildung einer nahtförmigen Incisura, nicht Sutura interineisiva geben. Diese Ineisura interineisiva entspricht der Fissura palatina bei manchen Ungulaten. Dagegen kommt beim Menschen und bei vielen Primaten mit Ausnahme der Prosimier der beiderseits zwischen den Foramina incisiva gelegene Fortsatz, den ich der besseren Unterscheidung wegen Processus praevomeralis = Processus stenonianus nannte, kaum mehr zur Ausbildung. Von größter Wichtigkeit ist die Angabe von FAawcerri, daß dieser Processus praevomeralis beim Menschen als selbständiger Knochenkern im Bindegewebe zwischen den Praechordalkapseln in der Region der Ductus stenoniani entsteht. Darin stimmt er mit den paarigen Praevomeres der Reptilien aufs beste überein. Embryologisch kann also nachgewiesen werden, daß der Zwischenkiefer der Säuge- tiere normalerweise doch aus zwei Knochenkernen beiderseits ent- stehen kann, die aber nicht durch eine Sutura interineisiva, sondern je durch einen der Stenonschen Gänge voneinander getrennt sind. Andererseits konnte durch vergleichend anatomische Betrachtungen es ebenfalls sehr wahrscheinlich gemacht werden, daß der Zwischen- kiefer auch phylogenetisch aus zwei verschiedenen Knochen entsteht, welche bei den theromorphen Reptilien getrennt angelegt werden. Die beiden Teile sind eben die getrennt angelegten Praevomeres und die eigentlichen Praemaxillaria. Mit den Praevomeres niederer Wirbel- tierformen ist, wie ich nochmals betonen möchte, nur der winzige Knochendorn zu vergleichen, welcher bei den Primaten die Foramina ineisiva trennt, keineswegs aber einer der palatinalen Zwischenkiefer- fortsätze, deren durch eine Sutura interineisiva in zwei Teile ge- trennte Anlage heute embryologischerseits abgelehnt wird. Damit ist die Bezeichnung des medial vom Foramen incisivum gelegenen Fort- satzes als: Processus praevomeralis (= Processus palatinus medialis partim — Processus stenonianus) als eine präzisere Benennung be- gründet. Die beiden von der Incisura interineisiva getrennten und lateral von dem ersteren gelegenen Fortsätze unterscheide ich ebenso wie die Embryologen als Processus palatinus medialis und Processus. palatinus lateralis. An der lateralen Kante des letzteren horizontalen Fortsatzes erhebt sich der vertikale Processus extranasalis zur seit- ı Ein sonst so sorgfältiger Untersucher wie FELBER (1919) hat an derselben Stelle wie FAwcErTt keinen besonderen Knochenkern gesehen; aber derartig abortive Bildungen pflegen ja häufig der Gegenstand besonderer Variationen zu sein. Dagegen hat PETER (Verhandl. d. Anatom. Gesellsch. 1921) unter anderen einen solchen beobachtet. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 453 liehen Anlagerung an die Nasalia. Außerdem kommt an der me- dialen Kante des Zwischenkieferkörpers ein dorsalwärts gerichteter Fortsatz vor, welcher bei einer Reihe von Reptilien mit den Nasalia in Verbindung tritt. Er findet sich auch noch bei einzelnen Gliedern einer Säugetiergruppe und zwar bei den Edentata ausgebildet. Bei den Dasypodiden finde ich einen kleinen Fortsatz, der sich um den Processus praevomeralis herumbiegt, denselben umklammernd, und noch eine weitere Spitze dorsalwärts emporsendet. Er kann nicht anders als ein zurückgebildeter Rest des bei den theromorphen Reptilien vorkommenden Processus praenasalis gedeutet werden (Fig. 21 und 27). Nur bei Ornithorhynchus unter den primitiven Mammalia wird der Processus praevomeralis als besonderer Knochen gefunden. Broom (1896) hat zuerst die Bezeichnung Prae-vomer für dies beim Schnabeltier zwischen den beiden Canales ineisivi liegende besondere Knochenstück gewählt, das aus der Verschmelzung zweier, beider- seits symmetrisch angelegter Knochen hervorgeht. vAN BEMMELEN (1901) ist ihm in dieser Bezeichnung gefolgt. Broom (1902 u. 1903) hat gleichfalls als erster den Nachweis zu führen versucht, daß dieser Praevomer einem Knochenpaar entspricht, das bei den Reptilien paarig bleibt, und hier von ihm die Bezeichnung Praevomeres gefunden hat. Die den eigentlichen Vomeres der Säugetiere homologen Gebilde sind nach Broom dagegen bei den Reptilien in den sogenannten Para- sphenoidalia HuxLeys zu suchen. Die Ansicht, daß das Parasphenoid der Batrachier dem Vomer der Säugetiere entspräche, ist schon von BLAanD-Surron! im Jahre 1884 ausgesprochen worden. Ist diese Be- hauptung richtig, und ich möchte mich ihr anschließen, so können die zwischen den Foramina ineisiva gelegenen Fortsätze der Zwischenkiefer der Säugetiere nur den Praevomeres der Reptilien entsprechen, was meines Erachtens zweckmäßig durch den Ausdruck Processus prae- vomerales festgelegt wird. Aser (1919, pag. 432, Anm. 1) nimmt in einer Anmerkung seines neuerlichen Lehrbuches eine Gleichstellung der Praevomeres der Reptilien mit den Vomeres der Säugetiere an, da angeblich bei Didelphis ein Rudiment des Parasphenoids nachgewiesen werden konnte. Vermutlich bezieht sich ABEL dabei auf eine Entdeckung von Fucas (1908, pag. 584), der ein rudimentäres Knochenstäbehen bei Didelphys-Embryonen beschreibt und auf Grund dieses Fundes i Surrons Praepalatinum und der Processus praevomeralis ossis prae- maxillaris sind jedoch nicht miteinander identisch. 454 Richard N. Wegner eine Homologisierung des Reptilien-Parasphenoids mit dem Säugetier- vomer entschieden ablehnt. Watson (1916, pag. 358) hält es da- gegen für nicht unwahrscheinlich, daß der von Fuchs als Parasphenoid bestimmte embryonale Deckknochen bei Didelphis nur ein besonderer Teil der Vomeranlage sei. Der wichtigste Einwurf gegen die SUTTON- Broousche Hypothese bleibt, daß es noch nicht gelungen ist, auch eine paarige Anlage des Parasphenoids bei primitiven fossilen Rep- tilien oder Amphibien nachzuweisen. Gerade hier dürfen wichtige Auf- klärungen von der rasch fortschreitenden Palaeontologie in Bälde er- wartet werden. Es sei noch darauf hingewiesen, daß nach WATSON bei den Cynognathiden der in Frage kommende Knochen in seinem vorderen Ende genau mit dem Vomer der Säugetiere übereinstimmt, sich mit seinem hinteren Ende aber mit dem Basisphenoid verbindet und genau die gleichen Beziehungen wie das unzweifelhafte Parasphenoid der niederen T’herapsida aufweist. Ganz abgesehen von der fraglichen Hypothese der Homologisierung des Reptilien-Parasphenoids mit dem Säugetiervomer lassen sich für die Annahme, daß wenigstens Teile des Reptilienvomers im Säugetierpraemaxillare enthalten sind, so viele Wahrscheinlichkeitsgründe erbringen, daß wenigstens die letztere als Arbeitshypothese verwandt werden darf. Eine der wichtigsten Stützen für dieselbe ist das Verhalten des Jacobsonschen Organs zu den in Frage kommenden Knochen. Das Jacobsonsche Organ kommt bei den Reptilien zum größten Teil in eine Ausbuchtung am vor- deren Ende der Praevomeres zu liegen, wo sich höchstens das Nariale noch an seiner Einkapselung beteiligt. Bei den Säugetieren steht das Jacobsonsche Organ nur zu dem Processus praevomeralis des Zwischenkiefers in Beziehungen. — Nach HERzFELD (1889, pag. 10) bildet der Zwischenkiefer bei den Nagetieren eine fast oder ganz vollständig knöcherne Röhre um das Jacobsonsche Organ. Bei der Ratte z. B. wird diese Röhre aus einem lateralen und einem medialen dünnen Knochenplättehen am Vorderende des Processus praevomeralis des Zwischenkiefers gebildet, welche sich von der oberen Fläche des Zwischenkiefers erheben und oben einen freien Rand besitzen. — Bei Reptilien, wo das Jacobsonsche Organ groß, der Nasenvorhofs- schlauch (s. Kap. VI) lang ist, sind die Praevomeres lang kaudal- wärts gestreckt. Bei der verkürzten Säugetierschnauze kommt der praevomerale Teil ganz nach vorn zwischen die Gaumenfortsätze des Zwischenkiefers zu liegen. Niemals hat das Jacobsonsche Organ meines Wissens etwas mit dem Vomer der Säugetiere zu tun. Keinerlei Wahrscheinlichkeitsgründe lassen sich dafür geltend machen, Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 455 daß ein Organ, wie das Jacobsonsche im Laufe der phylogenetischen Entwicklung von einem Knochen auf den andern übergewandert sei, was der Fall sein müßte, wenn die sogenannten Vomeres — Prae- vomeres der Reptilien nicht den Processus praevomerales der Säuge- tierpraemaxillaria homolog wären. Einen weiteren Fortsatz des Zwischenkiefers hat van BEMMELEN gleichfalls bei niederen Säugetieren und zwar von Echidna und Ornithorhynchus in einer Knochenspitze beschrieben, die sich vom lateralen Rande des Praemaxillare zwischen eine äußere und innere Lamelle des Oberkiefers vorschiebt und von ihm Processus accesso- rius benannt wurde. Reste dieses bei den Momotremen besonders gut ausgeprägten Processus accessorius lassen sich bei verschiedenen Säugetierfamilien nachweisen. Ich glaube, ihn besonders deutlich bei den ja ziemlieh niedrig stehenden Xenarthra wieder zu sehen. Nachstehend bilde ich den linken Zwischenkiefer eines rezenten Riesengürteltiers (Priodontes giganteus E. GEOFFREY, Fig. 27) ab, Fig. 27. Sustentaculum "> „.ı Spina nasalis anterior ...- Foramen incisivum Processus extranasalis .-----.- """7>e=- Pars praevomeralis . Processus praenasalis »-------- Suleus nasolacrimalis .------- IN -------- Processus palatinus medialis Processus accessorius N En Processus palatinus lateralis Priodontes giganteus E. Geofiroy. Surinam. Linkes Os praemaxillare. Vergr. 1,5:1. welcher sämtliche der beim Zwischenkiefer in Betracht kommenden Fortsätze zugleich aufweist und sich deshalb zur Demonstration der- selben eignet. Eine atypische Abweichungen bringende Modifizierung des Zwischenkiefers könnte bei Priodontes nur darin gesehen werden, daß derselbe zahnlos ist. Obendrein erscheint der Zwischenkiefer zu einer Platte ausgewalzt, an welcher die einzelnen Fortsätze in enger Verbindung aneinander liegen. Im übrigen ist es bemerkenswert, daß bei den Säugetieren ge- rade solche Formen altertümliche Zustände im Bau des Zwischen- kiefers bewahrt zu haben scheinen, welche frühzeitig in ihrer stammes- geschichtlichen Entwicklung die Schneidezähne verloren haben. 456 Richard N. Wegner Beim rezenten Riesengürteltier bildet also der Zwischenkiefer eine breite Platte, in deren vorderem Teil das Foramen ineisivum liegt. Medial von diesem liegt ein ziemlich langer spitz zulaufender Knochenfortsatz, Pars oder Processus praevomeralis. Er wird nach hinten zu von der Gaumenplatte des Zwischenkiefers nach oben abgedrängt. Der hintere Rand des Foramen ineisivum wird nicht von ihm, sondern vom Processus palatinus medialis gebildet, welcher hinter dem Forämen ineisivum mit dem der Gegenseite zusammen- stößt. Auf der Ventralseite des Zwischenkiefers ist der dem Pro- cessus palatinus medialis angehörende Teil nur dadurch von dem Processus palatinus lateralis zu unterscheiden, daß er nicht so weit kaudalwärts reicht wie der laterale, und an dieser Stelle die Sutura transversa, welche den Zwischenkiefer vom Oberkiefer trennt, stark nach vorn gezogen wird. Auf der dorsalen Seite sind die beiden Fortsätze um so besser zu trennen. Der Processus palatinus medialis ist hier viel dicker als der laterale und wird ziemlich weit nach vorn zu von einem langen oralwärts gerichteten Knochenfortsatz des Ober- kiefers überlagert. Die Anlagerungsstelle des Oberkiefers ist durch eine rauhe Oberfläche des Processus palatinus medialis ossis prae- maxillaris auf seiner Dorsalseite gekennzeichnet. Nach vorn zu ent- wickelt der Processus medialis einen weiteren, nicht immer gleich- mäßig stark ausgebildeten, zuweilen auch fehlenden Fortsatz, welcher den Processus praevomeralis auf seiner lateralen Seite umgreift und nach oben zu noch in eine aufwärts strebende Spitze verlängert sein kann. Letzteren Fortsatz kann ich nicht anders als als den Rest eines zurückgebildeten Processus praenasalis deuten, wie er bei Siegoce- phalen und Reptilien vorkommt und wie ihn z. B. die Abbildung von Mieropholis (Fig. 32) und Sphenacodon (Fig. 36) unter anderen erkennen lassen. Bestärkt werde ich in dieser Ansicht dadurch, daß nach SEYDEL (1899), Wırson (1901) und GAaupp (1905, pag. 277, Fig. 2) zwischen den Alarknorpeln einer jungen Echidna ein aus besonderen Fortsätzen entstandener Knochenkern vorkommt, Os carunculae, der als die verschmolzenen Processus praenasales gedeutet wird. BROoM hat im Jugendzustande auch beim Känguruh (Macropus) einen rudimentären Processus praenasalis gesehen. Bei einer anderenGruppe der Familie der Zdentata, und zwar bei der Gattung Grypotherium aus der Familie der Riesenfaultiere ( Gravigrada), kommt eine bei Säugetieren in dieser Form ganz einzig dastehende Verbindung der Praemaxillaria mit den Nasalia, oder vielleicht auch wie bei recenten Faultieren vorhanden gewesener Praenasalia, zustande. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 457 Ich glaube aber nicht, daß diese Verbindung der Praemaxillaria mit den Nasalia beim Grypotherium (Fig. 28) nun ohne weiteres mit dem Processus praenasalis der Reptilien und den entsprechenden rudi- mentären Gebilden bei Monotremen-Embryonen, sowie rückgebildeten Praemasillare t@rypotherium Darwinii Reinhardt aus dem Pleistocän von La Plata. Knöcherne Umrandung der vorderen Nasenöffnung. 1!/» natürl. Größe, Nach Reinhardt 1879. Fortsätzen beim jugendlichen Känguruh und beim Riesengürteltier verglichen werden kann. Meines Erachtens handelt es sich bei @ry- potherium Darwin um eine sekundäre Neubildung. Bei einer Gruppe kleiner Formen der Unterfamilie Megalonichinae, die wir durch Scott aus dem Miozän von Santa Cruz kennen gelernt haben, zeigen Formen wie Hapalops (Fig. 29) eine mächtige Verlängerung der Spinae nasales anteriores. Diese wer- den in Gestalt rund- licher Stäbe weit nach vorn gezogen, um einer verlängerten Oberlippe zur Stütze zu dienen. Fig. 29. Mazxillare SI... Nasale Spina nasalis anterior os. praemazillaris Wir brauchen uns diese jHapalops elongatus Ameghino (Ord. t@ravigrada) aus dem langen Fortsätze nur Miocän von Santa Cruz (Patagonien). Schnauzenspitze. E . 1/, natürl. Größe. Nach Scott (1904). ein wenig nach außen gezogen und nach oben gekrümmt zu denken, so daß dieselben einen Anschluß an das Os nasale finden können, um einen bequemen Über- gang zu der sonderbaren Bildung bei Grypotherium Darwiniüi zu er- halten. In der Tat ist hier der Processus superior spinae nasalis anterioris durch ein weites Foramen von der Nasenhöhle und der Nasenscheidewand getrennt. 458 Richard N. Wegner Der Processus palatinus lateralis ossis praemaxillaris beim Riesen- gürteltier weist auf seiner dorsalen Fläche ziemlich in der Mitte eine Rinne auf, die von einer Knochenlamelle, der T-förmigen Ursprungs- lamelle des Maxilloturbinale zum Canalis nasolacrimalis geschlossen wird. Diesen Suleus nasolacrimalis zur Einlagerung für den häutigen Ductus nasolacrimalis habe ich, oft nur zart angedeutet, wie bei Xenurus gymnurus, auch bei anderen Gürteltieren gefunden, niemals aber einen geschlossenen Kanal, in dem der Tränennasengang den Zwischenkiefer durchzöge. Stets ist das Maxilloturbinale, und zwar meist unter Bildung des größeren Teiles der Kanalwand, an seiner knöchernen Einfassung beteiligt. Bei Priodontes zeigt der Suleus nasolacrimalis etwas aufgewulstete Ränder, die vorn in zwei Höcker- chen enden. Der laterale Rand des Zwischenkiefers ist nach oben umgebogen und endigt im Processus extranasalis, welcher mit den Nasalia in breite Verbindung tritt. Nach hinten zu spaltet sich vom lateralen Rand eine äußere Knochenlamelle ab, welche erst bei der Isolierung des Knochens aus seinem Zusammenhang mit dem Ober- kiefer zum Vorschein kommt. Sie ist mit dem Processus accessorius am Zwischenkiefer der Monotremen zu vergleichen. Dieser findet sich nicht nur bei Priodontes, sondern auch bei anderen Gürteltiergattungen, z. B. Xenurus. Der Vorderrand des Zwischenkiefers zeigt eine median gelegene Spina nasalis anterior und einen medialwärts davon ge- legenen hakenförmigen Vorsprung, den ich als Sustentaculum be- zeichnet habe, weil er einem Fortsatz des Os nariale zur Stütze dient. Seine Ausbildung bei den einzelnen Gürteltiergattungen wurde bereits jeweilig bei Beschreibung des Os nariale ausführlich gegeben. Gaurr (1905, pag. 289) stellt die Theorie auf, daß die Processus extranasales des Zwischenkiefers ganz allgemein bei den Säugetieren aus dem Os nariale entstanden sein könnten, weil der sogenannte Processus extranasalis des Praemaxillare bei den Monotremen als besonderer Knochenkern angelegt werde und nach ihm mit dem Os nariale (= Septomaxillare PARKER) der Reptilien vergleichbar sei. Diese Theorie ist, soweit es sich um ihre Ausdehnung auf alle Non- Monotremata handelt, schon durch Fuchs (7) (1911, pag. 55) dadurch widerlegt worden, daß er das Os nariale als selbständigen Knochen bei einem Gürteltier nachwies, der bei dieser Familie gar nichts mit dem Processus extranasalis des Praemaxillare zu tun hat. Das durch spezielle Anpassungen stark veränderte knöcherne Nasengerüst der Monotremen ist gar nicht ohne weiteres mit dem der höheren Säugetiere zu vergleichen. Ein richtiger Processus Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 459 extranasalis des Praemaxillare kommt bei den Monotremen gar nicht vor. Die das Nasenloch umgrenzenden Knochen vereinigen sich durch einen weitgehenden Verschmelzungsprozeß. Unter ihnen findet sich auch das Os nariale, das besonders frühzeitig mit dem Praemaxillare verschmilzt, embryonal stets aber als besonderer Knochen angelegt wird. Bei Echidna beteiligt sich das in Frage kommende Knochen- stück auch an der oberen Umrandung der knöchernen Nasenhöhle. Mitunter kann es sogar noch bei erwachsenen Tieren als besonderer Knochenteil kenntlich sein. Auch bei Ornzthorhynchus (Fig.39 B) läßt sich nachweisen, daß das Gesichtsknochenstück, das man bei ihm als Praemaxillare bezeichnet hat, aus zwei ganz verschiedenen Knochenelementen besteht: dem eigentlichen Praemaxillare, hier auch Praemaxillare ventrale genannt, und einem zweiten, früher als Praemaxillare dorsale bezeichneten Knochen, der ursprünglich mit dem Praemaxillare gar nichts zu tun hat, beim jungen Tier noch von diesem getrennt ist und erst später infolge der eigenartigen Spezialisation des Ornithorhynchus schnabels mit dem Praemaxillare verschmilzt. Wie ich in einem anderen Ka- pitel nachgewiesen (siehe Fig. 39B) habe, handelt es sich bei diesem Knochenstück um ein Spezialisationsprodukt, das aus einer einseitigen Entwicklung der Pars facialis des Os nariale bei den T’heröodontiern hervorgegangen ist. Das Erhaltenbleiben des Os nariale bei den Monotremen läßt sich in einfacher Weise von den Zuständen bei manchen Formen unter den Theromorphen herleiten. Diese nahen Beziehungen zwischen Monotremen und manchen säugetierähnlichen Reptilienformen Südafrikas hatte, soweit sie das Os nariale betreffen, Fucu#s noch nicht erkannt, sie sind insbesondere durch Warson (1916) aufgedeckt worden. Gaupp hat also insofern durchaus Recht, als das Os nariale an sich im Knochengerüst des Monotremenschädels tatsächlich enthalten ist. Nur die Verallgemeinerung dieser Fest- stellung für den Bau des Zwischenkiefers aller Säugetiere war ein . voreiliger Fehlschluß. Allerdings hat GAupp (1906, Verhandl. d. Anatom. Gesellsch., p: 58/59) selber sich prophetisch schon dahin geäußert: »sofern sich nicht etwa herausstellen sollte — was nicht ganz unmöglich wäre — daß die bisher als identisch angesehenen Extranasalfortsätze des Zwischenkiefers der Monotremen und der übrigen Sänger verschiedene Gebilde sind«. Diese genetische Verschiedenheit der Processus extra- nasales liegt für die Monotremata, wo sie beim erwachsenen Tier 460 Richard N. Wegner aus dem zu einem Stück verschmolzenen Nariale und Praemaxillare bestehen, und den Xenarthra, wo diese beiden Knochen getrennt nebeneinander vorkommen, klar vor Augen. V. Das Os nariale bei fossilen Gürteltieren. Vorläufig ist das Os nariale noch bei keinem fossilen Gürteltier bekannt. Nachdem ich es aber bei allen rezenten Gürteltierformen als stets vorhanden nachgewiesen habe, ist sein tatsächlicher Nach- weis bei den fossilen Formen der Dasypodidae nur noch von glück- lichen Fundumständen abhängig. Betrachten wir die ScorTtschen Abbildungen (Scott, 1904) der Dasypodidae aus den miozänen Santa- Cruz-Schichten, so finden wir, beim Stegotherium und Proeutatus ein Nasale Fig. 30. p/ bb | I | ID | | | — ==j E x Ba [7 Die Apertura piriformis von Glyptodon mit Rekonstruktion des vermuteten Os nariale (punktiert) von vorn. ?/s natürl. Größe. _ * Vomer -_ Nasenloch (Naris) "—-A— Praemazillare - Im ul] ) ji deutlich ausgebildetes Sustentaculum am Os praemaxillare, auf dem sicher ein Os nariale gesessen hat. Auch bei Proxaedius kann nach der ganzen Konfiguration der Randpartie des Praemaxillare der Schluß auf ein vorhanden gewesenes Os nariale gezogen werden, doch ist diese Behauptung für Proza@dius nicht mehr so sicher aufzustellen. Sehr interessant ist die Untersuchung der Nasenrandpartie am Schädel der eigentümlich spezialisierten Familie der Riesengürteltiere (Glyptodontidae). Der Schädel weist bei gedrungener Kürze eine sehr große und weite Nasenöffnung auf. Am unteren Rande des Nasen- loches auf der Dorsalfläche des Praemaxillare findet sich zwar kein Sustentaculum, aber z. B. bei @lyptodon eine deutliche Rauhigkeit, welche einer festen Randverbindung zu einem Os nariale gedient haben mag. Das Vorkommen eines Os nariale zum Schutz und weitgehenden Verschluß des geräumigen Naseninnenraums bei @lyp- todon ist um so wahrscheinlicher, da uns BURMEISTER eine sehr Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 461 komplizierte Architektonik desselben gezeigt hat. Sogar das Maxillo- turbinale ist weit nach vorn gezogen mit einem Vorsprung, wie ihn eine Membrana nari-maxilloturbinalis zum Ansatz verlangte. Darnach müßte das vermißte Os nariale einen schmalen, ziemlich steil auf- wärts gerichteten Processus intrafenestralis besessen haben. Nach diesen dürftigen Anhaltspunkten habe ich die ungefähre Gestalt des Os nariale bei Glyptodon zu rekonstruieren versucht (Fig. 30). VI. Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Os nariale bei den Non-Mammalia', Unser Wissen über die vergleichende Anatomie des Os nariale bei den Non-Mammalia ist wesentlich erst durch GAupp (1905) ge- fördert worden, ohne daß die Entwicklung dieses Knochens schon damals völlig klargestellt werden konnte. Er gibt eine kritische Be- trachtung der wichtigsten Literatur, soweit das Os nariale damals bei Wirbeltieren bekannt war. Wie unklar die Vorstellungen vor ihm über diesen Knochen waren, das ist aus dem Kapitel II über die Nomenklatur zu ersehen. Wenig Berücksichtigung fand jedoch durch GAaupPp die stets wachsende Zahl fossiler Amphibien- und Rep- tilien-Formen, bei denen das Os nariale beschrieben wurde, deren Studium wertvolle Beiträge für das Verständnis der phylogenetischen Entwicklung dieses Knochens zu erbringen vermag. Namentlich die Kenntnis des Os nariale bei den frühen Therocephalia liefert einen wichtigen Schlüssel für das- Verständnis dieses Knochens. Diese Formen werden daher für eine vergleichend-anatomische Betrachtung besonders heranzuziehen sein. Nicht erkannt war bisher die eigent- liche funktionelle Bedeutung des Os nariale, die dieser Knochen im wesentlichen im Verlauf seiner Entwicklung durch die ganze Wirbel- tierreihe beibehielt. GaupP geht von der Vorstellung aus, daß das Os nariale ur- sprünglich ein Deckknochen am lateralen Umfang der Nasenkapsel ı Die elementaren Grundlagen für eine vergleichend-anatomische Betrach- tung des Os nariale bei den Non-Mammalia lassen sich zunächst durch ein Stu- dium der Abbildungen in BrRüHLs Atlas der Zootomie aller Tierklassen erwerben, in dem auf Tafel 53, 54 und 140—151 das Os nariale (bei BrRüHhL Turbinale) verschiedener rezenter Reptilien, zwar nicht in künstlerischer Vollendung, aber mit genaueren Legenden als in anderen Darstellungen abgebildet werden. Auf Tafel 152—155 finden wir den gleichen Knochen auch noch bei Schlangen dar- gestellt. Morpholog. Jahrbuch. 51. 31 462 Richard N. Wegner war. Nach ihm wäre also ein Zustand, wie er sich bei manchen Urodelen findet, der primitive. Einer ähnlichen Auffassung begegnen wir bei Fucas (1911, pag. 42). Bei den primitiven embolomeren Labyrinthodontia ist das Os nariale aber ein ganz oberflächlich am Boden des Nasenloches liegender, horizontaler Knochen, z. B. bei Eryops, der nur nach unten zu das Nasenloch begrenzt (Fig. 31). Bei den Fischen finden wir bei Amia, dessen primitiver Charakter durch den Bau eines sich zeitlebens erhaltenden knorpeligen Primor- dialkraniums offenbar ist, ein ähnliches Gebilde: Nämlich eine ein- fache horizontale Knochenplatte am unteren Rande des Nasenloches auf der ethmoidalen Knorpelplatte liegend (Fig. 40). . GAupPp und FucHs gegenüber sehe ich als den ursprünglichsten Zustand des Os nariale die Form einer flachen, horizontalen Platte Fig. 31. Processus intrafenestralis-_.__ Os narsalıs., EN ESS \ AA | A MN Pars horizontalis.-- „#777 7" ur os. narialis y ' +Eryops megacephalus Cope (UOr. + Temnospondyli, Or. Stegocephali) aus dem Perm von Texas. Schnauzenspitze. !/ natürl. Größe, von oben gesehen, nach v. Huene 1913, mit eigenen Bezeich- nungen. am Boden des Nasenloches an. Diese horizontale Platte zeigt aber bald und schon bei sehr primitiven Formen eine Aufkrümmung an der lateralen Kante. Aus der Aufkrümmung entsteht bei manchen Formen ein vertikaler oder schräg nach oben gerichteter (mediokliver) Fortsatz. Bei den Urodelen und Apoden aber bildet sich aus dieser Aufkrümmung eine vertikale Knochenplatte am lateralen Umfang der Nasenkapsel, während der ursprünglichere horizontale Teil zu einem schmalen Leistehen am unteren Rande des jetzt vorherrschenden verti- kalen Teils des Nariale reduziert wird. Trotzdem aber bleibt der horizontale Teil noch unverkennbar erhalten, wie z. B. bei Ichthyophis glutinosa (SARASIN, P. u. F. 1887—1890, Bd. 2, S. 156, Fig, 2) (TafelXV, Fig. 2 und Textfig. 40). Das Nariale bleibt bei dieser Forn vom Maxil- lare durch eine von Bindegewebe erfüllte Lücke getrennt. Nach GAUPP Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 463 besteht das Nariale bei den Anuren, wo es Ducis 1834 beim Frosch entdeckt hatte, aus einem kleinen Stiel, der sich frei in das Nasen- fenster hinein erstreckt (Processus intrafenestralis mihi — Pars extra- nasalis GAUPP). Er entspringt einer kleinen horizontalen Platte (Fig.41), welche innerhalb der Nasenhöhle zu liegen kommt (Pars horizontalis mihi — Pars intranasalis GAupPr). Dieser kleine horizontale Teil kann sich aber bei Rana nicht auf einen palatinalen Teil des Praemaxillare stützen, er lehnt sich nach Gaurp an eine Knorpelleiste an, die mit dem vorderen Kuppenknorpel der Nase sowie mit dem Septum nasi zusammenhänge. Bei manchen Reptilien — bei denen die Pars hori- zontalis stets einen Hauptbestandteil des Knochens bildet — habe eine immer weiter gehende Ausbildung der horizontalen Knochen- platte in medialer Richtung unter gleichzeitiger Rückbildung der dem Septum anliegenden Knorpelleiste stattgefunden. Infolgedessen reiche die Pars horizontalis des Nariale immer näher an das Nasenseptum heran, bis sie bei manchen Sauriern mit demselben in Verbindung trete. Zugleich fände eine Anlagerung an die Knorpelschüssel des Jacobsonschen Organs statt. Damit hat GAuPpP nur die einseitige Weiterentwicklung erklärt, welche die Pars horizontalis bei den Sauriern, insbesondere infolge mehr oder minder weitgehender Beteiligung an der Bildung eines Daches für das Jacobsonsche Wassergeruchsorgan erfahren hat. Diese Entwicklung führte oft auch zur Entstehung eines Pro- cessus medialis posterior des Os nariale, wie z. B. bei Varanus, während sich bei den Amphibien die Differenzierungsvorgänge am Processus lateralis abspielen. Auch trifft die GAuppsche Schilderung des Entwicklungsvorganges nur bei den Lacertiliern und Varanidae zu, bei anderen, z. B. vielen fossilen Formen, und unter den rezenten, z. B. bei Trachysaurus unter den Scincidae bleibt das Nariale ein kleines horizontales Plättchen am Boden der knöchernen Nasen- öffnung, das sich am Aufbau der Nasenscheidewand nicht beteiligt und sich auf das Praemaxillare und Maxillare stützt. Zu verfolgen wäre aber noch das Schicksal und die Bedeutung des Processus intrafenestralis ossis narialis, der vielfach mit seiner lateralen Kante verschmolzen ist oder ihr entwächst. In ihm sehe ich einen wichtigen Träger der besonderen funktionellen Bedeutung dieses Knochens. Er engt schon in seiner primitivsten Ausbildung das Nasenfenster bei den Anuren ein. Bei manchen Sauriern erfährt er eine Umbildung im Zusammenhang mit der Ausbildung eines ver- schieden langen und abgeknickten, häutigen Nasenvorhofsschlauches. 31* 464 Richard N. Wegner Zunächst weise ich daher auf die anatomischen Befunde hin, die ich, soweit mir Untersuchungsmaterial zur Verfügung stand, über die Gestalt dieses Nasenvorhofsschlauches bei einigen rezenten Rep- tilien erheben konnte. Das primitivste Verhalten in bezug auf das Os nariale zeigte unter den untersuchten Formen Trachysaurus rugosus. Primitiv erscheint mir dieser Zustand, weil er der Form, die ich für die Ausgangsform bei der Umbildung des Os nariale halte, noch sehr nahe steht. Das winzige Os nariale besteht hier, wie schon erwähnt, aus einem kleinen horizontalen, nur ein wenig gebogenem Knochen- plättehen. Am lateralen Rande trägt es (Tafel XV, Fig. 8) einen kurzen, breiten Stiel (Pedunculus), der etwas schräg gestellt ist und zwei Fort- sätze besitzt, einen hinteren laterokliv gerichteten (Pars facialis) und einen vorderen mediokliven (Processus intrafenestralis). Diese Form des Nariale läßt sich leicht mit der Gestaltung desselben bei Miero- pholis (U. Or. Temnospondyli, Or. Stegocephali), sowie Varanosaurus, | Fig. 32. RR _- -Praefrontale 0S. ” = Processus praenasalis praemazillaris Processus extranasalis _ Processus intrafenestralis.- - " os. narialis - Pars horigontalis” +Micropholis Stowi Huxley (UOr. + Temnospondyli, Or. Stegocephali) Trias Kapkolonie. Seitenansicht mal vergrößert nach Watson 1913, mit eigenen Bezeichnungen. (Die punktierten Linien zeigen den Verlauf des Ductus nasolacrimalis an.) Dimetrodon und Sphenacodon (U. Or. Pelycosauria, Or. Theromorpha) verknüpfen. Betrachten wir jetzt beim rezenten Trrachysaurus am mit Haut bedeckten Kopfe die äußere Nasenöffnung (Apertura nasalis externa), so öffnet sich dieselbe nicht nach vorn, sondern quer nach der Seite. Nach Abtragung der Dorsalhaut sehen wir, daß der Nasenvorhofs- schlauch — womit ich den häutigen Kanal von der Nasenöffnung am knöchernen mazerierten Schädel (Apertura nasalis ossea) bis zur Öf- nung in der äußeren Haut (Apertura nasalis externa) bezeichne — in der Höhe des Os nariale eine fast rechtwinklige Knickung erfährt. An der Einknickungsstelle ist der Nasenvorhofsschlauch überdies be- trächtlich eingeengt. Eröffnen wir nun (Tafel XV, Fig. 9 u. Textfig. 33) den Nasenvorhofsschlauch samt dem inneren Nasengang durch einen Horizontalschnitt, so wird folgende Gliederung im Inneren desselben erkennbar. An der Abknickungsstelle des queren äußeren Schenkels Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 465 vom sagittalen inneren Schenkel ist der Nasenvorhofsschlauch vom Boden aus und von der lateralen Seite her beträchtlich eingeengt. Hier springt das Os nariale in den Nasenschlauch vor, sein Processus intrafenestralis ist hier wie ein Sperrkeil in denselben vorgetrieben und engt die Fenestra narina zu einem feinen gewundenen Spalt ein, der nur einem dünnen Luftstrom und keinen gröberen Partikelchen den Durchtritt gestattet. Der innere niedrige Schenkel des Nasenvor- hofsschlauches ist an der Apertura nasalis ossea am Boden durch eine Fig. 33. Praemaeillare querer Schenkel „... Narina des Nasen- vorhofs- schlauches N er Apertura nasalis externa Burn Processus intrafenestralis sagittaler Schenkel os.narialis Zugang zur Choane Trachysauruis rugosus Gray, Die rechte Nasenhöhle und der Nasenvorhofsgang sind durch einen Horizontalschnitt eröffnet. Vergr. 2:1 scharfe Falte vom inneren Nasengang abgesetzt. Die eigentliche innere Nasenhaupthöhle ist bei Trachysaurus durch ihre Höhe und Breite ausgezeichnet. Ihr weiter Hohlraum wird größtenteils durch die kolbig aufgetriebene Concha eingenommen. Vorn fällt der Boden der Nasen- haupthöhle rasch zu einem feinen schrägen Schlitz ab, der durch die Choane zur Mundhöhle führt. Bei Trachysaurus ist der Nasenvorhofs- schlauch verhältnismäßig kurz, bei den Varanidae (Tafel XV, Fig. 5 und Fig. 15) ist er zu einem langen Schlauch ausgezogen, der zunächst nach vorn der Medianlinie zu (mediokliv) verläuft, um dann nach einer scharfen Knickung entlang der Nasenscheidewand, die vorn vom Pro- 466 Richard N. Wegner cessus praenasalis ossis praemaxillaris, hinten vom Nasale gebildet wird, zurückzulaufen. Der häutige Nasenvorhofsgang bei Varanus, der aus einer sehr festen bindegewebigen Membran besteht, ist also zu zwei aneinanderliegenden Schenkeln zusammengebogen. Am Anfang des lateralen Schenkels befindet sich die Apertura nasalis externa, am Ende des medialen Schenkels die Verbindung mit der weit von der Schnauzenspitze zurückliegenden, oberen knöchernen Umrandung der Nasenöffnaung, welche der Apertura piriformis bei den Säugetieren entspricht. Zwischen dem medialen und lateralen Schenkel des Nasenvorhofsschlauches klemmt sich hinten dicht vor dem Orbitale A723 FR, Os praemazillare Recessus anterior vestibuli nasi „A Os mazxillare - - Fenestra narind - Processus intrafenestralis » Recessus posterior inferior vestibuli nasi "> Membrana nari-conchalis " Choane “ Concha 5 \ \ /L I \F Augenhöhle Gehirnhöhle Varanus niloticus Laur. Der linke Nasenvorhofsschlauch und die Nasenhaupthöhle sind durch einen Horizontalschnitt eröffnet. Nartürl. Größe. der Processus lateralis posterior des Nariale, während der Scheitel der inneren Kurvatur des Nasenvorhofsganges am Vorderende des Nariale befestigt ist. Nach Eröffnung des in Tafel XV, Fig.5 dargestellten Nasenvorhofs- schlauches bei Varanus niloticus ergab sich folgendes Bild (Tafel XV, Fig. 6): Vor der Umknickungsstelle des Nasenvorhofsschlauches liegt eine Ausbuchtung'! des weiteren äußeren Schenkels des Nasenvorhofs- schlauches. Die Epithelauskleidung dieses äußeren Schenkels des Nasenvorhofsschlauches ist sehr derb und geht allmählich in die harte Verhornung der äußeren Haut über. An der Übergangsstelle des weiteren äußeren Schenkels in den schmäleren inneren Schenkel des 1 Gelegentlich fanden sich in derselben Sandkörnchen. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 467 Nasenvorhofsschlauches liegt die Fenestra narina (Fig. 34). An dieser Mündungsstelle in den äußeren Teil des Nasenvorhofs sind die Seiten- wände des Nasenvorhofsschlauches besonders eng aneinandergerückt. Vom Boden des Ganges erhebt sich der Processus intrafenestralis in Gestalt einer seitlich zusammengedrückten Spitze. Je mehr der Nasenvorhofsschlauch bei einzelnen Varanus-Arten in die Länge ge- zogen ist, um so mehr kann der Processus intrafenestralis zu einer Fig. 35. Maxillare ee Sr er Praemazillare FR Scheidewand zwischen den beiden-----4-4---- Schenkeln des Nasenvorhofs- schlauches eunnenee Processus praenasalis os. praemazil- laris Umbiegu ngsstelle des Nasenvorhofs------ - |. schlauches Fenestra narina ee Ampullenartige Erweiterung „.. Processus praenasalis os. praemazil- a laris ....