*B 5^ ^5 in O U C > CC ci GEOGRAPHISCHE UND NATURWISSENSCHAFTLICHE ABHANDLUNGEN. i. ZUR VlERHUNDERTJlHRlGEN FEIER DER ENTDECKUNG AMERIKAS: COLÜMBUS UND SEINE VIER REISEN NACH DEM WESTEN. NATUR UND HERVORRAGENDE ERZEUGNISSE SPANIENS. VON Dr. JOHANNES; REIN PROFESSOR DER GEOGRAPHIE AN DERUNIVERSITÄT BONN. MIT 8 FIGUREN IM TEXT, 8 LICHTDRUCKEN UND 3 KARTEN, SOWIE DEM FÄCSIMILE EINES CCLUMBUS-BRIEFES. -•■»■•- LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1892. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. Ell Z HERRN WILHELM SUNDHEIM CONSUL DES DEUTSCHEN REICHS UND EHRENBÜRGER DER STADT HUELVA, IN ALTER, TREUER FREUNDSCHAFT GEWIDMET VOM VERFASSER. M5613I9 VORREDE. Am 2. August dieses Jahres beginnt für Stadt und Provinz Huelva, sowie für Spanien überhaupt, die grosse Festzeit zur Er- innerung an die vor vierhundert Jahren erfolgte Entdeckung Amerikas. Von der Mündungsbucht des Rio Tinto und Odiel bei Palos traten Freitag, den 3. August 1492 Christoph Columbus, die drei Brüder Pinzon und ihre spanischen Begleiter die kühne, ewig denkwürdige Fahrt an, welche Freitag, den 12. October zum Auffinden der Neuen Welt führte. An einem dritten Freitag, den 15. März 1493, kehrte Columbus mit Yanez Pinzon und einem Teil der übrigen Abenteurer im kleinsten seiner drei Schiffe nach Palos zurück. — Das vorliegende Buch erscheint nicht ohne Grund zum Beginn der grossen Feste, zu dem „Cuarto Centenario del Descubrimiento de Nuevo Mundo", wie die Ueberschrift des officiellen Programms lautet. Es soll zunächst ein Führer sein für diejenigen, welche die Absicht haben, aus Anlass derselben die Provinz Huelva zu besuchen und ihre Sehenswürdigkeiten kennen zu lernen , sodann aber auch für die weit grössere Zahl derer, welche sich in der Heimat orien- tieren wollen. Auf Grund unantastbarer Quellen gibt es einen Lebensabriss des grossen Entdeckers und eine kurze Darstellung seiner vier Reisen nach dem fernen Westen. Das einleitende Kapitel über die Provinz Huelva soll vor allem dazu dienen, die Leser mit den Oertlichkeiten der Küste bekannt zu machen, welche bei der Columbusfeier in Be- tracht kommen. Dieser Abschnitt ist gleich allen andern , welche vi Vorrede. spanische Gegenstände behandeln, aus wiederholten Studien an Ort und Stelle hervorgegangen. Selbstverständlich stehen die letzteren zur Columbusfeier in keiner weiteren Beziehung. Nachdem ich aber die verschiedenartigen Themata in Vorlesungen, teils in der Univer- sität, teils in andern Kreisen behandelt hatte, lag der Gedanke an die gemeinsame Veröffentlichung nahe. Ich gebe mich der Hoffnung hin, dass das Buch nicht blos geo- graphischen Kreisen willkommen sein wird, sondern auch vielen, deren Beschäftigungen mehr den wirtschaftlichen Fragen zugekehrt sind. Endlich glaube ich, dass auch die reifere Jugend darin An- regung und Belehrung finden kann. Es ist mir ein Bedürfnis, hier derjenigen Freunde dankbar zu gedenken, welche meine spanischen Studien in irgend einer Weise wirksam unterstützt haben, nämlich der Herren Consul A. Bey in Valencia, Enrique Bushell, Mitglied der Cörtes in Madrid, Hofrath Dr. Fastenrath in Köln, Pablo Gagel in Malaga, Landesgeologe Joaquin Gonzalo y Tarin in Madrid, Ingenieur Mayböll in Huelva, Geheimerath Prof. Nissen in Bonn, Gymnasiallehrer Schulteis in Bonn, Consul W. Sundheim und Consul A. Sundheim-Lindeman in Huelva, Gebrüder Spottorno in Cartagena. Die Illustrationen, welche die Verlagsbuchhandlung in gewohnter Liberalität gewährt hat, sind fast ausnahmslos Originale, die ich teils den photographischen Aufnahmen des Herrn Ingenieur Mayböll, teils, wie die Textfiguren Nr. i und 4, sowie die Uebersichtskarte der Reisen des Columbus, der freundlichen Beihülfe des Herrn Gymna- siallehrers Schulteis verdanke. Bonn, Ende Juli 1892. DER VERFASSER. INHALT. Seite Vorrede vi Die Provinz Huelva i Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas . 19 Erste Reise des Columbus 46 Zweite Reise des Columbus 69 Die dritte Reise des Columbus 84 Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt 95 Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen 106 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc 115 Kork und Korkeiche 137 Die Steineiche (Quercus Hex L.) und die spanische Schweinezucht 158 Die Albufera von Valencia, das Mar Menor und die Sierra de Cartagena . . . 169 Grundlagen und Eigenart der spanischen Landwirtschaft. Campos Secanos und Campos Regadios ' 182 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte Kulturen der Provinz Valencia 220 DIE PROVINZ HUELVA bildet den südwestlichsten Teil Andalusiens und Spaniens überhaupt. Noch vor 25 Jahren war sie wenig bekannt und wurde von Fremden selten genannt und besucht. Schien es doch, als ob nicht bloss die Kunst, sondern auch die Natur sie viel stiefmütterlicher behandelt habe, als ihre benachbarten Schwestern im Gebiete des Guadalquivir. Weit abseite liegend von den modernen Verkehrsmitteln, war sie in ihrer ganzen Entwickelung auffällig zurückgeblieben, und selbst das ansehnlichste ihrer Städtchen, dessen Namen sie trägt, erhob sich wenig über die Bedeutung eines grösseren Fischerortes. Das ist nun alles ganz anders geworden, und diesen grossen Wandel hat vor- nehmlich der ungeheure Aufschwung bewirkt, den ihr Bergbau seit- dem erfahren hat, vor allem im Quellgebiete des Rio Tinto. Wer jetzt Huelva, das ehemalige Onoba, besucht, findet eine freundliche, reinliche und rasch emporblühende Stadt mit hochinter- essanten Hafenbauten an der linken Seite der Ria (Mündungsbucht) des Odiel und regem Schiffsverkehr, mit vier Eisenbahnen, welche teils die Hauptprodukte der Provinz: Erze, Marmor, Wein, Oel, Kork, Früchte, den Schiffen zur Ausfuhr übermitteln, teils über die engen Grenzen derselben weit hinausgreifen und die Verbindung mit mehreren Hauptverkehrswegen der Halbinsel herstellen. Und wenn Anfang August dieses Jahres die Königin und höchsten Würdenträger Spaniens, wenn zahlreiche gebildete Fremde aus allen christlichen Ländern an den Mündungsbuchten des Odiel und Rio Tinto zu- sammentreffen werden, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen, welche zur Erinnerung an die vor vierhundert Jahren von hier aus- gehende abenteuerliche Expedition des Columbus und seiner spanischen Gefährten und die dadurch erfolgte Entdeckung Amerikas vorbereitet Rein, Gesammelte Abhandlungen. I 2 Die Provinz Huelva. werden, dann wird die Stadt Huelva ihren Gästen nicht bloss ein herzliches Willkommen bieten, sondern auch behagliche Quartiere, zumal im Hotel Colon, wie sie schöner und preiswürdiger keine Stadt Spaniens aufzuweisen hat. Wie eine jede bessere Karte Spaniens zeigt, grenzt die Provinz Huelva im Osten an Cadiz und Sevilla, im Norden an Süd-Estre- madura (Prov. Badajoz), im Westen an Portugal, im Süden aber an den Atlantischen Ocean, von dem sie in ihrer ganzen Erstreckung von der Mündung des Guadalquivir bis zu derjenigen des Guadiana bespült wird. Sie liegt zwischen 360 47*// N und 380 12' N, sowie 6° 3' W Gr. und 70 31' W Gr. Verglichen mit den 48 übrigen Provinzen Spaniens ist sie von mittlerer Grösse und umfasst 10676,4 qkm (194 QMeilen) mit ca. 255 000 Ew., so dass auf 1 qkm noch nicht 24 Bewohner kommen. Diese verhältnismässig so dünne Bevölkerung ist eine Folge der ungünstigen Bodenbeschaffenheit; denn mehr als zwei Drittel der Provinz gehören dem Gebirge, der zwar nicht sehr hohen, aber zer- rissenen und meist unfruchtbaren Sierra Morena an, und das übrige ist teilweise von Dünensand überdeckt, der auf weiter Strecke keine Ortschaften trägt. Von den beiden östlichen Nachbarprovinzen, welche mit Huelva das ehemalige Königreich Sevilla bildeten, kommen in Sevilla 39, in Cadiz 59 Personen auf 1 qkm. Grosse Städte, wie diese sie auf- zuweisen haben, finden wir in der Provinz Huelva nicht ; aber während die Bevölkerungsziffer des berühmten Cadiz seit Jahrzehnten mehr und mehr zurückgeht, ist diejenige der Provinz und Stadt Huelva in derselben Zeit ansehnlich gestiegen. Die Einwohnerzahl der Pro- vinz wuchs von 123966 im Jahre 1787 auf 2 10 641 (1877) und 254831 im Jahre 1887. Noch viel auffallender ist das rasche Emporblühen ihrer Hauptstadt. Im Jahre 1845 zählte sie nur 7400 Ew., 1877 schon 13174 und bei der letzten Zählung Ende 1887 sogar 18 195, so dass man sie jetzt auf rund 20000 veranschlagen darf. Von den fünf übrigen Distrikthauptstädten der Provinz hatte nach der letzten Volks- zählung Aracena 6040 Ew., Ayamonte 6585 Ew., La Palma 5897 Ew., Moguer 8750 Ew., Valverde del Camino 6038 Ew. Sie werden rasch überflügelt von den Minenstädten im Quellgebiet des Rio Tinto: Minas de Rio Tinto mit 10671 Ew., Nerva 6431 Ew. und Zalamea 6240 Ew., sowie von Alosno mit 12045 Ew. im Süden von Tharsis. Die Küste ist fast in ihrer ganzen Ausdehnung (116 km), von der Mündung des Guadalquivir bis zu derjenigen des Guadiana, ja Die Provinz Huelva. 3 über letztere noch hinaus bis nach Faro, niedrig und ziemlich ein- förmig. Sie bildet einen landeinwärts gekehrten Kreisbogen, der dem Golf von Cädiz angehört und durch die Ria oder Mündungs- bucht des Odiel im Verein mit dem Rio Tinto in zwei Abschnitte von sehr verschiedener Beschaffenheit zerlegt wird. Mächtige Sand- dünen, die sogenannten Arenas gordas, fassen die südöstliche Strecke ein. Sie steigen mittewegs zu Hügeln bis zu 113 m Höhe (Torre Asperillo) an und breiten sich landeinwärts weit aus, da auf den weiten Flächen kein Baumwuchs den mächtigen Windwehen vom Ozean her Einhalt gethan hat. Erst in der Nähe des Guadalquivir finden wir im Pinar de la Marismilla einen Pinienbestand als Schutz- wehr gegen diese fortschreitende Versandung. Das ganze Gebiet dieser Küstenstrecke Andalusiens führt seit der Zeit, wo sie sich in den Händen Castiliens befand, während weiter ostwärts die spanischen Gestade noch lange zum maurischen Königreich Granada gehörten, den Namen Costas de Castilla. Es ist ohne Häfen und höchst öde, ja mit Ausnahme der sechs Wachtürme, welche später hier in Entfernungen von 10 — 15 km gegen die Seeräuber von der Berberei errichtet wurden, ohne jede Spur einer menschlichen Thätigkeit. An die Dünen schliessen sich weiter landeinwärts verschiedene Lagunen von zum Teil ansehnlicher Ausdehnung an und bilden während des Winters beliebte Sammelplätze zahlreicher wandernden Wasservögel. Dann erst folgt das schon im Altertum gepriesene, äusserst fruchtbare Kulturland. Der nordwestliche Teil der Küste von Huelva, vom Aestuarium des Rio Tinto und Odiel bis zur Mündung des Guadiana zeigt einen wesentlich verschiedenen Charakter. Er ist sehr niedrig, von einem dunkelgrauen Schlick oder Schwemmland gebildet, welches auf festem Thon ruht und von zahlreichen seichten Meeresarmen (Esteros) kanal- artig durchschnitten und dadurch in eine grosse Zahl von Inselchen und Landzungen zerlegt wird. Das sind den venetianischen Lagunen- Inseln ähnliche, vollkommen ebene, morastige Gebiete, welche der Spanier Marismas nennt. Bei dem hier herrschenden starken Ge- zeitenwechsel dringt die Flut mächtig bis zu 5 m Höhe heran1 und schreitet jenen zahlreichen Esteros entlang, wie mit leckenden Zungen weit vor, ja sie überschwemmt den grössten Teil der Marismen selbst und giebt ihrer eigenartigen Vegetation immer neue Nahrung. Wenn aber zur Flut sich ein heftiger Südwind gesellt und das 1 Die durchschnittliche Fluthöhe der Zyzygien (Vollmond und Neumond) be- trägt 4,2 m und diejenige zur Zeit der Quadraturen 2,6 m. 4 Die Provinz Huelva. Wasser der Fluss- und Meeresarme ungewöhnlich staut, so über- schreitet es selbst die äussersten Grenzen der Marismen und bringt den tiefer liegenden Küstenorten verderbliche Ueberschwemmung, wie dies in der Nacht vom 26-/27. Februar 1892 geschah, wo u. a. die über 5000 Ew. zählende Fischerstadt Isla Christina überflutet wurde. Es sind Salzpflanzen (Halophyten), die hier wachsen, Kräuter und niedrige Sträucher mit fleischigen graugrünen oder graubraunen, unansehnlichen Blättern, welche bewirken, dass die Marismen aus einiger Entfernung wie die Haidekrautflächen Norddeutschlands aus- sehen1. Diese düstere Einförmigkeit wird nur im Herbst unter- brochen, in der Blütezeit dieses eigenartigen Vegetationsbildes, das dann einige Wochen lang wie ein ausgebreiteter, buntfarbiger Teppich erscheint. Wer sich indess durch diese Farbenpracht verlocken lässt, die Marismen zu betreten, läuft Gefahr, in den zahlreichen, schlamm- erfüllten Löchern und Gräben zu versinken. In tropischen Gegenden, wie z. B. im Mündungsgebiet der so- genannten „Oil Rivers"2, zwischen dem Delta des Niger und dem Kamerunfluss, sind Küstenbildungen, wie die Marismas, in der Regel mit undurchdringlichen Mangrove -Wäldern bedeckt und gelten für Brutstätten der Malaria. An der Küste von Huelva üben die Ma- rismas keineswegs solchen nachteiligen Einfluss aus. Die Seeluft, welche über sie hinwegstreicht und dann Orte, wie Huelva und Gi- braleon berührt, ist angenehm und gesund. Landeinwärts folgt, sowohl auf die ausgedehnten Ablagerungen des Dünensandes südöstlich der Rio Tinto-Mündung , als auch auf die viel beschränktere Bildung der Marismen im Westen, ein nie- driges, sanft ansteigendes Hügelland, welches sich dem Kulmschiefer der Sierra Morena südwärts anlehnt und aus miocänen, marinen Kalk- steinen von poröser Beschaffenheit, pliocänen Kalken, Sanden und Thonen, sowie diluvialen Ablagerungen verschiedener Art besteht. Letztere wiegen vor, zumal westlich des unteren Odiel, wo das Mio- cän gar nicht, das Pliocän nur in einigen Inseln südwestlich von Gibraleon aus dem Diluvium hervorragt. Dagegen ist am äussersten Ende der Provinz, auf der Nordseite von Ayamonte das engbegrenzte 1 Die Flora der Marismen setzt sich nach Willkomm (Zwei Jahre in Spanien und Portugal. 3. Bd. p. 195, Leipzig 1847) vornehmlich aus folgenden Arten zusam- men: Inula crithmoides Sm., Statice globulariaefolia Desf., Frankenia intermedia Dec, Arthrocnemon fruticosum M., Salsola rosacea L., Obione portulacoides Mocq., Halo- geton sativus Mocq., Aster Tripolium L., Atriplex Halimus L. 2 Oil Rivers, Oelflüsse, nennen die Engländer die erweiterten Mündungsarme dieser Flüsse, weil sie an ihnen das wichtigste Produkt der Küste, das Palmöl, holen. Die Provinz Huelva. 5 Vorkommen eines dichten weissen dolomitischen Kalksteins über dem Kulm bemerkenswert, welchen der verdienstvolle Landesgeologe D. Joaquin Gonzalo y Tarin zur Trias rechnet, obgleich fossile Be- lege dafür bislang fehlen. Die höchsten Erhebungen des diluvialen, tertiären und post- tertiären Hügellandes, welches die südlichen zwei Siebentel der Pro- vinz einnimmt, sind zwei Dreieckspunkte im Diluvium, nämlich der Cebollar (183 m) westlich, und der Alcornocosa (186 m) nordöst- lich von Gibraleon. Dieser geologisch junge Teil der Provinz hat im wesentlichen die Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen rechter Winkel nordöstlich der Stadt La Palma an der Grenze der Provinz Sevilla liegt; die kleine Kathete folgt letzterer südwärts zur Mündung des Guadalquivir, die grosse erstreckt sich gen Westen dem Südrand der Sierra Morena entlang bis Ayamonte. Die be- deutenderen Orte ostwärts des Rio Tinto: Moguer, La Palma, Al- monte, liegen im Gebiet des Pliocän, diejenigen westlich, insbe- sondere Huelva, Gibraleon, Cartaya, Lepe, Ayamonte, auf Diluvium. Das hier erwähnte Dreieck bildet den westlichsten Teil der andalusischen Tiefebene und ist, mit Ausnahme der Marismen und Dünensande, ein gesegnetes Gebiet, das schon Strabo und Plinius rühmen und von dessen Reichtum und alter Kultur zahlreiche römische und maurische Ueberreste zeugen. Je nach ihrer Boden- beschaffenheit weist diese „Campina" die verschiedenartigsten Kul- turen auf: Weizen- und Gerstenfelder, Weinberge, Oliven- und Pinienhaine und dazu Pflanzungen von Feigen-, Mandel-, Granat- und Orangenbäumen in bunter Abwechselung. Aber, wie von ganz Andalusien und der Mittelmeerregion überhaupt, so gilt auch hier der Ausspruch des Columella: Der Oelbaum ist „prima omnium arborum", — der erste aller Bäume — , während anderseits der Weizen als wichtigstes Gewächs des gewöhnlichen Ackerbaues er- scheint. In vielfachem Gegensatze zu dem vorerwähnten, geologisch jungen, südlichen Dreieck der Provinz stehen die übrigen fünf Sie- bentel ihres Areals. Dieser Teil wurde aus alten krystallinischen und paläozoischen Schiefern aufgebaut und später durch eruptive Massengesteine: Granit, Diorit und Porphyr vielfach durchsetzt und verworfen. Das Gebirge gehört dem marianischen System an, welches auf der Westseite von Murcia sich der Sierra del AlCaraz anschliesst und in westsüdwestlicher Richtung 320 km lang bis zum Cabo Säo Vicente hinzieht. Es bildet bekanntlich den südlichen Grenzwall des castilischen Plateaus' und scheidet Neu-Castilien nebst 6 Die Provinz Huelva. Süd-Estremadura von Andalusien, sowie zuletzt auf portugiesischem Gebiete die Prozinz Alem-Tejo von Algarbe. Der grösste Teil dieses ausgedehnten und für unsere Provinz allein in Betracht kommenden Gebirges führt den bekannten Namen Sierra Morena, den man von der dunkelgrünen Strauchvegetation hergeleitet hat, welche, aus grösserer Entfernung betrachtet, den Bergen ein schwärzliches Aus- sehen verleiht; doch ist, wie Diez nachweist, der Name „Morena" eine Korruption von Marianus (Mons Marianus), der römischen Be- zeichnung für das Gebirge1. Wie ein faltenreicher weiter Mantel breitet sich die Sierra Mo- rena zwischen der andalusischen Tief- und der castilischen Hoch- ebene, sowie ihrer estremadurischen Vorstufe am mittleren Guadiana aus. Unter allen Gebirgssystemen der iberischen Halbinsel besitzt keines eine so ermüdende Einförmigkeit, sowohl hinsichtlich der Bergformen, als auch der sie bedeckenden Vegetation. Dürres Schiefergestein, teils krystallinisch , teils der silurischen und der Kulm-Formation angehörend und in seinen höchsten Teilen vielfach mit Kalk und Marmor abwechselnd, bildet die zahlreichen flach- rückigen Berge dieses Gebiets. Wie die Wellen einer plötzlich er- starrten hohen See erscheinen sie an- und nebeneinander gelagert. So hat sie der grösste Baumeister der Natur, das Wasser, aus einem einfachen Gewölbe unter Beihülfe faltender und verwerfender Kräfte allmählich herausgebildet. Die Orientierung ist vielfach recht schwer, denn vergeblich sucht man auf weiten Strecken nach einem beson- ders hervorragenden Gipfel und Aussichtspunkte. Nur die Haupt- richtung des Systems behalten nicht bloss die einzelnen Bergrücken, sondern auch die sie aufbauenden Schiefer, ja selbst die meisten der sie durchsetzenden Gänge von Granit, Diorit und Porphyr im wesentlichen bei. Dennoch steigt man, sowohl von der Küste aus im Süden, als auch von dem Mittellauf des Guadiana im Norden her zu den höchsten Teilen allmählich empor, wiewohl rascher von dieser als von jener Seite. Auch bildet das Gebirge, von der estremadurischen Ebene am Guadiana aus gesehen, schönere und kühner aufsteigende Berge, weil hier der Granit die Vorherrschaft hat. In der Tendudia, nahe der Nordostgrenze von Huelva, doch schon auf dem zur Provinz Badajoz gelegenen Gebiet, erreicht die westliche Sierra Morena mit 1104m ihre höchste Erhebung. Südlich davon, am Wege von Arroyo- molinos (Prov. Huelva) nach Monasterio erhebt sich auf der Grenze 1 Dietz: Ethymol. Lexikon der roman. Sprachen. Bonn 1861. Vorrede, S. XXV. Die Provinz Huelva. 7 im Gebiet des Cambriums die Sierra del Robledo 1050 m hoch. Die höchsten Berge der Provinz Huelva, die Cumbres de la Sierra Alta, gehören der Zone krystallinischer Schiefer an, welche südlich des 38. Parallels einen breiten Gürtel von Ost nach West bilden und, sowohl auf der Nord-, als auch auf der Südseite, von silurischen Schiefern überlagert sind, denen sich dann weiter die Kulmschiefer als jüngstes Sedimentgebilde des Gebirges anschliessen. Vielfach sind die Talkschiefer und Phyllite oder Urthonschiefer , sowie die häufig eingelagerten Kalksteine der hohen Sierra von Diorit und Granit durchbrochen und teilweise überlagert. Dabei hat das Eruptiv- gestein den kohlensauren Kalk meist in Marmor umgewandelt, wel- cher Anlass zu einer neuen, aufblühenden Industrie geworden ist. Nach der Distriktshauptstadt Aracena nennt man diesen Theil der Sierra Morena gewöhnlich Sierra de Aracena. Man rechnet dazu alle hohen Bergrücken auf der Wasserscheide zwischen Guadal- quivir und Guadiana, sowie im Quellgebiet des Odiel, insbesondere die Höhenzüge westlich von Aracena bis gegen Cortegana hin. Die Provinz hat hier in der Sierra de San Cristöbal südöstlich von Cortegana mit 1035 m und in der Sierra del Castana mit 1014 m ihre höchsten Erhebungen. Die Sierra Andevalo (472 m hoch) zwischen Rio Chanza und Odiel kann als südwestliche Fortsetzung der Sierra de Aracena angesehen werden. Auch die Sierra de Aroche, welche parallel dazu die Wasserscheide zwischen Chanza und Rio Ardila bildet und in die portugiesische Sierra de Ficalho übergeht, steht mit der Sierra de Aracena in innigem Zusammen- hang. Südlich der letzteren stuft sich zwischen Odiel und Rio Tinto das Gebirge über kleine Hochflächen allmählich ab ; gewöhnlich be- gegnen wir sanft gewölbten Rücken, wie sie dem Schiefergebirge eigen sind. Nur wo die Schieferschichten steil aufgerichtet oder von Eruptivgesteinen durchsetzt und überlagert sind, treten wildere Bergformen auf. Die Flüsse der Provinz Huelva führen ihr Wasser teils südlich direkt zum Meer, wie Rio Tinto, Odiel und Piedras, teils westlich und südwestlich zum Guadiana, wie Mürtiga und Chanza, teils süd- östlich zum Guadalquivir, wie Rio Huelva und verschiedene Zuflüsse des Guadiamar. Da das sie speisende Gebirge nicht hoch und im allgemeinen sehr steil und entweder kahl oder mit einer dürftigen Strauchvegetation bedeckt ist und selbst die sehr lichten immer- grünen Eichwälder der weniger steilen Strecken keine nennenswerte Laub-, Moos- und Humusdecke aufweisen, so ist ihr Wasserstand, je nach der Jahreszeit, ausserordentlich verschieden. Während des 8 Die Provinz Huelva. langen, trocknen Sommers verringert sich derselbe in Folge ab- nehmender Zufuhr, starker Verdunstung und sonstigen Verbrauchs bei manchen dergestalt, dass sie entweder ganz austrocknen (Ramblas) oder nur noch schwach dahinschleichen und sich zuletzt in eine Reihe Pfützen auflösen. Alsdann bringen sie ihrer Nachbarschaft leicht ge- fürchtete Wechselfieber. Stellt sich aber im Herbst oder Winter die Regenzeit wieder ein, so schwellen sie bald zu reissenden Strömen an. In diese Zeit fällt ihre ansehnliche Erosionsthätigkeit , durch welche sie allmählich ihre vielgewundenen Bette teilweise sehr tief in den Schieferfelsen eingegraben haben. Wechselfieber im Sommer und Herbst, Ueberschwemmungen im Winter und Mangel an fruchtbarem Alluvialboden in den engen Thalsohlen sind die Ursachen, weshalb hier oft auf weiten Strecken keine Ansiedelung zu finden ist. Grüne, blumenreiche Wiesen darf man in diesem Klima nicht erwarten. Statt des Weiden- und Erlen- gebüsches bei uns, fasst dort vielfach der Oleander die Flussufer und die Bette periodischer Wasserläufe ein, und findet sich thalaufwärts bis zu 500 m Höhe Alle grösseren Flüsse entspringen in der hohen Sierra. Obenan steht nach Länge seines Laufes und seiner Bedeutung der Odiel (Luxia) . Er fliesst erst in südwestlicher, sodann in südlicher Rich- tung mitten durch die Provinz. Die ganze Länge des Flusses beträgt 120 km, das Areal seines Gebietes 2310 qkm oder mehr als ein Fünftel der Provinz. Seine Quelle (Arroyo de Marimateos) liegt in 600 m Höhe östlich der Stadt Aracena. In seinem Oberlaufe nimmt er alle Bäche von der Südseite der Sierra de Aracena auf, welche zum Teil schöne, gesunde Thälchen bilden, wo unter dem Schutz der Berge noch in mehr als 500 m Höhe Orangen und andere Südfrüchte vortrefflich gedeihen, wie bei Aläjar (525 m). Alle diese Gebirgsbäche führen ihm gesundes, klares Wasser zu, mit dem er dann eine zweite Zone der Provinz betritt, den Minengürtel, und, indem er denselben in südlicher Richtung durchschneidet, eine grosse Veränderung erleidet. Die Abflusswasser aus den Gruben und Cementirungswerken von Tharsis, La Zarza, San Telmo, Cueva de la Mora und andern Berg- werken färben den Odiel, zumal im Sommer, durch ihren hohen Eisengehalt rot wie Burgunderwein. Diese Farbe schwindet erst da, wo unterhalb des Städtchens Gibraleon das Aestuarium des Odiel oder die Ria de Huelva beginnt und das Wasser sich unter dem Einfluss der Flut ausbreitet. Der Rio Tinto ist der kleinere, aber bekanntere östliche Nach- bar des Odiel. Plinius nennt ihn Urium; bei den Mauren hiess Die Provinz Huelva. 9 er Zaquia. Wie das Wasser des Odiel, so ist auch das seinige bis zum Aestuarium den grössten Theil des Jahres hindurch rot gefärbt; seitdem überhaupt im Quellgebiete Kupfer gewonnen wird, ist er ein „gefärbter Fluss" (Rio Tinto). Sein Quellfluss ist der Jarrama, welcher südlich vom Ursprung des Odiel un- weit des Ortes La Granada beginnt, in südwestlicher Richtung an der Grenze der Provinz Sevilla hinfliesst und da, wo diese sich gen SO wendet, den unscheinbaren Rio Tinto auf- und dessen Namen annimmt. Dieser kleine Wasserlauf entspringt auf der Nordseite des Cabezo de Salomön bei den berühmten Minen und wendet sich gen Süden. Nach seinem Eintritt in den Jarrama nimmt er dessen süd- westliche Richtung an, durchschneidet in vielen kurzen Windungen das Schiefergebirge, tritt unterhalb Niebla in die Alluvialebene ein und erweitert bald nachher sein Bett zu einer Ria, welche sich südlich der Stadt Huelva bei der Insel Salt es mit der Mündungsbucht des Odiel vereint. Die Strecke von Niebla bis hierher beträgt noch 27 km. Das Gefälle ist auf ihr so unbedeutend, dass die Flut sich auf dem ganzen Wege bemerkbar macht und bei San Juan del Puerto so stark ist, dass dieses 13 km nördlich von Huelva gelegene Städtchen von 3370 Ew. in kleinen Fahrzeugen immer noch den Wein seiner Nachbarschaft, sowie die Erze aus der Gegend von Valverde und Buitron im Norden, wohin eine Secundärbahn führt, direkt versenden kann. Die Gesammtlänge des Rio Tinto beträgt 100 km, sein Flussgebiet 1530 qkm. Die linke Seite der langen Mündungsbucht wird von einem niedrigen jungtertiären Hügelrücken begleitet, auf welchem die Städtchen Moguer und Palos liegen. Weiter seewärts ist diese Bodenanschwellung mit Dünensand überdeckt. Dort erhebt sich 4 km von Palos, da, wo die Ria des Rio Tinto mit derjenigen des Odiel sich vereint, das ehemalige Franziskanerkloster La Räbida. Die Bedeutung dieser Orte in der Entdeckungsgeschichte Amerikas wird der nächste Ab- schnitt näher hervorheben, während das ihm folgende Kapitel uns noch einmal ins Quellgebiet des kleinen Flusses zurückführen soll, der an altem Ruhm und Sehenswürdigkeiten den Odiel weit übertrifft. Wenden wir uns nun zum Unterlauf des Guadiana und seinen aus der Provinz Huelva kommenden Nebenflüssen. Eine gute Post- strasse führt uns von Huelva über die Städtchen Gibraleon, Cartaya und Lepe nach dem 53 km entfernten Ayamonte, wo die Ria (das Aestuarium) des Grenzflusses beginnt. Die Fahrt dauert 6 — 7 Stunden und kann jetzt durch Benutzung der Zafra-Huelva-Bahn bis Gibraleon (13 km) noch abgekürzt werden. Diese Strecke ist io Die Provinz Huelva. gen Norden gerichtet, also ein Umweg, aber wegen der Ria des Odiel und der Marismen unvermeidlich. Gibraleön ist ein altes Städtchen aus der Römerzeit, dessen Name Olont von den Mauren in seinen heutigen umgewandelt wurde. Es zählt 4800 Ew., weist noch maurische Baureste auf und liegt auf einem Hügel zur Linken des Odiel, über welchen eine eiserne Brücke führt. Die Strasse wendet sich von hier wieder mehr gegen die Küste nach SW, überschreitet die Tharsisbahn, führt später an einem herrlichen Pinienwald vorbei und erreicht bald darauf Cartaya am linken Ufer des kleinen Piedras, der hier sein Bett zu einer Ria er- weitert und vertieft. Die Flut des Meeres gestattet dem 5220 Ew. zählenden Orte noch immer eine Küstenschiffahrt, wie in früheren Zeiten. * Bemerkenswert ist die Ria noch deshalb, weil am 8. Oktober 15 15 Juan Diaz de Solis vom benachbarten Lepe (5510 Ew.) her von ihr aus mit 60 Mann in 3 Caravellen, deren grösste 60 Tonnen hielt, während jede der beiden andern nur den halben Inhalt hatte, die Fahrt nach dem La Plata antrat, den er 3 Jahre zuvor entdeckt hatte, um das Gebiet im Auftrag Karls V für Spanien zu erorbern. Cartaya ist ein freundliches Städtchen, hat auch einige schöne Huertas mit prächtigen Orangenpflanzungen; aber der schon erwähnte an- sehnliche Pinienwald, welcher sich über ein wellenförmiges Terrain aus diluvialem Geröll und Lehm hinzieht, ist doch seine grösste Sehenswürdigkeit. Nur in der Provinz Valladolid, wo dieser malerisch schöne Baum, der Pino pifionero (Pinus pinea L.), mit dem prächtigen Grün seiner bizarren Kronen 80000 ha überdeckt, giebt es aus- gedehntere Bestände; dagegen hat Andalusien nirgends sonst so viele grössere Pflanzungen derart aufzuweisen, wie in Huelva. Auch bei Lepe und weiter westlich wird das Auge durch den Anblick grösserer Pinienwälder erfreut. Lepe liegt südwestlich von Cartaya, 2^ km entfernt von der Ria des Piedras, die ihm ebenfalls als Hafen dient. Das Städtchen besteht vornehmlich aus einer breiten langen Strasse und macht einen günstigen Eindruck. Schattige Orangengärten um- geben dasselbe und liefern eine Fülle der kostbarsten Früchte. Je weiter westlich wir von hier kommen, desto sandiger und geröllreicher wird der Boden. Wir begegnen keinen Olivenhainen (Olivares) mehr, dagegen ausgedehnten Higuerales oder Pflanzungen von Feigenbäumen, die hier, wie überall, auch auf ärmerem Boden noch gut gedeihen. Gleich der Pinie ist aber der Feigenbaum zu jeder Jahreszeit eine auffallende Baumform im Landschaftsbilde, so- wohl während seiner Blattlosigkeit im Winter, wo die hellgraue Farbe Die Provinz Huelva. u aller Teile , die eigentümliche Tracht und die Neigung der Aeste und Zweige zur Bildung abwärts gekehrter Bogen besonders hervor- tritt, als auch im Sommer, durch das schöne, glänzende Grün seines Blätterschmuckes. Ayamonte, das Ostium fluminis Anae, der Hafen am Guadiana, 6 km von dessen Mündung, stand zur Römerzeit mit Merida (Emerita Augusta) am Mittellauf des Guadiana in lebhafter Handelsverbindung und war noch im 16. Jahrhundert von so grosser Bedeutung, dass es neben Cädiz, Santa Maria und San Lucar de Barrameda zu Rate gezogen wurde, wenn ein neuer Piloto mayor (Oberlootsenmeister) oder ein Kosmograph ernannt werden sollte. Heutzutage beschränkt sich sein Seeverkehr auf Küstenschiffahrt. Die Lage der Stadt am südlichen Abhang und Fuss eines Hügels aus triasischem Kalkstein zur Linken des Flusses ist eine sehr schöne. Den Hügel krönen auf der Flussseite die Ruinen einer alten Burg, und die weissgetünchten Häuser machen den Eindruck der Wohlhabenheit ihrer Besitzer. Diese nähren sich vom Schiffsbau, zu dem die vorerwähnten Pinien- wälder das Holz liefern, von Kalkbrennereien, Fischfang und einem lebhaften Küstenhandel. Ayamonte ist die südwestlichste Stadt Spaniens, Hauptstadt eines Gerichtsbezirks der Provinz Huelva und mit ihren 6600 Ew. der grösste und bedeutendste Ort am Unterlauf des Guadiana (arabisch Wadi-Ana d. h. Wasser des Anas). Gegenüber liegt in kurzer Entfernung vomFlusse das portugiesische Castro Marin (3886 Ew.), mit einem kleinen Fort ohne Bedeutung in jetziger Zeit. Nachdem dieser 725 km lange, aber in der Regel wasserarme Guadiana seinen Oberlauf durch die Mancha beendet, zuletzt in nord- westlicher Richtung den nordöstlichen Zipfel der Provinz Badajoz und bei Aijon in 362 m Höhe das Südende der Provinz Toledo erreicht hat, wendet er sich wieder südwestlich, bis in die Nähe des 39. Parallels, und schlägt nun eine westliche Richtung ein mit meist geringem Gefälle und flachen Ufern bis Badajoz, das noch 155 m hoch liegt. Hier beginnt sein Unterlauf von etwa 300 km Länge. In südwestlicher, dann in südlicher Richtung durchschneidet er das Schiefergebirge der Sierra Morena und zwar zweimal als Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal. Dazwischen fliesst er auf portu- giesischem Gebiet. Von der Einmündung des portugiesischen Caya, südwestlich von Badajoz, bis zu derjenigen des spanischen Priega Murioz scheidet der Guadiana die Provinz Badajoz von den portugiesischen Distrikten Portalegre und Evora in Alemtejo. Die Grenze wendet sich dann gen Südosten, erreicht die Provinz Huelva, schlägt eine südliche 12 Die Provinz Huelva. Richtung ein, überschreitet bei Barrancos den Rio Ardila und folgt bald darauf erst dem Kamm der Sierra de Aroche, alsdann dem Lauf des Rio Chanza, bis sie mit ihm den Guadiana wieder erreicht. Von hier ab scheidet sie mit ihm auf den letzten 48 km seines Laufs das portugiesische Algarbe von der Provinz Huelva. Auf jener 300 km langen Strecke des Guadiana zwischen Badajoz und Ayamonte treten Berge bis zu 450 m Höhe an seine steilen, zerrissenen Ufer heran, engen ihn, wie das westdeutsche Schiefer- gebirge den Rhein, an manchen Stellen bedeutend ein, vornehmlich auf der portugiesischen Strecke zwischen Serpa und Mertola, wo er eine Stromschnelle, den Wolfssprung (Salto de Lobo), macht und sein tief eingeschnittenes Bett nicht weit davon nur 145 m Breite hat. Das Gefälle ist hier so stark und die Wassermenge während des Sommers so gering, dass an Schiffahrt nicht zu denken ist. Erst nach Aufnahme des Rio Chanza erweitert und vertieft sich der Wasserstand auch während des Sommers, da von hier ab das Ge- fälle nur noch gering ist und die Flut sich soweit geltend machen kann. Auf dieser letzten 48 km langen Strecke erscheint der Guadiana zu jeder Jahreszeit als stattlicher Strom mit 4 — 25 m Tiefe und wachsender Breite, die zuletzt bei der Einmündung ins Meer, an der SO. -Spitze Portugals, der Punta de La Arena, 1500 m erreicht hat. Die spanische Seite der 6 km langen Strecke von Ayamonte bis hierher besteht aus einem Labyrinth von Marismen und Kanälen, während das portugiesische Ufer eine weite Dünensandablagerung aufweist, auf welcher 3 km von Ayamonte im Jahre 1775 innerhalb 5 Monaten durch den berühmten Minister Pombal Villa Real (de Santo Antonio) errichtet wurde. Diese neue „Königsstadt" macht ihrem stolzen Namen in keiner Weise Ehre. Es ist ein bescheidener Ort von 5000 Ew. mit weiten, geraden, sich rechtwinklig schneiden- den Strassen, zu denen die niedrigen, einstöckigen Häuser nicht in rechtem Verhältnis stehen. Ihre Bewohner sind meist arm und lassen an Reinlichkeit viel zu wünschen übrig. Unwillkürlich wird man beim Anblick derselben, sowie der Strassen an das harte Urteil er- innert, welches Lord Byron seiner Zeit über diejenigen der portu- giesischen Hauptstadt niederschrieb. Fischfang und Küstenschiffahrt sind allem Anschein nach die Haupterwerbsquellen. Grössere Schiffe können wegen der Barre an der Flussmündung weder bis Villa Real, noch nach Ayamonte ge- langen. Die stattliche, weite Wasserfläche der Ria zeigt wenig Leben und Verkehr. Aber auch die bis Mertola, 70 km weit landeinwärts reichende, schiffbare Strecke des Guadiana wird wenig benutzt, teils Die Provinz Huelva. 13 weil vom benachbarten Lande seiner grossen Unfruchtbarkeit wegen ausser Erzen nichts zu holen ist, teils wegen der eifersüchtigen Ab- sperrung Portugals gegen Spanien. Zweimal wöchentlich geht ein kleines Dampfboot von Villa Real nach Mertola und zurück, hauptsächlich im Interesse des Personen- verkehrs von Algarbe mit Lissabon für solche, welche die zeit- raubendere und unbehaglichere Seereise scheuen. Wer es von der spanischen Seite her benutzen will, muss sich nach der „Königsstadt" begeben, denn das Schiff hält nicht in Ayamonte. Fragt man ge- bildete Portugiesen nach dem Grunde, so hört man, dass sie keine Gemeinschaft mit Spanien haben wollen, und wird an jene sechzig- jährige (1580 — 1640) erinnert, welche Philipp II mit Gewalt herbei- führte und Ursache all des Niedergangs sein soll, den Portugal seitdem erfahren hat. Die Fahrt dauert 4 — 5 Stunden. Wie auf dem Rhein, so windet auch hier das Boot sich um die zahlreichen Vorsprünge steil aufge- richteter Schieferwände, zwischen welche der Fluss im Laufe der Zeit sein Bett tief eingesenkt hat. Sonst fehlt jeder Vergleich. Da giebt es kein Halten an freundlichen, blühenden Orten, keine Spur von regem Leben, keine Verkehrsmittel an den Ufern, ausser schmalen Bergpfaden hier und da, keine alten Burgen, Rebengehänge oder Obstgärten. Ueberall fällt der Blick auf nackten Fels, der nur hin und wieder von einer dürftigen Vegetation bedeckt wird, und nur in weiten Abständen erblickt man eine armselige Ansiedelung mit etwas Ackerland an den Berggehängen. Stellenweise ist der Fluss von Oleander- und Tamariskenbüschen eingefasst. Erst nach zwei Stunden Fahrt treffen wir zwei Orte am Ufer, nämlich Alcoutim auf por- tugiesischer und gegenüber San Lucar (de Guadiana) auf spanischer Seite. Ersterer ist der bedeutendere ; doch zählte er Ende 1878 nur 2471 Bewohner. Mehr oder weniger zerfallene Festungswerke auf den Hügeln, welche sich diesen Orten beiderseits anschliessen, und Zoll- wächterhäuschen an den Ufern fallen besonders auf. Der geringe Verkehr mit Alcoutim ist durch ein an das Dampfschiff heran- kommendes Boot rasch erledigt, dann geht es weiter der Mündung des Rio Chanza zu. Bevor das Schiff sie erreicht, erblickt man rechts den Landungsplatz für die Erze der spanischen Grube von Santa Catalina. Bald darauf legen wir bei dem kleinen neuen Ort Pomaräo in der Gabel zwischen Chanza und Guadiana an. Hier werden die Kupfererze von San Domingos verschifft, den berühmtesten und wertvollsten Gruben Portugals , welche 20 km nordwärts zur Rechten des Rio Chanza liegen und durch eine Erzbahn mit Pomaräo 14 Die Provinz Huelva. in Verbindung stehen. Ihr Besitzer ist der Engländer Mason, Baron von Pomaräo. Sie bilden das westlichste wichtige Glied in dem grossen Minengürtel, welcher die Provinz Huelva von ihrer Ostgrenze her durchzieht. Noch eine Stunde Fahrt flussaufwärts, und das Dampfboot hat sein Ziel, das portugiesische Städtchen Mertola, das Myrtilis Juliae der Römer, über dem rechten Ufer erreicht. Sein Anblick überrascht und erfreut. An und über steilaufsteigenden Felsen er- heben sich in unregelmässiger Anordnung, in höchst malerischer Weise die alten grauen Mauern und Türme, sowie die weissgetünchten Häuser , wie angeklebt. Aus dem tiefen , engen Thal steigen die Passagiere, den lärmenden Trägern ihres Gepäckes folgend, den steilen Pfad zu ihnen hinan und erreichen bald den oberen ebenen Theil des nur 3300 Ew. zählenden Städtchens mit seinen Ruinen einer maurischen Burg und andern Sehenswürdigkeiten. Bereit stehende Wagen bringen sie über die weite Hochfläche von Alemtejo an ausgedehnten Cistushaiden und Feldern vorbei nach dem alten Städtchen Beja, von wo die Bahn nach Lissabon führt. — Der westliche Theil der Provinz Huelva, 2800 qkm oder mehr als ein Viertel ihres Areals, sendet sein Wasser dem Guadiana zu, vornehmlich durch den Ardila und den Chanza. Der schon erwähnte Rio Chanza, der letzte nennenswerte linke Nebenfluss des alten Anas entspringt Syenitfelsen nordwestlich vom Schloss zu Cortegana und führt sein Wasser in westlicher Richtung an Ar o che vorbei bis zur portugiesischen Grenze südlich von Rosal de la Front er a, die ihm dann gen Südwesten bis zu seiner Mündung folgt. Das Gebiet ist trocken, steril und schwach bevölkert. Immergrüne Eichenwälder, der Korkgewinnung und Schweinezucht dienend, bieten eine wichtige Erwerbsquelle. Der Rio Ardila gehört nur durch seine linken Nebenflüsse unserer Provinz an. Seine Quellen liegen auf der Nordseite des höchsten Theils der westlichen Sierra Morena. welcher bereits als Sierra de Tentudia (1104 m) erwähnt wurde. Von hier durchfliesst er in einem gen Norden (gegen Zafra) gerichteten Bogen Süd- Estremadura (Prov. Badajoz) und dann in westlicher Richtung das östlich des Guadiana gelegene Stück von Portugal. Sein bedeutendster Nebenfluss, der Mürtiga, entspringt in der Sierra de Aracena nur eine Viertelstunde von den Quellen des Huelva. Auf dem Markt- platze des 1340 Ew. zählenden Ortes Fuenteheridos finden wir in 668 m Höhe die Quellen des Mürtiga, eingerahmt von einer niedrigen kreisrunden Mauer. Das vorzügliche, klare Wasser dient dem ganzen Die Provinz Huelva. 15 Orte zu allen Haushaltungszwecken und fliesst ausserdem in solcher Menge ab, dass es sofort eine Mühle treiben könnte. Der Rio Huelva entspringt auf der Nordseite des kleinen Städtchens, „der Verletzten Quelle" (Fuente-Heridos) und wendet sich bald gen Süd- osten, tritt in der Mitte seines Laufs in die Provinz Sevilla über, nimmt nach Aufnahme des von Norden kommenden Rio Caba dessen Richtung an und mündet oberhalb Sevilla in den Guadalquivir. Ein zweiter Nebenfluss des letzteren, der Guadiamar oder Rio de San- lücar gehört zwar ganz der Provinz Sevilla an, empfängt aber mehrere Zuflüsse aus dem südöstlichen Huelva, zuletzt den La Madre, dessen Quellfluss, der Bach Gil, östlich von Moguer ent- steht. Im ganzen haben 2492 qkm der Provinz Huelva ihren Ab- fluss nach dem Baetis der Alten, dem Guadalquivir oder „grossen Wasser" (Wadi-al-Quebir) . Die Provinz Huelva erfreut sich eines milden Klimas. Ihre herrschenden Winde sind im Winter NW, N und W, im Sommer SW bei Tag und N bei Nacht, die regenbringenden SW, S und SO; doch ist der Sommer regenarm, wenn nicht regenfrei, wie überall in der Mittelmeerregion. Aus dem allmählichen Ansteigen der Provinz nach Norden folgt, dass in dieser Richtung auch die Menge des jährlichen Regenfalls zunehmen muss. So hat die Stadt Huelva 450 mm, Tharsis (Alosno) in 168 m Höhe 686 mm; Calanas in 242 m Höhe 630 mm, Rio Tinto (408 m hoch) 679 mm Nieder- schlag. Die grösste Regenmenge fällt in der Sierra Alta, das zeigen ihre vielen Quellen und ihre Kulturen, doch fehlen alle näheren An- gaben darüber. — Huelva hat mildere Winter und kühlere Sommer, als die Städte der andalusischen Tiefebene. Nicht oft bemerkt man einen tieferen Thermometerstand als 6° C. und höchst selten einen solchen unter dem Gefrierpunkt. Jahrzehnte vergehen ohne Schnee, und wenn einmal ausnahmsweise solcher fällt, wie am 16. Jan. 1885, so bleibt er nur wenige Stunden liegen. Die Sommerhitze steigt hier, wie an der ganzen Südküste, nie über 370 C. ; sie wird gemässigt durch Seewind von SW und S, welcher in der Regel zwischen 9 und 10 Uhr einsetzt und Nachmittags seine grösste Stärke erreicht. Ist er gegen Abend verflaut, so folgt der die Nacht über dauernde Berg- wind von Norden. Höher steigt und unerträglicher wird die alles versengende Sommer- hitze auf den Vorstufen des Gebirges, den Llanuras oder Flächen in 200—400 m Höhe. Hier nimmt man im Juli und August Tempe- raturen von 40 — 440 C. wahr, ohne dass eine frische Brise von der See herankäme, sie erträglicher zu machen. Zum Glück ist die i6 Die Provinz Huelva. Luft in solchen Zeiten trocken, so dass man ihre Wirkung auf den menschlichen Organismus nicht vergleichen darf mit derjenigen einer feuchten Treibhausluft der Tropen. Wie über die Regenmenge, so fehlen auch über die andern klimatischen Erscheinungen der Sierra Alta genauere Beobachtungen. Die Temperatur ist, der höheren Lage entsprechend, niedriger als weiter südlich und im allgemeinen angenehm und erfrischend. Im Winter bedeckt häufig Reif den Boden, hin und wieder auch Schnee; doch sind die Berge zu niedrig, um letzteren lange zu halten. Für den Naturforscher ist diese hohe Sierra oder Sierra de Aracena wohl der interessanteste Theil der ganzen Provinz, und auch der blosse Freund landschaftlicher Schönheiten findet dort manches, was ihn anziehen und fesseln kann. Auch wird der Besuch durch die Zafra-Huelva-Bahn sehr erleichtert. Dieselbe durchschneidet unsere Provinz mit ihrer Sierra von S nach N und legt den geologischen Bau des Gebirges in vielen Profilen klar. Sie erreicht ihren höchsten Punkt von 603 m beim Orte Sevillana, 44 km südlich von Zafra in der Provinz Badajoz. Benutzen wir diese Bahn bis zur Station Jabujo-Galaroza, 92 km nordöstlich von Huelva, so sind wir mitten in der Sierra de Aracena und an einer soliden neuen Strasse, welche zwei sehenswerte alte Städtchen, nämlich Cortegana (707 m) mit 6038 Ew. im Westen und Aracena (624 m) mit 6040 Ew. im Osten verbindet. Diese Strasse durchschneidet eine hochinteressante Kultur- oase von 25 km Länge und 2 — 3 km Breite, welche eingesenkt ist zwischen dem etwa 800 m hohen Kamm der Sierra de Aracena im Süden und einer unterbrochenen Reihe um etwa 50 — 100 m nied- rigerer Berge auf der Nordseite. Als Mittelpunkt derselben kann das schon erwähnte Fuenteheridos in 668 m Höhe auf der Wasser- scheide zwischen Guadiana und Guadalquivir gelten1. Die Bewohner haben die Naturgaben : reiche Niederschläge und nie versiegende Quellen, einen kalkigen Verwitterungsboden aus krystallinischen Schiefern und Diorit, geschützte Lage und milde Luft, benutzt und den grössten Theil dieses Gebietes in einen grossen Obsthain umgewandelt. Die Zahl der Kastanienbäume, welche vor- 1 Nach Süden fällt der Kamm der Sierra de Aracena steiler ab, so dass die Nebenflüsschen des Odiet hier Thäler bilden, die um mindestens ioo m tiefer liegen wie die Thäler auf der Nordseite. Hier ist eine zweite Kulturoase, wo insbesondere die Orange gebaut wird. Von Orten nennen wir Almonaster (571 m), Alajar (525 m), Linares (§i8'm). Die Eremita (Nuestra Senora de los Angeles) des berühmten Montan üs (Benito Arias) liegt nicht bei Aracena, sondern steil über dem Orte Alajar. 635 m hoch auf einer aussichtsreichen Felsplatte bei einer vorzüglichen Quelle. Die Provinz Huklva. i7 trefflich gedeihen und ausgezeichnete Früchte liefern, beläuft sich auf Hunderttausende, sie bilden einen nur durch die Ortschaften und einige andere Kulturen hier und da unterbrochenen, lichten Wald, in welchem im Frühjahr blühende Päonien (Paeonia officinalis Retz.), hier Rosa albardera genannt, und andere Kräuter in Menge erblühen, im Herbst aber viele Pilze, ähnlich wie in den Kastanienwäldern Italiens, dem Boden entspriessen, so namentlich der berühmte orange- gelbe Tana oder Kaiserschwamm (Agaricus caesareus Schaff.) und der kaum minder geschätzte Tentullo oder Steinpilz Boletus edulis Bull.)1. In der Nähe der Dörfer und auf besserem Boden finden wir stattliche Wallnussbäume, darunter einzelne mit mehr als 7 m Stamm- umfang, so bei Galaroza, wo der Boden mit im September zum zweiten Mal blühenden, wohlriechenden Veilchen bedeckt ist, ferner viel Aepfel-, Birn- und Pfirsichbäume, welche herrliche Früchte lie- fern, wohl auch Kirschbäume und in geschützten Gärten sogar noch einzelne Granatbäumchen. Ausserhalb dieses Obstbaumwaldes aber, da, wo der steiler ansteigende Boden trockner und felsiger wird, schliessen sich Feigen- und namentlich Oelbaumpflanzungen an, dann folgt entweder Hochwald (Monte alto) oder Buschwald (Monte bajo), je nach Beschaffenheit des trocknen Felsbodens. Der Hochwald ist licht, wie der Kastanienhain, ohne Unterholz und ohne sein lieb- liches Grün. Zwei immergrüne Eichenarten, die Kork- und die Steineiche [Quercus Suber L. und Quercus Hex L.) setzen ihn in der Regel, bald getrennt, bald untermischt, zusammen. Sie haben für die Provinz Huelva und für Spanien überhaupt eine so hohe Bedeutung, dass wir sie in zwei getrennten Kapiteln noch näher betrachten wollen. Mancherlei Gräser und Kräuter entspriessen im Frühjahr dem mageren Schieferboden; aber die trockne Hitze des Sommers ver- sengt sie, und nur Sträucher und Bäume, meist mit lederartigen, steifen Blättern und mehr oder weniger dunkler oder grauer Färbung, haben überall Bestand. Das auffallendste Vegetationsbild der Sierra Morena bietet un- streitig der sogenannte Monte bajo, der Niederwald, welcher weite Hochflächen und manchen Berg von der engen Thalsohle bis zu 1 D. Miguel Colmeiro erwähnt in seinen botanischen Werken weder dieses Vor- kommen, noch die angeführten Volksnamen beider Pilze. Sie werden von den Leuten viel gegessen; aber während sie in Norditalien auf der feinsten Tafel erscheinen, so namentlich auf den Tischen der Gasthöfe, sind sie, wie es scheint, den Bewohnern der andalusischen Hauptstädte völlig unbekannt. Rein, Gesammelte Abhandlungen. 2 18 Die Provinz Huelva. seinem Rücken ausschliesslich oder in günstigerem Falle mit Wald und geringwertigem Kulturland abwechselnd bedeckt. Seine zahl- reichen Glieder sind von den wenigen Baumarten des Hochwaldes ebenso verschieden, wie von unsern Buschwaldungen; auch wächst der Buschwald der Mittelmeerregion, der Monte bajo (auf Corsika Maquis genannt) , nie wie letzterer zum Hochwalde heran. Es ist ein ausserordentlich buntes Gemisch von Straucharten . Stauden und Kräutern. Die Bestandteile wechseln zwar etwas mit der Höhen- lage, doch sind die meisten in dieser Beziehung wenig wählerisch. Da finden wir die niedrige Kermeseiche (Quercus coccinea L.), Strauch- heiden (Erica scoparia L., E. cinerea L. etc.), Ginster und Retamen (Genista purgans L., Spartium junceum L.,. Ulex europaeus L.), Mäuse- und Wegedorn (Ruscus aculeatus L. und Rhamnus-Arten), Erdbeerstrauch (Arbutus unedo L.), Lorbeer (Laurus nobilis L. und L. TinusL.), Myrthe (Myrtus communis L.) und Kirschlorbeer (Pru- nus Lauro-cerasus L.), Mastix und Terpentinpistacie (Pistacia Len- tiscus L. und P. Terebinthus L.), Rosmarin, Lavendel und andere Gewächse bunt durcheinander. Vor allem aber bilden Cistrosen (span. Jara und Jaguarzo) einen wichtigen Bestandtheil dieser Busch- waldformation. In Estremadura, Alemtejo und Huelva sind Hun- derte von Quadratmeilen von ihnen, wenn nicht ausschliesslich, so doch vorwiegend , bedeckt. Bemerkenswerth ist namentlich Cistus ladaniferus L., die Jara comun, durch ihre Häufigkeit, ihre grossen weissen Blüten mit dunklem Fleck in der Mitte im Frühjahr und die Fülle der Harzausschwitzungen , durch die sie das ganze Jahr hindurch, zumal im warmen Sonnenschein, weithin balsamischen Duft verbreitet. Mit diesen Cistusheiden (span. Jarales), wie sie Willkomm genannt hat, und dem Gestrüpp des Monte bajo überhaupt brennt man den Kalk, die Ziegelsteine und Töpferwaaren und röstet die Erze. Wenn Ende März auf den fruchtbaren Gefilden des andalusischen Tieflandes Weizen und Gerste ihre Aehren treiben, Erbsen und Pferdebohnen in voller Blüte stehen, wenn Feigenbäume und Granat- büsche sich neu belauben, Olivenhaine und Orangengärten ihre ersten Blüten entfalten , dann schmückt sich auch der Buschwald in der Sierra Morena mit Blumen von mancherlei Gestalten. Farben und Gerüchen, so dass kein Vegetationsbild bei uns damit den Vergleich aushält ; dann ist dieser ungepflegte Blumengarten ein Paradies, nicht blos für honigsammelnde Insecten. sondern auch für den Botaniker aus höheren Breiten. Itcin firsawmr.ltc AI-. Ahh^ PROVINZ HUELVA Maßstab 1:1.000.000 ± ZUR ENTDECKUNGSGESCHICHTE AMERIKAS. a) Columbus, Palos und die Räbida. In der reichen, wechselvollen Geschichte Spaniens bilden die grossen Ereignisse des Jahres 1492 eine hervorragende Etappe, einen Wendepunkt von ungeheuerer Tragweite, nicht blos für das eigene Land, sondern auch für viele andere Völker, ja für die Kultur- entwickelung der Menschheit insgesammt. Gleich zu Anfang, am 2. Januar, übergab Boadil, der letzte maurische Herrscher in Spa- nien, den „Katholischen Königen" (Reyes Catolicos), Ferdinand von Aragonien und Isabella von Castilien und Leon, die Schlüssel zu der von ihnen belagerten und ausgehungerten Alhambrastadt, „zu diesem Paradiese"1, wie er sich dabei ausgedrückt haben soll. Bald hiess es für viele Tausende fleissiger maurischer Bewohner in Stadt und Land: entweder dem Koran entsagen oder der Heimat, ihren Häu- sern und Feldern und Allem, was ihnen darin lieb und teuer ge- worden war. Viele wählten das letztere. Religiöser Fanatismus ist ja blind und kennt kein Erbarmen, darum hatte auch der spanische Christ keins mit dem Muselmann. Die letzten Kämpfe mit den Mauren hatten die spanischen Staatskassen geleert, jetzt leerten sich die Städte und Dörfer des bisherigen Königreichs Granada von allen, die, statt ihren Glauben abzuschwören, es vorzogen, nach Nordafrika zurückzukehren, von wo ihre erobernden Vorfahren vor fast 800 Jahren gekommen waren. Der Austreibung der Mauren schloss sich bald diejenige der Juden an. Innerhalb vier Monaten mussten 180000 derselben ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht das Land verlassen und sich in Frankreich, 1 „Estas son, Senor, las llaves de este paraiso.'* 20 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. Italien und den türkischen Ländern eine neue Heimat suchen. Das war der Dank für die Unterstützung, welche reiche Juden den christ- lichen Belagerungsheeren vor Malaga, Baeza und Granada gewährt hatten. Damals soll der türkische Sultan Bajacet, welcher viele Juden aufnahm, sich über Ferdinand wie folgt geäussert haben: „Das ist kein staatskluger König, der sein Land verarmen lässt, um das meinige zu bereichern." In Spanien aber arbeitete das von Ferdinand dem Katholischen eingeführte „Santo Officio", „das heilige Gericht", wie das Tri- bunal der Inquisition genannt wurde, in seiner Weise weiter, um die erstrebte religiöse und nationale Einheit herbeizuführen, — por la unidad religiosa y nacional — , wie es in spanischen Geschichtswerken heisst. Das Volk aber, unwissend, fanatisch und rachsüchtig, wohnte den Autos de Fe 'port. Autos da Fe) oder Ketzergerichten bei, wie unterhaltenden Schauspielen. In jene erste Hälfte des Jahres 1492, in welcher die vorerwähn- ten Ereignisse sich abspielten, und teilweise im Zusammenhang mit ihnen, fällt die Vorbereitung eines dritten Unternehmens mit viel weiteren Zielen und grösserer Tragweite, auf welches der Spanier auch heute noch mit Stolz zurückblicken darf, die Ausrüstung jener kühnen Expedition nach dem unbekannten Westen, auf welcher der Genuese Christoph Columbus mit seinen spanischen Gefährten nicht das gesuchte östliche Asien, wohl aber die Neue Welt entdeckte. Bei dieser Entdeckung spielen vor allem zwei bisher sehr verschieden beurteilte Persönlichkeiten, Cristobal Colon und Martin Alonso Pinzon, sowie zwei Orte am Aestuarium des Rio Tinto, das ehemalige Frah- ziskanerkloster La Räbida und das Städtchen Palos, beide unweit der aufblühenden Provinzialhauptstadt Huelva gelegen, eine hervorragende Rolle. Wo an der spanischen Südwestküste das eisenreiche WTasser des Rio Tinto mit dem des Odiel und mit den Fluten des Atlantischen Oceans sich mischt, liegt einsam zur Linken des „gefärbten Flusses" auf dürftig bewachsener Anhöhe aus altem Dünensand ein unschein- bares Gebäude, dessen weissgetünchte Wände weithin sichtbar sind. Das ist die Räbida (Santa Maria de la Räbida), vormals ein an- spruchsloses, stilles Franziskanerkloster, später ein wertloser Besitz des Herzogs von Montpensier und seit 1889 spanisches National- eigentum und Denkmal. Huelva ist 7 km weit gen NW am Odiel, das Städtchen Palos nur 4 km flussaufwärts an demselben Ufer des Rio Tinto gelegen. Von jenem wird die Rabida leicht durch eine Bootfahrt in 50 Minuten Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 21 erreicht, während man zu Lande den 27 km weiten Umweg über San Juan del Puerto, Moguer und Palos machen muss. Von den ehemaligen Gartenanlagen der Mönche der Räbida ist ausser einer vereinsamten Dattelpalme und einigen verkrüppelten Feigenbäumen wenig mehr zu sehen. Auch Palos imponiert nicht. Die letzte Volkszählung von 1887 erkannte ihm eine Bevölkerung von nur 1422 Personen zu. Huelva und andern Küstenplätzen gegenüber kann es kaum mehr Hafenstadt genannt werden, da nur wenige kleine Küstenfahrzeuge von ihm aus- gehen und die Barre an der vorgelagerten Insel Saltes (der Herkules- insel im Alterthum) keine grösseren Schiffe zulässt. Auch vor 400 Jahren, als es berufen wurde, vorübergehend eine bedeutende Rolle zu spielen, war sein Verkehr gering. Viele Orte Spaniens haben Columbus in ihren Mauern gesehen, keine jedoch so entscheidenden unmittelbaren Einfluss auf die Er- möglichung und Gestaltung seiner berühmten ersten Expedition gehabt, wie die beiden erstgenannten. In der Räbida wurde sie geplant und vorbereitet, von Palos ging sie am 3. August 1492 aus; dorthin kehrte sie am 15. März 1493 mit der weltbewegenden Nachricht von dem grossen Erfolge zurück. Diese Thatsachen waren denn auch massgebend, als es sich darum handelte, wo und wann im Jahre 1892 in Spanien das vier- hundertjährige Jubiläum der Entdeckung Amerikas gefeiert werden sollte. Das geschichtskundige Oberhaupt der spanischen Regierung, Cänovas del Castillo, dem in seiner Eigenschaft als Präsident der Academia de la Historia diese Frage zur Entscheidung vorgelegt wurde, hat bestimmt, dass in Verbindung mit dem Amerikanisten- Congress in den ersten Tagen des August eine Reihe Festlichkeiten in Huelva, Palos und der Räbida stattfinden sollen. Diesen wird sich dann in Madrid eine historisch-ethnographische Ausstellung von mancherlei Dingen, welche auf die Entdeckung, Eroberung und Be- siedelung Amerikas Bezug haben, anreihen. Seit der Entdeckung Amerikas zeigt sich in der Geschichte dieser Begebenheit das Bestreben, die Person des Columbus zu erheben und zu rühmen, so dass sie fast ihren Charakter als fehlerhafter Mensch mit manchen Schwächen verliert, während man zugleich die Teil- nehmer an seinem Wagniss und seinen Mühen herabdrückt, verleumdet und ihres Anteils an seinem Ruhme beraubt bis zur Vergessenheit1. 1 Siehe C. F. Duro's Rede in der Academia de la Historia, gehalten in Madrid, 1891 über: VE1 primer viage de Colon a America." 22 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. Kritiklose Geschichtsschreiber, und ihnen nach Novellisten und Poeten haben von allen Seiten in zahlreichen Schriften gewetteifert, uns Co- lumbus als vornehmen, hochgebildeten, edlen, selbstlosen und idealen Mann hinzustellen, der nach langem Ringen und Kämpfen mit man- cherlei Schwierigkeiten eine neue Welt erschloss und Spanien zu Füssen legte, der für all dies mit schnödem Undank belohnt wurde und gebrochenen Herzens darüber starb. Sie haben ihn zum Mär- tyrer und Heiligen gemacht, dem nur noch die letzte Weihe von Rom fehlte1. Die neuere historische Forschung, wie sie durch die unermüd- lichen archivarischen Untersuchungen und eine sorgfältig abwägende Kritik von Martin Fernändez de Navarrete eingeleitet, von Henry Harrisse, Cesäreo Fernändez Duro und verschiedenen andern erfolg- reich fortgesetzt wurde, hat leider viel von dem Nimbus um die Person des Columbus hinwegnehmen und Licht und Schatten gleich- massiger verteilen müssen. Immerhin bleibt der Entdecker Ameri- kas, auch nachdem er dieses Fegfeuer passirt hat, noch ein ausser- gewöhnlicher Mann, über dessen kühnes Unternehmen und grossen Erfolge wir um so mehr staunen müssen, je mehr wir aus vielen Thatsachen die Ueberzeugung gewinnen, dass von Haus aus seine Vorbildung eine bescheidene war. Wir bewundern seine Beharrlich- keit und seine unentwegte Ausdauer in Verfolgung des sich vorge- steckten Zieles und im Kampfe gegen Hindernisse und Widerwärtig- keiten mancherlei Art. Seine Freude an den Schönheiten der Natur, die sich in seinen Briefen und Berichten oft bis zur Begeisterung steigert, sein Wohlwollen und seine Freundlichkeit gegen die armen, harmlosen Naturmenschen der westindischen Inseln, die er nur ein- mal verleugnet, sein unwandelbares Gottvertrauen: dies alles sind 1 Als eine der neuesten Proben dieser Art blinder Begeisterung und über- schwänglicher Lobhudelei möge hier eine Stelle aus einem Artikel folgen , welchen Dr. Baldomero de Lorenzo, Geistlicher zu Huelva, unter dem Titel „Cristöbal Colon, el heroe del Catolicismo" in den Memorias de la Sociedad Colombina von 1884 ver- öffentlicht hat. Es heisst da S. 38: „Christöbal Colon ist wie der Sonnenuntergang des Mittelalters, welches er beschliesst, und zugleich die herrliche Morgenröte der neuen Zeit, die er eröffnet; er besitzt alle alten Tugenden, ohne von irgend einem der Laster befleckt zu sein, die man ihm nachmals zuschrieb. Er ist der vollkommene Ritter und vollkommene Christ, der schlichte Gläubige und der Apostel der Vor- sehung." (Cristöbal Colon es como el ocaso de La Edad Media que concluia, y a la vez, la aurora hermosa de la Edad Moderna que empezaba ; pero el goza de todas las virtudes antiguas, sin estar manchado con ninguno de los vicios que se concieron despues. El es el perfecto Caballero y el perfecto cristiano, el sencillo creyente y el Apöstol Providencial.) Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 23 Züge seines Charakters, welche jene Kritik nicht beeinträchtigt hat. Auch ist nicht zu zweifeln, dass es ihm mit seinem Christenthum ernst war, und dass er auch in seinem Lebenswandel, wenngleich nicht sittlich rein, so doch weit erhaben dastand über die meisten seiner Feinde und Verfolger. b) Herkunft und Jugendzeit von Christoph Columbus. Mehr als ein Dutzend norditalienischer und südfranzösischer Orte, so Albisoila, Bogliasco, Calvi (auf Corsika), Cogoleto, Cosseria, Cuccaro, Finale, Genua, Nervi, Oneglia, Plaisance (Frankreich), Pra- della, Savona, beanspruchen die Ehre, dem Entdecker Amerikas als Wiege gedient zu haben. Es ist dies die Folge oberflächlicher Ge- schichtsforschung und von Verwechslungen verschiedener Art, meist hervorgerufen durch die ziemlich weite Verbreitung des Familien- namens unseres Helden. Solche Verwechslungen haben auch vor- nehmlich bewirkt, dass man ihn von vornehmer, adeliger Familie herleitete und ihm eine ausgezeichnete Erziehung und insbesondere eine theoretische Vorbildung für seinen Seemannsberuf auf der Uni- versität Pisa, sowie im Anschluss daran eine vortreffliche praktische Ausbildung in der Flotte Genuas zuschrieb. Es war Forschern der Neuzeit vorbehalten, durch kritischen Vergleich der vorhandenen authentischen Quellen, insbesondere von bisher nicht benutzten Documenten, uns ein etwas anderes Bild von der Herkunft und dem Lebensgang des berühmten Mannes zu ent- werfen. Entbehrt es auch des poetischen Hauches und der Ver- klärung, in welcher uns früher die Gestalt des Columbus erschien, so gewinnen wir dabei doch die Ueberzeugung, dass es der Wahr- heit näher kommt. Aber ungeachtet des ungeheuren Umfangs, welchen die Columbus- Literatur allmählich erreicht hat, ist doch nicht blos die Jugendzeit des grossen Entdeckers, sondern auch sein Leben in Portugal und selbst in Spanien vor seiner ersten grossen Reise noch vielfach in Dunkel gehüllt. Die „Nebulosa (dunkle Stellen) de Colon", wie Duro seinen kleinen, 1890 erschienenen Octavband nennt, sind auch heute noch nicht alle beseitigt. Dazu trägt nicht blos der Mangel ver- bürgter Nachrichten über einzelne seiner Lebensabschnitte bei, son- dern auch mancher Widerspruch in seinen eigenen zerstreuten An- gaben. Es steht nun fest, dass Christoph Columbus (ital. Cristophoro Colombo, span. Cristöbal Colon) der Sohn eines Wollwebers Namens 24 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. Domenico aus dem Weiler Terrarossa im Thale Fontana buena im Osten von Genua war, der später mit seinem Vater zu Quinto al Mare bei Nervi lebte und sich um's Jahr 1445 mit Susanna Fontana- rossa verheiratete. Ihre Familie lag ebenfalls der Tuchweberei ob, und zwar in dem prächtigen Thale von Bisagno östlich von Genua, wo auch unser Held 1446, sowie zwei seiner jüngeren Brüder geboren wurden. Zwischen 1448 und 145 1 Hess sich das junge Ehepaar mit seinen drei Söhnen in Genua nieder. Im südöstlichen Teile dieser Stadt, dem Bezirke Santo Stefano, der alle umschloss, welche sich mit der Wollindustrie beschäftigten : Kämmer, Weber, Färber etc., betrieb auch Domenico das von seinem Vater erlernte und ererbte Handwerk eines Tuchwebers. Er besass daselbst zwei Häuser, wohnte nahe der Porta Sant" Andrea als Genueser Bürger und Steuerzahler etwa 20 Jahre lang, von ca. 1450 — 1470, wie aus verschiedenen Documenten hervorgeht. Zu seinen drei ältesten Kin- dern: Cristoforo, dem späteren Entdecker der Neuen Welt, Giovanni Pelegrino, der in jungen Jahren starb, und Bartolomeo kam noch eine Tochter, deren Name unbekannt ist, und ein vierter Sohn Gia- como (Jacob), später unter dem entsprechenden spanischen Namen Diego bekannt. Um das Jahr 1470 oder 71 siedelte Domenico Colombo mit seiner Familie aus unbekannten Gründen nach Savona über, ohne sein Bürgerrecht in Genua aufzugeben. Neben seinem bisherigen Berufe betrieb er auch eine Schenkwirtschaft , denn er wird in Ge- richtsacten wiederholt als Tuchweber und Wirt (Textor panorum' et tabernarius) bezeichnet. Verschiedene solcher Documente bekun- den zugleich, dass es ihm in Savona nicht gut ging, er oft in Geld- verlegenheiten war, den Besitz seiner Frau im Bisagno-Thal und seine Häuser in Genua verkaufen musste. So kann er mehrmals die angekaufte Wolle nicht bezahlen und stellt Schuldscheine aus. wobei einmal der majorenn (25 Jahre) gewordene Cristoforo sich mit ver- bürgen muss. Nachdem seine Tochter an einen Käsehändler der Genueser Vor- stadt Santo Stefano verheiratet, sein Sohn Giovanni Pelegrini und seine Frau Susanna (um's Jahr 1484) gestorben, seine älteren Söhne Cristoforo und Bartolomeo aber schon lange zuvor nach Portugal gezogen waren, fühlte sich Domenico in Savona vereinsamt und ent- schloss sich, nach Genua zurückzukehren. Er gab seinen Sohn Gia- como einem Geschäftsfreund und Tuchweber in Savona auf ein Jahr in die Lehre, wie solches aus einem noch vorhandenen Vertrag her- vorgeht, und reiste nach Genua. Hier lag er selbst in hohem Alter Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 25 seinem Beruf ob, denn er wird noch im Jahre 1491 als „Textor panorum lane" und „cittadino di Genova" bezeichnet. Dann aber scheinen ihm seine Kräfte das Weben bald nicht mehr erlaubt zu haben; in der letzten Gerichtsacte vom 30. September 1494 erscheint er, damals 75 Jahre alt, noch einmal als Zeuge bei einem Testament als „früherer" Wollweber (olim textor panorum lane). Wenige Jahre später starb er. Domenico Colombo hat somit die grossen Unternehmungen und den Ruhm seines ältesten Sohnes zum Theil noch erlebt, aber, wie es scheint, keinerlei Vorteil daraus gezogen, ist vielmehr arm und vereinsamt in Genua gestorben. Von seinen Kindern war auch die Tochter vor ihm gestorben und sein jüngster Sohn Giacomo (Diego), erst Weber, später Priester, war nach Entdeckung Amerikas seinen Brüdern nach Spanien gefolgt. Werfen wir nun, bevor wir diesen Abschnitt schliessen und dem späteren Entdecker Amerikas nach Portugal folgen, noch einen Blick auf seine Jugendbildung. Auch hier war den früheren Geschichts- schreibern ein sie irreleitendes Machwerk, welches lange Zeit seinem Sohne Fernando zugeschrieben wurde und unter dem Titel „Historie del S. D. Fernando Colombo" zuerst in Venedig 157 1 erschien, die einzige Quelle, eine Quelle voller Irrtümer und Widersprüche, wie jetzt von allen Seiten anerkannt wird. Hiernach soll Columbus zu Pavia, dem Athen der Lombardei, studiert haben, ja es werden selbst die Lehrer desselben genannt. Aber die Annalen jener Universität wissen nichts davon, auch ist die Angabe mit andern Dingen un- vereinbar. Columbus hat ziemlich viel geschrieben; aber die Briefe und Berichte, welche von ihm herrühren, entsprechen nicht der hohen Vorbildung; welche man ihm zuschrieb, sie zeigen nichts von der logischen Ordnung und Schärfe des Denkens, welches wir von einem mathematisch geschulten Manne erwarten dürfen. Vielmehr bestätigen dieselben, was er selbst von sich sagt, indem er sich in dem be- kannten Briefe an Donna Juana de la Torre, die frühere Ama (Wär- terin) des Prinzen D. Juan, welchen er gegen Ende des Jahres 1500 nach seiner unglücklichen dritten Reise schrieb, also ausdrückt : „Obgleich ich wenig weiss" (Bien que yo sepa poco). Alle Verhältnisse weisen darauf hin, dass Christoph Columbus in Genua sich nur eine elementare Bildung erwarb. Nach damaliger Sitte und den bescheidenen Lebensverhältnissen seiner Eltern ist anzunehmen, dass er schon frühzeitig zum Zupfen und Kämmen der Wolle herangezogen wurde und dann mit fortschreitendem Alter 2 6 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. gleich seinen Brüdern die Tuchweberei erlernte, die er noch in einem Alter von 25 — 26 Jahren in Savona übte. Dies beweist das älteste Schriftstück, in welchem sein Name genannt wird, datiert Savona, den 20. März 1472. Es ist dies das Testament eines gewissen Nicolö Monleone, auf welchem er als Zeuge erscheint, als „Lanerio de Janua", — Wollweber von Genua. Wenn jedoch Harrisse hieraus schliesst, dass der Entdecker der Neuen Welt bis zu dieser Zeit dem Gewerbe seines Vaters obgelegen habe, so geht dies wohl etwas zu weit und zieht die Art der damaligen Schiffahrt auf dem Mittelmeere nicht genügend in Betracht. Sobald der Winter mit seinen Stürmen herankam, ruhte sie grösstenteils, die Schiffsleute suchten auf dem Lande Beschäftigung, und so lag es nahe, dass Cristoforo Colombo bei solchen Anlässen in's Elternhaus zurückkehrte und seinem Vater in der Tuchweberei beistand. Die vorstehende Darstellung über Geburtsort und Jugendzeit des Novi Orbis Repertor, entspricht nicht blos den Thatsachen, sondern auch den Angaben der ersten Biographen des Genuesen, Las Casas und Oviedo. Letzterer sagt: „Nach dem, was ich von Männern seiner Nation erfahren habe, war er ein Eingeborener der Provinz Ligurien . . . die Einen sagen von Savona, die Andern von Nervi."1 Wenn wir ihn Genuesen nennen und er selbst Genua als seine Hei- mat angiebt, so liegt darin kein Widerspruch; denn seine ganze Jugendzeit verbrachte er in der Republik und zumeist in der Stadt Genua. Dort war sein Vater Bürger, dorthin reichten alle seine Jugenderinnerungen . c) Columbus in Portugal. Ein Blick in die Geschichte des portugiesischen Handels zeigt uns, dass dieser vom Jahre 1471 ab einen, durch verschiedene Er- eignisse bedingten, gewaltigen Aufschwung nahm. Durch die Ver- treibung der Mauren aus Portugal und die kühne Eroberung von Ceuta am 14. August 1415 war das portugiesische Ritterthum sich seiner Leistungsfähigkeit bewusst geworden, der Unternehmungsgeist zur See und mit ihm der Handel in überraschender Weise angefacht und durch weitblickende Fürsten gefördert worden. Von ganz be- sonderer Tragweite war jedoch die Entdeckung der Küste von 1 .;Segun yo he sabido de hombre; de su naciön, fue natural de la provincia de Liguria . . . unos dicen que de Saona, otros qne de Nervi . . /' Oviedo, Hist. gral. y nat. de las Indias. Zur Extdeckuxgsgeschichte Amerikas. 