^'. Manne ßiological Lakoralory Library Woods Hole, Massachusetts Gift of F.R. Lillie estate - i x^l: u: 977 = m o ru ü- f r^ r^ ^s^ a ~- =^=1 D 1 CO- m M. "^"^^ ^:liitiüii"' dagegen ist hier- nach das blosse W ah rn eh mb a r w er den pr äexisti ren de r la- tenter Verschiedenheiten. Es ist klar, dass nach diesen allgemeineren Definitionen Vor- gänge, welche der formalen Betrachtung als Epigenesis sich dar- stellen , in Wirklichkeit vorwiegend oder ausschliesslich Evolutionen sein können; und wir erkeimen demnach, dass wir bei dem be- absichtigten tiefern Eindringen in das Ent - [4-15] wick- lungsgeschehen aufs Neue vor die Frage gestellt wer- den: Ist die embryonale Entwicklung Epigenesis oder Evolution [oder Combination beider (siehe Nr. 13, S. 419, 423 u. 428)] 1)? [1) Dieses wichtige Problem des Antlieils der Evolution und der Epigenesis an der individuellen Entwicklung wurde später im Sinne der hier gegebenen Defi- 6 Nr. 13. Einleituug zu den Beiträgen zur Entwickelungsmechanik des Embryo. Diese beiden Arten der Entwicklung sehen wir in der anorganischen Natur meist mit einander verbunden vor- kommen. .Je tiefer wir aber in einen beobachteten Entwickkmgs- vorgang eindringen, um so mein- erkennen wir in der Regel, dass ein grosser Th eil dessen, was uns beim ersten Ueberdenken der Be- obachtung als neugebildete Mannigfaltigkeit erschien, einer Metamorphose von präexistirenden Verschiedenheiten seinen Reich thum an sinnenfälliger Mannigfaltigkeit verdankt. So werden wir zunächst geneigt sein, die Berge und Thäler unserer Erde rein als im Laufe des Erdgeschehens neu gebildete Mannigfaltigkeiten aufzufassen; und doch belehrt ein tieferes Nach- denken, dass in der durch Abkühlung zuerst erstarrten Erdkruste bei weiterer i\.bkühlung und Verkleinerung des Erdinnern und der dadurch bedingten Stauung der harten Rinde in sich selbst Sprünge und Einstülpungen, als die ersten Anlagen von Berg- und Thalbildung, immer nur an den Stellen jeweilig vorhandenen geringsten Wider- standes entstehen konnten, ebenso wie in späterer Zeit ceteris paribus Erosionsthäler an den Stellen geringsten Widerstandes gegen die lösende und mechanische Kraft des Wassers [ausser an den Stellen stärkerer Einwirkung solcher Kräfte] sich bilden mussten. Es waren also als Vorbedingungen so reicher Berg- und Thalbildung schon zahlreiche Ungleichheiten in der Erdrinde vorhanden, welche ihrer- seits weiterhin von Ungleichheiten in der Zusammensetzung der Erde zur Zeit der Erstarrung abhängig waren ; und diese wiederum müssen von Verschiedenheiten in der Bewegung, Wärme oder Mischung der Theile schon zu Zeiten herstammen, in denen wdr uns mit Kant und LArLACE das Weltall noch als ein in Bewegung befindliches Gasgemisch vorstellen. nitionen ausführlich theoretisch behandelt von A. Weismann mit dem Ergebpiss der fast reinen Evolution (s. das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung 1892) und von 0. Hertvvig mit dem Ergcbniss der fast reinen Epigenesis (Aeltcre und neuere Ent- wicklungstheorien 1892 ; Präformation oder Epigenesis? 1894), während mir ein an- nähernd gleicher Antheil beider Principien richtiger zu sein schien, trotz der von mir (Nr. 22) nachgewiesenen Selbstdiffenzirung der vier ersten Furchungszellen ; neben dem Antheil letzterer wurde von mir stets auch auf den Antheil differen- zirender Correlationen hingewiesen (s. Nr. 18 S. 477 u. f.). wie entgegen irr- thümlicher Unterstellungen bemerkt sei (s. Nr. 26 S. 52, Nr. 27, Nr. 28 und :31).J ■ Metamorphose von Mannigfaltigkeit. l''l)(,'nso w(M"(l(Mi wir iiielit annolmu'ii dürfen, dass die liocli- gradige Mannigi'altigkeit feiner Rel ief verseli iedenhei ten die auf der Brueli fläche irgend eines von uns erzeugten scheinbar homogenen Gebildes, sei es z. B. der gebrochenen Achse einer Locomo- tive oder eines zersprungenen Fernrohrobjectives sich darbietet, allein derjenigen Kraft, welche die Zusamraenhangstrennung bewirkt hat, ihre Entstehung verdankt ; denn diese feinen Verschiedenheiten folgen nicht den Richtungen stärkster [416] Kraftvertheilung. Die Ab- weichungen von diesen letzteren finden vielmehr ihre Ursache in Un- gleichheiten der Spannungen zwischen den einzelnen Theilen, welche ihrerseits wieder von ursprünglichen Verschiedenheiten des Materiales oder der Bewegung und Abkühlung seiner Theile herrühren. Aus dieser Einsicht ist indes nicht zu folgern, dass in letzter Instanz alle Mannigfaltigkeit, welche wir wahrnehmen, bei genügend tiefem Eindringen unserer Erkenntniss sich blos als Metamorphose schon vorhanden gewesener Verschiedenheiten als Evolution erweisen würde. Im Gegentheil, es gibt Arten der wirklichen Neuer- zeugung, Epigenesis unzählbarer Verschiedenheiten aus wenigen einfachen Bedingungen. Nehmen wir z. B. an, es gäbe ein Stück nach allen Richtungen hin vollkommen isotroper Substanz, und es wäre möglich gewesen, eine Billardkugel daraus zu drehen , ohne die elastische Isotropie zu stören, so würde doch der erste Stoss schon diese (Tleichheit für immer vernichten, sofern das Material nicht zugleich auch absolut vollkommene Elasticität besässe. Könnten wir diese Kugel nach dem einen Stosse in eine Macerationsfiüssigkeit legen, welche alle Theile ungleicher Dichtigkeit von einander löste ohne den Zusammenhang gleich dichter Theile zu alteriren , so würde dieselbe in eine unzählbar grosse An- zahl um den x-Vnstosspunkt geordneter Schalen zerlegt werden und uns so augenfällig das unermessliche epigenetische Schaffens- vermögen der Natur demonstriren. Um letzteres in Wirklichkeit zu thun, Ijrauchen wir nur die äquipotentialen Linien eines von zwei Punkten aus durch eine ge- eignete Metallplatte geleiteten elektrischen Stromes sich selber dar- stellen zu lassen, oder einem Magneten durch Ueber-ihn-Halten einer •yo. 8 Nr. 13. Einleitung zu den Beiträgen zur Entwickelungsmechanik des Embr mit Eisenpfeilspänen bestreuten Glasplatte unter leichter Erschütte- rung derselben r4elegenheit zu geben, Faradey's magnetische Kraft- curven zu bilden, oder noch einfacher einen Tropfen farbiger Flüssig- keit in ein Glas ruhenden Wassers fallen zu lassen ^). Um weiter in die Probleme der Entwicklung eindringen zu können, müssen wir weiterhin die Evolution, die Umwandlung verborgener Mannigfaltigkeit in wahrnehmbare durch Ana' lyse objectiviren und sie so ihres subjectiven Charakters entkleiden. [417] In Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit unserer Sinne, in deren Wahrnehmnngsbereich die Vorgänge fallen sollen, speciell in Anknüpfung an das Gesichtsorgan, mit welchem wir l:)is jetzt allein die Entwicklung der uns später beschäftigenden Gebilde zu beobachten vermögen, kann das Wahr nehm bar wer den beruhen: Erstens auf einem einfachen Grösserwerden, unter vollkommener Er- haltung aller Proportionen, also auf gleichmässigem Wachsthum nach allen Richtungen hin, wie es z. B. bei der Krystallbildung, wohl nie aber im organischen Geschehen rein vorkommt. Zweitens kann die nicht wahrnehmbare Mannigfaltigkeit, ohne Aenderung ihr später wahrgenommenen räumlichen Dimensionen, in ihrer Natur derart verändert werden, dass sich ihre bisher unsichtbar ungleichen Theile nunmehr auch gegen das Licht also gegen die Form von Energie ungleich verhalten, welche die Be- ziehungen zwischen der Aussenwelt und unserem Auge vermittelt. Dies kann z. B. bei der unsichtbaren Schrift eines mit gelöstem Cabaltchlorür geschriebenen Briefes durch Erwärmen desselben ge- schehen . da dadurch das farblose Hvdrat des Salzes sein Wasser [') Sind die Bedingungen zur Produktion dieser Mannigfaltigkeit in verschie- denen Fällen ganz dieselben, also typische, so muss auch die producirte Mannigfaltigkeit in diesen Fällen die gleiche, also typische, werden, so wie es bei den Nachkommen eines Elternpaares der Hauptsache nach auch der Fall ist. Es ist aber infolge des steten Wechsels der äusseren Verhältnisse sehr schwer, künstlich ganz die gleichen Bedingungen herzustellen. Soweit solche typische Epigenese bei der individuellen Entwickelung vorkommt, müssen daher ganz besondere feste und wohl auch noch durch Selbstregulationsmechanismen soweit als nöthig in ihrer Constanz besonders gesicherte Erzeugungsbedingungen vor- handen sein; ist dies aber der Fall, dann kann auch unendlich viel typische Mannigfaltigkeit auf diese Weise hervorgebracht werden, wie ich entgegen Wkismann vertrete.] Combinatioii von Evolution und Epigenesis. verlier! und dabei eine blaue Farbe anninnnt; oder dasselbe findet statt, wenn der Photograph das nocli unsichtbare T-)ild auf der ex- ponirten Platte durch Uebergiessen derselben mit gelöstem schwefel- sauren Eisenoxydul wahrnehmbar macht und so, wie er sagt: ,, ent- wickelt". Dasselbe geschieht seitens des Mikroskopikers täglich, indem er optisch von ihrer Umgebung nicht differenzirten Gewebebestand - theilen nach J. Gehlach's Methode durch 'Einlegen des ganzen Gewebes in Farbstofflösungen Gelegenheit gibt, ihre eventuellen chemischen Verschiedenheiten in einer sichtbar werdenden Weise zu bethätigen. Oder indem wir die unsichtbaren ultrarothen oder ultraviolleten Strahlen des Spectrums durch die Phosphorescenz des Schwefelcalciums resp. durch die Fluorescenz des schwefelsauren Chinins in sichtbare Strahlen verwandeln. Um eines der oben schon erwähnten Beispiele heran- zuziehen, so wurde der Einblick in die verborgene Mannigfaltigkeit des Inneren der Locomotivenachse dadurch gewonnen, dass deren Festigkeit durch äussere Krafteinwirkung über ihre Grösse in An- spruch genommen wurde, wodurch an den Stellen geringster Festig- keit eine Continuitätstrennung stattfand, die uns in der Formenmannig- faltigkeit der [418] Bruchfläche einen Theil der vorhanden gewesenen Mannigfaltigkeit ungleicher innerer Kraftwirkungen oiäienbarte. Drittens können diese beiden Arten: das Wahrnehmbarwerden durch einfache Vergrösserung und dasjenige durch Umänderung der Natur der Verschiedenheiten, mit einander vereinigt vorkommen. Dies z. B. wenn die Schwingungen einer Stimmgabel durch Reflexion eines Flammenbildes unter Benutzung eines rotirenden Spiegels an der Wand vergrössert sichtbar gemacht werden. Das vergrösserte Bild der Schwingungen wird dabei zugleicli durch den rotirenden Spiegel in der Rotationsrichtung auseinandergezogen und so defor- mirt. Die Deformation kann dabei je nach der Einrichtung des Apparates unabhängig von der Gesammtvergrösserung des Schwin- gungsbildes stattfinden, oder beide können untrennbar mit einander verbunden sein. Letzteres ist vielleicht bei mehreren Evolutions- vorgängen der embryonalen Entwicklung der Fall, z. B. wenn ein Ge- misch mit ungleicher Wachsthumsfähigkeit begabter Theile Gelegenheit erhält, diese Ungleichheit zu bethätigen [wie 10 Nr. 13. Einleitung zu den Beiträgen zur Entwickelungsmechanik des Embryo. z. B. eine Kngel von Brodteig, dem aber an verscliiedenen Stellen verschiedene Mengen von Hefe zugesetzt war, wenn sie in die nöthige Wärme kommt]; hierbei werden die Theiie mit Nothwendigkeit ihre relative Lagerung zu einander ändern müssen und auch bei ur- sprünglich einfachster Gestalt des Ganzen eine Mannigfaltigkeit äusserer Formen produciren [welche um so grösser wird je länger diese Be- thätigung andauert]. Und es ist weiterhin anzunehmen, dass die im Wechsel der Bewegung und im Wechsel der Substanz fortwährend neu erzeugten typischen Anordnungen der Atome und Moleküle der organisirten Gebilde, welche ich als Metastructuren (siehe Nr. 17 S. 19) bezeichnet habe, auch bloss unter gleichzeitiger Metamorphose dieser Anordnung ins Grosse sich umzul)ilden oder umgebildet zu werden vermögen. Ausser der Metamorphose, welche die Wahrnehmbarwerdung hervorbringt, verdient noch die Metamorphose schon wahrnehm- barer Mannigfaltigkeit der Erwähnung. Derartige Verwandlungen würden nach der oben gegebenen Definition der Entwicklung von uns nur insoweit zu berücksichtigen sein, als sie zugleich auch mit Vermehrung der Mannigfaltigkeit verbunden sind. Doch wie schon hierin der Sprachgebrauch nicht sehr streng geschieden hat, so werden auch wir Veranlassmig haben, diesen von R. Virchow als Metaplasie bezeichneten Vorgang soweit er in der embryonalen [419] Entwicklung vorkommt, mit in den Bereich unserer Untersuch- ungen zu ziehen. Ebenso wie die Unterarten der Evolution, die einfache Ver- grösserung und die Metamorphose, sind auch andererseits die Evo- lution selber und die Epigenesis oft untrennbar mit ein- ander verbunden. So auch in den oben angegebenen Beispielen der Epigenese. Wir werden uns dies an einer eingeworfenen Fenster- scheibe leicht vorstellen können ; die radiären und die concentrischen Sprünge stellen in den Linien stärkster Kraftwirkung die neu produ- cirte Mannigfaltigkeit dar, und die Reliefverschiedenheiten auf den Sprungflächen selber bekunden uns wiederum die ungleichen inneren Zustände, welche vorher schon in der Scheibe präexistirten. Es könnte daher erspriesslich sein, zunächst ganz allgemein Drei Arten von Entwickelnngsmechanik. 11 drei Arten von Entwieklungsmeclianik ans/Ai])il(leii : die Mechanik der Neubildnng von Mannit2;raltigkeii, die Mechanik der Metamorpliose von bloss zu ersclüiessenden Verschiedenheiten in wahrnehmbare, und die Mechanik der Verknüpfung beider primären Typen. Wir werden später Gelegenheit nehmen müssen, uns einen etwas eingehenderen Einblick in diese Gebiete zu ver- schaffen, als es durch die vorstehende kurze Erörterung geschehen ist, da sich die Vorgänge, welche unsere Specialaufgabe bilden, aus dem Zusammenwirken aller drei zusammen- setzen. Wenn wir diese Specialaufgabe von vornherein unter den Ge- sichtspunkt des SpiNozA-KANT'schen Begriffes ,, Mechanismus" gebracht haben, so geschah diese Praesumption in der Voraussicht, dass bei dem materiellen Ablaufe der Entwicklungs Vorgänge des Embryo nichts Metaphysisches in Betracht zu kommen habe, dass diese Vor- gänge durchaus ein dem Gesetze der Gausalität unterstehendes Ge- schehen darstellen. Auf solche Voraussicht allein kann sich auch unser Unterfangen gründen, dieselben erforschen zu wollen. Ich habe diese Voraussicht nicht einfach aus unserer gegenwärtigen Welt- auffassung entnounnen , sondern ich habe es mir Jahre der Ueber- legung kosten lassen, den Möglichkeiten nachzuspüren, wie aus einem relativ oder scheinbar Einfachen ohne entsprechende gestaltende Ein- wirkung von aussen ein so complicirtes und typisch geformtes Ge bilde hervorgehen kann, wie etwa das Hühnchen aus dem [420] Eie. Diese Mühe war, vom Standpunkte der Wissenschaft aus betrachtet, überflüssig, da diese Fragen bereits von den Philosophen eingehends und am vollkommensten wohl von Hermann Lotze ') behandelt worden waren. Es ist hier ein Gebiet, wo der Naturforscher zunächst beim Philosophen in die Lehre zu gelien hat, wenn er seine Kraft nicht an die Erringung von schon Bekanntem verschwenden will; und ich 1) H. LoTZK, Allgemeine Physiologie des körperlichen Lebens 1851, Buch 2, Cap. III. Ein ausführliches Excerpt findet sich bei A. Raubkr (Formbildung und Formstörung in der Entwicklung von Wirbelthieren 1880 S. 52 — 58), welcher seinen eigenen, meiner Auflassung nach leider oft verirrten causalen Untersuchungen eine sorgfältige Zusammenstellung der ersten Keime gleicher Bestrebungen in der älteren Literatur vorausgeschickt hat, worauf hier verwiesen wird. 12 Nr. 13. Einleitung zu den Beiträgen zur Entwickelungsmeclianik des Embryo. kann nicht o-enuo- den Genossen p-leicben Strebens anrathen , die be- züglichen Schriften eingehends zai studiren. Aber da es uns nicht, wie dena Philosophen auf diesem Gebiete, bloss um allgemeine Möglich- keiten, sondern um thatsächliche Wahrheiten zai thun ist, so Averden wir uns andererseits auch sorgfältig vor der üeberschätzung des empirischen Werthes dieser philosophischen Betrachtungen zu hüten und sie bloss als heuristische Principien für unsere mühsamen exacten Einzelforschungen zu benützen haben. Obgleich ich somit, objectiv betrachtet, Kraft vergeudet habe, indem ich mir all das, was von dieser Seite her bereits errungen war, aufs neue selbständig erarbeitete, so will ich diese Arbeit doch nicht für ganz verloren erachten. Es war mir einmal eine hohe Genugthuung zu sehen , dass ich oft bis ins Einzelnste hinein zu ganz denselben Resultaten, ja sogar zur Ver- wendung derselben Gleichnisse gekommen war als H. Lotze; anderer- seits aber hoffe ich, dass mein von vornherein auf die empirische Prüfung der gewonnenen Einsichten gerichtetes Streben mich hat Wege einschlagen lassen, welche sich für diesen Zweck mehr eignen als die des Philosophen, welcher die Probleme, vom Standpunkte unseres Zweckes aus betrachtet, bald zu eng, bald auf lange Zeit hinaus zu weit gefasst hat. Und ich erkenne einen Nutzen schon darin, dass, während Lotze bezüglich der speciellen Erkenntniss der Entwicklungsvorgänge fast ganz resignirt, ich, wenn ich nicht irre, aus der grossen Anzahl auftauchender Probleme dasjenige einfachste derselben herausgehoben [421] habe, welches, mit den empirischen Mitteln unserer Zeit für sich lösbar, mit seiner Lösung zugleich ent- weder den Zugang zur Lösung vieler weiterer Probleme eröffnet oder wenigstens dieselben gegen einander abzugrenzen gestattet und so vielleicht der gesonderten Behandlung zugänglicher macht. Es bedarf wohl keiner besonderen Begründung, dass trotz des Lichtes, welches durch die Decendenzlehre auf die jeweiligen ge- formten Resultate der Entwicklungsvorgänge in jeder Phase der- selben gefallen ist, diese Vorgänge selber einer speciellen causalen Untersuchung bedürfen. Niemand wird den Nutzen der eventuellen Früchte darauf gerichteter Untersuchungen in Zweifel ziehen. Gehen diese doch darauf aus, uns diejenigen Kräfte und Wirkungsweisen Oraanisuien ohne Kntwicklune. 13 kennen zu lehren, denen wir die Entstehung und Erhaltung unserer eigenen Existenz verdanken und mit deren Erkenntniss auch unser ärztliches Handeln ein in viel höherem Maasse wissenschaftliches und daher erspriesslicheres werden wird. Man wird nur bezweifeln können, ob gegenwärtig schon Resul- tate mit diesen Bemühungen zu erzielen sein werden; jetzt, wo be- züglich so fundamentaler Fragen, wie der formalen Bildung des mittleren Keimblattes noch die widerstreitendsten Ansichten vertreten werden; jetzt schon, da wir nicht nur nicht die Eigenschaften des Keimplasmas, sondern nicht einmal die wesentlichen Eigenschaften der organisirten Substanz überliaupt kennen. Der letztere dieser Einwände wird dadurch vor der Hand beseitigt, dass es niederste organische Wesen gibt, die keine individuelle Entwicklung durchmachen, sondern, wenn sie eben durch Th eil- ung selbständig geworden sind, schon die Grenze ihrer structurellen Aus- bildung erreicht haben. Daraus erkennen wir, dass die individuelle ,, Entwicklung" nicht eine nothwendige Folge der Lebensprocesse an sich ist, dass sie also etwas zu diesem geheimnissvollen Grund- stock des Lebens Hinzugekommenes ist, welches daher viel- leicht auch eine Strecke weit mit Erfolg verfolgt werden kann, ohne dass zuvor eine tiefere Einsicht in diese Grundlage selber gewonnen worden ist. So bleiben uns zunächst die I]igenschaften unbekannt, denen das Keimplasma seine Entwicklungsfähigkeit verdankt, und die Vor- gänge der Entwicklung selber. Diese aber, welche der descriptiven [422] Erforschung des normalen Bildungsgeschehens unzugänglich ge- blieben sind, sollen es gerade sein, welche durch unsere andersartige Inangriffnahme allmählich ihr Wesen zu enthüllen gezwungen werden. Die Methode dieser Forschungen wird nicht eine technisch bestimmte, einheitliche sein können, wie z. B. die Methode der Färbung successiver Querschnitte oder der Reinculturen , welche gegenwärtig- ganze Forschungsgebiete beherrschen ; sondern es werden fast mit jeder neuen Aufgabe neue Methoden, zumeist experimentellen Charakters zu erfinden sein. Die einzige universelle Methode unserer 14 Nr. 13. Einleitung zu den Beiträgen zur Entwicklungsmechanik des Embryo. Forschungen kann, wie ich schon anderwärts ausgeführt habe [siehe unten Seite 23], nur das causale, also ,, analytische" Denken abgeben. Dieses aber muss nothwendig einer solchen i^rbeit voraus- gehen, wenn sie nicht auf Abwege führen und nach der Ausbeutung eines vielleicht zufällig gemachten Fundes stehen bleiben, sondern stetig weiter führen soll. Nachdem ich mich dieser analytischen Arbeit unterzogen habe, liegt eine gewisse Versuchung darin, die theoretischen Ergebnisse derselben schon jetzt mitzutheilen ; und ich würde ihr vielleicht nachgeben, wenn ich nicht wüsste, dass der Mehr- zahl der P^achgenossen weniger an der Erkenntniss selber, als blos an den mit ihrer Hilfe gewonnenen neuen concreten Kennt- nissen gelegen ist. Daher werde ich mich begnügen, den Leser successive, mit den greifbaren Früchten zugleich, von d en Ergebnissen der Analyse zu unterrichten (s. Nr. 28). Diese letztere zeigte viele causale Fragen auf, welche der ex- perimentellen Methode schon jetzt zugänglich sind. Fast alle aber führten im Weiterverfolgen zu einer und derselben grossen Vorfrage, zu einer Alternative, von welcher aus die causale Auf- fassung fast aller Bildungsvorgänge in zwei wesentlich ver- schiedene Bahnen gelenkt wird. Dies ist die Frage: Ist die Ent- wicklung des ganzen befruchteten Eies resp. einzelner Theile desselben „Selbstdiff erenzirung" dieser Gebilde resp. Theile oder das Product von ,, Wechselwirkungen mit ihrer Umgebung''? Eventuell, welches ist der Antheil jeder dieser beiden Differenzirungsarten in jeder Entwick- lungsphase des ganzen Eies und seiner einzelnen Theile? [423] In der Beantwortung dieser Frage liegt meiner Einsicht nach der Schlüssel zur causalen Erkenntniss der embryonalen Entwicklung. Diese Fragestellung wird vielleicht zunächst befremden, da es ,,Selbstdif ferenzirung im Sinne der x4,enderung des Be- wegungszustandes eines einzelnen Körpers ohne äussere Einwirkung zufolge des Galilei 'sehen Beharrungsgesetzes nicht geben ka nn. Selbstdifferenzirung, abhängige Differenzirung. 15 Wir verstehen daher das Wort Selbstdifferenzirung-^) in einem hesonderen, zweierlei Unterbedeutunoen unrfassenden Sinne. Einmal bedentet es, dass die damit bezeichnete Veränderung einer Summe von materiellen Theilen in gegenseitiger Lage, in Bevvegungszustand oder sonstiger Besehaifenheit entweder rein zufolge der dieser Summe eigenen Energie, also ohne Aufnahme äusserer Energie vor sich geht, oder zweitens, im Falle zu der \"eränderung Aufnahme von Energie nothig ist, dass die aufgenommene Energie nicht die specifische Natur der mit ihrer Hülfe vorsieh gehenden Veränderung bestimmt. Somit bedeutet Selbstdifferenzirung eines ,,Systemes" von Theilen, dass entweder die Veränderung in ihrer Totalität, oder doch die „specifische Natur" der vor sich gehenden Veränderung durch die Energien des Systemes selber bestimmt wird. Da jede Wirkung vom Einen auf ein Anderes immer eine Wechsel- wirkung ist, so wollen wir das Gegentheil der Selbstdifferenzirung, die Differenzirung durch äussere Einwirkung als correlative [oder abhängige] Differenzirung-) bezeichnen und unter ihr also verstehen die Veränderung ,, einer der Betrachtung unterworfenen Summe ma- terieller Theile" durch Aufnahme oder Abgabe von Energie, sofern die specifische Natur der Veränderung durch diese zuge- führte oder abgegebene Energie bestimmt wird, einerlei ob bei der Veränderung die eigene Energie des Systems mitwirkt oder nicht. Die aufgestellte Distinction ist, wie man sieht, keine rein dyna- mische, da sie sich nicht wesentlich auf die Aufnahme oder Abgabe von Energie gründet, sondern bloss darauf ausgeht, den ,,Sitz" der- jenigen AI terations Ursachen eines in seiner Veränderung betrachteten ,,Systems" [424] zu bezeichnen, welche die speci- fische Natur dieser Veränderung bestimmen [s. Nr. 18 S. 482, Nr. 27 S. 281. Nr. 28 S. 617]. Diese Einschränkung wnrd sich in den Abhandlungen, w^elche auf den in obiger Fragestellung bezeichneten nächsten Zweck ge- [1) Differcntiatio sui, s. Nr. 28 S. 664]. [^) Differentiatio ex alio, .s. Nr. 28 S. 604]. 16 Nr. 13. Einleitung zu den Beiträgen zur Entwickelungsmechanik de.s P^mbryo. richtet sind, als praktisch nützhch erweisen. Die auf sie gegründeten Bezeichnungen werden aber auch dann noch brauclibar bleiben, wenn wir, nach Gewinnung der Hauptübersicht von diesem Standpunkte aus, die Probleme in ihrer physikalischen Totalität zu erfassen und die Uebertragungen und Transformationen von Energie bei jedem einzelnen Entwicklungs vorgange genau festzustellen streben, sofern ihnen dann nur die nöthigen weiteren Unterscheidungsmerkmale bei- gefügt werden. Wir werden dann eine vollkommene^) und eine unvollkommene Selbstdifferenzirung unterscheiden, letztere wieder in zwei Unterarten getrennt, je nachdem bei der Selbstditferenz Energie aufgenommen oder abgegeben werden muss; die abhängige Differenzirung hat als Unterart noch die passive D ifferenzirung zu erhalten. [Genaueres siehe Nr. 28 S. 665.] Bezüglich ,, bestimmter Theile" des Eies oder des Embryo können wir also fragen, ob ihre Entwicklung Selbstdifferenzirung oder ab- hängige Differenzirung ist. Statt aber so die Gebiete von vornherein willkürlich räumlich zu umgrenzen und nach der inneren oder äusseren Lage ihrer Differenzirungsursachen zu forschen , können wir auch umgekehrt die Systeme ursächlich abgrenzen, derart, dass jedes System alle zu einem Dift'erenzirungs v o'^r g a n g e beitragenden Ursachen um- fasst; darnach fällt die obige Alternative aus und die Aufgabe wird: die Gewinnung der Topographie der zusammenwirkenden Differenzirungsursachen für jeden einzelnen Entwick- lungsvorgang. Aus dem Vergleiche dieser Topographie der Ursachen mit der Topographie des von ihnen geschaffenen Diff enzirungsproductes würde dann die obige Alternative von selber ihre Lösung hnden. Jeder Forscher, der sich eingehend mit Entwicklungsmechanik befassen wird, wird linden, dass er bei der causalen Beurtheilung jedes sichtbaren Entwicklungsgeschehens immer wieder zunächst auf diese Frage stösst; und keine specieU e Unter- [') Ganz vollkommene Selbstditferenziruni; eines (jebildes kann es, wie oben (S. 14) schon erwähnt, nicht geben; denn mindestens muss die Auslösung, der erste Anstoss, wie z. B. das Anzünden eines complicirten Feuerwerkes, von aussen kommen.] Selbstdittcroiiziruiii;- des guiizeji Eies. 17 suchiiug, welche wir auf diesem Gebiete vornehmen können, kann uns wirklichen [-1:25] causalcn Aufschluss geben, wenn sie nicht wenigstens bis zur Ijösung dieser Frage in Bezug auf den untersuchten \'organg fortgeführt worden ist. Wenn aber im Laufe der nächsten Jahre durch Lösung einer grösseren Anzahl derartiger Einzelfragen der Wirkungsumfang jeder dieser beiden Principien annähernd festgestellt ist, dann werden wir schon tief ein- gedrungen sein in den jetzt noch geschlossen vor uns liegenden Com- plex unbekannter, eng untereinander verketteter Probleme. Die Frage, ob die Entwicklung des befruchteten E i e s , im Ganzen betrachtet, Selbstdifferenzirung ist, oder ob zum normalen Ablaufe der Entwicklung directe differenzirende Einwirkungen von der Aussen- welt nöthig sind, ist durch den bereits publicirten Beitrag 11 [Nr. 19] bezüglich der formalen Entwicklung des Froscheies im Sinne der Selbstdifferenzirung entschieden. Denn es zeigte sich, dass keine der regelmässig vorhandenen Kraftformen , weder die Schwere , noch der Erdmagnetismus, noch Licht- und Wärraestrahlen, in constanten oder vielleicht in bestimmter Weise wechselnden Richtungen für den normalen Ablauf der Entwicklung noth wendig sind^); Kräfte aber, welche in beliebig wecliselnden oder vom Zufall ab- hängigen Richtungen auf ein Gebilde wirken, können nicht im Stande sein, eine bestimmte ,, typische" Gestaltung an ihm „hervorzubringen." Ist so erkannt, dass die typische for: i) Dieses Resultat wurde durch laugsame Umdrehung der Eier in einer vertiealen Ebene während der ersten Tage der Entwicklung gewonnen. E. Pflüger hat es in seiner jüngsten Publication (Arch. f. d. ges. Physiologie Bd. 34) für ange- messen gehalten, diese Widerlegung seiner Auffassung von der noth wendigen ge- staltenden Wirkung der Schwerkraft für die normale Entwicklung unerwähnt zu lassen und sich dagegen zur Stütze dieser Auffassung auf A. Rauber zu berufen, welcher gleichfalls Eier hat rotiren lassen. Räuber hat aber erstens die Eier in einer wag- rechten Ebene rotiren lassen, so dass die Schwerkraft gar nicht in jedem Momente in anderer Richtung auf das Ei wirkte; zweitens hat er die Scheibe sich stets so schnell drehen lassen, dass die Centrifugalkraft auf die Eier einstellend wirkte und also selbst, wenn er, wie er irrthümlicherweise angibt, die richtende Wirkung der Schwerkraft auf diese Weise ganz hätte aufheben können, doch eine andere Kraft constant richtend auf das Ei wirkte. Somit lassen Rauber's Versuche gar keinen Schluss über die Entwicklung bei Aufhebung jeder richtenden äusseren Einwirkung zu; während die meinigen direct beweisen, dass bei Aufhebung jeder richtenden äusseren Einwirkung die Entwicklung normal vor sich gehen kann. W. RouX; Gesammelte Abhandlungen.il. 2 18 Nr. 13. Einleitung zu den Beiträgen zur Entwickelungsmeclianik des Embryo. male [426] Entwicklung des Eies im Ganzen als Selbst- diff erenzirung zu bezeiclineu ist, .so folgt aber nocli nicht daraus, dass Licht und AVärme nicht vielleicht als Vor- bedingungen der Entwicklung überhaupt unerlässlich not big sein könnten , oder dass nicht die Seh w e r k r a f t einen f o r male n Einfluss auf die Entwicklung auszuüben vermöchte. Vielmehr sprechen bekanntlich die Thatsachen dafür, dass die Wärme diejenige Energie ist, deren Zufuhr den Eiern mancher Thiere wde den Samen der Pflanzen erst (he Gelegenheit gibt, ihre Innern Un- gleichheiten in Wachsthum und qualitativer Veränderung zu be- thätigen, ähnhch wie leise Erschütterungen der mit Feilspänen be- streuten Glasplatte erst dem darunter gehaltenen Magnete Gelegenheit verschafften, die Eisentheilchen längs der Kraftlinien zu ordnen. Und ebenso lassen Froscheier, welche entgegen der umkehrenden Tendenz der Schwerkraft durch Zwangslage mit dem weissen Pole nach oben erhalten werden, häufig Missbil düngen hervorgehen. Die f^rkenntniss , dass die typische formale Entwicklung des Froscheies im Ganzen als Selbstdifferenzirung aufzufassen ist, gibt unserer zunächst vorzugsweise auf das Morphologische der Entwick- lung gerichteten Untersuchung eine sehr angenehme Umgrenzung dadurch, dass wir die ,, typisch" gestaltenden Kräfte bloss im b e f r u c h t e t e n E i s e 1 b e r z u s u c h e n h a b e n. [Eine Einschränkung siehe Nr. 22, S. 114.] Nach Gewinnung dieser Einsicht ist nun weiterhin die Fi-age zu behandeln, ob, eventuell wie weit einzelne ,,T heile" des u n g e f u r c h t e n and gefurchten Eies, der B 1 a s - tula, Gastrula etc. sich gleichfalls aus sich selber zu d i f f e r e n z i r e n vermögen, oder ob ihre Entwick- lung nur unter dif f er enzir enden Correlationen vieler oder aller Theile vor sich gehen kann. In der Behandlung dieser Aufgabe werden sich meine nächsten bezüglichen Untersuch- ungen mit Ansichten und Bestrebungen von Pander ^) , His ^), Köl- ') Chr. H. Pander, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Hühnchens im Ei. Würzburg 1817 S. 40 und Isis 1818 S. 524. ^) VV. His, Unsere Kör^jerform und das physiologische Problem ihrer Ent- stehung 1874. Differenzirungsarten der Eithöile. 19 LiKEPx^), Panim-) u. A. [427J boi;-ogiicii; uud die expe riineniolle Methode wird Fragen zu einer Entscheidung bringen, welche mit der descriptiven jNhHliode vergeblich gesucht worden ist. Der Ausfall der Antwort über unsere Alternative wii'd tui- (Vw Auffassung mehrerer fundamentaler Fragen von bestiimiicuder Be- deutung sein. Es erhellt /Auiächst, dass, wenn viele Theile des P]ies sich rein aus den eigenen, in ihnen liegenden Kräften differenziren , und auf diese Weise die spätere grosse Mannigfaltigkeit entsteht, dass alsdann das Ei schon von vornherein aus vielen verschiedenen Theilen zusammengesetzt sein muss, dass die Entwicklung also wesent- lich Metamorphose von Mannigfaltigkeit, Evolution in un- serem Sinne ist trotz der formalen Epigenesis C. F. Wolff's ; ferner dass bei der Furchung, welche das Material nicht bloss zer- kleinert, sondern wesentlich zugleich auch in gewissem Masse fest localisirt, diese differenten Materialien zugleich in einer der späteren Entwicklung entsprechenden Weise geordnet werden müssen, was nur durch bestimmte qualitative Sonderung bei der Zelltheilung in der nach einem typischen Schema verlaufenden Furchung mög- lich erscheint. Damit werden die causalen Bedingungen der Ent- wicklung vorzugsweise in das Moleculargeschehen verlegt und ent- ziehen sich vorderhand grossentheils unserer w^eiteren Erforschung. Das ganze gefurchte Ei ist alsdann vielleicht bloss die Summe dieser selbständigen Theile, und es ündet während der Periode dieser selbständigen Differenzirung der Theile kein ein- heitliches Zusammenwirken zu einem Ganzen statt; daher kann auch das Ganze keinen regulirenden, gestaltendenEin- fluss auf die Theile ausüben. VV. His' Princip der ,, organbildenden Keimbezirke" erhält dann neben seiner descriptiven zugleich auch eine einfache causale Bedeutung und lässt sich in dieser Bedeutung zurück bis auf das eben befruchtete, zum Tlieil auch noch auf das 1) A. KöLLiKER, Entwicklungsgesctiichte de.s Menschen und der höheren Thiere 1879 2. Aufl. S. 349 u. f. -) P. L. Panum, Beiträge zur Kenntniss der physiologischen Bedeutung der angeborenen Missbildungen. Virch. Arch. 1878 Bd. 72. 2* 20 Nr. 13. Einleitung zu den Beiträgen zur Entwickelungsmechanik des Embryo. unbefruchtete Ei ausdehnen. Die Doppelbildungen müssen zur Zeit der ersten Furchen schon angelegt werden. Wenn dagegen die Entwicklung wesentlich durch Wechsel- wirkung vieler oder aller Theile vor sich geht, so braucht umgekehrt das befruchtete Ei nur aus wenigen verschiedenen Th eilen [428] zu bestehen, welche durch wechselndes Zusannnen- wirken nach und nach grosse Coniplicationen schaffen. Die Entwick- lung ist dann wesentlich Production von Mannigfaltigkeit, Epigenesis in unserem Sinne. Es findet ein wechselseitiges Zu- sammenwirken der Theile zu einem Ganzen statt, wobei ein regu- lir ender Einfluss von dem Ganzen auf die Theile rück- wärts ausgeübt werden kann; und uns ist in der Feststellung dieser Correlationen ein reiches Feld mit den Mitteln der Zeit in angriff- nehmbarer Forschung gegeben. His' Princip der organljildenden Keimbezirke hat dagegen dann nur insofern eine causale Bedeutung, als es die Orte der Resultantenbildung mannigfacher Wechselwirkungen bezeichnet und es ist von nur untergeordnetem Werthe, diese Orte schon vor der Zeit des Eintrittes dieser Wirkungen auf das noch in- differente Keimmaterial des ungetheilten oder unbefruchteten Eies zurück zu projiciren. Die Doppelbildungen können alsdann viel, leicht noch zu einer Zeit angelegt werden, in welcher durch Correla- tion die Differenzirung der Achsenorgane stattfindet. Desgleichen wird unsere Auffassung von dem speciellen Wesen der Befruchtung und von der Art der An th eil nähme des Samens und des Eies an der Bildung des Embryo, sowie rückwärts folgernd auch die Auffassung des speciellen Mecha- nismus der Vererbung von dem Ausfall der Antwort auf diese Frage bestimmt werden; und wir köimen über diese Probleme wohl überhaupt nur von diesem Punkte aus allmählich eine gewisse Sicherheit erlangen. Schliesslich aber können S e 1 b s t d i f f e r e n z i r u n g und a b- h ängige Differenzirung der Theile und damit Evolution und Epigenesis sich wie im organischen Geschehen in mannig- fachem Zusammenwirken combiniren, [eine Art des Ge- schehens, welclie ich als „gemischte Differeuzirung'S diff erentiatio Methodik der causalen Morphologie. 21 mixta bezeichnen will. s. Nr. 28 S. 605)] ; und es wird dann unsere Aufgabe sein, bei der Deutung- unserer Beobachtungen doppelte Vor- sicht und doppelten Scharfsinn aufzuweisen, um die Antheile jedes beider Principien richtig von einander zu sondern. Möge mir in dem Streben nach dieser und weiterer Erkenntniss ein langes fruchtbringendes Wirken vergönnt sein. [Dieser Einleitung seien einige in gewisser Hinsicht ergänzende Worte angeschlossen, die ich einem früheren Referat (Breslauer ärztliche Zeitschrift, 1883, Nr. 15, Seite 164 u. f.) über das bedeutende Werk WiLH. Müller's: Die Massenverhältnisse des menschlichen Herzens (Hamburg 1883) vorausgeschickt habe: ,,Es ist eine gegenwärtig unter den Aerzten verbreitete und nicht selten geäusserte Auffassung, dass die menschliche Anatomie eine im Wesentlichen fertige Wissenschaft sei, welche auch bereits in dem Lehrbuche von Henle ihre codifich^ende Darstellung gefunden habe. Danach bestehe die Aufgabe des anatomischen Lehrers zur Zeit und in Zukunft wesentlich bloss noch darin, diesen Codex sorgfältig zu memoriren und den Zuhörern zu reproduciren ; und mit dem Aufhören der Erwerbung und Verbreitung eigener wissenschaft- licher Ansichten komme dem Lehrer der menschlichen Anatomie nur mehr noch die Rolle eines Schullehrers zu. Weitere wissenschaftliche Bereicherungen seien ausser auf dem Gebiete der Structur des C^entral- Nervensystems nur in sehr geringem und vorwiegend von der Yer- vollkommnung der mikroskopischen Technik abhängigem Maasse mög- lich, und der Anatom müsste, um überhaupt forschend thätig zu sein, sich nothwendig den Thieren zuwenden. Die Vertreter dieser sicher nicht von tiefster Einsicht zeugenden Auffassung wird es befremden, wenn ich ihnen entgegen die Be- hauptung ausspreche: Die menschliche Anatomie ist^ gegen- wärtig gerade so weit gefördert, um ihrem Vertreter zu gestatten, gestützt auf das vorliegende reiche descriptive Kenntnissmaterial dieser am besten gekannten Species, von höheren Gesichtspunkten aus die Untersuchung des Menschen mit Aussicht auf eine reiche 22 Nr. 13. Einleitung zu den Beiträgen zur Entwickelungsmechanik des Embryo. Ernte noch einmal von Grund ans beginnen zu können. Nach annähernder Erschöpfung der rein descriptiven Methode, ferner des bis- her nur innerlialb eines beschränkten Aussichtskreises verwertheten phy- siologischen Gesichtspunktes und nach einem Uel^erblick vom verglei- chenden Standpunkte aus sind wir wohl genügend mit Vorkenntnissen ausgerüstet, um mit einiger Aussicht auf Erfolg nach dem alle anderen überschauenden causalen Gesichtspunkte empor- zustreben, von welchem aus nicht bloss mannigfache neueThat- sachen zu erkeimen sein werden, welche von den anderen Gesichts- punkten aus nicht wahrnehmbar waren, sondern von welchem aus auch noch ein Einblick in das wirkliche morphogenetische Geschehen an sich, in das Zusammenwirken der die normalen Formen gestaltenden Kräfte gewonnen werden kann. Mit solcher Kenntniss der Gausalzusammenhänge werden wir von der .,Kenntniss" des Thatsäch liehen zur ,,Erkenntniss" desselben fortschreiten und dadurch nicht nur unserem Intellecte eine höhere Befriedigung gewähren und dem Lernenden die Arbeit interessanter und leichter machen ; sondern der Anatom wird zugleich in den Stand gesetzt werden, auch der Pathologie manche neue Anregung zu geben und manchen tieferen Einl)lick in das Wesen der pathologischen N^orgänee zu o-estatten, welchen" für das ärztliche Handeln und für den Erfolg desselben bestimmend sein wird. Schon sind in dem letzten Decennium einige Früchte dieser neuen Untersuchungs weise zu verzeichnen gewesen. Die Ausübung dieser causalen Forschung ist keineswegs an eine Vervollkomm- nung der technischen Methodik gebunden. Im Gegentheil, manche der älteren Methoden wird dabei wieder zu Ehren kommen, und die gegenwärtig das allgemeine Interesse beherrschende Farben schale in Verbindung mit dem Microtom sinken zu Hilfsmitteln neben vielen anderen herab; sie stehen gleichwerthig neben Pincettc und Scallpell, neben Scheere und Schraubstock, neben Waage und Maassstab, und zu diesen werden sich noch Volumenometer und Aräometer, Gonio- meter und Planimeter, Glühtiegel und Bürette und andere Instrumente aus den Laboratorien des Physikers und Ghemikers zu gesellen haben. Die Universal metho de des causalen Anatomen wird ebenso- Methodik der causalen Morphologie. 23 wenig die Anwendung des Messers wie des Farbstoffes oder des Miiasses, sondern einzig die (leistesunatomie, das analytisclie, cansale Denken sein. Die formbildenden Ursachen des Organismus sind uns zur Zeit noch grösstentheils unbekannt. Zu den im Principe bereits am läng- sten bekannten forml)ildenden Ursaclien gehört die Function, die Voll- ziehung der Function. So alt aber hier die Kenntniss der Thatsache im Allgemeinen ist, so verhältnissmässig gering ist die Kenntniss der speciellen Thatsachen und so neu ist die Kenntniss der Art, wie ihre zweckmässig gestaltenden Wirkungen sich vollziehen. Unsere speciellen Kenntnisse dieser ,, gestaltenden Wirkung der Function" oder der functionellen Anpassung strebt die obenstehend mit ihrem Titel bezeichnete Arbeit zu vermehren; und ich hoffe durch Skizzirung der reichen Resultate derselben den Leser zu überzeugen, dass in der That die Anatomie auch unsere ,, Kenntnisse" noch wesentlich be- reichern kann, selbst schon bei weitergehender resp. causaler An- wendung des an sich nicht neuen functionellen Gesichtspunktes, und dass demnach die Anfangs citirte Ansicht von dem Fertigsein der menschlichen Anatomie nicht die Präsumtion der Richtigkeit er- heben darf. Das Thema der vorliegenden Arbeit ist eines der häufigst be- arbeiteten; und kaum wohl hätte man erwartet, durch eine erneute Untersuchung viel Neues zu erfahren. Da ausser dem Sujet auch die technische Methode der Untersuchung nicht von den früher ver- wandten Älethoden abweicht, so muss die Gewinnung der neuen Resul- tate von dem, was der Autor von sich aus hinzu thun kann, abhängig gewesen sein. Dies ist in der That der Fall. Unermüdlicher, jahre- lang auf dasselbe Thema verwandter Fleiss, kritische Schärfe in der AVahl und Verwerthung des Materials sowie in der Erörterung der Ergebnisse, besonders aber eine dem Beginne der Arbeit voraus- gehende, bis in die letzten bekannten Componenten fort- gesetzte Analyse sind die Factoren, welchen wir die Bereicherung unseres Wissens durch die vorliegende Arbeit zu danken haben."] Nr. 14. Die Entwieklungsmeehanik der Organismen, eine anatomisclie Wissenschaft der Zukunft. Festrede gehalten in Anwesenheit Seiner Excellenz des Herrn Unterrichtsniiuisters Dr. Gautsch von Frankenthurn . zur Feier der Eröffnung des neuen k. k. a n;iiom is ch en Institutes zu Innsbruck am 12. November 1889. 1 nli A 1 t. Seite Bisherige Richtungen der Anatomie s. Morpliologic 26 1. beschreibende 26 2. physiologische 26 3. entwickelungsgeschichtliche 26 4. vergleichende 27 Die ursächliche Richtung oder Entwicklungsmochanik der Organismen . . 27 Methoden derselben 29 1. descriptive • ■ 30 2. vergleichende . 30 3. Benutzung der Varietäten 31 4. experimentelle 32 Analytisches Experiment 32 Causale Analyse der Leistungen : 1. der Zellen 33 physikalische Erklärungen 33 Nachahmung der C o p u 1 a t i o n der U e s c h 1 e c h t s k e r n e . 34 2. der höheren Organismen 35 Bisherige Richtungen der Anatomie. 25 Seite Formale Analyse 37 Ermittelung des Ortes, der Zeit der Ursachen -^^ Ermittelung „beständiger WirkungsAveisen" 39 Ursache der „Einheitlichkeit" des Organismus 40 Morphologische Selhstrogulation: Regeneration, Postgene- ration 41 Compensatorische Hypertrophie nicht fungirender Orgaue .... 43 Nutzen der Pathologie für die causale Morphologie 44 Nutzen der causalen Morphologie der Organismen 47 z. B. für die Orthopädie 48 für die bisherigen Richtungen der Anatomie 51 Euere Excelleiiz! Ho chan sehn liehe Fe st Versammlung! Da mir durch Euere Excellenz der ehrenvolle Auftrag geworden ist, dieses neue anatomische Institut zu leiten und heute vor einer so erlesenen Versammlung zu eröffnen, so sei es mir gestattet, dies mit der Besprechung einer Wissenschaft zu thun, welche neben und mit dem Unterrichte hi diesem Baue gepflegt werden soll , da ich ent- schlossen bin, meine schwache Kraft ihrer Förderung zu widmen. Freilich ist diese Wissenschaft, von der ich sprechen werde, in keinem Stücke dieserfi in Anlage und Ausführung gleich vollendeten Baue zu vergleichen ; denn sie ist nicht nur nicht vollendet oder der Vollendung nahe, sondern es fehlt zu ihr überhaupt noch der Bau- plan; und was wir von ihr zur Zeit haben, ist nicht viel mehr als eine Anzahl regellos gelagerter, zum Theil behauener, zum Theil auch noch unbehauener Steine. Nur wenige der bisherigen Bauarbeiter haben mehrere Steine zu diesem Baue geliefert, und noch wenigere sich bemüht, sie in zu einander passender Weise zu ordnen. Aber der grösste unter uns in Vergangenheit, Gegenwart und weiter Zu- kunft, Carl Erxst v. Baer, hat ihr bereits das Ziel vorbestimmt, und dadurch zugleich Directiven über die Fundirung und Anlage des Baues gegeben. Sie erkennen daraus, dass es eine Wissenschaft der Zukunft ist, von der ich zu sprechen beabsichtige; diese Wissenschaft ist die Entwickluno-smechanik der Oroanismen. 26 Nr. 14. Festrede. Die Anatomie, als die Lehre von den Gestaltungen der Organismen, wird gegenwärtig in vier verschiedenen Weisen be- handelt, die nach und nach aufgetreten sind. Schon im Alterthum suchte man die Theile, welche den mensch- lichen, resp. thierischen Organismus zusammensetzen, in ihrer Be- schaffenheit kennen zu lernen. Solches Streben führte [-t] zur be- schreibenden Richtung in der Anatomie. Diese Richtung lehrt uns auf dem Wege einfacher Formbeschreibung die Gestaltverhält- nisse aller (Organe des Organismus, zeigt uns die Structurverhältnisse derselben und den Aufbau des ganzen (_)rganismus aus den einzelnen Organen. Der Umfang des Stoffes dieser Disciplin ist zur Zeit be- reits ein ausserordentlich grosser, kaum mehr von einem einzigen Menschen zu bewältigender; trotzdem ist sie selbst noch lange nicht ihrer Vollendung nahe. Der Trieb des Menschen, den Zweck, resp. den Nutzen jeder Naturbildung zu erkennen, führte in seiner Anwendung auf den Organisnms schon früh zu der Frage nach dem Nutzen jedes Organes und später des Weiteren nach dem Nutzen jedes Formver- hältnisses der Organe; und diese letztere Frage in ihrer steten Wieder- holung und Beantwortung führte zur Ausbildung der sogenannten physiologischen Richtung der Anatomie. Sie schliesst sich an die Physiologie, an die Lehre von den Verrichtungen der Organe an; und sie war es, die zuerst und in hohem Masse das Material der be- schreibenden Richtung belebte. Diese beiden ältesten Richtungen der anatomischen Wissenschaft waren bis in das vorige Jahrhundert die vorzugsweise gepflegten; und doch blieb auf dieser Stufe der Kenntniss eine B^^age, die früh- zeitig jedem denkenden Menschen sich darstellt, unbeantwortet: die Frage nach der Entsteh ungs weise dieses so complicirt und zweck- mässig gebauten Organismus. Unser Jahrhundert hat mit grossem Fleisse das früher in dieser Beziehung Vernaclüässigte nachgeholt , und es ist gegenwärtig für uns ein hoher intellectueller Genuss, zu selien, wie z. B. ein so äusserst verwickelt gebautes Gebilde, wie das menschliche Gehirn, sich nach und nach aus einer oanz einfachen Anlage von zuerst Bisherige Richtungen der Anatomie. 27 drei, dann fünf unt einander eomninnicirenden Blasen hervorbildet; und die Schwierigkeit, eine Uebersieht über den sehliessliehen Fornien- reiehthinn zu gewinnen, ist durch die Kenntniss der Entwicklungs- geschichte ausserordentlich erleichtert. Endlieli hat dieses Jahrhundert noch eine Richtung in hohem Maasse weitergebildet, die vergleichend anatomische, welche die bezüglichen Bildungen bei den Thieren aufsucht und neuerdings unter der Annahme einer genetischen Beziehung manches Licht auf die l'\>rmverhältnisse der höherer Organismen , ganz besonders auf die bei diesen vorhandenen rudimentären , nicht mehr fungirenden Or- gane wirft. Wenn wir uns nun in (Jedanken in eine zukünftige Zeit ver- setzen, in der diese vier zünftigen Richtungen am Ziele [5] der Voll- endung angelangt sein werden, also in eine Zeit, in der alle typischen Theile und Structurverhältnisse des Menschen bis zum kleinsten, mit (Jen vervollkommnetsten optischen Hilfsmitteln wahrnehmbaren Ge- bilde und ihre normalen Variationen fehlerlos beschrieben wären, in der wir z. B. alle typisch gelagerten Ganglienzellen und Nerven- bahnen des Gehirns und Rückenmarkes genau kennten , in der wir ferner den speciellen Nutzen jedes dieser zahllosen Formgebilde er- kannt und auch die Entstehungsweise dieser fast unendlichen Mannig- faltigkeit von Einzelbildungen erforscht hätten, und in der auch die vergleichende Methode ihr Material vollkommen erschöpft hat: Würde sich dann unser Wissenstrieb bezüglich der organischen Formen- bildungen befriedigt fühlen? Wäre die aus diesen vier Richtungen gebildete Morphologie der Organismen dann etwas Vollendetes? Es könnte so scheinen! Und wohl werden viele gegenwärtige Forscher diese Ansicht vertreten. Doch ich muss sagen: „Nein." Denn noch fehlt uns ein grosser Theil, um nicht zu sagen der beste Theil des zur vollen Erkenutniss nöthigen Wissens, es fehlt die Kemitniss der directen Ursachen des Entstehens dieser Gebilde. Das jedem Menschen, wenn auch den Einzelnen in sehr ver- schiedenem Masse angeborene Causahtätsbedürfniss wird durch die vergleichende Anatomie nur zum Theil befriedigt. I 28 Nr. 14. Festrede. Soweit auch die theoretischen Grundlagen dieser Wissenschaft richtig sind, so werden wir durch sie besten Falles doch blos er- fahren, welcher Vorgeschichte das Ei und der Samenkörper ihre gestaltenden Eigenschaften verdanken; aber diese selbst bleiben uns in ihrer Beschaffenheit und in ihren Wirkungsweisen vollkommen unbekannt. Wir wissen sodann noch nicht, welche Kräfte im befruchteten Ei vorhanden sind, und in welcher Anordnung sie sich befinden, dass sie es vermögen, die Entwicklung des Individuums einzuleiten; wir wissen nicht, welche Kraftcombinationen im weiteren Verlaufe die Entwicklung bewirken; kurz, wir wissen nicht, warum aus dem einfach geformten Ei ein hoch complicirter, typisch gebauter Organis- mus hervorgeht, und warum der auf diese Weise ausgebildete Organis- mus trotz stetigen Wechsels des Stoffes lange Zeit sich relativ unver- ändert zu erhalten vermag. Erst wenn wir auch diese Fragen richtig beantwortet hätten, wenn wir zu den Thatsachen der vier erstgenannten Richtungen also noch die Kenntniss hinzugefügt hätten, welchen Kräften und welchen Wirkungsweisen dieser Kräfte jedes Stadium der Entwicklung des Individuums und schliesslich jedes einzelne Organ in Gestalt, Structur, Qualität, Lage und [6] Verbindung seine Entstehung und weiterhin seine Erhaltung verdankt, dann würden wir am Ziele unserer bezüg- lichen Erkenntniss sein und sagen können: Die Morphologie in unserem Sinne ist fertig, die vollkommene Kenntniss und Erkennt- niss der normalen Formenbildung der Organismen ist erreicht. Aber Jeder, der die causalen Wissenschaften kennt, weiss, dass sie nie das Stadium der Vollendung erreichen, da jede neue Kennt- niss von Ursachen neue Fragen nach den Ursachen dieser Ursachen gebiert. Und auch wenn wir von den letzten Ursachen ganz absehen, so ist es doch fraglich, ob wir das von Carl Ernst v. Baer gesteckte Ziel: „Die bildenden Kräfte des thierischen Körpers auf die allgemeinen Kräfte oder Lebensrichtungen des Weltganzen zurückzuführen" ^), je 1) Carl Ernst v. Baer, Ueber Entwicklungsgeschichte der Thiore. Beobacht- ung und Reflexion. Theil I, 1828, p. 22. Metboden der Entwickelungsmechanik. 29 erreichen wei'den, vorausgesetzt, dass die zu Urunde liegende Auf- fassung überhaupt vollkommen riehtig ist. Doch nicht der Besitz der vollen Erkenntniss , sondern das erfolgreiche stetige Streben nach Erkenntniss ist es, was uns Be- friedigung gewährt. Diejenige Wissenschaft, welche uns diese ursächliche Er- kenntniss der organischen Gestaltung mehr und mehr ge- währen soll, verdient den Namen: Entwicklungsmechanik der Organismen und nach dem Principe: a potiori fit denominatio, darf diese Bezeichnung auch auf die Erhaltungsmechanik des bereits Gebildeten, als auf einen gleichsam statischen Fall der ersteren aus- gedehnt werden. Auf welchem Wege aber sollen die Aufgaben dieser Wissen- schaft gelöst, ja nur mit Aussicht auf Erfolg in Angriff genommen werden? Wissen wir doch, dass jede Entwicklungsstufe des Organis- mus aus hundert- oder tausendfachen ^'leichzeitigen Wirkungen sich zusammensetzt, und dass das primäre Geschehen dabei immer ein moleculares , also ein innerhalb unsichtbar kleiner Theile sich voll- ziehendes ist; dass die für uns sichtbaren Vorgänge erst aus zahllosen solchen Einzelvorgängen sich integriren. Wenn wir die Entstehung eines künstlichen Gebildes, z. B. eines Gebäudes, beobachten, so schliessen wir aus den beobachteten Vorgängen sofort auf die Ursachen des Geschehens; wir sehen die Steine fortgetragen und zurechtgelegt durch die Arbeiter, diese er- kennen wir als in ihrem Thun geleitet durch die Anordnungen des Maurermeisters und dieser handelt nach den Befehlen und dem Plane des Baumeisters. [7] Aber wie sollen wir im sich entwickelnden Organismus die ursächlichen Verhältnisse erkennen, wo jeder mikroskopisch kleine Baustein zugleich Bauarbeiter und innerhalb eines gewissen Bereiches wahrscheinlich auch Bauleiter ist? (*) Die Ursachen der organischen Gestaltungen sind uns gegen- wärtig weit weniger bekannt, als die Ursachen der Bewegung der *) Die in Parenthese gesetzten Theile wurden wegen Zeitmangels nicht ge- sprochen. 