„ Recessus posterior inferior vestibuli E: nasi wu ÜR ---- Stelle der Apertura nasalis ossea Apertura nasalis externa »--....__ Sonde zum inneren Divertikel der Concha a lisertibenidir -- Membrana nari-conchalis Concha ar Dre) 5 ">. Nasale Mazillare -----"7"T° me Concha Auge ..__ ine Frontale Orbitale anterius -""" ogzassanne" Praefrontale Waranus bengalensis Daud. Der linke Nasenvorhofsschlauch und die Nasenhaupthöhle sind durch einen Horizontalschnitt eröffnet. Vergr. 3:1. Crista intrafenestralis (Fig. 43) gestreckt sein. Im ganzen bleibt dieser schmale Grat ziemlich niedrig, und die Seitenwände selbst treten bis zu einem schmalen Spalt aneinander. Bei Varanus bengalensis (Tafel XV, Fig.15) ist der lange dünne Nasenvorhofsschlauch an der Knickungs- stelle so scharf eingebogen, daß nur ein feiner vertikaler Spalt für den Luftstrom bleibt, der keiner weiteren Verengerung durch einen Processus intrafenestralis bedarf. Der Fortsatz ist infolgedessen zur Rück- bildung gelangt. Die schmale, immer länger werdende Scheidewand 468 Richard N. Wegner zwischen den beiden Schenkeln des Nasenvorhofsschlauches findet ihren Ansatz an der lateralen Kante des Nariale. Endlich sind noch einige Recessus oder Divertikel des Nasenvorhofsschlauches zu erwähnen. Dicht hinter dem Processus intrafenestralis findet sich bei Varanus nilotieus (Tafel XV, Fig.6) ein Recessus posterior inferior vestibuli nasi, der zu einer hinteren weiten Ausbuchtung im Nariale führt. Diese Aushöhlung ist nach hinten zu nicht knöchern, sondern durch eine Membran abgeschlossen, welche Nariale und Concha ver-- bindet (Membrana nari-conchalis). Hinter dieser Membran liegt der Zugang zur Choane. — Bei Varanus bengalensis (Fig.35) ist der Nasen- vorhofsschlauch hinter der Verengerung in der Narina ampullenartig verbreitert, dann folgt eine abermalige Verengerung, die dann erst zu dem Recessus posterior inferior vestibuli nasi führt. Dieser Recessus steht noch durch eine Öffnung (in Tafel XV, Fig. 15 durch eine Sonde gekennzeichnet) mit einem Divertikulum in Verbindung, das die Concha von innen aushöhlt. Bei dem einzigen von mir untersuchten Exemplar von Varanus bengalensis war dieses Divertikulum von einer zähen eingedickten schleimigen Masse erfüllt. Nach Kenntnis des Nasenvorhofsschlauches bei diesen Reptilien- formen wird uns der oft komplizierte Bau der Oberfläche des Os nariale, der durch die jeweilige Form des Nasenvorhofsschlauches so stark beeinflußt wird, leicht verständlich. — Von der einfachen Form des Nariale bei Trachysaurus sind die komplizierten Formen wie z. B. bei den Lacertidae und Varanidae bequem herzuleiten. Je länger der Nasenvorhofsschlauch ausgezogen wird, desto geräumiger wird die Flächenausdehnung der Oberseite des Os nariale werden. Durch allmähliche Vergrößerung des Recessus posterior inferior vesti- buli nasi wird die hintere Kante des Nariale immer weitergehend ausgebuchtet und ausgehöhlt (siehe Tafel XV, Fig. 14). Nach sorg- fältigen Untersuchungen SIEBENROCKS (1894, pag. 237), dem ich bei Lacerta Simonyi weitgehend, jedoch mit einigen Namensänderungen folge, sowie nach eigenen Nachuntersuchungen, läßt sich zunächst über den speziellen Bau des Nariale bei dieser Lacerta-Art Folgendes bemerken. Bei Lacerta Simonyi besteht das Nariale aus einem mehrfach (Tafel XV, Fig. 11 und 12) gekrümmten horizontalen Knochenplättchen von ungefähr viereckiger Form (Pars horizontalis). Die obere Fläche der Pars horizontalis ist stark konvex und hinten in Halbkreisform durch den Recessus posterior inferior vestibuli nasi eingebuchtet, die untere Fläche hingegen entsprechend konkav. Die vordere und late- Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 469 rale Kante verbindet sich mit dem Maxillare. Die mediale Kante des Nariale stößt mit der gleichnamigen des anderen Nariale zu- sammen und bildet einen senkrecht emporragenden Kamm, welcher an die untere Fläche des Processus praenasalis des Praemaxillare reicht und teilweise zum Aufbau der Nasenscheidewand beiträgt. Die hintere freie Kante (Crista membranacea) steht mit der häutigen Nasenmuschel durch eine Schleimhautfalte in Verbindung, in einer Weise, die an die Verbindung des Nariale bei den Gürteltieren mit ihrem knöchernen Maxillo-turbinale erinnert. Aus dem vorderen lateralen Winkel der Pars horizontalis geht ein spitzer Stachel (Pro- cessus intrafenestralis) hervor, welcher vertikal in die Vorhöhle der Nase ragt. Die mediale Kante ist nach hinten in einen sehr langen, dünnen Fortsatz, Processus medialis posterior, ausgezogen. Die me- diale Kante wird an ihrer kammförmigen Erhebung in sagittaler Richtung noch von einem Nervenkanal durchbohrt. Bei Lacerta agilis (Tafel XV, Fig. 13) ist die Aushöhlung des Recessus posterior inferior vestibuli nasi noch kaum vorhanden, der Beginn desselben ist nur durch eine Leiste von der schräg abfallenden Hinterfläche abgesetzt. Der Processus medialis posterior bleibt kurz. Bei Uromastix (Tafel XV, Fig. 10) weicht das Os nariale wenig von der Form einer länglich viereckigen Horizontalplatte ab. Die Vorder- kante der Platte ist abgerundet, die hintere Kante ist breiter und wird bei manchen Uromastix-Arten als Crista membranacea nach der Concha zu in eine breite Spitze ausgezogen. Die Pars horizontalis ist nicht konvex aufgebogen, sondern durch eine Rinne konkav vertieft, da- durch springt der Processus intrafenestralis besonders stark in verti- kaler Richtung hervor. Infolge der Verkürzung des Uromastix- Kopfes ist der sagittale Schenkel des Nasenvorhofschlauches so ver- kürzt, daß der Processus intrafenestralis ganz an die laterale Hinterecke der Pars horizontalis des Nariale zu liegen kommt. Nur einen kurzen, stachelförmigen Processus intrafenestralis, welcher gleichfalls in der Verlängerung der lateralen Kante der Pars horizontalis liegt, aber nur wenig über den Rand der Fenestra narina hervorragt, besitzen nach SIEBENROCK Sttana ponticervana, Acanthosaura lamnidentata, Agama sanguinolenta. Bei solchen kurzköpfigen Formen, wie z. B. Uro- msatix hardwickei Gray und Agama bibroni A. Dum., ist außerdem die Knickung des kurzen Nasenvorhofsschlauches sehr scharf. Der äußere Schenkel desselben steigt bis zur schräg schlitzförmigen Apertura nasalis externa sogar noch etwas nach oben an. Im übrigen zeigt z. B. Uromastix hardwickei Gray eine reichliche Absonderung 470 Richard N. Wegner klebrigen Schleims aus dem Nasenvorhofsschlauch. Ich fand mehr- fach vor der äußeren Nasenöffnung einen Wall von durch diese klebrige Absonderung zusammengebackenen Sandkörnchen, wodurch die Wirkung der vom os nariale getragenen Abschlußvorrichtung im Nasenvorhofsschlauch noch verstärkt wird. Das kleine Os nariale bei Tachysaurus war durch festes Binde- gewebe nur an das Maxillare und Praemaxillare geheftet. Bei La- certa, und noch schärfer ausgeprägt bei Varanus, hat die mediale Kante Anschluß an die der Gegenseite gefunden. Ihre breite Ver- bindung bildet zur Stütze der medialen Wand des Nasenvorhof- schlauches einen langen Kamm, der sich in ausgedehnter Weise an der Bildung des Nasenseptums beteiligt (Tafel XV, Fig. 14). Die laterale Kante ist gleichfalls wie der hintere Rand durch den Re- cessus posterior inferior vestibuli nasi zu einer breiten gewölbten Fläche ausgebuchtet, die in eine entsprechende Aushöhlung des Maxillare eingreift, wobei die obere Kante des Maxillare noch in eine besondere Rinne des Nariale eingefalzt ist. Der kammartige, gebogene Processus intrafenestralis geht an seiner Basis in die late- rale Kante über. Durch die erwähnte Ausbuchtung des Os nariale durch den Recessus posterior inferior vestibuli nasi, der eine so weit- gehende Umgestaltung z. B. bei den Lacertidae und Varanidae her- vorruft, ist die bei primitiven Formen einheitliche Pars horizontalis zu zwei Lamellen aufgespalten worden, ein Vorgang, für den sich, wie erwähnt, bei Zacerta die erste Andeutung fand. Je länger der Nasenvorhofsschlauch wurde, desto geräumiger mußte die Flächen- ausdehnung der oberen Lamelle der Pars horizontalis werden, bis sekundär durch diesen Vorgang auch bei manchen Reptzkien-Formen das Wassergeruchsorgan (Organon Jacobsoni) mit vom Os nariale überdacht wurde. Zuletzt umgreift bei weiterer Ausdehnung des Recessus posterior inferior vestibuli nasi auch die untere Lamelle des Knochens teilweise den kugeligen Körper des Organon Jacob- soni. Zum größeren Teil wird das Jacogsonsche Organ jedoch von dem vorderen Ende des Praevomers umschlossen, das den Ausfüh- rungsgang desselben noch mit einem besonderen Knochenringe um- faßt. Bei Tupinambis (Tafel XV, Fig. 7) ist die Pars horizontalis des Nariale sehr stark gekrümmt. Die konkave Unterseite zeigt eine glatte, rundliche Ausbuchtung für das Jacogsonsche Organ mit abgesetzten Rändern zur Anlehnung an das Praemaxillare und zur Beteiligung an der Nasenscheidewand. Der dem queren Schenkel des Nasenvorhofs- schlauches angehörige Teil der konvexen Oberfläche liegt in einem Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 471 viel tieferen Niveau als der Buckel, über den der Nasenvorhofs- schlauch wie über eine hohe Schwelle in den inneren Gang führt. An der Grenze beider Teile des Nasenvorhofsschlauches sitzt der Processus intrafenestralis als ein feiner Dorn. Lateral von ihm, durch eine Einbuchtung getrennt, erstreckt sich noch ein fazialer Fortsatz nach außen. Bei Scincus zeigt das Os nariale ähnlich wie bei Trachysaurus fast die gleiche Ausbildung wie bei einigen fossilen Stegocephalen, der Processus intrafenestralis ragt sogar als langer Stachel hervor. Bei Varanus bengalensis glaube ich gezeigt zu haben, wie auch die hier vorhandene Rückbildung des Processus intrafenestralis mit einer Verschmälerung unter gleichzeitiger Verlängerung des Nasenvor- hofsschlauches in Beziehung gebracht werden kann. Sonst aber dient der Processus intrafenestralis ganz allgemein dazu, zwischen der äuße- ren Nasenöfinung, Apertura nasalis externa, und der knöchernen Nasen- öffnung, dort, wo sich bei den Säugetieren die vom Knorpel eingefaßte Fenestra narina befindet, eine besondere Verengerung zu schaffen. Er dient also dazu, zu verhindern, daß gröbere Elemente als die fein verteilten Geruchsstoffe bis zur zarten Nasenschleimhaut gelangen. Dies wird bei vielen Reptilien durch die vom Processus intrafenestralis verursachte Verengeruug des Nasenvorhofsganges, bei den Gürtel- tieren durch ein Hineinragen in die Fenestra narina und Stützung des Nasenflügelknorpels erreicht. Die Funktion dieses Knochens braucht natürlich nicht bei allen Formen, bei denen das Os nariale vorkommt, die gleiche zu sein. Trotzdem konnte aber die gleiche Funktion bis zu einem gewissen Grade für die Homologisierung dieses Knochens herangezogen werden. Bei den fossilen Stegocephalen ist der Processus intrafenestralis des Os nariale gut ausgebildet, und wir können nach dem vorhergehenden annehmen, daß auch schon bei diesen Formen eine Spezialisierung und Krümmung eines häutigen Nasenvorhofsschlauches bestanden hat. Bei den primitiven fossilen Pelycosauria, von denen neuerdings Wırriston (1918, Fig. 17) das Nariale bei Sphenacodon (Fig. 36) und sehr ähnlich Case (1907, Plate 17, Fig. 1 und Plate 19, Fig. 1) bei Dimetrodon gigas Cope darstellte, bildet das Nariale nur teilweise den Boden des Nasenganges. Eine sehr charakteristische zungen- förmige Pars horizontalis des Nariale ruht breit auf dem Praemaxillare; nach oben erhebt sich bei Dimetrodon ein breiter Stiel (Peduneulus), der einen hinteren Gesichtsfortsatz (Pars facialis) fast senkrecht nach oben zur Anlehnung an das Nasale entsendet, während der vordere 472 Richard N. Wegner Fortsatz, um den der Nasenvorhofsschlauch eine scharfe Knickung vollführen mußte, in das Nasenloch hineingebogen ist. Dieser als kräftiger Fortsatz ausgebildete Processus intrafenestalis scheidet die Apertura nasalis ossea in eine obere und untere Hälfte. Der hintere Rand des Processus intrafenestralis zeigt eine sichelförmige Crista membranacea, die höchst wahrscheinlich durch eine membranartige Fortsetzung (Membrana nari-conchalis) mit der unverknöcherten Concha verbunden war. Dabei kann eine Anlagerung an das Maxillare fehlen oder unvollständig bleiben und infolgedessen eine Lücke zwi- schen Nariale und Maxillare entstehen. ‚Os nasale > Lacrimale-__ ; 2 N een Processus | S III praenasalis | S GG a II S ” "4 NN N Processus-= 22. A nmnea he - gt A U S intra- BEN, \ RN 3 R) Ban SDR ——: n > fenestralis A IN AN Processus | S, extranasalis & Pars hori- zontalis os. narlalls Maxillare t+Sphenacodon (UOr. +Polycosauria, Or. Theromorpha) aus dem Permo-Karbon von Neu-Mexiko. !/, natürl. Größe nach Williston 1918, mit eigenen Bezeichnungen. An den Zustand des Os nariale bei den Urodelen und Apoden (Fig. 42) mit einer vertikal stehenden Knochenplatte au. lateralen Umfange der Nasenkapsel wollte Gaurp (1905) den Zustand an- schließen, wie er sich bei den Monotremen findet, wo sich z. B. bei Echidna die embryonale Anlage des Nariale gleichfalls in Form einer vertikal stehenden Knochenplatte am lateralen Rande des Nasen- fensters findet. Ein solcher Anschluß ist sicher nicht möglich. Beides sind sekundäre Zustände. Beide Formen sind einander zwar in vieler Beziehung ähnlich, aber es läßt sich nachweisen, daß sie auf ganz verschiedenen Wegen entstanden sind. Den Weg zur Ausbildung der vertikalen Knochenplatte des Os nariale bei den Urodelen habe ich schon geschildert. Ganz anders sind die Vorgänge, die sich in der Entwicklung des Os nariale bei den säugetierähnlichen Reptilien abspielten und über diese zu den Säugetieren führten. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 473 Unter den fossilen Theromorphen bildet bei den primitiven Thero- cephalia und Gorgonopsia (Fig. 39 4) die Pars horizontalis ein Knochenplättchen von sehr wechselnder Größe in seinem sagittalen Fig. 37. Kef-; Os mazillare Foramen nariale obturatum a. | 05. narialis Processus intrafenestralis ee, Apertura nasalis ossea ir Processus pruenasalis os. praemasillaris „2 Os nasale Be Pars facialis --- Processus intrafenestralis \ os. narialis Pedunculus " " -Aperlura nasalis ossea, pars inferior "> Foramen nariale obturatum "05 praemazillare ' ' k Vorderes Kopfende von T Scymnognathus ' 1 whaitsii Broom (UOr. + Gorgonopsia, ' ' Or. Theriodontia) aus dem Perm von ! ’ Beaufort (Südafrika) von oben und von ’ ‚ der Seite. Rekonstruktion des Os nariale N unter Zuhilfenahme einer Zeichnung von j Watson (1921), mit eigenen Bezeich- nungen. 8/, natürl. Größe, Durchmesser, das sich auf den Gaumenfortsatz und an den Proces- Sus praenasalis des Praemaxillare lagert. An der lateralen Ecke dieser Horizontalplatte erhebt sich ein dicker, kräftiger und kurzer Stiel wie z. B. bei Seymnognathus (Fig. 37). Dieser Stiel findet keinen direkten Anschluß an das Maxillare, 474 Richard N. Wegner sondern zwischen der Vorderkante des Maxillare und dem Pedun- eulus des Os nariale (Fig. 37) bleibt eine Öffnung, welche wahrschein- lich in ähnlicher Weise durch eine Membran verschlossen war, wie z. B. die Lücke zwischen der platten Cartilago narialis und der Seiten- platte des Nasenknorpels bei den Dasypodidae. Das obere Ende des Pedunculus trägt zwei Fortsätze, einen vorderen, nach innen ge- krümmten, den Processus intrafenestralis, und einen mehr nach außen liegenden hinteren Fortsatz, der sich an der lateralen Umgrenzung des Nasenloches beteiligt und sich als Pars facialis zwischen Maxillare und Nasale einschiebt. Erst dieser Fortsatz oder die Pars facialis wird also durch eine breite Naht direkt mit dem Maxillare verbun- den, nicht aber der Stiel (Peduneulus). Von dieser Form als Ausgangspunkt nimmt das Os nariale noch innerhalb der fossilen Reptilien-Gruppe der Theromorphen, die wir jetzt in umfangreicherem Maße durch die Arbeiten von Broom (1915), Haucarton (1915 und 1918) und Warson (1913, 1916 und 1921) kennen lernten, eine divergente Entwicklung. Bei Gorgonops torvus Owen (Fig. 38) hat nach der Abbildung von Warson (1921) gegenüber Scymnognathus eine Reduktion der Pars horizontalis wie des Processus intrafenestralis stattgefunden. Auch der Peduneulus ist schmäler geworden. Durch diese Verschmälerung des Pedunculus wird das Foramen nariale obturatum hinter dem- selben verhältnismäßig weit. Watson (1921, pag. 74/75) spricht von der Möglichkeit, daß dieses Foramen nariale obturatum — WATSON . nennt es Foramen septomaxillare — dem Ductus nasolacrimalis als ein Ausfluß diente, um die Schnauze feucht zu erhalten wie bei den Artiodactylen. Die Verhältnisse bei den Dasypodidae, wo eine ent- sprechende Öffnung von einer Membrana obturatoria überzogen ist, machen eine solche Annahme äußerst unwahrscheinlich. Überdies würde dadurch die bei allen rezenten Reptilien ganz eindeutige Funk- tion des Nariale als Verschlußapparat für den Nasenvorhofsgang ganz illusorisch werden. Bei einigen Familien, wie z. B. den Deinocephalia, gelangt aus- schließlich die Pars facialis zur Weiterentwicklung, sie lehnt sich in weitem Maße an das Praemaxillare und Maxillare an, während die übrigen Teile einer weitgehenden Rückbildung anheimfallen. Bei den Tapinocephalia (Watson 1914, p. 757, Fig. I und II) ist das Nariale ein sehr variabler Knochen. Bei Mormosaurus seeleyi W ATSON besitzt es eine intranasale Pars horizontalis, welche sich durch eine Naht mit dem Praemaxillare verbindet, um einen Boden für den Nasen- Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 475 vorhofsschlauch zu bilden. Das Nariale sendet dann einen langen Gesichtsteil (Pars facialis) nach hinten, welcher den ganzen hinteren Rand des Nasenloches bildet und das Nasale und die Maxilla auf eine lange Entfernung hin trennt. Die Pars facialis steht mit dem Maxillare ihrer ganzen Länge nach in Verbindung, ist aber nach Warsox (1914, p. 758) vom Nasale gerade hinter der Apertura nasalis Fig. 38. Os mazillare ER lee Pars facialis | er — Pars horizontalis os. narlalis le Processus intrafenestralis | 4 Apertura nasalis ossea "> Processus praenasalis os. praemazillaris | 05. narialis -Pars horizontalis "Foramen nariale obturatum 7,7 praemazillare Vorderes Kopfende von + Gorgonops torvus Owen (UOr. + Gorgonopsia, Or. + Theriodontia) aus dem Perm von Beaufort (Südafrika) von oben und von der Seite. Rekonstruktion des Os nariale unter Zuhilfenahme einer Zeichnung von Watson (1921), aber mit eigenen Bezeich- nungen. #/3 natürl, Größe. ossea noch durch ein Loch von ungefähr 1 cm Länge und 5 cm Weite getrennt. Dieses Loch möchte ich als den letzten Rest der oberen Hälfte der durch den Processus intrafenestralis ursprünglich in zwei Hälften getrennten Apertura nasalis ossea betrachten. Die Spezialisierung bei Mormosaurus seeleyi Watson ging unter Erweite- rung der unteren Nasenganghälfte vor sich. Der letzte Rest des immer mehr reduzierten Processus intrafenestralis wurde bei dieser hoch- spezialisierten Endform gegen das Nasale gedrängt und fand unter 476 Richard N. Wegner Bildung einer Apertura nasalis- ossea superior Anschluß an das Nasale. Keinesfalls führte eine dieser Öffnungen, was Warsox (1921) immer- hin als Möglichkeit offen läßt, jemals zum Wassergeruchsorgan oder Organon praevomero-nasale. Dies würde allen bisher bekannten anatomischen Verhältnissen entgegentreten. Bei Mormosaurus besitzt das Nariale zwar eine ganz abweichende Form in Anpassung an diese merkwürdige, hochspezialisierte Schädelform, aber auch hier dürfte ein Organon Jacobsoni sich nur an die weite Öffnung im Gaumen- dach angeschlossen haben. Doch kann das Nariale auch ganz innerhalb der Nasenhöhle liegen, in der es eine unregelmäßig gekrümmte Platte bildet, und nur ihr Außenrand steht mit dem Maxillare mit Ausnahme eines kleinen Foramen von unregelmäßiger Gestalt in Verbindung. Die Pars fa- cialis bei den Unterordnungen Gorgonopsia und Deinocephalia ent- steht also nur aus dem hinteren Fortsatz des an der lateralen Kante auf der Pars horizontalis aufsitzenden Stieles (Pedunculus), während bei den Urodelen die auf der Gesichtsseite erscheinende Pars late- ralis direkt von der Seitenkante der Pars horizontalis abbiegt, also gewissermaßen mit einer flachen Verbreiterung des Stieles selbst ver- glichen werden kann, nicht aber mit einem besonderen Fortsatz, der erst aus der hinteren Ecke an der Spitze dieses Stieles entstanden ist. Ursprünglich reichte dieser Fortsatz weit nach hinten zwischen Maxillare und Nasale, und erst bei Formen, bei denen .eine Reduk- tion des Praemaxillare stattfindet, rückt diese ganze Partie scheinbar wieder näher an das Vorderende der Schnauze. Von Formen des Os nariale, ähnlich wie bei manchen Gorgo- nopsia, läßt sich wieder ein unmittelbarer Anschluß an die Mono- tremata (siehe Fig. 39 B) finden. Auch bei manchen Deinocephalia, wie z. B. Moschops, steht die Form des Nariale derjenigen bei den Monotremata nahe. — Ein Processus intrafenestralis scheint bei Moschops ganz zu fehlen, wäh- rend er beim jungen Ornithorynchus noch durch ein kleines Höcker- chen angedeutet wird. Eine ganz andere Entwicklungsrichtung finden wir innerhalb der Gruppe Dicynodontia (U.-O. Anomodontia). Bei zahlreichen Formen derselben (vergleiche HauscHron 1918) ver- schwindet das Nariale ganz von der Gesichtsseite.e Genauer sind wir über die Form des Os nariale bei einer Dicynodon-Art durch eine Arbeit von J. und W. Soruas (1914) unterrichtet. Nach diesen Autoren ist das Os nariale ein schmaler Knochen, der mit keinem der Nachbarknochen durch Nähte verbunden ist. Er 477 Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. "JyoIsuvuopag 'SN79UMWFA0u Sn7Dz 19q Aferıwu SO sıpa.ımu "SO SE]DJUOZL104 SADT AAMIEDWEDAT RS N ' "Aupisurusyrag "snzopnand S snyauhysoypu.g uadunf maus 19q (OfBSIOP Arejjıxewmowıg Joynıy) afelıwu Sg sed & 28 sıymıımu so sıymı mu "so 3.01] 1CD «n Wr snın9unpad sajmjuoz2ıoy Sam x SS N SS Le =: S _ PUDNITCORT ee \ jr = 5 sıyD3 ma "so Sımıon/[siwT a]DsoN \ sıpıımu "so sımaysauaf 31043707 anJ1q.40 -DANUR SNSS2I0AT -DAfur UaWumAog \ sımı.ımı ‘so SıJnaonf SAD] PDSDN DEE "SL - IMMONET S2mı.ıDU "SO SPWIUOZLAON SAD - eo} sam1.ıDu 'SO SYD.47SauUa[nAayUur SNSS29047 " ä © = sıpaımu "so Sımıanf SAD B SIUDILMUan.ıd "so Sınsmuanıd SNSS99047 5 & ° — °© z -uadunuyplszag usUuadTe Ju age ‘uosyeM SM’ UOA 9ZZINSTeUTZLIO Joure Zunzynusgg Ioyuf) "UTOA UOA 5 Zeıyos Kmydaowossyz t *PıoO) snumnsoomylagt “uarwydaoo4syz uaALywımd SsouT® YOOJUaSeN Sep ur yorquıq "V6R "AI 478 Richard N. Wegner besitzt eine hakenförmige Gestalt und erinnert in seiner allgemeinen Konfiguration lebhaft an die Formen des Os nariale, wie ich sie bei der Gattung Xenurus unter den Gürteltieren beschrieben habe. So- weit ich aus der SoLLAsschen Arbeit entnehmen kann, dürfte sich der Knochen bei dem von SoLLAs untersuchten Exemplar nicht mehr genau in seiner ursprünglichen Lage befunden haben. J. und W. SorLas dachten zuerst, daß dieser Knochen das Vorhandensein einer klappenartigen Anordnung im Nasenloch von Dieynodon ver- muten lasse, und das ist meiner Meinung nach ganz sicher in ähn- licher Weise wie bei Xenurus der Fall gewesen. Wie die Lage des Knochens beim lebenden Tier genauer am Rande des Nasenloches gewesen ist, das müssen erst später einmal glücklichere Funde bei Dieynodon erweisen. Vorläufig ist wenig Hoffnung dafür vorhanden, da selbst bei frisch mazerierten Schädeln von Xenurus nur bei größter Vorsicht der Knochen in seiner ursprünglichen Lage erhalten werden kann. Jedenfalls zeigt die Ähnlichkeit des Os nariale bei einigen Decynodon-Arten und bei Xenurus, daß die verschieden- artige Entwicklung, die das Os nariale bei den Monotremata einer- seits und bei den Xenarthra anderseits genommen hat, schon inner- halb ihrer säugetierähnlichen Reptiken-Vorfahren stattgefunden haben muß. — Wie sich die einzelnen Formen, die zu den Dieynodontia gestellt werden, in den spezielleren morphologischen Details erweisen, wäre noch zu untersuchen!. Das Os nariale bei den Schlangen ist ein besonders speziali- sierter Typus. Er läßt sich bei den Arten, die ich untersucht habe, etwa an Formen wie bei Varanus anknüpfen. Die Schnauzenspitze erscheint bei den Schlangen verkürzt und abgestumpft. Ihre Nasen- löcher liegen ziemlich weit vorn nahe der Mittellinie, gleichwohl öffnet sich auch bei den Schlangen die Apertura nasalis externa nicht nach vorn, sondern nach der Seite, seltener nach oben oder unten. Der kurze Nasenvorhofsschlauch besitzt daber auch hier eine Kniekung. Bei der Wassermokassinschlange, Ancıstrodon piseivorus \ LACORDAIRE fand ich einen kurzen Nasenvorhofsschlauch mit einem queren und sagittalen Schenkel. Der sagittale Schenkel bis zur Aper- tura nasalis ossea war etwa gleich lang wie der quere. Nach Eröff- nung des Nasenganges zeigte sich an der Umknickungsstelle ein vor- springender Wulst, durch den der Nasengang weitgehend verengert 1 Auf den Versuch einer Beschreibung derselben konnte ich mich nicht einlassen, da mir diese Theromorpha mit Ausnahme von drei sehr fragmentarischen Schädeln bisher nur aus Literaturstudien bekannt sind. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 479 wurde. Er bestand aus einer dicken Bindegewebswucherung, die von einem Processus intrafenestralis des Nariale getragen wurde. Der Nasenvorhofsschlauch war in eine Rinne des Nariale eingebettet Vom Processus intrafenestralis scharf abgesetzt ist der Processus late- ralis posterior. Er ist zu einer langen, medialwärts umgebogenen, freien Knochenspange ausgezogen, deren Unterrand, Crista mem- branacea, bogenförmig zum Hinterrand des Nariale verläuft. Der Processus lateralis posterior tritt hier merkwürdigerweise in nahe Beziehungen zur weit nach vorn liegenden Concha und dient hier diesem häutigen Gebilde direkt als Stütze. Fig. 3 und 4 auf Tafel XV veranschaulichen den Bau des Os nariale bei Boa constrietor. Die Oberseite der Pars horizontalis ist durch eine Furche für den Nasen- vorhofsschlauch ausgehöhlt. Diese Furche verläuft in seicht ge- schwungener Form nach vorn. An der Umbiegungsstelle des Nasen- vorhofsschlauches befindet sich nur ein kleines Höckerchen, das den Processus intrafenestralis markiert. Sehr stark sind die beiden hin- teren Fortsätze. Der Processus lateralis posterior, scharf von der Pars horizontalis in rechtem Winkel abgesetzt, biegt sich mit einem langen, sichelförmigen Fortsatz zur Stütze der Concha nach hinten. Auch der Processus medialis steht nicht vertikal. Infolge der ven- tralen Einrollung der medialen Kante des Nasenbeins ist die Ober- kante des Processus medialis schief umgelegt worden, wie auch aut der Seitenansicht in Tafel XV, Figur 3 sichtbar. Die Beweglichkeit aller Gesichtsknochen wird hier dadurch ermöglicht, daß die untere Umrollung der Nasenbeine in einer Ausbuchtung eben dieses medialen Fortsatzes des Nariale gleitet. Die mediale Seite läßt eine tiefe Aushöhlung für das JacoBsonsche Organ ganz am hinteren Ende der Pars horizontalis erkennen. Vorn wird auf der Ansicht der Medialseite (Tafel XV, Figur 3) die etwas konvex gekriimmte Unter- seite, am kaudalen Ende des Knochens im Hintergrunde auch der Processus lateralis posterior infolge seiner Aufwärtskrümmung zur Concha sichtbar. Bei vielen Sauriern erfolgt im Alter eine weitgehende Ver- schmelzung des Os nariale mit dem Maxillare und Praemaxillare, das ist z. B. bei rezenten Formen wie Tupinambis zu beobachten. Eine derartige synostotische Verbindung scheint nur bei solchen Formen vor sich zu gehen, bei denen neben einer allgemeinen Tendenz zur frühzeitigen Verschmelzung der Knochennähte überhaupt, noch außer- dem eine breite Pars horizontalis ossis narialis in ausgedehnter Ver- bindung mit dem Maxillare und der Nasenscheidewand steht; eine 32* 480 Richard N. Wegner solche besteht z. B. bei Trachodon aus der oberen Kreide, bei dem von mir das Os nariale in der schnabelartigen Verbreiterung der Schnauze vermutet wird. — Eine Nachuntersuchung an jugendlichen Exemplaren dieses Dinosauriers wäre zwecks Beweises dieser An- nahme sehr erwünscht, da ein Os nariale bei den Dinosanriern noch nicht nachgewiesen ist. Bei Pareiasaurus erfolgt nach SEELEY eine weitgehende Verschmelzung unseres Nasenbodenknochens mit den Nachbarknochen, so daß eine Nahtverfolgung und Bestimmung seiner Grenzen nicht durchführbar war. Im Gegensatz dazu steht, daß bei manchen Stegocephalen wie Eryops eine fast vollständige Verknöcherung aller Gesichtsnähte er- folgt, mit Ausnahme der Verbindungen des Os nariale.. Bei den Dasypodiden, bei denen z. B. bei Chlamydophorus der ganze Schädel bald zu einer einheitlichen knöchernen Tube verschmilzt, bleibt das Os nariale durch lockeres Bindegewebe am vorderen Nasenrande leicht befestigt. Dieses ganz verschiedene Verhalten zu der jeweiligen Verknöcherung der übrigen Schädelnähte hängt wohl damit zusammen, daß das eine Mal das Os nariale nur die Falten und die Knickungen des Nasenvorhofsschlauches festzuhalten hat, das andere Mal das Os nariale eine geringe Beweglichkeit besitzen muß, um zwecks Ver- schließung des Naseneinganges der Nasenscheidewand entgegenge- drückt werden zu können. Daß es zur Lösung dieser Aufgabe keines besonderen Muskelzuges direkt am Os nariale bedarf, sehen wir z. B. bei Chaetophractus unter den Gürteltieren, wo das Os nariale durch den äußeren Druck beim keilförmigen Vortreiben der Nasenspitze nur noch mehr gegen die Nasenscheidewand gedrückt wird, während es schon in der Normalstellung zu fast völligem Verschluß der äußeren Nasenöffnung beiträgt. — Nur zum Öffnen des Nasen!Schens tritt Muskelzug in Anwendung, durch den der Alarknorpel und damit indirekt das an ihm sitzende Nariale von der Nasenscheidewand weg- gezogen wird. Bisher steht das Vorhandensein des Os nariale bei den Reptilien- Ordnungen der T’heromorpha, Rhynchocephalia, Lepidosauria und zwar bei den Lacertilia wie bei den Mosasauria, ferner bei den Ichthyo- sauria unzweifelhaft fest, fraglich ist sein Vorkommen bei den Dino- sauriern. — Diesen Reptilien-Ordnungen stehen als unzweifelhafte Non-Narialia die Testudinata und Orocodilia gegenüber. Bei den Parasuchia ist das Nariale von Mesorhinus, Mystrio- suchus und Phytosaurus bekannt, bei den Pseudosuchia von Adtosaurus, wenn auch von dem letzteren nur ein dem Praemaxillare aufliegendes Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 481 Fragment. Bei Mystriosuchus (v. Huexe 1911, S. 75, 88 u. 114) ist die Lage des Nariale sehr charakteristisch am hinteren und medialen Rande des Praemaxillare, trotzdem dieses enorm nach hinten ver- längert ist. Die zackige feste Nahtverbindung dieser beiden Knochen untereinander ist bei Mystriosuchus bereits als Merkmal einer ein- seitigen Spezialisation aufzufassen. In ihrem äußeren Habitus zeigen die Phytosauriden eine große Ähnlichkeit mit den langschnauzigen Oroeodilia, diesen speziellen Non-Narialia unter den Reptilien, trotz weitgehender Verschiedenheiten im inneren Aufbau des Skeletts. Dieser tiefgreifende Unterschied zeigt sich ganz besonders im Bau und in der Lage der Nasenöffnungen. Bei den Crocodilia wird die lange Schnauze von den verlängerten Maxillaria gebildet, die nach oben gerichtete Apertura nasalis ossea kommt ganz vorn an die Schnauzenspitze zu liegen, und bei manchen Formen, wie z. B. Oroco- dilus cataphractus Cuvier und Osteolaemus tetraspis Cope unter anderen öffnet sich die Apertura nasalis externa auf einer erhöhten Papille direkt nach oben. Bei den Parasuchia aber wird die lange Schnauze von den sehr verlängerten Praemaxillaria gebildet. Infolgedessen wird die Apertura nasalis ossea weit nach hinten verschoben, während die gute Ausbildung des Nariale den Schluß zuläßt, daß es einem ge- bogenen Nasenvorhofsschlauch zur Anheftung diente und die äußeren Nasenöffnungen nach der Seite ausmündeten. Die Phytosaurıden dürften also beim Schwimmen eine horizontale Lage eingenommen haben, bei dem der Nasenvorhofsschlauch ein Einströmen von Wasser von vorn in die Nase verhinderte. Bei den Testudinata, deren Nasen- vorhofsschlauch zwar tiefe Divertikel besitzen kann, aber ohne jeg- liche seitliche Abkniekung oder Abbiegung geradeaus nach vorn verläuft, hängt das Fehlen der Narialia wohl auch mit der Reduktion der Praemaxillaria zusammen. Bei den Sauropterygia und Pterosauria deutet zwar bisher nichts auf das Vorhandensein von Narialia hin, doch ist Vorsicht bei der Behauptung der Nichtexistenz gerade bei diesen fossilen Formen ge- boten. Das zeigt deutlich die Auffindung des Os nariale bei Ich- thyosaurus, wo es SoutAas (1918, S. 108) erst kürzlich entdeckte. Es stellt hier ein offenbar in Rückbildung befindliches horizontales Plättchen dar, das vollständig von den Nasalia und Maxillaria ver- deckt und erst auf Querschnitten auffindbar wurde. Wie weit die bei gewissen Teleostieren, z. B. durch SAGEMEHL (1891, S. 510) als Septomaxillare beschriebenen Gebilde den Nari- alia der Reptilien und Amphibien entsprechen, vermag ich nur an 482 Richard N. Wegner der Hand der Literatur und ohne genügendes Vergleichsmaterial nicht nachzuprüfen. Bei Amia (Fig. 40) kommt, wie schon erwähnt, ein dem Praemaxillare anliegender Deckknochen vor, mit dem ein Vergleich des Os nariale nahe liegt. Er besteht aus einer horizontalen Platte mit etwas aufgeworfenem lateralen Rande, die der ethmoidalen Knorpel- masse am unteren Rande der Nasenlöcher dicht aufgelagert ist. In der Tat hat schon Brıpaz (1877) eine Homologie dieses Knochens bei Amia mit dem Nariale (Septomaxillare) behauptet. SAGEMEHL (1891) und GAaupp (1895, S. 288) hat dagegen diese Homologie ab- gelehnt, GAuPP sieht in ihm einen Ersatzknochen statt eines Deck- knochens und hat dafür den Namen Praeethmoidale vorgeschlagen. Damit scheint mir aber nichts gewonnen zu sein, da eine praeeth- moidale Lage für das Nariale charakteristisch ist, wie ich schon in Fig. 40. Foramen nariale n.olfactorii N Nasale WIE: _Praenasale ou _--Nasenlocl Orbitosphenoid-—-—--—£ : -Os nariale -Praemazillare & / Praefrontale Antorbitale Seitenansicht des Vorderendes des Primordialkraniums von Amia calva. Die äußeren Deckknochen sind in schwarzen Umrißlinien eingezeichnet. Knorpel punktiert. Unter Benutzung einer Figur von Allis (1897), mit eigenen Bezeichnungen. meinem Kapitel iiber die Nomenklatur dieses Knochens hervorgehoben habe. Ich schließe mich der Auffassung von BRIDGE an, allerdings muß noch durch eine systematische Vergleichung des Os nariale bei allen niederen Wirbeltieren diese Behauptung gesichert werden, auch histologisch nachgeprüft werden, daß es sich bei Amia wirklich um einen Deckknochen und nicht um einen Ersatzknochen (Aruıs 1897) handelt. Rein theoretisch könnte die Grundform, aus der sich alle komplizierten Formen des Nariale ableiten lassen, gar nicht besser gewünscht werden, als in der Gestalt, wie sie sich bei Ami«a tat- sächlich vorfindet. Es erscheint mir nur allzu nahe liegend, daß wir bei Amia die Urform des Nariale vor uns haben. Wahrscheinlich ist das Os nariale einer der Elementarbestandteile des Wirbeltierschädels überhaupt, das nur sekundär bei höherer Spezialisation bei einzelnen Gruppen verloren geht, wie es bei den Schildkröten, Krokodilen und allen höheren Säugetieren verloren gegangen ist. Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 483 Nach allem glaube ich zusammenfassend folgenden Überblick über die Gesamtentwicklung des Os nariale gewonnen zu haben: In seiner primitivsten Anlage ist das Os nariale ein kleiner Deckknochen, der in horizontaler Lage am Vorderende des Primordial- craniums der Knorpelplatte am Boden des Nasenloches aufliegt (Amia, Fig. 41. I; EN : 4 x 3 _Processus intrafenestralis os.narialis #-- Pars horigontalis PN _ Praemazillare Nasenskelett einer jungen Kana fusca von 2 cm Länge (nach Gaupp, 1903, Fig. 144, aber mit eigenen Bezeichnungen). Knorpel punktiert. Vergr. Fig. 40). Sein Vorderrand findet bei weiterer Entwicklung des _ knöchernen Craniums Anschluß an das Praemaxillare, seine Gestalt behält zunächt die Form einer horizontalen Platte (bei Eryops, Fig. 31). — Fig. 42. Maxillare -.. = 05. narsalis Schnauzenspitze von Ichihyophis glutinosa (stark vergrößert nach F. u. P. Sarasin 1887—%, Bd. II, Taf. XV, Fig. 3), mit eigenen Bezeichnungen, Die horizontale Knochenplatte dient zur festeren Anheftung der Haut- falte, welche das äußere Nasenloch begrenzt. Mit der Ausbildung von Schutzfalten der Haut gegen das Eindringen von Fremdkörpern am äußeren Nasenloch werden Kanten und Vorsprünge an der hori- zontalen Knochenplatte notwendig, die jeweils eine verschiedenartige Entwicklung nehmen. Die frühzeitige Verbindung mit dem Prae- 484 Richard N. Wegner maxillare wird als primäre Verbindung zähe durch die Wirbeltierreihe festgehalten, Beziehungen zu anderen Knochen des Gesichtsskeletts werden erst sekundär erworben und führen mitunter zur Rückbildung der ursprünglichen Horizontalplatte und damit zu Formen, die unter Verlust der ursprünglichen Funktion des Os nariale ganz speziellen Anpassungen dienen. Bei den Urodelen wölbt sich am lateralen Rande eine vertikale Knochenplatte empor, während die Pars horizontalis eine Rückbildung erfährt. Bei den Anuren (Fig. 41) wird der ursprüngliche Zustand nur wenig verändert, ein Processus intrafenestralis ragt hier in die Nasen- höhle hinein. Bei den fossilen Siegocephalen wird andererseits die horizontale Platte verbreitert und gewinnt Formen, die bereits an Ver- hältnisse bei den Sauriern erinnern. Bei den Sauriern (Fig. 43) erfährt Fig. 43. Processus medialis os. narialis Hintere Ausbuchtung für den Processus posterior inferior vestibuli nasi Processus lateralis -= 05. narialis en Crista intrafenestralis os. nartalis Schnauzenspitze von Varanus niloticus Laura. Seitenansicht. die Pars horizontalis eine bedeutende Entwicklung, medial dehnt sie sich bis zum Nasenseptum aus, kaudal erstreckt sie sie tief nach hinten, um einem langen, abgeknickten Nasenvorhofsschlauch als Stütze zu dienen, ihr Hinterrand wird. von einem Diverticulum aus- gebuchtet. Sie überdeckt das Jacobson’sche Organ. Bei den thero- morphen Reptilien ist es zum Teil nicht zu dieser einseitigen Ent- wicklung der Pars horizontalis gekommen, hier entsteht ein Stiel auf der lateralen Seite der Pars horizontalis, der Fortsätze zur Befestigung von Nasenvorhofsfalten trägt. — Von diesem Zustand entwickelt sich das Os nariale innerhalb der theromorphen Reptilien nach zwei ver- schiedenen Richtungen hin. Einmal wird nur der hintere Fortsatz zur Pars facialis entwickelt und die Pars horizontalis mit ihrem Stiel zurückgebildet, so bei Mormo- saurus. Der Weg, den die Entwicklung des Nariale bei vielen Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 485 Therapsida unter alleiniger Ausbildung und Weiterentwicklung der Pars facialis genommen hat, führt zu einem Endstadiam, wie es Or- nithorhynchus aufweist, wo das Nariale zunächst mit dem Prae- maxillare, dann mit den übrigen Gesichtsknochen zu einer knöchernen Röhre verschmilzt. Ganz anders ist der Weg, den die Entwicklung der übrigen primitiven Säugetiere nahm. Hier wird die Pars hori- zontalis verkleinert: oder zu einem schmalen Streifen verschmälert; der vordere Fortsatz dagegen, der als Processus intrafenestralis mitten in das Nasenloch hineinragt, nimmt eine kräftigere Entwicklung; ein Teil der Dieynodontia unter den säugetierähnlichen Reptilien und die Dasypodidae unter den Säugetieren schlagen diesen Weg ein. Bei den höheren Säugetieren ist das Os nariale dann völlig verloren gegangen. Es liegt nahe, die allmähliche Reduktion dieses Knochens bis zum völligen Schwund desselben mit der fortschreitenden Mobi- lisation der Nasenknorpel in Verbindung zu bringen. Die immer größere Mobilisation der knorpeligen Nasenflügel ging unter gleich- zeitiger Entwicklung der Musculi levatores alae nasi von statten. — Der passiv-mechanische Verschlußapparat, bei dessen Verschluß eine von außen wirkende Gewalt mitwirken kann, wurde damit durch eine Einrichtung abgelöst, bei der der biegsame Nasenknorpel aktiv durch Muskelzug nach jeder Richtung hin bewegt werden konnte. Eine besondere Stütze des Knorpels durch das Os nariale wäre hier nur hinderlich, und so fällt das Nariale bei den höheren Säugetieren der Rückbildung anheim. — Bei Kriechtieren und: bei im Boden wühlenden Tieren wie den Dasypodidae war ein Nasenverschluß gegen gröbere Sandkörnchen nötig, für den bei den schnellfüßigen oder kletternden höheren Säugetierformen kein Bedarf vorlag. — Ein Schnauben und Wittern verlangte eine freie Beweglichkeit der Nasen- flügel bei aktivem Erweitern und Verengern des Nasenloches. — Am weitesten vorgeschritten ist diese Mobilisation der Nasenknorpel bei manchen Ungulaten. Zur Reguliernng des Luftstomes ist es hier sogar wieder zu einer Divertikelbildung, z. B. beim Pferd, Tapir und Rhinozeros gekommen, wie wir sie in anderer Gestaltung z. B. bei den Reptilien kennen lernten. 486 Richard N. Wegner Literaturverzeichnis. A. Zu Kapitel I. 1. 1852. Rapp, W. von. Anatomische Untersuchungen über die Edentaten. Tübingen 1852. 2. 1855. HyRTL, Joseps. 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Vorderende des Schädels mit Os nariale. Ansicht von unten. Zoolog. Institut Halle. Vergr. 3:1. Tatus Kappleri Krauss. Cayenne (Guiana). Vorderende des Schädels mit Os nariale. Ansicht von unten. Eigene Samml. Vergr. 2:1. Desgl. Ansicht von oben. Ein Teil der Nasalia und Praenasalia sind entfernt, um Einblick in die Nasenhöhle zu gewinnen. Vergr. 2:1. Desgl. Rechte Seite. Vergr. 2:1. Tolypeutes conurus Is. Geofiroy. Westargentinien. Vorderende des Schädels mit Os nariale, rechte Seite. Vergr. 3:1. Desgl. Ansicht von unten. Vergr. 3:1. Für Tafel XI. Xenurus (= Cabassous) gymnurus Illiger. &. Prov. Minas Geraes (Süd- brasilien.. Einblick in die Nasenöffnung, schräg von vorn. In der Mitte ist ein Stück der Cartilago septi nasi stehen geblieben, an die sich die Partes horizontales der Ossa narialia anlegen. Alle übrigen Teile des knorpeligen Nasengerüstes sind völlig entfernt. In der Tiefe werden sichtbar, in der Reihenfolge von unten nach oben: Die Spitzen des Prämaxillare, Maxillo-, Septo- und Nasoturbinale. (Vomer nicht sichtbar). Eigene Samml. Vergr. 2:1. Desgl. Ansicht von unten. Vergr. 2:1. Xenurus (= Cabassous) gymnurus Iliger. Rechtes Os nariale, Facies inferior. Eigene Samml. Vergr. 6:1. Tatus Kappleri Krauss. Cayenne. Linkes Os nariale. Facies superior. Eigene Samml. Vergr. 6:1. Priodontes giganteus & E. Geoffroy. Surinam. Linkes Os nariale. Facies inferior. Vergr. 6:1. Tolypeutes conurus Is. Geoffroy. Rechtes Os nariale. Vergr. 6:1. Priodontes giganteus & E. Geoffroy. Surinam. Eigene Sammlung. Vergr. 2:1. i Der Stützknochen, Os nariale, in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren. 491 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Eig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Für Tafel XII. Tatus novemeinctus Linne. Neugeborenes Tier. Vorderansicht der Schnauzenspitze. Vergr. 4:1. Desgl. Rechtes Nasenloch eines ausgewachsenen Exemplars. Vergr. 4:1. Chaetophractus villosus Fisch. Vorderansicht der Schnauzenspitze (ohne Unterkiefer). Vergr. 4:1. Tatus novemeinetus Linne. Vorderende des Schädels von der Gaumen- seite mit dem Knorpelgerüst der Nase und dem Os nariale. Vergr. 3:1. Chaetophractus villosus Fischer. Vorderansicht des Schädels von der Gaumenseite mit dem Knorpelgerüst der Nase und dem Os nariale. Vergr. 3:1. Für Tafel XIII. Horizontalschnitt durch die rechte obere Kopfhälfte von Chaetophracetus villosus Fischer zur Eröffnung des Nasenganges. Vergr. 1,5:1. Für Tafel XIV. Priodontes giganteus E. Geoffroy. Surinam. Einblick in die knöcherne Nasenhöhle von oben nach Herausnahme der Ossa nasalia. (Rechts ist vom oberen Teil der Sutura nasomaxillaris ab ein Stück aus dem Maxillare herausgesägt, um das Nasoturbinale besser sichtbar zu machen, links ist der vordere Teil des doppelt eingerollten Maxilloturbinale entfernt, um die Ausmündungsstelle des Ductus nasolacrimalis freizu- legen.) Vergr. 1,5:1. Für Tafel XV. . Xenurus (= Cabassous) gymnurus llliger. Chaco, Paraguay. Einblick in den vorderen Teil der rechten Nasenhöhle, die durch einen Horizontal- schnitt dicht über dem Processus intrafenestralis os. narialis eröffnet ist. Ein Teil der Gesichtsmuskulatur mit Ausnahme der Schnauzen- spitze ist herauspräpariert. Vergr. 3:1. . Die Nasenknorpel von Xenurus (= Cabassous) gymnurus Illiger. Chaco, Paraguay. Ansicht von der Ventralseite. Vergr. 3:1. . Rechtes Os nariale von Boa constrietor Linne. Ansicht von der me- dialen Seite. Vergr. 2:1. . Desgl. Ansicht von der Dorsalseite. Vergr. 2:1. . Vordere Kopfhälfte von Varanus nelotieus Laur. Porto da Lenha. Unt. Congo. Der rechte Nasenvorhofsschlauch ist freipräpariert. Nat. Gr. . Dasselbe Präparat von Varanus nülotieus Laur. wie in Fig. 5 nach Er- öffnung des Nasenvorhofsschlauches und der inneren Nase durch einen Horizontalschnitt. . Rechtes Os nariale von Tupinambis teguixin Linne. Ansicht von der Dorsalseite. Vergr. 5:1. . Rechtes Os nariale von Trachysaurus rugosus Gray. Ansicht von der lateralen Seite. (Die Pars horizontalis wird in dieser Ansicht völlig vom Pedunculus verdeckt.) Vergr. 20:1. . Trachysaurus rugosus Gray. Die rechte Nasenhöhle und der Nasen- vorhofsgang sind durch einen Horizontalschnitt eröffnet. Vergr. 4:1. 492 Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. In Fig R. N. Wegner, Der Stützknochen in der Nasenhöhle bei den Gürteltieren Linkes Os nariale von Uromastix spinmipes Daud. Vergr. 5:1. Linkes Os nariale von Lacerta Simonyi Steind. Ansicht von der Dor- salseite. Vergr. 6:1. Vergrößerte Kopie nach F. SIEBENROCK (1894). Desgl. Ansicht von der Ventralseite. Vergr. 6:1. Vergrößerte Kopie nach F. SIEBENROcK (1894). Linkes Os nariale von Lacerta agilis L. Ansicht von der Dorsalseite. Vergr. 5:1. Rechtes Os nariale von Varanus nilotieus Laur. Ansicht von der Dor- salseite. Vordere Kopfhälfte von Varanus bengalensis Daud. Rechts ist der Nasenvorhofsschlanch freipräpariert, links der Nasenvorhofsschlauch und der Nasengang durch einen Horizontalschnitt eröffnet. Vergr. 3:1. .2, 5, 6, 9, 15 ist der Knochen durch eine feine Punktierung kenntlich gemacht. Morphologisches Jahrbuch. Bd. LI. Tafel X. R. N. Wegner. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Morphologisches Jahrbuch. Bd. LI. Tafel X1. L R. N. Wegner. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Er ne Morphologisches Jahrbuch. Bd. LI. Tafel XII. R. N, Wegner, Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Morphologisches Jahrbuch. Bd. LI. Tafel XIII. . N. Wegner. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. AEaES, in Bi ER Aula NL el: 2 ’ ni DEE Ehe Be no Tr ] ’ h 0 art a | Fr ! | Br Morphologisches Jahrbuch. Bd. LI. Tafel XIV. R. N. Wegner. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 4 en us hun # GER &5 y rs ERRTN N SG 3 4 Tr Tafel XV. Br Ks Yro,., .oN . Morphologisches Jahrbuch. Bd. L1. Tafel XV. R, N, Wegner, Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzer- welse, sowie des Karpfens. Von Bernhard Peyer. Mit 68 Figuren im Text. Einleitung. Die vorliegende Arbeit wurde begonnen in der Absicht, lediglich den Bau der Flossenstacheln bei der südamerikanischen Welsgattung Doras nachzuprüfen, da diese Flossenstachelverhältnisse in einer neuern Arbeit von O. Aıcneu ! (1915), »Das Problem der Entstehung der Zahn- form«, als Grundlage für außerordentlich weitgehende theoretische Erörterungen dienten, und da sich an die genannte Arbeit eine sehr lebhafte Polemik anschloß (Antorr 1916 und 1916a, Greve 1917, AptorF 1917), ohne daß die zugrunde liegenden Befunde weiter nach- geprüft wurden. Im Verlaufe der Untersuchung erwies es sich dann als notwendig, unabhängig von der ursprünglichen Fragestellung (welche einfach lautete: Sind die zahnförmigen Gebilde an den Flossen- stacheln von Doras echte Hautzähnchen oder nicht?) den Bau der Flossenstacheln in der ganzen Gruppe der Welse zu untersuchen, mit demjenigen anderer Ostariophysen zu vergleichen, vergleichsweise den Bau der echten Hautzähnchen der Loricariiden und deren Flossen- stacheln zu berücksichtigen und schließlich die Konsequenzen zu ziehen, welche sich aus diesen Organisationsverhältnissen für die systematische Anordnung der Welse ergeben. Aus dieser Sachlage ergab sich die Disposition der Arbeit, in welcher zunächst der Bau der Flossenstacheln von Doras und ähnlichen Formen eingehend be- handelt wird. Hieran schließt sich ein Vergleich mit den Flossen- ! Die eingeklammerten Jahreszahlen beziehen sich auf das Verzeichnis der zitierten Literatur am Schlusse, S. 553£. Morpholog. Jahrbuch. 51. 33 494 Bernhard Peyer “ stacheln des Karpfens; sodann werden diejenigen Formen, von denen, wie bei Silurus und Amiurus, ein größeres Material zur Verfügung stand, einzeln hervorgehoben, woran sich eine Übersicht über den Bau der Flossenstacheln aller Welsfamilien anschließt. Hierauf folgt eine Zusammenfassung der aus dem Bau der Flossenstacheln sich ergebenden taxonomischen Resultate. Den Schluß bildet eine Im suchung der echten Hautzähnchen der Loricariiden. :- Aus der ganzen Darstellung AıcHELs geht deutlich a daß er die zahnförmigen Gebilde an den Flossenstacheln von Doras als echte Hautzähnchen beschrieben hat, wie aus folgenden Zitaten er- sichtlich ist: Aıcner (1915) S. 82: »Vielmehr handelt es sich hier um fest ein- gekeilte Zähne, welche von einer persistierenden Pulpa aus wachsen. Es sind also Hautzähne, die zum. Vergleich mit den Kieferzähnen höherer Tiere weit mehr berechtigen, als die Haifischzähne. Diese Auffassung wird noch dadurch unterstützt, daß die Zähne der Flossen- stacheln sich wie die Kieferzähne in der Tiefe nach Einsenkung des Schmelzkeimes, umgeben von den Knochenmassen des Stachels, ent- wickeln und spät durchbrechen, während die Zähne der Selachier durch Verknöcherung freistehender Hautpapillen entstehen.« — S. 97: »Die Zahnkeime sind im Knochen junger Exemplare mikroskopisch. nachweisbar.c — 8. 117: »Die Zahnbildungen an Flossenstacheln sind ebenfalls Abkömmlinge von Hautpapillen, es sind wirkliche Zähne.< (Im Original gesperrt gedruckt.) Da dies mit solcher Bestimmtheit ausgesprochen wurde, so wurde in den eingangs erwähnten Aufsätzen, welche sich an die AıcHEeLsche Arbeit anschlossen, die Zahnnatar der genannten Bildungen überhaupt nicht in Frage gezogen. Es dürfte daher etwas überraschen, wenn im folgenden der Nachweis geführt werden wird, daß es sich hierbei überhaupt nicht um Zähne, sondern lediglich um Knochen handelt. Bevor ich auf die Frage selber näher eingehe, sei vorausgeschickt, daß die zahnförmigen Gebilde an den Flossenstacheln von Doras und anderen Welsen durchaus verschieden sind von den in der bekannten Arbeit von 0. HErTwIG (1876) bei Loricariiden nachgewiesenen echten Hautzähnchen. ‘Hiervon soll nachher en die Rede sein. Zur Untersuchung dienten: a) Ein in Formol konservierter großer Kopf einer Öse von dessen Flossenstacheln die meisten Schliffpräparate angefertigt _ wurden, sowie ein Kopf eines großen Platystomiden, aus dem Amazonas oberhalb Iquitos, beide aus der Ausbeute der südameri-. Über die Flossenstacheln der Welse. und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 495 ». kanischen Forschungsreise, an welcher ich mich im Jahre 1912 ‚beteiligte. Für die freundliche Überlassung dieser Objekte bin ich meinem lieben Reisegefährten Prof. BLuntscHLı, Frankfurt zu besonderem Dank verpflichtet. Ein Alkoholexemplar von Doras dorsalis aus der Münchener Staats- sammlung, von Prof. Müuter-Mainz 1911 am unteren Amazonas gesammelt. Eine große Anzahl von fossilen Wlöckönsischrehe aus dem mittleren Pliozän des Natrontales, Ägypten. Diese Stacheln, hauptsächlich Synodontiden und Clarias, sind mir nebst anderen Fischresten aus denselben Schichten von der Münchner Staatssammlung, dem Senekenbergischen Institute in Frankfurt a. M. und dem Geologi- schen Institute der Universität Freiburg i. B. zur Zeit zur Be- arbeitung übergeben worden. - Von Silurus glanis L. standen eine größere Anzahl von Skeletten der Münehner Staatssammlung, sowie eigenes, zum Teil frisches Material zu Gebote. | e) Vom Zwergwels, Amiurus nebulosus, sowie von Flossenstacheln des Karpfens konnte reichlich frisches Material beschafft werden. f) Zum Vergleiche wurden Schliffpräparate von Flossenstacheln und von Hautzähnchen von Lorieariiden angefertigt. Ferner kam mir eine größere Anzahl von Dünnschliffen durch Fischzähne, welche ich für andere Zwecke angefertigt hatte, zur vergleichenden Unter- suchung sehr zustatten, wie auch die Sammlung von Dünnschliffen im Münchner Geologisch-paläontologischen Institute. g) Im übrigen konnte zur makroskopischen Untersuchung das ganze Material der Münchner Staatssammlung an Siluriden und Lorica- riiden herangezogen werden. =: & & Ich fühle mich verpflichtet, an dieser Stelle dem Vorstand des zoologischen Institutes und der zoologischen Staatssammlung, Ge- heimrat R. v. HerrwıG, und dem zweiten Vorstand der Sammlung, Prof. K. Zimmer, meinen ergebenen Dank zum Ausdruck zu bringen für die Förderung, welche sie meiner Arbeit in jeder Weise an- gedeihen ließen, ebenso Prof. A. RotupELZ, dem Vorstande des paläontologischen Institutes, in welchem ich ebenfalls arbeitete, und dem Konservator derselben Sammlung, Prof. BroıLı. Insbesondere aber bin ich Kustos Prof. MüLLEr-Mainz zu Dank verpflichtet, der mir bei der Inanspruchnahme der Sammlung stets in der liebens- würdigsten Weise Hilfe leistete, und sodann meinem, leider während 33* 496 Bernhard Peyer der Ausführung dieser Arbeit von München abwesenden verehrten Lehrer Prof. v. STROMER, der mir die Bearbeitung der interessanten ägyptischen fossilen Welsreste in uneigennützigster Weise überließ. Neben der Untersuchung von Totalpräparaten bei Lupenvergröße- rung fertigte ich reichlich Dünnschliffe an, teils unter Verwendung des von Voigt & Hochgesang, Göttingen, in den Handel gebrachten, vorzüglichen Aufklebe- und Einhüllungsmittels »Collolith« und Ein- schluß der Schliffe in dickflüssigen Canadabalsam. Zum Teil aber wurde es notwendig, auf einen Einschluß des Präparates zu ver- zichten; in diesem Falle wurden die Schliffe jeweils vor der Unter- suchung mit einem Tropfen Wasser benetzt, mit einem Deckglas bedeckt und so untersucht. Eine Anwendung von Färbeverfahren erwies sich bei diesen Schliffen im allgemeinen nicht als notwendig; gelegentlich wurde Bleu de Lyon verwendet. Das Polarisations- mikroskop wurde als überaus wertvolles Hilfsmittel häufig benützt. Zur Nachprüfung wurden von mit Sublimateisessig fixiertem und in Salpetersäure entkalktem Material von Sılurus glanis, Amiurus nebu- losus und Cyprinus carpio Schnittserien angefertigt. Der Versuch, auch von dem nicht für histologische Zwecke konservierten Material von Oxydoras spec. Schnitte herzustellen, ergab, wie zu erwarten, keine befriedigenden Resultate. Es wurden vornehmlich in drei Schnittrichtungen Dünnschliffe hergestellt: 1. Mit Bezug auf den ganzen Flossenstachel Längsschliffe, deren Richtung bei dem Stachel der Rückenflosse der medianen Sagittal- ebene des Körpers entspricht, beim Brustflossenstachel dagegen bei horizontaler Lage des Stachels mehr oder weniger einer Frontal- ebene. Mit Bezug auf das einzelne »Zähnchen« sind e Vertikal- schliffe. Ich bezeichne Schliffe von dieser Orientierung kurzweg als » Flossenstachel-Längsschliffe«. 2. In Hinsicht auf den ganzen Flossenstachel Quer- bzw. Schräg- schliffe. Mit Bezug auf das einzelne »Zähnchen« sind es ebenfalls Vertikalschliffe, für welche ich zum Unterschied von den erstgenannten die Bezeichnung »Flossenstachelschrägschliffe« verwenden werde. 3. Senkrecht zur Längsachse des einzelnen »Zähnchens« orien- tierte Schliffe, »Zähnchen <-Horizontalschliffe. Sämtliche Textfiguren wurden von Herrn Universitätszeichner A. BIRKMAIER ausgeführt, welcher die oft schwierige Aufgabe mit seiner gewohnten Geschicklichkeit und mit außerordentlicher Gewissenhaftig- keit bewältigte, wofür ich ihm zu besonderem Danke verpflichtet bin. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie 1. Die Flossenstacheln von Doras. a. Makroskopischer Befund. des Karpfens. 497 Wie bei den Vertretern der Welsfamilie der Doradidae ! über- haupt, und, was wenigstens die Brustflosse anlangt, bei Siluriden im allgemeinen, so ist bei Doras der erste Strahl der Rücken- und Brustflosse als kräftiger Knochen- stachel ausgebildet, der durch sinnreiche Sperr- vorrichtungen ohne Muskelarbeit in abduzierter Stel- lung erhalten werden kann (Tnaıto, 1879). Beim Rücken- wie beim Brustflossenstachel sind sowohl die vordere (kraniale, nach vorn konvexe) Kante, wie die hintere (kaudale, nach hinten konkave) Kante von ungefähr spitz kegelförmigen Gebilden eingenommen, die wie Zähnchen aussehen. Fig. 1 zeigt diese Zacken an einem sehr großen Rücken- flossenstachel von einer nicht näher bestimmbaren Doras-Art. Auf Tafel II, III und IV der Aıcaer- schen Arbeit, Fig. 16—42, ist die Form der »Zähn- chen«, wie der ganzen Flossenstacheln an Hand von Photographien eingehend geschildert. Aus dem zu- gehörigen Textabschnitt läßt sich auch eine zu- treffende Beschreibung wenigstens der makroskopi- schen Verhältnisse herauslesen, sofern die, wie später nachgewiesen werden soll, unrichtigen Be- zeichnungen »Zahnkeim, Zahnsäckchen« usw. durch andere Ausdrücke ersetzt werden. Die einzelnen Zacken stehen nicht senkrecht zur Längsachse des Flossenstachels, sondern schräg, und zwar in der Weise, daß an der konvexen (bei abduziertem Stachel vorderen, kranialen) Kante die einzelnen Spitzchen mehr oder weniger nach dem distalen Ende des Stachels gerichtet sind, an der konkaven Kante dagegen nach dem proximalen Stachelende. Wie ich AıcHeL bestätigen kann, wird die Stellung der »Zähnchen« von den häufig fest- zustellenden Verkrümmungen des ganzen Stachels beeinflußt. An solchen Krümmungsstellen kann es zu allen möglichen Lage- und Formveränderungen, ı Systematische Anordnung nach TATe REGAN (1911). Fig. 1. Stachelder Rückenflosse von Doras spec, in seit- licher Ansicht. (Sehr großes, altes Exemplar.) Vergr. 0,75:1. 498 e ti: Bernhard :Peyer: ai] ni rs zu Verschmelzungen oder Schwund. der einzelnen Spitzchen kommen. Die »Zähnchen« sind nicht frei zutage liegend, ‚sondern meist völlig von der dünnen Haut bedeckt. Nur das äußerste Ende mancher Spitzchen an der konvexen Stachelkante, welche dem Vorderrande der ganzen Flosse entspricht, tritt hin und wieder unter Durch- bohrung des Körperepithels frei hervor. Viel seltener ist dasselbe Verhalten an der konkaven (kaudalen) Kante des Stachels. Wahr: scheinlich handelt es sich hierbei vielfach um postmortale Vorgänge, welche erst bei der Konservierung und dem Transport des Materials auftreten. Auch beim lebenden Fisch dürften solche Zerreißungen des Epithels infolge von mechanischen Insulten, namentlich an der vorderen Stachelkante, häufig vorkommen, aber immer wieder rasch Fig. 2. Ozxydoras spec. Vertikalschliff durch vier-Knochenzacken des Brustflossenstachels. :(Stachellängs- längsschliff.) Vergr. 16:1. Zentraler Ben, des Stachels schwarz; getuscht. ce re ausgeheilt werden. Die Haüt schmiegt sich den Zähnchen nicht innig an, sondern sie ist an der vorderen Stachelseite von den Spitzen der » Zähnchen <-Reihe zu der scharf abgesetzten vorderen Kante des eigentlichen Stachels zeltartig hinübergespannt; darauf verläuft sie, dem Stachel eng anliegend, bis zu dessen hinteren Kanten, von wo die Hautbedeckung der rechten und linken Flossenflä iche bei der Rückenflosse, der oberen und unteren Fläche der Brustilosse sich wiederum zeltartig, die »Zähnchen« der konkaven Stachelseite zwi- schen sich fassend, zum ersten gegliederten Flossenstrahl hinüber- spannt. AICHEL bezeichnet die auf diese Weise in der Umgebung _ der einzelnen zähnchenförmigen Gebilde aufgetretenen Lückenräume als »Zahnsäckchen«. Seiner Beschreibung der makroskopischen Ver- hältuisse habe ich folgendes beizufügen: Die »Zähnchen« haben an naßkonservierten Exemplaren ein mil- chig weißes Aussehen. .Sie sind: an der Spitze so weich, daß sie sich Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 499 leicht mit dem Messer schneiden lassen. Beim Austrocknen nehmen sie eine gelbliche Färbung an und werden hart. Wie sich beim Wachstum die Form und die relative Größe des ganzen Stachels ändert, so ist dies auch der Fall hinsichtlich der Form und der An- zahl der einzelnen »Zähnchen«. Diese werden gedrungener; auch die äußere Skulptur ändert sich. Im Zusammenhang mit dem Stärker- werden des ganzen Flossenstachels sind die »Zähnchen« nicht nur absolut, sondern auch relativ breiter geworden; auch der Abstand von Spitze zu Spitze ist, wenigstens im distalen Abschnitt, größer geworden. Auf die am proximalen Ende auftretenden abweichenden »Zahnformen«, welche AıcHzL besonders eingehend beschrieben hat, werde ich in anderem Zusammenhange zurückkommen. b) Untersuchung von Dünnschliffen. Die Prüfung einer größeren Anzahl von Dünnschliffen, welche ich durch die fraglichen zähnchenförmigen Bildungen in verschiedener Fig. 3. Ozydoras spec. Vertikalschliff durch eine der Knochenzacken des Brustflossenstachels. (Stachel- längsschliff.) Vergr. etwa 64:1. 500 Bernhard Peyer Schliffrichtung angefertigt habe, ergab nun mit völliger Sicherheit, daß es sich überhaupt nicht um Zähne handelt, sondern daß es lediglich Auswüchse des Knochens sind. Die ganze kegelförmige Bildung besteht von der Spitze bis zur Basis, d. h. bis zu dem zen- tralen Kanal, der den ganzen Flossenstachel der Länge nach durch- zieht, lediglich aus Knochengewebe, und nicht etwa aus einer jener Modifikationen ohne Knochenhöhlen (ohne »Knochenkörperchen«) wie sie nach KoELLIKER (1859) z. B. bei den meisten Stachelflossern unter den Teleosteern vorkommen und als osteoides Gewebe (KOELLIKER) zu bezeichnen sind, son- dern aus völlig typischem Knochengewebe, bei wel- chem die Bildungszellen in Knochenhöhlen (Knochen- körperchen) eingeschlossen worden sind (s. Fig. 4). In der Art ihrer Verästelung weisen diese Knochenhöh- len einen großen Formen- reichtum auf. Die Höhlen der äußeren Lagen sind mehr oder weniger spindel- förmig, während nach innen zu weniger langgestreckte Formen erscheinen. Die Doras dorsalis. Vertikalschliff durch die Spitze einer der Knochenhöhlen der Mitte a en 07 | der Kopeibasla, Damm nach allen Dimensionen eine ungefähr gleich große Ausdehnung, und die Verästelung ist un- regelmäßig, während die feinsten Verästelungen der spindelförmigen Höhlen alle senkrecht zur Längsachse der Spindel verlaufen. Sehr regelmäßig ist, wenigstens in den äußeren Partien des kegel- förmigen Gebildes die Anordnung der Knochenhöhlen in konzen- trischen Lagen. Der ganze Kegel besteht aus vielen solchen inein- andergeschachtetelten Kegelmänteln, wobei die Dicke jeder dieser Lagen der Ausdehnung einer Knochenhöhle entspricht. Während im allgemeinen diese Lagen nicht scharf voneinander abgesetzt sind, ist, jeweilen nach einigen Lagen, auf dem Schnittbilde eine schärfere Trennungslinie zu erkennen (s. Fig. 3). Zweifellos entsprechen die zwischen zwei solchen Absätzen liegenden Schichten einer Wachs- Fig. 4. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 501 tumsperiode. Welchem Zeitraume aber eine solche Periode entspricht, das zu entscheiden dürfte für Doras zurzeit vollständig unmöglich sein, da über Wachstum und Alter des Fisches viel zu wenig bekannt ist. Eine bloße Zählung dieser »Jahresringe« kann deswegen nicht zum Ziele führen, weil offenbar fortwährend die innersten Lagen behufs Bildung und Vergrößerung des zentralen Hohlraumes, der hauptsäch- lich von Fettgewebe (gelbem Knochenmark) erfüllt ist, osteoklastisch resorbiert werden. Zudem erhebt sich die Frage, ob überhaupt die Bildung der neuen Knochenschichten in regelmäßigen, mit den kli- matischen Verhältnissen zusammenhängenden Zeitintervallen erfolgt oder nicht. Im Amazonasgebiete, wo die Gattung Doras hauptsäch- lich verbreitet ist, fallen Temperaturgegensätze von vornherein weg. Die zähnchenförmigen Kno- chengebilde sind, wie auch das Knochengewebe des ganzen Sta- chels, von einem System von Ka- nälen durchsetzt, welche offenbar von trophischem Charakter sind. Die stärksten dieser Kanäle finden sich am Grunde der Einsenkung zwischen zwei aufeinanderfolgen- den »Zähnchen«, wie aus Fig. 2 Fig, B. ALTIREEH uf) 1. h HERAN N und 3 ersichtlich ist. Eine strikte | gay aut. hi THAN NR ATRISHMARTAN IR udn Lagebeziehung zwischen dem Ver- lauf der Kanäle und der Anord- nung der Schichten von Knochen- Oxydoras spec. Horizontalschliff durch eine der höhlen, sowie der Richtung der Re ne einzelnen »Knochenkörperchen«, wie sie bei Haversschen Systemen ausgeprägt ist, besteht hier nicht. Ganz allgemein läßt sich nur sagen, daß die meisten Kanäle nur senkrecht zur Oberfläche verlaufen. Diese Kanäle entsprechen somit VoLkmaAnnschen Kanälen. Sie treten auch im Knochengewebe des übrigen Stachels in gleichartiger Weise auf. Aus Fig. 7, welche einen Teil eines Flossenstachelquerschliffes bei stärkerer Vergrößerung wiedergibt, ist die Lagebeziehung zwischen einem solchen Kanal und den Schichten der quer getroffenen Knochenhöhlen ersichtlich. Neben diesem Kanalsystem kommen aber auch, wie wenigstens am Stachel der Rückenflosse nachgewiesen werden konnte, richtige Haversche Kanäle vor, deren Verlauf mit der Längsrichtung des Stachels übereinstimmt. Kanäle dieser Art finden sich in der Nähe a Mil | 502 rel oh sıwar vnut, Bernhärd «Peyör +); »ir.asitassut". sy Sl des Zentralkanales des Stachels. Die Knochenlamellen, welche: sie konzentrisch umgeben, heben sich. bei ‚Betrachtung unter: gekreuzten Nıcouschen Prismen ungemein scharf. von dem umgebenden Knochen- gewebe ab, wie übrigens auf demselben Schliffe (Fig. 6) auch das „Zähnchen« und diejenigen der parallel zur Oberfläche verlaufenden Knochenschichten des ganzen Stachels, mit welchen eine neue Wachs- tumsperiode anhebt bzw. abgeschlossen ist. 'Von: den weiten: HAvEr- schen Kanälen gehen, wie aus Fig. 6 ersichtlich, die zuerst 'beschrie- benen, VoLKMAnNschen Kanälen entsprechenden, engern Kanäle ‚ab, welche nicht von Knochenlamellen umscheidet sind. 1°... Fig. 6. 2 ge N a Vertikalschliff durch eine der Knochenzacken des Rückenflossenstächels. (Stachelschrägschliff.) Oxydoras spec. Vergr. A :1. $ Aus der vorhergehenden Schilderung der tatsächlichen Befunde dürfte zur Genüge hervorgegangen sein, daß bei einer mikroskopi- schen Untersuchung von Dünnschliffen überhaupt nichts von dem, was AICHEL von persistierender Zahnpulpa, von mikroskopisch nach weis- baren Zahnkeimen und von deren Beeinflussung durch die mecha- nischen Verhältnisse der Umgebung, von Einsenkung des ‚Schmelz- keimes usw. zu finden ist. Die »Zähne« an den:Flossenstacheln von Doras sind keine Zähne, sondern kegelförmige Auswüchse des Knochens. Es ist weder Schmelz, der ja häufig bei Zähnen fehlen kann, noch auch Dentin vorhanden. Die ganze Bildung besteht nur aus Knochen- gewebe. Die Tatsache, daß die »Zähne« an älteren Flossenstacheln eine andere Form besitzen, als an jtingern Stacheln, ohne daß ein »Zahnwechsel« festzustellen ist, war. vielleicht an dem AıIcHEL zu (ebote stehenden Materiale nicht in die Augen springend; doch hätte Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 503 schon der Umstand stutzig machen müssen, daß die »Zahnkeime« gerade am proximalen Stachelende sich finden, während im Übrigen das Längenwachstum des Stachels am distalen Ende stattfindet, an welchem Ende sich auch an Flossen von erwachsenen Tieren ge- wissermaßen embryonale Verhältnisse studieren lassen. Geeignete Jüngere Stadien von Doras, etwa Jungfische von wenigen Zentimetern Länge, stehen mir ebensowenig zu Gebote, wie AıcHEL. Allein schon die einfache Überlegung und Untersuchung, wie aus einem jüngeren, dünneren und kürzeren Flossenstachel ein alter, dicker und längerer Stachel wird, ist: geeignet, ganz abgesehen von dem Fehlen des Dentins, die Unhaltbarkeit der Aıcheuschen Darstellung zu erweisen und gleichzeitig eine Aufklärung zu geben über die Entstehungsweise jener nicht einfach kegelförmigen, sondern ‘komplizierter gestalteten Bildungen am proximalen’ Stachel- ende, die AıcHEL als »trituberkuläre Zähne« beschrieben hat. Für diese Überlegung ist es vorläufig nicht notwendig, das Längenwachstum, welches auf das distale Stachelende beschränkt ist, mit zu berlicksich- tigen; schauen wir nur, wie aus dem Ozydoras spec. Ausschnitt aus einem Quer- dinneren Stachel ein diekerer wird. schliff durch den Brustflossenstachel, eineu ß 3 R VOLKMANNschen Kanal bei stärkerer Vergröße- Aus den Figuren 2 bis 6 ist zung zeigend, Vergr. Leitz Obj. VIIL, Ok. 1. ohne weiteres ersichtlich, daß diese Vergrößerung durch schichtenweise Apposition von weiterem Knochen- material sowohl auf das »Zähnchen« als auch auf den übrigen Stacheln stattfinden muß. Demnach müßte der jüngere, kleinere Stachel im größeren, älteren enthalten sein. Er ist es auch in der Tat, wenn auch nicht mehr vollständig. Von den oben beschriebenen Schichten in Form von ineinandergeschachtelten Kegelmänteln war jede einzelne einmal die äußerste, bis sie von einer weiteren überdeckt wurde. Hand in Hand mit der äußeren Auflagerung geht aber im Inneren des Stachels ein osteoklastischer Abbau der ältesten Schichten vor sich, welcher zur Bildung und Vergrößerung des zentralen Kanals führt. Denkt man sich nun in einen Flossenstachel von bestimmter Größe die kleineren Stadien desselben Stachels hineinprojiziert, so kommen sie zum großen Teil in den genannten Hohlraum zu liegen. Der ganze Vorgang läßt sich somit einigermaßen, natürlich nur unter Fig. 7. 