27 Ober- Guinea durch Joäo de Santarem und Pero Escovar im Jahre 147 1 . Diese Küste wurde von da ab die Quelle grosser Reichtümer durch verschiedene kostbare Producte, welche sie in Menge bot, ins- besondere braunen Pfeffer oder Paradieskörner (Amonum Melegueta Roscoe), Elfenbein und Gold. Etwas später kam noch der Sklaven- handel hinzu, und dementsprechend weisen unsere Karten von jenem Gebiete immer noch die alte Einteilung in die Pfeffer-, Zahn-, Gold- und Sklavenküste auf. Der gewinnreiche Handel mit Ober- Guinea beschäftigte die Portugiesen zunächst dermassen, dass 13 Jahre vergingen, bevor sie der Küste entlang weiter südwärts vordrangen. In diese erste Glanzzeit ihres Aussenhandels, dessen Mittelpunkt Lissabon wurde, fällt auch der Aufenthalt der beiden Brüder Colombo daselbst. Es ist die Vorbereitungszeit des älteren für seine spätere grosse Unternehmung und umfasst den zweiten Abschnitt seines Lebens. Ein volles Jahrzehnt verbrachte Christoph Columbus in Portugal und auf Seereisen von dort aus. Da die letzte verbürgte Nachricht über seinen Aufenthalt in Savona und Italien überhaupt vom 7. August 1473 datiert ist, so siedelte er entweder noch in diesem Jahre, oder wahrscheinlich erst 1474 nach Portugal über, um gleich seinem Bruder Bartolomeo, sowie vielen andern unternehmungslustigen jungen See- und Kaufleuten damaliger Zeit dort sein Glück zu suchen. Auch der Nürnberger Kaufmann und Kosmograph Martin Behaim war im Jahre 1480 von Brügge aus diesem Zuge gefolgt. Columbus1 Geschicklichkeit als Seefahrer ist nie bezweifelt wor- den. Er hatte sie erworben auf mancher Fahrt nach Osten in's Mittelmeer (wohl schon von Genua aus), nach Norden bis London, nach Süden zur Küste von Ober- Guinea und nach Westen zu den bekannten ostatlantischen Inselgruppen. War er zurück von der See, so beschäftigte er sich in Lissabon, ebenso wie sein Bruder, mit dem Zeichnen von Karten und gewann zeitweise damit auch seinen Lebens- unterhalt, wie uns Las Casas berichtet. Er selbst rühmt später, dass Gott ihn mit grosser Geschicklichkeit und Handfertigkeit ausgestattet habe, die Sphären zu zeichnen und die Städte, Flüsse, Gebirge, Inseln und Häfen in ihre richtigen Stellen zu schreiben. Proben dieser Thätigkeit sind leider nicht mehr vorhanden. Da er sich ferner durch rasche Auffassung, eine vortreffliche Beobachtungsgabe und viel Energie auszeichnete, so dürfen wir an- nehmen, dass er sich in Portugal und auf seinen Reisen alle Kennt- nisse und Erfahrungen aneignete, die tüchtige Seeleute jener Zeit besitzen mussten, und dass er auch durchdrungen war von den Ideen und Bestrebungen, welche sie damals bewegten. 28 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. Er hatte Marco Polo's Berichte über die Reichtümer Ostasiens gelesen und mit Interesse Kenntniss genommen von den dunklen Gerüchten über Fahrten nach und Entdeckungen in dem unbekannten Westen. Der Wunsch, Indiens Gewürze und Edelsteine, Cathai 's (Chi- nas] Seide und das von Marco Polo so gerühmte Gold Zipangu's (Japans) auf billigerem und bequemerem Seewege Europa zuzuführen, war die Triebfeder der grossen Unternehmungen im 15. und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Dieselbe leitete die kühnsten und erfolgreichsten Seefahrer aller Zeiten ; sie führte Columbus zur Entdeckung Amerikas, Vasco de Gama zur UmschifTung Afrikas und nach Indien, und Magelhan zur ersten Weltumsegelung. Am Hofe des Königs von Portugal hatte man die Frage nach dem besten und kürzesten Weg zu den Gewürzländern, den Aromates (Indien) schon oft erörtert. Auf Wunsch des Königs wurde sie auch in einem Briefe des Canonicus zu Lissabon, Fernam Martins, dem berühmten Florentiner Astronomen Paolo Toscanelli vorgelegt. Die lateinische Antwort darauf vom 25. Juni 1474 ist noch vorhanden. Dieser bemerkenswerte Brief enthält im Wesentlichen Folgendes: 1) dass er (Toscanelli) einen Seeweg nach dem Land der Aro- maten (dem Gewürzlande) wisse, kürzer als der. welcher von Por- tugal nach Guinea führe; 2) dass dieser Weg sich von der Kugelgestalt der Erde her- leiten lasse; 3) dass man ihn einschlage, wenn man stets gen Westen steuere. Der Gedanke, auf westlicher Fahrt Ostasien und Indien zu er- reichen, war nicht neu; er schwebte also, während Columbus in Portugal war, so zu sagen in der Luft. Der genuesische Seemann hatte ihn aufgenommen, hatte auf seinen Fahrten nach den Azoren. Canaren und nach Madeira all die vagen Vorstellungen von Inseln im fernen Westen, sowie die unbegründeten Nachrichten von dorthin verschlagenen Schiffen gehört und gesammelt; er hatte sich selbst durch Vermittelung eines italienischen Kaufmanns in Lissabon um Rat an seinen Landsmann Toscanelli gewandt und von diesem die Abschrift seines Briefes an Fernam Martins erhalten. So war denn die Idee an eine westliche Fahrt zur Erreichung der vielbegehrten Schätze Asiens zwar nicht von ihm ausgegangen, aber er hat sie energisch ergriffen, beharrlich verfolgt und nach Ueberwindung un- zähliger Hindernisse endlich ausgeführt. Indem er dies that, fand er freilich nicht das Gesuchte, aber eine Neue Welt. Das ist sein Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 29 grosses, unsterbliches Verdienst, welches ihm auch die schärfste Kritik unumwunden zuerkennt. Nachdem der Plan, auf westlicher Fahrt Ostasien und Indien aufzusuchen, in Christoph Columbus gereift war, legte er ihn dem König von Portugal vor1. Zur Begründung desselben hatte er die gesammelten Gerüchte und Nachrichten über Inseln im fernen Westen und Fahrten dorthin mit seinen eigenen Vorstellungen und dem Urteil Toscanelli's zu einem Bericht verwoben , demselben wahr- scheinlich auch eine auf Marco Polo's und andere Berichte sich stützende Kartenskizze beigegeben. Der König folgte dem Rate seiner Minister und lehnte die Sache aus unbekannten Gründen ab. Ob sich Columbus dann mit seinem Anerbieten an Genua, Frankreich und England wandte und erst, nachdem er auch hier überall abgewiesen war, seine Hoffnung auf Spanien setzte, ist nicht verbürgt. Wahrscheinlich fallen aber diese Versuche in die Zeit seines achtjährigen Aufenthaltes in Spanien vor seiner ersten Reise 1485 — 92, und wurden gemacht, als er nahe daran war, alle Hoffnung auf Erfolg am spanischen Hofe aufzugeben. Ganz unwahrscheinlich und höchst sonderbar klingt es aber, wenn Colum- bus den spanischen Königen schreibt: „Um Euren Hoheiten zu dienen, habe ich weder auf Frankreich, noch England, noch Portu- gal gehört, deren Fürsten mir Briefe schrieben, welche Ew. Hoheiten noch sehen können." Diese Briefe, wenn sie überhaupt vorlagen, wurden doch wohl durch Anerbieten von seiner Seite hervorgerufen. In Portugal heiratete der Held unserer Geschichte, aber wann? und wo? sind Fragen, die noch Niemand völlig befriedigend beant- wortet hat; denn die Historie, welche allein diesen Gegenstand näher bespricht, ist auch hierin eine ganz unzuverlässige Quelle. Columbus selbst erwähnt seiner Frau nur zweimal und ohne ihren Namen zu nennen. In dem Concept eines Briefes an Dona Juana de la Torre vom Jahre 1500, welches Navarrete veröffentlicht hat, sagt er, er habe Frau und Kinder verlassen, um den „Katholischen Königen" zu dienen, und in seinem Testament befiehlt er seinem Sohn und Erben Diego, Messen lesen zu lassen für seine, seiner Eltern und seiner Frau Seelen. Erst im Testament des Diego Colon vom 16. Mai 1509 erfahren wir den Namen. Dort nennt sich der Testator nach Aufzählung seiner Titel, Sohn des Don Cristobal Colon, des ersten Grossadmirals 1 Wahrscheinlich Joäo (Johann) II, welcher 148 1 seinem Vater Affonso (Al- fonso) V in der Regierung folgte. 30 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. und Vicekönigs, und der Dofa Philipa Moniz, seiner verstorbenen Frau. Es ist zwar nicht erwiesen, aber immerhin möglich, dass Philipa Moniz die Tochter von Bartollomeu Perestrello, dem Gou- verneur der portugiesischen Insel Porto Santo war, wie die Historie angiebt. Die Heirat hat aber weder dort, noch auf Madeira, son- dern in Lissabon stattgefunden. Dort Hess auch Columbus seine Frau mit den jüngeren Kindern zurück, als er unfreiwillig und mittel- los mit seinem ältesten Sohne gegen Ende des Jahres 1484 Portugal verliess, um sein Glück in Spanien zu suchen. Ueber das weitere Schicksal der in Lissabon verbliebenen Frau und Kinder Colons er- fahren wir nichts. Wahrscheinlich aber starben sie nicht lange nachher. d) Columbus in Spanien. Die letzten Spuren über den Aufenthalt des Colon in Lissabon stammen aus dem Sommer 1484. In seinem auf der ersten Reise geführten Tagebuch, das leider verloren gegangen ist, befand sich nach Las Casas folgender Ver- merk: „Montag, den 14. Jan. 1493. Am 20. Tage dieses Monats sind 7 Jahre verflossen, seit ich gekommen bin, ihren Hoheiten zu die- nen."1 Da der Admiral bei mehreren späteren Gelegenheiten diese An- gabe wiederholt hat, so ist an der Richtigkeit derselben nicht zu zweifeln. Wir entnehmen ihr, dass Columbus am 20. Januar i486' an den spanischen Hof kam, um seine Dienste anzubieten. Dagegen fehlt jeder sichere Anhalt über seinen Verbleib im Jahre 1485. Die Fragen: wann kam Colon nach Spanien? und auf welchem Wege? sind gleich mehreren andern, welche sich hier aufthun, mit Sicher- heit nicht zu beantworten. Das erste Document über seinen Auf- enthalt in Spanien und seine Beziehungen zum Hofe trägt das späte Datum vom 5. Mai 1487, so dass die bis dahin sich erstreckende' Leere ebenfalls zu den „Nebulosa de Colon" gerechnet werden muss, zu den Zeiten in seiner Lebensgeschichte, deren Dunkel nicht auf- gehellt worden ist, und über welche die Ansichten auseinandergehen. Vor der Räbida, jenem einsam gelegenen Franziskanerkloster, dessen wir bereits S. 20 erwähnt haben, erschienen eines Abends 1 „Despues que yo vine a les servir, qui son siete aiios agora ä 20. dias de Enero este mismo nies" ^Navarrete. tome I pag. 137;. Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 31 zwei ärmlich gekleidete Wanderer und Hessen sich erschöpft auf den Stufen nieder, über welchen sich noch jetzt auf der Nordostseite des Gebäudes ein steinernes Kreuz erhebt. Es war Christoph Columbus oder Cristobal Colon, wie er seitdem bei den Spaniern heisst, und sein kleiner Sohn Diego. Der Vater begab sich zur Pforte des Klosters und bat für sein Kind um pan y agua, Brot und Wasser. Seine intelligenten Züge, die hohe Gestalt, eine ungewöhnliche, wenn auch ärmliche Kleidung und vor allem der fremdartige Dialekt fielen auf. Das waren keine gewöhnlichen Bettler und Hülfsbedürftigen, wie solche sonst wohl das abgelegene Kloster aufsuchten, sondern Leute, welche in hohem Grade das Interesse und die Theilnahme des gelehrten Priors erregten. Sie erhielten nicht blos die erbetene Erfrischung, sondern auch freundliche Aufnahme im Kloster, eine Aufnahme, welche von grosser Bedeutung für Colon und seine Pläne wurde. Welches war das Reiseziel der Fremden? — Welchen Weg schlugen sie ein? — Wann kamen sie zur Räbida? Wie wir später noch sehen werden, war Columbus genötigt, Portugal plötzlich zu verlassen. Es ist nicht bekannt, noch wahr- scheinlich, dass er damals schon irgend einen Freund und Gönner in Spanien hatte, wohl aber weiss man, dass in der Stadt Huelva Violante Mofiiz (Muniz), eine Schwester seiner Frau, wohnte, ver- heiratet an einen gewissen Miguel Muliarte. Diesen Verwandten seinen Knaben Diego zuzuführen, darf wohl als Grund angenommen werden, weshalb er ihn nach dem fremden Lande mitnahm. Auch giebt dies den nicht verbürgten Angaben der ersten Biographen Colon's einen grösseren Grad von Wahrscheinlichkeit. Es ist nämlich kaum anzunehmen, dass Columbus den kleinen Knaben — , er wird ausdrücklich als solcher, als nino bezeichnet — , bei seinen Reisen nach Cördoba, Salamanca, Malaga und wohin er sich sonst mit seinem Anliegen wandte, mitgenommen und erst gegen Ende des Jahres 1491 der Räbida zugeführt haben sollte, wie Harrisse con- struirt. Eine Landreise verbot sich aber aus verschiedenen Gründen, einmal schon, weil Columbus Lissabon, wie schon gesagt, plötzlich verlassen musste, zum Andern, weil sie für Diego zu beschwerlich, und endlich auch, weil sie für den unbemittelten Vater zu kostspielig gewesen wäre. Wir dürfen deshalb ferner annehmen, dass letzterer den Seeweg wählte. Nun bestand aber keine Schiffsverbindung zwischen der portugiesischen Hauptstadt und den Fischerorten am Aestuarium des Odiel und Rio Tinto. wohl aber mit Sanlücar de 32 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. Barrameda an der Mündung des Guadalquivir, welches schon damals als Vorhafen von Sevilla eine grössere Bedeutung hatte. Hier oder in Sevilla wohnte auch der reiche Herzog von Medina-Sidonia. Es ist daher nicht unmöglich, wie wohl nicht sicher erwiesen, dass Co- lumbus ihn für seinen grossen Plan zu interessiren suchte, bevor er sich weiter wandte, ja Las Casas erwähnt in seiner Historia ganz bestimmt, dass dies geschah, und er die Nachricht aus sicherer Quelle habe. War aber Huelva, wie man annehmen darf, das erste Ziel der Fremden, so lag es von San Lucar am nächsten und musste dabei die Räbida berührt werden, während sie sonst ausserhalb jeder Ver- kehrsstrasse und weit abseits von den Verbindungen Huelva's mit dem Innern liegt. Dieser Weg von Sanlucar zur Räbida ist ein be- schwerlicher, wenig betretener Dünenpfad über eine nahezu unbe- wohnte Küste. Da derselbe die ansehnliche Länge von 12 leguas (ca. 67 km) aufweist, so brauchten die Fussgänger wenigstens zwei Tage, um ihn zurückzulegen. Hinsichtlich der Zeit, wann Columbus mit seinem Sohne Diego vor der Räbida erschien, gehen die Ansichten weit auseinander. Ge- schichtsschreiber, welche der „Historie" folgen, lassen jenen Besuch schon gegen Ende des Jahres 1484 stattfinden. Nach den meisten andern Geschichtsforschern dagegen fällt derselbe in die Zeit, bald nachdem Pater Juan Perez zum Guardian erwählt worden war, also in die zweite Hälfte des Jahres 1485, und vor das Auftreten des Genuesen am Hofe zu Cördoba und Salamanca. Harrisse glaubt da- gegen, dass Columbus mit Diego erst gegen Ende des Jahres 1491 bei der Räbida erschien, und zwar von Sevilla her. Die Widersprüche verschwinden fast alle, wenn wir einen zwei- maligen Besuch des Columbus in der Räbida annehmen, den ersten, als er fremd und um eine Erfrischung für seinen Sohn bittend an dem Thor des Klosters anklopfte, nicht lange nach seiner Ankunft in Spanien, und den zweiten in der späteren, von Harrisse bezeich- neten Zeit. Der Guardian (Prior) der Räbida, dessen Freundschaft und Ein- fluss Columbus in der Folge so viel zu danken hatte, Fray (frater) Juan Perez, hatte früher im Schatzamte der Könige gedient und war dann (vor Talavera) Beichtvater von Isabella gewesen1. Dieser fromme 1 Wie in Cambridge englische Theologen während ihrer Studienzeit auch Ma- thematik studiren und mancher derselben sich später in diesem Fache besonders hervorgethan hat, so war es und ist es zum Theil noch in Spanien Sitte, dass mit Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 33 und bescheidene Franziskaner hatte später das Studium und einfache, beschauliche Leben in dem abgelegenen Kloster den Ehren und ge- räuschvollen Festen des Hofes vorgezogen. Bei den Franziskanern der Räbida genoss er wegen seiner Frömmigkeit und seines tiefen Wissens hohes Ansehen, das sich auch darin aussprach, dass sie ihn im Juli 1485 einstimmig zu ihrem Guardian wählten. Obwohl die Zeitgenossen dieses Mannes ihn stets Juan Perez nennen, haben ihm doch fast alle späteren Biographen Colones den Beinamen de Marchena gegeben. Allem Anscheine nach liegt aber hier die Verwechslung, beziehungsweise Zusammenziehung der Na- men des Priors mit dem des Antonio de Marchena zu Grunde, eines einfachen Mönches der Räbida, welcher sich viel mit cosmographi- schen Studien und Astrologie beschäftigte. Mit ihm befreundete sich Colon ebenfalls, ja Antonio wird als einer der beiden Klostergeist- lichen bezeichnet, von denen der Entdecker Amerikas später in ge- drückter Stimmung schrieb, dass sie allein ihm ihre Freundschaft bewahrt hätten. Nach dem Zeugniss von Las Casas bemerkte nämlich Colon in einem Briefe aus Hispaniola: „Eure Hoheiten werden nicht verken- nen, dass während sieben Jahren ich dieselben (Pläne) beharrlich verfolgt habe. Damals gab es keinen Lootsen, Seemann, Philosophen oder Gelehrten, der nicht erklärt hätte, meine Projecte seien irrig; auch hat mir Niemand darin beigestanden, ausser Bruder Antonio de Marchena. Dieser Pater Antonio de Marchena allein machte mich nicht lächerlich.* Es war dieser Freund, nicht der viel ältere Prior Juan Perez (de Marchena), den sich der Entdecker der Neuen Welt von den spa- nischen Königen erbat und der ihn in Folge dessen als Astrolog auf der zweiten Reise begleitete. Diesen beiden Franziskanern gegenüber entwickelte dann Colon sein Project, auf westlicher Fahrt Cipangu Japan), Catayo (China) und die Länder der Aromates (Indien) zu erreichen. Man darf aber annehmen, dass es vornehmlich der Cosmograph Antonio de Marchena war, der für diesen Plan ein besonderes Interesse und Verständniss zeigte, wie das auch aus der schon angeführten späteren Aeusserung Colons hervorgeht. Auch dürfte er, nicht der Prior, es gewesen sein, der die Heranziehung zweier Männer aus Palos veranlasste und dem theologischen Studium auch das der Rechte verbunden wird. Daher finden wir in der spanischen Geschichte viele hohe Würdenträger der Kirche in Staatsämtern, die mit der Theologie nichts gemein haben. Rein, Gesammelte Abhandlungen. -j 34 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. der Beratung in dem durch sie erweiterten Kreise beiwohnte. Es waren dies der Schiffseigentümer und gebildete, erfahrene Seemann Martin Alonso Pinzon und der Arzt Garcia Fernandez, wel- cher sich neben seinem Berufe gleich de Marchena auch mit Astro- logie und Cosmographie beschäftigte. Noch zeigt man in dem Saale der Rabida den grossen, einfachen Tisch, an welchem die Beratung stattfand, und das altmodische Tintenfass, dessen man sich bediente. Die Wände aber schmücken vier geringwertige Oelgemälde aus einer späteren Zeit, welche Co- lon's Beziehungen zur Räbida und seinen Freunden darstellen und folgende Unterschriften tragen: i. Llega Colon con su hijo Diego al convento de la Rabida. pidiendo pan y agua. i486. (Columbus kommt mit seinem Sohne Diego im Convent der Räbida an, um Brot und Wasser bittend. i486.) 2. Esplica Colon su proyecto de descubrimientos ante el prior de la Räbida, Fray Juan Perez de Marchena, Alonso Pinzon y Garcia Hernandez, Medico de Palos. i486. (Columbus erklärt sein Project der Entdeckungen vor dem Prior der Räbida, Pater Juan Perez de Marchena, Alonso Pinzon und Garcia Hernandez, Arzt von Palos. i486.) 3. Publicase en la Iglesia de Palos la Real Pragmätica para el redutamiento de gente y apresto de las carabelas almando de Colon. 1492. (In der Kirche zu Palos wird die Königliche Verordnung über die Anwerbung der Schiffsmannschaft und die Zurüstung der Cara- vellen unter dem Befehl des Columbus öffentlich bekannt gemacht. 1492.) 4. Despidese Colon del prior de la Räbida al embarcarse para su primer viage, 3 de Agosto de 1492. (Columbus verabschiedet sich vom Prior der Räbida, um sich zu seiner ersten Reise einzu- schiffen, den 3. August 1492.) Dass die unter 1 und 2 befindliche Zeitangabe, sowie der Name des Priors, als D. Juan Perez de Marchena, mit den Thatsachen nicht übereinstimmen, geht aus dem vorher Erwähnten hervor. Es ist nicht bekannt, doch wohl anzunehmen, dass Columbus während seines Verweilens in der Räbida mit seinem Sohne Diego auch die kurze Bootfahrt nach Huelva unternahm, um dort seiner Frau Verwandte zu besuchen. Auch weiss man nicht, ob er Diego bei denselben, in der Räbida oder in Cördoba liess. Von der Räbida begab er sich nach Cordoba, wo sich damals der Hof befand, um demselben sein Project vorzulegen. Hiermit Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 35 lässt sich seine spätere, schon angeführte Aeusserung, wonach er am 20. Januar i486 in den königlichen Dienst getreten sei, nur in Ein- klang bringen, wenn wir annehmen, dass diese Reise spätestens Ende 1485 stattfand. Um die Wege des Fremdlings einigermaassen zu ebnen, gab der Prior Juan Perez ihm einen Brief an seinen Freund Hernando de Talavera mit. Derselbe war damals noch Prior des berühmten Klosters del Prado bei Valladolid, zugleich aber Beichtvater der Königin; 1487 wurde er Bischof von Avila und nach der Einnahme von Granada Erzbischof dieser Stadt. Er war sehr beliebt, hatte grossen Einfluss und galt für einen liberalen und wohlunterrichteten Mann. In dem erwähnten Briefe wurde Colon und seine Sache warm empfohlen und Talavera gebeten, demselben zur Erlangung einer Audienz bei den Katholischen Königen behülflich zu sein. Columbus aber fand, wie es nach den Berichten der Historie, von Las Casas und Andern heisst, zu seiner grossen Enttäuschung, dass Talavera seinen Plan für unvernünftig und unausführbar hielt. Damit verlor er denn auch zunächst die Hoffnung, dem Hofe vorgestellt zu wer- den. Doch gab er die Sache damit nicht auf, blieb in Cördoba und vermochte hier bald den ersten und einflussreichsten spanischen Prälaten, den Cardinal Erzbischof Pedro Gonzales de Mendoza von Toledo, für seine Pläne zu interessiren. Dieser erwirkte ihm eine Audienz bei der Königin, welche nun seiner Person und Sache ge- wogen war1. ' Von da ab beginnen wohl auch die Geldunterstützungen, welche Isabella dem Columbus zuwandte, wenn auch die ersten An- gaben über solche vom Jahre 1487 datirt sind. Um die Jahreswende 1486/87 befindet sich der Hof in Sala- manca. Columbus ist ihm gefolgt, hat seine Wohnung bei den Dominikanern des Klosters St. Stephan (San Esteban) aufgeschlagen und erscheint nun vor einer Kommission (Junta) von Gelehrten, Professoren und geistlichen Würdenträgern, welche sein Project prüfen und beurteilen sollen. Aber obgleich die berühmte Universität nach ihrem Wahlspruch aller Wissenschaften Anfang lehren soll (Omnium scientiarum princeps Salamantica docet), hatte man hier doch für die von Columbus vorgetragene Begründung seines Pro- jectes kein Verständniss, fand dasselbe auch im Widerspruch mit 1 Nach dem Roman, in welchem Dr. Baldomero de Lorenzo y Leal die Be- ziehungen des Colon zu der Beatriz Enriquez ausschmückt, »wäre diese als bildschönes i7jähriges Mädchen es gewesen, welche das Interesse der Königin für den Genuesen erweckt hätte. -»* 36 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. falschverstandenen Bibelstellen. Nur ein Mann, heisst es, habe die Einsicht und den Mut gehabt, für Columbus' Sache einzutreten, nämlich Diego de Deza, Bischof von Zamora, der Erzieher des Prinzen Juan und spätere Erzbischof von Sevilla, ebenfalls Domini- kaner. Die Conferenz in der Universität Salamanca wird weder von Las Casas, noch von Oviedo erwähnt. Der Bischof von Chiapas weiss nur von einer Versammlung hoher Würdenträger des Hofes. Dessenungeachtet erscheint der spätere Bericht über diese erste vom Hofe angeordnete Beratung glaubwürdig; auch ist derselbe durch neuere Forschungen weiter unterstützt worden1. Nicht befriedigt durch das abweisende Urteil der Universität, liess Königin Isabella das Project des Colon auch ihrem Staatsrate vorlegen. Die Conferenz fand ebenfalls in Salamanca statt, wo der Hof den Winter 1486/87 verbrachte. Las Casas erwähnt als Theil- nehmer an derselben: Cardinal Pedro Gonzales de Mendoza, Diego de Dieza, Alonso de Cardenas, den Prior des Prado (Talavera) und Juan Cabrero, den Kanzler des Königs. Ergänzt werden seine An- gaben durch Dr. Rodriguez de Maldonado, welcher in seiner Eigenschaft als Minister ebenfalls zugegen war. Derselbe schreibt: ..In Gesellschaft von dem damaligen Prior des Prado, späteren Erzbischof von Granada, wie von mehreren Gelehrten und Seeleuten, besprachen wir uns mit dem Admiral über seinen Plan, nach den Inseln zu gehen, und wir waren alle der Meinung, dass das, was er sagte, unmöglich richtig sein könne. Ungeachtet dieser Ansicht der Mehrheit bestand der Admiral hartnäckig auf seinem Project, diese Reise zu unternehmen. Als ein Mitglied des Rates Ihrer Königl. Hoheiten weiss ich alle diese Dinge." Am 5. Mai 1487 ist Columbus wieder in Cördoba und empfängt hier, wie schon S. 35 hervorgehoben wurde, aus den Händen des Schatzmeisters Alonso de Quintanilla eine königliche Geldunter- stützung von 3000 Maravedis oder ca. 785 Frcs.2 Ein Vierteljahr 1 Siehe „Colon en Salamanca por D. Alejandro de la Torre y Velez", Memoria de la Sociedad Colombina 1885. Huelva 1886. 2 Der Maravedi war eine den Mauren entlehnte Münze und gleich 2 Biancas. Nach Harrisse's Angaben (siehe Christophe Colomb I, S. 396) waren 1 140000 Mara- vedis damals gleich 336 500 Francs, also 1 Maravedi gleich ca. 29V2 Centimes. Diese Wertangabe steht weit ab von derjenigen, welche wir bei Rüge 'Christoph Colum- bus. 1892. S. 77, wonach i Maravedi damals nur 2,57 Pfennig unseres Geldes ent- sprochen hätte) finden, und wiederum von denen, welche mir auf Anfragen bei Freunden in Spanien wurden. Nach diesen wäre I Maravedi zu Colon's Zeit 80 Cen- timos des heutigen Geldes, also 64 Pfennig des unsrigen gleichgekommen. Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 37 später, am 3. Juli, wird ihm eine zweite Unterstützung in gleicher Höhe aus derselben Kasse der Königin zu Teil. Am 18. August 1487 war die maurische Stadt Malaga in die Hände der Belagerer gefallen. Nach langer heroischer Verteidigung war den Bewohnern ein noch härteres Loos beschieden. Man ver- teilte sie unter die Führer des siegreichen Heeres und die Grossen des Landes und bedachte dabei auch den Papst. Nach dem feier- lichen Einzüge Ferdinand's und Isabella's wurde Bischof Talavera berufen, um die grosse Moschee als Cathedrale einzuweihen. Co- lumbus aber, der ebenfalls dem Hofe in die eroberte Stadt gefolgt war, kehrte bald darauf nach Cördoba zurück, wo ihn seine Be- ziehungen zu der Beatriz Enriquez den Winter 1487/88 festhielten. Sie war von adeliger Herkunft, aber arm, Schwester des Pedro de Arana, welcher auf der dritten Reise des Admirals eine Caravelle befehligte. Diego (Rodrigo) de Arana, welchem Columbus den Be- fehl über die, auf der ersten Reise in Hispaniola zurückbleibende kleine Besatzung übergab, soll ein Onkel beider Geschwister ge- wesen sein. In die erwähnte Zeit (1487/88) fällt auch das Gesuch des Co- lumbus an den König Joäo II von Portugal um Erlaubniss, auf einige Zeit unbehelligt nach Lissabon zurückkehren zu dürfen. Man weiss nicht, welche Beweggründe ihn nach seinem ehemaligen Wohnsitze zogen, wohl aber, weshalb er der Erlaubniss für die zeitweilige Rück- kehr bedurfte. Das königliche Schreiben vom 20. März 1488, welches dieselbe erteilt, ist noch vorhanden und giebt darüber genügende Auskunft. Darin heisst es: „Und weil Ihr zufällig von unseren Be- hörden wegen gewisser Dinge, in die Ihr verwickelt seid, bedroht seid, so sichern wir Euch durch diesen unsern Brief für Kommen, Verweilen und Gehen zu, dass Ihr weder gefangen genommen, fest- genommen, angeklagt, vorgefordert, noch befragt werden sollt, wegen irgend welcher Angelegenheit, sei es Civil- oder Criminalsache oder was sonst."1 Columbus machte von dieser Zusage erst ein halbes Jahr später Gebrauch, nachdem ihm am 16. Juni eine neue Geldunterstützung der Katholischen Könige zugewandt und am 1 5 . August von Beatriz Enriquez sein Sohn Hernando (Ferdinand) Colon geboren worden war. Ueber das illegitime Verhältniss, dem dieser Sohn entsprang, herrscht unter ernsten, wahrheitliebenden Forschern keine Meinungs- verschiedenheit. Duro führt in seinen „Nebulosa de Colon4* vor- siehe Rüge, Christoph Columbus. Dresden 1892. S. 69. 38 Zur Extdeckungsgeschichte Amerikas. nehmlich drei Gründe gegen die behauptete legitime Geburt des Don Fernando an1, nämlich i. Las Casas? Urteil, indem er in seiner Historia den Hernando Colon den natürlichen Sohn des Admirals (su hijo natural) nennt. Der Bischof von Chiapas war aber wohl in der Lage, das Verhält- niss zu beurteilen, denn er sagt von Pedro de Arana, dem Bruder der Beatriz Enriquez, dass er ihn gut gekannt habe; 2. die Thatsache, dass in den Testamenten des ersten Admirals und seines Sohnes Diego der Name der Mutter des Hernando immer, im Ganzen viermal, ohne den Titel Dona vorkommt, wie sie ihn doch als Frau des Columbus hätte führen müssen ; 3. die Clausel im Testament des Entdeckers vom 25. August 1505, bestätigt am 19. Mai 1506, welche lautet: „Ich sage und be- fehle meinem Sohne Diego, dass er sich der Beatriz Enriquez, der Mutter meines Sohnes Fernando annehme, dass er sie in die Lage bringe, anständig und sorgenfrei leben zu können, als eine Person, gegen welche ich hohe Pflichten habe. Was ich in dieser Beziehung thue, geschieht, um mein Gewissen zu erleichtern, denn dies lastet schwer auf meiner Seele. Es ist nicht zulässig, hier den Grund da- von anzugeben."2 Ueber diese Clausel , in welcher Columbus die Beatriz weder seine Frau nennt, noch mit dem ihr sonst zukommenden Titel Dona ehrt, ist, namentlich seitens spanischer Geistlichen, schon viel Tinte vergossen worden, denn sie war immer das Haupthinderniss gegen ihr Bestreben, für den Entdecker Amerikas die Selig- und Heilig- sprechung zu erwirken. Dieser Richtung kam das bekannte Werk des französischen Grafen Roselly de Lorgues über Columbus und seine Reisen3 höchst willkommen. Man übersetzte es unter dem Titel „Monumento ä Colon. Historia de la vida y viajes de Cristöbal Colon &c, ver- sah es mit vielen Zusätzen und gab es so 1878 heraus. Dieses Werk ist seitdem die reiche Quelle für zahlreiche Schriftsteiler geworden, die sich die Sache leicht machten. „Bis zum Erscheinen der Historia &c", 1 „Razones contrarias ä la legitimidad del nacimiento de D. Hernandez Colon/* 2 „Digo 6 mando — ä Don Diego, mi fixo — que haya encomendada ä Bea- triz Enriquez, madre de Don Fernando, mi fixo, que la provea que pueda vivir honestamente, como persona ä quien yo soy en tanto cargo. Y esto se haga por mi descargo de la conciencia; porque esto pesa mucho para mi anima. La razon dello non es licido de la escrebir aqui. 3 „Vie et Voyages de Christophe Colomb par Roselly de Lorgues. Paris 1877. Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 39 sagt einer der dadurch Entzückten , „haben alle neueren Autoren Fernando Colon für einen natürlichen Sohn gehalten; aber M. de Lorgues hat sie siegreich widerlegt; ihm gebührt der [Ruhm, be- wiesen zu haben, dass Colon mit Dora Beatriz Ennquez verhei- ratet war." Nüchtern betrachtet, ist aber das Werk des Franzosen nicht die mühsame Arbeit eines gewissenhaften Forschers, sondern ein an- ziehend geschriebener historischer Roman, als dessen Held Colum- bus erscheint, für den der Autor sich begeistert [hat. Keiner der vielen Zweifel des Forschers wird beseitigt, und wo es scheinbar mit grosser Sicherheit geschieht, ist es die Sicherheit des erfindungs- reichen Dichters, nicht das Resultat der wahrheitliebenden Kritik. Und auf eine solche Quelle stützen sich all' die vielen Schwärmer, welche in ihren schmückenden Beinamen für den Admiral nicht sparsam sind. Er ist ihnen der Entdecker der Welt, der Gesandte Gottes, der Held des Katholicismus (el Revelador del Globo, el Embajador del Dios, el Heroe del Catolicismo) . Das zuletzt angeführte Epitheton ornans finden wir beim Titel einer Schrift des Dr. D. Baldomero de Lorenzo y Leal, eines Geist- lichen in Huelva1, in welcher es u. A. heisst: „Cristöbal Colon ist wie der Abendstern des Mittelalters, das er beschliesst, die glänzende Aurora der neuen Zeit, die er eröffnet. ... Er ist der vollkommene Ritter und der vollkommene Christ, der aufrichtige Gläubige und der Apostel der Vorsehung." In dieser Schrift entwirft der Presbitero Huelva's ein Bild von der Schönheit und dem Adel der 17jährigen Dona Beatriz, welche, ihrer Eltern beraubt, bei ihrem Bruder Pedro de Arana lebte, sowie von den Umständen, durch welche Columbus sie kennen lernte, dass man meinen sollte, einen Liebesroman vor sich zu haben. Beatriz war hiernach die schönste aller Schönen von Cördoba. Sie entzückte nicht blos den Genuesen, sondern auch die Königin, führte ersteren bei dieser ein und heiratete ihn im November i486 in der Kapelle des Palastes der Aranas. Solcher Art ist die Geschichtsforschung Derer, die Columbus zu einem Heiligen machen möchten. Uns aber erscheint der Entdecker Amerikas schon milde beurteilt, wenn wir annehmen, dass er seine Frau, die Philipa Moniz (Mufiz), mit deren Einverständniss in Lis- sabon zurückgelassen, von Spanien aus brieflich mit ihr verkehrt, 1 „Cristöbal Colon, el heroe del Catolicismo", in Memoria de la Sociedad Co- lombina Onubense. Huelva 1884. S. 37 — 93. 40 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. auch nach Vermögen für sie gesorgt hatte, und das Verhältniss zur Beatriz Enriquez erst anfing, nachdem sie gestorben war. Wenn Colon von der erbetenen Erlaubniss, vorübergehend nach Lissabon zurückzukehren, Gebrauch machte, so geschah dies wahr- scheinlich im Herbst 1488 und nachdem er seinen Sohn Diego von Moguer nach Cördoba zur Schule gebracht hatte. Jedenfalls war er im Frühjahr 1489 wieder in Spanien, denn am 12, Mai wird er an den Hof nach Cördoba geladen und allen Städten, wo der Dienst Ihrer Hoheiten es verlange, befohlen, ihn zu beherbergen. Indess hielt die günstige Stimmung, welche daraus zu erkennen ist. nicht lange vor. Vorbereitungen für die Belagerung der maurischen Stadt Baza. Hungersnot und Feuersbrünste, welche das Land im Herbst des Jahres 1489 heimsuchten, nahmen das Interesse des Hofes und die Mittel des Landes so in Anspruch, dass sich Columbus abermals enttäuscht fühlen musste. In diese Zeit muss man den Beginn seiner Beziehungen zu Luis de Cerda, dem Herzog von Medina-Celi, verlegen, dessen Gast- freundschaft zu Puerta de Santa Maria er dann zwei Jahre hindurch genoss. wie aus einem Briefe dieses reichen Landesfürsten an den Cardinal - Erzbischof de Mendoza vom 19. März 1493 hervorgeht1. Derselbe lautet im Wesentlichen folgendermaassen : „Es ist mir unbekannt^ ob Ew. Gnaden wissen, dass ich lange Cristöbal Colomo2 bei mir gehabt habe, welcher aus Portugal kam und sich zum König von Frankreich begeben wollte, um mit seiner Hülfe die Seereise zur Entdeckung Indiens auszuführen, und dass ich selbst den Versuch machen wollte, drei oder vier Caravellen, welche er verlangte, vom Hafen, wo ich sie bequem ausrüsten konnte, auszusenden. Indem ich aber überlegte, dass ein solches Unternehmen Ihrer Majestät der Königin würdig sei, teilte ich ihr den Gegenstand mit. Dieselbe antwortete mir, ich möge ihr schrei- ben, was ich sofort that, indem ich Ihre Hoheit bat, dass, wenn es mir nicht erlaubt sei; jenes Unternehmen selbst auszuführen, welches ich für Ihren Dienst vorbereitet hätte, so wolle sie mir die Gunst gewähren, mir ein Interesse daran einzuräumen und gestatten, dass die Ausrüstung und Aussendung in meinem Hafen Santa Maria 1 Navarrete II No. XIV. Carta del Duque de Medinaceli al Gran Cardinal de Espana. - Der hier, sowie von Quintanüla in den Jahren 1487 — 89 gebrauchte Name Colomo steht der italienischen Form Colombo viel näher, wie der später in An- wendung kommende Colon. Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 41 stattfinde. Ihre Hoheit empfing diesen Plan und beauftragte Alonso de Quintanilla. welcher mir in ihrem Auftrag schrieb, dass sie die Sache nicht für ganz sicher halte. Wenn das Project aber zur Aus- führung kommen sollte, werde Ihre Majestät mir die Gunst erweisen und mir einen Anteil daran geben. „Seitdem hat sie nach reiflicher Prüfung der Sache sich ent- schlossen, Colomo auszusenden, um Indien zu entdecken. Nachdem er vor etwa acht Monaten abgereist ist, ist er jetzt zurück in Lissa- bon, nachdem er Alles gefunden hat, was er suchen wollte. Sobald ich davon Kenntniss erhielt, und um eine so gute Nachricht Ihrer Hoheit mitzuteilen, schrieb ich ihr durch Xuares, den ich zu ihr sandte, um sie zu bitten, mir das Privileg zu gewähren, nach dem neuentdeckten Lande jährlich einige meiner Caravellen abzusenden. Ich bitte Ew. Gnaden , mich in diesem Vorhaben unterstützen zu wollen; denn dadurch, dass ich Colomo während zweier Jahre in meinem Hause beherbergte und so für den Dienst Ihrer Hoheit zu- rückhielt, hat er diese grossen Dinge vollbracht. Xuares wird Ew. Gnaden darüber ausführliche Mitteilungen machen, und ich bitte, ihm Glauben zu schenken. In meiner Herrschaft Cogolludo, den 19. März 1493. Der Herzog." Das Schreiben an die Königin, dessen der Herzog von Medina- celi erwähnt, traf dieselbe im Frühjahr 1491 in Sevilla, als die Vor- bereitungen für die Belagerung von Granada im Gange waren. Da dieses Unternehmen ihr ganzes Interesse und alle Mittel des Staates in Anspruch nahm, so begreift man, dass sie sich in der schweben- den Angelegenheit des Columbus nicht entscheiden konnte und den Herzog gleich seinem Schützling an ihren Ober-Rentmeister Quinta- nilla verwies. Wenige Monate später begab sich Isabella selbst zu dem Be- lagerungsheer, das mit seinen Zelten zwei Leguas (11 — 12 km' westlich von Granada die Vega bedeckte. Ihre Ankunft und ihr Entschluss, bei ihrem Heere zu bleiben, rief grosse Begeisterung hervor, war aber von einem Unfall begleitet, der leicht hätte ver- hängnissvoll werden können. Durch Unvorsichtigkeit einer Hofdame mit einer brennenden Kerze fing ein Vorhang im Zelte der Königin Feuer und setzte dieses sowie das ganze Lager in Brand. Glück- licherweise gesellte sich zum grossen materiellen Verlust nicht auch solcher an Menschenleben. Die Königin aber beschloss, über der Asche eine Stadt zu erbauen. So verwandelten sich denn das Lager 42 Zur Entdeckungsgeschichte 'Amerikas. in Werkstätten, die Krieger in Handwerker, und es entstand, wie durch einen Zauberspruch, in kürzester Zeit eine schöne Stadt. Die- selbe erhielt den Namen Santa Fe (Heiliger Glaube) , um anzudeuten, dass der Entschluss, Granada zu erobern, trotz dieser grossen Stö- rung unwiderruflich sei. Columbus war dem Hofe nach Santa Fe gefolgt; doch hatte man hier wichtigere und näherliegende Dinge zu erledigen, als sich mit seinen utopischen Plänen zu befassen. Niemand beachtete ihn. Verlassen und entmutigt reiste er wieder ab. Nun kommt die Zeit, in welche Harrisse das erste Auftreten des Genuesen vor und in der Rabida verlegt. Er stützt sich dabei auf zwei Documente aus dem Jahre 15 13. Diego Colon, der zweite Admiral, hatte nämlich den spanischen Fiscus wegen vorenthaltener Erbrechte, welche im Vertrage seines Vaters mit den spanischen Königen vorgesehen waren, verklagt. Der Fiscus sah sich in Folge dessen veranlasst, in Palos und Nachbarschaft bei Personen, welche den Entdecker Amerikas gekannt hatten und Zeugen seiner Abfahrt von und Rückkehr nach Palos gewesen waren, gerichtliche Erhebun- gen anzustellen. Von besonderem Interesse ist die bei dieser Ge- legenheit gemachte Aussage des Garcia Hernandez, Arztes von Palos. Sie lautet im Wesentlichen wie folgt: „Ich weiss, dass der besagte Admiral D. Cristöbal Colon mit seinem Sohne D. Diego, der jetzt Admiral ist, zu Fuss zur Räbida kam, welches ein Mönchskloster dieser Stadt ist. Niemand kannte besagten Admiral. Derselbe bat den Pförtner, dass er ihm für sein Kind Brod gebe und Wasser, damit es trinken könne, und der genannte Cristöbal Colon sagte, dass er vom Hofe Ihrer Hoheiten komme." Garcia erzählt dann weiter, wie Columbus den F. Juan Perez für seine Pläne interessirt und dieser sich bei der Königin erfolgreich für die Annahme derselben verwendet habe1. Rodriguez Cabezudo2, ein Einwohner von Moguer, be- zeugte, dass er vor etwa 22 Jahren den alten Admiral in Moguer mit einem Franziskaner gesehen und gehört habe, wie sie sich über eine Reise zur Entdeckung Indiens unterhalten hätten. Der Admiral habe von ihm ein Maultier gemietet, damit der Mönch an den Hof reiten könne. Cabezudo fügte hinzu, er wisse, dass besagter 1 Probanzas hechas por el fiscal del Rey. Navarrete, Coleccion, tome III. S. 561. 2 Ebd. S. 180. Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 43 Admiral im Jahre 1492 von Palos aus zur Entdeckung Indiens ab- gereist, dass er es entdeckt habe und nach Palos zurückgekehrt sei. Zur Zeit seiner Abreise habe er ihm und dem Geistlichen Martin Sanchez seinen Sohn Diego zur Obhut übergeben1. Harrisse nimmt nun an, dass Columbus seinen Sohn Diego in Cördoba gelassen habe, als er dem Hofe nach Sevilla und Granada gefolgt sei, weil der Knabe eine so beschwerliche Reise wohl nicht hätte mitmachen können. Columbus habe ihn dann wahrscheinlich in Cördoba abgeholt und den Weg nach Huelva eingeschlagen, um ihn zu seinem dort wohnenden Schwager Muliarte zu bringen. Auf dem Wege dahin seien sie nach der Räbida gekommen. Hiergegen lässt sich, ausser dem S. 31 — 32 Hervorgehobenen, Folgendes einwenden : 1. Wenn Diego Colon im Jahre 1491 noch zu jung war, um mit seinem Vater über Sevilla nach Granada zu reisen, so konnte er diesen noch viel weniger 4 — 6 Jahre früher auf seinen Kreuz- und Querwegen in Spanien begleiten. Ueber. den Verbleib desselben in jener Zeit fehlt uns aber jeder sichere Anhalt; doch hat die An- nahme, dass Diego in der Räbida oder bei seinem Onkel in Huelva war, mindestens ebenso viel für sich, als diejenige, nach welcher er in Cördoba war. 2. Der Weg von Cördoba über Sevilla und La Palma nach Huelva führte bei Niebla über den Rio Tinto und Hess damals wie heute die Rabida weit abseite. Hätte aber Colon dennoch den wei- ten Abstecher nach der Räbida gemacht, so würde dies über Moguer und Palos geschehen sein und er hätte hier bei der andalusischen Gastfreundschaft in jedem Hause Brod und Wasser für sein Kind haben können. 3. Es ist fraglich, ob Miguel Muliarte im Herbst 1491 noch in Huelva wohnte und nicht schon nach Sevilla übergesiedelt war, da er in einem von Duro angeführten Actenstück vom 30. Sept. 1493 als Bewohner dieser Stadt bezeichnet wird2. 4. Die Aussage, auf welche sich Harrisse's Schlüsse stützen, ist freilich klar genug; allein man darf nicht vergessen, dass der Arzt Garcia Hernandez sie machte , als mehr denn 2 2 Jahre ver- gangen und er ein alter Mann war. Da ist immerhin eine Ver- 1 Letzteres kann sich nur auf die Abreise von der Räbida an den Hof nach Granada beziehen, denn später wurde Diego Page des Infanten D. Juan. 3 Duro, Nebulosa de Colon. S. 22. 44 Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. wechslung und Zusammenziehung- zweier getrennten Besuche in der Räbida zu einem Ereigniss denkbar. 5. Die S. 33 erwähnte Aeusserung Colons über das Verhalten seines Freundes, des Antonio de Marchena. stimmt nicht, wenn er dessen Bekanntschaft erst 1481 gemacht hätte. Nach unserer Ansicht kam Columbus, trotz der Aussage des Garcia Hernandez, im Herbst 1491 wahrscheinlich zum zweiten Mal zur Räbida, und zwar um sich mit den früher gewonnenen Freunden zu beraten. Mögen nun aber auch die erwähnten Vorgänge vor und in der Räbida bei von einander getrennten Anlässen und zu verschiedener Zeit stattgefunden oder mögen sich dieselben im Herbst 1491 rasch hintereinander abgespielt haben, so ist doch sicher, dass die letzten Beratungen den Guardian Pater Perez zur Abfassung eines Schrei- bens an die Königin veranlassten, in welchem er derselben Colum- bus und seinen Plan warm empfahl. Mit dem Ueberbringen dieses Briefes wurde der Lootse von Lepe, Sebastian Rodriguez, betraut. Schon 14 Tage nach Ankunft Colon's in der Räbida ist dieser Bote aus dem Lager vor Granada zurück und hat dem Prior ein Schreiben der Königin überbracht, in welchem sie denselben einlädt, sich ins Lager zu begeben und die Sache weiter mit ihr zu be- sprechen. Dies geschah, und zu dem Zweck lieh Cabezudo aus Moguer, wie er bezeugt hat, dem Priester sein Maultier. Nach der Conferenz kehrte der Prior zur Räbida zurück, reiste aber alsbald nochmals nach Santa Fe, und zwar in Gesellschaft von Columbus. wie die Königin es befohlen hatte. Solches geschah im December 1491. Die Schritte des bescheidenen Franziskaners hatten den Stern des Genuesen verschoben und bei der Königin mehr bewirkt, als alle bisherigen Bemühungen und Empfehlungen. Isabella erinnerte sich auch der Anerbietungen des Herzogs von Medinaceli wieder und war nun bereit, das Project des Columbus ausführen zu lassen. Um aber sicher zu gehen, Hess sie dasselbe noch einmal einer Kommission (Junta) aus einer Anzahl Männer von hoher Bildung und Stellung zur Prüfung vorlegen. In dieser Versammlung fand die Sache des Columbus eine warme Unterstützung nicht blos seitens seines alten Gönners, des Cardinal-Erzbischofs de Mendoza, sondern auch durch seinen früheren Gegner, den neuen Erzbischof von Gra- nada, Hernando de Talavera. An diese Mitwirkung wird letzterer in einem Briefe erinnert, den sein Zeitgenosse, der Geschichts- forscher Pedro Martyr d'Anghiera im September 1493 absandte und Zur Entdeckungsgeschichte Amerikas. 45 worin es heisst, dass er (Talavera) an den Verhandlungen teilge- nommen habe und dass ohne seinen Rat das Project nicht ausge- führt worden wäre1. Dank dieser mächtigen Befürwortung billigte die Junta den Plan des Liguriers und empfahl ihn der Königin. Aber erst, nach- dem bald darauf Granada gefallen war, beschloss diese, denselben auf Kosten der Krone von Castilien und Leon ausführen zu lassen. 1 Qua de re vobiscum aliquando actum est. Nee sine vestro, ut arbitror, con- silio rem hie aggressus est. (Pedro Martyr, Epist. CXXXIII, S. 73 der Ausgabe von Elzevier.) ERSTE REISE DES COLUMBUS1. Abfahrt von Palos, den 3. August 1492. Rückkehr nach Palos, den 15. März 1493. Nach vieljährigen Mühen, Hoffnungen und Enttäuschungen in bunter Abwechselung, nach manchem Kampf gegen berechtigte Be- denken, aber auch gegen Unwissenheit, Nationalstolz und Neid vieler Grossen und königlichen Berater, hatte Columbus endlich die Zu- sage der Katholischen Könige erlangt, ihm zu seinem grossen Unter- nehmen die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dabei waren beiderseits religiöse Beweggründe mit der Hoffnung auf Reichtum. Macht und Ruhm innig verknüpft. Columbus wollte und sollte im Dienste Spaniens ein Gott wohlgefälliges Werk ausführen und den Bewohnern der zu entdeckenden und zu erobernden Inseln und Fest- länder das Christentum bringen, und im Austausch ihr Gold und was er sonst Wertvolles auf ehrliche Weise von ihnen erlangen mochte, Spanien zuführen. Als Gegenleistung stellte er so hohe Forderungen, dass die mit ihrer Prüfung betraute Kommission darüber erschrak. Aber Königin Isabella war für die Sache gewonnen, und so kam in Santa Fe am 17. April 1492 zwischen ihr und Ferdinand dem Katholischen einerseits und Columbus auf der andern Seite der Vertrag zustande, durch welchen Columbus weitgehende Rechte ein- geräumt wurden, nämlich die Zusicherung: 1. der Stellung als Vicekönig und Generalgouverneur über alle 1 Das Tagebuch, welches Columbus über diese Reise führte, ist verloren ge- gangen. Wir kennen dasselbe nur nach den Auszügen, welche Las Casas daraus gemacht hat. Es fehlen dabei alle Positionsangaben, so dass es unmöglich ist, den Weg auf einer Karte genau einzutragen. Erste Reise des Columbus. 47 Inseln und Festländer, die er entdecken und für Spanien in Besitz nehmen würde; 2. des Ranges als Admiral des Weltmeers (del mar Oceano) ; 3. eines Zehntels von allen Reichtümern: Perlen, Diamanten, Gold, Silber, Gewürzen, Früchten und Produkten irgend welcher Art, die in den unter seine Verwaltung gestellten Gebieten entdeckt und nach Spanien ausgeführt werden sollten ; 4. des Rechtes, ein Achtel der Ausrüstungskosten zu tragen und dafür den achten Teil des entdeckten und eroberten Landes, sowie aller daraus gezogenen Einkünfte zu erhalten; 5. der Vererbung aller Rechte, Titel und Würden auf seine Fa- milie nach dem Vorrecht der Erstgeburt. Das unter 4 erwähnte Achtel der Ausrüstungskosten , welches von Las Casas in seiner Historia mit 500000 Maravedis (12850 M.) veranschlagt wird, wurde von Columbus wirklich aufgebracht, wie aus späteren Akten der Regierung hervorgeht. „De donde lo saco?", woher nahm er das Geld? fragt Duro1, und kommt zu dem Schlüsse, dass es Martin Alonso Pinzon (viel- leicht im Verein mit seinen Brüdern) war, der es ihm vorstreckte2. Damit schwinden auch alle sonstigen Mutmassungen, dass der Herzog von Medinaceli oder ein anderer reicher Freund dem armen Fremd- ling beigesprungen sei, der „mit dem Bettelstab in der einen Hand und seinem Knaben Diego an der andern vor der Räbida erschienen war", und später die mächtige Hilfe der Familie Pinzon so ganz vergass. Vieles im Verhalten des Martin Alonso und auch die Wahl des Hafens Palos wird damit verständlich. Hätte der Herzog von Medinaceli das Geld geliefert, so würde er sicher darauf gedrungen haben, dass die Expedition von seinem Hafen Santa Maria ausge- gangen wäre3. Für die Unternehmung waren drei Schiffe und Palos als Aus- gangsort bestimmt. Nur eines derselben , die Santa Maria (auch Marigalante und Capitane genannt), war ein Nao oder volles Schiff von 170 Tonnen, nach Art der Gallonen mit vollständigem Deck gebaut; die beiden andern, nämlich die schnellsegelnde Pinta (die Bemalte) und die kleinere Nifia (das Kind) gehörten zu der damals vielgebrauchten Klasse der Carabelas (Caravellen) . Es waren dies 'leichte, mittelgrosse Fahrzeuge mit drei Masten, in der Mitte ofTen, 1 „Colon y Pinzon" por C. F. Duro. Madrid 1883. 2 Dafür sollte er, wie später sein Sohn erklärte, die Hälfte des Gewinnes haben. 3 Man vergleiche den Brief an den Cardinal-Erzbischof von Toledo S. 40. 48 Erste Reise des Columbus. dagegen an beiden Enden überdeckt und zu ansehnlicher Höhe em- porsteigend, mit Vorder- und Hinterkastell und Kajüten für die Mannschaft. Die Nina führte nur dreieckige oder sogenannte latei- nische Segel. Diese beiden Caravellen musste das kleine Städtchen Palos (wohl mit Moguer) wegen einer Strafe stellen und für die Miete auf zwei Monate, sowie den Sold ihrer Mannschaft auf vier Monate sorgen. Die Santa Maria wurde für die Königin gemietet. Zur Ausrüstung steuerte dieselbe 1 140000 Maravedis oder 29 184 Mark bei. Das Städtchen Palos — nach der Volkszählung Ende 1887 hatte es nur 1422 Ew. — liegt 4 km oberhalb der Räbida am linken Ufer des Rio Tinto. Es kann heutzutage Huelva und andern Städten der andalusischen Küste gegenüber kaum noch als Hafen gelten, da sein Verkehr sich auf wenige kleine Fahrzeuge und die benachbarte Küste beschränkt. Auch in früherer Zeit hat es keine grosse Rolle gespielt, so dass man seine Wahl für das gewagte Unternehmen wohl vornehmlich dem Einfluss Pinzon's und des Priors der Räbida zu- schreiben muss. Columbus wählte die zwei Caravellen vielleicht nur deshalb, weil grössere Seeschiffe in Palos nicht aufzutreiben waren, wahrscheinlich jedoch, um mit ihnen leichter und gefahrloser sich den verschiedenen Küsten nähern und, wo es ihm beliebte, landen zu können; denn in einem Briefe schreibt er: ..Ich verliess Granada am 12. Mai 1492 und begab mich nach Palos, wo ich drei für solche Reisen sehr tüchtige Schiffe ausrüstete1. Am 30. April gingen die nötigen königlichen Befehle nach Palos ab und wurden dann in der dortigen Kirche bekannt gemacht. Dennoch, und obgleich grosse Vorteile in Aussicht gestellt und ins- besondere dem Entdecker des ersten neuen Landes 10 000 Maravedis (257 Mark) als Jahresrente zugesichert wurden, fand sich anfangs niemand bereit, die gefährliche Fahrt mitzumachen, denn das Dunkelmeer (Mar tenebroso), in welches Columbus sich begeben wollte, war noch immer im Volksglauben erfüllt von Monstern und unglaublichen Gefahren. Selbst die Insassen des Gefängnisses, deren Prozesse man verschieben, oder deren Strafe man erlassen wollte, waren nicht willens, auf diese Weise sich ihre Freiheit zu erkaufen. So wäre die ganze Sache noch misslungen, wenn nicht ein Mann, Martin Alonso Pinzon, sie gestützt hätte. Er hatte viele Kenntnisse und Erfahrungen im Seewesen, war ein klarer Kopf, der sich leb- haft für die Unternehmungen der Portugiesen interessiert, auch an ihren Fahrten nach Guinea teilgenommen, hatte, der an Energie und 1 Siehe Navarrete. Rein, Gesammelte Abhandlungen. 50 Erste Reise des Columbus. Mut Columbus nicht nachstand, vor diesem aber voraus hatte, von Palos gebürtig, ein reicher, dort begüterter Mann, ein Seemann von grossem Einfluss, zu sein. Als er die beiden Caravelas ausgewählt und erklärt hatte, dass er selbst mit seinen beiden jüngeren Brüdern an der Fahrt sich beteiligen werde, waren die Hauptschwierigkeiten des Werbegeschäfts überwunden. Alle Seeleute, welche von Palos, Moguer, Huelva und andern Orten der andalusischen Küste die Fahrt mitmachten, thaten es im Vertrauen auf diese erprobten Führer. Dazu kamen dann noch viele aus dem Innern des Landes, welche im Schiffswesen keinerlei Erfahrung hatten und auch sonst von zweifelhaftem Wert für die Sache waren. Zu den gebildeten See- leuten damaliger Zeit gehörten von den Begleitern des Columbus ausser den drei Pinzon nur wenige, nämlich vor allem Juan de la Cosa von Santafia, Pedro Alonso Nino und Juan Niho, beide aus Moguer. Als einfacher Matrose nahm auch Juan Bermudez aus Palos, der spätere Entdecker der Bermudas -Inseln (1522), teil. Ferner finden wir unter den 90 Namen, die als Teilnehmer auf dem Grabmal des Fernando Colon in der Kathedrale zu Sevilla verzeichnet sind, einen Offizier der Krone, einen Notar als offiziellen Bericht- erstatter und einen Arzt und Naturforscher (Maestre Alonso, fisico de Moguer), über dessen Studien nichts bekannt geworden ist. Unter den mit Columbus Zurückgekehrten wird ausserdem ein getaufter Jude und Dolmetsch Namens Luis de Torres aufgezählt, dessen Sprach- kenntnisse offenbar in Asien Verwendung finden sollten. Nach der Liste, welche Duro giebt, starben auf Hispahiola der Küchenmeister vom königlichen Haushalt, Pedro Gutierrez, und der Schreiber der Flotte, Rodrigo de Escobedo. Mit Einschluss der Kommandierenden kehrten nach Spanien zurück : von der Santa Maria 17, von der Pinta 19, von der Nina 8, zusammen 44 Personen. Die auf Hispaniola unter dem Oberbefehl des Diego (Rodrigo) de Arana nebst zwei andern Offizieren verbleibende und später ermordete Be- satzung bestand aus 40 Personen und war grösstenteils, wenn nicht ausschliesslich, der Santa Maria entnommen. Das wären zusammen 89 Personen. Ueberblicken wir die einzelnen Listen, so ergiebt sich, dass mit der Pinta und Nina, also unter dem Befehl der beiden Pin- zon, fast nur Matrosen aus Palos und Moguer segelten, und wir er- kennen daran wohl den Einfluss und das Vertrauen, welche diese Brüder in ihrer Heimat genossen. Mit der Santa Maria dagegen fuhren vorwiegend sogenannte Landratten, Leute, die aus den ver- schiedensten Provinzen Spaniens zusammengewürfelt waren, wie sie uns namentlich das Verzeichnis der Zurückgebliebenen aufweist. Wir ~ £1 f 0 O u 00 09 ~ 2 3 lc ~ o i/> -. .— 03 - ~ 0J Q Erste Reise des Columbus. 51 dürfen annehmen, dass sie weniger die See und weniger Disziplin kannten, dass unter ihnen viele von sehr zweifelhaftem Rufe waren, Leute, die nichts zu verlieren hatten und auf Abenteuer ausgingen. Das grosste der Fahrzeuge, auf welchem Colon als Oberbefehls- haber (Capitan General) seine Flagge hisste, die Santa Maria, wurde von ihrem Eigentümer Juan de la Cosa als Maestre (Meister) und den Steuerleuten (Piloten) Pedro Alonso Nino und Sancho Ruiz geleitet, die schnellsegelnde Pinta dem Befehl von Martin Alonzo Pinzon unterstellt, mit seinem jüngsten Bruder Francisco Marti- nez als Steuermann. Auch war ihr Besitzer, ein Bürger von Palos, Namens Cristobal Quintero, an Bord. Die kleine Nina endlich wurde vom zweiten der drei Gebrüder Pinzon, Vincente Yanez, befehligt, mit Juan Nifo als Mastmeister und Bartolome Roldan aus Palos als Pilot1. Ende Juli war die Ausrüstung beendet und konnte der 3. August für die Abfahrt festgesetzt werden. Die gesammte Mannschaft begab sich Tags vorher in feierlicher Prozession nach der Räbida, um hier die Absolution zu empfangen und zu ihrem Unternehmen den gött- lichen Schutz und Segen zu erbitten. Columbus aber blieb die Nacht über im Gebet und Gespräch bei seinen Freunden, den Franziska- nern. Früh am nächsten Morgen verliess er in Begleitung des Priors Juan Perez das gastliche Kloster und wandte sich dem Hafen zu. Die ganze Bevölkerung von Palos hatte sich an's Ufer des Rio Tinto begeben, um die Ausfahrt der Schiffe mit anzusehen und den Schei- denden noch ein Lebewohl zuzuwinken. Vom Deck der Santa Maria aus gab Columbus mit mächtiger Stimme im Namen Jesu Christi (En nombre de Jesucristo) Befehl zum Lichten der Anker und His- sen der Segel. Die Caravellen setzten sich in Bewegung, und an 1 Vincente Yanez Pinzon und sein Neffe Arias, Sohn des Martin Alonso, rüsteten 1499 in Palos auf eigene Kosten — die Brüder hatten sich auf der Fahrt mit Co- lumbus, wie es heisst, sehr bereichert — vier Caravellen aus, um eine Entdeckungs- reise nach der Ostküste Südamerikas zu unternehmen. Es waren die ersten spanischen Seefahrer, welche die Linie (den Aequator) kreuzten (Januar 1500] und der brasilia- nischen Küste entlang bis zur Bucht von Rio de Janeiro gelangten. I5°7 gmg Vincente Yanez mit Juan Diaz de Solis nach der Mündung des Orinoco und er- forschte von hier aus die caraibische Küste. Eine neue Reise nach der Ostküste Südamerikas unternahm er 1509. Sie führte ihn südwärts bis zum 40. Parallel. — Vincente Yanez Pinzon war ein Mann von seemännischer Bildung und grosser Er- fahrung. König Ferdinand ehrte ihn durch Ernennung zum königlichen Lootsen, und Karl V, indem er ihn und seine Familie in den Adelsstand erhob. Der vor einigen Jahren verstorbene Admiral der spanischen Flotte, Don Luis II. Pinzon, war sein Nachkomme. 52 Erste Reise des Columbus. der vorgelagerten flachen Insel Saltes (der Herkules -Insel alter Schriftsteller) vorbei ging es über die Barre hinaus in die offene See. Das geschah Freitag den 3. August morgens um 8 Uhr. Die Seefahrt hatte durch den im 15. Jahrhundert allgemein ge- wordenen Gebrauch des Kompasses viel gewonnen. Vom Jahre 1480 ab, wo Martin Behaim nach Lissabon kam, war durch das von ihm erfundene Astrolab ein weiteres wichtiges Orientierungsmittel den Seefahrern verliehen worden, welches dieselben in den Stand setzte, auch auf offenem Meer genügend genaue Breitenbestimmungen vor- zunehmen. Ob aber Columbus der erste war, welcher auf dieser sonst so denkwürdigen Fahrt nach Breiten segelte, d. h. das Astro- lab benutzte, wie Antonio Galvano, der portugiesische Gouverneur von Ternäte, angiebt1, ist nicht erwiesen, ja sogar unwahrscheinlich. Jedenfalls überraschen seine Positionsangaben durch ihre grosse Un- genauigkeit. Mit Recht bemerkt Breusing in der Zeitschrift für wissen- schaftliche Geographie II, 193: „Im Tagebuch des Columbus findet sich während der ganzen Fahrt über den Ozean auch nicht eine einzige Breitenbestimmung, und die, welche er in Westindien ange- stellt haben will, sind so ungeheuerlich, dass sie schon seiner Zeit Verdacht erregten; er giebt z. B. an der Küste von Cuba eine Breite von 420, statt 2i°. Es lässt sich nicht abstreiten, dass Columbus einen sehr geringen Grad von wissenschaftlich -nautischen Kennt- nissen besass." Columbus schlug den Weg nach den Canarischen Inseln ein. Am 3. Tage traf ihn das erste Missgeschick, indem das Steuer der Pinta zerbrach. Man schrieb die Schuld dem Cristobal Quintero, Eigentümer des Schiffes, zu, der gern zurück wollte und Gomez Ras- con bestimmt haben soll, den Schaden herbeizuführen. Der Admiral vertraute dem Mut und der Erfindungsgabe des Alonso Pinzon und segelte wreiter. So erreichten die drei Caravellen am 7. August die Insel Lanzarote und zwei Tage später Gomera, wo ein längerer Auf- enthalt genommen, der Schaden der Pinta ausgebessert und weiterer Proviant eingenommen wurde. Erst am Samstag den 8. September setzte man die Reise fort, und zwar an Hierro (Ferro, der Eisen- insel) vorbei in westlicher Richtung zwischen dem 27. und 28. Pa- rallel, getrieben vom segelschwellenden Passatwind, immer weiter in das unbekannte Meer. 1 A. de Galvano: „The Discoveries of the World. u Londou, Hakluyt Society 1862. Die darauf bezügliche Stelle lautet dort im portugiesischen Original S. 82 folgendermassen : „E querem dizer algüs q'fossem os primeiros q'nauegassem por alturas." Erste Reise des Columbus. 53 Von jetzt ab führte der Admiral, wie er selbst angiebt, zweierlei Tagebücher, eins für sich, in welches er die wahre Länge der durch- segelten Strecken eintrug , und ein anderes , worin er die zurück- gelegten Wege kürzer angab, damit die Mannschaft durch die weite Entfernung von der Heimat nicht den Mut verlieren solle. . Am 14. September wurde diese durch die beobachtete Dekli- nation der Magnetnadel beunruhigt, obgleich solche schon seit 200 Jahren bekannt war; am 16. September traten die Schiffe ein in die Sargasso-See, die sie erst nach vierzehntägiger Fahrt wieder verlassen konnten. Das Sargassomeer hat seinen Namen von dem schwimmenden Beerentang (spanisch Sargazo) , mit welchem südwestlich der Azoren ein ansehnlicher Teil der Oberfläche des Atlantischen Ozeans zwi- schen 350 und 200 N übersät, ja zeit- und streckenweise dicht be- deckt ist, so dass der bekannte spanische Geschichtsschreiber Oviedo von Krautwiesen ipraderias de yerva) redet. Von den Tortugas- bänken, den Florida- und Bahamariffen , an denen diese „Golfalge" Sargassum natans L.) wächst, wird sie zur Zeit der Stürme in grossen Massen losgerissen und folgt dann in grösseren oder kleineren Bü- scheln, die bald einzeln treiben, bald zu Streifen aneinander gereiht sind, des Golfstroms Spur, und gelangt oft erst nach monatelangem Tanz auf den Wellen an entfernten Küsten zur Ruhe, oder sie erreicht das grosse Sammelbecken, das Sargassomeer, wo ihre Massen wie schwimmende Flosse erscheinen, von den Winden hin und her bewegt, wohl auch von der Aequatorialströmung erfasst, ihrer alten Heimat zugetrieben werden und dann den Kreislauf von neuem mitmachen. A. von Humboldt hat die irrige Meinung verbreitet, als vegetiere diese schwimmende Golfalge weiter und treibe neue Sprossen. Allein schon der Umstand, dass ihre schweren büschelförmigen Veräste- lungen mit ihren zahlreichen erbsenförmigen Luftblasen auf und in dem Wasser ruhen, die unteren Aeste aber nach oben gerichtet sind, widerspricht dieser Ansicht ebenso, wie die Farbe. Im lebenden Zu- stande ist die Golfalge olivengrün, abgestorben dagegen, wie sie auf dem Ocean treibt, gelblich oder rötlichbraun. Columbus spricht nach dem Erwähnten mit Recht von Felsgras, das von Westen komme. In Uebereinstimmung hiermit heisst es in der ersten Stanze des schönen Gedichtes „Seaweed" von Longfellow: ..When descends on the Atlantic The gigantic Stormwind of the equinox, Landward in his wrath he scourges 54 Erste Reise des Columbus. The toiling surges, Laden with sea-weed from the rocks." Die Besorgnisse, welche die fremdartige Erscheinung des Sar- gassomeeres gleich anfangs hervorrief, schwanden einige Tage später wieder, nachdem man gesehen hatte, dass die Schiffe ohne merk- lichen Widerstand hindurch segelten, namentlich aber, als man aus mehreren Anzeichen auf die Nähe von Land schloss. So sah der Admiral am 17. September einen weissen Rabo de junco oder Tropen- vogel, von dem er wusste, dass er nie auf dem Meere schlafe1. Am nächsten Tage eilte Martin Alonso Pinzon mit seiner schnellen Pinta den andern Schiffen voraus, einem Flug Vögel folgend, welcher sich nach Westen gewandt hatte, wo er deshalb Land vermutete. Auch an den folgenden Tagen wurden verschiedene Vögel beobachtet und die Hoffnungen auf nahes Land neu belebt; freilich ohne sich bald zu erfüllen. So sank denn gegen Ende der langen Fahrt durch dieses selt- same Sargassomeer den meisten Gefährten des Columbus der Mut. Sie fürchteten, einem sicheren Tode entgegengeführt zu werden, ver- langten Umkehr und waren schliesslich geneigt, diese zu erzwingen. Auch werden von Oviedo Martin Alonso Pinzon und seine Brüder beschuldigt, diese meuterische Stimmung geschürt zu haben, wiewohl die Briefe und Berichte des Admirals darüber schweigen. Nur das unwandelbare Vertrauen des letzteren auf den Schutz des Allmäch- tigen und das Gelingen seiner Sache, sowie sein beharrlicher Mut und stete Wachsamkeit halfen ihm über alle diese Schwierigkeiten und Gefahren hinweg2. 1 Es war dies die westindische Art vPhaeton aethereus L. , leicht erkennbar an den zwei langen weissen Schwanzfedern. Wahrscheinlich kam er von den Bermudas- inseln, wo er in Löchern der Steilküste nahe dem oberen Rand auch heute noch häufig nistet. 2 Dies war wenigstens die bisherige Auffassung von dem Verhalten der beiden hervorragendsten Männer dieses abenteuerlichen Unternehmens. Dagegen hat in neuester Zeit Cesäreo Fernändez Duro, der gründlichste spanische Forscher auf die- sem Gebiete , auf Grund unbestreitbarer Quellen , sowohl in seiner Schrift „Colon y Pinzon (Madrid 1883)," als auch neuerdings in einem am 23. November 1891 im Ateneo zu Madrid gehaltenen Vortrag über ..Primer viaje de Colon'' uns ein ganz anderes Bild von jenen Vorgängen entworfen. Hiernach wurde auch Columbus kleinmütig und war zur Umkehr geneigt, während Martin Alonso Pinzon zum zweitenmal das Unternehmen rettete. Duro lässt letzteren sagen: ...; Adelante! ;Adelante! Y si alguno se os insubordina, colgadio para escamiendo ! (Vorwärts ! vorwärts ! und wenn einer von euch den Gehorsam verweigert, so hänge ich ihn auf zum abschreckenden Bei- spiel !)" Das klingt ganz anders, wie die Sprache eines Aufwieglers und Meuterers, Erste Reise des Columbus. 55 Am 25. September glaubte Alonso Pinzon gen SW Land zu erblicken und teilte dies, freudig erregt, Columbus mit. Man änderte den Kurs nach SW, doch folgte der beglückenden Nachricht bald der Schmerz der Enttäuschung , als man fand , dass sich das ver- meintliche Land in Dunst auflöste. Indes mehrten sich mit dem Eintritt in den Oktober die Anzeichen, dass das Land nicht mehr fern sein könne. Man bemerkte Züge von See- und Landvögeln auf ihrer südlichen Wanderung und frische schwimmende Algen. Wenige Tage später trieben auch Landpflanzen, so namentlich ein Zweig mit grünen Blättern und roten Früchten, ferner ein Brett auf dem Wasser. Dazu kam, dass auch die See auffallend bewegt und die Wellen kürzer wurden, was ebenfalls auf die Nähe von Land hinwies. Kein Wunder, dass durch dies Alles im Verein mit einer köstlichen, balsamischen Luft Mut und Hoffnung der Abenteurer neubelebt und alle meuterischen Gedanken verscheucht wurden. Alonso Pinzon, welcher eine Karte von Toscanelli mit sich führte, hatte dem Admiral wiederholt geraten, seinen westlichen Kurs in einen südwestlichen umzuändern, damit sie Cipango (Japan) erreichen möchten. Am 7. Oktober gab Columbus diesem Wunsche nach, Hess bis zum 10. Oktober gen SW und dann gen WNW steuern. Am 11. Oktober gegen 10 Uhr abends gewahrte das ausspähende Auge des Admirals ein hin und her bewegtes Licht, das er sofort richtig als ein künstliches , von Menschenhand hervorgerufenes deu- tete, und das bald auch von andern, durch ihn aufmerksam gemacht, gesehen wurde. Nunmehr befahl er dem Matrosen im Mastkorbe, aufmerksam aus- und umzuschauen, erinnerte ihn auch an den von der Königin ausgesetzten Entdeckerlohn und versprach ihm dazu von sich aus noch eine seidene Jacke (Jubon de seda), wenn er mit Sicherheit Land melden würde. Auf der voraussegelnden Pinta erblickte der Matrose Juan Ro- drigo Bermejo von Molinos bei Sevilla1 am andern Morgen um 2 Uhr einen vom Mond beleuchteten flachen, sandigen Küstenstreifen. Durch einen Schuss aus einer Stutzflinte wurde das freudige Ereignis ver- kündigt. Dankerfüllt stimmte man auf den drei Caravellen das Te- deum an und begrüsste das ersehnte Land, eine Insel der Bahamas, wird aber verständlich, wenn man berücksichtigt, dass Pinzon an dem Gelingen des Unternehmens gleich Colon ein grosses materielles Interesse hatte und diesem an seemännischer Bildung und Erfahrung, sowie an kühnem Mut zjim mindesten nicht nachstand. 1 Nach andern Angaben war es Rodrigo de Triana (nicht der Vorstadt Triana bei Sevilla, sondern von Lepe mittewegs zwischen Huelva und Ayamonte). 56 Erste Reise des Columbus. welcher man bis auf zwei Seemeilen sich genähert hatte; dann Hess der Admiral alle Segel bis auf das grosse einziehen und bestimmte, dass das Tageslicht für die Landung abgewartet werden sollte. So wurde Freitag den 12. Oktober 1492 die neue Welt entdeckt, welche der Entdecker bis an sein Lebensende für den östlichsten Teil der alten ansah. Man betrat sie 33 Tage nach der Abfahrt von den Canaren und 6g, nachdem man Palos verlassen hatte. Aber nicht der Matrose von Molinos, welcher sie zuerst erblickte, sondern Columbus selbst erhielt den Preis, indem er, sei es aus Ehrgeiz oder Habsucht, darauf Anspruch machte, weil er das von Menschen her- rührende Licht zuerst gesehen habe. Bei Tagesanbruch begab sich Columbus mit den beiden Pinzon, welche die Pinta und Nina befehligten, an's Land, um davon für Spanien durch Aufhissen des spanischen Banners und unter sonstigen Formalitäten Besitz zu ergreifen. Alsbald sammelten sich viele harmlos neugierige und erstaunte Eingeborene um sie herum. Sie waren ganz nackt, offenbar arm, von kräftigem Wüchse und guter Haltung, hatten rabenschwarzes Haar und eine braune Hautfarbe, das Gesicht teilweise mit Erdfarben bemalt, auch wohl durch an der Nasenscheidewand befestigte Goldblättchen geschmückt. Columbus teilte Glasperlen, Nadeln und allerlei sonstigen Tand unter sie aus, auch kleine Schellen, worüber sie ganz besonders erfreut waren. Bald brachten sie allerlei Werkzeuge aus Holz, Knochen, Muscheln, auch Baumwollengarn und gezähmte Papageien zum Tausch herbei. Es zeigte sich, dass sie kein Eisen kannten und keine Waffen be- sassen. Der Admiral glaubte mit Recht, dass diese harmlosen, friedlichen Indianer durch Sanftmut und Ueberzeugung leichter zu lenken und für das Christentum zu gewinnen seien, als durch Ge- walt. Er hörte, dass die Insel Guanahani heisse, nannte sie aber selbst aus Dankbarkeit gegen Gott San Salvator (Heiliger Er- retter) . Am 13. Oktober bemerkt der Admiral in seinem Tagebuch: „Das Gold, das sie (die Indianer) in den Nasenlöchern tragen, findet sich auch1, aber ich lasse nicht darnach suchen, um keine Zeit zu verlieren; denn ich will sehen, ob ich nicht an der Insel Cipangu (Japan) landen kann." 1 Hierin irrte er sich; denn die Koralleninseln, wozu die Bahamas gehören, weisen keine Metalle auf. Offenbar hatte er aber keine Hoffnung, viel Gold zu fin- den, darum treibt es ihn weiter auf die Suche nach Cipangu. Wir sehen hier deut- lich, wie das von Marco Polo so gepriesene Goldland zu seinen Zielen gehörte. Erste Reise des Columbus. 