30 Nr. 14. Festrede. Himmelskörper der Menschheit vor Newton. Und der zukünftige Newton der Bewegungen der den Organismus aufbauenden Theile wird wohl nicht in der glücklichen Lage sein, diese Be- wegungen blos auf drei Gesetze und zwei Komponenten zurückführen zu können. Und trotz unserer organischen CJliemie sind wir über die lebensthätigen Immediatbestandtheile und ihre Eigenschaften nicht mehr orientirt, als die Alchymisten über die anorganischen Körper und deren Eigenschaften. Auf welchem Wege sollen wir nun die Kenntniss der Ursachen der Entwicklungsvorgänge gewinnen V Zunächst wurde auch zur Lösung dieser Aufgabe der Weg der einfachen, aber möglichst genauen Beobachtung des nor- malen Geschehens eingeschlagen, und mit Hilfe des inductiven und deductiven Schliessens wurde aus dem Beobachteten mancher ursächliche Zusammenhang abgeleitet. BALForrt , Eu. v. Beneden, VON Ebner, Waldeyek, Welsmann, Rauber, KLEiNEXBERr;, Strasser, Al. Götte, (j. Schwalbe u. A. , vor Allen aber Wilh. His haben sich dieser Methode mit Erfolg bedient; und letzterem Autor verdanken wir eine ganze Reihe wichtiger ursächlicher Ableitungen. Doch ist nicht zu verkennen, dass die Anwendbarkeit dieser Methode für ursächliche Ableitungen eine sehr beschränkte ist, und dass die auf diese Weise gewonnenen Schlüsse vielfach nicht die für so fundamen- tale Fragen wünschenswerthe Sicherheit darbieten. Es gibt in jedem einzelnen Falle eine ganze Reihe von Möghchkeiten , und oft keine sicheren Argumente für die Auswahl blos einer einzigen von diesen; demi das dabei verwendete Argument, dass das Einfachste auch das Wahrscheinlichste sei, lässt uns hier oft im Stich, schon deshalb, weil wir die organischen Gestaltungsprincipien vielfach nicht genügend kennen, um zu verstehen, was für sie das P^infachste sei (s. Nr. 18, S. 506—515). [8] Und selbst die Benützung der ,,v ergleichen den" Be- trachtung von Verschiedenheiten der normalen Entwick- lung bei einander nahestehenden Thierclassen vermag uns, meiner Meinung nach, nicht vollkommene Sicherheit über die Ursachen dieser Verschiedenheiten zu geben, auch Avenn bei ,, Varia- Analytisches Experiment. 31 tionen" eines Factors ein anderer Factor wiederliolt in derselben Weise geändert sich zeigt. So schien selbst einer der besten der mit dieser Methode abgeleiteten Schlüsse noch zweifelhaft, nämlicli die Deutung Balfoür's^), dass die blos partielle Theilung (Furch ung) der nahrungsdotterreichen Eier verschiedener Wirbelthiere : der Haifische, Knochenfische und ^"ögel in der Art durch die grosse Menge des aufgespeicherten Dotters bedingt sei, dass der Bildungsdotter und damit die theilenden Kräfte für diese Menge quantitativ zu gering seien. Denn im normalen gegenwärtigen Geschehen ist Alles durch Jahrmillionen lange Verbesserung so eingerichtet, dass es vollkommen dem Bedürfniss genügt ; und wenn ein Bedürfniss zur Durchtheilung vorhanden gewesen wäre, würden sicher auch die Kräfte dazu nicht fehlen. Man könnte umgekehrt die ^''ermuthung hegen, die anfängliche Furchung blos eines Theiles des Dotters sei direct functionell bedingt, indem eine weitere Zerlegung zunächst nicht nöthig, vielleicht sogar störend für den Ablauf der ersten Entwicklungsvorgänge wäre. Sicherer führt uns schon die ursächliche Deutung des Zusammen- hanges stets zusammen vorkommender ,, Varietäten" der Ent- wicklung des Individuums. Wenn z. B., wie bereits in mehreren Fällen sich gezeigt hat, beim Fehlen des langen Kopfes des Musculus biceps brachii stets auch der Sulcus intertubercularis, in welchem die Sehne dieses Kopfes normaler Weise liegt, fehlt, so werden wir mit Sicherheit auf eine ursächliche Beziehung zwischen beiden Bildungen schliessen dürfen; und schon unsere heutige geringe entwicklungs- mechanische Einsieht lässt uns des Weiteren folgern, dass nicht die Sehne fehlt, weil ihre Verlaufsfurche nicht angelegt ist, sondern dass der Causalnexus der umgekehrte sein muss. Durch die Verwerthung solcher Vorkommnisse hat auch die vorstehend erwähnte Deutung Balb'our's ein höheres Maass von Wahr- scheinlichkeit gewonnen; indem ich nämlich, allerdings erst in einigen Fällen, beobachtete, dass beim Froschei, welches normaler Weise der totalen Furchung unterliegt, im Falle abnorm grosser Einlagerung 1) Francis M. Balfour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Deutsch von B. Vetter 1880. Bd. I, p. 98 und 104. 32 Nr. 14. Festrede. von Nahrungs- [9] dotier, an Riesen eiern vom Achtfachen des normalen Voknnens zunächst l)los theilweise Zerlegmig (partielle Furchung) eintrat. Doch der Haupt weg, der uns zu sicherer Erkemitniss der Ur- sachen führt, ist der des Experimentes, dieses grossen Hilfsmittels des Menschen, mit dem er die Natur zwingt, auf seine Fragen Ant- wort zu geben, und dem er die riesenhaften Fortschritte in der Er- kenntniss der Natur und in der Dienstbarmachung ihrer Kräfte ver- dankt. Aber das Experimentiren an sich gibt noch nicht die Gewähr, dass wir dadurch vorwärts schreiten in der Erkenntniss, ebensowenig als die zahllosen, Jahrhunderte lang fortgesetzten Experimente der Alchemisten uns in der Erkenntniss der Natur wesentlich gefördert haben. Der rasche P'ortschritt der Chemie seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts, ebenso wie schon vorher derjenige der Physik beruhten auf einer l)esonderen Art des Experimentes, auf dem analytischen Experimente; und um dieses anstellen zu können, rauss ihm das analytische Denken vorausgegangen sein. Bei der somit für die Lösung unserer Aufgabe nöthigen Analyse werden wir einmal "an die bereits vorliegenden analytischen Ergeb- nisse der Biologie anknüpfen müssen, vor Allem an die morphologisch - physiologische Zerlegung der Organismen in Zellen und deren Haupt- bestandtheile : als Zelheib, Zellkern und eventuell Centrosoma. Wir wissen jetzt, dass unser individuelles Leben als Ganzes sich, ähnlich dem Leben eines Staates, zusammengesetzt aus dem Leben vieler, nach Hensen etwa 30 Billionen ^) einzelner, selbstlebender Lidi- viduen, der sogenannten Zellen; wobei jedoch im Organismus die Staats- bürger zumeist nicht das Recht der Freizügigkeit geniessen, sondern grösstentheils an die Scholle, d. h. zwischen ihre Nachbarschaft ge- bannt sind. Indem die causale Forschung an die Leistungen dieser uns zu- sammensetzenden Elementar Organismen anknüpft, können zwei verschiedene Wege eingeschlagen werden. 1) Victor Hensen, Die Naturwissenschaft im Universitätsvevbaiirl. Kiel 1887, p. 6. Nacliahnuing der Copulation der Geschlechtskerne. 33 Einmal köniu'n wir die allgenieiiu'ii gestultcMiden Eigen- schaften, also Eeistungen der einzelnen Zelle zu erklären, also auf bereits bekannte Kraftformen und deren Wirkungsweisen zurück- zuführen suchen. Damit ist bereits begonnen worden; sowohl be- züglich der Zellen innerhalb höherer, besonders pflanzlicher Organis- men, wie auch an niederen, blos aus einer einzigen Zelle bestehen- den Lebewesen. [lOj Bezüglich der Erklärung gestaltender Vorgänge an nieder- sten Lebewesen haben wir z. B. den Untersuchungen Berthold's. Errera's und neuerdings O. Bütschli's sowde des Physikers G. Quincke wichtige Fortschritte zu verdanken. Letztere zeigten, dass die gewöhn- lich fih' automatisch gehaltenen Bewegungen einzelner, freilebender Zellen ausseroj'dentlieh ähnlich sind den Bewegungen, die man an Flüssigkeitstropfen unter Umständen beobachten kann, wie sie auch au diesei] Lebewesen wohl als vorhanden annehmbar sind ; und es gelang ihnen, auf Grund der Experimente eine Theorie für diese Art der mannigfachen Be^vegungserschcinungen aufzustellen^). Solche Bestrebungen sind ausserordentlich lehrreich und die st) gewonnenen Ergebnisse sind unerlässlich nöthige Vorstufen weiterer Erkenntniss. Gleichwohl glaube ich aber nicht, dass sie uns bereits so nahe an die wirklichen Ursachen der bezüglichen organischen ^''or- gänge herangeführt haben, als mehrfacli angenommen wird. Die äusserliclie Ue})ereinstimmung zweier Erscheinungen darf uns noch nicht verführen, auch eine Uebereinstimmung ihrer Ursachen anzunehmen, besonders nicht auf dem Gebiete des Organischen, wo die Verhältnisse so complicirte sind, dass wir sie noch nicht annähernd zu überblicken vermögen. Wie ähnlich, l)is in sehr feine Formen- verhältnisse hinein sind die Verzweigungen der Blutgefässe mit den Verästelungen der Bäume ; und doch sind die ersteren , wie ich ge- zeigt habe (s. Nr, 1 u. 2), durch Anpassung an die Kräfte der in den Blutgefässen strömenden Flüssigkeit bedingt, während die anderen auf statischen Grundlagen beruhende Erscheinungen darstellen. 1) G. Quincke, üeber Protoplasmabewegung. „Biologisches Centralbl." . 1888, S 499—506 und 0. Bütschi,!, Ueber die Structur des Protoplasma's, 1889. W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. ]I. '^ 34 Nr. 14. Festrede. Auch mir ist es schon vor Jahren gehingen, einen räthselhafteu vitalen Vorgang scheinbar nachzuahmen, wie ich bei dieser Gelegen- heit mittheilen will. Es ist räthselhal't, wodurch bei der Befruchtung des Eies die beiden Träger der Vererbungsstoffe, der sehr kleine Samenkern und der etwas grössere Eikern sich innerhalb der grossen Dotter- masse des Eies zusammenfinden; während diese beiden Kerne sich einander nähern, ist sehr ausgeprägt der männliche, in noch zweifelhafter Weise der weibliche Kern^) [11] von einem Kranz radiär geordneter Theilchen umgeben. Wenn man nun experimenti causa auf eine grosse Schale mit trüber gesättigter wässeriger Carbolsäurelösung zwei Tropfen gefärbten C'hloroforms fallen lässt, so entwickelt sich um jeden Tropfen sowohl auf der Oberfläche der Flüssigkeit wie tief in die letztere hinein eine radiäre Strahlung; und sobald diese beiden Zonen sich be- rührt haben, bewegen sicli die Tropfen, auch aus einer Entfernung von mehreren Centimetern , geraden Weges mit stetig zunehmender Geschwindigkeit gegen einander, um sich mit grosser Gewalt zu ver- einigen. Der kleinere Tropfen legt dabei den grösseren Weg zurück, gleich dem kleineren männlichen Kern im Ei. Nimmt man nicht ganz gesättigte Garbollösung und für den grösseren Tropfen statt Chloroform Benzol, so entwickelt sich um diesen Tropfen ein schwacher Strahlenkranz und die Erscheinungen werden damit der geschlecht- liehen Copulation noch ähnlicher. Man könnte wohl versucht sein, auf Grund dieser Ueberein- stimmung der Erscheinungen und des Effectes dieses Ex- perimentes mit dem Copulationsphänomen der Geschlechts- kerne zu glauben, das Copulationsproblem der Befruchtung wäre 1) Ich habe einige Male Andeutungen davon im mikrotomirten Froschei, wäh- rend der männliche Kern .schon auf der zweiten Strecke seines Weges, auf der von mir sogenannten „Copulationsbahn" begriffen war, wahrgenommen. Da nach dem mitgetheilten Experiment auch eine nur schwache Existenz dieses Strahlenkranzes um den weiblichen Kern zu dieser Zeit vielleicht von Wichtigkeit für den Mechanis- mus der Copulation sein kann, so i.st es wünschenswerth, die Thatsachen an günstigeren Objekten noch einmal genau darauf zu prüfen, zumal da der Strahlenkranz im Falle vielmal geringerer Entwicklung als am Spermakern und als vorher bei der Eireifung auch dem besten Beobachter hätte entgangen sein können. [Die neuere Literatur dieser Asteren siehe in Ch. S. Minot, Lehrbuch d. Eutwickelungsgesch. d. Menschen. Deutsch von Kaestner, Leipzig 1894, S. 119.J Nachahmung der Copnlation der Geschlechtskerne. 35 durch dieses [in seinen Wirkungsweisen scheinbar leicht verstcändUche] Experiment gleichfalls mechanisch gelöst. Doch bei genauerem Ueber- legen erkennen wir, dass dieser künstliche Copulationsvorgang nicht nur mit anderen Stoffen, sondern unter Mithilfe einer Wirkungsweise sich voHzieht, für welche im Ei keine Gelegenheit gegeben sein kann, denn er beruht zum Theil auf der Ausbreitung der rasch sich bil- denden Dämpfe des Chloroforms, resp. Benzols ^). Man könnte der Ansicht sein, um methodisch vorzugehen, müsste die Forschung durchaus mit den einfachsten Lebewesen beginnen: und man dürfte nicht eher in der ursächlichen Erforsch- ung der höheren Organismen weitergehen, ehe wir nicht im Haupt- sächlichen die Räthsel der Entstehung, Gestaltung imd Erhaltung der scheinbar einfachen Gebilde, der einzelnen Zellen, gelöst hätten. Alsdann wäre diese wichtige und uns so nöthige Erforschung der Ursachen der Lebensvorgänge auf lange Zeit, vielleicht auf immer in die Hände der Protistenforscher und der Botaniker p-elest; und zumal wirMediciner müssten uns begnügen, abwartend zuzusehen. Dies wäre aber durchaus unangemessen. Im Gegentheil sind mannigfache ursächliche Verhältnisse des Aufbaues eines höheren Organismus aus Summen solcher niederster Or- ganismen viel leichter zu ermitteln, als die LTrsachen der Grundvorgänge an letzteren. Die freilebenden niedersten Organismen entbehren ja 1) Wenn man den zweiten Tropfen Chloroform nur über die Oberfläche der Schale hält, nähert sich ihm der auf letzterer schwimmende Tropfen ad maximuni, stellt sich also senkrecht unter ihn, sobald die von den Dämpfen des freien Tropfens auf der Oberfläche der Carbollösuntc gebildete Wirkungssphäre diejenige des schwim- menden Tropfens berührt hat. Bei öfterer Wiederholung des Versuches mit derselbe)! Carbolsäurelösung wird der Vorgang allmählich schwächer und hört schliesslich auf: ein Zeichen, dass dieser Lösung durch die Bildung von ümsetzungsprodukten die (besonders in alter, gestandener Carbolsäurelösung reichlich vorhandenen) zu obiger Wirkung nöthigen Stoffe entzogen werden. Ebenso erschöpft sich die Wirk- samkeit desselben Chloroformtropfens. .Je dünner die Carbolsäurelösung, um so schAvächer sind die geschilderten Wirkungen, und bei einem gewissen Grad der Verdünnung sind .sie nicht mehr wahrnehmbar: [alles Beweise, dass diese Wirkung nicht bloss ein physi- kalisches Oberflächenphänomen ist]. Bringt man den Chloroformtropfen unter die Ober- fläche, auf den Boden des Gefässes, so bleibt die Wirkung auf die Berührungsfläche beider Tropfen beschränkt, es findet keine radiäre Strömung in einer grösseren Flüssig- keitsmasse statt. 3* 36 Nr. 14. Festrede. der Fähigkeit, zum Aufbaue höherer Orgauismen zusammen- zuwirken; also ist diese Fähigkeit etwas Besonderes und da- her auch für sieh Erforschbares. Ausserdem ist in den höheren Organismen eine weitgehende SpeciaHsirung der Zellen ausgebildet: vielfach sind Zellengruppen auf Kosten der Vielseitigkeit der einzelnen Zellindividuen nach je einer Richtung zu besonderen Leistungen entwickelt. Wir finden daher in den höheren Organismen nach mancher Richtung hin [z. B. bei den differenzirten und daher weniger vielseitig leistungsfähigen Geweben oder in Folge der ge- ringeren Regenerationsfähigkeit] sogar einfachere \^erhältnisse vor (s. Nr. 26 S. 60). Die Botaniker haben an ihrem, für diese Forschungen viel zu- gänglicheren Materiale auch schon an höheren Organismen eine ganze Reihe von Gestaltungsgesetzen und ursächlichen Beziehungen ermittelt, und ich brauche nur die Namen Jul. Sachs, Sghwendener, Leitgeb, Pfeffer, Wiesner, Strassburger, de Vries zu nennen, um den Kun- digen an die wichtigsten Entdeckungen auf diesem Gebiete zu erinnern. Wir Mediciner die wir den höchsten Organismus am genauesten kennen, werden in der Erforschung der Ursachen des Aufbaues desselben und ähnlich gebauter Organismen aus vielen Zellen und der Erhaltungsursachen dieses Aufbaues ein Feld reicher und lohnender Forschung finden; und es wird auch bei dieser Thätigkeit dem denkenden Beobachter Manches von den wesent- lichen allgemeinen Eigenschaften der Zellen sich erschliessen, und wahrscheinlich gerade solches, welches dem Protistenforscher weniger nahe liegt oder für ihn weniger leicht festzustellen ist. Die gegenwärtigen Forscher auf diesem Gebiete müssen sich bescheiden, die Vorarbeiten für die spätere Gewinnung dieser schwierigsten Erkenntniss zu machen. Vielleicht ist die von C. E. v. Bär stammende Analyse der organischen Gestaltungsvorgänge in gestaltliche und qualitative (ge- webliche) Differenzirung zugleich eine causale. [13] Sicher aber ist dies nicht der Fall bezüglich der gegenwärtigen Ableitung der Formenbildungen von Fal- Formale Analyse. 37 tinigs-, AiiS8tül])iiiigs-, Verschinelziiiigs-, Absclniüi'iings- vorgängeu u. dgl.; sowic^ mit der Zurückrülirung dieser ^^o^gällge auf VergTösserung, ^"e^kleilUM•llllg, Umgestaltung, Tlieihuig und Uni- oi'dnung der Zellen. Diese Unterscheidungen sind blos gestaltliche ; wir wissen, dass jeder dieser Vorgänge durch zum Theil verschiedene Ursaclien und verschiedene derselben durch zum Theil gleiche Ursachen bedingt sein können. Eine Analyse der organischen Gestaltungsvorgänge nach den Ursachen und deren specifischen Combinationen steht noch aus. Wenn diese auch ein Ziel unseres Strebens sein muss , so wird es trotzdem vorläufig auch für die Entwicklungsmechaiiik sehr m'itzlich sein, weiterhin die Entwicklungsvorgänge auf Grund des el^en er- wähnten formal-analytischen Schemas zu zerlegen, weil bei diesem Bestreben die formalen Vorgänge des Genaueren erforscht werden, und weil diese Zerlegung immerhin die Zurückführung einer ^'ielheit auf eine Minderheit darstellt. Der Zerlegung der Entwicklungsvorgänge in ursächliche Compo- nenteu werden wir uns nur allmählich nähern können, und zwar durch Beantwortung einiger Vorfragen, welche meiner Ansicht nach zu- nächst in Angriff zu nehmen sind , nämlich der Fragen nach der Zeit der ursäclilichen Bestimmung einer Gestaltung (s. Nr. IH) und nach dem Ort der Ursachen derselben (s. Nr. 13). Durch die Beantwortung der ersteren Frage erfahren wir, in welcher Periode der Entwicklung, durch die der letzteren, an welchem Orte wir die Ursachen eines Vorganges zu suchen haben. War es für die Pathologie von Nutzen, dass die Pathologen seit Morgagni zunächst nach dem Sitze und dann erst nach den Ursaclien der Krankheit forschten, so haben wir wohl einen gleichen Nutzen von demselben Gange der Untersuchung auch für die Ermittelung der normalen Entwicklungsursachen zu gewärtigen. Wir erfahren so z. B., ob die Ursachen eines Gestaltungsvorganges in den durch ihn umge- stalteten Theilen selbst gelegen sind, ob der Vorgang also als ,,Selbst- differenzirung" zu betrachten ist, oder ob äussere Theile an der betrachteten Umgestaltung mitwirken. Mit diesen Vorkenntnissen 38 Nr. 14. Festrede. über die ursächlichen Verhältnisse werden wir auch dem Wesen der Ursache selbst schon ein wenig näher kommen. [14] Auf diesem Wege war es mir z. B. möglich, zu ermitteln, dass die Richtung der Mittelebene des Frosches im Ei schon zwei Tage vor der ersten, diese Richtung bekundenden Organanlage be- stimmt ist (s. Nr. 16), dass jedoch im unbefruchteten Ei diese Be- stimmung noch nicht getroffen ist, sondern dass diese Lage gerade während der Befruchtung normirt wird (s. Nr. 20). Durch diese Ein- sicht wurde dann die Vermuthung nahegelegt, dass diese Bestimmung vielleicht durch die Befruchtung erfolge; und die daraufhin ange- stellten, lange Zeit erfolglosen Versuche ergaben nach Ermittelung der geeigneten Methode die Richtigkeit dieser Vermuthung. Zugieicli zeigte sich, dass wir es vermögen, die Befruchtungsrichtung und damit auch die Lage des Thieres im Ei beliebig zu bestimmen, und fernerhin, dass diejenige Seite des Eies, an welcher wir den Samenkörper eindringen lassen, zur 1 unteren Körperhälfte des Thieres wird, während aus derjenigen Eihälfte , in welcher zur Zeit der Befruchtung der weibliche Zeugungstheil, der Eikern liegt, die Kopf half te des Thieres hervorgeht (s. Nr. 21). So gelang es auch, durch das Experiment nachzuweisen, dass das Material zur Bildung des Centralnervensj'stems im mehrfach ge- theilten Froschei , nicht , wie man bisher annahm , oben auf der ur- sprünglich schon schwarzen Seite des Eies, sondern seitlich am Aequator des Eies liegt, und dass es von da zu beiden Seiten her- unter bewegt wird, um erst unter nachträglicher A'^ereiuigung in der Mittelebene die scheinbar einheitliche Anlage des Nervensystems zu bilden (s. Nr. 22 u. 23). Wenn wir nun auch gegenwärtig zumeist die specifischen Beschaffenheiten der Ursachen selbst nicht werden ermitteln können, so werden wir auf Grund unserer Fragestellung durch die Bekanntschaft mit der Oertlichkeit der Ursachen vielfach gestaltende Einwärkung-en, zumTheil weit von einander entfernter Theile erkennen. Wir werden damit Factoren ermitteln, welche normaler Weise die gestaltende Thätigkeit der Zellen und Gewebe ,, auslösen" Analyse in „beständige Wirkungsweisen". 39 oder nach Quantität, Rielitung und (Qualität nlteriron. Und auch so weit die Veränderungen rein aus in den veränderten Theiien selber gelegenen Kräften sich vollziehen, also ,,Selbstdifferenzirungen" dar- stellen, werden wir die auslösenden [15] inneren Momente für jede weitere Veränderung zu ermitteln uns bestreben müssen. Wir müssen mit der Zeit auf Grund analytischer Betrachtung der ermittelten gestaltenden Reactionen und Wechselwirkungen möglichst allgemein zur Wirkung gelangende, gestaltende Wirkungs- gesetze (nicht blos Thatsachen- und Formengesetze) ableiten oder, besser gesagt, die zahlreichen Einzelgestaltungen auf eine mit der Zeit immer kleinere Minderheit gestaltender ,,constanter Wirkungsweisen'' zurückführen: eine Aufgabe, welche, so weit es sich um Zurückführung auf mechanische Massenwirkungen handelt, bereits von W. His^) mit Erfolg in Angriff genommen worden ist. Danach wird es des Weiteren versucht werden können, die auf- gefundenen beständigen gestaltenden Wirkungsweisen des lebenden Substrates selbst wieder von noch allgemeineren Wirkungsweisen abzuleiten, und diese selber schliesslich gleich den mechanischen Massen Wirkungen auf im Bereiche des An- organischen erkannte Wirkungsarten, resp. auf die ihnen supponirten Kraftformeu zurückzuführen. Diese Art des Vorgehens wird uns in der Erkenntniss der Ge- staltungsvorgänge der höheren Organismen , wie ich glaube , stetig, wenn auch nur schrittweise, weiter führen. Bei dieser Tendenz der Zurückführung der hochcomplicirten orga- nischen Vorgänge auf einfachere Wirkungsweisen dürfen wir aber den Ueberblick über die specifisch organischen, zur Zeit uner- klärbar erscheinenden Verhältnisse nicht verlieren. Dies gilt besonders bezüglich derjenigen Wirkungen, auf denen die Her- stellung und Erhaltung des ,, Ganzen'' in seinem der Species entsprechenden Typus beruht. Die Nichtberücksichtigung dieser Vorgänge würde von vornherein zu einer unvollständigen Vorstellung vom Wesen des Organischen Veranlassung geben, die auch bei der 1) Wilhelm His, Unsere Körperform und das physiologische Problem ihrer Ent- stehung. Leipzig 1874. 40 Nr. 14. Festrede. Auffassung anderer, einfacherer Vorgänge leicht irrthümHche , zu grob Diechanische Vorstellungen nach sich ziehen könnte. Es scheint mir, class in Bezug auf diese, die typische Ein- heit des Ganzen vermittelnden Wirkungen die Lehre von dem Aufbaue des Organismus aus selbstlebenden Theilen uns zu einer Unterschätzung derselben geführt hat. Da die uns zusammensetzenden Zellen Nahrung aufnehmen und in ihnen gleichende Substanz umwandeln, da sie sich vermehren, eventuell sich bewegen und mannigfache Stoffe bilden und ausscheiden, da sie also diese wesentlichen Grundverrichtungen des ganzen In- dividuums haben, so ist die Auffassung entstanden, dass der ganze Organismus blos eine Summe dieser relativ selbstständigen Ge- bilde ist. [16] Man denkt sich, wenn ich die Anschauungen der Zeit recht verstehe, die Einheit des ganzen Individuums dadurch herge- stellt und darauf beruhend, dass die selbstlebenden Theile, die Zellen, zufolge der typischen Vorgänge der Entwicklung aus dem Ei derart beschaffen und gelagert sind, dass alle ihrer Natur nach zu einem selbsterhaltungsfähigen Ganzen zusammenwirken können und müssen, einfach indem sich in jeder Zelle die in ihr liegenden Kräfte in qualitativ constanter, nur quantitativ und zeitlich von aussen regu- lirter Weise bethätigen. Die Einheit des Ganzen ist nach dieser Auffassung blos eine typisch functionelle; und die Einheitlichkeit derAction aller Theile wird wesenthch daduj'ch vermittelt, dass der Gebrauch des Ganzen einem einzigen Willen unterstellt ist. Indem dem Acte der Function innerhalb gewisser Breite zugleich eine gestaltende Einwirkung auf das vollziehende Substrat von der Art zukommt, dass eine mehrfach ausgeübte Function in Zukunft leichter und vollkommener vollzogen werden kann, so ist auch die feinere morphologische Ausbildung des Gesammtorganismus für die von der centralen Willensinstanz intendirten Vorrichtungen von die- sem Centrum des Ganzen abhängig gemacht; und ich .selber habe l'ür diese anscheinend wunderbare Fähigkeit de]- directen „functio- Erhaltung der „ Einheit" durch regulatorische Vorgänge. 41 Hellen Anpassung" an neue Verrichtungen eine ausreichende, mechanisch fundirte Erklärung gegeben (s. Nr. 4). Eine weitere Einheitlichkeit wird nach der bis vor Kurzem geltenden Auffassung nur noch durch einige, zwar vom Nervensystem aus, aber ohne Bewusstsein geleitete regulatorische Mechanismen, z. B. der Athraung, des Herzschlages etc., dargestellt, denen aber blos ein beschränkter Wirkungskreis zukommt. Erst in neuerer Zeit ist in der wieder mehr zur Anerkennung gekommenen und, wie es scheint, auf unzweifelhafte Thatsachen ge- stützten Lehre von den trophi sehen Nerven ein Factor hervor- gehoben worden, der auf eine weitere stoffliche Centralisation hinweist und das ,, gestaltliche" Leben der Theile in grössere Abhängigkeit von centraler Thätigkeit bringt. Doch wird dieser Factor blos für die Erhaltung des Gebildeten oder für die Vollendung der typischen Gestaltung auf dem typischen Wege in Anspruch genommen; er ist daher, wenn auch im Einzelnen seiner Wirkung nach vollkommen [17) dunkel, doch im Ganzen, als etwas von vornherein Normirtes, verständlich. Immerhin wird dadurch die Autonomie der Zellen des Leibes schon sehr herabgesetzt. Es gibt mm aber „regulatorische" Thatsachen bei ,, atypi- schen" Vorgängen, welche bei gehöriger Würdigung auf ein viel innigeres Zusammenwirken der Theile zum Ganzen und auf eine grössere x\bhängigkeit der Theile vom Ganzen hindeuten. Das ist einmal das längst bekannte, aber noch vollkommen un- verständliche Vermögen der Regeneration, das Vermögen vieler Thiere, fast jedes beliebige, in Verlust gerathene Stück des Körpers in seiner früheren Beschaffenheit wieder herzustellen, als zufähig ent- fernt war und als daher zur Integrität des Ganzen nöthig ist. Dahin gehört auch die jüngst von mir entdeckte Fähigkeit der Postgeneration (s. Nr. 22). Wenn man nämlich ein Froschei gleich nach dem ersten der Befruchtung folgenden, äusserlich sichtbaren Gestaltungsvorgang, nach der Theiluug des Eies in zwei gleich grosse Theile an einer dieser Hälften mit einer heissen Nadel in geeigneter Weise operirt, so bleibt diese Hälfte unentwickelt, während die andere Hälfte sich zu einem 42 Nr. 14. Festrede. normal gestalteten halben Embryo , zu einem rechten oder linken halben Thier, je nach Umständen auch zu einem vorderen halben Embryo ausbildet. Das ist gewiss überraschend; wunderbar aber ist es, dass darauf in einer späteren Zeit die fehlende, nocli gar nicht gebildet gewesene Hälfte des Thieres von der vorhandenen aus vollkommen nach erzeugt wird; und dies kann auf ähnliche Weise wie bei der Regeneration geschehen, indem die den Körper nach der Seite des Defectes be- grenzenden Zellen sich vermehren und solche Gestaltungen liefern, dass alles zum typischen Ganzen Fehlende ersetzt wird ; es kann aber diese Nacherzeugung sogar auch aus einem, in Folge obiger Ope- ration durcheinander gebrachten und zum Theile veränder- ten Materiale vor sich gehen und trotzdem die typischen End- producte herstellen. Welche Leistung aber wäre es, wenn nach der \^erwüstuug, nach der gänzlichen Vernichtung aller Culturerzeugnisse eines grossen Theiles eines Reiches, etwa durch den Feind, die an den verwüsteten Theil angrenzenden Bewohner und [18] ihre Nachkommen aus eigener Initiative, ohne Anleitung von der das Ganze vertretenden Central- verwaltung alles Zerstörte, obgleich sie dasselbe in Folge ihrer Ge- bundenheit an die Scholle nie gesehen haben , vollkommen in der früher vorhandenen Weise wieder herstellen wollten^), darunter auch solches, was functionell gar nicht nöthig ist, wie etwa der bunte Anstrich mancher Häuser, entsprechend der Wiederherstellung der früheren typischen Farbenzeichnung der Haut-). Und auch , wenn Zellen von inneren Theilen des Körpers her- kommen und sich am Aufbau des Neuen betheiligen, wie sollen sie über den Aufbau des Fehlenden instruirt sein und wie ihren Auftrag oder ihre Intention den übrigen selbstthätigen Bausteinen übermitteln? [1) Der hier gemachte Vergleich ist nicht zutreffend, weil das verwüstete Stück Land kein typischer Theil eines typischen, stets in gleicherweise hergestellten Gebildes ist, wie zerstörte Theile von Organismen.] -) Neuerdings ist von Boulenger (Proceed. of the Zoolog. Soc. of London 1888. Port. 3. S. 351 — 353) gezeigt worden, dass bei der Regeneration von Eidechsenschwänzen die Beschuppung des regeneriten Schwanzes häufig von der normalen Form abweicht und der Beschuppung von Vorfahren entspricht ; was indess nicht weniger räthsel- haft ist. Vermittelung der Einheitlichkeit des Organismus. 43 Es gehört zu solclien Leistungen scheinbar nielir als die Tn- telhgenz des menschhchen „beschränkten Unterthanen Verstandes", und doch vollziehen die kleinen Zellgebilde diese Leistungen rasch und sicher (s. Nr. 27 S. 302 und 28 S. 659) i). Und sogar aus dem Eie in Folge operativen Eingreifens aus- getretene Eitheiie (Extraovate) vermögen noch an das Normale sich anschliessende Bildungen hervorzubringen (s. Nr. 24). Wodurch soll ferner die von Trembley und Nussbaum^) nach- gewiesene Art der Regeneration des kleinen Wasserpolypen, der Hydra, vermittelt sein, welche aus jedem durch die ganze Dicke der Leibes- wandung durchgehenden Theilstück diesei- Wandung, selbst bei mangelnder Nahrung, also ohne Wachsthum, blos durch Umordnung und Umdifferenzirung der den vorhandenen Theil zusammensetzenden Zellen einen kleineren, dem früheren Ganzen entsprechend gestalteten Polypen herstellt? Und wie wollen wir uns weiterhin z. B. den an einem nieder- sten, einzelligen Lebewesen, der Euglypha alveolata von Gruber, Blochmann und Sc;hewiakoff ^) beobachteten Vorgang der Encystirung, der Bildung eines zweiten Panzers bei Gefahr der Eintrocknung aus den Reserveplatten, und nach dem Aufhören dieser Gefahr, die Ver- wendung dieser [19] selben Platten unter nachträglicher Umordnung und typischer Zusammenfügung zum Panzer eines Tochterindividuums aus der Autonomie der Theile erklären? Ich bin der Meinung, diese Thatsachen*) weisen uns auf eine [1) Die „Sicherheit" der Vollziehung der Regeneration bezieht sich blos auf das schliessliche Endresultat und ist blos beim Mangel störender Momente vorhanden ; andernfalls wird oft nicht ganz Richtiges gebildet; auch wird bei der Regenera- tion manches Unbrauchbare eliminirt.] ■-) M. NUSSBAUM, lieber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. „Arch. f. mikrosk. Anat.", Bd. XXIX. 3) ScHEWiAKOFF, Ueber die karyokinetische Kerntheilung der Euglypha alveolata. „Morpholog. Jahrb.", 1887, und A. Gruber, Ber. der naturforsch. Gesellsch. zu Freib. i. B., Bd. IV, Heft 4. t) Desgleichen die jüngst von Ribbert und seinen Schülern gemachten Beobach- tungen, dass auch nach Entfernung noch nicht fungir ender Organe bei Säuge- thieren, z. B. eines jugendlichen Hoden, Eierstockes, oder mehrerer jugendlicher Milch- drüsen das andere, resp. die anderen gleichen Organe einer compensatorischen Vergrösser ung der specifischen Theile unterliegen. Vortrag auf der Naturforscher- Versammlung zu Heidelberg, 1889. 44 Nr. 14. Festrede. grössere Einheitliclikeit unter den Tlieilen des Organismus hin, als wir trotz der Annahme, dass jede bezügliche Zelle noch einen Theil des „Keimplasma'' enthalte, gegenwärtig zu verstehen im Stande sind. Die Entwicklungsmechanik erhält daher in dem Suchen nach der ursächlichen Vermittlung der' die typische Einheit des Ganzen trotz mannigfachen Wechsels der Verhältnisse her- stellenden, erhaltenden und wiederherstellenden Vorgänge eine weitere, grosse Aufgabe. Bei der Kürze der mir zugemessenen Zeit muss ich davon ab- sehen, einen auch nur flüchtigen Ueberblick über das auf dem Wege des Experimentes in der Entwicklungsmechanik bereits Erreichte zu geben; und ich will daher nur die Namen einiger Autoren nennen, welchen wir in erster Linie bezügliche Bereicherungen verdanken: Ludwig Fick, Panum, Dareste, Pflüger, Barfurth, Th. Boveri, Born, 0. und R. Hertwig, Nussraum, A. Grurer, Chabry, L. Gerlach u. A. Eines bin ich indess verpflichtet, noch hervorzuheben: nämlich die überraschende Thatsache, dass wir das Hauptmaterial unserer der- maligen ursächlichen Erkenntniss der Entwicklungs- und Erhaltungs- vorgänge des menschlichen, resp. thierischen Organismus Forschern verdanken, welche ihren Zielen nach diesem Gebiete anscheinend sehr ferne stehen, nämlich den Klinikern und Pathologen. Diese Thatsache beruht auf dem Umstände, dass die krankhaften Veränderungen und die Missl)ildungen uns das Verlialten des Organis- mus bei Aenderung oder Ausfall eines oder mehrerer Theile vor- führen, und so zum Theil dasselbe darbieten, was wir bei dem Ex- perimente künsthch erstreben, um dadurch den Antheil dieses Gebildes an der Gestaltung des übrigen Organismus zu ermitteln. Dazu kommt, dass die Pathologen und Kliniker auch selber viele scharfsinnige Experimente gemacht haben, um die Ursachen mancher Gestaltungs- vorgänge aufzuklären. Jedoch ist nicht unerwähnt zu lassen, dass auch schon Anatomen pathologische Erfahrungen für die Erkenntniss der [20] Ursachen der normalen Bildungen verwerthet haben, so besonders W. Henke und H. V. Meyer. Nutzen der Pathologie für die Entwicklungsmechanik. 45 Die Anwendbarkeit auch der nicht blos auf Ausfallserscheinungen beruhenden pathologischen Erfahrungen auf die normalen Verhältnisse, die Zulässigkeit des Rückschlusses von den in pathologischen Ver- hältnissen beobacliteten Gewebsreactionen auf die normalen Gewebs- leistungen beruht auf der weiteren Erfahrung, dass die Eigenschaft der Gewebsreaction so wenig von der Eigenschaft der ver- anlassenden äusseren Ursache, so sehr dagegen von den Eigenschaften des reagirenden Substrates abhängt, dass diese Ursache fast blos als das „auslösende" Moment für das in Thätigkeittreten des specifischen, an sich sehr stabilen Gewebs- mechanismus zu betrachten ist. Die progressiven abnormen Leist- ungen sind meist blos gesteigerte oder anachronistische ßethätigungen der normalen Eigenschaften [die regressiven Leistungen interessiren uns hier nicht]. Diese Stabilität der productiven Reactionsweisen der Gewebe beraubt uns leider der Möglichkeit, aus den Reactiouen auf verschieden- artige Einwirkungen einen Schluss auf die inneren Eigenschaften des reagirenden Substrates zu machen, wie wir es wohl vermöchten, wenn verschiedenartige Einwirkungen wesentlich verschiedenartige Reactio- uen zur Folge hätten. Immerhin wird bei der Verwerthung pathologischer Erfahrungen zu Rückschlüssen auf die normalen Vorgänge mit Vorsicht zu ver- fahren sein. So dürfen wir z. B. aus dem interessanten Ergebniss der Untersuchungen Thoma's über die compensatorische Verdickung der innersten Haut zu weit gewordener Blutgefässe nicht ohne besondere darauf gerichtete Untersuchungen annehmen, dass auch die normale, der eigenen Gestalt des Flüssigkeitsstrahles angepasste Gestaltung der Lichtung der Blutgefässe auf diese Weise hergestellt werde. Dagegen konnten wir aus der Beobachtung Julius Wolff's, dass auch in abnormen Verhältnissen, z. B. bei schief geheilten Knochen- brüchen, eine dieser neuen Form angepasste, äusserst zweckmässige Knochenstructur entsteht, sofort schliessen, dass auch die normale Structur der Knochen durch wesentlich dieselben Mechanismen der den Knochen zusammensetzenden Gew^ebe hergestellt werden kann. 46 Nr. 14. Festrede. class diese Structur also nicht nothwendig in ihren zahllosen zweck- mässigen Einzelbildungen uns vererbt zu werden braucht. Ebenso gestatten die vielfachen Veränderungen, welche die Muskeln, Knochen und Bänder nach dem Schwund der Ganglien- zellen der sogenannten Vorderhörner des Rückenmarkes bei der spinalen Kinderlähmung erfahren, eine ganze Reihe von Schlüssen auf gestaltende Einwirkungen, welche [21] auch normaler Weise zur Ausbildung und ErhaUung nöthig sind; während aus der Thatsache, dass zwischen öfter bewegten Bruchenden eines Knochens ein Gelenk sich ausbildet, nicht zu folgern ist, dass auch die normale Gelenk- bildung auf entsprechende Weise veranlasst wird. Verdanken wir, wie gesagt, den grössten Theil dessen, was wir bis jetzt von gestaltenden Causalzusammenhängen im Organismus sicher wissen, den Pathologen und Klinikern, so könnte man leicht zu der Annahme verführt werden, diese Forscher seien die berufenen Pfleger der Entwicklungsmechanik, da ihnen, wie bisher, auch ferner- hin solche ,, Experimente der Natur" in grosser Anzahl vorkommen werden, da sie immer neue bezügliche Beobachtungen und Erfah- rungen machen werden , aus dem Helfen oder Nichthelfen mecha- nischer Eingriffe immer sicherere Schlüsse auf die Ursachen von Störungen der normalen Formen gewinnen werden. Gewiss ist daher, dass von ihnen die Entwicklungsmechanik auch fernerhin neue An- regung und Bereicherung erfahren wird. Aber es wäre doch gefehlt, ihnen noch weiterhin die Pflege der Entwicklungsmechanik vorwiegend zu überlassen. Bei ihnen steht naturgemäss das pathologische und thera- peutische Interesse im Vordergrunde; ihr Ziel ist, die krankhaften Vorgänge vollkommen zu erkennen und ihrer Herr zu werden; und nicht viel mehr, als diese Interessen es unmittelbar verlangen, können von ihnen die entwicklungsmechanischen Probleme behandelt werden. Sie haben nicht die Zeit, jahrelange Untersuchungen über Aufgaben zu machen, von denen nicht vorauszusagen ist, ob die Resultate auch für sie verwerthbar sein werden. Und doch müssen solche Unter- suchungen in grosser Anzahl gemacht werden. Es ist genügend be- kannt, wie oft schon die Verfolgung von wissenschaftlichen Problemen Nutzen der Entwicklungsmechanik für die Pathologie und Therapie. 47 bis in die subtilsten, für den ferner Stehenden anscheinend unfrucht- baren Einzelheiten hinein plötzlich zu einer nicht geahnten Verwend- barkeit der Ergebnisse geführt hat. Ich erinnere nur an die Unter- suchungen, die der Erfindung des Telephon, des Phonographen, des Photophon, der Elektrotherapie vorausgehen mussten. Und wie ist seinerzeit die Sorgfalt verspottet worden, die Galilei der Erforschung des Umlaufes der Jupitermonde zu Theil werden liess ; Avelchen Nutzen aber haben später die von ihm ermittelten Verhältnisse für die Schiff- fahrt durch die damit gewonnene Gelegenheit zu genauen Ortsbe- stimmungen gebracht? [Auch ist nicht zu übersehen, dass der ,, Nutzen" blos eine Seite der Dinge bezeichnet; und dass nur Derjenige Aussicht hat, das Wesen einer Sache möglichst voll zu erfassen, der sie um ihrer selbst willen studirt.] Die Entwicklungsmechanik rein der Pflege der praktischen Mediciner und Pathologen zu überlassen, wäre ähnlich, als wenn die Ausbildung der Mechanik ahein den praktischen Technikern über- lassen bliebe. [22] Die Praxis geht der Theorie zwar stets voran; letztere baut sich zunächst auf den bereits durch die Praxis ermittelten Thatsachen auf. Aber wie langsam war in der Periode der reinen Empirie der Fortschritt der Technik gegenüber den riesenhaften Fort- schritten der Neuzeit! Welche Tausende von Umwegen wurden vor Erreichung eines Zieles gemacht! Wie viele auf dem einen Special- gebiete bereits gewonnenen Erfahrungen mussten Mangels genügend allgemeiner Behandlung der Probleme auf benachbarten Special- gebieten auf's Neue von Grund aus mühsam erworben werden! Gewiss erinnert es den Chirurgen lebhaft an die Geschichte der orthopädischen Behandlungsweiseu. Wie viele Tausende von Kindern mit Klumpfuss, mit Gelenkcontracturen etc. mussten ihre Jugend in Folge der auf falscher Auffassung der Ursachen der Affection und der Wirkung des Mittels beruhenden nutzlosen Apparate vertrauern, ehe die zahllosen Misserfolge allmählich zu tieferer Einsicht und zu angemessener wirkenden Apparaten geführt haben! 48 Nr. 14 Festrede. Wir müssen sagen : Diese Umwege hätten schon vor Jahrzelniten, schon seitdem eine richtige Unterscheidung der Gewebe gewonnen Avar, durch methodisch angestellte, analytische T hier versuche vermieden werden können. Aber freiUch erst jetzt, durch die aseptische Wundbehandlungsmethode, sind wir in den Stand gesetzt, der Ortho- pädie durch exacte experimentelle Erforschung der gestal- tenden Reactionsweisen der Gewebe und ihrer auslösenden Ursachen eine analytische, für die Praxis verwerthbare Grundlage zu geben. Doch diese Aufgabe wird selber nur auf der Basis ent- wicklungsmechanischer Einsicht zu lösen sein (s. T, S. 148)'). [1) Da der hiei- in Kürze ausgesprochene Gedanke hei den bezüglichen Fach- leuten: Chirurgen, Orthopäden und Gynäkologen vollkommen unge würdigt geblieben ist, .so sei seine Bedeutung hier noch an einem Beispiele erläutert. Die keilförmige Gestalt der Wirbelkörper bei Scoliose wird von Compression des Knochens an der coucaven, von Aufblähung oder Auseinander- ziehung des Knochens auf der convexen Seite der Krümmung abgeleitet. Directe Erniedrigung des Knochens durch so starken Druck, dass er zur Ein- biegung mit oder ohne Infraction führt, ist Avohl nur ausnahmsweise betheiligt, meist handelt es sich um ein K 1 einer b leiben, um ein Zurückbleiben der Höhe des Knochens im Wachsthum an der Seite der Concavität. Es ist aber bis jetzt nicht nachgewiesen, dass das Wachsthum des Knochens direct durch den, von den ihn in der Jugend an den Drucktiächen bedeckenden Knorpel (wohl aber von den vom Perioste) aus übertragenen Druck gehemmt werden kann (,s. Nr. 10 S. 6 und 11), noch dass Zug direct das K n o c h e n wachsthum (statt des Knorpelwachsthums) an- regt. Auch scheint mir nicht annehmbar . dass durch passive Biegung der Wirbel- säule und dadurch bedingte Verdrängung des Knochenmarkes von der Seite der Con- cavität gegen die Convexität, wie Ntcoi.ArioNi glaubt, ein chronischer verstärkter Binnendruck durch das verdrängte Mark auf die Spongiosa der convexen Seite aus- geübt werde (selbst wenn solche passive Verdrängung nachgewiesen würde); dies scheint deshalb nicht möglich, weil spätestens schon nach wenigen Stunden ein vollkommener Ausgleich in dem Drucke des ganzen weichen Inhaltes eines Wirbelkörpers stattfinden muss, ganz abgesehen davon, dass durch Hlutabfluss noch viel früher ein localer Ueberdruck aufgehoben werden wird. Es wird nicht genügend berücksichtigt, dass die Wirbelsäule ausser aus Knochen vor allem primär noch aus Knorpel besteht, wozu noch die Zwischenscheiben, Bänder, Knochenmark und Gefässe kommen , von denen jedes besondere Reactionsqualitäten besitzt, die von denen des Knochens wesentlich verschieden, zum Theil ihnen ent- gegengesetzt sind, und dass aus der Gesammtreaction aller dieser und aus ihrer gegenseitigen Beeinflussung die Gesammtveränderungen resultiren. Daher ist es zur Erlangung wissenschaftlichen Verständnisses nöthig, analytisch vorzugehen und durch besondere Experimente oder geeignete pathologische Beobachtungen die gestaltenden Reactionen jedes dieser Gewel>e resp. Gebilde auf dauern- den und auf intermittirenden Druck und Zug für sich zu ermitteln. Der primäre und, wie mir scheint, durch Druck und Zug passiv bild- Nutzen der Entwickelungsmechanik füi- die Orthopädie, Gynäkologie etc. 49 Und weiterhin , wenn die Ursachen der Entstehung und Er- haltung der normalen Eigenschaften und Formen der Organe uns bekannt wären, welche neue, sicherere Grundlage wäre damit für die samste Bestuiidth eil der Skelettheile ist der Knorpel. Ein knorpeliges mit eigener Wachsthumsfähigkeit versehenes Gebilde kann durch abnormen Druck in der Druckrichtung am Wachsthum gehemmt werden; dabei kann dieser Knorpel, in möghchster Bethätigung «einer jugendlichen, immanenten Wachsthumsfähigkeit, com- pensatorisch seitwärts herauswachsen, weiterhin an Stelle des Wegfalles oder der Verringerung normalen Drucke s oder gar bei V orhand en sein abnormem Zug zu abnorm starkem Wachsthum veranlasst werden. Die so vom Knorpel gebildete Form wird dann durch die dem Knorpel wachs- thum nachfolgende endochondrale substitutionelle Knochenbildung aus Knochen nach- gebildet (siehe I, Nr. 10, S. 5). In der Jugend ist also in erster Linie der Knorpel das durch sein immanentes Wachsthumsvermögen und durch seine Reactionen die Gestalt der Skelettheile bestimmende Material. Diese Vorgänge an den beiden Geweben können gleichzeitig stattfinden, solange noch eine wachsthumsfähige wenn auch nur dünne Knorpellamelle den Knochen bedeckt. So wird bei Entstehung der Scoliose an dem nach der Concavität zu gelegenem Wirbeltheile das Knorpelwachsthum an den Druckflächen gehemmt, also der Wirbel niedrig werden, und zugleich der Knorpel compensatorisch seitlich heraus gegen die Concavität wachsen ; an dem nach der Seite der Convexität zu gelegenen Rand- theile wird dagegen verstärktes Knorpelwachsthum stattfinden, welches bei gleich- zeitiger Insufficienz der Function der Zwischenwirbelscheibe als hydraulische Presse in Folge von Schwund des Nucleus pulposus (s. Nr. 4, S. 29) sich noch weiter gegen die Mitte hin ausdehnt. Dieser so bedingten Knorpelform folgt die endochondrale Knochen- bildung fortwährend nach und bildet den gleichgestalteten knöchernen Wirbel. Dabei wird zugleich in Folge des starken Druckes, der in dem nach der concaven Seite gelegenen Theile der Wirbel stattfindet, die Spongiosa dickbalkig und dicht, während in dem der convexen Seite zu gelegenen Theile die Spongiosa in Folge der Entlastung nur weitmaschig und dünnbalkig wird; und diese Spärlichkeit würde wohl in späteren Stadien noch grösser sein als sie ist, wenn nicht beim Liegen auch auf dieser Seite Druck stattfände. Die dichte Spongiosa entsteht also wohl weniger, (oder nicht) durch passive Zusammendrängung der schon gebildeten Spongiosa als vielmehr durch Activitäts- hypertrophie ; die Dünnheit auf der entgegengesetzten Seite ist als Inactivitätsaplasie zu denken, soweit nicht noch ein anderes, unbekanntes Moment betheiligt ist, auf welches die interessanten Beobachtungen Nicoladoni's an der kindlichen Scoliose (Denkschr. d. Wiener Ac. d. Wiss 1894) hinzuweisen scheinen. Diese in erster Linie an angenommene Reactionseigenschaften des Knorpels anknüpfende Ableitung der keilförmigen Gestalt des scoliotischen Wirbels halte ich für wahrscheinlicher als die der Practiker; aber natürlich muss auch ihre Richtigkeit erst durch analytische Experimente geprüft resp. festgestellt werden. Die so experi- mentell ermittelten Gewebsreactionen können dann für die Ableitung der abnormen Formen aller aus den gleichen Geweben gebauter Skelettheile wie z. B. der des Beckens, des Fusses in den speciellen Verhältnissen entsprechender Weise angewendet werden und werden uns endlich einen Einblick in die wirklichen Vorgänge bei den Defor- mationen und danach auch in das zur Heilung Nöthige gestatten (s. 1. S. 147 u. f.)]. "W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. Fl. ^ 50 Nr. 14. Festrede. Beurtheilniig ihrer krankhaften Veränderungen gewonnen I Und damit wäre dann endhch auch der Boden für die seit Langem erstrebte, im wahren Sinne des Wortes wissenschaftliche, das heisst auf vollem Verständnisse der Vorgänge beruhende Heilkunde gewonnen. Je w^eiter wir nun gegenwärtig von diesem Ziele entfernt sind, um so dringlicher müssen wir sagen: Es ist an der Zeit, dass die Entwicklungsmechanik nicht mehr auf die gelegentliche Pflege auf anderen Gebieten thätiger Forscher angewiesen sei; sie bedarf zur Lösung ihrer grossen fundamentalen Aufgaben berufsmässiger Pfleger, und diese werden die Anatomen sowie die entsprechend thätigen Zoologen sein, als diejenigen, welchen auch bisher schon die Aufgabe der Erforschung der organischen Gestaltungen oblag. [23] Wohl wird es der Entwicklungsmechanik von grösstem Nutzen sein, wenn Männer von der exacten, mathematisch-physikali- schen Schulung der Physiologen ihr ihre Thätigkeit zuw^enden. Dies wird jedoch leider voraussichtlich nur vereinzelt geschehen; denn das Hauptgebiet der physiologischen Forschung stellen die functionellen Leistungen des bereits Gebildeten dar, wogegen das Interesse für die Function des Gestaltens, des Bildens zurücksteht. Doch dem Anatomen, dem ,,Morphologen", wie er sich heut- zutage so stolz nennt, kommt es zu, nach voller Kenntniss und Er- kenntniss der organischen Formenbildung zu streben und nicht will- kürlich den Begriff des löyog auf diesem Gebiete mit der Erörterung der Beziehungen zwischen individueller und phylogenetischer Ent- wicklung für erschöpft zu halten. Der Anatom besitzt in den vier bisherigen Richtungen seiner Wissenschaft zugleich die hauptsächlichen Vorkenntnisse für die er- folgreiche Bethätigung des Strebens nach der^fünften Richtung hin; und wohl nur dem Nebenumstande der von den üntersuchungsweisen der descriptiven Forschung abweichenden, für die Entwickluugs- mechanik nothwendigen experimentellen Forschungsmethode und des Erfordernisses noch mannigfacher, andersartiger Vorkenntnisse ist es zuzuschreiben, dass diese Disciplin bisher seitens der Anatomen relativ wenig, fast nur beiläufig gepflegt worden ist. Und sie erscheint Nutzen der Entwickelungsmechanik für die aiiatoniischen Wissenschaften. 51 selbst manchem ihrer Mitarbeiter noch so neu, cUiss er selbstständig ohne gebührende Beachtung der Leistungen seiner Vorgänger vor- gehen und ohne Erwähnung derselben seine Ergebnisse publiciren zu dürfen glaubt; ein Verhalten, das seltsam absticht gegen die Ge- wissenhaftigkeit, mit der unsere Zeit z. B. durchweg jeden Urheber der geringsten technischen Abänderung einer der beschreibenden Forschung dienenden Untersuchungsmethode citirt. (Die Entwicklungsmechanik wird den vier bisherigen Richtungen das, was sie jetzt und in Zukunft von ihnen als Vorbedingung ihrer eigenen Leistungen empfängt, reichlich vergelten: der beschreiben- den Richtung, indem sie die Aufmerksamkeit auf bisher übersehene formale Eigenschaften lenkt, wie es z. B. schon mit der von den Corrosions-Anatomen übersehenen hydrodynamischen Gestaltung des Lumens der Blutgefäss Verzweigungen der Fall war (s. Nr. 1 u. 2); der physiologischen Richtung durch die Ermittelung sowohl des Wirkungs- umfanges der ,,functionellen Anpassung", wie der ursächlichen Grund- lage dieses Principes der ,, Selbstgestaltung des Zweckmässigen' \ Auch die Entwicklungsgeschichte wird wesentliche Förder- ung von der Entwicklungsmechanik zu gewärtigen haben, und zwar einmal, indem gleichfalls mit der ursächlichen [24] Fragestellung die Be- obachtung nach manchen Richtungen hin verschärft wird, und anderer- seits, indem durch die Ermittelung des Wesens der einzelnen Bild- ungsvorgänge richtigere Werthurtheile gewonnen werden, wo- nach z. B. Manches, was der rein formalen Betrachtung als sehr erheblich erscheint, wie etwa, ob die Chorda dorsalis zur Zeit ihrer Anlage mit dem äusseren, inneren oder mittleren Keimblatt im Zusammenhange steht, blos als eine geringe, vorliegenden Falles beim Frosche sogar blos zeitliche Variation ursächlicher Ver- hältnisse erkannt wird (s. Nr. 22 S. 144). Und selbst die angewandte vergleichende Anatomie wird in die Lage kommen, es willkommen zu heissen, wenn ihr in der phylogenetischen Deutung ontogenetischer Bildungen an manchen Puncten nicht vollkommen sicheres Fundament urch neue causale Stützen gefestigt oder durch Uebernahme der Last auf andere Grund- 52 Nr. 14. Festrede. lagen entlastet wird. Es ist bewunderungswürdig, welch' hohes Maass von Einsicht selbst- bis in die scheinbar speciellsten Organisations- verhältnisse uns die vergleichende Anatomie rein auf Grundlage der einfachen Formvergleichung gewährt hat. Und dass dies möglich war, ja dass sogar die geformten ,,Endproducte" im Thier- reiche constanter zu sein scheinen, als die speciellen Arten ihrer Herstellung, ist für die Entwicklungsmechanik von grosser Bedeutung (s. Nr. 15 S. 444). Doch haben auch diese Leistungen der vergleichenden Anatomie ihre Grenzen; und ich erinnere nur an die Unsicherheit in der Deutung der Variationen der individuellen Entwicklung, z. B. bezüglich der Hyperdactylie, Oligodact^die, abnorm gelagerter Muskeln , Nerven . Knochenkerne etc. Diejenigen dieser Bildungen, welche in älnilicher Weise bei Thieren, besonders bei den vermutheten Ascendenten. vorkommen, werden von Manchen ohne Weiteres als Rückschläge gedeutet; von Anderen wird dem zwar widersprochen. Doch leiden manchmal beide Auffassungen an einer gewissen Willkür. Vor vielen derartigen Entscheidungen sollte meiner Meinung nach erst noch die Entwicklungsmechanik eingehends zu Rathe gezogen werden. Sie hat uns auf Grund bezüglicher Untersuchungen zu belehren, ob durch eine kleine, sozu- sagen zufällige Variation gleich ein ganzer Finger mehr entstehen oder fehlen kann, ob beim Fehlen des fünften Fingers der da,mit zum Randfinger gewordene vierte Finger zufolge der Entwicklungs- mechanismeu gleich die Beschaffenheit eines solchen, also des fehlen- den fünften Fingers erlangt, ähnlich wie bei Graviditas extrauterina an dazu nicht bestimmter Stelle gleich eine wohlgebaute Placenta materna und Decidua entsteht; oder ob im Gegentheil derartige Aen- derungen, [25] nach der Beschaffenheit des normalen Bildungsmecha- nismus zu urtheilen, so vielseitig und typisch begründet sein müssen, dass sie voraussichtlich blos entstehen können, wenn schon von den Vorfahren her das Keimplasma eine besondere Disposition dazu mit- bringt. Wenn z. B. die ältere Angabe, dass man künstlich die Bild- ung einer vermehrten Finger zahl gelegentlich der Regeneration der abgeschnittenen Hand bei Tritonen veranlassen kann, sich be- Zukünftige. Stellung der Entwickelungsmechanik. 