504 Bernhard Peyer Berücksichtigung der beträchtlichen Verschiedenheiten, vergleichen mit der Wachtumsweise der Diaphyse von Röhrenknochen, z. B. des Menschen. Diesen letzteren Fall hat KoELLIKER, dem wir die grund- legenden Untersuchungen über Resorptionserscheinungen verdanken, schematisch veranschaulicht (1889, Fig. 270). Der Zentralkanal des Flossenstachels ist streng genommen nicht rein zylinderförmig, sondern der Hohlraum zieht sich mehr oder weniger flach kegelförmig unter die Basis eines jeden »Zähnchens« hinein. Dieses Verhalten ist schon bei Lupenbetrachtung von Total- präparaten erkennbar; deutlich geht es aus Fig. 2 hervor. In diesem Zusammenhange wäre auch die Frage zu untersuchen, inwiefern neben dem Abbau an der Wand des zentralen Kanals auch Um- oder Neubildungen vor sich gehen. Für solche scheint zu sprechen, daß die beschriebene konzentrische Schichtung im inneren Kern der kegelförmigen Bildung nicht mehr klar erkennbar ist, und daß hier die Knochenhöhlen eine andere Form aufweisen, als in den äußeren Schichten. Kehren wir nun nochmals zu der Vorstellung zurück, daß wir uns den kleineren Stachel im größeren eingeschachtelt denken (wie er es ja auch tatsächlich ist, soweit er nicht durch osteoklastische Zerstörung verschwunden ist), und fragen wir uns nun, wie zufolge dieser Vorstellung der proximale Stachelteil im Innern beschaffen sein muß. Es ist nun ohne weiteres ersichtlich, daß diejenigen Zähnchen, welche am distalen Ende eines sehr jungen, kleinen Stachels gelegen sind, bei einer Projektion dieses kleinen Stachel- umrisses in den großen Stachel hinein an eine Stelle zu liegen kom- men, wo an letzterem auf dem entsprechenden Querschnitt äußerlich überhaupt keine wohlentwickelten Kegelspitzen mehr vorhanden sind, sondern nur unbedeutende, oft seltsam geformte kleine Erhebungen, eben jene Bildungen, welche nach Aıcner (1915, z. B. Taf. III Fig. 29 und 33) trituberkuläre Zahnanlagen sein sollen. Wie es um diese »Zahnkeime« tatsächlich bestellt ist, das geht aus Fig. 11, 12 und 14 S. 508, 509 ohne weiteres hervor, wo durchaus gleichartige Verhältnisse am Brustflossenstachel eines pliozänen Syno- dontiden bildlich wiedergegeben sind, ebenso aus Fig. 29, welche sich auf Flossenstacheln des Karpfens bezieht. Der Fig. 14 abgebildete Längsschnitt durch den proximalen Teil eines Flossenstachels ent- spricht vollständig den oben entwickelten Vorstellungen über das Diekenwachstum. Das Kleinerwerden der frei hervorragenden Spitzen gegen das proximale Stachelende hin kommt dadurch zustande, daß Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 505 in dem Tale zwischen zwei Spitzen eine dickere Knochenschicht ab- gelagert wird, als auf denselben. Indem so durch jede weitere auf- gelagerte Knochenschicht das Tal weiter eingeebnet wird, kommt es schließlich zu einem völligen Verstreichen der ursprünglichen Skulptur: Die »Zähnchen« sind verschwunden. Es ist nun ohne weiteres zu ersehen, daß dadurch, daß jeder neu aufgelagerte Knochenmantel die Form des ursprünglich regelmäßigen, spitz-kegelförmigen Knochen- vorsprungs weniger getreu wiedergibt, als noch die vorhergehende Schicht, sich auch die Entstehungsweise jener aberranten Formen aufklärt, welche nach AıcHer trituberkuläre Zähne sein sollen. Im Interesse einer Schonung des mir anvertrauten Materials habe ich darauf verzichtet, die Einzelheiten dieses Vorganges speziell bei sol- chen »trituberkulären« Formen an für diesen Zweck herzustellenden Dünnschliffen besonders zu verfolgen. Die allgemeinen Verhältnisse ließen sich an weiteren als den hier abgebildeten Fällen völlig be- stätigen, z. B. bei Nematogenys inermis Guich., und es ist anzunehmen, daß sie zum mindesten bei allen ostariophysen Fischen, welche Flossenstacheln mit ähnlichen kegelzahnförmigen Knochenauswüchsen besitzen, dieselben sind. Daß die jeweils neu auf den bestehenden Knochenkegel abgelagerte Schicht nicht überall dieselbe Dicke be- sitzt, läßt sich auch auf Fig. 2, sowie auf den Querschliffbildern Fig. 5 und Fig. 15 erkennen. In der Arbeit von AıcHeL ist ausführlich die Rede von der Aus- bildung von »trajektoriellen Knochenmassen«, durch welche die »Zahn- keime« teils durch Kompression, teils durch Zerrung störend beein- flußt werden sollen. Bei einer Betrachtuug von Fig. 6 der vorliegen- den Arbeit, S. 502, läßt sich dagegen deutlich erkennen, daß die kon- zentrischen Knochenschichten an den Seiten des Stachels einfach zur Bildung des »Zähnchens« aufgebogen sind. Weniger klar sind diese Verhältnisse an Brustflossenstacheln. Hiervon soll in anderem Zu- sammenhange nochmals kurz die Rede sein, ebenso von der »Spaltung der Zahnkeime«. Nach den bisherigen Feststellungen wird es notwendig, nach einer einwandfreien Bezeichnung für die zähnchenförmigen Bildungen zu suchen. In der systematischen Literatur wird meist mit Bezug auf den ganzen Flossenstachel der Ausdruck gezahnt, gezähnelt oder gesägt verwendet. Gegen diese Bezeichnungsweise ist durchaus nichts einzuwenden. In eine gewisse Verlegenheit kommen wir erst, wenn wir dies einzelne, kegelzahnförmige Gebilde benennen sollen; denn der treffendste Ausdruck, Knochenstachel, ist schon für den ganzen 506. .«: incl abern os: »Bermhard .Peyer ersten Flossenstrabl vergeben. Das Diminutivum »Stächelchen« oder die Bezeichnung »Dorn« dürften kaum verwendbar sein. - Am ein- wandfreisten ist wohl der Ausdruck »Knochenzacken«. Werden die fraglichen Bildungen einfach als »knöcherne Zähnchen«. bezeichnet, so gut, wie man. von Chitinzähnchen, Schloßzähnen an Muschel- und Brachiopodenschalen, hornigen Zähnchen bei Cyclostomen usw. spricht, so befriedigt der Ausdruck deswegen nicht völlig, weil dabei das Wort »Zahn« im allgemeinsten Sinne verstanden werden muß, damit nieht in der Bezeichnung »knöcherne ai ein „Widerspruch im Beiwörte Erle wird. Seh. ve Die Flossenstacheln. von an aus dem ‚Pliozän des. Natrontales (Ägypten). :, Es mag etwas seltsam: ‚erscheinen, daß hier: zur Untersuchung morphologischer Fragen bei rezenten Formen auch jungtertiäre fos- sile Vertreter herangezogen : werden, die sich. gar nicht wesentlich von den heutigen unterscheiden, zum Teil mit ihnen direkt identisch sind. Im vorliegenden Falle rechtfertigt sich dieses Verfahren: in- sofern, als mir hier ein großes, vorzüglich erhaltenes Vergleichs- material zur Verfügung stand. Schon bevor ich mit der vorliegenden Arbeit begann, hatte Prof. v. STROMER an einem Längsschliff durch ein Stück eines solchen Synodontiden-Flossenstachels festgestellt,‘ daß hier nur Auswüchse des Knochens vorliegen. Da jedoch an dem betreffenden Präparate die Spitzen der knöchernen Zähnchen nicht erhalten waren, so wurde es notwendig, zur Untersuchung eine An- zahl weiterer Dünnschliffe herzustellen. Diese bestätigen die bei Doras gewonnenen Ergebnisse in jeder Hinsicht, sodaß ich mich hier: auf eine kurze Beschreibung der Abbildungen Fig. 8 Fis 20 unter Hervorhebung einiger Einzelheiten beschränken kann. Was die systematische Stellung anbelangt, so fanden sich unter den Stacheln solche, die sicher mit dem rezenten Genus Synodontis identisch sind, wie aus dem miterhaltenen Schultergürtel hervorgeht. Hingegen war es mir nicht möglich, ‘ohne Heranziehung eines größeren rezenten Vergleichsmateriales die für die Dünnschliffe verwendeten Stacheln, welche sich von den heute in Ägypten lebenden Synodontis- arten hauptsächlich durch eine viel bedeutendere Größe auszeichnen, sowie dadurch, daß die Zähnelung des konvexen 'Stachelrandes: we- niger deutlich ist, mit Sicherheit zu ‚bestimmen. Bei. der Vornahme dieser Bestimmungen hoffe ich) gleiehzeitig in etwas 'allgemeinerer Weise feststellen ‘zu können, wieweit ‚überhaupt : fossile Flossen- Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 507 stacheln spezifisch und generisch bestimmbar sind, ‚nach welchen Kriterien. sie zu unterscheiden sind und welche Unterschiede nur solche‘ des: Alters sind oder bei rezenten Formen nur als Varietäten auftreten. Tagen: 1° ERROR? gt Die Figuren 8, 9 und 10 sollen veranschaulichen, wie die knöcher- nen Zähnchen an der konkaven, hinteren Kante des Brustflossen- stachels, obwohl im ganzen gleichartig, doch bei keinem Exemplar Brustflossenstacheln von Synodontiden aus dem Pliozän des Natrontales, Ägypten. Dorsalansicht Fig. 8 Vergr. 2:1. Fig. 9 Vergr. 4:1. Fig.10 Vergr. 2:1. genau in derselben Weise ausgebildet sind, wie beim anderen. Am konvexen Vorderrande des Stachels ist die Zähnelung schwach, manchmal nur angedeutet. ‘Auf Fig. 10 sind einige der knöchernen »Zähnchen« zu einem unförmigen Gebilde verschmolzen. Auf Fig. 11 und 12 ist das allmähliche Verschwinden der Zähnelung gegen das proximale Stachelende hin dargestellt, wobei in einem Falle (Fig. 11) eine gleichmäßige Größenabnahme festzustellen ist, während es im anderen Falle (Fig. 12) zu unregelmäßigen Bildungen gekommen ist. 508 Bernhard Peyer Es wäre leicht möglich gewesen, aus dem reichen Materiale noch eine ganze Anzahl von Formverschiedenheiten: dieser proximalsten Knochenspitzchen abzubilden, welche mit den entsprechenden Gebilden an den Flossenstacheln von Doras, die nach AıcHeEu trituberkuläre Fig. 11. Fig. 12. Brustflossenstacheln von Synodontiden aus dem mittleren Pliozän des Natrontales, Ägypten. Ansicht des Stachels nahe dem Gelenk, von hinten bzw. innen gesehen. Vergr. 4:1. Zahnanlagen sein sollen, recht weitgehend übereinstimmen. Da es sich jedoch auch hier zweifellos nur um Formunterschiede von Knochen- auswüchsen handelt, deren Entstehungsweise dieselbe ist wie bei Doras, so konnte füglich davon abgesehen werden, schon um die Zahl der Abbildungen nicht unnötig zu vermehren. Fig. 13. Brustflossenstachel von Synodontiden (siehe Erklärung Fig. 11 u. 12). Vertikalschliff durch vier Knochenzacken des Brustflossenstachels. (Stachellängsschliff.) Vergr. 16:1. (Quer durch jede Zacke zieht eine Bruchlinie.) Der Stachellängsschliff Fig. 13 zeigt die vollständige Überein- stimmung im Bau der »Zähnchen« mit denjenigen an den Flossen- stacheln von Doras. Auch hier besteht das ganze Gebilde aus konzen- trisch angeordneten Lagen von Knochensubstanz, welche von Kanälen durchsetzt werden. Diese stehen zur Anordnung der Knochenhöhlen in keiner engeren Beziehung. Auch die größten dieser Kanäle, welche Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 509 sich jeweils in der Einsenkung zwischen zwei Spitzen finden, sind nieht von Knochenlamellen umscheidet. Aus Fig. 14 ist ersichtlich, Fig. 14. Synodontide aus dem mittleren Pliozän des Natrontales, Ägypten. Längsschliff durch den Brust- flossenstachel nahe seinem proximalen Ende. Zentraler Hohlraum schwarz getuscht. Vergr. 8:1. wie am proximalen Stachelende die auf jüngeren Stadien auch hier vorhandenen »Zähnchen« von den zuletzt angelagerten Knochen- schichten vollständig ein- gedeckt worden sind. Der Horizontalschliff' durch einen der Knochenkegel Fig. 15 dient dazu, hin- sichtlichderäußeren Form die Fig. 8-10 zu ergän- zen. Gleichzeitig tritt na- türlich auch bei dieser Schliffrichtung die kon- zentrische Schichtung zu- tage. Auf dem Stachel- schrägschliff Fig. 16 tre- ten in Wirklichkeit die durch hellere und dunk- lere Färbung ausgezeich- neten Wachstumszonen Morpholog, Jahrbuch. 51. er 1 An kat >= ZART See Wi „fr Mi E „m G £ E Fr’ EA) Yy « Synodontide aus dem mittleren Pliozän des Natrontales, Ägypten. Horizontalschliff durch eine der Knochenzacken des Brustflossenstachels. (Die undeutlichen Stellen des Schliffes schraffiert.) Vergr. Leitz Obj. III, Ok. 1. 34 510 Bernhard Peyer stärker hervor, als bei dem gewählten Zeichnungsverfahren ohne Beeinträchtigung der Deutlichkeit des Bildes zum Ausdruck gebracht werden konnte. Diese Unterschiede der Färbung dürften keine ur- sprünglichen sein, sondern mit dem Fossilisationsprozeß zusammen- hängen. In ausgezeichneter Weise ist auch bei diesen fossilen Stücken die Form der Knochenhöhlen bis in die feinsten Veräste- lungen erkennbar. Die Mannigfaltigkeit der einzelnen Formen ist überaus groß, wie aus den Fig. 17, 18 und 19 abgebildeten Bei- spielen hervorgehen dürfte. In Übereinstim- mung mit Doras herrscht in den äußeren Schichten des Knochenkegels die Spindel- form vor, während nach innen und basal- wärts mehr oder weniger sternfürmig ver- ästelte Höhlen sich finden. Fig. 17 und 18 sind Ausschnitte aus demselben Schliff, der mit Bezug auf den ganzen Flossenstachel ein Schrägschliff, hinsichtlich des einzelnen Knochenkegels dagegen ein Vertikalschliff ist. Der Ausschnitt Fig. 17 ist aus der Nähe der Oberfläche etwa in der Mitte des Kegel- mantels; er zeigt den Übergang in der Form der Knochenhöhlen, während die sternförmi- gen Knochenhöblen Fig. 18 nahe der Basis sich finden. Aus dem ersten »Zähnchen«- Querschnitt Fig. 19 geht neben der Regel- mäßigkeit der Anordnung auch hervor, daß die Knochenhöhlen tatsächlich die nach dem Längsschnitt zu vermutende Spindelform N enoasrlide ans demPiiozinaes haben. Zu erwähnen ist noch, daß einzelne der Natrontales, Ägypten. Brust- Knochenhöhlen von einem tief dunkelbraunen ge N Hofe umgeben und innerhalb desselben nicht scharf zu erkennen sind. Die Bildung dieser Höfe ist zweifellos auf eine Anreicherung von gewissen anorganischen Verbindungen, höchstwahrscheinlich von Manganverbindungen, wäh- rend des Fossilationsprozesses zurückzuführen, welche Konzentration damit zusammenhängt, daß an der betreffenden Stelle eine inten- sivere Zersetzung von organischen Verbindungen stattfand. Es ist nicht unmöglich, daß die betreffenden Knochenhöhlen beim Absterben des Tieres noch nicht lufterfüllt waren, sondern eine Zelle umschlossen, Fig. 16. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 511 durch deren Zersetzung der genannte Anreicherungsprozeß eingeleitet wurde. Allerdings kann ebensogut eine bloße Ansammlung von Flüssigkeit in gewissen Knochenhöhlen bei der Verwesung des Tieres dasselbe bewirkt haben. Anhangsweise sei hier noch auf die Form des Brustflossenstachels einer Clarias-Art verwiesen (Fig. 20), welcher Wels neben Synodontis Fig. 18. Brustflossenstacheln von Synodontiden aus dem mittleren Pliozän des Natrontales. Ägypten. Fig. 17 u. 18: Vertikalschliff durch eine der Knochenzacken (Stachelschrägschlifi). Gruppen von Knochenhöhlen Clarias spec. Mittleres Plio- {Knochenkörperchen) Fig. 17 in den oberflächlichen, Fig. 18 in den zän des Natrontales, Ägyp- tiefen Schichten. Fig. 19. Ausschnitt aus einem Horizontalschliff ten. Brustflossenstachel. durch eine derKnochenzacken. Vergr. Leitz Obj. VIII, Ok.1. Red. auf!/.. Dorsalansicht, Vergr, 2:1. im mittleren Pliozän des Natrontales am häufigsten vorkommt. Bei ihm ist die Zähnelung auf die konvexe, kraniale Stachelkante be- schränkt. Bei rezenten Olarias-Arten ist zum Teil auch die konkave (kaudale) Kante des Stachels gezähnelt. 3. Die Flossenstacheln des Karpfens. Bevor wir in der Untersuchung der Flossenstacheln von Doras weiterfahren, namentlich bevor wir auf die im bisherigen nicht be- 34* 512 Bernhard Peyer rührte Frage des Längenwachstums näher eintreten, wird es not- wendig, zunächst die Beschreibung der Flossenstacheln eines anderen Östariophysen einzuschieben, nämlich des Karpfens; denn dieser zeigt im Bau der betreffenden Gebilde viel weniger spezialisierte, viel ur- sprünglichere Verhältnisse, mit welchen dann diejenigen bei den Welsen verglichen werden sollen. Die in der Systematik übliche Flossenformel lautet beim Karpfen: R 3-4/17-22 Br 1/15-16 B 2/8-9 A 3/5-6 S 17-19 d. h. die Rückenflosse besitzt 3—4 Stachelstrahlen, auf welche 17—22 gegliederte Weichstrahlen folgen, die Afterflosse 3 Stachelstrahlen und 5—6 Weichstrahlen. Von den Stachelstrahlen sind bei der Rückenflosse die 2 bzw. 3 vorderen, bei der Afterflogse die 2 vorderen nur kurze dreieckige Deckstücke an der Vorder- seite der Basis des folgenden Stachelstrahles. Wie alle übrigen Strahlen lassen sie deutlich eine Zusammensetzung aus einer linken und rechten Hälfte erkennen. Hinsichtlich ihres feineren Baues habe ich sie nicht eingehender untersucht, und es wird von ihnen nicht weiter die Rede sein. Erst der folgende Stachelstrahl, welcher bei der Rückenflosse dem 3. oder 4., bei der Afterflosse dem 3. Strahl entspricht, ist zu einem längeren, kräftigen, starren Knochenstachel ausgebildet, des- sen Hinterrand gesägt (gezähnelt) ist. Während sich die Rücken- und Afterflosse durch die Form, die Anzahl der Flossenstrahlen und am lebenden Fisch auch durch konstante Färbungsverschieden- heiten unterscheiden, ist dieser Knochenstachel as bei beiden in gleichartiger Weise ausgebildet. "RAN Dr Walk Im allgemeinen ist lediglich der Stachel der Rückenflosse etwas stärker gekrümmt. Was nun die Unterscheidung von Stachelstrahlen und Weich- strahlen anlangt, so hat sich hierüber am klarsten GÜNTHER 1880 (ich zitiere nach der deutschen Übersetzung 1886), dessen Abbildung der verschiedenen Typen von Flossenstrahlen bei Teleostomen in alle Lehrbücher übergegangen ist, auf S. 27 des Handbuchs der Ichtho- logie in durchaus zutreffender Weise folgendermaßen ausgesprochen: Bei dem Malacopterygiertypus bleiben alle Strahlen gegliedert; zwar ist hier manchmal der vorderste Strahl mit den ihm vorangehenden Fig. 21. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 513 kurzen Rudimenten ebenfalls verknöchert und ein harter Stachel, doch lassen sie beinahe immer die Gliederung deutlich erkennen. Über die besondere Art und Weise dieser Gliederung macht jedoch GÜNTHER keine weiteren Angaben. In der neueren Literatur habe ich, abgesehen von vereinzelten Beobachtungen, wie von JAQuer (1898) über den Brustflossenstachel des Donauwelses (Silurus glanis L.), in dieser Hinsicht keinen weiteren Aufschluß finden können. Dementsprechend ist auch in den Lehrbüchern diese besondere Frage trotz ihrer systematischen Bedeutung nicht immer mit der wünschenswerten Genauigkeit be- handelt!. Bei Leunss-Lupwis, Synopsis (1883) findet Fig. 24. D SUNBRLNES KENN BCH Bu DEE 90 WR WG 7 Stacheln der Rücken- und Afterflosse des Karpfens in seitlicher Ansicht. Vergr. 2:1. sich die in dieser Form direkt unrichtige Angabe ($ 465, 8. 634 oben): »Bei den Weichflossern aber sind alle Strahlen der R gegliedert, mit alleiniger Ausnahme der allervordersten, von denen namentlich einer ! In dem von PAPPENHEIM bearbeiteten Abschnitt »Pisces« der Süßwasser- fauna Deutschlands (Jena 1909) sind die Verhältnisse des Karpfenflossenstachels in einer Anmerkung (S. 130) durchaus zutreffend beschrieben, ohne daß jedoch entsprechend dem knappen Raum, Einzelheiten berücksichtigt werden. 514 Bernhard Peyer ein Stachel sein kann,« wobei auf das Beispiel des Karpfens (Fig. en verwiesen wird. Demnach erscheint es durchaus gerechtfertigt, einmal die Flossen- stacheln auch einer so bekannten Form wie des Karpfens an Hand von Abbildungen genauer zu schildern. Ich hoffe diese Untersuchung über den Bau der Flossenstrahlen später auf alle Teleostomen aus- dehnen zu können, während ich mich in der vorljegenden Arbeit auf die Karpfen, die Welse und Loricariiden beschränken muß. - An Flossenstacheln des Karpfens im frischen Zustande, aber auch an Formol- oder Querschnitt von Flossenstachen Alkoholmaterial, weniger gut an trockenen en re a m Skeletten, läßt sich deutlich erkennen, daß das lenkende des Stachels. distale Stachelende noch nicht verknöchert, Er: sondern weich ist, und daß es eine deutliche Segmentierung aufweist. Nur die Grenzlinien zwischen den alleräußer- sten Segmenten verlaufen gradlinig, quer zur Längsachse des Stachels. Weiter nach dem Körper zu weist jede dieser Grenzlinien eine wink- lige Kniekung auf, deren Winkel distalwärts offen ist (s. Fig. 21—26). Fig. 28, Fig. 29. Karpfen. Rückenflossenstachel. Sagittaler Längsschliff nahe dem proximalen Stachelende. Vergr. 10,66 :1. Jedem der genannten Segmente entspricht in der linken wie der rechten Stachelhälfte je ein Zähnchen. Bei der rein lateralen An- sicht, wie sie die Fig. 21—26 bieten, konnte naturgemäß nur die Zähnchenreihe einer Stachelhälfte dargestellt werden. Zur körper- lichen Ergänzung dieser Bilder diene der Querschnitt Fig. 28. Je weiter wir die Segmentierung vom distalen Stachelende weg nach dem Körper zu verfolgen, desto mehr verschwindet ihre Deutlich- keit, bis zur völligen Unkenntlichkeit. Der proximale Hauptteil des Stachels hat durch völlige Verschmelzung der Segmente einen durch- Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 515 aus einheitlichen Charakter angenommen. Wie aus den Abbildungen hervorgeht, verhalten sich in dieser Beziehung die verschiedenen Stacheln verschieden. Während man an einem Stachel eine ganze Anzahl von Segmenten deutlich erkennen kann, lassen sich am nächsten nur die alleräußersten mit Sicherheit erkennen. Diese Ver- schiedenheit hängt nicht unbedingt mit der Größe des Stachels zu- sammen. Der Aufbau ‘des Stachels aus zwei symmetrischen Hälften, von denen jede ihre Zähnchenreihe besitzt, ist namentlich distal sehr deutlich. Proximalwärts kann es zu, wenn auch unbedeutenden, Ver- schmelzungen in der Medianebene des Körpers kommen. Am Trocken- skelett kann man häufig beobachten, daß die äußerste Spitze des Stachels, die noch nicht verknöchert war, weggebrochen ist, wobei die Bruchlinie stets entsprechend der Segmentgrenze verläuft. (Siehe Fig. 22 und 23.) Nach dem proximalen Ende hin nehmen auch die »Zähnchen« an Höhe ab, bis sie vollständig verschwunden sind. Der Fig. 29 abgebildete Längsschliff durch den proximalen Teil eines Flossenstachels gibt nun darüber Aufschluß, daß 1. die kegelzahn- förmigen Bildungen wie bei Doras lediglich aus konzentrisch an- geordneten Lagen von echtem Knochengewebe bestehen, und daß 2. das Kleinerwerden und vollständige Verschwinden der »Zähnchen« am proximalen Stachelende in derselben Weise vor sich gegangen ist wie dort, so daß die für jenen Fall (S. 503.) angestellten Über- legungen hier nicht wiederholt zu werden brauchen. Bei Oyprinus kommt es dabei aus einem später (S. 517 und 518) zu erläuternden Grunde nicht zur Bildung jener komplizierten Formen, welche bei Doras von AıcHkL für trituberkuläre usw. Zabnanlagen erklärt wurden. Hingegen ist auch bei Cyprinus ersichtlich, wie die kegelförmigen Knochenbildungen nach Form und Stellung beeinflußt werden von Verbiegungen des ganzen Stachels und anderen Störungen, die jeden- falls häufig auf mechanische Insulte zurückzuführen sind. Fig. 24 gibt ein Beispiel davon. Im Grunde sind die »Zähncehen« überhaupt an keinem einzigen Stachel genau gleich wie am anderen. Die offen- kumdige Abhängigkeit vieler dieser Einzelformen von größeren oder kleineren Störungen, welche den Stachel als Ganzes betreffen, be- stätigt die allgemeine Erfahrung, daß das Knochengewebe überhaupt sich bei Veränderungen der statischen und mechanischen Verhältnisse ungemein rasch auf die neue Lage einstellt. Den Schluß dieses Abschnittes über die Flossenstacheln des Karpfens bilde noch eine vergleichende Betrachtung. Der Stachel ist nicht ungegliedert, sondern aus einzelnen Segmenten aufgebaut. 516 Bernhard Peyer Verglichen mit der Breite (d.h. der Ausdehnung in kranio-kaudaler Richtung) und der Höhe der Segmente in den anschließenden ge- gliederten Weichstrahlen der Flosse sind die entsprechenden Ab- schnitte beim Stachel viel breiter und höher. Liegt nun eiue Ver- schmelzung von mehreren Strahlen miteinander einerseits und von Segmenten untereinander andererseits vor, oder ist ein Strahl als soleher und im vertikalen Ausmaß seiner Segmente viel kräftiger ausgebildet worden? Ich vertrete die letztere Anschauung, weil 1. sich am distalen Stachelende keine Spur von einer Teilung des Strahles bemerken läßt, und weil 2. die besondere Lage des Stachels am vorderen Ende der Rücken- bzw. Afterflosse diese Auffassung begünstigt. Dementsprechend fasse ich einen derartigen Flossen- stachel auf als einen Flossenstrahl, der zwar gegliedert, aber an seinem Ende nicht dichotomisch verzweigt ist, kurz als einen ein- fachen gegliederten Strahl im Sinne von GÜNTHER. Wenn wir nun den Flossenstachel z. B. der Rücken- oder Afterflosse des Karpfens vergleichen mit der ursprünglichen Grundform der einfachen, ge- gliederten Strahlen, wie sie beispielsweise bei der mesozoischen Gat- tung Undina {welche zur Familie der Ooelacanthidae Huxley gerechnet wird) vorhanden sind, so erweist sich neben der allgemeinen Ver- stärkung des Stachelstrahles und seiner einzelnen Abschnitte als haupt- sächlichste Abweichung der Verlauf der Segmentgrenzen. Während die trennenden Flächen, welche die einzelnen Segmente begrenzen, bei der einfachen Grundform eben sind und senkrecht zur Längs- achse des Strahles verlaufen, erscheinen dieselben Flächen bei Oypri- nus proximalwärts eingebogen. Um einen Vergleich zu gebrauchen, liegen die Segmente des Strahles bei Undina aufeinander wie die einzelnen Stücke einer Geldrolle, während für die Anordnung bei Cyprinus etwa das Bild aufeinandergetürmter Uhrschalen heran- gezogen werden könnte. Das letztere stimmt aber deswegen nicht völlig, weil es sich bei Oyprinus meist nicht um eine Verbiegung, sondern um eine mehr oder weniger winklige Abknickung der Grenz- flächen der Segmente handelt, und sodann, weil sich auch aus der Zusammensetzung des Stachels aus zwei Hälften Komplikationen der Form ergeben. Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, daß diese Änderung der Gestalt der die Segmente begrenzenden Flächen durch die Ausbildung der starren Stachelform bedingt wurde, da die neue Form der Verbindungsfläche erstens bei gleichem Stachelquerschnitt größer ist und zweitens da auf ihr Verschiebungen wie auf einer Ebene nicht mehr möglich sind. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 517 Die einzelnen Segmente der Flossenstrahlen, genauer ausgedrückt die einzelnen Hälften jeden Segmentes, entsprechend dem paarigen Aufbau des Stachels (Zepidotrichia Goonrıcna 1903), werden mit den Schuppen und damit in mittelbarer Weise mit den Plakoidbildungen der Selachier verglichen. Indessen sind die exakten Beziehungen zwischen diesen drei verschiedenen Hartgebilden des Integumentes noch nicht völlig aufgeklärt. Es würde zu weit führen, hier näher auf diese Frage einzugehen, zumal da dieselbe bei der Besprechung der Lorieariiden nochmals kurz berührt werden muß. 4. Vergleichung der Fiossenstacheln von Doras und Cyprinus carpio. Obwohl nur die Stacheln der Rückenflossen verglichen werden können, da Cyprinus keinen Pektoralstachel besitzt, so ergeben sich doch aus dieser Vergleichung auch hinsichtlich des Stachels der Brustflossen bei Doras gewisse Anschauungen, welche sich durch Beobachtungen an anderen Welsen, von denen die folgenden Ab- schnitte handeln werden, stützen lassen. Die beiden Hauptmomente, welche uns die Verhältnisse bei Oyprinus gegenüber Doras viel ursprünglicher erscheinen lassen, sind folgende: 1. Bei Cyprinus läßt der distale Stachelabschnitt eine deut- liche segmentale Gliederung erkennen, wobei jedem Segmente ein »knöchernes Zähnchen« entspricht. 2. Die paarige Anlage des Stachels aus einer linken und rechten Hälfte ist bei Cyprinus namentlich im distalen Abschnitt ungemein deutlich ausgeprägt und selbst proximalwärts kaum durch Verwachsung verschleiert. Die beiden;Stachelhälften lassen sich nach vorhergegange- ner Mazeration sehr leicht trennen, wofern nicht schon der Mazerations- prozeß genügte, um einen Zerfall in die zwei Hälften herbeizuführen. Was nun den ersten Punkt anbelangt, so konnte ich bei Doras eine Segmentierung am distalen Ende nicht mit Sicherheit feststellen ; \ indessen kann dies möglicherweise an dem immerhin beschränkten Untersuchungsmateriale liegen. Es ist ganz zweifellos, daß eine solche auch hier ureprünglich vorhanden war, wie aus dem Verhalten vieler anderer Welse hervorgeht. (Vgl. z. B. Glyptosternum Fig. 53, S. 530.) Bei den fossilen Synodontiden ist die Segmentierung bei vielen Stacheln am distalen Ende zwar schwach, aber unverkennbar, angedeutet. (Siehe Fig. 8, S. 507.) Auch die Anlage des Stachels aus einer linken und rechten Hälfte ist bei Doras nicht mehr zu erkennen. Während bei Cyprinus jede Stachelhälfte ihre Reihe von kegelförmigen Knochenauswlchsen be- 518 Bernhard Peyer sitzt, wobei jedem Segment ein Paar von »knöchernen Zähnchen« zukommt, weist der Stachel der Rückenflosse von Doras eine einzige, in der Medianebene des Körpers gelegene Reihe von »knöchernen Zähnchen« auf. Auch am distalen Ende ist keine Trennung in zwei seitliche Hälften zu erkennen. Vielleicht ließe sich an genügend jungen Stadien eine paarige Anlage feststellen; es ist aber gar nicht ausgeschlossen, daß sie ontogenetisch überhaupt nicht mehr auftritt. Immerhin gibt es gewisse Eigentümlichkeiten, welche an die aus ver- gleichend-anatomischen Gründen anzunehmende ursprünglich paarige Anlage noch erinnern. Dazu rechne ich das Verhalten der »knöcher- nen Zähnchen« am proximalen Stachelende, wo statt einer Spitze deren zwei, eine linke und rechte auftreten können. AıcHeL (1915, S. 99 und an anderen Stellen) hat dieses Verhalten der rein knöchernen Kegelspitzen als »Spaltung von Zahnkeimen« beschrieben. Für eine ursprünglich paarige Anlage scheint mir auch eine Be- obachtung zu sprechen, welche ich an dem $. 502 Fig. 6 abgebildeten Schrägschliff durch den Stachel der Rückenflosse von Oxydoras spee. (mit Bezug auf das einzelne knöcherne Zähnchen einem Vertikal- schliff) bei Anwendung des Polarisationsmikroskopes machen konnte. Während nämlich bei Untersuchung in gewöhnlichem Lichte der in der Mitte des Bildes sich erhebende Knochenkegel, das »knöcherne Zähnchen«, durchaus einheitlich erscheint, heben sich bei Betrach- tung unter gekreuzten NıcoLschen Prismen die beiden Hälften un- gemein scharf voneinander ab. Die Grenze zwischen den beiden Farbengebieten bildet die Medianlinie. Eine Erörterung darüber, in welcher Weise diese Erscheinung zustande kommt, würde zu weit vom Thema abführen; zudem habe ich mich noch nicht eingehender mit dieser Frage beschäftigen können. Immerhin scheint &s mir nicht unwahrscheinlich, daß- dieses verschiedene optische Verhalten der beiden Stachelhälften im Gebiete des knöchernen Zähnchens irgend- wie mit der ursprünglich paarigen Anlage zusammenhängt. Was den Stachel der Brustflosse von Doras anbetrifft, für welchen der Karpfen keine Vergleichsmöglichkeit bietet, so ergibt sich aus Beobachtungen an anderen Welsen, die im folgenden mitgeteilt werden, daß auch für diesen Stachel überaus wahrscheinlich ist | 1. eine ursprünglich gegliederte Anlage und 2. ein paariger Bau. Hinsichtlich der Anlage der »knöchernen Zähnchen« des Brust- flossenstachels verweise ich auf die Ausführungen unter » Amwurus« S. 519 und »Silurus« S. 521. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 519 5. Die Flossenstacheln von Amiurus nebulosus. Eine andere Art derselben Gattung, Amiurus catus (L.) Gill ist von einigen kanadischen Autoren 1884 (siehe Literaturverzeichnis unter WRIGHT, R. RamsaY) gemeinsam monographisch bearbeitet wor- den; doch finden sich in diesen Arbeiten keine Angaben über die uns hier beschäftigende Frage. Nach Aıcakt (1915, S. 98) besitzt auch Amsu- rus nebulosus, wie Doras, einen Zahn- besatz der Flossenstacheln!. Es geht aus der Arcueuschen Arbeit nicht hervor, ob er überhaupt eine Untersuchung vorge- nommen hat, um diese Angabe machen zu können. Man sollte dies fast an- nehmen, da AıcHEL diese Form als ein geeignetes Objekt für experimentelle Er- forschung der Beeinflussung der Zahnform besonders empfiehlt. Auch hier ist von wirklichen Zähnen keine Rede. Die von AıcHEL für Zähne gehaltenen Bildungen bestehen lediglich aus Knochengewebe, wie durch Untersuchung von Schnittserien und Dünnschliffen ohne weiteres festge- stellt werden konnte. Es ist somitdiein der beschreibenden Systematik gebrauchte Ausdrucksweise, daß der hintere Rand des knöchernen Stachels der Brustflosse von Amiurus »gesägt« sei, durchaus zu- treffend. Die »knöchernen Zähnchen« Amiurus nebulosus. ’ Fig 30. Teil eines Brustflossenstachels sind nur an der Brustflosse wohl aus- ;u dorsaler Ansicht. Vergr.2,5:1. Um- Fig. 30. Fig. 31. ten Kö In nn ul mg nn m u u gebildet, am Stachel der Rückenflosse _ zin.T 21, Fig. 31. Teil der Brustflosse in dor- dagegen höchstens schwach angedeutet. saler Ansicht Vergr. 3:1. 1 »Ein kleiner Wels, Amiurus nebulosa (doch wohl Amiurus nebolosus?), der Flossenstacheln mit Zahnbesatz aufweist, wird heute häufig in Aquarien ge- züchtet. Es wäre erwünscht, daß an diesem Material die experimentelle For- schung einsetzte, um die allerdings ziemlich eindeutigen Schlußfolgerungen aus dem vorliegenden Material (d. h. aus den Arcuerschen Untersuchungen an Doras). zu stützen.e Soweit AıcHEL. Dadurch, daß es sich auch bei Amzurus nicht um Zähne, sondern nur um Knochen handelt, kommen diese Bildungen bei der Untersuchung von Zahnproblemen nicht in Betracht. 520 Bernhard Peyer Fig. 31 zeigt, wie auch hier die Zähnelung mit dem gegliederten Aufbau des Stachels zusammenhängt. Obwohl prinzipiell dieselben Verhältnisse vorliegen wie beim Karpfen, so ist doch die Form der einzelnen Segmente eine andere. Zum Vergleich sind zwei der an- schließenden gegliederten und terminal dichotomisch verzweigten Weichstrahlen mitgezeichnet. Auf Querschnitten ist der Aufbau des Brustflossenstachels aus zwei Hälften noch er- BE >. kennbar, obwohl nicht so deutlich, wie an der Rücken- oder Afterflosse des Karpfens. Neben der längs der konkaven Stachelkante verlaufen- nden Hauptreihe der knöchernen Spitzen kann noch eine zweite einhergehen, deren Spitzchen jedoch nur angedeutet sind. Demnach scheint hier das einzelne knöcherne »Zähnchen« nicht aus zwei symmetrischen Hälften zu bestehen, wie bei dem Rückenflossenstachel von Doras, sondern es scheint mir dem einen der beiden, beim Karpfen auf einem Flossenstachelquer- schnitt vorhandenen »Zähnchen« zu entsprechen, während das andere verkümmerte. Dabei habe ich nieht nur bei Amiurus, sondern überhaupt bei Welsen gefunden, daß, wenn sich über- haupt nähere Beziehungen der zahnförmigen Bildungen am Brustflossenstachel zu einer der beiden Längshälften des Stachels feststellen lassen, es stets die dorsal gelegene Stachel- komponente ist, welche entweder ausschließ- lich diese zähnchenförmigen Bildurgen besitzt ==% oder doch kräftigere Spitzchen als die ventral Siturus glanisL. Brustflossen- gelegene Komponente, oder daß, wo eine stär- ht Umrg 4. Kere Verschmelzung der beiden Stachelhälften vorliegt, die dorsal gelegene Hälfte den größeren Anteil an der Bildung der Spitzchen zu haben scheint. Der Brustflossenstachel eines jungen Zwergwelses von 40 mm Gesamtlänge mißt etwa 4 mm. Er weist erst drei der kegelförmigen Knochenauswüchse auf. Die Segmentierung war nicht sicher fest- zustellen. Am ausgewachsenen Stachel ist sie nicht nur an dem terminalen, noch nicht verknöcherten Abschnitte sehr deutlich, son- dern auch weiter proximalwärte noch angedeutet, wie aus Fig. 30 ersichtlich ist. Dieselbe Abbildung diene auch als Beispiel daftir, Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 521 wie mannigfaltige Formen die auf jüngeren Stadien einfach kegel- förmigen Knochenbildungen — die »Zähne« nach AıcHEL — bei älteren Flossenstacheln annehmen können. 6. Die Flossenstacheln von Silurus glanis L. Auf jüngeren Stadien sind die Segmentierung des Brustflossen- stachels und die Beziehung dieser Segmentierung zur »Zähnelung:, sowie auch die Zusammensetzung des Stachels aus zwei Längshälften deutlich erkennbar. Deshalb sehe ich davon ab, die allgemeinen Stlurus glanis L. Längsschliff durch Silurus glanis L. Brustflossenstachel. Querschliff. den distalen Teil des Brustflossen- Vergr. etwa 26,66 :1. stachels. Vergr. 