57 So besuchte er denn bald darauf noch drei andere Inseln der Gruppe, welche er von Guanahani aus gesehen hatte, und nannte die erste nach seinem Schiffe Santa Maria de la Concepcion, die beiden andern aber nach den Herrschern, in deren Diensten er stand, Fernandina und Isabella. Wenige Jahre später wurden die gutmütigen, zutraulichen Natur- menschen dieser Inseln, wie die der ganzen Gruppe nach Cuba über- geführt, um entweder nach Perlen zu tauchen oder unter grausamer Behandlung die ungewohnten schweren Arbeiten in den Minen zu verrichten, denen sie bald alle erlagen. So kam es, dass die ganze Inselgruppe schon 14 Jahre nach ihrer Entdeckung menschen- leer war und von den Spaniern nicht mehr besucht wurde. Die Namen aber, welche Columbus den von ihm betretenen vier Inseln gab, sind auf diese Weise mit denen, welche sie bei ihren Bewohnern hatten, verloren gegangen, so dass man keine andern Anhaltspunkte zu ihrer Identifizierung hat, als die unzureichende Beschreibung des Entdeckers. Deshalb sind auch die Meinungen über das „wahre Guanahani" geteilt und nicht weniger als ein Dutzend Inseln dafür erklärt worden. W. Irving und A. von Humboldt bezeichneten Cat- Island als den ersten Landungsplatz der Spanier in der Neuen Welt; die Engländer nehmen aus triftigeren Gründen meist Watling- island dafür an. Varnhagen glaubte, es sei Mariguana darunter zu verstehen, während der amerikanische Kapitän Fox als einer der letzten, nach eingehenden Studien an Ort und Stelle, das kleine Samana für San Salvador hält. Nach ihm sind unter Santa Maria de la Concepcion Crook- und Acklin- Insel, unter Fernandina Long-Island und unter Isabella die Insel Fortune zu verstehen. Am 28. Oktober berührte Columbus die Insel Juana1 (Cuba), welche er offenbar schon lange vorher gesehen und für Cipangu (Japan) gehalten hatte, dann aber glaubt er, einen Teil des Fest- landes vor sich zu haben. Dementsprechend schreibt er in seinem Bericht an Luis de Santangel2: „Als ich Juana (Cuba) erreichte, folgte ich ihrer Küste westwärts und fand sie so gross, dass ich dachte, es müsse Festland sein, die Provinz Cathayo (China), und da ich weder Städte noch Dörfer an der Küste fand, sondern nur einige kleine Ansiedelungen, mit deren Bewohnern ich mich nicht verständigen konnte, weil sie alsbald flohen, blieb ich auf demselben Wege, indem ich dachte, dass verschiedene Städte (Ciudades 6 villas) 1 Benannt nach der Tochter der Katholischen Könige. 2 Derselbe war Kanzler der Intendantur für die Krone von Aragon und gehörte zu seinen Gönnern. 58 Erste Reise des Columbus. nicht verfehlt werden könnten. Endlich aber, nachdem ich so viele Meilen gesegelt war, ohne etwas Neues zu finden, und da die Küste nordwärts führte, was ich vermeiden wollte, da der Winter heran- nahte, beschloss ich umzukehren nach einem Ankerplatze, den ich mir gemerkt hatte." Die Spanier nannten denselben Puerto de Mares. Man sieht aus Vorstehendem, wie sehr sich Columbus von den Berichten Marco Polo's leiten Hess. Erst glaubt er Cipangu in den Bahamas gefunden zu haben, dann in Cuba. Hier macht ihn die Grösse des Landes wieder irre, er hält es für China, sucht nach den von Marco Polo geschilderten grossen Hafenstädten vergeblich, hört zuletzt, dass es eine Insel sei, und wird von neuem stutzig. In Puerto de Mares brachten die Eingeborenen, wie auf Guana- hani, Baumwolle und andere Kleinigkeiten als Geschenke. Der Ad- miral befahl jedoch, „nichts davon zu nehmen, damit sie merken sollten, er suche nichts als Gold," das sie nucay nannten. An einer andern, von Las Casas mitgeteilten Stelle des Tagebuchs, welche sich ebenfalls auf diesen Aufenthalt bezieht, sagt der Admiral : ..Ich habe Keinen (von den Indianern) beten sehen , aber sie sagen das Salve und Ave Maria sehr deutlich mit zum Himmel erhobenen Händen und dabei machen sie das Zeichen des Kreuzes." Offenbar betrachtete er diese gedankenlose Nachahmung der Spanier als einen schönen Anfang für die Bekehrung zum Christentum. Von seinem Ankerplatze aus sandte Columbus den Judenchristen Torres und einen andern Spanier mit zwei Indianern als Kund- schafter in das Landesinnere. Torres wurde ausgewählt, weil er ausser Hebräisch auch Arabisch und Chaldäisch verstand und man hoffte, er werde im Reiche des Gross-Chan's (Kublai Chan s) sich leichter verständigen können. Nach drei Tagen kehrten sie zurück und berichteten, dass sie zahlreiche Weiler, aber keine Stadt, noch ein geordnetes Staatswesen gefunden hätten. Die Eingeborenen waren ihnen überall wohlgesinnt und freundlich entgegengekommen, voll Verwunderung über ihre seltsame Erscheinung. Von besonderem Interesse ist, was sie über das Tabakrauchen berichteten. Es waren ihnen viele Männer und Frauen begegnet, „welche alle eine glühende Kohle in der Hand trugen, die von wohl- riechenden Kräutern unterhalten wurde. Es waren dies zusammen- gerollte , trockne Blätter , umhüllt von einem breiten , gleichfalls trocknen Blatt, zu einer Art kleiner Muskete oder Patrone, wie deren sich die spanischen Kinder zu Pfingsten bedienen. Am einen Ende waren sie angezündet, am andern sogen und tranken die Leute ge- wissermassen den Rauch. Sie werden dadurch gleichsam berauscht Erste Reise des Columbus. 59 und eingeschläfert, zugleich aber anderseits vor Müdigkeit geschützt. Man nannte diese kleinen Krautrollen Tabacos." Las Casas fügt dieser Erzählung hinzu : „Ich kenne Spanier, welche es nachahmten, und wenn ich ihnen diese barbarische Sitte verwies, antworteten sie, es stehe nicht in ihrer Macht, sich diesem Genüsse wieder zu ent- ziehen. Was sie davon für Gewinn haben, weiss ich nicht." Inzwischen hatte Colon gehört, dass Juana eine Insel sei ; er hatte nach Cipango gefragt, dem Goldlande. Man hatte das Wort verwechselt mit Cibao (dem goldreichen Gebiet von Hispaniola) und nach Westen gezeigt, wohin Pinzon mit der Pinta schon vorher gegen den Wunsch des Admirals gesteuert war. Er folgte deshalb nunmehr ebenfalls der Nordküste weiter ostwärts bis zu ihrem Ende im Cap Mayci und erblickte östlich davon ein neues Land (6. Dezember 1492), zu dem er sich nunmehr wandte. Es war die Insel Haiti, und da ihn manches an Spanien erinnerte, so gab er ihr den Namen Espaf ola (Hispaniola) oder Kleinspanien. Auch hier segelte er der Nordküste entlang eine geraume Strecke nach Osten, landete hier und da, be- obachtete die Natur des Landes und seine Bewohner, wurde entzückt von der Schönheit der Berge und der Vegetation, dem sorgfältigen Anbau und vielem Andern ; doch reizt ihn auch hier das Gold mehr als alles Uebrige. Er hört, dass dasselbe in Menge im Innern, im Gebiet von Cibao vorkomme, verhört sich und meint nun fest, in Cipango zu sein. Schon sieht er in seiner lebhaften Phantasie den Goldreichtum, welchen Marco Polo so gepriesen, Pflaster und Dächer des Schlosses von Gold, und auch hier, um den Golddurst zu löschen, soll Gott ihm helfen. „Möge der Herr nach seiner Barmherzigkeit mir helfen, dass ich dieses Gold, d. h. diese Goldminen finde." In der Schilderung, welche Columbus von Hispaniola später in seinem Briefe an Luis de Santangel machte, heisst es: „Die Insel ist ausserordentlich gross und fruchtbar. Es giebt in ihr viele Häfen, mit denen keiner, den ich im Christentum kenne, den Vergleich aus- halten kann, so gut und geräumig, dass es ein Wunder ist zu sehen. Das Land ist hoch, und es giebt viele erhabene Berge, mit denen die Insel Tenerife nicht verglichen werden kann. Sie sind alle sehr schön, von tausenderlei Gestalt, alle erreichbar und mit Bäumen von tausend Arten bedeckt und von solcher Höhe, dass sie den Himmel zu erreichen scheinen. — Man hat mir gesagt, dass diese Bäume nie ihr Laub verlieren, und ich kann das wohl verstehen, denn ich bemerkte, dass sie noch so grün und glänzend waren wie in Spa- nien im Monat Mai. Ein Teil war in Blüte, andere trugen Frucht, und noch andere verhielten sich wieder anders, je nach ihrer Natur. 6o Erste Reise des Columbus. Die Nachtigal (wohl der Spottvogel, Orpheus polyglottus) sang gleich andern Vögeln von tausend verschiedenen Arten, und das im No- vember, dem Monat, in welchem ich selbst mich unter ihnen be- wegte. — Es giebt 6 — 8 Arten Palmen, wunderbar in ihrer verschie- denen Gestalt; aber das ist der Fall mit allen andern Bäumen, Früchten und Kräutern. Es giebt wunderbare Nadelwälder (pinares ä maravilla) und sehr grosse Felder. Es giebt auch Honig und eine grosse Verschiedenheit von Vögeln und Früchten. Im Innern sind viele Erzgruben und eine unzählige Bevölkerung. Hispaniola ist ein Wunder. (La Spafola es maranilla.) Seine Berge und Ebenen und Wiesen und Felder sind so schön und reich zum Pflanzen und Säen und zur Viehzucht und zur Gründung von Städten und Dörfern. Die Häfen an der Küste und die Zahl und Grösse und Gesundheit der Flüsse, von denen die meisten Gold führen, übertreffen alles, was derjenige glauben würde, der es nicht gesehen hat. Es ist eine grosse Verschiedenheit zwischen den Bäumen, Früchten und Kräutern dieser Insel und denjenigen von Juana. In dieser giebt es viele Ge- würze und ausgedehnte Goldminen und von andern Metallen1. Im weiteren Verlauf seines Berichtes hebt der Admiral hervor, dass auch hier beide Geschlechter vollständig oder fast ganz nackt einhergingen, weder Eisen, noch Stahl, noch Waffen hatten, sehr furchtsam waren, bald aber zutraulich wurden. Bereitwilligst gaben sie alles, was sie an Gold und sonst besassen, oft gegen gering- fügige oder selbst wertlose Gegenstände, wie zerbrochene Gläser, Topfscherben, Riemenstücke und dergleichen. Columbus verbot je- doch derartige betrügerische Geschäfte. Sein Streben war, durch Gerechtigkeit und freundliches Wesen das Vertrauen der kindlich harmlosen Eingeborenen zu gewinnen und sie dadurch leichter dem Christentum und der spanischen Herrschaft zuzuführen. Auffallend ist seine Leichtgläubigkeit. La Espafiola hielt er für umfangreicher als Spanien. Er glaubt den Berichten von einer Insel, die nur von Amazonen bewohnt sei, von einer andern, wo die Menschen keinen Haarwuchs hätten, von einer Provinz, in welcher sie beschwänzt seien, und anderes mehr. Nachdem der Admiral noch die kleine Insel Tortuga, die Schild- kröteninsel, auf der Nordwestseite von Haiti entdeckt und näher 1 Der in diesem Bericht gegebenen Stilprobe des Columbus Hessen sich sehr viele, noch weit auffälligere anreihen, zum Beweise, dass derselbe nicht der mathe- matisch und logisch auf der Universität Pisa geschulte Kopf war, für den man ihn vielfach ausgegeben hat. Zu Rein, Gesammelte Abhandlungen, I. S. 60. Bemerkungen zu der Schriftprobe. Umstehendes ist die Facsimile -Wiedergabe vom Anfang und Schluss eines Briefes des Christoph Columbus (abgedruckt in den »Cartas de Indias«, Madrid 1877) an die Katholischen Könige Fer- dinand von Aragonien und Isabella von Castilien. Der Brief handelt von der Insel Hispaniola, sowie von andern entdeckten oder noch zu entdeckenden Inseln. Die eigentümliche Unterschrift kehrt auf allen Briefen des grossen Entdeckers wieder und hat verschiedene Deu- tungen erfahren. Namentlich gilt dies von den vier ersten Buch- staben. Wir geben diejenige wieder, welche uns am annehmbarsten scheint. S. S. A. S. X. M. Y. Xpo Ferens (Servidor de Sus Altezas Sacras Jesus, Maria, Yosef Cristoforo Ferens). Wie in vielen seiner Schriften, so zeigt Columbus auch in seiner Unterschrift mit den symbolischen Zeichen seine Neigung zur Mystik. Mit Cristoforo weist er auf seinen Namensheiligen Christophorus hin. Ni i &% % Urtext. Muy alt os y poderosos Senores: Obedesciendo lo que vuestras altecas me mandaron, dire lo que nie ccurre para la poblacion y negociacion asy de la Ysla Espanola, conto de las otras asy halladas conto por hallar, somctiendonie ä mejor parescer. Printer am e?ite •, para en lo de la Ysla Espanola, que vayan hasta en nümero de dos mill vecinos, los que quisieren yr por que la tierra este ntäs segura y se puede mejor grangear e tratar, y servird para que se puedan rebolver y traten las yslas comarcanas . — Yten, que en la dicha ysla se hagan tres o cuatro pueblos en la die ha eibdad, ä quien los maestros manifiesten todo lo que traen y mue streu la fe de lo que ovieren cargado , para que se pueda ver e requerir sy los die/tos navios traen cosa alguna eneubierta e non mani- festada al tiempo del cargar. Yteu, que en presencia de la justicia de la dicha eibdad de Cadiz e de quien fuere para ello deputado por vuestras altezas , se aya de abrir cl arca en que se traxere el dicho oro , y dar ä cada uno lo suyo. — Vuestras altecas me ayan por encomendado, y que do rogando ä Nuestro Seuor Dios por las vidas de vuestras altezas y acrescenta- miento de muy mayores estados. — Uebersetzung. Sehr hohe und mächtige Herren: Gehorchend dem, was Eure Hoheiten mir aufgetragen, werde ich sagen, was mir gut dünkt in Bezug auf die Bevölkerung und Bewirt- schaftung, sowohl der Insel Espanola, wie auch der andern bereits entdeckten, wie der noch zu entdeckenden Inseln, indem ich mich einer besseren Ansicht unterwerfe. Erstlich, in Bezug auf die Insel Espanola, dass dahin gehen bis zur Zahl von zweitausend Bürgern, diejenigen, welche Lust haben hinzugehen, weil das Land sehr sicher ist und man es besser bebauen und dort handeln kann und es dazu dienen wird, dass man zurück- kehren und mit den benachbarten Inseln verkehren kann. — Ferner, dass auf der besagten Insel sich anlegen lassen drei oder vier Ortschaften. In der genannten Stadt, dem die Herren alles kund geben und die Urkunde zeigen über das, was sie geladen hatten, damit man sehen und untersuchen kann, ob die genannten Schiffe irgend etwas Verdecktes oder nicht zur Zeit der Ladung Kundgegebenes haben. Ferner, dass man in Gegenwart des Richters der genannten Stadt Cadiz und dessen, der durch Euere Hoheit dazu abgeordnet worden, die Kiste öffne, in der sich das besagte Gold befindet, und Jedem das seine gebe. — Euere Hoheiten wollen mir den Auftrag geben, und ich verbleibe, indem ich Gott für das Leben Euerer Hoheiten und das Wachstum grösserer Staaten bitte. — Erste Reise des Columbus. 6i untersucht hatte, scheiterte sein Schiff in der Weihnachtsnacht in der Nähe von Cap Haitien (Guarico) , so dass er auf die Nina über- siedeln musste. Die Pinta war nicht zur Verfügung. Während Colon an der Nordküste von Cuba vor Anker lag, hatte er von Indianern die Nachricht erhalten, dass auf einer Insel Babek oder Babeque (Hispaniola) weiter ostwärts viel Gold zu finden sei. Dies und ein bereits bestehendes Zerwürfnis hatten Martin Alonso Pinzon und seinen Bruder Francisco Martinez veranlasst, dem Wunsch und aus- drücklichen Befehl des Admirals entgegen, sich mit der Pinta zu entfernen und ihre eigenen Wege zu gehen, um mit Hülfe einiger Indianer an Bord ihren Golddurst zu befriedigen. So entdeckten sie Haiti vor Columbus. Am 6. Januar, also schon nach dem Schiff- bruch der Santa Maria, stiessen sie wieder zu Columbus, der in seiner Lage gute Miene zum bösen Spiel machen musste, ohne da- mit eine Aussöhnung zu bewirken. Vierzehn Tage später entfernte sich Pinzon mit der Pinta von neuem, um die Nachricht von der grossen Entdeckung vor dem Admiral nach Spanien zu bringen1. Widrige Winde verschlugen ihn an die Küste von Galicien. Von hier gelangte M. A. Pinzon mit seinen Gefährten noch vor Colon nach Palos. Auf sein Gesuch an die Könige um Erlaubnis, an den Hof kommen und Bericht abstatten zu dürfen, erhielt er die Ant- wort, er habe im Gefolge des Admirals zu erscheinen. Darüber tief gekränkt, starb er bald nachher, ohne an den Ehren teilzunehmen, welche Columbus bereitet wurden. Columbus hatte auf der Nordwestseite von Hispaniola, dem Ge- biete des Häuptlings oder Kaziken Guacamari, mit dem er Freund- schaft schloss, einen guten Hafen gefunden. Er hielt denselben für günstig gelegen, sowohl um von ihm aus später die Goldbergwerke im Innern zu bearbeiten, als auch um mit Catayo, dem Land des grossen Khans, einen gewinnreichen Handel anzuknüpfen. Diesen Hafen nannte er mit Rücksicht auf den Weihnachtstag Puerto de la Nävi da d, Hafen der Geburt. Da er seine schiffbrüchigen Be- gleiter von der Santa Maria auf der Nina nicht alle unterbringen konnte, so errichtete er mit Zustimmung von Guacamari bei Navidad ein hölzernes Fort. Zur Besatzung meldeten sich freiwillig 40 Mann, die er unter den Befehl des Diego (Rodrigo) de Arana, eines Onkels der Beatriz, und zweier andern Offiziere stellte. Nach seiner An- sicht reichte diese Mannschaft vollkommen aus, um sich bis zu seiner 1 Das ist die gewöhnliche Auffassung, wie man sie bisher nach Columbus" An- gaben hatte, wiewohl letztere nicht überall glaubwürdig sind. 6z Erste Reise des Columbus. Rückkehr aus Spanien zu halten, selbst wenn die wehrlose Bevölke- rung ihren friedlichen Charakter ablegen sollte. Ueberdies hatte ihm der Kazike vor und nach dem Schiffbruch so viele Beweise seiner freundschaftlichen Gesinnung gegeben, dass er dessen wohlwollendem Verhalten auch nach seiner Abreise vertrauen durfte. Nachdem er dem Kommandanten Arana noch die nötigen Ver- haltungsmassregeln gegeben hatte, darunter insbesondere die, bis zu seiner Rückkehr aus Spanien so viel Gold anzusammeln als möglich, und dasselbe zur grösseren Sicherheit zu vergraben, verabschiedete er sich am 4. Januar 1493, um in der Nina die Heimreise anzutreten. Zunächst segelte er an der Nordseite von Haiti bis Cap Samana hin. Hierauf unternahm er ein vergebliches Suchen nach der Amazonen- insel Matenino, von der er gehört hatte, und schlug dann den Weg nach den Canaren ein. Während der ersten vierzehn Tage beglei- tete ihn Pinzon mit der Pinta, welche am 6. Januar wieder zu ihm gestossen war, dann aber sich von neuem von der Nifia trennte. Das stürmische Wetter, welches die Fahrt erschwerte, brachte beiden Caravellen grosse Gefahren, namentlich auch deshalb, weil sie nicht genug Ballast eingenommen hatten; insbesondere war dies bei der Nina der Fall, welche ausserdem so viel Wasser zog, dass man nur mit grosser Mühe dasselbe immer wieder entfernen konnte. Ermüdet von den vielen langen Nachtwachen und grossen Sorgen und An- strengungen, wurde selbst der Admiral von Kleinmut und Todes- bangen befallen. Er dachte an seine beiden Söhne in Cördoba, sowie daran, dass beim Untergang der Nina alles verloren sei und niemand von seinen grossen Entdeckungen etwas erfahren werde. Deshalb schrieb er einen Bericht über dieselbe auf Pergamentpapier, hüllte ihn sorgfältig in anderes, das er mit Wachs überzog, ein und legte das Paket in ein leeres Fass, welches er den Wellen übergab, in der Hoffnung, dass sie es an Europas Gestade tragen möchten. Die grosse Gefahr, in der man tagelang schwebte, war jeder- mann an Bord klar; jeder that sein besonderes Gelübde, und ausser- dem beschloss man, im Falle der Rettung und glücklichen Landung sofort im Büssergewande , d. h. nur mit einem Hemde bekleidet, eine feierliche Prozession nach der nächsten Kirche oder Kapelle zu veranstalten. Statt nach den Canaren gelangte die Nina unter heftigen Stür- men nach den Azoren. Man landete am 15. Februar auf Santa Maria, am 28. Februar auf San Miguel und fand an beiden Orten die portugiesischen Behörden sehr unfreundlich, ja sogar feindlich gesinnt. Unter mancherlei weiteren Misshelligkeiten erreichte die Erste Reise des Columbus. 63 Nina am 4. März 1493 mit zerrissenen Segeln und andern Schäden die portugiesische Stadt Cascaes an der Mündung des Tejo. Von hier sandte der Admiral einen Brief an den König von Portugal, worauf ihn dieser zu sich nach Valparaiso bei Santarem (in Lissa- bon herrschte die Pest) einlud. Columbus wurde mit grosser Zu- vorkommenheit behandelt; doch lehnte er das Anerbieten einer möglichst bequemen Landreise nach Spanien ab und kehrte zu sei- nem Schiff zurück. Man kennt die Beweggründe nicht, welche ihn zu jenem un- klugen Brief und Besuch geführt haben. Wohl war König Johann II Schwiegersohn der spanischen Herrscher, aber dieses Verwandtschafts- verhältnis der Höfe hatte die Sympathien der beiden Nachbarvölker für einander nicht vermehrt. Auch hätte das feindselige Verhalten der portugiesischen Behörden auf den Azoren dem Admiral dies ge- nügend bezeugen können. Der Aufenthalt in Portugal verzögerte die Rückkehr nach Spa- nien, wonach sich die Gefährten des Admirals sehnten, und verletzte den spanischen Nationalstolz, wenn dies auch zunächst nicht zu- tage trat. Am 13. März verliess Columbus mit seinen Begleitern auf der Nira Cascaes unter günstigem Winde und lief zwei Tage später um die Mittagszeit mit der rückkehrenden Flut über die Barre bei Saltes in das Aestuarium des Rio Tinto ein, wo er vor Palos Anker warf. Das war Freitag den 15. März. An einem Freitag war er auch ab- gesegelt, und wiederum an einem Freitag hatte er die Neue Welt entdeckt. Columbus hielt sie bis an sein Lebensende für einen Teil Ost- asiens und Indiens, und da er sie auf westlicher Fahrt aufgefunden hatte, so nannte man sie nach seinem Vorgang „Indien", später „Westindien". Uebereinstimmend mit dieser Auffassung und seinem Vertrag führte er von nun an gewöhnlich den Titel „Don Cristobal Colon, Virey y Almirante de las Indias" (Christoph Columbus, Vize- könig und Admiral Indiens) . Gleich nach seiner Ankunft in Palos sandte der Admiral einen Boten mit einem Briefe an seinen Gönner, den Schatzmeister der Krone von Aragonien, Luis de Santangel, ab, worin er diesen bat, den beigefügten ausführlichen Bericht über seine Reise und Ent- deckungen den Königen Ferdinand und Isabella, welche damals in Barcelona residierten, zu überreichen. Er selbst begab sich 14 Tage darauf auf dem Landwege ebenfalls dorthin. Ueberall, wo er er- schien, wurde er mit grossen Ehren empfangen. Sein Einzug in 64 Erste Reise des Columbüs. Andalusiens Metropole Sevilla glich einem Triumphzuge, und der Empfang, welchen ihm der Hof in Barcelona bereitete, stand dem- selben an Pomp- und Prachtentfaltung nicht nach. Die Könige bestätigten Columbüs alle ihm durch Vertrag zuge- sicherten Rechte und Titel und Hessen es an neuen Gnadenbeweisen nicht fehlen. In einer darauf bezüglichen Verordnung heisst es: „weil wir wollen, dass der Admiral Indiens geehrt und geächtet werde, wie es sich gebührt, nach dem Rang, den wir ihm verliehen haben." Zu den besonderen Auszeichnungen gehörte: i. Der Titel Don, damals nur auf Adelige angewandt, wurde nicht bloss ihm und seinen Nachkommen, sondern auch seinen Brü- dern zuerkannt. Columbüs war darauf nicht wenig stolz. 2. Das Recht, an der Seite des Königs reiten zu dürfen. 3. An der Königlichen Tafel gleich den andern Granden des Reichs bedient, 4. bei Staatsangelegenheiten in derselben Weise begrüsst zu werden. 5. Das ihm durch Patent vom 20. Mai 1493 verliehene Wappen. Es besteht aus vier Feldern und trägt in den beiden oberen die Embleme von Castilien und Leon, nämlich rechts ein goldenes Schloss (Castillo) auf rotem, links einen purpurnen Löwen (Leon) auf weissem Grunde. Von den beiden unteren Feldern zeigt das- jenige rechter Hand eine Anzahl vergoldeter Inseln in Meereswogen, das andere sollte das Wappenschild seiner Familie enthalten. Da es aber ein solches nicht gab, so wurden dafür fünf goldene Anker auf blauem Grunde gesetzt. Hierzu kam dann der bekannte Wahlspruch f „Por Castilla e por Leon Nuevo mundo hallo Colon." (Für Castilien und für Leon Fand eine neue Welt Colon.) oder wie eine andere Form lautet: ,.A Castilla e a Leon Nuevo mundo dio Colon/* (An Castilien und an Leon Gab eine neue Welt Colon.; Man hat aus Wappen und Devise des Entdeckers der Neuen Welt mit Recht geschlossen, dass sich für sein Unternehmen nur die Königin Isabella und nicht auch ihr Gemahl Ferdinand inter- essierte, und eine Bestätigung dieser Ansicht auch darin gefunden, Erste Reise des Columbus. 65 dass alle Unterstützungen, welche Columbus vor und zu seiner ersten Reise gewährt wurden, aus der Kasse der Krone von Castilien und Leon kamen. Seinen Berichten hörte Hoch und Niedrig mit Staunen und leb- haftem Interesse zu. Besser als mit der Feder, verstand er es. mit dem Munde seiner Begeisterung für die entdeckten Länder Ausdruck zu geben, die Schönheiten und Ueppigkeit der Natur, ihren Reich- tum an mancherlei wertvollen Erzeugnissen, ihre eigenartigen Be- wohner und endlich auch die gefahrvolle Rückfahrt auf der durch Stürme entfesselten See zu schildern. Bei dieser Schilderung unter- liess er es nicht, durch Uebertreibung der Reichtümer, zumal an Gold, die Habsucht anzustacheln und anderseits das ganze Unter- nehmen und weitere Expeditionen als gottgefällige Werke darzustellen, zu denen Gott die Katholischen Könige ebenso berufen habe, wie zur Austreibung der Mauren und Juden. Auch versäumte Columbus nichts, was das Gefallen der Spanier an pomphaften Aufzügen befriedigen konnte. Dabei spielten natür- lich die sechs mitgebrachten Eingeborenen, Papageien und mancherlei andere Produkte Westindiens eine hervorragende Rolle. -ö' Die Teilung der Erde durch Papst Alexander VI. Die Nachricht von der grossen Entdeckung verbreitete sich rasch und spornte die seefahrenden Nationen Westeuropas, vor allem aber die Spanier selbst zu weiteren Unternehmungen mächtig an. Bei den portugiesischen Nachbarn rief sie aber ausserdem neben Eifer- sucht auch die Befürchtung hervor, es möchten dadurch ihre eigenen Errungenschaften und Bestrebungen längs der Westküste Afrikas in Gefahr kommen oder vereitelt werden ; denn noch waren die Vor- stellungen von der Tragweite der spanischen Entdeckungen und der Lage des neuen Landes bei Columbus selbst und vielmehr bei seinen Zeitgenossen sehr unklar und verworren. Auch hat Columbus den Interessenten keine Karte geliefert, noch Positionsbestimmungen ge- geben, mit deren Hülfe sie sich hätten besser orientieren können. Durch päpstliche Bullen aus den Jahren 1452, 54 und 55 war Portugal das alleinige Recht der Erschliessung Westafrikas und der Herrschaft darüber zuerkannt worden. In gleicher Weise, wie da- mals dieses, so beeilte sich nun Spanien nach der Rückkehr seines Admirals, sich mit den von diesem entdeckten Ländern vom Papste belehnen, zu lassen. Alexander VI (Borgia), selbst Spanier, ging bereitwilligst auf die Wünsche ein und erkannte schon am 3. Mai 1493 Rein, Gesammelte Abhandlungen. c 66 Erste Reise des Columbus. Isabella und Ferdinand als rechtmässige Herren des neuen Landes an. Um aber Feindseligkeiten zwischen den beiden Nachbarn zu verhüten und Portugal nicht zu verletzen, erliess er schon am fol- genden Tage (4. Mai 1493) eine Bulle zur Abgrenzung der Interessen- sphären (wie man jetzt sagen würde) beider Länder. Die päpstliche Demarkationslinie fauch Deliminations- linie oder Linie der Repartition genannt), ein Meridian von Pol zu Pol, sollte hiernach 100 leguas gegen Westen und Süden von den Azoren und Cap Verden beginnen1. Das ist der wichtigste und zu- gleich der unklarste Satz in jenem sonderbaren Erlass aus damaliger päpstlicher Machtvollkommenheit, durch welchen die Erde wie ein Apfel geteilt und Portugal alle heidnischen Länder der Osthälfte, Spanien die der Westhälfte zugewiesen wurden und keine Macht der andern ins Gehege kommen sollte. Der Ausdruck „hundert leguas gegen Westen und Süden" be- zieht sich auf die mittelalterlichen Segelanweisungen. Er bedeutet, dass man so weit gen Südwesten segeln sollte , bis nach beiden Richtungen 100 leguas gutgemacht, d. h. bis das Schiff' einen Punkt erreicht hätte, der sowohl 100 leguas südlich, als auch 100 leguas westlich vom Ausgangsorte liege. Wäre nun für letzteren ein be- stimmter Hafen gesetzt worden, so hätte man sich mit der Angabe leicht zurecht finden können. Statt dessen lässt aber die Bulle zwi- schen zwei Inselgruppen die Wahl, zwischen Inseln, deren Lage nach Länge und Breite sehr verschieden ist. Sie erscheint dadurch un- begreiflich confus und ganz unbrauchbar. Hierzu kam, dass Portugal durch diese päpstliche Verfügung sich Spanien gegenüber in hohem Grade benachteiligt glaubte. Es regte deshalb Verhandlungen mit seinem Nachbar an, die am 7. Juni 1494 zum Vertrag von Tordesillas2 führten, durch welchen beide Interessenten die päpstlichen Bestimmungen dahin abänderten, dass die Capverden (San Antonio, die westlichste derselben) zum Ausgang der Zählung genommen und die Demarkationslinie nicht 100, sondern 370 leguas von hier gezogen werden sollte. Diese neue Weltver- teilung zwischen Portugal und Spanien erhielt am 25. Januar 1506 die päpstliche Bestätigung. 1 „Quae linea distet a qualibet insularum, quae vulgariter nuncupantur de los Azores et Cabo Verde, centum leucis versus occidentem et meridiem,'" heisst es in jener Bulle. 2 Tordesillas, eine kleine Bezirkshauptstadt der spanischen Provinz Valla- dolid, liegt am rechten Ufer des Duero. Erste Reise des Columbus. 67 Da eine Legua oder spanische Meile damals 5914 m betrug und die capverdische Insel San Antonio unter 200 34' westlich von Green- wich liegt, so berechnet sich hiernach die Lage der neuen Teilungs- linie auf 46 ° W. Gr. Dieser Meridian teilt Grönland in zwei nahezu gleiche Teile; er trifft Brasilien von N her zwischen den Mündun- gen des Rio Parä und Gurupi und verlässt es in der Nähe von Santos wieder. Demnach weist er den von Hojeda 1499, von Vincente Yarez Pinzon im Januar und von Cabral im März 1500 entdeckten östlichen Teil Brasiliens Portugal zu. Auf der Osthemisphäre fällt die Demarkationslinie mit i34°O.Gr. zusammen, halbiert Australien, geht durch Neu -Guinea, weist den ganzen Malayischen Archipel mit Einschluss der Philippinen in das Bereich der portugiesischen Rechte und Interessen und berührt erst in Japan asiatisches Gebiet. Allein diese Sachlage wurde im 16. Jahrhundert von keiner Seite richtig erkannt. Neue Schwierigkeiten bot die Längenbestimmung, denn es gab damals weder Chronometer, noch Telegraphen, mit deren Hülfe man sie leicht hätte bewerkstelligen können. Die astronomischen Berech- nungen erfordern aber trotz verbesserter Instrumente auch jetzt noch viel Mühe und Sorgfalt. Für die Breitenbestimmung hatte man gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts neben dem Astrolab auch den Quadrant, welchen später der Spiegel -Sextant verdrängte. So ist denn der Ausspruch Fernando Colon's , den Navarrete anführt, durchaus begründet, nämlich dass „die Grade von Norden nach Süden zu messen leicht sei, von Osten nach Westen dagegen schwer1." Die damaligen Hülfsmittel zur Längenbestimmung waren durchaus unzureichend und blieben es, bis das Chronometer erfunden wurde (17 13). So erklären sich die falschen Längenangaben auf allen Karten des 16. und 17. Jahrhunderts. Zur Zeit der grossen Entdeckungen verlegte man die östliche Demarkationslinie (1340 O. Gr.) in das Delta des Ganges und Brama- putra. Auf diesem Irrtum und dem Vertrag von Tordesillas beruhen mehrere Beschlüsse und Ereignisse von grosser Bedeutung. Als solche mögen hier nur das Abkommen Portugals mit Spanien wegen der Molukken und die erste Weltumsegelung eine kurze Erwähnung finden. Während der Belagerung von Malacca durch den berühmten 1 „Medir los grados de setentrion en austro es facil, de Oriente en occidente diffidl." Navarrete, Colleccion. Band N. S. 336. 5* 68 Erste Reise des Columbus. Albuquerque (151 1) erfuhr der portugiesische Kapitän Ferdinand Magellan (Fernäo de Magelhäens) von einem gewissen Serrano, dass die Maluco (Molukken) nicht im portugiesischen, sondern im spa- nischen Interessengebiet lägen. Als er nun von seinem König nach der Einnahme jener Stadt keine seinen Verdiensten entsprechende Belohnung erhielt, beschloss er, sich zu rächen, und ging (vom Teufel getrieben, wie sein Landsmann, der Geschichtsschreiber Barros, sich ausdrückt) nach Sevilla, wo er vor dem Indischen Amte, sowie in einer Eingabe an Karl V, der in Valladolid residierte, seinen Plan entwickelte, auf westlicher Fahrt und ohne die portugiesische Erd- hälfte zu berühren, nach den Molukken zu kommen, die von rechts- wegen zu Spanien gehörten. Die Gewürze der Molukken waren aber damals ein vielbegehrter Artikel. Magellan wusste den spanischen König von der Rechtmässigkeit und Ausführbarkeit seines Planes zu überzeugen, erhielt fünf Schiffe und machte jene denkwürdige Fahrt. die erste Weltumsegelung, auf welcher er die Philippinen entdeckte und für Spanien in Besitz nahm, und seine spanischen Begleiter auch die Molukken besuchten. Das gab neue Unzufriedenheit in Portugal und führte zu Verhandlungen, welche 1525 abwechselnd in Badajoz und Elvas stattfanden, die aber zu keinem Ergebnis führten, weil beide Teile die Gewürzinseln (Islas de la Especeria) beanspruchten und die Bevollmächtigten sich über die Lage der Demarkationslinie nicht einigen konnten. Das grosse Geldbedürfnis Karls V machte Spanien jedoch allmählich nachgiebiger; es kam zu neuen Verhand- lungen und zum Vertrag von Zaragoza (1529), durch welchen Spanien dem bethörten Portugal gegen eine Summe von 350000 Dukaten die Molukken verpfändete, auf welche es keinerlei berechtigten An- spruch hatte, und dabei ist es geblieben. ZWEITE REISE DES COLUMBUS NACH DEM WESTEN. Abfahrt von Cadiz, den 25. September 1493. Rückkehr nach Cadiz, den 11. Juni 1496. Obgleich der lange Krieg mit dem maurischen Königreich Gra- nada die Staatskassen erschöpft hatte, wurde doch alsbald eine neue Expedition, und zwar in grossem Massstabe, nach der neu entdeckten Welt beschlossen und ihre Ausrüstung sofort energisch betrieben. Eine Anleihe der Krone von Castilien beim Herzog von Medina- Sidonia im Betrage von 5 Millionen Maravedis (ca. 128500 Mark) und das von den vertriebenen Juden zurückgelassene Eigentum lieferten die nötigen Mittel dazu. Cadiz sollte der Ausgangspunkt des grossen Unternehmens werden, das in verschiedenen andalusischen Häfen vorbereitet wurde. Am 28. Mai verliess der Admiral Barce- lona, um die Oberleitung zu übernehmen. Mit der stattlichen Flotte von 17 Fahrzeugen, gross und klein, die im Hafen von Cadiz zu- sammengekommen waren, ging er am 25. September 1493 in See. Ein genuesisches Geschwader, welches auf der Rückfahrt von London nach der ligurischen Küste begriffen und gerade anwesend war, ge- leitete sie eine kleine Strecke. Bevor wir nun der Spur dieser spanischen Flotte weiter folgen, wollen wir zunächst einen Blick auf die Gesellschaft werfen, in der sich der berühmte Genuese diesmal befand. Erwähnenswert, wegen der guten Dienste, die sie als Dolmetscher leisteten, sind vor allen Dingen die beiden Indianer, die einzigen überlebenden von den sieben, welche Columbus von Hispaniola nach Spanien mitgenommen hatte. Von seinen sonstigen früheren Begleitern hatte sich allem Anscheine nach nur einer bereit gefunden , auch diese Reise mitzumachen, 70 Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. nämlich Juan de la Cosa, der Eigentümer der gescheiterten Santa Maria. Derselbe übernahm diesmal das Amt eines Kartographen (maestro de hacer cartas;1. Ferner finden wir ausser den Mann- schaften zur Bedienung der Schiffe und einer Abteilung Landtruppen unter dem Befehl des Francisco de Penalosa, : — dem Onkel des bekannten Geschichtsschreibers und Bischofs von Chiapas, Las Casas — , noch 200 andere Personen, Hof- und Edelleute, sowie eine Menge Abenteurer, welche die Schilderungen des Admirals von der Schönheit der entdeckten Länder und ihrer grossen Reichtümer angelockt, und denen Einflüsse verschiedener Art die Erlaubnis zur Teilnahme erwirkt hatten. Aus der vornehmeren Reisegesellschaft sind namentlich folgende Personen wegen der Rolle, welche sie bald oder später in der Neuen Welt spielten, besonders bemerkenswert: 1. Diego Colon (Giacomo Colombo), der jüngste Bruder des grossen Entdeckers, den die Nachricht von der That seines Ver- wandten von Genua nach Spanien geführt hatte. 2. Antonio de Hojeda (Ojeda), geboren 1470 in Cuenca. Er wurde am Hofe des Herzogs von Medinaceli erzogen, hatte zum Onkel und Pathen einen der ersten Inquisitoren und durch diesen viel Einfluss bei den Katholischen Königen. So erhielt er, wiewohl erst 23 Jahre alt, das Kommando einer Caravelle. Grosse Energie und Grausamkeit zeichneten ihn später unter den Conquistadoren aus, und es ist wohl mit Rücksicht auf letztere Eigenschaft, dass Las Casas in seiner Geschichte bemerkte: „Wenn er nie geboren worden wäre, würde die Welt nichts verloren haben."2 Columbus rühmte ihn in seinem ersten Berichte als einen diskreten und sich anstrengenden, tüchtigen jungen Mann, fand aber später in ihm einen seiner gefährlichsten Widersacher. 3. Alvaro de Acosta, Kapitän eines Schiffes. 4. Juan Ponce de Leon, welcher 15 12 Florida entdeckte. 5. Diego Velasquez, der spätere Gouverneur von Cuba. zur Zeit, als Cortez von dort aus den Zug nach Mexiko unternahm. 6. Juan de Esquivel, später Gouverneur von Jamaica. 1 Von seinen Leistungen auf diesem Gebiete und dem Stand der Kartographie am Ende des 15. Jahrhunderts hat er uns in seiner Erdkarte vom Jahre 1500 eine Probe hinterlassen, von der Jomard Tafel XVI seiner „Monuments de la Geographie" ein Facsimile gebracht hat. 2 „Un mancebo que aunque no oviera nascido, no perdiera el mundo nada.- (Las Casas, Historia.) Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. 71 7. Pedro Margarite, ein bei Hofe sehr einflussreicher Edel- mann und Beamter aus Aragonien, der nach Verübung mancher Schandthat unter den Indianern sich als einer der erbittertsten und gefährlichsten Feinde des Columbus entpuppte. Gleich Hojeda und andern vom Hofe der Expedition beigegebenen Beamten wird auch er nach Ankunft in Hispaniola von Columbus seiner guten Dienste wegen in einem Schreiben an die Katholischen Könige gelobt und empfohlen. 8. Fray Bernal Buil (Pater Bernardo Boil) , ein gelehrter Mönch der Benediktiner-Abtei zu Montserrate in Catalonien, begleitete die Expedition als Priester, las die erste Messe in der Neuen Welt, spielte eine wichtige, aber wenig beneidenswerte Rolle unter den Gegnern des Admirals. 9. Dr. Chanca aus Sevilla, wurde der Expedition als Arzt und Schreiber beigegeben. Demselben verdankt man einen ausführlichen Bericht an die Stadt Sevilla über das, was er als Augenzeuge mit- machte. 10. Antonio de Tor res, Schiffskapitän und Vertrauter des Admirals. - 11. Fray Antonio de Marchena, Astrolog der Expedition, nicht zu verwechseln mit dem Prior der Räbida, welchem man, wie jetzt anerkannt wird, irrtümlich den Beinamen de Marchena ge- geben hat. — Auch diesmal schlug Columbus zunächst den Kurs nach den Canarischen Inseln ein und lief am sechsten Tage nach der Abfahrt von Cädiz die Insel Gran Canaria an, um eins der Schiffe, die Capitana, welches viel Wasser zog, auszubessern. Dann ging es weiter nach Gomera, wo frisches Wasser eingenommen und die sonstigen Vorräte ergänzt wurden. Der eingetretenen Windstille wegen lief man auch noch Ferro an und verliess diese Insel erst am 13. Oktober. Von nun ab schwellte ein herrlicher, erfrischender Passatwind während der ganzen Ueberfahrt, die etwa 120 weiter südlich gemacht wurde, als das erstemal, die Segel. Da aber die Capitana trotzdem langsam vorankam, so erreichte man doch erst nach 20 Tagen Westindien, und zwar die Kleinen Antillen zwischen dem 15. und 16. Parallel. Es war am 3. November, am ersten Sonntag nach Allerheiligen, als der Steuermann der Capitana ausrief: „Die Belohnung ! ich sehe Land!" (jAlbricias que tenemos tierra!) Die freudige Nachricht machte bald die Runde und rief grosses Frohlocken hervor. Es war eine kleine, niedrige Insel, welche mit lieblichem Grün über der 72 Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. Meeresfläche erschien, und den Namen La Deseada, „die Ersehnte" (jetzt la Desirade), erhielt. Bald tauchten weitere, grössere Eilande vor den Blicken auf, so gen Südwesten die niedrige Maria Galante, benannt nach dem Flaggschiff des Admirals, und das gebirgige Dominica, die Sonntagsinsel, welche majestätisch sich erhob und mit ihrem herrlichen Grün vom Meeresspiegel bis zu dem höchsten Gipfel einen grossartigen Eindruck machte. Ihr wandte sich Columbus zunächst zu. Nachdem er aber eine Meile ihr entlang gesegelt und vergeblich nach einem geeigneten Hafen für seine Flotte gesucht hatte, überliess er die wreitere Untersuchung ihrer Küste einem der Schiffe und steuerte mit den übrigen gegen Marigalante, wo er mit einer grossen Zahl Begleiter landete, das königliche Banner entfaltete und die Insel als spanischen Besitz erklärte. Derselbe wurde nicht bestritten ; denn Marigalante war menschenleer und ganz mit tropischem Urwald bedeckt, dessen Ueppigkeit und Mannigfaltigkeit an seltsamen Pflanzenformen, Blüten und Früchten die Ankömmlinge aufs höchste überraschte. Die lorbeerartigen Blätter einer Baumart rochen wie Gewürznelken ; die Früchte einer andern, welche man unvorsichtiger- weise versuchen wollte, riefen bei Berührung mit der Zunge ein Schwellen derselben, sowie des ganzen Gesichts und grosse Schmerzen hervor. Es war der von da an so gefürchtete Manzanillo (Hippomane Manzanillo L., Farn. Euphorbiaceae), dessen Bekanntschaft man ge- macht hatte. Da die Nacht hereinbrach, so kehrte die Gesellschaft nach zweistündigem Aufenthalt auf Marigalante auf ihre Schiffe zurück. Am nächsten Morgen, dem 4. November, wandte sich der Ad- miral zu der nordwestlich gelegenen , grossen Insel , welche den Namen Guadalupe erhielt, womit Columbus ein Versprechen löste,, das er den Hieronymiten des berühmten Klosters der Stadt Guadalupe in Estremadura gegeben hatte. Erst nach längerem Suchen fand man einen passenden Hafen zum Einlaufen. Da es schon spät war, wurde die Landung auf den folgenden Tag verschoben. Die Insel war bewohnt. Der Admiral trat in ein Haus, dessen Insassen geflohen waren. Er fand gezähmte Papageien, rohe und versponnene Baumwolle, sowie gute baumwol- lene Gewebe, verschiedene Geräte und abgenagte Menschenknochen. Daraus schloss er, dass hier Kannibalen, die Caraiben (Caribes), wohnten, von denen er auf der ersten Reise gehört hatte, und dieser Schluss wurde durch andere Wahrnehmungen bestätigt. So fand man in einem Hause den Hals eines Mannes, welcher eben in einem Gefäss gekocht wurde und, wie man später erfuhr, von einem Frem- den herrührte. Auch lernte man bald neben den Herren der Insel Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. 73 Sklaven kennen, welche von Puerto Rico geraubt waren, sich zu- traulich näherten und über grausame Behandlung beklagten, während die Caraiben flohen und nur mit Gewalt herbeigebracht werden konnten. Ihre Frauen unterschieden sich von den nackten Sklavinnen durch zwei baumwollene Bänder oder Seile, die sie dicht anliegend an jedem Bein trugen, eins unter dem Knie, das andere unterhalb des Knöchels. Die Abfahrt von Guadalupe (bei den Eingeborenen Turuqueira genannt) wurde dadurch verzögert, dass ein Kapitän (A. de Hojeda) mit sechs Mann in das Innere der Insel gedrungen war und im Ur- wald die Orientierung verloren hatte, so dass sie erst nach vier Tagen unsäglicher Anstrengungen und Entbehrungen zur Küste und ihr entlang zu den Schiffen zurückgelangten. Die Flotte verliess Guadalupe Sonntag den 10. November und entdeckte nun der Reihe nach Mo nts errate am 11., Santa Marta la Redondela am 12., Santa Maria la Antigua, benannt nach einer Kirche in Sevilla, am 13. November, dann am 14. die Insel San Martin, auf welcher gelandet wurde. Auch hier waren die meisten Bewohner geflohen. Man nahm 5 — 6 Frauen gefangen, welche meist Sklavinnen waren, wie die, welche man von Guadalupe her an Bord hatte. Als die Schaluppe mit ihrer Beute zurückkehrte, be- merkte sie ein Boot, worin sich vier Männer, zwei Frauen und ein Kind befanden, welche so erstaunt waren, dass sie nicht von der Stelle kamen. Man ruderte auf sie zu, bis ein Entweichen nicht mehr möglich war. Darauf setzten sich die Insassen zur Wehre und verwundeten zwei der Spanier mit ihren Pfeilen, und als man dann ihr Boot umwarf, retteten sie sich durch Schwimmen, bis auf einen, der durch einen Lanzenstich tötlich verwundet worden war und als- bald starb. Die Caraiben, welche man sah oder ergriff, unterschieden sich von ihren fremden Gefangenen dadurch, dass sie ihr Haar lang trugen und ihre Augen und Augenbrauen mit einer schwarzen Farbe beschmiert hatten; Bartwuchs fehlte ihnen ebenso, wie ihren Sklaven. Nach sechsstündigem Aufenthalt wurde das wohlangebaute San Martin verlassen und, weiter westlich steuernd, die Insel Santa Cruz berührt und hier geankert. Am nächsten Tage entdeckte die Ex- pedition die übrigen Virgines (Virgin-Inseln) und am 16. November die Insel Puerto Rico, welche Columbus St. Johannes der Täufer (San Juan Batista), die Eingeborenen aber Burenquen nannten. Ihre Bewohner verstanden nichts von Schiffahrt und besassen keine Boote, gebrauchten gleich den Caraiben Pfeile und Bogen, wurden aber trotzdem von diesen Eindringlingen aus dem Südosten zeitweise 74 Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. überfallen und in die Gefangenschaft geführt. Aus Furcht vor den Caraiben waren sie überall geflohen, wohin die Spanier kamen. Man fand Puerto Rico sehr fruchtbar und so prächtig, dass Chanca in seinem Bericht hervorhebt, sie übertreffe alle übrigen Inseln an Schönheit. Dennoch verweilten die Spanier nur zwei Tage daselbst, weil der Admiral nach der in La Navidad zurückgelassenen Mannschaft eilte. So lichteten sie mit Tagesgrauen am 18. November die Anker und steuerten weiter gen Westen. Noch vor Sonnenuntergang kam das östliche Hispaniola in Sicht. Das Land war hier flach, so dass Columbus erst im Zweifel war, ob es ein Teil der ihm bekannten Insel sei. Es war die Provinz Haiti, wie Dr. Chanca in seinem Be- richt an den Magistrat von Sevilla sagt, wo die Spanier zuerst an's Land gingen. Ausserdem erwähnt derselbe auch der Provinzen Zamanä und Bohio, welche auf jene folgen. Die Flottille segelte von Osten her der Nordseite von Hispaniola entlang und kam zum Hafen von Monte Cristi, wo sie zwei Tage vor Anker blieb, da, wo der Yaquefluss der Bucht vortreffliches Wasser zuführt. Als die Spanier dort landeten, um ihre Beobachtungen zu machen, fanden sie am Ufer zwei Leichname, den einen mit einem Seil um den Hals und den andern mit einem solchen um einen Fuss. Am folgen- den Tage erblickten sie zwei weitere Leichname, wobei es auffiel, dass der eine einen starken Bartwuchs aufwies, während Barte bei den Eingeborenen fehlen. Der Berichterstatter fügt hinzu, dass viele dies als einen sehr verdächtigen Umstand ansahen. Der Hafen be- fand sich 12 spanische Meilen von dem Platze, wo die Spanier unter dem Schutze von Guacamari, dem König jenes Gebietes, zurück- geblieben waren. Zwei Tage später segelte Columbus dorthin ab und ankerte abends am Eingang zum Hafen von La Navidad, um am andern Morgen, den 28. November, einzulaufen. Er Hess zwei Kanonen abfeuern, um Diego de Arana und seiner Mannschaft seine Ankunft anzuzeigen, wartete aber vergeblich auf eine Erwiderung, obgleich er der Besatzung Kanonen zurückgelassen hatte. Das drückte die vorher so gehobene Stimmung sehr herunter und bewirkte, ver- eint mit den früheren Leichenfunden, eine bange Ahnung in mancher Brust. Bei der Landung am andern Morgen harrte eine entsetzliche Enttäuschung der Ankömmlinge, zumal des Admirals. Statt des erwarteten frohen Wiedersehens mit den Zurückgebliebenen und der Freude an Schätzen , die sie ansammeln sollten , begegnete man Brand- und Leichengeruch. La Navidad war zerstört, das Leben ihrer Besatzung vernichtet. Eingeborene, die in der Nähe wohnten, und Abgesandte des Caziken Guacamari, welche dem Admiral goldene Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. 75 Masken zum Geschenk brachten, berichteten, dass Caonabo und Mayreni, zwei mächtige Häuptlinge des Innern, ihrem Herrn den Krieg erklärt, alle Fremden getötet und ihre Wohnungen nieder- gebrannt hätten ; Guacamari sei selbst am Fuss verwundet worden. Bald fand man weitere Beweise, dass diese Berichte der Hauptsache nach nur zu wahr waren. So entdeckte man abgeschlagene Köpfe von Spaniern, sorgfältig in Matten verborgen, ferner ein Grab, welches, bereits mit Gras überwachsen, 1 1 Leichname von Weissen barg, und in den elenden Hütten der Eingeborenen manchen Gegenstand, wel- cher den Ermordeten gehört hatte. Dies und das veränderte, scheue Benehmen von Guacamari's Leuten Hess den Verdacht zu, dass sie vielleicht mit den andern Feinden gemeinsame Sache gegen die Christen gemacht hatten. Ueberall , wohin man kam , waren die meisten Eingeborenen entflohen, und als endlich der Admiral dem Caziken Guacamari mit einem glänzenden Gefolge , in welchem die meisten seiner Kapitäne und höheren Offiziere sich befanden, einen Besuch abstattete und Gegengeschenke überbrachte, fand man ihn auf einer Hängematte liegend und über Schmerzen in seiner Wunde klagend. Dr. Chanca und der Chirurg der Expedition wurden veranlasst, den Verband abzumachen und nach der Wunde zu sehen, fanden aber keine und überzeugten sich, dass das Leiden erdichtet war. Nach allem erschien der Häuptling als zweideutiger Freund höchst verdächtig; doch hielten Columbus und seine Berater es für gut, ihr Benehmen zu ihm nicht zu ändern und ihm freundlich zu begegnen, als ob Alles in Ordnung sei. Wodurch, so fragen wir, war das kindlich zutrauliche, freund- liche und harmlose Volk der Indianer, von dem Columbus in seinem ersten grossen Bericht schreibt: „Es giebt auf der Welt keine bessere Nation, noch bessern Ort,"1 so umgewandelt worden? — Die Ant- wort auf diese Frage giebt er uns durch spätere Aeusserungen, giebt uns Dr. Chanca in seinem Bericht über die zweite Reise und giebt uns auch Las Casas. Der Admiral drückt sich zuerst milde aus, indem er den Kapitän Torres zurücksendet mit dem Auftrage, den Katholischen Königen zu sagen, dass das Unglück, welches die von der ersten Reise zurückgebliebenen Spanier erreicht habe , ihrem Mangel an Vorsicht zugeschrieben werden müsse. Dr. Chanca erfuhr von Guacamari's Untergebenen, dass von den erschlagenen Spaniern der eine sich drei, der andere vier Frauen genommen habe. Columbus 1 „No hai en el imiverso nacion ni pueblo mejores. 76 Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. aber drückt sich sechs Jahre später in einem bekannten Klagebriefe 1 über die vielen Verleumdungen und Kränkungen, die ihm Teilnehmer an seiner zweiten Reise und andere Seiten bereitet hatten, in bitterer Weise wie folgt aus: „Denn auf ganz Espafiola giebt es wenig spanische Männer, die nicht Vagabunden wären; keiner hat Frau und Kind." So werden denn Habsucht, Wollust und Grausamkeit die Haupt- ursachen gewesen sein, wodurch sich jene von der ersten Expedition zurückgebliebene Mannschaft verhasst gemacht hatte. Sie waren in die Hütten der Eingeborenen eingedrungen, hatten weder das Eigen- tum, noch die Ehre derselben geschont und so die gutmütigen Naturmenschen zur verzweifelten Notwehr getrieben, die ihre Ver- nichtung herbeiführte. Diese Ansicht wird durch Las Casas bestätigt, indem er in seiner Historia von den spanischen Freibeutern sagt : „Jeder ging auf Aben- teuer unter den Eingeborenen aus, beraubte ihre Wohnungen, ent- führte ihre Frauen und verübte solche Schandthaten, dass die Indianer beschlossen, sie zu rächen." Die Weltgeschichte weist kein zweites Beispiel auf, dass Ereig- nisse von so unermesslicher Tragweite, wie die spanische Entdeckung und Eroberung Amerikas, von einem solchen Gemisch niedriger Hab- gier und fanatischem Eifer für ein ganz äusserliches, der Lehre unsers Heilandes so fernstehendes Christentum herbeigeführt wurden. Im Vordergrunde fast aller Unternehmungen, diejenigen des Columbus nicht ausgeschlossen, steht nicht Wissensdrang, von dem kaum die Rede ist, noch christliche Nächstenliebe, sondern unersättliche Gold- gier und Neigung zu den verwerflichsten Abenteuern.2 Die viel- citierten Worte in Goethes Faust: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles" passen auf keine Periode der Geschichte in dem Masse, wie auf diese und ihre hervorragendsten Träger, die spanischen Entdecker und Eroberer Amerikas. „Die Chroniken jener Zeit, geschrieben von denselben spanischen Conquistadores, zeigen uns fast alle die Er- 1 Brief des Admirals an Dona Juana de la Torres, die frühere Pflegerin (Ama) des verstorbenen Infanten Don Juan. Major: Select letters etc. S. 33. 2 Las Casas , der spätere Bischof von Chiapas , war einer der wenigen in den Vordergrund tretenden Menschen, welchen die mancherlei Greuel, die ihre Lands- leute an den Eingeborenen verübten, zu Herzen gingen, der ein langes, mühevolles Leben dem vergeblichen Kampfe gegen dieselben widmete. Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. 77 oberer viel barbarischer und viel grausamer, als jene Wilden, welche sie zu civilisieren vorgaben1." Der Verfasser, dem das letzte Urteil entnommen ist, hatte bei dem Studium der Eroberung seiner Heimat vor allem das Verfahren des schon erwähnten Antonio de Hojeda (Ojeda) und seines Freundes Diego de Nicuessa vor Augen, als diese im Jahre 1509 sich an die Unterwerfung der Gebiete machten , welche ihnen , als ersten Gou- verneuren und Kolonisten auf dem Festlande, König Ferdinand der Katholische geschenkt hatte. Hiernach sollte Hojeda Gouverneur der Strecke vom Cabo de Vela bis zum Golfo de Darien werden und Nicuessa7 s Herrschaft sich hier anschliessen und bis zum Cabo Gracias ä Dios reichen. Beide erliessen eine Proklamation an die ihrer Sprache unkundigen Eingeborenen, welche von den berühm- testen spanischen Theologen und Juristen erdacht worden war und auch bei allen späteren spanischen Besitzergreifungen diente. Nach Antonio de Herrera2 lautete dieselbe folgendermassen : „Ich, Alonso de Hojeda, Diener der erhabenen und sehr mäch- tigen Könige von Castilien und Leon, den Besiegern der Barbaren, Gesandter und Kapitän derselben, teile Euch mit und erkläre mit der ganzen Tragweite der mir verliehenen Macht, dass unser Herr- gott, der einzig und ewig ist, Himmel und Erde erschaffen hat, desgleichen einen Mann und eine Frau, von denen Ihr und wir ab- stammen und alle Menschen, welche bisher auf der Erde lebten oder ferner existieren werden. Da es aber geschehen ist, dass die auf- einander folgenden Generationen während mehr denn 5000 Jahren über verschiedene Teile der Erde zerstreut wurden und sich in verschiedene Königreiche und Provinzen gespalten haben, da ein einziges Land sie nicht fassen, noch alle ernähren könnte, so hat unser Herr Gott die Sorge um alle seine Völker einem Manne übertragen, genannt Sanct Peter, den er zum Herrn und Chef des ganzen Menschen- geschlechts eingesetzt hat, damit alle Menschen, wo sie auch wohnen mögen und in welcher Religion sie auch unterrichtet sein mögen, ihm gehorchen sollen. Er hat die ganze Erde seiner Gerichtsbarkeit unterworfen und ihm befohlen, seine Residenz in Rom aufzuschlagen, als dem geeignetsten Ort, die Welt zu regieren. Er hat ihm gleicher- weise versprochen und ihm die Macht verliehen, über irgend einen andern Teil der WTelt seine Herrschaft auszubreiten wie er wolle, 1 Nueva Jeograffa Universal por D. Jose Manuel Royo. S. 107. Cartagena (Estaclos Unidos de Colombia) 1881. 2 Historia general de los Hechos de los Castellanos en las Islas y Tierra Firma del Mar Oceano. Fol. 4 Vol. Madrid 1601. Decad. 1. Libr. VII c. 14. 78 Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. und zu urteilen und zu regieren über alle Christen, Mauren, Juden und Heiden, oder alle andern Menschen, von welcher Glaubenssekte sie auch sein mögen. Man hat ihm den Namen Papst gegeben, d. h. wunderbarer, grosser Vater und Lehrer, weil er der Vater und Lenker aller Menschen ist. Diejenigen, welche zur Zeit des heiligen Peter lebten, haben ihm gehorcht und ihn als Herrn und König anerkannt und als Herrn der Welt. Man hat ebenso denjenigen ge- horcht, welche ihm im Pontificat gefolgt sind, und so geht es heute weiter und wird so sein in Ewigkeit. „Einer dieser Pontifexe, als Herr der Welt, hat diese Inseln und dieses Festland im Ozean Ihren Katholischen Majestäten, den Königen von Castilien, Don Fernando und Dona Isabella, glorreichen An- denkens, anvertraut, sowie den Nachfolgern unserer Souveräne, mit allem, was darin ist, wie man das ausdrücklicher in gewissen Akten erklärt findet, die man Euch zeigt, wenn Euch danach verlangt. Seine Majestät ist demnach, kraft dieser Uebertragung König und Herr dieser Inseln und des Festlandes, und es ist in dieser Eigen- schaft des Königs und Herrn, dass die Mehrzahl der Inseln, denen man diese Rechtsansprüche kundgethan hat, Se. Majestät anerkannt haben und ihm heute gehorchen und huldigen als ihrem legitimen Herrn. Und sobald ihre Bewohner unterrichtet sind von dem Willen, haben sie auch den heiligen Männern gehorcht, welche Se. Majestät gesandt hat, um ihnen den Glauben zu verkündigen, und dies aus ihrem eigenen Antrieb, ohne die geringste Hoffnung auf Belohnung, sind sie Christen geworden und bleiben es. Se. Majestät hat sie mit Güte unter seinen Schutz genommen, hat befohlen, dass man sie wie seine übrigen Unterthanen und Vasallen behandeln möge. „Ihr seid gehalten und gezwungen, Euch in gleicher Weise zu verhalten ; deshalb bitte und befehle ich Euch heute, die nötige Zeit zu nehmen und Euch reiflich zu überlegen, was ich Euch soeben erklärt habe, damit Ihr die Kirche als Souveränin und Führerin des Universums anerkennt, ebenso wie San et Peter, genannt Papst, in seiner rechten Macht, und Se. Majestät, nach der Concession des Papstes, als König und souveränen Herrn dieser Inseln und des Festlandes, und ebenso, dass Ihr einwilligt, dass die genannten heiligen Väter Euch predigen und den Glauben verkündigen. „Wenn Ihr dem nachkommet, was ich Euch soeben verkündigt habe, so thut Ihr wohl daran und erfüllt die Pflichten, die Euch zu- kommen. Dann werden Se. Majestät, und ich in seinem Namen, Euch mit Liebe und Güte empfangen, und wir lassen Euch, Eure Weiber und Kinder frei von Knechtschaft und Euch im Besitz und Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. 79 Genuss aller Eurer Güter, in gleicher Weise, wie die Bewohner der Inseln. Se. Majestät gewährt Euch dann auch gewisse Privilegien, Ausnahmen und Belohnungen. „Wenn Ihr Euch aber weigert, oder wenn Ihr böswillig meinen Ermahnungen gegenübertretet, dann werde ich mit Hülfe Gottes mit Gewalt in Euer Land kommen, Euch mit dem grausamsten Krieg überziehen; ich werde Euch unter das Joch des Gehorsams gegen die Kirche und den König bringen, Euch Eure Weiber und Kinder wegnehmen und in Sklaverei bringen und darüber verfügen, wie es dem König beliebt. Ich nehme dann all Euer Eigentum weg und bereite Euch alles Uebel , das ich kann , wie rebellischen Unter- thanen, die sich weigern, sich ihrem legitimen Herrn zu unterwerfen. „Ich erkläre aber im voraus, dass alles Blut, das vergossen wird, und alles Uebel, welches Eurem Ungehorsam entspringt, Euch allein zur Last fiL"t, und nicht Sr. Majestät, noch mir, noch denen, die unter meinem Befehle dienen. Deshalb ist Euch diese Deklaration und Requisition gemacht worden." „Ich bitte den Notar, der gegenwärtig ist, mir die nötige Be- stätigung darüber auszustellen." Wenden wir uns nunmehr zurück nach Hispaniola, um den weiteren Verlauf der zweiten grossen Entdeckungsreise des Colon kennen zu lernen. Nachdem der Admiral die veränderte Lage von La Navidad und das rätselhafte Benehmen Guacarami's überschaut hatte, beschloss er, eine Stadt anzulegen, welche den beiden Haupterfordernissen ent- sprechen, nämlich einen guten Hafen besitzen und möglichst nahe bei den Goldbergwerken des Innern gelegen sein sollte. Nach genauer Untersuchung der Nordküste fand man etwa 67 km östlich von der Bucht Monte Cristi eine fischreiche Bai, die diesen Anforderungen durchaus zu entsprechen schien. Hier gründete Columbus am 7. De- zember 1493 die erste spanische Stadt in Amerika, deren Ruinen zum Teil noch zu sehen sind. Er nannte sie Ciudad Isabella und legte damit gewissermassen den Grund zu der Begriffsverwech- selung zwischen Ciudad und Villa, wie sie sich in gleicher Weise bei den Anglo -Amerikanern zwischen City und Tovvn eingebürgert hat. Bald kamen die Eingeborenen, zumal viele Frauen, und brachten aus der reichen Umgebung Nahrungsmittel, insbesondere Yamswurzeln, welche man sehr schätzen lernte. Die Goldminen von Cibao und von Niti im Gebiete des Häuptlings Caonabö sollten nur ca. 20 leguas (133 km; entfernt sein. Der Admiral sandte eine Expedition 8o Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. dorthin ab, welche mit guten Berichten zurückkehrte. Sie hatten an vielen Orten Gold gefunden und waren überall freundlich empfangen worden. Das bestimmte den Admiral, selbst aufzubrechen und das Fort San Tomas im Minendistrikte Cibao anzulegen. Nunmehr stellte sich aber eine Krankheit ein, von der in wenigen Tagen etwa der dritte Teil der Spanier ergriffen wurde. Columbus litt ebenfalls daran, und zwar vom n. Dezember 1493 bis 12. März 1494. Unter diesen Umständen, und da die noch vorhandenen Vor- räte für eine so zahlreiche Menschenmenge nicht mehr sehr lange gereicht hätten, beschloss Columbus, den Kapitän der Marigalante, Antonio de Tor res, den er zum Gouverneur von Isabella ernannt hatte, mit 12 Schiffen nach Spanien zurückzuschicken. In dem Me- morial, welches er diesem, seinem vertrauten Kapitän, an die Könige mitgab, rühmt er die Leistungen verschiedener seiner Begleiter und empfiehlt sie für Auszeichnungen, insbesondere auch Hojeda und Margarite, die bald nachher zu seinen bittersten Feinden gehörten. Er beklagt sich, dass der Weinlieferant der Expedition in Sevilla alte, mürbe Fässer genommen und infolge dessen der Wein grössten- teils ausgelaufen sei, auch habe man in Sevilla ihm die guten, in Granada gekauften Pferde gegen unnütze alte Tiere vertauscht. Er bittet ferner, dass man ihm Goldwäscher und Bergleute aus Almaden, Lebensmittel, Sämereien und Haustiere schicke, und empfiehlt, die Kannibalen (Bewohner der kleinen Antillen) als Gegenfracht nach Spanien zu schicken und sie dort als Sklaven zu verkaufen, damit sie ihre bösen Lebensgewohnheiten ablegen, Christen und nützliche Arbeiter würden. Es gereicht Ferdinand und Isabella zur Ehre, dass sie erst noch andere Urteile über diesen Punkt hören wollten, bevor sie eine Entscheidung treffen könnten, während sie die übrigen Vor- schläge des Admirals billigten und ihren Sekretär (Minister) für Indien, D. Juan Rodriguez de Fonseca, Bischof von Badajoz, mit der Ausführung derselben beauftragten. Nachdem Columbus seinen Bruder Diego zum Stellvertreter und einen Verwaltungsrat für die Angelegenheiten der Stadt und Insel unter dessen Vorsitz eingesetzt hatte, verliess er am 24. April mit drei Caravellen den Hafen Isabella, um Cuba weiter zu erforschen, das er noch immer für einen Teil von Catayo (China) hielt1. Indem er der Südseite entlang segelte und sich bei den Ein- geborenen nach Gold erkundigte, wies man ihn auf der Höhe von Port Tarquino (westlich von Santiago de Cuba) nach Süden. Er Erst im Jahre 1508 wies Nicolas Ovando nach, dass Cuba eine Insel sei. Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. 8i folgte der Andeutung und entdeckte am 13. Mai 1494 die Insel Jamaica (Xaimayca), die vierte der grossen Antillen, blieb aber nur fünf Tage daselbst, worauf er sich von neuem nach Cuba wandte, um seine westliche Fahrt fortzusetzen. Hierbei entdeckte er ausser der grösseren Insel Pinos, die erEvangelista nannte, mehrere Gruppen von Koralleninseln und -Riffen auf der Südseite des west- lichen Cuba, insbesondere die Cayos de las doce leguas (Riffe von 12 Meilen), welchen er den Namen „El Jardin de la Reina" (Garten der Königin) gab, ein Name, den man oft über dieses ganze ritte- und lagunenreiche Meer bis Pinos und nordwärts bis Cuba ausdehnt. Als die Vorräte zur Neige gingen, folgte Columbus dem Wunsche seiner Mannschaft, kehrte um, ohne das Westende von Cuba gesehen zu haben, und erreichte Isabella am 29. September 1494. Bei der Landung traf er seinen Bruder Bartolomeo, den er seit wenigstens acht Jahren nicht mehr gesehen hatte. Derselbe war als Befehlshaber eines kleinen Geschwaders von drei Schiffen zur Proviantierung aus Cädiz gekommen. Manches hatte sich während der fünfmonatlichen Abwesenheit des Admirals auf Hispaniola verändert. Unter Führung von Pedro Margarite und dem Pater Bo'i'l hatte die unnütze, hab- gierige Gesellschaft junger adeliger Abenteurer sich mit Diego Colon und dem loyalen Teil der Spanier entzweit, durch manche Excesse sich und ihre Landsleute der einheimischen Bevölkerung verhasst gemacht und dieselbe zum Verzweiflungskampfe getrieben. Dann hatten sie sich der neuangekommenen Schiffe bemächtigt, — die beiden erstgenannten mit Erlaubnis der Könige — , und waren nach Spanien zurückgekehrt. Währenddem sie dort Misstrauen und Unzufriedenheit gegen die genuesischen Brüder säten und nährten, war Columbus nach seiner Genesung von einer schweren fünfmonatlichen Krankheit be- müht, mit Hülfe seines Bruders Bartolomeo und der gesamten, noch verfügbaren spanischen Streitkräfte den Aufstand niederzuschlagen. Doch zogen sich die Kämpfe über ein volles Jahr hin und fanden erst ihr Ende, nachdem der intelligente und mutige Cazike Caonabö durch einen Handstreich des verwegenen Hojeda in Gefangenschaft geraten und sein Bruder, der statt seiner die Führung übernommen hatte, am 25. April 1495 derart geschlagen worden war, dass die Eingeborenen sich von da ab geduldig in ihr Schicksal ergaben. Gleich zu Anfang der hier erwähnten Kämpfe war Antonio de Torres mit vier Caravellen aus Spanien angekommen. Kaum hatten dieselben sich ihrer Ladungen entledigt, so wurden 500 harmlose Rein, Gesammelte Abhandlungen. ß 82 Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. Indianer beiderlei Geschlechts im Alter von etwa 12 — 35 Jahren auf Befehl des Admirals eingeschifft und als „Rebellen" nach Spanien geschickt. In Sevilla überlieferte man dieselben dem Juan de Fon- seca, der sie auf sein Landgut sandte, wo sie wie Tiere ausgestellt und als Sklaven verkauft wurden. Schlechte Behandlung, schwere Arbeit und die Veränderung des Klimas und der Lebensweise be- wirkten, dass es nicht lange dauerte, bis alle gestorben waren. So berichtet uns der Geschichtsschreiber Bernaldez im 2. Bande seines Werkes über die Reyes Catölicos. Die Königin war mit diesen Vorgängen nicht einverstanden und Columbus verlor durch diese unmenschliche Handlungsweise viel von ihrem grossen Vertrauen und ihrer Gunst. Dieser ersten Sendung von Eingeborenen Hess der Statthalter Bartolome im Jahre 1496 eine weitere von 300 Personen folgen, welche ebenfalls durch Juan de Fonseca als Sklaven verkauft wurden und ein gleich trauriges Ende nahmen. Man gab sie für Rebellen und Mörder aus, für die sich keine mitleidige Seele fand. Im Jahre 1495 wurde in Spanien der Verkehr mit Hispaniola freigegeben. Dadurch steigerte sich der Unternehmungsgeist ; es kamen häufig neue Schiffe aus dem Mutterlande an und brachten über wichtige Vorgänge daselbst Nachrichten. Auch erschien in der Person des Juan Aguado ein königlicher Bevollmächtigter, um die Zustände auf der Insel kennen zu lernen. Hierdurch erfuhr der Admiral, dass seine Feinde bei Hofe und sonst rüstig am Werk seien, um sein Ansehen und das königliche Vertrauen zu ihm zu schmälern. Deshalb entschloss er sich endlich zur Rückreise, damit er der Maulwurfarbeit und den Verleumdungen gegen ihn persönlich und wirksam entgegentreten könne. Nachdem er seinen Bruder Bartolome als Vize- Gouverneur (Adelantado) für die Zeit seiner Abwesenheit eingesetzt hatte, schiffte er sich am 10. März 1496 auf der Nina ein, machte die Fahrt ge- meinsam mit einer zweiten, in Isabella erbauten Caravelle und er- reichte Cädiz am 11. Juni nach 2 :5/4 jähriger Abwesenheit. In einem Bericht, den er später während der dritten Reise von Hispaniola an Ferdinand und Isabella sandte, fasste er die Resultate der zweiten dahin zusammen, dass er 333 Meilen Festland (er meint die Südseite von Cuba) an der Grenze des Orients und 700 Inseln entdeckt, so- wie die Insel Hispaniola, welche grösser sei, als ganz Spanien, der spanischen Herrschaft unterworfen habe, eine Insel, welche von un- zähligen Menschen bewohnt werde, die nun alle Ihren Hoheiten Tribut zahlten. Zweite Reise des Columbus nach dem Westen. 83 Bei der Landung in Cadiz fand Columbus einen gnädigen Brief der Könige vor, die ihn zu sich an den Hof nach Bürgos einluden. Den schlechten Eindruck , welchen seine elenden , abgemagerten Matrosen machten, suchte er zu verwischen durch das öffentliche Gepränge, mit dem er die mitgebrachten Indianer und das Gold durchs Land führte. Der gefangene Kazike Caonabo konnte bei diesen Schaustellungen nicht mehr mitwirken, da er gleich andern auf der Fahrt gestorben war. Neben einem freundlichen, ehren- vollen Empfang erhielt Columbus in Bürgos die Zusage von acht Caravellen für eine 3. Expedition. DIE DRITTE REISE DES COLUMBUS. Abfahrt von Sanlücar de Barrameda am 30. Mai 1498. Rückkehr nach Cadiz am 25. November 1500. Die wichtigsten Schriftstücke über diese Reise sind ein Bericht des Admirals an die Könige, welcher sich auf den ersten Teil der- selben bezieht und bei seiner x^nkunft auf Hispaniola abgesandt wurde, sodann der schon erwähnte Klagebrief an Dona Juana de la Torres, die Schwester des Antonio de Torres und frühere Wärterin (Ama) des Infanten Don Juan. In jenem heisst es : „Als ich Indien verliess, hatte ich gehofft, in Spanien Ruhe zu finden, und fand nur Widerwärtigkeiten und Mühen." Dieselben waren teils selbst ver- schuldet, zum Teil bereiteten sie ihm seine Gegner. Zu letzteren wird insbesondere der Bischof de Fonseca gezählt, an welchen in seiner Eigenschaft als Sekretär der Indischen Angelegenheiten stets neue Geldansprüche gemacht wurden, während ihm Columbus die Beweise für die vielgepriesenen Reichtümer Hispaniolas schuldig blieb. So kam es, dass die dem Admiral zugesagten acht Schiffe für eine dritte Reise nicht sobald zur Verfügung standen, und er schon zu- frieden sein musste, als zwei derselben einstweilen vorausgeschickt wurden, um seinem Bruder Bartolome neue Vorräte zu bringen. Mit den sechs übrigen konnte er erst nach zweijährigem Warten die Fahrt antreten. Es geschah von Sanlücar de Barrameda aus an der Mündung des Guadalquivir, den 30. Mai 1498. Die sechs Caravellen führten ausser ihrer Bemannung noch 200 andere Personen mit sich. Columbus nahm seinen Kurs zunächst nach Madeira, das er am 10. Juni auf Umwegen erreichte, um den Franzosen zu entgehen, mit denen Spanien damals im Krieg lag, und die ihm bei Cap Sao Vicente auflauerten. Am 19. Juni kam er nach Gomera, am 21. Juni Die dritte Reise des Columbus. 