53 stätigte^), so erhielten wir dadurch einen Hinweis nicht blos auf die Natur der bezüghchen Entwicklungsmechanismen, sondern auch für die Deutung der Hyperdactylie, ebenso wie durch die Beobachtung, dass die Knochen auch in neuen Verhältnissen eine functionelle Ge- stalt und Structur erlangen, dass die Sehnen in Abhängigkeit von den Muskeln entstehen, die Deutung mancher Variationen dieser Or- gane bestimmt wird. Drei von den bisherigen Richtungen der Anatomie bedienen sich der beschreibenden Methode; sie werden daher mit der Zeit ihr Material erschöpfen und ein Stadium der Vollendung erreichen oder ihm unter asymptotischer Näherung sehr nahe kommen; auch dio physiologische Richtung kann die gleiche Stufe erlangen. Nur die ursächliche Richtung kann nie ihr Material erschöpfen, und nie wird ihr die Vollendung vergönnt sein; aber eben darum wird sie auch die ewig frische und ewig productive bleiben. Es ist der normale Gang der Wissenschaften, dass auf die Er- forschung der „Thatsachen" die Erforschung der ,. Ursachen" folge. Es wird daher eine Zeit kommen, von der an dieser jetzt von Vielen gering geachtete, scheinbare Nebentrieb am Baume der anatomischen Wissenschaften zum Haupttrieb, zur Fortsetzung des Stammes werden wird. Die Entwicklungsmechanik wird alsdann einen Stamm darstellen, welcher rasch in die Höhe strebt und gegenwärtig noch nicht geahnte neue Seitenzweige treibt, deren Blätter die vier ersten Aeste in ihren Schatten nehmen und Nahrnngsstoff zur Ent- faltung neuer Knospen für sie bilden werden.) Wenn das, was wir bis jetzt an causaler Erkenntniss besitzen, neben den vier anderen Richtungen in den anatomischen Unterricht aufgenommen wird, und wenn bezüglich dessen, was wir noch nicht wissen, die causale Fragestellung bei den Schülern im Colleg und be- sonders auf dem Secirsaale (etwa anlässlich aufgefundener Varietäten) angeregt wird, und sofern es offenkundig wird, dass auch diese Richt- ung bereits ihre Anerkennung findet, so werden bald Kräfte, deren [1) Dies ist D. Barfürth inzwischen in vorzüglicher Weise gelungen. Siehe Archiv für P^ntwickehuigsmechanik 1894. Bd. 1. Heft 1 ] 54. Nr. 14. Festrede. Interessen auf die directe ursächliche Forschung gerichtet sind, in vermehrter Zahl diesem Zweige der Biologie sich widmen. Es ist mir eine ehrenvolle Pflicht, an dieser Stätte dankend zu erwähnen, dass hereits Se. Excellenz der königlich preussische Cultus- minister, Herr v. Go.ssler, dieser Richtung seine Unterstützung hat angedeihen lassen, indem er mir, einem Autor, der sich ganz zu der- selben bekannt hat , zur Förderung dieses Strebens ein eigenes In- stitut schuf. Indem nun Euere Excellenz mich in einen grösseren Wirk- ungskreis beriefen und mir dieses grosse Institut übergaben, haben Hochdieselben dieser jungen, einen neuen Weg der Erkenntniss des Organischen anbahnenden Wissenschaft somit einen weiteren Impuls gegeben; und das hochsinnige Vorgehen Euerer Excellenz wird nicht verfehlen, zur Nachfolge anzuregen und der Entwicklungsmechanik neue Kräfte zuzuführen. Ni. 15. Ziele und Wege der Entwiekelungsmeehanik. 1892. In Merkel-Bon net's „Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte". Bd. II. 1892. Inhalt. Seite Bisherige biologische Erklärungsarten 58 Phylogenetische und ontogenetische Entwiekelungsmeehanik 60 Bedeutung der Entwiekelungsmeehanik für die Descendenzlehre : 60 Vererbung erworbener Eigenschaften 61 Assimilation als die Bedingung vererbbarer Variationen . 62 Entwickelung aus inneren und äusseren Ursachen 63 Stetige und sprungweise Entwickelung 63 Freie Variationen der einzelnen Theile 64 Entwickelungsmechanische Zurückweisung einiger Einwendungen gegen die Descendenzlehre 66 Stellung der derzeitigen vergleichenden Anatomie zur Entwiekelungsmeehanik 69 Weiterer Nutzen der Entwiekelungsmeehanik 72 Specielle Aufgabe der ontogenetischen Entwiekelungsmeehanik 73 Persönliches Keimplasma und unpersönliches Keimplasson 73 Vorent Wickelung: unpersönliche, persönliche und aeeessorische .... 74 Unzulänglichkeit causaler Schlüsse aus Beobachtungen der normalen Ent- wickelung 75 Wesen des Organischen 76 Morphologische Assimilation: Wesen derselben 78 Arten derselben: 1. präparative Assimilation 79 2. generative Assimilation 79 3. reparative Assimilation 79 56 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. Seite Alloplasie 80 VVachsthum : Arten desselben 77 1. Massenwachsthum 81 2. Bios dimensionales Wachsthum 81 Co m plexe Vo rgänge und conipl exe Componenten 82 Die letzten lebenstb ätigen Best andthe il e der Organismen : .... 83 a) Letzte Elementar orga nism e n : 1. Automerizon 84 2. Idioplasson 85 b) Letzte Elementarorgane: 1. Autokineon 84 2. Isoplasson 84 (xranula Rieh. Altmann's 85 Möglichkeit der ursprünglichen successiven Entstehung des Lebens 85 Historische Analyse der individuellen Entwickelung 86 Nächste Aufgabe 87 Specielle Methodik der ontogenetischen Entwickelungsmechanik 87 Combination verschiedener Experimente ö9 Beschränkte Anwendbarkeit des Satzes : Gleiche Wirkungen gleiche Ursachen 92 Causale Verwerthung der Merkmale höherer Ordnung 93 Constanz der Form bei Wechsel der Ursachen 93 Directe und indirecte Entwickelung 94 Literaturverzeichniss. 1. Roux, W., Beiträge zur Entwickelungsmechanik des Embryo. Einleitung. Zeit- schrift für Biologie Bd. XXI, N. F. HI, München 1885. • 2. — Die Entwickelungsmechanik der Organismen, eine anatomische Wissenschaft der Zukunft. Festrede. Wien 1890. 3. Dreyer, F., Ziele und Wege pathologischer Forschung, beleuchtet an der Hand einer Gerüstbildungsmechanik. .Jena 1892. 4. Driesch,H.,Die mathematisch-mechanische Betrachtung morphologischer Probleme der Biologie. Jena 1891. 5. Roux, W., Ueber die ersten Theilungen des Froscheies und ihre Beziehungen zu der Organbildung des Embryo. Anat. Anz. 1893, S. 605—609. 6. — Der Kampf der Theile im Organismus. Leipzig 1881. 7. — Beiträge zur Morphologie der functionellen Anpassung. Nr. 1. Archiv f. Anat. u. Physiol. anatom. Abtheilung. 1883. 8. Eimer, S. H. Th., Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen. Jena, G. Fischer, 1889. 9. — Die Entstehung der Arten auf Grund von Vererben erworbener Eigenschaften, nach den Gesetzen organischen Wachsens. 1. Theil. Jena 1888. 10. Haeckel, E., Natürliche Schöpfungsgeschichte. 8. Aufl. Berlin 1889. 11. — Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des Menschen. 4. AuÜ. 1891. 12. Kölliker, A. v., Morphologie und Entwickelungsgeschichte des Pennatuliden- stammes nebst aligemeinen Betrachtungen zur Descendenzlehre. Frankfurt 1872. Literaturverzeichniss. 57 18. Weis mann, A.. Ueber die Vererbung. Ein Vortrag. Jena 1883. 14. — Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung. Jena 1892. 15. Wolff, G., Beiträge zur Kritik der Darwinschen Lehre. Biolog. Centralbl. 1890, Bd. X, S. 450 16. Roux. W., Beitrag III zur P]ntwickelungsmechanik des Embryo: Ueber die Be- stimmung der Hauptrichtungen des Froschembryo im Ei und über die erste Theilung des Froscheies. Breslauer ärztliche Zeitschrift 1885 Nr. 6 u. f. 17. Wiesner, J., Die Elementarstructur und das Wachsthum der lebenden Substanz. Wien 1892. 18. Alt mann, R., Die Granulalehre und ihre Kritik. Archiv f. Anat. u. Physiol.. anatom. Abtheil. 1893 S. 55 u. f. 19. Flemming, W., Bericht über „Zelle", in Merkel-Bouuet, Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte 1892 S. 43. 20. Roux.W., Kritik der Granulalehre Rieh Altmann's, Verhandl. der anatom. Gesell- schaft zu Wien S. 223, 1892, Jena. 21. Rauber, A., Formbildung und Forrastörung in der Entwickelung von Wirbel- thieren. Leipzig 1880. 22. Roux, W., Ueber die Selbstordnung der Furchungszellen. Drei Mittheilungen. Bericht des naturw.med. Vereins zu Innsbruck, April 1893. 23. — Beitrag Vll zur Entwickelungsmechanik : Ueber Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. Merkel-Bonnet, anatom. Hefte 1893, Februarheft. 24. Bütschli. 0.. Ueber die Bedeutung der Entwickelungsgeschichte für die Stam- mesgeschichte der Thiere. Jahresber. d. Senkenberg. Ges. zu Frankfurt a. M. 1876 S. 66. 25. Roux.W., Beitrag !V zur Entwickelungsmechanik : Die Bestimmung der Median- ebene des Froschembryo durch die Copulationsrichtung des Eikernes und des Spermakernes. Archiv f. raikrosk. Anatom. 1887, Bd. 29. 26. Bertbold, G.. Studien über Protoplasmamechanik. Leipzig 1886. 27. Errera, L.. Ueber Zellenformen und Seifenblasen. Tagebl. d. 60. Versammlung der Naturforscher zu Wiesbaden S. 246 — 248. 28. Bütschli, 0., Ueber die Structur des Protoplasma's. Verband!, d. naturhist. med. Ver. zu Heidelberg, 1889. 29. — Untersuchungen über mikrosk. Schäume und das Protoplasma. Leipzig 1892. 30. Quincke, G., Ueber Protoplasmabewegung und verwandte Erscheinungen. Tagebl. d. 62. Vers, der Naturforscher zu Heidelberg 1889. 31. Dreyer, F., Die Principien der Gerüstbildung bei Rhizopoden, Spongien und Echinodermen. Jenaische Zeitschrift f. Naturwiss. XXVI. Bd. N. F. XIX. Bd. 1892. 32. Roux, W.. Ueber die Specification der Furchungszellen und über die bei der Postgeneration und Regeneration anzunehmenden Vorgänge. Biol. Centralbl. 1893 Nr. 19. 33. — Kritisches Referat über H. Spitzer 's „Beiträge zur Descendenzlehre" in: Göttinger gelehrt. Anzeiger 1886 Nr. 20 (Bemerkungen über Homologie, die Ur- sachen des „biogenetischen Grundgesetzes" und die Grundbedingungen der Ver- erbbarkeit). 34. — Ueber die Lagerung des Materials des Medullarrohres im gefurchten Froschei. Verhandl. d. anat. Ges. zu Würzburg. Anat. Anz. 58 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. Es ist der Wunsch der Redaction, dass künftigen Berichten über die Ergebnisse der entwicklungsmechanischen Forschungen zu- nächst eine Einleitung über die Ziele und Wege der Entwicke- lungsmechanik vorausgehe. Verfasser hat sich über dieses Thema bereits Mdederholt und ausführlicher geäussert, als es hier zu thun der Raum gestattet. Interessenten, welche sich genauer zu informiren wünschen, seien daher auf diese Publicationen verwiesen (1 und 2), die sich möghchst eng an das zunächst zu Erstrebende und Erreichbare halten. Auch sind die bezüglichen Erörte- [417] rungen der jüngsten An- hänger der Entwicklungsmechanik: H. Driesch (4) und F. Dreyer (3) dem Leser zu empfehlen. Das Ziel der Entwicklungsmechanik der Organismen ist eine bestimmte Art der „Erklärung" der Organismen. Es gibt in der Biologie verschiedene, theils coordinirte, theils einander superordinirte Arten der Erklärung der vorhandenen Gebilde. Die historisch erste Art der Erklärung eines Organismus be- stand in dem Nachweise der Zweckmässigkeit seiner Einricht- uno-en für sehie eigene Erhaltung und w^eiterhin des Nutzens für den Menschen oder andere Lebewesen. Statt der ersteren Zweckmässig- keit sagen wir objectiver, die Selbstiiützliclikeil, Autophelie (von avTog und oHfikaia Nutzen) des Organismus: sie ist es, welche die Dauerfähigkeit der Organismen herstellt, resp. erhöht. Danach imponirte es dem menschlichen Geiste als Erklärung eines Organismus, wenn man darlegte, auf welche Weise, d.h. unter welchen äusseren und inneren Form Wandlungen die Complicirtheit seines fertigen Zustandes nach und nach aus den einfachen For- men des befruchteten Eies sich hervorbildete. Es ist die Aufgabe der beschreibenden Entwicklungsgeschichte, dies für alle Arten der Lebewesen nachzuweisen. Das Wesen dieser Erklärung ist die beschreibende Ableitung des formal Complicirten aus dem formal Einfachen. Die dritte Art der Erklärung sucht zunächst das Gleiche für grosse Gruppen, ja, für die Gesammtheit der Lebewesen, zu Bisherige biologische Erklärungsarten. 59 leisten. Dabei werden die verschiedenen Lebewesen in Reihen stei- gender ConipUcirtheit und möghchst grosser Aehnlichkeit der benach- barten Glieder geordnet. Danach wurde diesen Reihen genetische Bedeutung untergelegt und somit in der Abstammung des Com- plicirteren von dem Einfacheren den verschiedenen Lebewesen ähn- liche ursächliche Beziehung zuerkannt, wie sie in den verschiedenen Entwicklungsstadien eines Lebewesens von selber sich ausspricht. Es wurde sodann nach den Ursachen dieser steigenden Complication in der Reihe der Lebewesen mid der dabei statt- findenden typischen Ausgestaltungen in Klassen, Gattungen, Arten gesucht. Da von allen Eigenschaften der Organismen die Selbst- nützlichkeit am meisten in den Vordergrund tritt und, indem sie die Einrichtung derselben beherrscht, das wesentlichste Merkmal der Organismen, die ,, Organisation'' darstellt, so wurde bei dem Suchen nach den Entstehungsursachen der Organismen von den Begründern der Descendenzlehre mit Recht zunächst vorzugsweise die Frage be- handelt, wie und wodurch complicirt Nützliches aus Einfacherem ohne Eingreifen eines zweckthätig schaffenden Wesens, also rein mechanich entstehen könne. Und Charles Darwin hat in der [418] besseren Erhaltungsfähigkeit des Nützlicheren im Kampfe ums Dasein ein Auslese- und Steigerungsprincip nachgewiesen, durch welches aus zu- fälligen Variationen die für ihre eigene Erhaltung nützlichsten erhalten bleiben. Bei diesem Nachweise wurde zugleich von vielen Eigen- schaften der Organismen der bisher nicht erkannte Nutzen aufgedeckt und wohl in Folge dessen nicht genügend gewürdigt, dass noch vielerlei Organismen Artcharaktere besitzen, denen ein Nutzen für das Individuum nicht zuerkannt werden kann. Die Variationen, aus denen die Auslese züchtet, wurden zu- nächst einfach als gegeben und als frei um die vorhandene Form oder Qualität als Mittellage variirend angenommen. An diese drei Arten von Erklärung der Organismen hat sich nun eine vierte anzuschliessen ; die Wissenschaft von den wirk- lichen Bildungsursachen, von den verae causae, den gestaltenden Kräften und deren Combinationen , denen das Organismenreich im 60 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. Ganzen und in jedem Individuum seine Entstehung verdankt: die Entwicklungsmechanik der Organismen. Das Ziel dieser Wissenschaft ist die Ermittelung der ganzen Reihe nächster, naher und entfernter, resp. specieller und allgemeiner Ursachen jedes organischen Bildungs- und Erhaltungsvorganges, einer- lei, ob es sich um progressive oder regressive Bildungen oder soge- nannte blosse Umbildungen handelt. Je nach der Definition von Ursache oder Kraft erhält die specielle Definition dieses Zieles eine andere Fassung, womit aber practisch nichts gefördert wird; es sei daher an dieser Stelle davon abgesehen, solche anderweit (Nr. 13 und 14) bereits angedeuteten Fassungen zu reproduciren^). Die Entwicklungsmechanik der Organismen zerfällt in eine ontogenetische und phylogenetische Entwicklungsmechanik. Beide Theile fügen sich später einer durch sie exacter begründeten Descendenzlehre als wesentliche Glieder ein. Zunächst wird der ontogenetische Theil lange Zeit fast aus- schliesslich zu pflegen sein. Wenn dieser Theil schon sehr weit aus- gebildet ist, dann wird von ihm aus auch ein Schimmer der Auf- hellung auf die Ursachen der Phylogenese fallen, und damit dieser zweite Theil eine, wenn auch wohl immer noch sehr hypothetische Grundlage gewinnen. Diese an' sich geringe Hoffnung scheint vielleicht noch ver- messen. Und doch hoffe ich mit einiger Berechtigung diese Worte zu sprechen. Denn schon gegenwärtig kann, wie mir scheint, die entwickelungsmechanische Denkweise aufklärend, min- destens mildernd in den Widerstreit der verschiedenen Richtungen der „Descendenzlehre" eingreifen, blos mit dem Wenigen, was wir bereits erkannt haben; besonders aber durch die klare [419] V'orstellung dessen, was uns an entwickelungsmechanischen Kenntnissen fehlt. Es sei dies etwas im Einzelnen dargelegt. Es sind vier Hauptfragen , über welche die Anhänger der Des- cendenzlehre uneins sind: [ij Dieselben finden sich methodisch erörtert in der „Einleitung" des Archiv für Entwickelungsmechanik, Bd. I, 1894.1 Gegen Vererbung erworbener Eigenschaften. 61 1. Giebt es Vererbung sogenannter „erworbener" Eigen- schaften, (las heisst: giebt es Uebertragung von Eigenschaften, welche durch äusserliche Einwirkungen auf den Personaltheil des Individuums an diesem Theil aufgetreten sind, also nach A. Weismann somatogener Eigenschaften, auf den in den Personaltheil einge- schlossenen Germinaltheil? Wenn dies der Fall wäre, so müssten 1. die vom Personaltheil erworbenen Eigenschaften nicht blos auf das Keimplasma übertragen, sondern 2. zugleich auch aus dem .entwickelten Zustande zurück in den unentwickelten, dem Keimplasma adäquaten Zustand verwandelt, also implicirt oder involvirt werden (s. Roux im Jahresber. v. Hofmann u. Schwalbe 1881 S. 396). Oder beruhen im Gegentheil nach A. Weismann (13 u. 14) alle vererbbaren Eigenschaften nur auf blastogenen Veränderungen, also auf primären Veränderungen des Keimplasson (s. S. 73), welches sich continuirlich, d. h. ohne an der Differenzirung des Personal theiles im Geringsten theilzunehmen , von einem Individuum auf das andere überträgt? Alsdann müssen neue Eigenschaften z. B. an dem Vater nur früher entwickelt und daher auch früher erkennbar werden als an dem später zur Entwickelung gelangenden Stücke desselben Keim- plasma, aus dem der Sohn und die Tochter, welche somit richtiger als die jüngeren Geschwister (resp. gewöhnlich als Stiefgeschwister) des Vaters und der Mutter zu bezeichnen sind, hervorgehen. Diese Alternative sei hier nicht discutirt, sondern blos berührt. Für denjenigen, der sich die Grösse des Räthsels der angeblichen Uebertragung von Veränderungen des Personaltheiles auf den Germi- naltheil vorgestellt hat, ist die von Weismann sorgfältig begründete und neben ihm auch von Owen , Bütschli (23) , Galton , M. Nussbaüm, JuL. Sachs u. A. angebahnte Theorie von der Continuität des Keim- plasma die Erlösung von einem auf unserem Erkenntnissvermögen lastenden Alp, die Befreiung von zwei der schwierigsten entwickelungs- mechanischen Problemen von Problemen, welche viel schwerer lösbar erscheinen als das der Entstehung des Zweckmässigen ohne zweck- thätiges Wirken. [Es sind die oben angedeuteten Probleme: der Uebertragung (Translatio) formaler und bestimmt localisirter Eigenschaften vom Elter auf den in ihm lebenden Keim und der 62 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsinechanik. gleichzeitig nöthigen Zurück Verwandlung (Implication) aus dem entwickelten in den unentwickelten Zustand. Letztere müsste um so nöthiger und grösser sein , je grösser der Antheil der Epi- genesis (s. S. 6) an der individuellen Entwickelung ist.j Als nach Erkenntniss strebende Wesen werden wir dringend wünschen, dass sich dieses Fundament von der Theorie der Continuität des Keimplasson immer mehr bewahrheiten möge. Nehmen wir im Interesse der Einfachheit der weiteren , hier blos flüchtigen , nicht nach Vollständigkeit strebenden bezüglichen Darstellung wegen diese Ansicht als vollkommen gesichert an. [420] 2. Die zweite Differenz betrifft die ,,Ent steh ung" vererb- barer Variationen des Keimplasma. Vererbbar können nach meiner Auffassung nur solche Variationen des Keimplasson sein, welche zugleich vollkommen ,, assimilationsfähig'' sind (s. hierfür und bezüglich des folgenden: Roux in Hermann u. Schwalbe, Jahresber. d. Anat. u. Physiol. 1887, S 540 u. 528 u. I. Nr. 6 S. 807). Die strittige Alternative ist nun : Sind vererbbare Variationen des Keimplasma stets nur durch äussere Einwirkungen auf dasselbe oder ausschliess- lich resp. gelegentlich ohne solche Einwirkungen, also aus inneren Ursachen, somit durch Selbstdifferenzirung desselben entstanden? Wer verfügt zur Zeit über genügende sachliche Gründe, uin eine dieser beiden Ansichten mit Sicherheit aus seh Hessen zu können? Niemand ! Warum sollen nicht einmal oder einigemal in frühester, früher und späterer Zeit des Organismenreiches, wenn einmal assimilations- fähige Variationen entstehen konnten, auch äussere Einwirkungen solche Keimplasmavariationen veranlasst haben und warum nicht gar solche, welche nicht blos eine einmalige Aenderung darstellten, sondern Variationen, nach denen auf die erste, von aussen veran- lasste Aenderung zufolge dadurch entstandener innerer Eigenschaften eine ganze Folge von Aenderungen sich anschloss? Das Keim- plasson ist ja seinem Wesen nach ,,Selbstdifferenzirungs- substanz''. Welche uns bekannten Gründe zwingen weiterhin etwa zu der Annahme, dass diese Selbstdifferenzirung stets eine indivi- duelle, blos auf ein Individuum (oder bei Doppelbildung auf Assimilation als die Bedingung der Vererbung. 63 zwei Individuen) hin angelegt sein könne, stets mit P e r s o n a l i s a t i o n des Keimplasson (s. S. 73) verbunden sein müsse; dass das Keim- plasson nicht aus gleichfalls in ihm liegenden Kräften sich verändern könne, ohne sich dabei zugleich zu individualisiren, d. h. ohne dabei Special theile eines Einzelwesens anzulegen, also ohne dabei seine Eigen- schaft als Keimplasson einzubüssen? Bei solchem immanenten mechanischen Veränderungs- vermögen kann durch nicht ganz gleichzeitiges Auf treten dieser Selbstveränderung bei den Nachkommen des ersten Trägers des durch äussere Einwirkung dazu disponirten oder durch Selbst- differenzirung alterirten Keimplasson eine Veränderung, eine neue Eigenschaft der Individuen au einzelnen Thieren früher, an anderen später auftreten und so nach Eimer (8) allmählich sich ausbreiten und successive ein Artcharakteristicum werden, ohne dass man in Folge dieser Thatsache genöthigt ist, mit diesem Autor eine Vererb- ung vom Person altheil erworbener Eigenschaften anzunehmen. Es ist ferner vorläufig nicht auszuschliessen , dass sogar Keim- plasson Variationen entstanden, welche aus inneren Ursachen nicht blos eine einzige, sondern gleichzeitig mehrere nützliche Variationen hervorbringen konnten ; ja es ist sogar Keimplasson denkbar, welches zufällig geradezu befähigt war, mehrere dauer- fähige Variationen nach einander her- [421] vorzubringen, unter Einwirkung mehr blos auslösender als direct differenzirender äus- serer Einwirkungen. Was die Grösse dieser vererbbaren Variationen des Keimplasson angeht, so liegen keine sicheren sachlichen Gründe dafür vor, dass stets nur solche Variationen des Keimplasson assimilationsfähig, also V e r e r b b a r gewesen wären, welche blos kleine Veränderungen des entwickelten Individuums bedingen , wenn schon diese ver- muthlich die weitaus häufigeren gewesen sein werden ; immerhin muss eine sogenannte sprungweise Veränderung der Nachkommen als möglich bezeichnet werden; und in Verbindung mit sogleich zu erörternden weiteren Principien kann daraus auch eine sprungweise Differenzirung des Organismen reich es abgeleitet werden. Es wären nur wenige im Laufe der Aeonen der organischen Vorzeit 64 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. vorgekommene solche Sprünge nöthig gewesen , um die Entstehung der Hauptthierstämme erheblich zu erleichtern. Es ist nicht nachgewiesen worden , dass die Entwickelung des Organismenreiches eine stetige, und daher nur mit kleinen Verbesserungen fortschreitende war; vielmehr ist es nicht unmöglich, dass im Laufe der Aeonen einigemale Variationen von gleichzeitiger, so mannigfacher Nützlichkeit vorgekonmien sind , dass ihr zufälliges Auftreten rechnerisch geradezu als ausserordentlich wenig wahr- scheinlich bezeichnet werden rauss. Ebenso ist es umgekehrt möglich, ja wahrscheinlich, dass wiederholt vollkommen Dauerfähiges dadurch aus d e r R e i h e d e r L e b e n d e n e 1 i m i n i r t worden ist, dass das Keimplasson sich in pejus veränderte [worauf schon die Geschichte mancher Adels- und Fürstenfamilien hinweist]. Daran schliesst sich die weitere Streitfrage: sind die durch äussere oder innere Ursachen bedingten \^ a r i a t i o n e n des Keimplasson der Art ,,frei'\ dass jeder Theil des entwickelten Jndividuums um seine derzeitige Norm als Mittellage stets nach allen Seiten hin, also auch nach der Seite des Nützlichen und Schädlichen gleich leicht variirt ; oder sind zufolge der Erhaltungs- und Varia- tionsmechanismen des Keimplasson diese Variationen zu verschiedenen Zeiten zufällig nach irgend ein er Richtung leichter möglich als nach der anderen? (s. I S. 116.) Wer vermag darüber etwas Bestimmtes zu sagen? Wenn letzteres der Fall ist, kann dies gelegentlich zufällig auch nach der Seite der Nützlichkeit hin geschehen, so dass einige schwierige Stufen, auf denen viele Organe gleichzeitig in nützlicher W^eise vererbbar variiren mussten, wie beim Uebergang vom Wasser- zum Land- (Luft-) Leben überschritten werden konnten. Und es kann Aeonen gedauert haben, bis zu diesem Schritte sich die günstigen Bedingungen gefunden haben (s. I S. 124). Sind ferner die assimilationsfähigen Keimplasmavariationen auch in der Art „frei", dass j eder kleine Theil des „entwickelten" Indivi- [422] duums für sich allein vollkommen unab- hängig von allen anderen entwickelten Tlieilen variiren kann, oder müssen bei Variationen von Theilen des Keimplasson Griebt es freie VariiitionV 65 7AÜ'olge correlativerEntwickelungsmechanismen stets Veränderungen vieler entwickelter Theile gleichzeitig vorkommen? Ersteres könnte nur dann das alleinige sein, wenn die kleinsten selbständig- variablen Theilchen des entwickelten Individuum alle auch ganz selbst- ständig, ganz unabhängig von den anderen, aus besonderen Theilchen des Eies, also rein durch Selbstdif¥erenzirung sich entwickelten, wie es Weismann annimmt; resj). es könnte ersteres nur soweit vorkommen, als dieses letztere der Fall ist. Wir können jedoch von keinem er- kennbar variirten Körpertheile behaupten , dass er sich vollkommen selbstständig vom Keimplasma aus verändert habe ; denn die ursäch- lich damit verknüpften Veränderungen anderer Theile können der Art sein, dass wir sie nicht erkennen können. Unsere specielle ent- wickelungsraechanische Einsicht ist zu solchem Urtheil noch viel zu gering. Es kann aber andererseits wohl als sicher angenommen werden, dass die Annahme solcher S e 1 b s t v a r i a t i o n e n einzelner entwickelter Theile nicht allgemein richtig ist, schon in Rücksicht auf die von Darwin betonten, von mir erklärten und unter dem Namen der fuuc- tionel len Anpassung zusammengefassten Thatsachen (s. Nr. 4 u. 7), welche auf functionell vermittelten gestaltenden Korrelationen beruhen, um hier von vielen anderen , noch weniger bekannten , aber noth- wendigerweise z. B. bei der Regeneration anzunehmenden differen- zirenden Correlationen ganz abzusehen (s. Nr. 28). Wenn es aber, woran wohl nicht zu zweifeln ist, gestaltende, per continuitatem et eontiguitatem vermittelte Correlationen unter grösseren, nebeneinander liegenden und auch unter nicht unmittel- bar nebeneinander liegenden Theilen des Keimplasma giebt, dann müssen mit der Variation eines Theiles des entwickelten Individuums einige oder viele andere Theile desselben zugleich variiren ; es kann also erstens, wie schon Darwin hervorhebt, eine neue nützliche Eigen- schaft mit der Bildung anderer nicht nützlicher fest verknüpft sein. Wenn erstere sich im Kampfe bewährt, so werden die letzteren unnützen miterhalten werden , sofern sie nicht geradezu so schädlich sind, dass sie den Nutzen des Ersteren aufwiegen und damit die Er- haltung des ganzen Veränderungscomplexes aufhel)en. Zweitens können W. Roux. Gesammelte Abhanrtkinfreii. II. '-> 66 Ni'. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. o-eleö'entlich so vielfache nützliehe und unnütze Veränder- iingen des fertigen Organismus zugleich aufgetreten sein, dass sie die Grundlage eines neuen Stammes, einer neuen Klasse, Ordnung, Gattung, Art wurden. Ueber all diese Eventualitäten haben wir meiner Meinung nach zur Zeit noch kein bestimmtes Urtheil trotz der mannigfachen bereits für und [423J wider angeführten Gründe; wir können keine Even- tualität entschieden zurückweisen und voji keiner behaupten, sie sei die einzig mögliche. Es entspricht also die schroffe Betonung der Verschie- denheiten in den Auffassungen Haegkel's (10 und 11), von Kölliker's (12), Weismann's (13), Eimer's (8 und 9) u. a. nicht dem wirklichen Stande unseres Wissens; sondern das Urtheil über Wahrheit und Irrthum ist bezüglich dieser Fragen auf ausser- ordentlich lange Zeiten hinaus zu vertagen, nämlich bis die Ent- wickelungsmechanik soweit ausgebildet ist, dass wir einen tiefen Einblick nicht blos in die Mechanismen der Bild- ung der Individuen aus dem Keimplasma, sondern auch in die Mechanismen der Keimplasma- Variationen gewonnen haben. Dann erst werden wir auf Grund dieser Kenntnisse oder Wahrscheinlichkeiten einen freilich immer noch sehr unsicheren, Rückschluss auf das Geschehen in früheren Aeonen machen können. Es ist wohl zu vermuthen, dass alle die genannten Modi bei der Entstehung des Organismenreiches gelegentlich be- theiligt gewesen sind, jedenfalls schliesst das Vorkommen eines dieser Geschelmisse das frühere oder spätere Vorkommen des anderen nicht aus. Auf unzureichender Einsicht sowohl in die Bedeutung der Ent- wickelungsmechanik überhaupt, als in den Antheil, welchen ditferen- zirende Correlationen an der individuellen Entwicklung nehmen, beruht eine Summe von Einwendungen, die von G. Wolff (14) gegen die Selectionstheorie erhoben worden sind, mit denen er diese Theorie definitiv als unrichtig erwiesen zu haben glaubt. Diese Einwendungen sind anscheinend mit grossem Scharfsinne aufgespürt, classificirt und begründet, entbehren aber gleichwohl Einwendungen gegen die Descendenzlehre. 67 meiner Meinung nach durchaus der ihnen zugeschriebenen wider- legenden Kraft. G. WoLFF behauptet, alle Gebilde, die an demselben Organismus zwei- und mehrfach vorhanden und einander gleich sind (z. B. Augen, sowie Schuppen, Federn symmetrisch gleicher Lagerung etc.), spotten der Erklärung durch die Selectionstheorie, weil sie immer in gleicher Weise variirt haben müssen, also keine freien Variationen, sondern schon ein gesetzmässiges Gebundensein voraussetzen. Wolff scheint bei diesen Folgerungen nicht bedacht zu haben, dass die pri- mären Variationen nicht die Augen, Schuppen etc. als solche, son- dern das Keimplasma betreffen; sollte er dies Moment berücksichtigt haben, so muss er bei seiner Auffassung als selbstverständlich ange- nommen haben, dass jedes entwickelte Einzelgebilde schon im Keim- plasson s e 1 b s t s t ä n d i g vorhanden sei und s e 1 b s t s t ä n d i g v a r i i r e, was wie oben erwähnt, nicht zutreffend, mindestens nicht bewiesen ist. Aus den gemeinsamen Variationen mehrerer entwickelter gleicher Theile können [424] wir blos auf ein enges entwickelungsmechanisches Verknüpftsein der virtuellen Vorstufen dieser vielleicht überhaupt erst später gegliederten Bildungen schliessen. Im noch nicht personellen „Keimpias s o n" ist die Anlage der Theile der Individuen z. B. mit ihrer späteren Symmetrie irgendwie potentia enthalten ; wir können aber nicht einmal behaupten, dass die späteren symmetrischen Theile schon im persönlichen ,, Keimpias m a" als gesonderte Gebilde vor- handen sind; das Gleiche gilt von den einzelnen Schuppen etc. Ferner meint G. Wolff: ,,Die Variirung einer Zelle zur Muskel- zelle konnte nichts nützen, sofern nicht zugleich eine andere Zelle sich zur Nervenzelle differenzirte ; die Entwickelung des Auges nützte nichts, wenn nicht mit ihr die Entwickelung eines Sehcentrums Hand in Hand ginge"; es müsse also auf die Freiheit der Variationen der einzelnen Theile dabei verzichtet werden. Dies ist richtig; dies dürfen, ja müssen wir aber auch. Die Freiheit der Variation jedes einzelnen Theiles ist eine willkürliche, theilweise bereits als unzu- treffend erkannte entwickelungsmechanische Annahme, die auf der weiteren, ohne Beweis als sicher angenommenen Annahme beruht , dass alle Theile des entwickelten Individuums rein durch 68 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsniechanik. Selbstdiff ereuzirung ans einzelnen Th eilen des Eies hervor- gingen, dass die individuelle Entwickelung eine Evolution wäre (s. S. 5). Da die Placenta von Mutter und Kind gemeinsam gebildet wird, so muss nach Wolff zu einer bestimmten Veränderung des Uterus immer eine gleichzeitige Veränderung des Eies postulirt werden. In diesem Falle kennen wir jedoch schon den entwickelungsmechanischen Zusammenhang, wenn auch nur wenig, so doch genügend, um diesen Einwand direct zurückweisen zu können ; war sehen, dass eine functio- nell zureichende Placenta auch entsteht, wenn das Ei nicht im Uterus, sondern in der Bauchhöhle an irgend einer Stelle sich entwickeU, und schliessen daraus, dass der mütterliche Antheil an der Placentar- bildung vom Ei aus veranlasst wird, dass die Placenta materna nicht durch reine Öelbstdifüerenzirung von Theilen der Mutter entstellt, sondern dass ihre Bildung als abhängige Differenzirung vom Ei, von den Chorionzotten aus angeregt wird. Beziehungen von Theilen eines Organismus zu Theilen eines andern Organismus, wie die Beziehungen zwischen beiderlei Ge- schlechtsorganen, z. B. des Penis zur Vagina, bieten gleichfalls keine unlösbare Schwierigkeit dar , da sie dadurch vermittelt sein können, dass diese beiderlei Individuen ursprünglich in demselben Keimplasma gemeinsam potentia enthalten sind. Welsmann's Ableitung der Rückbildung nicht mehr nöthiger Organe durch Wegfall der sie brauchbar erhaltenden Naturzüch- tuug verwirft Wolff auf Grund einer Rechnung, in der er annimmt, dass von 2n Individuen blos wenige untergehen. Von den oft über [425J Tausend befruchteten Eiern eines Froschweibchens erreichen aber im Gegentheile oft kaum drei bis vier die Stufe der Geschlechts- reife; die Auslese ist also hier eine überaus grosse und kann daher wohl auch die von WeismaniN angenommene Wirkung haben. Es raüsste festgestellt werden , ob derartige Rückbildungen blos bei Arten mit so grosser Naturauslese vorkommen^). [1) Das heisst mit anderen Worten: Nicht mehr gebrauchte und daher nicht mehr durch Naturauslese auf ihrer Höhe erhaltene Organe werden bei sehr starkem Kampfe um's Dasein, bei welchem blos Thätiges bestehen kann, als Theile, welche Nahrung verbrauchen und den Organismus belasten ohne ihm zu nützen, direct weg- Vergleichende Anatomie und Entwickelungsmechanik. 69 Auch die anderen jüngsten Opponenten des Darvvinisirnis, F. DuEYEi! (;■>, S. 76) und 11. Dhiksch (5, S. öT) nrteilen zu leidit über die Selectionstheorie ab; sie erlieben wieder den alten angeblichen Einwand, dass die Selection kein activ gestaltendes, sondern blos ein Aus- leseprincip ist, und unterschätzen daneben die summirenden Wirkungen dieser Auslese aus Variationen, die durch der Entwickelungsmeclianik zugehörende, erst durch lange Forschungsarbeit aUmählich erniittelbare Gestaltungsprincipien hervorgebracht worden sind (s. auch Nr. 33). Da die vergleichenden Anatomen, mit Ausnahme weniger, die Entwickelungsmechanik so gering achten, dass sie dieselbe vollkommen ignoriren, oder wie Häckel direct für überflüssig erklären, so sei, ob- schon dies bereits aus dem Vorstehenden liervörgeht, noch besonders darauf hingewiesen, dass die (Ir undann ahmen , von denen die vergleichend anatomischen Untersuchungen auszugehen pflegen, in ihrem Wesen auf, ihren Autoren vermuthlich gezüchtet, denn ceteris paribus werden Thiere, welche diesen nutzlosen Ballast nicht haben, in diesem Kampfe leichter erhalten bleiben. (jir. WoLFF bemerkt hierzu (biol. Centralblatt 1894 S. 612): „Was soll man dazu sagen, wenn W. Roux die WEisiiANN'sche Ableitung der Rückbildungen durch Weg- fall der Selection mit der Bemerkung vertheidigt, dass , „die Auslese"" (deren Fehlen ja die betreffende Wirkung hervorbringen soll) hier eine überaus grosse ist und daher wohl die von Weismann angenommene Wirkung haben kann". W. erkennt also nicht, dass nicht diejenige Auslese, welche fehlt, sondern eine ganz andere Auslese nach Wegfall dieser das Züchtende ist Dies Beispiel bezeichnet in fast typischer Weise die leichte Art, wie ein Theil der jungen Generation mit den Argumenten für Darwin umgeht, um daraufhin die Selectionslehre für widerlegt zu bezeichnen. Das ist nicht die Art, auf welche man der Natur ihre Geheimnisse abgewinnt. Die oben erwähnte Möglichkeit, dass beide Augen, wenn die Bedingung ihrer Entstehung im Keimplasma oder gar im Keimplasson noch eine einheitliche ist, — und da im noch u npersönli eben Keimplasson sogar die späteren zahllosen pcM- sön liehen Samenkörper oder Eier noch nicht einmal gesondert, sondern blos vir- tuell vorhanden sein können, ist dies Geringere wohl erst recht annehmbar — dann auch gemeinsam variiren können, erscheint dem genannten Autor ein „verwerfliches Versteckspiel ", während er dagegen aus der Thatsache solcher gemein sanier Varia- tionen ihre „Unerklärbarkeit" durch die Principien der Selectionslehre ableitet. Derselbe Autor führt als eigene neue Ansicht an, dass die „zweckmässige An- passung das ist, was den Organismus zum Organismus macht", ein Gedanke, der soweit er durch Thatsachen gestützt ist, von mir in Nr. 4 behandelt ist, wo die Selbstregulation (besonders die morphologische, durch die functionelle An- passung dargestellte Selbstregulation) als eine der das Wesen des Organischen ausmachenden Eigenschaften dargethan wird is. auch S. 77).]. 70 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. Uli b ew US s t en , e iit w ick e lu iigs me chani s ch c ii V o rau s s e t z- ungen beruhen. Die vergleichende Anatomie nimmt immer zunächst an, dass die untersuchten Organe oder Organismen phylogenetisch nur unter allmähliclien formalen Aenderungen, also durch continuirliche, nicht sprungweise Formwandlung der entwickelten Theile aus früheren hervorgegangen seien; dies setzt aber voraus, dass die Ent- wickelungsmechanismen dieser Bildungen und die Variationen dieser Mechanismen in ganz bestimmter Weise beschränkte sind, sodass ihre Endpro du et e sich formal immer blos wenig auf einmal ver- ändern. Indem dieselbe Annahme für jedes einzelne Organ gemacht wird, wird weiterhin vorausgesetzt, dass entweder jedes Organ selbstständig sich entv\dckeln und daher auch selbstständig in der eben erwähnten Weise variiren könne oder dass kleine Variationen des einen Organ es auch nur kleine formale Variationen jedes anderen, mit ihm in ge- staltenden Correlationen stehenden Organes veranlassen. Als specielle Consequenz der ersten Annahme wird ferner zu- nächst immer angenommen, dass analoge Theile desselben Indivi- duums oder analoge Theile der Individuen verschiedener Arten und Gattungen desselben Thierstammes durch Variationen ursprünglich homologer Theile entstanden seien, eine Annahme, welche die Ent- stehung später einander gleicher Gebilde aus ursprünglich ungleichen Theilen auszuschliessen strebt und somit gleichfalls bereits bestimmte Beschränkungen der uns noch unbekannten l^ezüglichen Entwickelungs- mechanismen postulirt. Es wird lange währen , bis wir die entwickelungsmechanischen Ursachen dieser vergleichend anatomischen Annahmen aufgefunden haben werden; immer aber müssen letztere, so weit sie sich bewahr- heiten, auf solchen Ursachen beruhen. Schon aus diesem Grunde hat die vergleichende Anatomie Veranlassung, mit der Entwickelungs- mechanik Fühlung zu nehmen. Die vergleichende Anatomie ist aber ausserdem bereits an einem Punkte angelangt, an dem sich diese ihre bisherigen Grundannahmen mehr und mehr als nicht ausreichend zu erweisen begonnen haben, und von dem an sie zu weiterem Ver- Vergleichende Anatoniio und Entwickelungsmeclianik. 71 ständniss der Formwandlungoii nun direct cntwicki'lunosnu'clunii^^clicr Einsieht bedarf (s. S. 51). Wenn wir dem Gang des Entwickekuigsgescheheiis des ürga- nismenreiches folgen, wie er sich nach Weismann's oben erwähnter Theorie darstellt, so handelt es sich primär immer um V^ariationen des Keimplasma, welche ihrerseits zmneist nur klein sein werden. Die Entwickelungsmeclianik wird uns nun zu lehren haben, in welchen speciellen Fällen diese kleinen Aenderungen des Keimplasma auch nur kleine Aenderungen des aus ihm Entwickelten zur Folge haben, unter welchen Verhältnissen dagegen sie grosse Veränderungen des letzteren, wie z. B. plötzliche Vermehrung der Zahl ganzer Organe oder Organcomplexe veranlassen können. Andererseits aber wird^clie Entwickelungsmechanik sich kein Hilfsmittel entgehen lassen dürfen und daher auch aus den bereits ermittelten Thatsachen der vergleichenden Anatomie , z. B. aus den wirklich sehr häutig blos allmählichen Form Wandlungen der ent- wickelten Tlieile während der Phylogenese, sowie aus den That- sachen des sogenannten biogenetischen Grundgesetzes Rückschlüsse auf die Natur der Entwickelungsmechanismen zu ziehen sich bestreben (s. Nr. 6, S. 801—804). Die ablehnende Haltung der Descendenztheoretiker und verglei- chenden Anatomen gegen die Entwickelungsmechanik beruht auf der Annahme, dass das sogenannte biogenetische Grundgesetz allein schon eine genügende Erklärung der embryonalen Bildungen darstelle, und dass in Folge dessen jede weitere directe Ableitung dieser Formen überflüssig sei. Diese besonders von Haeckel ^) und manchem seiner Schüler ver- tretene Aufliassung beruht meiner Meinung nach auf einer Verwechse- lung der Leistungen zweier ganz verschiedener Erklärungsprincipien. Das biogenetische Grundgesetz ist blos der Ausdruck der Wieder- holung von typischen Bildungen; es sagt jedoch nichts aus über die Kräfte, welche diese Wiederholung vollziehen. Ohne diese [427] Kräfte kann aber überhaupt nichts geschehen. Es ist 1) Anthropogenie, 4. Aufl. l«yi. 72 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. nicht recht vci-stäiidlich, dass es nicht ein erstrebenswerthes Ziel sein soll, diese Kräfte und ihre speciellen \\'irkirngsweisen zai erforschen. Dagegen kann es den vergleichenden Anatomen gleich- gültig sein, ob diese tvpischen Bildungen durch typische Zelltheilungen und Zellordnungen unter Selbstdif f erenzirung einzelner Zell- complexe erfolgen oder ob mannigfache ( 'orrelationen, z. B. Massen- correlationen unter Druck, Zug oder Spannung der Blutsäule etc. bei ihrer Herstellung betheiligt sind, wenn sie nur sicher hervorge- bracht werden. Zu letzterem gehört aber,-;_dass diese^gestaltenden Kräfte selber typisch normirte sind; incon stauten , mehr zufälligen und daher variablen Wirkungen kann dagegen bei diesen Gestaltungen nur ein entsprechend untergeordneter Antheil zukommen : eine Bedingung, die allerdings in manchen jetzigen entwickelungsmechanischen Ableitungen nicht genügend berücksichtigt wird. Wird somit der Entwickelungsmechanik nach längerer Pflege dereinst eine grosse Bedeutung für die Descendenzlehre zukommen, so wird ein Aehnliches zweifellos auch für manche Gebiete der Pa- thologie und Therapie der Fall sein: Wenn wir die normalen Gestaltungs- und Erhaltungscor- relationen der Theile des Organismus untereinander kennen, und ebenso, wenn wir wissen werden, welche Zellcomplexe sich selbstständig, unabhängig von anderen entwickeln, so wird dies schon für die Auffassung, eventuell aucli für die Behandlung mancher pa- thologischer Vorgänge von Bedeutung sein ; noch mehr wird dies der Fall sein, wenn wir die wirklichen Ursaclien der Gewebsleist- ungen: des Wachsthums und der qualitativen Differenzirung etc. kennen; denn damit werden wir aucli der Möghchkeit, diese Vor- gänge vielleicht zu beeinflussen, erheblich näher gerückt sein , wenn schon die modernen Thatsachen der Pathologie uns diese Zellvorgäuge als so sehr in sich fest geschlossen kennen gelehrt liaben, dass sie selbst bei ])athologischcn' Störungen fast nur quantitativ alterirt werden; aber eben deshalb werden wir auch nicht lienöthigen, sie zu Heilzwecken erheblich qualitativ zu beeinflussen. Keimplassdil und K*Mni|iliisiHii. 73 Die i>Tösste BefriiHliguiio- wird aWcr unser l^j'kcniiinisstriob an sicli oliiR' Rücksiclil aiil' einen ..Nutzen" nach andcivi- Seite hin durch (He fortschreitende Einsit'ht in die Trsachen der organischen Rnt- wickelung gewinnen. Der phylogenetischen Entwickelungsnjechauik hat. wie wir oben sahen, eine sehr lange Periode der Pflege der ontogeneti- sehen K n t \v i c k e lu n g s ni e c h a n i k voraus/Aigehen . [428] Unser gegenwärtiges Bestreben richtet sich daJier nur ani' die Ermittelung der Mechanismen der individuellen Entwickelung. Dabei werden die Keimplasmata , Ei und Spermatosoma mit allen ihren im Laufe der Phylogenese entstandenen Eigenschaften als gegeben angenommen. Wenn wir dem (lange des ontogenetischen Geschehens folgen müssten , so wäre es nächste Aufgabe der Ent- wickelungsmechanik, die Eigenschaften dieser Keimstoffe vollkommen zu erforschen und aus ihnen unter Berücksichtigung der hinzukommen- den äusseren Momente, alle Entwickelungsvorgänge der Ontogenesis abzuleiten, l^och würden wir auf diesem Wege nicht vorwärts kommen. Andererseits kann aber noch mehr gefordert werden, wenn wir die individuelle Entwickelung vollkommen ermitteln wollen; denn dazu ist es nöthig, dass wir nicht erst mit dem fertig gebildeten Ei und Samenkörper unsere Eorschung beginnen, sondern auch die Ent- stehung dieser beiden aus dem noch indiiferenten Keimstoff verfolgen. Das Keimplasson, welches bei der Entwickelung des Individuums reservirt wird und welches die Matrix der Oogonien und Spermato- gonien darstellt, ist vielleicht überhaupt noch nicht auf einzelne Wesen angelegt und kann daher als „unpersönlicher Keimstoif", als „Keim- plasson" im eigentlichen oder engeren Sinne (als keim bilden der Stoff' oderKeimbildungsstoff, von nXdGoov. bildend) bezeichnet werden. Ei und Samen dagegen sind ihrem Haupttheil nach sicher bereits auf die Bildung von Einzelwesen angelegte Keime, also gebildete Keime, Keimplas- mata (von ro nldof.ia^ das Gebildete). Alle die Bildungsstufen, die von dem hypothetischen Stadium des unpersönlichen Keimplasson zur Herstellung des persönlichen oder individuellen Keimplasma zu durchlaufen sind, gehören also mit zur individuellen, aber bei den geschlechtlich sich vermehrenden Wesen in zwei getrennten 74 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickeluiigsmechanik. Bahnen verlanfenden, Entwickelung. Solches unpersönUche Keimplasson kann es jedoch blos geben, wenn die individuelle Ent- wickelung nur von sehr wenigen Theilen durch Wechselwirkung der- selben aufeinander ausgeht [also unter Epigenesis in meinem Sinne (s. S. 5) sich vollzieht]; nicht aber, wenn nach Weisimann im Keimplasma schon, den einzelnen entwickelten Kürpertheilen entsprechend viele, besondere Theile vorhanden sind [und die indivi- duelle Entwickelung daher in Evolution besteht]. Ich habe alle Entwickelungsvorgänge, die von dem Stadium des ungegliederten Keimplasson bis zur Reife des einzelnen Eies und Samenkörpers vor sich gehen, unter dem Namen oiitogeiietisclie Vorentwickeluiig zusammengefasst. Soweit die hierbei entstandenen Bildungen auf das spätere In- dividuum unverändert übertragen werden (z. ß. die durch die telo- lecithale Anordnung der Eisubstanzen gegebene dorsiventrale Richtung des Froschembryo) oder soweit sie Vorstufen späterer individueller Bildungen darstellen, sind sie als Bildmigen der individuellen oder persönlichen V o r e n t w i c k e 1 u n g zu bezeichnen. Ihnen gehen vieh leicht noch allgemeinere, nicht auf ein einziges Individuum angelegte Veränderungen des Keimplasson voraus, welche alsdann eine unper- sönliche Vor entwickelung darstellen. Die individuelle Vorent- wickelung ist vielfach begleitet von Vorgängen, deren Producte blos für die vorübergehende Sonderexistenz der Fortpflanzungskörper, so-' wie eventuell für den Mechanismus der Copulation nöthig sind ; diesen Theil der Vorentwickelung habe ich als accessorische Vorent- wickelung bezeichnet (s. Nr. 20, S. 2 und Hermann und Schwalbe, Jahresbericht der Anat. u. Physiol. 1887, S. 536). Es ist Aufgabe der ontogenetischen Entwickelungsmechanik, auch alle diese Vorgänge der individuellen Vorentwickelung zu erforschen ; ebenso wie es Aufgabe der phylogenetischen Entwickelungsmechanik wäre, die Vorgänge der phylogenetischen Vorentwickelung, der Bildung des Keimplasson resp. Keimplasma auf dem Wege der Entwickelung des ganzen Organisnienreiches vom Anfang des Organi- schen an bis zur Herstellung des Keimplasson der jetzt lebenden Organismen zu ermitteln, wenn dies möglich wäre. Liqjorsönliche und ]HTsiniliili(' Voreiitwickelung. 75 Nach der Anzahl dor heivits über ursächhche Verliältnisse der individuellen iMitwickclun^ vorliegenden Angaben wäre die Entwicke- hmgsmechanik eine der am meisten gepflegten Wissenschaften und selber bereits auf einer hohen Stufe der Entwickelung; denn die For- scher auf dem Gebiete der beschreibenden Entwickelungsgeschichte haben über die Entstehung vieler formaler Bildungen schon recht be- stimmte Urtheile ausgesprochen. Doch diesen Urtheilen fehlt fast ausnahmslos eine genügende sachliche Begründung; es fehlen die „Beweise'' für die Richtigkeit gerade dieser speciellen Auffassung; wie denn mit den descriptiven Forschungsme thoden an normalen Objecten ,, sichere" Beweise für ursächliche Zusammenhänge überhaupt „nicht" erbracht werden k (innen. Es wird übersehen, dass aus c o n s t a n t e n Beziehungen zwischen normalen Erscheinungen oder Vorgängen über die vermittelnde Ursache dieser Constanz deshalb keine sicheren Schlüsse gezogen w^erden können, weil wir die ( Jomplicirtheit der normalen Wechsel- wirkungen noch nicht annähernd übersehen können'). Wenn wir zur Zeit unser Augenmerk auf einen constanten Be- gleiter eines Vorganges richten und in ihm die Ursache des letzteren erblicken, können wir fast sicher sein, dass ausser ihm noch mehrere Factoren da sind, die wir nur nicht wahrgenommen haben. Es ver- rät h w e n i g E i n s i c 1 1 1 i n d i e V o r g ä n g e d er Natu r , den augen- fälligsten, zuerst bemerkten Begleitungsumstand aucli für den wesentlichen, ursächlichen zu halten. [4:30] Die causalen Forscher würden einen Umweg einschlagen und sich selber ein i\.rmuthszeugniss ausstellen, wenn sie ihr Werk damit anfangen wollten, diese mannigfachen nicht bewiesenen Aus- sprüche descriptiver Forscher auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Von [ 1) Obgleich diese so wichtige, für die Methode der causalen biologischen Forschung bestimmende Sachlage wiederholt hervorgehoben worden ist (s. Nr. 14, S. 7 und 8, Nr. 30, S. 2), so scheint sie doch bei manchen descriptiven Forschei-n nur sehr langsam Verständniss zu finden, denn sie fahren fort, ihre Mos descriptiven Beobachtungen causal zu verwerthen und die experimentell gewonnenen Ergebnisse unbeachtet zu lassen, so z. B. 0. Hektwig, Kollmann u. A. Die eingehende Begründung dieser Sach- lage siehe in: „Einleitung"' zum Arch. für Entwickelungsmechanik Bd. I. 1894, S. 11. J 76 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. diesen ganzen Urtlieilen ist kaum mein' zu verwerthen als die Ein- sicht , dass ungleiches Wachsthum eine der nächsten Ursaclien der Gestaltbildung ist; aber schon über den Sitz solchen formbestimmen- den Wachsthums bei den einzelnen Gestaltungen sind die bisherigen Angaben vollkommen unzuverlässig; geschweige denn, dass sie über die Ursachen des Wachsthums selber i\.ufklärung gäben. Wir haben uns das normale Entwickelungsgeschehen der Orga- nismen als durch so überaus complicirte, und in Folge dessen von den anorganischen Vorgängen so abweichende Wirkungen bedingt vorzustellen, dass wir jetzt, beim Beginne exacter causaler Forschungen, in keinem Falle sagen können, was für die Natur der einfachere Weg wäre, da wir die vorhandenen, ursächlichen Momente noch nicht ahnen, geschweige deim keimen; und doch beruhen die causalen Ableitungen descriptiver Forscher wesentlich darauf, dass sie glauben, ihre Ableitung stelle den einfachsten Herstellungsmodus der be- trachteten Bildung aus der vorhergehenden dar. Schon die That- sachen, auf denen das sogenannte biogenetische Grundgesetz beruht, widersprechc^n vielfach direct der Erzeugung der Individuen auf dem formal einfachsten Wege. Die einzige sichere causale Forschungsmethode auf organiscliem Gebiete ist die des Experimentes; und zwar des analytischen Experimentes. Diese Thatsache ist bisher nicht genügend gewürdigt worden. Es scheint angemessen, den weiteren p]rörterungen als Basis eine Definition des Wesens der Organismen vorauszusenden. Die Organismen sind Naturkörper, welche durch eine bestimmte Summe von theils besonderen, theils auch im anorganischen Reiche vorkommenden Vorgängen, sogenannten Leistungen Charak- ter i s i r t sind. Diese allgemeinen, wesentlichen Leistungen der Orga- nismen sind: 1 . Die S e 1 b s t a s s i m i 1 a t i o n ^) incl. Massenwachsthum (s. Nr. 15, 1) Das Wort Assimilation wird ausser in seiner wörtlichen Bedeutung der .'