10,66 :1. Ausführungen der früheren Abschnitte für diesen besonderen Fall zu wiederholen und verweise einfach auf die Fig. 32—34, welche die Gliederung des Brustflossenstachels von Silurus am distalen Ende wiedergeben. Diese tatsächlichen Verhältnisse hat schon MAurick JAquer (1898, S. 140) kurz beschrieben! und abgebildet (Pl. XII, Fig. 102), ohne sich jedoch weiter darüber auszusprechen. Während ı L’extremit& libre du rayon se divise dans le sens de sa longueur en deux moities symötriques qui peuvent facilement &tre d&tach&es l’une de l’autre. Chacune de ces parties est composee de pieces successives poss@dant une dent posterieure et pousse dorsalement de longs prolongements inclines en arriere et pour ainsi dire couch6s les uns sur les autres. 522 Bernhard Peyer an den von mir untersuchten Flossenstacheln jüngerer Tiere sich jeweilen nur eine einzige Reihe von »knöchernen Zähnchen« vor- fand, beschreibt JAQuUET deren zwei, von denen jeder Stachelhälfte eine zukommt. Es ist gut möglich, daß es sich hierbei um eine Variation handelt. Die Fig. 35—39 sollen nun veranschaulichen, wie sich die ein- fach kegelförmigen knöchernen Spitzen weiterhin verändern. Bei einem noch wesentlich jüngeren Exemplar als dem jüngsten hier ab- gebildeten, nämlich bei einem Tier von 70 mm Gesamtlänge, von der Schnauzenspitze bis zum Ende der Schwanzflosse gemessen, wies der Pektoralstachel eine Länge von 8 mm auf; davon waren mehr als die Hälfte, nämlich 5 mm, noch unverknöchert. Die »Zähnchen« Fig. 35. Fie. 36. Fig. 37. ) Stlurus glanis L. Brustflossenstachel. Dorsalansicht. Fig. 35 Vergr. A:1, Umriß 1:1. Fig. 36 Vergr. 2:1, Umriß 1:1. Fig. 37 Vergr. 2:1, Umriß 1:1. und die Gliederung des Stachels konnte äußerlich nicht festgestellt werden. Immerhin entsprach die Grenze zwischen verknöchertem und unverknöchertem Teil genau dem Verlauf der Segmentgrenzen bei älteren Tieren. Aus den Figuren geht hervor, daß die Zahl der »knöchernen Zähnchen« mit dem Größerwerden des Stachels zu- nimmt, daß jedoch proximalwärts schon eine ganze Anzahl davon durch die Art und Weise der Ablagerung neuer Knochenschichten eingedeckt worden sein muß. Mit der weiteren Größenzunahme verwildert nun sozusagen die ganze Bildung. Die Beziehungen der »knöchernen Zähnchen« zur segmentalen Gliederung sind verwischt, wie auch diese selber nicht mehr erkennbar ist. Auch an der gegen- überliegenden Stachelkante traten einzelne kleine Spitzchen auf. Die Form der Spitzen ist unregelmäßiger geworden. Verbiegungen und Verwachsungen sind häufig. Es kommt vor, daß zwei der »knöchernen Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 523 Zähnchen« zusammen spiralig aufgewunden und dabei zum Teil unter- einander verwachsen sind. Fig. 41 zeigt einen solchen Fall im Quer- schnitt, während Fig. 40 den Bau einer normaleren Spitze aus kon- zentrisch angeordneten Knochenlamellen erkennen läßt. Von diesen beiden Schliffbildern ist in Fig. 42 und 43 je ein kleiner Ausschnitt bei viel stärkerer Vergrößerung gezeichnet, um die reiche Verästelung Fig. 39. Fig. 40. \ N ! N NY N N N \y \ DREEE Silurus glanis L. Brustflossen- Silurus glanis L. Brustflossen- Vertikalschliff durch einen der Kno- stachel. Dorsalansicht. stachel. Dorsalansicht. chenzacken des Fig. 39 abgebildeten Vergr. 1:1. Vergr. 1:1. Brustflossenstachels von Silurus glanis. Vergr. etwa 10:1. der Knochenhöhlen in diesen zähnchenförmigen Auswüchsen des Knochens zu zeigen. Ob in der Ausbildung der genannten zähnchenförmigen Aus- wüchse des Brustflossenstachels bei Silurus glanis, die sicher beiden Geschlechtern zukommt, bei älteren Fischen ein sexueller Dimörphis- mus vorliegt oder nicht, darüber könnten erst Beobachtungen an einem großen Material Aufschluß geben. Abgesehen davon zeigt der hier bildlich wiedergegebene Fall, wie angebracht jene Bestrebungen 524 Bernhard Peyer der neuen zoologischen und namentlich paläontologischen Systematik sind, welche dahin gehen, den Altersdifferenzen innerhalb einer Art mehr Rechnung zu tragen, als es früher geschah. Fig. 41. ZAHN) NS i Silurus glanis L. Horizontalschliff durch eine der Knochenzacken des Fig. 39 abgebildeten Brust- flossenstachels. Vergr. Leitz Obj. III, Ok.1. 7. Die Flossenstacheln der übrigen Siluroidea, mit Ausnahme der Trichomycteridae, Callichthyidae und Loricariidae. Bei den folgenden kurzen Ausführungen folge ich der systemati- schen Anordnung der Welse, welche Tarz Recan (1911) gegeben hat. Dieses System bedeutet einen Fortschritt gegenüber demjenigen, das GÜNTHER (1864) aufgestellt hat, insofern, als neben Fig. 42. Fig. 43. as Silurus glanis L. Ausschnitt aus dem Vertikal- Silurus glanis L. Ausschnitt aus dem Horizontal- schliff Fig.40. Vergr. Leitz, Obj. VIII, Ok. 1. schliff Fig. 41. Vergr. Leitz Obj. VIII, Ok. 1. Red, auf 1.. Red. auf 1a. den rein äußerlichen Merkmalen, welche Güntner fast ausschließlich zur Unterscheidung heranzog, eine ganze Reihe namentlich von osteo- Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 525 logischen Charakteren diagnostisch verwertet werden. Das so sich ergebende System scheint wesentlich natürlicher zu sein als die An- ordnung bei GÜNTHER, welche ausgesprochen die unleugbaren Vorzüge, aber ebenso auch die Nachteile besitzt, welche mehr oder weniger mit jedem künstlichen System verbunden sind!. Mit Ausnahme der Chacidae, Amblycepidae, Pangasidae und Helogenidae konnten von sämtlichen Familien der Siluroidea Vertreter untersucht werden. 1. Fam. Diplomystidae. Diplomystes papillosus Dum. weist, wie ich an einem Exemplar im Kgl. Naturalienkabinett in Stuttgart dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen von Herrn Oberstudienrat LAMPERT und Herrn Kustos Dr. BucHneEr festellen konnte, am Stachel der Rückenflosse, wie auch der Brustflossen, eine ähnliche Art der Gliederung auf, wie Fig. 47 5. 527 von Ageniosus abgebildet. Es ist von Interesse, daB dieses Genus, welches sich von allen übrigen Siluroidea durch den Besitz eines bezahnten Maxillare unterscheidet, sich hinsichtlich der Flossenstacheln wie die anderen Welse verhält. 2. Fam. Ariidae?. Untersucht wurden: Arzus prdada Blkr., Arvus falcarius Rich., Arius herzbergi (Bl.), Arvus fissus (bzw. spien) Cuv. et Val., Hemipi- melodus borneensis Blkr., Ketengus typus Blkr., Arius (Hexanematich- thys) sundaicus (Blkr.), Galeichthys Parrae Val., Aelurichthys mari- nus Mitch. In der ganzen Familie der Ariidae im Sinne von TArE REGAN ist der Charakter der Segmentierung des ersten Strahles der Rücken- flosse wie der Brustflossen, welcher zwar gegliedert, aber nicht ter- minal dichotomisch verzweigt ist, soweit untersucht, ein durchaus gleichartiger. Dieselben Verhältnisse liegen auch bei den Plotosidae vor, so daß Fig. 48 (Plotosus) auch als typisches Beispiel für die 1 Mit den Vorschlägen von GıLL (1872), EIGENMAN (1890) und BOULENGER (1904), über welche TATE REGANn summarisch berichtet, habe ich mich bisher nicht näher befaßt. 2 Die hier verwendeten Namen dürften sich, namentlich was die Gattungs- namen anbelangt, nicht mehr durchwegs mit der in den neueren systematischen Spezialarbeiten gebräuchlichen Nomenklatur decken, welche ich nicht genügend berücksichtigen konnte. Welche Formen jedoch gemeint sind, kann kaum zweifel- haft sein, da ich, wo nicht neuere Angaben, doch stets den GÜüntHerschen Katalog (1864) benützt habe. Morpholog. Jahrbuch. 51. 35 526 ‘ Bernhard Peyer Ariidae gelten kann. Wie aus dieser Figur ersichtlich, verlaufen die Flächen, welche die einzelnen Abschnitte, Segmente, des Strahles Aelurichthys marinus. Rechte Brustflosse, Ventralansicht. Vergr. 2:1. voneinander trennen, bzw. die äußerlich sichtbaren Grenzlinien, welche die Lage der Flächen erkennen lassen, schräg zur Längsachse des ganzen Stachels, wobei sie nahe dem vorderen (konvexen, kranialen). Rande des Stachels eine winklige Kniekung auf- weisen. Das histologische Verhalten an diesen Tren- nungsstellen konnte nicht näher untersucht werden. Es ist indessen anzunehmen, daß hier die verknöcher- ten Abschnitte durch Bindegewebe miteinander ver- bunden sind. Proximalwärts verschwinden diese Seg- mentgrenzen mit der zunehmenden Verknöcherung des Strahles, wie nicht nur bei den eigentlichen Flossen- stacheln, sondern bei den knöchernen Dermalstrahlen, den Lepidotrichia (Gooprıch) überhaupt. Wie ganz allgemein bei Siluroidea, besteht eine scharfe Grenze zwischen dem verknöcherten proximalen Hauptteil des Flossenstachels und dem noch unverknöcherten distalen Ende. Das letztere läßt die Segmentierung besonders deutlich erkennen. Oft ist dieses weiche Ende abgerissen, so daß bei dem schrägen Verlauf der Segmentgrenzen die distale Fläche des zuletzt verknöcherten Segmentes leicht das wirkliche Stachel- ende vortäuschen kann, namentlich an trockenen Skeletten. Im allgemeinen umfaßt der unverknöcherte terminale Teil nur wenige Segmente!. Eine Aus- nahme bilden Galeichthys und namentlich Aelurich- Ihys marinus. Bei dieser letzteren Form entspricht an Rückenflosse und Brustflossen der verknöcherte Stachelteil sowohl hinsichtlich seiner Größe, ver- glichen mit den übrigen Maßen des Fischkörpers, als. auch namentlich, was die besondere Art und Weise der Segmentierung anlangt, den Verhältnissen bei Plotosus. An diesen verknöcherten Teil jedoch schließt 1 Die relative Länge des verknöcherten bzw. des distalen unverknöcherten Teiles bezogen auf die Gesamtlänge des Flossenstachels scheint, wie wenigstens für Sılurus glamis festgestellt werden konnte, nach dem Lebensalter verschieden zu sein. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 527 sich nun eine sehr große Zahl von unverknöcherten Segmenten an, so daß der Stachel in einen langen, biegsamen Faden ausgezogen er- scheint. (Siehe Fig. 44.) Über die ökologische Bedeutung dieser Ein- richtung ist mir nichts bekannt. Im einzelnen konnte ich an zwei verschieden großen Exemplaren von Aelurichthys marinus folgendes feststellen. Gesamt- Rückenflossenstachel | 1. Brustflossenstachel länge des ver- | unver- Zahl der un- ver- | unver- Zahl der un- Fisches .| knöcherter | knöcherter |verknöcherten knöcherter | knöcherter |verknöcherten in Anteil Anteil Segmente Anteil Anteil Segmente mm mm mm mm mm mm mm etwa 175 24 73 etwa 70 23 54 etwa 60 etwa 235 40 48 — 42 50 etwa 45 3. Fam. Doradidae. Untersucht wurden Doras dorsalis Val., Doras costatus Lacep. (nur ein ausgestopftes Exemplar), Doras humboldti Ag. —= Rhinodoras niger Val., Pe spec., Auchenipterus (Trachycorystes) trachycorystes Fig. 46, Aelurichthys marinus. Aus- Phractocephalus hemiliopterus Ag, Ageniosus inermis Lac. Linker schnitt aus Fig. AA. Linker Brustflossenstachel. Ven- Brustflossenstachel. Ventral- Vergr. 6:1. tralansicht. Vergr. 3:1. ansicht. Vergr. 6:1. Cuy. et Val., Ageniosus inermis Lac6p. Hierher dürfte auch Phracto- cephalus hemiliopterus (Bl. Schn.) gehören. Hinsichtlich Doras und Oxydoras sei auf die Beschreibung S. 497f. und die Fig. 1—7 verwiesen. Über die nähere Art und 35* 528 Bernhard Peyer Weise der Segmentierung konnte ich teils wegen der starken Ver- knöcherung der Stacheln, teils, weil das kurze, unverknöcherte distale Stachelende hierfür nicht genügend erhalten war, keine genaueren Fest- stellungen machen. Auf jeden Fall ist sie aber wesentlich verschieden von derjenigen bei Ariidae und Plotosidae, während bei Bagridae wieder ähnliche Verhältnisse vorliegen. Fig 47 zeigt die Gliederung des ersten Strahles der Brustflosse von Ageniosus inermis, Fig. 46 die- selbe von Phractocephalus hemiliopterus !. Fig. 48. Fig. 49. 4. Fam. Plotosidae. Untersucht wurden Plotosus canius Ham., Plotosus anguillaris (Bloch), Neosilurus Hyrtli Steind. Die wenigen untersuchten Vertreter dieser Familie zeigen an Rückenflosse und Brustflossen in gleicher Weise überaus deutlich den Fig. 48 abgebildeten Typus von Segmentierung. Es wäre wünschenswert, daß an einem größeren Materiale nachgeprüft würde, ob sich die ganze Familie in dieser Beziehung einheitlich verhält. 5. Fam. Siluridae.- Untersucht wurden Silurus glanıs L., Silurus auritus Geof., Pseudosilurus (Callichrous) bima- culatus Blkr., Callichrous checra Ham. Bei dieser Familie besitzt die Rückenflosse, wofern sie überhaupt vorhanden ’st, keinen starren, knöchernen Stachel. Trotzdem unter- Te BR a scheidet sich auch hier, wie bei stärker ver- Cuy. Brustflossenstache. knöcherten wirklichen Stacheln bei Sulurus Wie. 10, olichouscheera Jlamis der erste Dermalstrahl der Rückenflosse Ham, a von den folgenden, an ihrem freien Ende dicho- vu tomisch verzweigten Weichstrahlen durch die Art und Weise der Segmentierung, wie aus Fig. 50 ersichtlich ist. Diese Gliederung ist nicht äußerlich sichtbar, sondern sie läßt sich ! Nebenbei sei auf die eigentümliche Ausbildung der zweiten Rückenflosse bei Phractocephalus hingewiesen. Diese scheint sich zusammenzusetzen aus einer Fettflosse und aus kaudalwärts daran anschließenden weichen, gegliederten, aber nicht dichotomisch verzweigten Strahlen. tun 1 A Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 529 erst nach Aufhellung durch Kalilauge und Entfernung der pigmen- tierten Haut erkennen. Hinsichtlich des Stachels der Brustflosse von Silurus glanis sei auf die Beschreibung S. 521f. sowie auf die Fig. 32—43 verwiesen. Wie aus Fig. 49 hervorgeht, unterscheidet sich der Stachel an der Brustflosse von Callichrous von Silurus da- durch, daß die Segmentgrenzen in ihrem Verlaufe nicht einen deut- lich proximalwärts einspringenden Winkel erkennen lassen. Vielmehr verlaufen diese Grenzlinien auf einer kurzen Strecke an der konkaven (kaudalen) Stachelkante senkrecht zur Längsachse des Flossenstrahles, Fig. 52. Erster Strahl der Rückenflosse von Macrones tingara Blkr. Brust- Macrones tingara Blkr. Silurus glanis L. flossenstachel. Rückenflossenstachel. Vergr. etwa 10:1. Vergr. etwa DD :1. Vergr. etwa 20:1. wie es auch bei Pimelodidae und Cetopsis der Fall ist. Auch ist bei Callichrous keine der Kanten des Stachels gezähnelt, und der Stachel selber viel graziler gebaut. 6. Fam. Bagridae. Untersucht wurden Bagrus arioides (Cuv. et Val.), Bagrus bayad Cuv., Bagrus docmac Val., Bagrus micracanthus Blkr., Macrones gulio Ham., Macrones tingara Ham., Bagroides melanopterus Blkr. Bagrus arioides zeigt an der Rückenflosse wie auch an den Brust- flossen völlig mit Ariidae und Plotosidae tibereinstimmende Verhält- nisse. Bei den tibrigen untersuchten Vertretern der Familie ist sehr 530 Bernhard Peyer häufig die Art und Weise der Segmentierung des ersten Flossen- strahles an der Rückenflosse eine andere als an den Brustflossen. Die Fig. 51 und 52 dürften diese Verhältnisse besser erläutern .als eine lange Beschreibung. 7, Fam. Amiuridae. : Untersucht wurden Amiurus nebulosus (Raf.) und Amiurus catus s(L. ). Siehe die Beschreibung S. 519f. sowie Fig. 30 und 31. 8. Fam. Ambiysonidak Nieht untersucht aus Mangel an Material. 9. Fam. Sisoridae. Untersucht wurden Glyptosternum platypogon K.etv. St. Be sternum coum. (L.), Nangra (Pimelodus) Nangra (Ham.). Glyptosternum platy- pogon Cuv. et Val. Brustflossenstachel u. vorderster Teil der Flosse. Vergr. 4:1. An diesen wenigen untersuchten Formen war die Art und Weise der Segmentierung in ausgezeichneter Weise zu sehen. Auch hier verhalten sich, wie bei manchen Bagridae, Rücken- und Brustflossen ver- schieden. An dem Brustflossenstachel von ‚Glypto- sternum platypogon (Fig. 53) ist besonders deutlich zu erkennen, wie die »Zähnelung« des Stachels mit dessen segmentaler Gliederung zusammenhängt. 10. Fam. Amphiliidae. Untersucht wurde nur Amphiline anaxon. (Die genauere Bestimmung der untersuchten Form scheint nicht sicher zu sein, da die Sammlungsctikette mit einem Fragezeichen versehen ist. Eine Narren war mir zurzeit nicht möglich.) Hier liegt der seltene Fall vor, daß die Art si Weise der Segmentierung des ersten Flossenstrahles an den Brust- und Bauchflossen dieselbe ist. (Siehe Fig. 54.) Bei beiden ist der erste Flossenstrahl zu einem paddelruderartigen Gebilde verbreitert, welches von einer starken pigmentierten Hautschicht überzogen ist. Durch diese wird die segmentale Gliederung völlig verdeckt. Sie wird: erst erkennbar, nachdem diese Haut teilweise entfernt worden ist und nachdem durch Betupfen mit schwacher Kalilauge eine Aufk ol herbeigeführt worden ist. ae EEE EEE Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 531 11. Fam. Chacidae. Aus Mangel an Material nicht untersucht. Rückenflosse und Brustflossen besitzen je einen Stachel. 12. Fam. Schilbeidae. : Untersucht wurden Arlia bengalensis Gr. und Avhia affinis Gnthr. Der ungemein zart gebaute Stachel der Brustflossen zeigt die Fig. 55 wiedergegebenen Verhältnisse. Fig. 54. Fig. 55. 13. Fam. Clariidae. Untersucht wurden Olarvas lazera, Clarias fusceus C. et V., COlarias gabonensis Gothr., Olarias punctatus Blkr., sowie Saccobranchus fossilis (Bl.) und $. singio Ham. Die, Gattung . Clarias zeichnet sich dadurch aus, daß die »Zähnelung« entweder auf die vordere (kon- vexe) Stachelkante beschränkt ist, oder doch hier stärkere Ausbildung zeigt als an der hinteren Kante. Da nur einige junge Tiere untersucht werden konnten, an welchen die segmentale Gliederung nicht sehr scharf zu sehen war, so muß erst eine Untersuchung der Flossenstacheln von großen Exemplaren vorgenommen werden, bevor nähere Angaben gemacht werden können. Bei Saccobranchus ist die Haut der Brustflosse stark pigmentiert. _ In der Art und Weise der Segmentierung ent- spricht diese Gattung genau dem bei den Plotosidae beschriebenen Typus (s. Fig. 48). N N (ss N. 14. Fam. Pangasiidae. Aus Mangel an Material nicht untersucht. Fig.54. Amphiline anoxon. Rech- 15. Fam. S yn 0 d ont i d ae ter Brustflossenstachel. Dorsal- F ansicht. Vergr. 6:1. Untersucht wurden Synodontis Schal und Fig-55. AilinaffinisGuthr. Brust- n x flossenstachel. Vergr. Leitz, Synodontis arabi Cuv. et Val., welch letztere opj. IIL, Ok.1. Red. auf !. Spezies nach GÜNTHER mit $. Schal identisch Fig. 56. Pimelodus spec. Brust- ; 3 flossenstachel. Vergr. 6:1. ist, ferner eine Anzahl von Skeletten und einzelne fossile Flossenstacheln, hinsichtlich welcher ich auf die Be- schreibung S. 506f. und die Fig. 8—9 verweise. Die Art und Weise 532 Bernhard Peyer der Gliederung ist infolge der starken Verknöcherung des Stachels nicht leicht festzustellen. An den in Alkohol konservierten Exemplaren war leider das unverknöcherte Stachelende nicht sehr gut erhalten. 16. Fam. Malopteruridae. Malopterurus electricus. Der erste Strahl der Brustflosse ist zwar anscheinend am distalen Ende nicht dichotomisch verzweigt, wie die folgenden Strahlen es sind. Im übrigen aber gleicht er diesen voll- ständig, namentlich auch darin, daß die Segmentgrenzen einfach senkrecht zur Längsachse des Strahles verlaufen. Die Gliederung der Strahlen ist äußerlich nicht sichtbar, da dieselben von der dicken, pigmentierten Haut verdeckt werden. 17. Fam. Pimelodidae. Untersucht wurden: Pimelodus spec., Pimelodus Petenensis Gnthr., P. maculatus -Lae., P. viridescens Lac., P. sebae Cuv. et Val., P. mo- destus Gnthr., Callophysus ctenodus (Ag.), Piramutana blochüi Cuv. et Val., Platystoma spec., Sorubim (Platy- stoma) lima. Bei den untersuchten Formen entspricht die Seg- mentierung des ersten Flossenstrahles der Rücken- und Brustflosse ohne größere Abweichungen dem Fig. 56 abgebildeten Typus. Was den Aufbau des Stachels aus zwei Strahlen anlangt, so konnte speziell an einer noch nicht näher bestimmten Prmelodus-Art! festgestellt werden, daß hier die Zähnelung auf die dorsal gelegene Komponente beschränkt ist. 18. Fam. Helogenidae. Aus Mangel an Material’ nicht untersucht. 19. Fam. Hypophthalmidae. Eile ein Hypophthalmus edentatus Spix. Die untersuchte /atus Spix. Linker Form entspricht im Typus der Segmentierung der Brustflossenstachel. 5 b \ A Vergr, etwa 16:1. Flossenstacheln den Pimelodidae. Am kranialen ı Vom Rio Saimiria, einem Seitenflüßchen des oberen Amazonas, ober- halb Iquitos, Dep. Lor&to Peru. Die betreffenden Exemplare wurden mir von meinem Reisegefährten Prof. BLuntscHLı freundlichst zur Untersuchung über- lassen. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 533 Rande des Stachels zieht sich vor den Enden der Segmente ein wahrscheinlich ebenfalls verknöchernder und mit den Segmenten ver- schmelzender Strang der Länge nach hin, über dessen Herkunft ich, da keine weitere Untersuchung möglich war, mir nicht Klarheit ver- schaffen konnte (Fig. 57). Ähnliches scheint auch bei Pimelodidae vorzukommen. 21. Fam. Bunocephalidae. Untersucht wurden Aspredo (Platystacus) cotylephorus (Bloch) und Aspredo laevis (Platystacus laevis) Bloch = Aspredo batrachus L. Der erste Strahl der Rückenflosse ist zwar am Ende nicht dichotomisch verzweigt, gleicht aber im übrigen sehr den folgenden Weich- strahlen. Der erste Strahl der Brustflosse ist überaus stark verknöchert. Das unverknöcherte distale Ende zeigt einen Typus von Segmen- jsyredo cotylophorus (Bloch). tierung, wie er bei Bagridae und Doradidae Distales Ende des verknö- . de . . - . - cherten Teiles des Brust- in sehr ähnlicher Weise auftritt. (Siehe Fig. 58.) s#ossenstachels. Vergr. 4:1. Fig. 58. Eine zusammenfassende Beurteilung der hier mitgeteilten Be- obachtungen über den Bau des ersten Strahles der Rücken- und Brustflossen bei den Siluroidea folgt im übernächsten Abschnitt, S. 536. 8. Die Flossenstacheln der Loricariidae, Callichthyidae und Trichomycteridae. 23. Fam. Loricariidae. Untersucht wurden Loricaria spee., Loricaria cataphracta L., Acanthieus hystrix Spix, Oxyloricaria lyra?, Hypostomus commer- sonü Cuv. et Val., Ancistrus cirrhosus Kn. = Xenocara cirrhosa, Fypostomus plecostomus (L.) Ancistrus spec. Die hierher gehörigen Formen unterscheiden sich von den bisher untersuchten Siluroidea durchweg durch folgende zwei Merkmale: 1. die Segmentgrenzen verlaufen niemals schräg, sondern, wofern sie erkennbar sind, stets senkrecht zur Längsachse des Flossenstrahles. 2. Die Flossenstrahlen sind, wie andere Teile der Körperoberfläche, durch den Besitz echter Hautzähnchen ausgezeichnet, welche beweg- lich mit dem Knochen des Flossenstrahles verbunden sind. Die Gliederung des Stachels in einzelne Abschnitte ist bald un- gemein deutlich (Zoricaria, Oxyloricaria, Arges), bald kaum oder gar 534 u : -: Bernhard Peyer.. nicht zu erkennen (Plecostomus, Acanthicus), ebenso der paarige Auf- bau des Stachels. Von den Hautzähnchen soll ein besonderer Ab- schnitt handeln: 22. Fam. Gallichthyidae. Untersucht: Callichthys asper (L.). An dem vorliegenden Exemplare habe ich eine segmentale Gliede- rung des Stachels nicht erkennen können; doch ist es nicht aus- geschlossen, daß eine solche an ‚geeignetem Materiale wenigstens terminal sich nachweisen ließe. Auch die Flossenstrahlen dieser Familie besitzen echte Hautzähnchen. 20. Fam. Trichomyecteridae. = Untersucht wurden: Cetopsis eaecutiens Lichtenst., Cetopsis can- dira Ag., Trichomycterus dispar (Tschudi), Trichomn PR maculatus Cuv. et Val., Nematogenys inermis Guich. Nematogenys inermis zeigt nun (siehe Fig. 62 u. 63) sehr bemerkenswerte Ver- Fig. 61. Cetopsis candira Ag. Loricaria cataphracta L. Linker Ausschnitt aus Fig. 60. _ Brustflossenstachel. Brustflossenstachel. Dorsal- Vergr. etwa A0:1. Vergr. 12:1. ansicht. Vergr. A:1. hältnisse im Bau des Stachels der Brustflosse. Während nämlich sonst, soweit ich beobachten konnte, an keiner anderen Körperstelle echte Hautzähnchen vorkommen, weist die untere Fläche des Brust- flossenstachels einen schmalen, bürstenförmigen Besatz von solchen Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 535 Zähnchen auf, die wie bei Loricariiden mit den knöchernen Segmenten des Strahles beweglich verbunden sind. Nicht damit zu verwechseln sind die zähnchenförmigen Auswüchse des Knochens, welche sich an der kaudalen Stachelkante finden und, wie bei Doras und Oyprinus, proximalwärts an Größe abneh- men. Es konnte festgestellt werden, daß die Größenabnahme gegen das Gelenkende des Stachels hin bis zum völligen: Schwunde genau in derselben Weise mit der Art des Diekenwachstums zusammenhängt, wie für Doras, Synodontis und Cyprinus _ ausein- andergesetzt wurde. Die Segmentgrenzen verlaufen eben, quer zur Längsachse des Stachels. Es erscheint mir zweifellos, daß auch hier je eine solche knöcherne Spitze einem Segment des Dermalstrahles entspricht wie bei Cyprinus, obwohl infolge der pro- ximalwärts erfolgten Verschmelzung der Seg- mente der ursprüngliche Zusammenhang nicht mehr ersichtlich ist!, Die beiden untersuchten Arten von Tri- chomyeterus besitzen ebenfalls eine quere Segmentierung des Brustflossenstachels (siehe Fig. 64). Echte Hautzähnchen ließen sich auf dem Flossenstachel nicht feststellen, dafür aber auf den Operkularknochen. Dagegen scheint Cetopsis sicher nicht in diese Familie hineinzugehören, denn diese Form besitzt keine echten Hautzähnchen, während die Segmentierung der Flossenstacheln etwa wie bei den Pimelodidae beschaffen ist (s. Fig. 59). Bei Trichomyeterus läßt sich, wie bei manchen Loricariiden, der Flossenstachel bis ziemlich nahe an das Gelenkende in seine zwei Kom- ponenten (Lepidotrichia) zerlegen. Fig. 63. Fig. 62. Fig. 62. Nematogenys inermis Guich. Rechter Brustflossen- stachel. Ventralansicht. Vergr. 4:1. Fig. 63. Nematogenys inermis Guich. Ausschnitt aus Fig. 62. Vergr. 15:1. Fig. 64. Trichomycterus macula- tus Cuv. et Val. Brustflossen- stachel. Vergr, 9:1. ! Daß neben den echten Hautzähnchen am hintern Stachelende eine feine Zähnelung auftritt, deren einzelne »Zühne« indessen nur Fortsätze der Knochen- substanz sind und daher mit den eigentlichen Dentinzähnen nichts zu schaffen haben, konnte 0. HErrwıqG (1876, S. 360) auch an Flossenstacheln von Oallichthys longifilis feststellen. 536 Bernhard Peyer 9. Die taxonomische Bedeutung des Baues der Flossenstacheln bei Welsen und Panzerwelsen. Wir haben gefunden, daß der erste Dermalstrahl der Rücken- flosse und der Brustflossen nicht nur durch das stärkere Maß der Verknöcherung sich von den folgenden Weichstrahlen unterscheidet, sondern auch dadurch, daß er an seinem distalen Ende nicht dicho- tomisch verzweigt ist. Auch die Stachelstrahlen bestehen aus zwei Längshälften, welche wenigstens im distalen Abschnitt segmental ge- gliedert sind. In der besonderen Art und Weise dieser Gliederung unterscheiden sich nun die Loricariidae, Callichthyidae und Tricho- mycteridae pro parte sehr wesentlich von allen anderen Familien der Siluroidea.. Während nämlich bei diesen letzteren die Segment- grenzen schräg zur Längsachse des Flossenstrahles gerichtet sind, verlaufen sie bei den genannten drei Familien, soweit erkennbar, rechtwinklig dazu, genau wie bei den folgenden gegliederten und am distalen Ende dichotomisch verzweigten Weichstrahlen sowohl dieser Formen, als auch aller übrigen Siluroidea. Diese Art der Segmentierung scheint mir zweifellos die ursprünglichere zu sein. Hand in Hand geht der Besitz von echten Hautzähnchen, sei es mehr oder weniger am gesamten Integument, sei es nur noch an verein- zelten Stellen. Diese echten Hautzähnchen sind nicht zu verwechseln mit den zahnförmigen Bildungen der Flossenstacheln oder z. B. bei Doras auch der Knochenschilder der Haut, welche nur aus konzen- trisch angeordneten Lagen von zellenhaltigem, d. h. Knochenhöhlen besitzendem Knochengewebe bestehen. Der gemeinsame Besitz dieser beiden Einriehtungen scheint mir nun hinreichend zu sein, um die Loricariidae, Callichthyidae und den Hauptteil der Trichomyeteridae nieht mehr den Siluroidea unterzuordnen, sondern sie denselben als gleichwertige Unterabteilung der Ostariophysen, als Loricarioidea gegenüberzustellen. Wie aus der Beschreibung nach einzelnen Familien hervorgeht, dürfte auch innerhalb der so beschränkten Abteilung der Siluroidea der besonderen Art und Weise des Verlaufes der Segmentgrenzen an den Flossenstacheln eine nicht geringe systematische Bedeutung zukommen. Insbesondere sei hervorgehoben, daß bei einer ganzen Anzahl der von Tare ReGAn als besondere Familien abgegrenzten Gruppen auch der Bau der Flossenstacheln, namentlich der Brust- flossen, charakteristische Eigentümlichkeiten aufweist. Obwohl ich den Eindruck habe, daß gerade diese Merkmale auch bei beträchtlichen Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 537 Änderungen der übrigen Organisationsverhältnisse im allgemeinen zäh festgehalten werden und darum sehr geeignet sind, verwandtschaft- liche Beziehungen aufzudecken, so liegt es mir doch ferne, die Be- deutung dieser einen Merkmalsgruppe zu überschätzen. Der von TAarTE REGAn eingeschlagene Weg, möglichst viele Merkmale zur Be- urteilung der Verwandtschaftsverhältnisse heranzuziehen, ist zweifellos der einzige, der zu einer wirklich natürlichen Gruppierung führen kann. Wie gesagt dürften in den Organisationsverhältnissen des ersten Strahles der Brustflosse bei Siluroidea Merkmale vorliegen, die im allgemeinen zäh festgehalten werden; doch scheint es mir dabei wahrscheinlich, daß es daneben besondere Fälle gibt, in welchen unter dem Einfluß besonderer Lebensbedingungen erhebliche Ände- rungen auftreten können, ohne daß dabei diesen oft ganz bedeutenden Abweichungen eine entsprechende taxonomische Bedeutung zukommen dürfte. Dies zeigen einerseits der Fall von Aelurichthys marinus, andererseits die Verhältnisse z. B. bei Saccobranchus und Malopterurus, vielleicht auch von Amphiline anaxon. Obwohl bei Malopterurus die Segmentgrenzen auch am ersten Strahl der Brustflosse nicht schräg, sondern senkrecht zur Längsachse des Flossenstrahles gerichtet sind. so möchte ich diese Form deswegen nicht zu den Loricarioidea stellen. Es scheint mir vielmehr hier ein dem ersten Flossenstrahl der übrigen Siluroidea homologes Gebilde zu fehlen, vielleicht rückgebildet zu sein Ohne daß ich bisher der Sache genauer nachgehen konnte, scheint mir doch eine Art von Gesetzmäßigkeit vorzuliegen in der Weise, daß bei allen denjenigen Siluroidea (und vielleicht Fischen überhaupt), welche als Schlammfische bezeichnet werden (wie z. B. Saccobranchus) und welche an manchen Organisationsverhältnissen, besonders der Atmungsorgane, erkennen lassen, daß die Anpassung an diese Lebens- weise schon weiter zurückdatiert, auch hinsichtlich der Brustflossen, welche im allgemeinen zur Rückbildung neigen und besondere Formen angenommen haben, die besondere Eigentümlichkeit aufweisen, daß die Dermalstrahlen, die Lepidotrichia, nicht mehr oberflächlich liegen. Vielmehr sind dieselben unter einer starken, oft pigmentierten Haut- schicht verborgen. Ihre segmentale Gliederung ist äußerlich nicht mehr sichtbar. Gleichzeitig erscheinen sie auch nicht mehr von plattem, sondern von annähernd kreisrundem Querschnitt. Es wäre nieht ohne Interesse, einmal auch die von GoopkıcH (1904) genau untersuchten Dermalstrahlen der Dipnoerflosse, die er Camptotrichia benannt hat, unter diesen funktionellen Gesichtspunkten zu be- trachten. 538 Bernhard Peyer ' Der Vollständigkeit halber sei noch folgendes erwähnt: Der erste Strahl der Brustflosse von Lepidosteus, der am freien Ende nicht diehotomisch verzweigt, sondern einfach ist und eine quere Gliederung aufweist, läßt sich leicht der Länge nach so halbieren, daß mit jeder Längshälfte die zugehörige Reihe der Fulera im Zusammenhange er- halten bleibt. Das so sich bietende Bild hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Segmentierung des ersten Brust- oder Rückenflossenstrahles etwa bei Pimelodidae (s. Fig. 56) namentlich hinsichtlich des Winkels, den die Fulera mit der Längsrichtung des Flossenstrahles bilden. Man könnte dabei auf die Idee kommen, daß der erste Flossenstrahl bei Siluroidea entstanden sei durch Verwachsung von Fulera mit einem einfachen gegliederten Dermalstrahl. Dazu wäre aber not- wendig, daß genau jedem Segment ein Fulerum entsprechen würde, was bei Lepidosteus nicht der Fall ist. Auch aus anderen Gründen erscheint mir ein derartiger Vorgang recht unwahrscheinlich. .» Die Entscheidung darüber, wie weit die im vorhergehenden mit- geteilten Beobachtungen über den verschiedenen Bau der Flossen- stacheln, namentlich desjenigen der Brustflosse, innerhalb der Silu- roidea im engeren Sinne, systematisch verwertbar sind, muß ich denjenigen Fachgenossen überlassen, welche auf Grund reicher Er- fahrung auf dem mir neuen Gebiete der ichthyologischen Systematik und an der Hand eines umfassenden Materials in der Lage sind, ein Urteil abzugeben; daß die hier als Loricarioidea zusammengefaßten Formen wirklich näher untereinander verwandt sind als mit den Siluroidea, scheint mir dagegen durch die hier vorgebrachten Gründe überaus wahrscheinlich gemacht. 10. Die Hautzähnchen der Loricarioidea.. . Während es sich bei den zähnchenförmigen Bildungen an den Flossenstacheln von Doras und anderen Welsen nur um Auswüchse des Knochens handelt, sind die Zähnchen des Integumentes bei den Loriearioidea richtige Hautzähnchen. Sie besitzen eine Zahnpulpa, echtes Zahnbein (Orthodentin), ein Schmelzoberhäutchen und wahr- scheinlich auch Schmelz oder eine schmelzähnliche Substanz von ektodermaler Herkunft. Durch O. Herrwıe ist in einem Falle fest- gestellt worden, daß ihre Entwicklung wie bei Zähnen unter Be- teiligung einer ektodermalen und einer mesodermalen Gewebsschicht erfolgt. So spezialisiert im übrigen die Organisationsverhältnisse der Loricarioidea auch sein mögen, so scheint es sich doch bei dem Besitz dieser Hautzähnchen um eine überkommene, ursprüngliche Einrich- Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 539° tung zu handeln, deswegen, weil bedeutsämerweise mit dem Besitz dieser Einrichtung ein Bau des ersten Strahles der Brustflosse Hand in Hand geht, welchen wir gegenüber den Verhältnissen bei Siluroidea als viel ursprünglicher, einfacher bezeichnen müssen. Das Hautskelett der Panzerwelse wurde zuerst von L. AGassız (1833—43, Bd. I, S. 68—80, Atlas Bd. I, Taf. 4, Fig. 27—31) be- schrieben und abgebildet; sodann von Wırrıamson (1851, S. 658, Taf. 29, Fig. 15 u. 16). Weiter trugen zur Kenntnis dieser Bildungen HEıscke (1873) und BAupeLor (1873) bei. Eine zusammenfassende Darstellung gab dann (1876) O. Herrwıs auf Grund von ungemein genauen Untersuchungen an Hypostoma und Callichthys im Zusam- menhang mit seinen übrigen Arbeiten über das Hautskelett der nie- deren Wirbeltiere. In der Einleitung dieser Arbeit wird über die Er- gebnisse der eingangs erwähnten frühern Arbeiten berichtet. Der beschreibende Teil ist in drei Abschnitte gegliedert, welche handeln: 1. Von den Schuppen und Schildern des Integumentes. 2. Von den Belegknochen des Schädels und des Primordialeraniums. 3. Vom sekun- dären Flossenskelett. Meine eigenem Ausführungen beziehen sich nun, entsprechend dem Thema der vorligenden Arbeit, nur auf den letzten der genannten drei Abschnitte. Im Folgenden werde ich erst über die wichtigen tatsächlichen Befunde der Herrwisschen Arbeit, soweit sie sich hierauf beziehen, sowie über die vergleichend-anatomischen Ergebnisse referieren. Im Anschluß daran teile ich weitere Beobachtungen an andern Lorica- rioidea mit, welche sich namentlich bei einem Vergleich der Haut- zähnchen der Loricarioidea mit den Gebißzähnchen bei denselben Formen, sowie bei Siluroidea ergeben. Den Schluß bildet eine Unter- suchung der Frage, wie weit sich die Hautzähnchen an den Flossen- strahlen der Loricarioidea in spezieller Weise mit den Plakoidbil- dungen der Selachier vergleichen lassen. Von Tatsachen, die O. Herrwıs (1876) mitgeteilt hat, hebe ich hervor: 1, Für Hypostoma wird die Bildung einer Zähnchenanlage unter Beteiligung des Ektoderms, dessen basale Zellen die Schmelzmembran bilden, und eines mesodermalen Anteiles, des Dentinkeimes, festge- stell. Am Dentinkeim läßt sich eine Odontoblastenschicht von der Pulpaanlage unterscheiden. (O0. Herrwıc 1876, Taf. XXVI, Fig. 3). 