85 auf die Höhe von Ferro. Hier teilte er seine Flottille, indem er drei der Schiffe unter den Befehlen von Pedro de Ära na (dem Bruder der Beatriz) aus Cördoba, Alonso Sanchez de Carbajal aus Baeza und Juan Antonio Colombo, einem Verwandten aus Genua, direkt nach Hispaniola sandte. Er selbst schlug mit den drei andern den Weg südwärts nach den Capverden ein, in der Ab- sicht, bis zur Aequinoctiallinie (dem Aequator) vorzudringen und dann so weit gen Westen zu segeln, bis er Hispaniola genau im Norden habe. Von den Inseln des „grünen Vorgebirgs" bemerkt der Admiral, sie trügen ihren Namen mit Unrecht; denn es sei dort so trocken, dass sich kein Schein von Grün erkennen lasse. Columbus verliess Santiago am 4. Juli und wandte sich kühn 120 Seemeilen weit gen Südwesten, bis, wie er sich ausdrückt, der Polarstern im 5. Grad war, d. h. bis die Polhöhe 50 betrug. Hier hörte der W7ind auf — er war in der Region der Calmen — und wurde die Hitze so drückend, dass man fürchtete, sie werde Schiffe und Mannschaft verzehren. Dieser Zustand dauerte acht Tage, von denen sieben heftige Regen brachten. Columbus gab infolge dessen seine frühere Absicht, den Aequator zu erreichen, auf und nahm seinen Kurs nach Wresten. Bald stellte sich auch günstiger Wind ein, so dass alle Besorgnisse schwanden. Zuletzt, als man wieder unter grosser Hitze litt, wandte sich Columbus nach Norden. Am 31. Juli signalisierte der Matrose Alonso Perez von Huelva vom Mastkorbe herunter drei Bergspitzen über gemeinsamer Basis. Sie gehörten dem Südosten einer Insel an, welche den Namen Tri- nidad erhielt. Derselbe wird gewöhnlich von jenen drei Bergspitzen hergeleitet, doch hat eine andere Deutung, wonach die Insel zu Ehren der göttlichen Dreieinigkeit benannt wurde, mehr Wahrscheinlichkeit für sich. Sie entspricht mehr dem mystischen Wesen und den son- stigen Gepflogenheiten des Entdeckers, der z. B. in der Einleitung zu dem obengenannten Bericht über seine dritte Reise betont, dass „die heilige Dreieinigkeit den spanischen Königen das indische Unter- nehmen eingegeben und ihn zur Ausführung desselben berufen habe." Darauf wurde das „Salve Regina!" angestimmt. Der Admiral änderte den Kurs, wandte sich nach SW, wo jene Bergspitzen sich erhoben, und erreichte das Land bei einem Vor- gebirge, dem heutigen Kap Galeota, das er Cabo de la Galea nannte. In der Nähe fand man eine Bucht, aber keinen guten Ankergrund; und segelte deshalb der Südküste entlang weiter west- lich, bis zu einem neuen Vorgebirge, welches den Namen Punta 86 Die dritte Reise des Columbus. del Arenal (Sandspitze) erhielt und mit dem jetzigen Cabo Itaque identisch ist, wie man annimmt. Dort wurden die Anker geworfen. Am folgenden Tage kam ein grosses Boot mit 24 Indianern heran, welche mit Pfeil und Bogen und hölzernen Schilden bewaffnet waren. Sie besassen hellere Hautfarbe und angenehmere Gesichtszüge, als die meisten Eingeborenen, welchen man auf den früheren Reisen begegnet war. Da es an jedem Verständigungsmittel mit denselben fehlte, suchte man sie durch Trommelschlag und Tanz herbeizulocken. Das verstanden sie aber falsch, Hessen ihre Ruder los und sandten Pfeile nach dem Schiff. Der Tanz wurde nun eingestellt und den Angreifenden durch einige Flintenschüsse geantwortet. Darauf zogen sie sich zurück, waren aber alsbald am Hinterdeck der andern Ca- ravelle. Deren Steuermann ging zu ihnen ins Boot und gab dem Führer einen Ueberwurf und eine Mütze. Durch Zeichen kam man überein, sich am Ufer zu treffen; doch wagte der Steuermann nicht, sich ohne Erlaubnis dorthin zu begeben, worauf die Insassen des Bootes davon ruderten und niemand mehr gesehen wurde. Bald darauf trat Columbus mit seinen drei Schiffen durch die südliche Meerenge, die Boca de las Serpientes (Schlangenmund), in den Golf von Paria ein. Die Trinidad gegenüberliegende Küste der Halbinsel Paria nannte er Tierra de Gracia, Land der An- mut, ja er ging in seinem Enthusiasmus für ihr Klima, ihre Vege- tation und ihre Bewohner so weit, sie für das irdische Paradies zu halten1, obwohl ein Augenleiden ihn hinderte, es zu betreten. Beim Einsegeln in die Bucht beobachtete er die geringe Tiefe des südlichen Zugangs, einen starken Seegang und das süsse Wasser und glaubte, dass der Fluss, welcher es herbeiführe, aus einem un- endlich grossen Land kommen müsse. Auffallend ist, dass er nichts- destoweniger die Entdeckung des Orinoco andern überliess. Bevor er das Nordende des Golfes erreicht hatte und durch die Boca Grande (Grossen Mund) oder Boca de Dragos (Drachenmund) in das Caraibische Meer einlief, fand an der Seite der Halbinsel Paria eine Landung statt, an welcher Columbus seiner angegriffenen Gesundheit wegen nicht teilnahm. Die Eingeborenen kamen zahl- reich in ihren Canoes herbei; ihr Gold- und Perlenschmuck, die schönen Gestalten und das gute Benehmen interessierten den Ad- miral aufs lebhafteste; auch wurde er eingeladen, den Häuptling zu besuchen. 1 „creo que allf es el Paraiso terrenal", sagt er in seinem Bericht an Ferdinand und Isabella. Die dritte Reise des Columbus. 87 Bei seinem Austritt aus der Boca Grande fand Columbus eine starke Strömung, von der er sich nach Westen treiben liess. So entdeckte er die caraibischen Inseln an der Nordküste von Venezuela, insbesondere am 15. August Margarita, die Perleninsel, die be- deutendste derselben, welche der Perlenfischerei wegen so benannt wurde1. Da seine Vorräte zur Neige gingen und ihn ausserdem die Sehnsucht nach Hispaniola und seinen Brüdern trieb, so hielt er sich nicht weiter auf, nahm vielmehr nördlichen Kurs und erreichte am 31. August 1498 sein Ziel, den Hafen von San Domingo an der Südküste von Hispaniola. Während der 29 Monate, die er diese Insel nicht gesehen, hatte sich vieles daselbst geändert. Zu diesen Veränderungen gehört auch die Verlegung der Hauptstadt von Isabeila nach der Südostseite der Insel. Der Admiral hatte bereits hier an der Mündung des Flusses Ozama eine kleine Anhöhe ausgewählt und wegen ihrer gesunden Lage und der grösseren Nähe von verschiedenen Goldbergwerken den Königen empfohlen. Gleich nach seiner Ankunft in Cädiz war er im stände gewesen, seinem Bruder durch ein nach Hispaniola ab- gehendes Schiff die königliche Zustimmung zu den vorgeschlagenen Veränderungen melden und daran weitere Weisungen knüpfen zu können. Bartolome Colon legte den Grund zur neuen Hauptstadt an einem- Sonntag. Dieselbe erhielt hiernach den Namen San Do- mingo (Santo Domingo, Heiliger Sonntag). Die Unterwerfung und Tributzahlung der einheimischen Bevöl- kerung von Hispaniola, welche Columbus als ein hervorragendes Er- gebnis seiner zweiten Reise rühmt, war teilweise durch Mittel erfolgt, die ihm und seinen Brüdern weder zur Ehre, noch zum Vorteil ge- reichten. Hierher gehört nicht bloss die Grausamkeit gegen die meist unschuldig in die spanische Sklaverei Verschickten, sondern auch gegen die Zurückgebliebenen, welchen unerschwingliche Abgaben und ungewohnte Arbeiten aufgebürdet wurden, denen sie grössten- teils erlagen. Betreffs der Tributzahlung hatte der Admiral vor seiner Abreise bestimmt, dass in den goldführenden Distrikten jeder Eingeborene, der das 14. Lebensjahr erreicht hatte, vierteljährlich ein kleines Glöckchen voll Gold, und in den andern Bezirken statt dessen eine Arroba (11,5 kg) Baumwolle abliefern sollte. Als Quittung sollten sie kleine, frei am Halse zu tragende Marken aus Messing oder 1 Die Perlmuschel (Meleagrina margaritifera L. kommt noch immer in Menge dort vor, wird aber nicht mehr viel gesucht. 88 Die dritte Reise des Columbus. Kupfer bekommen, welche Metalle von ihnen sehr hoch geschätzt wurden. Da sich aber bald herausstellte, dass es den meisten un- möglich war, diesen Forderungen nachzukommen, ermässigte man dieselben oder wandelte sie in andere Arbeitsleistungen um. Aus freien Herren des Bodens, auf dem sie geboren waren, wurden die Eingeborenen bald gezwungene Bearbeiter desselben und hatten in fremdem Interesse ihn mit Zuckerrohr, Getreide und andern einge- führten Früchten zu bebauen. Schon im Jahre 1497 erhielt Columbus Freibriefe aus den Händen der Könige, um auf Hispaniola eine Landverteilung (repar- timiento) vorzunehmen. Mehrere andere von ihm der Krone vorge- schlagene und von dieser angenommene höchst unkluge Verfügungen folgten, so insbesondere die Versendung, ja bedingungsweisen Freigabe spanischer Verbrecher nach der neuen Kolonie. In demselben Jahre unterwarf der Adelantado Bartolome Colon mit 100 Spaniern Bohechio, den Kaziken der Herrschaft Xara- gua (Jaragua) , im Westen der Insel, dessen einflussreiche Schwester Nacaona (Anacaona) die Frau des Caonabo gewesen war. Während Bartolome Colon so das Land durchzog , Unruhen niederwarf, Forts und Städte gründete, und überall mit energischer und rauher Hand eingriff, war sein schwächerer Bruder Diego als Stellvertreter zurückgeblieben. Das benutzten viele Spanier, um unter Führung Roldans sich gegen die verhasste Herrschaft der Gebrüder Colon zu erheben, der man Rücksichtslosigkeit, Grausamkeit und Bedrückung gegen die Spanier, Habsucht und Unehrlichkeit gegen die Krone vorwarf. Francisco Roldan war unter der Gunst des Admirals zum Ober- richter in Isabella emporgestiegen. Allein diese Stellung und das Leben in Hispaniola boten ihm nicht die Reichtümer, nach denen er sich gesehnt hatte, und es scheint, dass ihm gleich vielen seiner Anhänger weder der seit lange rückständige Gehalt, noch die ver- langte Rückkehr nach Spanien gewährt worden war. Er verweigerte endlich den Gehorsam, und als der Adelantado von Xaragua zurück- kehrte, verliess er mit seinem grossen Anhang Isabella und floh nach Xaragua. Dort sammelte er alle Unzufriedenen, auch unter den Eingeborenen; doch Hess ihn der Adelantado vorerst in Ruhe, weil ihn zwei hervorragende Häuptlinge im Norden gerade be- schäftigten, nämlich Guarionix von Vega Real und Maiobane von der Berglandschaft westlich von Cap Cabron und der Grossen Bucht (Estero grande) auf der Nordseite. Die Herrschaft des Gua- rionix lag südlich der letzteren. Ihr Besitzer war einer der edelsten Die dritte Reise des Columbus. 89 Häuptlinge des Landes, der früher immer auf freundlichem Fusse mit den Spaniern gestanden hatte. Unerhörte Rücksichtslosigkeit und Härte des Adelantado gegen die Versicherung, dass sein Volk den verlangten Tribut in Gold nicht aufbringen könne, und gegen sein Anerbieten, dass er statt dessen den Spaniern Getreide bauen wolle von einem Ende der Insel zum andern, hatten ihn zum Flücht- ling gemacht, der erst bei Rpldan, dann bei seinem Freund und Nachbar Maiobane eine Zufluchtsstätte suchte, bis dieser gleich ihm in die Hände des herzlosen Feindes fiel. Solches waren die Zustände auf der Insel Hispaniola, als der Admiral Ende August 1498 zu ihr zurückkehrte. Zwei Jahre be- mühte er sich vergeblich, sie zu verbessern; die Mittel, welche er anwandte, verfehlten ihren Zweck. Die Verhältnisse waren ihm mit Hülfe seiner Brüder über den Kopf gewachsen. Er fing mit Roldan zu verhandeln an, setzte ihn sogar wieder in sein Amt ein und be- schenkte die sonstigen Rädelsführer mit Land, ohne dafür Dank zu ernten. Zwei Jahre später sagt der Admiral in dem schon erwähn- ten Brief an die Ama von den Zuständen auf der Insel, die halbe Kolonie sei bei seiner Ankunft irti Aufstand gegen ihn gewesen, während er auf der andern Seite gegen die nicht minder grausamen Indianer zu kämpfen gehabt habe. Dann sei Hojeda aus Spanien zurückgekommen (derselbe landete am 5. September 1498) und habe aller Unordnung die Krone aufgesetzt. Wir wissen auch aus andern Angaben, dass Hojeda sich der Gunst Fonsecas rühmte, von den abfälligen Urteilen über Columbus erzählte und viel dazu beitrug, die Autorität desselben zu untergraben. Er verliess jedoch Hispaniola bald wieder und unternahm mit Juan de la Cosa und Amerigo Vespucci die bekannte Entdeckungsreise nach dem südamerikanischen Festlande. Die fünf Schiffe, die Columbus nach Spanien gleich nach seiner Ankunft absandte, brachten den Königen nur seinen Bericht über die bisherige Reise, aber wenig über die Kolonie, dafür von anderer Seite um so mehr Klagen gegen ihn und seine Brüder. Als Hauptfracht brachten sie, neben einer Partie Bauholz, 600 Indianer, meist aus den früheren Herrschaften von Guarionix und Maiobane, die unter der Beschuldigung, Rebellen zu sein, dem spanischen Sklavenmarkt zugeführt wurden. In einem Briefe an die Könige, dessen Las Casas erwähnt, berichtet der Admiral, dass er „im Namen der heiligen Dreieinigkeit" so viele Sklaven nach Spanien liefern könne, als der Absatz gestatte, und berechnet den Wert der Sendung mit Ein- schluss des Farbholzes auf 40 Millionen Maravedis (ca. 257000 Mk.). go Die dritte Reise des Columbus. Er schläft dann ein System vor, nach welchem die Kolonisten in Sevilla ihren Bedarf an allem Nötigen durch Uebersendung von Sklaven leicht decken könnten. Während der kurzen Ruhe, welche der Beilegung des Aufstan- des von Roldan folgte, finden wir denselben Mann, für den wir uns in unserer Jugend so begeistern konnten, und den wir hier als Sklaven- händler kennen lernten , damit beschäftigt , über den Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem und die Bekehrung der Bewohner von Catayo (China) nachzudenken1. Aus diesen glücklichen Träumereien wurde der Admiral jedoch bald mit rauher Hand aufgerüttelt und in eine Lage gebracht, die ihm die ganze Vergänglichkeit mensch- lichen Glückes klar machen konnte und den ganzen Rest seines Lebens verbitterte. Am 23. August 1500 wurde in San Domingo die Ankunft zweier Caravellen gemeldet. Sie brachten Don Francisco de Bobadilla, Ritter von Calatrava, den Kommissar der Könige, mit dem bereits vom 21. März 1499 datierten Auftrage, „zu untersuchen, weiche Per- sonen sich auf Hispaniola gegen das Recht vergangen hätten, und gegen dieselben nach dem Gesetz vorzugehen." Bobadilla brachte einen für Columbus bestimmten Brief mit, welcher das Datum vom 26. Mai 1499 trug, vom König und der Königin unterzeichnet war und folgenden Wortlaut hatte : „Don Cristöbal Colon, unserem Admiral des Oceans: Wir haben dem Ritter Francisco de Bobadilla, dem Ueberbringer dieses Schrei- bens, befohlen, dass er in unserem Auftrage mit Ihnen über Dinge spreche, welche er Ihnen sagen wird; wir bitten Sie, ihm zu glauben und zu trauen, und demgemäss zu handeln." Der Admiral weilte damals in La Vega, sein Bruder Bartolome in Xaragua. Bobadilla liess nach seiner Landung das Königliche Schreiben bekannt machen, welches ihn zum Gouverneur einsetzte; er bemächtigte sich der Festung, befreite die Gefangenen, legte Beschlag auf die Wohnung, Papiere und Habe des Admirals und seiner Brüder, ernannte neue Beamte, gab die Goldgewinnung frei, befreite von Abgaben und erklärte sich bereit zur Auszahlung aller rückständigen Gehalte und Löhne. Auf diese Weise gewann er alle Spanier für sich und viele der Eingeborenen dazu. Columbus erfuhr von diesen Vorgängen durch Mönche und sandte dann an Bobadilla einen Brief, um ihn zu seiner Ankunft zu beglück- wünschen und ihm mitzuteilen , dass er bereit sei , abzureisen und 1 Navarrete : Col. vol. I, S. 309. Die dritte Reise des Columbus. 91 am spanischen Hofe zu erscheinen; zugleich protestierte er gegen alle Eingriffe in seine verbürgten Rechte. Darauf begab er sich allein nach San Domingo. Dort wurde er alsbald ergriffen, in Ketten ge- legt und auf die Festung gebracht, wo sein jüngster Bruder bereits als Gefangener weilte und bald auch der Statthalter Bartolome in gleicher Lage ankam. Zwei Monate nach Ankunft Bobadilla's ging das Schiff Gorda mit den gefangenen Brüdern nach Spanien ab. Ihre Behandlung war ärger, als die der schwersten Verbrecher ; ohne Ver- hör, ja ohne ihren neuen Feind nur gesehen, noch einen schriftlichen Befehl oder eine Anklage erhalten zu haben, fanden sie sich ge- fesselt und unter Bedeckung auf dem Rückwege nach Spanien. Ausser ihnen nahm das Schiff zahlreiche Anklagen und Be- schuldigungen gegen sie mit, welche Bobadilla gesammelt hatte; denn „die Steine erhoben sich gegen den "Admiral und seine Brü- der", wie der Geschichtsschreiber Herrera sich ausdrückt. Auch unterliegt es keinem Zweifel, dass sie, wohl aus verschiedenen Grün- den, bei fast der ganzen spanischen Bevölkerung auf Hispaniola missliebig geworden waren. Während der Fahrt wollte Alonso de Vallejo, der Edel- mann, welcher den Auftrag hatte, die Gefangenen nach Spanien zu begleiten, dem Admiral die Fesseln abnehmen; doch weigerte sich dieser und trug sie noch bei der Landung in Cädiz, welche am 25. November 1500 stattfand. Las Casas, der spätere Bischof und Geschichtsschreiber, welcher um jene Zeit seine Studien in Sala- manca beendigt hatte und nach seiner Vaterstadt Sevilla zurückge- kehrt war, hat Columbus in Ketten gesehen. Die Art der Rückkehr des Entdeckers der Neuen Welt und seiner Brüder, gefesselt und bewacht gleich gemeinen Verbrechern, rief in Spanien weit und breit grosses Erstaunen und Entrüstung hervor. Die Könige, welche solche Folgen der an Bobadilla erteilten Vollmacht wohl nicht geahnt hatten, beeilten sich, die Ketten lösen und dem Admiral ihr Bedauern über das Vorgefallene aussprechen zu lassen. Zugleich sandten sie ihm und seinen Brüdern eine Ein- ladung an ihren Hof, der sich damals in Granada befand, und wo- selbst auch seine beiden Söhne als Pagen weilten; ausserdem aber, wie Las Casas erfuhr, die Summe von 2000 Dukaten zu ihrer wür- digen Ausstattung und Reise. In Granada wurde Columbus freundlich empfangen , gebeten, das Vorgefallene zu vergessen, und ihm die Versicherung gegeben, dass Bobadilla gegen seine Instruktionen gehandelt habe. Auch 92 Die dritte Reise des Columbus. versprach man ihm eine kleine Genugthuung durch die Zurückbe- rufung Bobadilla's und Roldan's. Wie wenig indes trotz aller Entschuldigungen und Ehrenbe- zeugungen am Hofe volles Vertrauen zum Admiral zurückgekehrt war, ersehen wir aus mancherlei Anzeichen. So wurde Columbus nicht in seine verbrieften Rechte als Vizekönig etc. eingesetzt, son- dern Nicolas de Ovando, Ritter von Calatrava, als Gouverneur nach Hispaniola gesandt. Las Casas rühmt denselben als einen klugen, gerechten und menschenfreundlichen Mann; gegen Columbus hat er diese Eigenschaft jedoch, wie wir noch weiter sehen werden, nicht an den Tag gelegt. Mit einer stattlichen Flotte von 30 Segeln und 2500 Köpfen konnte Ovando schon bald seinem Ziele zusegeln. Columbus da- gegen musste lange in Granada und Sevilla zusehen, bis er die Er- laubnis und bescheidenen Mittel zu einer vierten Expedition erhielt, und dann geschah es unter vielsagenden Beschränkungen. Einen Monat nach seiner Ankunft in Spanien schrieb er jenen Brief an Dona Juana de la Torre, die „Carta al Ama". wie er ge- wöhnlich genannt wird. Es wurde schon mehrmals darauf Bezug genommen, doch mögen hier noch einige Stellen aus ihm Platz fin- den ; denn er ist ein interessanter Spiegel des Fühlens und Denkens seines Verfassers unmittelbar nach der tiefsten Schmach und Krän- kung, die ihm widerfahren konnte. In dieser Stimmung schreibt er: „Wenn ich Indien gestohlen und den Mauren gegeben hätte, könnte man mir in Spanien keine grössere Feindseligkeit erweisen," ferner : „Ich könnte es beschwören, dass eine grosse Zahl Männer nach Indien kommen, welche der Gnade der Taufe weder vor Gott, noch vor den Menschen würdig sind. Der Kommandeur (Bobadillaj hat sie alle zu meinen Feinden gemacht, nach seiner Art zu handeln und nach den von ihm gebrauchten Formen. Er war mir schon sehr feindlich gesinnt, als er ankam Noch nie ist es erhört worden, dass jemand, der ausgeschickt ward, eine Untersuchung vorzunehmen, Rebellen sammelte und sie zu Zeugen gegen den auf- rief, der sie regierte. Wenn Ihre Hoheiten über die Vorgänge auf der Insel eine Untersuchung anstellen Hessen, wahrlich sie würden sich wundern, dass die Insel noch nicht verschlungen ward." Verletzter Stolz, Enttäuschung und unbefriedigte Habsucht der Spanier hatten im Verein mit mancherlei Missgriffen des Admirals die Stimmung in der Kolonie, wie im Mutterlande, und zwar bis in die höchsten Kreise, umgewandelt und gegen ihn gekehrt. Zu den Missgriffen gehören . Die dritte Reise des Columbüs. 93 1. Seine Uebertreibungen, denen wir in allen Berichten begeg- nen. Er weiss weder Mass zu halten, wenn er klagt, dass man ihn während sieben Jahren überall zurückgewiesen habe , dass er mit seinen Plänen von jedermann verlacht worden sei und nur zwei Freunde gehabt habe, die ihn verstanden und ihm treu geblieben seien, noch da, wo er die Schätze der neu entdeckten Länder rühmt, wenn er die Insel Hispaniola für das Ophyr des Königs Salomo, die Halbinsel Paria (terra Gracia) für das irdische Paradies erklärt und den Goldreichtum von Veragua masslos preist. Auch schenkt er den abenteuerlichsten und unwahrscheinlichsten Erzählungen und Gerüchten Glauben. Seine Berichte verursachten, was man heute in der englischen Sprache „a rush" nennt, ein ungestümes Herbeieilen habgieriger Abenteurer nach den gepriesenen neuen Goldländern. Alle Leiden- schaften einer verkommenen Gesellschaft wurden hier entfesselt, Un- ruhen, Unzufriedenheit und Klagen über die Enttäuschung folgten bald nach und kamen auch nach Spanien. Aber auch die Regie- rung fand, dass Columbüs ihre Erwartungen nicht erfüllte, dass er, statt die leeren Staatskassen zu füllen, nur immer neue Ansprüche an dieselben machte. 2. Die Landung in Cascaes und der Besuch bei dem König von Portugal bei der Rückkehr von der ersten Reise, durch welche der spanische Nationalstolz verletzt wurde. Sie hätten unterbleiben kön- nen, obwohl Columbüs sich später damit entschuldigte, dass seine Segel zerrissen gewesen seien. 3. Die Ernennung seiner beiden Brüder zu seinen Stellvertretern auf Hispaniola, von denen der jüngere, Diego, offenbar aus Mangel an Kenntnissen und Erfahrungen den schwierigen Aufgaben in Isa- bella nicht gewachsen war, der andere aber durch seine Härte und Grausamkeit sich verhasst machte. Nach Las Casas war der Ade- lantado (Statthalter) Bartolome Colon ein gelehrter, kluger und vor- sichtiger Mann, von unbeugsamem Willen und herzlos. Er habe auf den Admiral so grossen Einfluss ausgeübt, dass man demselben alle Fälle von grosser Strenge und Grausamkeit zuschreiben müsse, wegen deren Roldan, Hojeda und ihre Gesinnungsgenossen den Admiral in Spanien verklagten. Die nationale Abneigung gegen die „Fremd- linge" kam hinzu. Auch wurde den Brüdern Habgier und Unter- schlagung des Goldes vorgeworfen, das sie an die Krone hätten abliefern sollen. 4. Die Versendung vieler Hundert unschuldiger Indianer in die spanische Sklaverei, wo sie hülflos und elend zu Grunde gingen, 94 Die dritte Reise des Columbus. sowie die Befürwortung weiterer Sendungen als gewinnbringendes Geschäft. Es wurde schon hervorgehoben, dass das Gefühl der Königin sich dagegen sträubte. Mit Recht rühmt man sie wegen ihres Mit- leids mit den Eingeborenen von Hispaniola, das auch in der Instruk- tion, welche Gouverneur Ovando nach San Domingo mitnahm, seinen Ausdruck fand. Es wird besonders hervorgehoben, dass auf ihren ausdrücklichen Wunsch ein Paragraph aufgenommen wurde, welcher folgenden Wortlaut hatte: „Dass alle Indianer auf Hispaniola frei von Knechtschaft sein und von niemand belästigt werden sollten, und dass sie als freie Vasallen leben, gerecht regiert und beschützt werden sollten, wie ihre Vasallen in Castilien. " Allein selbst die Stimme der allgemein geachteten und beliebten Königin verklang und blieb unbeachtet in jener Zeit, wo die Religion so oberflächlich, die Verwilderung der Sitten und Gefühle so tief und weit verbreitet war, wo die Nächstenliebe eines Las Casas unter der Geistlichkeit selbst so vereinsamt dasteht. Den spanischen Conquistadoren gegenüber erscheint uns Colum- bus bei all seinen Schwächen als ein edler Mann. Unzweifelhaft war er jedoch ein eigentümliches Gemisch von wahrer Frömmigkeit und religiöser Schwärmerei, von Gerechtigkeitsliebe und Habsucht, von praktischem Sinn und Mangel an Klugheit und Menschenkenntnis, von gutmütigem Wohlwollen und leichter Erregung selbst zur Grau- samkeit, Enthusiast im Glück und kein geduldiger Träger des ver- schuldeten Unglücks. DIE VIERTE REISE DES COLUMBUS NACH DER NEUEN WELT1. Abfahrt von Cadiz am II. Mai 1502. Rückkehr nach Sanlücar am 7. November 1504. Columbus war noch immer der Meinung, Ostasien entdeckt zu haben. Er wollte weiter gen Westen vordringen, Indien und das gelobte Land aufsuchen und das heilige Grab erobern. Mit seinen geringen Kenntnissen und irrigen Vorstellungen von der Erde hatte er mehr und mehr schwärmerische religiöse Ideen verknüpft. Sein mit den Jahren zunehmender Mysticismus, genährt durch falsch ver- standene Stellen der Bibel , zumal der Offenbarung Johannis, führte ihn während seiner langen Unthätigkeit zu Sevilla im Jahre 1501 zu seinem „Libro de las Profecias" (Buch der Weissagungen). Er glaubte, die Welt werde in 155 Jahren untergehen, und suchte Isabella und Ferdinand klar zu machen, dass sie unter solchen Um- ständen von Gott berufen seien, für eine möglichst rasche Ausbrei- tung des katholischen Glaubens zu sorgen. 1 Die drei Hauptquellen für die Ereignisse und den Verlauf dieser Reise sind : 1. der Bericht des Admirals an die Könige Ferdinand und Isabella, welchen er am 7. Juli I5°3 bald nach seiner Ankunft auf Jamaica nach San Domingo zur Weiter- beförderung sandte. Abgesehen davon, dass er den letzten Teil der Reise nicht berührt, ist er weder die Wiedergabe eines Tagebuchs, noch mit irgend welchen Positionsangaben versehen, dagegen mit so viel religiösen und sonstigen Betrachtungen, Klagen und ungeheuerlichen Urteilen untermischt, dass es nicht leicht hält, sich durchzuarbeiten und einigermassen. zu orientieren; 2. der kurze und höchst dürftige Bericht des Diego Porras; 3. das Testament von Diego Mendez, des treuen Dieners von Columbus, welches sehr willkommene Angaben und Ergänzungen zu den beiden vorigen enthält. Es ist Valladolid, den 6. Juni 1536 datiert. 9 6 Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt. Man kann sich vorstellen, dass nur wenige Ratgeber des Hofes geneigt sein mochten, solche Ideen zu unterstützen. Man muss sich deshalb mehr darüber wundern, dass er überhaupt, als dass er so spät die Mittel zu dieser geplanten vierten Reise erhielt. Dieselben waren freilich bescheiden genug: vier kleine Caravellen, von 50 bis 70 Tonnen jede, mit einer Besatzung von 150 Mann. Als Notar und Geschichtsschreiber wurde der Expedition ein gewisser Diego Po r ras beigegeben. Auch machte des Admirals Bruder Bartolome, sowie sein 15 jähriger Sohn Fernando die Fahrt mit. Die Namen der vier Barken waren : La Capitana, geführt von Diego Tristan, la Santiago de Palos, unter dem Befehl von Francisco de Por- ras, la Viscaina, geführt von einem Genuesen Bartolome de Fresco, und la Gallego, unter dem Befehl von Pedro Torres, dem Bruder des Diego. Von besonderem Interesse sind einige der Verhaltungsmassregeln, welche dem Admiral von den Königen Ferdinand und Isabella mit- gegeben wurden. Es wird ihm nämlich befohlen: 1. eine oder zwei Personen mitzunehmen, welche Arabisch ver- stehen ; 2. schnell und auf gradem Wege gen Westen vorzudringen und Hispaniola dabei zu vermeiden; 3. keine Sklaven mitzubringen. Wenn aber Jemand aus freiem Willen kommen würde und in der Absicht, später in seine Heimat zurückzukehren, so solle Columbus ihn auf- und mitnehmen. 4. Endlich war dem Notar aufgegeben, über alle Ereignisse während der Fahrt Buch zu führen. Der Admiral liess am 11. Mai 1502 die Anker lichten und die Segel aufziehen. Er erreichte am 20. Mai die Insel Ferro, blieb hier bis zum 26., durchsegelte bei günstigstem Winde den x^tlanti- schen Ozean, landete den 15. Juni auf der Insel Matinino (Mar- tinique), von wo er sich nach dem nahen Dominica wandte. Von hier wollte er direkt auf Jamaica lossteuern; doch schlug in der Nacht nach seiner Ankunft das WTetter um und es folgte eine lange Reihe von Stürmen mit Schiffbruch und sonstigem Ungemach. Dies bestimmte Columbus, trotz des königlichen Verbotes, sich nach San Domingo zu wenden, um dort eines seiner Schiffe, das Schaden gelitten hatte, gegen ein besseres zu vertauschen. Als er aber am 29. Juni dort ankam und in einem Briefe an den Gouverneur de Ovando um »Erlaubnis zur Landung und zum Umtausch seines schlechten Schiffes gegen ein besseres auf seine Kosten bat, wurde ihm beides versagt. Offenbar hatte Ovando strengen Befehl, das Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt. 97 Betreten der Insel durch den Admiral und seine Brüder zu verhüten, da es nicht denkbar ist, dass er in diesem Falle aus eigenem Antrieb handelte. So konnte Colon nur ein Paket für Spanien bestimmte Briefe abgeben und musste sich von neuem der erregten See anver- trauen. Das Unwetter wurde schrecklicher als zuvor und trennte die Fahrzeuge von einander. Die Lage war zum Verzweifeln. In seinem Bericht, welchen der Admiral später von Jamaica aus an die Könige sandte, äussert er sich darüber wie folgt: „Welcher Mann, selbst Hiob nicht ausgenommen, würde nicht bereit gewesen sein, aus Verzweiflung zu sterben in der Lage, in welcher ich mich befand. Ich war besorgt um meine eigene Sicher- heit und um diejenige meines Bruders, meines Sohnes und meiner Freunde, als mir die Erlaubnis verweigert wurde, zu landen, oder in einen Hafen an der Küste einzulaufen, welche ich durch Gottes Gnade mit so viel Mühe und Gefahr für Spanien gewonnen hatte." Jener Sturm, ein westindischer Hurricane, fand am 14. Juli 1502 statt. Ein Teil der Flotte des Ovando sollte gerade nach Spanien zurückkehren. Der Wirbelsturm vernichtete fast alle Schiffe ; die wilde See verschlang auch Bobadilla, Roldan und andere Feinde des Admirals, welche an Bord waren, vor dessen Augen. Ihm aber ge- lang es, durchzukommen, auch zwei Tage später, als das südöst- liche Jamaica in Sicht kam, seine übrigen schwachen Fahrzeuge mit ihren Insassen glücklich wiederzufinden. Die See wurde ruhiger, aber eine starke Strömung trieb die Schiffe zwischen Jamaica und Cuba bis zu dem „Garten der Königin" durch, ohne dass Land in Sicht kam. Am 24. Juli erreichte Columbus die flache, sandige Insel Pinos, welche er auf seiner zweiten Reise entdeckt hatte, nahm dann süd- westlichen Kurs, kam aber wegen täglicher, heftiger Gewitterstürme und einer starken Gegenströmung nur langsam Voran. Endlich ent- deckte er am 30. Juli die kleine Insel Guanaja (Bonaca), an der Küste von Honduras und warf am folgenden Tage an letzterer, an einer von ihm Punta Caxinas1 genannten Stelle, nicht weit von der heutigen Stadt Truxillo (Trujillo), Anker. Damit hatte er die Mitte der Nordküste des heutigen Honduras erreicht. Statt nun aber die Fahrt in westlicher Richtung fortzusetzen, segelte er ostwärts angesichts der Küste hin und erreichte endlich nach manchen 1 Caxinas oder Casinas war der Name der Eingeborenen für eine Art wilder Obstbäume der sandigen Küste. Offenbar ist damit die Coccoloba vtvifera L., ein niedriger Baum aus der Familie der Polygoneen zu verstehen. Rein, Gesammelte Abhandlungen. -, 98 Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt. Schwierigkeiten durch ungünstige Winde mit seinen beschädigten Fahrzeugen am 12. September das Ende des grossen östlichen Vor- sprungs von Mittelamerika in der Breite von Martinique (150 N) und in südlicher Richtung von der Insel Pinos. Im Hinblick auf die glückliche Errettung aus unzähligen Ge- fahren während der letzten 88 Tage, einer nun endigenden Periode voll heftiger Stürme und Gewitter, nannte der Admiral die Stelle Cabo de Gracias ä Dios, „Cap der Gnade Gottes". — Er hat uns in einem Briefe an die Könige von den Drangsalen dieser Sturm- periode eine ergreifende Schilderung hinterlassen, von der hier ein Teil folgt: „88 Tage dauerten die Qualen dieses entsetzlichen Unwetters, während deren ich zur See war und weder Sonne, noch Sterne sah. Meine Schiffe waren ihm ausgesetzt mit zerrissenen Segeln ; Anker, Takelwerk, Taue, Boote und eine grosse Menge Vorräte waren ver- loren gegangen. Meine Leute waren sehr schwach und niederge- schlagen. Viele von ihnen nahmen sich vor. ein christliches Leben zu führen; alle gelobten eine Pilgerfahrt nach glücklicher Errettung. WTohl haben wir manchen andern Sturm kennen gelernt, aber keinen von so langer Dauer. Vielen, welche wir für tapfere Männer hiel- ten, entsank wiederholt der Mut. Die Leiden meines Sohnes, wel- cher mit mir war, schmerzten mich in der Seele, und um so mehr, wenn ich sein zartes Alter in Betracht zog, denn er war erst 14 Jahre nach des Vaters Angabe 13} alt, als er so viele Mühsale ertragen musste. Doch gab ihm unser Herrgott Kraft, um selbst die andern aufzumuntern; er arbeitete, als ob er schon 80 Jahre auf der See gewesen wäre, und das tröstete mich. Ich selbst war krank gewor- den und manchmal dem Tode nahe; doch lenkte ich von einer kleinen Kajüte aus, die ich mir auf dem Deck hatte herrichten lassen, unsern Kurs. Mein Bruder befand sich in demjenigen Schiff, das am gebrechlichsten war und am meisten gelitten hatte; das machte mir um so mehr Sorge, als ich ihn gegen seine Neigung mitgenom- men hatte." Die Küste beim Cap Gracias ä Dios war niedrig, der Boden wenig fruchtbar und die Bevölkerung sehr wild, so dass Columbus keinen Anlass zu längerem Verweilen hatte. Das Wetter hatte sich ö für die Weiterfahrt günstig gestaltet. So segelten denn die Spanier angesichts der Küste und ihrer Richtung folgend erst gen Süden, dann nach Südosten am heutigen Nicaragua und Costa Rica hin. Sie erreichten am 25. September die Mündung eines Flusses, den Colon Guyga nennt (der heutige Rio San Juan), und wo er bei Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt. 99 einem Orte Kariai Anker warf, um seine Schiffe wieder einiger- massen in Stand zu setzen und seinen Leuten etwas Erholung zu bieten, deren sie so sehr bedurften. Schon am 5. Oktober segelten sie weiter und kamen zur prächtigen Laguna (Bucht) von Chiriqui (90 N), im Staate Panama der heutigen Republik Colombia. Wiederum fängt das Gold an, im Berichte des Admirals eine grosse Rolle zu spielen. Beim Betreten der Insel Guanaja und der Küste von Honduras hatten die Eingeborenen die Proben dieses verlockenden Metalls, sowie Perlen beim Vorzeigen angestaunt und ihm damit bewiesen, dass ihnen diese Gegenstände fremd seien. Jetzt hörte er von Goldminen im nahen Veragua und von einem noch goldreicheren Lande Ciguare, das neun Tagereisen von Ve- ragua nach Westen und am Meer liege. Diese Aeusserungen und missverstandene Namen brachte er in Verbindung mit Marco Polo's Bericht über China. Er glaubt, die Indianer kennten den Gross- Khan und es sei der Ganges nur zehn Tagereisen weiter westlich von Ciguare gelegen. Dies Alles belebt von neuem seinen Mut. Am Tage Simons und Judä (28. Oktober) macht er sich auf nach Veragua, folgt zu dem Zweck dem Bogen, welchen die Küste von Chiriqui gegen den Isthmus nach Osten hin beschreibt, wird aber durch neue Gewitterstürme genötigt , nach dem Puerto Gordo (Chiriqui) zurückzukehren , indem Wind und Meeresströmung alle Anstrengungen vereitelten und die Schiffe in schlechtem Zustand waren. Nach 15 Tagen wurde ein neuer Versuch gemacht, die Fahrt fortzusetzen, aber ohne besseres Resultat. Als die Barken aus dem Schutze der Bucht heraustraten , empfing sie ein neues Unwetter. Nach des Admirals Worten „hatte man die See nie so hoch, so schrecklich, so bedeckt von Schaum gesehen. Sie zischte wie ein Kochkessel über mächtigem Feuer. Nie sah der Himmel so schreck- lich aus; Tag und Nacht zuckten die Blitze durch die unaufhörlichen Regengüsse vom dunklen Himmel. Es war, als werde sich die Sünd- flut wiederholen. Dies alles und die neuen grossen Verluste an Segeln und Booten nahmen meinen Leuten den Rest von Hoffnung und Mut. Sie wünschten sich den Tod. Doch es gefiel Gott, uns nochmals nach Puerto Gordo zurückkehren zu lassen, wo ich meine Lage verbesserte, so gut es ging." Es war am zweiten Weihnachtstage, einem Flusse gegenüber, der deshalb den Namen Rio Belen (Bethlehemfluss) erhielt, als das Wetter zur nochmaligen Rückkehr nach dem alten Zufluchtsort zwang. Bald darauf hatte sich aber günstigeres Wetter eingestellt, so dass der Admiral seine Fahrt wieder aufnehmen konnte. So kam er am ioo Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt. io. Januar 1503 von neuem an die Küste des Landes Veragua und vor die Mündung des Rio Belen1. Die Barken befanden sich jedoch in so schlechtem Zustande und ihre Bedienungsmannschaft war durch Ueberanstrengung und Krankheit so geschwächt, dass Columbus sich entschloss, über die Barre in den Fluss einzulaufen. Das erwies sich als grosses Glück, denn schon am folgenden Tage brachen heftige Stürme und Gewitterregen von neuem los und dauerten fast ohne Unterbrechung bis zum 14. Februar. Trotz des fortdauernden Regens sandte Columbus am 6. Februar seinen Bruder Bartolome mit 70 Mann flussaufwärts. Sie wurden von einigen landeskundigen Indianern nach mehreren, etwa 30 km entfernten Goldminen und dann auf einen hohen Berg geführt, wo man ihnen sagte, dass Gold vorkomme, soweit sie nur blicken könn- ten, bis 20 Tagereisen weit westwärts. Auch brachten Bartolome Colon und seine Leute Gold mit, welches sie während ihres vierstündigen Aufenthaltes am Lande gesammelt hatten. Weiter berichtet der Ad- miral, dass er Baumaterial in Ueberfluss gehabt, Häuser errichtet und einige dem Herrn von Veragua, Namens Quibian, zum Ge- schenk gemacht habe2. Die Eingeborenen seien jedoch rauher Natur, die Spanier anderseits sehr aufdringlich gewesen. Deshalb habe der Kazike Quibian beschlossen, die Wohnungen der letzteren zu verbrennen und alles niederzumachen. Er (Colon) sei ihm jedoch zuvorgekom- men und habe ihn, seine Frauen, Söhne und Diener gefangen ge- nommen, doch seien alle von den Schiffen entkommen. Unter diesen Umständen hielten es die Spanier für geraten, sich wieder der See anzuvertrauen. Das geschah im April während der Osternacht unter höchst ungünstigen Verhältnissen. Der Admiral wurde vom Fieber geschüttelt, und auch unter der Mannschaft gab es viele Kranke. Der SchifTsbohrwurm (Teredo navalis L.), diese von allen Seefahrern von jeher gefürchtete See- muschel, hatte sein Werk an den Caravellen vollbracht und ihre ins Wasser tauchenden Holzteile, wie eine Bienenwabe, durchlöchert. 1 Dieser „Bethlehemfiuss", dessen Mündung unter circa 90 N und 8o° 55' W Gr., östlich der Laguna de Chiriquf, gelegen ist, besitzt eine Barre in 2 m Tiefe, so dass Barken, wie die damaligen, leicht über -sie hinwegsegeln können. Die Land- schaft Veragua, deren Namen die Spanier hier kennen lernten, endet südlich mit der Halbinsel Azuero und ihrem südöstlichen Cap Mala (70 30' N, 8o°WGr.). 2 Die Gründung der Stadt Santiago de Veragua, welche in südlicher Richtung vom Orte Belen gelegen ist, wird hiermit in Verbindung gebracht. Es ist indes un- wahrscheinlich, dass die Leute des Admirals so weit kamen, und es würde kaum be- greiflich sein, dass sie in solchem Falle den Stillen Ozean nicht erblickt hätten. Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt, ioi Eine derselben, die Gallega, war dadurch so morsch geworden, dass sie das Wasser nicht mehr hielt und aufgegeben werden musste1. Auch die übrigen waren in einem sehr bedenklichen Zustande. Ander- seits rückten die feindlichen Eingeborenen heran und war noch grössere Gefahr im Verzuge; denn schon hatten diese in einem Kampfe den Spaniern grossen Schaden zugefügt und u. a. den Kapitän Diego Tristan getötet. Columbus berichtet, wie er in dieser verzweifelten Lage alle Hoffnung auf Rettung aufgegeben habe, zusammengebrochen sei, dann im Traume göttlichen Trost erhalten und neuen Mut gewonnen habe. Er erreichte gegen Ende April Belpuerto (Porto Bello) in der Bahia de Limones oder de la Marina. Auf der in dieser Bucht gelegenen Insel Manzanilla wurde in neuerer Zeit eine Stadt an- gelegt, welche dem Admiral zu Ehren Colon und nach einem Ameri- kaner, dem Hauptunternehmer der Panamäbahn, die hier endet, Aspinwall genannt wurde. Auch hat man in Colon zur Erinnerung an Columbus eine Bronzestatue desselben errichtet. In Belpuerto musste eine zweite, ganz untauglich gewordene Caravelle zurückgelassen werden. Den dringenden Bitten seiner Leute nachgebend, verliess nun der Admiral mit seinen beiden gebrech- lichen Schiffen und den geringen Vorräten, welche er noch besass, die Küste bei Punta de San Blas, um seinen Weg nach Hispaniola zu nehmen. Den beiden ersten günstigen Tagen folgten bald wieder heftige Stürme, welche ihn nordwärts zu den Caymanes-Inseln2, dann nach Cuba trieben, wo er in der Nähe der Stadt Trinidad am 13. Mai 1503 landete. Columbus sagt, er habe die Provinz Mayo erreicht, welche die Fortsetzung von Catayo sei. Er hält also das berührte Land für das unter dem Namen Mangi von seinem Landsmann Marco Polo er- wähnte südliche Nachbarland von China. Von hier wollte er sich nach Hispaniola begeben, nachdem er einige Tage zur notwendigsten Ausbesserung seiner im hohen Grade seeuntüchtigen beiden Barken und wohl auch zur Aufnahme einiger Lebensmittel verwandt hatte. Sein Weg führte ihn am „Garten der Königin" vorbei. Da bald von neuem widrige Winde und eine stürmische See einsetzten, musste 1 Nach Diego Porras musste die Gallega zurückbleiben, weil sie zu grossen Tiefgang hatte und die Barre nicht überschreiten konnte. 2 Diese drei bewohnten Koralleninseln liegen etwa 300 km südlich von Cuba und fast ebenso weit nordöstlich von der Insel Jamaica, der sie politisch zuge- hören. io2 Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt. die grösste Sorgfalt angewandt werden, um den Gefahren der zahl- reichen Korallenriffe zu entgehen. Columbus ankerte an einer Insel, verlor drei Anker, und als gegen Mitternacht das Wetter sich so verschlimmerte, dass man meinen sollte, das Ende der Welt breche herein, und die Kabel des zweiten Schiffes zerrissen, wurde, wie durch ein Wunder, der Zusammenstoss und die Vernichtung beider Fahrzeuge verhütet. In dieser Lage, sagt der Admiral, „war der eine Anker, welchen ich noch besass, nächst Gott meine einzige Rettung." Nach sechs Tagen, als sich das W7etter beruhigt hatte, konnte Columbus seine Fahrt wieder aufnehmen; aber es geschah mit zer- rissenen Segeln und fehlendem Takelwerk, mit morschen Schiffen voll W7urmlöchern, mit einer Mannschaft, welche, durch Aufregung^ Not und Ueberanstrengung entkräftet, nur noch mechanisch und hoffnungslos ihre Arbeit that. Bis Cap Cruz auf der Südseite von Cuba wurde der Östliche Kurs innegehalten, dann aber eine süd- liche Richtung eingeschlagen. Gegen Ende Juni Hess der Admiral die beiden Fahrzeuge an ein nahes, grösseres Land treiben. Es war nicht Haiti, sondern Jamaica, welches man erreicht hatte. — Die Feindschaft der Eingeborenen und die Unzufriedenheit des grössten Teils der Offiziere und Mannschaft nötigten Columbus, an Bord zu bleiben. Von hier aus verhandelte er mit den Indianern, um Lebens- mittel zu erlangen. Dabei leistete ihm sein vertrauter Diener Diego Mendez, wie in Veragua, unschätzbare Dienste. Mit ausserordent- lichem Geschick, mit Mut, Geistesgegenwart und gewinnendem Be- nehmen überwand derselbe viele Schwierigkeiten und machte die Eingeborenen willig. Einer derselben schenkte ihm ein Canoe aus einem ausgehöhlten Baumstamm. Mendez teerte es, versah es mit einem Mast und Segel, sowie mit Lebensmitteln, und wagte es, mit Fieschi, dem andern Diener des Admirals, und sechs Indianern darin die Fahrt nach San Domingo zu machen, um im Namen seines Herrn den Gouverneur Ovando um Hülfe zu bitten. Sie nahmen den schon erwähnten letzten Brief des Admirals an die Könige mit und begaben sich in Begleitung des Adelantado und 70 Spaniern nach dem Ostende von Jamaica, wo sie noch vier Tage warteten, bis sich günstiges Wetter einstellte, worauf sie ihre kühne Canoefahrt begannen und nach fünftägigem ununterbrochenen Rudern und Segeln im Cap San Miguel (jetzt Cap Tiburon) das Westende von Hispaniola erreichten. Die Eingeborenen kamen ihnen freundlich entgegen und brachten ihnen Nahrungsmittel in Fülle. Sie hatten derselben, sowie des Wassers während der beiden letzten Tage ihrer Fahrt ganz entbehrt. Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt. 103 Mendez sandte seine Jamaicaleute zurück, nahm sich dafür sechs Ruderer von Haiti und machte sich mit ihnen auf den Weg nach San Domingo, welcher nach seiner Angabe 130 leguas (ca. 723 km) betrug. Nachdem er den grössten Teii desselben zurückgelegt und die Provinz Asoa erreicht hatte, erfuhr er durch den Befehlshaber Gallego, dass Ovando ausgezogen sei, um die Provinz Xaragua zu unterwerfen. Er verliess deshalb sein Canoe, begab sich zu Lande dorthin, wo er den Gouverneur traf und ihm den Brief seines Herrn übergab. Ovando hielt Mendez sieben Monate lang zurück, bis er 84 Häuptlinge verbrannt oder gehängt hatte, darunter auch Nacaona, die Königin des Landes, der Jedermann Gehorsam leistete. Von Xaragua eilte Diego Mendez nach San Domingo und wartete auf die Ankunft eines Schiffes aus Spanien, da er keins vorfand, das er hätte benutzen können. Zum Glück kamen bald drei. Er kaufte eins derselben mit den Mitteln, die er für den Admiral aus seinen Revenuen erhalten hatte, belud es mit Vorräten verschiedener Art, darunter auch Schweine und Schafe, und sandte es unter Führung von Diego de Salcedo nach Jamaica zu seinem Herrn. Diego Mendez selbst aber benutzte die Rückkehr der beiden andern Schiffe, um sich mit ihnen nach Spanien zu begeben und dem König und der Königin einstweilen ausführlich von Allem zu berichten, was sich auf dieser Reise zugetragen hatte. Auch über die weiteren Vorgänge auf Jamaica giebt uns Diego Mendez Nachricht, ohne die Quelle anzugeben, aus der er sie in Spanien schöpfte. Hiernach hatte er kaum die Insel verlassen, als sich die Indianer weigerten, dem Admiral und der Mannschaft weiter Nahrungsmittel zu bringen. In der grossen Verlegenheit und Not, in welche die Spanier dadurch versetzt wurden, fand Columbus ein wirk- sames Auskunftsmittel. Er Hess die Kaziken vor sich kommen und erklärte ihnen, er sei auf Befehl Gottes in ihr Land gekommen. Ihr Verhalten gegen ihn habe Gott erzürnt. Derselbe werde ihnen deshalb in der künftigen Nacht am Mond ein untrügliches Zeichen seines Missfallens geben. Solches geschah am 29. Februar 1504. Die in der folgenden Nacht eintretende Mondfinsternis überraschte und erschreckte die Indianer dergestalt, dass sie dem Admiral versprachen, es solle ihnen nie mehr an Lebensmitteln fehlen. Auch hielten sie ihr Versprechen bis zum Tage der Abreise ihrer Gäste. Man hat diese Vorausverkündigung einer Mondfinsternis durch den Admiral als einen Beweis seiner umfangreichen mathematischen und astronomischen Kenntnisse angesehen und als Uebereinstimmung 104 Die vierte Reise des Columbüs nach der Neuen Welt. mit seinen angeblichen Studien auf der Universität Pisa. Da er jedoch sein mathematisches und astronomisches Talent sonst nirgends bekundet, obgleich sich dazu Hunderte von wichtigen Anlässen boten, so sind diejenigen wohl im Recht, welche annehmen, dass es sich dabei für Columbüs nicht sowohl um eine eigene Berechnung han- delte, als vielmehr um die Angabe eines Almanachs, die er in ge- schickter Weise zu verwerten wusste. Nachdem die erwähnte Nahrungssorge gehoben war, hatte der Admiral gegen eine Meuterei anzukämpfen, an welcher sich unter Führung des Kapitäns Francisco de Porras ein ansehnlicher Teil der Offiziere und Mannschaft beteiligte. Es gelang jedoch der grossen Energie des Bartolome Colon , welcher die Treugebliebenen um sich sammelte, die Meuterer in einem blutigen Gefecht vom 19. Mar 1504 niederzuwerfen. Die Unzufriedenheit mit dem Admiral hatte vornehmlich darin ihren Grund, dass er sich nicht von Cuba direkt nach Hispaniola gewandt hatte. Der vierzehn Monate lange Aufenthalt auf Jamaica mit all seinen Sorgen und Entbehrungen wäre dadurch, wie Diego Porras am Schlüsse seines Berichtes hervorhebt, ganz vermieden worden. Der Admiral dagegen sagt später in einem Briefe an seinen Sohn Diego, er habe die beiden Brüder Porras auf Empfeh- lung des Schatzmeisters Morales mitgenommen, den einen als Kon- troleur, den andern als Kapitän. Beiden seien für ihre Aemter die nötigen Kenntnisse und Talente abgegangen. Allmählich seien sie aber immer eitler geworden, und endlich hätten sie sich auf Jamaica gegen ihn aufgelehnt und ihn während fünf Monaten grausam ge- quält. Ovando hatte sich durch den ihm von Mendez überreichten Brief des Admirals wohl veranlasst gesehen, ein Schiff mit einer Antwort nach Jamaica zu senden, aber diese Antwort drückte nur sein Bedauern aus, dass er ihm nicht helfen könne. Dazu kam, dass er zum Abgesandten jenen Diego de Escobar gewählt hatte, welcher dem Admiral als ein Genosse und rühriger Helfershelfer des Roldan sehr wohl bekannt war. Ohne seinen Leuten das Landen auf Jamaica oder irgend welchen Verkehr mit ihren schiffbrüchigen Landsleuten zu gestatten, segelte Escobar noch am selben Abend nach Empfang einer Rückantwort von Columbüs wieder ab. Endlich aber und nicht lange nachher kam mit der Ankunft des Schiffes von Mendez für den Admiral und seine Gefährten die ersehnte Erlösung. Er hat den Tag später als einen der glücklichsten Rein, Gcsain mein; nuiunutimi^cn e eii wich 7 0 ÜBERSICHTSKARTE der Reisen k Entdeckungen des COLUMBUS. 1 .Reise 2 .Reise 3. Reise __♦_♦_,_,_ 4. Reise Maßstab 1:12.500.000 S. Martin $ Sf Christoph ~~~. SMartalaEedondalj^oHtserrat }--qdirla< ,25 )Dontimai (MartinUfw)\^ OsPlouis SlVincentQ o \Barbados :ay b o t ^<ö *°CElrt lerganm «*^ Tobago \Golf r.?ari Euntad? dad "(GaLcotltO I ■Qgelasierpc e^-' 60 Die vierte Reise des Columbus nach der Neuen Welt. 105 seines Lebens gepriesen, seinem treuen, opfermutigen Diener aber seine Dankbarkeit wohl durch Worte, nicht aber durch eine aner- kennenswerte That gezeigt. Ende Juni 1504 konnte er sich mit seinen Begleitern einschiffen. Nach kurzem Aufenthalt in San Do- mingo setzte er seine Fahrt fort und landete in San Lucar de Barrameda am 7. November 1504 nach einer Abwesenheit von 21/2 Jahren. ENDE DES CHRISTOPH COLUMBUS. SEINE NACHKOMMEN. Als Columbus zum letzten Mal den spanischen Boden betrat, war er ein an Körper und Geist gebrochener Mann. Die ausser- ordentlichen Anstrengungen, Gemütsaufregungen, Entbehrungen und Krankheiten während der beiden letzten Reisen hatten seine Gesund- heit geschwächt, Widerwärtigkeiten mancherlei Art, Undank und Enttäuschungen ihn verbittert und sein Urteil getrübt. Welch1 ein Gegensatz zwischen seiner ersten und letzten Rückkehr aus der Neuen Welt! Damals ein Triumphator, dem alle Welt zujauchzte, den Jedermann zu sehen und zu ehren wünschte, jetzt ein Schiffbrüchiger, auch in seinen Plänen und Hoffnungen, von niemandem beachtet, von vielen bereits vergessen. So vom Schicksal mitgenommen, begab er sich nach Sevilla. Von hier wollte er dem Hofe folgen und nach Segovia reisen. Da er aber zu schwach war, um seinem Pvange ge- mäss den Weg zu Pferd zurückzulegen, so bat er das Domcapitel um eine Sänfte, welche ihm am 26. November auch gewährt wurde. An demselben Tage starb in Medina del Campo1 seine alte Gönnerin, die Königin Isabella, welche später in der Kathedrale zu Granada beigesetzt wurde. Die Nachricht von diesem Tode, seine Krankheit und die Strenge des Winters bestimmten Colon, vorerst in Sevilla zu bleiben. Dagegen sandte er bald seinen Bruder Bar- tolome und seinen Sohn Fernando nach Segovia, dass sie dem König die Hand küssen und ihm mündlich Bericht abstatten möchten. Schon in seinem letzten Bericht an die Könige klagte er, dass er trotz zwanzigjähriger Mühen und Gefahren in Spanien kein Obdach 1 Bezirkshauptstadt der Provinz Valladolid, südlich der Stadt Valladolid. Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen. 107 habe, welches er sein eigen nennen könne. Wenn er essen oder schlafen wolle, müsse er in's Wirtshaus gehen, und meist fehle ihm das Geld, um seine Rechnung zu bezahlen. So schreibt er denn auch jetzt in einem Briefe an seinen Sohn Diego (derselbe war am Hofe zu Segovia) am 1. Dezember 1504. er lebe nur von An- leihen. Diese Klagen sind jedoch nicht allzu ernst zu nehmen. Colum- bus war wohl von Hispaniola ausgeschlossen und seiner Würden beraubt worden, nicht aber seiner legitimen Einkünfte. Er wohnte in Sevilla wohl allein , aber im vornehmsten Stadtteile , und hatte bei den grossen italienischen Bankfirmen daselbst hohen Credit. Auch erwähnt er in einem Briefe an Diego vom 13. Dezember, dass ei- sernem Bruder Fernando 150 Dukaten nach Segovia mitgegeben habe mit dem Auftrag, ihm (Diego) davon das zu übergeben, was er selbst nicht brauche. Demselben Briefe entnehmen wir weiter, dass der Admiral 4000 Castellanos (25000 Mark) als Anteil an den Einkünften von Hispaniola erhalten hatte. Anderseits ist bekannt, dass der König am 15. April 1505 auf jenen Anteil [\o%) an den Einkünften von Hispaniola Beschlag legen Hess , damit er der Schatzkammer in Sevilla zur Bezahlung von Schulden überwiesen werde. Am 23. Februar 1505 erhielt Columbus die königliche Erlaubnis, auf einem Maultier, statt zu Pferde, an den Hof zu kommen; doch konnte er erst drei Monate später mit Rücksicht auf seine Gesund- heit davon Gebrauch machen. Im Mai 1505 verliess er Sevilla, kam aber erst in Segovia an, nachdem Ferdinand schon nach den Haupt- städten von Leon abgereist war. In Segovia schrieb er am 25. August sein Testament nieder; dann reiste er über Salamanca nach Valla- dolid, indem er dem Hofe folgte, um von Ferdinand die Rücker- stattung seiner vorenthaltenen Rechte auf Hispaniola zu erbitten. Als er sah, dass er trotz wiederholter Gesuche kein Gehör fand, bat er, man möge seinen Sohn Diego statt seiner als Gouverneur nach der Insel schicken, indem er hoffte, dass gegen diesen, der lange am Hofe gelebt und beliebt war, auch in keinerlei Weise mit den Anfeindungen des Vaters verwoben war, keine Bedenken erhoben würden. Die Zeit war indes ungünstig. Man erwartete Philipp den Schönen und seine Gemahlin Juana aus Flandern. Ferdinand war nicht gewillt, in Fragen, welche besonders die Krone von Castilien und Leon angingen, ohne die Erben derselben gefragt zu haben, eine Entscheidung zu treffen. Zum Empfang seiner Tochter und io8 Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen. ihres Gemahls hatte er sich nach Villafranca an die französische Grenze begeben. Columbus hoffte von der Tochter und Erbin Isabella' s, dass sie auch im Verhalten zu ihm in ihrer Mutter Fusstapfen treten und seine Bitten gewähren werde1. Er sollte indes ihre Ankunft in Valladolid nicht erleben. Am 21. Mai 1506 starb er in einem Alter von etwa 60 Jahren, nachdem er zwei Tage zuvor sein Testament vor dem Notar, einem Geistlichen, sowie treuen Dienern und wahr- scheinlich auch in Gegenwart seiner beiden Söhne unterzeichnet hatte. Wenig beachtet, setzte man den Entdecker der Neuen Welt im Gewölbe des Franziskanerklosters zu Valladolid bei. Dort ruhten seine Gebeine bis zum Jahre 1509, wo sie sein Sohn und Erbe Diego nach der Gruft der Kapelle Santa Ana des Kartäuserklosters Santa Maria de las Cuevas bei Sevilla überführte. Es ist jedoch eine blosse Legende, dass auf des Admirals Wunsch die Ketten, in welchen ihn Bobadilla seiner Zeit gefangen nach Cadiz schickte, ihm mit in's Grab gegeben wurden. Im Jahre 1400 hatte der Erzbischof Gonzalo de Mena von Se- villa dieses Kloster nahe der Stadt am rechten Ufer des Guadalquivir gegründet und reich dotiert. Der Prior des Klosters, Diego de Luxan, fügte im Jahre 1507 eine neue kostbare Kapelle hinzu und nannte sie nach der heiligen Anna. In ihr ruhten die Gebeine Colon's, der zu Lebzeiten mit den Mönchen des Klosters in sehr freundlichen Beziehungen gestanden hatte, 28, nach andern Angaben sogar 32 Jahre, dann kamen sie in die Kathedrale von San Domingo. Schon im Jahre 1498 hatte der Admiral bei Gründung seines 1 Das war freilich ein Irrtum. Von den drei Kindern der spanischen Könige starb Don Juan, der Thronerbe und einzige Sohn, in der Blüte seiner Jugend (1497). Auch ihre ältere Tochter, die Königin Isabella von Portugal, starb vor der Mutter, während Dona Juana, die jüngere, welche an Philipp den Schönen, Erzherzog von Oesterreich, verheiratet war, Spuren von Wahnsinn zeigte. Daher bestimmte die Königin Isabella in ihrem Testamente kurz vor ihrem Tode, dass ihr Gemahl Fer- nando die Regentschaft übernehmen solle, falls ihre Tochter Juana (la Loca, die Wahnsinnige) als Erbin der Königskrone von Castilien und Leon nicht regieren könne. — Neuerdings sind in Spanien Stimmen laut geworden, welche behaupten, dass die edelangelegte Prinzessin dem Religionsfanatismus ihrer Eltern zum Opfer gefallen sei. Sie habe denselben nicht geteilt, ihren Abscheu vor der Inquisition, ihr Mitleid mit den armen, unschuldigen Opfern derselben kundgegeben. Das habe sie ihren Eltern entfremdet und schwermütig gemacht. Sie sei für wahnsinnig erklärt worden, obgleich sie erst in Folge der harten und unwürdigen Behandlung, die ihr dann zu teil wurde, dem Wahnsinn wirklich verfallen sei. Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen. 109 Majorats bestimmt, dass auf Hispaniola eine Kirche, die „Santa Maria de la Concepcion", gebaut und in einer Kapelle derselben Seelen- messen für ihn gelesen werden sollten. Das Testament vom Jahre 1506 bestätigt diese Bestimmung; doch fehlt beiden Verfügungen die Angabe darüber, wo er beerdigt sein wollte. Später, als Diego Colon zweiter Admiral und Vizekönig von Indien geworden war. wollte er in San Domingo ein Kloster gründen, das die Gebeine seiner Eltern und seines Onkels Bartolome, sowie seine eigenen auf- nehmen sollte. Dieser Plan kam jedoch nicht zur Ausführung. Nach Diego's Tode bat DofiaMaria deToledo, seine Wittwe, den Kaiser Karl V um Erlaubnis, dem Wunsche des ersten Admi- rals entsprechend, dessen Reste nach Hispaniola bringen zu dürfen. Der Kaiser gewährte bereitwilligst ihr Gesuch, jedoch fand die Ueber- führung wahrscheinlich erst einige Jahre später und nach dem 5 . No- vember 1540 statt. Eine Tafel in der Kathedrale zu San Domingo lautet: „Es ruhten an dieser Stelle die Gebeine des Don Cristobal Co- lon, des berühmten Entdeckers der Neuen Welt, vom Jahre 1536 an, in welchem sie aus Spanien übergeführt wurden, bis zum 10. De- zember 1877, wo man s*e ausgrub, um ihre Authenticität zu kon- statieren1." Als William Penn, der edle Quäker, im Jahre 1655 San Domingo besuchte, wurde „dem Ketzer" das Besehen der Gräber nicht ge- stattet, damit dasjenige des Columbus nicht entweiht werde. Das Erdbeben vom 19. Mai 1673 zerstörte die Kathedrale und auch die Gräber, so dass des Admirals Gebeine und Asche mit denen seiner Verwandten und Nachfolger, welche alle im Chor der Kirche begraben waren, sich vermischten. Dann kam der Ruin der Kolonie und die Vernachlässigung und thaten das übrige. Wohl hatte man nach dem Erdbeben die Gebeine des Admirals, so viel man vermochte, wieder feierlich bestattet. Als aber im Jahre 1795 San Domingo den Franzosen in die Hände fiel, Hess der spanische Admiral Don Gabriel d'Artizabel das Gewölbe öffnen, sie herausnehmen und nach Habana überführen, in dessen Dom sie dann am 19. Januar 1796 unter entsprechenden Feierlichkeiten wieder beigesetzt wurden. Was man in San Domingo fand, waren Reste von Verwandten des 1 Reposaron en este sitio los restos de Don Cristobal Colon, el celebre des- cubridor del nuevo mundo desde el ano de 1536 en que fueron transladados de Espana hasta el 10 Decembre de 1877 en que se desenterraron para constatar la autenticidad." i io Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen. Admirals, wie dies bereits im Jahre 1879 von Hallazco nachgewiesen wurde1. Diego Colon, der zweite Admiral und Vizekönig Indiens, Sohn und Erbe des grossen Entdeckers, war kaum sechs Jahre alt, als er mit seinem Vater von Portugal nach Spanien kam. Nachdem er eine Zeitlang in Cördoba die Schule besucht hatte, wurde er am 8. Mai 1492 zum Pagen des Kronprinzen Don Juan ernannt. Als dieser am 4. November 1497 in Salamanca starb, nahm die Königin den jungen Colon an ihren Hof und reihte ihn später in ihre „Hundert Garde" ein, und als auch Isabella gestorben war, zog der König ihn in seine Nähe, wo er bis Ende 1505 blieb, um dann seinem kranken Vater zur Seite zu stehen. Daraus darf man schliessen, dass Diego eine am Hofe gern gesehene Persönlichkeit war. Dazu trug seine stattliche Gestalt und vornehme, würdige Haltung offenbar viel bei. Gleich seinem Vater war er von hohem Wuchs und wohlproportio- niert, hatte aber vor ihm die seiner Erziehung und seinem Umgang entsprechenden feineren Formen voraus. Im Jahre 1508 heiratete Diego Colon die Dona Maria de Toledo, einzige Nichte des Herzogs Alba, eine Verwandte des Königs von mütterlicher Seite. Bald nachher gab ihm der König die Titel und Rechte zurück, welche man seinem Vater genommen und auch ihm zuerst vorenthalten hatte. Er wurde demnach als Gouverneur von Hispaniola eingesetzt und OVando zurückberufen. Sein letztes Werk in Spanien war die schon erwähnte Ueberführung der Leiche seines Vaters von Valladolid nach Sevilla. Im Juni 1509 schiffte sich „der zweite Admiral" mit seiner jungen Frau, seinem Onkel Bartolome und Bruder Fernando nebst einem zahlreichen Gefolge nach San Domingo ein, übernahm die Regierung und gründete noch in demselben Jahr Niederlassungen auf Cuba und Jamaica. Spanische Kolonisten folgten in grosser Zahl. An Stelle der verdrängten und vernichteten einheimischen Bevölkerung traten fast überall Negersklaven. Ihre Feldarbeit wurde für die weissen Besitzer die Quelle des Reichtums und förderte den Verkehr mit dem spanischen Mutterlande mehr und mehr. Sanlucar als Vorhafen von Sevilla wurde mit letzterem Hauptstapelplatz dieses Handels; allmählich aber übernahm Cädiz die Führerrolle. Der Weg führte meist über die Canaren. Nach einem Bericht des Milanesen Girolamo Benzoni über seine Reise nach der Neuen Welt (1541 — 1556) gab 1 Los Restos de Colon. Infcrme de la Real Academia de la Historia al Go- bierno de S. M. sobre el Supuesto Hallazgo. Madrid 1879. Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen. i i i es in Las Palmas, der Hauptstadt von Gran Canaria, beständig Schiffe, welche von dort Wein, Mehl, Aepfel, Käse und andere Dinge nach Indien brachten. Unter solchen Umständen wuchsen die Einkünfte des Diego Colon in hohem Masse. Er ging wiederholt nach Spanien und stand bei Karl V in grossem Ansehen. Im Jahre 151g konnte er demselben 10 000 Dukaten für eine Reise nach Flandern leihen. Als er im Jahre 1526 wieder in Spanien war, lud ihn sein königlicher Herr ein, ihn nach Lissabon zu begleiten und an seiner Hochzeit mit Isabella, der Tochter König Emanuel's (Manuel I) , teilzunehmen. Kaum auf dem Wege dahin, starb Diego fern von den Seinigen in der Nähe von Toledo und wurde neben seinem Vater in der Kapelle Santa Ana bei Sevilla beigesetzt. Von den sieben Kindern aus seiner Ehe mit Maria de Toledo, drei Söhnen und vier Töchtern, war Luis, der Erbe des Majorats, das vierte. Don Fernando Colon, der zweite Sohn des ersten Admirals, überlebte seinen Bruder um zwölf Jahre. Von seiner Geburt und seiner Teilnahme an der vierten Entdeckungsreise seines Vaters war schon früher die Rede. Dieser liebte und schätzte ihn sehr, wie das schon aus seinem letzten Bericht an die Könige hervorgeht. Einen schönen Ausdruck seines Urteils und seiner väterlichen Gesinnungen finden wir in dem Briefe an seinen Sohn Diego vom 13. Dezember 1504. Dort heisst es: „Bezeuge Dich gegen Deinen Bruder, wie der ältere gegen den jüngeren thun soll. Du hast keinen andern, und Gottlob, dieser ist, wie Du nur wünschen kannst. Er ist mit glücklichen Anlagen geboren und bildet sie sorgfältig aus." Damit Fernando letzteres weiter möglich sei, wurde er von sei- nem Bruder schon bald nach seiner Ankunft in San Domingo mit der Flotte nach Spanien zurückgesandt. Im Jahre 1 5 1 1 Hess sich Fernando Colon in Sevilla nieder. Wenn er auch in der Folge von seinem Gönner, König Karl V, durch manche Aufträge ausgezeich- net wurde, so waren doch Studien und Reisen, sowie der Erwerb wertvoller Bücher während derselben seine Lieblingsbeschäftigungen. Wiederholt besucht er Italien und nimmt längeren Aufenthalt in Rom ; die Schweiz, Süd- und Westdeutschland, die Niederlande. London und einen Teil Frankreichs lernte er kennen, und in den Städten Spaniens selbst und ihren hervorragenden Bildungsanstalten war er kein seltener Gast. Im Frühjahr 1520 begleitete er in Folge einer Einladung Karl V nach den Niederlanden, wohnte dessen Krönung in Aachen bei, reiste 1 1 2 Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen. mit ihm nach Worms, blieb aber nicht zum Reichstage, sondern be- gab sich nach Italien, wo er bis zum Herbst 1521 verblieb. Auf der Rückreise, die er durch die Schweiz und über Nürnberg, Frank- furt, Köln und Aachen nach den Niederlanden nahm, traf er wie- der mit seinem königlichen Herrn zusammen und begleitete ihn im Juni 1522 nach London, und als im darauffolgenden Oktober Karl V in Santander landet, ist er neben den Hofleuten zu dessen Empfang zugegen. Von den besonderen Aufträgen des Königs von Spanien seien hier nur zwei erwähnt, weil sie mit der von uns früher (S. 65) be- sprochenen Demarkationslinie zusammenhängen. Am 19. Februar 1524 wurde er nämlich zum Schiedsrichter in der Streitfrage mit Portugal wegen der Molukken ernannt und nahm teil an der Kon- ferenz zu Badajoz (S. 67). Und als fünf Jahre später Karl V in Geldverlegenheit war, bestimmte er in Zaragoza als Abgesandter und Vertrauter seines Herrn die portugiesischen Bevollmächtigten zur Zahlung jener ungeheuerlichen Pfandsumme für die Gewürzinseln (S. 67). In Sevilla errichtete Fernando Colon aus carrarischem Marmor ein palastartiges Gebäude zur Aufnahme seiner berühmten Bibliothek und umgab es mit einem Garten, in welchem er eine grosse Zahl westindischer Gewächse anpflanzen Hess. Sie sind mit dem Ge- bäude längst verschwunden; doch konnte man 1871 noch das letzte Ueberbleibsel, einen schönen Breiapfelbaum (Achras Sapota L.) be- wundern. In der Biblioteca Colombina herrschte grosse Ordnung. Jedes Werk wies auf der letzten Seite Zeit und Ort seines Erwerbs auf. Ueber alle war ein Katalog vorhanden; doch gingen im Laufe der Zeit viele der wertvollsten verloren. Diese kostbare Bibliothek ent- hielt ursprünglich 12000 Nummern. Fernando vermachte dieselbe nebst seinem sonstigen Vermögen seinem unwürdigen Neffen Luis. Später kam sie in das Dominikanerkloster San Pablo in Sevilla, dann an das Domcapitel. Aus den noch vorhandenen 4000 Num- mern kann man auf ihren ehemaligen Reichtum und hohen Wert schliessen. Fernando Colon machte sein Testament am 3. Juli 1539 in Se- villa und starb daselbst neun Tage später. Er wurde in der dortigen Kathedrale beigesetzt, wo sein Epitaph die Namen der Begleiter seines Vaters auf der ersten Reise aufweist. Von seinen verschiedenen Schriften hat keine einen so langen und verwirrenden Einfluss geübt, wie die 1571 in Venedig erschienene Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen. i i 3 „Historia del S. D. Fernando Colombo". Nachdem sie lange Zeit als Hauptquellwerk für die Lebensgeschichte seines Vaters galt, haben in neuerer Zeit sorgfältigere, kritischere Forscher in Folge der unzähligen Widersprüche und Irrtümer die Ueberzeugung ge- wonnen, dass dieses Buch, wenn es überhaupt ursprünglich aus der Feder des Fernando Colon hervorging, doch später durch unbekannte Hände in hohem Grade verändert und verfälscht wurde. Luis Colon y Toledo, dritter Admiral Indiens, erster Herzog von Veragua, war beim Tode seines Vaters Diego nur vier Jahre alt. Seine Mutter führte als Vormund unter dem Titel Vizekönigin (Vireina) die Regierung von Hispaniola weiter. Sie war eine geistig hervor- ragende, edle und sehr energische Dame, der man allenthalben, in der Kolonie, wie im Mutterlande, mit grösster Achtung begegnete. Um ihres Sohnes Rechte in vollem Umfang zu sichern und zu schützen, begab sie sich im Jahre 1529 selbst nach Spanien, wo man ihr im könig- lichen Schlosse Wohnung anbot. Ihre Anstrengungen und unermess- lichen Opfer in dieser Angelegenheit erstreckten sich über einen Zeitraum von 14 Jahren. Don Luis hat es ihr schlecht gedankt, denn als sie am 11. Mai 1549 in San Domingo starb, war derselbe schon sittlich verkommen. Er hatte gegen ihren Willen geheiratet und zwei Jahre später zu dieser ersten Frau sich noch mit einer zweiten trauen lassen. Im Juni 1551 begab er sich nach Spanien und heiratete drei Jahre später noch eine dritte Frau. Dies und andere Vergehen waren selbst für die damalige Zeit mit ihren wilden Sitten zu viel. Luis wurde der Polygamie angeklagt, nach längerer Haft verurteilt und 1565 nach Oran, einem kleinen Ort der galicischen Provinz Lugo, verbannt, wo er 1572 in einem Alter von 50 Jahren starb. Für die Verwaltung Hispaniolas und der spanischen Kolonien überhaupt war durch die spanische Regierung schon längst in anderer Weise gesorgt. Was ihr dem Entdecker Colon und seinem Sohne Diego gegenüber nie gelungen wäre, das glückte ihr beim Enkel. Der Indische Rat vermochte durch seinen Bevollmächtigten, den Kardinal Garcia de Loaysa, den dritten Admiral zur Verzichtleistung auf die meisten seiner Privilegien zu bestimmen, und zwar gegen eine Jahresrente von 10 000 Dukaten, den Titel Herzog von Vera- gua, sowie einen Landstreifen von 25 Quadratleguas in jener Provinz und der Beibehaltung des Titels Admiral Indiens. Für die spanische Regierung wurden die Konzessionen, die man seinerzeit dem Entdecker Amerikas in Granada gemacht hatte, mehr und mehr zu einer unerträglichen Bürde; der leichtsinnige dritte Admiral befreite sie davon und verkaufte ihr seine ererbten Privilegien Rein, Gesammelte Abhandlungen. g ii4 Ende des Christoph Columbus. Seine Nachkommen. um ein Linsengericht. Seine Nachfolger aber verbinden mit dem Titel Duque de Veragua die Erinnerung an den grossen Gegensatz zwischen der Leichtfertigkeit und Ehrlosigkeit seines ersten Trägers und dem Manne, der nach unsäglichen Mühen und Gefahren die erste Kunde von der Landschaft Veragua nach Europa brachte und bis zu seinem Lebensende sich im Interesse seiner Erben bemühte, nichts von den umfangreichen Rechten preiszugeben, die er durch Vertrag und die Entdeckung Amerikas erworben hatte. BERGBAU DER PROVINZ HUELVA. RIO TINTO, THARSIS <äc. An Rio Tinto denkt zunächst, wer vom Bergbau der Provinz Huelva hört. Nicht der Fluss dieses Namens, den mancher von uns schon auf der Schulbank kennen lernte, sondern die grossartigen Kupfergruben in seinem Quellgebiete sind gemeint, wenn die beiden Worte fast täglich auf den Kurszetteln von Paris und London er- scheinen und auch in Deutschland oft genannt werden; denn wie die Rio Tinto -Aktien die fremden Börsen, so beschäftigen und be- einflussen Rio Tinto-Erze unsere einheimische Industrie. Ohne Zweifel ist der Erzbau im Quellgebiet des Rio Tinto der grossartigste und erfolgreichste, welchen Europa in neuerer Zeit aufzuweisen hat. Dennoch aber bildet er nur ein Glied, wiewohl das weitaus bedeutendste, und die östliche Kopfstation in dem grossen Grubengürtel, welcher die Provinz Huelva von Ost nach West, von der Grenze der Provinz Sevilla bis nach Portugal (wo Santo Domingos zwischen Guadiana und Rio Chanza als westliches Ende erscheint), durchzieht, und zwar in einer Länge von 85 km bei etwa 40 km Breite. Derselbe gehört fast ganz dem Gerichtsbezirk von Valverde an und umschliesst die trockensten, heissesten und unfruchtbarsten Teile der Provinz. Die wichtigeren Minen in diesem Landstreifen sind, wenn wir mit Rio Tinto beginnen: Poderosa und Buitron öst- lich des Odiel, Sotiel — Coronada und la Zarza bei Calaras auf der Westseite, sowie weiter nordwärts die neue Eisenkiesgrube Confes- sionario und San Telmo im Norden von El Cerro, ferner Cueva de la Mora und San Miguel im Gebiet von Almonaster la Real. Weiter west- lich und nordwärts von der Stadt Alosnö finden wir das altberühmte Tharsis (arab. Tarschisch) und nordwestlich davon die Grube Lagunazo, 8* n6 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. die schon dem Flussgebiet des Guadiana angehört. Noch viel näher an letzterem und der portugiesischen Grenze liegen die Minen von Santa Catalina, Cabezas del Pasto und Los Silos. Thonschiefer von vorwiegend dunkler, aber auch von grauer oder rötlicher Farbe, sowie Grauwacke, bilden die herrschenden Ge- steine dieses Gebiets; doch kommen auch in den krystallinischen Schiefern der hohen Sierra noch Gruben vor. Die häufige Faltung und Verwerfung dieser verschiedenen Schiefergesteine war schon er- folgt, als an der Südgrenze die jungtertiären Mergel und Meereskalke auf ihnen sich ablagerten. Man sieht dies deutlich bei Niebla und anderwärts, wo letztere in ungestörter horizontaler Lagerung die aufgerichteten dunklen Thonschiefer bedecken. An zahlreichen Stellen haben Quarzporphyr, der hin und wieder in eisenreichen Jaspis umgewandelt ist, und Diorit in ostwestlicher Richtung den Schiefer durchsetzt und mehr oder weniger verändert. Diese Kontaktzonen sind häufig die Fundstätten der Erze; doch giebt es auch mächtige Lager der letzteren, z. B. die von Tharsis, wo das Eruptionsgestein fehlt und das Erz in Schiefer eingebettet ist. Wie man auf der geologischen Karte Spaniens von Verneul & Colomb sehen kann, wurden früher die erwähnten Schiefer ins- gesammt der silurischen Formation zugezählt, ohne dass es für diese Ansicht sichere Anhaltspunkte gegeben hätte. Eine Ferienreise des verstorbenen Ferdinand Römer aus Breslau nach dem in Betracht kommenden Minengebiet im Herbst 1872 hatte zur Folge, dass das geologische Bild wesentlich verändert wurde. Als er beim Besuch des Braunsteinbergwerks Risco Baco bei Alosno seinen Begleiter fragte, ob man in dem Thonschiefer der Umgegend keine Ver- steinerungen gefunden habe, wurde er an eine Stelle geführt, wo derselbe mit gut erhaltenen Schalen einer Meeresmuschel (Posidonomya Becheri) erfüllt war, welche den Geologen schon lange als Leitfossil aus den Kulmschiefern der unteren Kohlenformation anderer Länder bekannt ist. Auch bei den Rio Tinto-Minen finden sich zahlreiche, gut erhaltene Abdrücke und Steinkerne, doch keine Schalen dieser Muschel, ebenso an vielen andern Stellen. Es ist vornehmlich das Ver- dienst des vortrefflichen, unermüdlichen Landesgeologen D. Joaquin Gonzalo y Tarin, die meisten dieser Nachweise geliefert und die Kulmformation gegen das Obersilur und die zahlreichen Inseln an- stehender Eruptivgesteine der Provinz abgegrenzt zu haben. Mit Kulmschiefern endet die Sierra Morena in unserem Gebiet gen Süden. Sie begleiten namentlich den Unterlauf des Guadiana beiderseits auf weiter Strecke, ebenso weiter östlich den Piedras, Odiel und Rio Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 117 Tinto bis gegen ihre Rias hin, indem die Erosion die später auf- gelagerten Diluvial- und Tertiärgebilde beseitigt und den Schiefer in Streifen längs beider Ufer blossgelegt hat. Es sind vornehmlich Kupfererze, welche der Provinz Huelva ihren grossen Aufschwung und Ruf gebracht haben, deren Gewin- nung, Verarbeitung und Versendung viele Zehntausende ihrer Be- wohner beschäftigen und nähren, und zwar Erze der ärmsten Sorte. Gediegenes Kupfer, welches in den berühmten Gruben am Lake Superior, wie Calumet und Hekla, eine so grosse Rolle spielt, findet sich in den meisten Minen unseres Gebietes gar nicht, in andern nur in sehr geringen Mengen. Dasselbe gilt vom Rotkupfererz. Auch die reicheren Sulfide, wie Buntkupfer, Kupferglanz und Kupfer- kies treten nur in untergeordneter Menge auf und sind hier und da mit Kupferschwärze überzogen oder ganz in solche umgewandelt. Feinkörniger oder dichter Schwefelkies mit einem durchschnitt- lichen Kupfergehalte von nur 2 — ^% und 48 — ^0% Schwefel ist das Material, welches hier vorwiegend in Betracht kommt. Die geringe Teufe von meist nur 20 — 40 Metern, in der man ihm begegnet, so dass es in der Neuzeit an vielen Orten durch steinbruchähnlichen Tagebau gewonnen wird, und ein so massenhaftes Vorkommen, wie man es sonst nirgends auf der Erde findet, bedingen den hohen Wert. Der Kupfergehalt dieser Erze steigt selten auf \2% und darüber, häufiger bleibt er unter 2%; ja es giebt mächtige Lager reinen Schwefelkieses, wie das von Confessionario bei der Station Valdelamusa an der Zafra- Huelva -Bahn, die nur ihres Schwefelge- haltes und ihrer leichten Abbaufähigkeit wegen eine gewinnreiche Benutzung zulassen. Der Kupferbergbau in demjenigen Teile Andalusiens (Turdeta- niens), um den es sich hier handelt, ist ein sehr alter. Er reicht in seinen ersten Anfängen bis zur vorgeschichtlichen Zeit zurück, wie schwere steinerne Hämmer und andere Werkzeuge aus der Steinzeit beweisen, welche man hier und da, z. B. bei der Grube Cueva de la Mora , gefunden hat. Die Eröffnung wirklicher Minen fand wahrscheinlich erst durch die Phönizier statt, denen später die Karthager folgten. Nach Besiegung der letzteren traten die Römer auch im Bergbau auf der Iberischen Halbinsel deren Erbe an. Sie betrieben die Kupferminen im Quellgebiet des Urium (Rio Tinto), von Tharsis und andern Orten in einem Umfang und mit einer Umsicht, gegen welche die Leistungen ihrer Vorgänger weit zurück- standen; sie stellten bessere Verbindungen mit der Küste her und schützten den Betrieb und Verkehr durch die Anlage von Kastellen n8 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. und Brückenbauten , wovon namentlich Niebla (Illipula) und seine vortrefflich erhaltene Brücke über den Rio Tinto, sowie Mauerreste auf dem 485 m hohen Cerro de Salomon an den Quellen des Flusses Zeugnis geben. Im Minenbetrieb selbst, der seinen grössten Auf- schwung während der Kaiserzeit erreichte, führten sie manche zweck- mässige Neuerung ein. Die Halden und Schlackenablagerungen wuchsen unter ihnen teilweise zu förmlichen Hügeln an. Die römischen Bergwerke wurden von Sklaven bearbeitet. Das Loos derselben war ein recht trauriges. Die von ihnen getragenen Fig. 2. Römisches Wasserrad. Fesseln : Ketten, sowie Hals- und Fusseisen, findet man häufig. Da es noch keine regelmässig getriebenen, geräumigen Stollen, keine Ventilation und andere Vorrichtungen zur Erleichterung der Arbeit gab, man vielmehr in engen, gewundenen Gängen, bald auf-, bald ab- steigend, dem reicheren, bröckligen Erz folgte, mussten die Sklaven meist auf dem Leibe oder dem Rücken liegend und mit Händen und Füssen weiterkriechend ihre Arbeit verrichten. Zur Wasser- haltung dienten Tretmühlen mit Schöpfvorrichtung. Im Jahre 1886 fand man in den Rio Tinto -Minen eine derartige, gut erhaltene Anlage (siehe Abbildung) mit zwei Rädern von 4,5 m Durchmesser nebeneinander. Die Arbeiter, welche sie in Thätigkeit setzten, Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 119 hielten sich dabei an Seilen, statt an Balken. Besonders zahlreich sind die Funde von römischen Gefässen, Lampen, Ziegeln und Münzen aus der Zeit, wo die Procuratores metallorum (Bergdirektoren) der Kaiser Nerva und Honorius hier das Regiment führten. Als das römische Reich zerfiel, folgte im Bergbau der Provinz Huelva eine vielhundertjährige Ruhe, die weder von den Westgoten, noch von den Mauren unterbrochen wurde; wenigstens fehlen alle sicheren Anhaltspunkte für einen Betrieb der Minen unter diesen Völkern. Erst unter Philipp II wurden die alten Kupfergruben wieder eröffnet, ohne dass der Betrieb durch die spanische Regierung in der Folge ein besonders energischer oder erfolgreicher geworden wäre. Ein neues Leben und ungeahnten Aufschwung gewann der Bergbau erst, als vor etwa 30 Jahren englische und französische Gesellschaften mit bedeutenden Mitteln sich seiner bemächtigten und energische, gutgeschulte Beamte derselben die Leitung übernahmen. Zu welchem Umfang und Einfluss derselbe seitdem sich entwickelt hat, werden Zahlenangaben noch näher darlegen. Manganerze sind nächst den kupferhaltigen Schwefelkiesen das wichtigste mineralische Produkt der Provinz Huelva. Ihre*Auf- findung, Beachtung und Verwertung gehört fast ganz der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts an. Wie anderwärts (z. B. auf dem Wester- wald, im Thüringerwald, im Harz) bilden sie Nester oder unregel- mässige Lager im Eruptivgestein (hier in der Regel im Quarzporphyr, der häufig in braunroten Jaspis umgewandelt ist1), oder an der Grenze desselben und des alten Schiefers. Diese Mangannester begleiten die Eisenkieslagerstätten auf ihrem ganzen Zuge, halten sich aber immer in respektvoller Entfernung von denselben. Das vorherrschende und wichtigste Erz derselben ist ein dichter oder feinfaseriger Braunstein (Pyrolusit) , welcher den Mineralogen insofern enttäuscht, als dieser selten gutausgebildete Krystalle darin findet. Hartmanganerz und traubiger Wad sind seine geringwertigen Begleiter. Die billige Gewinnungsweise und der hohe Gehalt (bis 86^) des Pyrolusits an Manganhyperoxyd bewirkten, dass während der Blütezeit dieses Manganerz-Bergbaues (etwa von 1865 — 75) jähr- lich gegen 6 — 800000 Zentner Braunstein von Huelva ausgeführt und damit der grösste Teil des Bedarfs in England, Frankreich, Belgien und Deutschland gedeckt, ja dass spanischer Braunstein elb- aufwärts bis nach Aussig in Böhmen gesandt wurde. Mit demselben 1 Nach Römer's Ansicht ist dieser Jaspis nicht aus Quarzporphyr, sondern aus Quarzgängen hervorgegangen, welche zum Teil mauerartig hervorragen. 120 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. konnte der deutsche Pyrolusit nicht konkurrieren, so dass dadurch dieser Zweig unseres eignen Bergbaues sehr geschädigt und grössten- teils lahmgelegt wurde. Später, als der Bedarf an Braunstein überhaupt geringer wurde und der Preis des spanischen Erzes ebenfalls sank, ging dieser Teil des Bergbaues in der Provinz Huelva mehr und mehr zurück, so dass noch manches Braunsteinnest unberührt ge- blieben ist und von seinem Besitzer für günstigere Zeiten aufbewahrt wird. Blei-, Zink- und Antimonerze in Form der gewöhnlichen Sulfide, zum Teil mit beachtenswertem Silbergehalte, weist die Provinz ebenfalls vielfach auf, zumal im Gebiet der Alta Sierra ; doch werden die betreffenden Minen zur Zeit wenig betrieben. Indes wird es voraussichtlich nicht mehr lange dauern, bis auch sie einen ge- winnreichen Teil des Bergbaues in dieser westlichen Sierra Morena bilden werden. Gleiches gilt von dem Vorkommen der Braun- eisensteinlager und des Magnet- und Spat-Eisensteins. Das letzte erwähnenswerte Produkt aus dem Gebirgsbau der Provinz Huelva ist der Kalkstein, welcher in der Alta Sierra mit krysf&llinischen Schiefern wechsellagert, gleich ihnen aufgerichtet ist und in den Kontaktzonen mit Diorit und anderm alten Eruptivgestein an vielen Stellen in wertvollen weissen und bunten Marmor um- gewandelt wurde. Obgleich nun der früher bereits erwähnte, herr- lich gelegene Ort Fuenteheridos schon unter Philipp II Marmor zur inneren Ausschmückung des Escorial lieferte, blieb das Material später doch unbeachtet und seine Verwendung hier, wie anderwärts, auf örtliche Bauzwecke beschränkt. Erst durch die Umsicht und uner- müdliche Thätigkeit des Geschäftshauses Sundheim y Doetsch, welchem die Provinz und Stadt Huelva einen grossen Teil ihres Aufschwungs verdankt^ änderte sich die Sache. Nachdem die Firma in Verbindung mit dem Londoner Hause Matheson & Co. die Zafra-Huelva-Bahn gebaut und so über die Station Jabujo-Galaroza jenes Quellgebiet des Odiel, Murtiga und Huelva ;s. S. 14) in leichte Verbindung mit der Provinzial- Hauptstadt gebracht hatte, war die Zeit gekommen, auch an eine bessere Verwertung des Marmors zu denken. Es wurden neue Brüche eröffnet, zweckmässige Maschinen zur Aus- schneidung und Hebung grösserer Blöcke eingeführt und in der Nähe von Huelva (Station Peguerillas) eine Marmorsägerei und -Schleiferei eingerichtet, deren Erzeugnisse bereits zu verschiedenen öffentlichen Prachtbauten Verwendung fanden; auch das künftige Denkmal des Columbus bei der Räbida wird aus weissem Marmor von Fuente- heridos bestehen. Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 121 Als mineralisches Produkt unserer Provinz verdient auch noch das Seesalz einer kurzen Erwähnung, welches jeden Sommer an der Ria des Odiel bei Huelva in flachen Gräben durch Verdunstung des Wassers gewonnen und zur Seite zu einer Pyramide, die allmählich mehr als haushoch wird, aufgeschichtet wird. . Nicht weit von dieser Stelle mündet die 40 km lange Erzbahn von Tharsis auf langem Pier in den Odiel (siehe Kärtchen) . Ihre Anlage, einschliesslich der Landungsbrücke, soll gegen £ 500000 (ca. 10 Mill. Mark) gekostet haben. Man erreicht mittelst derselben Tharsis in etwa 2 Stunden 10 Minuten und das 7 km nähere Alosno in 1 Stunde 46 Minuten. Als ich beide Orte im Juli 1872 zum erstenmal besuchte, wählte ich den Reitweg über Gibraleon nach Alosno, das 33,5 km von Huelva entfernt ist. Die Stadt, welche sich über Kulmschiefer und Jaspisfelsen (168 m) erhebt, hatte vor 50 Jahren nur 2880 Ew. Der Aufschwung des Bergbaues hat ihre Bevölkerung seitdem auf 12045 Ew. gebracht und Alosno zum zweit- grössten Ort der Provinz gemacht. Die schon erwähnte Braunsteingrube Risco Baco von Sundheim y Doetsch liegt 10 Minuten weiter nordwärts. Ihr galt (1872) mein erster Besuch. Ein kurzer, steiler Anstieg führte uns, den deutschen Ingenieur und Direktor der Grube und mich, zum geräumigen und bequem eingerichteten Grubenhause, das wir nach siebenstündigem Ritt unter der heissen Julisonne so spät er- reichten, dass die Zeit nur noch zu einer kurzen Besichtigung der Halden und der benachbarten Klippen von festem braunroten Jaspis, die aus dem Schiefer hervorragen, ausreichte. Früh am andern Morgen begann ein reges Leben. Wir bestiegen die Grube, wo in geringer Tiefe Männer emsig beschäftigt waren, die Nester vortrefflichen Erzes zwischen Jaspis und Schieferdecke auszuleeren. Sie verdienten dabei täglich 12 — 14 Reales, wenn sie auf Tagelohn, 20 Reales und mehr, wenn sie auf Akkord arbeiteten1. Frauenhände sonderten auf der Halde die geförderten Erze und Gesteine ; ein monotoner Gesang, der mich an Nordafrika erinnerte, das ich erst acht Tage zuvor verlassen hatte, begleitete die Arbeit, mit der sie täglich 7 — 8 Reales gewannen. Die bessere zerkleinerte Waare wurde in Körben aus Stroh- oder Espartogras auf dem Rücken von Maultieren nach dem Hafen gebracht, was per Zentner 4 Reale kostete, während das schlechtere Erz erst durch die Pochwerke und Schlemmapparate ging, welche 1 Der Real, heutzutage nur noch spanische Rechenmünze, = 25 Centimos = 20 Pfennig, 4 Reales = 1 Peseta oder 1 Franc. 122 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. von einer Dampfmaschine betrieben wurden, die zugleich das dazu nötige Wasser aus dem Schacht pumpte. Die Arbeitszeit dauerte von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Um 7 Uhr war eine halbe Stunde Pause zum Frühstück, von 12 — 2 Uhr Mittag und Siesta. Ein Pfeifen der Dampfmaschine ausser diesen Zeiten, nämlich um 10 und um 4 Uhr, deutete den männ- lichen Arbeitern ausserdem die Viertelstunden an, wo sie die schweren Werkzeuge niederlegen und mit der Cigarette vertauschen durften. An Fleiss werden diese Leute, welche meist der nächsten Umgebung angehörten, von unsern Bergleuten nicht übertroffen, an Einfachheit und Nüchternheit und, was noch mehr ist, an fröhlichem Sinn nicht erreicht. Rohe Gurken, Zwiebeln oder etwas Obst nebst Brod, oder dieses mit Speck, ist das, was sie den Tag über genossen, bis abends nach der Heimkehr ein kräftigeres Mahl folgte. Eine Stunde weiter nördlich von Risco Baco liegt in 250 m Höhe die altberühmte Grube von Tharsis. Der Pfad dorthin führte uns über ein wellenförmiges, unfruchtbares Hügelland. Ringsum bedeck- ten Cistussträucher, namentlich die Jara comun (Cistus ladaniferus L.), die strauchförmige Heide (Erica scoparia Wulf) und andere Glieder des Monte bajo den unfruchtbaren Schieferboden. Vor uns, sowie fern im Nordosten sahen wir mächtige Rauchwolken hinter den stumpfen Bergkegeln aufsteigen. Dort röstete man mit dem harzigen Holze der Cistrosenbüsche die kupferhaltigen Schwefelkiese, von dort erstickten die schwefligen Dämpfe weit ringsum die an und für sich schon dürftige Vegetation. An der verlassenen französischen Grube Vulcano vorbei, deren Gebäude noch stehen, gelangten wir zu einem alten Schlackenfelde der Römer und dann zu der langen, sauberen Häuserreihe der Bergbeamten von Tharsis. Ganze Hügel von alten Schlacken finden sich häufig in dieser Region. Leicht erkennt man an einer deutlichen Linie die obere aus der Römerzeit und die untere Lage aus einer noch älteren Periode. Endlich sind wir an der Grube. Eine weite, gewaltige Schlucht, die von Ost nach West zieht und einem kolossalen Steinbruch ver- gleichbar ist, liegt zu unseren Füssen. Amphitheatralisch senken sich die Terrassen aus grauem und fleischfarbigem Schiefer bis zu einer Tiefe von 30 Metern, dann folgt ein ziegelrotes Band von Eisensteinen und endlich eine scheinbar homogene Masse von grün- lich schwarzer Farbe. Sie sieht aus und kontrastiert in ihrer Färbung ebenso, wie die dunkeln Rupelthone im Mainzer Becken, z. B. bei Nieder-Ingelheim, gegen die aufliegenden jüngeren Gesteine, Sande und Gerolle. Das ist der Erzgang, wenn man hier überhaupt noch Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 123 von Gang reden kann, ein Lager von 140m Mächtigkeit (Breite), erschlossen in einer Länge von 900 m, welches noch in einer Tiefe von 40 m keine Veränderung und kein Ende zeigt. Dieses mächtige Erzlager ist begrenzt von steil aufgerichteten dunklen Thonschiefern, welche gleich dem überlagernden Schiefergestein in seiner Nähe eine hellere Farbe zeigen. Es streicht mit ihnen von Ost nach West und fällt wie sie steil unter einem Winkel von 70 — 80 ° gen Süden ein. Hangendes und Liegendes haben gleiches geologisches Alter, werden der obersilurischen Formation zugerechnet, gehören aber vielleicht ebenfalls zum Kulm. Ueberall auf den Schieferterrassen erblickten wir thätige Hände , um sie immer mehr zurückzudrängen. Unten auf der Sohle, sowie seitwärts in den Gängen und Löchern ge- wahrten wir ein Pochen und Hämmern, ein Meissein und Sprengen, wie in Vulkans Werkstätte, um die Erze zu gewinnen und in kleine Stücke zu zerlegen. Wie auf den Terrassen das Maultier angewandt wurde, um auf den Schienengeleisen das wertlose Gestein fortzu- schaffen, so sauste hier unten aus dunklem Tunnel die Lokomotive mit ihrer Kette beladener Wagen hervor, um das Erz auf die Lan- dungsbrücke gegenüber Huelva und den Schiffen zuzuführen. Einem schmalen Pfad entlang gelangen wir hinunter in die Teufe. Wir treten ein in die grossen Gewölbe und in die dunklen Gänge; nach jeder Richtung erblicken wir den Schein einer Berg- mannslampe und das Funkensprühen von Meissein, welche sich in den harten Schwefelkies ihren Weg bahnen und die Sprengarbeit vorbereiten sollen. Nach einiger Zeit ertönen die Signalhörner; die Sprengung ist gelegt, an vielen Stellen zugleich, die Schwefelfäden werden angezündet. Jedermann zieht sich an einen sicheren Ort zurück. Bald folgt nach allen Richtungen ein dumpfes Krachen, dessen kurzes, tiefes Echo durch alle Gänge rollt. Eine mächtige Wolke von Pulverdampf wälzt sich hervor, dann lichtet sich der Raum und begiebt sich jedermann wieder auf seinen verlassenen Posten. Nun pfeift die Lokomotive und schiebt ihre leeren Karren vor, mehrere Hundert Hände regen sich, die Sprengstätten zu reinigen und das lose Material emsig zu verladen. In der dichten harten Masse aus Schwefelkies bildet das Schwefel- kupfer nach allen Richtungen Adern und Nester. Es ist von dunkler Farbe, bröckelig und weich. Ihm allein spürten die römischen Berg- leute nach und suchten die Stöcke aus kupferarmem Eisenkies zu umgehen. Ihre Schachte und Gänge sind zahlreich vorhanden und oft so eng, dass man sich wundern muss, wie jemand darin arbeiten konnte. Wo Wasser und Luft im Laufe der Zeit eingewirkt haben, 124 Bergbau der Provinz Huel va. Rio Tinto, Titarsis etc. sind die alten Wände mit faustdicker Kruste aus Kupfervitriol be- kleidet, und es hängen von den Decken fusslange Stalaktiten aus diesem Kupfersalze herunter. Wasserrädern und ausgezimmerten Schachten aus der Römerzeit ist man wiederholt begegnet; Bretter mit eingebrannten römischen Initialen und alte Münzen finden sich häufig. An einer Stelle trafen wir eine alte Haspelvorrichtung zum Emporwinden der Erzs aus wohlerhaltenem Korkholze, von dem ein Teil noch Rinde trug, die abfiel, als man mit dem Fuss dawider stiess. Früher wurden die Erze der Sierra Morena sämmtlich unterirdisch, in wirklichen Bergwerken gewonnen. So geschah es auch in Tharsis seitens der Besitzerin, einer französischen Gesellschaft. Sie versandte nichts von dem abgebauten Erz, sondern verarbeitete alles an Ort und Stelle zu Cement-Kupfer. Im Jahre 1866 ging die Grube pacht- weise an eine schottische Gesellschaft über, die ihren Sitz in Glas- gow hat und später auch das Eigentumsrecht erwarb. Sie ver- pflichtete sich, alle Kosten des Betriebs zu übernehmen und für jede Tonne Erz, die sie fördern würde, der Eigentümerin einen Fünf- frankenthaler zu zahlen. Die kaufmännische Kontrole behielt ein Franzose, die technische Leitung ein Engländer. Die neuen Unter- nehmer änderten nun die ganze Betriebsweise, führten den Tagebau ein und legten die schon erwähnte Erzbahn nach der Ria de Huelva an. Damit schwanden alle Störungen, welche sich dem unterirdischen Betrieb durch die zahlreichen alten Baue der Römer, auf welche man stiess, entgegenstellten, und verminderten sich die Kosten ansehn- lich. Es folgte eine grossartige, höchst gewinnbringende Ausbeutung des mächtigen Lagers. Bis Ende 1871 hatte die neue Gesellschaft 1045000 Tonnen Erz', die Tonne zu 10 Doppelzentnern, gefördert und davon etwa zwei Drittel nach Grossbritannien ausgeführt, während das übrige Drittel in Tharsis selbst auf Kupfer verarbeitet wurde. Die Förderung des Jahres 1871 allein betrug 340000 Tonnen; sie hatte damals diejenige in Rio Tinto um das Sechsfache überstiegen. Beschäftigt wurden 3500 Bergleute und sonstige Arbeiter, meist aus der Gegend stammend. Das weite Schlackenfeld und die vegetationslose Oede, welche im Lauf der Jahrhunderte durch das Rösten der Kupfererze bei der schwedischen Stadt Falun geschaffen wurden, sind von geringem Umfang, verglichen mit ähnlichen Erscheinungen im Osten der Riesengrube von Tharsis. Man hat berechnet, dass hier seit 1866 monatlich etwa 4000 Tonnen Schwefel durch das Rösten der Kupfer- erze verbrannt oder sublimiert wurden. Bergbau der Provinz Hüelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 125 Nach Beendigung des Röstprozesses fängt die Cementierung an. Das dazu nötige Wasser lieferte das Bergwerk selbst. Die Bassins folgen terrassenförmig aufeinander in grosser Zahl. Durch Einlegung von kleinen Barren eines schlechten englischen Gusseisens wurde hier aus der Kupfervitriollösung das Kupfer ausgeschieden , etwa 4000 Zentner im Monat. Dies machte (ums Jahr 1872) 48000 Zentner im Jahr oder etwa ein Dreissigstel der gesammten damaligen Kupfer- produktion der Erde. Die Tharsis-Gesellschaft erwarb später auch die Grube Los Silos und andere in der Nähe von Calanas, sowie La Zarza, wohin sie ihre Eisenbahn verlängerte. Auf diese Weise wurde es ihr möglich, ihren Rang und ihre Bedeutung nach Rio Tinto zu behaupten, auch dann, als die Ausbeute in Tharsis selbst ansehnlich nachliess. Sie förderte aus diesen verschiedenen Gruben : im Jahre 1883 im ganzen 490033 Tonnen Kupfererz, » » 1887 „ „ 568194 „ „ „ „ 1888 „ „ 669 118 „ „ . Rio Tinto. Die Bedeutung der berühmten Gruben dieses Namens wurde schon in der Einleitung zu diesem Artikel kurz her- vorgehoben. Wer sie in vollem Masse würdigen will, darf freilich nicht bloss den Börsengang der Rio Tinto-Aktien, die glänzenden Jahresabschlüsse und kurzen Berichte der Rio Tinto-Gesellschaft und den Einfluss ihres grossartigen Minenbetriebes auf die heutigen Kupfer- preise berücksichtigen, der muss sich vielmehr die ungeheure Lager- stätte der Erze an Ort und Stelle und die unvergleichlichen Be- triebseinrichtungen selbst ansehen. Immerhin mag das Nachfolgende auch dem, der hierzu keine Gelegenheit hat, zum besseren Ver- ständnis, um was es sich hier handelt, dienen. Das Quellgebiet des Rio Tinto, welches diese Gruben umfasst, liegt 67 km in nordöstlicher Richtung von der Stadt Huelva und ungefähr ebenso weit von Sevilla. In 345 m Höhe finden wir die Kopfstation der von Huelva aus den Fluss hinan zu ihm führenden Erzbahn, in 408 m Höhe den Ort Minas de Rio Tinto, wie der volle Name heisst. Unser Plan zeigt uns, dass derselbe unmittelbar über dem grossen Tagebau liegt, der bisher vornehmlich in Betracht kam. Die als nördliches, mittleres und südliches Lager (North Lode, Middle Lode und South Lode) bezeichneten Erzgänge streichen, wie die Kulmschiefer, zwischen denen sie sich befinden und von denen sie 30 — 40 m hoch überlagert sind, von Ost nach West. Ihre Mächtig- keit beträgt bei ca. 2l/2 km Länge etwa 140 m, während man die untere Grenze bei Untersuchungen mit dem Diamantbohrer in 120 m 126 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. Tiefe noch nicht erreicht hat. Der Cerro de Salomon, welcher sich zwischen dem südlichen und mittleren Erzlager 485 m erhebt, ist der höchste Berg dieses Minengebiets. Er besteht, wie das Eruptiv- gestein in den Gängen und sonst ringsum, aus Quarzporphyr, bei dem, wie überall in der Grubenzone, der Quarz vorherrscht, ja oft sozusagen allein auftritt. Auf seinem Gipfel finden wir römische Mauer- reste, Scherben und Ziegelsteine, auch Münzen, sowie Stücke des Kalksteins, aus welchem die Römerbrücke bei Niebla erbaut ist. Wie in Niebla, so waren auch hier römische Soldaten zum Schutze des Bergbaus stationiert. Mehr nach Westen reiht sich dem Cerro de Salomon der aus metamorphen Schiefern 442 m hoch aufgebaute Cerro Colorado an. Höhere Bergrücken begleiten die Nordseite der North Lode , insbesondere der 702 m hohe San Cristobal nordöstlich vom Salomon. Als der neue Tagebau zu Tharsis in voller Entwicklung war, befanden sich die Minen zu Rio Tinto noch in den Händen der spanischen Regierung, welche im südlichen Lager einen Betrieb unterhielt, der kaum die Kosten deckte, während die nördliche Erz- lagerstätte seit der Römerzeit unberührt geblieben war. Man wusste, dass der Regierung dieser Besitz feil war, doch zugleich, dass sie dafür eine zu hohe Summe forderte, um einem Einzelnen den Er- werb möglich zu machen. Das schreckte indes die Gründer der deutschen Firma Sundheim y Doetsch in Huelva nicht ab, nach- dem sie sich erfolgreich im Braunsteinbergbau versucht hatten, das Projekt des Ankaufs und Betriebs der Minen durch eine Gesellschaft energisch in die Hand zu nehmen. Von England, Deutschland und Frankreich wurden Sachverständige herangezogen, um ihre Gutachten über den Wert der Minen abzugeben und Pläne für eine neue Be- triebsweise zu entwerfen. In ihren Bemühungen, eine Gesellschaft für den Ankauf und Betrieb von Rio Tinto zusammenzubringen, fanden Sundheim y Doetsch an dem alten Consul G. A. Schröder von der Firma G. H. & C. Primavesi in Bremen eine kräftige Stütze, und so bildete sich zwischen Bremer Firmen und dem grossen Hause Matheson & Co. das Syndicat, welches die Rio Tinto -Minen für den Preis von £3850000 ersteigerte, die „Rio Tinto Company Limited" gründete und Besitz und Betrieb an dieselbe übergab. Der Chef des Hauses Matheson ist seit Beginn der Gesellschaft Präsident, sowie Herr Doetsch Direktor geblieben. Das Aktienkapital der Gesellschaft betrug £ 2 250000 in 225000 Aktien von je £ 10. Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, ThaRsis etc. 127 128 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. Die besonderen Bedingungen, welche bei dem Abkommen mit der spanischen Regierung erwähnenswert sind, waren folgende: i. Die Kaufsumme von £ 3850000 (ca. 77 Mill. Mark) ist zahl- bar in 10 gleichen Jahresraten von je £ 385000, jedesmal am 5. April. 2. Die Gesellschaft erhält das Recht, ihre Betriebsweise nach Gutdünken einzurichten, insbesondere das Rösten der Erze in freier Luft, wie es unter der spanischen Regierung geschah, fortzusetzen, und darf darin in keiner Weise beschränkt werden. Sofort nach Uebernahme der Rio Tinto-Minen durch die ensr- lische Gesellschaft wurde mit den grossen Neuerungen im Betriebe derselben begonnen. Die wichtigsten sind folgende: 1. Der Bau einer schmalspurigen Eisenbahn von 83 km Länge nach der Ria de Huelva und ihrer Fortsetzung, einer eisernen Lan- dungsbrücke (Pier) in das Aestuarium des Odiel weit hinein, sowie die Verlängerung des oberen Endes der Bahn durch einen Tunnel bis zum Erzlager (South Lode) selbst. 2. Die Ausbesserung, Erweiterung und Neuanlage von Kanälen und Sammelbecken für Regenwasser in der Umgebung der Minen. 3. Die Umwandlung des bisherigen unterirdischen Grubenbetriebs in einen grossartigen Tagebau. Der Bau der Rio Tinto-Bahn und des Pier wurden durch Kon- trakt an zwei englische Unternehmer vergeben, welche ihre Arbeiten mit grosser Energie in Angriff nahmen — an der Eisenbahn arbei- teten 3600 Personen — und zur vollen Zufriedenheit der Gesellschaft rasch durchführten. Die eiserne Landungsbrücke übertrifft an Gross- artigkeit und solider Bauart fast alle derartigen .Anlagen. Sie ist eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges der Stadt Huelva, dieses „Portus maris et terrae custodia", wie ihr Wappenspruch lautet. Dieser Pier wendet sich vom Lande aus in einer grossen Kurve in das weite Mündungsbecken des Odiel hinein. Er besteht aus zwei Etagen doppelspuriger Geleise und ist mit mächtigen Krahnen, Schüttern und andern zweckmässigen Vorrichtungen auf beiden Seiten derart versehen, dass wenigstens ein halbes Dutzend Schiffe gleichzeitig laden oder löschen können. Die Befrachtung eines Schiffes mit 1000 Tonnen Erz ist in wenigen Stunden beendet. Täglich bringen die Züge im Durchschnitt 2000 Tonnen Kupfererz heran. Auch ist gesorgt, dass eine Störung in dieser Zufuhr durch Ueberschwemmung im Thale des Rio Tinto oder Ausbesserung der Bahn keinen Auf- enthalt für die Schiffe zur Folge hat, indem man in der Nähe des Bahnhofs bei der Stadt eine grosse Halle mit einem Reservelager Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 129 des Erzes für solche Fälle zur Verfügung hat. Die Verschiffung dieser Rio Tinto -Erze beschränkt sich nicht auf Grossbritannien, sondern erfolgt auch nach Rotterdam (für die Kupferwerke in Duis- burg), Hamburg und andern Häfen des Festlandes und selbst nach Amerika. Die hier erwähnten Bauten: Eisenbahn, Pier und Tunnel waren im Jahre 1876 mit einem Gesammtaufwande von £ 843590 beendet. Weniger hoch waren die Ausgaben für die Wasserbehälter (tanks). Der Bedarf an Wasser steigerte sich von Jahr zu Jahr mit der ausser- ordentlich zunehmenden Menge des bei den Minen dargestellten Cementkupfers. Ueber die Gewinnung des letzteren erlaube ich mir hier für solche Leser, welche mit derartigen Dingen nicht vertraut sind, einige erläuternde Bemerkungen einzuschalten. Alle schwefelhaltigen Erze, d. h. Metallverbindungen mit Schwefel oder Sulfide, werden nach einem alten Verfahren zuerst an freier Luft geröstet oder cal- cinirt, indem man sie über Lagen von Brennmaterial aufhäuft und letzteres in Brand setzt. Sie erleiden dadurch eine grosse chemische Veränderung, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, wobei der Schwefel grösstenteils ausgetrieben oder in andere Ver- bindungen übergeführt wird. Gleichzeitig wird das Erz gelockert und nach dem Rösten der Zutritt des Sauerstoffs der Luft vermehrt. Das Schwefelkupfer, um das es sich in Rio Tinto handelt, verwan- delt sich in Kupfervitriol und dieses wird in Wasser gelöst. Dieser Vorgang beim Rösten wird gefördert, indem man den Erzen ge- wöhnliches Salz beimischt. In Rio Tinto verwendet man natürlich Seesalz von Cädiz und Huelva; hier nennt man das Verfahren den Doetsch-Prozess, nach demjenigen Direktor der Gesellschaft, welcher als Urheber und Hauptförderer des ganzen grossen Unternehmens bekannt ist. Der ausgelaugte Kupfervitriol gelangt durch einen Kanal von der Röststätte nach den Cementierungsbecken, deren eine ganze Reihe, terassenförmig absteigend, aufeinander folgt. Hier wer- den in die Kupfervitriollösung kleine Barren englischen Gusseisens gelegt, welches das Kupfer ausscheidet und an seine Stelle tritt. So wird die blaue Kupferlösung in eine grüne Flüssigkeit, gefärbt durch Eisenvitriol, verwandelt, welche in den Rio Tinto tritt und sich bald durch Aufnahme von Sauerstoff in rotes schwefelsaures Eisen- oxyd umwandelt, das dem Fluss bis zu seinem Aestuarium hin die schon erwähnte weinrote Farbe giebt. Das durch Eisen gefällte Cementkupfer bildet braunrote Krusten, welche nach dem Trock- nen leicht in stäubendes Pulver zerfallen. Es enthält 70^ Kupfer, Rein, Gesammelte Abhandlungen. o i3o Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. wird in Beutel gefüllt, „ach England verschifft und dort durch ei, einfaches Verfahren daraus reines Kupfer dargestellt Im Jahre ,876 wurde zu den vorhandenen Wasserreservoiren em werteres angelegt, welches 350000 cbm fassen kann und Xld nachdem es im Herbst vollendet war, durch den eintretenden Re'n (680 mm ,„ drei Monaten) ganz gefüllt wurde. Im Jahre i87o wufde de„r wte? "eUn,SammelbeCken bee"det' ■*** <* darauf g J 21 U u Z Sei"en VOlle" Inhalt Von 85°°°° cbm Regen- wasser erh,elt.H,erzu kam endlich im Jahre :88z noch ein drle" m grosserer Entfernung von der Verbrauchsstätte und in htherer Lage das sogar 1,5 Millionen cbm Regenwasser aufnehmen kann und bereits im darauffolgenden Winter zu zwei Dritteln gefült wurde Durch diese grossen Anlagen von Sammelbecken für das ReTn Tis r ;cehrehelWhaft "^ Währendder Wen, trocknen Soml mer stets reichhch Wasser zur Hand, ja sie hat sich bis zu einem gewesen Grade selbst von den grossen Schwankungen der\Z7 hohen N.edersch.agsmengen (:o7o mm im Jahre ^6, % Z 7n 889) unabhängig gemacht. Auch für die Vermehrung der Au " augungs und Cementierungsräume wurde rechtzeitig Jesor^t 0 schon »m Jahre ,876 durch Herstellung von 4z neuen Becken tenks) zum Auslaugen der calcinierten Erze. l ' Mit dem Jahre ,876 ging die 3%jährige Vorbereitungszeit in t moTTolf dO GrUhbenb;trlebS ZU E"de- Ma" ^ Iber ei w he das Erz " ° Verbur-den " (S«r und Brauneisenstein, uelcne das Erz, wie schon erwähnt wurde, 30-40 m hoch über Zueal zugd "t ^ V* freigdegt' die Eisenbah" «nd ihren ST?Um 7 l k ^ den TUn"el V°llendet "nd so de« Über- gang zum Tagebau bewerkstelligt. standennn„ern0rmenr AUSgarben fÜr ^ erWähnten Srosse" Anlagen standen nur geringfügige Einnahmen gegenüber. Vier Jahre hindurch war von emer Dividende keine Rede, ja die Aktionäe sahen dast ÄÄ??? "^ Pad "*> S° ^ssmancheL beim Blick .„ diesen Sp.egel des Vertrauens bange werden konnte Die Ausgaben der Gesellschaft während dieser vierjährigen V0" bereitungszeit waren auf mehr als £ 6 Million gestiegen vornehmlich bedürft^; dass sie durch ein vorteilhaftes Abkommet mlderg H- bedurftigen spanischen Regierung die Kaufsumme für die Minen „ach Redin^rwr611 £* "* *"» Sd^e - en^SeS «STaber S l 7* ** ^ S°nStigen 2rossen Kosten aber das ursprüngliche Aktienkapital bei weitem nicht aus. PS CD ß S3 I o ^> g o 2 o CO CS c CD et CD ho Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 131 Es wurden deshalb unter Verpfändung der Minen und sonstigen Ga- rantien über £ 2 084 400 fünfprozentige Schuldscheine ausgegeben und ausserdem in Paris eine siebenprozentige Anleihe von £ 1 000 000 gemacht. Damit waren jedoch die grössten Schwierigkeiten über- wunden. Die Förderung des Erzes wuchs nun rasch von Jahr zu Jahr, und die Verhältnisse besserten sich dergestalt, dass endlich für das Jahr 1879 die erste Dividende gezahlt werden konnte. Im Jahre 1877 wurden bei dem Tagebau allein 591 192 cbm Abraummasse beseitigt, ausserdem die ersten Schritte zur Eröffnung des bergmännischen Betriebs des Nordlagers (North Lode) gethan, welches bald durch unterirdische Wege mit dem Tagebau und der Eisenbahn in Verbindung kam und in der Folge grosse Bedeutung erlangte. Im Jahre 1880 konnte die siebenprozentige französische Anleihe in eine fünfprozentige umgewandelt werden. Die glücklichen Ope- rationen waren vornehmlich das Werk des Herrn Do etsch, wieder Chairman (Präsident) der Gesellschaft, H. M. Matheson Esq., be- sonders hervorhebt. Er fügt dann hinzu, dass seine Kollegen in der Direktion ihre Dankbarkeit dadurch bezeugt hätten, dass sie Herrn Doetsch aus ihren Privatmitteln ein silbernes Tafelgedeck im Werte von £ 1500 verehrt hätten. Der Bruttoertrag der Minen war auf £ 623086, der Reingewinn auf £ 181 782 gestiegen. Im folgenden Jahre war der Bruttoertrag der Minen £ 645128, der Reingewinn £ 325 456. Das Aktienkapital wurde, wie der neunte Jahresbericht besagt, von £ 2250000 auf £ 3250000, also um £ 1000 000 in 100 000 Aktien zu je £ 10 erhöht. Das Unternehmen hatte sich auf dem Geldmarkte bereits ein solches Vertrauen erwor- ben, dass die Gesellschaft die Summe von £ 2364550 einnahm, also £ 23 12 s 10 d für jede Aktie, und zwar ohne dass sie genötigt ge- wesen wäre, dafür irgend welche Kommission zu zahlen. Das er- möglichte ihr, das Gesammtkapital , welches auf über £ 7000000 angewachsen war, auf £ 6229808 zu reduzieren. Für's Jahr 1890 weist der 18. Jahresbericht an Kapitalschuld und sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft folgendes auf: Aktienkapital in 325000 Anteilen von je £ 10, voll eingezahlt £3250000 ^% Pfandbriefe von 1880 „ 2348360 ^% Pfandbriefe von 1884 „ 1 192 680 Zusammen £ 6 791 040 Hierzu schwebende Verpflichtungen 358062 £ 7 149 102 9* 132 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. Endlich zeigt der ig. Bericht für das Jahr 1891 folgende Ver- hältnisse: Aktienkapital, wie oben £3250000 5# Pfandbriefe (1880) „ 2034060 5^ Pfandbriefe (1884) „1068840 Schwebende Schuld „ 641883 £ 6994783 Zur Deckung dieser schwebenden Schuld, welche vornehmlich der Umwandlung des Betriebes bei dem nördlichen Erzlager in Tagebau und andern Vorbereitungen für eine noch viel umfang- reichere Ausbeute zur Last fallen, standen der Gesellschaft zwei Wege offen: entweder die Jahresdividenden zu vermindern oder das Betriebs- kapital zu erhöhen. Sie hat sich fürs letztere und die Ausgabe einer dritten Serie fünfprozentiger Pfandbriefe im Betrage von £ 600000 entschieden. Ein weiteres Zeugnis von der raschen, unvergleichlich grossartigen Entwickelung der Rio Tinto-Minen geben die nachstehenden Tabellen. Gefördertes Kupfererz (Output) der Rio Tinto-Minen in Tonnen zu 10 Doppelzentnern1. Jahr Am Ort verarbeitet (calciniert) Roh verschifft Zusammen Kupfer- gehalt Von der Gesellschaft gewonnenes Kupfer 1875 59000 53 °°° 112 000 1.50 1016 1876 159 196 189 962 349 158 1,50 1 326 1877 520391 251 360 77i 75i 2;37 2 495 1878 652 289 218818 871 107 2,78 4484 1879 663 359 243 241 906 600 2,78 7179 1880 637 567 277590 915 157 2,86 8 559 1881 743 949 249 098 993 °47 2,-75 9 466 1882 688 307 259924 948231 2;8o 9740 1883 786682 313 291 1 099927 2,96 12 295 1884 1 057 890 312 028 1 369918 3,23 12668 1885 944 694 406 772 1 351466 3,io H593 1886 1 041 833 336 548 1378 381 3,05 15863 1887 819 642 362 796 1 182438 3,o5 17S13 1888 969317 434 3l6 1 403 633 2,95 18522 1889 824 380 389 943 1 214323 2,85 18708 1890 865 405 396 349 1 261 754 2,88 19 183 1891 972 060 464 027 1436087 2,65 21 227 1 Die Förderung sämmtlicher Kupfergruben der Provinz Huelva mit Einschluss der portugiesischen Mine Santo Domingos betrug im Jahre 1887: 2375000 Tonnen. Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 133 Ertrag der Rio Tinto-Minen. Jahr Gesammt- ertrag Reinertrag Divi- dende gezahlt Jahr Gesammt- ertrag Reinertrag Divi- dende gezahlt £ £ X t £ % 1873 3 179 — — 1883 738 308 459 678 14 1874 18834 — — 1884 610 814 274 142 8 1875 39 258 — — 1885 522 689 191 775 5 1876 — — — 1886 442 498 105 103 2 1877 185 833 — — 1887 692 386 352269 10 1878 236388 4442 — 1888 1 142777 754 706 17 1879 459 433 114419 5 1889 873470 477 788 10 1880 623 086 181 782 8 1890 1 045 093 694 005 i6i/2 1881 645 128 325 456 H 1891 625874 391 161 10 1882 748 764 477 183 H Es ergiebt sich aus dieser Zusammenstellung, dass die ursprüng- lichen Aktionäre, soweit sie im Besitz ihrer Anteilscheine geblieben sind, für jede Aktie von £ 10 an Dividenden £ 13,35 zurückerhalten haben. Seitdem die Rio Tinto-Company ihren Betrieb völlig entwickelt hat, konnte sie fast immer hohe Dividenden zahlen. Selbst der Zu- sammenbruch des berüchtigten Pariser Kupferrings (Societe des Me- taux) nebst dem des Comptoire d'Escompte im März 1889 und der enorme Rückgang der Kupferpreise vermochte nicht den Kurswert der Rio Tinto-Aktien auf pari herunterzudrücken Diese niedrigen Kupferpreise von £ 38 die Tonne hatten zur Folge, dass viele Gruben ihren Betrieb einstellen mussten, wenn sie nicht mit Schaden arbeiten wollten. So verminderte sich dadurch einerseits die Produktion, während anderseits eine grosse Steigerung im Verbrauch des billig gewordenen roten Metalls eintrat. Beide Erscheinungen waren nicht ohne Vorteil für die Rio Tinto-Gesellschaft, da sie in der Lage ist, auch bei sehr niedrigen Kupferpreisen noch mit Gewinn zu arbeiten (die Erstehungskosten für eine Tonne Kupfer belaufen sich bei ihr auf £ 25 — 26) und den Ausfall am Preis durch vermehrte Produktion zu decken. Auch im Jahre 1891 war dies der Fall, die Förderung stieg auf eine nie vorher erreichte Höhe und die Kupfergewinnung hätte eine viel bedeutendere sein können, wenn die Gesellschaft darin sich nicht in anbetracht der sehr niedrigen Kupferpreise be- schränkt hätte. i34 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. Der „Eiserne Hut". Bisher ist immer nur vom Kupfererz zu Rio Tinto die Rede gewesen, weil es dasjenige ist, welches allein verwertet wurde. Bald wird die Gesellschaft jedoch auch die auf viele Millionen Tonnen veranschlagten Massen Brauneisenstein ver- arbeiten , welche bislang unbenutzt liegen blieben oder auf Seite geräumt wurden. So lagern auf dem kleinen Plateau der Mesa de los Pinos allein über sechs Millionen Tonnen. Man wird daraus bei Huelva Gusseisen darstellen und dann nicht mehr der Einfuhr aus England zur Fällung des Kupfers bedürfen. Wie in Tharsis, so bedeckt dieser Brauneisenstein, „der eiserne Hut", in grossen Massen die Kiese, aus deren Zersetzung er sich allem Anschein nach gebildet hat, und ist gegen dieselben durch eine scharfe horizontale Linie getrennt. Derselbe reicht zum Teil bis zur Oberfläche und ragt in Blöcken über derselben hervor. Selbst der Cerro de Salomön hat seinen eisernen Hut. Derselbe ist in der Regel 2 — 5 m mächtig, findet sich über den meisten Schwefel- kieslagern und hat wohl häufig zum Auffinden der letzteren bei- getragen. Bei den Abraumarbeiten des North Lode behufs Umwandlung des Betriebs in Tagebau hat man im Jahre 1891 allein 507 129 cbm vortrefflichen Brauneisenstein beseitigt und zu künftiger Verwendung aufgehäuft, dessen Wert alle Abraumkosten des letzten Jahres deckt. Die Hu mos- oder Rauch frage. Strabo bemerkt, es sei selten, dass ein Land zugleich fruchtbar und reich an Berg- werken sei; Turdetanien aber biete beides, grosse Fruchtbarkeit des Bodens und viel Mineralreichtum. Er war falsch belehrt, wenn er meinte, Turdetanien (das heutige Andalusien) weise beides zugleich auf, einen fruchtbaren Boden und darunter grosse mineralische Schätze. Das Bergwerksgebiet, zumal der Provinz Huelva, macht auch hier keine Ausnahme von seiner Regel. Es ist felsig und trocken und bietet wenig Boden für einen einträglichen Ackerbau oder für Vieh- zucht. Bevor der Bergbau in Tharsis und Rio Tinto seinen grossen neuen Aufschwung nahm, gab es in ihrer Umgebung nur einige Orte mit wenigen Einwohnern, die sich dürftig nährten. Nerva, das alte Rio Tinto, hatte 1845 nur 844 Ew., die Stadt Minas de Rio Tinto, oder kurz das Rio Tinto von heute, war ein davon abhängiges Dörfchen und das entferntere Zalamea ein Städtchen von 3944 Ew. Ende 1887 zählten diese Orte 6431, 10671 und 6240 Ew., beziehungsweise. Aber in noch weit höherem Grade als ihre Seelenzahl war ihre Steuerkraft gestiegen , alles infolge des blühen- den Bergbaus. Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. 135 Der Rauch, welcher von den Calcinationsfeldern aufsteigt, hat zwar die Vegetation weit und breit zerstört, aber es war meist arm- seliges Cistrosengebüsch. Die Gesellschaft aber zahlte, soweit sie nicht Besitzerin des Landes war, reichlich Ersatz für den Schaden, den ihre Dämpfe nachweisbar verursachten. Dennoch bewirkte eine von Zalamea aus ins Werk gesetzte Agitation, dass unter dem Mi- nisterium Sagasta im Februar 1888 ein Gesetz erlassen wurde, wel- ches eine allmähliche Einstellung des alten Röstverfahrens in freier Luft vorschrieb, weil der dadurch erzeugte Rauch die Landwirtschaft und die menschliche Gesundheit schädige. Die Rio Tinto- Gesellschaft protestierte dagegen, indem sie sich auf ihr erworbenes Recht berief, und verlangte Schadenersatz, den die Regierung mit ihren leeren Kassen nicht gewähren konnte. Da- gegen erreichte sie, dass eine Kommission der Königlichen medi- zinischen Akademie in Madrid in das Bergrevier gesandt wurde, um die Gesundheitsfrage zu prüfen. Die Erkundigungen, welche sie einzog, und das statistische Material, welches sie von den Behörden und Aerzten der Gegend sammelte, fielen zu Gunsten der Gesell- schaft aus und widerlegten die vorgebrachten Behauptungen. Dennoch wurde die Verordnung erst beseitigt, nachdem das konservative Mi- nisterium Cänovas seinen liberalen Vorgänger in der Regierung abgelöst hatte. — So geht denn die Arbeit in Rio Tinto weiter ihren Gang. Zehntausend Personen sind in den Minen seit Jahren thätig und erwerben für sich und die Ihrigen die Mittel zu einer viel besseren Existenz, als sie sonst haben würden. Vierzig Lokomotiven, benannt nach weiblichen Heiligen, führen das von ihnen gelöste Gestein und Erz weg, jedes an seinen Ort, und vermehren den Lärm und das rege Leben in dieser ungeheuren Werkstätte. Wo es nur angeht, wird die Arbeit in Akkord gegeben. Das ist, wie der frühere Grubendirektor Osborne berichtet, ein gewaltiger Stimulus zu regem Schaffen und hält die unnützen trägen Elemente fern; denn wer wollte sich mit solchen zur Uebernahme einer Kon- traktarbeit verbinden? Bei allen Beschäftigungen unter der Erde bilden acht Stunden ein Tagewerk, nicht so für die gesundere Arbeit in freier Luft; denn „eines schickt sich nicht für alle". Die gesund- heitschädlichen Arbeiten auf dem Calcinationsfelde werden auf Tage- lohn verrichtet. Da hier der Verdienst am grössten ist, giebt es immer Leute genug, die sich dazu melden, in der Hoffnung, dass sie es schon einige Monate aushalten und sich dabei so viel sparen können, um nach Amerika auswandern zu können. 136 Bergbau der Provinz Huelva. Rio Tinto, Tharsis etc. Die Gesellschaft unterhält in Rio Tinto ein Lager von Lebens- mitteln und Kleidungsstoffen, damit jeder ihrer Arbeiter diese Be- dürfnisse möglichst billig erlangen kann, übt jedoch keinerlei Zwang aus. Der Sonntag ist für jedermann frei, es sei denn, dass es sich um unaufschiebbare Arbeiten handelt. Für den Unterricht der Jugend, die ärztliche Behandlung und Pflege der Kranken und Schwachen, sowie für Erholung und Anregung der Gesunden hat die Gesellschaft in liberaler Weise gesorgt. Das gute Verhältnis zu ihren Arbeitern wurde nur einmal gestört, als fremde sozialistische Agitatoren Un- zufriedenheit erweckt und geschürt hatten, wobei die Verführten die Zeche zahlen mussten, während die Aufwiegler sich aus dem Staube machten. Ich komme zum Schluss. Die Rio Tinto-Gesellschaft hat während ihres bald 20jährigen Bestehens enorme Preisschwankungen des Kupfers von £38 — £120 die Tonne durchgemacht und die mächtige Konkurrenz der reichen Kupferwerke in Chile, am Lake Superior und in Montana siegreich bestanden. Sie hat den Zusammenbruch des Pariser Kupferrings erlebt, der ihre Interessen nicht wenig berührte, und ist vorüber- gehend bald durch Ueberschwemmung im Thal des Rio Tinto, bald durch Wassermangel, zuletzt auch durch die Rauchfrage in der mächtigen Entwickelung ihres Unternehmens gestört worden, doch ohne dadurch dauernd Schaden zu leiden. Man kann sogar behaup- ten, dass, nachdem sie die kostspielige, gewinnlose Vorbereitungszeit der ersten vier Jahre ihres Bestehens glücklich überwunden hatte, sich ihre Sicherheit und Kraft von Jahr zu Jahr mehr befestigte und steigerte. Dieselben beruhen auf den enormen, in Jahrzehnten nicht zu erschöpfenden Erzmassen, über welche die Gesellschaft verfügt, auf den zahlreichen zweckmässigen und grossartigen Anlagen, welche zu immer umfangreicherer Verwertung ihres Besitzes geführt haben und eine weitere gewinnbringende Fortentwickelung zulassen , und endlich auf ihrer vortrefflichen Leitung, die von Anfang an zielbe- wusst, mit weitem kaufmännischem Blick das Werk entwickelt hat und noch lenkt. KORK UND KORKEICHE1. Durch die vielseitige, umfangreiche und immer noch wachsende Verwendung, welche der Kork2 in verschiedenen Gewerben und Künsten, vornehmlich aber als Flaschenverschluss findet, sind seine hervorragendsten Eigenschaften allbekannt. Es gehören dazu seine eigentümliche gelbbraune Farbe und überraschende Leichtigkeit, das mehr oder weniger deutlich hervortretende schwammige Gefüge, seine Elastizität, Zusammendrückbarkeit und Dehnbarkeit, seine Beständigkeit und Widerstandskraft gegen die gewöhnlichen Lösungs- mittel und zersetzenden atmosphärischen Einflüsse, die völlige Un- durchdringlichkeit für Flüssigkeiten und bis zu einem gewissen Grade auch für Gase, und endlich auch sein geringes Wärmeleitungsver- mögen. Das spezifische Gewicht des Korkes hängt ab von seiner Rein- heit und Güte und teilweise auch von dem Alter und Standort der Korkeiche, die ihn erzeugte. Daher gehen die Bestimmungen des- selben, abgesehen von den besonderen Schwierigkeiten durch das schwammige Gefüge, ziemlich weit auseinander. Nach Roll mann3 schwankt es zwischen 0,12 und 0,195, während es in Müller's Physik zu 0,24 angegeben ist. Das Gewicht eines Raummeters vom besten spanischen Kork soll 200 — 240 kg betragen, woraus ein specifisches Gewicht von ca. 0,2 — 0,24 folgen würde. Ich selbst untersuchte eine Korkplatte I. Qualität von 1 ijährigem Wachstum aus der Sierra 1 Lateinisch suber, griechisch cpeXX^c 2 Im Droguenhandel wird der Kork auch Korkholz (Lignum Suberinum), Pan- toffel- oder Sohlenholz genannt. 3 Carl's Repertorium für Experimental-Physik, 1872. Bd. VIII. 138 Kork und Korkeiche. de Aracena. Sie war 2,8 cm dick, enthielt 307,7 ccm und wog 57,3 g. Hiernach ergiebt sich ein spezifisches Gewicht von 0,185. Ich glaube deshalb sagen zu können, dass das spezifische Gewicht der besten Korksorten zwischen 0,18 und 0,2 anzunehmen ist. Von dem anatomischen Bau und den chemischen Eigenschaften des Korkes kann hier nur das Wichtigste hervorgehoben werden. Ein jeder Korkstopfen zeigt auf dem Querschnitt mehr oder weniger deutlich eine Anzahl paralleler Linien und Streifen als Grenzen un- gleich dicker Schichten, welche denselben der Länge nach durch- ziehen und den jährlichen Korkansätzen der Korkeiche (Quercus Suber L.) entsprechen. Unter dem Mikroskop erkennt man, dass der Kork aus grossen, gleichen und regelmässigen Zellen aufgebaut ist, deren Wände dünn und nach allen Richtungen gleichartig sind. Nach Höhnel (siehe Litteraturverzeichnis) bestehen diese Zellwände aus drei Lamellen, einer äusseren Holzlamelle, einer mittleren Suberin- (Korkstoff-) Lamelle und dem inneren Cellulosenschlauch. Diese Unterscheidung ist aber nach den neuesten Untersuchungen von Gilson sehr schwierig und oft unmöglich. Auch fand derselbe keine Cellulose in chemisch nachweisbarer Menge. Der im Luftbade bei 1080 C. längere Zeit erhitzte Kork enthält nach Kügler noch 5 — 1% Wasser. Er liefert beim Verbrennen zwischen 0,54 — 0,64^ Asche, in welcher Manganoxyduloxyd, Kalk und Kieselsäure vorwiegen1. Durch Chloroform werden dem Kork 2.s)% Cerin (C25H20O3) und \o,\% Säuren entzogen, durch Alkohol weitere t% . Chevreul, dem man die erste Analyse des Korkes verdankt, nannte den weder in Wasser noch Alkohol löslichen Teil des Korkes Suberine. Das Suberin oder der KorkstofT ist der Hauptbestandteil des Korkes, dem alle erwähnten wichtigen Eigen- schaften dieses eigentümlichen Körpers zukommen. Da es sich mit Aetzkali leicht verseift, so haben es Chevreul und fast alle andern Autoren nach ihm als ein Fett angesehen. Es ist jedoch in allen Lösungsmitteln anderer Fette unlöslich, so in Chloroform, Aether, Schwefelkohlenstoff. Auch weicht es in seinen sonstigen Eigen- schaften von Fettkörpern weit ab. Aus diesen Gründen verwirft Gilson jene Deutung seiner Vorgänger. Wird der Kork nur 3/4 Stunden lang mit einer alkoholischen Lösung von Aetzkali behandelt, so löst sich das Suberin vollständig 1 Nach Kügler enthält dieselbe 8,54.x Kali, 2,84,% Natron, o,86X Chlornatrium., i,43X Magnesia, 25,08,%' Kalk, 6,88^ Thonerde, 6,39,% Eisenoxyd, 27,75,%" Mangan- oxyduloxyd, 1.05X Schwefelsäure, 5,03^ Phosphorsäure, 11,36,% Kieselsäure. Kork und Korkeiche. 139 auf und es bilden sich mehrere Salze, nämlich suberinsaures und phellonsaures Kali. Weitere Untersuchungen ergeben, dass die Suberin- oder Korksäure (C17H30O3j 36^ und die Phellon- säure (Q2H43O3) %% vom Korke ausmacht. Neben diesen beiden Säuren hat Gilson noch eine dritte, neue, die Phoionsäure (CHH21O4), im Korke gefunden, die jedoch eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Salpetersaure Dämpfe und Chlor greifen den Kork stark an und zerstören ihn. Wird er mit Salpetersäure gekocht, so bilden sich neben Korksäure auch Cerinsäure ^42^40^) und mehrere andere Oxydationsprodukte. Alles Vorerwähnte bezieht sich auf den Kork des Handels, das Produkt der Korkeiche ; denn wenn es auch eine Menge Gewächse in allen Klimaten giebt, welche korkartige Gebilde ausscheiden, so doch keins, bei welchem diese Ablagerungen so massenhaft und charakteristisch sind, um in gleicher Weise eine technische Verwen- dung zu finden. Jeder Kork ist ein Degenerationsprodukt der Pflanze, welche ihn erzeugt, und nimmt an der Lebensthätigkeit derselben ebenso wenig teil, wie die Borke anderer Bäume, oder wie Haare und Nägel am Tierorganismus. — Die westliche Mittelmeerregion weist zwei immergrüne Eichen- arten auf, die an Häufigkeit des Vorkommens und Bedeutung alle andern Baumeichen des Gebiets weit übertreffen, an Wuchs und Aus- sehen viel Aehnlichkeit mit einander haben und ausserdem häufig, bald in besonderen Beständen neben einander, bald untermischt mit einander vorkommen, dabei aber der Hauptsache nach sehr ver- schiedenen Zwecken dienen. Das ist die Kork- und die immergrüne Steineiche (Quercus Suber L. und Quercus Hex L.). Die Korkeiche (Quercus Suber L.), mit der wir uns hier zu- nächst beschäftigen wollen, früher häufig Pantoffelholzbaum ge- nannt, heisst bei den Franzosen le chene-liege, im Castilischen el Alcornoque, in Catalonien Suro, Surus oder Surera, auch Aisina surera, in Galicien Sobreira oder Sobreiro, in Portugal Sobro und Sobreiro, in Italien Sughero, in Algier Fernem oder Keruge Fernem. Quercus Suber erreicht ein Alter von 150 — 200 Jahren, 12 — 16 m, selten 20 m Höhe und 3 — 5 m Stamm- umfang; doch giebt es auch Exemplare, die weit stärker sind. So wird in der „Flora Forestal Espanola" eines Baumes erwähnt, der bei Piedralaves im südlichen Avila (Sierra de Gredos) stand und einen Stammumfang von 10,3 m über der Erde und von 7 m in 1Y2 m Höhe erreicht hatte. In 4 m Höhe teilte er sich in drei mächtige Aeste. 140 Kork und Korkeiche. In der Regel besitzt die Korkeiche ein gut entwickeltes Wurzel- system, das tief eindringt, wo der Boden dies gestattet, mehr an der Oberfläche bleibt und dann Schösslinge treibt, wo derselbe felsig ist. Wie bei Quercus Hex wird der Stamm im Verhältnis zur Dicke, die er erreicht, fast nie hochschaftig, verästelt sich vielmehr schon in geringer Höhe und bildet dabei selten eine wohlgeformte, sym- metrische Krone. Auch ist dieselbe immer sehr licht und bietet deshalb, sowie durch die Art der Belaubung weder viel Schatten, noch einen gefälligen Anblick. Hierzu kommt, dass diese immer- grünen Eich wälder sehr lichte Bestände bilden, mit weiten Abständen der einzelnen Bäume von einander, damit Luft und Licht sie allseits frei berühre, weil dies zu einer guten Korkentwickelung ebenso notwendig ist, wie bei Quercus Hex zu einem reichen Eichelertrag. Die einjährigen Zweige und besonders auch die Wasserreiser haben dünne, aschgraue, behaarte Rinde, bei zweijährigen ist die- selbe glatt und von brauner Farbe. Von da ab beginnt die Kork- bildung, deren eingehendere Besprechung später im Zusammenhang mit der Korkgewinnung folgen wird. Die Blätter der einjährigen Schösslinge sind sehr kurz — , die der älteren Zweige länger gestielt, jene im Umriss elliptisch, diese herz- eiförmig, oval oder eilänglich bis lanzettförmig, stachelspitzig gezähnt, seltener ganzrandig, auf der Unterseite gleich den jüngsten Zweigen, Fruchtstielen und Bechern grauweiss durch filzige Behaarung, auf der Oberseite dicht netzaderig, glatt und grün. Diese Blätter sind lederartig, steif und von 2 — 3Jähriger Dauer. Wie in der Form, so zeigen sie auch in der Grösse bedeutende Unterschiede. Im Durch- schnitt ist die Blattscheide 3 — 5 cm lang und i1^ — 2 cm breit; doch giebt es auch solche von 8 — 10 cm Länge und 4 — 5 cm Breite. Man hat nach Duhamel1 zwei besondere Abarten der Korkeiche unterschieden und diese auf die Form und Beschaffenheit der Blätter und Eicheln gegründet, nämlich: a Quercus Suber L. Var. latifolium (Quercus occidentalis Gay). Dieselbe hat breite gesägte oder gezähnte Blätter, kommt vornehm- lich in Portugal und im Departement des Landes vor. b) Quercus Suber L. Var. angustifolium mit schmalen, zuge- spitzten, ganzrandigen Blättern und spitzkegelförmigen, weit aus den Kapseln hervortretenden Eicheln. — Diese Unterscheidungen sind indes nicht stichhaltig. Es finden vielmehr zahlreiche Uebergänge 1 Traite des arbres et arbustes qui se cultivent en France. Tome II planche 80 pg. 294 &c. Paris 1755. Kork und Korkeiche. 141 statt; doch herrscht die Form mit mittelgrossen, eiförmigen, am Rande stachelspitzig gezähnten Blättern fast im ganzen Verbreitungs- gebiete der Korkeiche weit vor. — Die Korkeiche blüht im April und Mai, etwas später als ihre nahe Verwandte, die immergrüne Steineiche, mit der ihre Blüten- bildung ziemlich übereinstimmt. Die Spindel der hängenden Kätz- chen ist bei beiden zottig behaart, das gelbgrüne Perigon in 5 — 7 Zipfel geteilt. Auf die Verschiedenheit der weiblichen Blüten, welche noch von keinem Botaniker eingehender beobachtet wur- de, dürfen wir aus dem Unter- schied in der Entwickelung und Reife der Früchte schliessen. Es wird in vielen Schriften er- wähnt und ist selbst den ge- bildeteren Bauern in Spanien wohl bekannt, dass die Frucht- reife nicht gleichzeitig statt- findet, sich vielmehr vom September bis zum Februar hinzieht, in drei verschiedenen Stufen erfolgt, und hiernach früh-, mittel- und spätreifende Eicheln (Bellotas) der Korkeiche unterschieden werden. Die Unterschiede erstrecken sich aber nicht bloss auf die Reife- zeit , sondern auch auf die Stellung, Grösse und Form der Früchte an demselben Baume, und können bereits im August deutlich wahrgenommen werden. Ich hatte in der Sierra Morena im September 1888 viel Ge- legenheit, diese verschiedenen Früchte der Korkeiche neben einander zu beobachten und zu vergleichen, und gebe hier neben den spanischen Namen die Resultate dieser Vergleiche: a) Frühreifende Früchte der Korkeiche (Bellotas brevas, prime- rizas oder miguelenas, d. h. Michaelis-Eicheln), reifen im September und Oktober. Sie erscheinen fast immer einzeln auf kurzem, 3 bis 4 mm langem Stiel, der viel dicker als der junge Zweig, welcher ihn trägt, und deutlich der Länge nach gerieft ist, wie eine zerrissene Fig. 4. a Zweig der Korkeiche, 2/3 nat. Grösse. b Frucht (Bellota breva), nat. Grösse. 142 Kork und Korkeiche. Borke. Der glockenförmige Becher verengt sich nach ihm, trägt filzig behaarte, dicht anliegende Schuppen, deren obere Reihen länger, schmäler und oft abstehend sind. Die Eichel wird von diesem Becher mindestens zur Hälfte eingeschlossen und schaut nur mit dem stumpf- kegelförmigen oberen Teil und der sie krönenden Griffelspitze daraus hervor. b) Mittelreifende Früchte oder Martini - Eicheln der Korkeiche (Bellotas medianas, segundas oder de San Martin). Fruchtstiele ähnlich wie bei a, doch dreimal so lang, tragen in der Regel zwei Früchte, eine zur Seite und eine am Ende. Die Becherform wie bei a, aber ohne abstehende Schuppen. Eicheln Ende September sichtbar, doch nicht aus den Bechern hervortretend. Reifezeit: Oktober und November. c) Spätreifende , langstielige Früchte der Korkeiche (Bellotas tardias oder palomeras) . Die Fruchtstiele kommen aus den Blatt- winkeln der jungen Zweige, sind dünner als diese, etwa 1,5 cm lang wie die Blattstiele und dann mit 1 — 2 Fruchtansätzen, oder doppelt so lang, mit 3 — 4 Früchten in zwei Stufen. Die Reifezeit ist der Dezember und Januar, oft erst der Februar. Sie bleiben kleiner als die früher reifenden. Sowohl in der Menge, als auch in der Güte der Früchte steht übrigens die Korkeiche der Quercus Hex weit nach. Das Holz der Korkeiche ist von dunkler Farbe, bräunlich oder braunrot, sehr fest und schwer. Bei älteren Bäumen erreicht es ein spezifisches Gewicht von 1,049 — 1*056. Auf seinen Querschnitten bemerken wir zahlreiche, dicke Markstrahlen und ungleiche grosse Gefässe, von denen die grösseren viel deutlicher hervortreten, als bei Quercus Hex , und viel unregelmässiger , als bei unsern ein- heimischen, blattwechselnden Eichen. Die grosse Dichte des Holzes lässt auf einen sehr langsamen Wuchs der Korkeiche schliessen. Es steht an Wert und Verwendbarkeit unserem Eichenholze weit nach und wird sogar viel weniger geschätzt, als das der stechpalmblätterigen Art. Es brennt langsam, fault aber schnell auf oder in feuchtem Boden. Die Korkeiche erzeugt erst keimfähige Samen, nachdem sie ihr dreissigstes Lebensjahr überschritten hat, pflanzt sich aber auch gleich andern Eichenarten durch Wurzelschösslinge fort. Zur Vermehrung wählt man Eicheln, welche um Martini gereift sind, die sogenannten „medias", und zieht die Aussaat im Frühjahr vor. Es genügt, die Samen 1 — 2 cm tief mit Erde zu bedecken. Sie keimen in Algier schon nach 3 — 5 Wochen, in Süd-Europa etwas später. Kork und Korkeiche. 143 Im heisseren Mittelmeerklima bedürfen die jungen Korkeichen gleich den Oelbäumen bis zum vierten oder fünften Jahre des Schutzes gegen die austrocknende Sommerhitze, in rauheren Gebieten ebenso und noch viel länger der Bewahrung vor Kälte. Auf den Ländereien der spanischen Forstakademie zu Escorial ertrugen ix/2 — 2jährige Sämlinge im Winter 1876/77 eine Temperatur von 4 — 50 C. unter Null. Dagegen erfroren die meisten Korkeichen im südlichen Frank- reich während des strengen Winters 1709. Im allgemeinen sind jüngere Bäume gegen die Kälte ebenso empfindlich, wie Oelbäume ; ihre Zweige und Fruchtansätze erfrieren, sobald die Temperatur auf — 6°C. sinkt. Die Verpflanzung der Korkeiche, welche schon ihre Pfahlwurzel gebildet hat, ist schwer. Es empfiehlt sich daher, letztere schon in der Baumschule zu kürzen, ohne die Sämlinge auszureissen. In Südfrankreich und Catalonien wird hier und da diese Schwierigkeit dadurch umgangen, dass man die junge Korkpflanzung mit einem Weinberg verbindet, indem man die Furchen, in welche man die Eicheln legt, mit Reihen Weinstöcken abwechseln lässt und 20 — 25 Jahre lang als Weinberg betreibt und die Reben in dem Masse allmählich entfernt, in welchem die Entwicklung der Korkeichen es erheischt. Da die Korkeiche wenig Laub und Schatten und keine Humus- decke liefert, der Boden also leicht austrocknet und dies die Ent- wickelung junger Pflanzen hemmt, so empfiehlt sich für deren Anzucht ein Mischwald mit andern bodenverbessernden Laubhölzern, wie Ulmen, Ahornarten, Pappeln, und mit Nadelhölzern, wie die Pinie, die Terpentinkiefer und andern dem Klima angepassten Arten. In dem Masse, in welchem die heranwachsende Korkeiche mehr Luft und Licht bedarf, kann dann mit der Ausrodung der beigesellten Bäume begonnen und fortgeschritten werden, bis zuletzt der reine Korkwald übrig bleibt. Korkeiche und Esparto oder Haifagras (Stipa tenacissima) ge- hören zu den eigentümlichsten Gewächsen der westlichen Mittelmeer- region und sind unstreitig die wichtigsten Glieder ihrer Flora, soweit Handel und Industrie in Betracht kommen. Die Ansprüche derselben an Klima und Boden sind so verschieden, dass sie nicht unter einander vorkommen, sondern sich gegenseitig ausschliessen. Der Esparto bewohnt die regenarme, baumlose Steppe, in Spanien z. B. vornehmlich die trocknen Regionen von Alicante, Murcia und Almeria, in Algier die Plateaulandschaft der Provinz Oran; die Korkeiche dagegen ist Bestandteil der Wälder und der regenreicheren Gebirge. 1 44 Kork und Korkeiche. Sie gedeiht in Algier und Tunis nur, wo der mittlere jährliche Nieder- schlag mindestens 500 mm beträgt, und steigt an den Gebirgsabhängen bis 1300 m empor. Darum fehlt sie auch auf der Iberischen Halb- insel den regenarmen Gebieten von Valencia , Alicante , Murcia. Almeria, Aragon und Leon, während sie sonst weit verbreitet ist, die Hügellandschaften und Gebirgsabhänge. vorzieht und hier bis zu einer Höhe von 800 m emporsteigt. Sie gedeiht besser auf Berg- abhängen, die nach Norden geschützt sind, als da, wo sie rauhen Winden ausgesetzt ist, und liefert besseren Kork auf Standorten in der Nähe des Meeres, als im kontinentalen Klima des Innern. Nach spanischen und französischen Urteilen gedeiht sie auf kieselsäurereichem Boden, aber nicht auf Kalk. So finden wir die Korkeiche auf Granit in Estremadura und Alemtejo, auf silurischen Schiefern in Gerona, desgleichen, sowie auf krystallinischem und Kulmschiefer in der Sierra Morena, auch auf Sand- und sandreichem Boden, wie im Departement des Landes und im südöstlichen Teil der Provinz Huelva. Dass sie nicht auf Kalkboden vorkommen sollte, muss gewiss in anbetracht des hohen Kalkgehaltes ihrer Asche über- raschen. Dagegen sagt Broten in seiner Flora Lusitanica II, S. 34 ausdrücklich von Quercus Suber, dass sie Kalkhügel bewohne1. Das Verbreitungsgebiet der Korkeiche wird im Süden durch den 34., im Norden durch den 45. Parallel begrenzt und erstreckt sich vom Atlantischen Ozean bis zur kleinen Syrthe und dem Adriatischen Meer. Ihr Vorkommen auf der Balkanhalbinsel, welches von meh- reren Seiten erwähnt wird, bleibt nichtsdestoweniger zweifelhaft und beruht wahrscheinlich auf Verwechslung mit Quercus Pseudo-Suber. In Italien tritt die Korkeiche nur sporadisch auf und erlangt nirgends für die Korkgewinnung irgend welche Bedeutung. In Frankreich findet man sie nur in den südlichen Departements längs der Pyre- näen, sodann in Var und auf Corsica, doch überall mehr oder minder sorgfältig kultiviert. Die schönsten Pflanzungen, ganze Wälder, weist das Departement Var auf. — In seiner Geographie Universelle schreibt Reclus: „Dans la partie meridionale des Landes connue sous le nom de Maransin, on cultive aussi le chene-liege, et chaque village de la contree possede des avenues de grands chenes." Etwas von dieser Kultur der Korkeiche im Gebiet des bebauten Dünensandes vom Departement des Landes kann der aufmerksame Reisende selbst bei der Eisenbahnfahrt von Bayonne nach Bordeaux 1 „Habitat in collibus calcareis , sabulosis aut argilloso-sabulosis, in tota Lusi- tania, praesertim australiori." IG >RK UND K» »RKEICHE. 