\n- ähnlichung gewöhnlich auch zur Bezeichnung einer Anähnlichung bis zur vollkom- menen Gleichheit gebraucht. Ks sei daher zur Unterscheidung letztere Art der Assimilation als vollkommene Assimilation, erstere als unvollkommene Wesen des Organischen. 77 8. 434), die Production specifiscli striicturii-ter, den betreffenden Organismen selber gleichender Substanz, [431] 2. die (NB. scheinbare) Selbstbewegung im Sinne von Massenbewegung aus eigener innerer Kraft, auf oder ohne wahrnehmbare äussere Anregung aber unter Auslösung des Verbrauches von aufgespeichertem Spannkraftmateriale, 3. die S e 1 b s t a u s s c h e i d u n g des unbraucl ibar G e word enen, 4. die Selbsttheilung, eine bestimmte, feste Coordination von Selbstbewegungen. Alle diese Functionen dienen der eigenen Erhaltung dieses Naturkörpers; seine Erhaltung ist dadurch wesenthch Selbst- erhaltung und zwar im Ganzen wie im Einzelnen; er be- sorgt sich soweit als irgend möglich alles zu seiner Erhaltung Wesentliche selber. Diese Selbsterhaltung wird sehr erheblich gesteigert durch Assimilation bezeichnet. Die bei diesen Ausdrücken gemeinte Aehnlichkeit oder Gleichheit besteht zwischen dem diese Thätigkeit ausübenden Assimilans und seinem Product, dem Assimilatum. Diese eigentliche Assimilation kann zur Unterscheidung von einer anderen, gelegentlichen, wenn auch nicht recht passenden Verwendung des Wortes Assimilation als Selbstassimilation, Assimilatio sui, bezeichnet werden. Die Vermehrung einer organischen Substanz kann nun erstens durch die eigene vermehrende Thätigkeit derselben, also durch vollkommene Selbstassimilation geschehen und ist dann als actives Wachsthum oder als Selbstwachsthum derselben zu benennen. Andererseits kann aber eine organische Substanz auch durch fortgesetzte Bildung und Abscheidung von selten einer anderen, davon verschiedenen, allein dabei thätigen Substanz (Matrix) hervorgebracht werden, wie z. B. die Epidermis vom Rete Malpighi oder die Cuticulae. Es Avird daher stets für uns nöthig sein zu ermitteln, welches von beiden (z. B. bei dem Wachsthum jeder Art von Zellgranulis) der Fall ist. Die letztere Art der Vermehrung kann in Bezug auf den dabei thätigen Theil unvollkommene Selbstassi- milation desselben darstellen; sie kann und wird aber auch häufig, wie z. B. bei der Bildung von Fett aus Ei weiss, ein Product liefern, das dem thätigen Theil noch un- ähnlicher ist als das zur Bildung dieses Productes verwendete Material. Da hierbei, vom Standpunkte des Productes aus betrachtet, Substanz in dem schon vor- handenen Producte gleiche Substanz durch Thätigkeit einer dritten Substanz ver- wandelt wird, wie bei der unvollkommenen Assimilation , indem das Assimilans ihm selber Ungleiches aber einem anderen Fremden Gleiches bildet, so können diese beiden Arten von bildender und abscheidender Thätigkeit im Gegensatz zur voll- kommenen Selbstassimilation auch als Fr emd assi m ila tion und solche Art der Vermehrung einer vorher vorhandenen Substanz als passives AVachsthiim der- selben bezeichnet werden. 78 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. 5. die S e 1 b s t r e g u 1 a t i o n in all diesen Leistungen, [welche in Folge des Vermögens der gestaltenden f unctionellen Anpassung (s. Nr. 4) auch bis /au- Ausbildung geeigneter Gestaltungen, also bis zur Selbstgestaltung des Selbst- nützlichen geht. [Diese Selbstregulation betrifft die Gros se und in manchen Fällen auch ein wenig die Qualität der einzelnen Functionen (s. Nr. 4, Capitel V) und schliesst an sich nichts Teleologisches ein, obschon letzteres jüngst behauptet worden ist (s. H. Driesch, Analytische Theorie der organischen Entwickelung, Leipzig LS94). Soweit die Selbstregulation sich weiterhin in complicirteren Gestaltung sfunctionen, bei der Re- und Postgeneration äussert, ist zwar ihre Wirkungsweise zur Zeit noch nicht im Speciellen vorstellbar; aber gleichwohl ist kein Grund, diese Leist- ungen im Gegensatz zu dem mechanischen als teleologische zu be- zeichnen, da ihre Leistungen typisch beschränkte sind, indem sie bei jedem Organismus blos diesem Organismus entsprechende typische Producte heferu (s. Nr. 20, S. 302; Nr. 28, S. 658)]. Selbstassimilation, Selbstljewegung , Selbstausscheidung, Selbst- theilung, Selbstregulation, die vereinigt die Selbsterhaltung Ijewirken, stellen vereint das Wesen der Organismen dar (s. Nr. 4, Cap. V). Wenn wir von der untersten Stufe des Lebens absehen, welche äusserlich gestaltlos erscheint, so haben alle anderen Organismen noch das Vermögen besonderer, typischer Selbstgestaltungen: qualitativer und formaler Selbstdifferenzirungen; und weiterhin konnnen noch mancherlei besondere, gleichfalls der Selbsterhaltung dienende Leistungen hinzu, darunter auch die seelischen Functionen. [432] Die Organismen sind in Folge dessen fast vollkommen in sich selber geschlossene Complexe äusserst vielfacher innerer Wechselwirkungen, für welche von aussen her nur die Vorbedingungen geliefert werden müssen; während die besondere Qualität aller normalen und selbst der pathologischen Wirkungen im Organismus selber bestimmt wird. Solche überaus grosse Complication von Wirkungen ist sogar schon bei dar elementarsten, scheinbar einfachen Leistung der Lebe- wesen, bei der Selbstassimilatioii anzunehmen und zwar bereits Arten der Assimilation. 79 in einem Grade, dass wir uns diese Function im l'inzelnen gar nicht vor- zustellen vermögen. Dabei nehme ich noch, wie es sachlich wahrschein- lich ist, als erleichternd an, dass es Selbstassimilation im ,, ana- lytischen" Sinne, also in dem Sinne, dass jeder „einzelne Theil" eines „kleinsten", vollkommener Selbstassimila- tion fähigen Stückchens lebender Substanz ihm selber gleiche Einze Uli eile bilde, nicht giebt, sondern dass jeder assimilirende Einzeltheil an der Bildung ihm selber nicht gleichender Substanz betheiligt ist, und dass erst ein ge- wisser Complex von Einzeltheilen, welche auf diese Weise neu gebildet worden sind, dem Complexe aller an dieser Bildung betheiligten Einzeltheile wieder gleicht. Trotz unseres Mangels an Einsicht in die Vorgänge der Assimi- lation scheint es nützlich, schon jetzt diese Vorgänge in mehrere Gruppen' wesentlich verschiedenartiger Leistungen zu sondern. Als erste Art der Assimilation, als präparative Assimilation sei erwähnt die Umarbeitung einfacheren Materiales zu complicirterem, dem lebensthätigen Materiale mehr ähnlichem, aber noch nicht selber lebensthätigem Materiale: die Vorbereitung niederen Materiales zur späteren Verwendung bei der Bildung lebensthätiger Elementartheile, wie auch die Bildung dauernd niederer organischer Substanz , z. B. nicht selber assimilationsfähiger Intercellularsubstanz, soweit diese auf progressivem, aufsteigendem Wege (nicht auf regressivem Wege durch Umwandlung [Dissimilation] höherer lebensfähiger organischer Sub- stanz) producirt wird. Die zweite Art oder Stufe der Assimilation , die generative Assimilation producirt dann aus dem so vorbereiteten Materiale neue letzte lebensthätige Elementargebilde entsprechend der weiter unten gegebenen und begründeten Uebersicht über dieselben (Isoplasson , Autokineon , x4.utomerizon , Idioplasson) ; sie besteht also in der Bildung neuer elementarer Maschinentheile. Die dritte Art der Assimilation, die reparative Assimilation, leistet die Wiederherstellung nicht zu sehr abgenutzter letzter lebens- thätiger Elementar- [433] gebilde; sie besteht also in der Reparatur geschädigter elementarer Maschinentheile, sei es durch blosse Zurecht- Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickeluugsmechanik. Ordnung verschobener oder durch neue Verbindung getrennter Be- standtheile derselben, sei es ohne oder mit Verwendung neuen aber nur niederen, höchstens durch Modus 1 producirten Materiales. Das Vorkommen solcher Reparatur Avird voraussichtlich ein sehr ausge- dehntes sein , weil ohne dasselbe alle bei längerer Thätigkeit eines Organes auch nur wenig abgenutzten morphologischen Bestandtheile desselben gänzlich eliminirt und durch ganz neue ersetzt werden müssten, was eine grosse Verschwendung darstellen würde und grosse Functionsstörungen zur Folge haben müsste. Wie ähnlich die zweite und dritte Assimilationsweise einander in ihren Vorgängen und gestaltenden Ursachen sind , und wieviel es Uebergangsstufen zwischen beiden giebt, ist zur Zeit nicht zu sagen ; gleichwohl scheint mir die Auseinanderhaltung dieser Gruppe nütz- lich, weil jede qualitative und damit causale Analyse förder- lich und nöthig ist (s. auch Nr. 33 Schluss). Die Wiederherstellung höherer Einheiten von Elementar- gebilden: der Zellen, ferner der Organe, sowie grösserer, aus mehreren Organen oder Organstücken zusammengesetzter Theile des Organismus wird als Regeneration bezeichnet. Wie weit, resp. wodurch sich diese in ihrem Wesen von der Reparatur der Elementar- organe unterscheidet, ist natürlich gleichfalls unbekannt. Zu den echten oder morphologischen Assimilations- arten, welche der Neubildung und Reparatur specifisch structu- rirter, also m o r p li o 1 o g i s c h e r Bestandtheile dienen , wäre noch eine vierte Art hinzuzufügen, wenn man nicht angemessener Weise vorzieht, ihre ^"orgänge unter einen anderen allgemeinen Namen, unter die Alloplasie: die normale (resp. pathologische) Bildung von den lebeusthätigen Theilen und ihren Vorstufen v e r s c h i e d e n e r Stoffe, zu subsumiren. Dies betrifft hier die Bildung der blos als Betriebsmaterial dienenden V e r b r a u c h s s t o f f e , die Bildung der Secrete, des geeigneten Spannkraftmateriales für die rasche Production kinetischer Energie in Form von Massenbewegung oder Wärme, also die Bildung von Materialien, die oft den organischen Gebilden nicht viel ähnhcher oder gar weniger ähnlich sein werden, als das Material, aus dem sie bereitet werden, und hcA welchen das eventuelle Aehn- MassenwaLlistluiiii und rein dimensiuiiules Wachsthum. 81 licherwerden mit den lebensthätigen Gebilden gleichsam nur eine un- wesentliche Eigenschaft ist. Die wunderbaren Vorgänge der organischen Selbst-Assimilation sind also als äusserst complicirte vorzustellen; da sie trotzdem so überaus constante Resultate geben, müssen sie unter Selbstregulation in festgeschlossenen Molecularverbänden sich vollziehen. Wir müssen daher mit ihnen meist als einheitlichen Ganzen rechnen und werden uns vorläufig damit zu begnügen haben, dass wir suchen ,• äussere Gomponenten zu ermitteln, die die Thä- [434] tigkeit dieser Com- plexe auslösen und quantitativ, wohl kaum auch qualitativ zu alte- riren A'ermögen. Aehnliches gilt für die Vorgänge der Selbstbevvegung, Selbst- theilung und der anderen, höheren Selbstgestaltungen'). 1) Es wird vielleicht auffallen, dass die für die Ausbreitung und dadurch für die Erhaltung des Organismenreiches so unerlässlich nöthige, sowie bei der Ent- wickehing der Individuen so wichtige Function des Wach st h ums nicht als eine wesentliche Grundfunction der Organismen mit aufgeführt worden ist. Dies ist darin begründet, dass das morphologisch so einheitlich durch ein Grösserwerden charakterisirte Wachsthum bei der analytischen Untersuchung sich schon jetzt auf andere Elementarfunctionen zurückführen lässt. Ich zerlege das Wachsthum iu das Älasseuwachstlium und in das blos dimensionale Wachsthum. Ersteres besteht in der Verraeh rung der speci fisch structurirten organischen Substanz und beruht somit auf der Assimilation. Producirt diese mehr als zum Ersatz des Ver- brauchten nöthig ist, so resultirt Vermehrung der organischen Substanz ; und es ist zu diesem Ergebniss wohl nur eine besondere , die Assimilation steigernde Ursache nöthig (und auch diese nur, soweit die Aufspeicherung organischer Substanz bei gleich- massig fortgesetzter Assimilation nicht einfach auf einer Verminderung des Ver- brauches beruht). Je nach der vermehrten organischen Substanz sind verschiedene Unterarten des Massenwachsthums zu unterscheiden, z. ß. das Pi'otoplasma-, Kern-, Intercellularsubstanzwachsthum etc. neben dem Wachsthum der ganzen Gewebe und Organe. Ausser dieser „Vermehrung der organischen Substanz" kommen noch Ver- grösser u n g e n organischer Gebilde ohne jede Vermehrung der Masse specifisch organischer Substanz vor; diese Vergrösserungen sind also blos dimensio- nale, weshalb der Vorgang ihrer Entstehung als rein dimeusionales Wachsthum bezeichnet werden kann. Es vergrössern sich dabei gewöhnlich eine oder zwei Di- mensionen auf Kosten der andern, wie es z. B. His für frühe Stadien des Lachskeimes nachgewiesen hat. Findet andererseits, wie oft bei Pflanzen, für die äussere Messung eine Vergrösserung aller drei Dimensionen zugleich, ohne jede oder ohne entsprechende Vermehrung der organischen Substanz statt, dann ist die Vergrösserung einer oder mehrerer Dimensionen im Innern keine continuir liehe, sondern es Jnlden sich daselbst Räume, welche nicht von organischer Substanz eingenommen sind. Das rein dimensionale Wachsthum beruht also nicht auf der Assimilation, W. Roux, Gesammelte Alihandlungen. IL 6 82 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. Wir müssen also sehr oft mit diesen und anderen unübersehbar compHcirten, aber in sich f e s t ge s eh 1 o s s enen Gruppen von Vorgängen als Einheiten rechnen; ich will daher diese oft in glei- cher Weise vorkommenden Gruppen von Vorgängen als com pl exe Vorgänge resp. complexe Componenteii der organischen Gestaltungs- vorgänge bezeichnen ^). [435], Bei den meisten organischen Gestaltungvorgängen wird in Folge dieser Sachlage eine Analyse bis auf lauter physikalisch-chemische, also ganz oder relativ einfache Componenten nicht möglich sein. Aber wohl können bei organischen Vorgängen mit den complexen Componenten einfache Com]')onenten zu gemeinsamen Wirkungen sich verbinden. Da somit eine Analyse der organischen Gestaltungsvorgänge in einfache physikalisch-chemische Ursachen vorläufig nicht möglich ist, so sind wir auch nicht in der Lage, die Gestaltungsvorgänge nach solchen Ursachen einzutheilen. Wir müssen daher alle solche complexen Componenten und danach wenigstens zu ermitteln suchen, welche Arten von Wechsel- wirkungen zwischen ihnen vorkommen, und auf was für allge- meineren Wirkungsweisen wieder jede dieser M'^irkungsarten be- ruht. Wir werden aber bei jedem beobachteten Gestaltungsvorgang stets zu erforschen streben, ob nicht auch eine oder mehrere ein- fache Componenten dabei betheiligt sind, und werden eventuell versuchen, die Qualität und Quantität ihrer Wirkung zu er- mitteln. Auch können Correlationen complexer Componenten durch sondern blos auf Massenumlagerungen. die ihrerseits von besonderen, zur Zeit un- beltannten gestaltenden Ursachen abhängen. Beide Arten des Wachsthums kommen in mannigfacher Art miteinander verknüpft vor; und wir haben alsdann stets die Ursachen des Massenwachsthums von den Ursachen der Oertlichkeit resp. Rich- tung der An- und Einlagerungen zu scheiden. Vielleicht aber kann auch gelegentlich durch die Ursachen der dimensionalen An- oder Einlagerungen zugleich auch die Oert- lichkeit der verstärkten Assimilation mehr oder weniger bestimmt werden; oder die auslösenden Ursachen beider Vorgänge können sogar identisch .sein, wie z. B. wohl bei der durch dehnende Einwirkungen veranlassten Verstärkung des Wachsthums von Pflanzentheilen in der Dehnungsrichtung, soweit dieses Wachstbum mit Ver- stärkung des Massenwachsthums verbunden ist. |i) Eine Anzahl derselben ist aufgeführt in der ,, Einleitung" zu dem Archiv für Entwickelungsmechanik, Bd. I, 1894, S. 5 u. f.] Letzte Elementaroigaiiisiiien und Elementarorgane. 83 schon vorhandene oder erst von ihnen producirte einfachere Conipo- neuten vermittelt werden. Diese Analysen Avären womöglich solange fortzusetzen, bis wir endlich auf lauter anorganische Componenten gekommen wären. Auf die Ermittelung einer oder mehrerer Wirkungsweisen kann dann die Ermittelung der Wirkungsgrössen folgen; auf die qualitative Sonderung der Wirkungen die mathematische Behandlung derselben; nicht umgekehrt, wie einer der jüngeren Autoren, H. Driesch (4), für richtig zu halten scheint. Bei diesem Bestreben, die organischen Entwickelungsvorgänge auf immer einfachere complexe und auf wirklich einfache, physikalisch- chemische Componenten zurückzuführen, haben wir zunächst an die vorliegende biologische Analyse der Organismen anzuknüpfen: an die Zerlegung der complicirten Organismen in Organe, der Organe in Gewebe, der Gewebe in Zellen und Intercellularsubstanzen , der Zellen in Zellleib mit Zellkern, Centrosoma, Zellmembran etc. Dieser Analyse hat die weitere Zerlegung der genannten Zellbestandtheile in einfachste resp. kleinste lebenstliätige Be- standtheile zu folgen, soweit Lebensthätigkeit von kleineren T heilen vorhanden ist. Wenn w^ir uns auf die obengenannten allgemeinsten Functionen der Organismen beschränken, so kann es zunächst kleinste Zelltheile geben, welchen die Fähigkeiten der Selbstassimilation (incl. Massen- wachsthum), Selbstausscheidung, Selbstbewegung und Selbsttheilung, also alle elemen [436] tarsten Lebensleistungen zukommen, sodass sie den Namen letzte Elenientarorganismen verdienen. Solche werden von Wiesner (17) angenommen, als unsichtbar klein gedacht und als Piasomen (abgekürzt aus Plasmatosomata) bezeichnet. Weismann nennt sie Biophoren (13), de Vries Pangene. Da die Chlorophyllkörper nach dem Urtheile der Pflanzenphysiologen diese drei Eigenschaften haben, werden sie sichtbare solche Gebilde oder Gruppen unsichtbar kleiner derselben darstellen. Ich will zum Z weck einer systematischen E i n t h e i 1 u n g (Tcbilde mit diesen Eigenschaften nach ihrer höchsten Leistung, doi- Selbsttheilung (im Gegensatz zur Theilnng durcli äussere Einwirk- 6* 84 Nr. 15. Ziele und Wege der Entwickeliiiigsmechanik. nng, z. F>. durch Emiilsion8l)ewe,2;uno-en, s. Nr. 20 8. 29) als Automeri- zoiiteii bezeichnen. Zu ihnen gehören vielleicht auch die Aüerbac:h- PFrr/NER 'sehen Körner der Chromosomen, ferner die Centrosomen, sowie die Aleuroplasten, Elaioplasten und eventuelle sonstige Piastiden im Sinne Wiesnek's, sofern ihre Tlieilung wesentlich aus in ihnen selber liegenden Kräften erfolgt und soweit erstere niclit eine noch höhere Stufe darstellen. Die Automerizonten brauchen aber nicht nothwendig die letzten, das heisst kleinsten und einfachsten leben sthätigen Theile zu sein; sondern nach unserer obigen l"^ebersicht über die wesentlichsten Lebensleistungen kann es noch zwei niedere Arten lebensthätiger Cebilde geben, denen aber blos der Rang letzter Eleineiitarorgaiie zukommt, weil sie nicht mehr alle elementarsten Functionen in sich vereinen : Neben oder in den Automerizonten können Gebilde vorkommen, die blos die Fähigkeiten der Selbstbewegung, Selbstassimilation incl. Massenwachsthum und Selbstausscheidung haben ; diese seien nach der höchsten Leistung, der Selbstbewegung, als Autokiiieonteu bezeichnet. Neben oder wiederum in diesen kann es Gebilde geben, die blos der Selbstassimilation (incl. Massenwachsthum) und Selb.stausscheidung fähig sind , die als Autoisoplassonten oder kürzer als Isoplassoiiten bezeichnet werden sollen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass es letzte Elementargebilde des Lebens (Isoplasson, Autokineon oder Automerizon) geben sollte, welche ihrer wesentlichen Beschaffenheit nach nur in der Art (alsdann wohl nur nach dem Modus 3) zu assimiliren vermöchten, dass sie ihren Massenbestand nur erhalten aber nicht vermehren könnten. Sollte es solche organische Elementargebilde geben, so müssten ihnen die anderen mit der Fähigkeit der Vermehrung ihrer organischen Masse ausgestatteten als Auxonten besonders gegenüber gestellt werden. Erstere müssten dann von anderen höheren Bionten auf dem Wege unvollkommener Assimilation producirt werden, sofern sie in unserem Organismus als Bestandtheile vorkommen. [437] lieber den Automerizonten stehen wahrscheinlich noch Zellbestandtlieile, die ausser den Leistuno-en dieser noch besondere Möglichkeit der successivcn Entstehung des ersten Lebens. 85 gestalteiule \Mrkuiigeii in .sicli selber und auf die anderen ge- nannten Bionten auszuüben vermögen ; die Idioplassoiiten '). Ver- nuithlich konnnt unter anderen noch unbekannten Zelltheilen den Chromatinkörneben dieser Rang zu. Die Eigenscbaften des Isoplasson, Autokineon, Autome- rizon, Idioplasson stellen zugleicb die Reihenfolge dar, in welcher die organischen Leistungen ursprünglich ent- standen und aufgespeichert sein können (womit die Möglich- keit einer ursprünglichen siiccesiveii Entstellung des Lebens aus den anorganischen Vorgängen angedeutet erscheint, s. Nr. 6, Cap. V). Isoplasson kommt als Flamme , wie auch mannigfach als Ijei gewöhnlicher Temperatur verlaufender chemisch - physikalischer Assimilationsprocess im Anorganischen in einfachster Weise vor. Der bis torische Clang cier Analyse der Entwickelungs- vorgänge war zunächst ein anderer; zum Theil weil die Zerlegung der Organismen in Zellen erst eine spätere Errungenschaft ist. Es wurden die comphcirten Form Verhältnisse von Umbildungen der Form der Keimblätter abgeleitet; und die formalen Vorgänge 1) [Obgleich die Existenz besonderer Gebilde, welche blos die Eigenschaften des- Isoplasson und Autokineon haben, zur Zeit nicht nachgewiesen ist, so scheint mir doch ihre theoretische Unterscheidung nöthig und nützlich, eben weil es eine analytische Unterscheidung ist, denn sie schärft unsere Distinctioneu, bewahrt uns daher vor Einseitigkeiten und deutet ausserdem, wie erwähnt, die Möglichkeit der successiven Entstehung des Lebens an.] Es steht kein Bedenken ent- gegen, dass alle diese denkbaren Arten von Zellbestandtheilen in Form von mehr oder weniger rundlichen , deutlich abgegrenzten Gebilden schon im Leben oder erst nach dem Tode sich darbieten. Zu ihnen kommen ferner nicht selbst- thätige Zellbestandtheile, die ditferente Producte der Thätigkeit dieser ele- mentaren Bionten darstellen und die man als Alloplasten zusammenfassen kann, z. ß. Fetttröpfchen und die Proteosomen Loew's; auch sie können granulös sein und sind es, soAveit sie bereits bekannt sind. Alle diese differenten Gebilde können somit unter den Begriff der Zellgranula RicH. Altmann's fallen. Es erhellt daraus, dass die „Granula" nicht ohne Weiteres als „letzte Elementarorganismen" bezeichnet werden dürfen; sondern es wird müh- samster, ausserordentlich vieljähriger Arbeit bedürfen, um nach und nach einige Sorten derselben ihrer wahren Natur nach zu erkennen und in obiges Schema einzu- fügen. Ai.TMA.w hat offenbar die schon bei unserer jetzigen geringen biologischen Einsicht vorhandene grosse Zahl von „Möglichkeiten" nicht genügend überdacht, da er sich (18) noch jüngst so bestimmt und einseitig über die Natur seiner „Granula" geäussert hat, obschon er von Fkkmming (19j und gleichzeitig von mir (20) auf die Nothwendigkeit genauerer Unterscheidungen hingewiesen worden war. gf5 Nr. 16. Ziele und Wege der Entwickelungsmechanik. der Entstehung dieser Umbildungen wiederum möglichst genau er- mittelt. Dabei wurden einige allgemeiner vorkommende Formen- änderungen: Biegung, Faltung, Abschnürung, Vereinigung etc. beob- achtet und die speciellen Formenbildungen darauf zurückgeführt; das war indess eine blos formale Analyse. Die weitere Anal3^se bestand in der Zurückführung dieser Formenänderungen auf Wachs- thum (Pander, His u. a.), Schwund und Massenumlagerung. [438] A. Rauber (21, S. 61) wies danach auf die Nothwendigkeit hin, die Entwickelungsvorgänge auf die Functionen der Zellen zurück- zuführen und unterschied folgende „Grundfunctionen der ontogene- tischen Entwickelung" : 1. Zellvermehrung, als numerisches Wachsthum. 2. Zellvergrösserung , allgemeiner: trophische Formveränderung der Zellen, als trophisches Wachsthum. 3. Zellenwanderung, als fugitives Wachsthum. 4. Zellendilferenzirung , als düTerentielles Wachsthum. Räuber legt seiner Analyse also mit Recht die elementaren Zell- functionen zu Grunde; doch sind die Bezeichnungen dift'erentielles und fugitives Wachsthum nicht zutreffend; erstere, weil Differen- z i r u n g kein W a c h s t h u m ist u n d auch nicht n o t h w e n d i g m i t i h m v e r b u n den sein m u s s ; letztere weil es sich ebenso gut und im Organismus w^ohl öfter noch um eine active Näherung [s. Nr. ^2] gegen den Ort des Zieles, als um ein Fliehen vom gegenwärtigen Ort handeln wird. Ferner ist der Zellvergrösserung noch die Zell- verkleinerung hinzuzufügen. Die Zurückführung der sichtbaren Entwickelungsvor- gänge auf die gestaltenden Leistungen der Zellen ist gewiss unbedingt nöthig; und ihr hat, wie schon gesagt, die weitere Zu- rückführung dieser Leistungen auf die Leistungen der ein- zelnen selbstthätigen Zelltheile: der letzten Elementarorga- nisnien und der Elementarorgane zu folgen. Wir werden aber auch daneben nicht zögern dürfen, schon bevor diese Erkenntniss gewonnen ist, nach den Ursachen dieser Leistungen der Zellen, resp. ihrer selbstthätigen Bestandtheile zu forschen. Es wird sich dabei meist zunächst blos um auslösende resp. quanti- tativ und qualitativ regulirende Ursachen dieser Thätig- keiten handeln; denn die Ursachen der Qualität dieser Thätigkeiten Nächste Aufgabe. 87 selber werden meist, nämlich soweit es sicli um den vereinzelten seitlich sich anfügenden Körnern nachträglicli noch Gelegenheit giebt, bei einer Lockerung des Zusanniienhangs durch die Biegung in die Reihe sich einzufügen, was man leicht an schwim- menden Kugelmagneten — an Korkkugeln, welche entgegengesetzt mit zwei magnetischen stählernen Heftzwecken besteckt sind — beobachten kann. Diese einreihige Anordnung ist dann eine sehr feste, denn bei äusseren Einwirkungen wird sie sich zwar biegen aber hinterher wieder strecken, da sich die Wirkung der einzelnen Kugelmaguete zu einem grossen Stabmagnete sumuiirt, welcher nur im gestreckten Zustand sich im inneren Gleichgewichte befindet. Uebrigens könnte auch diese ur- sächHche Ableitung hier umgangen werden, wenn wir uns rein an das Formale halteü-und die fest formirten Fadenreihen als gegeben betrachten. Fragen wir aber, um uns über die Sicherheit der Ein- richtung zu vergewissern, nach solchen garantirenden Kräften, so wird kaum eine bessere Ursache auffindbar sein. Werden nun diese Fäden tlurch eine starke Centralkraft zu- sammengefasst, so ist mit tliesen beiderlei Kräften eine sehr [11] feste Anordnung hergestellt, welcher blos noch eines fehlt, die Anordnung 134 Nr. 17. Ueber die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren. der Fäden in der Aequatorialebene. Diese kann durch die Art der centralen Zusammenfassung bedingt sein. Die Fäden selber dürfen natürlich nicht länger sein, als dem für die Aequatorialplatte vor- handenen Raum angemessen ist. Die, eine einfache und leicht in Ordnung zu haltende Gliederung der Aequatorialplatte bewirkende Aufreihung der Mutterkörner zu Fäden kann aber noch einen weiteren wesentlichen Nutzen gewähren, sofern sie nämlich l:)ei der Theilung der Körner sich auf die Tochter- • körner überträgt, der Art, dass der Mutterfaden sich durch diese Theilung, unter Erhaltung der Anordnung, der Länge nach in zwei Tochterfäden spaltet. In diesem Falle bedarf zu dem Hinführen der Tochtertheile gegen das neue Centrum statt jedes einzelnen Kornes jetzt blos noch jeder einzelne, aus Hunderten oder Tausenden von Körnern gebildete Tochterfaden eines „Leitfadens". Die Grösse dieses Nutzens ist nicht zu unterschätzen. Denn wenn jedes der Tausende von Körnern eines besonderen Leitfadens bedürfte, so würde, ganz abgesehen von der Neigung zur Verwirrung so vieler Fäden, die grosse Zahl derselben gar nicht von derselben Seite her gegen einen Punkt hin zu convergiren vermögen. Andererseits auch würde es eine grosse Verschwendung an Leitmaterial darstellen, wenn ein Faden, der die Festigkeit haben soll , verhältnissmässig kräftigen äusseren Tractionen zu widerstehen, selber blos einer ganz geringfügigen Last zur Fixation zu dienen hätte. Diese Vereinfachung kann noch gesteigert werden, ohne dass ein Nachtheil für die Sicherheit der Sonderung der Tochterkörncr eintritt, wenn immer zwei benachbarte Mutterfäden am centralen Ende in einander übergehen und sich so zu einer,, Schleife" vereinigen. Die Lösung der Tochterfäden von einander und ihre Ueberführuug zu den neuen Centren wird dadurch niclit wesentlich erschwert und das Leitfadenmatei'ial noch um die Hälfte vermindert. Diese Vereinigung von Fäden darf aber l)los an derjenigen Seite sich hnden, wo später die trennende Kraft angreift ; wäre sie dagegen an der entgegengesetzten Seite, hier also an der Peripherie, so würden später bei der Lösung und Entfernung der Tochterfäden durch einen vom centralen Ende ausgehenden [12] Zug leicht Verschhngungen und Zerreissungen der Fadenschlingen vorkommen. Erfordernisse , qualitativer Halbining". 135 So haben wir also die Nothweiidio-keit und den Nutzen einer Ordnung der Körner in Fäden und in Fadenschlingen kennen gelernt. Mit dieser zweckmässigen (diederung aber ist nun, wie sich weiterhin ergiebt, die Nothwcndigkeit der Anordnung des Materiales zu einer Aequatorialplatte eine weniger zwingende geworden. denn es erhellt, dass eine Sonderung der centrirten Toehterschleifen, von denen jede in ihrer Mitte durch einen Faden gezogen wird, in Richtung des Zuges fast gleichgut möglich sein wird, sei es, dass die Schenkel der Schlingen alle blos in einer Aequatorialplatte angeordnet sind oder nach allen Richtungen des Raumes auseinander stehen. Ist also die Zahl der Fäden eine so grosse, dass sie nicht alle, ohne sich zu stören, in einer Aequatorialebene Platz haben, so wird ohne grossen Nachtheil eine Divergenz nach allen Richtungen des Raumes vor sich gehen können. Indessen ein Vortheil für die Leichtigkeit der Sonderung der Schlingen nach zwei entgegengesetzten Seiten wird der äquatorialen Anordnung stets gewahrt bleiben. Die Bildung der Fäden von der nöthigen Länge eines Doppel- radins des vorhandenen Raumes kann einzeln vor sich gehen, was aber eine eigenthümliche Vielgliederigkeit des Geschehens von vorn- herein voraussetzen würde. Einfacher scheint es, dass zuerst ein einheitlicher Faden für das Ganze entsteht, welcher nachträg- lich in Stücke von der gehörigen Länge abgegliedert wird. Findet die Bildung eines einzigen Fadens statt, so muss dieser, da er vielmal länger sein soll, als der Durchmesser des vorhandenen Raumes, sich nothwendig in Windungen legen. Vollkommene Gleich- artigkeit der Körnchen in der Grösse der Kugelgestalt und einen gleichartigen Vereinigungsmodus aller Körner vorausgesetzt, giebt es verschiedene annähernde Gleichgewichtsfiguren, in welche der Faden in Folge der Raun^ljeschränkung sich legen kann, je nach den bei der Fadenbildung zufällig mit formbestimmend gewesenen accessori- schen Momenten. Der Formen vollkommenen inneren Gleichgewichtes des Fadens würde es nur wenige geben; aber der Widerstand der Suspensionsflüssigkeit und der Mangel vollkommener [13] äusserer und innerer Ruhe wird die Entstehung derselben unmöglich machen. Der Faden wird sich daher zu einem ziemlich un regelmässigen 136 Nr. 17. Ueber die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren. Knäuel ballen. Beginnt dagegen die später die einzelnen Segmente ord- nende Centralkraft schon vor dem Eintritt der Segmentirung zu wirken, und die Centralkraft kann bei der unmagnetischen Natur der organi- schen Substanz nur eine electrische sein [?], so werden die Windungen sich mehr oder weniger radiär mit ihren Schenkeln einstellen und so eine regelmässige Form bilden, welche man anfangs mit einem Kranze, später mit einem Stern vergleichen kann. Denn allmählich werden die central gerichteten Umbiegungen in Folge der electrischen An- ziehung sich immer mehr dem C'entrum nähern, die äusseren Um biegungen aber, in dem elastischen Bestreben, sich möglichst wenig zu biegen, den Raum immer mehr ausnutzen , also möglichst an die Umgrenzung der Kernhülle gelangen. Wenn nun durch eine centri- fugale oder sonst eine Kraft die periphei'en Schlingen durchgerissen werden, so ist damit der ganze Fadenstern in zweischenkelige Schleifen von der nöthigen Länge und mit centraler Umbiegungstelle zerlegt und damit diese wichtige Form hergestellt. Hörte die centrale Kraft wieder auf zu wirken, noch ehe jede Schleife an einen vom Centrum ausgehenden Faden befestigt ist, so würden die Schleifen durch jede äussere Einwirkung mit Leichtigkeit durcheinander gebracht und be- liebig verbogen werden können, und es würde dann den Anschein gewinnen, als ob die Segmentirung in gleich lange Fäden schon im Stadium der Knäuelbildung durch eine wunderbare, die Länge be- stimmende innere Eigenschaft stattgefunden hätte. Unsere bisherige Deduction beabsichtigte, diejenigen Vorgänge und Vorrichtungen kennen zu lernen, welche zu einer auch gegen von aussen kommende geringe Störungen „gesicher- ten" Erreichung unseres Zweckes führen konnten. Unser Zweck war die Halbirung eines Substanzgemenges nicht blos der Totalmasse, sondern auch der Masse jeder einzelnen Qualität nach innerhalb eines abgeschlossenen Raumes und allein durch die Kräfte des in diesem Räume sich befindenden Materiales. Wir hal)en dabei eine complicirte Anzahl von A'^orgängen und Bildungen als unerlässlich nötliig oder als am einfachsten zum [14] Ziele führend erkannt, welche Zug für Zug übereinstimmen mit den Vorgängen und Bildungen, die als das Typische der Kern- Erfordernisse bestimmter qualitativ ^nni:loich(M" Thriinng. theilung beobachtet und einij;;n\os unserer Erörterung aufgeführt worden sind. Wenn der von uns behandelte Zweck zugleich der- jenige der Kerutheilung wäre, so würden damit alle die wunderbaren Vorgänge der Kerutheilung als durchaus zweckmässig erkannt sein. Umgekehrt, ila wir nach un'serer gegenwärtigen biologischen Auffassung nicht annehmen dürfen, dass ein so allgemein verbreiteter, so viel Zeit und Kraft kosten- der und dabei so complicirter und jedenfalls schwierig zu erwerbender Vorgang nutzlos sein könne, ist eine ge- wisse Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass unser Zweck auch der Zweck der Kerntheilung ist. Dies gilt indess blos, sofern es nicht noch andere Zwecke giebt, welche ganz derselben ^'orr ichtungen und Vor- gänge zu ihrer Erreichung bedürfen. Wenn es deren giebt, so müssen sie jedenfalls dem unsrigen im Wesen verwandt sein ; denn ein sehr complicirter Mechanismus, welcher in allen Theilen sich voll- kommen zu einer bestimmten Function passend zeigt, wird nicht leicht einer ganz heterogenen Function ebenfalls fähig sein. Es erhellt nun, dass unser Mechanismus ebensowohl wie zur „Halbiruiig" der Masse jeder einzelnen Qualität auch zu jeder anderen „bestimmten"' Theihmg- der (Qualitäten die mechanischen Bedingungen darstellt, sei es, dass z.B. mög- lichst das Ungleiche der Hauptqualitäteu sich sondern oder sonst eine mechanische Theilung der Qualitäten nach einem ,, bestimmten'' Principe durchgeführt werden soll. Immer muss bei j eder Art „bestimmter" Qualitäteiitheihiiijf die ganzeMasse vorher in eine von derZahl der Qualitäten a b h ä n g i g e A 11 z a]^ 1 T h e i 1 e z e ]■ 1 e g t w erden; inid dann müssen die geeigneten Vorrichtungen getrott'en werden; dass nach der ,,Halbirung" dieser „Muttertheile" jeder der beiden ,,Tocli- tertheile" auf die richtige Seite, an den rechten Ort gebracht werde. Nach welchem Princip dabei die Qualitäten selber sich sondern, hängt lediglic h von den inneren Vorgängen 138 Nr. 17. Ueber die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren. bei der Halbirung der Mutterkürner ab, welche sich unserer Kenntnissnahme entziehen. [Weiteres siehe Nr. 20 S. 29; Nr. 21 S. 187; Nr. 27 S. 323.] Es ist nicht unwahrscheinhch , dass in der That die Natur (lieser Soiideruiigeii eine verschiedene sein kann. Ich Iiabe in diesem Frühjahr durcli eine Reihe von Versuclien an Rana [15] fusca und R. esculenta nachgewiesen (s. Nr. 16), dass die erste Theilung des befruchteten Froscheies die Richtung der künftigen Medianebene des Embryo be- stimmt und das Eimaterial in zwei den beiden symmetrischen Körper- liälften entsprechende Tlieile sondert, eine Beobachtung, welche ich sehr bald noch durch einen Versuch Pflücjer's^) bestätigt fand. Da- nach ist zu vermuthen, dass bei der ,,ersten" Furchuug nicht blos das Material des Eiprotoplasma , sondern auch des Kernes in gleiche Qualitäten gethoilt wird. Da ich aber weiterhin fand, dass die zweite Theilung bereits das Vorn und Hinten bestimmt, und da die ungleiche Entwickelung des Vorn und Hinten an ungleiches Material geknüpft vorzustellen ist, so wird es wahrscheinlich, dass bei der „zweiten" Theilung auch das Kernmaterial qualitativ ung'leich zerlegt wird ^). Nach dieser Erörterung können wir den Zweck der Kern- theilungsfiguren definiren: Die Kerntheilungsfiguren, die Gestaltungen der indirecten Kerntheilung, sind Mecha- nismen, welche [wenn sie in Thätigkeit gesetzt werden] es ,,er- ^) Ueber den Einlluss der Schwerkraft auf die Theihmg der Zellen und auf die Entwickelung des Embryo. Pfiäiger's Arch. Bd. XXXI. 1883. [-) Es ist also hier, S. 137, sogleich daraufhingewiesen worden, dass meine Er- klärung der fuuctionellen Bedeutung der indirecten Kerntheilung auch für „quali- tativ nngleiclie" Theilung gilt. Daher ist es mir ein Räthsel, dass von Anfang an eine Anzahl Autoren mir die Ansicht unterstellt hat, die indi- recte Kerntheilung eigne sich blos zur qualitativen „Halbirung". Obgleich ich dieser Angabe sogleich entgegengetreten bin (s. Nr. 20. S. 26 und f.), so hat sich dieselbe in Folge des üblichen Abschreibens von Citaten ohne Einsicht in das Original bis in die neueste Zeit erhalten und findet sich jüngst noch bei Hansemann (Studien über den Altruismus der Zellen, 1893) gegen mich angewendet; obgleich der Autor bei Einsichtnahme in meine Schriften gefunden haben würde, dass er in Bezug auf Kerntheilung durchaus auf meinem Standpunkt steht und meinen Beobachtungen Beweismaterial für seine Ansichten hätte entnehmen können.] Möglichkeit allmählicher Züohtiiny der Kerntlieilungsinechanisnien. 139 möglichen", den Kern niclit blos seiner Masse sondt-rn auch der Masse und Beschaffenheit sei ner einzelnen Quali- täten nach [„gleich" oder in bestimmter Weise „ungleich") zu th eilen. Der wesentliche Kerntheilungsvorgang ist (lie,.ll:ill)i- rung" der Mutterkörner; alle übrigen Vorgänge haben den Zweck, von den durch diese Theilung entstandenen Tochterkörnern des- selben Mutterkornes immer je eines in das t'entrum der einen, das andere in das Centrum der anderen Tochterzelle sicher überzu- führen. Gegen Ende dieses letzteren Vorganges treten schon eine Reihe von Metamorphosen auf, welche die complicirte Theilungs- struetur wieder zurückbilden, und so den Kern zur Annahme der Structur des Ruhezustandes vorbereiten. [16] Solche complicirte zweckmässige Einrichtungen konnten nicht auf einmal im Organismenreiche auftreten; sondern sie mussten aus einfachsten Anfängen unter stetig steigender Vollkommenheit durch Auslese von vorgekommenen immer günstigeren Variationen innerhalb lauger Zeiträume gezüchtet werden. Daher mussten auch die niedrigsten Anfänge schon einen Nutzen gewähren; und aus diesem Grunde ist in obiger Deduction zunächst eine einfachere Einrichtung geschildert worden, welche für den Fall genügend ist, dass der Kern blos in wenige Theile zerfällt zu werden braucht. Nach dem gegenwärtigen Stande der Beobachtungen hat es aber den Anschein, als wenn so einfache Verhältnisse, wo keine Faden- anordnung der Mutterkörner nöthig ist, nirgends mehr vor- kommen. Doch ist wohl erst eine weitere Ausdehnung der Unter- suchungen abzuwarten, ehe sich ein definitives Urtheil in dieser Be- ziehung fällen lässt. Vergleichen ■is'ir unsere Ableitungen specieller mit den Kern- theilungsvorgängen, so beziehen sie sich vorzugsweise auf die Thei- lung des Chromatins, und dieses beherrscht in der That die K erntheil ungs Vorgänge, besonders bei den Thieren. Bei den Pflanzen aber tritt das Achromatin, welches wir nach unserer Deduction nur in der Rolle der Leitfäden kennen gelernt haben, durch grössere Massigkeit hervor. 140 Nr. 17. Uebfir die Bedeutung der Korntheilungsfiguren. Es ist daher denkbar, dass die „ Achromatienf äden" nicht blos für diese Function da sind, sondern dass sie selber wertlivolles K e r n m a t e r i a 1 darstellen, welches gleichfalls ,, qualitativ getheilt" werden soll. Da sie feine Fäden bilden, welche nach der Theilung des Mutterpolcentrum in die beiden Tochterpolcentren sofort doppelseitig sich vorfinden, so ist es wahrscheinlich, dass eine Längstheilung der Fäden stattgefunden hat. Und wenn auch die Bildung eines continuirlichen Fadens nicht ebenso günstig für die Qualitätentheilung ist als eine Aufreihung des- selben aus getrennten Kugehi, weil Längsverschiebung der Substanz stattfinden kann , so kann doch dieser Fehler durch die grössere Fein- heit des Fadens zum Theil ausgeglichen werden. Immerhin stellt ein dünner Faden eine sehr feine Massenzerkleinerung dar, welche durch Längstheilung des Fadens schon zu einer ziemlich vollkommenen ,,Q,ualitätensonderung" ge- eignet erscheinen m u s s . Vielleicht ist [1 7] dann auch die Theilung des Polcentrum als eine Theilung in unserem Sinne, als qualitative Theilung aufzufassen. Bei gleichzeitiger Drei- oder Viertheilungeines Kernes kann derselbe Mechanismus sich bethätigen, nur müssen die Mutterkörner sich gleichzeitig in drei oder vier Tochterkörner zer- theilen und alle übrigen Einrichtungen gleichzeitig entsprechend ver- vielfältigt werden. Der sachkundige Leser wird vielleicht schon länger mir im Geiste zwei Einwände gemacht haben , welche nicht stillschweigend übergangen werden dürfen. Die indirecte Ker ntheilung zerfälltnach der hier entwickel- ten Auffassung w e s e n 1 1 i c h i n z w e i H a u p t a c t c : in die „iiiolek ulare Theilung"*, die Theilung der Mutterkörner, welche letzteren erst durch die Vorbereitungsstufe der ,, Materialzerkleinerung" herzustellen sind, sofern nicht wie Pfitzner vermuthet, auch im ruhenden Kern das Material schon in Form kleiner Körnchen vorhanden ist; und zweitens in die ,, Massentheilung" [besser „Massensoiideruug"], welche den Zweck hat, von je zwei versch wisterten Toch- terkörnchen immer je eines auf je eine Seite zu schaffen: Vorbedingungen unserer Deutung. 141 zugioich dasjenige Moment, welclies haiiptsäclilirli den ranzen sicht- baren Mechanismns der Kernt! leilungsfiguren nötliig macht. Wenn diese Bedeutung der Massensonderung richtig ist, dann muss die Beobachtung erweisen, dass normaler Weise nie dem- selben Mutterfaden entstammende Tocliterf ädcn au! die- selbe Seite kommen, sondern dass sie stets aul beide Seiten vertheilt werden; denn ohne dies würde das, was nach unserer Meinung der Zweck der ersten, der „Molekulartheilung" ist, wieder aufgehoben und diese selber demnach überflüssig werden. Stras- burger hat bereits in den leichter zu übersehenden ^^erhältnissen einiger Pflanzen entsprechende Beobachtungen gemaclit. und Fi.emmi.nc; hat ein Gleiches in den complicirten Verhältnissen des allseitigen Muttersternes der Amphibien vermuthet. So ist wohl Hoffnung, dass es der darauf gerichteten Aufmerksamkeit gelingen wird, dies als das allgemeine Verhalten nachzuweisen ^). Die zweite Hypothese, auf welcher unsere ganze Erklärung be- ruht und mit welcher sie steht und fällt, ist die ungemeine Mannigfaltigkeit des Kernes an Qualitäten, welche wohl bezweifelt werden kann, sofern man blos das Morpholo-[18Jgische ins Auge fasst und hervorhebt, dass der Kern sich durch unsere gegen- wärtigen Färbemittel nur in vier verschiedene Substanzen clifferenziren lässt, während zugleich das Chromatin, welches gerade der Haupt- gegenstand der feinsten Theilung ist, uns vollkommen homogen er- scheint. Eine kurze biologische Reflexion über das Wesen des Organi- schen wird indessen wohl diesen Zweifel beseitigen. Wer das Leben in seinem Wesen betrachtet, der \\drd nicht glauben, dass es eine chem ische Definition, eine chemische Formel für dasselbe geben könne. Es muss sogar zweifelhaft erscheinen, ob es überhaupt auch nur eine chemische Definition seines Substrates geben könne, denn es ist nicht erwiesen, dass die wesent- lichen Vorgänge, deren Gesammtheit wir als Leben [1) Diese damals bei den geringen thatsächliclien Unterlagen etwas gewagte Annahme hat sich bald durchaus bestätigt. Da diese Annahme der Kernpuukt meiner ganzen Auffassung ist, so hat letztere durch diese Bestätigung ein sehr gewichtiges Zeugniss für ihre Richtigkeit erhalten.] 142 Nr. 17. Ueber die Bedeutune; der Kenitheilun^sfiguren bezeichnen, nicht vielleicht durch ganz verschiedene Sub- strate vollzogen werden können, dass nicht z.B. die Rolle des Kohlenstoffs unter anderen äusseren Umständen durch Silicium ver- tretbar sei u. dgl. Das Leben ist seinem Wesen nach Process und kann daher nicht statisch definirt werden; sondern nur eine processuahsche, also functionelle Definition kann dem Wesen des Organischen sich nähern. Wer nun zu den anerkannten minimalen functionellen Vorgängen des Lebens, zu Assimilation, Dissimilation, Ausscheidung und Reflexbewegung mit mir noch die Fähigkeit des Selbstregulation in allen Vorgängen [Nr. 4 Capit. V] und die Fähigkeit der Gestaltung aus chemischen Prozessen [s. I, S. 208 Anm.] (ohne welche letztere schon die Reflexbewegung und die indirecte Kern- theilung nicht möglich wären) für unerlässlich zum Wesen gehörig hält, der wird sich Zellleib und Zellkern als chemisch-physikalische Einrichtungen, als thätige Fabriken von so hoher Complicirtheit vor- stellen, dass man sie nicht einfach in der Mitte auseinander schneiden kann, um zwei solche Fabriken zu erhalten. Sondern zu letzterem Zwecke muss von jedem gesondert fungirenden Theile eine Verdoppelung hergestellt werden (vielleicht die Vermehrung des Chromatins vor der Theilung) und diese identischen Theile müssen dann nach den neuen Anlageorten [19] translocirt und entsprechend mit den zugehörigen Theilen vereinigt werden. Die scheinbare Homogeneltät der ganzen Chromatinmasse, so- wie des Protoplasma wird denjenigen nicht täuschen, der sich ver- gegenwärtigt, dass wir das Molekulargeschehen der Zelle nur wie eine grosse Fabrik aus einem in den höchsten Regio- nen schwebenden Luftballon betrachten, dass die Durch- messer der Vorgänge millionenmal kleiner sind als die Entfernung, aus der wir sie mit dem Mieroscop besich- tigen, und dass uns daher das Verschiedenste als homogen erscheinen kann. Scheint doch schon eine lebende Quelle mit ihren reich ge- gliederten Organsystemen dem naiven Beobachter als eine liomogene schleimartige Masse; und stehen wdr nicht dem Molekulargeschehen fast noch mehr als blos naiv gegenüber? Es muss aus den eomplic irten A^errichtungen des Metastructuron des Urgaiiischcii. 148 scheinbar homogenen organischen Substrates mit Sicher- heit eine complicirte Structur gefolgert werden. Mit der Erkenutniss des nothvvenchgen Vorhandenseins solchci- nicht sichtbaren und niclit sichtbar zu machenden, blos zu erschliess enden Structur, welche ich in einer besonderen Ab- handlung über diesen Gegenstand als „Metastriictur" bezeichnen werde, (s. I, S. 187), muss unsere Hypothese von der complici rten Zu- sammensetzung des Chromatins wesentlich an Wahrscheinlich- keit gewinnen. Und der Umstand, dass für die Kerntheilung so compli- cirte Einrichtungen zur qualitativen Theilung getroffen sind, welche für den Zellleib fehlen, lässt dann rückwärts schliesseu, dass der Zell- leib in viel höherem Maasse durch Wiederholung gleich beschaffener Theile gebildet wird als der Kern; und daraus folgt, dass für die Entwickelung des Embryo, sowie vielleicht auch für das Regenerationsvermögen der niederen Thiere der Kern wichtiger ist als der Zellleib, eine Folgerung, welche in vollkommener Uebereinstimmung mit den neueren Ergebnissen über den Vorgang der Befruchtung steht. Breslau, den 26. August 1883. I Nr. 18. Beiträge zur Entwiekelung'smeehanik des Embryo. Nr. P). Zur Orientirung über einige Probleme der embryonalen Entwickelung. 1885. Zeitschrift für Biologie Bd. XXI. München. Juli 1885. Inhal t. Seite I. Versuch über den An t heil der Vertheilnng freier Electricität an der Formbildung des Embryo 147 Reaction der Umgebung einer Wunde des Embryo 149 Zeichen des Absterbens junger Embryonen 150 Framboisia embryonalis finalis minor externa et interna 151 Framboisia embryonalis major 152 II. Versuche über die Wirkung künstlicher Defecte und damit verbun- dener Störungen der Anordnung derEitheile aufdieEntwicke- ludgdes Froscheies 153 Unmittelbare Folge des Anstechens: „Extr aovat" 155 Zeichen des Todes des Eies während der ersten Stadien der Furchung 155 Todesursachen nach dem Anstechen 156 Allgemeine Uebersicht der Folgen des Anstech ens während der Furchung für die weitere Entwickelung 157 Normale Gestaltung 157 Verzögerung der Entwickelung 158 Stillstand der Entwickelung 158 1) Die diesem ersten Beitrage vorausgeschickte , Einleitung" ist am Anfang dieses Bandes (als Nr. 13) abgedruckt. Inlialt. 145 Seite Abnonnitäten der Bildung: ir)9 Asyntaxia medullaris. Hydrops, Lordosis. Scoliosis. Defecte 160 Specielle, localisirte Folgen: 160 1. des Anstechens während der Furcliung 161 Entwickelung des Extraovates 162 2. des Anstechens der Blas tu la 175 Folgerungen daraus: 179 Entbehrlichkeit eines Theiles des Eimateriales .... 179 Störungen der Anordnung des Dotters 180 C Ire um Scripte Defecte 180 3. der Operationen an der Gastrula 186 Griebt es ein „formales" Leben des Embryo'? . . . 187 Bedeutung der Lagerung der Theile 187 Folgen grosser Spaltungen der Gastrula 190 Selbstdifferenzirung grosser Stücke der Gastrula .... 192 Folgen nach Bildung von Zungenlappen 193 Folgen nach Spaltungen der Medianebene 194 4. der Operation nach Anlage der Medullär vvülste . . . 196 5. der Operationen nach Schluss des Medullarrohres . . 199 Folgerungen aus 3. — 5 200 II. lieber den Antheil der Selbstilifferenzirung und differenzireiuler Correlationen an der individuellen Entwickelang 2U2 A. Selbstdifferenzirung: 202 Vorkommen derselben 202 Definition der , formalen" und der , qualitativen" Selbstdiife- renzirung 208 B. Differenzirende Correlationen: 211 1. Die functionelle Anpassung 211 Mechanisch vermittelte functionelle Anpassung 214 Trophisch vermittelte functionelle Anpassung 214 2. Züchtende Theilauslese im Organismus bewirkende Correlationen 216 Ableitung der Möglichkeit des Kampfes der Theile aus dem Wesen des Organischen 217 Zurückweisung irrthümlicher Behauptungen W. WrNn-r's 217—223 Directer Kampf der Theile im Organismus 218 Indir^cter Kampf der Theile im Organismus 219 Differenzirende Leistungen des Kampfes der Theile in Com- bination mit der functionellen Anpassung 221 Selbstausmerzung von Theilen des Organismus .... 223 Möglicher Antheil der Theilauslese an der Ent- wickelung 22y Antheil der Theilauslese an der Entstehung und Loca- lisation der verschiedenen Bindesubstanzen . . . 227 W. Roux. Gesammelte Abhandlungen. 11. I Ii6 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Seite an der Localisation der Diaphysen, Epiphysen, Apophysen 228 3. Mechanische Masse neorrelationen 232 Beurtheilung der Ursachen von Configurationsänderiingen . . . 283 Mögliche Ursachen der Biegungsconfigurationsänderung eines Stabes 235 Unmöglichkeit, die Ursachen einer Formänderung aus der blossen Beobachtung zu erschliessen . 239 Nutzen der Beobachtung der gleichzeitigen Structu ränderung 239 Definition der , mechanischen Massencorrelation" 240 und 253 Vorkommen „mechanischer Massencorrelationen" 240 Beurtheilung der Angaben von W. His 241 Versuche über die Wirkung passiver Deformation auf denEmbryo 244 Inneres Gleichgewicht der Theile 245 Prüfung der Anpassungsfähigkeit an passive Deformation : 245 an Froschembryonen 245 an Froscheiern 246 an Hühnerembryonen: 246 Versuch über den Selbstschluss des Medullar- rohres 246 Künstliche Erzeugung von „Rautengruben" durch vitale Anpassung an passive Deformationstendenz 248 Beobachtung des Selbstschlusses des Darmrohres 251 Durch mechanische Massencorrelation , vermit- telte" , vitale" Umformung 253 4. Andere bekannte dif ferenzirende Correlationen . . 253 [429] Die im Folgenden mitgetheilten Versuche wurden zum Theil schon vor mehreren Jahren ausgeführt') ehe noch die causale Analyse der Entwickelungs Vorgänge bis zu dem in der „Einleitung" [siehe S. 14] angedeuteten Stadium fortgeschritten war. Sie sind daher zum Theil nicht direct auf jenes Ziel gerichtet, welches ich als das zu- nächst zu erstrebende bezeichnet habe; und auch die diesem Ziele zustrebenden sind noch nicht bis zu ihm selber fortgeführt. Diese Ver- suche sowie diejenigen der nächsten Beiträge und die ihnen einge- 1) Die Hauptthatsachen dieser Untersuchung wurden unter dem Titel „Vorläufige Mittheilung über causal-ontogenetische Experimente" am 15. Februar 1884 in der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur vorgetragen. Einfluss electrischer Vertheiluni; auf die Ciestaltung. 