2. Der Bau der gegliederten, am distalen Ende dichotomisch verzweigten Flossenstrahlen wird in eingehender Weise geschildert. Es wird festgestellt, daß jeder dieser Strahlen aus zwei Längshälften 540 Bernhard Peyer besteht, deren jede einen basalen, ungegliederten Teil aufweist neben einem gegliederten, beweglichen, am freien Ende dichotomisch ver- zweigten Teile. Was den ersten Strahl jeder Flosse anlangt, so wird hervorgehoben, daß an den Brustflossen von Oallichthys! und Hypo- stoma der erste Strahl keinerlei Gliederung erkennen läßt, während an den übrigen Flossen nur der basale Teil des ersten Dermalstrahles ungegliedert ist, der distale Teil dagegen gegliedert, wobei die beiden Hälften eines Segmentes, die Flossenplättchen, breiter sind, als an den folgenden Strahlen. 3. Die Anlage der Flossenplättehen beginnt durch Sklerosierung der die obere Fläche der Hornfäden unmittelbar bedeckenden Binde- gewebsschicht. Durch weitere Ausbreitung der Verknöcherung anf tiefer gelegene Gewebsschichten werden auch die Hornfäden in die Bildung der Flossenplättchen hineinbezogen; es wird in dieser Weise das primäre durch das sekundäre Flossenskelett ersetzt. Nur an der Flossenperipherie, der Wachstumszone der Flosse, bleibt dauernd ein Rest der das primäre Skelett bildenden Hornfäden erhalten. Von den vergleichend-anatorfischen Ergebnissen der Arbeit von O. HERTWIG sei zur Orientierung folgendes wiedergegeben. »Bei Hypostoma und Callichthys besitzen die verschiedenen Teile des Hautskeletts, die Tafeln und Schilder des Rumpfes, die Plättchen und Stacheln des sekundären Flossenskeletts, die Belegknochen des primären Schultergürtels unnd des Primordialeraniums einen gemein- samen Ursprung, indem sie phylogenetisch durch Verschmelzung gleich- artiger, in den oberflächlichen Cutislamellen dicht beieinander liegen- der kleinster Knochenplättchen, die je ein Zähnchen tragen, entstanden sind.« »Ein einfachstes Knochenplättehen mit seinem beweglich ange- brachten Zähnchen...... entspricht ganz offenbar einem Plakoid- schüppchen der Selachier.« »Es läßt sich hier die Frage aufwerfen, ob auch der erste Strahl der verschiedenen Flossen aus mehreren einfacheren Strahlen in der angegebenen Weise entstanden ist. Zur Beantwortung dieser Frage habe ich bei Hypostoma und Oallichthys keine Anknüpfungspunkte gefunden; jedenfalls aber geht aus den früher mitgeteilten Beobach- tungen hervor, daß der abweichend beschaffene erste Strahl der 1 Die weitere Angabe, daß bei Callichthys der Stachelstrahl der Brustflosse auch zahnlos sei, ist nicht für alle Arten gültige. An dem mir vorliegenden Exemplar von Callichthys asper ist der Pektoralstachel bezahnt. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 541 Flossen gleichfalls aus paarigen, den Flossenplättchen entsprechenden Hautossifikationen durch mehr oder minder weit gediehene Verschmel- zung sich gebildet hat.« In der Herrwisschen Arbeit sind die tatsächlichen Befunde und die theoretischen Erwägungen in mustergültiger Weise auseinander- gehalten. Die tatsächlichen Befunde konnte ich in jeder Hinsicht bestätigen, soweit mir dies an dem beschränkten Material möglich war, das mir speziell von den durch O. HErTwıG untersuchten Formen Callichthys und Hypostoma zur Verfügung stand. (Von Callichthys nur ein einziges, sehr altes Spirituspräparat, an dem gerade die Flossen nicht vollständig erhalten waren, von Hypostoma mehr, aber dar- unter leider kein für histologische Zwecke konserviertes Material.) Es sei hier betont, daß auch bei diesen meist untersuchten Formen eine ganze Reihe von Fragen noch offen steht, deren exakte Lösung nur an reichlichem, für histologische Zwecke konserviertem Materiale möglich wäre. | Wie im 10. Abschnitt ausgeführt wurde, ergab die Untersuchung anderer Loricarioidea, daß auch der erste Strahl der Brüstflosse einen Aufbau aus zwei Längshälften erkennen läßt, deren jede besteht aus einem basalen Stück, an dem keine Gliederung mehr sichtbar ist, und aus einem distalen, gegliederten Teile. Die Grenzflächen zwischen zwei Segmenten verlaufen quer zur Längsachse des Strahles, nicht schräg wie bei den Siluroidea. Von einer dichotomischen Verzwei- gung am distalen Ende des Flossenstrahles ist auch nicht die leiseste Spur vorhanden. Es spricht alles dafür, daß der erste Strahl der Brustflosse einem einfachen, gegliederten Flossenstrahle entspricht. Bei der sonstigen Übereinstimmung ist es nicht unwahrscheinlich, daß bei Untersuchung von reichlicherem Material auch an den Brustflossen- stacheln von Callichthys und Hypostoma im. distalen Abschnitt eine quere Gliederung nachzuweisen wäre. Was nun die Hautzähnchen anbelangt, so bestehen in der Art und Weise der Gelenkung mit dem basalen Knochenplättehen bei verschiedenen Arten, sowie in der Ausbildung der Zähnchen nach den verschiedenen Regionen der Körperoberfläche bei ein und der- selben Art trotz der Übereinstimmung im allgemeinen doch gewisse Verschiedenheiten, auf die aber hier nicht näher eingegangen werden soll, indem die Zähnchen, speziell der Flossenstrahlen recht einfach gestaltet sind. Dagegen möchte ich die naheliegende Vergleichung der Gebiß- zähnchen der Siluroidea und Loricarioidea mit den Hautzähnchen der Morpholog. Jahrbuch. 51. 36 542 Bernhard Peyer letzteren kurz durchführen, schon da in der Arbeit von O. HERTwIG diese Verhältnisse nicht weiter berührt werden. Die Bezahnung des Mundes besteht bei den Siluroidea im allge- meinen aus einfachen, meist leicht gekrümmten, spitzigen Zähnchen, welche auf verschiedenen Knochen der Mundhöhle einen bürstenartigen Besatz bilden. In ihrem Bau stimmen diese Zähnchen durchaus über- ein mit den Hautzähnchen der Loricarioidea, abgesehen davon, daß sie mit der knöchernen Unterlage oft etwas fester verbunden sind, und daß ein basaler, ringförmiger Fortsatz, welcher in eine Vertie- fung der knöchernen Unterlage paßt, so wie er bei den Hautzähnchen vorkommen kann, nicht ausgebildet ist. Der Zahnbesatz kann sich auf verschiedene Knochen der Mundhöhle erstrecken. Ein bezahntes, Maxillare besitzt nur die Gattung Diplomystes. Es kommen nun mannigfaltige Abweichungen von dem geschilderten Zustande vor. Die Zähnchen können gedrungener, niedriger werden, (Macrones gulio) oder eine völlig granuläre Form annehmen (z. B. die Vorder- zähne mancher Clariasarten). Völliger Zahnschwund kommt z. B. bei Hwypostomus vor, sowie bei manchen Pimelodidae. Bei Ketengus typus sind die Zähnchen je in einer palisadenartigen Reihe in Ober- und Unterkiefer angeordnet, wobei die Kronen der dicht nebeneinander stehenden Zähnchen funktionell eine einzige schneidende Kante bilden. ° Dabei ist das einzelne Zähnchen in labio-lingualer Richtung an seiner Basis beträchtlich verbreitert. Es ist fraglich, ob hier noch ein Zahn- wechsel vorkommt; falls ein solcher stattfindet, so wäre zu unter- suchen, auf welche Weise er sich vollzieht. Das Genus Pariodon besitzt der Beschreibung nach molariforme Zähne; leider war es mir nicht möglich, diese Form, welche auch hinsichtlich ihrer Zugehörig- keit zu den Trichomycteridae, zu welchen sie von TATE REGAN gestellt wurde, nachzuprüfen wäre, zu untersuchen. Höchst eigenartig sind die ‚ Zähnehen der Synodontidae gebaut; ihr großer Sockel ist ungefähr S-förmig gekrümmt, die kleine Krone ist manchmal spitz kegelförmig, meistens aber meißelförmig und durch einen Einschnitt in zwei Hälften geteilt. Bei vielen Loricarioidea nun bilden derartige S-förmig ge- krümmte Zähne mit meist zweilappiger Krone die Regel. Am kom- pliziertesten scheint das Gebiß von Acanthicus hystrix Spix ausgebildet zu sein. Wie sich diese Zahnformen zu den äußerlich durchaus gleich- artigen Zähnen der Synodontidae hinsichtlich des feineren Baues ver- halten, muß erst festgestellt werden. Es wäre zu wünschen, daB diese auffallenden Zahnformen in funktioneller Hinsicht, sowie nach der Art ihres Baues und ihrer Entstehungsweise näher untersucht würden. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 543 Unter den Loricarioidea gibt es jedoch auch Formen mit ein- facheren Gebißzähnen. Manche von den Callichthyidae besitzen einen völlig zahnlosen Mund, wie z. B. das mir vorliegende Exemplar von Oallichthys asper (L.). Andere Arten, die ich nicht aus eigener An- schauung keune, besitzen kleine Zähnchen, über deren Beschaffenheit ich indessen keine näheren Angaben gefunden habe. Nematogenys inermis weist einen bürstenartigen Zahnbesatz der Kieferknochen auf. Dabei sind aber die einzelnen Zähnchen nicht, wie bei gleichartigen Gebißformen von Siluroidea, durchweg spitz kegelförmig, sondern die meisten Zähnchen zeigen jene zweilappige meißelähnliche Kronen- form, welche bei Loricarioidea die Regel bildet. Bei Trichomyeterus stimmen Haut- und Gebißzähnchen sowohl nach der Form, wie naclı dem feinern Bau außerordentlich überein; der einzige Unterschied, den ich bei Trichomyceterus gefunden habe, ist der, daß neben den spitzkegelföürmigen Hautzähnchen, welche vollständig den Gebiß- zähnchen gleichen, in der Mehrzahl solche mit abgerundetem freiem Ende auftreten. Verglichen mit den mannigfaltigen Sonderformen, welche die Gebißzähnchen der Siluroidea und Loricarioidea annehmen können, sind die Differenzierungen, welche bei den Hautzähnchen der letzteren Gruppe auftreten, recht bescheiden; sie sind in der Hauptsache be- schränkt auf eine verschiedene Größenausbildung an besonderen Körperregionen. Am größten sind wohl die Unterschiede in dieser Hinsicht bei Acanthieus hystrix Spix und bei Ancistrus eirrhosus Kn. Es sind namentlich die Hautzähnchen des Operkularapparates, dessen einzelne Teile bei den genannten Arten beweglich miteinander ver- bunden sind, welche stark vergrößert sein können. Bei Acanthieus hystric erreichen die hintern Zähnchen des Operkulare eine Länge von über 3cm. Bei manchen Loricarioidea bilden die Hautzähnchen vom Mundwinkel bis zum Schultergürtel einen bürstenförmigen Be- satz, der direkt den Eindruck eines Schnurrbartes macht. Der Ver- gleich ist um so berechtigter, als in der Ausbildung der Hautzähnchen ein Sexualdimorphismus in der Weise vorliegen soll, daß beim Männchen die Zähne kräftiger entwickelt sind. In ihrer einfachsten Form sind die Mundzähnchen bei Siluroidea und Loricarioidea und die Hautzähnchen der letzteren durchaus über- einstimmende Bildungen. Wenn wir nun sehen, daß die Gebißzähnchen, oft bei einander recht nahe stehenden Formen, recht weitgehende Differenzierungen aufweisen können, während die Hautzähnchen bei weitem nicht in dieser Weise variieren, so scheint mir das eine Stütze 36* 544 Bernhard Peyer der Ansicht zu sein, daß die Ausbildung der verschiedenen Formen funktionell bedingt ist. Daß die Gebißzähnchen bei Siluroidea und Loricarioidea und die Hautzähnchen bei den letzteren durchaus gleichartige Bildungen sein dürften, geht auch daraus hervor, daß sie bei Trichomyeterus macu- latus nicht nur äußerlich übereinstimmen, sondern daß auch bei beiden in gleicher Weise eine Eigentümlichkeit des feineren Baues auftritt, welche mir in dieser ausgesprochenen Form nur von Siluroidea und Loricarioidea bekannt ist. Bei Haut- und Gebißzähnchen von Trichomyeterus maculatus nämlich (s. Fig. 65) erscheint das freie Ende deutlich abgegliedert. Fig. 65. Der basale Teil des Zähnchens stellt einen hohen, Er zylindrischen Sockel aus Dentin dar, der eine geräumige Pulpahöhle umschließt. Auf diesem Sockel nun sitzt, von ihm scharf abgegrenzt, ein phalangenförmiges oder spitzkegelförmiges End- stück. Dieses unterscheidet sich bei Untersuchung in polarisiertem Lichte sehr ausgesprochen durch die verschiedene Art der Doppelbrechung vom Dentin des Sockels. Ich halte das Endstück auf Grund dieses Unterschiedes für eine Kappe von echtem Schmelz; der exakte Nachweis indessen ist erst noch zu erbringen. Bei den Zähnchen des Gebisses von Trichomycterus maculatus ist das } dem Dentinsockel aufsitzende Hütchen meist von Trichomyeterus maculatus etwas spitzerer Form, als an dem Fig. 65 ab- Ouv. er vol Fauzähn gebildeten Hautzähnchen. Im übrigen sind die chen V: perculare, Vergr. LeitzObj. III, 0k.3. beiderlei Bildungen durchaus gleichartig. Ein ähn- ech liches Verhalten läßt sich mehr oder weniger bei allen Hautzähnchen von Loricarioidea, welche ich daraufhin unter- suchen konnte, festzustellen. Nur ist die scharfe Abgrenzung der beiden Teile, die unter dem Polarisationsmikroskop immer hervortritt, äußerlich häufig nicht so deutlich, wie bei Trickomyeterus. Unter den Gebißzähnchen der Siluroidea weist ein nicht näher bestimmbarer Platystomide ganz tibereinstimmende Verhältnisse auf. Die Bezah- nung des Mundes besteht bei dieser Form aus einem ausgedehnten, bürstenartigen Besatz der Kieferknochen (im Oberkiefer von Prae- maxillare und Vomer, im Unterkiefer vom Dentale) mit hakenförmig geschwungenen, schlanken Hechelzähnen, wie sie in Fig. 66, 67 und 68 abgebildet sind. Mir fiel nun auf, daß bei den meisten dieser Zähnchen Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 545 die Spitze in der Fig. 66 und 67 abgebildeten Weise abgestumpft ist. Nachdem ich das eben geschilderte Verhalten der Haut- und Gebiß- zähnchen von Trichomyeterus kennen gelernt hatte, untersuchte ich nochmals, und fand, daß auch diesen Platystomidenzähnchen an ihrer Spitze ein Hütehen aufsitzt, welches höchstwahrscheinlich aus Schmelz oder einer schmelzähnlichen Substanz besteht; an dem von mir unter- suchten Exemplare nun sind, offenbar infolge einer leichten Maze- ration, diese Hütchen bei den meisten Zähnchen abgefallen. Der Dentinkegel schließt sich nicht dicht an die Innenfläche des Schmelz- hütchens an, sondern er ist von stumpferer Form, so daß zwischen beiden ein Hohlraum besteht (s. Fig. 68). Wird ein solches Zähnchen Fig. 66. Äußere Ansicht. Vergr. Leitz, Ansicht eines Zähnchens nach Zähnchen mit erhaltener Obj. II, Ok. 1. Aufhellung. Pulpahöhle schwarz. terminaler Kappe. Vergr. Red. auf 1/z. Vergr. Leitz Obj. III, Ok. 1. Leitz, Obj. III, Ok. 1. Red. auf !/a. Red. auf I. Fig. 66, 67 und 68. Platystoma spec. Zähnchen des Gebisses. in einer möglichst dickflüssigen Einbettungsmasse eingeschlossen, welche nicht in kleinere Höhlungen eindringen kann (ich verwendete zu diesem Zwecke leicht erwärmten Collolith (s. Einleitung S. 496), so bleiben nicht nur die Pulpahöhle, sondern auch der genannte Hohl- raum zwischen dem Ende des Dentinkegels und der Innenfläche des aufsitzenden Hütchens erfüllt von Luft, welche in diesem Falle bei mikroskopischer Betrachtung die Rolle einer Injektionsmasse vertritt. Ob dieser Hohlraum urspünglich vorhanden war oder erst infolge der Konservierung auftrat, vielleicht durch Mazeration entstand, wäre nur an frischem oder für histologische Zwecke konserviertem Materiale festzustellen. Das »Hütchen« ist hier nicht doppelbrechend. Während 546 Bernhard Peyer ; das Dentin sich leicht (mit Bleu de Lyon) färben ließ, nahm die Substanz des Hütchens diese Färbung nicht an, sondern behielt ihre natürliche, bräunlichgelbe Färbung bei. Vergleichsweise sei darauf hingewiesen, daß bei manchen andern Fischzähnchen, z. B. bei Ana calva, in ähnlicher Weise ein spitz kegelförmiges Hütchen von echtem Schmelz einem großen Dentinsockel aufsitzt. In diesen Fällen sind aber Dentin und Schmelz fest verbunden, und äußerlich ist eine deut- liche Abgliederung der Zahnspitze, wie sie bei den eben beschrie- benen Zähnchen vorkommt, nicht erkennbar. Was nun die Untersuchung der Frage anbelangt, wie weit die Hautzähnchen der Loricarioidea mit den Plakoidbildungen der Sela- chier in spezieller Weise vergleichbar sind, so sind gegen die Art und Weise des speziellen Vergleiches, wie er von O. HErrwıG durchge- führt wurde, einige Einwände erhoben worden, welche zum Teil schon von O. HErTwIG selber in seiner Arbeit namhaft gemacht worden sind. Bei der genaueren Erörterung dieser Frage wird es notwendig, auf einzelne Punkte besonders einzugehen. 1. In seiner Untersuchung über die Plakoidschuppen und Zähne der Selachier legte 0. HerrwıG großes Gewicht darauf, daß die Plakoidbildungen richtigen Schmelz besäßen, während R. Owen (1840 bis 1845) denselben einen solchen absprach. Röse (1894) kam zu der Ansicht, daß die Selachierzähne und Plakoidschuppen nur ein Schmelzoberhäutchen, aber keinen Schmelz besitzen. In der zusam- menfassenden Arbeit von R. BURCKHARDT (1906) wird diese Frage als unentschieden offen gelassen. Nach den klaren Vorstellungen über die Entstehungsweise von Plakoidschuppe und Selachierzahn, wie wir sie gerade den Arbeiten von O. HerrwıG verdanken, ist die Frage nach der Natur jener Schicht, welche von Owen als Vitrodentin, von O. Hzrrwıc als Schmelz aufgefaßt wird, durchaus nebensächlicher Natur geworden. Zu einer sicheren Entscheidung sind unbedingt noch genauere Spezialuntersuchungen notwendig. Deren Ergebnis dürfte jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit zugunsten der Auffassung von RösE ausfallen. Zu dieser Anschauung führen einerseits das vergleichende Studium einer größeren Anzahl von Dünnschliffen durch Fischzähne, andererseits Überlegungen über die Art und Weise des Zahnwachstums. Das Hauptargument, welches O. HerrwıG zugunsten der Schmelz- natur der genannten Schicht anführt, ist, daß sie sich in Säuren nahe- zu ohne Rickstand auflöst. Dieses Verhalten ist zweifellos eine Folge des geringen Gehaltes an organischen Substanzen. Es ist nicht ein- Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 547 zusehen, warum dieser Gehalt nicht auch bei Vitrodentin auf ein Minimum herabsinken kann. Nun gibt es ausgestorbene Ganoidfische (Sargodon tomicus Plien.), bei deren Zähnen richtiges Vitrodentin, in dessen äußersten Schichten Dentinröhrehen nicht mehr erkennbar sind, nach außen von echtem Schmelz überlagert wird. Der Schmelz ist durch eine scharfe Grenze von der Dentinunterlage abgesetzt und unterscheidet sich von dieser bei Untersuchung in polarisiertem Lichte auf charakteristische Weise durch stärkere Doppelbrechung. Der Um- stand, daß bei Selachiern in die fragliche Schicht Dentinröhrehen hineinreichen, spricht durchaus gegen die Schmelznatur derselben. Wenn wir uns die verschiedene Genese von Zahnbein und Schmelz vergegenwärtigen, so finden wir überall, wo diese beiden Bildungen auftreten, folgendes: bevor es noch zur Ablagerung von anorganischen Salzen gekommen ist, stoßen die ektodermalen Zellen, die künftigen Schmelzbildner (Ameloblasten), an die mesodermalen Zellen, welche das Zahnbein ausscheiden werden, an die Odontoblasten. Indem nun einerseits an der Innenfläche der ektodermalen Zellenlage Schmelz, andererseits an der Außenfläche der Odontoblasten Dentin abgelagert wird, werden die beiden Gewebsschichten durch die ausgeschiedenen Hartsubstanzen immer mehr von einander getrennt. Während nun die Odontoblasten in der von ihnen ausgeschiedenen Hartsubstanz, dem Zahnbein, feine Zellausläufer zurücklassen, ist für die schmelz- bildenden Zellen ein solches Verhalten nicht nachgewiesen. Je stärker die Schmelzschicht wird, um so deutlicher tritt der Unterschied zu- tage. Wenn im Schmelz wirklich Zellausläufer des Bildungsgewebes zurückgelassen würden, so müßten diese nach außen stärker werden, nicht aber, wie es bei den Röhrchen in der fraglichen Schicht des Selachierzahnes der Fall ist, nach innen. Das verschiedene Verhalten der beiden Zellarten scheint damit zusammenzuhängen, daß die schmelzbildenden Zellen, welche nach außen vom Zahne liegen, vor dem in-Funktion-treten desselben zugrunde gehen und daß hier die Aussparung von Röhrchen für Zellausläufer keinen rechten Sinn hätte, zumal da der Schmelz einen schützenden Überzug über den Zahn bildet. Die Odontoblasten dagegen liegen nach innen vom Zahn; sie bleiben erhalten und ihre Zellausläufer im Dentin dürften teils trophische, teils sensorielle Funktionen haben. Vitrodentin könnte nun in der Weise gebildet werden, daß Dentin durch Einwirkung des Epithels strukturell verändert wird, daß also Ektoderm und Meso- derm an der Bildung beteiligt wären (Tekodentin nach JACKEL, 8. HennıG 1906, pag. 192 u.f.). Ein derartiger Vorgang ist für die- 548 Bernhard Peyer jenigen Fälle auszuschließen, wo typisches Vitrodentin von echtem Schmelz bedeckt wird, wie bei Sargodon tomicus PLien. Mir er- scheint es wahrscheinlich, daß eine Umbildung von Dentin zu Vitro- dentin, nach innen zu fortschreitend, auch noch erfolgen kann, nach- dem das Schmelzepithel längst zugrunde gegangen ist. Wie schon erwähnt, können nur genaue Spezialuntersuchungen eine sichere Lö- sung dieser Fragen bringen‘. Während also die Plakoidbildungen der Selachier höchst wahrscheinlich keinen Schmelz, sondern nur ein Schmelzoberhäutchen besitzen, weisen die Hautzähnchen der Lorica- rioidea (wie auch deren Gebißzähnchen) eine Schicht auf, welche nach ihrer scharfen Abgrenzung, wie auch nach dem optischen Ver- halten als Schmelz aufzufassen ist, obwohl der exakte Nachweis für diese Auffassung erst noch zu erbringen ist. Diese Unterschiede spielen indessen für die Frage der Homologisierung von Plakoidge- bilden der Selachier und Hautzähnchen der Loricarioidea keine Rolle, da für beide Bildungen eine gleichartige Anlage von O. HERTwIG nachgewiesen worden ist. 2. Die Basalplatte des Zähnchens bei Loricarioidea besteht aus zellenhaltigem Knochengewebe; diejenige der Plakoidschuppe aus osteoidem Gewebe. 3. Das Zähnchen ist mit der Basalplatte bei Selachiern in festem, kontinuierlichen Zusammenbange, bei Loricarioidea beweglich damit verbunden. Diesen beiden Punkten, auf welche O. HerrwısG selber hinge- wiesen hat, kann verschiedenes Gewicht beigemessen werden. Mir erscheinen die Gründe für eine Homologisierung der Basalplatte der Plakoidschuppe der Selachier mit dem Knochenplättchen, welches bei Loricarioidea den beweglich damit verbundenen Zahn trägt, nicht sehr überzeugend. Wenn überhaupt der Vergleich mit dem Plakoid- gebilde in speziellerer Weise durchführbar ist, so scheint es mir ebenso berechtigt, das Zähnchen der Loricarioidea allein (ohne das basale Knochenplättehen) mit dem ganzen Plakoidgebilde zu ver- gleichen, wobei ich an solehe Formen, wie etwa Scyllium, erinnern möchte, oder an die Gebißzähnchen von Raja, bei welchen beiden der fibröse Anteil der basalen Verbreiterung auf ein Minimum be- schränkt ist. In diesem Falle müßte man eine Reduktion des basalen Teiles bei den Hautzähnchen der Loricarioidea annehmen und das ı Nach Tomes sollen bei Zähnen von Beuteltieren die Dentinröhrchen direkt in die Schmelzschicht eindringen. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 549 basale Knochenplättchen als eine Bildung sui generis auffassen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß die basalen Knochenplättchen an den verschiedenen Körperstellen bei Loricarioidea verschieden zu be- werten sind, wie aus dem folgenden hervorgehen wird. Was die Kontinuität der Verbindung zwischen Basalplatte und Zahn bei Sela- chiern, die Diskontinuität bei Loricarioidea anlangt, so ist gerade dieser Unterschied in allen späteren Arbeiten, in denen diese Fragen berührt wurden — neuere Originaluntersuchungen sind mir nicht be- kannt — stets stark betont worden. Da jedoch eine Entscheidung der Frage, ob hier wirklich eine Abgliederung von ursprünglich kon- tinuierlich verbundenen Teilen vorliegt, für sich allein kaum möglich sein dürfte, so gehe ich auch nicht näher darauf ein. 4. Ein letzter Einwand gegen die speziellere Homologisierung ergibt sich aus der Natur der Dermalstrahlen der Flosse, namentlich des ersten, des Stachelstrahles.. Nach der Anschauung von O. HErT- c (1876) wäre anzunehmen, daß überall da, wo wir mehrere Zähnchen auf einem Knochenplättchen finden, dasselbe ursprünglich aus gleich vielen einzelnen Plättchen bestanden habe, wie Zähnchen vorhanden sind. Bei den distalwärts dichomotisch verzweigten, ge- gliederten Weichstrahlen ist eine solche Konkresanz wenigstens als tatsächlich erwiesen zu betrachten!. Hingegen finden wir, daß die Länge bzw. Höhe der einzelnen Segmente eines Dermalstrahles (ihre Ausdehnung in proximal-distaler Richtung) bei allen Segmenten die- selbe ist. Ebenso ist bei den, verglichen mit den folgenden Weich- strahlen kräftigeren Segmenten des ersten Flossenstrahles, des Stachel- strahles, der an seinem distalen Ende nicht dichomotisch verzweigt ist, sondern einem zwar gegliederten, aber einfachen Strahle ent- 1) GooprıcH (1904, S. 475/76) schreibt allerdings: The branching of the lepidotrichia is not due to the proximal fusion of originally distriet rays, as Hertwig states, but, on the contrary, to the repeated subdivision of the growing distal end of an originally single ray. That this is the case in the Teleostei becomes obvious when we consider that from their first appearance the lepido- trichia in the anal and dorsal fins correspond in number with the baseosts. Es scheint mir nach den Herrwısschen Befunden und nach eigenen Beobach- tungen trotz dieses Einwandes tatsächlich feststellbar zu sein, daß Flossen- plättchen, welche auf einem jüngeren Stadium nahe dem distalen Ende der Flosse nebeneinander getrennt angelegt worden sind, miteinander verschmelzen können, wenn sie erst infolge des weiteren Längenwachstums des Strahles in eine proximalere Lage geraten sind. Damit wird die morphologische Auffassung der einzelnen »Ästchen« eines dichotomisch verzweigten Strahles nicht weiter berührt. ’ 550 Bernhard Peyer spricht, die Länge der einzelnen Abschnitte unter sich dieselbe. Wir müssen also diese Segmente der Flossenstrahlen als eine Art von Protomeren auffassen. Trotzdem finden wir nun, daß auf jedes der- selben sowohl bei Weichstrahlen, als auch bei Stachelstrahlen auch in der Längsrichtung mehrere Zähnchen entfallen können, worauf schon GEGENBAUR in allgemeinerer Weise hingewiesen hat (1898, p. 160). Nun hat Goopkıca (1904) die einzelnen Segmente der von ihm als Lepidotrichia bezeichneten Dermalstrahlen der Teleosteer- flossen verglichen mit Teleosteerschuppen, und damit indirekt mit den Plakoidbildungen der Selachier!. Er hat auch auf Fälle aufmerksam gemacht, wo an einer Flosse zweierlei dermale Skelettbildungen über- einander vorkommen, nämlich die in die Tiefe versunkenen Lepido- trichia und oberflächlich Schuppen (GooprıcH 1904, pag. 477. Chä- todon und Hämulon). Wenn nun, wie es nicht unwahrscheinlich ist, beide Vergleiche zu Recht bestehen, die Homologisierung ‘des einzelnen Hautzähn- chens mit dem Plakoidgebilde, und ebenso die Homologisierung der Segmente der Lepidotrichia mit Teleosteerschuppen, und damit indirekt ebenfalls mit Plakoidbildungen, so müßte, um die beiden Anschauungen in Einklag zu bringen, angenommen werden, daß auch die, echte Hautzähnchen tragenden Flossenstrablen bei Lori- carioidea einen Fall darstellen, in welchem zwei Schichten von ur- sprünglich gleichartigen integumentalen Hartgebilden übereinander vorkommen. Durch diese speziellen Verhältnisse an den Flossenstrahlen werden natürlich die Ausführungen der Arbeit von O. HerTwIG, soweit sie sich auf das übrige Integument beziehen, nicht weiter berührt; doch weist der Umstand, daß an den Knochenschildern des üdrigen Inte- gumentes die Beziehungen zwischen Zähnchen und knöcherner Platte anscheinend durchaus gleichartig erscheinen, wie an den Flossen- 1 Wie GooDricH hervorhebt, ist das Verhalten der Lepidotrichia gegen- über den Schuppen des Körpers insofern ein ursprüngliches, als die Segmente der Lepidotrichia sich nicht dachziegelartig decken. Während jedoch die Lepido- triehia bei Teleosteern nur aus Knochen bestehen, setzt sich die Teleosteer- schuppe zusammen aus einer fibrösen Basalschicht und einer ebenfalls meso- dermalen homogenen Schicht (Hyalodentinschicht) (vgl. KLAATscH 1890, HoFer 1889, Hase 1907). Die Lepidotrichia bei Ganoiden zeigen nach GOODRICH viel- fach noch eine Zusammensetzung aus Knochen und einer ganoinartigen Schicht. Es wäre von großem Interesse, in dieser Hinsicht die ausgestorbene, im oberen Jura vorkommende Form Undina zu untersuchen, welche an den Lepidotrichia des einfachen gegliederten ersten Flossenstrahles Zähnchen besitzt. Über die Flossenstacheln der Welse und Panzerwelse, sowie des Karpfens. 551 strahlen, auf die Schwierigkeiten hin, welche sich bei einem tieferen Eindringen in die ganze Frage ergeben. Ich möchte mich angesichts des hypothetischen Charakters der ganzen Vorstellungen eines be- stimmten Urteils enthalten und mich darauf beschränken, auf die Schwierigkeiten hingewiesen zu haben, welche sich bei der Durch- führung der spezielleren Homologisierung im Sinne von 0. HERT- wıeg: Das Hautzähnchen bei Loricarioidea samt den knöchernen Basalplättchen ist dem Plakoidgebilde bei Selachiern homolog, er- geben. Ergebnisse. 1. Die zähnehenförmigen Bildungen an den Flossenstacheln von Doras bestehen nur aus konzentrisch angeordneten Lagen von Knochen- gewebe. Die gesamten Angaben, welche O. AıcHzL über mikros- kopisch nachweisbare Zahnanlagen, Spaltung von Zahnanlagen, Bildung von trituberkulären Zahnformen usw. an den Flossen- stacheln von Doras gemacht und zu weitgehenden theoretischen Erörterungen verwendet 'hat, werden durch die mikroskopische Prüfung von Dünnschliffen widerlegt. 2. Die Stacheln an der Rücken- und Afterflosse des Karpfens ent- sprechen jeder einem einfachen, gegliederten Flossenstrahl, der eine paarige Anlage deutlich erkennen läßt. Die Zähnelung des knöchernen Stachels entspricht seiner ursprünglichen Segmentie- rung. Die Grenzen zwischen den einzelnen Segmenten sind wink- lig geknickt, während sie an den dichomotisch verzweigten Weich- strahlen eben, rechtwinklig zur Längsachse des Strahles, ver- laufen. 3. Die Stacheln der Rücken- und Brustflossen bei Welsen lassen einen gleichartigen Aufbau erkennen, wie die Stacheln der Karpfen- . flossen. Die Unterschiede im einzelnen sind, namentlich bei den Brustflossenstacheln, von systematischer Bedeutung. 4. An Brust- und Riückenflossenstacheln bei Loricariidae, Callich- thyidae und Trichomyeteridae pro parte verlaufen die Segment- grenzen, soweit erkennbar, nicht schräg, wie bei den Siluroidea, sondern rechtwinklig zur Längsachse des Flossenstrahles.. Hand in Hand damit geht der Besitz von echten Hautzähnchen. Ich schlage auf Grund dieser beiden Eigentümlichkeiten vor, die ge- nannten Formen als Loricarioidea den Siluroidea gegenüber zu stellen. 552 Bernhard Peyer 5. Die echten Hautzähnchen der Loricarioidea weisen nach ihrer Form nur sehr bescheidene Differenzierungen auf, die höchstwahr- scheinlich im Zusammenhang mit der nicht genauer bekannten Funktion entstanden sind (Zähnchen des Operkularapparates z. B. bei Acanthicus hystrix). Die Zähnchen des Gebisses bei Silur- oidea und Loricarioidea dagegen sind, in augenscheinlichem Zu- sammenhange mit ihrer Funktion, zum Teil in hohem Maße spe- zialisiert. Berichtigung: S. 497, Fig. 1 statt:- Vergr. 1,5:1 lies: 0,75: 1. » 498, >» 2 » > 16:1.4,48°% ».499, >: 3 > >. 541) 2: 95:1, » 500, » 4 lies: Red. auf !/2. > DUOL,;9..:08 >» Red. auf 1). » 502, » 6 statt: Vergr. 24:1 lies: 12:1. » 6503, N lies: Red. auf 1/a. » 507, » 8 statt: Vergr. 2:1 lies: 1:1. > 507, > 9 > > r- oa 2.1: » 507, » 10 > ars, 1:1, > 508, >, 12 3 > SE 2,66 :1. > 508, » 13 > > 167203 3; Literaturverzeichnis, ” ADLOFF, P., Über das Problem der Entstehung der Zahnform. Zahnärztl. Rund- | schau. Jahrg. XXV, Nr. 31 und Nr. 36. Berlin 1916, —— Einige Bemerkungen über das Problem der Entstehung der Zahnform. Anat. Anz. Bd. 50, Nr. 13/14. Jena 1917. Asassız, L., Recherches sur les poissons fossiles. Neuchätel 1833—43. AIcHEL, O., Das Problem der Entstehung der Zahnform. Archiv für Anat. und Phys. (Anat. 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Über durehbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten, zugleich ein Beitrag zur Entwicklung des Venensystems der Faultiere. Von Dr. H. M. de Burlet, Utrecht. Mit 23 Figuren im Texte. Einleitung. Bei der Untersuchung der äußeren Formverhältnisse der Leber der Faultiere! wurde beiläufig der eigenartige Weg besprochen, den das Blut der unteren Hohlvene auf seiner Bahn zum Herzen ein- schlägt?. Zu diesem Thema, welches anch. bei anderer Gelegenheit schon kurz behandelt wurde’, soll in vorliegender Arbeit ein weiterer Beitrag geliefert werden. HocHsTETTER hat im Jahre 1897 über das Venensystem der Faultiere Mitteilungen veröffentlicht*, die als Einleitung zu unseren Betrachtungen zunächst zu erwähnen sind. An zwei Exemplaren von Üholoepus didactylus, einem jungen und einem älteren, stellte er folgendes fest: Die beiden hinteren Hohlvenen bei Choloepus didactylus entstehen jederseits aus einem Venengeflecht, welches die Arteriae iliacae begleitet und die Venae iliacae ersetzt. Die Nieren- und Geschlechtsdrüsenvenen haben gleichfalls geflechtartigen Charakter. An der Abgangsstelle der Arteria renalis aus der Aorta vereinigen sich die beiden hinteren Hohlvenen zum einfachen Stamm. Die beiden hinteren Hohlvenen hängen, durch zum Teil mächtig weite Venen, welche die Foramina intervertebralia passieren, mit den Venen des Wirbelkanals zusammen. HocHsTETTER hält diese Venen ı Literaturliste Nr. 4. 24 S. 497. 35. 