145 wahrnehmen. Der Zug führt ihn durch ausgedehnte Waldungen von Pinus pinaster Sol. mit Adlerfarren, Besenginster, Heidekraut und Strauchheide als Unterholz. Bald fallen drei Dinge besonders auf, nämlich die Terpentingewinnung, die vielen Spuren grosser Wald- brände und die Korkeiche. Zuerst erscheint letztere eingestreut im umfangreichen Walde der Terpentinkiefer; dann aber sehen wir sie angebaut dem Bahnkörper entlang, und zwar auf beiden Seiten je eine Reihe als Einfassung des Waldes. Die Bäume sind schon so kräftig, dass sie zur Korkgewinnung benutzt werden könnten. Nicht weit von der dann folgenden Station La Mothe (Gironde) kann man auch eine grössere, junge Pflanzung von Korkeichen wahrnehmen. Auf der Iberischen Halbinsel hat die Korkeiche eine weite Ver- breitung. Wir rinden sie selbstverständlich mit vielen Unter- brechungen) von dem Biscayischen Meerbusen (Zarautz in Guipüzcoa westwärts von San Sebastian) bis zur Strasse von Gibraltar (Sierra de Tarifa), sowie von der galicischen und portugiesischen Küste bis zu den Gestaden des Mittelmeers in Gerona und Malaga. Hervor- ragende Bedeutung hat die Korkeiche in Portugal vor allem für Alemtejo, wo man oft meilenweit durch Waldungen derselben reiten kann. In Spanien liegen die ausgedehnteren Standorte der Korkeiche oft weit auseinander. Der bekannteste und berühmteste gehört Catalonien, und zwar dem Distrikte La Bisbai der Provinz Gerona an. Er reicht bis zur Küste, von Cabo S. Sebastian südwestlich bis zur Grenze von Barcelona, und umfasst die aus Granit und silurischen Schiefern aufgebaute Si erra de las Gabarras mit ihren Ausläufern gegen das Meer hin. Hier findet man unter anderm die Alcornocales (Korkeichenhaine) von Calonge und Blanes, zwei Städtchen, welche auch unsere besseren Atlanten angeben, aus denen ein besonders geschätzter Kork kommt. Von hier nach Niederandalusien und Estremadura, die sich als Korklieferanten Catalonien anreihen, ist ein weiter Weg. Obenan steht die Provinz Huelva mit ihren Alcornocales in der Sierra de Aracena, sowie auch in der Sandregion von Almonte. [Unsere Abbildung zeigt einen reinen Korkeichenbestand von der Südseite der Sierra de Aracena aus 600 m Höhe zwischen den Städtchen Fuenteheridos und Alajar, unweit der Eremita des Montanus, siehe S. 16.; — Ins Gebiet der Sierra Morena gehören auch die meisten Kork- waldungen der Provinzen Badajoz, Sevilla, Cord ob a und Ciudad-Real. Hier und da bilden sie reine Bestände, am häufigsten aber finden wir el alcornoquc (die Korkeiche) mit la encina Rein, Gesammelte Abhandlungen. IO 146 Kork und Korkeiche. (Quercus Hex L.) vermischt, nicht selten auch mit el quejico (Q. Lusitanica Lamk.) und el melojo (Quercus Toza Bosc). Von der erstgenannten Provinz kommt hier vornehmlich die südwestliche Ecke, die Strecke zwischen Zafra und Jerez de los Caballos, in Be- tracht, sowie die Fortsetzung des Weges bis zur portugiesischen Grenze. In der Provinz Sevilla gelten insbesondere die unter dem Namen Sierra de Pedroso bekannten Vorberge der Sierra Morena. nordwestlich von Sevilla gelegen, als korkreich. Auch die Provinzen Cädiz und Malaga besitzen Korkwälder, diese z. B. zwischen Mar- bella und Estopona, jene in der Sierra de Tarifa und de Al- ge ci ras1, sowie beiVejer und andern dem Meere nahen Gebieten. Indes ist die vielfach verbreitete Ansicht, dass guter Kork nur in der Nähe der Küste vorkomme, durchaus irrig. Abgesehen von den vielen Orten im ausgedehnten Gebiete der Sierra Morena, finden wir solchen selbst in den centralen Teilen der Halbinsel, z. B. in den Thälern der Sierra de Gredos und den Provinzen Avila und Ca c er es. Im forstwirtschaftlichen Teil der spanischen Ausstellung zu Barce- lona (1888) hatte man unter dem Titel „GeografiaBotanicaForestal" auf 1 2 Karten die Verbreitung der 1 2 wichtigsten spanischen Waldbäume angegeben, indem man die einzelnen Provinzen je nach dem Procent- anteil des betreffenden Baumes am Gesammtareal in verschiedenen Schattierungen von Grün vorführte. Diejenige Karte, welche der Korkeiche gewidmet war, brachte folgende Verhältnisse zur An- schauung : Verbreitung der Korkeiche (Quercus Suber L.): I. Weniger als 0,1^ des Areals: Barcelona, Castellon, Gra- nada, Badajoz (?) , Avila, Zamora, Leon. II. 0,1 — \%\ Salamanca, Toledo, Ciudad Real, Cördoba. III. 3 — *)%: Cäceres, Sevilla, Cädiz, Malaga. IV. 5 — \o%\ Huelva. V. 10 — 15#: Gerona. Diese Angaben sind indes durchaus unzuverlässig. Nehmen wir zum Beweise die Provinz Huelva heraus. Nach den freundlichen Mitteilungen des Oberforstmeisters derselben, D. Jose M* Lopez, umfassen die fast ausschliesslich in Privathänden befindlichen Al- cornocales (Korkwälder) 49804 ha. Daraus berechnet sich ihr Anteil an der Gesammtoberfläche der Provinz von 10676,4 qkm = 1 Hier namentlich im Säulen des Herkules" im Bericht der Senckenberg. Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1882—83). Kork und Korkeiche. 147 1067640 ha zu 4,665^, ein Verhältnis, das durchaus glaubwürdig erscheint. Nach andern Angaben, die der Wahrheit ebenfalls nahe- kommen dürften, umfassen die Korkwaldungen Spaniens 255000 ha oder ungefähr 0,5^ der Landesoberfläche ; und es kommen auf das Areal von Gerona 80000 ha oder 13,6^, Huelva 54000 ha oder 5X7 Cäceres 32500 ha oder 1,56^, Sevilla 28000 ha oder 2.04^, Cädiz 20000 ha oder 2,73^? Ciudad Real 11500 ha oder 0,56^, Cördoba 9500 ha oder 0,7^. Das übrige von 17500 ha verteilt sich auf 10 weitere Provinzen. In Nordafrika weisen Marokko, Algier und Tunis die Korkeiche auf. Für Marokko stehen uns aber bislang über die Verbreitung derselben nur dürftige Angaben zu Gebot. Dieselbe scheint nirgends bis zum Atlasgebirge südwärts vorzudringen. Man findet viele Korkeichen in den Wäldern der Umgebung von Tetuan, wo es auch spanische Korkschneider giebt, welche grosse Massen Korke auf die französischen Schiffe schmuggeln, weil die Regierung die Ausfuhr nicht gestattet, wie wir in Lenz: „Timbuktu" lesen. Ferner giebt es Korkwälder bei Larasch, doch ist auch über deren Ausdehnung nichts bekannt und von einer Benutzung keine Rede, weil die Vorbedingung, noch fehlt. In Algier und Tunis umfasst nach Trabut1 die Zone der Kork- eiche folgende Gebiete: 1. Den Norden von Tunis mit ca. 112 000 ha 2. Den Norden des Departement Constantine. d. h. die Gegenden von La Calle, Souk, Ar ras, Bone, Philippville, Collo, Constantine, Setif, Djidjelli, Bougie mit ca. 385667 ha 3. Im Departement Algier, die Gegenden von Dellys, Alger, Blida, Medea, Miliana, Teniet- el-Haad, Dira, Tenes mit ca. 33 977 ha 4. Im Departement Oran, die Regionen von Tia- retä, Mascara, Tlemcen (Ain-Ghoraba) und den Wald von Msila mit ca. 11 061 ha Zusammen ca. 542 705 ha. Rechnet man die Korkvorkommnisse in Marokko hinzu, so dürfte die Berberei einen Bestand von insgesammt 560000 ha Korkwälder besitzen, d. h. mehr als den drei südwesteuropäischen Ländern zukommt. Freilich ist das Verhältnis der Verwertung ein ganz anderes. — 1 „Les Zones botaniques de TAlge-rie." Vortrag, gehalten iSSS in Oran beim Kongress der Association francaise. io- 148 Kork und Korkeiche. Nachdem wir im Vorstehenden eine kurze Uebersicht über die geographische Verbreitung der Korkeiche gewonnen haben, wollen wir zuletzt noch die Gewinnung und Verwendung des Korkes, die wichtigste Seite unseres Gegenstandes, einer näheren Betrachtung unterziehen. Einjährige Triebe der Korkeiche besitzen, wie bereits früher erwähnt wurde , eine einfache , dünne , aschgraue , filzig behaarte Rinde; bei zweijährigen Zweigen ist die Farbe derselben kastanien- braun und ihr Filz fast ganz verschwunden. Erst mit dem vierten Jahr zeigt sich über dem lebenden Gewebe der eigentlichen Rinde, oder dem Kork-Cambium , wie diese wohl auch genannt wird, eine deutliche Korkbildung, die nun zur Massenentwickelung fortschreitet. Der Kork ist ein Sekret dieser inneren Rinde, das anfangs dickflüssig hell, dann wachsartig weich und gelblich ist, allmählich aber ein- trocknet und die bekannten Eigenschaften des Korkes annimmt. Es wurde bereits früher hervorgehoben, dass die Korkrinde an der Lebensthätigkeit des Baumes keinen Anteil hat. Wie die Wolle des Schafes, ist sie gewissermassen ein Kleid, das entfernt werden kann und durch neues Wachstum wieder ersetzt wird. Aber zwischen der Beschaffenheit dieser neu sich bildenden Korkmasse und der ersten, abgeschälten, besteht ein grosser Unterschied, fast so gross, wie zwischen der Frucht eines Wildlings und dem durch Veredlung erzielten Obst. Der Kork des Handels, das Material, aus welchem unsere Korkpfropfen geschnitten werden, ist also kein reines Natur- produkt, sondern ebenfalls durch menschliches Zuthun, durch ein Veredlungsverfahren entstanden. Wir haben demnach zu unterscheiden: 1. die lebendige Innen - rinde, die Korkbildnerin; 2. den natürlichen Kork; 3. den Kork des Handels. 1. Die lebendige Innenrinde oder das Korkcambiu m. Sie wird von den französischen Korkschälern lard (Speck) oder mere (Mutter, Mutterrinde) genannt, verdickt sich nur langsam mit zunehmendem Alter, ist an der Oberfläche nicht zerrissen, wohl aber mit zahlreichen Grübchen und kleinen Höckern versehen. In ihrer dunkleren Färbung und scharfen Begrenzung sticht sie auffallend ab gegen den helleren, locker aufsitzenden Kork. Beschädigungen der- selben müssen unter allen Umständen vermieden werden; doch heilen Schnitte leichter und schädigen die Korkbildung weniger als Risse. Der Gerbsäuregehalt dieser eigentlichen Rinde der Korkeiche wechselt nach Standort und Alter sehr; bei vier spanischen Sorten fand man 13,20, 7,43, 4,89 und 2,28^. In der Provinz Cädiz wird sie des- halb, wie auf Sardinien, zum Gerben benutzt. Die Korkwälder zu Kokk und Korkeiche. 149 Ghardimaon in Tunis nahe der algerischen Grenze dienen bislang nur diesem Zweck. Die Produktion an Gerberlohe hatte hier im Jahre 1890 einen Wert von 2585000 Piaster loder 460000 Mark. Die Oberfläche der Mutterrinde färbt sich infolge des hohen Gerbsäure- gehaltes bald nach jeder Korkabschälung rotbraun, wie frischgegerbtes Leder. Allmählich geht diese Farbe in Schwarz über, wie man dies auch an Bäumen unseres Lichtdrucks von einem Korkwalde bei Alajar sehen kann, dessen photographische Aufnahme im September 1888 erfolgte, etwa zwei Monate nach der Korkernte. 2. Der natürli che Kork, der Jungfernkork (corcho virgen oder corcho bornio, oder bornizo bei den Spaniern) wird von den Franzosen ebenfalls Jungfernkork (Liege vierge), aber auch männlicher Kork (Liege male) genannt. Derselbe bildet sich zuerst zwischen Epidermis und krautartiger Zellschicht, doch nicht als ein gleichmässiges Lager. Jede folgende Korkschicht eines Jahres wird von der vorhergehenden durch eine Lage dunklerer Zellen getrennt, welche das Mesoderm bilden. Da nun aber der Kork eine tote Substanz ist und sich nicht mit dem Wachstum des ihn er- zeugenden Stammes oder Astes ebenfalls weiter ausdehnt, so tritt bald der Fall ein, dass die alten Korkablagerungen der Länge nach an verschiedenen Stellen zerreissen, ähnlich wie wir es bei der Borke vieler andern Bäume sehen. Jeder ursprüngliche, natürliche Kork zeigt uns daher durch tiefe, bis zu den jüngsten Bildungen reichende Furchen, der Länge nach geschiedene Teile, die stellenweise durch Querjoche miteinander verbunden sind, gewissermassen ein Bild von Thal- und Terrassenbildung. Als Sohle der etwas sich windenden Furche sehen wir in gelbbrauner Farbe die jüngste Korkschicht. Von hier aus erscheinen, wulstig oder terrassenförmig über einander aufsteigend, der Reihe nach, mehr oder minder deutlich und in ver- schiedenen Schattierungen von Grau, die älteren Jahresablagerungen, bis endlich die höchsten Stellen der Zwischenleisten — langgestreck- ten Plateaubildungen vergleichbar — die mehr oder weniger glatten Stücke der alten Epidermis zeigen. Mit zunehmendem Alter des Baumes erreicht dieser männliche oder natürliche Kork die ansehn- liche Dicke von 10, 15 und mehr Centimetern. Er giebt den alten Korkeichen ein interessantes, malerisches Aussehen, das noch erhöht wird durch Farrenkräuter, die sich an Orten in der Nähe der See gern in seinen Furchen ansiedeln. Am häufigsten findet man unser bekanntes Engelsüss (Polypodium vulgare L). In Cintra bei Lissa- bon, z. B. in den herrlichen Anlagen von Monserrate, gesellt sich dazu die prächtige Davallia canariensis Sw., welcher man auch in 150 Kork und Korkeiche. der Provinz Cadiz auf nie benutzten, alten Bäumen oft begegnet. Abgeschält von der Mutterrinde ist dieser männliche Kork zu Pfropfen Fig. 5. Querschnitt einer jungen Korkeiche, natürliche Grösse, a = natürliche (männliche Korkrinde, b = lebendige (weibliche) Rinde, c = Holz mit Jahresringen und Mark- strahlen. Fig. 6. Stammstück einer jungen Korkeiche mit natürlicher (männlicher) Korkrinde. \/-> natürlicher Grösse. und den meisten andern Verwendungen der Handelsware unbrauch- bar und hat überhaupt nur geringen Wert. Bei uns wird er vielfach als Verzierungsmittel verwendet, so z. B. zur Umkleidung grösserer Pflanzenkübel. Kork und Korkeiche. i 5 1 3. Der Kork des Handels. In Spanien wird derselbe Corcho segundario und Corcho fino genannt, in Frankreich Liege femelle (weiblicher Kork) oder Liege de reproduction. Seine Gewinnungsweise wurde zuerst von den Catalanen entdeckt und geübt. Auch kommen noch jetzt die meisten Korksammler und -Verarbeiter im übrigen Spanien aus der Provinz Gerona. Den alten Völkern und den Bewohnern der Berberei ist sie unbekannt geblieben. Der weibliche Kork löst sich gleich dem männlichen zur Zeit des Saft- steigens von der Mutterrinde so leicht ab, wie bei uns die Lohe von der Eiche, oder wie die äussere Schale einer Kastanie von der eigentlichen Frucht zur Reifezeit. Das Abschälen des Korkes nennt der Spanier „ descorchar", der Franzose „demascler". Es ist, wie schon erwähnt wurde, mit Sorgfalt auszuführen, damit die kork- erzeugende Mutterrinde nicht verletzt wird, und erstreckt sich bei jüngeren Bäumen nur auf die Stämme, bei älteren auch auf die dickeren Aeste. Dass es nicht fleckweise , sondern ringsum am ganzen Stamm und von den Aesten bis zum Boden geschieht, ver- steht sich von selbst. Als Zeit wählt man in Europa überall den Hochsommer, also den Juli und August, in Algier dagegen das Frühjahr. Der damit vertraute Arbeiter macht in ziemlich gleichen Abständen von etwa 1 m Gürtelschnitte durch den Kork und ver- bindet sie durch drei oder mehr Längsschnitte. Darauf löst er mit Hülfe einer breiten Axt und ihres nach oben keilförmig zugeschärften Stieles die so begrenzten Stücke ab, nachdem er vorher durch Klopfen ihr Aufliegen auf der Mutterrinde noch mehr gelockert hat. Die erste Korkschälung, d. h. die Ablösung der männlichen oder Jungfernrinde, erfolgt, wenn die Eiche genügende Stärke erreicht hat, um dieses Verfahren ohne Schaden auszuhalten. Es ist dies in einem Alter des Baumes von 15 — 20 Jahren der Fall, im wärmeren Klima, wie in Niederandalusien und Algier, einige Jahre früher, als in Catalonien und andern kälteren Korkdistrikten. Der weibliche Kork, d. h. jede nun folgende neue Korkschicht, unterscheidet sich von dem männlichen der ersten Schälung vornehm- lich dadurch, dass er nicht der Länge nach reisst. Selbst wenn er viele Centimeter dick die Ablagerungen von 20 und mehr Jahren umfasst und in seiner Qualität noch so verschieden ist, so bildet er doch immer Cylinder ohne Furchen. Die Ernten erfolgen nun in ziemlich regelmässigen Intervallen von 9 — 12 Jahren. Indes hängt die Länge der Zeit, welche man von einer Abschälung bis zur andern verstreichen lässt, wesentlich ab von dem Gebrauch, welchen man vom Korke machen will. In der Provinz Gerona, welche den 152 Kork und Korkeiche. geschätztesten Kork des Handels hervorbringt, neigt man mehr zur Verlängerung als zur Abkürzung der Zeit von einer Ernte zur anderen. Die erste Reproduktion ist noch gleich dem männlichen Kork sehr schwammig, porös und für Pfropfen nicht zu brauchen. Die Qualität verbessert sich nach jeder neuen Ernte und entspricht schon bei der vierten oder fünften allen Anforderungen. Im Alter von 50 — 150 Jahren liefern die Bäume den besten Kork. Dies gilt jedoch nicht für jeden Baum und Standort. Magerer Boden liefert nur dünne, aber sehr feine jährliche Korkablagerungen und damit die besten Pfropfen, wie sie besonders zum Verschluss der Champagnerflaschen und in den Apotheken gebraucht werden. Wenn dagegen der Boden fruchtbar ist, so wird der Kork dick, aber schwammig oder gesprenkelt (jaspeado, wie der Spanier sagt), und hat dann oft kaum den zehnten Teil des Wertes der besten Qualität des corcho trefino. Die Korkbildung ist am stärksten im ersten Jahr nach jeder Schälung und erreicht dann 3 — 5 mm Dicke. Dieselbe vermindert sich allmählich so, dass die durchschnittliche Dicke von 10 Jahres- ablagerungen 20 — 23 mm beträgt, von 12 Jahren 24,7 mm. Indes ist in der Abnahme keineswegs eine regelmässige Stufenleiter zu erkennen, vielmehr wirken auch die ungleichen Witterungsverhält- nisse der einzelnen Jahre und andere Umstände, bald hemmend, bald fördernd auf die Korkbildung ein. Letztere ist kräftiger bei einzeln stehenden Bäumen, als in dichteren Beständen, und im warmen Klima beträchtlicher als im kälteren. Eine Korkdicke von 23 mm, welche zu dickeren Stopfen erforderlich ist, wird in x\lgier in acht Jahren erzielt, in Catalonien und Südfrankreich erst in zehn Jahren. Hierbei ist die äussere, rauhe Partie des ersten Jahres von 2 — 3 mm Dicke nicht mitgerechnet. Dieselbe ist von vielen Rissen durch- zogen, holzartig hart, dunkler gefärbt und unbrauchbar. Sie wird deshalb entfernt. Die Korkernte eines Baumes ist in Spanien durchschnittlich 3 Duros oder 12 Mark wert. Kräftige ältere Bäume liefern bei jeder Ernte etwa 2 Zentner oder 100 kg Kork. Im Jahre 1885 ergab je- doch ein einziger Baum bei Gerona 233 kg eines 15jährigen Korkes, von dem der Zentner zu 29 Mark verkauft wurde, der demnach einen Gesammtwert von rund 170 Pesetas oder 135 Mark hatte. Behandlung des Korkes nach der Ernte. Verwendung. Die abgeschälten Korkstücke sind wie der Stamm mehr oder weniger cylindrisch gekrümmt. Sie werden entweder schon am Ort Kork und Korkeiche. DJ der Gewinnung gestreckt, so gut es geht, indem man sie aut die hohle Seite legt und mit Steinen oder andern Gegenständen beschwert und flach drückt, bis sie trocken sind und versandt werden können, wie die Rinde aus unsern Eichenschälwäldern, oder sie kommen alsbald in die weitere Behandlung des Korkschneiders. Wir sehen sie dort auf einem geräumigen Hofe regelrecht zu hohen Haufen frisch vom Baum weg mit der Innenseite nach unten so aufgestapelt, dass die Luft hindurchstreichen und sie leicht trocknen kann. In einer nahen Halle befinden sich ein oder mehrere grosse, rechteckige kupferne Pfannen von etwa 2 — 3 m Länge, i1/* — 2 m Breite und ziemlicher Tiefe, über die Hälfte mit Wasser gefüllt, das durch ein starkes Feuer im Kochen erhalten wird. In dasselbe werden die Korkstücke, gross und klein, gut und schlecht, in grossen Bündeln eingetragen, durch zwei Querbalken als Hebel niedergedrückt und etwa eine Stunde lang unter Wasser gehalten. Während dieser Submersion — französische Korkarbeiter nennen 'es das Kochen, bouillage oder bouillantage des Korkes — bedeckt sich das Wasser mit einem schmutziggelben Schaum. Die im Wasser löslichen Stoffe des Korkes, wie Gerbsäure und andere, werden dabei ausgezogen, während die Korkmasse selbst erweicht und sich ausdehnt bei guter Qualität, dagegen zusammenschrumpft, wenn die Ware durchlöchert und schlecht ist. Nunmehr wird der aus dem Wasser gezogene Kork Stück für Stück vorgenommen und für den weiteren Gebrauch zu- bereitet. Die nächste Arbeit ist das Abkratzen oder Abschaben (französisch raclage) der verholzten , rissigen Aussenseite mit dem Schab- oder Kratzeisen oder dem Hobeleisen (französisch doloire, spanisch dolatero). Das Kratzeisen (französisch raclette, spanisch el raspador), dessen man sich in Spanien bedient, gleicht in der Form demjenigen, womit unsere Bäcker die Teigreste von Boden und Wänden ihres Troges zusammenkratzen. Durch diese Arbeit werden die Korkstücke zugleich gestreckt und in Platten (spanisch planchas) verwandelt. Sie verlieren durch beides, Kochen und Abschaben, etwa 15 — 30^ ihres Gewichtes. Ein Arbeiter kann täglich 2 — 3 Zentner strecken und abkratzen. Hierauf findet das Sortieren des Korkes (französisch le classement) statt, [wobei man sich dünner, scharfer Messerklingen aus elastischem Stahl bedient, den man in Spanien aus Paris bezieht. Schlechte Stellen werden damit abge- schnitten und zwar mit einer scheinbaren Leichtigkeit, als fahre man mit dem Messer durch Butter. Die Primaware steht hoch im Preise und kostet 100 — 120 Francs der Doppelzentner. Sie wird dement- sprechend sorgfältig unter Dach aufbewahrt. Von der zweiten und 1 54 Kork und Korkeiche. dritten Qualität ist der Wert ansehnlich geringer und von der schlech- testen nur 15 — 20 Francs für den Doppelzentner. Der zu Stöpseln (tapones) geeignete Kork wird entweder in den Alcornocales nahen Orten nach der erwähnten Zubereitung verarbeitet oder in Platten (spanisch planchas) ausgeführt. Spanfen z. B. exportiert von seinen Korkernten viel mehr Pfropfen (tapones) als Platten (planchas) ; bei Portugal ist dies Verhältnis umgekehrt. Die Pfropfenfabrikation ging von Gerona aus und entwickelte sich mit der Fabrikation von Glas- flaschen und dem Bedürfnis. Catalanen haben die Industrie über das Land verbreitet und Stöpselschneidereien (taponerias) eingerichtet überall da, wo die nahen Wälder genügend Kork dafür lieferten. Die trocknen Korkplatten werden vor der Verwendung zu Pfropfen noch eine halbe Stunde lang mit Wasser gekocht und an einem feuchten Orte aufbewahrt, damit sie sich leichter schneiden lassen. Man teilt sie dann in Streifen und diese wieder in Rechtecke oder Quadrate, aus denen man dann mit der Hand die Stöpsel schneidet. Die Längsachse derselben läuft parallel zu den Jahresablagerungen; nur bei sehr breiten und kurzen Stopfen finden wir wohl auch ein- mal das umgekehrte, nämlich, dass die Schnitte senkrecht gegen die Schichtung gerichtet sind. Geschichtliche und statistische Notizen über den Kork und die Korkindustrie. Von den alten Schriftstellern hat zuerst Theophrast des Korkes erwähnt. Im IL Buch seiner Historia plantarum hebt er hervor, dass die Korkeiche von den Pyrenäen stamme. Ausführlicher und unzweideutiger bespricht Plinius der Aeltere den Gegenstand. Er weiss, dass die Korkeiche wenig Früchte trägt und dass man sich ihrer dicken Rinde zu Ankerbojen, Schwimmern für Angeln und Netze, zu Fassspunden, Winterschuhen für Frauen und zur Dach- bedeckung bedient. Nach Varro wurden die besten Bienenstöcke aus Korkrinde gemacht. Columella bestätigt dies und hebt als Grund hervor, weil sie im Winter die Kälte, im Sommer die Hitze ab- hielten. Alle diese Verwendungen beziehen sich auf den natürlichen oder männlichen Kork. In der Sierra Morena und andern korkreichen Teilen Spaniens werden noch heute die Bienenstöcke ganz allgemein aus Kork dar- gestellt; nur wählt man dazu in der Regel nicht den natürlichen Jungfernkork, sondern den schwammigen, porösen Kork der ersten oder zweiten Reproduktion. Die Bienenkörbe sind cylindrisch, Kork und Korkeiche. 155 60 — 70 cm hoch mit 1 — 1,2 m Umfang. Zwei bis vier rohe, unge- streckte Korkschalen werden zu diesem Cylinder seitlich zusammen- gefügt. Eine Korkplatte als Decke, eine andere oder ein Stück Schiefer als Unterlage vollenden das Aeussere einer solchen Bienen- wohnung. Im Innern befestigt man kreuzweise Stäbchen, damit die Bienen ihre Waben darankleben können, macht ihnen unten an der Seite ein Flugloch, und die corcha oder der Bienenstock ist fertig. Die Bienenzucht wird ausserhalb der Ortschaften auf ummauerten Grundstücken betrieben, woselbst die dunkelgrauen Stöcke auf kunst- losen Bänken oder sonstigen Erhöhungen in Reihen aufgestellt sind. Im Altertum war der Kork trotz der erwähnten Verwendungen ein geringwertiger Gegenstand. Selbst in unserer christlichen Aera hatte er viele Jahrhunderte hindurch keine irgendwie bemerkenswerte Handelsbedeutung. Erst mit der Entdeckung der verbesserten Re- produktion nach der ersten Abschälung und mit der Entwicklung der Flaschenindustrie fand auch der Kork eine umfangreiche Ver- wendung und stiegen die Korkwälder rasch im Wert, wenigstens in Frankreich, Portugal und Spanien. Kork in Platten und Pfropfen gehört zu den bedeutendsten Ausfuhrartikeln der beiden letzten Länder. Die Summen, welche sie dafür jährlich einnehmen, sind beträchtlich und steigern sich fast von Jahr zu Jahr. Die Korkausfuhr Spaniens betrug dem Werte nach in Pesetas oder Francs : 1884 1885 1886 1887 1888 1889 In Stöpseln 12885000 14437000 16729000 15367000 19 512 000 19932000 In Platten 1 295 000 762 000 942 000 1 401 000 I 361 000 1 674 000 Pesetas 14 180000 15 199000 17672000 16768000 20873000 21606000 Mark 1 1 344 000 12 159 200 14 137 600 13 414 400 16698400 17284800 Die Statistik Portugals liegt noch sehr im Argen; daher sind sowohl die englischen, wie die deutschen Konsulatsberichte über die Korkausfuhr sehr lückenhaft und unzuverlässig. Nach dem deutschen Handelsarchiv betrug dieselbe 1889 1890 a) an Platten Mk. 6 500 000 6 000 000 b) an Stöpseln „ 4 000 000 3 500 000 Zusammen Mk. 10500000 9500000. Hiervon empfing England etwa drei Viertel, den Rest Deutsch- land, zumal für seine grossen Korkschneidereien in dem olden- burgischen Städtchen Delmenhorst und in Bremen. Deutschland erhielt vom portugiesischen Kork dem Werte nach: «1 156 Kork und Korkeiche. 1885 1886 1887 a) an Platten Mk. 2 000 000 2 400 000 2 600 000 b) an Stöpseln „ 500 000 400 000 500 000 Zusammen Mk. 2 500 000 2 800 000 3 100 000. Die gesammte englische Korkeinfuhr im Jahre 1885 hatte einen Wert von £ 721 181 = 14,5 Mill. Mark. Davon lieferten Portugal, Frankreich und Spanien für £ 364987, £ 25953g, £ 56892, be- ziehungsweise. Dazu kam aus Algier für £ 25 683 Kork in Platten. Wenngleich der grösste Teil dieses Korkes zu Pfropfen und Schuhsohlen verarbeitet wird, so giebt es dafür doch auch noch viele andere Verwendungen, die alle aufzuzählen hier zu weit führen würde. Erinnert sei nur an die Korkbildnerei oder Phello- plastik, d. h. die Nachbildung von Baudenkmälern, Festungen etc. in kleinerem Massstabe durch ausgeschnittenen Kork. Aus dem natürlichen , männlichen Kork machte man im Altertum mancherlei schöne Arbeiten; aber zu Kunstprodukten, wie sie aus dem Kork des Handels verfertigt werden, zumal in Deutschland, konnte man sich bei dem viel ungeeigneteren und ungefügeren damaligen Ma- terial nicht versteigen. Korkabfälle aber, die früher nur als Verpackmaterial Verwendung fanden, sind heutiges Tages ebenfalls ein gesuchter Artikel, den man namentlich viel bei der Anfertigung- der Linoleum- oder Kork- es o teppiche braucht. Nach dem Areal, welches die Korkwälder in Algier einnehmen (siehe S. 147), ist dieses das korkreichste Land der Mittelmeerregion ; doch steht die Gewinnung und Ausfuhr des wichtigen Handelsartikels noch weit hinter derjenigen von Spanien und Portugal zurück. Die Araber und Berber kannten weder den Wert des Korkes, noch das Verfahren, ihn von der Korkeiche zu gewinnen. So waren vor der französischen Besitzergreifung Algiers die Kork- wälder Nordafrikas den Europäern unbekannt und den Eingeborenen gleichgültig. Erst im Jahre 1840 fingen die Franzosen mit den Vor- arbeiten zu ihrer Erhaltung und Verwertung an. Mancher schöne Kork- eichenbestand ist auch seitdem noch ein Raub der Flammen geworden, weil die Eingeborenen mit dem Feuer höchst leichtfertig umgehen, zu- weilen sogar absichtlich den Wald in Brand setzen, um die wilden Tiere daraus zu vertreiben, den Herden bessere Weide zu verschaffen oder neues Land für den Ackerbau zu gewinnen. Insbesondere aber ist die seit alten Zeiten bestehende Gewohnheit der Araber und Berber, das trockne Gras niederzubrennen, um saftigeres Futter für die Herden zu gewinnen, eine jährlich wiederkehrende grosse Feuersgefahr Kork und Korkeiche. 157 für die Wälder, durch welche dem Lande schon enorme Verluste erwachsen sind. Die Korkausfuhr aus Algier wächst von Jahr zu Jahr. Sie er- reichte schon 1886 einen Wert von ca. 4000000 Frcs. oder 2% vom Gesammtexport und stieg- im folgenden Jahre auf 4,5 Millionen Francs. Im Jahre 1882, bald nach Uebernahme des Protektorats über Tunis, sandte die französische Regierung eine Forstkommission in das Land, welche das Vorhandensein wichtiger Korkwaldungen bei Ghordimaon, nicht weit von der algerischen Grenze, konstatierte. Um dert Feuersbrünsten zu steuern, wurde auf die absichtliche An- zündung der Wälder die Todesstrafe gesetzt und auch an zwei Indi- viduen auf der Stelle durch Erschiessen ausgeführt, welche boshafter- weise Feuer angelegt hatten, durch welches ein Bestand von 10 000 ha der Aleppokiefer (Pinus halepensis Mill.) bei Ain-Draham im Süden von Tunis vernichtet wurde. Man fing 1883 damit an, Gräben gegen die Feuersbrunst zu ziehen und Pfade durch die ausgedehnteren Korkeichenbestände zu legen, sowie die Jungfernrinde zu entfernen. Vom Jahre 1884 an bis 1889 hatte man diese Arbeit der „demasclage" bereits an 3500000 Bäumen ausgeführt. In derselben Zeit wurden 1 200 ha Schutzgräben gezogen, mehr als 600 km Wege und Pfade angelegt und andere Vorarbeiten und Verbesserungen ausgeführt. So ist denn die Zeit nicht mehr fern, wo Kork auch für Tunis ein sehr wichtiger Ausfuhrartikel sein wird und wo es neben Algier in der Lage sein wird, den von Jahr zu Jahr steigenden Bedarf an Kork zu einem ansehnlichen Teile decken zu helfen. DIE STEINEICHE (OUERCUS ILEX L.) UND DIE SPANISCHE SCHWEINEZUCHT. Die Betrachtung der Steineiche schliesst sich derjenigen des Korklieferanten naturgemäss an, nicht bloss wegen der nahen Ver- wandtschaft beider und verwandter Lebensbedürfnisse, sondern auch wegen der hohen Bedeutung, welche dieser zweite immergrüne Be- standteil des Laubhochwaldes der Mittelmeerregion, insbesondere auf der Iberischen Halbinsel, seit alter Zeit besitzt. Was von der Tracht der Korkeiche gesagt wurde, gilt noch in viel höherem Masse von ihrem häufigen Gefährten , der Steineiche , welche in Spanien unter den Namen Encina und Carrasco, in Catalonien als Aisina und Alsinera und in Portugal als Azinheira und Azinho allgemein bekannt ist. Mit unsern stattlichen, hochanstrebenden Eichen hat La Encina keinerlei Aehnlichkeit, wohl aber mit alten, schlecht- gezogenen Aepfelbäumen. Wie bei diesen der Stamm in der Regel schräg aufsteigt, nur 2 — 3 m Plöhe bei ansehnlicher Dicke erreicht, dann sich sehr unregelmässig verästelt und eine ziemlich weite, doch lichte und wenig hohe Krone bildet, so entwickelt auch die Stein- eiche einen kurzen dicken, selten senkrecht aufsteigenden Stamm und eine unregelmässig gebaute, lichte, mehr in die Breite, als in die Höhe strebende Krone. Die meisten Bäume derselben bleiben zwi- schen 8 und 12 m hoch; nur ausnahmsweise erreichen einige eine Höhe von 16 und mehr Meter. Langsames Wachstum und langes Leben zeichnet sie aus. Auch machen sie hinsichtlich des Bodens und der Feuchtigkeit gleich der Korkeiche wenig Ansprüche. Zu den charakteristischsten Eigenschaften gehört die Belaubung. In der Regel erinnern nur die steif lederartigen , kurzgestielten, eiförmigen und am Rande dornig gezahnten Blätter der jungen Die Steineiche (Quercus Ilex L.) etc. 159 Steineiche, sowie der Wasserreisser , an unsere Stechpalme (Ilex Aquifolium L.), sind aber immer viel kleiner, als diejenigen der letzteren. In späteren Jahren weichen die Blätter in ihrer Grösse, Gestalt, Berandung und Färbung wesentlich davon und unter einander ab. In allen Fällen sind sie aber länger gestielt, lederartig steif und, wie bei der Korkeiche, von 2 — -3 jähriger Dauer. Die typische Form ist 2 — 4 cm lang, 1,5 — 3 cm breit, eilänglich, mehr oder weniger gestreckt und in eine Stachelspitze auslaufend, am Rande stachelig gezahnt, seltener ganzrandig, auf der Unterseite graufilzig behaart, nach oben graugrün. Von den verschiedenen Varietäten der Stein- eiche ist die auffälligste, beständigste und wichtigste diejenige mit süssen Früchten, welche vielfach als besondere Art unter dem Namen Quercus Bellota Des f. (Q. rotundifolia Lamk.) angeführt wird1. Sie hat elliptische , mehr oder weniger stumpfabgerundete , bald dornig gesägte, bald ganzrandige und am Rande umgebogene Blätter, bei denen die Oberseite graugrün und wie feiner Krepp warzig uneben, die Unterseite durch filzige Behaarung weissgrau ist. Die Steineiche blüht im April, etwas früher als die Korkeiche, mit zahlreichen, hängenden, gelbgrünen Kätzchen. Ihre Fruchtreife fällt in den Oktober. Die Eicheln erscheinen einzeln oder zu meh- reren vereint an einem Stiele. Der halbkugelförmige oder cylindrische Becher mit dichtanliegenden Schuppen umgiebt die vielgestaltige, meist langgestreckte Frucht nur teilweise. Auch die Eicheln von Quercus Bellota ragen weit aus ihren Kapseln oder Bechern hervor. In Grösse und Form gleichen sie denen unserer Stieleiche. Die Eicheln der eigentlichen Steineiche sind bitter und auch für das Vieh weniger wertvoll als die der Quercus Bellota. Diese sind essbar, süss, und danach unterscheidet man Encinas (Steineichen) con bellotas oder frutos dulces (portugiesisch Azinheira de bolota dolce), auch Encina de Salamanca genannt, und Encinas con bellotas amare, also Bäume mit süssen und mit bitteren Früchten. Die Wälder der Steineiche, in Spanien Encinales genannt, nehmen ein viel grösseres Areal ein, als die der Korkeiche, und bilden viel häufiger reine Bestände. Einem Walde der Encina gegen- über erscheint selbst der Olivenhain noch lieblich grün. Unter den Waldbäumen der Iberischen Halbinsel giebt es keinen grösseren Gegensatz, als zwischen dem herrlichen Anblick des grünen Pinien- waldes mit seinen bizarren , aber höchst malerischen Formen, und 1 Der spanische Name Bellota ist schlecht gewählt, denn er bedeutet einfach .Eichel". i6o Die Steineiche (Quercus Ilex L.) dem düsteren immergrünen Wald von Steineichen. ..Immergrün" ist jedoch hier ein irreleitender Ausdruck, „immergrau" und un- freundlich sollte man lieber sagen. Es ist als hätte sich aller Strassenstaub über ihm abgelagert; aber diese Färbung ist echt, ist Natur, kein Regen wäscht sie ab. Unter Bäumen der Encina fallen eingestreute Korkeichen noch durch ihre mehr grüne Belaubung auf. Auch ragen sie über dieselben hinaus. Der auffallendste Unterschied besteht jedoch in ihrer Korkrinde gegenüber den glatten Stämmen der Steineiche. Letztere hat eine viel weitere geographische Verbreitung. Sie findet sich in allen Ländern der Mittelmeerregion, sowie ostwärts in den Ge- birgen Vorderasiens bis zum Himalaya und Soleimangebirge, wo ihre Höhengrenze zwischen iooo und 2500 m liegt. In Spanien gedeiht sie am besten zwischen 200 und 800 m über der See; sie steigt jedoch in der Sierra de Ronda westlich von Malaga bis 1 500 m und auf der Südseite der Sierra Nevada bis 1700 m, ja hier und da bis 1900 m empor. Wie sie hier an ihrer oberen Höhengrenze nur strauchförmig auftritt, so erscheint sie auch im äussersten Norden der Mittelmeer- region, z.B. in Istrien und Dalmatien als krüppelhafter Baum oder blosser Strauch. Ihre auffallendste und wichtigste Abart, die Quercus Bellota Desf., geht nicht so weit, ist vielmehr, wie es scheint, auf die wärmeren Teile der westlichen Mittelmeerländer beschränkt. Mit Ausnahme Galiciens und des nördlichsten Teils von Portugal, sowie der Hochgebirge , ist die Steineiche in allen Provinzen der Pyrenäischen Halbinsel zu finden. Ihre ausgedehntesten Wälder und die bestentwickelten Bäume, meist der süssfrüchtigen Abart ange- hörend, trifft man in Andalusien, Estremadura und dem westlichen Teil beider Castilien, sowie in dem an Estremadura grenzenden Gebiet von Portugal. Es sind die Flussgebiete des Guadiana, Tajo und Duero, vor allem aber die ausgebreitete Sierra Morena und die mittleren und westlichen Glieder der Cor di Hera - Oretana zwischen Guadiana und Tajo, wo wir sie aufsuchen müssen. Nach einer graphischen Darstellung des spanischen Oberforst- amtes auf der Ausstellung zu Barcelona 1888 nimmt La Encina vom Areal der einzelnen Provinzen ein : 15 — 20^ in Cäceres und Gerona; 10 — 15^ in Cördoba; 5 — \o% in Huelva, Albacete, Terruel, Toledo; 3— *>% in Sevilla, Almeria, Ciudad Real, Cuenca, Guadalajara, Zaragoza, Soria, Bürgos, Zamora; UND DIE SPANISCHE SCHWEINEZUCHT. 161 i — 3 % in Leon, Palencia, Valladolid, Segovia, Pamplona, Lo- grono, Huesca, Lerida, Tarragona, Castellon, Gra- nada, Badajoz. i bis unter 0,5^ in Oviedo, Avila, Madrid, Alicante, Jaen, Malaga, Cädiz. Die Encina oder Steineiche liefert der Industrie eine gerbsäure- reiche Rinde und wertvolles Holz, dem Haushalte kaum zu entbehrende Kohle, der Schweinezucht ausgezeichnetes Futter. Rinde. Bis zum 10., 15. und selbst 20. Jahr, je nach dem Standort, erzeugt die Steineiche eine glatte Rinde. Dieselbe ist äusserlich erst glänzend grün, später hellgrau, im Innern weiss. In höherem Alter und bei zunehmender Dicke springt sie der Länge nach und in die Quere auf und es geht ihre Farbe mehr und mehr in dunkelbräun über. Damit vermindert sich zugleich ihr Gerbsäure- gehalt und Wert. Ersterer beträgt bei 15 — 25 Jahre alter Rinde 11 — \^% von ihrem Gewicht, bei 50 — 100 Jahre alten Bäumen aber nur noch 6 — 10^. Die unter dem spanischen Namen Casca be- kannte Gerberlohe von der Encina ist auf der Pyrenäischen Halbinsel unter allen Gerbstoffen am geschätztesten und findet die umfang- reichste Verwendung. Auch in Nordafrika und andern Mittelmeer- ländern wird sie viel gebraucht. Das Holz der Steineiche ist im Korn und Aussehen dem der Korkeiche ähnlich, doch viel zäher und ausdauernder und wird deshalb viel mehr verwendet. Von seiner Härte und Schwere leitet man die Benennung „Steineiche" her. In der Regel sinkt es in Wasser unter; doch ändert sich natürlich sein spezifisches Gewicht nach dem Standort und Alter und schwankt zwischen 0,9 und 1,05. Wegen der geringen Stammlänge findet es im Haus- und Schiffsbau wenig Verwendung; dagegen dient es überall da, wo es auf Härte, Zähigkeit und Widerstandskraft ankommt, obgleich es in den zwei letzteren Eigenschaften, wie in seinem ganzen Wert hinter unserem deutschen Eichenholz weit zurückbleibt. Man macht daraus Stiele für mancherlei Geräte, Achsen und Räder für Fuhrwerke, sowie landwirtschaftliche Werkzeuge, und benutzt es auch zu Schreiner- und Dreherarbeiten im ganzen Bereiche seines Vorkommens. Endlich ist es auch ein gutes Brennmaterial und wird zur Darstellung der in keinem Haushalte entbehrlichen Holzkohle verwandt, und zwar mehr als irgend ein anderes Holz in seinem ganzen weiten Verbreitungsgürtel vom Atlantischen Ozean bis zum Himalaya. Rein, Gesammelte Abhandlungen. II i62 Die Steineiche (Quercus Ilex L.) Für die meisten vorerwähnten Verwendungen zieht man den niederen, dichteren Schlagwald vor. Derselbe ist für die Gewinnung einer guten Gerberlohe sogar Vorbedingung und seine Behandlung eine ähnliche, wie die unserer Eichenschälwälder, d. h. es folgt, sobald der An- oder Nachwuchs ein Alter von 15 — 25 Jahren erreicht hat, die Abholzung. Auch ist es hierbei einerlei, welche Abart der Encina benutzt wird. Anders liegt die Sache da, wo auf die Ge- winnung einer guten Eichelernte für die Schweinezucht das Hauptgewicht gelegt wird. Hier wählt man die süssfrüchtige Abart zur Anpflanzung und bedarf älterer Bäume im Oquedal, Monte alto oder Monte hueco, d. h. im Hochwalde, hohen oder lichten Walde, dessen Lichtungen kein Gebüsch tragen dürfen, wohl aber zur Viehweide, und wenn der Boden gut ist, sogar zur Erzielung von Feldfrüchten benutzt werden. In diesem Falle verlieren die Pflanzungen mehr und mehr ihren Waldcharakter und erscheinen wie bei uns die Obstbäume auf bebautem Felde. Der im Hochsommer diese Gebiete zum erstenmal betretende Fremde, welcher aus einiger Entfernung solche Eichen zerstreut oder gar in Reihen geordnet über einem Stoppelfelde erblickt, hält sie leicht für Aep feibäume, deren Laub durch Hitze und Staub unscheinbar geworden ist. Nach Strabo trocknen und mahlen die Gebirgsbewohner Lusi- taniens die Eicheln und backen Brot daraus. Die süssen Eicheln, denn um solche handelt es sich hier nur, werden auch heute noch von armen Leuten bei Nahrungsmangel geröstet und gegessen, sonst aber nicht begehrt. Dagegen pflegt sie die spanische Jugend gern zu essen. Das Füttern und Fettmachen der Schweine auf der Iberischen Halbinsel durch Eicheln war schon den Griechen und Römern be- kannt. Polybius z. B. schildert den Reichtum Lusitaniens, die Billigkeit seines Getreides und anderer Lebensmittel. Man kaufe, sagt er, ein fettes, hundert Pfund schweres Schwein für 5 Drachmen und ein Schaf für zwei, also für 3,94 und 1,6 Mark, beziehungsweise. Diese goldene Zeit der fabelhaft billigen Fleischpreise ist freilich längst vorbei, selbst in Estremadura, dem östlichsten Teil des ehemaligen Lusitaniens, an welches der berühmte Geschichtsforscher wohl vornehmlich gedacht hat. Aber Schafe und Schweine liefert es heute noch in Ueberfluss und jedenfalls in viel grösserer Zahl als ehedem. So sagt Ford in Murray's „Handbook for Travellers in Spain", 6. Aufl. S. 277 : „Nächst den Schafen kommen die Schweine in Estremadura, denn diese Provinz ist ein Schweineparadies und das ,Hamshire' (Lieferant der meisten und besten englischen Schinken) UND DIE SPANISCHE SCHWEINEZUCHT. 163 von Spanien1." Ferner finden wir im dritten Bande S. 183 des bekannten Werkes von Willkomm: „Zwei Jahre in Spanien und Portugal" über den Grenzstrich zwischen Estremadura und der Provinz Sevilla folgende Bemerkungen: „Die wenigen Ortschaften, welche hier liegen, sehen ebenso erdfahl und unfreundlich aus, wie die Dörfer der centralen Sierra Morena; nur sind sie belebter, aber nicht von Menschen, sondern von Schweinen. Diese Tiere scheinen unzertrennlich mit dem Begriff Estremadura verwachsen zu sein, und allerdings rühmt sich diese Provinz, die besten Schinken von ganz Spanien zu liefern, ein Ruhm, den ich ihr durchaus nicht schmälern will, da ich mich selbst häufig von der Güte der Jamones estre- menos' (estremadurischen Schinken) überzeugt habe, die es getrost mit ihren berühmten Brüdern in Westfalen aufnehmen können2." . . „Die Schweine von Estremadura sind meist nackt, fett, schwammig und schwarz. Sie scheinen mit den Menschen gleiche Rechte im Hause zu geniessen. Oft hockt ein ganzes Rudel in der Hausflur." Richard Ford geht noch weiter und nennt die Dörfer Estremaduras Vereinigungen von Schweineställen. Sobald im Herbst die Früchte der verschiedenen Eichenarten, insbesondere die süssen Eicheln der Steineiche, reif sind, treibt man die Schweine am Morgen in die Wälder, aus denen sie erst spät abends — glande laeti redeunt — , durch den Genuss der Eicheln fröh- lich gemacht, zurückkehren — , wie Vergil in Georgicon II 520 es dar- stellt. Ihren Heimweg finden sie allein und beschleunigen dabei ihren Lauf umsomehr, je näher sie ihrem Orte und Stalle kommen. Diese Eigentümlichkeit finden wir auch bei uns. Es kann auch in Deutsch- land vorkommen, dass jemand, der vor einem Dorfe in den vollen Ansturm einer nach Hause eilenden Schweineherde kommt, von ihr umgerissen wird, wie dies Don Quijote in seiner spanischen Heimat von der „piära grufidora" oder grunzenden Schweineherde begegnete. Das Füttern und Mästen der Schweine in den Eichwäldern be- schränkt sich natürlich auf diejenigen Monate des Winters, in welchen Eicheln in genügender Menge vorhanden sind. Nun wurde früher bemerkt, dass die Bellotas der Encina oder Steineiche im Oktober 1 „Second only to the sheep are the swine of Estremadura, for this province is a porcupine Paradise, and the Hamshire of Spairu" 2 Insbesondere ist die Bezirkshauptstadt Montänchez (4720 Ew.) in der Pro- vinz Caceres in der Cordillera Oretana durch ihre vortrefflichen Schinken in ganz Spanien berühmt. 11* 164 Die Steineiche (Quercus Ilex L.) reifen. Von diesem Monat an bis zum Jahresende, ja bis zum Januar und Februar, wo die tardias oder spätreifenden Früchte der Korkeiche hinzukommen, kann allein von Eichelmast die Rede sein. Den grössten Teil des Jahres muss der Feldbau mit Gerste, Sau- bohnen und andern Früchten als Futter vorhalten. Wo aber der Gebirgscharakter einem umfangreicheren Ackerbau im Wege steht, wie in der Sierra Morena, beschränkt sich die Schweinezucht auf den Ankauf und das Fettmachen anderwärts herangezogener Tiere. Diese Art der Schweinezucht habe ich in der Sierra de Aracena kennen gelernt. Der Tragbalken der Decke einer Stube zu Fuenteheridos in der Sierra de Aracena, die ich im Herbst 1888 längere Zeit be- wohnte, war mit Nägeln und Haken gespickt, welche früher zum Aufhängen und Trocknen von Schinken, Speck und Wurst gedient hatten. Aehnliche Vorrichtungen finden sich in vielen Häusern. Wenn im Nachsommer ein Ueberblick über die bevorstehende Eichelernte gewonnen werden kann, schätzen die Besitzer der Enci- nares oder Wälder von Steineichen sie ab, oder sie lassen sich dazu erfahrene Taxatoren kommen. So lernte ich einen intelligenten Bauer kennen, der zu dem Zweck viel herangezogen wurde. Nach ihm können bei guter Ernte mit den Eicheln von 1200 Bäumen etwa 40 Schweine gemästet werden, also je ein Schwein mit dem Ertrag von 30 Bäumen. Fällt die Eichelernte dagegen mager aus, so findet eine entsprechende Reduktion statt, wie im Jahre 1888, wo man den Ertrag von 80 — 90 Eichbäumen bedurfte, um ein einziges Schwein fett zu machen. Hat sich nun ein Besitzer auf die eine oder die andere Art versichert, wie viel Schweine er fett machen kann, so überträgt er entweder seine Eichelernte an einen herumziehenden Herdenbesitzer, oder er kauft sich selbst die nötigen Tiere auf einem der nächsten Märkte an, übergiebt sie einem Hüter und lässt sie mästen, um dann die lebenden Tiere oder ihr konserviertes Fleisch zum Verkauf zu bringen. Den grössten Umsatz an fetten oder zur Mast bestimmten Schweinen haben die Märkte (Ferias) von Fregenal, Merida, Zafra und Trujillo in Estremadura. Fregenal de la Sierra, Bezirkshauptstadt im südwestlichsten Teil der Provinz Badajoz mit 8900 Ew. , wo der berühmte Gelehrte Benito Arias, genannt Montanus (aus der Sierra gebürtig, siehe auch S. 16) im Jahre 1527 geboren wurde, liegt an der Zafra-Huelva- Bahn, 132 km nördlich von Huelva, 47 km südwestlich von Zafra. Ihre Feria, vornehmlich ein grosser Viehmarkt, findet vom 21. bis UND DIE SPANISCHE SCHWEINEZUCHT. 165 24. September statt. Auf derselben versehen sich die Eichwald- besitzer der westlichen Sierra Morena und insbesondere der Sierra de Aracena mit ihrem Bedarf an ein- oder zweijährigem Borstenvieh. Viel grossartiger und bedeutender für ganz Spanien sind die Ferias von Merida am 2. Oktober, besonders aber diejenigen von Zafra, welche jährlich zu Johanni und vom 3. — 7. Oktober abgehalten werden. Dazu wirkt vor allem die günstige Lage dieser Distrikt- hauptstadt (6120 Ew.) mit, wodurch sie leicht zu erreichen ist, sowohl aus den reichen Niederungen, als auch von den Waldgebieten der Verzweigungen des Gebirges. Zafra ist Knotenpunkt mehrerer Bahnen, welche es verbinden mit Merida (66 km-) im Norden, Sevilla (174 km) im Südsüdosten und Huelva (179 km) im Süden. Zu einer Feria kommt auch in Spanien allerlei Volk zusammen, das Geld verdienen will: fahrendes, spielendes und handelndes; da stellen sich anderseits Tausende ein, welche Geld ausgeben, ein- kaufen oder sich amüsieren wollen. Für letztere ist immer und überall das Stiergefecht (La Corrida de Toros) das Hauptan- ziehungsmittel. Darum giebt es wohl in ganz Spanien keine Stadt von irgend welchem Anspruch, die nicht ihre Plaza de Toros hätte, oder ihren Bull- ring, wie die Engländer das geschmack- lose, kreisrunde, hohe Gebäude nennen, das in seiner Form an einen riesigen Gasometer erinnert. Kein Wunder, dass Wohnungen zur Zeit der berühmteren Ferias, wie z. B. die zu Sevilla in der Oster- woche, mindestens ebenso gesucht, teuer und oft schwer zu haben sind, wie früher in Leipzig zur Zeit seiner Messen. Auch die Ferias von Zafra bringen viele Menschen zusammen und reges Leben in und um das sonst so ruhige Landstädtchen. Am bedeutendsten sind jedoch seine Viehmärkte. Das bekunden schon die grossen Flächen, welche auf der Ostseite der Stadt, nicht weit von ihrem alten, gut erhaltenen Schlosse, für die Schweine, Schafe und Rinder bestimmt sind, während Pferde, Maultiere und Esel vor der Südseite der Stadt zum Verkauf kommen. Jener sich weithinziehende Marktplatz für die gewöhnlichsten Haustiere ist in mehrere Morgen grosse Quadrate oder Rechtecke geteilt, die von niedrigen, kunstlosen und teilweise sehr vernachlässigten Mauern eingefasst sind und gewöhnlich eine oder mehrere grosse Pfützen als Tränke für das angetriebene Vieh aufweisen. Auf der Feria, welche am 24. Juni stattfindet, kommen vor- nehmlich viele Pferde und verwandte Huftiere, sowie Schafe und Rindvieh zum Verkauf, während auf dem grossen Herbstmarkt das Borstenvieh bei weitem vorwiegt. Schon in den 3 ersten Tagen i66 Die Steineiche (Quercus Ilex L.) des Oktober wird es in Herden von 30 — 300 Stück von allen Seiten angetrieben. Jeder Herde, die ein Gutsbesitzer auf den Markt sendet, ist ein Wagen, oder sind Esel oder Maultiere, beladen mit Futter für dieselbe, beigegeben. Die Notwendigkeit dieser und anderer Vor- kehrungen leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass diese Schweine zum Teil aus grosser Entfernung herbeigetrieben werden und dass auf der Herbstmesse von Zafra im Durchschnitt jährlich gegen 60000 Stück zusammenkommen. Am 4. Oktober 1888 waren ausnahms- weise wenige, nur 22000 Stück angetrieben; dagegen zählte man zwei Jahre später sogar 72000 Stück, wovon nur der dritte Teil unverkauft blieb. Die einzelnen Herden werden durch 4 — 5 m lange Riemenpeitschen an kurzen Stielen zusammen gehalten. Diese Riemen sind dick und 2 — 3 cm breit am oberen, dünner und viel schmäler am unteren Ende. Bei ihrem Gebrauch bewegen sie sich in schlangenartigen Windungen. Unter dem grossen Heerlager dieser Schweine waren die fetten Herden von den andern getrennt und meist auch die verschiedenen Rassen von einander. Ich konnte von letzteren 3 unterscheiden, alle kurzbeinig und mit glatten, anliegenden Borsten, nämlich eine braune (man nannte sie die portugiesische), eine schwarzgraue und eine hellere, die mit der gewöhnlichen englischen übereinzustimmen und vorzuwiegen schien. Die Fütterungszeit ist dieselbe für alle Herden und vorgeschrie- ben. Eine gewaltige Aufregung und lebhaftes Grunzen erfasst das ganze Lager, sobald der erste Mann mit einem Sack Gerste oder Saubohnen1 auf der Schulter in seiner Herde erscheint und, durch dieselbe schreitend, ihn ausleert. Folgen dann die Nachbarn dem Beispiel nicht alsbald nach, so sind die Tiere kaum zusammenzu- halten. Nach der Fütterung wird eine Herde nach der andern zur Tränke und dann zurück zu ihrem Lager geführt, wo nun die Ver- dauungsruhe folgt. Die an Metzger oder Händler verkauften fetten Schweine ge- langen per Eisenbahn nach allen grösseren Städten und Häfen des Landes. Die andern werden, wie dies bereits erwähnt wurde, grösstenteils angekauft, um in die Eichwälder zur Mast getrieben zu werden. 1 Die fetten Schweine werden gewöhnlich mit ganzen oder geschroten en Sau- bohnen, spanisch Haba (Vicia Faba L.), gefüttert. UND DIE SPANISCHE SCHWEINEZUCHT. 167 Da unter den Provinzen Spaniens Badajoz die meisten Schafe, Ziegen und Maultiere aufweist , so wird auch der andere Teil des Viehmarktes von Zafra gut beschickt. Erwähnt sei hier nur, dass die Schafherden naturgemäss in Merinos oder Trashumantes (Wander- schafe) und Estantes (bleibende, an den Ort gebundene Schafe) ge- schieden werden. Wie bei uns der Pferdehandel vornehmlich von Juden betrieben wird, so ist er in Spanien, gleich dem Handel mit Eseln und Maultieren, ganz in den Händen der Zigeuner (Gitanos). Sie bewohnen während der Feria familienweise besondere Quartiere, erscheinen in allen Altersstufen und zum Teil in Anzügen mit so viel Lappen und Schmutz, dass man den ursprünglichen Stoff kaum noch erkennen kann. Insbesondere entfaltet die Jugend ein reges Leben und bildet spielend oder auf Eseln reitend oft malerische Gruppen voller Heiterkeit und Leben. Trujillo (10800 Ew.), vierter Ort Estremadura's mit berühmtem Vieh-, insbesondere Schaf- und Schweinemarkt, ist Hauptstadt des südöstlichsten Bezirks der Provinz Caceres, welcher die Sierra de Guadalupe und andere Teile der Wasserscheide zwischen dem Tajo und Guadiana umfasst. Auf die Feria von Trujillo am 2. Juni wurden nach Madoz' grossem Diccinario Geografico schon vor 50 Jahren gegen 50000 Schweine, 30000 Schafe und 10 000 Stück Rind- vieh angetrieben. Hier kamen und kommen Käufer aus dem ganzen Königreich zusammen. Natürlich fehlt es auch nicht an gesellschaft- lichen Vergnügungen, wie Stiergefechten, Theater und Tanz. — Dass die Beschäftigung mit Borstenvieh eine besonders geeignete Vorschule für ruhmreiche Thaten sei, wird niemand behaupten wol- len, obgleich die öffentliche Thätigkeit des serbischen Karageorge- witsch oder „schwarzen Georg", ebenso wie diejenige des kühnsten und erfolgreichsten spanischen Conquistadors (Eroberers) mit dem Hüten von Schweinen begann. Francisco Pizarro, unehelicher Sohn eines adeligen Obersten, der sich auf sein Gut bei Trujillo zurückgezogen hatte, wurde von seinem Vater, statt auf die Schul- bank, in seine Eichenwälder zum Hüten der Schweine gesandt. Eines Tages war ihm eins seiner grunzenden vierbeinigen Pflegebefohlenen entlaufen, und da er seines Vaters Zorn und Strafe fürchtete, so entlief er ebenfalls und kam nach Sevilla, wo er sich nach Hispa- fiiola, dem damaligen El Dorado der unternehmungslustigen, unge- bundenen spanischen Jugend, einschiffte. Hier, wie später auf dem Isthmus der neuen Welt, begann er in unermüdlicher Thätigkeit seine grossen Gaben zu entwickeln: einen durchdringenden Verstand, kühnen Mut, unbeugsamen Willen und grosse Beharrlichkeit, verbunden mit i68 Die Steineiche (Quercus Ilex L.) etc. rücksichtsloser Grausamkeit, Eigenschaften, durch welche dieser Abenteurer zum Eroberer von Peru wurde1. 1 Es wird vielfach behauptet, dass der zweite berühmte Estremeiio (Sohn Estremaduras), Hern an C ort es, der Eroberer von Mejico, geboren 1485 zu Me- dellin am Guadiana. in seiner Jugend ebenfalls Schweinehirt gewesen sei. Da ihn aber sein Vater zum Advokaten bestimmt hatte und schon früh auf die Universität Salamanca schickte, so darf man dies wohl bezweifeln. DIE ALBUFERA VON VALENCIA, DAS MAR MENOR1 UND DIE SIERRA DE CARTAGENA. Jene beiden Wasserbecken auf der meist flachen Ostseite der spanischen Mittelmeerküste, welche diese Namen tragen, zeigen auf der Karte viel Aehnlichkeit miteinander und mit den Haffen unserer deutschen Ostseeküste. Beide sind langgestreckt, fast vollständig landumgürtet, mit nur schmaler OefThung gegen das Meer, dem entlang sie, durch den Nehrungen vergleichbare Sanddünen, fast voll- ständig abgeschlossen werden. Der dem Arabischen entstammende Name Albufera (von al Bohei'rah) bedeutet gleich Mar Menor, der spanischen Benennung des andern Beckens, „das kleine Meer". Ge- ringe Tiefe und Fischreichtum kommt dem einen wie dem andern zu ; auch ist der Unterschied in der Grösse nicht bedeutend, wohl aber in der Beschaffenheit ihres Wassers und ihrer Bewohner, sowie der Umgebung. Die Albufera de Valencia ist nämlich in Schwemmland eingebettet, ein wirkliches Haff voll süssen Wassers, das verschiedene Kanäle und Bäche ihr zuführen, während das Mar Menor de Carta- gena bei näherer Betrachtung als fast geschlossene Meeresbucht erscheint, an deren Küste man hier und da Seesalz gewinnt und die Spuren früherer vulkanischer Thätigkeit findet. So leicht erkennbar diese tiefgreifenden Unterschiede nun auch sind, so wenig finden wir sie in deutschen und spanischen Büchern hervorgehoben. Selbst Professor Willkomm in Prag, dem wir einen grossen Teil unserer geographischen und botanischen Kenntnisse von Spanien verdanken, ist sich in seinen Schriften bezüglich des Mar Menor nicht klar, wobei freilich der Umstand in's Gewicht fällt, dass 1 Siehe Abbilduno- am Schlüsse des Artikels und bei Huerta de Valencia. 170 Die Albufer a von Valencia, das Mar Menor er es nicht gleich der Albufera selbst gesehen und befahren hat. Er nennt beide Strandseen1, während die spanischen Geographen sie wohl auch unter die Seen (lagos) ihres Landes zählen, dabei aber auch die Albufera mit Salzwasser füllen, wohl auch, wie Mon- real2, bemerken, dass man sie besser Lagunen nennen sollte. Die meisten der übrigen Albuferas — denn es giebt der Seen dieses Namens im Küstengebiet Ostspaniens eine ganze Anzahl — sind salzig. Keine derselben kommt an Grösse und Bedeutung der- jenigen von Valencia gleich. Diese beginnt 1 1 km südlich der „Stadt des Cid" und erstreckt sich von hier in einer Länge von 19 km bei 5,5 km mittlerer Breite parallel zur Küste südwärts bis zu den aus- gedehnten Reisfeldern von Sueca. Ihr Umfang beträgt 50 km, ihr Areal ca. 120 qkm, die Tiefe nur 1 — 4,6 m. Eine niedrige, 1,5 bis 4 km breite, wellenförmige Sanddüne (Dehesa), mitten zwischen der Mündung des Turia (Guadalaviar) und der des Jucar, trennt dieselbe vom Meer bis auf einen engen Verbindungskanal im Süden, la Gola (die Kehle) genannt, woselbst mittelst einer Schleusse der Wasserstand derart reguliert wird, dass nur während der Regenzeit ein Abflnss zum Mittelmeer stattfindet, während man das Eindringen des Meerwassers in die tiefgelegene Albufera verhindert. Diese dehnte sich ehemals gen Westen und Süden viel weiter aus und überflutete während des Winters grosse Strecken der benachbarten Reisfelder. Noch früher schlössen sich statt der letzteren ausgedehnte Sümpfe landeinwärts an, welche während des Sommers und Herbstes als Brutstätten der Malaria mit Recht gefürchtet waren. Aber schon im Jahre 1788 konnte Büsching schreiben: „Da wo man noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts fischte, sind jetzt Aecker und Maulbeerbäume 3. " Die Dehesa de Valencia ist mit krüppelhaften Pinien und niedrigem Gestrüpp (Maleza) bewachsen. Letzteres besteht vornehm- lich aus dem grossbeerigen Wachholder (Juniperus Oxycedrus L.), dem Torbisco (Daphne Gnidium L.), dem Labiernago (Phillyrea angustifolia L., Phillyrea media L.), der Mastix- und Terpentinpistazie (Pistacia Lentiscus L. und Pistacia Terebinthus L.), der Zarzaparilla comun (Smilax aspera L.), der Myrthe, dem Solanum Sodomaeum L. , dem Rosmarin. Manche Zweige , sowie verdorrte Halme und Krautstengel sind mit der schönen rotmundigen Schnirkelschnecke 1 Willkomm, Die Halbinsel der Pyrenäen. Leipzig 1855. S. 224. 2 Monreal y Ascaso, Curso de Geografia, 18. Edition. Madrid 18 3 Büsching's Erdbeschreibung, III. Teil. S. 304. und die Sierra de Cartagena. 171 (Helix pisana L.) und dem turmförmigen Bulinus acutus dicht besetzt, wie dies auch sonst im wärmeren Teil der Mittelmeerregion zu sehen ist. Die Dehesa wird ausserdem noch von Fischern, sowie von vielen Kaninchen und Rebhühnern bewohnt. Gen N, W und S schliessen sich der Albufera die ausgedehn- ten Reisfelder und dann die berühmten Huertas de Valencia an, von deren klaren Abflüssen durch verschiedene Kanäle und einige Bäche, insbesondere den Barranco de Torrente und die Acequia del Rey, sie gespeist wird. Die Reisfelder bilden im Sommer einen herrlichen grünen Rahmen, im Nachsommer aber wie kein anderes Getreide ein. von jedem Winde bewegtes wogendes Meer mit eigentümlichem Rauschen in den Rispen, wenn die Zeit der Ernte naht. Ueber sie hinweg schaut das Auge vom See aus gen Süden auf die weit gegen das Meer vorgeschobene Sierra de Cullera, deren nackte, schroff ansteigende, viel zerklüftete Felsmassen in violettem Lichte und scharfen Umrissen sehr auffallen, gen Norden auf die vielen Türme von Valencia und die Berge von Sagunt, im Hintergrunde gen Westen auf verschiedene Ausläufer der Cordillera iberica. Die Albufera weist nur einige unscheinbare Inseln auf. Sie sind gleich den Ufern des Sees sehr niedrig und mit dichtem, mehr als mannshohem Schilf bedeckt, das auch den Unterlauf der Kanäle einfasst und vornehmlich aus dem Rohrkolben (Typha angustifolia L. und Typha latifolia L.) und dem Schilfrohr (Phragmites communis Trim.) besteht, wTährend man die Cafia comun oder das Pfahlrohr (Arundo Donax L.), das sonst die zahlreichen Bewässerungsgräben begleitet, hier nur ausnahmsweise findet. Bei der grossen Seichtigkeit des Sees, zumal während der langen, trocknen Sommerzeit, kann man ihn nur in flachen Booten befahren. Doch ist sein Wasser fast immer glatt und klar und eine Fahrt über dasselbe für den Freund der Natur von vielem Interesse. An manchen Stellen breitet die gewöhnliche Seerose (Nymphaea alba L.) ihre Blätter und weissen Blüten aus, an andern schnellen sich zahl- reiche Fische über den Spiegel empor, oder es erheben sich die auf ihren Fang ausgehenden Vögel bald einzeln, bald in grösseren Scharen. Zwei Arten übelriechende Armleuchter, hier Asprella ge- nannt (Chara hispida L. und Chara vulgaris L.) bedecken weite Flächen des Seegrundes mit dichten, graugrünen Polstern und wech- seln darin mit einem schmalblätterigen Laichkraut (Potamogeton marinus L.'?) ab. Der geübte Beobachter bemerkt auf diesen Wasser- pflanzen auch eine Art Schnecke (Melanopsis Dufouri) mit schwarzem, in einen spitzen Kegel auswindendem Gehäuse, die hier, wie in den 172 Die Albufera von Valencia, das Mar Menor Bewässerungsgräben der Reisfelder, in grosser Menge auftritt. Aeltere Exemplare haben meist die Spitze des Gehäuses verloren, sind oft mit einer fast millimeterdicken, fest anliegenden, grauen Erdkruste bedeckt und finden sich so namentlich zahlreich auf dem Boden der seichten Uferränder. Auch bringt das Wasser der Kanäle aus den Reisfeldern viele leere Schalen der dort lebenden Schnecken (Physa acuta, Bythinia tentaculata, Pseudamnicola anatina, Nerita baetica, Limnaeus palustris, var. fusca, Limnaeus lagotis) herbei und spült sie gegen das Ufer aus. Endlich leben im See zwei Sorten Muscheln, Unio valentinus L. und eine Art Anodonta. Die Albufera von Valencia beherbergt nur wenige Arten Fische, diese aber in grosser Zahl. Es sind : die Meeräsche (Mugil cephalus L.), die Schleie (Tinea vulgaris L.), die Barbe (Barbus fluviatilis C.) , der Seebarsch (Labrax lupus L.) und der Aal (Anguilla fluviatilis L. ) . Ebenso gering ist die Artenzahl der Vögel, welche hier ihre Brutstätten haben und zu jeder Jahreszeit getroffen werden, nämlich: das Wasserhuhn (Fulica atra L.) , hier Pajaro de diablo (Teufelsvogel) genannt, die Rostente, spanisch Ana de cristata (Anas rufila Pall.), die Stockente, spanisch Fochas (Anas boschas L.), die Lach-See- schwalbe (Sterna anglica Tem.) und die schwarze Seeschwalbe (Sterna nigra Briss.), die Golondrina de mar der Spanier, welche hier jedoch Fumarel genannt wird. Dieser schöne Vogel ist auf der Albufera überaus häufig und gilt für dumm und leicht zu fangen. Wir fanden bei unserm Besuch einen Knaben , welcher ein Dutzend lebende Exemplare in einem Korbe hatte, die er nach Valencia zum Verkauf bringen wollte, von denen er mir aber bereitwilligst einige zum Preise von 10 Centimos das Stück abtrat. Seine Fangart war höchst ein- fach und originell. An einem etwa meterlangen Rohr von Arundo Donax, das er teilweise schräg in den schlammigen Boden steckte, hatte er eine bis aufs Wasser reichende Schnur befestigt und ihr am unteren Ende ein Pferdehaar mit einer auf dem Wasserspiegel aus- gebreiteten Schlinge angefügt. In der Mitte dieser Schlinge war als Köder eine Wasserjungfer angebracht. Der Vogel, welcher, diese erblickend, mit vorgestrecktem Kopfe aus der Luft darauf losfährt, zieht sich die Schlinge um den Hals und wird dann von dem beobachtenden Fänger aus dieser Lage befreit, um seine Gefangen- schaft in anderer Form bis zum Halsumdrehen fortzusetzen. Zu den hier erwähnten Standvögeln gesellen sich bei Beginn des Winters Schaaren von etwa 60 Arten Wanderern,' welche die grosse Wasserfläche und die zahlreichen Schilfverstecke einige Wochen lang beleben und bei dem Knall einer Flinte in Schwärmen sich erheben, und die Sierra de Cartagena. 173 welche einer Wolke gleich die Sonne verdunkeln. Das ist die grosse Festzeit für alle Sonntagsjäger von Valencia und für 10 — 12000 andere Menschen, welche sich das Schauspiel der am Martini- und Katharinentag (11. und 25. Nov.) freigegebenen Jagd auf der Albu- fera ansehen wollen. In hunderten von Booten verteilt, die in Reihen geordnet sind, halten sich die Jäger zum Empfang der auffliegenden Vögel schussbereit, während an den Ufern und auf der Dehesa im Freien, wie in zahlreichen Schilf hütten sich ein munteres und eigen- artiges Volksleben entfaltet. — Die Albufera und das benachbarte Land ist eine Kronsherrschaft, wie ehedem. Nur vorübergehend kam sie in französischen Besitz. Nachdem nämlich im Halbinselkriege der französische Marschall Suchet am 6. Januar 181 2 die Stadt Valencia erobert hatte, erhielt er von Napoleon I. das Gebiet mit dem Titel „Duc de Albufera" zum Ge- schenk. Damals wurde der Wert desselben auf j1/2 Millionen Franken geschätzt. — Das Mar Menor ist, wie bereits oben hervorgehoben wurde, eine haffartig durch eine Nehrung fast vollständig abgeschlossene Meeresbucht, kein Strandsee. Sein Areal beträgt 164 qkm. Dieses „kleine Meer" beginnt nordwestlich von Cap Palos mit geringer Tiefe und erstreckt sich 18.6 km lang von Süden nach Norden an der Küste von Murcia hin, von Mingote bis nach den Salinenhäusern (Casas de las Salinas) von'San Pedro (siehe Kärtchen). Der süd- liche Teil hat die Gestalt eines Rechtecks von etwa 1 1 km Länge und 9 km Breite, der sich anschliessende nördliche gleicht einem rechtwinkligen Dreieck mit der Hypotenuse gegen das Meer gekehrt und dem kleineren spitzen Winkel bei den Casas de las Salinas. Der Umfang des Mar Menor wird vom Madoz1 zu ioy2 leguas (58,5 km) angegeben, von Strabo, welcher ohne Zweifel dieses Becken meint, wenn er von der „stehenden See" zwischen Cap Dianium (Näo) und Cap Scombraria (Palos) spricht, zu 400 Stadien oder 74 km. Eine Sanddüne , la Manga (der Aermel) genannt , in Gestalt eines gradlinigen, schmalen Bandes, das stellenweise 400 m Breite erreicht, scheidet das Mar Menor vom offenen Meer und dessen hohen Wellen. Nur im nördlichen Teil befindet sich eine Verbin- dung zwischen beiden, welche den Namen Boca de las Golas (der Mund der Kehlen) führt. Hier dringen mit dem Meerwasser auch zwei, bereits zur Römerzeit hochgeschätzte Arten Fische ein, die 1 Madoz, Diccionario Geografico-Estadistico-Historico. Madrid 1848. Tome XI, pg. 202. 174 Die Albufer a von Valencia, das Mar Menor Meeräsche (Mugil cephalus C.) und die Dorade (Chrysophrys aurata L.), deren Fang 30 — 40 kleine Segelboote der Anwohner des Mar Menor beschäftigt. Die Meeräschen (span. Mujol) sammeln sich zur Laichzeit namentlich in der Strömung an der Boca de las Golas, so dass hier zu deren Fang besondere Vorrichtungen getroffen sind, die sogenannten Encafiizadas (Einzäunungen) mit ihren Höfen (Corrales). Zum Schutze dieses Fischfangs wurde hier in früherer Zeit ein Turm errichtet, derTorre de la Encanizada. Drei Seemeilen (5,56km) weiter südlich befindet sich auf der Ostseite der Nehrung und der Insel Grossa gegenüber ein Ankerplatz, wo auch grössere Schiffe Schutz gegen heftige Winde finden können. Hier ist etwa die Mitte der Nehrung und endet die Hypotenuse des dreieckförmigen Ab- schnittes der Bucht. Der weitere südliche Teil des Mar Menor bietet ein besonderes Interesse durch das halbe Dutzend unbebauter und unbewohnter Inselchen, welche sich aus ihm erheben und das nord- östliche Ende einer sehr beachtenswerten Reihe vulkanischer Berge und Hügel bilden, welche die Sierra de Cabo de Gata zusammen- setzen und in mehr isolirten Kuppen der Küste entlang bis zum Mar Menor hinziehen. Um sie zu sehen und näher kennen zu lernen, gibt es von Cartagena aus mehrere Wege. Ich wählte im September 1888 beschränkter Zeit wegen den kürzesten über La Union, fand aber später, dass ein anderer, nämlich derjenige mit der Bahn 18 km nordwärts bis zur Station Pacheco und von da östlich über Roda bis zur Bucht wohl vorzuziehen ist, da hier leichter ein geeignetes Boot zu erlangen ist, als auf der Südseite. Der hier gelegene Ort Nietos besteht aus einer Reihe einstöckiger Häuser, an deren Vorderseite ein breiter, sandiger Weg hinzieht, der sich nordwärts bis zum flachen Gestade des seichten Sees ausbreitet. Auf diesem Sande fand ich am 4. September noch zahlreiche Spuren einer Feria (Messe), die hier im August vornehmlich zur Belustigung der Umgegend stattfindet und 5 Tage dauern soll. Es scheint mehr ein ländliches Fest, als ein Markt zu sein, und wenn dabei auch die Stiergefechte als höchste Genüsse der sonstigen Feriabesucher fehlen, so dürfte es hier doch recht heiter hergehen. Man errichtet Hütten aus Schilf und Esparto, von denen viele noch standen, luftige kühle Räume, die in dieser Jahreszeit ja nicht regendicht zu sein brauchen, und verbringt die Zeit mit Baden, Spiel und Tanz oder bei bescheidener Musik und schlechtem, an Nordafrika erinnerndem Gesang. Ich fand nur ein Segelboot vor, und da sein Eigentümer, sonst ein Fischer, heute auf die Jagd gegangen war, musste ich lange warten , bevor er zurückgekehrt und das Fahrzeug bereit war, um mich nach zweien und die Sierra de Cartagena. 175 der kleinen Inselchen zu bringen, von denen hier eine Skizze folgt. Die Inselchen sind unbebaut und unbewohnt. Sie gehören dem Baron Benifayo, der hier eine gute Jagd auf Kaninchen und Feld- hühner unterhält. Ihre grosse Trockenheit zeigen Esparto (Stipa tenacissima) und andere polsterbildende Steppengräser an. Der vor- nehmlich auf Mayor vorkommende Esparto, von dem jährlich etwa 400 Doppelcentner gewonnen werden, zeichnet sich durch grosse Festigkeit und Elasticität aus. Der Strand bot wenig Beachtenswertes. Es fiel mir auf, dass die leeren Schalen der gewöhnlichen Herzmuschel (Cardium edule L.), welche ziemlich zahlreich umherlagen, allesammt von geringer Grösse waren und denen glichen, welche die Ostsee aufweist. Auf dem glatten Wasserspiegel schwammen und tauchten einige Paare des schwarzen Wasserhuhns (Fulica atra L.) , wie auf unsern Binnenseen, während von andern Seevögeln wenig zu sehen war. Der Anblick der sechs kleinen vulkanischen Inselchen, welche sich aus dem südlichen Teil des Mar Menor mehr oder weniger steil erheben, ist überraschend, sowohl was die Gestalt anlangt, als auch hinsichtlich der Farbe. Mayor, die grösste derselben, zu der ich mich zuerst wandte, erscheint von der Südseite langgestreckt, mit verschiedenen Sätteln und grösster Höhe von ca. 50 m gegen die Mitte. Hier wie an verschiedenen andern Stellen erblickt man an- stehendes, nacktes Gestein von derselben rötlichen Farbe, welche die ganze Insel aufweist und an manche deutsche Porphyre erinnert. Am östlichen Ende steht, wenig über dem Wasserspiegel, ein kleines Haus, welches dem Jagdhüter als Wohnung dient. Weiter westlich erhebt sich die Insel Perdiguera und nahe daran das kleine E sparte na. Sie zeigen dieselbe rötliche Färbung wie Mayor und bilden mit dieser und dem am benachbarten Gestade höher empor- steigenden Hügel, dem Cabezo del Carmoli, eine besondere Gruppe. Die zweite Gruppe, welche sich südöstlich der Nehrung anlehnt, fällt durch ihre dunkelaschgraue Farbe, sowie durch abge- rundete Formen schon aus 3 — 4 km Entfernung auf. Zu ihr gehören Redondella, das wie der schirmartig gewölbte Hut eines Pilzes sich über dem Wasserspiegel erhebt, Ciervos, Sujetos und ein Hügel in der Nehrung selbst, der Calnegre. Auch die ausserhalb im offenen Mittelmeer gelegene Insel Grossa, die steiler und höher als alle andern mit dunkelgrauer Farbe sich scharf abhebt, scheint dieser Gruppe anzugehören. Alle diese genannten Inselchen und benachbarten Felsen be- 176 Die Albufera von Valencia, das Mar Menor stehen aus Quarztrachyt von porphyrartigem Aussehen, wobei der glasige Quarz bald in einzelnen Körnern, bald in Gestalt von Flecken und Streifen, wie später hinzugekommene Spaltausfüllungen, auftritt und meist mit blossem Auge sichtbar ist. Auf Mayor ist der Feld- spat an manchen Stellen stark verwittert, auch tritt das Gestein hier viel als Konglomerat auf1. Im Mar Menor endet die einzige und darum doppelt interessante vulkanische Zone mit Trachytgesteinen auf der Pyrenäischen Halbinsel. Sie erstreckt sich von hier aus der Küste entlang mit vielen Unter- brechungen in südwestlicher Richtung bis zum Cabo de Gata, wo sie ihre mächtigste Entwicklung hat und von Professor Osann in Heidelberg untersucht wurde. — Die dem Mar Menor gen S und SW vorgelagerte Sierra de Cartagena erstreckt sich von der herrlichen Bucht, welche 228 v. Chr. den Hasdrubal zur Gründung von Carthago Nova veranlasste, ostwärts bis gegen das Cap Palos. Sie fällt fast überall schroff, ja vielfach mauerartig steil nach Süden gegen das Mittelmeer ab und bildet hier die Cueva del Aquilon nebst der vorgelagerten Islote (Inselchen) de Escombreras2, das Cabo del Agua, das Cabo Negrete und andere Vorsprünge, ausserdem aber zwei weitere Häfen, nämlich die Hoya (den Kessel) de Escombreras mit dem daranliegenden Städtchen gleichen Namens und den noch geschützteren Hafen von Porman weiter östlich an fast kreisförmiger Bucht. Cap Palos selbst und Umgebung gehören schon zu den niedrigen diluvialen und al- luvialen Ablagerungen, welche das Mar Menor auf der Süd- und Westseite umgeben und allmählich zu schönem, fruchtbarem Hügel- lande, namentlich im NW emporsteigen, an welchem das Gebirge von Cartagena mit einer ganzen Reihe von vorspringenden Hügeln oder Cabezos endet. Die Sierra de Cartagena wird der permischen Formation zuge- zählt. Sie zeichnet sich weder durch grosse Verbreitung, noch 1 Im Bulletin de la Societe Geologique de France, 3. Serie, Tome 13, 1883 — 85, pg. 89, erwähnt Salvador Calderon bei Besprechung der „Roches cristallines massives de l'Espagne' auch Augit-Andesite , die er von den Inseln im Mar Menor erhalten habe, und giebt eine Beschreibung derselben, welche auf die Gesteine, welche ich auf der Insel Redondella fand, sehr gut passt. 