147 fügten theoretischen Erörterungen sollen vielmehr nur zur ersten Orientirung sowohl über die Natur der vorliegenden Pro- bleme wie über die Art und Weise, wie diese der Unter- suchung zugänglich zu machen sind, dienen. In den späteren Beiträgen werden dann mit den so gewonnenen neuen Mitteln die ins Auge gefassten, wohl umgrenzten Probleme der eingehenden Einzelbearbeitung unterzogen werden. I. Prüfuiija: des Aiitlieils der Vertheiliing: „freier Eleotricität" au der Fonnbildini^ des Embryo. Schon Chr. Pander ^) und H. Lotze^) vermutheten in ungleichem Wachsthum der verschiedenen Theile der Keimblätter den ursäch- lichen Vorgang für die Entstehung der Formen des Illmbryo, W. His^) hat es sich angelegen sein lassen, die thatsächliche Richtigkeit dieser Vermuthung nachzuweisen, indem er durch genaue Messungen zahlreiche Ungleichheiten in den Massen- oder Flächenvergrösserungen verschiedener Theile feststellte und daraus die vorkommenden -Form- änderungen abzuleiten versuchte. [430] Den Ursachen dieser ungleichen Locaiisation des Wachsthums ist man noch nicht nachgegangen. Dem Nach- denken über dieselben bieten sich viele Denkmöglichkeiten dar, unter welchen nur auf dem Wege des Versuches die realen Ursachen aus- gelesen werden können. Anfänglich schien es mir nicht unmöglich, dass electrische P]nergie durch ihre Art, sich auf gekrümmten Oberflächen ungleich zu ver theile n, einen helfenden Antheil an dem ungleichen Wachsthum der Keimblätter haben könne. Sofern ihr selber nämlich eine Wachsthum am^egende Wirkung zukommt, konnte auf Grund einer schon vorhandenen geringen Formenmannigfaltigkeit durch die 1) Dr. Pander, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens im Eie 1817. S. 40. 2) RuD. Herm. Lotze. Allgemeins Physiologie des körperlichen Lehens 1851. S. 353. '^) W. His, Unsere Körperform und das physiologische Problem ihrer Entsteh- ung 1874, desgleichen in zahlreichen Specialarbeiten. 10* 148 Nr. 18. Zur Oriendrung über die Probleme etc. ungleiche Localisation der Electricität und das entsprechend ungleiche Wachsthum eine immer grössere Mannigfaltigkeit producirt werden'). Um auf die einfachste Weise einen derartigen Antheil electrischer Energie an der normalen äusseren Gestaltung festzustellen, spiesste ich soeben aus der Gallerthülle ausgeschlüpfte Froschembryonen mit je einer langen Insectennadel , welche durch Kopf, Hals, Rücken oder den Schwanz gesteckt war, auf den Wachs- boden des Gefässes fest. Die Einführung eines Leiters von so grosser Oberfläche musste die vermuthete electrische Vertheilung auf alle Fälle erheblich stören, selbst wenn die Oberfläche des Embryo schlecht leitete und die Störung durch fortwährende Neuproduction von Elec- tricität zum Theil compensirt wurde; und bei der Richtigkeit der obigen Annahme hätten dann ganz deforme Bildungen die Folge dieses Eingriffes sein müssen. Zugleich war beabsichtigt, durch die Zerstörung der Gehirn- blasen, des Hals- und Lendenmarkes, welche mit der Ein- führung der Nadeln an diesen Stellen verbunden war, einen eventuellen Einfluss dieser Tlieile auf die weitere Entwickelung, ins- besondere auf die noch erübrigende Anlage und Ausbildung der Extremitäten festzustellen. Ein Theil der so mit dicken Metallpfählen von ^/s des Rumpf- durchmessers durchstochenen Froschlarven starb, unter grauer Ver- färbung und Maceration von der Wunde aus, allmählich ab. Dabei aber zeigte sich, dass der Schwanz und Rumpf noch reflectorisch er- regbar blieben, ja manchmal erhöhte Erregbarkeit darboten, und dies auch, wenn schon der ganze Kopf und ein Theil [431] des Halsmarkes durch Maceration abgefallen war, indem die noch vorhandenen Theile bei leichtem Berühren oder Anstechen noch kräftige Biegungen ausführten. [1) Bei dieser Vermittelung epigenetischer Entwickelung müssten aber die embryonalen Formen nach jeder Anfangsform typische, von den Gesetzen der electrischen Vertheilung bestimmte Formen durchlaufen, z. B. der Art, dass immer an den stark vorgewölbten Stellen das Wachsthum am stärksten stattfände und jede anfänglich kleine Erhebung zu einem langen Vorsprung sich differenzirte, so dass der Embryo Stechapfelform erlangte, sofern nicht gleichzeitig noch andere, diesen Einfluss überbietende Wachsthumsprincipien thätig wären.] Einfluss electri3oher Vertheilung auf die Gestaltung des Embryo. 149 Andere Embryonen dagegen entwickelten sich normal weiter in ihren Körpert'ormen; die Kiemen wurden angelegt und wohl ausgebildet, selbst wenn die Nadel unmittelbar neben der be- treffenden Stelle sich befand und dorsalwärts die Nachbarschaft der Kiemenwurzel zerstört hatte, [was auf erhebliche Unabhängig- keit der Entwickelung der betreffenden Theile von ihrer zerstörten Nach- barschaft, also auf Selbstdiff erenzirung dieser Theile hinweist]. Schliesslich gelang es gewöhnlich den Embryonen, sich durch heftige Bewegungen unter Zerreissung der Körpersubstanz auf einer Seite der Nadel von letzterer zu befreien; wonach dann aber in der Regel Maceration von der Wunde aus eintrat, welche successive zum Tode führte. Von den wenigen Ueberlebenden, bei denen die Wunde theils wohl durch Regeneration, theils unter Vernarbung allmählich sich schloss, habe ich noch keines bis zur Ausbildung der Extremi- täten forterhalten, da dazu Monate lange sorgfältige Pflege in einem entsprechend eingerichteten Aquarium nöthig ist. Zeigten diese Versuche, dass eine Vertheilung freier Elec- tricität auf der Oberfläche des Embryo keinen Antheil an der normalen Gestaltung desselben haben könne, so ist daraus aber noch nicht zu folgern, dass electrische Wirkungen überhaupt kein en Antheil an der normalen Entwickelung nähmen, dass nicht vielleicht von Zelle zu Zelle oder innerhalb der Zellen solche Wirkungen stattfänden^). Bei diesen Versuchen wurden noch zwei Nebenbeobachtungen gemacht, welche durch allgemeineres Vorkommen bei späteren Ver- suchen eine gewisse practische Bedeutung erhielten. Reaction der Umgebung einer Wunde des Embryo. Erstens färbte sich die Umgebung einer Verletzungs- stelle bei den Embryonen von Rana esculenta gewöhnlich rasch, [1) H. Strasser nimmt neuerdings eine gestaltende Wirkung der Vertheilung freier Electricität an der äusseren und inneren Gestaltung des Centralnervensystems an. Er gedenkt nicht der vorstehenden Versuche, welche zugleich auch gegen eine derartige Wirkung an inneren Theilen sprechen, da durch dieselben auch die elec- trische Vertheilung an diesen Theilen total alterirt worden sein müsste. (Siehe STR.A.PSER in Merkel-Bonnet, Ergebnisse der Anatomie Bd. I, 1891)]. 150 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. d. h. in ein bis zwei Stunden dunkelbraun; die Besichtigung mit dem Microscope liess eine Anhäufung von Pigmentzellen er- kennen, welche eine dichtgeschlossene mehrfache Phalanx bildeten, also sich ähnhch gegen die Verletzungsstelle verhielten, wie die weissen Blutkörperchen zu einem reizenden Körper im Organismus (s. Nr. 18, S. 473). Wenn die Wunde geheilt war, verschwand gewöhnlich auch hald wieder dieser Pigmentring ; nur selten blieb er noch einige Tage bestehen. Diese Erscheinung wurde an den [432] getödteten und gehärteten Embryonen von Werth, indem sie intra vitam ent- standene Verletzungen von post mortem an dem spröden Materiale leicht entstehenden Defecten zu unterscheiden gestattete. Ich habe von diesem Zeichen einen häufigen Gebrauch gemacht, ohne aber, von anderen Interessen geleitet, schon den V^organg dieser Pigmen- tirung selber genauer festzustellen. Ich vermag daher zur Zeit noch nicht anzugeben, ob die Anhäufung durch Vermehrung der Pigment- /.ellen in loco, unter Theilung der vorhandenen oder unter Pigment- bildung in bisher farblosen Epithelien stattfand, oder aber, wie mir am wahrscheinlichsten schien, durch Wanderung der Pigmentzellen der Umgebung nach der Verletzungsstelle hin erfolgt. Dem ent- sprechend würde dann wohl auch das Verschwinden des angehäuften Pigmentes auf verschiedene Weise sich vollziehen. Wenn wirklich eine Pigmentzellenwanderung vorliegt, so wird dies für die Auffassung der Umschliessung der Blastula mit Pigmentzellen vor und während der Gastrulabildung und für manche andere Vorgänge von hoher Bedeutung sein können. Zeichen des Absterbens junger Embryonen. Bei dem Absterben der Embryonen trat eine besondere Erschei- nung auf. Bei den Embryonen, welche von einer Wunde aus mace- rirten, zeigte die Oberflächenschicht in der Umgebung der Wunde eine grobkörnige Beschaffenheit, welche mit der fortschreitenden Ne- crose sich als ein schmaler Saum neben der Wunde am Körper ver- breitete. Die Besichtigung mit dem^Micro-scop liess erkennen, dass an diesen Stellen die Epithelzellen Kugelgestalt angenommen Framboisia embryonalis finalis. 151 hatten. Manchmal trat diese Erschoinuno- auch ausserhalb der Vm- gebuug der Wunde am ganzen Embryo auf. Bei meinen späteren Versuchen beobachtete ich dieses Verhalten auch unter anderen Umständen, und zwar schon in früheren Phasen der Entwicklung, von der (lastrula an. Da sich weiterhin zeigte, dass ein Embryo, welcher diese Oberflächenboschaffenheit darbot, sich nicht mehr weiter entwickelte, wenn schon er bei Schutz vor schädhchen Einrichtungen noch mehrere Tage lang sich zu erhalten vermochte, so diente mir das Auftreten dieser Er- scheinung bald als werth volles erstes Zeichen des Aufhören s der Entwickelungsfähigkeit und des kommenden Todes bei Embryonen in denjenigen frühen Stadien, in denen die noch fehlende Reflexerregbarkeit keine directe [433] Prüfung der Lebendig- keit gestattet. In Folge des practischen Nutzens dieses ersten Symptomes kommenden Todes jüngster Embryonen will ich die Erscheinung mit einem besonderen Namen belegen und sie weiterhin als „Framboisia embryonalis finalis" mit dem Beinamen minor bezeichnen; letzteres weil wir noch ein zweites ähnliches Vorkommniss davon zu unter- scheiden haben werden, welches Anspruch auf das Epitheton ,, major" hat. Die pathologische Bedeutung dieser Framboisia minor glaube ich darin sehen zu mässen, dass die Epit hellen ihre speci fische functionelle Natur, sich unter gegenseitiger Abplattung zu einer continuirlichen Schicht zusammenzuschliessen, ver- loren haben, und daher entweder aus einem Reste noch vorhan- dener Lebenskraft sich activ zu Kugeln zusammenziehen wie vordem im Stadium der Furchung und Blastula vor Uebernahme ihrer epithe- lialen Function, oder vielleicht auch nur von ihrer vielleicht elastischen Zellenmembran zu Gebilden kleinster Oberfläche zusammengepresst werden. Die symptomatische Bedeutung dieses Zustandes würde darauf beruhen, dass stets auch der übrige Organismus seine specifische Lebensfähigkeit verliert, wenn erst die ihn überkleideuden^) Epithehen [1) Diese Framboisia minor kommt, auch an den inneren epithelialen Theilen beim Absterben sehr junger Embryonen vor (Framboisia minor interna, 152 Nr. 18. Zur Orientirune über die Probleme etc. soweit verändert sind, dass sie ihre Function nicht mehr vollziehen, oder umgekehrt, dass die Epithelien erst dann ihre specifische Function verlieren, wenn schon die von ihnen umschlossenen Theile ihre Ent- wickelungs- und dauernde Selbsterhaltungsfähigkeit eingebüsst haben. Da die Framboisia minor oft läi^gere Zeit auf einer, auch unverletzten, Stelle localisirt blieb, ehe sie weiter schritt, so beweist dies, dass solcher Tod auch längere Zeit „local" bleiben kann. Die um heilende Verwundungen sich anhäufenden Pigmentzellen bilden manchmal, wie es scheint, mehrere Lagen Zellen auf einander; die oberflächlichsten Pigmentzellen nehmen dann gleichfalls Kugelgestalt an und es entsteht so ein der Framboisia minor ähnliches Aussehen, welches aber umgekehrt ein Zeichen des Le))ens statt des Todes ist. Gleichzeitig mit dieser Framboisia minor oder auch schon vor djem Auftreten derselben ist oft eine noch gröbere Unebenheit der Oberfläche von Embryonen wahrnehmbar ; es finden sich auf einem Körpertheile zahlreiche mit blossem Auge sichtbare Excresceuzen, welche entweder noch mit glatten oder schon kugelig gewordenen [434] Epithelzellen bedeckt sind und also wohl auf Wuciierungen einer unter dem Epithel gelegenen Schichte beruhen^). Diese Fram- boisia embryonalis major würde damit schon mehr der als Framboisia bekannten Hautkrankheit des Menschen bleichen. Sie kann viele .s. das Sachregister), sei dieses Absterben durcli innere Zustände bedingt oder erfolge ('S langsam durch äussere Einwirkungen z B. von Glycerin, Borsäure, auf die Blastula, Gastrula etc. Siehe W. Roux. Verbandl. der anat. Sect der Naturforscher- versammlung zu Wien 1894. Nicht selten findet man die Erscheinungen der Framboisia interna auf Abbildungen seitens descriptiver Forscher dargestellt, wo die betreffenden Formen für n ormal gehalten Averden. Da die Framboisia minor aber ein Zeichen des langsamen Auf- hörens der Entwickelung und danach des Lebens ist (s. S. 159), so ist wohl anzunehmen, dass auch die letzten Eutwickelungsvorgänge schon etwas alterirt waren. Die Deut- ung solcher Objecte kann daher zu u n r i c h t i g e n Ü r t h e i 1 e n über die normalen Bildungsvorgänge führen. Siehe übrigens auch S. 173.] [1) Die microscopische Besichtigung einiger Schnittpräpaiate zeigte blos Ver- dickung des Epithellagers; und in manchen Fällen beruhte diese Verdickung offenbar auf Hemmung der normalen Ausbreitung des Epithellagers, so z.B. im Bereiche des äusseren Keimblattes bei der von mir durch Anwendung von Borsäure auf die Gastrula hervorgebrachten Zerstörung der Anlage der Medullarplatte. bei der künstlichen A m y e 1 i a. Defeclversuche am Froschei. 153 Tage auf einem grossen Tlieile des Embryo bestehen, und denselben z. B. den Schwanz erheblich deformiren, ehe dei- Tod des Thiores eintritt. Ich glaube sie als ein Zeichen davon auffassen zu sollen, dass die .,Gesammtentwickelung" der betreffenden (leücnd gestört ist und einzelne Theile derselben nun vor ihrem Absterben noch eine Zeit lang wucheruugsfäh ig sind und daher atypisch wachsen, wie die von W. Zahn aus ihrer normalen Umgebung losgelösten und in erwachsene Thiere implantirten embryonalen Organtheile. Manclnnal, besonders an dem Epithelsaum des Schwanzes der Froschembryonen, bilden auch in deutlich erkennbarer Weise blos Epithelzellen solche grösseren Excrescenzen. Das wesentlich von der Framboisia minor Unterscheidende ist, dass bei der Framboisia major immer mehrere Zellen sich zur Bildung eines Vorsprungs vereinigen, während bei der Framboisia minor nur die einzelnen Zellen durch ihre eigene Rundung prominiren. II. Ilefeetversuclie am Froschei. Durch die erwähnten Versuche wurde ich über die grosse Widerstandsfähigkeit der Froschembryonen gegen mecha- nische Eingriffe belehrt und erkannte, dass dieselbe erheblich grösser ist, als diejenige von Hühnerembryonen, an welchen ich schon in früherer Zeit als Student experimentirt hatte. [Ohne noch von den früheren Versuchen Valentin's, Leückaivi's und Schrohe's Kenntniss zu haben, hatte ich im Jahre 1874 an Hühner- embryonen zum Theil in ähnlichem Sinne V^ersuche angestellt, aber genau genommen dabei weiter nichts erkannt, als dass die Entwicke- lung durch Eröffnu4ig des Eies und Verletzung des Keimes nicht nothwendig aufgehoben wird, dass hochgradige Ent\^dckelungsstörungen die Folge sein können, und dass es sehr schwer ist, äussere Schäd- lichkeiten von einem eröffneten Eie fern zu halten. Im Uebrigen waren die Resuhate zu inconstant, und ich will blos einen dieser [435] Versuche mittheilen, welcher nach einer anderen als der er- warteten Seite hin etwas Interessantes erkennen liess. 154 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Ich verfolgte bei ihm den utopischen Zweck , durch Injection von Farbstoffen in die Keimhöhle, das untere Keimblatt und damit auch alle seine Derivate zu kennzeichnen. Der Eingriff wurde mit einer fein ausgezogenen Glascanüle ausgeführt und war an sich nicht ab- solut tödtlich. Durch Niederschlag aus sehr verdünnten Carminlösungen erzeugte feine Carminkörnchen, sowie auch Anilinblau wurden festge- halten ; der Zweck wurde natürlich niclit erreicht. Von Interesse war aber das Verhalten des Keimes gegen Kürnchen^von sogen unlös- lichem Berlin er blau. Dieser Farbstoff war nämlich nach weiterer Bebrütung des Eies nicht mehr aufzufinden; dagegen zeigte die Um- gebung der Einstichstelle, welche bei der Injection der erst erwähnten Farbstoffe immer am intensivsten gefärbt war, sowie einige andere Stellen des Keimes eine intensiv gelbe Färbung, so dass w^ohl anzunehmen ist, dass das eisenhaltige Material hier zu einem gelben Farbstoff umgearbeitet worden ist.] Die erkannte grössere Widerstandsfähigkeit junger Froschembry- onen ermuthigte mich, auch an den Eiern dieser Thiere mecha- nische Eingriffe vorzunehmen. Zunächst hatte ich die Frage vor Augen, ob das Keimplasma zur Zeit der ersten Furchungen schon entsprechend den späteren Einzelbildungen different beschaffen und be- stimmt localisirt sei. Durch Substanzverluste, welche dem Eie in diesen Entwickelungsphasen beigebracht wurden , musste , sofern der Eingriff überhaupt ertragen wurde, eine gewisse Aufklärung über diesen Punkt zu gewinnen sein. Daher versenkte ich, zum ersten Male im Frühjahre 1882^), nicht ohne ein geheimes Bangen, die Spitze der Präparirnadel in das seine Furchung beginnende Ei und betrat damit einen neuen Weg der Forschung, welcher uns über manche wichtige Frage Aufklärung ver- heisst, die auf anderen Wegen vergeblich gesucht worden ist. Ich war mir der Rohheit dieses Eingriffes in die geheimnissvolle Werk- stätte aller Kräfte des Lebens wohl bewusst, und verglich ihn selber mit dem Einwurfe einer Bombe in eine neu gegründete Fabrik, etwa :i) Siehe Nr. 31, S. 260.] Defectversuche am Froschei. 155 in eine Kimstspinnerei, welcher in der Absicht vorgenommen sei, um an der Aenderung der Production und an dem Verlaufe der weiteren [436] Entwickclung der Fabrik nach der angerichteten Zerstörung einen Rückschluss auf ihre innere Organisation zu machen. Immer- hin schien mir diese Methode noch einen Vorzug vor mancher der bisher geübten Methoden zu besitzen, so vor der Versetzung des Eies, dieses Analogon seiner wachsenden Fabrik, in höhere oder geringere Wärme oder in einseitig wirkende Wärmestrahlung oder in bestimmte- chemische Substanzen. Denn wenn durch diese Alteration der äusseren Umstände auch eine Alteration in der Aus- bildung der Fabrik eintrat, so Hess sie doch nur die aller allgemeinsten Schlüsse zu; während hier durch die Möglichkeit, die directe Zer- störung bestimmt zu localisiren, unter Umständen etwas spe- ciellere Aufschlüsse gewonnen werden kö|nnten. Der Erfolg des ersten Versuches ermuthigte zur Wiederholung; so wurden weiterhin Eier von Rana fusca und später auch von Rana esculenta sowohl vor der Furchung wie nach dem Beginne derselben in allen Phasen bis zur siebenten Theilung angestochen und dabei an verschiedenen Eiern derselben Phase mit dem Orte der Verletzung zwischen verschiedenen Stellen der schwarzen und weissen Hemisphäre und der Uebergangszone beider gewechselt. Die unmittelbare sichtbare Folge des Anstechens war beim Herausziehen der Nadel ein Austritt schwarzer oder vermengt weiss-schwarzer Eisubstanz; und die Menge dieses „Extraovates"- nahm oft in den nächsten Stunden nach der Verletzung noch erheblich zu. Das Extraovat bildete, soweit es innerhalb der Gallerthülle gelegen war, einen Knollen, der sich in vielen Fällen nachträglich an seiner ganzen Oberfläche schwarz (Rana fusca) resp. braun (Rana esculenta) färbte, und sich viele Tage lang unverfärbt in der Nuance der Lebensfarbe erhielt. In vielen Fällen blieb die Hauptmasse des Extraovates durch einen Strang mit dem Eie in Verbindung und markirte so noch nach drei bis vier Tagen am bereits gebildeten Embryo eine Stelle, welche in einem gewissen Sinne der Anstichstelle des Eies entsprechen musste. Wenn ein solcher Faden nicht bestand, so war kurze Zeit nach dem 156 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Aufhören des Ausfliessens von Substanz die Anstichstelle nicht mehr kenntlich, indem die anfängliche leichte Einziehung und Faltung der dünnen, und, wie sich aus letzterem Verhalten ergiebt, fast starren Oberflächenschicht, der Ei^ resp. Zellrinde, sich bald ausglich. [437] Die angestochene Zelle selber vergrösserte sich augen- scheinlich wieder durch Zufluss aus der Nachbarschaft, sofern die Operation während der ersten Furchungen geschah, [d. h., die durch Abgabe von Inhalt nach aussen stark verkleinerte Zelle, deren Rinde daher ,,collabirt" war, wurde oft bald unter Ver- kleinerung ihrer Nachbarn und unter Verschiebung ihrer Grenzen, also unter Zufluss von Substanz aus den Nach- barn wieder vergrössert, und so ihre schlaffe Rinde wieder bis zur Glattheit gefüllt; ein Vorgang, der wohl auf noch unvollkommener Trennung besonders der zuletzt erst gesonderten Zellen und auf der elastischen Spannung der Zellrinde beruht (s. Nr.. 22 S. 146)]. Ein Theil der operirten Eier furchte sich nicht oder blos noch einige Male weiter. Der Tod des Eies markirte sich in diesen frühesten Phasen der Entwickelung dadurch, dass die Furchungskugeln ihre eigene Rundung verloren und die Gesammtheit derselben sich unter fast vollkommenem Verstreichen der Furchen wieder zu. einer einzigen Kugeloberfläche abplattete; ein Beweis wohl, das die selbständige Rundung jedes Furchungs- theiles activ aus eigener Kraft hergestellt und erhalten wird. Es tritt also während der Furchung, formal betrachtet, gerade die entgegengesetzte Absterbeerscheinung ein als. später, nachdem erst die oberflächlichen Furchungskugeln einmal ihre epitheliale Func- tion zu übernehmen begonnen haben (s. S. 151). \^on hohem Interesse ist auch das Verhalten, dass vor oder nach der ersten oder zweiten Furch ung angestochene Eier sich manchmal blos auf der unversehrten Hälfte weiter furch- ten, [Semimorula, s. Nr. 22 S. 125], während auf der angestochenen Seite blos die bereits begonnene oder noch die ihr nächstfolgende Furchung, und dann zumeist in atypischer Richtung, vor sich ging. Darin bekundet sich eine sehr wichtige Unabhängigkeit der Furchungssegmente von einander; während aber andererseits Defectversuche am Froschei. 167 (las weitere Verhalten, dass der überlebende Thcil nicht mit mc\\v als vier bis fünf Furchungen den anderen überdauerte, aueh auf eine gewisse Abhängigkeit der Theile von einander hinzudeuten scheint, welche freilich ohne w^eitere Prüfung zunächst auch einfach auf einen schädlichen Einfluss der absterbenden Substanz auf die benachbarte lebende bezogen werden kann. Die sich nicht mehr weiter entwickelnden Eier verloren zum Theil sehr bald ihre schöne schwarz- oder hellbraune Färbung und wurden grau verfärbt; und das ,, Fruchtwasser", wie wir der ivürze halber die Flüssigkeit zwischen Gallerthülle und Ei oder Em- bryo nennen wollen, trübte sich. Dieses Verhalten glaube ich als Zersetzung durch Infection auffassen zu sollen, da ein anderer Theil der seinen Tod bekundenden Eier noch Tage lang seine Lebens- [438] färbe behielt und sie erst nach dem Auslösen aus der Gallerthülle verlor. Blieb also nach dem Eintritt des oben angegebenen Zeichens des Todes die Verfärbung aus, so glaubte ich den Tod selber als eine directe Folge des Eingriffs auffassen zu müssen ; während andern- falls, wenn kurze Zeit nach dem Eingriffe schon Verfärbung sich zeigte, der Tod die Folge der Infection sein konnte, und daher keinen Schluss auf die Gefährlichkeit der vorgenommenen Verletzung an sich zuliess. Für die Richtigkeit dieser Auffassung sprach auch, dass sehr häufig der Tod mit Verfärbung bei der geringsten Verletzung, welche einen nur minimalen Substanzaustritt zur Folge hatte, oder in einer ganzen Schale operirter Eier eintrat; während vielmal grössere Sub- stanzverluste in einer anderen Glasschale ausnahmslos vertragen wurden. Nach dieser Auffassung stellt sich die Infection als die hauptsächlichste Todesursache der operirteu Eier dar; und als ich gelernt hatte, diese zu bekämpfen, sank die Sterblichkeit* in manchen Serien auf etwa 20^/0. Leider aber machten sich bei den diesjährigen Versuchen (1884) in Folge der Ungunst äusserer Ver- hältnisse [arbeiten in einem feuchten, etwas schimmeligen Raum], neue Infectionsquellen geltend, welche mir auch die sorgfältigst angelegten Versuchsreihen durchaus zerstörten, so dass 158 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. ich die Fortset/Aing dieser Art Versuche schon auf spätere Jahre, bis 7Aim Eintritt besserer äusserer VerhäUnisse, verschieben wollte, als zuletzt noch einige Serien sich gut entwickelten, welche aber in Bezug auf die spätere Verwerthung ihrer eventuellen Resultate weniger sorgfältig vorbereitet waren. Die grössten Substanz Verluste, welche nach einseitigem Anstechen ertragen wurden, ohne die Entwickelungsfähigkeit voll- kommen aufzuheben, erreichten etwa ein Fünftel bis ein Viertel der gesammten Eisubstanz. Dagegen furchten sich durch und durch gestochene Eier nur in seltenen Fällen noch mehrere Male weiter, auch wenn der nachfolgende Substanzaustritt ein nur geringer war. Die Erscheinungen der weiteren Entwickelung der operirten Eier zunächst im Allgemeinen angebend, so sind diese sowohl der Uebersicht halber, wie wohl auch ihren Ursachen nach, in drei verschiedene Gruppen zu sondern. [439] Ein grosser Theil der die Operation überlebenden Eier entwickelte sich, der äusseren Form und dem späteren munter beweglichen Verhalten der Embryonen nach zu urtheilen, voll- kommen normal^). Eine höhere Sterblichkeit schien ihnen aber doch eigen zu sein, indem sie häufig von kleinen, bei den zum Zwecke der Besichtigung nothigen Umwendungen erhaltenen Ver- letzungen aus abstarben. Viele Embryonen waren auffallend klein; und es schien diese Kleinheit nicht blos von der Menge des stattge- [1) Das heisst, die operirten Eier entwickeln sich zu normal ge stalteten Ge- bilden. Dass die einzelnenEntwickelungsvorgänge selber ganz die normalen gewesen waren, ist daraus nicht zu folgern; sondern im Gegentheil, da das Ei abnorm beein- flusst war und die Störung ausgeglichen wurde, so mussten Regulationsmecbanis- men in Thätigkeit getreten sein (s. Nr. 27, S. 301, Nr. 28, S. 619, Nr. 31, S. 274). Darauf weist auch die meist beobachtete Verzögerung der Entwickelung hin. Da jedoch die Furchung nicht wesentlich verzögert war, so bekundet sich wohl, dass die Störungen grossen Theils erst nach der Furchung ausgeglichen wurden. Zu solchen Vergleichungen des zeitlichen Ablaufes der Entwicke- lung ist aber nöthig, dass die Vergleichsobjecte neben einander, in gleich grossen Schalen mit gleich hohem Rande und gleich viel Wasser sich befinden und besonders auch in der Bedeckung der Schalen vollkommen gleich gehalten werden; denn schon geringe ungleiche Wasserverdunstuug genügt, um durch ungleichen Wärmeverlust die Geschwindigkeit der Entwickelung erheblich zu beeinflussen]. Allgemeine Folgen der Openvtionou während der Furchung. 159 habten Verlustes an Keimniaterial abliäiioig- zu sein , denn sie war auch bei in dieser Hinsicht ganz unerheblichen Extraovaten deutlich ausgesprochen. Ich glaube sie daher noch mit einer anderen Er- scheinung in Verbindung setzen zu müssen, mit einer häutig sehr ausgesprochenen Verzögerung der formalen Entwickelung, welche ihrerseits in einem gewissen Gegensatze zu dem zeitlich nor- malen, nicht wesentlich vorzögerten Ablaufe der Furchung zu stehen schien oder richtiger vielleicht gerade davon abhängig war. Während dieser längeren Dauer wurde vielleicht ein grösserer Theil des Dottermaterials im Stoffwechsel verbraucht. ^Vus dem gleichen Grunde vielleicht geschah es, dass viele äusserlich wohlgebildete und auf Reize gut reagirende Larven um die Zeit der Kiemenbildung, augen- scheinlich durch zu frühes Zuendegehen des Nahrungsdotters, starben, indem dieser bereits aufgezehrt war, ehederSchwanz sein Selbst - erhaltungsvermögen verloren hatte und als weiteres Nah- ruugsmaterial verwendet werden konnte. Weiterhin aber ist zu erwähnen, dass manche der äusserlich normal geformten Embryonen aufeinerniederenEntwickelungs- stufe stehen blieben und Framboisia minor oder auch major ausbildeten, ohne dass eine neu hinzugekommene Schädlichkeit als Ursache dieses plötzlichen Stillstandes hätte nachgewiesen werden können. Solcher Stillstand fand nach der Bildung der Medullarwülste, oder nach Schluss des Medullarrohres, oder zur Zeit der Anlage der Kiemen statt, um das Stehenbleiben auf der Gastrulastufe, Avelches auch sonst häufig vorkommt, nicht zu erwähnen. [Diese beiden Abnormitäten: die Verzögerung und der Still- stand der Entwickelung bekunden also, dass die Störungen in diesen Fällen doch nicht ganz ausgeglichen worden waren.] Die zweite Gruppe von Folgeerscheinungen des Anstechens wird durch Abnormitäten gebildet, welche auch an „nicht'^ operirten Eiern nicht selten zu beobachten sind. Zunächst sind zu erwähnen die zahlreichen Deformitäten bei [440] der Bildung und bei dem verzögerten oder ausbleibenden Schlüsse des Urmundes mit Divergenz und Verbiegung der Medullarwülste, ja mit Spaltung [des Bodens] der Medullarfurche von hinten nach 160 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. vorn [.isyntaxia modullaris, s. S. 166 Anm.]. Ferncrdie hvclropischen Aufblähungen: zunächst der Hydrops dauernder Gastrulae (welcher namenÜich bei Entwickelung der Eier in Zwangslage äusserst häufig, nach blossem Anstechen der Eier aber selten ist). Dann später der Hydrops der Halsgegend, seltener der mitt- leren oder hinteren Bauchgegend, oder des ganzen Leibes. Ausserdem resultirten häufig Verbiegungen des Embryo, von denen Lordosen bis zu einem rechten Winkel zwischen Hais- und Schwanztheil, oder Scoliosen bis fast zur Berührung von Kopf und Schwanz während eigentlichen embryonalen Lebens, d. h. inner- halb der Gallerthülle, zur Norm gehören. Diese Bildungsalterationen gleichen sich nach der Befreiung von der Gallerthülle rasch aus ; aber blos sofern diese Entledigung von der Hülle, wie unter normalen Ver hältnissen stets der Fall ist, zu einer Zeit geschieht, wo der Embryo schon active Locomotionsbewegungen ausführt. Embryonen , welche ich schon vor dieser Zeit aus der Gallerthülle herausgenommen hatte, behielten ihre Krümmungen manchmal noch längere Zeit, bis zum Eintritt der Bewegungen. Der spätere rasche Ausgleich nach dem Beginne der Bewegungen stellt ein schönes Beispiel „functioneller Orthopädie" (Roux) dar/'). Die dritte Gruppe den Operationen folgender Erscheinungen besteht in localisirten Abnormitäten, welche an nicht operirten Eiern nicht oder nur äusserst selten, an den operirten aber relativ häufig vorkamen. Um die Ent\dckeluug der operirten Eier mit dem normalen Entwickelungsverlauf vergleichen zu können, wurden von jeder Ver- suchsreihe unversehrte Eier derselben Versuchsthiere erhalten und gepflegt. So konnte auch die relative Häufigkeit von Missbildungen und die Natur derselben bei operirten und nicht operirten verglichen und dadurch sicher festgestellt werden, dass die zu erwähnenden [1) D. B.\RFURTH beobachtete, dass nach schiefem Abschneiden des Schwanzes von Amphibienlarven die Regeneration zunächst rechtwinkelig zur Wunde, also schief zur Längsrichtung des Thieres erfolgt, und fand dann, dass die nachfolgende Streckung durch die Schwimmfunction sehr beschleunigt wird. (Versuche zur functionellen An- passung. Arch. f. micr. Anat. 1891. Bd. 37. S. 392-405). Siehe auch -Tulius Woi.kf in Nr. 10.1 Üperatioiien während der Furchuiig. 161 Missl)il(l uno-on dor opoi'irton F.ioi- o-rüsste n t h ci I s als Kolocii der stattgeliabten Eingriffe anzusehen sind. Um dem Leser selber ein Urtheil über die bisherigen Ergeb- nisse sich bilden 7ai lassen, will ich hier einen etwas ausführlielu'n Bericht über (he augestellten Versuche geben, weleheni daini die Zusammenfassung der Ergebnisse und die daraus abzuleitenden [441] Schlüsse folgen werden. Es wird jedoch überall hervortreten, dass bis jetzt, zufolge der diesjährigen ungünstigen Verhältnisse, blos erst noch erste Orientirungs versuch e vorliegen, und dass die Lückenhaftigkeit der Versuchsreihen nur sehr allgemeine Folger- ungen zu ziehen gestattet. 1. Operationen am Ei vor und während der Furcliunj^^. Unmittelbar vor der Befruchtung- angestochene Eier haben sich nur äusserst selten und dann nur einige Mal und zwar atypisch gefurcht. Von den Eiern von Rana fusca, welche etwa eine Stunde vor dem präsumptiven Eintritt der ersten Furchung angestochen waren, entwickelte sich der grösste Theil. Eine Anzahl von diesen vollzog unter normalen äusseren Formen den Schluss des Medullarrohres und wurde in diesem Stadium aufbewahrt. Einem Embryo wurde die Gelegenheit zur weiteren Entwickelung gelassen , soweit bis er, noch normal gebildet, aus der Gallerthülle ausgeschlüpft war. Die Entwickelung, besonders der Schluss des Urmundes und der Rückenfurche, waren erheblich verzögert, obgleich oder gerade, weil in der Furchung keine wesentliche Verlangsamung eingetreten war. Ausserdem waren verschiedene Abnormitäten zu beobachten. Zunächst nach dem Anstechen am ,,schwarz en" Pol. Einige Eier blieben im Stadium der Gastrulabildung stehen; und eine solche Gastrula hat dieBirnform, welche erst mit der Ausbildung der Medullarwülste zu entstehen pflegt, angenommen , ohne selber Medullarwülste gebildet zu haben. Bei zwei gleich- falls bereits birnförmigen Embryonen war nur die vordere Hälfte der Medullarwülste angelegt [Hemiembryo anterior s. Nr. 221; W. Rous, Gesammelte Abhandluniren. II. -i ^ 162 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. einer brachte das Mednllarrohr nur vorn zum A^erschluss, während hinten die M ediillarwülst e getrennt blieben [Asyntaxia mediillaris.] Zwei Embryonen zeigten Abnormitäten am Kopfe: bei dem einen ist die rechte Kopfhälfte in frontaler Richtmig zu schmal und auch sonst etwas deform und entbehrt des Haft- na pf es, Avel eher sonst sogar beim Fehlen der Geh irnb lasen sich auszubilden pflegt und in diesem Falle an der anderen Hälfte deutlich ausgeprägt ist. Bei dem anderen Embryo ist der ganze Kopf- theil zu klein und verbildet. Zwei der hierher gehörigen Eier waren auf der Blastulastufe stehen geblieben. Das Extraovat, welches wolil wenigstens '/i5 der ganzen Eisubstanz betragen mochte, war durch einen dünnen Strang mit dem Ei in Verbindung geblieben und zeigte ein wichtiges Ver- [442] halten, das ich weiterhin an fast allen aufbe- wahrten Extraovaten feststellen konnte'). Der Eiaustritt ist an seiner Oberfläche schwarz und lässt daselbst eine gleichmässige Körnelung von derselben Korngrösse als die der P]isubstanz selber, er- kennen; die Oberfläche des Austrittes besteht also aus Furchungs- kugeln. Die Frage, ob diese blos als Epithelien vom Ei herüberge- wachsen sind und so das Extraovat überzogen haben, oder ob die ausgetretene Substanz sich selber gefurcht hat, entscheidet sich auf dem Durchschnitt durch Ei, P]xtraovat und ihren Verbindungsstrang dahin, dass die ausgetretene Eimasse selber und zwar oft in toto seg- mentirt ist. Der Durchschnitt zeigt zugleich, dass der Austritt in diesem Falle vorzugsweise aus schwarzer Substanz besteht, welche einige concen tri sehe Schichten bildet. Dies letztere Verhalten deutet wohl auf mehrmalige Wiederholungen des Austretens der Substanz hin. Die Färbung mit saurem Carmin und die Zerlegung in microscopische Schnitte liess dann weiterhin die Existenz von Zellkernen in den Furchungskugeln d es Extraovates nach- weisen. Da die Extraovate, wie gleich allgemeiner gesagt sein soll, häufig [1) Es wurden aber blos solche Extraovate aufbewahrt, welche die Lebens- farbe behalten hatten. Die Mehrzahl der Extraovate verfärbten sich, starben also ab, und zerfielen beim Herausnehmen: sie waren nicht celhilirt.j Operationen während iler Fiucliung. 163 eine eigenthüniliclie Gestalt zeigton, welche nicht ohne besondere Feststellungen allein auf die Wiederholungen der Substanzaustritte und auf die Widerstände der Gallerthülle zurückgeführt werden darf, so könnte man vielleicht nach Erkenntniss der Segment ii'ung auch eine active Gestaltbildung und eine entsprechende Structurbildung als mitbetheihgt vermuthen. Erstere hätte nur durch genaue Ver- folgung der eventuellen nachträglichen Formwandlungen des Extra- ovates nachgewiesen werden können, was leider bis jetzt nicht ge- schehen ist, da die Segmentirung erst an den conservirten Präparaten, nach Befreiung von der GalUu-thülle, wahrgenonnnen wurde. Eine be- sondere auf Selbstgestalt ung hindeutende Structur konnte ich an den Schnitten der Extraovate nur insoweit nachweisen, als eine ge- schlossene Epithelschicht an der Oberfläche derselben sich herstellte. CTeber die wichtige Frage von der Abstannnung dieses Kernmateriales werden erneute Versuche unter besonderer Be- rücksichtigung des Verhaltens derjenigen Extraovate, welche von vorn herein nicht durch einen Strang mit dem Ei in Verbindung geblieben sind, im nächsten Frühjahr Aufschluss geben [s. Nr. 24]. [443] Die am ,, weissen" Pole angestochenen Eier sind zumeist trüb geworden und nur wenige haben sich zwei Tage lang entwickelt; zwei davon unter Bildung eigenthümlicher, das Ei parallel oder in leichter Convergenz umziehender Furchen, je zwei an einer Gastrula (vielleicht blos post mortem entstandene Falten). Beim Anstechen naeli der ersten Furehung beobachtete ich zunächst, dass manchmal die zweite Furche auf der angestochenen Seite durch die Anstichstelle hindurch sich bildete, auch wenn die Furche selber dadurch ,, schräg" zur ersten Furche und zur anderen Hälfte der zweiten Furche, im Bereiche der anderen Zelle, zu stehen kam [s. S. 165 Anm.]. Von vier verletzten Eiern eines Versuches an Rana fusca ent- wickelten sich zwei, von denen eines eine nicht voll k ommen g e- schlossene Gastrula mit Anlage asymmetrischer Medullar- wülste [Asyntaxia] bildete; der Tod erfolgte unter Trübung, also wohl durch Infection. Das andere Ei schloss den Urmund und zum Theil das Medullarrohr und bildete eine normale Schwanzanlage; vor der letzteren aber ist das Medullarrohr offen geblieben, und der 11* 16i Nr. 18. Zur Orientirnng über die Probleme etc. Embryo zeigt fin seiner ventralen Wandung einen circumscripten Defeet der schwarzen Schicht, durch welchen die weisse darunter liegende Schicht sichtbar wird. Er stirbt am vierten Tage allmählich von einer Verletzung am Kopfe aus, aber indem die Wundstelle grau macerirt erscheint und der Epithelsaum in der Umgebung in den Zustand der Framboisia minor übergeht, welche sich mit dem Weiter- schreiten . welche nach der später ge- wonnenen Einsicht in diesem Falle dadurch bedingt ist, dass die ventralen Theile in ihrer Entwickelung gestört werden, weshalb auch das seitliche Herabwachsen, die bilaterale Epibolie eine unvollkommene blieb (s. Nr. 23).] [■^) Dieser Fehler, welcher den Werth der hier vorliegenden Versuche für die L 0 c a 1 i s a t i o n d e r G e g e n d e n d e s E m b r y o a u f d a s E i sehr herabsetzt, wurde in späteren Jahren durch ge ringe ren Wasserzusatz zu den Eiern, in Folge dessen sich 172 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Von Verletznilgen nach der vierten Furche habe ich folgende Präparate von Rana fusca aufgehoben: drei Embryonen, deren Eier an der Grenze der weissen und schwarzen Hemisphäre, also vielleicht in der Gegend der Anlage des künftigen Urmundes angestochen und nach vier Tagen aufgehoben wurden. Einer ist normal gestaltet; der andere in den Hauptformen desgleichen, zeigt aber in der Mitte d er Länge des sonst überall geschlossenen Nervenrohres ein kleines rundes Loch, zu welchem ein weisser Pfropf heraussieht, ein Zeichen, dass auch ventral das Medullarrohr an der Stelle durchbrochen sein wird [Asyntaxia meduUaris]. Lordose nicht stärker als auch sonst in diesem Stadium. Der dritte Embryo ist gleichfalls im Allgemeinen normal gegliedert, zeigt aber in derselben Gegend des Rückens und weiter nach hinten ein weites seitliches Auseinanderweichen der Medullar- wülste [Asyntaxia], verbunden mit starker Lordose des Embryo. Das Medullarrohr ist oral davon geschlossen, aboral sind die beiden Schwanz- [451] anlagen vereinigt aber stark in die Breite gebildet. Von der starken Rückwärtsbie- guiig geht jederseits eine Falte schräg ventral und vorwärts über den Leib. Wir haben also zweimal eine Verbildung resp. Defect des Medullarrohres hinter der Mitte desselben , wie beim Anstechen des Eies an gleicher Stelle nach der zweiten Furche. Der eine dieser beiden Fälle zeigt bereits ein kräftiges erfolgreiches Regenera- t i o 11 s b e s t r e b e n , und wir wissen nicht , ob der ersterwähnte sich präsentirende Embryo überhaupt keine Störung in seiner Entwickc- lung erlitten hatte, oder ob sie bereits Avieder ausgeglichen ist. Wenn eine Störung vorhanden war, so muss sie indess sehr ge- ring gewesen sein, so dass sie bei der Besichtigung des Eies iiiner- die Gallerthülle stark auf das Ei presst, besonders aber durch frühzeitige Controlle des unmittelbaren Erfolges der Operation vermindert. Ausserdem war bei diesen ersten Versuchen nicht bei Nacht beobachtet worden, weshalb die primären Entwickel- ungsstörungen unbemerkt geblieben und blos die secundären nach der damals noch nicht bekannten Postgeneration noch vorhandenen oder durch noch unvoll- kommene Postgeneratiou bedingten Alterationen wahrgenommen worden waren. Die daraus sich ergebende Inconstanz der Resultate war die Veranlassung, dass hier auch nur sehr wenige, auf die Localisation bezügliche J' o 1 gerungen abgeleitet wurden.] Operntionon wiilirond dor Kiiroliuns;. 173 halb (lor CJallertliülle übersolien wortlon konnte; denn icli luihc moisl die Regel befolgt, sobald wahrgenommene Entwickelungsstcirungen ans- gegliehen zu werden begannen, die Embryonen /u eonserviren , da es mir vorerst nieht nm das Studium der Regeneration, sondern der Entwickelungsalterationen /u thun war. Vom Ansteclien an der scliwarzen Hemisphäre nach dem Auftreten der vierten Furche besitze ich acht Embryonen, gleich- falls im /Vlter von vier Tagen. Die Zahl der in jener Serie operirten Eier ist nicht notirt, aber es ist anzunehmen, dass alle i^ier, welche sich überhaupt nach dem Eingritfe nocli über die Blastida hinaus entwickelt haben, aufgehoben worden sind. Drei Embryonen zeigen bei normaler Anlage der einzelnen äusseren Theile eine Auftreibung der Kopf- und Halsgegend, welche im Spiritus zu einer starken Schrumpfung mit vielfachen Verbiegungen führte, so dass wohl ein hydropischer Zustand eines Hohlraumes vorhanden gewesen ist. An einem dieser Embryonen ist durch Verletzung nach dem Härten der Medullarkanal im Hals- und hinteren Kopftheil geöffnet; er zeigt sich erweitert und stellenweise prominiren die Epithelien halbkugelfürmig gegen das Lumen, ein Zeichen, dass die Fram- boisia minor, welche an der äusseren Oberfläche dieses Embryo vor- handen ist, auch an der inneren Oberfläche [also Framhoisia interna] möglich ist. Der Embryo war also schon vor dem Conserviren von selber abgestorben, ohne dass ausser der früheren Operation eine Schädlichkeit eingewirkt hatte. Ein anderer Embryo ist normal ge- staltet, [452] hat aber eine grosse Narbe auf der rechten Seite von Rumpf und Hals; ein zweiter desgleichen. Ein Embryo hat den Kopf mit den Haftnäpfen, sowie Kiemenanlagen gebildet; aber alles ist faltig verschrumpft an Kopf und Rumpf, und in der Mitte des Rückens fehlt die^^rechte Hälfte des Medullar- rohres nebst den"^ angrenzenden Seitentheilen des Rumpfes und durch den Defect tritt ein grosses viereckiges Stück weisser Masse zu Tage.';- Ein anderer Embryo zeigt die Medullarwülste blos vorn und hinten vereinigt^), sonst aber in ihrerganzen Ausdehnung ein grosses, mit wei.«ser Masse angefülltes Loch umgrenzend. [1) Also Asyntaxia medullaris totalis.] 174 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Dem noch übrigen Embryo felilt die ganze rechte Hälfte des Rumpfes und Halses einschliesslich des rechten Medullar- wulstes; und an deren Stelle tritt wiederum eine weisse Masse aus der schwarzen Umrandung heraus. Gleichwohl zeigt die linke Kopf- seite eine Haftnapf anläge und Scheitelpigment. So viel ich weiss, ist eine derartige Missbildung mit Entwickelung blos einer Antimere, die ich als Hemicormus lateralis bezeichnen wilP), noch bei keinem Wesen beobachtet worden. Nach dem Anstechen der weissen Hemisphäre sind sechs Embryonen aufbewahrt, gleichfalls vier Tage alt, davon drei anscheinend normal sind. Einem sonst normal beschaffenen fehlt die linke Schwanzanlage und der angrenzende Theil der Rumpf- wandung [Dreiviertel-Embryo]; einem anderen fehlt die rechte Schwanz an läge und an der rechten Seite des Rumpfes ist noch ein schmaler Defect in der Oberflächeinschicht. Das letzte Ei ist auf dem Stadium der Gastrulabil düng stehen geblieben; es schien eine regu- läre Rückenfurche angelegt zu haben [?]; dieselbe ist aber durch Ver- Schrumpfung und Framboisia nachträglich wieder undeutlicher geworden. Nach dem Anstechen an der unteren Seite des Eies ist also entweder keine Verbildung oder ein dorsal oder ventral an dem hintersten Theile des Embryo gelegener Defect entstanden. Nach dem Anstechen an der hinteren Grenze des Weissen und Schwarzen waren die Störungen in der Mitte des Medullarrohres, und bei Verletzung innerhalb des schwarzen Theiles der oberen Hemisphären zeigten sich Störungen oder [4-53] Defecte ven- tral oder dorsal an der Kopfhäl-fte des Embryo. Beim An.stechen nach der fünften Segmentirung erhielt ich wieder einmal ein P'ehlen fast der ganzen rechten Seite von Kopf, Hals und Rumpf [Hemiemhryo dexter], bei undeuthcher Abgliederung dieser Theile linkerseits. Ein anderer Embryo hat sich viel weiter entwickelt, ist ausgeschlüpft und hat Kiemen; auf der rechten Seite des Rumpfes aber fehlt die Hälfte der schwarzen Bedeckungsschicht: gleichwohl ist die zu Tage tretende weisse [i) Diese Art von Missbildimg wurde später als Hemiemhry o latcr alis, spociell sinisler von mir bezeichnet (s. Nr. 22, S. 129).J Operationen während der Furchuug. 175 Masse nicht al)n()rni aus doiii Defectc lu'rniisge\V()ll)t, ein Beweis, dass das oberflächliche Stratum nielit diese dar- unter liegenden Thoile zurückzuhalten und in ihrer Form zu bestimmen l)raucht [also ein Beweis der Selbsterhaltung der Gestalt des Dotters] i). Hinten am Rumpfe ist jederseits ein kleiner brauner Stummel, Tumoi- herausgewachsen, auf der einen Seite aber etwas weiter vorn als auf der anderen. Nach der sechsten Theilung entstanden bei Anstechung am schwarzen Pol folgende Defecte. So bei einem Embryo ein Defect rechts neben dem nur vorn und hintcni geschlossenen Medullar- rohr; zugleich fehlt der mittlere Theil des rechten Medullar- wulstes selber; die hnke Seite des Kopfes zeigt fast normale Form der einzelnen Theile, während rechts nur der Haftnapf unterscheidbar ist. Bei dem anderen Embryo fehlt das hintere Drittel des rechten Medullarwu Istes und die angrenzende seitliche R u m p f w a n d u n g ; ein Strang des Extraovates tritt mit der durch den Defect zu Tage tretenden weissen Masse in ^''erbindung ; das MeduUarrohr ist in der vorderen Hälfte geschlossen. Der Kopf nor- mal gestaltet, mit Kiemenansätzen und Haftnäpfen. Von sieben am weissen Pol angestochenen Eiern haben drei Embr3'onen Defecte am Hinterleib und in der Schwanzanlage; ein Embryo hat einen gespaltenen Schwanz, welcher in viel- fach geknickte sonderbare Formen ausgewachsen ist, aber metamere Gliederung nur in seinem dicksten Haupttheil erkennen lässt. Zwei Embryonen sind normal. Diese und derjenige mit dem abnormen Schwanz werden einige Wochen erhalten und ernähren sich gut, bis sie wegen Aufblähung am Halse getödtet und conservirt werden. [454] 2. Blastiila, 19 Stunden nach der Befruchtung- angestochen. 1. (Nr. 133.) Auf der Mitte des oberen Poles dicht neben der Medianebene angestochen. Etwa '/i5 der Eisuljstanz betragendes [1) Das nicht gerade seltene Hervordringen von Dotter aus dem Urmund vor dem Schluss des letzteren deutet demnach wohl darauf hin, dass diese Dotterzellen- masse passiv durch di e Um sohl iessu ngsschi ch t hervorgedrängt wird, ob- schon im Innern noch Höhlungen vorhanden sind] 176 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. gefurchtes und mit einem Netz von Pigmentzellen überzogenes Extra- ovat. Embryo 5 Tage alt, stark nach links gebogen, sonst an- scheinend normal bis auf einen kleinen Tumor am Schwänze in der Nähe der Schwanzspitze. Kein äusserer Defect. 2. (Nr. 137.) Anstich oben hinten an der Grenze des Braunen in der ersten Furch ungsebene. Embryo 5 Tage alt,' ausgeschlüpft, gut entwickelt. 3. (Nr. 135.) Embryo normal geformt, hat aber eine grosse bi'aune Narbe am Hhiterleib. 4. (Nr. 134.) Hinten an der Grenze des Braunen in der Gegend der ersten Furchungsebene angestochen. Embryo ausgeschlüpft, nor- mal gegliedert, aber bis zur Verklebung von Kopf und Schwanz nach links coucav gebogen; hatte nach dem Journal früher einen kleinen Defect rechts am Halse. Doch führt hierüber die Beobachtung des Embryo innerhalb der Gallerthülle leicht zu Täuschungen, wenn der im Fruchtwasser verbliebene Theil des Extraovates nachträglich mit einer Stelle des Embryo verklebt! Jetzt ist blos der Kopf etwas verschrumpft. 5. (Nr. 125.) Anstich am Rande in der Gegend der ersten Furchungsebene. Embryo gut entwickelt in Kopf, Rumpf und Schwanz; hnks neben dem Schwänze ist das grosse, etwa V^ be- tragende Extraovat noch in Verbindung mit dem Hinterleibe und verdrängt die Schwanzspitze nach rechts. Austritt braun mit gefurchtem Materiale überzogen. Der Schwanz selber hat links nahe seiner Spitze eine circumscript hervortretende Geschwulst. Vier Embryonen sind anscheinend ganz normal , zwei davon l)is zur Berührung von Kopf und Schwanz nach links gebogen. In einer andern ({lasschale wurden 26 Eier gleichfalls nach 19 Stunden angestochen , welche aber behufs anderer Beobachtungen die ersten drei Tage in Zwangslage fixirt waren; sie waren indess derart aufgesetzt, dass die Eiaxe ziemlicli in normalem Grade ge- neigt stand; fraglich musste blos bleiben, ob die Neigung auch [455] nach der richtigen, der inneren Anordnung der specifisch ungleich schweren Eitheile entsprechenden Seite erfolgt war. Operationen an der Bkstula. 177 1. (Nr. 106.) Erste Furche stand (juer auv S y in nie trie- ebene der Einstellung des Pigmentes. Anstich in der Mitte des oberen Poles. Embryo ohne sichtbaren Defect, dorsale Theile an Kopf, Rumpf und Schwanz gut angelegt, aber ventral eine grosse Aufblähung, welche den ganzen Embryo deformirt und rückwärts concav biegt. 2. (Nr. 107.) Erste Furche steht wiederum quer, An- stich von oben in der Mitte des seh warz-weissen Saumes, also an der Stelle der ersten Anlage des Urmundes. Em- bryo: Kopfanlage sehr undeutlich gegliedert, Lordosc bis zur Berühi"- ung von Kopf- und Schwanzanlage, Medullär röhr in der Mitte mit einem grossen Defect [Asyntaxia]. Extraovat gross, viel- leicht ^h des ganzen Eies betragend, gefurcht, unregelmässig mit braunem intercellularem Pigment bedeckt. 3. (Nr. 108.) Anstich in der Nähe des Randes der oberen Hemisphäre; Extraovat so gross wie in Nr. 107 und ebenso beschaffen. Embryo etwas weiter entwickelt als Nr. 107, aber mit ebenso ge- legenem Defect [Asyntaxia] und gleicher Lordose. 4. (Nr. 109.) Anstich neben der Mitte des oberen Poles. Genauere Angabe über die Lage der Anstichstelle ist in dieser Serie manchmal nicht möglich, da bei Zwangslage die Pigment verth eilung oft eine zu unregelmässige wird und auch die zweite Furche oft zuerst auftritt. MeduUarrohr geschlossen, Kopf gut modelhrt, Embryo nach rechts gebogen ; neben der kleinen Schwanzanlage ist rechts ein kleiner Defect der Oberflächenschicht; Rumpf im Verhältniss zum Kopf auffallend zu kurz. Extraovat etwa Vg des Eies betragend, gefurcht, pigmentirt. 5. (Nr. 110.) Extraovat sehr gross, fast V^ des Eies be- tragend, gefurcht. Embryo: Kopf gut angelegt, ebenso Schwanzan- lage vorhanden, LVdose bis zur Berührung beider; Rumpf dorsal so verkürzt, dass sich zwischen Kopf- und Schwanzanlage nur ein sehr kleines Stück MeduUarrohr findet. Dieses ist in der Mitte seitlich verbreitert aber fast geschlossen und bietet nur rechts noch eine kleine weisse Stelle dar. [Defect und bereits fast geschlossene A s y n t a x i a medullaris.] 12 W. Roux, Gesammelte Al.liHDJlungen. II. 178 Nr. 18. Zur Orientiruns über die Probleme etc. f). (Nr. 111.) Blastula am Rande angestochen. Embryo: Medullarrohr in ganzer Ausdehnung offen gebheben ; gleichwolil [456] Kopftheil durch weitere Ghederung vorn und an den Seiten kennt- hch^ Leib nach rechts verl)Ogen und wie narbig eingezogen. 7. (Nr. 112.) Neben der Mitte des oberen Poles angestochen. Austritt etwa '/^ c^^^ Eies betragend, gefurcht. Embryo: lordotisch gekrümrat, Medullarrohr ganz offen, mit Verbreiterung an der Stelle der Concavität und daselbst ein Defect [Asyntaxia], durch welchen die weisse Substanz noch sichtbar ist; Kopf vorn und an den Seiten schon etwas mehr gegliedert als in Nr. 111. 