48, 556 H. M. de Burlet für die erweiterten Endabschnitte der Venae lumbales und der sechs letzten Venae intercostales (19—24). Den erhöhten Anforderungen entsprechend ist das System der Wirbelkanalvenen in eigentümlicher Weise umgebildet. Die rechts- seitige Längsanastomosenkette der Circellus venosi ist bei Choloepus zu einem mächtigen Venenstamm geworden. Dieser beginnt mit zwei Wurzeln im Gebiete des Steißbeines; diese vereinigen sich am kranialen Ende des Kreuzbeines zum einfachen Stamm, der im Ge- biete der Lendenwirbel noch eine langgestreckte Insel bildet, um dann ununterbrochen vom letzten, eine freie Rippe tragenden Wirbel, bis zum neunten Foramen intervertebrale der Brustregion zu reichen. Das Blut verläßt den Wirbelkanal durch die rechtsseitigen Foramina intervertebralia neun und zehn. Es erreicht das Herz durch einen Stamm, der dem Endstücke der Vena azygos anderer Formen ent- sprechen dürfte. Die Vena azygos selbst, ebenso die Vena hemiazygos, konnten nicht nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse HocHsTETTERS lassen sich kurz folgendermaßen zusammenfassen. Das Eigentümliche des Venensystems des zwei- zehigen Faultiers besteht darin, daß ein wesentlicher Teil des Blutes auf seinem Weg von den unteren Gliedmaßen usw. zum Herzen, nicht den gewöhnlichen Weg durch die untere Hohlvene nimmt, ventral von den Wirbelkörpern, sondern dorsal von den Wirbel- körpern sich mittels des Endstückes der Vena azygos zur oberen Hohlvene begibt, und so das Herz erreicht. Wirbelvenen bei einem Embryo von Choloepus didactylus. Daß diese Anordnung der venösen Stämme schon beim Embryo in wesentlich übereinstimmender Weise vorhanden ist, lehrte die Untersuchung eines jugendlichen Choloepus didactylus!. Dieses 1 Est ist möglich, daß es sich bei diesem Präparat um einen Neonatus handelt; die Gefäße der Nabelschnur sind zusammengefallen, der Nabel jedoch nicht mit Haut bedeckt. In BrEnm (4. Aufl. Bd. 10 S. 555) findet sich die An- gabe, daß das Faultierjunge vollkommen behaart zur Welt kommt. Wie die Photographie (Fig. 1) zeigt, hat unser Präparat eine glatte Körperoberfläche, das sogenannte Epitrichium (vgl. WELCKER, Über die Entwicklung und den Bau der Haut und der Haare bei Bradypus, Halle 1864). Demnach müßte unser Präparat ein älterer Embryo sein. Andererseits berichtet WEBER, das Epitrichium bleibt bei Bradypus bis zur Geburt »in seltener Vollständigkeit« (Säugetiere S. 435), d.h. daß das Junge bei der Geburt nicht »vollständig behaart« sei. Nach dieser Aussage könnten wir das Präparat als einen Neonatus ansehen, was mit dem Sachverhalt der Nabelschnur übereinstimmen würde. Über durehbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 557 seltene Objekt wurde mir von Herrn Prof. Max WEBER zur Ver- fügung gestellt; in Fig. 1 ist es, von vorn gesehen, abgebildet; seine größte Länge ist 85 mm. Der Rumpf des guterhaltenen Embryo wurde in einen kranialen und distalen Abschnitt zerlegt und in Celloidin eingebettet. Die proximale Hälfte wurde dann sagittal, die distale quer geschnitten, während der Kopf in eine Frontal- schnittserie zerlegt wurde. An diesen drei Schnittserien Fig. 1. läßt sich nun der Verlauf der venösen Stämme sehr schön ver- folgen, wie einige Abbildungen erläutern mögen. Bei Betrachtung eines Schnit- tes, der dem distalen Rumpfteil entnommen ist, erkennt man, daß die von HocHSTETTER für das er- wachsene Tier beschriebenenen Zustände auch hier vorhanden sind (Fig. 2). Neben dem Rückenmark er- blickt man im Wirbelkanal die mächtige Vene, welche, wie oben beschrieben, zum großen Teil die Aufgaben der unteren Hohlvene und der Vena azygos übernommen hat. Die Fläche des Gefäßschnittes | übertrifft sogar nieht unerheblich ventrat gehen. Größte Länge 85 mm. diejenige des Rückenmarkes. Auf einem Längsschnitt der oberen Rumpfhälfte wird sich dieses Gefäß als ein länglicher Hohlkörper, dorsal von den Wirbelkörpern gelegen, ausnehmen müssen; ein derartiges Bild bietet die Fig. 3. Wir werden uns nun zunächst zu beschäftigen haben mit der Frage, woher dieser gruße Stamm sein Blut bezieht, und mit der weiteren Frage, auf welchem Wege das Gefäß den Wirbelkanal wieder verläßt, um sich zur oberen Hohlvene zu begeben. An der Hand der Schnittbilder lassen sich diese Fragen verhältnismäßig leicht beantworten; die Untersuchung bestätigt und ergänzt die An- gaben HOCHSTETTERS. Vorher einige Angaben über das Skelett. Dieses besteht haupt- sächlich aus Knorpel; Wirbelkörper, Wirbelbogen usw. zeigen aber Morpholog. Jahrbuch. 51. 37 55 H. M. de Burlet [0 0] beginnende Verknöcherung (s. Fig. 3). Von der sehr interessanten Wirbelsäule sollen hier nur einige zahlenmäßige Angaben gemacht werden, insofern sie für das Verständnis der weiteren Betrachtungen erforderlich sind. Bei. genauer und wiederholter Prüfung zeigt es sich, daß nicht weniger als 49 Wirbel vorhanden sind. Die Formel! der Wirbelsäule lautet folgendermaßen: 1—7 cv. 8-32d. 33—861. 37—4358. 44—49 ed.? Auf sieben Halswirbel folgen demnach 25 beiderseits rippen- tragende Dorsalwirbel, dabei schließen sich vier Lendenwirbel an; das Sakrum besteht aus sieben Wir- beln, die Anzahl der Kaudalwirbel beträgt sechs. x Nebenbei bemerkt haben wir hier ein Exemplar mit der höchst Schnitt durch den oberen Teil des 16. Thorakal- Sagittalschnitt durch die obere Körperhälfte wirbels. Embryo Choloepus. eines Embryo von Choloepus didactylus, rechts von der Medianebene gelegen. möglichen Anzahl Rippen, welche es unter Säugern geben kann, vor uns. Die gewöhnliche Anzahl rippentragende Dorsaiwirbel bei Choloepus wird auf 24 angegeben. Dieses Exemplar, ähnlich wie dasjenige WELKERSs?, stellt einen Variant dar, bei welchem 25 Dorsal- wirbel vorhanden sind, also 50 Rippen! Die zuführenden Gefäße der großen Wirbelkanalvene. Das Blut aus der unteren Körperhälfte und aus der Rumpfwand gelangt auf verschiedenen Wegen in den Wirbelkanal. An erster i Über die Schreibweise von Formeln der Wirbelsäule siehe E. ROSENBERG Literaturliste Nr. 17. S. 94, 107, 138. 2 18. S. 176. WELCKER berichtet hier über die Wirbelsäule eines Choloepus mit ähnlicher Zahlenfolge: 1—7 ev. 8—32 d. 33—36 1. 37—44 s. 45—49 ed. Vgl. außerdem 19. und 20. S. 294 Fußnote. Über durehbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 559 Stelle kommen hier die Venen in Betracht, welehe gemeinschaftlich mit den Spinalnerven und den kleinen arteriellen Gefäßen dureh die Intervertebralöffnungen verlaufen. Die Stromrichtung in denselben ist hier nach dem Wirbelkanal gerichtet. Als Fortsetzung von Interkostal- oder Lumbalvenen führen sie nicht nur das Blut aus der Rumpfwand nach der Wirbelkanalvene, sondern außerdem das Blut der unteren Hohlvene. In den Endstücken der Interkostal- oder Lumbalvenen ist demnach die Stromrichtung, im Vergleich zu der sonst angetroffenen, eine umgekehrte. Zur Erläuterung dieses Sach- verhaltes sei auf die schematische Fig. 4 verwiesen. Das Blut der unteren Hohlvenen gelangt aber außerdem auf anderem, kürzerem Wege in den Wirbelkanal, indem es die Wirbel- körper in ventro-dorsaler Richtung durchquert. Die Venen, welche diesen Verlauf nehmen, sind als Venae basi vertebraleszu bezeichnen (Duprytren). Sie führen mehr Blut nach der Wirbel- kanalvene als die Intervertebralvenen. Schon im zweiten Sakralwirbel sind sie vorhanden, besonders stark entwickelt sind sie in der Lendengegend, aber auch in der Thorakalregion lassen sie sich m Vasen Wirbel nachweisen. au, Schema,der Anordnung der zum Wirbel- Einmündungsstellen von Venae basi Kanal unten en Venen vertebrales sind in dem Längsschnitt Fig. 3 getroffen; sie gehören der Thorakalregion an. Was den Bau des Kanalsystems innerhalb des Wirbelkörpers betrifft, so zeigen die einzelnen Wirbel etwas verschiedene Zustände. Im allgemeinen treten an der Ventralseite, rechts und links von der Medianlinie zwei Venen ein; sie verlaufen konvergierend dem Zentrum zu, wo sie sich zu einem Sinus vereinigen (Fig. 4. Dann setzen sie sich gewöhnlich noch über eine kleine Strecke getrennt fort, um sich dann gesondert in die Wirbelkanalvene zu ergießen. Die Wirbelkanalvene entsteht im Sakrum aus zwei symmetrischen Stämmen, welche ventrolateral rechts und links vom Rückenmark verlaufen. Durch die Foramina sacralia anteriora eintretende Venen speisen sie. Im oberen Teil des Sakrum vereinigen sie sich zu einer breiten Vene, welche ventral vom Rückenmark gelegen ist. Durch die oberen Wirbelkörper des Sakrum treten schon Venae basi verte- brales, welche sich in die Wirbelkanalvene ergießen. In der Lenden- 31* 560 H. M. de Burlet region verschiebt sich das Gefäß allmählich nach rechts, bis es schließlich in der Thorakalgegend rechts neben dem Rückenmark gelegen ist (Fig. 2). Dieses wird dementsprechend nach links ver- drängt und zugleich ein wenig um seine lange Achse gedreht, die ventrale Seite nach innen, die dorsale Seite nach außen. Dabei Querschnitt durch Vertebra Thor. 24. Vena basi vertebralis in die Wirbelkanalvene einmündend. liegt die Wirbelkanalvene außerhalb der Rückenmarkshüllen, die Durascheide ist mit dem Rückenmark nach links verdrängt. Die eintretenden Venae intervertebrales verlaufen an der linken Seite ventral vom Rückenmark, wäh- rend die Spinalnerven rechts in großem Bogen dorsal von der Wirbelkanalvene zum-Foramen intervertebrale ziehen. Diese letztere Lagebeziehung deutet auf die ursprünglich ventrale des Gefübßes. In Fig. 4 sind in schematischer Weise die Lagebe- ziehungen der zuführenden Ge- füße zusammengestellt. Außer- dem mögen einige Schnittbilder das bisher Mitgeteilte erläutern. So zeigt Fig. 5 einen Schnitt durch einen der untersten Brust- wirbel (24. Dorsalwirbel, 31. Wirbel der Reihe), aus einem Gebiet demnach, wo die transvertebralen Venen stark entwickelt sind. Man Fig. 6. Arcus WV, or: Pr Cos/a 23. V rhor 24. x ' Querschnitt durch Vertebra Thor. 24. In den Wirbelkörper eintretende Vene. Über durehbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 561 erkennt die Einmündung des mächtiges Gefäßes, welches aus dem Wirbelkörper tritt, in die Wirbelkanalvene. Demselben Wirbel ent- nommen ist die Zeichnung Fig. 6, die in den Wirbelkörper ein- Fig. 7. Sagittalschnitt durch Brustwirbel 6, 7 und S. tretenden Gefäße sind hier abgebildet. Durchbohrende Vene im 7. Brustwirbel, Das rechte Gefäß ist im Eindringen begriffen, das linke liegt schon im Wirbeikörper, wo es sich mit dem rechten vereinigt. In den Sagittalschnitten der oberen Körperhälfte sind, wie be- reits erwähnt, ebenfalls transvertebrale Venen vorhanden, wenn auch nicht so mächtig wie in der unteren Thorakal- und Lumbalgegend.. Manche Schnitte zeigen hier die durchtretenden Venen, in ihrer ganzen Länge den Wirbelkörper durchque- rend. Ein derartiges Bild zeigt Fig. 7. Es ist einem Schnitt entnommen, wel- cher ein wenig links von der Medianebene liegt. Querschnitt durch Vertebra Thor. 21. intervertebralis in die Wirbelkanalvene mündend, Linksseitige Vena In einem der Wirbelkörper, er gehört dem 7. Brustwirbel an, ist eine Vena basi vertebralis der Länge nach getroffen. 562 H. M. de Burlet Schließlich zeigt Fig. 8 das Bild einer linksseitigen Vena inter- vertebralis, welche ventral vom Rückenmark verläuft, um dann in die Wirbelkanalvene einzumünden. Der Schnitt entstammt dem 21. Thorakalwirbel. Die abführenden Gefäße der großen Wirbelkanalvene. Das Blut verläßt den Wirbelkanal mittels vierer Stämme, welche durch Foramina intervertebralia austreten. Sie liegen rechterseits zwischen dem 8. bis 12. Brust- wirbel. In der Brusthöhle ange- langt, vereinigen sich die vier . Ze Stämme und münden als Vena | ; 3 E azygos in die Vena cava superior. L Die Vereinigung der vier Venen \ zum einheitlichen Gefäße findet Zhymus“ ER : / ) »- | an der lateralen Seite der Wirbel- IE 3 säule statt. Daß dieses als Vena ET a FR azygos zu betrachten ist, geht daraus hervor, daß es sich in kaudaler Richtung ventrolateral von der Wirbelsäule weiter fort- setzt. Die Lichtung des Gefäßes wird hier plötzlich sehr gering. Es ist auf dem Wege zu oblite- rieren, wie es denn auch dem erwachsenen Tiere gänzlich ab- geht. HocHsTETTER hat das Vor- Sagittalschnitt rechts von der Medianeben. handensein einer Vent azygos EDIERTSRDE BET. ea u Vena Heim Choloepusembryo richtig pro- phezeit. An den Sagittalschnitten der oberen Körperhälfte lassen sich die hier beschriebenen Befunde leicht ablesen. Leider läßt sich die Ver- einigung der vier Venen zum Stamm der Vena azygos nicht an einem Schnitt demonstrieren. Auf Fig. 9, welche einen Schnitt rechts von der Medianebene darstellt, ist aber der Vereinigungspunkt dreier abführender Venen zu erkennen; das vierte höher liegende Gefäß gesellt sich auf einem der nächsten Schnitte den drei anderen zu. Von den Wirbeln sind nur die Querfortsätze noch eben getroffen, ventral von jedem Querfortsatz ist der Rippenhals durchschnitten. Nachdem der einheitliche Stamm entstanden ist, nimmt er in ge- Fig. 9. Proximal v ı Über durchbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 563 wöhnlicher Weise seinen Weg über den rechten Hauptbronchus, und fließt dann, mit der oberen Hohlvene vereinigt, in das rechte Atrium. Ein ähnliches Bild bietet Fig. 10. Es liegt der Medianebene, der Wirbelsäule etwas näher. Die beiden unteren, weiten, abführenden Venenstämme liegen mehr zwischen den Rippen eingeklemmt als in der vorigen Figur, die Ver- einigung des zweiten und dritten Stammes ist tangen- tialangeschnitten. Indieser Figur ist die Fortsetzung der Vena azygos in kauda- ler Richtung, ausgehend von der untersten der vier, aus dem Wirbelkanal tre- tenden Venen, zu erkennen. Die betreffende Stelle ist in Fig. 11 bei stärkerer Ver- srößerung wiedergegeben. Die sehr dünne Vena azygos ist hier streckenweise der Länge nach getroffen, und nimmt dann nacheinander die großen, aus dem Wirbel- kanal tretenden Interverte- bralvenen auf. Dabei liegt sie ventral vom Grenzstrang des Sympathikus. Verfolgt R IR Sagittalschnitt etwas näher der Medianebene als’ Fig. ). man sie auf weiteren Schnit- Fortsetzung der Vena azygos. ten kaudalwärts, so kann man die Einmündung von Interkostalvenen feststellen. Es ist jedoch nur ein verschwindend geringer Teil des Interkostalvenenblutes, welches den Weg durch diesen Abschnitt der Vena azygos nimmt. Der größte Teil fließt durch die Foramina intervertebralia dem Wirbel- kanal zu, wo es sich in die große Wirbelkanalvene entleert. In dem vorliegenden Präparat haben wir einen Übergangszustand vor uns; die Vena azygos ist in ihrem kaudalen Bereich auf dem Wege zur Obliteration, die Wirbelkanalvene hat schon im wesentlichen ihre Aufgabe übernommen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung wird die Vena azygos schließlich verschwinden bis auf ihren kranialen Teil, weleher das Blut aus dem Wirbelkanal dem Herzen zuführt. 564 H. M. de Burlet Die Wirbelkanalvene ist oberhalb der Stelle, wo die abführenden Gefäße den Wirbelkanal verlassen, beträchtlich dünner, als unterhalb derselben. Die Stromrichtung des Blutes ist hier eine umgekehrte. Im Zervikalgebiet nimmt das Rückenmark im Wirbelkanal einen relativ viel größeren Platz in Anspruch. Die Wirbelvenen bei Embryonen von Bradypus. Außer diesem eben beschriebenenen Oholoepusembryo standen mir zwei andere Faultierembryonen zur Verfügung, welche hier ebenfalls Erwähnung verdienen. Es handelt sich um zwei Exemplare des Fig. 11. Ausschnitt der Fig. 10 bei stärkerer Vergrößerung. Vena azygos. dreizehigen Faultieres, von denen das eine für unsere Zwecke reich- lich jung ist, das andere dafür aber um so größere Bedeutung hat. Embryo von Bradypus cweulliger von 17,5 mm größter Länge!. Die Wirbel sind bei diesem jungen Embryo noch ganz aus Knorpel bestehend, dementsprechend zeigt der Wirbelkörper noch keine Gefäße. Das Rückenmark füllt den Wirbelkanal fast gänzlich aus; für große Venenplexen bleibt daselbst kein Platz. In der Tat werden sie im kranialen Teil des Wirbelkanals nicht angetroffen. Wohl sind im Brustteil einzelne kleine Venen zu verfolgen, die durch die Foramina intervertebralia in den Wirbelkanal eindringen; sie ver- ı Eine Abbildung dieses Embryo in der Arbeit Literaturliste Nr. 4. Über durchbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 565 lieren sich dort aber bald. Die untere Hohlvene ist dort, wo sie die Leber erreicht, stattlich entwickelt. Auch in diesem Gebiete, und weiter kaudalwärts, begeben sich Venen, die Wirbelkörper um- kreisend, in den Wirbelkanal. Sogar sind daselbst zwei Venen, ven- tral vom Rückenmark gelegen, über eine kurze Strecke zu verfolgen; Jedenfalls die ersten Andeutungen der später mächtigen Venenplexen. Die Vena cardinalis ist vorhanden und damit die Anlage der Vena azygos; diese verschwindet in späteren Stadien; dem erwach- senen Dradypus fehlt diese Vene (HocHsTETTER). Embryo von bradypus tridactylus. SO mm. Die Eingeweide dieses Embryo waren, als ich es erhielt, heraus- genommen. Die Wirbelsäule wurde in drei Abschnitte zerlegt, der mittlere Teil in Paraffin eingebettet und quer geschnitten. Es sind in diesem Abschnitt die obersten 11 Dorsalwirbel sowie einige Zer- vikalwirbel enthalten. Es konnten an diesen Querschnitten die wichtig- sten uns interessierenden Ver- hältnisse festgestellt werden, wenn auch der Erhaltungszu- stand nicht so vorzüglich war, wie dieses beim Embryo von Choloepus der Fall war. Wie aus den Figuren ersichtlich, herrscht in vieler Beziehung Übereinstimmung mit den bei Choloepus angetroffenen Ver- hältnissen. Bei der Betrachtung eines distal gelegenen Schnittes aus der Serie, welcher dem 10. Brust- wirbel angehört, fällt auch hier die mächtige Wirbelkanalvene auf, die dem Rückenmark an Kaliber fast gleichkommt (Fig. 12). Die zuführenden Blutbahnen sind dieselben wie bei Choloepus; es kommen intervertebrale und transvertebrale Venen in Betracht. In der Brustwirbelsäule sind auch hier die Wirbel- körper alle, sofern in der Serie enthalten, durchbohrt. Es ist anzu- nehmen, daß im Gebiete der Lendenwirbel die durchtretenden Ge- fäße stärker sind, als dieses in mehr kranialen Wirbeln der Fall ist. Hierfür sprechen Skelettbefunde am erwachsenen Tier, worauf weiter unten näher einzugehen ist. Für die Art des Verlaufes der Gefäße Fig. 12. Querschnitt durch den 10, Brustwirbel eines Embryo von Bradypus tridactylus. SO mm. 566 H. M. de Burlet durch den Wirbelkörper kann das für Choloepus dargestellte Schema verwendet werden (Fig. 4). Hier, wie bei Choloepus treten im Brust- wirbelgebiete, besonders aber im Lendenwirbelgebiete, die zirkum- vertebralen Venen gegenüber den transvertebralen zurück. Das Blut verläßt den Wirbelkanal mittels eines einzigen Stammes, welcher zwischen dem 7. und 8. Thorakalwirbel durch das Foramen inter- vertebrale hervortritt. Fig. 13 ist die Photographie eines Schnittes, welcher das austretende Gefäß trifft, es ist durch weiße Übermalung hervorgehoben; der Pfeil gibt die Richtung des Blutstroms an. In seinem weiteren Verlaufe reprä- sentiert dieser Stamm die Vena azygos. Wie bei Choloepus begibt er sich, mit der oberen Hohlvene sich vereinigend, zum rechten Atrium. Kranial von der eben erwähnten Aus- trittsstelle wird die Wirbelkanalvene er- heblich dünner. Die Zuflüsse zum Wirbel- kanal, besonders im Halsgebiet sind wenig stark. Die Verknöcherung der Zervikal- wirbelkörper tritt, sowohl hier wie bei Choloepus, später ein, als in mehr kau- dalen Regionen. Mit der Verknöcherung #-; entwickeln sich auch die transvertebralen FIR: # Venen. Verschieden weit fortgeschrittene Austretende Wirbelkanalvene durch Entwicklungsstufen derselben lassen sich a en ee bei Betrachtung der Serie in kaudo-kra- nialer Richtung feststellen. Symmetrisch zur großen rechtsseitigen Wirbelkanalvene liegt links, ventral vom Rückenmark, ein kleinerer venöser Längsstamm, der sich durch alle Schnitte verfolgen läßt. Durch segmentale Queranastomosen ist er mit dem viel größeren Nachbargefäße ver- bunden. Im Zervikalgebiet, wo das Rückenmark den Wirbelkanal fast ganz ausfüllt, machen die beiden Gefäße einen symmetrischen Eindruck. Nähert man sich der Stelle, wo das Blut den Wirbelkanal verläßt, so wird allmählig das rechte etwas stärker wie das linke. Unterhalb der Austrittsstelle überwiegt der rechte Längsstamm, die Wirbelkanalvene, erheblich den linken. Soweit die Serie kaudalwärts reicht, bleibt dieses der Fall. Auf die Bedeutung dieses doppelten Längsstammes kommen wir weiter unten zurück. Hier sei nur er- Fig. 13. Über durchbohrte Wirbelkörper recenter und fossiler Edentaten. 567 wähnt, daß streckenweise auch in dem Embryo von Choloepus eine kleine linksseitige Wirbelkanalvene nachweisbar ist. Sie ist u. a. in Fig. 6 angegeben. Der Befund bei dem bradybusembryo gleicht in vieler Beziehung den bei Choloepus angetroffenen Verhältnissen. Auch hier wird un- gewöhnlich viel Blut durch den Wirbelkanal und durch das Endstück der Vena azygos dem Herzen zugeführt, wenn das Quantum auch geringer sein mag als bei Choloepus. Dort waren vier Intervertebral- venen zur Abfuhr erforderlich, hier wird dieses von einem Stamm besorgt. Der paarige Charakter der Wirbelkanalvene tritt hier mehr als bei Choloepus in den Vordergrund. Die Wirbelkanalvenen bei anderen Säugern und beim Menschen. In der lockeren Gewebsschicht zwischen den beiden Durablättern kommen bei Säugetieren allgemein Venengeflechte vor. Sie sind von BrRESCHET! beim Menschen am ausführlichsten untersucht, seine dies- bezüglichen Darstellungen finden auch heute in den Lehrbüchern Verwendung. Er unterscheidet im Wirbelkanal vier längs verlaufende Venenketten, welche untereinander durch zahlreiche Anastomosen verbunden sind. Zwei von diesen Sinus longitudinales vertebrales liegen ventral, die beiden anderen dorsal. Die ventralen sind bei weitem die stärkeren (man vergleiche die Abbildungen in BRESCHETS Atlas, besonders Livraison 1 und 2). Die großen Wirbelkanalvenen, welche bei den bradypodidae vorkommen, haben sich von diesem longitudinalen Wirbelsinus aus entwickelt. Bei Choloepus ist es be- sonders der rechte ventrale Sinus, welcher zu so außergewöhnlicher Entfaltung gelangt, der linke ventrale ist nur streckenweise erhalten. Auch bei dem oben beschriebenen Dradypusembryo ist hauptsächlich der rechte ventrale Sinus zu einer mächtigen Vene geworden, der linke ventrale ist hier aber mit erhalten. Daß es die ventralen longitudinalen Sinus sind, welche sich zu den großen Wirbelkanal- venen entwickelt haben, geht daraus hervor, daß die austretenden Spinalnerven dorsal von ihnen verlaufen. Die starke Entwicklung von longitudinalen Sinus zu Wirbel- kanalvenen ist bisher, soweit mir bekannt, nur bei einer anderen Säugerordnung, nämlich bei den Walen, beschrieben. Die Anordnung zeigt große Übereinstimmung mit derjenigen bei Bradypodidae, wie ein Blick auf die Fig. 14 lehrt. Diese ist wiederum einer Arbeit 21,92; 563 H. M. de Burlet BRESCHETS! entnommen und stellt die obere Hälfte des Thorax eines Jungen Tümmlers dar. Der Wirbelkanal ist von hinten eröffnet, das Rückenmark ist zur Seite geschoben, gegen die Dorsalfläche der Wirbelkörper erkennt man die Wirbelkanalvenen, von welchen be- sonders die rechte stark entwickelt ist. Abführende Gefäße führen das Blut durch das Endstück der Vena azygos zum Herzen. Eine Fortsetzung der Vena azygos, der Wirbelsäule entlang, fehlt. Der Befund bei Phocaena erinnert in vieler Beziehung an den für Brady- podidae beschriebenen. Die Vena azygos ist durch eine im Wirbel- kanal gelegene Vene ersetzt. Dieses Gefäß ersetzt bei Cho- loepus außerdem zum großen Teil die untere Hohlvene. Bei Phocaena ist letzterer Stamm in voller Entfaltung erhalten, die Wirbelkanal- venen treten nur für die aus- gefallenen Venae azygos ein. In dieser Beziehung besteht demnach ein Unterschied im Verhalten der Wirbelvenen bei den beiden Gruppen. Über die zuführenden Ge- fäße der longitudinalen Ve- nenplexus im menschlichen Wirbelkanal teilt BRESCHET verschiedene Einzelheiten mit, die hier für uns von Wirbelkanalvenen bei Phocaena communis. Interesse sind. Er erwähnt Ve das Vorhandensein von inter- vertebralen Venen, welche durch die Foramina intervertebralia ein- und austreten. Ausführlich geht er dann ein auf Venen, welche den Wirbelkörper durchsetzen; diese verdienen unsere besondere Aufmerk- samkeit, weil sie mit den oben beschriebenen transvertebralen Ge- fäßen übereinstimmen. Die Öffnungen, die an der vorderen Fläche und an den Seiten- flächen der Wirbelkörper des Menschen angetroffen werden, hat man für Eintrittsstellen von Ernährungsgefäßen dieser Wirbelkörper ge- Fig. 14. Über durehbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 569 halten. BrescHer ist schon im Jahre 1819 dieser Ansicht entgegen- getreten. In seinem großen Werke über das Venensystem äußert er sich folgendermaßen: »Ces ouvertures qu’on a suppos& livrer passage aux arteres nourrieieres du corps des vertebres, ne contiennent pour la plupart aucun vaisseau arteriel; du moins il n’y a que les plus petites qui servent a cet usage. Apres une injection heureuse du systeme arteriel, le plus grand nombre et les plus grandes de ces ouvertures restent vides; celles-ci servent aux communications des branches des veines basi-vertebrales«!. Er beschreibt dann ausführlich das im menschlichen Wirbel- körper vorkommende, von ihm entdeckte, venöse Kanalsystem. Seiner mustergültigen Darstellung ist bisher nichts hinzugefügt worden, in der letzten Auflage von RAUBER-KorscH’” Lehrbuch der Anatomie finden wir seine Figuren und auch seine Nomenklatur wieder. Fol- gendes ist BrecHerts Beschreibung entnommen: An den vertikalen Flächen des menschlichen Wirbelkörpers finden sich Öffnungen, wo- von die dorsal nach dem Wirbelkanal zu gelegenen die größten sind. Letztere haben eine unregelmäßige Begrenzung, sie sind gewöhnlich 2 bis 3mm groß. Die Öffnungen an der vorderen und an den seit- lichen Flächen des Wirbelkörpers sind kleiner, '/; bis !/; mm; selten ein oder sogar mehrere Millimeter. Von der größeren, dorsal ge- legenen Öffnung, dringen zwei Kanäle, parallel zueinander, in den Wirbelkörper; 2 bis 3 mm von der Dorsalfläche entfernt sind sie durch einen quer verlaufenden Kanal verbunden; letzteren bezeichnet BrE- SCHET als Canalis hemieyclius basis vertebrarum, er ist ventralwärts gekrümmt. Von ihm aus treten Kanäle divergierend nach der Vorder- fläche und den Seitenflächen des Wirbelkörpers aus. Diese Kanäle können sich unterwegs teilen. Sie erreichen nicht immer die Ober- fläche, manche verlieren sich in der Spongiosa. Die übrigen münden an den oben beschriebenen Foramina. Die Wand all dieser Kanäle ist aus einer dünnen Schicht kompakter Knochensubstanz gebildet, die sehr zahlreiche kleine Öffnungen bietet zum Durchtritt kleiner Venen aus der Spongiosa. ı Im allgemeinen haben die französischen Autoren den Untersuchungen ihres Landsmannes am meisten Rechnung getragen. Richtige, oder größtenteils richtige, Angaben über diesen Gegenstand finden sich in folgenden Handbüchern: PoırıEr (11 S. 325), CRUVEILHIER (7), Sappey. Testur (15); auch bei QuAIn (12 S. 5), außerdem bei von SOMMERING (13 S. 399. Die Auffassung, daß man es ohne weiteres mit Foramina nutricia zu tun habe, ist u. a. noch vertreten im Atlas von SPALTEHOLZ (»Die hintere Fläche des Wirbelkörpers besitzt be- sonders große Foramina nutrieia«, 14 S. 64) usw. 570 H. M. de Burlet Der hier beschriebene Zustand des Kanalsystems der Wirbel- körper stellt einen Typus dar, neben dem zahlreiche abweichende Verhältnisse angetroffen werden. Nicht immer liegen die Gefäße in einer Fläche, in einem Wirbelkörper können zwei Systeme überein- andergelagert sein; oder der Canalis hemieyclius ist zu einem Sinus erweitert, andererseits kann er auch fehlen. Es kommen Kanäle vor, die einfach in ventro-dorsaler Richtung den Wirbelkörper durchbohren, es können mehrere Kanäle, unabhängig voneinander, diesen Verlauf nehmen. Für Abbildungen dieser verschiedenen Zustände sei auf BRESCHETS Atlas verwiesen (5. Livraison. Planche 3 et 4). Die Strom- richtung des Blutes in den Venen, die das Kanalsystem ausfüllen, ist nach dem Wirbelkanal zu gerichtet; als einheitlicher Stamm, Vena basi vertebralis, ergießt sich das Blut jeden Wirbelkörpers in die venösen Ge- flechte, die das Rückenmark umgeben. Wichtig ist, daß das Blut, welches die Vena basi vertebralis dem Wirbelkanal zuführt, nicht nur dem be- treffendem Wirbelkörper und seiner Seitenmasse entstammt, sondern auch Venenplexus, die an der vorderen Seite des Wirbelkörpers gelegen sind. Die Venen im Inneren der Wirbelkörper besitzen keine Klappen. Über das Vorkommen dieses venösen Kanalsystems im Wirbel- körper anderer Säuger habe ich in der Literatur vergeblich nach anderen Mitteilungen gesucht. In BRESCHETs Werk findet sich dies- bezüglich die Bemerkung, »qu’il a observ& ces conduits osseux d’une regularite prononcee et constante chez les Öarnassiers, les plantigrades, les rongeurs, les ruminants, les pachydermes, les solipedes et les cetaces«. Es unterliegt meiner Meinung nach keinem Zweifel, daß die transvertebralen Venen, welche wir bei den Bradypodidae kennen lernten, dieselben sind, welche BRESCHET für den menschlichen Wirbel- körper beschrieben hat. Die Anordnung derselben stimmt in allen wesentlichen Punkten bei beiden überein. Es ist dasselbe Kanal- system, nur ist es bei den Bradypodidae, den erhöhten Anforderungen entsprechend, viel stärker ausgebildet. Dieses ist besonders bei jugendlichen Stadien der Fall. Wie wir weiter unten sehen werden, bleiben aber auch beim erwachsenen Tier die transvertebralen Venen als starke Stämme bestehen. Sie lassen am mazerierten Skelett ihre Spuren als Öffnungen in den Wirbelkörpern zurück. Dieses Thema soll in dem jetzt folgenden Kapitel besprochen werden. Beobachtungen an der Wirbelsäule erwachsener $Säuger. Bei der Beschreibung der Gefäßverhältnisse der Embryonen, am deutlichsten bei der des C'holoepusembryo, konnte festgestellt werden, Über durchbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 571 daß ein ansehnlicher Teil des venösen Blutes zur Erreichung des Wirbelkanals den kürzest denkbaren Weg, welcher von der Leibes- höhle aus zu diesem Kanal führt, einschlägt, nämlich den Weg quer durch die Wirbelkörper. Bei Untersuchung eines erwachsenen Choloepus konnten diese transvertebralen Gefäße ebenfalls aufgefunden werden, es war demnach zu erwarten, daß sich ihr Vorhandensein am Skelett durch Kanäle, welche die Wirbelkörper von vorn nach hinten durehbohren, nachweisen ließe. An verschiedenen Skeletten von Bradypodidae, welche hierauf untersucht wurden, ließen sich die Gefäßlöcher in der Tat nachweisen; über ihre Lokalisation be- richtet folgende Tabelle; eine Abbildung eines Exemplares der Wirbel- säule von Dradypus tridactylus bringt die umstehende Fig. 19. Übersicht der von größeren Kanälen durchbohrten Wirbel- körper bei Faultieren. — bedeutet: keine Durchbohrung. Thorakalwirbel Lumbalwirbel Sakralwirbel Choloepus didactylus erw. 15 u. 16 durehb. | 1—3 durchbohrt S1 - = 14 - 1— ern 2_ 1 1 L.!| alle dopp. durehb. | alle dopp. durchb. — — — — — 2 - - jung |L.| - - - - - - S 1 durchbohrt 3 - - erw. |A.2| 23 u. 24 - ı 1-3 durehbohtt — — — — — 4 - - ae 34 a - u man 5 - - - A - -— - — — 1—5 - S1u.S2durchb. 6 - B - ) H3 alle dopp. durchb. | alle dopp. durchb. — — — — — 7 2 r % Mae I B e z N ae FR 1 Bradypus tridaetylus sehr L. —-— — — - — | - - - - - | - —- — — — 2 - - jug L —-—- —- — — 2—5 dopp. durchb. S1dopp. durchb. 3 - - ew. |L — — — — — alle gr. med. Öffn. SI - - 4 5 6 1 a En u es) 1 | I l | | | Bradypus infuscatus - S 1 durchbohrt Aus der Tabelle geht hervor, daß die transvertebralen Venen hauptsächlich im Gebiete der Lendenwirbel vorkommen, daß sie sich aber auch in benachbarten Teilen der Wirbelsäule erhalten können. Es besteht diesbezüglich große Variation. Auch können die ursprüng- lich paarigen Öffnungen zu einem einheitlichen Foramen verschmelzen, welches dann in der Medianebene liegt. Oder es kann eine der 1 — aus dem Reichsmuseum für Naturgeschichte in Leiden. ?2 — aus dem Zoologischen Museum in Amsterdam. 3 — aus dem Zoologischen Museum in Hamburg. 572 H. M. de Burlet Öffnungen verloren gehen, so daß nur der Eingang eines neben der Medianlinie gelegenen Kanales übrigbleibt. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß bei manchen erwachsenen Exemplaren sämtliche Thorakalwirbel, wie beim Embryo, Öffnungen für die Venen be- halten haben, daß dagegen andere Exemplare an keinem Brust- wirbelkörper eine nennenswerte Öffnung zeigen. Dazwischen sind dann Fälle vorhanden, ähnlich wie in Fig. 15 abgebildet, wo im unteren Thorakalwirbel ein- oder beiderseitig Veneneintrittsstellen aufzufinden sind. Fig. 16. Wirbelsäule von Bradypus tridactylus. Lendenwirbelsäule von Macropus giganteus. Untere Brust- und Lendenwirbel. Es lag nahe, die andern beiden Familien der Xenarthra, die Myrmecophagidae und die Dasypodidae auf das Vorhandensein eines stark ausgebildeten Kanalsystems der Wirbelkörper zu untersuchen. Der Befund war jedoch der Hauptsache nach ein negativer. Es können zwar am Skelette dieser Tiere hier und da kleine Öffnungen an der Ventralseite der Wirbelkörper gefunden werden, das Kanal- system ist also im Prinzip vorhanden, es hat aber nicht die physio- logische Bedeutung, wie dieses bei den Bradypodidae der Fall ist, Über durchbohrte Wirbrikörper fossiler und recenter Edentaten. 573 wo die Venen des Wirbelkanals teilweise die untere Hohlvene und außerdem die Vena azygos ersetzen. Von Myrmecophagidae wurden untersucht 3 Exemplare Myrme- cophaga jubata, 3 Oyclotorus didatylus, alle mit negativem Ergebnis. Ein Exemplar von Tamandua tetradactyla aus dem Leidener Museum hatte einen durchbohrten letzten Thorakalwirbel. Von Dasypodidae wurden untersucht 2 Exemplare von Tatusia novemeincta, je ein Exemplar von Dasypus villosus, Dasypus sexeinc- tus, Dasypus duodecimeinctus, auch hier war jedesmal das Resultat negativ. Die weiter entfernt stehenden Orycteropodidae besitzen ebenfalls keine größeren Öffnungen an der Ventralseite der Wirbelsäule. Bei manchen afrikanischen Manidae dagegen finden sich sehr zahlreiche kleine Öffnungen; größer, aber weniger zahlreich, wurden sie bei einem asiatischen Manis angetroffen: Manis javanıca (Leiden): Öffnungen in den drei untersten Lumbal- wirbeln. Manis gigantea (Leiden): Zervikal-, Dorsal- und Lumbalwirbel wirbel von sehr zahlreichen, sehr kleinen Öffnungen durchsetzt. Manis Temminckü (Leiden): keine Öffnung. Manis tricuspis (Leiden): zahlreiche, sehr kleine Öffnungen in Thorakal- und Lumbalwirbeln. Manis longicaudata (Leiden): keine Öffnungen. Bei gelegentlichen Museumsbesuchen wurden dann auch andere Gruppen in dieser Hinsicht berücksichtigt. Einige Beobachtungen mögen hier folgen. Bei Monotremata wurde nichts gefunden (7 Exemplare von Echidna, Proechidna, 4 Exemplare von Ornythorhinchus). Dagegen wurden unter Vertretern der Ordnung der Marsupialia verschiedene angetroffen, welche die transvertebralen Foramina in ‚ schönster Ausbildung zeigten: Die Didelpbyidae bieten wechselnde Verhältnisse. 1. Didelphus marswpvalis (Utrecht): Th.W. 1—3, 7—13; L.W. 1. 6; S.W. 1—2 durchbohrt. 2. - - (Leiden): keine Öffnungen. 3. - - (Leiden): keine Öffnungen. 4. Didelphis quica (Leiden): keine Öffnungen. 5. - axarae (Leiden): kleine Öffnungen im 6. L.W. Morpholog. Jahrbuch. 51. 38 r 74 H. M. de Burlet [ri 6. Didelphis cancrivora (Leiden): kleine Öffnungen im unteren D.W. und D.W. ‚e - - (Leiden): große Öffnungen im unteren D.W. und D.W. 8. - virginiana (Leiden): kleineÖffnungen imL.W.undD.W. 9. - aurita (Leiden): - - ee Unter den Dasyuridae kamen unter zahlreicheren negativen auch einige positive Befunde vor: 1. Thylacinus eynocephalus (Utrecht): alle D.W. und L.W. durchbohrt. 