2 Escombreras, im Altertum Scombraria, d. h. die Makrelen- Insel, ein von Scomber (Makrele) abgeleiteter Name, wurde diesem kleinen Eiland gegeben, weil hier, 24 Stadien von Cartagena, schon zu Strabo's Zeiten ein ansehnlicher Fischfang auf Makrelen stattfand. und die Sierra de Cartagena. i77 durch ansehnliche Erhebung aus ; denn sie erreicht im 44 1 m hohen Santi-Espiritu östlich vom Orte Garbanzal ihre höchste Höhe. Von andern bemerkenswerten Gipfeln sind der Cabezo de la Ata- laya, nordwestlich von jenem, aus Trachyt aufgebaut, und der Roldän östlich von Cartagena mit 220 m Höhe zu nennen. Die Regenarmut des Gebietes, die sich auch durch die weite Verbreitung Sierra de Cartagena und Mar Menor. San Vcärc^ dePüiatm (Je las Saunas CAMPXTS STAAT AR.TCS Cal>c~t> dt\isiis i\ J> ... CARTAGENA \ ■■^T^mzd&?i£ir„}ti, I xlhun brea v * * - ' ffoMttfrp EsctmUngrf.s- Jslcta äc Escombrrm.'i <<^oJe Picos de Urbiön (2246 m),. Sa. Cebollera (2139 m), Sa. deMoncayo (2315 m), Sa. de Ministra (Puerto de Alcolea 1241 m), Sa. de Molina Aguila (1443 m), Nudo de Albarracin (1500 m) und südöstlich von Teruel: Sa. de Javalambre (2020 m), Sa. de Gudar (Pefiaroya 2019 m) und Penagolosa (181 5 m); ferner südwestlich vom Albarracim und auf der grossen Wasserscheide : Montes Universales (Javalön 1692 m), Sa. de Valdemeca (Collado Bajo 1838 m), Sa. de Alcaraz (Alto del Pobo 1769 m), Calar de Mundo, Sa. de Segura (Calar de la Cima), La Sagra (ca. 2000 m), Sa. Maria (ca. 1500 m), Sa. de Cullar, Sa. de Filabres (Pena de San Pedro 1080 m) und Sa. de Alhamilla. — Im Iberischen Gebirgssystem liegen die Quellen der grossen atlantischen Flüsse der Halbinsel ; von ihm gehen auch die Gebirgs- rücken aus, welche sie gen SW begleiten und ihre Gebiete von einander und von den Küstenflüssen des Cantabrischen Meeres, sowie von denen des westlichen Zipfels des Mittelmeeres scheiden. Ausser der schon erwähnten cantabrischen Gebirgskette sind dies bekanntlich: 1. Das castilische Scheidegebirge (La Cordillera Carpeto- Vetonica), welches das Flussgebiet des Duero von dem des Tajo, Altcastilien und Leon von Neucastilien und Estremadura, ferner auf portugiesischem Gebiete Beira Alta von Beira Baixa scheidet und zuletzt im Cabo da Roca ausläuft. Die Gesamtlänge beträgt 794 km. Seine mächtigsten Glieder erreichen 2000 — 2650 m Höhe, bestehen aus Granit und krystallinischen Schiefern und sind vom Oktober bis zum Mai mit Schnee bedeckt. Besonders wichtig für Klima und Kultur des Innern sind: a) Die Sierra de Guadarrama (im Pico de Penalara und dem Hierro ca. 2400 m hoch, im Pass von Somosierra, über welchen die Strasse von Segovia nach Madrid führt, 1428 m). b) Die Sierra de Gredos, auch wohl Sierra de Ävila genannt, mit dem Moro Almansor (2650 m). c) Die Sierra de Gata, welche in der Pena de Francia 1723 m Höhe erreicht. d) Die Sierra da Estrella in Portugal, deren höchste Gipfel, der Canaris und der Cantaro Magro, auf 2280 m geschätzt werden. 2. Das oretanische Gebirgssystem (Sistema Oretano) beginnt im Westen der Stadt Cuenca, wo in den Altos de Cabrejas der Giguela (Guadiana) entspringt, und zieht als Wasserscheide zwischen Tajo und Guadiana durch die Provinz Cuenca, dann teilweise auch als politische Grenze zwischen den Provinzen Toledo und Ciudad Real, Cäceres und Badajoz und hierauf südwestlich durch Portugal, wo es im Cabo 188 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. Espichel an der Bucht von Setübal endet. Es ist trotz seiner ansehnlichen Länge von etwa 800 km in jeder Beziehung das unbedeutendste der ganzen Halbinsel, sowohl durch seine geringe Höhe, die nur in wenigen Punkten 1400 m erreicht, als auch in nationalökonomischer Richtung. Auf weiten Strecken, wie in der Mancha und in Portugal, sinkt es bis zu einer so geringen Boden- anschwellung herab, dass es den Gebirgscharakter ganz verliert. Wir merken in ihm westlich der Mancha : die Sa. de Toledo mit kahlen Gipfeln von 12 — 1400 m Höhe, die Sa. de Guadalupe mit dem Pedro Gömez (1004 m), die Sa. Montanchez (994 m). 3. Das marianische Gebirgssystem (Cordillera Mariänica) mit der Sierra Morena ist schon S. 5 — 7 erwähnt worden. Westlich von dem berühmten Puerto del Rey (Königspass) , durch welchen die alte Landstrasse aus dem Plateau der Mancha hinunterführt in die andalusische Tiefebene, und nördlich von der Stadt La Carolina, wo Karl III. durch deutsche Ansiedler Sicherheit des Verkehrs schaffen und eine Einöde in Olivenhaine und Weinberge umwandeln Hess, ist in der Estrella mit 1299 m ihre höchste Erhebung. Steht das Gebirge hiernach noch hinter dem oretanischen System zurück, so hat es doch als südlicher Grenzwall des castilischen Plateaus, durch seine weite Verbreitung und seinen Mineralreichtum eine ungleich grössere Bedeutung. Aus ihm kommt das Kupfer der Provinz Huelva, das Quecksilber von Almaden, das Blei von Linares, die Kohle von Beimez und Espiel. 4. Das bätische Gebirgssystem (Sistema Penibetico, Cordillera Penibetica) schliesst sich dem iberischen beim Cabo de Gata an, — denn die Sierra de los Filabres gehört nach ihrem geologischen Aufbau aus alten Schiefern eigentlich schon dazu — , und erstreckt sich von hier in derselben westsüdwestlichen Richtung wie die übrigen und parallel zur benachbarten Mittelmeerküste, 360 km weit bis zum Cap Tarifa an der Meerenge von Gibraltar. Die hervorragendsten Glieder sind die Sierra^ Nevada (Mulhacen 3481 m, Veleta 3470 m), de las Alpujarras, de Gador (2089 m), Contraviesa (Cerron 1238 m), Lujar (191 1 m), Almijara, Tejeda, Alhama, Antequera, Torox (1960 m) und die Serrania de Ronda (Mesa de Ronda 1550 m), die Sierra de Gra- zalema (Cerro de S. Cristöbal 1715m), die Sierra de Estepona (1450 m). Das bätische Gebirgssystem teilt mit den 3 andern, welche von dem iberischen ausgehen, den allmählichen Uebergang zur Ebene nach Norden, den Steilabfall und die grössere Zerrissenheit gen Süden. Dagegen unterscheidet es sich wesentlich von denselben, wenigstens im Hauptteile, der Sierra Nevada, durch sein hohes geologisches Campos secanos und Campos regadios. 189 Alter und sein mächtiges Emporsteigen zu Höhen, die zum Teil selbst die Pyrenäen überragen und in Europa nur von den Alpen übertroften werden, die ewigen Schnee und die südlichsten Zeugen einer arktisch-alpinen Flora tragen. In geologischer Hinsicht ist es das interessanteste und verwickeltste, also auch schwierigste Gebiet der Halbinsel. An das Centralmassiv der Sierra Nevada aus Gneiss und krystallinischen Schiefern schliessen sich südwärts in den Alpujarras und den Sierras de Almijara und Tejedo Kalksteine und Schiefer verschiedener paläozoischer Formationen an, wobei Kalk- steine weit vorherrschen, gleich ausgezeichnet durch Metamorphose und starke Verwerfung, wie durch Spaltung und gewaltige Zerklüftung, bei welcher Wasser in erster Linie thätig war. Der Absturz gegen das Mittelmeer ist zum Teil mauerartig steil, doch ohne weite Vorsprünge und ohne schützende Buchten für die Schifffahrt zu bilden. Gen Norden und Westen bis zum Guadalquivir hin finden wir ausser der mächtigen Serpentinmasse von Ronda alle Glieder des Mittelalters, also triasische, jurassische und cretaceische Schichten vertreten, dazu Alt- und Jung-Tertiär. Durch das granadinische Plateau hängt nordwärts von Baza das bätische Gebirgssystem auch mit der Sierra Segura und andern Gebirgen im Quellgebiet des Guadalquivir zusammen, sonach durch ihre Vermittelung auch mit dem östlichsten Teil der Sierra Morena und dem grossen centralen Tafellande. Dieses centrale Tafelland der iberischen Halbinsel, gewöhnlich Plateau von Castilien genannt, ist, wie wir gesehen haben, von der cantabrisch - asturischen Gebirgskette im N , dem iberischen Gebirgssystem im O, dem marianischen im S begrenzt, nach W gegen Portugal geneigt und mehr offen, wie dies der Lauf der grossen Flüsse, Duero, Tajo und Guadiana andeutet. Es wird vom castilischen Scheidegebirge mitten durchschnitten und in die alt- castilische Hochebene mit Leon und die neucastilische mit der Vorstufe von Estremadura geteilt. Beide Teile gehen im Nordosten durch die Hochflächen von Siguenza und Soria unmittelbar ineinander über. Die mittlere Länge des castilischen Plateaus von N nach S beträgt 520 km, die mittlere Breite mit Hinzurechnung von Estremadura 370 km, das Areal 210000 qkm oder 41 % von ganz Spanien. Die mittlere Erhebung des grösseren nördlichen Teils, Altcastilien, mit Ausnahme der Provinzen Logrono und Santander, sowie Leon um- fassend, beträgt ca. 800 m. Hier liegen die Städte Soria 1068 m, Bürgos 860 m, Valladolid 760 m, Zamora 620 m hoch. Die mittlere Erhebung des neucastilischen Tafellandes, zu welchem 190 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. wir auch Estremadura, sowie Teile der Provinzen Zaragoza, Teruel und Albacete zu rechnen haben, beträgt 650 m. Dasselbe senkt sich nach Westen und namentlich in der Provinz Badajoz so beträchtlich, dass der grösste Teil von Estremadura nur eine Vorstufe ist, wie sich aus folgenden Höhenangaben ergibt: Escorial 920 m, Guadalajara 696 m, Albacete 686 m, Ciudad Real 685 m, Madrid 650 m, Valdepefias (Mancha) ca. 600 m, Bett des Tajo bei Toledo 450 m, bei Talavera de la Reina 360 m, Bett des Guadiana bei der Einmündung des Giguela 594 m, bei Merida 196 m, bei Badajoz 155 m. Klima. Die bereits angedeuteten grossen Gegensätze des iberischen Klimas sind durch die geographische Breite und die Lage zum Meer, vor allem aber durch die Beschaffenheit der Oberfläche, die Verteilung der Gebirge, Hochebenen und Tiefländer bedingt. Die vorherrschenden, regenbringenden Winde kommen vom Atlan- tischen Ocean, von Nordwest und West, für Südportugal und An- dalusien aus Südwest. Darin liegt die Erklärung für die überaus ungleiche örtliche Verteilung der Niederschläge, während die Ver- schiedenheit sich weniger auf die einzelnen Jahreszeiten erstreckt; denn in dieser Beziehung sind dieselben vornehmlich oder aus- schliesslich auf die Winterhälfte des Jahres beschränkt, wie in der Mittelmeerregion überhaupt. Durchwandern wir beispielsweise die Halbinsel von Nordwest nach Südost, sage von La Coruha über Madrid nach Alicante, so begegnen wir der Reihe nach drei verschiedenartigen Gestaltungen des Bodens , Klimas , der Bodenkultur und Produkte. Im Nord- westen , an der galicischen Küste , sowie auch im benachbarten portugiesischen und asturischen Küstenstrich herrscht Seeklima mit milden Wintern und verhältnismässig kühlen Sommern, sowie mit reichen Niederschlägen, verteilt über das ganze Jahr, am meisten im Winter, am wenigsten in den drei Sommermonaten. An der Küste selbst ist Schnee eine äusserst seltene Erscheinung. Im Januar 1891 erregte Schneefall in Oporto grosses Aufsehen, da man seit 1856 keinen wahrgenommen hatte. So ist die mittlere Regenmenge in La Corufia nach zehnjähriger Beobachtung 1026,9 mm, die mittlere Jahrestemperatur 12,5° C, das mittlere Maximum 34,1° C, das mitt- lere Minimum — 2,i°C. Andere Küstenorte sind noch viel regen- reicher. Bilbao z. B. hat 1369 mm und Oporto 1392 mm jährlichen Niederschlag. Landeinwärts, an Orten, welche viel höher und gegen die regenbringenden Winde frei liegen, muss natürlich die jährliche Niederschlagmenge noch viel beträchtlicher sein, weil hier Campos secanos und Campos regadios. 191 die Winde während der kälteren Jahreshälfte eine viel grössere Ab- kühlung und Verminderung ihrer Feuchtigkeitskapacität erleiden. Diesem Schluss entspricht z. B. Santiago, welches in 273 m Höhe eine jährliche Regenmenge von 1758 mm aufweist und, soweit die Beobachtungen gehen, als regenreichster Ort der ganzen Halbinsel anzusehen ist. Unter diesen Verhältnissen findet man in den anmutigen Gebirgs- landschaften des nördlichen Portugal, namentlich aber denjenigen von Galicien, Asturien, Santander und den beiden baskischen Pro- vinzen Viscaya und Guipuzcoa, Wiesen, Wälder und Weiden, die an unsere heimatlichen Verhältnisse erinnern. Ihre fleissigen Bewohner nutzen den kulturfähigen Boden nach verschiedenen Richtungen aus, bauen, wo es geht, vielerlei Gemüse, Kartoffeln, Mais und Flachs, Gewächse, die hier keiner künstlichen Bewässerung bedürfen, erzielen alle unsere Obstsorten, vor allem Kastanien, Wallnüsse und Aepfel in grosser Menge und betreiben eine ausgedehnte Viehzucht. Die Hauptfeldarbeit fällt in den Sommer. Die Kultur des Weinstocks hat nur strichweise grössere Bedeutung; das Getränk des Land- manns ist ausser Wasser und Milch der Aepfelwein. Die erwähnten spanischen Provinzen wiesen Ende 1887 auf einem Areal von 49 529 qkm eine Bevölkerung von 3 149 675 Personen auf (ca. 64 auf 1 qkm), d. h. auf noch nicht den zehnten Teil des ganzen Landes kam mehr als der sechste Teil seiner Bewohner. Da nun diese Landstriche, welche die Cordillera Cantäbrica vom Innern scheidet, grösstenteils gebirgig sind und der Boden seine Bewohner nicht alle nährt, so hat von jeher eine starke Auswanderung aus ihnen stattgefunden. Der Asturier ging nach Amerika, der Galicier nach den Provinzen des Innern und nach Andalusien. Hier ist er zu allen Arbeiten willig und hat vor allem auch die Reinigung der Städte zu besorgen. Der stolze Andalusier macht sich wohl lustig über die Sprache und Dummheit des Galäico (Galiciers), kann aber seine fleissigen Hände nicht entbehren. Sobald man von der galicischen oder asturischen Küste her, den engen gewundenen Thälern mit ihren kühlen klaren Gebirgsbächen folgend, die Kammhöhe erreicht hat und nun wieder hinabsteigt, glaubt man sich in eine andere Welt versetzt. Man ist aus einem schönen, wechselvollen Gebirgslande in eine einförmige Hochebene gekommen, aus dem milden Seeklima in ein kontinentales mit seinen grossen Kontrasten, aus einem regenreichen Landesteile in einen sehr trocknen, in ein Gebiet, wo Wiesen und Wälder fehlen und mancher armselige Ort ohne Baum und Strauch erscheint, erd- oder 192 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. lehmfarbig, wie das trockne, abgeerntete Feld, dem man das Bau- material entnahm. Die castilische Hochebene besitzt ein kontinentales Klima. Die grossen Temperaturgegensätze zwischen Sommer und Winter bestehen auch während eines ansehnlichen Teils des Jahres zwischen Tag und Nacht, namentlich in der Nähe der höheren Gebirge, welche, wie das castilische Scheidegebirge, das Plateau durchziehen oder es, wie andere, im Norden und Osten begrenzen. So lange diese Gebirge Schnee tragen, weht nachts ein rauher, kalter Bergwind von ihnen herunter über die baumlosen Hochflächen, so von der Sierra de Guadarrama durch die Strassen von Madrid, derart, dass hier oft Temperaturdifferenzen von 20 und mehr Grad zwischen Tag und Nacht vorkommen. So war daselbst am 21. April 1892 die niedrigste Temperatur 20 C, die höchste 220 C, ferner am 21. Mai 4,8° C. und 23,5° C. beziehungsweise. Am 19. April sank die Temperatur wäh- rend der Nacht noch auf — 2,5° C. ; am 22. Januar 1891 stieg die Temperatur bei Tag auf 9,4° C. und sank während der Nacht auf — 8,2° C. Die grössten Temperaturextreme, welche man in der spanischen Hauptstadt zwischen Sommer und Winter während der letzten Jahre beobachtet hat, waren 440 C. und — 130 C, also eine Amplitude von 570 C. Als mittlere Winterwärme werden 4,9° C. angegeben; das Mittel für den Sommer beträgt 23,6° C, füYs Jahr 13,7° C Ungünstig, wie der Gang der Temperatur, sind auch die Nieder- schlagverhältnisse der castilischen Hochfläche; denn die Winde, von welcher Seite sie auch kommen mögen, haben fast überall vorher höhere Randgebirge überschritten und dadurch den grössten Teil ihres Feuchtigkeitsgehaltes verloren. Sie werden um so trockner, je tiefer sie sich senken müssen. Aus diesen Gründen ist namentlich das tieferliegende Leon zu beiden Seiten des Duero ein sehr regen- armes Gebiet, dessen Niederschlagmenge unter 250 mm bleibt. Aber selbst die viel höher gelegenen Städte Salamanca und Valladolid haben nur 281 mm und 296 mm beziehungsweise. [Aus analogen Ursachen ist auch die aragonische Steppe sehr trocken. So hat Zaragoza in 184 m Seehöhe nur 319 mm jährlichen Niederschlag.] Ganz besonders regenarm ist die Mancha, in welcher Ciudad Real im Jahr nur 212,4 mm aufweist. Madrid hat 379 mm, Burgos 543 mm, Soria 631 mm. Aber selbst diese Niederschlagmengen erscheinen sehr gering, wenn man in Betracht zieht, dass sie nicht dem Sommer zugute kommen, einem südlicheren Klima angehören und Hochflächen, wo das Mass der Verdunstung ein weit grösseres Campos secanos und Campos regadios. 193 ist als bei uns. Der Anbau von Weizen, Gerste, Roggen und Hülsenfrüchten, und in einigen Distrikten, vor allem in der Mancha, der Weinbau , beschäftigt die Mehrzahl der Landbewohner. Die Feldfrüchte werden im Spätherbst gesäet; ihre Entwickelung steht während der kalten Wintermonate still, schreitet aber dann in der grösseren Tageswärme des Frühjahrs rascher vor, als bei uns, so dass die Erntezeit in die erste Hälfte des Sommers fällt. In der dann folgenden Hitze und Trockenheit des Hochsommers verdorren Gras und Kraut, und es erscheint die Landschaft noch viel einförmiger und uninteressanter als zuvor. Nur in grossen Zwischenräumen findet man an einem flachen Ufer eine kleine Kulturoase mit künstlicher Bewässerung ; meist fehlt es dazu in diesen dünn bewohnten Land- strichen sowohl an Händen, als auch an Wasser. Aus dem Plateau von Neucastilien gelangt man über die östliche Grenze desselben, die iberischen Gebirgsketten, in das Mittelmeer- gebiet Spaniens und damit in eine dritte Klimazone, die subtropische. Hier, wo südlich des Ebro die Thäler der Küstenflüsse zu kleinen Ebenen sich erweitern, geschieden von einander durch nackte Kalk- berge oder niedrige Felsplateaus, wirkt das Meer trotz seiner Nähe am wenigsten ein , ist die Luft fast das ganze Jahr hindurch warm und trocken , mögen nun die Winde von Westen oder Südwesten kommen, oder auch von Nordost und Ost, wie es im Frühjahr und Sommer oft der Fall ist. Mit dem Vorschreiten gen Süden nehmen im allgemeinen Temperatur und Trockenheit zu. Die Regenarmut des Küstengebietes vom Cabo de la Nao zum Cabo de Gata und des Innern von Almeria kommt derjenigen von Ciudad Real, dem Quell- gebiet des Guadiana und andern Teilen der Mancha mindestens gleich. Ueberdies ist die oft unter 250 mm bleibende Nieder- schlagmenge noch mehr, wie im Innern, auf die kühlere Jahreszeit beschränkt. Valencia weist 386 mm, Murcia 306,5 mm, Alicante 253.3 mm auf> Cartagena und Almeria noch weit weniger. Hier giebt es Jahre, wo die Regenmenge unter 200 mm bleibt. Die mittlere Jahrestemperatur dieses Gebiets beträgt 17 — 18 ° C. Im Winter sinkt das Quecksilber des Thermometers selten bis auf Null an der Küste, im Innern, z. B. in Murcia, auf — 3 bis — 40. Hier steigt es im Sommer auf 40 — 450, an der Küste etwas weniger. Schneefall ist eine seltene Erscheinung, und Eis hält sich nirgends den Tag über. Die von den Arabern hier und an der Südküste bis über Malaga hinaus eingeführte künstliche Bewässerung macht die Landwirtschaft vom Regen bis zu einem gewissen Grade unab- hängig, bewirkt im Verein mit der hohen Temperatur, dass die Rein, Gesammelte Abhandlungen. 13 194 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. Vegetation nie ruht und man das ganze Jahr hindurch säen und ernten kann, und zwar nicht bloss Feld- und Gartenfrüchte der ge- mässigten Zone, sondern auch tropische Gewächse, dass selbst Zucker- rohr, Bananen und Datteln reifen. Um so verheerender wirkt auf ein solches Gebiet eine ausnahms- weise strengere Kälte ein, wie sie im Januar 1891 ganz Spanien heimsuchte. Von den schneebedeckten Bergen im Norden und Westen wälzte sich auf die einzigartige Kulturstätte Europas ein eisiger Wind. Die Temperatur sank in Malaga vorübergehend auf — 5°C. , in Valencia sogar auf — io° C. Der Turia war mit Eis bedeckt, das Wasser in den Gräben und Kanälen erstarrt. Der Frost vernichtete die Blüten des Johannisbrotbaums, die Orangen und das Zuckerrohr, der kleineren Verwüstungen gar nicht zu gedenken. Die Südküste der Iberischen Halbinsel, insbesondere ihre atlan- tische Seite erhält infolge der grösseren Nähe des offenen Oceans ein reicheres Mass von Regen als die Ostküste, vornehmlich durch Südwest- und WTestwinde. So hat Huelva 450 mm, Cädiz 556 mm, San Fernando sogar 753,8 mm jährlichen Niederschlag. Die Menge steigt landeinwärts am Gebirge, nimmt dagegen ab in der anda- lusischen Tiefebene. So kommen auf Rio Tinto 679 mm und auf Sevilla 417,4 mm Regen im Jahr. Dagegen erreicht hier und in dem ganzen, von der Küste entfernten andalusischen Tief lande die Sommerhitze und die mittlere Jahrestemperatur einen höheren Stand, als sonst auf der Halbinsel. Die Stadt Ecija wird „el Sarten de Andalucia" (die Bratpfanne Andalusiens) genannt, und in Sevilla ist das Jahresmittel 19, 6° C., das Sommermittel 280 C., das mittlere Temperaturmaximum 47,4° C., das Minimum — o,8° C. Es ist bei diesen hohen Temperaturen gewiss auffallend, dass Niederandalusien so wenig Dattelpalmen aufweist und man z. B. in diesem Jahr (1892) eine Anzahl junger Bäume zur Ausschmückung der neuen Anlagen um die Räbida aus Murcia herbeibringen musste. Vielleicht liegt dies an der grösseren Trägheit der Bewohner und dem Mangel an geordneter künstlicher Bodenbewässerung. Die Dauer der regenlosen Sommerzeit ist, wie die Menge des jährlichen Niederschlags, auch in den sehr trocknen Gebieten Spa- niens in den verschiedenen Jahren ausserordentlich ungleich. Stellen sich die Herbstregen sehr frühzeitig ein, so folgen sie unter Ge- wittererscheinungen in der Regel mit einer wolkenbruchartigen Heftig- keit. Derartige Niederschläge lernte ich Anfang September 1888 in Alicante, Murcia und Almeria in überraschender Weise kennen. Am 1 . September wurde ich in Alicante durch die schnelle Entwickelung Campos secanos und Campos regadios. 195 eines starken Gewitterregens, der sich mit kurzen Unterbrechungen auch die Nacht hindurch fortsetzte, in meinen Bewegungen gehemmt. Der dann folgende 2. September, ein Sonntag, welchen ich dem Besuch des herrlichen Dattelpalmenwaldes von Elche widmete, bot mir den Anblick einer neubelebten Vegetation, dazu einen so klaren Sonnenschein und so durchsichtige Luft, wie wir sie selten haben, und ohne die gewohnte drückende Hitze, in den ungepflasterten Strassen der 24000 Ew. zählenden Palmenstadt freilich auch einen Schmutz, der aller Beschreibung spottet. Nachmittags 5 Uhr setzte ich meine Eisenbahnfahrt über Cre- villente und Orihuela nach Murcia fort. Unter strömendem Regen kam ich abends dort an. Am andern Morgen besah ich mir, erst vom Turm der Kathedrale aus, dann näher, die Huerta und den Segura. Letzterer, sonst ein bescheidener Fluss, dessen klares Wasser, durch zahlreiche Kanäle und Rinnen, die berühmten Gärten speist und ewig grün erhält, drohte jetzt den vielerlei Kulturen in denselben Verderben. Von den steilwandigen, nackten Felsmassen der hohen Berge, welche seine Thalsohle begrenzen, war es diesmal herunter- geeilt, hatte das Flussbett ganz erfüllt und wälzte sich nun als mächtiger, lehmfarbiger Strom drohend dahin. Wohl schliesst man in solchen Fällen , wenn rechtzeitig gewarnt , die Schleussen , durch welche zu andern Zeiten das Wasser abgeleitet und im Bewässerungs- system verteilt wird; doch vermag diese Vorsicht nicht immer die verheerende Ueberschwemmung fern zu halten, namentlich dann nicht, wenn solche Regengüsse länger andauern oder sich in kürzerer Zeit oft wiederholen. Die Bauern der Huerta de Murcia haben dies noch vor wenigen Jahren in einer Weise kennen gelernt, an die sie noch lange denken werden. Wenige Tage später brachte mich das Dampfschiff von Carta- gena über Nacht nach Almeria, auf dem einzigen bequemen Wege, der zu dieser Hauptstadt einer Provinz führt, welche noch fern von allen Eisenbahnen liegt. Ich verliess das Boot , in welchem ich abends nach Malaga weiter fahren wollte , um mir die Stadt anzu- sehen und auf dem deutschen Konsulat Briefe zu holen. Hier wurde ich wiederum durch ein Gewitter überrascht, das mit wenigen Blitzen und Donnern eingeleitet wurde und dann einen wahren Strom von Hagel und Regen über die Stadt ergoss. Bald nachdem es vorüber war, zogf ein zweites mit dunkler Wolkenschicht drohend heran. Deshalb benutzte ich die kurze Zwischenzeit und eilte zu meinem Schiff zurück. Kaum aber hatte ich dies gegen 3 Uhr erreicht, so brach das neue Unwetter los, und zwar mit noch weit grösserer 13* 196 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. Heftigkeit, als sein Vorgänger. Als ich eine halbe Stunde später mich wieder auf's Deck wagen konnte, hatte die kleine Bucht ein ganz anderes Aussehen. Die staubige Strasse, welche ich morgens vom Hafen aus durchschritten hatte, war zum Bett eines reissenden Stromes geworden , welcher seine Fluten , lehmfarbig , wie ich den Segura bei Murcia gesehen hatte , zum Hafen wälzte. Zahlreiche Beschauer und Bewunderer umstanden ihn. Das war die veränderte Rambla1! Noch zwei andere Strassen der Stadt, auf gleiche Weise im Handumdrehen in Flussbette umgewandelt, ergossen ihre trüben Wassermassen in die Bucht. Bald war diese in ihrer ganzen Aus- dehnung lössartig gefärbt, zu einem kleinen „Hoang-hai" (gelben Meer) geworden, auf dessen Oberfläche neben Streifen eines gelb- lichen Schaumes vielerlei eingespülte Gegenstände: Bretter, Balken, zerrissene Schuhe, Reste vom Gemüsemarkt u. dgl. umhertrieben. Angesichts solcher Regengüsse sollte man kaum glauben , dass die Provinz Almeria zu den trockensten und unfruchtbarsten Teilen Spaniens gehört. Es ist aber Thatsache, dass z. B. den Campos (Feldern) de Nigar, gerade so wie denen von Lorca, oft in mehreren Jahren kein Tropfen Regen zuteil wird und trotz der äusserst dünnen Bevölkerung ganze Familien nach Jaen und Granada wegen Hunger und Arbeitslosigkeit auswandern. Es liegt im klimatischen Charakter der trocknen Mittelmeer- länder, dass ihren Gebirgen die Laub-, Moos- und dichten Rasen- decken fehlen , welche bei uns die Heftigkeit der Niederschläge brechen und den darunter liegenden Erdboden vor dem Wegspülen schützen, denselben aber zugleich längere Zeit mit Wasser tränken, das sie wie ein Schwamm aufgenommen haben. In Spanien trifft der Regen sofort den kahlen Fels und wäscht von ihm weg, was an losem Material und Verwitterungsprodukt sich vorher gebildet hat. Deshalb nimmt das nackte Felsgebirge hier, wie in andern Mittelmeerländern, ein so grosses Areal ein, ohne die Fähigkeit viele Quellen zu speisen, noch regulierend auf den Wasser- stand der Flüsse einzuwirken. Das von ihnen ins Thal eilende Regenwasser füllt die trocknen Ramblas, macht, dass die perenierenden 1 La Rambla ist der arabisch-spanische Name für ein trocknes Flussbett, das nur zur Regenzeit Wasser führt. Die Rambla von Barcelona, die schönste Strasse und Verkehrsader der Hauptstadt Cataloniens, welche vom Hafen aus nordwärts zu den neuen Vorstädten emporsteigt, ist aus einem solchen ehemaligen Flussbett her- vorgegangen. Campos secanos und Campos regadios. 197 Flussläufe rasch zur Ueberschwemmung anschwellen, und entblösst nicht bloss die Böschungen, sondern in vielen Fällen auch die Sohlen der Thäler immer wieder von dem lockeren Gruss und Geröll, aus welchem sich anderwärts unter weiterer chemischer Einwirkung des Wassers ein fruchtbarer Acker- oder Wiesenboden bildet. So sind viele engere Thäler schon in Höhen von 200 — 600 m ohne nennenswerten Alluvialboden, ohne Kultur und Ansiedelung. Welche enormen Veränderungen das Land im Laufe der Zeit infolge dieser mechanischen Abtragung der Gebirge durch das Wasser erfahren hat, zeigt sich auf mancherlei Weise, so namentlich auch in den mächtigen alten Schotterablagerungen hier und da. Der Vinalopo z. B., welcher den Palmenhain von Elche auf dessen West- seite scharf begrenzt, hat hier, wo die Eisenbahn auf hoher Brücke ihn überschreitet, sein Bett durch eine Geröllschicht von etwa 20 m Mächtigkeit eingeschnitten, ohne das Liegende derselben zu erreichen. Aus vorstehenden Erörterungen über die physischen Grundlagen der spanischen Landwirtschaft, d.h. über die geologische Beschaffen- heit, das Relief und Klima des Landes, wird man die Ueberzeugung gewonnen haben, dass dieselben vielfach sehr ungünstig sind, dass nicht überall „die Goldorange reift im Sonnenglanz", noch „der Schatten der Kastanien" zu erreichen ist, als Schutz gegen die Mittagshitze. Beide sind auf verhältnismässig enge Gebiete beschränkt, ebenso wie die Naturschönheiten gegenüber den baumlosen, äusserst einförmigen Steppen und Steinwüsten. Wir begegnen diesen beiden letzten Landschaftsbildern , in welcher Richtung wir auch das Land durchreisen mögen , und finden , dass die Kulturoasen mit all ihren Reizen nur eingestreut sind und an Areal hinter dem Oedland weit zurückbleiben. Die Poesie und Phantasie hat uns , zumal in dem bekannten Liede „Fern im Süd' das schöne Spanien", von der Iberischen Halb- insel falsche Begriffe beigebracht und schattige Kastanien gepflanzt, „wo es", wie Passarge mit Recht bemerkt, „kaum ein paar trübselige Pappeln giebt"1. Immerhin bringt Spanien Erzeugnisse der verschiedensten Klimate hervor. Hier den bescheidenen Hafer und den Roggen, von welchem Plinius einst schrieb, dass er dem römischen Magen zuwider sei und nur zur Stillung des Hungers dienen könne, dort prächtigen Weizen, mit teilweise immer noch 60 — 100 fältigem Ertrag, wie in Andalusien, 1 L. Passarge, Aus dem heutigen Spanien und Portugal. Reisebriefe. Vorrede. Leipzig 1884. 198 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. und in einer dritten Region Reisernten , wie sie besser kein Land der Erde aufweist. Zu allen Obstarten unserer deutschen Heimat kommen in Spanien solche, die nur in Gegenden gedeihen, die von Frost und Schnee wenig oder nie berührt werden , herrliche Süd- früchte und sogar die Bananen und Chirimoyas (Anona tripetala Ait.) der Tropen. Die Verschiedenheit des Bodens und der Klimate Spaniens be- dingt diese grosse Mannigfaltigkeit nicht bloss der wildwachsenden Gewächse, sondern auch der Kulturpflanzen; doch ist dies keines- wegs ein Zeichen des Reichtums. Mancher deutsche Gau ist reich, ohne Naturschönheiten , ohne vielerlei Produkte aufzuweisen. Sein fruchtbarer Ackerboden erzeugt Getreide oder Handelsgewächse in Menge. Wo aber das Kulturland beschränkt, der Boden felsig oder sonst von geringem Werte ist, vermag selbst ein wärmeres Klima ihm keine Reichtümer zu entlocken , auch dann nicht , wenn die Wärme mancherlei Kulturen gestattete. Im „Boletin de la Sociedad Geogräfica de Madrid. Vol. XII. 1882. S. 279" bespricht S. D. Lucas Mallada die Ursachen der Armut des spanischen Bodens1, wobei er mancherlei anführt, was nicht zur Sache gehört, und sehr wichtige Punkte unbeachtet lässt. Immer- hin bieten seine Erörterungen vielerlei Interesse. Nach ihm zerfällt die Oberfläche Spaniens in: a) vollständig nackte Felsen, ohne jede Kulturfähigkeit 10 % b) sehr wenig produktives Land, sei es wegen seiner grossen Erhebung, wegen Trockenheit oder schlech- ter BodenbeschafTenheit 35 X c) Ländereien von mittelmässiger Kultur und Ertrags- fähigkeit, wozu auch die Wälder und Viehtriften gerechnet werden 45 % d) gutes, fruchtbares Land 10 % 100 % Für den Oelbaum und die Orange ist das Klima nur von einem Zehntel des Landes geeignet. Die grossen Kontraste des Kontinental- klimas beeinträchtigen viele Kulturen oder machen sie unmöglich; mehr noch schadet die Trockenheit. Wo die mittlere Regenmenge unter 300 mm zurückbleibt, ist ohne künstliche Bewässerung in der Regel kein Feldbau möglich, auch wenn die BodenbeschafTenheit ihn zuliesse. 1 „Causas de la Pobreza de nuestro suelo." Campos secanos und Campos regadios. 199 Von jenen 45 % des Landes, welche aus Ländereien von mittle- rer Kulturfähigkeit bestehen, ist nur der kleinere Teil unter dem Pfluge. Weite Strecken der grossen, schwachbevölkerten Provinzen des Innern, zumal von Estremadura, könnten durch Fleiss und Sorg- falt in vortreffliches Weizenland umgewandelt werden, während sie unbenutzt daliegen, weil es an Händen zu ihrer Bearbeitung fehlt. Nicht die Bodenarmut, wie Mallada meint, sondern die sozialen Verhältnisse sind schuld, wenn nichtsdestoweniger auch hier viele Familien auswandern, wenn alljährlich 25 — 30000 Spanier ihr schwach- bevölkertes Land verlassen, um in Südfrankreich, Algier und dem spanischen Amerika, zumal in Argentinien, Arbeit und Brot zu suchen. — Von der Armut des gemeinen Mannes entwirft Mallada ein trübes Bild. Nach ihm ist der spanische Arbeiter, sei er nun Bauer oder Handwerker, fast überall mit schlechterem Obdach versehen, schlechter gekleidet und schlechter genährt, als in den meisten andern Ländern. In den nordwestlichen Provinzen kosten 3/4 der Bewohner weder Brot, noch Fleisch, noch Wein. Ihr Brot ist die Boröna (eine Art Maisbrod), ihr Fleisch besteht in Kartoffeln, Kastanien oder Kohl, ihr Wein ist Wasser, saure Milch oder Aepfelwein ; doch wird letzterer nur den wenigsten zu teil. In den südlichen Provinzen sah Mallada das frugale Abendessen der Feldarbeiter sehr häufig. Es bestand aus einer Schüssel gaspacho (Wassersuppe) oder aus einigen Orangen- scheiben, die mit Salz und Oel zubereitet waren. „Beurteilen Sie die Nahrung unserer armen Feldarbeiter, " sagt Mallada, „und sagen Sie mir, ob man ein Land für reich halten kann, welches seine Landbauer so nährt und bezahlt." Um einen Begriff zu geben, wie weit sein Land noch in der Industrie zurück sei, erwähnt derselbe Autor folgendes : „Spanien hat viele und reiche Kohlenbecken und führt doch für 22835000 Pesetas Steinkohlen ein, es besitzt ganze Berge von Eisensteinen, sodass es jährlich für 37850000 Pesetas ausführen kann, und doch muss es für 25Y2 Millionen Pesetas ver- arbeitetes Eisen aus dem Ausland beziehen. Es sendet andern Ländern für 32622000 Pesetas Kupfererze und muss dagegen für 1 330000 Pesetas Bronze zurückempfangen. Es versendet für 9845 000 Pesetas Wolle und Seide und empfängt aus dem Auslande für 55251000 Pesetas Gewebe. Es hat die besten Trauben, und doch nicht immer den besten Wein, die besten Oliven und schlechtes Oel, die feinste Wolle und grobe Gewebe." — Das ist nun freilich, soweit die drei letzten Artikel in Betracht kommen, etwas Uebertreibung ; immerhin steht die Thatsache unbestritten da, dass Spanien sehr 200 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. wertvolle, ja die wichtigsten Rohmaterialen für die Industrie auf- weist, ohne sie selbst genügend zu verwerten. Mit dem Handel steht es nicht besser. Die Ausfuhr der spanischen Handelsprodukte erfolgt vorwiegend auf fremden Schiffen, durch fremde Kaufleute. Der politischen Befreiung seiner amerikanischen Kolonien (1810 — 1825) ist die Lostrennung ihrer Handelsbeziehungen zum Mutterlande gefolgt, eine Thatsache, gegen welche man in Spanien nicht blind ist, die man bespricht, bedauert, aber nicht ändern kann. Als am 25. Mai 1890 in einer auserwählten Ver- sammlung zu Madrid, an der auch mehrere Minister teilnahmen, die Beziehungen zum spanischen Amerika besprochen wurden, gab ihnen ein Redner unter allseitigem Beifall unter anderm mit folgenden Worten einen kräftigen Ausdruck: „An den 3400 Millionen, welche den Aussenhandel der spanisch- amerikanischen Staaten repräsentieren, nehmen wir kaum mit 70 elenden Millionen Pesetas teil. Welche Schande1!" — Die Grundursache all dieser traurigen Erscheinungen berührt man jedoch nicht, sei es, dass man sie nicht erkennt, oder dass man sich scheut, sie anzugeben. Während man sie in der schlechten Bodenbeschaffenheit sucht, liegt sie im Volke selbst, in seinen un- gesunden sozialen Verhältnissen. Dieselben haben Staat und Kirche verschuldet. Sie bestehen seit Jahrhunderten, wenn auch nicht in der verschärften Form wie heutigen Tags ; sie sind so tief eingewurzelt, dass weder die eine, noch die andere Autorität, wie es scheint, eine wesentliche Aenderung und Besserung herbeizuführen vermag. Wo bisher der eine Teil den redlichen Versuch dazu machte, fand er in dem andern immer einen Gegner und Hemmschuh. So war es namentlich unter der Regierung Karls III., des einzigen spanischen Bourbonen, der mit grosser Thatkraft wichtige Reformen in Angriff nahm und durchführte, dem spanische Geschichtsforscher das grösste Lob spenden, der aber den kirchlichen Autoritäten ein Dorn im Auge war. Beiden Mächten, der Regierung sowohl als der Geistlichkeit, fehlt der erziehliche Einfluss auf das von der Natur begabte Volk2. 1 „De los 3400 millones que forman el comercio exterior de las Naciones hispano-americanas , apenas si nosotros participaneos de 70 miserables millones de pesetas. ; Que mengua!" 2 Am Frohnleichnamtage folgt in fast allen grösseren spanischen Städten der Prozession mit all ihrem Gepränge am Morgen das Stiergefecht (la corrfda) am Nach- mittag mit seinen empörenden Szenen. Wie dort die Geistlichkeit, so ist hier der Adel die Hauptstütze der Volksbelustigung. Dabei vertraggn sich beide Gesellschafts- klassen aufs beste. Campos secanos und Campos regadios. 201 Die Verwaltung, die Finanzen, das Schulwesen liegt im Argen. Der Staat bezahlt seine Lehrer auf allen Stufen des öffentlichen Unter- richts schlecht und in vielen Fällen gar nicht, weil die Kassen leer sind. Nur zu häufig folgen die Gemeinden seinem Beispiel, ja überbieten ihn noch darin. Vergeblich warten viele Lehrer von Monat zu Monat auf ihren Gehalt und wenden zuletzt verzweifelnd ihren Schulen den Rücken, um in kleinen Gewerben, ja selbst als Tagelöhner den Unterhalt für sich und ihre Familien zu erwerben. So las ich 1888 in einer Zeitung zu Almeria, dass aus erwähntem Grunde 35 Lehrer der Provinz binnen kurzem ihre Schulen geschlossen hätten. Da darf man sich denn nicht wundern, dass 68 % der spanischen Bevölkerung nicht lesen und schreiben können und unter den Auswanderern die Zahl der Analphabeten noch viel grösser ist. So fand man unter den nach Buenos Aires gekommenen Spaniern 90 % , die des Lesens unkundig waren. Die Union Mercantil de Malaga, welche in einem Artikel vom 30. Dezember 1890 diese Nachricht brachte, bemerkt dazu, dass es ein Unglück für Spanien sei. „Man legt keinen Wert auf den Volksunterricht, auf die Belehrung der grossen Massen, welche den Lebensnerv des Landes ausmachen, und unsere Entwicklung bleibt von Jahrhundert zu Jahrhundert zu- rück. " — Es handelt sich aber dabei nicht blos um die Entwickelung der Intelligenz und Aneignung nützlicher Kenntnisse, sondern vielleicht noch mehr um die Weckung und Stärkung vieler sittlichen Kräfte, zu denen auch Arbeitslust, sowie Stetigkeit und Gewissenhaftigkeit gehö- ren. Das sind Eigenschaften, welche namentlich auch den vornehmeren spanischen Gesellschaftsklassen vielfach abgehen und deren Mangel sich in der Verwaltung und den Verhandlungen der Cortes zeigt. Wenn das Land sich durch glänzende Reden regieren Hesse, würde es allen Ländern voranleuchten ; aber „Espana es el pais del capeo — Spanien ist das Land des Blendwerks". Man gebraucht es nicht blos dem Stier gegenüber in der Arena, sondern auch sonst, und das Blatt der konservativen Partei, die Epoca, sprach vor mehreren Jahren wohl aus einer alten Erfahrung, wenn sie sagte, dass jede spanische Regierung viel verspreche und wenig halte. — Dass die Feldarbeiter Spaniens, selbst in den gesegneten Huertas, arme Leute sind und bleiben, trotz allen Fleisses und eines frugalen Lebens, hat seine besonderen Ursachen. Hierzu muss die Art der Verteilung und Bewirtschaftung des Landes, Pacht- und Steuerdruck und der schlechte Kredit des Staates gerechnet werden. W'eitaus der grösste Teil des Landes ist in den Händen des Adels und der Kirche. „Die Aristokratie," sagt der wiederholt erwähnte Mallada, 202 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. „könnte bei uns die erste Macht sein, den Nationalwohlstand zu heben, aber sie lebt in eitlem Dünkel und kümmert sich nicht um die Industrie, noch um die Verbesserung der Landwirtschaft." Diese grossen Grundbesitzer (proprietarios) ziehen das behagliche und beschauliche Leben in Madrid und andern grossen Städten dem Aufenthalte auf dem Lande vor. Auf ihren Gütern könnten sie den kleinen Besitzern und ihren Untergebenen ein aufmunterndes Beispiel geben, Verbesserung mancher Art einführen und so die Ertrags- fähigkeit des Landes heben, wohl auch nützliche Industriezweige ins Leben rufen und so ihren Arbeitern in der beschäftigungslosen Zeit Arbeit und Verdienst schaffen. Die Art der Bewirtschaftung der grossen Güter ist je nach der Gegend und der Beschaffenheit des Landes und Klimas verschieden. In den Plateaulandschaften und überall da, wo der Getreidebau vor- herrscht, werden durch einen Verwalter zur Zeit der Aussaat und wiederum wenn die Ernte naht, Hunderte von Arbeitern (braceros, jornaleros) auf etwa 2 Monate angeworben und nach Vollendung der Arbeiten wieder entlassen. Sie erhalten dann ihren Lohn auf einmal ausgezahlt und werden versucht, ihn rasch durchzubringen. Ist dies geschehen, so sind sie dem grössten Elend preisgegeben oder fallen den Wucherern in die Hände, welche sie in abscheulicher Weise ausbeuten. Auf den Feldern wird in der Zwischenzeit nichts gethan; da genügen einige wenige Aufseher, um dieselben zu überwachen. In andern Gegenden, z. B. in den Gebieten mit künstlicher Bewässerung, haben die Eigentümer ihr Land parzelliert und an Bauern , (colones) verpachtet. Der Pachtzins beträgt in der Regel 3 — 5 % vom Werte des Grundstücks. Hierzu kommen dann noch Grundsteuern (30 und mehr Prozent vom Reinertrag) und sonstige Abgaben, welche den bäuerlichen Pächter schwer belasten. Er arbeitet mit seiner Familie härter als seine Tagelöhner (jornaleros), lebt frugal und verfügt nichtsdestoweniger nur selten über grössere Mittel. Wird er aber einmal durch Misswachs oder sonstiges Unglück zum Geldleihen genötigt, so muss er drückende Zinsen zahlen (in Valencia z. B. 8 — 10 %) und hört auf, ein freier Mann zu sein. Seine Abhängigkeit vom „Cacique" (so nennt man nicht blos die an- gesehenen, sondern auch die reichen Leute, die Geldverleiher des Ortes; giebt doch Reichtum in der Welt überall auch ein gewisses Ansehen) ist von da ab in vielen Fällen grösser, als die eines herunter- gekommenen deutschen Bauern vom Juden. Ueberall, wo die Finanzen eines Staates zerrüttet sind und sein Credit gering ist, finden wir hohen Zinsfuss. Da entbehrt die Land- Campos secanos und Campos regadios. 203 Wirtschaft eine der kräftigsten Stützen zu ihrer gedeihlichen Ent- wicklung, und blüht anderseits der Wucher. Spanien hat vor vierhundert Jahren die Juden vertrieben, dagegen durch seine vielen Kriege im Innern wie nach aussen und durch eine heillose Wirtschaft die Grundursachen des Wuchers nur vermehrt. Christliche Spanier verstehen das Wuchergeschäft mindestens ebenso gründlich zu be- treiben, wie der vielgehasste Schacherjude anderwärts. Religion und Rasse machen da keinen Unterschied. — Zu all den vorerwähnten Hemmnissen und Bedrückungen der spanischen Landwirtschaft und vor allem der wirklich ackerbau- treibenden Bevölkerung gesellen sich in neuerer Zeit die preis- drückenden Einflüsse der fremden Konkurrenz, über welche ja fast überall in West- und Mitteleuropa geklagt wird. Sie werden namentlich beim Reisbau schwer empfunden. Man behauptet sogar, dass in Spanien nur der Weinbau noch mit Vorteil betrieben werden könne. Die Oberfläche Spaniens umfasst 507 000 qkm oder 50,7 Mill. ha. Davon sind 24,135 Mill. ha unnützer Fels und sonstiges Oedland. Auch von dem übrigen Boden, der in irgend einer Weise benutzt wird, ist noch ein ansehnlicher Teil ohne Kultur. Es dienen: 1. dem Acker-, Gemüse- und Obstbau, ha 13042000 oder 25,7 % 2 . ., Weinbau , 1 400 000 ,. 2,8 % 3. „ Olivenbau ,. 860000 ., 1,6 % 4. als Wiesen , 176000 ,, 0,2% 5. „ Wald „ 4400000 .. 8,7 # 6. „ Weideland, Eriales, Cisthaiden etc. „ 6700000 ,. 13,2 # 7. zu Dreschtennen, Wegen etc. ... „ 29000 „ „ 26607000 „ 52,2^" Nach einer andern Einteilung unterscheidet man alles bebaute Land, also die vier ersten Gruppen der vorstehenden Tabelle, in trockenes, Secano oder Campo secano, und bewässertes, Re- gadio oder Campo regadio. Secanos sind Ländereien, deren Kulturen blos vom Regen abhängen, die entweder nach ihrer Lage und Beschaffenheit keine künstliche Bewässerung bedürfen oder solche nicht zulassen oder wo aus Mangel an Händen oder aus Trägheit der vorhandenen Arbeitskräfte Bewässerungsanlagen nicht gemacht wur- den. Die Regadios, gewöhnlich Huertas (Gärten) oder Vegas (ein arabisches Wort mit gleicher Bedeutung) genannt, werden auf Verschiedene Weise künstlich bewässert1. Dadurch ist man bis zu 1 Huerta (Garten) nennt man nicht blos das mit verschiedenen Fruchtbäumen (Granatäpfeln, Orangen) und Gemüsen bepflanzte Campo regadio, sondern das be- wässerte Land überhaupt, welcher Kultur es auch dienen möge. 204 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. einem gewissen Grade ganz unabhängig vom Regen und kann, wo das Klima es gestattet, wie in den Huertas der Mittelmeerseite Spaniens südlich des Ebro, das ganze Jahr hindurch säen und ernten. Von den angeführten 1 3 042 000 ha Acker-, Gemüse- und Obst- land gehören 12 160000 ha oder 24 % zu den Secanos und 882000 ha oder 1,74 # zu den Huertas. Da ausserdem auch die Wiesen, wo sie vorkommen, „Praderias de riego", d. h. bewässerte Wiesen sind und ebenso ein kleiner Teil der Weinländereien (Vinedos) zeitweise überrieselt wird, so beträgt damit das gesammte Areal der Regadios 2*U% der Landesoberfläche. Zu den Secanos gehören die Weizen-, Roggen-, Gersten- und Haferfelder, die Ländereien, auf welchen man die durch Breitsaat gepflanzten Hülsenfrüchte erzielt, insbesondere Erbsen, Kichererbsen und Pferdebohnen, sodann die Safranfelder der Mancha, die Ländereien für den Bau der Kartoffeln und Kürbisgewächse. Ausser diesen ver- breitetsten Feldfrüchten müssen auch die wichtigsten Kulturen der Holzgewächse hierher gezählt werden, nämlich abgesehen von den Waldbäumen, die Weinberge, Kastanien- und Olivenhaine, die Mandel-, Feigen- und Johannisbrotpflanzungen. Die Winterfrüchte des Feldes (unsere Getreidearten, ins- besondere Weizen und Gerste, sowie Erbsen [arvejasj und Saubohnen [habas]) werden, je nach dem Eintritt kräftiger Regen, im November oder Dezember ausgesät und im Juni oder Juli geerntet. Die meisten Sommerfrüchte — man nennt sie gewöhnlich semillas (semientes) tremesinas, Dreimonatsfrüchte — werden im Februar oder März aus- gesät und ebenfalls im Juni geerntet. Hierher gehören eiu kleiner Teil Sommerweizen (trigo tremesino), Sommerroggen (centeno treme- sino), Gerste (cebada tremesino) und Hafer (avenaj, vor allem aber Mais, Kichererbsen (garbanzos)1, Bohnen (indias), Lupinen (altra- muces) und andere Hülsenfrüchte, sowie die verschiedenen Kartoffeln Cucurbitaceen (Gurken, Melonen und Kürbise), Zwiebelgewächse und Gemüse. Als Brotfrucht steht der Weizen, als trockenes Gemüse die Kichererbse obenan. Ihre Hauptkulturstätten sind die Hochflächen von Alt- und Neucastilien , Leon und Estremadura , sowie das andalusische Tiefland; doch reicht die Produktion für den Bedarf nicht aus. Kichererbsen und Pferdebohnen werden noch aus Marokko eingeführt, während man den Mehrbedarf an Weizen aus Rumänien 1 Die Kichererbsen (Cicer arietinum L.) sind die weitaus beliebteste und teuerste Hülsenfrucht Spaniens. Bei der Mahlzeit erscheint die mit Knoblauch gespickte Fleischspeise gewöhnlich umgeben von einem Kranze gekochter Garbanzos. Campos secanos und Campos regadios. 205 und Südrussland deckt. Die spanische Weizenernte übertrifft die deutsche. Neben Weizen sind Wein und Olivenöl die wichtigsten Pro- dukte des trocknen Kulturlandes. Seit dem Krimkriege und mehr noch seit dem Auftreten der Reblaus in Frankreich hat der Weinbau in Spanien einen enormen Aufschwung genommen. Zwar hat die Phyl- loxera auch dieses Land nicht verschont und z. B. bei Malaga grosse Verheerungen angerichtet, allein das trockne Klima und die Sommer- wärme Spaniens sind der Rebe so zuträglich, dass man mit geringer Mühe eine Fülle der herrlichsten Trauben erzielt und durch rasche Erweiterung der Pflanzungen in vielen Teilen des Landes den Aus- fall mehr als deckte. Wenn im Jahre 1886 beispielsweise von der Gesamtausfuhr Spa- niens im Werte von 675 Mill. Pesetas (Frcs.) auf vegetabile Produkte ca. 448 Mill. Pesetas kamen oder 66 %, so fungieren darunter die Produkte des Weinstocks (Wein, frische Trauben und Rosinen) mit 365,5 Mill. oder 54 % . Noch ansehnlicher war der Anteil des Wein- baus am Gesamtexport in und nach dem traubenreichen Jahre 1888. Seit 1886 betrug die Jahresproduktion 28 — 30 Mill. hl. Davon kam über die Hälfte auf die nordöstliche Ecke Spaniens, die alten Provinzen Valencia, Cataluna, Aragon und Navarra. Es ist vornehm- lich Rotwein , der hier erzeugt wird und in Menge nach Frankreich geht. Berühmte Weinorte sind insbesondere Carinena in Zaragoza, Sitges in Barcelona, Benicarlö in Castellon , Callosa in Alicante, Caravacä in Murcia , Malaga , Jerez , Valdepefias und Manzanares, sowie die fruchtbare Rioja, das Hügelland der Provinz Logrono zur Linken des Ebro, welches einen leichten, an Burgunder erinnernden Rotwein liefert. In diesen und andern Weinbezirken bewegt sich der Preis der Trauben (solche von 2 — 3 kg Gewicht sind keine Seltenheit) zwischen 0,5 — 1 Peseta (40 — 80 Pf.) für die Arroba oder Die grösste Traubenausfuhr, nämlich jährlich 0,5 — 1 Mill. Fass ä 25 kg, hat Almeria. Sie findet fast ausschliesslich nach England und Nordamerika statt. Es sind Trauben mit pflaumendicken, dick- schaligen , fleischigen , süssen Beeren , zur Weinbereitung ganz un- geeignet. Am meisten Rosinen liefern Malaga und Denia. Der Oelbaum bedeckt 860000 ha des spanischen Areals1. Die meisten Olivares (Olivenhaine) gehören Andalusien an2: auf das 1 Auf Italien kommen 900000 ha, auf Südfrankreich 152000 ha. 2 Besonders ölreich ist die Gegend von Montoro auf den Vorbergen der Sierra Morena in der Provinz Cördoba. 2o6 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. Gebiet des Guadalquivir entfallen allein 378100ha; dann folgt das Flussgebiet des Tajo und des unteren Ebro. Vor 100 Jahren um- fassten die Oelbaumpflanzungen eine doppelt so grosse Fläche. Nachlässigkeit in der Zubereitung des Oels und in der Behandlung der Bäume bewirkten den Rückgang. Das Reinigungsverfahren bei der Gewinnung des Olivenöls, welches der Provence schon lange grosse Vorteile gebracht hat und jetzt auch in vielen Teilen Italiens angewandt wird, machte das Baumöl dieser Länder zu einer ge- suchten Ware, während für das spanische selbst zu dem niedrigen Preise von 65 — 75 Pesetas für 100 kg sich wenige fremde Abnehmer fanden. So sank die Ausfuhr von 31 Mill. Pesetas im Jahre 1865 allmählich bis auf 13 Mill. Pesetas im Jahre 1880 herunter. Dadurch sind denn verschiedene einsichtsvollere Produzenten zur Ueberzeugung gekommen, dass es auf dem bisherigen Wege nicht weiter geht. Indem sie dem Beispiel der Franzosen und Italiener in der Oelbe- reitung folgen, ist es ihnen gelungen, eine Ware darzustellen, die an Reinheit und Wohlgeschmack dem besten Provenceröl nicht nachsteht. Seitdem hat sich die Ausfuhr, welche ja naturgemäss gleich der Olivenernte selbst grossen Schwankungen unterworfen ist, bedeutend gehoben. Dieselbe betrug z. B. in den Jahren 1884, 85 und 1886 18,1 Millionen, 40 Millionen und 14,4 Millionen Pesetas beziehungsweise. Ohne Zweifel wird sich mit dem bessern Absatz des Olivenöls auch der Anbau des Oelbaums wieder heben. Da derselbe bescheidene Bodenansprüche macht und selbst auf armem, felsigem Grunde noch gedeiht, so fehlt es nicht an dazu geeignetem Lande. Zu den interessantesten Trockenkulturen gehört unstreitig die der Algarroba oder des Johannisbrotbaums Ceratonia siliquaL.). Zerstreut findet man denselben auch in Andalusien, aber in aus- gedehnten Pflanzungen, den Algarrobales, nirgends so häufig, wie im südlichen Catalonien und in Valencia. Dem mit der Bahn von Barcelona südwärts Reisenden bietet sich ihr eigenartiger, freund- licher Anblick häufig. Kein anderer Baum der Mittelmeerregion gewährt so viel Schatten wie er. Auf kräftigem Stamm entwickelt er eine nicht hohe, aber weit ausgebreitete und schön geformte Krone, die sich häufig bis zur Erde senkt. Das Grün seiner ge- fiederten, glänzenden Blätter ist heller als das des Feigenbaums und erfreut das Auge. Bei näherer Betrachtung finden wir, dass dieser Baum, dessen bekannte Hülsen ein wertvolles Pferdefutter abgeben, ausserordentlich genügsam ist. Er nährt sich noch auf Boden, der so trocken und felsig ist, dass weder der Weinstock, noch der Campos secanos und Campos regadios. 207 Feigenbaum, noch selbst der Oelbaum darauf fortkommen, und ge- deiht dabei vortrefflich. Auf der Textfigur Nr. 9, welche die Huerta de Valencia dar- stellt, wird diese von Bäumen eingefasst, welche den Rand des höherliegenden trocknen Landes darstellen. Man muss sich darunter je nach der Bodenbeschaffenheit bald Weinstöcke, bald Oelbäume, bald Algarroben vorstellen, letztere überall da, wo der Untergrund aus fast horizontal streichenden tertiären Kalksteinen besteht mit wenig Erde darüber. Das bewässerte Feld (Campo regadio) ermöglicht eine Menge Kulturen, welche sonst in dem trocknen heissen Sommer Spaniens nicht möglich wären, so den Anbau von Reis und Mais, von Gemüsen und Hülsenfrüchten mancherlei Art, von Hanf und Flachs und selbst der Baumwolle, von Orangen, Datteln und Zucker- rohr. Wie beim Nildelta das vom berühmten Strome überschwemmte, bewässerte und gedüngte Land scharf absticht gegen die fahle Sand- wüste, so ist in Spanien der Anblick einer lieblichgrünen Huerta während des Sommers grundverschieden von dem der umliegenden und abgeernteten trocknen Felder und der Steppen. Das Campo regadio erscheint in der That wie eine Oase in der Wüste. Das gesamte, zu einem Orte oder Distrikte gehörende bewässerte Land ist sein Garten, seine Huerta oder Vega, unbekümmert um die Art der Kulturen auf demselben. Huertas oder Vegas giebt es natürlich in den meisten Provinzen; doch haben diejenigen nahe der Mittel- meerküste, vom Ebro bis zum Guadalhorce bei Malaga, zumal jene in den alten Königreichen Valencia und Murcia, durch ihren Umfang, die Sorgfalt und Grossartigkeit ihrer Bewässerungsanlagen und Be- bauung, sowie die Fülle ihrer verschiedenartigen Erzeugnisse einen besonderen, wohlverdienten Ruf. Wasser, Wärme und Dünger er- möglichen hier das Säen und Ernten ohne Unterbrechung. — Das äusserst komplizierte und wohldurchdachte Bewässerungs- system ist allerdings in den meisten Fällen, z. B. bei den grösseren Huertas, das Werk der Mauren; doch haben auch die Spanier in diesen durch Klima und Boden gesegneten Landstrichen, dem Beispiel ihrer Vorgänger folgend, manche schöne Anlage gemacht. Dennoch lernen wir in den Schulen und lesen in den Büchern, dass es dem Spanier überall an Fleiss und Sorgfalt fehle, das zu erhalten und weiterzuführen, was seine maurischen Vorbildner ihm hinterlassen haben. Nichts ist irriger und ungerechter als dieses Urteil. Aber es pflanzt sich von Generation auf Generation fort, so viel auch kompetente Beurteiler der Verhältnisse dagegen auftreten mögen. 208 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. So schrieb schon vor bald 50 Jahren M. Willkomm S. 542 seiner ausgezeichneten geographischen Monographie über „die Halbinsel der Pyrenäen" folgendes: „Zu den eingerostetsten der in Deutschland über Spanien verbreiteten Vorurteilen gehört die Ansicht, dass der spanische Bauer faul sei und aus Trägheit seine Felder vernach- lässige. Diese Ansicht ist grundfalsch." — Wir bewundern den Fleiss und denken wohl auch an den Schweiss der deutschen Weinbauern, welche die Terrassen an den Gehängen des Rhein-, Mosel- und Ahrthales anlegten, und derer, welche die so mühsam geschaffenen Weinberge mühsam mit Dünger versehen und bebauen. Aber diese Leute haben wenigstens ihre Nacht- und eine gewisse Winterruhe. Nicht so der Bauer in der spanischen Huerta. Für ihn gibt es keine regelmässige Ruhezeit. Zu jeder Stunde, bei Tag und bei Nacht, je nachdem es sein Land erfordert und das strenge Wasserrecht gebietet, muss er bereit sein, hier eine Schleusse oder einen Graben zu öffnen, dort zu schliessen, um bald seine Kultur vor dem Austrocknen, bald vor der Vernich- tung durch zuviel Wasser zu schützen und zugleich die Pflanzungen und Rechte anderer nicht zu gefährden. Nur seinem staunenswerten Fleisse und seiner steten Sorgfalt in der Benutzung des ihm zu- gemessenen Wassers konnte es gelingen, das, was die Araber in den Wasserleitungen und ein warmes Klima ihm bieten, so zu verwerten, dass die Huertas die Freude aller fremden Beschauer und der Stolz Spaniens sind. Die allgemeinen Züge des Klimas in dem umfangreichsten und interessantesten Gebiete der spanischen Regadios, dem der östlichen Küstenflüsse südlich des Ebro, wurden bereits hervorgehoben. Wie sich der Boden von der Cordillera iberica im allgemeinen ostwärts zur Mittelmeerküste senkt, so vermindert sich die durchschnittliche Menge der jährlichen Niederschläge und die Zahl der Regentage. Auch ist mit zunehmender Wärme wie im ganzen Mittelmeergebiet eine Abnahme der Regenhäufigkeit und -Menge von Norden nach Süden gegeben, dergestalt, dass Alicante1, das südliche Murcia und Almeria nicht blos die regenärmsten, sondern auch die wärmsten Teile dieser spanischen Ostküste sind. Hier übersteigt das Mass der jährlichen Verdunstung bei weitem das der Niederschlagmenge. 1 Alicante hat im Durchschnitt an 46 Regentagen im Jahr 254 mm Nieder- schlag, oft bleibt aber letzterer weit unter 200 mm zurück. Die mittlere Jahres- temperatur beträgt 17,9° C, das Mittel des Winters 120 C, und der drei Sommer- monate 24,3° C. Campos secanos und Campos regadios. 209 Infolgedessen versiegen im Sommer fast alle Flüsse, sodass hier an eine Bewässerung der Felder durch dieselben nicht gedacht werden kann. Anders liegen die Verhältnisse weiter nordwärts, im Gebiete der permanenten Flussläufe, zu denen von Norden nach Süden fol- gende gehören: Mijares (Miliares), Palancia, Turia (Guadalaviar), Jucar, Vinalopo, Segura. Die höheren Ketten des iberischen Gebirgssy stems, welche das Gebiet der spanischen Ostküste so regen- arm machen, verdichten den Wassergehalt ihrer westlichen Winde zu Regen und Schnee und machen durch ihre reichen Quellen auch im Hochsommer die Versorgung der Huertas von Castellon, Valencia und Murcia mit fliessendem Wasser möglich. Den nämlichen Einfluss übt das bätische Gebirgssy stem, vor allem die Sierra Nevada auf die Flüsse der spanischen Mittelmeerküste westlich von Almeria aus, unter denen der Rio Grande bei Atra, der Guadalfeo zwischen Salobrena und Motril und der Guadalorce (Guadalhorce) bei Malaga die bedeutendsten sind. Die Spanier haben mit den arabischen Namen der meisten dieser Flüsse auch die von denselben ausgehenden Wasserleitungen (Azequias) zur Bewässerung der Huertas, sowie die Kontrole über dieselben durch die Wassergerichte (Tribunales de las aguas oder de los acequieros) überkommen, erhalten und teilweise weiter vervollständigt. Dagegen wurden die grossen Bewässerungs- anstalten Cataloniens fast alle erst in diesem Jahrhundert ins Leben gerufen. Es sind dies vornehmlich folgende: 1. Der Canal de Castahos oder de Carlota, welcher 1817 begonnen wurde. Derselbe verlässt den Llobregat bei Molins del Rey und bewässert die Felder dieser Stadt, von San Feliu und ver- schiedenen andern Orten am Unterlauf des genannten Flusses. 2. Der Canal de Manresa zweigt sich 4 leguas (ca. 23 km) oberhalb der Stadt Manresa vom Llobregat ab, zieht längs der Höhen, 40 Thal- schluchten auf Brücken überschreitend, gegen den rechten Nebenfluss Cardener hin und bewässert den dritten Teil des Kulturlandes vom Bezirk Manresa, in welchem die fleissigen Bewohner mit seiner Hülfe — „de las piedras sacan panes" — aus Steinen Brot zu machen verstehen. 3. Der Canal de Urgel. Derselbe wurde 181 7 in An- griff genommen, wiederholt aus Geldmangel jahrelang unterbrochen und erst 1861 nach einem Kostenaufwand von über 28 Mill. Pesetas beendet. Er führt Wasser des Segre durch die Llano del Urgel (Ebene von Urgel) ostwärts des unteren Segre und bewässert 90 000 ha Landes. In vielen Fällen muss das Fluss- oder Kanalwasser durch Schöpf- räder (Norias) gehoben werden. In den weinreichen Ebenen von Rein, Gesammelte Abhandlungen. 14 210 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. Vinaröz und Benicarlo heben 600 solcher Norias das Wasser aus ebenso vielen Brunnen , welche man in die Nagelflue dieses Gebietes der Provinz Castellon gegraben hat. Die meisten dieser und ähn- licher Anlagen in andern Teilen des Landes entstanden in neuerer Zeit. Sie widerlegen am besten den üblen Ruf, in welchen der spanische Landmann unverschuldeterweise im Auslande gekommen ist. Wer mit der Eisenbahn von Barcelona über Tarragona in das Gebiet des ehemaligen Königreichs Valencia eintritt, bekommt in der Ebene (la Plana) von Castellon unter dem 40. Parallel zuerst eine Huerta in grösserem Stile und maurischen Ursprungs zu sehen und mit ihr den ersten Blick auf eine Orangenkultur in grossartigem Massstabe. Es ist der Mijares (Miliares), der das dazu nötige Wasser liefert. Seine Quellen liegen in der Mitte der Provinz Teruel. Nachdem er hier erst in südlicher, dann in südöstlicher Richtung und in vielen Windungen tiefeinschneidend das Kreidegebirge durch- flössen hat, erreicht er die marinen Tertiärschichten von geringer Höhe und fast ungestörter horizontaler Lagerung in der Provinz Castellon de la Plana und die sich anschliessende Alluvialebene, empfängt wasserreiche Zuflüsse von dem mächtigen Gebirgsstock der Pefia Golosa (181 3 m) zur Linken, insbesondere den Monleon, und mündet nach 134 km langem Lauf südlich der Hauptstadt Castellon. Durch die Kanäle von Castellon, Almazora, Villareal, Burriana und Nules werden hier längs der Küste 9673 ha des herrlichsten Kultur- landes mit dem befruchtenden Element versehen. Die Huerta er- streckt sich 18 km lang an der Bahnlinie hin und erreicht bei der Station Villareal ihre grösste Pracht. Es ist ein herrlicher Anblick, den sie mit ihrem verschiedenen Grün, den zerstreut daraus hervor- ragenden, weissgetünchten Landhäusern , Dattelpalmen, Eukalyptus, den interessanten , nackten Formen der Vorberge der Pefia Golosa im Hinter- und dem breiten Bett des seichten Baches im Vorder- grunde gewähren. Neben den Reihen schöngeformter Orangen- bäumchen mit ihrem dunkelgrünen Laube, ihren herrlich duftenden weissen Blüten oder ihrer grünen und goldenen Fruchtfülle, sehen wir in höherer, trockner Lage Pflanzungen von Mandelbäumen, deren Reihen mit solchen von Weinstöcken abwechseln. Weiter südlich führt uns die Bahn über die Grenze in die Provinz Valencia, den fruchtbarsten, bestkultivierten und gesegnetsten Teil des gleichnamigen ehemaligen Königreichs, in welcher das bewässerte Land mehr als ein Fünftel alles Kulturlandes, nämlich 91327 ha umfasst oder 8, i# des ganzen Areals. Wir erreichen zunächst Sa- gunto (Murviedro), das altberühmte Sagunt, am Palancia. Letzterer Campos secanos und Campos regadios. 211 ist zwar nur ein kleiner Küstenfluss ; aber die Mauren haben es ver- standen, sein Wasser rechts und links so abzuleiten und haushälterisch zu verwerten, dass es noch heute zur Befruchtung- der Regadios von 43 Ortschaften ausreicht mit einem Areal von 9977 ha, wovon 6975 ha noch auf die Provinz Castellon kommen. Das ist die berühmte Vega oder Huerta des Thaies von Segorbe, benannt nach einer alten Stadt, 23 km oberhalb Sagunto, zur Rechten des Flusses auf einem isolierten Kalksteinhügel höchst malerisch gelegen. Polybius sagt von Saguntum, es sei etwa 7 Stadien (ca. 1,3 km) vom Meer entfernt. Dies stimmt auch zur heutigen Lage. Weiter lesen wir bei ihm : „Das Land, welches die Stadtbewohner innehaben, ist reich an Früchten aller Art und übertrifft an Güte das ganze Iberien." Wir sehen hieraus, dass die Kultur dieser Huerta viel älter ist, als die maurischen Kanalanlagen, und müssen daraus schliessen, dass schon die Römer und ihre Vorgänger sich hier der künstlichen Bewässerung bedienten. So mannigfaltig, wie heutzutage, waren die Produkte indes keineswegs. Es fehlten die Orangen und Citronen , die Maulbeerbäume für die Seidenzucht, Reis, Mais und Erdnuss, spanischer Pfeffer (Pimiento dulce) und verschiedene andere Küchengewächse . 28 km südlich von Sagunto liegt Valencia, die vielgepriesene Hauptstadt der Provinz, die „Stadt des Cid" (Valencia del Cid), umgeben von der nach ihr benannten Huerta, welche 10500 ha Landes umfasst und an der 53 Ortschaften ausser der Hauptstadt teilnehmen. Alles hängt auch hier vom Wasser und Dünger ab, die um so kostbarer sind und um so sorgfältiger benutzt werden, je weniger jenes durch Regen und dieser durch Viehzucht geliefert wird. Der Wasserspender ist der Turia oder Guadalaviar. An der Muela (dem Zahn) de San Juan, südwestlich vom Albar- racin, liegen die Quellen dieses „Rio Blanco" oder weissen Flusses, wie die im Oberlauf viel gebrauchte spanische Uebersetzung seines arabischen Namens lautet, nicht weit vom Ursprung des Tajo. Zwischen hohen Bergen fliesst er ostwärts bis zur Hauptstadt der Provinz Teruel, wo er in 895 m Höhe zur Linken den Rio Alfambra auf- und nun dessen Richtung nach SW annimmt, später gen SO fliesst, das Kalkplateau des nördlichen Valencia durchschneidet und endlich durch die Alluvialebene im Norden der Stadt Valencia zum Mittelmeer fliesst, das er beim Hafen Grao nach einem 240 km langen Lauf erreicht. Von Villamarchante an, 22 km oberhalb der Stadt Valencia, beginnt die Verteilung des Wassers. Acht Hauptkanäle (Acequias 14* 212 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. principales), vier auf der Linken, nämlich diejenigen von Moncado, Torinos, Mestalla und Rascaria, und vier zur Rechten des Turia, nämlich von Cuarte, Mislata, Fabara und Rovella leiten dasselbe weg" und übertragen es auf 148 kleinere Arme (Filas). Die oberste, links- seitige Leitung , die von Moncada . ist die wasserreichste , verzweigt sich in 48 Filas und bewässert 3190 ha Land. Die unterste, rechts- seitige Acequia, diejenige von Rovella, versieht mit sechs Armen die Stadt Valencia und ihre Nachbarschaft. An manchen Stellen, wie z. B. unweit der am rechten Ufer des Turia gelegenen und durch ihre Töpfereien ausgezeichneten Stadt Manises, kann man drei, ja vier grössere oder kleinere Wasserleitungen in verschiedener Höhe sehen, und oft führt eine über die andere weg, wie eine Strasse über einen überbrückten Fluss. Vielfach sind die Kanäle mit Arundo Donax L. eingefasst, dem Pfahlrohr, dessen starke, holzige Halme zum Stützen der Tomatos und zu andern Zwecken dienen. Die Fülle der Produkte, welche in der Huerta de Valencia und weiter südlichen erzielt werden, alle aufzuzählen, würde uns zu weit führen. Erwähnt seien weisse Maulbeerbäume für die Seidenzucht. Orangen, Granatäpfel, Weizen, Mais und Reis, Bohnen und Erd- nüsse, Futterkräuter, zumal Luzernenklee, Hanf und Flachs, Zwiebeln und eine Menge Gemüse, worunter namentlich der schöne süsse spanische Pfeffer (Pimiento dulce) mit seinen prachtvollen gelbroten Früchten auffällt. Diese und andere in bunter Abwechselung ge- deihen alle gleich gut und liefern reiche Ernten. Nicht umsonst nennt man das vom Turia bewässerte Land „den Garten Spaniens" (el Jardin de Espaha) und preist es auch in dem wohlbekannten Vers: Pues ayer trigo, hoy arroz" d. h. „Valencia ist Gottes Land; Denn heute wächst da Reis, wo gestern Weizen stand." Kein anderes Gebiet Europas , ja der Welt , kann mit diesen Huertas sich messen. Aber nur durch die gewissenhafteste Verteilung und Benutzung ist es möglich , jedem Grundstück und jeder Art Kultur das zum Gedeihen nötige Mass an Wasser zuzuführen. Das Tribunal de Acequieros, der Regadios des Turia, hat in der Stadt Valencia seinen Sitz , und so ist auch jede andere grössere Huerta als ein in sich geschlossenes Ganze einem Wassergericht unterstellt, an welchem die Interessenten oder deren Abgeordnete teilnehmen und über die gewissenhafteste Ordnung und Durchführung der Campos secanos und Campos regadios. 