8. (Nr. 121.) Anstich ganz am Rande. Elxtraovat etwa ^ji der Masse des Embryo erreichend, haftet noch mit ziemlich breitem kurzem Verbindungsstrang rechts neben und unter dem Schwänze und besteht offenbar vorwiegend aus Dottermaterial, etwas über die Hälfte desselben darstellend. Embryo sonst normal ent- wickelt, weiter als alle vorhergehenden dieser Serie, nur der Schwanz durch das Extraovat nach links abgeknickt. 9. (Nr. 122.) Anstich an der Stelle der späteren Anlage des Ur- mundes(?); Extraovat sehr gering, dunkelbraun, gefurcht. Embryo anscheinend vollkommen normal im Stadium des Ausschlüpfens. 10. (Nr. 123.) Desgleichen in Anstich und Effect. 11. (Nr. 124.) Erste Furche steht quer. Ansticli rechts neben der zweiten (physiologisch aber ersten, d. h. die Medianebene be- stimmenden) Furche, fast in der Mitte der oberen Hemisphäre. Em- bryo im Ganzen normal, aber mit assymmetiischer Entvvickelung des Kopfes. 12. (Nr. 138.) Erste Furche quer. Anstich dicht hinter derselben etwas links von der präsumptiven Median ebene. Embryo wohlge- gliedert im dorsalen Theil, mit langem Schwanz. Gesichtstheil des Kopfes fehlt fast ganz und zeigt zahlreiche weisse kleine Aus- wüchse. Hinterer Theil des Rumpfes ohne Dotter; letzterer liängt als runder Klumpen ventral an der Halsgegend. Ausserdem finden sich noch acht Embryonen von im Allge- meinen normaler Bildung entsprechend einer Entwickelung von sechs Tagen vor; davon hat einer einen verschrumpften Kopf, drei Folgerungen aus den AnsticIivcrsnciKMi nm Ki. 179 liaben Hydrops der v(MilralcMi Ilalsgegend. Das lOxtraovat war bei einigen dunkelbraun, bei anderen liell. [457] Aus den Versucben dieser Serie ergiebt sicli also, dass aueb beim Ansteeben des Eies in einem sebr späten Furobungs- stadiuni, auf der l^lastulastufe, nocb circumscripte l)efeot(> um P^mbryo die Folge von Substanzaustritten sein krauien; aber sie Avaren auffallenderweise relativ seltener als bei den gleichen Eingriffen in früberen Stadien, wäbrend man docb eber erwarten sollte, dass sie bei späteren Operationen immer sicherer eintreten würden. Es lassen sieb indess aucb dafür schon verschie- dene Gründe denken; vielleicht ist das Material des Ectoblast schon zäher, fester unter sich vereinigt, und blos das Döttermaterial ist noch locker genug, um in reichlicherer Menge durch den Stichkanal auszutreten; eine Auffassung, welche durch die Versuche an den späteren Stadien eine grössere Wahrscheinlichkeit erhält. Die Ergebnisse dieser vorstehend mitgetheilten A n s t e c b - versuche am Froschei vor und während der Furchung lassen trotz der Unvollständigkeit der Versuche doch schon einige Folg-eniiigen ableiten, welche uns bedeutsame Fingerzeige über die Beschaffenheit des Eies und die Art der ersten Entwickelungsvorgänge desselben geben. Wir erhielten als Allgemeinstes das Resultat, dass nicht alles Keimmaterial unerlässlich nöthig für die Entwickelung ist; eine Folgerung, welche indess auch schon aus einem fast als normal zu bezeichnenden Vorkommniss sich ergiebt. Beim Verschlusse des ürmundes wird nämlich sehr häufig ein kleiner, manclunal auch ein recht ansehnlicher Theil des weissen gefurchten Keimmaterials, der Dotterpfropf, abgeschnürt und so von der Betheiligung an der Bildung des Embryo ausgeschlossen, ohne dass diese selber dadurch erkenn- bar alterirt würde. In diesem letzteren Falle werden aber bestimmt gelagerte, weisse und wohl nur alsNabrungsdotter zu verwendende^) Theile entfernt; während in unseren Versuchen aus verschiedenen [1) Diese Annahme scheint nicht ganz richtig, denn wenigstens die oberfläch- lich gelegenen Zellen dieses Pfropfes würden Avohl zu bestimmten Theilen des Kntoderm geworden sein, wenn sie nicht abgestossen worden wären.] 12* 180 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. (legenden des Eies fein- und grobkörniges, schwarzes und weisses Material oft ohne erkennbaren Nachtheil dem Entwiekehmgsprocess entzogen wurde. Weiterhin haben, wir gesehen, dass das befruchtete Ei durch unsere mechanischen, die grosse Massenanordnung [NB. vor- zugsweise des Dotters, weniger des Kernmaterials] störenden Ein- griffe nicht zu einer ganz abnormen Thätigkeit veranlasst worden ist [s. Nr. 22 S. 2.%]. Vor Beginn der Versuche hatte ich daran gedacht, dass durcli dieselben vielleicht einige U n o r d n u n g unter den Organen entstehen [458] könne, oder dass sogar ganz heterogene wunderbare, nicht auf einfache Weise von den Störungen ableitbare Formbildungen die Folge der Eingriffe sein würden. Dass nichts Derartiges geschehen ist, ist hochbedeutsam; doch sind die Versuche noch zu unvollständig, um diese Bedeutung mit Bestimmtheit formuliren zu lassen. Statt so allgemeiner Wirkung der Störung ergab sich vielmehr, dass die ,,circumscripten Defecte" der Eisubstanz häufig ,,circumscripte Defecte" oder ,,circumscripte Verbildungen" an dem im Uebrigen wohlgestalteten Embr^^o zur Folge hatten; zweitens zeigte sich, dass wesentlich derselbe Effect ent- stand, einerlei in welchem Stadium derFu]*chung die Ver- letzung vo rgenomm en war, dass also die Eingriffe in den früheren Perioden derEntwickelungnicht allgemeinere, auffallend grössere Bezirke des Embryo afficirende und in stärkerem Maasse von der normalen Bild- ung abweichende Folgen hervorbrachten, als die gleichen Eingriffe in späteren Stadien der Furch ung; wiederum zwei für die Auffassung der Entwickelungs Vorgänge hochbedeutsame Thatsachen. Die bisherigen Resultate der Anstechung vor der Furchung und nach dem Beginne derselben weichen insofern von einander ab, als im ersteren Falle keine Defecte in der schwarzen Oberflächen sc hiebt, sondern blos das Ausbleiben der Bildung- einzelner Theile aus derselben bei ununterbrochener Continuität des äusseren Ectodermstratums zu l^eobachten war; einige Male wurde dasselbe auch im zweiten Falle beobachtet. Grössere Versuchsreihen an vor der Theilune; verletzten Eiern müssen erst feststelhm. ob dies Folgerungen ans den Ansticlivorsucli(»n am Ei. 181 ein dieser Periode constaiit zukoiiuiu'iuk's Merkmal ist. oder ob iiiclil auch circumscripte Defecte in der Contiiuiität des Ectoderm vorkoiniiien können. Man ^vird vielleicht geneigt sein , aus den V'ersuehsergebuissen auch schon speciellere Schlüsse, besonders über die eventuelle Ver- schiedenheit und über die Localisation des Keimmateriales [für die Theile des Embryo] im Eie, sowie über ISelbstdiff erenzi- rung der Eitheile zu ziehen; doch würden diese Folgerungen zur Zeit verfrüht sein und müssten gewärtigen, durch die weiteren \''ersuche mderlegt zu werden. Ich behalte mir daher die Entschei- dung nach diesen Richtungen hin vor, bis ich einerseits die Ur- sache des häufigen Ausbleibens jedes [459] Defectes am Em- bryo sicher ermittelt habe [s. »S. 186 den Hinweis auf die ausgetretene Kernsubstanz, ferner Nr. 22 S. 285 und Nr. 24 8. 2], und bis anderer- seits die Methode der Localisation so verbessert ist, dass die Resultate der Wiederholung desselben Eingritt'es constant geworden sind, und es sich danach verlohnt, die künstlichen Miss- bildungen genau microscopisch zu untersuchen und so alle Alterationen der Entwickelung nicht blos die äusserlich sichtbaren festzustellen [s. Nr. 22 S. 287]. Die so gewonnene Möglichkeit, eine bestimmte »Stelle am Eie auf eine circumscripte Stelle am Embryo zu be- ziehen, verspricht, uns manche genauere Auskunft über die Bildungs Vorgänge selber gewinnen zu lassen. Gegenwärtig sei blos auf die Bedeutung der Erscheinung hin- gewiesen, dass nach dem Anstechen des Eies in der ersten Furchungs- ebene am oberen schwarz-weissen Saum, bei Rana esculenta, also an der Stelle der Anlage des künftigen Urmundes, der Defect am Em- bryo immer dicht hinter der Mitte des primitiven Medullarrohres sich fand; während der aboral davon liegende Abschnitt des Rohres, ebenso wie der orale Theil normal waren. [Siehe die folgende Ableitung berichtigend S. 185 Anm.] Dies weist wohl darauf hin, dass der hintere Theil des Medullarrohres auf der weissen Hemisphäre ge- bildet wird, und dass dies durch Vorwachsen der dorsalen Urmunds- 182 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. lippe gegen die ventrale hin geschieht , wie dies schon Pflüger ^) zu- folge seiner Beobachtung der Wanderung des Urmundes angenommen hat. Denn wenn man annehmen wollte, dass nur die äussere und die dorsale Umgebung des Urmundes wüchse und dadurch allein der dorsale ßand des Urmundes passiv nach hinten also ventral ver- schoben würde, so würde auch die Defectstelle mitverschoben werden. Eine solche Verschiebung findet nach 0. Hertwiü's Angaben über die Verdünnung des Ectoblast in gewissem Grade statt; darüber geben meine bisherigen Versuche keine Auskunft, da keine Vor- kehrungen getroffen wurden, um dies festzustellen. Jedenfalls aber ist hinter der Anstichstelle in der Gegend der ersten Anlage des Ur- mundes viel Ectoblast neu entstanden, und ich will dasselbe ent- sprechend seiner besonderen genetisclien Bedeutung mit einem be- sonderen Namen belegen und als hinteres Medullarfeld bezeichnen. Da mit [460] der Anlage des Urmundes hier eine Furche entsteht, welche selber nach hinten rückt, so muss das hinter der Anstichstelle neu gebildete Gewebe aus Material gebildet werden , welches vorher die Wandung dieser Furche dargestellt hat. Die Furche ist die Oeff- nung der Urdarmhöhle und ihre Wandung besteht aus einem dem Saum derselben nächsten Theile, dem Entoblast, und dem dem Saum abgewendeten Theile, dem Dotterlager. (D a s D 0 1 1 e r 1 a g e r dem Entoblast sei b o r z u z u r e c h n e n , weil es mit ihm continuirlich zusannnenhängt, wie O. Hertwk; thut-), scheint mir functionell betrachtet, nicht ohne Weiteres zulässig. Sofern bei Substanzverlusten blos der Oberflächen- schicht des weissen Poles constant sich Defecte in der Wandung der Urdarmhöhle ergeben sollten, so würde zu folgern sein, dass das an der unteren Eioberfläche gelegene Material das Entoblast liefert; gleichwohl würde ich das nach innen davon gelegene Dottermaterial nur dann zum Entoblast rechnen, wenn auch iiach Austritt dieses 1) E. Pflüger, Ueber den Einfluss der .Schwerkraft auf die Theilung der Zellen und auf die Entwickelung des Embryo. Zweite Abhandlung. PFi.tJGER's Archiv Bd. 32 S. 39. 2) 0. HERTWTf;, die Entwickelung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. 1881. S. 26. Folgerungen aus den Anstichvcrsnchen am Ei. 183 Materials solche Defeete entstünden. [Weiteres sielie im Register unlei-: Dotterzellen.] Ich erwähne dies hier nur, um anzudeuten , wie meine Methode uns vielleicht zu weiteren, üher die Leistungsfähigkeit der de- scriptiven Methode hinausführendenUnterscheidungen zu führen vermaü' Es entsteht nun die Frage, woher das Material für den hinteren Theil des Medullarrohres, für das hintere Medullarfeld, stammt, oh von der weissen Oherflächenschicht, also von dem Entoblast, oder von dem ihm anliegenden Dottermaterial. Nach dem gegenwärtigen Stand- punkte der Forschung wird man natürhch das Letztere anzunelnnen geneigt sein, und man wird vermuthen, dass die von O. Hehtwk; aufgezeigte Vegetationszone am imieren Saum des Urmundes das Dottermaterial verarbeitet und nach aussen neues Ectoblast, iiacli innen neues Entoblast hefert, welche beiden dann gemeinsam den Dotterpfropf in dorsiventraler Richtung und zugleich von den Seiten her convergirend allmählich überdecken und so den Urmund ver- kleinern. Zugleich wird es fraglicli, wie weit neigen diesem Modus der Gastrulabildung durch Ueberwucherung der unteren Fläche der Blastula [Epibolia] von dem dorsalen Seitenrande des Eies her noch eine active Einstülpung des Entoblast statthndet; nach [461] den Abbildungen 0. Hertwig's (1. cit. Taf. II Fig. 1-5) zu urtheilen, brauchte sie nur minimal zu sein. Eine ,, Einstülpung" des ,, Ectoblast" zur ,, Bildung" der Urdarmhöhle dagegen kann durch die von mir beobachtete Tluitsache wohl als widerlegt betrachtet werden. Bezüglich der Entstehung des hinteren Medullarfeldes ist ausser der Bildung von der Vegetationszone am Rande der dorsalen und lateralen Urmundslippe aus, auch noch die Zusammen Schieb- ung des Ectoblast von den beiden Seiten her (s. Nr. 23 S. 701) als eine Möglichkeit zu erwähnen; doch würde dann wohl die dorsale Lippe einen weniger reinen Bogen darstellen, sondern am Rande einen medianen Einschnitt und im \"erlaufe eine Raphe zeigen. [Eine solche ist in seltenen Fällen besonders gegen Ende der Laichperiode der Frösche manchmal zu sehen und bei Tritonen von Ch. vax Bambeke beschrieben worden.] Ueber die Bedeutung der Thatsache, dass nach dem Anstechen 184 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. am weissen Pole des Eies Defecte in dem Ectoderm des Hinterleibes entstanden sind, hoffe ich gleichfalls nach Verbesserung der Methode in Bezug auf genaue Localisation des Extraovates Aufklärung ge- winnen zu können, desgleichen über die Quellen des Materiales des mittleren Keimblattes. Der Befund, dass die dorsale Stelle des schwarz-weissen Saumes am Eie fast der Mitte des Medullarrohres des Embryo entspricht, giebt mir ausserdem Veranlassung, meine früher ausgesprochene Ansicht über die Bedeutung der zweiten Furche (s. Nr. 16) genauer zu präcisiren und damit zugleich quantitativ zu modificiren. Nach dem Nachweise, dass die erste Furche die künftige Medianebene des Embryo bestimmt, beobachtete ich weiterhin bei Rana esculenta, dass die zweite Furche derart excentrisch sich bildet, dass sie dem oben an einer Seite der braunen oberen Hemisphäre sichtbar werdenden weissen Saum genähert ist. An dieser bei Rana esculenta somit doppelt bestimmten Seite entstand stets der Urmund; von da aus entwickelte sich nach aufwärts der Kopftheil, so dass also zur Zeit der zweiten Furche schon über die Richtung kopf-schwanzwärts ent- schieden ist. Da wir nun aber gesehen haben, dass die Anlagestelle des Urmundes an der Seite des Eies fast der Mitte des primitiven Medullarrohres entspricht, während letzteres sich auf der weissen Hemisphäre noch weiter nach abwärts entwickelt, so erhellt, dass [462] es richtiger ist, zu sagen : mit der zweiten Furche ist schon über die Lage der ,,dorsi-ventralen Richtung" am Froscheie erkenn- l)ar entschieden; während die Richtung ,, kopf-schwanzwärts" schon am unbefruchteten Froscheie durch die Richtung von oben nach unten annähernd gegeben ist. Als ich im vorigen Jahre diese Ver- liältnisse untersuchte, galt die Eiaxe als die dorsiventrale Axe des Embryo; und da sich auch später der Embr3^o, wenn er nicht in Zwangslage erhalten wird, dementsprechend situirt zeigt, so war zunächst keine Veranlassung, an der Richti'gkeit dieser überkommenen Auffassung zu zweifeln. Demnach fehlte nach der Bestimmung der Medianebene durch die erste Theilung blos noch die Entscheidung über kopf-scluvanzwärts innerhalb dieser Ebene. Nachdem wir nun aber gesehen haben , dass die Eiaxe mehr der Längsaxe des Folgerungen aus don Anstich versuchon am Ki. iRö Embryo entspricht, muss luinniehr der Embryo im N^erhältiiiss zum Eie gegen die frühere Auffassung um einen rechten Winkel gedreht werden; und die noch nicht bestimmte Richtung wird so die dorsiventralc. Ob die Bestimmung dieser Haupt richtung wirkhch erst mit der zweiten Furche geschieht, ob sie sogar gerade durch die zweite Theilung geschieht und unabändei-Hcl] durch (heselbe lixirt ist, oder ob pa t hologisclie Eingriffe noch naeliträglich eine Aenderung ihrer Lage im Verhältniss zum ganzen Eie hervorzubringen vermögen, wird in dem dritten Beitrage erörteit [s. Nr. 20, 31 u. 33]. Ich will nicht unterlassen, besonders hervorzuheben, dass mit dieser gegenwärtigen Bestimnumg der annähernd senkrechten ►Stellung der Längsaxe des Embryo im Eie nicht ausgedrückt ist, dass die zweite Furche etwa der mittleren Frontalebene des späteren Embryo entspräche und dementsprechend das Keimmaterial derart sondere, daös die beiden dorsalen Zellen wirklich allein das Material für das ganze Medullarrohr liefern. Besondere Untersuchungen haben darüber erst zu entscheiden und festzustellen, ob nicht der vorderste Theil des Medullarrohres noch im Bereich der oberen, der hinterste Theil desselben noch im Bereich der unteren Kuppe der beiden ventralen Zellen entsteht. Die dritte Furche des Froscheies scheidet denmach das Material für den kopfwärts gelegenen Theil von dem für den hinteren Theil des Embryo. ^) [1) Diese Abweichung in der Stellung des Embryo zum Ei blos um 90" von der überlieferten Annahme hat sich bei meinen späteren Untersuchungen (Nr. 23) noch als zu gering erwiesen ; es wurde nöthig , noch lun weitere 80— 90" von der früheren Auffassung abzuweichen, wodurch der Embryo wieder wagrecht im Eie zu liegen kommt, aber mit der Medullarfläche nach unten gewendet ist (s. Nr. 16, S. 20). Die Lage des Defectes in der Mitte des Medullarrohres bei Anstich in der (legend der Urmundanlage erwies sich später (Nr. 22) blos als letztes Postgenerations- stadium nach vorher vorhandener, fast vollkommener Asyntaxic der Medullarwülste (Nr. 23, S. 701).] ^ Und auch durch Anstich fa.st an jeder anderen Stelle der Morula und ßlastula kann, wie ich später beobachtet habe, bei ausgedehnter Verwundung, resp. durch zu starken Druck auf das Ei und entsprechend grosses Extraovat die Gastrulation gestört, die rechtzeitige Ueberwachsung der weissen Unterseite des Eies gehemmt werden. Indem gleichwohl nach vollkommen aseptischer Operation die Differenzirung fortschreitet und die Medullarwülste gebildet werden (soweit ihr Anlagematerial nicht direct zerstört ist), resultirt in allen diesen scheinbar so ver- schiedenen Fällen dieselbe Missbildung der mehr oder weniger grossen Asy n- 186 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. [■463] Für die Function der ersten Furche, das Material der beiden A n t i m e r e n z u scheiden, glaube ich in dem erwähnten Hemicormus [Hemiembryo] lateralis, welcher beim Anstechen nach der vierten Furche entstand, einen schönen Beweis zu finden ; da der vorhandene Defect genau der Grenze der ausgebildeten Antimere folgte. Die Erklärung ergiebt sich daraus, dass zur Zeit der vierten Furche die zuerst entstandene Furche jedenfalls am vollkommensten ausgebildet ist, so dass nach dem Anstechen der einen Eihälfte beim Austreten von Eisubstanz keine schon dilferenzirte Bildungssubstanz aus der anderen Hälfte mehr nachfiiessen konnte, während aus der verletzten Zelle fast das ganze der Furche benachbarte Material austrat. Ich werde es mir angelegen sein lassen, den Antheil aus- getretener ,,Ivernsubstanz" an der Entstehung der Defecte festz ust eilen. ^) Um gleich einen U eberblick über die ungefähren Folgen der Verletzung des Eies auch in späteren Phasen der Entwickelung zu gewinnen, habe ich noch einige ähnliche Versuche an iüteren Embryonen gemacht. ll. Operationen au der (iuistrula. Fünf Gastrulae von Raiia fusca mit noch offenem Urmund \vurden a n d e m sc h w a r z e n T li e i 1 o a n g e s t o c h e n : Zwei Eier, bei denen nur sehr wenig schwarz und weiss gefärbte Masse ausge- treten war, bilden die Rückenwülste; das eine normal, das andere aber mit einem circ um Scripten Defect in der schwarzen Schicht des Kopftheiles; beide aberstellten danach die Entwickelung ein. Die drei anderen Eier hatten viel weisse Masse, bestehend aus Zellen, wohl vorwiegend des Dotterlagers, austreten lassen und entwickelten sich nicht weiter. Dasselbe war bei den am Dottertheil selber an- gestochenen Eiern der Fall. taxia medullaris. Nachträglich wird diese Störiiug ausgeglichen; und da diese verspätete Näherung und Verschmelzung von der cephalen und oft auch von der caudalen Seite her rascher erfolgt als in der Mitte, so findet man kurz vor ihrer Beendigung oft ein Loch annähernd in der „Mitte" der Medulla. [1) Dies war das wesentlichste Moment: dasselbe konnte aber beim Froschei wegen der Undurchsichtigkeit desselben nicht durch directe Beobachtung, sondern blos durch complicirte Schlüsse beurtheilt werden (s. Nr. 24).] Operationen an der (uTstrnla. 187 Da ohne Wn-lctzung des Dotterlagers beim Anstcclien der Gastriila der Substanzaustritt sehr gering und die bisher gemachte Wunde stets sehr klein war , so wurden nun g r ö s s e r e S c h n i 1 1 w u n d e n mit einer Lanzette gemacht, zuerst blos um die Widerstandsfähig- keit zu prüfen ; dann, als sich dieselbe genügend gross erwiesen hatte, um die Wirkung der C ontinui tätstre nn ung, sowie der bei der Operation oft e.ntstehenden groben passiven Deformation auf die weitere Entwickelung kennen zu lernen. [4:6J:] Fünf Gastrulae von Rana fusca, von welchen jede au einer anderen Stelle in geringer Ausdehnung gespalten worden war, haben alle die Rückenfurche gebildet; zwei davon haben sich nor- mal weiter entwickelt und sind erst nach Anlage der Kiemenhöcker aufgehoben worden. Die drei anderen gingen ohne weitere Entwicke- lung zu Grunde. Von einigen in der Entwickelung schon vor dem Eingriff um einen Tag zurückgebliebenen Gastrulae, welche in gleicher Weise operirt waren, hat nur eine die Rückenfurche angelegt, ist aber danach gleich den anderen abgestorben. Von den passiven Deformationen, glaubte ich früher viel- leicht einen besonderen Einfluss zu gewärtigen zu haben. Denn ich hatte mir vorgestellt, dass das Ei, da es eine bestimmte Form her- vorbringt, auch umgekehrt vielleicht dieser bestimmten Form für seine blosse Erhaltung wie für seine Wciterentwickelung benöthige; ich dachte, dass der Embryo vielleicht in den frühesten Phasen ein aus der Lagerung aller Theile zu einander resultiren- des, auf geheimnissvolle Weise vermitteltes, „formales Ge- b-ammtlehen'' führe, dessen Alteration an einer Stelle, wenn nicht gleich das Leben ganz aufhebe, so doch gleich die Bildung an allen oder fast allen Stellen, nicht blos innerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft, in ganz abweichende Bahnen zu lenken vermöge. Es war also die Vor- stehung, dass die embryonale Form der frühesten Stadien nicht blos eine gewordene sei, nicht blos eine Summe, ein geformtes Nebeneinandei von im Wesentlichen selbstständigen, d. li. selbsterhal- tungs- und selbstdifferenzirungsfähigen Theilen darstelle, welche Summe zufolge der den Theilen innewohnenden Eigenschaften und zufolge der auf dem früheren Stadium erlangten Form einfach mechanisch sich 188 N)-. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. weiter forme ; son dem, dass die Lebensfähigkeit d e s E m b r y o aus der Gesammtanordnung aller Theile resultire, und dass daher der Form an sich eine wesentliche functionelle Bedeutung auch für die blos momentane Erhaltung des von dem späteren Leben wesenthch verschiedenen Embryonallebens zukomme; und dass dies bereits in einer Periode der Fall sei, wo die Theile noch nicht zu ein- zelnen Organen, welche bestimmte, den späteren Functionen vergleich- bare Leistungen für das Ganze zu vollziehen haben, differenzirt sind [siehe S. 192 u. Nr. 22 S. 132, Nr. 28 S. 663 u. Nr. 29 S. 609]. Ich bin überzeugt, dass manchem meiner Leser diese Vorstel- lung [465] ebenso mystisch wie von vornherein unwahrscheinlich er- scheinen wird. Indess, wenn man vor einem geschlossenen Gomplex unbekannter Probleme steht, ist es schwer zu sagen, was wahrschein- lich, was unwahrscheinlich ist. Es ist nicht ohne Prüfung von vornherein zurückzuweisen, dass in der (Jomplication der Ver- hältnisse während der embryonalen Entwickelung, wo wir Leistungen vor sich gehen sehen, die sonst in ähnlicher Weise in der Natur nicht vorkommen und von uns leider auch nicht künstlich nachgemacht werden können, dass da auch besondere Arten von Energien entstehen, für welche ausserhalb dieser Processe und auch selbst in dem späteren ,,f unctionellen Leben" des Individuums, ausser Ijei der Regeneration, keine Gelegenheit mehr gegeben ist; Energien, welche ebenso sehr in ihren Wirkungen von den uns zur Zeit be- kannten Arten der Energie verschieden sind, wie es die Electricität von den übrigen Energien ist; und die Electricität ist lange genug unbekannt geblieben, obgleich ihre Erzeugungsbedingungen relativ einfache sind. Wer nicht blind das, was als höchstes Resultat unserer Unter- suchungen erst gewonnen werden muss, in Form der allerdhigs sehr gebräuchlichen petitio principii als selbstverständlich und keines Beweises bedürftig von vornherein annimmt, der wird sich beiden causalen Untersuchungen der embryonalen E n t w i c k e 1 u n g immer unsere ^Eventualität vor Augen zu halten und sich zu fragen haben, ob die von ihm beobachteten Vorgänge sich unter die Leist- ungen bekannter Kraftformen subsummiren lassen, oder Operationen an der Uastnila. 189 ob sie zur Annnlinio besonderer .. ]Vi r /.a ih/s /re ise)r\ wie differenzireiidor Fernwirkungen u. dero-l., uiul dniiiit /,iir Annahme besonderer Eneri^ien nOthioen. Da es uns überhaupt nicht um Wahrseheinhchkeit, sondrni um dereinstige Gewissheit zu thun ist, ist es gut, das (Je biet der Möglichkeiten möglichst in Gedanken zu c rsch ()p fen , um so die Augen i'ür alle eventuellen Vorkommnisse zu öffnen. Denn bekanntlich ist es mit dem Sehen wie mit dem Hören: Es nimmt auch mit den Augen jeder blos das wahr, was er versteht und wie er es versteht. Wir werden aber erkennen, dass wir weder auf Grund der Lehre von den Missbildungen , noch auf Grund der von uns angestellten Experimente obige Vorstellung schon jetzt als durchaus irrthümlich zurückweisen können; wenngleich ich hoffe, dass [466] es durch die weiteren Untersuchungen mehr und mehr geschehen wird. In der „Einschränkung" dieser Möglichkeit [des Bestehens eines ,, formalen" Lebens des Embryo und des Antheiles entsprechender, besonderer, im anorganischen Geschehen nicht vorkommender Ener- gien an der individuellen Entwickelung] liegt für mich der eigent- liche Werth der in diesem Beitrage bisher mitgetheilten und noch mitzutheilenden Versuche. Denn damit wird unserer Erforschung des Lebens ein immer weiteres Feld eröffnet; und blos aus diesem Grunde schienen sie mir schon jetzt der Veröffentlichung werth, obgleich sie an sicheren speci eilen Ergebnissen, welchen sich wohl vorzugsweise das Interesse der Mehrzahl der gegenwärtigen Leser zuwenden wird, nur erst wenig bieten. Schon bei den blosen Anstechversuchen während der Furchung war die Prüfung dieser Eventualität mit ins Auge gefasst; denn das Eindringen mit der Nadel und der Austritt von Substanz musste die Anordnung der zurückbleibenden Theile erheblich stören. Nachdem durch diese Versuche erkannt war, dass in dem Stadium der „Furchung" eine solche Störung der Ordnung keine Al- teration der allgemeinen Entwickelung hervorzubringen vermag [besser gefasst: dass die hervorgebrachten Störungen der Anordnung- der Theile des Eies die Entwickelung desselben nicht uoth- 190 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc wendig auflioben und auch nicht in ganz neue Bahnen zu lenken ver- mochten], sollte dasselbe nun auch geprüft werden, nachdem zum ersten Male eine specifischeMacrostructur ausgebildet war und damit die besonderen gestaltenden Kräfte des Eies ihre formen- schaffende Thätigkeit in erkennbarer Weise begonnen hatten. Da Versuche mit l)losser Dpformafion des noch innerhalb der Gallerthülle befindlichen Embryo nicht recht gelangen, so musste die Deformation durch ausgedehnte Spaltung hervorgebracht werden, wobei aber die Wirkung der Trennung und der mit ihr eventuell verbundenen Entspannung die Deutung der Resultate er- schweren konnten (siehe auch S. 204). Ich brachte daher 17 Gastrulae (Nr. 160) von Rana osculenta je einen grossen, mehr als einen halben Eiumfang betragen- den Schnitt bei, wobei passive Deformationen entstanden, die in vielen Fällen nicht sogleich durch die Elasticität der übrig bleiben- den Substanzbrücke wieder ausgeglichen wurden. In drei Fällen wurde die Gegend der künftigen Rückenfurclie quer durchschnitten, einmal mehr oral, dann in der Mitte, beim letzten mehr aboral; alle drei Eier bildeten die Medullarfurche und die dieselbe begrenzen- den Rückenwülste mit fast vollkommen normaler Gestalt; und die Rückenwülste waren bis dicht an die Wundrändor her- an entwickelt. Sogar das beim [467] letzten Eie fast ganz abge- trennt gewesene niedrige Stück des hintersten Körperendes hat seine Rückenwülste gebildet und dieselben schon bis ziu' Be- rührung genähert; es ist durch eine dicke Lage weisser Zellen mit dem vorderen Stücke vereinigt resp. noch von ihm getrennt, während bei den beiden anderen Embryonen die Coaptation eine noch voll- kommenere ist. Dreimal stand der Schnitt schräg zur Medullar- furche; gleichwohl sind wiederum die Rücke nwülste bis zur Wunde ausgebildet, aber die Medullarfurche etwas verzogen, bei einem Embryo durch radiäre strahlige Narbencontraction in höherem Maasse. Ein Embryo hat eine normale Medullarfurche gebildet, ob- gleich ihm von hinten her in frontaler Richtung der halbe Leib durchspalten ist; sogar schon die Haftnapfanlage ist vorn Operationen aii der Gastrula. 191 erkennbar. Ein anderer Embryo Imt l)los den linken l{ücken- wulst und vorn und binten einen sebr kleinen Tbeil des recbten; die Gegend des übrigen Tbeiles rechterseits ist durcli einen grossen, weit klaffenden scb ragen Spalt eingenommen, welcber aucb nocli ein wenig in die mediale Seite des linken Rückenwnlstes sieb fortsetzt, der trotzdem aber an der betreffenden Stelle sieb aussen mit fast normaler Eorm vom Leib(^ abbebt. Ein anderer Embryo mit vollkommener llückenfurcbc ist quer am ganzen Leib gespalten l)is beiderseits zu den wolilgebildeten Rückenwülsten; die Wunde ist auf der einen Seite des Leibes nocb offen; auf der andern Seite ist das Pigment dicbt auf einer ver- scbrumpften Stelle um die fast gescblossene Wunde angesammelt ; der ganze Embryo ist kugelig statt länglich. Fünf Gastrulae haben sich um die grosse nocb weit geöffnete und durch weisse Zellen ausgefüllte Wunde zusammen gewölbt, ohne Anlage von Medullär furchen erkennen zu lassen; einmal unter strahliger Narbenbildung. Ein Ei bat etwas wie eine verzerrte Me- dullarfurche gebildet, ein anderes war zweimal quer zur künftigen Rückenfurche fast rings herum durchschnitten und lässt gleichwohl einen schwachen aber nicht recht gelungenen Versuch zur Bildung von Rückenwülsten erkennen. Diese Eier zeigten am Tage nach der Operation in der Um- gebung der Wunde bereits Anfänge von Framboisia minor, wes- halb sie alle [468] conservirt wurden ; erst nach Entfernung der Gallert- hülle wurde erkannt, dass zwei der ersterwähnten Embryonen mit normaler Rückenfurche, noch vollkommen glatte Oberfläche besassen. Aber warum waren die anderen abgestorben, da doch eine Infection nicht erfolgt war? Das letzte Ei endlich zeigt allein eine Bildung, welche vielleicht auf Lenkung fast der Gesammtheit der bildenden Kräfte in andere Bahnen gedeutet werden könnte. Der Urmund ist noch weit offen und nor- mal gerundet; aber der übrige Theil der Gastrula zeigt eine reiche Anzahl verschieden gerichteter und durch tiefe Einziehungen ge- schiedener Wulstbildungen, von denen mehrere paarweise einander parallel sind, sodass sich nicht ein Paar bestimmt als Rückenwülste 192 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. erkennen lässt. Die Verwundungsstelle ist nicht mit Sicherheit auf- findbar; das Ei ist im Ganzen klein und es liegt die Vermuthung nahe, dass sehr viel Dottermaterial ausgetreten ist und in Folge dieser Verkleinerung des Inhaltes die Oberfläche sich gefaltet hat. Doch ist das ganze Gebilde zugleich so in der Riclitung vom Urmund aus verlängert und gebogen, und die Wülste sind so flick und prominent, dass ich sie nach dem, was ich sonst an zugleich mit grossen Ver- letzungen von Gastrulae entstehenden passiven Faltenbildungen ge- sehen habe, nicht rein als solche aufzufassen wage. Ich glaube vielmehr, dass dieser mechanischen Tendenz zur Wulstbil- dung noch durch vitale Vorgänge Vorschub geleistet worden ist. Nachstehend (Nr. 18, S. 521) werden Beobachtungen mitgetheilt werden, welche die Art dieser Unterstützung mechanischer Bildungs- tendenzen genauer charakterisiren. Nicht aber glaube ich, dass dieses eine, allen anderen isolirt gegenüberstehende Vorkommniss uns zwingt, dasselbe im Sinne der oben ausgesprochenen Eventualität aufzufassen und anzunehmen, dass durch die locale Störung der Gastrula ein formales Gesammtleb'en derselben in neue, aber in sich selbst- ständige, nicht von blos mechanischen Umformungstendenzen ab- gängige Bahnen gelenkt worden sei. Vielmehr glaube ich, dass das Verhalten der 16 anderen Em- bryonen , insbesondere der ersten 8 Embryonen , eher für eine ent- gegengesetzte Auffassung [für S o 1 b s t d i f f e r e n z i r u n g d e r M e d u 1- larwülste und von Stücken derselben aus den entsprechen- den Thei'len der Gastrula] spricht und sich damit an die Folger- ungen anschliesst, welche man aus einigen bekannten Missbildungen zu [•469] ziehen sich geneigt fühlt, besonders aus dem Schistosoma re- flexum, in welchem trotz der Umstülpung der ganzen Leibeswandungen nach hinten, alle Theile angelegt sind und in ihrer Formabweich- ung sich einfach aus der, selber auf eine einheitliche Ur- sache zurückführbaren, Gesammtdef orm ation ableiten lassen [s. Nr. 29 S. 609, Nr. 28 S. 663]. Danach würde die normale Entwickelung der Gastrula weniger an ein System be- stimmter Richtungen in der Lagerung ,, entfernter" Theile zu einander, sondern an die Continuität und Lagerung; J Operationen an der Gastrulti. Id-l nächst „benachbarter'' Theile gebunden sein. Die weiteren Versuche werden sogar darauf hindeuten, dass auch nach Aufhebung dieser letzteren Bedingungen noch eine gewisse Weiterentwickelung möglich ist. dass also ein gewisses „Selbstdifferenzirungsver- mögen" der Theile der Gastrula eine Strecke weit besteht. Aber wir werden auch noch manchem Embryo begegnen, dessen abnorme Gestalt gegenwärtig nicht mit Sicherheit blos auf die mechanisch vermittelten Folgen der Verletzung zurückführbar ist. Bei mehreren Gastrulae von Rana fusca wurde neben dem noch offenen Urmund, concentrisch mit demselben die Gegend der künftigen Medullarwülste quer durchschnitten, um die eventuelle Alteration in der Bildung dieser und in der Ausbildung der Chorda und des mittleren Keimblattes zu studiren. Aber die Entwicklung wurde an den wenigen bis jetzt in dieser Weise o})erirten Eiern zu früh gehemmt, um nach diesen Richtungen hin Beobachtungen zu gestatten. Eine Gastrula aber scheint den Urmund noch etwas ver- engt zu haben; die andere bildete einen schneppen förmigen Ansatz als Anlage der Medullarwülste. ^ Tags darauf [470! befanden sich alle Eier im Zustande der Framboisia minor; und der Urmund war durch Anfüllung seiner Grenzfurche mit schwarzen Zellen ausgeglichen. Um zu erkennen, ob fast ganz von ihrer normalen Umgebung losgelöste Theile sich noch weiter differenziren können, wurden an sieben (^astrulae mit geschlossenem Urmund grosse Zungen- lappen von etwa einem Drittel einer halben Eioberfläche ausge- schnitten. Vier der Eier entwickelten sich weiter, und bildeten die Rückenwülste. Ein Embryo zeigte anderen Tages nur noch in der Mitte der Medullarfurche ein tiefes, in seinem Grunde durch ') Es waren Ranae. fuscae aus Königsberg, welche ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. LaxVGEndop.ff verdanke. Diese begannen alle die Anlage des Medullar- rohres gleich denen des Ganton Wallis (s. Nr. 16, S. 20 und Nr. 22. S. 128) nach dem von den Fischen her überkommenen phylogenetisch älteren Typus am Urmund selber ; während die Ranae luscae der hiesigen Gegend [Breslau], wie nach 0. Hertwig auch die der Umgebung von Jena, zuerst den queren Gehirnwulst mit den vorderen Enden der Medullarwülste an ungefähr der bleibenden Stelle desselben bilden. W. Roux, Gesammelte Abhandlunijen, II. 18 194 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. weisse Substanz verschlossenes Loch, welches enger wurde, während sich der vordere Theil des MeduUarrohres schloss. Ein anderer Em- bryo zeigte anderen Tages nur noch einen schmalen noch klaffenden Spalt in der M e d u 1 1 a r f u r c h e , un d das Medul larrohr schloss sich weiterhin vollkommen und nichts Abnormes war bemerkbar. Von einem dritten Embryo ist nur notirt, dass er ein Anhängsel im Gesichtsth eil gehabt hat. Die Bildung der Rücken- furche war also über Nacht auch im Bereiche der Zungen- lappen vor sich gegangen; aber die zu rasche Wiedervereinigung mit der Nachbarschaft lässt bezüglich der Selbstdifferenzirung noch keinen sicheren Schluss zu. Ausserdem wurde an drei (jastrulae von Rana esculenta noch die nach meiner Regel über die Bedeutung der ersten Furche im Voraus bestimmte Stelle der künftigen Medullarfurche der Länge nach gespalten, um den Effect dieses Eingriffes kennen zu lernen , insbesondere um die Behauptungen Ahlfeld's und L. Gerlagh's zu prüfen, dass die Doppelbildungen erst zur Zeit der Anlage der Rückenfurche durch eine die w-eitere Bildung trennend© Ursache entstehen könnten. Die erste so behandelte Gastrula (Nr. 127), an welcher blos der mittlere Theil der Länge der künftigen Medullarfurche aufgeschlitzt war, wurde schon 12 Stunden nach der Operation aus der Gallert- hülle genommen, weil sie hinter den anderen zurückgeblieben zu sein schien. Sie zeigte sich gleichwohl bei der unverhüllten Ansicht erheblich weiter -entwickelt. Der vordere Theil des linken Medullar- wulstes und der quere Gehirnwulst sind angelegt aber etwas deform ; [471] weiter aboral findet sich statt der Medullarfurche ein dunkel- brauner Ring um eine helle Stelle, innerhalb deren ein schmaler Schlitz in der hellbraunen Oberflächenschicht sichtbar ist. Der Em- bryo ist ventral stark aufgebläht, der Urmund geschlossen. (Nr. 126.) Die gleiche Operation. Embryo andern Tages etwas weiter entwickelt, deformirt, schwer zu deuten. Ein grosser rhombischer Schlitz, durch welchen weisse Masse zu Tage tritt, nimmt fast die halbe Oberfläche ein; neben ihm auf einer Seite ein Operationen an der Gastrula. 195 (iunkelbraiincr Willst. Das Pigment ist .dout 1 ich i ii t r ucol 1 u 1 a r, nicht intercellular gelagert. An dei- anderen Seite des Kmbryo ein grosser brauner Fleck im Zustande der Framboisia minor. (Nr. 182.) Die Gegend der künftigen Rückoniurche längs aufgeschlitzt. Der Embryo ist andern Tages noch aufgeplatzt, aber weiter entwickelt mit jMedullarwülsten und Jlaftnäpfen; die Plirn- wülste sind jedoch noch nicht vollkonnnen zum Abschluss vereinigt; 6 Tage alt aufgehoben. Kopf normal entwickelt. Dorsal lindet sich in der aboralen Hälfte eine Spaltung des Thieres, und jede Hälfte besitzt gegen den Spalt hin einen dicken braunen Wulst anscheinend von der Gestalt eines geschlossenen Medullar- rohres, von welchem aus dann noch eine neu gebildete braune Schicht sich etwas über den Spalt weg gegen die andere Seite hin erstreckt, ohne dass jedoch in der Mitte des Spaltes diese beiderseitigen Massen sich erreichen. Jede Hälfte hat ausserdem einen beson- deren, geknickten und mit einem Ephitelsaum versehenen Schwanz; so dass sich der ganze Embryo anscheinend in der Form einer Duplicitas posterior darstellt. Die Querschnitte zeigen aber, dass die Längswülste nicht durch je ein geschlossenes Medullarrohr gebildet werden, sondern dass der linke aus Urwirbelmassen, der rechte aus indifferentem Gewebe besteht. Links ist ausserdem die Chorda unter der Mitte der Urwirbelmasse gelagert; und letz- tere erscheint annähernd symmetrisch gegen die Chorda grup- pirt. Medial von der Chorda liegt die nicht geschlossene linke Hälfte des Medullarrolire.s, während die rechte Hälfte in gleicher Beschaffen- heit rechts in der Tiefe neben der rechten Urwirbelmasse sich findet. Es war also nicht zu erkennen, ob etwa jede von ihrem Gegenpart getrennte Antimere sich durch Regeneration eine neue Antimere zu schaffen im Begriffe'* war; nur die symmetrische Umgruppirung der linken [472] Urwirbelmasse um die in toto links befindliche Chorda konnte Derartiges andeuten. Embryonen, welche länger am Leben geblieben sind und bei denen auch die Chorda halbirt ist, werden über diese Eventualität Auskunft geben. 13* 196 Nr. 18. Zur Orientiruna; über (He Probleme etc. 4. Operationen an Embryonen nach Ausbildung der Medullarwülste. (Nr. 156.) Die Rückenfurche liegt auf der Unterseite, da sie sich in Zwangslage entwickeln musste und daher sich nicht durch Drehung des Eies nach oben wenden konnte. Durch Andrängen mit stumpfer Gewalt ist die ventrale Vereinigung der Medullarwülste in der oralen Hälfte der Länge nach aufgesprengt worden. Embryo weiter entwickelt. Resultat: Schwanz einfach, normal; Lordose im Bereich des Rumpfes. Kopf im Bereiche des Gehirn theiles deutlich g e t h e i 1 1 , Gesicht einfach mit zwei normalen Haf tnäpfeu . Hydrops der vorderen Halsgegend. (Nr. 176.) Median ebene längs der Rückenfurche von hinten her gespalten. Embryo von 6 Tagen, vollkommen normal mit langem ungetheiltem Schwanz. (Nr. 171.) Rücken Wülste durch stumpfe Gewalt quer ge- spalten. Embryo von 6 Tagen im Ganzen normal, nur eine Knickung des allenthalben geschlossenen Medullarrohres hinter dem Halstheil, und eine circumscripte stark prominirende Geschwulst Hnks und dorsal an der Knickungsstelle. Ist es Geschwulstbildung aus abgesprengten Theilen des Medullarrohres? (Nr. 0). Rücken Wülste sofort nach dem Auftreten derselben quer durchschnitten. Embryo von 5 Tagen, vollkommen normal entwickelt; Kopf wohlgegliedert mit Haftnäpfen und Kiemenansätzen, Schwanz normal; nur aboral vom Halsmark links eine quere Narbe am geschlossenen Medullarrohr erkennbar. Operationen auf der ventralen Seite des Embryo nach Anlage der Rücken wülste: (Nr. 177.) Auf der Mitte des Bauches einen Längsschlitz ge- macht. Embryo schon andern Tages vollkommen normal, keine Wunde und Narbe sichtbar, Heilung also per primam inten- tionem diesmal wohl im wahren Sinne durch unmittelbare Ver- klebung oder Ausfüllung der dabei gebliebenen minimalen Spalten [473j durch Wa|nderung und Theilung der Nachbarzellen. Embryo 6 Tage alt. ebenfalls noch normal weiter entwickelt, aufgehoben. Operationen am Embryo. 197 (Nr. 179.) Mitten auf der ventralen Seite ein Loeli u'eniaclit. Embryo von (3 Tagen, vollkommen normal. (Nr. 181.) Links hinten ventral ein Loch gemacht. Kmbrv(^ (3 Tage alt, normal. (Nr. 178.) Mitten auf der Bauchseite (oberen »Seite des Eies in Zwangslage) ein grosses mehrfach geschlitztes Loch gemacht. Anderen Tages ist das Loch braun umgeben, wie sich auch sonst oft um eine Verletzungsstelle in noch späteren Stadien innerhalb kurzer Zeit, in einer halben Stunde schon (s. oben S. 150) das Pigment anhäuft. Der 6 Tage alte Embryo ist vollkommen normal und lässt keine be- sondere Pigmentirung oder Narbe am Bauche mehr erkennen. (Nr. 170.) Vor dem Gehirn wulst angestochen. Embryo von 6 Tagen, Kopf normal . Hinterleib und Schwanz verschrumpft in Framboisia major, also im Absterben. Also nach Operationen am Bauche sind zunächst keine formalen Störungen der weiteren Entwickelung bemerkbar geworden. (Nr. 159.) Neun Embryonen von Rana esculenta mit eben auf- getretener Medullarfurche fast total quer durchschnitten, so dass bei den meisten nur noch eine ganz schmale Brücke die vordere und hintere Körperhälfte zusammenhält. An- deren Tages alle conservirt. Ein Embryo mit noch etwas breiterer ventral gelegener Brücke hat sich normal weiter entwickelt; das Medul- larrohr ist vorn und hinten geschlossen und der Kopf normal ausgestaltet, obgleich die Mitte des Rückenmarkes durch eine grosse mit weisser Masse erfüllte quere Wunde gespalten ist. Bei den anderen Embryonen ist die äussere Leibeswandung fast ringsherum gespalten, die Vereinigung nur durch weisses Material hergestellt; gleichwohl aber zeigt sich lebendige Reaction durch Bil- dung eines Epitßelsaumes an den Wundrändern; ein solcher Saum findet sich sogar an zwei Embryonen mit vollständig g e t r e n n t e n K ö r p e r h ä 1 f t e n. Aber keiner dieser sieben Embryonen hat sich weiter entwickelt; warum? Bei einigen ist in der Umgebung der Wunde anderen Tages leichte Framboisia minor waln-nehmbar. [474] Weiterhin wurden Verletzungen in der Gegend des Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. künftigen Gesichtes, ventral von dem queren Geliirn- wulste vorgenommen: (Nr. 157.) Längs der Mittellinie die ventrale Seite bis zum Gehirnwulst aufgeschlitzt. Embryo von 5 Tagen, dorsal normal, da- gegen Gesichtstheil verkümmert. Hals und vordere Rumpf - gegend aufgebläht, in der Mittellinie offen und ein dunkelbrauner Körper hängt aus der (ursprünghch hy dropischen?) Höhlung heraus. (Nr. 155.) Ventral in der Medianebene gegen den Gehirnwulst hin gespalten. Embryo von 5 Tagen, an Schwanz und Rumpf zu klein, in der Mitte durch eine tiefe braune Furche geschieden in zwei Theile, von denen jeder einen Haftnapf trägt. Rechts am Halse eine grosse braune Geschwulst. (Nr. 158.) In der gleichen Art operirt mit ähnlichem nach- folgendem Effect; nur fehlt die Spalte in dem viel zu kleinen Ge- sichtstheil, und vorn am Brusttheil befindet sich ein grosser dunkel- brauner erhabener Narbenstreifen. Hinterleib und Schwanz mit vielen kleinen Excrescenzen : Framboisia major. (Nr. 150.) Den Gehirnwulst selber gespalten. Embryo von 6 Tagen, entwickelt. Vor d er hirn blasen getheilt, durch eine Furche geschieden und zu klein, Gesichtstheil scheitelwärts von den Haftnäpfen nicht vorhanden. Hydrops der Hals- gegend. Entwicklung von Rumpf und Schwanz normal. (Nr. 180.) Angeblich gleichfalls den Gehirnwulst gespalten. Embryo von 6 Tagen, mit normal gestaltetem Kopfe, nur rechts zwischen dem Haftnapfe und den Kiemen ein runder weisser Defect. (Nr. 128.) Den Gehirnwulst gespalten. Anderen Tages schon das Medullarrohr geschlossen und Kopf normal, blos vorn etwas niedrig. (Nr. 175.) Die linke Ecke des queren Gehirn wulstes zer- quetscht. Anderen Tages schon von normalem Aussehen und weiter entwickelt. Embryo von 6 Tagen vollkommen normal. (Nr. 129.) Linke Ecke des Gehirnwulstes zerschlitzt. Embryo von 5 Tagen, entwickelt, Kopf im Einzelnen normal gestaltet, aber asvmmetrisch , so dass der linke Haftnapf vielmehr scheitelwärts steht. Operationen am Embryo. 199 5. Operationen an Frosclienibryoncu nach Scliluss des Medullarrolires und nach Anlage des Schwanzes und der Hal'tnäpfe. [475] (Nr. 152.) Kopf von vorn her durch die Haftnäpfe hindurch gegen den Nacken hin durch stumpfen Druck aufgeplatzt. Bei der Besichtigung nach drei Stunden schon ein brauner Hof um die Wunde wahrnehmbar, deren Oeft'nung sich bereits durch Näherung der Wundränder erhebhch verkleinert hat. Anderen Tages blos noch eine feine Furche beiderseits am Kopfe sichtbar, aber der Kopf er- heblich zu klein; Schwanz im Zustande der Fromboisia major. (Nr. 154.) Kopf von vorn schräg gegen den Nacken hin ge- spalten. Anderen Tages der Gesichtstheil klaffend gespalten, aber die Wundränder schon braun überhäutet und nur in der Tiefe noch einen weissen aber dunkelbraun umgebenen Fleck zeigend. (Nr. 172.) Die gleiche Operation mit gleichem Effect. Nach zwei Tagen Embryo an Rumpf und Schwanz schön weiter entwickelt. Kof wunde auch in ihrem Grunde überhäutet, aber noch weit klaffend. Kiemenanlagen indess nicht wahrnehmbar. (Nr. 163.) Den Nacken des Embryo gespalten. Nach zwei Tagen nichts Abnormes am Kopfe wahrnehmbar, aber an Rumpf und Schwanz Andeutungen von Framboisia. (Nr. 174.) Die vorderste Kuppe des Kopfes quer zur Längs- axe des Thieres abgeschnitten. Nach zwei Tagen die Quer- schnittfläche des Medullarrohres durch eine dunkelbraune Lage quer verschlossen, desgleichen der Querschnitt des Gesichtstheiles, und beide durch eine frontale Furche von einander getrennt. Das ganz abgeschnittene Stück im Zustande der Framboisia major et minor; die Schnittfläche nicht überhäutet, die Zellen derselben gleich- falls kugelrund. (Nr. 149 ) Das Hintertheil des Embryo gequetscht bis zum Rest des Urmundes. Nach drei Stunden ist ein brauner Hof um die Wunde sichtbar. Anderen Tages Schwanzanlage ungetheilt vor- handen, rechts hinten am Rumpfe eine grosse klaffende Wunde mit zerfetzten Rändern, kein Heilungsbestreben erkennbar; Hinter- leib im Zustand geringer Framboisia major et minor. 200 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Folgerungen aus den Reactionen der operirten Gastrulae und Embryonen. Wenn wir die bei den Operationen an der Gastrula und an näclistfolgenden Phasen der Entwicklung erhaltenen Re- sultate im Allgemeinen zusammenfassen, so ergiebt sich, dass die Sub- [476] Stanzaustritte sehr gering waren . sofern nicht direct das Dotterzellenlager verletzt worden war. Dem entsprechend entstanden auch keine Bildungsdefecte mehr im Ectoderm, sondern die scheinbaren Defecte sind als die klaffenden Wunden selber aufzufassen. Fand gute Coaptation der Wundränder statt, so heilte die Ver- letz u n g p e r p ri m a m i n t e n t i o n e m ; fehlte die Coaptation, so wurde die Wunde allmählich von der Oberflächenschicht überwuchert und eine Narbe kennzeichnete noch längere Zeit die Verletzungsstelle. In keinem Falle war bemerkbar, dass die blossliegende weisse Schicht von sich aus ein neues Ectoderm gebildet hätte, wie dies auch selbst bei den Bildungsdefecten der während der Furch ung angestochenen Eier nicht der Fall war; ein interessanter Hinweis auf Waldeyer's Annahme, dass schon mit der Bildung der Keimblätter die Materialien functionell geschieden sind^). Die Folgen für die weitere Entwickelung des Embryo waren verschiedene: ein Theil der Embr3'0nen starb bald nach der Verletzung, auch wenn anscheinend keine Infectiou eingetreten war, ab. Es war nicht zu entscheiden, ob der Tod die Folge der Zusammenhangs- trennung der Theile an sich oder vielleicht durch den Mangel epi- thelialen Schutzes, unter Eindringen von Fruchtwasser in den Embryo bedingt war. Sofern aber der Ein))ryo durch weitergehenrle Reaction an der Wundstelle ein längeres Ueberleben bekundete, blieb auch die weitere Entwickelung nicht aus. Diese weitere Entwicke- [I) Diese Frage wurde später von D. Barkuhth eingehend, mit der ihm eigenen Sorgfalt und Gründlichkeit behandelt (Experimentelle Untersuchung über die Regene- ration der Keimblätter bei den Amphibien (Meiikel-Bonnet's anatom. Hefte 1893. S. 311—354), mit dem Ergebniss, dass sich bei der Regeneration keines der Keim- blätter in ein anderes umwandelt. „Die Keimblätter sind in Bezug auf Regeneration und Postgeneration specificirt; dasselbe gilt von grösseren isolirton Komplexen des Ectoderms und Entoderms, resp. des Dotterlagers.'' Folgerungen aus den Reactionen der Gastrnlae und Embryonen. 