2. - - (Amsterdam): alle Lendenwirbel haben rechts- seitig gelegene Öffnungen, außer- dem einige D.W. Die transvertebralen Kanäle waren am auffallendsten entwickelt in der Familie der Phalangeridae. Die hier fast regelmäßig ange- troffenen Öffnungen kommen besonders in der Lumbalgegend vor. Fig. 16 gibt einen Eindruck von der Größe der Öffnungen, wie sie in der Lendengegend bei Macropus giganteus vorkommen. Man er- kennt, daß die Foramina asymmetrisch liegen, der oberste abgebildete Wirbel hat rechts und links eine Öffnung, die anderen nur rechts. In dieser Beziehung besteht eine sehr große Variabilität, sowohl unter Individuen derselben Spezies, als unter den verschiedenen Spezies untereinander. Die wenigen Fälle der nebenstehenden Tabelle gestatten keine näheren Schlüsse, es fällt nur auf, daß der 4. Lenden- wirbel wenig darauf vorkommt, während der 2., 3. und 6. Lenden- wirbel bei fast jedem Exemplar durchbohrt gefunden wurde. Es ist auf Grund dieser Beobachtungen anzunehmen, daß bei den Phalangeridae das Venensystem innerhalb des Wirbelkanals stark entwickelt ist. Bemerkungen über das Venensystem einiger fossiler Edentaten. Anschließend an die oben mitgeteilten Beobachtungen an Ske- letten rezenter Säuger, lag es nahe zu untersuchen, ob am Knochen- system ausgestorbener, verwandter Formen der Faultiere Merkmale aufzufinden wären, die dazu berechtigen könnten, auch bei diesen eine stark entwickelte Wirbelkanalvene anzunehmen. Als Andeutungen für die frühere Existenz eines solchen Gefäßes wäre, wie aus unseren Betrachtungen folgt, zu suchen: 1. nach Kanälen, welche den Wirbelkörper, besonders im Gebiet der Lenden- wirbel, durchsetzen, 2. nach vergrößerten Foramina intervertebralia 575 Über durchbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. Durchbohrte Wirbelkörper der Lendenwirbelsäule der Phalangeridae. Lumbalwirbel De BES EN Dane 1 Maeropus giganteus r | RN Sr? 2 - - BT | Eu, 3 - - 1 »>%E | T | | | l L. 4 - - (72 l | l l | A.? außerd. ein. Thor. Wirbel 5 - - ır+l| r | IC HEHE - - = 1 Be 6 - - I|r+1l| r | OK - - - 1 _ rufus er: u Bu E25 0 5 2 - - l Ir+l r+1| A. 1 - ualabatus 11a I © : l l L. il - ruficollis TRAM EN | l L. 2 - PR: a 6 5 EI a 3 - Ile | L;) ı | A. 1 agelis reis Tr e.|tr+1l|-1 L. a - Browni rır+l r L. 4 - Bugenii Ye r l A. 1 - spec.? I Ka u | l 1 Dorcopsis brunii A; r.|r+l|L. 2 - - 7 1 F l L. 1 Dendrolagus ursinus r|r |r+l r+l| 1 L. 2 - - Br | r 3 3 = | “E 1 - inustus r+l| 1 |r+l r+1|Sakr. u. Schwanzwirbel kl. Offn. 2 - - 1 TECH ET, l 1 Hathoropus penicellatus'+| + | + | + | + | + !Große Öffn. in der Medianlinie 1 Petrogale penicellata | DIE l | 1 - zanthopus Kal ey Ei] 1 Trichosurus vulpeeula | + + + En | nn 4 kleine Öffn. in manch. Dorsalw. 1 Hypsiprymnus murinus 1 1 r r r+ 1A; 1 Phalangista vulpina r+lir+1llr+l| r+1/A. im Gebiet der Brustwirbel, zum Austritt des Gefäßes aus dem Wirbel- kanal bestimmt. Es hat sich gezeigt, daß sich die zu fordernden Merkmale mit überraschender Klarheit nachweisen ließen. Dies lehrte ein Besuch der reichhaltigen Sammlungen des British Museum und des College of Surgeons; außerdem war diesbezüglich von großem Interesse eine Sammlung von Skelettstücken, welche Herr Dr. KrummEL von einer Südamerikareise mitgebracht hatte und welche im Amsterdamer — Reichsmuseum Leiden. Zoologisches Museum Amsterdam. 38* 576 H. M. de Burlet zoologischen Museum aufbewahrt wird. Bei einem flüchtigen Be- suche im Kopenhagener zoologischen Museum konnte ich auch dort verschiedene interessante Wirbel besichtigen, welche Herr Prof. JÜNGERSEN mir die Güte hatte zu zeigen; leider besitze ich von letzterem Besuch keine Notizen. Den Herren SmitH WOODWARD vom British Museum, A. Kertu vom Museum des College of Surgeons, sowie den Herren KrRuIMEL (}) und JÜNGERSEN spreche ich für die Fig. 17. Drei Lendenwirbel von Scelidotherium. Liebenswürdigkeit, womit sie meine Zwecke förderten, meinen herz- lichen Dank aus. An der Hand einiger Abbildungen mögen nun diejenigen Ab- schnitte der Wirbelkanäle fossiler Edentaten vorgeführt werden, welche für die Existenz des fraglichen Venenverlaufes beweisend sind. Zuführende Gefäße, welche die Wirbelkörper durchbohren, er- warten wir am stärksten entwickelt in der Gegend der Lenden- und Uber durchbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten 577 Sakralwirbel. In der Tat befinden sieh die verlangten Öffnungen in dieser Gegend, wie ein Blick auf Fig. 17 lehrt. Die Abbildung stellt drei aufeinanderfolgende Lendenwirbel von Scelidotherium dar, von der Ventralseite aufgenommen. Die Wirbelkörper zeigen an ihrer Vorderfläche rechts und links eine weite Öffnung, welche in einen Fig. 18. RO STE lat HFRBIHH i" ul 8 Ventralansicht des Bruchstückes eines Sacrum von Mylodon. Kanal führt, der den Wirbelkörper ganz durchsetzt; letztere Tatsache läßt sich an der rechten Öffnung des mittleren Wirbels deutlich fest- stellen. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß diese Kanäle den oben besprochenen transvertebralen Venenstämmen zum Durehtritt dienten. Als ein weiteres Beispiel dieser Art sei auf die Figuren 18 578 H. M. de Burlet und 19 verwiesen, welche Herr Prof. Krırk nach einem Präparat aus der Sammlung des College of Surgeons die Güte hatte für mich aufnehmen zu lassen. Diese Abbildungen stellen die Ventralfläche (Fig. 18) und die Dorsalfläche (Fig. 19) eines Bruchstückes des Sakrum von Mylodon dar. Die transvertebralen Kanäle, welche auch hier Fig. 19. IKIND Dorsalansicht desselben. Die Wirbelbogen sind nicht mehr vorhanden, man sieht auf die Dorsal- fläche der Wirbelkörper. deutlich wahrzunehmen sind, münden in diesem Falle mit gemein- schaftlicher Öffnung an der dorsalen Fläche der Wirbelkörper!. 1 In Owens Arbeiten über Mylodon und Megatherium sind diese auffallen- den Öffnungen erwähnt und abgebildet (Literaturliste 9, Plate I, Text S. 50, 64 und 65, Plate X, Fig. 6). Vergebens habe ich nach Angaben gesucht über die mutmaßliche Bedeutung dieser Kanäle in der paläontologischen Literatur. Über durchbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 579 Nachdem wir die Eintrittsstellen zuführender Gefäße aufgefunden haben, läßt sich die Frage erörtern, ob der Wirbelkanal Spuren eines früheren Vorhandenseins eines großen Gefäßes in seinem Innern auf- weist. Auch diese Frage läßt sich bejahen. In Fig. 20 sind zwei Brustwirbel von Grypotherium derartig aufgenommen, daß man in den Wirbelkanal hineinsieht. Der Umriß dieses Kanals zeigt eine auffallende Ungleichmäßigkeit, indem einerseits eine Ausbuchtung, auf der oberen Fläche des Wirbelkörpers gelegen, sich nachweisen läßt, welche mit der Wirbelkanalvene in Zusammenhang zu bringen ist. Am meisten überzeugend sind jedoch die Spuren, welche die Fig. 20. Zwei Brustwirbel von @Grypotherium. austretende Wirbelkanalvene am Skelett zurückgelassen hat; sie geben mit großer Sicherheit das Recht auf die frühere Existenz dieses Gefäßes zu schließen, sie gestatten sogar den Schluß zu ziehen, daß, in ähnlicher Weise wie oben für Choloepus beschrieben, die Wirbelkanalvene in mehreren Stämmen aufgeteilt, durch die Intervertebralöffnungen den Wirbelkanal verließ. Vermutlich haben diese Stämme sich dann auch hier, zu einem Azygosendstück ver- einigt, zur oberen Hohlvene begeben. Als Belegstücke für diese An- sichten sei auf die Figuren 21 und 22 verwiesen, welche die rechte Seitenansicht von Teilen der Brustwirbelsäule von Grypotherium und Scelidotherium darstellen, beide nach Präparaten des British Museum aufgenommen. Der Abschnitt der Wirbelsäule von Grypotherium ist 580 H. M. de Burlet von besonderem Interesse, weil an demselben noch Reste von Weich- teilen vorhanden sind, bekanntlich ist diese Art erst vor verhältnis- mäßig sehr kurzer Zeit ausgestorben; Seybala, Reste der Haut sind sogar von ihr gefunden. Für unsere Betrachtungen ist das Erhalten- sein von Weichteilen von Wichtigkeit, weil die richtige Reihenfolge der Wirbel durch ihr Vorhandensein gewährleistet ist. Deutlich er- Rechte Seitenansicht eines Teiles der Brustwirbelsäule von Grypotherium domesticus. kennt man nun sowohl in diesem Präparat, als an der Wirbelsäule des Scelidotherium die ungewöhnlich großen rechtsseitigen Foramina intervertebralia, welche zum Austritt der Venen bestimmt waren. Benachbarte Zwischenwirbelöffnungen zeigen, man vergleiche die auf den Figuren mit aufgenommenen, gewöhnliche Gestalt. An die großen Öffnungen schließt sich eine, an der oberen äußeren Fläche des Wirbel- körpers verlaufende Rinne an, welche nach vorn und seitlich gerichtet ist. Über durchbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 581 Besonders lehrreich ist die Betrachtung eines einzelnen Wirbels, welcher dieser Gegend entnommen ist. Weil rechts die sehr großen, links gewöhnliche Intervertebralöffnungen vorhanden sind, muß not- wendigerweise der Wirbelbogen asymmetrisch gestaltet sein. Ein schönes Exemplar eines derartigen Brustwirbels von Grypotherium besitzt das Amsterdamer Museum, Sammlung KruneL. Die Asym- Rechte Seitenansicht eines Teiles der Brustwirbelsäule von Scelidotherium. metrie ist hier sehr stark ausgeprägt; das Wurzelstück des Neural- bogens ist links plump und massig gebaut, rechterseits ist es zu einer schmalen Knochenplatte ausgebildet, hier ist es gewissermaßen zwi- schen zwei austretenden Venenstämmen zusammengepreßt (Fig. 23). Distal von der Befestigungsstelle des rechten Wurzelstückes zeigt die obere Fläche des Wirbelkörpers wiederum die Rinne, in welcher das Gefäß verlief. 582 H. M. de Burlet Theoretisches. Zum Schluß möge noch eine mehr allgemeine Frage, welche sich an den hier behandelten Gegenstand anschließt, erörtert werden. Wenn man, ausgehend von den Organisationsverhältnissen, wie sie das zweizehige Faultier bietet, den Gründen nachgeht, welche die Dorsalwärtsverschiebung, sowohl der venösen Blutbahnen, als der Leber verursacht haben mögen, so liegt der Gedanke nahe, daß die Lebensweise dieses Tieres dabei von bestimmendem Einfluß gewesen ist. In der Tat ist dieser Ge- danke ausgesprochen!. Die ge- wöhnliche Haltung des Faultieres ist diese, daß es, an seinen Krallen hängend, die Rücken- fläche dem Boden zuwendet. Der Schwere folgend, würde das Blut die tiefste Bahn aufsuchen, die Leber ihren Platz an der dor- salen Bauchhöhlenwandung ein- nehmen. Diese bestechende Deutungs- weise ist, was den Verlauf der Brustwirbel von Grypofherium. Schräg von Gefäße anbelangt, schwerlich auf- vorne aufgenommen. recht zu erhalten. Es hat sich gezeigt, daß ganz ähnliche Organisationsverhältnisse des Venensystems bei Vorfahren der jetzt lebenden Faultiere vorkommen, von jenen man nicht annehmen kann, daß sie eine ähnliche Lebensweise geführt haben. Das machen schon die Dimensionen dieser Vorfahren un- möglich; es ist nicht anzunehmen, daß Tiere von der Größe eines Rindes, und größer, in den Bäumen hängend sich ihre Nahrung suchten. Und doch hatten diese Tiere die große Wirbelkanalvene. Über die vermutliche Lebensweise der Riesenfaultiere haben u. a. Owen und BURMEISTER sich geäußert, ein Satz aus einer Arbeit des letzteren möge hier angeführt werden?: »Les tardigrades mangent exclusivement les feuilles d’un seul genre d’arbres, nomm& cecropia, et vivent dans la couronne entre les grandes feuilles digit6es. Nous ne connaissons pas les arbres de l’eEpoque quaternaire de l’Amerique meridionale, mais l’existenee de ces grands animaux phyllophages Fig. 23. 1,9,2.2,6, Be. Über durchbohrte Wirbelkörper fossiler und recenter Edentaten. 583 prouve la contemporariete de grands forets. Il est impossible de eroire que des animaux d’une taille si gigantesque, avec les os du squelette tellement lourds, aient mont& sur les arbres de cette epoque; c'est une idee tellement ridieule et ineroyable qu’aucun savant ne peut l’admettre. Il faut done accepter l’hypothese, deja presentee, que ces animaux ont incline les branches des arbres pour manger leurs feuilles, en se relevant probablement sur leurs pieds posterieurs tres puissants, et en s’appuyant au trone de l’arbre. Cette idee ingenieuse a &ete emise en premier lieu par R. Owen.« Es ist demnach anzunehmen, daß die Blutbahn an der dorsalen Seite der Wirbelkörper, wie wir sie bei heute noch lebenden Faul- tieren antreffen, ihr Entstehen nicht in erster Linie mechanischen Verhältnissen verdankt. Vorfahren, bei denen diese mechanischen Verhältnisse keine Rolle spielten, besaßen das Gefäß schon, von diesen haben die kleinen, jetzt noch lebenden Vertreter dieser Gruppe es übernommen; ihre Lebensweise mag höchstens dazu beitragen, daß in dieser Hinsicht das Ererbte erhalten bleibt. Es sind ja sowohl beim zweizehigen als beim dreizehigen Faultier Andeutungen vor- handen, die auf eine Rückbildung des Gefäßstammes während der ÖOntogenese hinweisen. Daß eine Verlagerung der venösen Blutbahn in das Innere des Wirbelkanals möglich ist, auch ohne daß eine außergewöhnliche Körperhaltung dabei eine Rolle spielt, zeigt die Beobachtung BRESCHETS am Braunfisch. Auch dort verläuft, wie oben berichtet, eine starke Wirbelkanalvene neben dem Rückenmark dorsalwärts (Fig. 14), wäh- rend die Vena azygos fehlt. Es ist hervorzuheben, daß BrEscHEr die Zustände, wie sie das Venensystem der Wale zeigt, ebenfalls als unter mechanischen Ein- flüssen entstanden zu erklären versucht. Hier wären Druckverhält- nisse, besonders beim Tauchen in großer Tiefe, von maßgebender Bedeutung und für das Auftreten der Wirbelkanalvene verantwortlich zu machen. Die Beobachtungen am Venensystem und an der Wirbel- säule der Edentaten mahnen zur Vorsicht bei der Anwendung mecha- nischer Erklärungsversuche. Die scheinbar evidentesten Anpassungs- erscheinungen im Venensystem unserer heutigen Faultiere erweisen sich doch als auf erblicher Grundlage beruhende Bauverhältnisse; die Lebensweise mag bei dem Erhaltenbleiben derselben eine unter- stützende Rolle spielen, sie verursacht sie nicht. 584 19. 20. H.M.de Burlet, Üb. durehbohrte Wirbelkörper fossiler u. recenter Edentaten. 1819. 1829. 1836. gl, 1911. 1879. 1871. 1897. . 1842. 1860. 1890. 1844. . 1913. 1899. .. 1904. 1875. . 1881. 1878. 1896. Literaturverzeichnis. BRESCHET, G. Essai sur les veines du rachis. Paris 1819. —— Sur le systeme veineux et sp&cialement sur les canaux veineux des os. Paris, Villeret et Cie. —— Histoire anat. et physiol. d’un organ de nature vasculaire, de- couvert dans les cetaces. Paris, Bechet jeune. DE BURLET, H.M. Über die äußeren Formverhältnisse der Leber der Faultiere. Morpholog. Jahrbuch. Bd. 43. H. 4. —— Het aderlyke stelsel der Bradypodidae. Verh. v. h. XIII. Nederl. Nat. en geneesk. 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STERBEN r ® Dt 0027: a - Er Lee 23. FEN LE z TH 8A A DR 3 Gleichzeitig wird vollständig: R-; z v1. BAND, 2. HÄLFTE i Nachträge Signatur 745-777... . M. 96. — x Aus den Besprechungen der 1. Hälfte des VII. Bandes: ; h B ö . etwas zum Lobe des allen hg Arbeitenden unentbehrlichen Werkes R “ zu sagen, erübrigt sich wohl . Literarisches Zentralblatt. Re KL as . Immer wieder muß betont werden, daß alle auf dem Gebiete der Zoologie 58 z nr EERFAETE Forscher ihm (dem Verfasser) für seine selbstlose und mühevole- $ Arbeit zu tiefstem Danke verpflichtet sind, Zentralblatt für Zoologie. en Br, Br; IR RL I, er, id "4 Br Gr a % y = < Be: » Gegenteformation, die Abjchnitte über die englifche und franzöjiche Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig ” 2 Georg Weber O—,——— Allgemeine Weltgejhichte in 16 Bänden a Dritte Auflage, vollitändig neu bearbeitet von Ludwig Rieh Erjter Band: Die ägyptifhmejopotamifhe Kulturgemeinihaft und die Herausbildung et des Gegenjabes von Europa zu Alien (bis 494 v. Chr.) B4 Mit ausführlihem Inhaltsverzeihnis und NRegifter, XV und 673 Geiten gr..80 $; Zweiter Band: Bon den Perferkriegen zum Hellenismus und zur Borherrihaft der römifchen Republit. (492-133 v. Chr.) Mit ausführlihem Inhaltsverzeihnis und Negijter, XIV und 715 ©. gr.-80 Der dritte Band erjdeint etwa Anfang März 1921 Jeder Band geheftet Mark 37.50, in echtes Leinen gebunden mit Shughülfe Miart 45. einjhließlih Berleger-Teuerungszufhlag $ Die folgenden Bände jollen in furzen Zwilchenräumen erjdeinen 5 Z Probelieferung fojtenlos R Aus den Beiprehungen: Ns . .. Wenn die folgenden Bände, was als jiher anzunehmen ijt, jid) auf gleiher Höhe Halten, dann wird diefe Neubearbeitung von Webers Allgemeiner Weltgejhicdhte im deutihen Bürgertum wieder die gleidhe Rolle jpielen wie die erjte und zweite Auflage und Dar OBOF Mert werben, aus dem man umfaljende Hiltoriihe-Bildung auf dem Grunde der Mare Ka Unparteilihfeit und Geredhtigkeit jhöpfen wird. Die Lehrerbibliotheten jollten jih die dritte Auflage nicht entgehen laljen. . L Karlsruhe. Profefjor Herrigel, Badijde Säulzeitung. a Georg Weber on Meltgeihihte:r inzwei®Bänden volljtändig neu bearbeitet von Ludwig Rieh Erfter Band: Altertum und Mittelalter | Zweiter Band: Neuzeit und neuefte Zeit XXI und 1060 Geiten. gr.-8° XXV und 1154 Geiten gr.-80 Mit ausführlihen Inhaltsverzeihniffen und Regiftern Jeder Band geheftet Mart 30.— 2 Diejelbe Ausgabe in drei Teilen (Band II in zwei Hälften zerlegt) in echt Leinen Re gebunden mit Schughülfen Mark 82.50 ER einjchließlih -Berleger-Teuerungszujchlag a Aus den Beiprehungen: i = ... Wieder entfaltet die Darjtellung nad) Querfhnitten, welde die Gejamtverhältnijfe eines Zeitabfchnittes berüd. hatist, ihre Vorteile, greifen dod) Perjonen und Ere gmille mehr und mehr über die Landesgrenzen hinaus, um ihre 7 irfungen über den ganzen Erbball Hinwegzuheben: Die Gefhidhte wird weltumjpannend und erfährt mit dem Welt 7 trieg ihre gewaltigjte Hukerung. In der treffenden Zeichnung der Perjonen und der Bo en wie Zulturellenm Eriheinungen, in der Verbindung der treibenden Yattoren, wie. in der Schilderung der Ereignilje zeigt fih) dur) alle Kapitel hindurd) die Kraft und Klarheit der meilterhaft geführten ea U Ob wir die Zeit der Reformation, die evolution oder die jüngjten Zeitverhältniffe jr verfolgen, immer erhält uns die fließende Sprade und die Bedeutung der Vorgänge in Spannung ... En Schweizerifhe Lehrerzeitung, 64. Jahrg., Nr. 40. 4, 10, 1919. ... Dazu lam vie Notwendigkeit, die bisher innerhalb der einzelnen Länder rein Kronologiid durchgeführte Darjtellung zu einem f ötoniftifgen Aufbau umzujhaffen, einer der |hwierigjten Aufgaben, die wir tennen, weil" fie einen flaren und jehr weitihauenden Blid, große methodiidhe Voriiht und Umficht und Zünjtleriihe Anjcha we neben wijjenjhaftliher Übung vorausjeßen. Diele ufgabe tjt hier von Riek einfad) glängenb gelöft. ... Der Wert biefes Buches Hegt nicht jowohl in der Volljtändigkeit der DLR des ungeheuren Stoffes und dejjen tadellojer Verarbeitung, jondern 'vornehmlid in der großartigen PWointierung innerhalb des Verlaufes des weltge en 163 Geidehens, in der Wertung der Eameuen tionen und Tatjadhen und in der ausgezeichneten Gliederung bes rtals, _ woburd Gejihtspunfte und Ausblide entitehen, die geradezu überrajchend ind .. , ar Monatshefte ver CEomentius-Gejelljhaft. Profejfor Wolfitieg, —€——— ne Das vorliegende Heft enthält Ankündigungen über „Dannemann, Die Natur- = wissenschaften“, 2. Auflage; „Wossidlo, Kystoskopischer Atlas“, den Verlags bericht 1920 sowie eine Karte betr. Aufhebung des Valutazuschlags für Zeitschriften N . HRRAUSCHGE BEN VON E GÖPPERT PROFESSOR IN MARBURG EINUNDFÜNFZIGSTER BAND ERSTES HEFT MIT 37 FIGUREN IM TEXT UND 3 TAFELN Wi; LaıpzıG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1920 % Preis: M.36.— (Dazu z. 2. B09/o Venjeger-uni IARUTAT Inhalt Seite H. Hoyer, und L. Michalski, Das Lymphgefäßsystem von Forellenembryonen _ nebst Bemerkungen über die Verteilung der Blutgefäße. Mit 2 Figuren im Text und Tafeln I-UHL2: 2... ar RR a I 1 W. Lubosch, Formverschiedenheiten am Körper des menschlichen Brustbeins und ihr morphologischer und konstitutioneller Wiert. Mit 35 Figuren im Text, darunter 8: Kwrv6n:z ..ı. Car. 91 Georg Ruge, Ursprung des breiten Rückenmuskels bei Halbaffen, Affen und beim Menschen: "Tr HaRER se N a a 141 Mitteilung. Beiträge für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an Herrn Prof. E. Göppert, Direktor desAnatomischen Institutsin Mar- burg i. H., einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, daß die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschaltungen und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponierung der Zeichnungen ist darauf zu achten, daß der Raum des im Morph. Jahr- buch üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Als Text figuren bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern bei- zulegen. Die Beigabe farbiger Tafeln ist nach Möglichkeit einzu- schränken. Für die Beiträge wird kein Honorar gezahlt. Dafür erhalten die Herren Autoren aber 40 Sonderabzüge ihres Beitrages kostenlos. 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(Sonder- 2 abdruck aus der „Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie“.) r % VII u. 324 Seiten. Geheftet M. 15.— ein zur Entwicklungsgeschichte der äußeren ORTE der SR eltiere, gezeichnet und erläutert. 2 Sa Heft: Das Gesicht der Säugetiere I. (Kaninchen, Schwein, Mensch.) Mit Tafel 1—8. Herausgegeben mit Unter-- ; 4 stützung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 3 in Wien aus dem Legat Wedl. Fol. VI u. 21 Seiten. Ya In Mann M.12.— 9 . FR 44 Seiten. Een Geheftet M. —,80 rn, „Organbildende Substanzen“ und ihre Be- E eutung für die Vererbung . Nach seiner am 21. Juni 1906 in der Aula der Universität Leipzig Beaenen Antrittsvorlesung. gr. 8. 80 Seiten. % Geheftet M. 1.20 Zah > Bausteine zu einer Theorie der Extremitäten der Wirbeltiere. I. Teil ae Mit 49 Figuren im Text und 11 lithographischen Tafeln. 4. E r = XLV u. 290 Seiten. S Geheftet M. 24.— Au u f vorstehende Mas 50% Verleger- u. 20% SU FINBRESE-TERPFODESEBACHTNG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG I CARL GEGENBAUR Lehrbuch der Anatomie des Menschen“ ; Achte, umgearbeitete und vermehrte Auflage von M. Fürbringer 0. ö. Professor der Anatomie und Direktor der Anatomischen Anstalt der Universität Heidelberg ———— DRET-BANDE gr. 8. I. Band Einleitung. — Erster Abschnitt. Vom ersten Aufbau und von der Zusammensetzung des Körpers (Formelemente, Zellenlehre, Cytologie; Entwieklungs- geschiehte, Ontogenie; Gewebelehre, Histologie; von den Organen und dem Körper als Ganzes) bearbeitet von M. Fürbringer Mit 276 zum Teil farbigen Figuren im Text. gr. 8. (XXI u. 689 Seiten.) Herabgesetzter Preis: 9 Mark II. Band, 1. Lieferung: Blutgefäßsystem bearbeitet von E. Göppert Mit 99 zum Teil farbigen Figuren im Text. gr. 8. (253 Seiten.) Herabgesetzter Preis: 4 Mark. Aus den Besprechungen: Für Ärzte aber, die noch Interesse für Anatomie haben — vor allem aber für die Fachgenossen — wird Fürbringers Bearbeitung des Gegenbaur eine Fundgrube für anatomische Angaben und eine Quelle reinsten Ge- nusses sein, ein wahrer Thesaurus anatomiae humanae trotz der vom Her- ausgeber beibehaltenen Form eines Lehrbuches. Anatomischör Anzeiger. Wir dürfen es geradezu als ’ein Ereignis in der Geschichte des ana- tomischen Unterrichts bezeichnen, daß Gegenbaurs Lehrbuch in neuer - mustergültiger Bearbeitung erschienen ist. .... Das Werk ist mit zahlreichen guten Abbildungen, zum großen Teil Originalien, ausgestattet, die allerdings ganz im Gegenbaurschen Sinne mehr in den Hintergrund treten gegenüber dem meisterhaft ge- schriebenen Text. Zentralblatt für Normale Anatomie und Mikrotechnik. .... Man kann den vorliegenden Band kaum bloß als eine Umarbeitung der entsprechenden Teile des früheren Werkes bezeichnen, denn er stellt bei dem fast dreifachen Umfang des Früheren fast eine Neu- schöpfung dar, welche unter sehr geschickter Auswahl des Wesentlichen aus der fast unübersehbar angeschwollenen Literatur das Werk auf die ° Höhe des jetzigen Standes der Wissenschaft gehoben hat. W.Roux. Archiv für Entwicklungsmechanik der Organismen. Dazu z. Zt. 50% Verleger- und 20% Sortimenter-Teuerungszuschlag Vorliegendes Heft enthält eine Ankündigung von „Villiger, Gehirn und Et, Rückenmark“, 5.—7. Auflage. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. EEE er Sp mic ohne nlkitüechlar zer RER N a Wilhelm Eugelmann, Leipzig, Mittelst.2 GEGENBAURS MORPIOLOGISCHES JAHRBUCH Dies ‚EINE ZEITSCHRIFT FÜR ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON E. GÖPPERT PROFESSOR IN MARBURG EINUN DFÜNFZIGSTER BAND 5 ZWEITES HEFT | MIT Pr FIGUREN IM TEXT UND 1 TAFEL "LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1921 F. Ausgegeben am 22. Februar 1921 Preis: M. 16. 6 SSH i Se einschließlich des = 9,8 x j schränken. Für die Beiträge wird kein Honorar gezahlt. i Pt _ FÜNFRED Ge Wirkt ‚Die Hantmuskulatur DE Ieels Verinaeeus europ Mit 13 ee u EG RE Ale one Re NEE E Extremitäten (Phocomele) nebst einigen Bemerkungen zur ‚Atio Mit 4 Figuren im Text und Tafel IV... .. ERS Hedwig. Frey, Vorkommen einer primitiven. Form des Gufauiiee bogens beim Menschen. Mit 9 Figuren im Text. Se Nr Alfred Trautmann, Der oe ‘von Ems ri 5 er A IOHIPn im Text. ER NE EL FR > Mitteilung. ER ES "Beiträge für das Morphologische J ahrbuch bitten wir a ‚Prof. E. Göppert, Direktor des Anatomischen In: stitutsi burg i.H., einzusenden. Im Interesse einer raschen un Veröffentlichung liegt es, daß die Manuskripte völlig dru: eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschaltungen gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitve sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponi 1 Zeichnungen ist darauf zu achten, daß der Raum des im Morph. Js buch üblichen. Tafelformates nicht überschritten wird. Als - figuren bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blätter zulegen. Die Beigabe farbiger Tafeln ist nach Möglic erhalten die Herren Autoren aber 40 Sonderabzüge, en kostenlos. | ER “r x VERLAG VON WILHELM ENGELMANN IN. von EWALD HERE! Über das Gedächtnis. a eine allgemeine F g> | der GERD SE tee ‚Zur Theorie dr a Herausgegeben von H. E. HERING Be; ‚EINE ZEITSCHRIFT FÜR ANATOMIE ER UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON e# &. BGÖPPERT PROFESSOR IN MARBURG EINUNDFÜNFZIGSTER BAND DRITTES HEFT MIT 48 FIGUREN IM TEXT UND 5 TAFELN [2 \ ‘ an ’ TRÄNEN = an THE ET IA, EEE RE: Kun 43 | bad az % - I v - er in ei he a Aa, DEN ae a mu LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1921 geschichte des "Kmpitienbezene Mit 11 Sa im Text” "Mitteilung. ee für das Morphologische Jahrbuch bitten wir an Her Prof. E. Göppert, Direktordes Anatomischen InstitutsinM BRORE burg i. H., einzusenden. Im Interesse einer raschen und siche Veröffentlichung liegt es, daß die Manuskripte völlig druckfer RE. eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschaltungen und. \ 08 & © 20 eh cD B fe; "B (FR En B Ko) & B 5. = cD "B = we & ba 3 N © e "o® m 3 "N DB 8.3 443 un Set der Zeichnungen ist darauf zu re daß der Raum des im > 08 figuren bestimmte Zeichnungen sind äuf besonderen Blättern ‚zulegen. Die Beigabe farbiger Tafeln ist nach Möglichkeit schränken. Für die Beiträge wird kein Honorar gezahlt. _ erhalten die Herren Autoren aber 40 Sen BB ihres 3: kostenlos. | N - = We; BERLAT VON WILHELM ENGELMANN IN LEI Über das Gedächtnis als eine allgemeine Funke organisierten Materie 7. Über die spezifischen Energien des Nervensystems Zur Theorie der Vorgänge in der lebendigen Substan Zur Theorie der Nerventätigkeit ER Herausgegeben von H.E.Hering n a. Mit einem Bildnis von Ewald Hering ° 140 Seiten ur ne Brut i Preis geheftet M. 14.— a Aus den Besprechungen: FL . Es ist verdienstlich vom ee wie vom Yorarı, daß : DR z schönsten Vorträge des genialen Leipziger Physiologen uns in. beso nd ER gutem Druck auf den Tisch legen.... wer sich in diese fünf Reden na 2 fühlend vertieft, wird auch heute noch sein wissenschaftliches Denk en Ber 4 ‚eine "höhere Stufe gehoben fühlen. ER Buttersack. Berliner klin. Wochenschr CH Ban Ts ne % ä ee ] 3 4. ES 5 E- RER ERS d; % Wa tes, von Wilhelm Re in Beipsin Georg Weber’ Allgemeine Meltgeihidte E:_ in 16 Bänden f Dritte Auflage 3 Y Bollftändig nen bearbeitet "udwig Nieh A Erjter Band: a Dun des Gegenjaßes von Europa zu Alien (bis 494 v. Chr.) } Mit ausführlidem Inhaltsverzeihnis und Regifter XV und 673 Geiten. Gr. 8° Zweiter Band: a römifhen Republit (492 bis 133 v. Chr.) . Mit ausführlihem Inhaltsverzeihnis und Regifter : XIV und 715 Geiten. Gr. 8° & Dritter Band: u Umwandlung der weltbeherrichenden römijchen Republit in ein Kaijertum zur Verteidigung gegen Germanen und Barther. Über: windung des Bolytheismus durd) die jüdiihe Diajpora, die grie- hiihe Bhilofophie und das Chrijtentum. (133 v. Chr. -326 ı. Chr.) XVI und 725 Geiten. Gr. 89 3 RE . Band I-III geheftet je M. 37.50, in echtes Leinen gebunden mit Schughülfe je M.A5.— Die Ägyptifh=mejopotamifche Kulturgemeinihaft und die Heraus- Eon den Berjerfriegen zum Hellenismus und zur VBorherrjchaft der. rt ABER ER — einfhließlih fämtliher Teurungszufhläge. Eine Preiserhöhung tritt bei Eriheinen des Bandes im Herbit 1921 ein. Die folgenden Bände follen in kurzen Zwijchenräumen erfcheinen. Yus den Beiprehungen: - . Wenn die folgenden Bände, was als fiher anzunehmen ijt, jid) auf gleider Höhe eg dann wird dieje Neu olle jpielen wie die erfte und un Aufla ag und dasjenige Werk werden, aus dem man umfafjende hiftoriihe Bildung auf dem Grunde der Wahrhaftigkeit, - und Geredtigleit jhöpfen wird, Die Lehrerbibliothelen follten jid) die dritte Sale nidjt entgehen lajjen. dilhe Shulzeitung. owohl Dar» tellun gstraft wie me KAleinarbeit verlangt, einen Meijter gefunden det, der in feiner Perjon Eigenjdhaften ver- häufiger getrennt als vereint findet. Dr. 9. vanXoof, Kölnijhe Zeitung Nr. 1161, Dezember 1919. ig Sprade ift durhweg von angenehmem Fluß. Die neue Gejhichtsforihung ift in ihren Ergebnifjen —- bearbeitung von Doneie Allgemeiner Weltgejhichte im deutihen Bürgertum wieder die gleiche $ peir Pas srube. Profefjor Herrigel, Ba . Man legt diejen erjten Band mit dem Vertrauen aus der Hand, dab ein jhwieriges Werk, das bindet, die man KR wo die Quellen Lüden aufweifen, baut der Berfalier a die Übergänge. Die Freunde der Mel ge ne Lehrer vorab, erhalten in dem neuerjtandenen Weber ein Ge Fa iswerf, das jeines Schöpfers vr ai 9 Schweizeriide Lehrerzeitung Nr.13, 1990. Berlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig 8 In Vorbereitung befindet jid: Georg Meber aritellung 12 3. Auflage | Bis 1914 bearbeitet von Brof. Dr. ©. Langer F Bon 1914-1920 ergänzt von Brof. Dr. K.Gutwajjer Umfang etwa 750 Seiten gr. 8 Preis einjchl. Verleger- Teuerungszufhlag geheftet etwa M. A0.— in Leinen gebunden etwa M. 60.— Aus den Bejprehungen der 22. Auflage: Ein altes Bud, dejjen zahlveihe Auflagen feine Brauchbarkeit zur Genüge be- wiejen haben. Pädagogifher Jahresberidt. Ein fo befanntes und weit verbreitetes Buch. wie das Weber’jche bedarf eigent- lid) feiner Empfehlung, es hat aud) neuern Erjheinungen gegenüber nod) immer feinen Plab behauptet. Seine Vorzüge find: Troß des tiefen Hineindringens in die Ge- ihichte aller Staaten und Völker wohltuende Kürze, Mare Überfichtlichkeit und darum leiäte Drientierungsmöglihleit. So ijt das Buch ein praftifhes Hand- und Nad- Ihlagebud für jeden Gebildeten und darum allen’ Kollegen wohl zu empfehlen. - Preußifge Lehrer- Zeitung. Vorliegendes Heft enthält eine Ankündigung von Wilhelm Engelmann in Leipzig über „Driesch, Philosophie des Organischen.“ 2. Auflage. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Meltgeichichte En i EN AT N N PWPIL Fl ne Von 9 rn N N mr ES NR N ET Si a ? EEE Ps: Iuile| We 'R% Kul | nz RL EA ed a A u Ir erde 5 4 . 4 Re 3 gr ES MN Win = ir Ka ee 2 I RBTLMLAN N NEN HN N F) > DI. ’ Da R . w . Fu | ’ I GEGENBAURS ER j MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH | EINE ZEITSCHRIFT FÜR ANATOMIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE _ HERAUSGEGEBEN VON E. GÖPPERT PROFESSOR IN MARBURG - EINUNDFÜNFZIGSTER BAND VIERTES HEFT MIT 134 FIGUREN IM TEXT UND 6 TAFELN LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN ER 1922 og = 2 L. 0 & IR PER, Ausgegeben am 11. April 1922 Preis: M. 248. 23 2 E hi s > £ „ >, al we BR Richard N. Wegner, Der Sihtzknbchen. Os Pe in Ser Naser ! + den Gürteltieren, Dasypodidae und seine homologen Gebild, y hibien Reptilien und Monotremen. ‚Mit 43 Eh im . TALK IR V 2. RE EN BL. Bernhard Peyer, Über die Fioskensfachuint der Weise und a sowie des Karpfens. Mit 68 Figuren im Text. .:2...... H. M. de Burlet, Über durehbohrte "Wirbelkörper fossiler ind en taten, zugleich ein Beitrag zur Entwieklung“ des 5 Venensystem Faultiere. Mit 23 PEIEUSS im Text. ER En DR Ban Pe Mitteilung. - daß Be ee alle druckfece eg werden, .de : > nachträglichen Einschaltungen und ausgedehnten Abände: gen y BR rend ‚der Korrektur Zeitverlust ; und en ee amnäten nicht überschritten wird. je Terdiigiren bestimmte Ze nungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Beig ‘ farbiger Tafeln ist nach Möglichkeit einzuschränken. Für träge werden vom vorliegenden Heft ab für den | " -M. 40.— Honorar gezahlt. Dissertationen können nicht werden. Anstatt der bisherigen 40 Sonderabzüge erhalten di : Autoren 60 Sonderabzüge. ihres a kostenlos, ee, ; h ; Soeben erschien: | R e g 1 st er Zoologischen Anzeige Band XXXVI—XL und Bibliographia zoologica Vol. XVIL-RXUL bearbeitet von Professor Dr. K.W. von Dalla-Torre NE in Innsbruck IV und 695 Seiten gr.8. M. 280.—. x > Soeben erschien: Jtrecht am 22, Juni 1921 von Professor Dr. C. A. Pekel- haring, Dr. A. Sikkel, Mr. Dr. A. F. Baron van Lynden, = 25 DIIP. 'Fockema Andreae dem Holtan ndischen übersetzt von Paula Krais geb. Engelmann. Rue Ober das Gedächtnis als eine allgemeine Funktion der: organisierten Materie Über die spezifischen Energien des Nervensystems i Zur Theorie der Vorgänge in der lebendigen Substanz Zur Theorie der Nerventätigkeit RR | erben von H. E. Hering Mit einem Bildnis von Ewald Hering o 140 Seiten gr.-8 Preis geheftet M. 14.— W ... Es ist verdienstlich vom Herausgeber wie vom Verlag, daß sie die schönsten Vor- Yiäge des ‚genialen Leipziger Physiologen uns in besonders gutem Druck auf den Tisch legen. . ER wer sich in diese fünf Reden nachfühlend vertieft, wird auch heute noch sein wissenschaftliches Ze Danken auf eine höhere Stufe gehoben fühlen. Buttersack. Ir Berliner klin. Wochenschrift. Et Diese RR der klassischen Reden Herings ist auf das Wärmst6 zu begrüßen, weil En, sie z. T. bisher nur in der schwer erhältlichen Prager Zeitschrift Lotos zu finden waren. ’ - Die klare Darstellung und ihre Sprache heben diese Reden hoch tiber das Niveau anderer aka- 3 demischer Reden oder Vorlesungen, und auch der Laie wird sie, fast wie ein Kunstwerk, genießen und sich der Tiefe der hier entwickelten Gedanken erfreuen. Brücke (Innsbruck) Naturwissenschaftliche Wochausekziäs x ; E i ’ ER Tu ‘ Pr 5 3 I - > ie »u ER ET RE ET a ET Er “ a. TA a enie >, VERLAG voN WILHELM ENGELMANN Am 28. a 1922 erschien: BIBLIOTHECA ame ÜBER LOOLOGIE WELCHE UND MIT EINSCHLUSS he DER ALLGEMEIN - NATURGESCHICHTLICHEN, PERIODISCHEN UND PALAEONTOLOGISOHEN SCHRIFTEN B EARBEITET. VON DR. O. TASCHENBERG Er ORD. HONORAR-PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT HALLE FÜNFUNDZWANZIGSTE LIEFERUNG NACHTRÄGE: SIGNATUR 795—804 ‚Preis: M. R—. - Mit der 26. Lieferung, die in einigen Wochen erscheinen soll, wird ER, liche Text dieses bibliographischen Monumentalwerkes abschließen. Es dann nur noch ein Sach- und Autorenregister, deren Umfang auf etwa 2 in etwa 20 Lieferungen geschätzt wird. Aus den Besprechungen der früheren Lieferungen: . etwas zum Lobe des allen zoologisch Arbeitenden ungntbehrlicheiä zu sagen, erübrigt sich wohl . Literarisches Zentr Immer wieder muß betont werden, daß alle auf dem Gebiete der Ze ' arbeitenden Forscher ihm (dem Verfasser) für seine selbstlose und mül Arbeit zu tiefstem Danke verpflichtet sind. Zentralblatt für : rologie . In view of the very high present cost of publication it is to be hope« that all the subscribers to this unique and exhaustive work will do their in full.« American Journal of£ Je Pr. über „Dannemann, Aus der Werkstatt“ 4. Aufl, „Newcomb- Engels Fopuläce Astronomie 6. Aufl. "und „Schaffer, Lehrbuch der Histologie“ PER von Breitkopf & Härtel in Teipuig WER ” 2. Ye WEL Dat Te NEE -. Sal: ! N. IE I ZIAR Br. Br: x [Er ” / > b \ + f R « Sur, .