213 Gesetze wachen, durch welche das Wohl der ganzen Genossenschaft erhalten und gefördert wird. Die Aufeinanderfolge (Rotaciön) der Kulturen richtet sich nach den Feldfrüchten, deren Bau besonders in Betracht kommt, und ist in der Huerta de Valencia nicht überall dieselbe, noch viel weniger sonst. Folgende zweijährige Reihe hat sich jedoch seit lange ein- gebürgert und erprobt : Hanf (Canamo) wird im März gesät und Mitte Juli ausgerupft. Darauf bepflanzt man das neu zurechtgemachte Feld sofort mit Buschbohnen (Indias), welche man Ende Oktober erntet. Schon im November folgt die Aussaat von Weizen, dessen Erntezeit in die Mitte Juni des nächsten Jahres fällt. Ihm folgt Mais, der Ende Oktober reif ist. Den darauf folgenden Winter bearbeitet man das Feld für dieselbe darauf folgende zweijährige Fruchtfolge, bei der also auf jedes Jahr zwei Ernten kommen. Dabei düngt man für Hanf und Mais. Wo es sich dagegen um die Kultur von Gemüsen und andern Gewächsen mit kurzer Entwickelungszeit handelt, werden auch drei Ernten auf dem nämlichen Lande und in demselben Jahr erzielt. — Der Boden der Huerta hat somit gleich dem Bauer, der ihn pflegt, nie lange Ruhe. Wenn er nun trotz dieser beständigen Inanspruchnahme reiche Ernten liefert, so ist dies selbstverständlich nur möglich durch häufige Kräftigung mit zweckmässigem Dünger. Nun liefert schon das im Kalkgebirge emporquellende und über Kalk- felsen dahinfliessende Wasser durch seinen reichen Kalkgehalt ein wichtiges Nahrungsmittel für manche Pflanzen der Huerta; doch reicht dies natürlich bei weitem nicht aus. Bei der sehr beschränkten Viehzucht und in dem warmen Klima fällt mit der Stallfütterung auch der Stalldünger grösstenteils weg. Um so mehr sammelt man aufs sorgfältigste die tierischen Abfälle auf den Strassen und Weide- plätzen , den Kehricht der Häuser, den Schlamm der Kanäle und was sonst zur Verbesserung der Huerta dienen kann. Hierzu ist ein auch auf den Secanos allgemein verbreitetes Verfahren zu rechnen, nämlich das Verbrennen des Unkrautes und der Stoppeln. Das Ge- treide wird, mit Ausnahme des Reis, meist in ein drittel oder halber Höhe abgeschnitten. Das Unkraut, Stroh und die Stoppeln bringt man reihenweise in kleine Haufen, bedeckt sie mit Erde und zündet sie an. Solche Erdhaufen (Hormigueros, d. h. Ameisenhaufen) liefern nach dem Brennen die Asche der Pflanzenreste und eine gebrannte verbesserte Erde. Doch auch dieses Mittel reicht nicht aus, und so muss denn vor allem der Guano helfen, der in Menge zur Verwen- dung kommt. Valencia, die drittgrösste Stadt Spaniens, war bis zum Jahre 1862 214 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. ungepflastert. Man begnügte sich damit, die ausgefahrenen Wege und Strassen von Zeit zu Zeit mit dem Kalksande, welchen der Turia absetzt, zu überschütten, wohl auch die zu tiefen Löcher mit Kalksteinen auszufüllen. Das kam daher, weil die Bauern der Huerta auf den Strassenschmutz ein Gewohnheitsrecht von der maurischen Zeit her hatten und man lange fürchtete, durch Pflasterung der Strassen einen Aufstand derselben hervorzurufen. Doch wurde dieses Recht, den Staub und Schmutz der Strassen als Dünger auf die Felder zu fahren, für jedes Fuhrwerk (Pferd mit Karren) der Stadt jährlich mit 18 Pesetas bezahlt. Wer unter den Bewohnern Valencias oft auf dem Lande zu thun und die Mittel hatte, sich Pferd und Tartana1 zu halten, that dies, um zur Regenzeit durch den unsäglichen Schmutz, im Sommer aber durch den nicht minder lästigen Staub der mit Kalksteinschotter bedeckten Strassen zu kommen. Für die Abfuhr und Benutzung des Mistes zahlte der Bauer monatlich 3 Pesetas oder lieferte ihm Grünfutter (vornehmlich Luzernenklee) aus der Huerta für das Pferd. Die Stadt aber nimmt noch immer für die Abfuhr ihrer Fäkalstoffe eine ansehnliche Summe ein. Von Alters her führen die Senken diesen Dünger in ein grosses Sammelbecken, das jährlich zweimal gereinigt wird. Endlich sei noch in Bezug auf die Düngerfrage er- wähnt, dass in Valencia und andern Städten in der Nähe grosser Huertas von den Dienstboten der Kehricht verkauft wird, wie bei uns Knochen und Lumpen. Der Huerta de Valencia schliessen sich südlich diejenigen Re- gadios an, welche ihr Wasser vom Jucar und einigen seiner Neben- flüsse erhalten. Die teilweise sehr grossartigen Anlagen stammen meist aus sehr alter Zeit, mit Ausnahme der Acequia del Rey (Wasserleitung des Königs), oder Real Acequia, welche bei An- tella, westlich von Alberique beginnt und allein 13 844 ha bewässert, davon 6765 ha Reisfelder (Arrozales) und 7079 ha gewöhnliche Hu- ertas. Im ganzen aber betragen die durch Wasser des Jucar be- wässerten Felder 33 155 ha. Die königliche Wasserleitung stammt nicht, wie Willkomm angiebt, aus der Zeit der Mauren, sondern von Jaime I (Jakob I) von Aragonien (12 13 — 1276). Ein Denkstein bezeugt dies2. 1 Die Tartana ersetzt in Valencia die Droschke. Es ist ein Karren, meist ohne Federn, mit Seitenbänken und überdeckt durch in der Regel dunkelfarbige Leinwand. 2 „Debo mi principio al Rey D. Jaime ; al justo D. Martin mi privilegio, y la gloria de verme concluida al monarca mayor Carlos tercero." (Ich verdanke meinen Campos secanos und Campos regadios. 215 Der wasserreiche Jucar entspringt in der Sierra de Albarracin auf der andern Seite der Tajoqu eilen, fliesst durch die Provinzen Cuenca, Albacete und Valencia und erreicht nach einem 370 km langen Lauf das Mittelmeer unweit Cullera. Seine bemerkenswertesten Nebenflüsse sind: rechts: der Cabriel, welcher bei Cofrontes mündet, und der Rio de Requena oder Magro, der als Rambla bei Algemesi endet; links: der Rio Escalona, mündet unterhalb Tous, und der Rio Albaida mit dem Caholas, an welchem Jativa liegt. Die überaus fruchtbare, reichbewässerte Ebene des unteren Jucar, die Riberas (Ufer) del Jucar, gewöhnlich aber La Ribera genannt, erstrecken sich von Carcer bis zur Mündung 45 km weit und von Catarroja im Nordwesten der Albufera bis nach Jativa im Süden in einer Ausdehnung von 50 km. Das ist in erster Linie das Reisland, dann aber auch das Gebiet des umfangreichsten Orangenbaus der Iberischen Halbinsel. Die Abzweigungen des Was- sers vom Bett des Jucar beginnen da, wo er den tiefen Barranco, welchen er zwischen Cofrontes und Tous durchfliesst, verlassen hat und von flacheren Ufern begleitet wird. Der nächste beständige Küstenfluss, welcher südlich des Jucar mündet, ist der Serpis. Seine wasserreichen Quellen liegen 5 km entfernt von der Stadt Alcoy in der Provinz Alicante, weshalb er auch häufig der Rio Alcoy genannt wird. Von der linken Seite wird er verstärkt durch den Rio Bernisa aus den Bergen, welche den Albaida gen Osten begrenzen. 3 km von der Mündung des Flusses von Alcoy entfernt, liegt an seinem linken Ufer Gandia, die Hauptstadt des südöstlichsten Gerichtsbezirkes der Provinz Va- lencia. Ihre Umgebung ist die Huerta de Gandia, eine kleine Ebene von 4300 ha Landes, an denen 24 Ortschaften teilhaben, welche meist am Innenrande jenes hufeisenförmigen Kranzes nackter Kalkberge liegen, die die Ebene begrenzen. Hinsichtlich ihrer Frucht- barkeit und sorgfältigen Bebauung steht diese Huerta von Gandia keinem Campo regadio der Halbinsel nach. Der Besucher, welcher sie durchschreitet, bewundert die Fülle und Verschiedenartigkeit ihrer Erzeugnisse und glaubt sich in einem Lustgarten (vergel) zu befinden. Unter den nun noch weiter südlich folgenden Flüssen der spa- nischen Ostküste führt nur einer beständig Wasser. Es ist der Segura, dessen Quellen in der Sierra Segura an der Grenze von Jaen unter Anfang dem König Don Jahne, dem gerechten Don Martin [Martin I, 1395 — 1414] mein Privileg, imd die Ehre, mich beendet zu haben, dem grossen Monarchen Karl III [1759— 1788].) 2i6 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. 3 8° 5' N liegen. In einem gen N gerichteten Bogen durchfliesst er das südliche Albacete und empfängt hier, bevor er in die Provinz Murcia übertritt, von der linken Seite den Rio Mundo aus der Sierra de Alcaräz, beschreibt einen kleineren Bogen gen S, nimmt dabei von der rechten Seite den Caravaca oder Argos und den Quipar auf und wendet sich dann nordwärts bis zur Stadt Cieza. Hier schlägt er südöstliche Richtung ein, bis er den 38. Parallel erreicht hat, durchmesst nun die Huerta de Murcia nach Osten, fliesst dann nordostwärts bis Orihuela und nun wieder östlich bis kurz vor seiner Mündung, wo er gen Nordosten abbiegt. Der letzte Teil seines 225 km langen Laufes gehört dem Süden der Provinz Alicante an. Von Nebenflüssen innerhalb der Provinz Murcia sind noch der von rechts her kommende Rio Mula und der unterhalb der Huerta de Murcia mündende Sangonera, Guadalantin oder Rio de Lorca erwähnenswert. Mit dem Wasser des Segura und seiner Nebenflüsse wird ein Areal von 44284 ha künstlich bewässert, vor allem die drei grossen und berühmten Huertas von Murcia (10769 ha), Orihuela (19082 ha)T und Lorca (11 000 ha). Die Huerta de Murcia ist von W nach O 25 km lang und 7 km breit, blumen- und früchtereich. Von Obstsorten liefert sie besonders viel Orangen, Citronen, Granatäpfel und Datteln, von Ge- treide Weizen und Mais, ferner Hanf und Flachs, sodann die verschie- denartigsten Gemüse, ausserdem noch viel Seide, wiewohl nicht mehr die Menge, wie vor 50 Jahren, wo die Jahresernte durchschnittlich 80 — 100 000 kg betrug. Die Huerta de Orihuela, gen Nordosten erweitert durch die „Pias fundaciones" (frommen Stiftungen), umfasst mit diesen ein Areal von 19082 ha, wovon 15939 ha auf der linken und 3152 ha auf der rechten Seite des Segura liegen. Sie beginnt bald nach dem Eintritt des Flusses in die Provinz Alicante und verteilt sich auf die alte Stadt Orihuela (24500 Ew.) und 23 weitere Ortschaften mit einer Gesamtbevölkerung (Ende 1887) von 56625 Seelen. Die Huerta bringt ausser vielerlei Gemüsen immer noch beträchtliche Mengen Seide, sodann viel Weizen, Mais, Hanf, Flachs, Datteln, Orangen und Bataten hervor. Mit herrlichem subtropischem Klima vereinigt sie grosse Fruchtbarkeit. Die künstliche Bewässerung ersetzt häufig den fehlenden Regen. Darauf bezieht sich auch die bekannte Redensart „Llueva ö no llueva, Trigo en Orihuela" Campos secanos und Campos regadios. 217 d. h. dem Sinne nach in freier Uebersetzunsr : „Ob's regnet, oder an Regen gebricht, In Orihuela versagt die Ernte nicht." Pias fundaciones (fromme Stiftungen) hat man jene. Erweite- rung der Huerta genannt, welche sich nordöstlich an dieselbe an- schliesst und bis zur Grenze der Stadtgemeinde Elche hinzieht. Es war früher ein Sumpf und eine Salzsteppe, in welcher Salicornia, Salsola und andere salzliebende Pflanzen (Halophyten) wuchsen. Car- dinal de Belluga fasste den Plan, das Gebiet zu entwässern, das salzige Wasser der Albufera de Elche zuzuführen und süsses Wasser herbeizuleiten. In wenigen Jahren war die Arbeit vollbracht und die einförmige Steppe in einen blühenden Garten verwandelt, in welchem drei Ortschaften entstanden, nämlich Dolores (Nuestra Sefiora de los Dolores) in der Mitte, San Fulgencio gen Osten davon und San Felipe Neri im Norden. Die Wasserversorgung für die dritte grosse Huerta im Gebiete des Rio Segura, diejenige von Lorca, weicht von den bislang be- trachteten Fällen wesentlich ab. Der Guadalantin, welcher an Lorca vorbeifiiesst, versiegt im trocknen Sommer. Es muss deshalb wäh- rend des WTinters das Wasser desselben, wie anderwärts in regen- armen Gebieten aufgespeichert werden. Dies geschieht in soge- nannten Pantanos oder Sammelteichen. Zwei solcher Anlagen kommen hier in Betracht, nämlich der Pantano de Va ldein fierno, welchen 20 km oberhalb Lorca der Lucena, ein Quellfluss des Gua- lantin , speist, und der Pantano de Puentes oder von Lorca, weiter thalabwärts, doch ebenfalls oberhalb Lorca. Dieser Sammelteich von Puentes ist wahrscheinlich immer noch die grossartigste derartiger Anlagen in Europa. Er wurde gleich dem vorigen im Jahre 1785 unter der Regierung Karls III begonnen und 1791 beendet. Die Kosten beider beliefen sich auf 2 Millionen Pesetas. Sie konnten zusammen 54 Millionen Raummeter Wasser aufnehmen. Dasjenige im Pantano de Lorca wurde durch einen Mauerdamm von 282 m Länge und 50 m Höhe gestaut, der an seiner Basis 46 m und an seinem oberen Ende 10,89 m dick war- Nach- dem er elf Jahre lang sich bewährt hatte, durchbrach ihn am 30. April 1802 die gewaltige Wassermasse und brachte der Stadt Lorca und ihren Feldern unsägliches Verderben. 608 Personen verloren dabei ihr Leben, während man den Verlust an Eigentum auf 5,25 Millionen Pesetas berechnete. In der warmen, regenarmen Provinz Alicante sind zwischen dem Segura und dem Serpis noch zwei Küstenflüsse erwähnenswert, die 218 Grundlagen u. Eigenart d. spanischen Landwirtschaft. im Sommer zuweilen versiegen, während der Regenzeit aber ansehn- liche Wassermassen seewärts führen, von denen ein Teil in Sammel- teichen aufgefangen wird. Diese Flüsse sind der Rio Vinalopö und der Rio Monegre. Die von dem Wasser des ersteren be- fruchteten Felder umfassen 9013 ha, die Regadios des letzteren 3628 ha. Der Rio Vinalopö entspringt an der Grenze von Valencia und Albacete unter dem 39. Parallel, durchfliesst den südöstlichen Teil von Albacete und dann an Villena und Elche vorbei die Provinz Alicante. In seinem oberen Laufe wird der Pantano de Almansa von fünf permanenten Quellen gespeist und zur Bewässerung von 1400 ha Getreidefeldern benutzt. Der Pantano de Elche liegt 5 km von der Palmenstadt und bewässert ein annähernd gleiches Areal, darunter den Palmenwald, der kreisförmig die Stadt umgiebt und auch ihren Bahnhof einschliesst. Bewässerungsgräben umgeben auf allen vier Seiten die einzelnen Grundstücke, welche hier ringsum eine oder zwei Reihen 12 — 18 m hohe Dattelpalmen tragen, die ihrerseits andere Kulturen einschliessen, insbesondere die des Luzer- nenklees, wohl auch von Gemüsen und Sonnenblumen, sowie ziem- lich häufig schöne Pflanzungen von Granaten, die buschförmig ge- zogen werden. Das zur Bewässerung dienende Wasser ist brackisch. Es sammelt sich in der Albufera de Elche wieder, welche ihren Abfluss zum Meer hat. Der kleine Castalla oder Monegre sammelt die Abflüsse von dem Kranze von Bergen , welche den Gebirgskessel von Castalla südwestlich von Alcoy umgeben, und führt sie an Tibi vorbei nach Südost dem Meere zu , das er nach 70 km langem Lauf, wovon 20 km der Küstenebene von Alicante angehören, erreicht. Wo er den Gebirgskessel verlässt, ist der berühmte Pantano de Tibi. Nackte Kalkberge engen den Fluss hier mehr und mehr ein, bis sie schliesslich eine Schlucht bilden von nur 9 m Weite. Hier hat man durch eine Mauer von 42 m Höhe, 18 m Dicke und 71 m Länge an ihrem oberen Ende eine Thalsperre errichtet, wodurch eine Wassermenge von 3,7 Millionen Raummeter aufgefangen und für die Huerta de Alicante verwendet werden kann. Die Mauer weist zwei Schleussen auf, deren eine dazu bestimmt ist, den Ueber- fluss an Wasser abzulassen, während die andere die Uebergabe an die Kanäle zur Bewässerung der Huerta reguliert. Der Sammelteich hat eine Länge von 3 km. Die vortreffliche Anlage wurde in den Jahren 1579 — *594 von Juan de Herrera, dem Erbauer des Escorial, ausgeführt und gilt für eine der grössten Sehenswürdigkeiten unter Campos secanos und Campos regadios. 219 derartigen Unternehmungen. Die 3700 ha umfassende Huerta de Alicante, zu deren Bewässerung dieselbe gemacht wurde, beginnt 12 km unterhalb Tibi bei Muchamiel und erstreckt sich südostwärts bis zum Meer. Man erreicht sie von Alicante aus in nordöstlicher Richtung in einer halben Stunde. Der fruchtbare Boden derselben bringt eine Fülle der verschiedensten Früchte, Gemüse und anderer Erzeugnisse hervor, zu denen auch vortrefflicher Wein zu rechnen ist. UEBER DEN REISBAU UND EINIGE ANDERE BEMERKENSWERTE KULTUREN DER PROVINZ VALENCIA. Der Reisbau gehört zu den ältesten und umfangreichsten Kul- turen auf den bewässerten Feldern von Valencia. Die Art seines Betriebes, verglichen mit derjenigen in andern Reisländern , die un- gleiche Beurteilung, welche derselbe in gesundheitlicher Beziehung zu verschiedenen Zeiten erfahren hat, und manche andere Erschei- nungen in seiner langen Entwickelungsgeschichte bieten ausserdem so viel Interessantes, dass wir ihn mit gutem Grunde in den Vorder- grund dieser Betrachtungen stellen. Dabei folgen wir auch hier in erster Linie eigenen Beobachtungen, ausserdem aber, was die Ge- schichte und Statistik anlangt, vornehmlich den beiden wichtigsten spanischen Schriften über den Gegenstand, nämlich: Cava nillas: „Observaciones sobre la historia natural &c. de Valencia." Madrid 1797. 2 Vols, und dem offiziellen Werk „La Crisis arrozera, Madrid 1887." 1 Vol. Der Reis (Oryza sativa L.) stammt aus dem Monsungebiet Südostasiens. Araber verbreiteten seine Kultur, wie in Ostafrika, so auch über verschiedene Mittelmeerländer. Durch die Omajaden kam dieselbe nach Spanien. Dabei wurde das Verfahren ebenfalls der Monsunregion entlehnt. Noch heute heisst der Reis in Spanien, wie bei den Mauren, Arroz und das Reisfeld Arrozal (pl. Arrozales). Die älteste und, wie man annehmen darf, nicht sehr ausgedehnte Kulturstätte war Niederandalusien, wo noch im 12. Jahrhundert, z. B. bei Sevilla, Reis gebaut wurde. Nachdem aber im 11. Jahrhundert das spätere Königreich Valencia in maurische Hände gefallen war, Ueber den Reisbau und einige andere Kulturen etc. 221 fand man in den sumpfigen Niederungen um die Albufera einen viel geeigneteren Boden für den Reisbau, der sich bald hier ein- bürgerte und allmählich, ähnlich wie der Oeltropfen auf Papier, mehr und mehr ausbreitete, so lange man demselben keine Hindernisse in den Weg stellte. Offenbar hat aber die Kultur dieser wichtigen Wasserpflanze in Spanien wohl nie ein ebenso grosses Areal einge- nommen, als heutzutage. Die spanischen Reisfelder (Arrozales) umfassten im Sommer 1886 nur 28432,43 ha, oder etwas über 0,5^ der Landesoberfläche1. Davon kamen 23237,66 ha auf die Provinz Valencia, 3309,64 ha aul Tarragona, 470,73 ha auf Murcia und Albacete, 285,86 ha auf Ali- cante und 128,54 ha auf Castellon de la Plana. Der tarragonesische Reisbau beschränkt sich auf das Delta des Ebro und hat die Stadt Amposta zu seinem Mittelpunkte. Er begann erst im Jahre 1860. Wo sonst in früherer Zeit nördlich des Ebro derselbe betrieben wurde, ist er längst verschwunden, z. B. im Ampurdan, dem Ge- biete von Figueras in der Provinz Gerona, zu San Mateo an den Ufern des Gällego in der Provinz Zaragoza und an einigen andern Orten. Die früher erwähnten grossen Huertas von Orihuela, Murcia und Lorca haben keinen Anteil am Reisbau. In der Provinz Murcia be- schränkt sich derselbe auf die kleineren Regadios im Gerichtsbezirk Caravaca, nämlich auf die Gebiete der Städtchen Calasparra und Moratalla. Der noch kleinere Reisdistrikt der Provinz Albacete liegt nördlich davon bei Hell in am Mundo und nordwestlich in den Gemeinden Secobos und Ferez. Das Reisland in Alicante liegt in der nordöstlichen Ecke im Gebiete von Pego und Oliva südlich von Gandia, dasjenige der Provinz Castellon gehört der Huerta von Almazora, Burriana und Nules an. Der Reisbau der Provinz Valencia, mit dem wir uns weiter aus- schliesslich beschäftigen wollen, umfasst mit kurzen Unterbrechungen das Küstengebiet von Sagunto (Murviedo) im Norden bis nach Gandia im Süden, vor allem aber die Ribera des Jucar von seiner Mündung bis gegen Jätiva hin und insbesondere das untere linke Ufer bis zur Süd- und Westseite der Albufera. Diese Reisgegend beginnt mit 4 km Breite bei Sagunto und erweitert sich im Thale von Cärcer westlich von Alcira auf 39 km. 1 In Portugal diente nach dem englischen Konsulatbericht No. 700 für das Jahr 1889 ein Areal von 7000 ha dem Reisbau. Es sind die sumpfigen Niederungen in der Nähe von Aveiro, Coimbra, Lissabon, Faro und Portalegre. 222 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte An dieser Kultur nehmen 5 1 grössere Gemeinden (Ayuntamientos) teil. Die wichtigsten derselben sind fast alle auf unserem Kärtchen verzeichnet. Nach dem Areal ihres Reislandes folgen sie in nach- stehender Weise aufeinander: Sueca (5401,5 ha). Sollana (2627 ha), DieHuerta de Valencia 8- die Ribera. tiGrmederEmfyrmßdisCmposemoMfjelüiderBeismltin'ßl Fie. 8. Cullera (2109,4 ha), Algemesi (1016 ha), Tabernes (884,5 ha). Albalat (876,2 ha), Alberique (761,3 ha), Jätiva (640,9 ha), Al- cira (538,1 ha), Corbera (531 ha), Alfafar (482 ha), Silla (459,3 ha), Gandia (330 ha); sodann nördlich von Valencia: Puzol (192 ha), Puig (191ha) und Sagunto (124ha). Kulturen der Provinz Valencia. 223 Reis gedeiht selbst auf leichtem, sandigen Boden, wenn nur die Grundbedingungen seiner Kultur : Wasser und Wärme, in reichlichem Masse vorhanden sind. Während die meisten andern Gewächse der Huerta mit einer einmaligen Wasserzufuhr acht oder vierzehn Tage lang auskommen, muss die Reispflanze noch weit mehr als die Dattelpalme „ihren Fuss in's Wasser tauchen". Der Boden, auf dem sie gedeihen soll, muss beständig, von der Aussaat bis zur Erntezeit, mehrere Zoll hoch mit Wasser bedeckt und so geebnet sein, dass dasselbe sehr langsam über ihn hinwegfliesst. In der Provinz Valencia kultiviert man den Reis nicht bloss im Westen und Süden der Albufera, in Lagen, die von Natur sumpfig sind, sondern auch in der Ribera von der Mündung des Jucar bis gegen Jativa hin und im Gebiete des Albaida, auf Feldern, die durch künst- liche Bewässerung erst, und zwar alljährlich von neuem, in Reis- sümpfe umgewandelt werden. In der tiefliegenden Ribera baja (am Unterlauf des Jucar und an den Ufern der Albufera), wo das Land den ganzen Winter über bis zum April von Natur mit Wasser bedeckt ist, dient es nur dem Reisbau. Hier siedelt sich leicht der übelriechende Armleuchter oder die Asprella (Chara foetida L.) an, die im seichten See selbst so verbreitet ist (S. 171). Diese Pflanze vermehrt sich rasch und ist, wo sie sich in einem Reisfelde einmal eingenistet hat, ein viel lästigeres Unkraut, als die Binse oder der Junco (Juncus effusus L. und Juncus acutus Lamk.). Nur der grossen Sorgfalt, welche der spanische Reisbauer seinem Felde zuwendet, ist es zu danken, dass dasselbe in der Regel frei davon ist1. In der Ribera alta (den mehr landeinwärts gelegenen, höheren Ufern des Jucar) dient das Land, wie in guten Lagen Japans, den Winter hindurch dem Weizen- und im Sommer meist dem Reisbau. Eine andere Rotation, wie sie z. B. in Norditalien zwischen Reis, Weizen, Mais und Klee üblich ist, kommt beim Reislande Spaniens nicht vor. Auch wird hier der Reis nicht mehr durch Breitsaat sofort auf das Feld ausgestreut, sondern ebenso wie in Japan immer erst durch eine Vorpflanzung auf einem Saatbeete (span. plantel oder almaciga) herangezogen und dann nach etwa 30 Tagen, wenn die Pflänzchen ungefähr einen Fuss lang sind, versetzt, und zwar kommen je 3 — 5 derselben in mit der Hand gemachte Löcher, die in Abständen von 1 In der Ribera alta und bei Barcheta, sowie in der Nähe von Jativa habe ich keine Asprella gesehen. Auch fand ich in den Reisgräben wohl die Wasserlinse in Menge, nicht aber die Azolla. 224 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte ca. 20 cm reihenweise auf einander folgen. Die Zeit der Aussaat auf's Saatbeet beginnt mit San Jose (24. Februar) und dauert meist bis Mitte März; das Verpflanzen erfolgt gewöhnlich in der zweiten Hälfte des April1. In der Ribera alta kommt es nicht selten vor, dass, wenn Hände genug zur Hand sind, innerhalb 24 Stunden auf's reife Weizenfeld fusshoher Reis folgt. Ein Teil der Arbeiter erntet den Weizen, ein anderer besorgt das Dreschen, ein dritter die Umwandlung des Lan- des in einen Sumpf, ein vierter die Verpflanzung des Reis. Geht es auch nicht immer so schnell, so erfordert der Reisbau doch überall im Frühjahr und Vorsommer viel Arbeit und Sorgfalt. Viele Stun- den lang in gebückter Stellung bis an die Knie im schlammigen Wasser zu stehen und mit nackten Armen darin zu arbeiten, die Erdknollen zu zerdrücken, den Boden zu ebnen, die Pflanzen zu setzen, während eine heisse Sonne auf Kopf und Rücken brennt, bleibt auch dem spanischen Reisbauer nicht erspart. Das Resultat seines Fleisses hält jeden Vergleich aus. Nirgends habe ich herr- lichere Reisfelder gesehen, nie dem wunderbaren eigenartigen Rauschen ihrer schweren heranreifenden Rispen mit grösserem Wohlgefallen zugelauscht, als in Valencia, wo noch mehr als in Japan jede nickende Rispe „Zeugnis ablegt von des Sommers Schweiss und Mühe". Nach Cavanillas2 braucht der Reis in Europa durchschnittlich sechs Monate für seine Entwickelung. Die Ernte fällt in Spanien in den September. Während der ersten Tage dieses Monats fand ich dieselbe bei vielen Orten der Ribera alta in vollem Gang, ebenso im Gebiet des Rio Albaida. Die Pflanzen hatten von der Wurzel bis zu der Spitze der körnerreichen Rispe 1,15 — 1,20 m Höhe er- reicht. Man schnitt sie nahe dem Boden ab und legte sie in kleine Haufen. Ein Mann folgte dem Schnitter, band die Halme mit Seil- chen aus Reisstroh so zusammen, dass sie am Bunde im Verhältnis von 2 : 1 geteilt wurden und schnitt dann die Päckchen wenig unter- halb des Bundes durch, so dass letzterer den kürzeren Spitzen ver- blieb, welche er nun auf den längeren Strohteil zum Trocknen legte. Letzteres erforderte nur wenige Stunden. Dann brachte man die 1 Wie die Aussaat, so fällt auch die Ernte des Reis in Spanien früher, als in Oberitalien, weil hier zur Bewässerung Alpenflüsse mit Gletscherwasser dienen, das im März noch nicht warm genug ist. Aus analogen Gründen, nämlich wegen der langen Dauer des Winters, beginnt der Reisbau in Japan erst im April und fällt die Haupternte in den Oktober. 2 „Observaciones sobre la historia natural &c. ... de Valencia." Madrid 1797. Kulturen der Provinz Valencia. 225 Rispen auf die Tenne, wo der sehr leicht abfallende Reis durch zwei Pferde oder Maultiere, die man an einer Leitstange im Kreise herum trieb, ausgetreten wurde. Das Resultat der Tagesarbeit ist in der Regel ein stattlicher Haufen Reis in der Schale (Arroz en cäscara), oder Paddy, wie die Engländer sagen. In der Umgebung von Jätiva begegnete ich abends ganzen Reihen von Eseln und Mauleseln, welche die vielleicht schon längst verkaufte oder verpfändete Reis- ernte, die ich morgens noch am Halme gesehen hatte, zur Stadt trugen. Nachdem die Araber die tiefliegenden Sümpfe in der Umgebung der Albufera mit ihrem thonigen, kalkhaltigen Sediment in Reisfelder umgewandelt und diese mehr als 150 Jahre hindurch mit bestem Erfolg bebaut hatten, wurde Valencia im Jahre 1238 durch Jakob I von Aragonien (Jaime I, el Conquistador) den Mauren wieder ent- rissen. Dieser politische Wechsel hatte auf den Betrieb des Feldbaues zunächst wenig Einnuss. Erst hundert Jahre später verbreitete sich in der Stadt Valencia die Ansicht, dass die Reissümpfe in der Nähe gesundheitsschädlich seien und die Malaria oder das Sumpffieber (el paludismo) hervorriefen. Demgemäss verbot der Magistrat die Reis- kultur und König D. Pedro IV bestätigte das Verbot durch die Cortes im Jahre 1342. Nachdem dasselbe zeitweise wieder aufgehoben worden oder doch unbeachtet geblieben war, erneuerte es König D. Martin I im Jahre 1403 und dehnte es auf sein ganzes Land aus. Endlich setzte König Alfons V auf die Uebertretung desselben die Todesstrafe. Die Folge war, dass diese früher so fruchtbaren und sorgfältig bebauten Reisfelder, da sie sich zu andern Zwecken nicht verwerten Hessen, verlassen wurden und sich wieder in stagnierende Sümpfe umwandelten. Jetzt erst lernte man die Wechselneber mit all ihren schrecklichen Folgen recht kennen. Im weiten Umkreise der Albufera wanderten die Bewohner aus, um ihnen zu entgehen. König Fernando VI (1746 — 1788) gab den Reisbau wieder frei und bewirkte damit, dass derselbe unter seiner Regierung eine grössere Ausdehnung erhielt, als in früheren Jahrhunderten. Auch der Bischof und das Domkapitel von Valencia nahmen sich der Sache mit regem Interesse an und trugen dazu bei, dass das verlassene Gebiet der ehemaligen Reisfelder sich wieder bevölkerte. Verschiedene Nach- folger Ferdinands VI munterten zur Umwandlung wertloser Ländereien in Reisfelder durch Steuerfreiheit und andere Privilegien an. Auf diese Weise entstanden die oben erwähnten Reiskulturen in Catalonien und Aragonien, die in diesem Jahrhundert teils freiwillig, teils infolge einer feindlichen Strömung wieder aufgegeben wurden. Rein, Gesammelte Abhandlungen. I e 226 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte Seit jenem Beschluss der Stadt Valencia und des Königs Pedro IV haben, wie Cavanillas bemerkt, Verbot und Erlaubnis, den Reis zu bauen, mit einander abgewechselt, entsprechend dem Wechsel der öffentlichen Meinung und ihrer Führer über die Zweckmässigkeit oder Gefährlichkeit desselben. Cavanillas selbst gehörte zu den entschie- denen Gegnern des Reisbaues. Er hebt hervor, dass während der 57 Jahre von 1730 — 87 im Reisgebiete Valencias auf 36248 Geburten 39 595 Sterbefälle gekommen seien, während ein an Bevölkerung gleich grosser Distrikt ohne Reisbau auf 42022 Geburten nur 29630 Todesfälle aufgewiesen habe. Er giebt dann eine Bevölkerungs- statistik von 40 Orten mit Reisbau und schliesst seine Betrachtungen mit der Bemerkung, dass der Ausfall in der Bevölkerung nur durch Zuzug fremder Familien gedeckt würde, welche der höheren Arbeits- löhne wegen kämen. Wir werden weiter sehen, dass das neueste Werk über die Reiskrisis in Spanien auch die hier erwähnte Frage behandelt und ganz andere Resultate ergiebt. Wie in Spanien die öffentliche Meinung, je nachdem man sie leitete, vielfach über den Einfluss des Reisbaues auf den Gesund- heitszustand der Bevölkerung Jahrhunderte hindurch hin und her schwankte, so auch in Italien, wo dieser Kultur 187g — 83 im ganzen 202355 ha gewidmet waren, also siebenmal so viel Areal als in Spanien. Während die Herzöge von Piemont den Reisbau verboten, wurde derselbe im Mailändischen und Venetianischen ermuntert. Den Schriften italienischer Gelehrten, welche dem Wasser des Reislandes einen schädlichen Einfluss auf die menschliche Gesundheit zuschreiben, stehen andere gegenüber, welche einen solchen leugnen. Seit Anfang dieses Jahrhunderts bis zum Jahre 1846 hat sich der Reisbau in der Provinz Valencia bedeutend ausgedehnt und zu- gleich vervollkommnet. Man führte eine bessere Verteilung des Wassers ein , eine sorgfältigere Ebnung des Bodens , engte die Al- bufera ein und erhöhte ihre Ufer und die der Kanäle, wo es nötig schien. Da der verfügbare Dünger (Estiercol) in keiner Weise aus- reichte, führt man seit 1846 Guano aus Peru ein und hat damit die besten Erfolge erzielt. Die Einfuhr dieses Dungmittels vermehrte sich von Jahr zu Jahr und betrug 1860 sogar 18000 Tonnen. Künst- licher Dünger kam hinzu, die Ernten verdoppelten sich und erreichten eine früher ungeahnte Höhe. Die Brachfelder (los Barbechos) ver- schwanden, wo es nur immer möglich war, das Regenwasser während des Winters abzuleiten. Es folgten sich Saat und Ernte ohne Unter- brechung. Selbst solche Ländereien, welche man bis dahin für ganz Kulturen der Provinz Valencia. 227 nutzlos gehalten hatte , erlangten Wert, und das gute Reisland stieg hoch im Preise und in der Pacht. Diese günstige Periode endete im Jahre 1884 durch ein Ereignis, dem bald andere, den Reisbau schädigende Einflüsse folgten. Es war der Eintritt heftiger Regen zur Zeit der Ernte. Wer nie eine Reisernte mit erlebt hat, vermag solche Verluste kaum zu schätzen. Keine unserer Getreidearten fällt bei Regenwetter so leicht aus oder quillt so rasch auf, als der Reis. So kam zum grossen Verlust an der Menge des Ertrags noch der weitere in der Qualität. Der Handel wurde in hohem Grade dadurch beeinträchtigt; die Nachfrage nach der verdorbenen Waare war sehr gering, und es trat die Einfuhr billigen asiatischen Reises an die Stelle. Die Septemberregen hatten das Getreide am Halm und auf der Tenne durchnässt und die Ernte überhaupt äusserst schwierig gemacht. Dann folgten im Oktober enorme Regengüsse, überschwemmten das ganze Tiefland und hin- derten wochenlang den Verkehr. Die fremde Einfuhr aber drückte von da ab dauernd die Preise des einheimischen Produkts. Von Bremen allein kamen folgende Mengen an geschältem Reis: a) nach Spanien: b) nach den span. Antillen: 1881 — 2 226 092 kg 1882 30705 kg 1 828395 „ 1883 i59052 „ 3 311 260 „ 1884 5 843 721 „ 4451 689 „ 1885 10648676 „ 4529449 „ Die gesamte Reiseinfuhr nach Spanien allein be- trug (1885) I7 45500°kg' Dagegen konnte Spanien 1883 noch 12452000 „ ausführen. Infolge dieser Reiskrisis (Crisis arrozera) wurde von der spanischen Regierung am 20. Juli 1886 eine Kommission ernannt, welche unter dem Vorsitz des Gouverneurs von Valencia die Lage des spanischen Reisbaues und alle damit zusammenhängenden Fragen prüfen und darüber ihr Gutachten abgeben sollte. Ihre Studien und Berichte sollten vornehmlich folgende Gegenstände umfassen: 1. Die Ursachen, welche die Entwickelung und das Gedeihen des Reisbaues verändert haben. 2. Die Ursachen der gegenwärtigen Krisis. 3. Die Abhülfe, welche man nach Ansicht der Kommission schaffen kann. Das Ergebnis dieser Untersuchungen erschien im Jahre 1887 als offizielle Publikation in einem Oktavbande von 334 Seiten unter dem 15* 228 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte Titel: „La Crisis arrozera". Da dieses Buch wenig bekannt ist, sein Inhalt aber nicht bloss für den Reisbau überhaupt, sondern auch für verschiedene damit eng zusammenhängende Fragen von allgemeinem Interesse ist, so mögen hier einige der wichtigsten Resultate jener Untersuchung folgen: i. Sind die Reisfelder gesundheitsschädlich? Die Kommission verneint diese Frage. Das Sumpffieber zeigt sich in den sehr trocknen Gebieten ohne Reiskultur, wie bei Madrid, Ali- cante, Badajoz, Caceres und in dem regenreicheren Oviedo (835 mm) und andern Orten viel häufiger, als in Valencia. Hier hatte die Stadt Alcira mitten in einer Reisgegend von 1880 — 84 nur drei Todesfälle am Sumpffieber (Paludismo). — In Sueca, das ganz im Tief- und Reislande gelegen, sind die Gesundheitsverhältnisse infolge der Cirkulation des Wassers durch die Reiskultur viel günstiger, als zur Zeit, wo die Stadt vom stagnierenden Wasser der Sümpfe um- geben war. Dort ist das dem Reisbau gewidmete Land von 1800 — 1880 anfangs langsam, seit 1840 aber rasch gestiegen, von ca. 3000 ha auf 5400 ha, die Bevölkerung von 4271 auf 14050 Seelen. Im Jahre 1800 starben 222 oder 5,2 %, davon 78 oder 35,13 % am Wechsel- fieber; dagegen kamen im Jahre 1880 auf 14050 Personen nur 438 Todesfälle oder 3,12 %, davon 13 oder 2,96 % am Wechselfieber. In vielen andern Orten ist die Bevölkerung mit vermehrtem Reisbau ansehnlich gewachsen. So hatte Alcira, das vor hundert Jahren (1797) 9450 Bewohner aufwies, (1887) 18448 Ew., ferner ist Silla, damals mit 4057 Ew., jetzt auf 13557 Ew. gestiegen. Die Kommission kam zu dem Schlüsse, dass im Reisgebiete der Provinz Valencia die Bevölkerung während der letzten Jahrzehnte sich bedeutend vermehrt hat. Hand in Hand damit und mit der Zunahme des Reisbaues ging eine grosse Abnahme der Sterblichkeit im allgemeinen und an Sumpffieber insbesondere. In Norditalien sind nach Professor Bordiza, der über die Um- gegend von Novarra berichtet, die Resultate, was Gesundheitsver- hältnisse und Vermehrung der Bevölkerung im Reislande anlangt, ebenfalls günstig. 2. Förderung des spanischen Reisbaues durch Verän- derungen in der Betriebsweise. Hierher gehören vor allem die Einführung des Guano und künst- lichen Düngers, wovon schon S. 226 die Rede war, sowie das Ver- pflanzen des jungen Reis. Noch vor 40 Jahren pflegte man in Valencia den Reis durch direkte Aussaat (Barrechat) oder Breitsaat zu ziehen, wie solches noch in Italien geschieht. Die Einführung Kulturen der Provinz Valencia. 229 der Vorsaat und Verpflanzung in Reihen, wie es in Japan seit Jahr- hunderten üblich ist, brachte mancherlei Vorteile. Als solche werden in dem Berichte folgende hervorgehoben : a) Die Auflockerung und längere Ruhe des Bodens während des Frühjahrs erhöht in ansehnlichem Masse die Menge und Güte des Korns. Bei direkter Saat muss der Samen viel früher in den Boden kommen und dieser entsprechend frühzeitiger zubereitet werden, als dies die Verpflanzung erheischt. b) Die Reinhaltung des Reisfeldes ist bei Anwendung der letz- teren leichter. c) Die Ernte geht leichter und rascher von statten. d) Die Mehrkosten durch die Verpflanzung werden durch die bessere Qualität und reicheren Erträge doppelt und dreifach gedeckt1. Nach Cavanillas war der Ertrag eines Hektar Reisland in Valencia gegen Ende des vorigen Jahrhunderts 20 — 40 hl. Durch die Ein- führung des Guano und die Verpflanzung in Reihen wurde derselbe auf 60 hl im Durchschnitt erhöht, ja in Ausnahmefällen hat sich derselbe sogar schon auf 80 — 85 hl belaufen. In Italien hat man bei Breitsaat, trotz Wechselwirtschaft, den Durchschnittsertrag von fünf Jahren auf 42,19 hl berechnet. Bei Vercelli, dem Mittelpunkt des ausgedehnten lombardisch - piemontesischen Reisbaues, pflanzt man bei sechsjähriger Fruchtfolge im ersten Jahre Weizen, im zweiten Klee, im dritten Mais, in den drei folgenden Reis. Diese Rotation liefert im ersten Reisjahre 56 hl pro Hektar, im zweiten und dritten 40 — 50 hl. und im vierten (falls nochmals dasselbe Feld mit Reis bestellt wird) nur 30 hl. Hier sind die Gesamtkosten der Bewirt- schaftung eines Hektar, einschliesslich eines Gewinnes von 20 Lire, 484 Lire, oder ca. 21 Lire oder Pesetas für 10 kg Reis. 3. Ursachen der spanischen Reiskrisis. In seiner asiatischen Heimat ist der Reisbau an reiche Sommer- regen geknüpft, welche in manchen seiner Hauptsitze über 2000 mm betragen. In Spanien beruht er ausschliesslich auf künstlicher Be- wässerung und verläuft am besten, wenn es während derselben Periode möglichst wenig regnet, vorausgesetzt, dass die Kanäle genug Wasser führen, um den Regen zu ersetzen. Regen im Frühjahr hemmen 1 Es ist in dem Berichte nicht hervorgehoben, verdient aber volle Beachtung, dass die Besserung der Gesundheitsverhältnisse zusammenfällt mit dieser veränderten Betriebsweise. Die Reihensaat ermöglicht dem Reisbauer die Reinhaltung seines Feldes, namentlich von dem übelriechenden Armleuchter; dem Wasser und Winde aber erleichtert sie die Cirkulation. Da in Japan keine Malaria mit der Reiskultur verknüpft ist, so liegt hierin vielleicht die Erklärung. 230 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte die Aussaat, solche im Herbst die Ernte, oder sie schädigen sie in hohem Grade. Trockne Westwinde im August beeinträchtigen die Körnerentwickelung. In den Jahren 1884 und 1885 wirkten beide Uebel zusammen und brachten „die Reiskrisis". Zu diesen klimatischen Ursachen gesellten sich wirtschaftliche von viel bedenklicherer Art. Hierher gehören die hohen Abgaben, mit denen der Reisbau zu kämpfen hat: Steuern, Pacht, Arbeitslöhne sind die drei Hauptposten, durch welche die Erstehungskosten viel höher kommen, als in Italien. Leidet hier der Reisbau schon durch fremde Konkurrenz, so noch viel mehr in Spanien. In Sevilla kosteten (1886) 100 kg valencianischer Reis 46 Pesetas, während man das gleiche Gewicht an indischem Reis für 29 Pts. kaufte. Dieser Preisunterschied ent- spricht zum Teil der Verschiedenheit in der Güte, ist aber auch eine Folge der billigeren indischen Gewinnungsweise. Bei dem Durchschnittsertrag von 60 hl = 320 kg des spanischen Reislandes ergiebt sich nach jenem Preis in Sevilla ein Wert von 147,2 Pesetas. Diesem gegenüber berechnen sich die Kosten der Gewinnung je nach der Pachthöhe auf 124 — 139 Pesetas, so dass der Gewinn ein äusserst geringer ist. 4. Abhülfe gegen die Reiskrisis. Als solche empfiehlt die Kommission von 1892 an einen Ein- gangszoll auf 100 kg von 4 Pesetas für geschälten Reis und von 2,5 Pesetas für Reis in der Schale, ferner Reduktion der Steuern um 50 % und mehrere andere Mittel, deren Erfolg zum Teil zweifelhaft scheint. Krisen, wie die hier besprochene, sind überall auf wirt- schaftlichem Gebiete in ihren Ursachen leichter zu erkennen als zu beseitigen. 2. Die Erdnuss oder Cacahuete (Arachis hypogaea L.). Die Provinz Valencia weist an den Grenzen ihres Reisbaues eine andere ziemlich umfangreiche Kultur des bewässerten Landes auf, die schon deshalb Erwähnung verdient, weil wir ihr sonst nirgends in Europa begegnen. Es ist der Anbau der Erdnuss oder Erd- pistazie (Arachis hypogaea L.). Die Spanier nennen sie Cacahuete oder Cacahuate, seltener Avellana americana, d.h. Amerikanische Haselnuss. In Peru und Bolivia ist sie unter dem einheimischen Namen Man i bekannt; in Brasilien heisst sie Mundubi, Mandubi, Mandobi und Manobi, Namen, deren sich auch die Portugiesen neben der Bezeichnung Amendoim bedienen. Die Franzosen, welche Kulturen der Provinz Valencia. 231 ihre Früchte in vielen Schiffsladungen von Senegambien nach Mar- seille bringen, bezeichnen diese wie die Pflanze selbst als Ar ach i des und Pistaches de Terre. In der englischen Sprache heissen die Früchte Pea-nuts (Erbsen-Nüsse) und Ground-nuts (Erdnüsse). Zu ihrem Gedeihen bedarf diese, in vieler Beziehung merk- würdige Hülsenfrucht eines leichten, warmen Bodens und reicher Regen oder künstlicher Bewässerung. In Valencia erfolgt die Aus- saat in gut gelockerten Boden im Mai oder Juni, die Ernte gegen Ende September. Man pflanzt sie nach Art unserer Bohnen in Reihen 1,5 — 2 Spannen weit von einander, und zwar 3 — 4 Samen in eine nestartige Vertiefung. Es entwickelt sich daraus eine dichte, den Boden allmählich ganz bedeckende Rosette, indem jeder Keim von Grund aus 6—8 liegende oder schwachaufsteigende, blattreiche Aeste bildet. Dieselben sind vierkantig, 20 — 30 cm lang und gleich den Blattstielen mit langen, zarten, seidenglänzenden Härchen besetzt. Bei den zweipaarig gefiederten, langgestielten Blättern ist das äussere Paar meist grösser. Die einzelnen Blättchen sind freundlich gelbgrün, verkehrt eiförmig, ganzrandig und fast sitzend. Ihre Nebenblätter zeichnen sich durch ansehnliche Länge (bis 3 cm), lanzettförmige Gestalt, allmähliche Zuspitzung und sichelförmige Krümmung aus. Besonders auffallend ist die Blüten- und Fruchtbildung. Die Blüten sind nämlich zweierlei Art1. Zuerst erscheinen zahlreiche weibliche Blüten ohne Kelch und Krone unmittelbar über der Erde und, wie es scheint, sogar in derselben. Aus diesen entwickeln sich die in der Erde reifenden Hülsen. Später kommen einzeln aus den Blatt- winkeln ziemlich lange, gebogene, haardünne Stielchen, deren jedes ein Blütchen mit Kelch und gelber Schmetterlingskrone trägt. Die- selben sind unfruchtbar und fallen bald ab. Es überrascht, wenn man sie im August wahrnimmt und dann die Wurzeln des ausge- rissenen Büschels mit vielen (60 — 100) Hülsen besetzt findet. Die- selben befinden sich an den Enden langer gekrümmter Stiele. Sie reifen 2 — 8 cm unter der Erde, sind eilänglich, beiderseits abgerundet und zeigen gegen die Mitte in der Regel eine Einschnürung. Hier- durch, sowie nach ihrer sonstigen Gestalt und Grösse erinnern die- selben an männliche Cocons der gewöhnlichen weissen Seidenspinner (Bombyx Mori L.). Die Länge dieser Hülsen wechselt zwischen 15 — 30 cm, die Dicke zwischen iö und 15 cm. Dieselben sind an 1 Meines Wissens hat G. Bentham zuerst hierauf aufmerksam gemacht in : „On the Structure and Affinities of Arachis and Voandzeia." Transact. Linn. Soc. Bd. 18 (1841). S. 155. 232 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte der Oberfläche netzaderig gerieft, von erdfahler oder hellgrauer Farbe. Sie enthalten meist zwei Samen, nämlich einen auf jeder Seite der Einschnürung; wo letztere fehlt und die Hülse entsprechend kürzer ist, weist sie nur einen Samen auf. Man kann diese Samen mit den Kernen mittelgrosser Haselnüsse vergleichen. Geröstet haben sie auch einen ähnlichen, an Mandeln und Pistazien erinnernden Ge- schmack, worauf mehrere der erwähnten Volksnamen hinweisen. Roh sind sie ebenso wenig geniessbar, wie die reifen Samen anderer Hülsenfrüchte, indem dann der eigentümliche unangenehme Geschmack des Legumins sich geltend macht. Die Oberfläche dieser Erdnuss- kerne ist braunrot, das Innere weiss. Sie liefern 40 — 50 % eines fetten Oels, das fast allen Zwecken des Olivenöls dient und in vielen Ländern, wo letzteres fehlt, hoch geschätzt wird. In der Huerta de Valencia und mehr noch im Gebiete der Ribera des Jucar und seines Nebenflusses Albeida, wo die Cacahuete viel gebaut wird, z. B. bei Benifayo und Algemesi, sowie bei Barcheta, werden die Pflanzen von der Blütezeit an wöchentlich einmal gut bewässert. Geschieht dies nicht, so nehmen sie, gleich dem Reis- felde, welchem es an Wasser fehlt, eine gelbliche Farbe an. Wenn gegen Ende September das Kraut der Arachis abstirbt und die Blätter abfallen, sind die Erdnüsse reif. Man fasst den Büschel Stengel mit der Hand und zieht mit schwachem Ruck die Wurzeln mit den zahlreichen, sie bedeckenden Hülsen aus der Erde und legt letztere zunächst zum Trocknen auf das Feld. Die Ausfuhr der Erdnuss hat seit 1884, wo sie noch 523000 Pesetas betrug, abgenommen. Ueber den Ertrag der spanischen Ernte und die Grösse des Areals, welches dieser Kultur dient, konnte ich keine sicheren An- gaben finden: dagegen unterliegt es keinem Zweifel, dass die Erd- nuss als Kulturpflanze der Huerta erst vor wenigen Jahrzehnten eingeführt wurde. Wir finden sie bei Cavanillas, der die Landwirt- schaft Valencias und ihre Produkte am Ende des vorigen Jahrhunderts sorgfältig schildert, nicht erwähnt, ja noch nicht einmal in dem fünfzig Jahre später erschienenen grossen Werke von Madoz. Die Erdnuss ist als Kulturpflanze über das wärmere Amerika, Afrika und Asien weit verbreitet; aber bei der Frage nach ihrem Ursprung gehen die Ansichten immer noch auseinander. In Asien spielt sie fast nirgends eine grosse Rolle; auch wird kaum mehr bestritten, dass wenigstens im östlichen Monsungebiet ihre Einführung erst nach Entdeckung Amerikas stattfand. Es handelt sich also nur noch um Afrika und Amerika. Nirgends hat sie eine solche Wichtigkeit Kulturen der Provinz Valencia. 233 erlangt, als in Afrika. Erdnüsse gehören zu den wichtigsten Aus- fuhrartikeln seiner Westküste und finden sich ebenso im Innern und an der Ostküste. Nach Casati1 ist das verbreitetste Oel im ägypti- schen Sudan das Sesamöl, das beste das Erdnussöl. Auch an vielen andern Stellen erwähnt er die weite Verbreitung der Erdnuss, so namentlich auf sandigem Boden im Land der Dinka. Bei M. Jeph- son2 lesen wir unter anderm auf S. 20: „Die Dörfer (nämlich auf der Nordwestseite des Albert Nyansa) sind von ausgedehnten Feldern mit Mtama, Mais, süssen Kartoffeln und Erdnüssen umgeben" ; ferner auf S. 80 bei Erwähnung eines Festessens, wo er sagt: „Das Haupt- gericht war eine Ziege, die ganz gebraten und mit Zwiebeln, Erd- nüssen und Bohnen gefüllt war." Endlich sei noch eine Stelle aus dem Werke von Faidherbe3 erwähnt, der Seite 104 — 106 „Culture et commerce de Farachide" beschreibt. Es heisst da : „Die Pflanze wächst im wilden Zustande an der Küste Afrika's. Wenn die Regenzeit herannaht, machen die Eingeborenen mit Hülfe eines Stabes Löcher in den Sand und werfen die Samen hinein. Unter dem Einfluss des Regens keimt diese Leguminose bald und breitet sich gleich Erdbeeren nach allen Rich- tungen über den Boden aus. Die Blüten , welche sich an diesen kriechenden Aesten entwickeln, senken sich in den Sand und ver- wandeln sich in kleine Hülsen, welche ein bis zwei ölreiche Samen einschliessen , die nach dem Rösten einen angenehmen Geschmack haben." Nach Willkomm stammt Arachis hypogaea aus Afrika. S el- lin, der lange in Brasilien lebte, ist der Ansicht, dass die Mundubi- Bohne, port. Amendoim (Arachis hypogaea L.), welche schon seit Jahrhunderten in Brasilien und andern südamerikanischen Län- dern kultiviert werde, wahrscheinlich ursprünglich aus Afrika einge- führt worden sei4. Diese Meinung, wonach die Erdnuss, wie die schwarze Bohne und die Kolanuss, durch afrikanische Sklaven im -iö.Jhdt. von der afrikanischen Westküste nach Amerika gekommen sei, teilte ich bisher ebenfalls, finde aber jetzt, dass für die andere Ansicht, welche De Candolle zuerst ausgesprochen hat, nämlich für 1 Casati : „Zehn Jahre in Aequatoria." - M. Jephson: „Emin Pascha und die Meuterei in Aequatoria." Deutsch. Leipzig 1890. 3 Faidherbe: „Le Senegal. La France dans l'Afrique occidentale." Paris 1889. 4 Seil in: „Das Kaiserreich Brasilien." S. 176 in „Das Wissen der Gegen- wart." XXXVI. Band. Leipzig 1885. 234 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte den amerikanischen Ursprung der Arachis hypogaea mehrere wich- tige Gründe, ausser denen, welche der berühmte Genfer Pflanzen- geograph anführt, sprechen. De Candolle stützt nämlich seine Be- hauptung vornehmlich darauf, dass die übrigen fünf bekannten Arten der Gattung Arachis in Brasilien heimisch sind und auch die Erd- nuss einen brasilischen Namen führt. Mir scheint weiter folgendes belangreich für die Entscheidung der schwebenden Frage zu sein : i. Dr. Chanca aus Sevilla, welcher die zweite Reise des Co- lumbus (1493 — 96) als Arzt und Berichterstatter mitmachte, bemerkt gegen das Ende seines Berichtes an die Stadt Sevilla: „Tienen atrosi unos granos como avellanas, muy buenos de comer." (Sie haben ausserdem eine Art Samen wie Haselnüsse, welche sehr gut zu essen sind.) Dieser Ausspruch passt, wie man sieht, vortrefflich auf die enthülsten Erdnüsse. 2. In „The Natural and Moral History of the Indies, by Father Joseph de Acosta", übersetzt aus dem Spanischen von Cl. Markham. Hakl. Soc. London 1880. Vol 1 wird S. 235 unter den Kultur- pflanzen Peru's der Mani oder Erdnuss gedacht. Acosta, ein spanischer Jesuit, der 1540 zu Medina del Campo geboren war, lebte im tropischen Amerika, vornehmlich in Peru von 1570 — 1587. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass sich vor dieser Zeit die Erdnuss durch Negersklaven bis nach diesem Lande verbreitet haben sollte. 3. In dem Werke von George Squier1 heisst es S. 81 von den irdenen Gefässen bei den Mumienfunden von Pachacamac an der Küste von Peru: „Every one contained something. One was filled with ground-nuts, familiär to us as pea-nuts; another with maize etc." (Ein jedes enthielt etwas. Eins war mit Erdnüssen gefüllt, welche als Erbsennüsse uns wohlbekannt sind, ein anderes mit Mais etc.) Aus Vorstehendem geht zur Genüge hervor, dass die Erdnuss in Peru schon lange vor der Entdeckung Amerika's gebaut und ge- schätzt wurde. Eine andere Frage ist, ob sie aus Amerika nach Afrika verpflanzt worden ist oder nicht auch hier bereits lange, bevor Europäer ihr in der Neuen Welt begegneten, angebaut wurde. 3. Die Erdmandel ^Cyperus esculentus L.). Auf dem Markt von Valencia sieht man neben den grossen und durch ihre schönen Farben auffallenden Produkten der Huerta auch 1 „Incidents of travel and exploration in the land of the incas, by E. George Squier." London 1877. Kulturen der Provinz Valencia. 235 ein ganz unscheinbares, das man nach seiner morchelartigen Faltung" auf den ersten Blick für einen kleinen, zusammengeschrumpften Pilz halten könnte. Man wird aber bald belehrt, dass es Chufas oder Erdmandeln, die Knollen des essbaren Cypergrases (Cyperus escu- lentus L.) seien. Sie haben eine bräunliche Farbe, ellipsoidische Gestalt und sind dabei nur 1 — 1,5 cm lang, 1,5 — 3 cm dick und durchschnittlich 0,5 g schwer. Die runzelige Oberfläche zeigt deut- lich 3 — 6 parallele Querleisten, verbunden durch zahlreiche Längs- falten, die am einen Ende zu einem faserigen Schopf zusammen- laufen. Auf der andern Seite ist häufig eine kleine Pfanne bemerkbar mit der Stelle, wo das Knöllchen mit der Wurzel verbunden war. Ausserdem zeigen sich auf. der Oberfläche auch haardünne und leicht ablösbare Wurzelfäserchen. Der Durchschnitt dieses kleinen Handels- artikels ist gelblich, ähnlich wie das Innere mancher Kartoffel, aber von süsslichem, etwas an Mandeln und Haselnüsse erinnerndem Ge- schmack, daher der deutsche Name Erdmandel und der castillische Juncia avellana (Haselnuss-Cypergras). Diese Wurzelknöllchen, von denen eine einzige Pflanze oft über 100 erzeugt, wurden früher bei uns in den Apotheken unter dem Namen „arabische Zucker- wurzel" (Radix Sacchari arabici) und „Erdmandeln" (Amygdalae terrae) verkauft. In Spanien dienen sie zur Darstellung der Or- chata (Horchata), eines erfrischenden Getränkes, das an Mandelmilch erinnert und im Sommer auf öffentlichen Plätzen der grossen Städte viel feilgeboten wird. Das essbare Cypergras ist ein naher Verwandter der Papyrus- staude 'Cyperus papyrus L.). Es hat dreikantige Stengel und wächst im Wasser wie diese. In Aegypten findet man es häufig in Ge- sellschaft mit unserer bekannten Wasserviole (Butomus umbellatus L.). Im Alten Testament wird sein ägyptischer Name Achu wiederholt mit „Gras" übersetzt, so 1. Mos. 41, 2 und Hiob 8, 11. — Man baut die Chufa oder Juncia avellana schon seit der Maurenzeit vor- nehmlich bei den Orten Alboraya und Almacera, 4 und 6 km nördlich von Valencia. 4. Die bekannten spanischen Zwiebeln oder Cebollas (Allium Cepa L., Cepa hispanica Park.) zeichnen sich durch Grösse (Cepa maxima Grisb.), durch gelblich weisse oder blassrote Farbe und süssen Geschmack aus. Indess finden wir letzteren bei allen Zwiebeln wärmerer Länder. Der Zwiebel- bau wird in Spanien nirgends in solchem Umfang betrieben und ist 236 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte auch nirgends so viel auf fremde Abnehmer berechnet, als in der Huerta von Valencia, wo ihm viel fruchtbares Land auf beiden Seiten des Turia gewidmet ist, ganz besonders aber um das Städtchen Benaguacil. Die Ernte findet gegen Ende August statt: Betreten wir zur Zeit derselben ein solches Zwiebelfeld, so finden wir Frauen damit beschäftigt, die Cebollas auszurupfen und denselben die verwelkten Blattschöpfe abzuschneiden. Streifenweise bedecken sie dann den Boden zum Abtrocknen, wie bei uns die ausgemachten Kartoffeln. Bald findet sich der Kaufmann mit seinen Leuten und mit Kisten ein, um die für den Export taugliche Waare auszuwählen und sofort zu verpacken. Alle kleineren Zwiebeln, sowie alle beschädigten oder an der Schopfstelle weichen und ungesunden werden ausge- schieden und verbleiben dem Pflanzer. Die auserlesene Waare. Stück für Stück 0,25 — 1 kg schwer, wird in längliche Kisten mit je einer querdurchgehenden Scheidewand verpackt. In der Regel fasst eine solche Kiste 5 Arrobas oder 57,5 kg, und da die Arroba-Zwiebeln an Ort und Stelle oft nur 50 Centimos (40 Pf.) kostet, so ist die Kiste mitsammt dem Arbeitslohn für die Verpackung teuerer als ihr Inhalt. Frauen füllen die Kisten, Männer nageln sie zu und umbinden sie mit starken Seilen aus Espartogras. Die ganze Arbeit wird aber von einem zuverlässigen Manne des Grosshändlers beaufsichtigt. Vom Felde werden die Kisten direkt nach Gräo, dem Hafen von Valencia, gebracht. Schon aus ihrer Aufschrift : „Superior Onions, Valencia", erkennen wir, dass England Hauptabnehmer dieser Valencia-Zwiebeln ist; doch gehen auch viele nach andern Ländern. Nach dem Konsulatsbericht aus Valencia, wie wir ihn im „Deut- schen Handelsarchiv" vom Jahre 1891 finden, kamen 1890 folgende Mengen Zwiebeln von dort zur Ausfuhr: Nach Grossbritannien .... 20 200 180 kg ,, Nordamerika 552595 ., Argentinien 139 635 .. Frankreich 67 129 .. Deutschland 38 360 .. Algier 10 200 „ ., Belgien . . . . . 7 75Q „ Zusammen 21 015 849 kg im Werte von 1 501 000 Pesetas oder 1 200 800 M. Rechnet man 5 Arrobas oder 57,5 kg auf die Kiste, so würde diese enorme Zwiebelausfuhr in 365 500 Kisten erfolgt sein. Kulturen der Provinz Valencia. 237 5. Den Zwiebeln reihen wir einige der zahlreichen Küchengewächse (Hortalezas) an, alles Sommerkulturen, welche durch die Schönheit ihres Krautes oder ihrer Früchte den Huertas zur besonderen Zierde gereichen, im spanischen Haushalte von grossem Werte sind und neuerdings teilweise auch in Menge zur Ausfuhr kommen. Abgesehen von den Buschbohnen, den Judias oder Habichuelas der Spanier (Pha- seolus vulgaris L.), welche man in grosser Menge baut, sind be- sonders erwähnenswert : die Frucht der Eierpflanze (Solanum Melon- gena L.), span. B erengen a, der Liebesapfel, span. Tomate (Lycopersicum esculentum Mill.), der spanische Pfeffer oder Pimiento (Capsicum annuum L.). Unter diesen drei Solaneen mit ihren ver- schieden gestalteten, glänzend violetten, orangegelben und roten Früchten, wird die letztgenannte weitaus am meisten angebaut und benutzt. Die Pflanze bildet mit ihrem blattreichen, steifen Stengel und ihren zahlreichen hängenden Früchten einen besonderen Schmuck der bewässerten Felder. Es ist nicht die Sorte, welche den scharfen spanischen oder Cayenne-Pfefler liefert (Capsicum annuum L. var. amara), den Pimiento picante, sondern der gemeine Piment (Pimiento comun dulce), welcher als Gemüse, Salat, mit Reis ver- mischt und in andern Formen der Zubereitung sehr viel gegessen wird. Einen besonderen Ruf haben die Pimientos von Almazora in Castellon de la Plana. Die Huerta dieser Stadt wird vom Mijares durchflössen und erzeugt Pimientos, die sich durch ihre Grösse (30 — 40 g schwer) , ihre Schönheit und ihren Wohlgeschmack besonders auszeichnen ; doch stehen ihnen diejenigen der Huerta de Valencia nicht viel nach. Die formen- und artenreichen Früchte der Kürbisfamilie (Cucur- bitaceen) werden teils auf trocknem, teils auf bewässertem Lande erzielt. Es kommen davon neuerdings Melonen oder Melones (Cucumis Melo L.) und Wassermelonen, span. Sandias (Citrullus vulgaris Schrad.) zum Versandt, meist aus den Huertas. Im Sommer 1890 schickte Valencia 93556 Kisten mit je 24 Stück nach England und 134 Kisten nach Belgien, im Gesammtwert von 467400 Pts. In demselben Jahre gelangten 8516600 kg Tomaten im Werte von 1700500 Pts. zur Ausfuhr, davon die meisten ebenfalls nach England. 2^8 Ueber den Reisbau und einige andere bemerkenswerte 6. Orangen (Citrus aurantium Risso) und Citronen (Citrus limonum Risso), Diese beiden wichtigsten Glieder der aus dem Monsungebiete stammenden Familie der Aurantiaceen wurden zwar schon durch die Araber in Spanien eingeführt; doch gehört die grössere Ausdehnung ihrer Kultur und ihrer Ausfuhr nach andern Ländern der Neuzeit und den Huertas der spanischen Mittelmeerprovinzen südlich des Ebro an. Die Orange oder Apfelsine (der chinesische Apfel) , span. Naranja, überwiegt natürlich die Citrone, span. Limonero, an Bedeutung bei weitem. Wir finden die ausgedehntesten Orangen- gärten in der Huerta de Castellon: in der Ribera Alta bei Alcira, Carcagente, Puebla Larga, in der Huerta de Gandia, de Murcia und in der Vega de Malaga. Der Anblick der schön gezogenen Bäume, welche in Reihen auf unkrautfreiem Lande stehen, ist zu jeder Jahreszeit ein wohlthuender, ob man nun die Bäume im Mai und im Duft ihrer weissen Blüten oder später mit grünen oder goldenen Früchten beladen schaut. Man zieht sie aus Samen oder Wurzelschösslingen. Sie werden bis 80 Jahre alt und 8 m hoch, gewöhnlich aber viel niedriger gehalten. Bei der Anlage einer neuen Pflanzung setzt man sie in Abständen von 3—4 m. Die Erntezeit der Apfelsinen ist bekanntlich der Winter, vor- nehmlich seine zweite Hälfte. Man kauft dann an den Bahnhöfen in Castellon und Valencia 3 Stück für 3 — 5 Centimos, oder sagen wir, das Stück zu einem Pfennig. Aber selbst noch im Hochsommer und Herbst , wenn bereits eine neue Ernte in Aussicht steht , kann man hier und da noch Früchte des vorigen Jahres an den Bäumen erblicken. Nach einem englischen Konsulatsberichte gelangten in der Saison 1888/89 von Valencia, Burriana, Moncofar Alcazora und Castellon 1 841232 Kisten ä 400 Stück zur Ausfuhr, davon nach England Kontinent Vereinigte Staaten Canada Zusammen 156764O 190 107 81285 2200 I 841 232 Cullera exportierte 1400, Gandia 57 150 Kisten. Eine überausreiche Apfelsinenernte hatte Spanien im Winter 1889/90 aufzuweisen. Die- selbe war nach Menge und Qualität gleich ausgezeichnet. Damals stellte sich die Ausfuhr von Valencia allein, wie folgt: Kulturen der Provinz Valencia. 239 Nach England 144 345 900 kg Frankreich 35 975 471 .. Deutschland 14 289 360 ., Amerika 10 496 880 ,, „ Belgien 2 606 480 „ „ Holland 208 000 .. » Algier 3 000 „ Zusammen 207 945 091 kg im Werte von 27 726000 Pesetas. Man sieht hieraus, welche Bedeutung der Artikel für Valencia gewonnen hat. Im Jahre nach diesem aussergewöhnlichen Ertrag wurde die halbe Ernte durch Frost im December vernichtet und den Produ- centen dadurch ein Schaden von annähernd 10 Mill. Pts. zugefügt. — Im Citronenbau steht die Provinz Malaga mit ihrer vom Guadal- horce bewässerten Vega oben an. Die Stadt Malaga versandte von diesem Artikel 22085 Tonnen im Jahre 1889 und 21650 Tonnen im Jahre 1890. 7. Seidenzucht (Cria de la seda) und Seidenindustrie (Industria sedera). Insofern der weisse Maulbeerbaum (Monis alba L.). die Nähr- pflanze der Seidenraupe , der Huerta angehört , ist die spanische Seidenzucht abhängig von letzterer und ihren sonstigen Kulturen. Wir finden den „Morera" vornehmlich an den Grenzen (Lindes' der Huertas und einzelnen Grundstücke, auch vielfach längs der Kanäle, und zwar in Reihen, die aber an vielen Orten stark gelichtet sind und den aufmerksamen Beobachter schon den Niedergang des auf ihm beruhenden Industriezweiges ahnen lassen. Man behandelt diese Maulbeerbäume wie in Oberitalien, findet sie aber nur noch selten auf den Feldern selbst, wo andere Kulturen mehr versprechen. Der Niedergang der Preise für Rohseide während der letzten Jahr- zehnte und die grösseren Vorteile, welche der Orangenbau bot. haben dies bewirkt. Wir lesen bei Cavanillas, dass das Königreich Valencia (die heutigen Provinzen Castellon. Valencia und Alicante; im Jahre 1784 nicht weniger als ii/2 Mill. Pfund (libras ä 12 Unzen) Rohseide er- zeugte, das macht, die Unze zu 28,76 g gerechnet, 517680 kg1. Da- 1 Die Angaben bei Willkomm: „Die Halbinsel der Pyrenäen", S. 550, über die Seidenzucht beziehen sich auf Cavanillas und passen nicht auf die Mitte dieses Jahr- hunderts: diejenigen über die Cochenillezucht sind ganz unzutreffend. 240 Ueber den Reisbau etc. mals kamen auf die übrigen Provinzen Spaniens nur 384130 oder 132 571 kg, demnach aufs ganze Land 650251 kg oder 6 1/2 Doppel- zentner. Nach Madoz lieferte vor ca. 50 Jahren die Huerta von Murcia jährlich 150000 Pfund und die von Gandia 58800 Pfund Roh- seide. Dagegen war vor 10 Jahren die mittlere Produktion 960000 kg Cocons (davon 490000 auf die Huertas von Murcia und Orihuela, 400000 auf Valencia, 20000 auf die Sierra Segura, 35000 auf Almeria und Granada) oder 83000 kg Rohseide. Seitdem ist die Seidenzucht noch weiter in auffallender Weise zurückgegangen. Sie lieferte 1889 in Valencia 30000 kg Cocons und 1890 sogar nur 23000 kg. Da- gegen war die Qualität eine sehr gute. Man bezahlte das Kilo mit 4,15 — 4,65 Pesetas. Bezeichnend für diesen Rückgang ist auch die Thatsache, dass im Jahre 1890 die spanische Seidenindustrie für 4 Mill. Pesetas Rohseide aus Frankreich beziehen musste. Daraus aber auf einen Aufschwung derselben zu schliessen, wäre verfehlt. Auch die Seidenindustrie Spaniens hat längst ihre ehemalige Bedeutung verloren. Ihr Hauptsitz war immer die Stadt Valencia. Zur Zeit der Entdeckung Amerikas konnte sich nur Mailands Seiden- industrie mit der ihrigen messen. Im Jahre 1784 verarbeitete sie 872 121 span. Pfund Rohseide, d. h. mehr als die Hälfte des Ertrags der damaligen Seidenzucht im Königreich Valencia, und beschäftigte 25000 Arbeiter. 649400 Pfund wurden auf 3247 Webstühlen zu Sammet verarbeitet. Jacken aus diesem Stoff bildeten viele Jahr- hunderte hindurch den Hauptbestandteil des Sonntagsstaates der spanischen Bauern. Eine seidene Jacke (Jubon de seda) versprach Columbus demjenigen Matrosen auf seiner berühmten Entdeckungs- reise, welcher das erste Land erspähe (Seite 54). Der Besucher einer spanischen Feria kann sich auch heute noch überzeugen, dass Sammetjacken nicht ausser Mode sind, zumal bei den Zigeunern; doch liefern Crefeld und England mit seinem billigen Baumwoll- sammet den Stoff dazu. Die Seidenindustrie Valencias hat mit der- jenigen des Auslandes nicht gleichen Schritt gehalten, ist längst überflügelt worden und hat bald aufgehört, in Spanien eine Rolle zu spielen. — LITTERATURANGABEN. 1. Zu Columbus und der Entdeckung Amerikas. i. Pedro Martyr d'Anghiera: „Opus epistolarum Petri Martyris Anglerij Me- diolanensis Protonotarij Apostolici atque a consiliis rerum Indicarum etc. Com- pluti (Alcala de Henares) a.D. MDXXX. Fol. 2. Andres Bernaldez: „Historia de los Reyes Catölicos." Sevilla 1870. 2 Vols. 3. Gonzalo Fernandez de Oviedo: „La Historia General y Natural de las Indias." Sevilla 1535. (Neue Auflage in 4 Bänden. Madrid 185 1 — 55.) 4. Bartolome de Las Casas: „Historia General de las Indias." Madrid 1875 — 76. 6 Vols. (Die Niederschrift derselben wurde vom Autor in San Domingo 1527 begonnen.) 5. Martin Fernandez de Navarrete: a) „Coleccion de los viages y descubri- mientos que hicieron por mar desde fines del siglo XV." Madrid 1825 — 37. 5 Vols. b) „Coleccion de documentos ineditos pare la historia de Espaiia. Madrid 1842—75. 61 Vols. 6. Antonio de Plerrera: „Historia general de los hechos de los Castellanos." Madrid 1601. 5 Vols. Fol. 7. F. Colon (?): „Historie del S. D. Fernando Colombo." Venetia 1571. 8. Luigi Rossi: „Vita di Cristofero Colombo." Milano 1818. 23 Abhandlungen in einem Bande. 9. AI. von Humboldt: „Histoire de la Geographie du Nouveau Continent." Paris 1836. 4 Vols. 10. Washington Irving: „A History of the Life and Voyages of Christopher Columbus." London 1838. 4 Vols. 11. Antonio Balbiano: „Vita di Cristoforo Colombo." Milano 1869. 2 Vols. 12. R. H. Major: „Select Letters of Christopher Columbus." London, Hakluyt Soc. 1870. 1 Vol. Rein, Gesammelte Abhandlungen. \ß 242 , LlTTERATURANGABEN. 13. Roselly de Lorgues: ..Yie et Voyages de Christophe Colomb." Paris 1877. 1 Vol. 14. „Los Restos de Colon." Madrid 1879. 1 Bd. 15. Rüge: „Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen." Berlin 1881. 1 Bd. 16. Cesareo Fernandez Duro: „Colon y Pinzon." Madrid 1883. 1 Vol. 17. „ „ „ „Nebulosa de Colon." Madrid 1890. 1 Bd. 18. Dona Sole d'Acosta de Samper: „Biografias de nombres illustres ö notables, relativas a la epoca del Descubrimiento etc. Bogota 1883. 19. Henry Harrisse: „Christophe Colomb, son origine, sa vie, ses voyages, sa famille et ses descendants." Paris 1884. 2 Vols. Vide: „Recueil des Voyages et de Documents." Vols VI et VII. 20. Sociedad Columbina Onubense: „Memorias." Huelva 1885 und 1886. 21. Santamarfa, D. Braulo, „Huelva y la Rabida." Madrid 1882. 1 Vol. 22. S. Rüge: „Christoph Columbus." Dresden 1892. 1 Bd. 23. „Ateneo de Madrid", 6 Vorträge in demselben, gehalten 1891 und 92, nämlich: a) Cänovas del Castillo: „Criterio Histörico." b) Francisco Pi y Margall: „America en la Epoca del Descubrimiento." c) Cesareo Fernandez Duro: „Primer Viaje de Colon." d) Jose Gomez de Arteche: „La Conquista de Mejico." e) Cesareo Fernandez Duro: „Amigos y Enemigos de Colon." f) Oliveira Martins: „Navegaciones y Descubrimientos de los Portugueses, anteriores al viaje de Colon." 24. „El Centenario. Revista Illustrada." Madrid 1892. Von dieser sehr gediegenen und vortrefflich ausgestatteten Zeitschrift unter der tüchtigen Redaktion des D. Juan Varena erscheint seit April wöchentlich eine Nummer. Zu den beachtenswertesten Beiträgen gehören diejenigen zweier Deutschen, nämlich in No. 8: Dr. J. Fastenrath (Köln): „Los Exploradores Alemanes de la America del Sur en la epoca de la conquista. Unser in Spanien wie bei uns hoch angesehener Landsmann und Freund behandelt darin die Unternehmungen des Hauses Welser in Venezuela. No. 12: Otto Neu s sei: „Los cuatro viajes de Cristöbal Colon, mit einer Karte und Kursangaben nach Las Casas." 2. Zur physischen Geographie und Naturgeschichte Spaniens. 1. Madoz, D. Pascal: „Diccionario geogräfico-estadistico-historico de Espana y sus posesiones de Ultra mar." Madrid 1845 — 50. 16 Vols. 2. Monreal, D. Bernardo: „Curso de Geograffa." 18. Ediciön. Madrid 1889. 1 Vol. 3. Instituto Geografico y Estadistico, „Resefia geogräfica y estadistica de Espana." Madrid 1888, 1 Vol. 4. Ibid., „Censo de la poblaciön de Espana el 31 de Diciembre de 1887." Madrid 1889. 1 Vol. 5. Botella, D. Federico de: „Descripcion geolögico minera de las provincias de Murcia y Albacete." Madrid 1868. 1 Vol. LlTTERATURANGABEN. 243 6. Rotella, D. F. de: „Mapa Geolögico." Madrid 1879. 7. Memorias de la Comisiön de Mapa Geolögico de Espana. 8. Gonzalo y Turin, D. Joaquin: „La Provincia de Huelva, descripciön fisica, geologica y minera." Madrid 1886. 2 Vols. 9. De los Rios, D. Rodrigo Amador: „Huelva." Barcelona 1891. 1 Vol. (Espana sus Monumentos y Artes, SU Naturaleza e Historia.) 10. Figueroa, D. Ramon Rua : „Ensayo sobre la historia de las minas de Rio Tinto." Madrid 1859. 1 Vol. 11. E. Cumence: „Notes sur Rio Tinto." Paris 1883. 1 Vol. 12. Annual Reports of the Rio Tinto Company. 13. Bowles: „Introduccion ä la historia natural de la geografia fisica de Espana." Madrid 1875. 1 Vol. 14. Cavanillas, D. Antonio Josef : „Observaciones sobre la historia natural, geo- grafia, agricultura, poblacion y frutos del reino de Valencia." Madrid 1797. 2 Vols. 15. Pascual, D. Augustin: „Resenas geografica, geologica y agricola de Espana, redactada por D. Fr. Coello, D. Fr. de Luxan y D. Augustin Pascual." Madrid 1859. 1 Vol. 16. Llauradö,D. Andres: „Tratado de Aguas y Riegos." Madrid 1878. 1 Vol. 17. Publicacion oficial: „La Crisis Arrocera, actos y dictamenes de la comisiön para estudiar la situaciön del cultivo y producciön del Arroz en la provincias de levante." Madrid 1887. I Vol. 18. Mattada, D. Lucas: „Causas de la Pobreza de nuestro suelo," im „Boletin de la Sociedad Geografica de Madrid 1882, Vol. 12. 19. Colmeiro, D. Miguel: „Diccionario de los nombres vulgares." Madrid 1871. 1 Vol. 20. — „Enumeracion y Revision de las plantas de la Peninsula Hispano-Lusitana e Islas Bälearis." Madrid, Vol. 18S5— 89. 5 Vols. 21. Laguna, M. y Pedro de Avila: Flora Forestal Espanola." Madrid 1883. 1 Vol. 22. Willkomm, Dr. M. : „Zwei Jahre in Spanien und Portugal." Leipzig 1847. 3 Bde. 23. — „Die Strand- und Steppengebiete der Iberischen Halbinsel und deren Vege- tation." Leipzig 1852. 1 Bd. 24. — „Die Halbinsel der Pyrenäen, eine geographisch - statistische Monographie." Leipzig 1855. 1 Bd. 25. — et Lange: „Prodromus Florae Hispanicae." 1861 — 70. 3 Bde. 26. Ford, R. : „Murray's Handbook for Spain." 6. Edt. London 1882. 2 Vols. 27. Fischer, C. A.: „Spanische Miscellen." Berlin 1803. 1 Bd. 28. Passarge, L. : „Aus dem heutigen Spanien und Portugal'" Leipzig 1884. 2 Bde. 29. Salvador Ceron: „Industria Forestral." Cädiz 1879. 1 Vol. 30. Artigas y Teixidor, D. Primitivo: „Noticia sobre el Alcornoque y la In- dustria Corchera. Madrid 1888. 31. Castel y demente, D. Carlos: „Cortezas Curtientes." Madrid 1888. 244 LlTTER ATUR ANGABEN . 32. Kiigler, K. : „Ueber das Suberin. Inaug.-Diss. Strassburg 1888. 33. Gilson, E. : „La Suberine et les cellules du liege. Inaug.-Diss. Strassburg 1890. 34. von Höhnel, F.: „Ueber den Kork." Sitzungsber. der kaiserl. Akad. d. Wiss. Abt. I. Bd. LXXVI. 1877. 35. De Candolle, C. : „De la production naturelle et artificielle du liege." — Mem. de la Soc. de Physique et d'Histoire nat. de Geneve. XVI. (1860.) 36. Duhamel du Monceau: „Traite des Arbres et Ai-bustes qui se cultivent en France en pleine terre. Paris 1755. 2 Vols. 37. Trabut, L. : „Les Zones botaniques de l'Algerie. Alger 1888. 38. Cosson: „Forets, bois et brousailles des principales localites du nord de la Tunisie. Paris 1884. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Reiii, Gesammelte A"blrandluii£en 'MAiLmxmwm 10.1 -fc=T- ® Orte van, über 100.000 JSiitsr. o Orte - > 50.000 " o Orte " mUer 50.000 » JflO ISO 200 Kilometer MelBs ( lDOMLometer in c po&rai-sßMjE WiBümsi^iaiÄo .» ^rJi i1 ,_ 2fe . 2fr : 6.000.000 xt-17Mii. auf der Karte.) £ .Deutsche Meilen 15 PI UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY BERKELEY Return to desk from which borrowed. This book is DUE on the last date stamped below. fl,tt\(Awfc 2IApr*50G£ 7Apr'58B, 27Sep'58RB| REC'D LD '«HIL 2 2 1959 JUL 3 196 LD 21-100m-ll,'49(B7146sl6)476 RECO LD INTERLiSRARYLoL univ.ofcalif.,8Jrk. YC 49475 4/*