201 lung fand selbst bei sehr uusgedelinten S j);il t viiigen der (las t- rula oder des Embryo statt, und bildete entweder normale Formen selbst bis dicht an die Wundränder aus, oder es entstanden Formenalterationen, welche aber meist nicht mehr von der Norm abwichen, als unmittelbar aus der mit der Verletzung ver- bundenen passiven Deformation sich ableiten hess. Nur in wenigen Fällen entstanden allgemeinere Verbildungen, welche man vielleicht auf eine Störung allgemeinerer Bildungscorrelationen beziehen könnte (s. S. 187 und 192). Einige Male traten in unmittelbarer Umgebung oder auch ent- fernter von derselben grössere, wohlumgrenzte Geschwulstbild - ungen auf. Ob sie durch passiv beim Eingriffe disloci rtes Material bedingt waren, wird vielleicht die mikroskopische Untersuchung der- jenigen Fälle ergeben, wo sie neben dem Medullarrohr ge- [4:77] legen sind, und die Operation die Anlagestelle dieses Organes getroffen hatte. Specielle Schlüsse über unsere fundamentale Alternative: S e 1 b s t d i f f e r e n z i r ung vieler einzelner Theile des Eies und des Embryo, oder durch dif f erenzirende Correlation naher und entfernter Theile unter einander sind auch nach diesen Versuchen nur in sehr eingeschränktem Maasse möglich, da unsere Versuche noch zu unvollständig sind und die Frage nach dem Antheil der Regeneration noch nicht gelöst ist. Indess bekundet das Verhalten, [dass die Störungen, welche in einigen Fällen durch die Operationen in der Entwickelung entstan- den waren, auf die Operationsstelle beschränkt sich zeigten, bei normaler Entwickelung des übrigen Körpers, und] dass in vielen Fällen die Differenzirung der von einander ge- trennten Theile der Medullarwülste bis dicht an die Wund- stelle heran stattfand, immerhin eine erhebliche Unab- hängigkeit der Entwickelung der bezüglichen Theile von dem Zusammenhang mit ihrer Nachbarschaf t. [Zugleich ergab sich, dass Störungen der ventralen Theile derGastrula und des Embryo die Entwickelung der dor- salen Hälfte, insbesondere des Medullarrohres, nicht noth- wendig beeinträchtigen (s. auch S. 185 Anm.)j. 202 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Es wird nöthig sein, zunäclist möglichst vielseitige Erfahrungen an diesem unserem besonders günstigen Versuchsobject , an dem Froschei , zu sammeln , um eine vollkommene Uebersicht über seine Leistungsfähigkeit zu gewinnen und danach Schlüsse ziehen zu können, welche zunächst zwar nur für dieses Ei, aber für dieses auch unzweifelhaft Geltung haben. Der Vergleich mit dem Verhalten anderer Eier, z. B. von Thieren, welche eine höhere Regenerationsfähigkeit besitzen, wie z. B. des Triton oder der Kröte [oder niederer Thiere : Seeigel, Medusen etc.], wird uns dann zu richtigen Verallgemeinerungen dieser zunächst blos an einer Species gemachten Beobachtungen führen. III. Aiitheil der „Selbstdiit'erenziruiijj:" und „differeiizirender Correla- tioiien" an der eml[)ryonalei> Entwickelung-. Für beide Glieder unserer xVlternative , für ,,Selbstdifferen- zirung'' und für ,,differenzirende Wechselwirkungen'' von Theilen des Eies liegt bereits ein werthvolles anderweites Beob- achtungsmaterial nebst einigen theoretischen Vorarbeiten vor. Wir wollen auf Grund dieser beiderlei Vorarbeiten zunächst einen vor- läufigen Ueberblick über den Antheil beider Principien zu gewinnen suchen und werden dabei noch einige neue Beobachtungen hinzufügen. A. Selbstdiiferenzirung- von Theilen des Eies. Zunächst sind für die „Selbstdifferenzirungsfähigkeit von Theilen" des Eies und Embryos eine Anzahl Beobachtungen mit- zutheilen, welche damit zugleich auch für den Mangel einer die normale Gestaltung ,, beherrschenden" und „alle" Störungen ausgleichenden [478] ,, Selbstregulation" sprechen und er- kennenlassen, dass nicht jede frühere Entwickelungsphase „in ihrer Gesammtheit" die nothwendige Vorbedingung des Ein- trittes „einzelner Theile" der folgenden Phase ist. Letzteres stellt eine für die Auffassung der Entwickelung nicht unwesenthche Beschränkung der bedeutungsvollen Erkenntniss von Bergmann und ^(t^-H^f Selbstdifferenzirting von Theilon des Eios. 203 Leuckaht^) und von His-)dai', dass jeder oinzt^lnc l'jilwickclungsinomenl die nothwendige Folge des vorausgehenden und die Bedingung des folgenden ist. In diesem Sinne sind einmal die zahlreichen ,,Anaehronis- / men'' vom ersten Beginne der Entwickelung an und während des ganzen Verlaufes der Kntwiekelung hindurch zu vei'werthen. Der Anfang beginnt häufig schon so heterochron, wie ich im ' ^x*^;*^ „ vorigen Jahre angedeutet und in diesem Jahre vielfach bestätigt g'^-il^^'^'"'*'^ funden habe, dass die durch ihre Beziehungen zu dem weiteren Ver- lauf der Entwickelung wohl charakterisirte, normale erste Furche erst als zweite auftritt, ohne dass dadurch die Entwickelung selber gestört wird . Weiterhin sind während der g a n z e n F u r c h u n g zeitliche Verwechselungen ausserordentlich häufig; sie bedingen vorzugsweise die grossen UnregelmässigkeitendesFurch- ungsbildes, welche von anderer Seite für ,, besondere Furch- . ungstypen" gehalten worden sind^). Sehr häufig ist ferner, wie erwähnt, das Nichtgeschlossensein des Urmundes zur Zeit des Auftretens der Rückenwülste (s.S. 160 u. 166, Anm.) und das theil- weise Andauern dieses Zustandes noch bis zur Zeit des Schlusses desMe- dullarrohres und der Anlage der Kiemenhöcker und der Haftnäpfe. Diese letzteren Bildungen können an der vorderen Körperhälfte an- scheinend vollkommen normal vor sich gehen, obgleich die hintere Körperhälfte durch das weite Offenstehen des Urmundes eine ganz abnorme Gestalt besitzt. Ferner wurden an einer misslungenen Kopfanlage ohne Gehirnblasen die Haftnäpfe angelegt. Noch auffallender ist, dass, wie ich einige Male sah (vgl. S. 161), auch beim gänzlichen Ausbleiben der Medullarwülste, doch allmählich die Gastrula ihre runde GestaU zu jener Birnform umänderte, welche 1) Bergmann uud Leuckert, Vergleichende Anatomie und Physiologie des Thier- reiches 1851. 2) W. His, Unsere Körperform. 1874. |a) Daneben ist die Mannigfaltigkeit der Furcbungsbilder besonders durch Variationen in der relativen Grösse der Furchungszellen bedingt. Die ungleiche Grösse der Zellen veranlasst auch die Verschiedenheiten der normalen Furchungs- typen. z. B. die von Rana fusca und escnlenta. Siehe W. Ruux in Arch. für Ent- wickelungsmechanik. Bd. 11. 204 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. sonst erst mit der Anlage und Ausbildung des Medullarrohres zu ent- [4:79] stehen pflegt. Ferner gehört hierher der gleichfalls bereits er- wähnte Acephalus nach dem Anstechen des in der dritten Furclmng begriffenen Eies, da der übrige Körper normal gestaltet war, die Hemiembryones laterales dexterund sinister (S. 174) und anterior (Ö. 161), sowie überhaupt die vorstehend mitgetheilte Thatsache, dass auf circumscripte Defecte am sich furcbeuden Eie nur circumscripte Defecte am Embryo zu folgen brauchen, bei normaler Gestaltung der nicht von dem Defecte betroffenen Gegenden des Embryo. [Diese Arten des Verhaltens bekunden, dass die normal weiter entwickelten Theile nicht der f e h 1 e n d e n Theile und n i c h t d e r n o r- malen entsprechenden En twickelungsstuf e der zurückge- bliebenen Theile zu ihrer Entwickelung bedürfen, also in entsprechendem Maasse sei bs t st ä nd ig. unabhängig von diesen sich zu entwickeln vermögen.] Diese Beweise ,, unvollkommener Selbstregulation und Re- generation" des Froschembryo und zugleich ,, selbstständiger Dif- ferenzirung einzelner Theile" desselben werden in ihrer Bedeu- tung verstärkt durch eine grosse Zahl von Missbildungen, welche an höheren, zum Theil auch an gleichstehenden und niederen Wirbel- thieren beobachtet worden sind. So finden sich bei den gröbsten Deformationen, z. B. beim Aufgeplatzt- oder Offengebliebensein des Medullarrohres, ebenso des Leibes mit ümkehrung von Brust, Bauch und Becken nach rückwärts (Schistosoma reflexum), ferner bei hochgradigen Ansammlungen von Flüssigkeit in den Körper- oder Orgauhöhlungen: die nicht direct von der Ur- sache zerstörten Organanlagen wohl differenzirt und nicht mehr in ihrer Ausbildung gehemmt und nicht mehr defor- mirt, als sich von der ,, mechanischen" Gesammtdeformation der ganzen Gegend ableiten lässt; so dass also die embryo- nalen Organe in ihnen angezwungenen Formen sich ,, ent- wickeln" können, wenn sie nur Raum und Nahrung und Schutz vor äusseren Schädlichkeiten haben (s. S. 1(S7). Ferner können bei Erfüllung dieser letzteren drei Bedingungen viele später unentbehrliche Theile des Embryo fehlen, ohne Selbstdifferenzinnie; von Tlioileii des Eies. 205 dass dadiircli dio WeiteTcntwickoluno- dos ül)ri,ü:oii Theiles aufgehoben oder auch nur in hohem Maasse altorirt wird. Es kann das Gehirn oder der ganze Kopf fehlen bei übrigens ziem- lich normalem Rumpf (Acephalus). der Rumpf fehlt bei entsprechen- der Bildung des Kopfes (Acormus), ebenso die Augen (Anophthal- mie) bei Vorhandensein ihrer äusseren Schutzapparate, es fehlt die ganze äussere Leibesghederung (Amorphus) bei blosser Existenz einzelner innerer Organe, oder auch diese sind blos stückweise vor- handen, schliessHch fehlt jede Sonderung einzelner Organe bei blosser Ausbildung der Gewebe. Panum^) hat in Bezug auf diesen Gesichts- [480] punct eüi reiches Material gesammelt und daraus den Sehluss abgeleitet, dass ,.die in Rede stehenden Gebilde dem Be- griffe eines Organismus nicht entsprechen"; da ihre Theile nicht den Zwecken des Ganzen dienen und das Ganze keinen Selbst- zweck hat; dieselben sind nach ihm vielmehr als geschwulstartige Conglomerate verschiedener von einander unabhängiger Gewebe und Gebilde anzusehen, welche wie selbstständige Gewächse oder Pflanzen sich, kraft ihres eigenen Lebens, unter gemeinschafthchen Lebens- bedingungen entwickelt haben. F. Makchand-) hat auf Grund obiger Thatsachen diese Auffassung verallgemeinert, indem er sagt, dass auch schon der normale Embryo in seinen früheren Stadien dem Begriffe eines Organismus nicht entspricht. Die Ursachen dieser hochgradigen Defect- und auch zum Theil der grossen Deformationsmissbildungen wirken, so viel wir jetzt sehen, schon zu Zeiten, ehe die einzelnen Organe und Gewebe vollkommen angelegt oder ausgebildet sind; darausfolgt, dass die betreffenden Theile des Embryo „nach" so hochgradigen Störungen ihrer selbst oder ihrer Nachbarschaft nicht blos noch am Leben zu bleiben, sondern sogar in einer oft noch an das Nor- male erinnernden Weise sich formal und geweblich zu d i f f e r e n z i r e n vermögen. Dasselbe wird vielleicht noch genauer 1) P. L. Panum, Beitiäge zur Kenntniss der physiologischen Bedeutung der an- geborenen Missbildungen. Virchow's Archiv 1878 Bd. 72, S. 85. ■••) F. Makchand. Realencyklopädie der gesaramten Heilkunde von Eulonburg 1881, Artikel: Missbildungen S. 7. 206 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. festzustellen sein durch die von W. Zahn ^) eingeführte, weiterhin von G. Leopold'^) und E. Fischer^) fortgesetzte Transplantation embryo- naler Theile in Ernährung und Schutz gewährende Organe erwachsener Thiere; wobei sich schon jetzt gezeigt hat, dass manche isolirte embryonale Theile nicht blos zu wachsen, sondern sich in annähernd normaler Weise ge weblich weiter zu dif- ferenziren vermögen. Desgleichen lassen die Keime der Der- moidkystome ausser Haut, Haaren und Drüsen, auch wohlgebildete Zähne mit Kiefertheilen ausser Zusammenhang mit [481] den nor- malen Nachbartheilen des Organismus hervorgehen. Wohl auch ent- halten verschleppte Geschwulst keime, welche sich zu meta- statischen Geschwülsten entwickeln, zur Zeit ihrer Verschleppung noch nicht immer schon die differenzirten Gewebe , die wir nach ihrem Wachsthum in ihnen finden. Dann würde auch hier selbstständige gewebliche Differenzirung vorliegen; wobei aber von den Blutgefässen abzusehen ist, da diese entweder von der Nachbarschaft direct hinein- wachsen oder doch von ihr aus unter der Wirkung functione 11 er Reize in den Tumor hinein wachsen und danach sich differen- ziren, somit der ,,functionellen Anpassung" zugehören. Schliesslich sind auch hier die abgeschnürten sog. Neben- organe zu verwerthen; vor allem diejenigen, welclie eine spe- cifische, dem Gebilde ,,im Ganzen" angepasste Structur haben, die die gröbere Structur des ,, norm alen " Organes wiederholt ; dies kommt freilich nur bei sehr wenigen Organen vor; vielleicht bei den accessorischen Nebennieren, wo die hierbei allein vorhandene Rindensubstanz die normale regel- mässige Anordnung der Zellstränge zeigt*). Zweitens können aber auch die abgeschnürten Theile von Organen, welche keine solche 1) F. WiLH. Zahn, Sur le sort des tissus implaute.s dans l'orgamsme. Genevo 1878 und Virchow's Archiv 1884 Bd. 95 S. 369-387. 2) G. Leopold, Experimentelle Untersuchungen über die Antiologie der Ge- schwülste Virchow's Archiv 1881 Bd. 85. 3) E. Fischer, Ueber Transplantationen von organ. Material. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie 1882 Bd. 17 S. 61 und S. 362. 4) Vgl. F. Marchand, Ueber accessorische Nebennieren im Ligamentum latum. Virchow's .Archiv 1883 Bd. 92. Selbstdifferenziriiug Von Tlieilen des Eies. 207 specifiscbo, besondere Costa Ituiigskräfte des (Jaiizcn voraussetzende Striictiir haben, von entsprechender Bedeutung sein; so die Neben- milzen und Nebenlebern, deren gröbere Structur, wie ich zeigen werde, vorwiegend in das Gebiet der functionellen Anpassung fällt. Diese Organe sind für uns von Bedeutung, sofern ihre Isolirung von der normalen Umgebung schon „vor" der Voll- endung ihrer specifisehen Ge web ebilduug erfolgt war und sofern diese specifische (Jlewebebildung nicht auch blos eine Folge der functionellen Anpassung ist'). Wir ersehen ans den angeführten Beispielen, dass viele ,,Theile" des Embryo unter günstigen Ernährungsumständen sich unabhängig von ihrer näheren oder ferneren Um- gebung geweblich und formal zu differenziren vermögen, und dass dies sogar in annähernd normaler Weise sre- schehen kann. Daraus geht hervor, dass die Differenzirung dieser Theile an sich nicht eine Function der Wechsel- wirkung zwischen ihnen und den andern Theilen ist. [482] Also eine gewisse gewebliche und formale Selbstdiffe- / renzirung vieler Theile des sich entwickelnden Eies ist bereits erwiesen. Ich werde durch besondere Specialunter- suchungen im Einzelnen festzustellen suchen, welche kleinsten Theile sie betrifft, in Avelcher Periode der Entwickeluno- sie anfängt, wie weit sie geht, und ob Gomplexe dieser kleinsten Theile sich wiederum weiter zu differenziren vermögen als die einzelnen Theile für sich (s. Nr. 22, S. 140). Man kann geneigt sein, auch aus den bereits bekannten Ver- hältnissen der normalen Entwickelung Schlüsse auf Selbst- differenzirung von Theilen zu ziehen und vielleicht anzunehmen, dass z. B. diejenigen Organe, welche frühzeitig von ihrer Umgebung gesondert werden, wie das Gehörorgan, die Augenblase [die Niere, Leber etc.], die Extremitätenknospe sich in sich selber differenziren. Da aber die Isolirung dieser Theile [1) Bezüglich der Entstehung der Structur der Leber vergleiche W. Roux, Einleitung zum Archiv für Entwickelungsmechanik. Bd. I, S. 7. 208 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. durch eine abgrenzende und abgesehen von grobmechauischen Wir- kungen wohl die Ueb ertragung differenzir ender Einwir- kungen hemmende Bindege webskapsel] nirgends eine voll- kommene ist [indem ausser den ernährenden Gefässen auch noch Nerven diese Kapsel durchsetzen], und wir zunächst noch auf gänzlich unbekannte Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen haben, so können diese Folgerungen vorläufig nicht über den Werth von Vermuth- ungen hinaus gelangen. Die Selbstdifferenzirung räumlich begrenzter Theile. für deren Betheiligung an der Entwickelung wir hier einige Beweise aufgeführt haben, kann, wie schon angedeutet, von zweierlei Art sein: rein formaler oder cjualitativer Art. Die ,,fonnale'-' Selhst- differenzirung ist die leichter verständliche und kann z. B- auf ungleichem Wachsthum der Theile beruhen; denn wenn, wie schon (S. 9) erwähnt worden, ein ganz einfach geformtes Gemenge zu verschiedenem Wachsthum der Theile befähigter Sub- stanzen in die Lage versetzt wird, diese latenten Ungleichheiten zu bethätigen, so müssen nothwendig entsprechend viele verschiedene Formen die Folge diese]- vielfachen ungleichen Vergrösserungen der Theile sein. Obgleich nun die Gelegenheit zu diesem Wachsthum, die Nahrungszufuhr vielleicht von aussen kommt, und der Vorgang alsdann in seiner Totalität erfasst, nicht als Selbstdifferenzirung be- zeichnet werden kann, so kann doch das Formale, was dabei ent- steht in seiner Form rein von den Lagerungsverhältnissen der mit ungleicher Waehsthumskraft begal;)ten Theile abhängig sein; und die Formenbildung als [4-83] solche muss dann als formale Selbstdiffe- renzirung bezeichnet werden, trotz der stattfindenden Aufnahme von Energie. Wenn dagegen das ungleiche Wachsthum blos von un- gleicher, durch äussere Kräfte bestimmter Vertheilung der Nahrung abhinge, und somit diese äusseren Kräfte die zu bildende Form direct bestimmten, dann wäre natürlich die Formenbildung nicht mehr als formale Selbstdifferenzirung, sondern als iinvolll-ommen passive Differenzirnny zu betrachten. Bei dem ungleichen Wachsthum aus eigenen Kräften müssen aber auch mechanische Wechselwirkungen zwischen den Öelbstdiffereuziruug von TlieiliMi des Eies. 209 Theileii entstehen und passive G esta 1 1 im.o-,> n (hulurch Iktvoi-- gebracht werden, worühor hinten (S. 232) ausführlicli gehandelt werden wird. Natürhch können formale Selbstdifferenzirungen auch durch ungleiche Verkleinerung von Theilen, sowie durch blosse Umformung oder [Jmordnung der Theilo ohne Aenderung ihrer iMusse oder durch Clombination aller dieser Arten von Forniwandlungen entstehen. Die ..qitaiitative" Selhstdifferenzirnny räumlich ab- gegrenzter Bezirke des Eies oder Embryos angehend, so hat ausser bei vollkommener Selbstständigkeit der Differenzirungs- vorgänge in dem betrachteten Bezirk ohne jede Zufuhr oder Abgabe von Energie [also bei reiner Umwandlung von im Differenzirungsbezirk schon vorhandener potentieller Energie in kinetische Energie], unsere Bezeichnung auch hier wieder, wie bei der formalen Selbstdifferenzirung, noch in dem anderen Falle Berechtigung, dass eine Zufuhr oder Ab- gabe von Energie für den Differenzirungsvorgang unerlässlich nötliig ist, sofern nur auch hier die specifische Natur der Veränderung vorwiegend durch die Kräfte der Materie des bezüghchen Bezirkes bestimmt ist; wir werden dann den Vorgang als „unvoUliommene Selhstdifferenziriing''^ bezeichnen. Wird z. B. ein Gemenge verschie- dener, trockener, chemischer Substanzen in ozonhaltige Luft gebracht, so werden viele derselben sich verändern, jede Substanz an allen Orten, wo Theile von ihr vorhanden sind und jede in anderer Weise. Die qualitative Natur jeder dieser Veränderungen ist natürlich mit durch die besondere Eigenschaft des Sauerstoffs, mit jedem dieser FCörper eine Verbindung von ganz bestimmten Eigenschaften einzu- gehen, bedingt. Aber der Grund des uns hier vorzugsweise interes- sirenden specifi sehen Verhaltens unserer Substanzmenge, eine bestimmte Anzahl neuer, typischer Verbindungen hervor- gehen zu lassen, liegt in der schon vor- [484] her vorhandenen Zu- sammensetzung ; und der Ausbreitungsbezirk jeder dieser neugebildeten Substanzen ist gleichfalls durch die Natur unserer Substanz bedingt. AVir werden daher die Sauerstoffzufuhr nur als die unerlässlich W. Koux, Gesammelle AbiianJluiigen. II. •'* 210 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. nöthige „Vorbedingung" zu der neuen Differenzirung des ganzen Substanzgemenges betrachten^). Findet umgekehrt innerhalb einer gleichartigen Substanz an einer oder mehreren Stellen derselben eine Veränderung durch Ozon, welches von aussen her blos diesen Stellen zugeführt wird, statt, so ist letzteres natürlich als die ,, Ursache" der qualitativen Dif- ferenzirung ,, dieser Stellen", das heisst des ,, Formalen", der Localisation dieser Veränderung zu bezeichnen, da ihm jetzt das Speci- fische der vor sich gehenden Veränderung, die Species loci, zukommt. Ist dagegen die Oertlichkeit beiden Theilen von vorn- herein in gleicher Weise eigen, so kann bei der Bildung- binärer Verbindungen natürlich nur von gleichwerthigen Com- ponenten die Rede sein. Bei der Bildung ternärer und höherer Verbindungen wird es sich unter diesem Verhältniss vielleicht empfehlen, die einfachere Componente als die Bedingung von der c o m p 1 i c i r t e r e n als der Ursache der specifischen Natur der Veränderung beider zu unterscheiden, weil anzunehmen sein wird, dass die specifische Natur der neuen Verbindung in höherem Maasse von der zusammengesetzteren Componente be- stimmt wird. Findet zwischen zwei Nachbarn des obigen Substanzgemenges chemische Wirkung statt, so wird dies blos innerhalb des beiden Theilen gemeinsamen Berührungsbezirkes möglich sein, und wir können nach der eben gegebenen Distinction die beiden Componenten benennen. Die Veränderung der zusammengesetzteren Componente wird als un- vollkommene Selbstdifferenzirung, die der einfacheren Componente als abhängige Differenzirung zu bezeichnen sein; die Veränderung des von beiden Substanzen gebildeten Systemes dagegen als vollkom- mene Selbstdifferenzirung dieses Systemes. Ist aber zum Vorgang dieser Veränderung vielleicht noch Zufuhr von Energie, z. B. von |i) Soweit die sogenannten „qualitativen" (z. B. geweblichen) Differen- zirungen der Organismen in der Produlttion specifisch organischer, sei es sicht- barer oder unsichtbarer Structuren bestehen oder mit solcher Bildung verbunden sind, sind sie zu den formalen üifferenzirungen zu rechnen. Unsere Distinction bezieht sich l)los auf die während der Ontogenese stattfindenden chemischen Ver- änderungen. Arten „differenziromler Wecliselwiikiingeu" im Organismus. :ill Wärme oder Licht, n()thig, so liegt uiivoIlkoiiuiK'nc SelbstditTereii/ji'u lin- des Systemes vor. Nach diesen Principien werden in den speciellen Beiträgen die Unterscheidungen gemacht werden. B. Arten „(liffereiizireiuler Wechsehvirkiiiif>eii" der Tlieile dos ()r;2:aiiisnius. [485] Nachdem so ein erster Ueberbhck über das Wesen und eventuelle Vorkommen der Selbstditt'erenzirung von Theilen des Em- l)rvo gewonnen ist, wollen wir nun auch über die eventuellen difterenzi- renden Correlationen uns einen solchen zu verschaffen suchen. Wir kennen l)ereit8 drei Arten differenzirender Correlationen s. abhängiger Differenzirung etwas genauer, das heisst weniger ungenau als andere gegenwärtig blos unbestimmt zu vermuthende Arten. 1. Die functionelle Anpassung. Um, in der Entwickelung des Individuums rückwärts schreitend, mit dem besser Bekannten anzufangen, ist zunächst die functionelle Anpassung zu erwähnen. Mit dieser Bezeichnung habe ich (Nr. 4 u. 7) alle progressiven und regressiven Anpassungsvorgänge der Organe zu- sammengef asst , welche durch die eigene Functionsvollziehung oder Unterlassung vermittelt, werden; und desgleichen soll dieselbe Be- zeichnung auch für das Product jedes solchen Vorganges verwendet werden. Die so bezeichneten Wechselwirkungen zwischen Function und dem dieselbe vollziehenden Substrate sind schon seit Lamarck Gegen- stand besonderer Aufmerksamkeit der Naturforscher gewesen, und zahl- reiche Forscher haben sich über die Art der Vermittelung und über die Ursachen dersell^en im Allgemeinen oder in Bezug auf einzelne Organe oder Gewebe geäussert; so: Joh. Müller'), Ca\.statt^), Herm. Meyer ^), i) Joh. Müller, Handbuch der Physiologie 1837. 2) Canstatt, Wagner's Handwörterbuch der Physiologie 1842 Bd. 1. Artikel: Atrophie. 3) Herm. Meyer, Untersuchungen über die Physiologie der Nervenfaser. Tübingen 1843, und Arch. f. Anat. u. Physiologie 1867. Die Statik und Mechanik des menscli- lichen Knochengerüstes 1873. 14* 212 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. •J. Hekle'), Ludw. FiGK-. R. ViRCHOW^). A. FicK*), C. Ludwig 5)^ W. Henke«), H. Spencer ^j, [486] W.His»), Oh. Darwin"), E. HaegkelI»), J. Ranke 1^). L. Hermann^-), J. Wolff^^), Steudener ^*), J. Cohnheim^^) H. kStrasser^^), C. Bardeleben 1'), H. Nasse^^j, F. Busch i^), M. Ka.ssowitz-"), DU Bois-Reymond^^), Ed. Rindfleisch-'^), W. Freyer ^^), S. Stricker^*). Diese Aeusserungeii sind zumeist blos gelegentliche ; und keiner dieser Autoren hat eine Theorie ausgearbeitet, welche dem gegenwärtigen 1) J. Henle, Handbuch der ratiouellen Pathologie 1846 Bd. I. -) LuDW. FiCK, Ueber die Ursachen der Knochenformen 1857. Ueber die Ue- .staltung der Gelenkflächen. Arch. f. Anat. i\. Physiol. 1859. •^) R. ViRCHOW, Die Zellularpathologie 1858. 1) A. FicK, Moleschott's Untersuchungen 1860 Bd. III. 3) C. Ludwig, Lehrbuch der Physiologie 1861. tj) W, He.nke, Handbuch der Anatomie und Mechanik der Gelenke 1863. ■<) H. Spencer, Principien der Biologie 1864 Bd. 1. ^) W. His, Ueber die Häute und Höhlen des Körpers. Academ. Programm, Basel 1865. Unsere Körperform 1874 S. 128. '•') Ch. Darwin, Das Variiren der Pflanzen und Thiere im Zustande der Dome- stikation. 10) E. Haeckel, Generelle Morphologie der Organismen 1866, und: Natürliche Schöpfungsgeschichte. n) J. Ranke, Die Blutvertheilung und der Thätigkeitswechsel der Organe 1871. 1-) L. Hermann, Grundriss der Physiologie des Menschen 1872. 13) J. WoLFF, Ueber die innere Architektur der Knochen. Virchow's Arch. 1870 Bd. 50. Beiträge zur Lehre von der Heilung der Fracturen, v. Langenbeck's Arch. f. Chirurgie Bd. 14. 1872 Das Gesetz der Transformation der inneren Architektur der Knochen bei pathologischen Veränderungen der äusseren Knochenform. Sitzungs- ber. d. Akad. d. Wiss. zu Berlin, phys.-math. Gl. vom 24. April 1884. — Koester, Verhandl. d. phys.-med. Ges. zu Würzburg, Juni 1872. 14) Steudener, Abhandl. d. naturf. Gesellsch. in Halle 1875. Bd. 13. Heft 3. lii) J. Cohnheim, Vorlesungen über allgemeine Pathologie. 1877. Bd. 1. 16) H. Strasser, Zur Entwickelung der Extremitätenknorpel bei Salamandern und Tritonen. Morpholog. Jahrb. 1877, Bd. 3, und: Zur Kenntniss der functionellen Anpassung der quergestreiften Muskeln. 1883. 17) C. Bardeleben, Ueber den Bau der Arterienwand. Sitzungsber. d. Jenaischen Ges. f. Med. u. Nat. 10. Mai 1878. S. 16. 18) H. Nasse, Pflüger's Archiv Bd. 23, S. 361 f. 19) F. Busch, Regeneration und entzündliche Gewebebildung. Samml. klin. Vor- träge von Volkmann. 1880. Nr. 178. -0) M. Kassowitz, Die normale Ossification. Wien, medicin. Jahrb. von Stricker, 1880. -1) Du Bois-Reymond, Ueber die Uebung. Festrede 1881. --) Ed. Rindfleisch. Die Elemente der Pathologie 1883. -3) W. Preyer, Elemente der allgemeinen Physiologie 1883. -1) S. Stricker, Vorlesungen über allgemeine u. experimentelle Pathologie 1883. DiflPerenzirende Correlationcn der Theile: 1. Fnnctionellp AnpasRiinfj. 218 Staiidpunkto unserer Kenntnisse der Tliatsaclicn (ienü^e zu leisten vei-- mag. Ich habe micli l)estTeht, dieses Ziel zu erreichen (s. Nr. 4) und angefangen, in einer besoncleren Serie [487| von ,, Heiträgen zur Mor- phologie der functionellen Anpassung" (s. Nr. 7—11) unsere Kenntniss der bezüglichen Vorgänge zu vervollstäudigen; daselbst werden auch die Leistungen der genanntem Autoren eingehend gewürdigt werden. Ich verweise daher bezüglich des Genaueren auf diese Darstellungen und werde hier das Principielle nur so weit erörtern, als es für unseren speciellen Zweck dadurch nöthig gemacht wird, dass die Wirkung dieses Principes vielfach tief in das embryonale Leben eingreift. Die functionelle xVnpassung kann ihre Wirkung in einem Organe natürlich erst beginnen, wenn dasselbe nach seiner An- lage zum ersten Male ausser seiner Selbsterhaltungs- undEnt-' wickelungsf unctionen seine specifische, demGanzen dienende Function ausübt, also erst, nachdem es selber schon bis zu der hierfür nöthigen Vollkommenheit durch andere Gestaltungsprincipien ausgebildet worden ist. Dieser Moment tritt aber bei einigen Or- ganen, z. B. beim Ectoblast, beim Entoblast, bei dem Herzen und bei den Blutgefässen sehr frühzeitig ein ; und schon E. v. Baer ') ist ,,fest überzeugt, dass erst durch die Bewegung des Blutes die Ge- fässwand in dem Gefässhof sich bildet-); H. Virchow"^), J. Jaxo.sik"*) und J. KoLLMAN.N^) haben jüngst die verdauende Thätigkeit der eben erst gebildeten Entoblastzellen des Dotterwalles erkannt; und ich habe oben darauf hingewiesen, dass beim Absterben der Gastrula und älterer Embryonen, die Zellen des Ectoblast ihre polyedvische „functioncU.e Gestalt^' verHeren und sie mit der Kugelgestalt vertauschen; erstere ein Zeichen, dass sie schon als Epithelzellen fungirt haben. Mit der öftei^en Functionirung erlangt die Function unter Vermit- i) K.E. V. Baer, lieber die Entwickelungsgeschichte der Thiere. 1828. Hd. 1, S. 15. [2) Siehe dagegen I, S. 83 Anm.] '') H. ViRCHow, Ueber das Epithel im Dottersack, Diss. Berlin 1875. 4) J. Janoj'IK, Beitrag zur Kenntniss des Keimwulstes bei A^ögeln. Wiener Sitzungsber. 1881. Bd. 84. Abth. 3. ■i) J. Kollmann, Der Randwulst und der Ursprung der IStützsubstanz. Arcli. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1884. 214 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. telung der functionellen Anpassung mehr und [488] mehr die Herr- schaft über das fungü'ende Substrat, so dass die anderen bildenden Kräfte in der Erlialtung und weiteren Ausbildung des Organes mehr und mehr zurücktreten. Die allgemeine Möglichkeit dieser in ihren Leistungen immer das den gegebenen Verhältnissen Entsprechende schaffenden Rückwirkungen der Function auf das sie vollziehende Substrat beruht im Allgemeinen darauf, dass jede Function ein Ge- schehen ist und als solches die Fähigkeit hat, auf andere in seinem Wirkungsbereiche befindhche. ihm nicht conforme Zustände oder Vor- gänge, modificirend, eventuell conformirend einzuwirken. 1. Diese modificirende Wirkung kann eine rein mecha- nische sein und so lange dauern, bis das fungirende Substrat in eine gewisse mechanische Uebereinstimmung mit dem functionellen Vorgang gebracht ist, bis z. B. die Sehnenfasern in der Rich- tung des Muskelzuges gelegen sind (W. His), oder bis zwei zu- sammengehörige Gelenkflächen sich zu einer gewissen, der Führung entsprechenden Uebereinstimmung abgeschliffen haben (Luuw. Fick). Der Wirkungsumfang dieser ,, mechanisch vermittelten func- tionellen Anpassung", oder kürzer dieser ,, mechanischen func- lionellen Anpassung" ist noch nicht recht festgestellt, gleichwohl aber, wie es scheint, erheblich überschätzt worden. 2. Die Hauptvvirkungen der functionellen Anpassung müssen com- ])licirter vermittelt sein und beruhen nacli meiner Auffassung (s. Nr. 4) auf einer ganz besonderen (Qualität des fungirenden Substrates, vermittelst deren in einem von der Häufigkeit der Wiederholung der Function abhängigen Maass. die den functionellen Verhältnissen entsprechendste Grösse, Gestalt und Structur jedes Organes des Individuums durch die Function selber sich herstellen muss. Da so die Configuration der Organe durch die von aussen her zugeführte, die Function ver- anlassende und bestimmende Energie bedingt ist, muss die Gonügu- rationsbildung selber als eine correlative Bildung bezeichnet werden. Doch ist zu erwähnen, dass zu dem angegebenen vollkommenen Effecte höchster Zweckmässigkeit noch ein anderes, nachstehend (S. 216) er- örtertes Princip der ( 'orrelation , welches von den früheren Autoren übersehen worden ist, helfend eingreifen muss. Das Wesen der einen Differenzirende Correlationen der Theile: 1. Functionelle Anpassung. 215 solchen Effect ermöglichenden Gewebsqualität ist d.'irin l)estehend zu denken, dass mittelbar oder unmittelbar die specifische [489] Function eine „trophische", die Assimilation anregende» Wirkung für jedes einzelne kleinste fungirende Theilchen besitzt, resp., wenn letzteres nicht selber assirailirt, dessen Matri x zur Bildung neuer fungirender Theilchen anzuregen vermag, während umgekehrt ohne Function die Selbsterhaltungsiähigkeit der Theile sich vermindert, resp. kein Ersatz der geschwundenen Theile stattfindet. Diese Art der Anpassung wollen wir daher als die atrophisch vermittelte f unctionelle Anpassung^' der mechanisch ver- mittelten gegenüberstellen. Die scheinbar teleologische Wirk- ung dieser Substanzqualität auf die Gestalt und Structur der Organe beruht theils darauf, dass diese Qualität ein Princip „mechani- scher^' der geleisteten Arbeitsgrosse jedes kleinsten Theil- chens entsprechender ,,SeIbstI öhmmg'' darsteWt. Es ist evident, dass, wenn ein solches mechanisches Princip sich auch auf die ganzen Individuen übertragen liesse, in den socialenEin rieh tun gen dieser eine gleiche Vollkommenheit sich ausbilden könnte resp. müsste^). Anderen Theiles aber ist die Ursache der scheinbar teleologischen Wirkung dieser Gewebsqualität darin zu erkennen, dass letztere zu- gleich eine Art von Wechselwirkung unter den fungirenden Theilen ermöglicht, welche auf dem Wege der Auslese unter den Theilen zur stetigen Vervollkommnung führen muss, wie in dem nächsten Ab- schnitt dargethan werden wird. Als Hilfsprincip für die Massenver- sorgung grösserer Theile mit Nahrung kommt noch hinzu, dass von den Orten des Substanzverbrauches aus im Bedarfsfalle besondere Mechanismen für verstärkte Nahrungszufuhr ausgelöst werden können. Diese gröberen Mechanismen verdanken aber gleichfalls nur der func- tionellen Anpassung der betheiligten Gefässe und Nerven ihre ent- [1) Die Ansicht der neuesten Volksbeglücker, dass es „ungerecht" sei, jeden nach seinen „Leistungen" zu lohnen, sondern dass jeder Mensch gleich viel zugetheilt erhalten müsse, war damals noch nicht entdeckt. Es ist aber auch kaum annehm- bar, dass Organismen sehr leistungsfähig werden würden, in denen jeder von den Zellen aller Gewebe stets gleich viel Nahrung zugetheilt würde. Das Maximum au Leist- ungsfähigkeit eines Ganzen kann blos erreicht werden, wenn jeder Theil desselben nach dem Maasse der Nothwendigkeit und Grösse seiner Leistung für das Ganze gelohnt wird.] 216 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. sprechende Ausbildung; gleichwohl wurden sie früher als die primären und alleinigen Vermittler der functionellen Anpassung der Organe aufgefasst. Ich habe nachgewiesen, dass diese Auffassung irrthümlich sein muss, besonders deshalb, weil die functionellen Structuren viel feiner sind als die Capillarbezirke und weil die functionelle Anpassung dimensional beschränkte Hypertrophien und Atrophien , /.. B. blos der Dicke oder blos der Länge der [490] Muskeln hervorzubringen vermag, was beides nicht durch die Art der Blutvertheilung bewirkt werden kann. Zu weit verbreiteten ,,diff erenzirenden" Correlationen der Theile des Organismus führt dieses Princip dadurch, dass die Organe in vielfachen , ,f u n c t i o n e 1 1 e n C o r r e 1 a t i o n e n' ' unter einander stehen, indem die Function eines Organes die vieler anderen veranlasst. Die Ganglienzelle setzt den Nerven , dieser den Muskel , dieser die Fascien, Sehnen, Knochen und Gelenke in Thätigkeit; und in allen oder den meisten dieser Theile finden zugleich Aenderungen der Circulation statt, welche die Gefässe und schliesslich das Herz in ihrer Thätigkeit, wiederum unter Vermittelung von Nervenbahnen imd Nervencentren alteriren. Durch diese functionellen Correlationen kann schon während der Heranbildung vieler Organe im Embryo vom ersten Beginne besonderer, nicht blos auf die eigene Selbsternährung der Organe gerichteter Func- tionen an, unter Vermittelung der functionellen Anpassung, das feinere functionelle Zusammenpassen, die functionelle Har- monie aller Theile zu einander entstehen. So kann auch bei primärer Aenderung eines einzigen Organes im Embryo eventuell die ganze übrige Organisation eine derartige Abweiclumg von der normalen Ausbildung erfahren, dass das Individuum doch selbstständig lebens- fähig ist und bald nach dem Beginne der betreffenden Functionen iji allen seinen Theilen als harmonisch gebildet sich darstellt [s. Nr. 4]. 2. Der zur „Theilauslese"' führende ,, züchten de Kampf dei- Theile" im Organismus. Fin zweites Princij) möglicher difterenzirender Correlationen ist die züchtende Theilauslese im (h-js;:aiiisunis [s. Nr. 4 u. 5]. Directcr Kampf der Theilo. 217 nieThcilaiislcsc im ( )rij,;misiiuis kann das Piodud zweier wcscnt- licli verschiedener Vorgänge sein. Einmal ist eine directe oder indirecto Wech sei Wirkung zwisclien selbsterhaltungst'äliigen lehensthätigen Theilen des Organismus möglicli [die durcli Züchtung einiger und Vernichtung anderer Qualitäten oder durch Veranlassung localer Ausbildung oder localen Schwundes zur 1) i \ i er e n / i )• u n g l'iihrt] und die man ihrem Wesen nach mit einigem Rechte als Kam])t' bezeichnen kann. Ausserdem aber können auch lebensthätige Theile, welclie be- stimmte, unter den vorhandenen Verhältnissen nicht mehr selbster- haltungsfähige Qualitäten besitzen, einfach schwinden und so aus dem Organismus eliminivt werden, wodurch die Qualitäten des Organisnnis, resp. des betreifenden Organes eine entsprechende Aenderung erfahren. [Diese Selbstausmerzung von Theilen kann nur soweit zu den Cor- relationen der Theile gerechnet werden, als die sie schädigende Aenderung der äusseren Verhältnisse dieser Theile im Laufe der Ontogenese durch Theile des Organismus selber i)roducirt wird, also nicht durch ausserhalb des Organismus liegeiKle Verhältnisse be- dingt ist. Genaueres als hier blos der Uebersicht über die Correla- tionen wegen reproducirt ist, siehe in der ausführlichen Darlegung Nr. 4. [4:91] 1. Betrachten wir zunächst die durch Kampf ver- mittelte Auslese. Um das Wesen dieser Art Vorgänge uns klar zu machen, müssen wir uns etwas weiter umsehen. Da die Zellen assimiliren und sich so einen wesentlichen Theil ihrer in der Aussenwelt nicht unmittelbar vorhandenen Existenzbe- dingungen selber produciren, so stellen sie, wie die ganzen Individuen .,Selbsterhältungsprocesse" dar; und sie sind dies vielleicht gleich den Individuen in einem Jioch höheren Sinne dadurch, dass ihnen innerhalb gewisser Grenzen noch die Fähigkeit der „Selbstregulation'- zukommt, in der ic^h die wesentlichste allgemeine Eigenschaft des Organischen erbhcken zu müssen glaube^). Diese besteht darin, dass beim Fehlen eines Erhaltungsbedürfnisses z. B. der Nahrung, die Fähigkeit sich dieselbe zu verscliaffen, sie aus der nächsten Umgebung anzuziehen und aufzunehmen, eine gewisse Strecke weit mit der Grösse des Bedürfnisses steigt; während bei überschüssig vorhandener Nahrung 1) S. Bd. l Nr. 4, l\apitel V: Ueber das Wesen des Organischen u. Bd. II S. 78. 218 Nr. 18. Zur Orientirun-? über die Probleme etc. die Aufnahme sich bald verringert; oder z. B., dass bei einem Druck durch die Nachbarschait auch (Ue Druck Widerstandsfähigkeit der Zellen sich ein wenig steigert. Solche durch Selbsterzeugung eines Theiles ihrer Existenz- bedingungen und durch Selbstregulation von den anorganischen physikalisch -chemischen Processen unterschiedene und so durch ein Fürsich sein, durch eigenes Selbst ausgezeichnete Vorgänge (s. I, S. 241 Anm.) können in Folge dessen auch in andere Arten von Wechselwirkungen untereinander treten als die „an- organischen" Processe. Bei den Wechselwirkungen dieser letzteren werden stets alle Componenten verändert und zu einer „Resultante" vereinigt. Von miseren „Selbsterhaltungsprocessen" dagegen kann der eine den anderen durch seine Anwesenheit total in seiner „Sonderexistenz" vernichten, während ersterer selber unverändert den anderen überdauert. Da hier somit das Resultat der Wechselwirkung beider dasselbe ist, wie bei einem bewussten Kampfe zweier Indi- viduen, so habe ich es für berechtigt gehalten, auch denselben Namen dafür zu verwenden, zumal da für diese erst neu beachtete Art der AVechselwirkung ohne Bewusstsein, kein besonderer Name exi- stirt, und der ganze Vorgang sich auf die angedeutete [■1-92] Weise principiell von den anorganischen Wechselwirkungen unterscheidet. Da die Flammen durch ihre Assimilation und eine gewisse vSelbstregulation Selbsterhaltungsprocesse darstellen, so kann man sie zur Demonstration derartiger Kampfesweisen be- nutzen. Es lässt sich zeigen, wie eineWachsflamme mit einer Gas- flamme zugleich unter einen umgekehrt aufgehängten Glastrichter ge- bracht, von letzterer vernichtet wird und zwar an einer Stelle, wo sie vorher ganz gut sich weiter zu erhalten vermochte. Die Wachs- flamme kann ihrerseits wieder eine Stearinflamme ver- nichten. Ebenso kann man die Wachsthumshemmung einer schwächeren Flamme durch eine stärkere deutlich vorführen, wenn man zwei Papier streifen, von denen aber der eine mit Oel ge- tränkt ist, gleichzeitig anzündet und unter den Glastrichter bringt. Nachdem die Terpentinölflamme schnell gross aufgewachsen ist und Indiroctor Kampf dor Tlioilc 219 ihr Material aufgezehrt hat, langt die his (hihiii klein gebliebene Papierflamme erst an, sich weiter zu vergrössern. Es giebt in der Pathologie zahlreiche Vorkommnisse, welche auf einen Kampf unter den Zellen hinweisen, so das Eindringen von einer Zelle in eine andere unter entsprechender Usur der Substanz der letzteren, z. B. bei der Aufzehrung der durch ITnterbrechung der Blutcirculation geschwächten Muskelfasern durch einwandernde weisse Blutzellen (s. I, S. 258). Der Kampf unter den selbsterhaltungsfähigen Theilen einer Zelle dagegen wird sieli schwerer durch directe Beob- achtung nachweisen lassen. Diese Wechselwirkung von Zellen oder sonstigen selbsterhal- tungsfähigen Theilen des Organismus, welche mit Verkleinerung oder gänzlicher Vernichtung des Einen durch das sich vergrössernde oder allein überlebende Andere verbunden ist, kann auf sehr verschiedene Weise vor sich gehen. Erstens kann dieser Kampf ein ,,directer" sein, indem die eine Zelle durch ihr Wachsthum die andere Zelle beim Mangel des Raumes direct am weiteren W a c h s t h u m li e m m t , oder s i e direct erdrückt, derart, dass letztere immer kleiner wird und schliesslich schwindet. Bei Raummangel werden also ceteris paribus die druckfesteren Zellen allein übrig bleiben und allein sich weiter ver- [493] mehren. Ferner kann eventuell die eine Zelle die andere direct aufzehren, wie es wohl in dem erwähnten pathologischen Beispiele und normalerweise im Embryo mit den Dotterzellen seitens der Zellen des Keimes geschieht [oder wie es mit dem Schwanz der Anurenlarven stattfindet]. Oder zweitens der Kampf ist ein in direct geführter, in- dem die eine Zelle der anderen nur die Nahrung vorweg nimmt, sofern letztere nur spärlich vorhanden ist und eine der Zellen stärkere chemische Affinitäten besitzt. Solche Wechselwirkung kann auch zwischen nicht benachbarten Zellen, ja zwischen ganz entfernten Organen stattfinden, indem die stärkst assimihrenden Zellen am rasche- sten dem spärlichen Blute so viel Nahrung entziehen, dass der Ge- halt desselben an den betreffenden Stoffen bald so gering wird, dass die schwächeren Organe nur wenig oder bald nichts mehr ihm zu 220 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. entnehmen vermögen. Dieses Verhältniss erklärt wohl zum Tlieil die ungleiche Gewichtsabnahme der Organe bei der Inanition, zumal da hierbei die thätigsten , also am meisten verbrauchenden Organe, wie Herz und Gehirn, am wenigsten schwinden. In dieser Wechselwirkung werden also ceteris paribus nur die kräftigst assimi- lirenden Zellen übrig bleiben. Es leuchtet ein , dass , wenn diese kräftigeren Gebilde nicht im (Organismus vorhanden gewesen wären, die schwächeren noch hätten weiter leben können, und dass umge- kehrt in dem Maasse, als die schwächeren Tlieile noch Nahrung auf- nehmen, diese den stärkeren entzogen wird. Und es ergiebt sich, dass, wenn die schwächeren Tlieile einmal auf die geschilderte Weise durch die Existenz der stärkeren etwas benachtheiligt worden sind, ein Cir- c u 1 u s der S e 1 b s t s t e i g e r u n g d e r \^ e r s c h i e d e n h e i t eingeleitet ist, welcher erstere Theile beim Andauern der äusseren ungünstigen ^^erhältnisse allmählich zum Tode, also zurP]limination des Schwächeren führen muss. Sind noch andere Mittel zum Leben nöthig, so können natür- lich die Theile auch noch diese Erfordernisse einander wegnehmen, z. ß. den functionellen Reiz. Wenn z. B. in den Muskelfasern Theile sind, welche den functionellen Reiz ceteris paribus leichter aufnehmen als die anderen, so werden, nach der zur Erklärung der functionellen Anpassung gemachten Annahme, bei einer für die Erhaltung der ganzen Faser ungenügenden Reizzufuhr die leichter erregbaren Theile die weniger leicht erregbaren durch A^orwegnahme einer Lebensbe- dingung der Vernichtung überliefern. [494] In diesen beiden Arten directen und indirecten Kampfes führt die Auslese zu einer Züchtung besonderer Qualitäten im Orga- nismus; und die allein zur Erhaltung ausgelesenen Theile werden durch das ungleiche Verhalten der Theile des Organismus gegen eine äussere Ursache (Raum- oder Nahrungsmaugel) bestimmt, welclie an sich alle in die Wechselwirkung "eintretenden Theile in gleicherweise betrifft. Zweitens kann umgekehrt auch bei gleicher Qualität der Theile eine Auslese durch locale Begünstigung von Theilen zu Stande kommen, welche in der Art ihres Zustandekommens noch den Namen eines indirecten Kampfes verdient und wiederum zu Auslose (Imvli localt- Hegünstisuni;. 221 einer totalen A^eniiclitunu' der Ivxistcii/, di's cinni diii'cli ilie l^xistcii/ des anderen füln-t. Diese Art der Wechselwirknng beruht auf ilauslese im Orgauismus. 225 braiiclit. Alsdann ist es denkbar, dass z. IV diircli doii ruiictioncllcn Reiz Theile so gestärkt worden, dass sie sieli vcjrnichren und dabei ibre Naebbarn direct erdrücken oder als Nabrung verwenden, sie ani'- zebren (directer Kampf); andere Tbeile werden [498] vielleicbt blos so weit gekräftigt, dass sie bei der blossen Erbaltung ibres Volumens den anderen die niebt für alle ausreicbende Nabruno- vorwesnehmen (indirecter Kampf); oder aber manebe Tbeile werden zufolge ibrer eigenen Natur durcb den functionellen Reiz in ibrer Selbsterbaltungs- fäbigkeit geschädigt und daber direct ausgemerzt. Diese Auslese des allein unter den gegebenen Verhältnissen Selbsterbaltungsfäbigen und der Ersatz des nicht Dauerfähigen durcb die Nachkommen des ersteren erhöbt natürlich die Dauerfälligkeit des ganzen Individuum in den neu eingetretenen Verhältnissen; die Folge ist also eine Anpassung an diese Verhältnisse; und da dabei das Individuum als Ganzes erhalten bleibt, so erscheint uns diese Anpassung als eine directe, was sie auch in Bezug auf das Indi- viduum ist. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass diese directe und daher anscheinend teleologisch vermittelte Anpassung doch nur durch Auslese entstanden ist: wie nach Ch. Darwin die Anpas- sung der Art auf Kosten der Individuen, so entsteht die Anpassung des Individuum an seine Specialbedingungen auf Kosten seiner Tbeile (s. Nr. 7). Ich habe diese von mir schon mehrfach behandelten Arten von Correlationen hier aufs neue ausführlich dargelegt, weil, wie ich ersehen habe, das Verständniss dieser Vorgänge auf grosse Schwierig- keiten gestossen ist; und weil ein klarer Einblick in die ver- schiedenen Möglichkeiten für die Verwendung des Principes der Theilauslese im Organismus auch bei der Deutung der individuellen Entwickelungsvorgänge unerlässlich nöthig erscbein^ Der wirkliche Antbeil der Theilauslese an den Ent- wickelungsvorgängen kann natürlich nur durcb specielle Untersuchungen und zumeist unter Anwendung besonderer erst noch zu erfindender Metboden festgestellt werden. Hier, bei der ersten ]^Tp|^p^pj^^^ ^^l^gp f\\^ y^^^Y Zeit als mögheb in Betracht zu ziehenden W. U(iux, üesammelte Abhandlungen. II. '^ 226 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. (lift'eroiizirenden Correlationen kann l)los oui solche D eiik möglich - keiten hingewiesen werden. [Erörtern wir nun noch kurz beispielweise den eventuell mög- lichen Antheil, den die Theilauslese an der normalen Ontogenese nehmen kann oder richtiger im Laufe der Phylogenese (s. S. 232) gehabt haben kann.] Während der Entwickelung ändern viele Theile ihre Beschaffen- heit, indem sie 7ai den specifischen Geweben sich differenziren. Da- bei kommt es vielleicht vor, dass Theile desselben [499] Ge- webes in irgend einer für die Selbsterhaltung wichtigen Eigenschaft ungleich werden, so dass z.B. stärker wachsende, druckfestere Zellen andere in diesen Beziehungen schwächere direct hemmen oder ganz vernichten können; woraus dann eine voll- kommenere Gleichartigkeit und höhere Selbsterhaltungsfähigkeit des ganzen Gewebes resultirt. Ferner wechseln mit der weiteren Entwickelung die nachbarlichen Lebensumstände vieler Organe oder Organ theile und es werden diejenigen Bionten, welche in dieser Veränderung der Umgebung etwa nicht dauerfähig sind, direct ab- sterben oder soweit geschwächt werden, dass sie von den stärkeren Theilen als Nahrung verwendet werden. Soweit solches unter den Zellen vorkommt, wird es sich mikroskopisch feststellen lassen und man kann, wie J. Kollmanx^) mit Recht erwähnt, schon die Auf- zehrung der Dotterzellen durch die Zellen des Keimes in diesem Sinne auffassen; soweit es aber blos lebensthätige Zell theile be- trifft, wird es schwer nachweisbar sein. Wir wissen noch nicht, wie sich die ,,Selbstdiff e- renzirung" der Theile und die ,,correlative Differenzirung" der Theile gegen einander abgrenzen; aber soweit diffe- renzirende Wirkungen von einzelnen Theilen auf ihre Um- gebung ausgehen, können auch unter dieser alterirenden Wirkung nichtblos latente Unterschiede dieser Theile in wahrnehmbare ') J. Kollmann, Der Randwulst und der Ursprung der Stützsabstanz. Arcli. f. Anat. u. Entwick. von His u. Braune. 1884 S 382. Entstehungsursachen der verschiotlenon Bindesubstanzea. 227 verwandelt werden, wie l)ei der Sichtbarmaclnni^ des plioto- graphischen Bildes durch Uebergiessen der Platte mit schwefelsaurem Eisenoxydul, sondern es kann vielleicht mancher Theil unter dieser umändernden Einwirkung seine Selbsterhaltungsfähigkeit einbüssen, und so einfach ausgemerzt werden unter üebrigbleiben der allein differenzirbaren und somit für die weitere Entwickelung brauchbaren Substanzen . Zum Beispiel könnten an Stellen, wo öfters Zug einwirkt (s. I, S. 96), von verschiedenen, daselbst befindlichen Zellen vielleicht blos solche sich zu erhalten vermögen, welche sich durch Bildung zugfester Substanz, also faserigen Bindegeivehes, gegen diese Einwirkung zu schützen vermögen; während da, wo neben Druck und Zug auch starke Verschiebung der Substanzschichten gegen einander (Ab- scheerung, s. Nr. 9, S. 131) [500] stattfindet, blos Zellen übrigbleiben, welche durch Bildung von Knorpelcj rund Substanz, als des ge- eignetsten Mittels, sich dagegen genügend zu schützen im Stande sind. Noch empfindlichere Zellen können sich durch Bildung starrer Inter- cellularsubstanz von Knochengritnäsuhstanz Ruhe verschaffen, aber nur an Stellen, wo sich bereits die für die Bildung dieser Substanz nöthigen Vorbedingungen : ein gewisser Schutz vor Abscheerung bei Wirkung reinen Druckes oder des Wechsels von reinem Druck und Zug vorfinden. [Zu diesem Schutz vor Ab- scheerung ist ziemliche Ruhigstellung der Gegend d. h. Schutz vor gröberen Deformationen nöthig, wie er in der Umgebung ver- kalkten Knorpels oder an der Oberfläche der knorpeligen Diapln'sen sich findet; auch die Bildung faserigen Bindegewebes, welche ein Vorläufer des geflechtartigen Knochengewebes ist, dient in dieser Weise.] So könnte an Stellen vermischten Muttergewebes doch ein durchaus [?] gleichartig dif ferenzirtes Gewebe entstehen; und dasselbe würde sich nach der Theorie von der functionellen An- passung zugleich zu der zweckmässigsten, das heisst der LocaUsation dieser Beanspruchung vollkommen entsprechenden Gestalt formen; denn die Entstehungsbedingung des Gewebes würde die 15* 228 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. specifische Einwirkung sein, welcher Widerstand zu leisten zu- gleich die specifische Function dieser Gewebe ist^). Die Ossificationsweise der knorpelig präformirten See- le tth eile scheint manchen Fingerzeig nach dieser Richtung hin zu geben : einmal dadurch , dass die K n o c h e n b i 1 d u n g am M i 1 1 e 1 s t ü c k der länglichen Scelettheile und zAvar als ein pheripherer Mantel, somit an der Stelle geringster Abscheerung bei Biegung des Scelettheiles, beginnt (Diaphyse), und zweitens, dass an den Gelenkenden die Ossification mitten im Innern des Knorpel- stückes, also wiederum an der Stelle geringster Abscheerung vor sich geht (Epiphyse). Ferner scheint auch die , , G r ö s s e der E p i p h y s e n " in einem bestimmten Verhältniss zur Wirkungssphäre der an den Gelenken bei der Bewegung entstehenden Ab- scheerung zu stehen. Da je nach der Excursionsgrösse des Ge- lenkes, nach der Form und Dicke des Scelettheiles und nach der mittleren Grösse der Druckbelastung bei der Bewegung des Gelenkes ein mehr oder w^eniger grosses Stück des Knochenendes von den Abs c heerungskräften erfasst und gegen das in eine Knochenschale gehüllte ,, Mittelstück", die Diaphyse, verschoben wird, so erklärt sich, dass z. B. am Kniegelenk dicke, am Ellenbogengelenk dünne Epiphysen sich finden, und dass die Epiphysen der Pfannen niedriger sind als die der Gelenkküpfe. Ebenso würde es verständhch sein, dass mit dem Wachsthum des Epiphysen- kernes die ,, Gegenabs cheerung " gegen die Diaphyse hin sieh immer mehr auf eine dünne Schicht coii- centrirt; [501] und dass natürlich auch von beiden Abscheerungsflächen jeder Epiphyse das stärkste Wachsthum an derjenigen von ihnen stattfindet, welche von z w ei Seiten her Nahrung bezieht, also an dem intermediären Epiphysenknorpel, nicht am Gelenk-Knorpel. Ebenso las st sich die „Gestalt und Localisation'' der meisten „Apophysen" (so z. B. am Becken, am Schulterblatt, an [1) Zur Entstehung von typischen Gestaltungen sind aber, was nicht zu übersehen ist, schon bestimmte typische, wenn auch nur einfachere (Gestaltungen als Vorbedingungen nöthig.] Entstohungsursachen der Diaphysen nnr] Epiphysen. 229 (Ion Wirbeln) diosoin für die lOpiphyscn ei'örterteii ( Jesiclilsi.imcte unterordnen; die intermediären Kpi))!) ysen - und iVpophysen- linicn würden die Localisiitionsstellen der stärksten Ab- scheerung, also diejenigen Stellen bezeichnen, wo in Folge der Be- festigung der Muskeln und ihrer Wirkung an dem Seelettheil die stärksten Verschiebungen paralleler Substanzsehiehten gegen einander stattfinden. Da Abseheerung der si)eei t'i sehe Thätigkeits- reiz der Chon drob lasten sehi würde, so verstünde es sich von sell)er, dass an diesen Stellen das stärkste Knorpelwaclisthum statt- fände. Ferner erklärt sich bei unserer Annahme der Umstand, dass auch die kurzen Knorpel, sowie die Entdiondrome und die FjC- ehondrosen von innen aus verkalken und ossificiren. Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass diese Ableitung der Bildung der Seelettheile ebenso zulässig ist, wenn die specifischen Bindesub- stanzen nicht durch Auslese aus verschiedenen vermengten Blastemen entstanden, sondern wenn dieselben aus einem gemeinsamen Ur- blastem hervorgegangen sind, welches schon durchweg die Eigenschaft mitbrachte, auf die geschilderten specifischen Einwirkungen hin diese specifischen Gewebe hervorgehen zu lassen; und dass es dafür auch unwesentlich ist, ob die specifische Intercellularsubstanz von den Zellen aus gebildet wird oder direct in der Intercellularsubstanz des ürblastemes ^) in Folge des Reizes sich bildet. Auch die noth- [502] 1) Für Abhängigkeit der Bildung des Bindegewebes und des Knorpels von äusseren Einwirkungen auf das Urblastem (den parablastischen Gewebekeim) hat sich schon His (Die Häute und Höhlen des Körpers 1865 S. 27, und Körperform 1874 S. 128) und zwar sehr apodiktisch ausgesprochen; dabei sind aber die specifi- schen functionellen Reize dieser Gewebe, welche er doch verniuthlich gleich wie ich als die Bildungsursachen hat supponiren wollen, nicht ganz zutreffend bezeichnet. So lässt er Bindegewebe ausser durch Zug auch noch durch Druck entstehen, ob- gleich es sich im normalen Individuum blos da findet, wo entweder reiner Zug stattfindet, oder wo die Verhältnisse derartig sind, dass ein- wirkender Druck sich in Zug umsetzen muss: Knorpel entsteht nach ihm da, wo gleichmässiger Druck oder Zug seitens der Nachbartheile auf die parablasti- schen Massen wirkt, nach H. Strasser (Entwickelung der Extremitätenknorpel 1879, S. 18) durch Druck und Zug, während M. Kassowitz (Die normale Ossification 1879. S. 206) schon Druck mit Reibung und Verschiebung als den specifischen Lebensreiz des Knorpels erkannt und sorgfältig begründet hat. Dagegen giebt letzterer Autor bezüglich der Ursachen der Knorpelverkalkung und jeder Art von Knochenbilduiii; diesen Gesichtspunkt vollkommen auf und behauptet (a. a. 0. S. 348), dass in letzter 230 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. wendige Reihenfolge des „Auftretens der Biudesubstanzen'' bleibt dabei dieselbe. Ein noch halb flüssiges Gewebe kann weder rein auf Zug noch rein auf Druck in Anspruch genommen werden; denn die weiche Substanz wird bei den Einwirkungen nachgeben, und es wird starke Verschiebung benachbarter Substanzschichten gegen einander, Abscheerung, eintreten. Jede Einwirkung wird sich dabei in unendlich viele Beanspruchungsiichtungen zerlegen. Es muss daher bei Zugeinwirkung zunächst ehi faseriges Gewebe mit ver- wirrten Fasern in dem weichen Grundgewebe entstehen; und nur bei von Anfang an immer derselben Zugrichtung und schon geeig- neterer Beschaffenheit des Urblastemes zur faserigen Bindegewebsbil- dung konnte relativ früh ein rein in der directen Zugrichtung als der Kichtung stärkster Beanspruchung gelegenes specitisches Gewebe sich bilden. Ebenso entsteht bei Druck auf ein weiches Gewebe zugleich starke Abscheerung, also ist die Bedingung für Knorpel gegeben Erst nach des Knorpels genügender Ausbildung kann, in Folge der ungleichen Localisation der Abscheerung, an den S. 228 charakterisirten Stellen der Verringerung der Abscheerung, zunächst die ,, Knorpelverkalkung", dann die ,, geflechtartige Knochenbildung" und nach dadurch hergestellter noch grösserer Ruhe und dadurch bedingter Reinheit der Zug- und D ru c k b ean s pru c h ung die Bildung ,,lamellösen Knochens" einsetzen und letztere dann successive weiter schreiten, indem durch die vorhandene Knochenlage immer eine Instanz doch immer das iieriostale nnd endostale Gefässsystem allein die äussere Form und die innere Architektur der Knochen bestimmten; und Murisikr (Arch. f. Kxj^erim. Pathologie Bd. o) lässt Knochen durch Z u g an dem Periost gebildet werden. Die allgemeinen Gesichtspunkte dieser Auffassung habe ich bereits, ehe ich die An- sichten dieser Autoren kannte, ausführlicher entwickelt (Kampf der Theile 1881 S. 176), mich daselbst aber noch der oben (S. 227) gegebenen Definition der specifischen Functionen der einzelnen Bindesubstanzen enthalten. Die ersten Keime derartiger Ableitung der ßindesubstanzbildung finde ich bei Ludwig Fick (Ursachen der Knochen- formen 1857), welcher auch schon (S. 9) „äusserste Ruhe und Abwesenheit aller Be- wegung" (richtiger: „Verschiebung") als Vorbedingung der Knochenbildung für nothig erachtet. Verschiedene Ursachen embryonaler und phyldgcnrti.sclier (iesfalfuiii;cn. 231 nächste Niielibarsc-lik'lit ,,ruliio; gostelK'- wird; und dies so lange, bis endlich die Stellen stärkster Abscheemng neben den inter- mediären Epiphysenschichten erreicht werden nnd damit die Möglich- keit der Funetionsberaubmig des Knorpels durch den Knochen vor- läufig [bis dieser Knorpel von selber alterschwafh wird] ihr l'jide crrciclil. [503] Trotz der Uebereinstimmung der so abgc Ici tc t t'u Prädilectionsstellen mit den wirklichen Anfangsstellen der Knochenbildung und trotz des Umstandes, dass die Binde- substanzenbildung im Embryo den von uns als nothwendig vorge- zeichneten Weg in der That einhält, sprechen doch sehr gewichtige Thatsachen gegen die Gültigkeit unserer Ableitung für die ,,cmbryonale" Ent Wickelung. So einmal das Vorkommen ziemlich wohlgebildeter Phalangen in solchen sechsten Fingern, welche blos durch Haut, Nerven und Gefässe mit der Hand verbunden sind (und ich möchte nicht wagen, ohne besondere Untersuchungen an- zunehmen, dass an diesen Stellen von den Muskeln kommende Sehnen erst nachträglich geschwunden seien); ferner das Vorkommen von ziemlich wohlgeformten Knorpeln, Knochen und Sehnen in muskel- losen Extremitäten (Allessaxdrini, E. H. Weber), sowie in Epignathis, in Sacralteratomen, in Amorphis, die Bildung der Reit- und Exercir- knochen, sowie die Myositis interstitialis ossiticans progressiva und be- sonders die Ossification der Vogelsehnen. Eigens darauf gerichtete Untersuchungen werden erst die Entscheidung über den wahren Werth dieser Einwendungen zu bringen haben ; dabei wird sich auch zeigen, ob in diesen „selbstständig" entstehenden Scelettheilen die Gewebe vollkommen normal gesondert sind, oder ob sich vielleiclit atypische Gewebsvermischungen in ihnen besonders häufig vorfinden. Es scheint, was Gegenbaur^) bezüglich der Entstehung der Ge- lenke bemerkt, allgemeinere Geltung zu haben; nämlich dass in der „embryonalen" Entwickelung Theile selbstständig angelegt und bis zu einem f unctionsfähigen Grade ausge- bildet werden, welche phylogenetisch durch functionelle Anpassung (sowie Kampf der Theile oder andere Ursachen) ausge- bildet worden sind. 1) C. Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie des Menschen lö8o S. 113. 232 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Es scheinen die f unctionellen Reize blos noch für den Rest der Entwickelung, der in das eigentliche functionelle Leben selber fällt, nothwendig zu sein, wie ich das schon bei früherer Gelegenheit ausführlicher erörtert habe^). Unsere Ableitung über die Entstehung der verschie- denen Bindesubstanzen und die Gestaltung aus ihnen kann danach nur mehr eine „phyloyenetiscJte'-' Bedentnng bean- spruchen [504] und weiterhin vielleicht für das eigentliche „func- tionelle Leben" des Individuums, sowie für die Heilung der Knochenbrüche den Zusammenhang der EntAvicke- lungsvorgänge bezeichnen; während dagegen die Periode der „ersten Anlage" und der ihr folgenden weiteren Aus- bildung der Organe von ,, selbstständigen", d. h. den sich differenzirenden Theilen selber innewohnenden Bildungs- energien beherrscht ist, die aber wohl nur in den allge- meinen Zügen die von uns charakterisirten Bildungen nachahmen, und in den Feinheiten: in den Richtungen der Bälkchen der ^^Wachstliumsarchitehtnr'\ in der Gestalt der Epiphysenlinien etc. mannigfache Abweichungen erkennen lassen. Für diese Periode hat vielleicht die Auffassung Kassowitz' von der Bestimmung der Gestalt und Structur der Knochen durch das Gefässsystem (S. 229 Anm.) eine gewisse Gültigkeit. 3. Mechanische Massencorrelationen. Eine dritte seit längerer Zeit als mitbetheiligt bei der embryo- nalen Entwickelung erkannte, aber gleichfalls in ihrem Wirkungs- umfang noch nicht annähernd bestimmte Art differenzirender Corre- lationen ist die „mechanische Massencorrelation"^). Dieselbe er- giebt sich als nothwendige Folge theils des continuir liehen Zusammenhangs, theils des räumlichen Zusammenge- drängtseins ungleich sich vergr össernder, verkleinernder oder sich umordnender Tlieile. Um dieses Princip richtig zu 1) Nr. 4, S. 52, S. 180 u. S. 201, Nr. 8, S. 5 u. 50. [2) Mehrere Autoren citiren diese von mir eingeführte Bezeichnung zu kurz blos als : Massencorrelation. Die Definition siehe S. 240.1 Differenzirende Correlationen : 3. Mechanische Massencorrelationon 23.- verstehcn und seine Wirkungen von denen der von uns sog. for- malen Selbstdifferenzirung sondern zu können, nuiss etwas weiter ausgeholt und eine theoretisehe h^kizze der Formenbildung voraus- geschickt werden, welche aber unserem gegenwärtigen ))eschränktcn, blos auf die T o p o g r a p h i e der Ursachen gerichteten Zwecke an- gepasst sein soll. Eine der Betrachtung unterworfene Summe materieller Tlicilchen heisst ein „materielles System". Die Gesammtheit aller gegen- seitigen Lagerungsbeziehungen dieser Theilchen heisst die „Con- ti guration" des Systemes. Unter der „Form" des Systemes dagegen ist die gegenseitige Lagerung aller die ()l)er fläche des Systemes bildenden Theile zu verstehen. Sofern es uns blos um die Kenntniss der jeweiligen Lagerung der die Oberfläche bildenden Theile des S3^stemes zu thun ist, kann die Form desselben für sich betrachtet werden; wenn wir aber auch nach der genauen Kenntniss der eventuellen Form Wandlungen [505] streben, zugleich aber keine Garantie gegeben ist, dass immer dieselben Theile die Oberfläche bilden, sondern wenn es möglich ist, dass bei den Wandlungen auch innere Theile an die Oberfläche ge- langen oder oberflächliche Theile in die Tiefe treten, so wird es für das Verständniss auch der blossen Formwandlungen nötliig sein, immer zugleich auch die Anordnung der inneren Theile, also im Gegensatz zur Form die „Structur" des Systemes mit in den Bereich der Betrachtung zu ziehen. Dies wird um so unerlässhcher, wenn zu- gleich auch die Erforschung der Ursachen der Formwandlungen das Ziel der Untersuchung sein soll. Es kann vorkommen, dass die Ur- sachen der Formänderung bald mehr in den oberflächlichen oder mehr in den inneren Theilen liegen. Wir werden uns daher zu be- streben haben, die Configuration aller Theile des Systemes in jeder Phase der Wandlung zu kennen und die Bahnen aller Theile zu verfolgen (s. S. 2). Jede Formbildung ist blos eine Aenderung der früheren .An- ordnung der die neue Oberfläche des Systemes bildenden Theile; und ebenso ist jede neue Configuration blos als die Aenderung einer früheren Lagerungsbeziehung der Theile des ganzen materiellen 234 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Systemes zu betrachten und ab/Aileitcn. Die Lageänclerung von Theilen zu einander vollzieht sieh durch Bewegung eines oder mehrerer oder aller Theile. Jede Aenderung des Bewegungszustandes eines T heil es kann nur unter IVIitwdrkung einer von aussen auf den Tb eil wirkenden Kraft hervorgebracht werden und nin- unter einer der ihm ertheilten Beschleunigung gleich grossen und entgegen gerichteten Reaction. Wirkung und Gegenwirkung bilden zusammen ein „dynami- sches Sj^stem". Zwei Theile können entweder in der Richtung ihrer Verbin- dungslinie eine Aenderung ihrer gegenseitigen Lage erfahren , oder zugleich resp. ausschliesslich rechtwinkelig zu dieser Linie gegen einander verschoben werden (s. Nr. 9, S. 131). Die Aenderung in der Richtung der Verbindungslinie, Näherung oder Entfernung, kann entweder durch die den Theilen selbst innewohnenden Kräfte bedingt sein, und ist dann als xoWkommcue S el h s f d i ff er en^i r nni('i;vn. Bei geeigneter \'ertheilung- dieser anziehenden nnd abstossenden Kräl'te könnten sogar anch an denjenigen Stellen, welche die AngritTsstellen bei der passiven Deformation bildeten, ganz dieselben C'onügurationen der Theile entstellen wie bei der passiven Deformation ; nur müsslen dann vorliegenden Falles die nnendlieh zahlreichen \'erschiedeii- heiten in der Kraftvertheilung alle einzeln dnrch entsprechend zahlreiche besondere Ivraftgrossen derTheilchen verursacht sein, während sie passiven Falles alle mit einem Male von blos zwei Ursachen aus erzeugt werden. Würden wir eine derartige Uebereinstimmung in der Configuration vieler Tli eilchen gefunden haben, dass sie alle von blos zwei Ursachen ableitbar wären, so würden wir wohl eine gewisse Neigung hegen, die zwei entsprechenden Kräfte auch als die Ursache derselben anzunehmen. Die gegenwärtige Er- örterung weist uns aber darauf hin, dass mit dieser Annahme die Entstehungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft sind. Je nach der Anordnung und Natur der den Stab biegenden inneren Kräfte könnte die Vertheilung von Wirkung und Gegenwir- kung derartig sein, dass z. B. bei der geringsten Verletzung des aus eigenen Kräften gebogenen Gebildes dasselbe in seinem ganzen Verlaufe sich wieder ein wenig oder mehr oder ganz streckt, ähnhch wie eine [509] Bologneser Glasthräne beim Abbrechen ihrer Spitze ihre ganze Gestalt total verliert (wobei sie sich in zahllose Stückchen zersplittert). Solches Verhalten würde ein Zeichen sein, dass der ganze gebogene Stab ein einziges dynamisches System bildet. Andererseits könnte vielleicht z. B. blos ein Drittel des Stabes nach Verletzung sich strecken, und das Gleiche bei weiterer Verletzung des noch gebogenen Theiles ein- treten. Diese durch eine Verletzung entspannten Systeme könnten sich allemal nach beiden Seiten von der Verletzungsstelle gleich weit verbreiten ; oder aber sie könnten eine feste Lagerung am Stabe haben, derart, dass bei Verletzung irgend einer Stelle, z. B. des mittleren oder eines äusseren Drittels, immer dieses ganze Drittel sich streckt, wonach dann der ganze Stab als aus drei geschlossenen, für sich bestehenden und blos aneinander gereihten Systemen gebildet, aufzufassen wäre. 238 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. Oder umgekehrt, der gebogene Stab lässt sich in beliebig kleine Stückchen zerlegen, ohne dass eines derselben seine der Biegung des Ganzen entsprechende Gestalt ändert, ein Beweis, dass in jedem kleinsten Stückchen die Krcäfte sich im Gleich- gewichte befinden, dass die Bezirke von Wirkung und Gegen- wirkung unendlich klein sind. Ferner könnte dieselbe Form des Stabes durch Thätigkeit innerer Kräfte blos auf ,, einer" Längsseite stattfinden. Indem z. B. auf einer Seite alle Theile sich gegenseitig mit der nöthigen Kraft anziehen, werden sie unter passiver Dehnung der anderen Seite das Gebilde gleichfalls krümmen. Der Stab zerfällt dann in einen Bezirk der Selbstdiff erenzirung , welcher zufolge seines Zusammenhanges mit einem anderen Bezirke diesen passiv deformirt; die Aenderung des ganzen Stabes ist gleichwohl aber als Selb.stdifferenzirung desselben zu bezeichnen. Für die äussere Betrachtung ^\^rd es nicht möglich sein, den Sitz der activen Deformation zu ermitteln; wohl aber mit Hülfe des Experimentes: schneiden wir den Stab auf der concaven Seite an , so wird er sich an dieser Stelle strecken; wird er auf der convexen Seite angeschnitten, so wird er sich an der Verletzungsstelle noch stärker krümmen und uns so einen Schluss auf die Vertheilung der deformirenden Kräfte gestatten. Ist aber das Material nicht ge- nügend elastisch, so wird sich die passiv deformirte Zone an die De- formation innerlich anpassen, und der Effect beim Anschneiden bleibt aus. In [510] gleicher Weise kann der Stab durch active Ausdehnung einer Seite gebogen werden, wobei natürlich die Sehne des gebildeten Bogens eine etwas grössere sein wird als im umgekehrten Falle. Auch bei dieser correlativen inneren Differenzirung können geschlossene dynamische Systeme gebildet werden, je nach Anordnung der activen Kräfte ; so dass die Biegung gleichsam so erfolgt, als hätten sich in einer in gerader Linie an- einander gefügten Reihe von Bausteinen alle Steine nach derselben Seite hin keilförmig zugeschärft; dies z. B. Avenn ein Theil der Massen- theilchen einer Längsseite gegen die andere hin translocirt worden ist. Dieselbe Bieiruncr des Stabes kann natürlich auch durch Verschiedene ürsaclieu von Configiiiiitionsiimlcruiisjc'n. 239 C(>iiil)in;ition iiussorcM' und innci'er Ki'iiftc lici'voruchi'iU'li t werden. Strebt /.. 15. der Stab sich der Lauge nach auszudehnen und wird daran (hn-ch seithche Widerlager gehemmt, so entsteht ein Bogen, an dessen Bildung beide Ursachen gleichen Anthcil haben, so dass die Unterscheidung von Vorbedingung und si)eciHsclier Ur- sache nicht zu niaclu'u ist. Hat aber der Stab eine dünne Stelle, welche sich daher am stärksten biegt, so ist für diese Ungleichheit der Biegung die spccifische ,,Ursaclie" also innerhalb des mat(M-iellcn Systenies gelegen, und die Aussenkräfte waren blos die ,,\\^rbe- dingung" dieser specifischen Biegung. Auch in diesem Falle wird beim Wegfall der Aussenkräfte der elastiche Stab sich wieder strecken. Es erhellt aus dieser kurzen Uebersicht, dass es ausserordentlich schwer sein wird, aus der blossen Beobachtung einer Form- änderung auf die ^^ e r t h e i 1 u n g der Ursachen derselben zu schliessen, und dass eine positive Gewissheit durch diese im wahren Sinne des Wortes ,, oberflächliche" Methode überhaupt nicht zu gewinnen ist. Eine etwas grössere Wahrschein- lichkeit richtiger Beurtb eilung wird durch die Hin zu- nähme der Betrachtung der ,, inneren Um Ordnungen" angebahnt. Die organischen Gebilde, deren Formwandlungen wir zu unter- suchen haben, besitzen durch ihre Zusammensetzung aus lauter einzelnen Bausteinen, den Zellen, in der Gestalt und Anordnung dieser Elemente eine Structur, deren Veränderungen bei gehöriger \^or- sicht manche Schlüsse auf die Ursachen stattfindender Deformationen der aus ihnen zusammengesetzten Gebilde gestatten. Je [511] nach der Richtung und Vertheilung der umgestaltenden Kräfte, nach dem Lageverhältniss der activen und passiven Theile zu einander, wird diese Structur durch verschiedene Umgestaltung und Umordnung der Ele- mente eine verschiedene Aenderung erfahren können. In der genauen Verfolgung dieser structurellen Aenderungen ist somit ein Mittel gegeben, einen we iteren Einblick in den eigent- lichen „Vorgang" der Formbilduug zu erlangen und gewisse Schlüsse auf die Localisation und Richtung der die Bildung bewirkenden Kräfte zuziehen. Es war daher ein 240 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. grosser Fortschritt unserer Keniitniss und Erkenntniss dadurch an- gebahnt worden, dass His ^), welcher zuerst die mechanische Corre- lation als ein wichtiges fornibildendes Princip der individuellen Ent- wiekelung in ausgedehntem Maasse zur Erklärung verwandt hat, auch zuerst die Beschaffenheit der Structur in solchem Sinne beob- achtete und verwerthete, worin ihm dann H. Strasser-) u. A. nach- gefolgt sind. Bis jetzt hat sich indess diese Verwerthung blos auf die einfachsten, ohne eine besondere Theorie verständlichen Bildungen beschränkt. Bei der in den Organismen vorhandenen, durch Wachs- t h u m , V e r m e h r u n g , W a n d e r u n g, passive und vielleicht auch noch active Gestaltung der Zellen gegebenen grossen Zahl von Möglichkeiten, wird die weitere Ausnutzung dieses Principes mit grossen Schwierigkeiten verbunden sein und nicht ohne ein- gehende analytische Untersuchung möglich sein. Wir sahen, dass durch Ausdehnung oder Zusammenziehung von circumscripten Theilen einer grösseren Masse, diese letztere auf grössere Strecken hin oder in ihrer Totalität deformirt werden kann. Die passive Umformung von Theilen, durch sich ändernde Nachbartheile, sowie auch die passive Formung activ sich ändernder Theile durch äussere, der intendirten Aenderung Widerstand leistende Theile wollen wir als ,,inechaiiisclie Masseiicorrelatioii" bezeichnen siehe auch S. 253). Vorkommen mechanischer Massencorrelation im Embryo. Es ist nun die Frage, ob, und eventuell, wie weit solche Corre- lationen bei der embryonalen Entwickelung vorkommen und form- [512] bildend betheihgt sind. Ungleiche Vergrösserung zusammenhängender, rings umschlossener Theile ist von His vielfach nachgewiesen; also müssen Falten- bildungen u. dergl. gleichfalls stattfinden. Daraus folgt nun aber noch niclit, das die Falten passiv unter Vermittlung durch einen 1) W. His, Unsere Körperform 1874. 2) H. Strasser, Zur Entwickelung der Extremitätenkuorpel bei Salamandern und Tritonen. Morphol. Jahrbuch 1879 Bd. 5. Vorkommen mechanischer Masseiicorn'liitidnen. 241 äusseren Ausdolm ungs widerstand orzeui;t worden seien; soiidci'n es kann mit der Vergrösserung zAigieicb aus eigenen inneren Kräften das Material sich so umordnen, dass es sicli von selber biegt, wie vorstehend austuhrhcli erörtert worden ist; dabei wird dann der Widerstand der Seitentheile gar nicht für die Deformation in Anspruch genommen, sondern, was wolil davon zu trc^nnen ist, nur für die Rückwirkung der eventuell dabei stattiindendeii \'er- schiebung des l^assenmittelpunctes des sich umformenden Theiles. Sofern aber die Ausbiegung nur durch den seitlichen Dehnungswiderstand bedingt ist, so muss die Biegung eine ganz bestimmte, von der E 1 a s t i c i t ä t s g r ö s s e des M a t e r i a 1 e s an jeder Stelle, ferner von der Dicke dieser Stellen u. s. w. abhängige werden. Sofern eine üeber- einstimmung der Biegungsform mit diesen Factoren nicht vorhanden ist, ist dies ein Beweis, dass wenigstens noch andere Kräfte als der äussere seitliche Widerstand die Form- bildung beeinflusst haben müssen. Die Versuche, welche ich bisher zur Entscheidung dieser Fragen gemacht habe, sind noch sehr wenig zahlreiche und hatten zumeist blos den Zweck, die thatsächliche liichtigkeit einigei- bezüglicher An- gaben von W. His zu prüfen. His leitet seine bezüglichen ürtheile nur aus descriptiven Be- obachtungen der Vorgänge und aus einem directen Experimente am Keime ab, durch welches er feststellte, dass die Keimblätter über- haupt elastisch sind. Er besthnmt die formalen Vorgänge möglichst o-enau durch Zeichnung und Messung und sucht dann nach der ein- fachsten Ursache, durch welche die Formwandlungen hervorge- bracht werden kann. Die einfachste Ursache einer Biegung bilden, wie wir o-esehen haben, äussere biegende Kräfte und nächstdem die Ausdehnungshemmung durch äussere Widerstände. So kommt His dahin, die meisten Formen von derartigen, grösstentheils ausserhalb der geformten Tlieile gelegenen Ursachen abzuleiten (Körper- form, Brief 4 — 6). [513] So empfehlenswerth es im Allgemeinen ist, nach den ein- fachsten Ursachen einer Erscheinung zu suchen, so ist es in W. Roux, Gesammelte AWiaiidlungoii. JI. 16 242 Nr. 18. Zur Orientirang über die Probleme etc. ganz neuen Verhältnissen, wie bei den in ihrem Wesen noch unbekannten embryonalen \^orgängen, doch sehr gewagt, die ,, ein- fachsten" Ursachen ohne Weiteres auch für die ,, wirk- lichen" Ursachen anzusehen. Ausserdem aber gilt der Satz von der einfacheren Er- zeugung von Biegungsforraen durch ,, äussere" Kräfte nur für die ,,regelmässigsten" Formen und auch da nur sehr be- dingt. Sobald es sich aber um die Herstellung ganz be- stimmter complicirter Formen handelt, werden die Be- dingungen für die ,, äusseren" Kräfte und für die Beschaffen- heit des umzuformenden Materiales ebenso complicirte oder leicht noch compli cirtere, als für die Gestaltung durch den zu formenden Theilen selber innewohnende Kräfte. Um inner- halb einer Platte eine ganz bestimmt geformte Ausbiegung durch ausser- halb der Biegungsstelle aber noch in der Platte selber gelegene Kräfte hervorzubringen, wäre neben einer sehr bestimmten und entsprechend mannigfachen Vertheilung dieser Aussenkräfte eine ebenso bestimmte und mannigfache Beschaffenheit des zu formenden Plattentheiles in seiner Dicke und Elasticität nothw^endig; und bei der geringsten Aenderung dieser Eigenschaften des zu biegenden Theiles würde der- selbe eine andere, atypische Form erlangen. Dieses Princip der Gestaltung ist somit ein sehr unsicheres und wird in der Technik deshalb für sich allein nicht verwandt. Dasselbe gilt aber aucli für die Biegung sich ausdehnender Theile blos durch Stauung gegen äussere Widerstände. Die Dicke und Elasticität der Theile werden zwar von His bei der allgemeinen Erörterung der Formbildung als wichtige Componenten aufgeführt, aber bei der speciellen Ableitung der einzelnen Formen wird die erstere nicht genügend, die letztere gar nicht speciell berück- sichtigt. So wird nicht gewürdigt, dass bei den wichtigsten Biegungen, denen zur Bildung der Medullarfaltcn zum Schluss des Medullarrohres, ferner bei der Bildung der Kopfanlage die Biegung an dickeren, oder gerade an den dicksten Stellen der Platte stattfindet; während doch, bei passiver Erzeugung der Biegung durch Ausdehnungswiderstand, die Biegung ceteris paribus an den dünnsten Stellen erfolgt. So spricht Vorkoiiinien mechanischer MassencoiTehitioncii. 24'> IJis noch in seiner jüng'sten bezüglichen [514-| AhhaiKhung') von einer ,, mechanischen Verdünnnno'^ der ventralen Wandung des Me- duUarrohres bei der Erhebung der Seitentheile des letzteren zum Schlüsse des Rohres. Danach müsste die Erhebung der Öeitcntlieile passiv erfolgen, was im vorderen Theile des Medullarrohres nur durch einen Druck von Seiten des daselbst fünfmal dünneren Hornblattes möglich wäre. Die Substanz des Hornblattes müsste deshalb eine 2r)iiinl grössere Elasticität besitzen als die der ventralen Wandung des Medul- larrohres, eine Voraussetzung, welche jedenfalls besonders zu beweisen wäre. Desgleichen ist kein Versuch gemacht, die bei solchen passiven Formungen entstehenden, weit ausgebreiteten Spannungen innerhalb der Platte, deren His zwar gedenkt, wirklich nachzuweisen. Hat His mit Recht aus seinen genauen Messungen über das ungleiche Wachsthum der Theile auf die Nothwendigkeit eintreten- der Biegungen geschlossen, so konnte er natürlich nicht so- weit gelangen, nachzuweisen, dass gerade im Einzelnen diejenigen Formen entstehen mussten, welche dem be- treffenden Embryo eigen sind; indem aber die Schlüsse bis auf diese speciellen Formen ausgedehnt werden, kommt in die Conclusio eine Bestimmung, die in der Prämisse nicht enthalten war. His übergeht ferner, dass der Causalnexus der von ihm er- mittelten Masse num läge rungen, wie aus unserer obigen allge- meinen Darlegung hervorgeht, auch gerade der ,, umgekehrte" des von ihm angenommenen sein kann; indem nämlich dieTendenz zur Biegungsformation einer Stelle gerade das Primäre sein und in ihrer Bethätigung vielleicht sogar passiv durch Deh- nung das nöthige Wachsthum der Umgebung veranlassen kann; und dass zwischen diesen beiden extremen Fällen eine unendliche ^i,eihe von Möglichkeiten liegt, über deren wirklichen Antheil an der Entwickelung nur das Experiment, nie aber die Messung der stattfindenden Massenumlagerungen ent- scheiden kann; denn diese selben Massenumlagerungen 1) W. His, Ueber das Auftroten der weissen Substanz und der Wurzelfasern am Rückenmark menschlicher Embryonen. Arch. f. Anat. und Entwickelungsgesch. 1883 S. 1G5. 16* 244 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. können, wie wir gesehen haben, in Bezug anf das Umgelagerte ebenso- w o li 1 a c t i V e w i e p a s s i v e s e i n . Eine derartige Auffassung ist schon in der Ausführung Paxder's ') enthalten, welcher sagt, dass [515] seine Leser sich ,,wo von den Faltungen der Keimhäute die Rede ist, niclit leblose Membranen vorstellen sollen, deren mechanisch gebildete Falten nothwendig sich über die ganze Fläche verbreiten , ohne sich auf einen bestimmten Raum beschränken zu lassen; denn dieses müsste unvermeidlich zu irrigen Ansichten führen. Die die Meta- morphose der Häute bedingenden Falten sind vielmehr selbst orga- nischen Ursprungs und bilden sich an xiem gehörigen Orte, sei es nun durch Vergrösserung der dort schon vorhandenen oder durch ein Hinzutreten neuer Kügelchen, ohne dass dadurch der übrige Theil der Keirahäute verändert würde". Wenn ich hier im Elinzelnen den Ausführungen Hi.s' mehrfach entgegengetreten bin, so will ich nicht unterlassen zugleich auszu- sprechen, dass ich trotzdem das grosse Verdienst zu würdigen w^eiss, welches His sich durch sein energisches Bestreben und die fleissige Arbeit für die Begründung einer causalen Auffassung und Erkennt- niss der individuellen Entwickelungsvorgänge erworben liat. Versuche über die Wirkung passiver Deformationen auf den Embryo und über den ,,Selbstschluss " des Darm- undMedul- larrohres. Um den Embryo directauf die eventuellen, bei passiver Biegung entstehenden, über grosse Flächen verbreiteten Spannungen zu prüfen, zerschnitt ich lebende Froschembryonen im Stadium der Medullarfurche quer und der Länge nach in viele Stücke; an keinem Stücke al)er war eine Formänderung wahr nehm bar. Dasselbe war, wie vorn erwähnt, bei den grossen Ent- spannungssclmitten und bei der Bildung von Zungenlappen an noch weiter lebenden Froschembryonen der Fall, soweit nicht zugleich pas- sive Deformationen künstlich hervorgebracht worden waren; auch hier fand keine Ausgleichung der Medullarfalten statt. Dies beweist, ') Pander, Beiträge zur Entwickelun^'SgescIiiclite des Hühnchens. 1817 S. 40. Vitale Anpassungsfähigkeit an passive Deformationen. 245 thiss jedes der so liergestellteii Stiiclcc dieser Forinvii in, „innerem GJeiclKjewichte'' sich befand. Daraus folgt aber noch nicht, dass sie nicht durch passive Umform- ung entstanden seien. Denn sofern eine sehr vollkommene Anpassungsfähigkeit desMateriales an solche passive Um- formung vorha ndon ist, so braucht in jedem Momente nur ein minimaler Ueherschnss von Z/van;/ vorbanden zu sein. Zur Prüf u n g a u f d e r a r t i g e, h o c h g r a d i g e A n p a s s u n g s- fähigkeit des Embryo wurden die Embryonen innerhalb ihivr Gallerthülle durch Einklemmen zwischen Nadeln verbogen. AVenn die Nadeln nach der Deformation sofort wieder entfernt wurden, so nahm der Embryo sogleich wieder seine frühere Gestalt an; blieben sie da- [516] gegen nur einige Stunden stecken, so war die De- formation schon eine zunächst bleibende geworden und wurde erst im Laufe me.hr er er Stunden wieder rück- gängig gemacht; ein Beweis , dass bereits innere A n p a s s u n g an die neue Form eingetreten war, welche aber im Laufe der weiteren Entwickelung, vielleicht durch die bei der Deformation gehemmten, die normale Gestalt intendirenden ^) Wachsthumskräfte wieder ausge- glichen wurde. Die so erwiesene rasche vitale Anpassungsfähigkeit [1) Da His an dieser Fassung", da.ss die durch äussere Einwirkung hervor- gebrachte und erst im Laufe mehrerer Stunden nach dem Aufhören der Einwir- kung allmählich wieder rückgängig gemachte Deformation durch die „die normale Gestalt intendirenden Wachsthumskräfte" wieder ausgeglichen werde, An- stoss genommen hat, (Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1894, S. 52), so sei statt der „intendirenden" Wachsthumskräfte: auf die Herstellung der normalen Form „eingestellten" Wachsthumskräfte gesagt. Wir sehen häufig, dass ein durch Nahrungsmangel im Diekenwachsthum zurückgebliebenes Kind, oder ein durch mechanische Einwirkung am normalen Wachsthum gehemmter Theil eines jugend- lichen Organismus nach dem Wegfall dieser Ursache rasch das Versäumte nachholt; woraus zu schliessen ist, dass die durch den Keim ül)ertragenen immanenten Wachsthumsgr össen durch eine zeitliche Hemmung ihrer Bethätigung nicht vernichtet werden. Der von His herausgezogenen „elastischen Nachwirkung" kann bei dieser Langsamkeit der Rückbildung des Groben unserer Deformation nur ein ganz untergeordneter Antheil zukommen, da, soweit Elasticität betheiligt ist, das Grobe der Deformation rasch nach dem Aufhören der deformirenden Kraft wieder rückgängig gemacht wird.] 246 Nr. 18. Zur Orientlrung über die Probleme etc. der Embryonen an erzwungene D e f o r m a t i o n e n in der Periode der raschesten Differenzirung hat mich nicht gewundert. Aber es überraschte mich weiterhin zu sehen, dass auch be- fruchtete ungefurchte sowie in der ersten Furchung be- griffene Frosch eier, welche doch aus fast Hüssigem Materiale bestehen, durch obige Methode zu einer den Zwang über- dauernden Aenderung ihrer Gestalt veranlasst, z.B. drei- oder viereckig gemacht werden konnten^). Dabei zeigte sich aber, dass die Eier unter der Wirkung dieses Zwanges leicht abstarben. Diese Versuche, nebst einem gleichfalls an Froschembryonen vorgenommenen Versuche über die Entstehung der Rautengrube wurden bereits vor zwei Jahren (1882) angestellt, und die Absicht, weitere Versuche an Hühner embryonen vorzunehmen, war in Vergessenheit gerathen. Erst jetzt im Oktober bei der Ausarbeitung dieser Schrift wurde ich wieder daran erinnert, und versuchte das Versäumte nachzuholen ; aber von allen in dieser späten Zeit nocli bebrüteten Eiern entwickelten sich blos einige \venige , an welchen ich die folgenden Beobachtungen machte. Ein Hühnerembryo von 40 Brütstunden mit am Kopf- und Halstheil geschlossenem Medullarrohr wurden durch seitliche, der Medianlinie parallele Schnitte aus der Umgebung ausgelöst und herausgenommen. Obgleich auf der einen Seite nur noch ein Stück Seitentheil von der l)reite des Medullarrohres neben diesem letzteren, auf der anderen Seite aber fast nichts vom Seitentheil des Embryo mein- vorhanden war, breiteten sich die noch unvereinigten Theile der Me- li ullarwülste doch nicht seitlich aus; auch nicht, nachdem die hintere Hälfte des Embryo mit dem noch offenen Medullarrohr von der vorderen geschlossenen Hälfte getrennt Avorden war. Vorgenommene momentane Verbiegungen des Embryo glichen sich immer sofort wieder vollkommen aus. [517] Bei einem anderen Embryo mit noch breiterem Anliang der Urwirbel und Seiten platten , sowie bei einem in toto herausgenom- [1) Dies deutet Avohl auf eine grosse murphologische Anpassungs- fähigkeit der Ei- resp. Furchungszelle, speciell derEirinde hin, die sich ja auch in der raschen Neubildung der letzteren bei den P'urchungen selber bekundet.] »Selbstschluss-' des Modullarrohres. 247 meiien Embryo wurdon von den beiden Seiten bei- die .Scitcntbeile gegen das noch offene Mediülarrohr hingedrängt, um es entsprechend His' Annahme dadurch zu verengen, resj). zmn Sclduss /u bringen. Aber es bogen sicii nur die Scitentheile in sich oluie Effect für das Medul larrohr; und erst als die Ealten dieser Theile direct an die Urwirbel und (hese dadurch an (he Mcthilhirwülste angepresst wurden, wurden auch diese letzteren einander genähert. Also ein Beweis, dass die Seitentheile viel biegsamer sind als das Medullarrohr und daher letzteres nicht passiv verengen können. Diese Embryonen wurden zuletzt in viele Stücke zerschnitten, doch änderte keines derselben erkennbar seine Gestall. Bei einem weiteren Embryo aber rollte sich der rechte Seitentheil des Horn- blattes längs des noch offenen hinteren Theiles des Medullarrohres dorsal medianwärts ein und bedeckte so die Medullarfurche. Alle folgenden Embryonen wurden aus dem Eic sofort in er- wärmte physiologische Kochsalzlösung übertragen, während die bisbcr erwähnten nur in Brunnenwasser von Zimmertemperatur gethan wor- den waren. Ein Embryo von 35 Brütestunden, mit noch ganz offenem Medullarrohr, zeigt blos vorn in einer kleinen Strecke die Medullar- wülste schon bis zur Berührung genähert. Die deutliche Erhebung der Wülste erstreckt sich blos bis zum ersten Urwirbel nach hinten. Die Seitentheile sind jederseits nur in einer Ausdehnung von der Breite der Medullarfurche mit herausgenommen. Trotzdem wird keine seitliche Verbreiterung der Medullarfurche durch den Wegfall des von Hi^ vermutheten seitlichen Druckes bemerkbar. Eine Viertelstunde nach der ersten Beobachtung er- streckt sich die Erhebung des Medullarwulstes bis zum vierten Ur- wirbel, und im Bereiche des vorderen Theiles des Medullarrohres haben sich die Ränder desselben erheblich genähert, an einer ge- messenen Stelle von 0,23 mm auf 0,05 mm. So wurde also eine weitere Erhebung und Näherung-der M e d u 1 1 ar w ü Iste direct beobachtet, nachdem die Seitentheile des Embryo abgeschnitten worden waren; ein Beweis, dass diese Vorgänge 248 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. unabhängig von diesen Seitentheileu [518] vor sich gehen können, also wohl „Selbstdiffereuzirung" der sich umformenden Theile des Medallarroh res darstellen, da die Urwirbel im vorderen Theile des Embryo gleichfalls nicht die nöthigen Bedingungen für geeignete Beeinflussung des Medullarrohres darbieten^). Die Entstehung der R a u t e n g r u b e leitet Hi.-^ von der Brückenkrümmung, von der dorsalwärts concaven Biegung des primären Hinterhirnes ab, auf Grund der ähnlichen Form, welche ein der Länge nach etwas aufgeschlitzter Gummischlauch zeigt, wenn er gegen den Schlitz hin concav gebogen wird. Um die Richtigkeit dieser Auffassung zu prüfen, hatte ich zu- nächst Frosch embryonen verwendet, obgleich diese normal eine JDesonders kleine Brückenkrümmung und schmale Rautengrube haben. Ich bog lebende Embryonen mit noch offener Medullarfurche dorsal- wärts um bis zum rechten Winkel; aber es entstand nur eine sehr geringe Abflaehung und seitliche Verbreiterung der Medullarvvülste. Ein Embryo, welcher über Nacht in einer Lordose von 00" erhalten worden war , hatte am andern Morgen diese Gestalt bleibend ange- nommen; das Medullarrohr war noch offen, zeigte aber keine Rauten- grube. Ich weiss nicht, ob er nicht vielleicht sehr bald abgestorben war. Es ist zu bemerken , dass bei Froschembryonen sehr häufig- erhebliche Lordosen durch Raumbeengung innerhalb der Gallert- hülle sich ausbilden, ohne dass eine Bildungsab weichung des Medullarrohres, etwa Wiederaufplatzen desselben mit nachträg- licher Bildung einer Rautengrube im Lendentheil entstünde. Die Experimente an den wenigen Hühner embryonen dieses Herbstes ergaben folgende Resultate. Der obige erste Embryo mit noch im Ganzen offenem, vorn aber schon im Schlüsse begrift'enen Medullarrohre wurde, in Wasser von Zimmertemperatur befindlich, in seinem Halstheil um etwa 90° rückwärts gebogen, ohne dass jedoch eine wesentliche Verbreiterung der Medullarfurche an der Stelle entstand. Nach dem Aufhören der biegenden Einwirkung schnellte er wieder [1) Weiteres ßeweismaterial für den „Selbstschluss" des Medullarrohres bietet die Gestalt der Semiinedulla dorsalis lateralis dar, s. Nr. 22, S. 144.] Künstliche Rautengrube des Medullanohros. 249 in seine frühere Form /uriiek. Dasselbe Resnltat ergal) der obige iMnbrvo mit schon in (U'r vorderen Hälfte geschlossenem Medulkir- rohr. Erst nach niehrinals wiederholter Rückwärtsbiegnng um viel über 90° platzte unterhalb der Ectoderm das Medullarrohr auf. [519] Der letzte obige Embryo wurde, nachdem er unter meinen Augen das Medullarrohr weiter ausgebildet hatte, im hinteren Kopftheil 90" rückwärts gebogen, ohne dass die Medul- lär wülste seitlich auseinander wichen, wie es an einem aufgespaltenen ({ummirohr bei gleicher Biegung ge- schieht. Aus diesen Versuchen ergiebt sich also übereinstinnnend, dass die Mass enanor dnun ge n bei diesen Hühner- und Froscli- embryonen nicht derartig waren, dass sich nach His' Ver- muthuug durch solche Rückwärtsbiegung rein „passiv" eine Rauteugrube erzeugen Hesse. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass in ehier solchen Biegung eine mechanische Tendenz zu einem Auseinanderweichen der seitlichen Wülste vorhanden ist, welcher aber durch den Widerstand der äusseren Nachbarschaft mehr oder weniger das Gleichgewicht ge- halten werden kann. Nachdem aber die forterhaltene Biegung 15 Minuten ohne deformirenden Erfolg geblieben war, be- merkte ich, dass sich auf einmal das Medullarrohr an der Bieg- uno-sstelle seitlieh verbreiterte, und dass eine ähnliche Ver- breiter ung auch mitten im Kopftheil, welcher nach rückwärts con- vex gebogen war, stattfand; innerhalb weiterer 4 Minuten wurde dann bereits das Maximum der Erweiterung erreicht und eine vor- her gemessene Stelle hatte sich dabei von 0,03 mm auf 0,13 mm ver- breitert. Ein anderer Hühnerembryo mit einem am Kopftheil bereits ge - schlössen eu, in der hinteren Hälfte im Schlüsse begriffenen Me- dullarrohr wurde in der gleichen Weise im Kopftheil convex, im hinteren Halstheil aber erheblich über einen rechten Winkel, etwa 150^ concav rückwärts gebogen, beides gleichfallsohnemomen- tanen erweiternden Effect auf das Medullarrohr. Nach einiger Zeit jedoch öffnete sich der mittlere Kopftheil des Rohres 250 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. unterhalb des Ectodenn und die Augenblasen erlangten ganz abnorme Gestalt; weiter caudal, etwa in der dorsal vom aboralen Herz- rand gelegenen Gegend des Medullarrobres hildete sich eine ivohlije formte, durch scharf ahgeJcnickte Seilivärtshieg- nug der Medullarwülste ausgezeichnete .^Banfengruhe^'- aus. Kopf wärts davon waren die Medullarwülste n och ein z w e i t e s M a 1 seitlich aus gebogen, aber an nicht vollkommen symmetrisch ge- legeneu Stellen, so dass diese zweite Oettinung des Medullarrobres eine mehr schlanke, rhomboide Form darbot (siehe S. 252). An diesen Fall schliesst sich wohl das oben erwähnte Vorkomm- niss von seitlicher Ausbiegung der Medullarwülste in der [520] mitt- leren Rumpfgegend bei stark lordotischen Froschembryonen an, deren Eier während der Furch ung angestochen waren (S. 167, Nr. 116; S. 178, Nr. 112 und S. 172, dritter Embryo); auch in diesen Fällen war typische Rautengrubenform vorhanden ^). Das letzte entwickelte Ei war unzweifelhaft schon von der Henne bebrütet; denn es ))ot nach 36 stündiger künstlicher Bebrütung einen Embryo von etwa 6 0 Brütstunden dar; dieser \yurde daher blos zu Verbiegungsversuchen verwandt. Der Embryo bekundete wie alle früheren Embryonen eine sehr vollkommene Elasticität und kehrte nach jeder momentanen Deformation rasch zu seiner nor- malen Gestalt zurück. Jede Verbieguug jedoch, welche 5 Minuten lang (NB. im warmen Wasser ) passiv erhalten worden war, zeigte sich als bereits durch innere xVnpassung für einige Zeit fixirt. Der Embryo, an welchem die Öeitentheile ziemlich breit, etwa in doppelter Medullarrohrbreite jederseits erhalten waren, überlebte die Herausnahme aus dem Eie um zwei Stunden. Der hinterste Theil des Embryo war bei einer ungeschickten Mani- pulation hall) abgequetscht worden und wurde deshalb ganz abgetrennt. [1) Dieselbe konnte aber hier umgekehrt auf Hemmung des nachträglichen Schlusses der Asyntaxia beruhen; ganz abgesehen davon, dass an dieser Stelle stets der nachträgliche Schluss am spätesten erfolgt (s. S. 185, Anm.), also blos die besondere seitliche Verbreiterung auf Hemmung durch die Lord ose gedeutet werden kann.l „Selbstschluss'' des Darmrohrcp. 251 Einige Zeit naeli der irercUisnahme liel mir auf, das« .sich an einer Stelle die Seitentheile von beiden Seiten her ventral bis last znr Berührung genähert hatten. Ich vermuthete 7Ainächst, dass es eine bleibend gewordene unbeabsichtigt vorgenommene passive Aenderung sei. Es wurde nun jede weitere Beeinflussung vermieden , und es zeigte sich, dass sich die seitlichen Wandungen einander immer mehr näherten, sich fest zusammenschlössen bis zur Berührung, dann noch weiterhin zur Vereinigung des so gebildeten P^nddarmes und zwar derart, dass die Ränder der Seitentheile sich wieder nach aussen wölbten, während mehr medullarwärts gelegene Stellen zur Berührung mit einander gelangten. Dieser somit direct beobachtete „Selhst- schJnss des Darw rohyes'' betraf nur das hintere Drittel des Embryo, Hess also die Gegend hinter dem Herzen offen. Dagegen war der Schluss auch an dem abgetrennten hintersten Stücke des Embryo aber in etwas geringerem Maasse zu beobachten. Die Stelle stärkster Krümmung [521] lag hier aber jederseits näher der Mediane))ene ; die mehr lateralen Tlieile wurden blos passiv mitgenommen, ohne sich zu biegen. Wir haben also zu dem oben beobachteten Selbstschluss des Medullarohres in diesem Selbstschluss des Darmrohres noch ein zweites Beispiel, nicht durch Stauung gegen äussere Theile, sondern activ an dem Umformungsherd selber erzeugter Biegung kennen gelernt'). Nach welcher von den oben erörterten Möglichkeiten aber diese Biegung durch Selbstdif f erenzirung vor sich geht, ob unter keilförmiger Selbstumgestaltung der Zellen, oder unter Zellwachsthum oder Zellansammlung auf der convexen Seite oder durch Zellschwund oder -Auswanderung an der concaven Seite etc., das ist natürlich [1) Diesen Versuchen kann noch der Einwand entgegengehalten werden, dass vielleicht die Kochsalzlösung nicht ganz die entsprechende Concentration gehabt hätte und dasb daher der Selbstschluss durch eine schrumpfende Wirkung des fremden Mediums bedingt gewesen sei. Um dem zu begegnen, habe ich jüngst die Operation im Ei selber vornehmen und das Ei danach noch einige Stunden der Brutwärme aus- setzen lassen, worüber im Arch. f. Entwickelungsmechanik berichtet werden wird. His gedenkt in seiner S. 245 Anm. genannten Arbeit der vorstehend mitge- theilten Versuche überhaupt nicht. 252 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. nur durch besondere, diesem Zwecke angepasste Untersucbungsweisen zu ermitteln. Der Umstand, dass der Selbstscliluss beider Rohre nach der Abtrennung von der seitUchen Umgebung so rasch erfolgte, deutet vielleicht darauf hin, dass diese Umgebung, im Gegensatze zu der Vorstellung von His, als Hinderniss für den Schluss aufzufassen ist ; sofern man nicht annehmen will, dass durch die abnormen Bedingungen besondere den Schluss be- wirkende Kräfte ausgelöst worden wären, oder dass auch innerhalb des Eies der Verschluss sich zu derselben Zeit und mit derselben Geschwindigkeit vollzogen haben würde; w^as wenigstens für das Darmrobr vielleicht ein wenig zu früh gewesen wäre. Aber aller- dings entsteht um diese Zeit am Entoblast eine ähnliche Biegung, welche indess unter normalen V-'erhältnissen nicht zum Verschlusse führt, vielleicht, weil die Seitentheile durch den Dotter noch zu sehr auseinander gehalten werden. Bezüglich der Rautengrube dagegen erhielten wir das Resultat, dass es möglich ist, durch Rückwärtsbiegung desMedullar- rohres eine entsprechend gestaltete Grube sogar an nicht dafür bestimmter Stelle zu erzeugen. Zugleich aber erkannten wir, dass die Umformung dabei nicht einfach mechanisch und rein passiv vor sich geht, wie bei der Biegung eines aufge- schlitzten Gummischlauches [denn dann hätte sie wie beim Gummi- schlauch zugleich mit der ursächlichen Deformation entstehen müssen], sondern dass die Entstehung der Rautengrube erst durch die sehr rasche anpassende Lebensthätigkeit der Gewebe [wohl Wachsthum an den Stellen und in Richtung des Zuges, Verminderung an den Stellen verstärkten Druckes] ermöglicht wird. Aus diesem Befunde lässt sich aber noch nicht sicher folgern, dass die „normale" Rautengrube wirklich auf diese Art entstehe; [522] sondern es wird diese Eventualität dadurch blos in den Bereich der empirischen Möglichkeiten gerückt. Die so von mir künstlich hergestellte Rautengrube gehört der Art ihrer Entstehung nach genau genommen nicht mehr in die Gruppe mechanischer Massencorrelationen. Doch empfiehlt es sich wohl, Andere differenzirende Correlationeu. 253 diese Art ..(hncli »icr/i (( tnsrhc M et ssen cor ycl a ii on rer- mittcUer vitaler Uniforunn/;/'' mit als Untcnibtlicilniio- in diesen Absclmitt aufzunehmen, Aveil sie verm u tlil i cli die häu- figere ist gegenüber der „rein mechcui isclicn jlfafifie)/- correlation" , der rein passiven Umformung lebenden Materiales. Denn es wird liei mechanischen Massencorre lation en im Organismus meist wohl zunächst nur eine selir ge- ringe passive Umgestaltung stattfinden; und erst in dem Maasse, als an diese Um^estal tung durch vitale Vorgänge successive innere Anpassung stattgefunden hat, wird allmählich die Umgestaltung weiter vor- schreiten. Ich beabsichtige, alle bis jetzt bekannten Beispiele von gestaltenden Massencorrelationen zu sammeln, um in späteren Beiträgen eine voll- kommene Uebersicht über dieselben zu geben. Vielleicht unterstützen mich die betreffenden Autoren freundlicher Weise durch gefällige Uebersendung von Separatabzügen oder von Litteraturnachweisen in der Ausführung dieser mühevollen Arbeit. ') 4. Andere diff erenzirende Correlationen. Es ist keine Veranlassung anzunehmen, dass mit den erörterten drei Arten von Wechselwirkungen : der fun ctionellen AnjDassung, der zur Theilauslese führenden Correlation und der m e c h a n i s c h e n j\I a s s e n c 0 r r e 1 a t i o n die Möglichkeiten , ,differen- zirender" Correlationen für den normalen ^^erlauf der Entwickelung erschöpft seien. Da wir den Antheil der Selbstdifferenzirung an der Entwickelung noch nicht kennen, sind wir schon aus diesem Grunde nicht im Stande, das Gebiet der correlativen Differenzirung zu um- grenzen und daraufliin zu bestimmen, wie weit die diesem Principe zugehörigen Wirkungen sich auf die erörterten drei Arten zurück- führen lassen. Dem gegenüber müssen wir, um nichts zu über- sehen, uns vorläufig vorstellen, dass vielleicht sehr viele elementaren, bereits bekannten und noch unbekannten, qualitativen und quantita- 1) Diese Bitte liat sicli gäiizlieii erfolglos erwiesen.] 254 Nr. 18. Zur Orientirung über die Probleme etc. tiven \^eränderungen selbstständig, das lieisst ohne äussere Einwirkung auf den Diffe- [523] renzirungsbezirk sich vollziehen. Andererseits aber ist auch stets daran zu denken, dass vielleicht viele dieser Vorgänge von näheren oder e n tf eruteren Theilen d 6 s O r g an i s m u s ausgelöst oder in einer d i f f e r e n z i r e n d e n Weise beeinflusst werden können. Es ist wohl nicht nöthig, noclniials liervorzuheben, dass jede Differenzirung, an sich betrachtet, das Product von Wechseh Wirkung ist; und dass es uns bei der Unterscheidung von selbst- ständiger und abhängiger Differenzirung immer nur darauf ankommt, zu ermitteln, ob die specifische Ursache einer Ver- änderung in dem Bezirke der wahrnehmbaren Veränderung selber oder ausserhalb desselben gelegen ist (s. S. 208). Wir wollen allmählich die einzelnen Differenzirungsvorgänge sowie für jeden der- selben die Ausdehnung und Lage seines Ursachenbezirkes sowie die Zeit dieser Verursachung kennen lernen, weil wir auf (Irund dieser Kenntniss dann weiterhin Schlüsse über die Natur der Ursachen ableiten und so Handhaben für die Erforschung ihrer selbst gewinnen können (s. S. 16). Es fehlt nicht an Erscheinungen, welche auf ihrem Wesen nach nicht näher bekannte Correlationen hinweisen; z. B. die Aus- bildung der secundären Geschlechts Charaktere, welche in so entschiedener Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Geschlechts- drüsen, ja angeblich sogar von der Geschlechtsdrüse der entsprechen- den Körperhälfte stehen; ferner die secundären Veränderungen bei der Schwangerschaft, soweit sie nicht der ^unctionellen An- passung zugehören. Desgleichen die Erscheinung der vorzeitigen Reife des ganzen Körpers (A. Kussmaul i). Ferner vielleicht zum Theil die Ursachen des verschiedenen Habitus des ganzen Körpers oder der Gesichtsbildung, z. B. die neuerdings von Kollmann''') nachgewiesenen Correlationen der Ge sieht sbildung. Im dritten Beitraoe wird auf eine andere neue Correlation gefahndet 1) A. Kussmaul, Würzburger med. Zeitschr. Bd. 3 S. 321—360. ••i) J. KoLF.MANN, Correspondenzblatt der deutschen antlirop. (lesellsch. 1888. Nr. 11. Andere difloreiizirontle Corrolationen. 255 werden (s. Nr. 20, S. 50 iiml Nr. oO). Man wird tcriici' daran deid n n e n . in letzterem Falle würde die Medianebene blos das Material der beiden Antimeren scheiden, dieses Material jederseits aber' in sicli noch so gleichartig beschaffen oder gemengt sein, dass das Dorsal oder Ventral an sich erst noch durch eine besondere Ursache different gemacht werden müsste. Andererseits aber können beide Bestimmungen auch ur- sächlich und zeitlich zusammenfallen, sofern der Bildungsvorgang der Art ist, dass auf irgend einer nicht in der bereits gegebenen Axe gelegenen Stelle des Eies Material entsteht oder sich ansammelt, welches seiner Natur nach nur einen dorsalen oder ventralen Theil bilden kann. Dann ist durch die Lage dieses einzigen besonders qualificirten Punctes mit dem Dorsiventral zugleich auch die Lage der Medianebene normirt. Dies sind indess nur die M i n i m a 1 b e d i n g u n g e n, welche noch für die vollkommene Axenbestimmung des Embryo zu erfüllen sind. Es ist selbstverständlich, dass in Wirklichkeit [9] die Verhältnisse viel com- plicirter sein können, indem z. B. statt eines einzigen diffe- renten Theiles, von welchem aus dann alle übrigen Th(?ile geordnet und bestimmt werden müssten [Epigenesis], tausend verschiedene Theile zugleich eine bestimmte Lagerung oder Ver- änderung erfahren können, welche über Dorsiventral entscheidet, ob- gleich, wie dargethan, schon jeder einzelne zu dieser Bestimmung genügt haben würde. Es wird eine spätere Aufgabe sein, die spe- cielle Natur dieser Verhältnisse zu vermitteln; zunächst soll unser Bemühen nur das Zeithche dieser Bestimmung festzustellen suchen. Da unter normalen Verhältnissen bei der schiefen Einstellung der Eiaxe von Rana esculenta das Dorsal durch den hellen Saum der von oben sichtbaren Eihälfte gegeben ist, und da weiterhin dieser Saum durch die erste, Avie erwähnt, die Medianebene des Embryo dar- 288 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. stellende Furche stets symmetrisch getheilt, also halbirt wn*d, so scheint hier der Fall vorzuliegen, dass eine qualitative Verschieden- heit mit dem Dorsal zugleich die Medianebene bestimmt. Es fragt sich nun, wann diese Verschiedenheit, welche die Richtung der Medianebene desEmbrj'o im Ei bedingt, selber normirt wird. Auch das unbefruchtete Ei der R. escul. stellt sich mit seiner Axe schief ein; und sofern diese Einstellung- identisch ist mit derjenigen zur Zeit der ersten Furchung, so würde also in der That schon am unbefruchteten Eie die Lagerung des künftigen Embryo in allen Hauptrichtungen vollkommen gegeben sein; wonach der ,,formalen Evolution" also ein sehr erheblicher Antheil an der Entwickelung zukäme; und der Samenkörper würde nur in verhältnissmässig ,, untergeordneter" mehr auf das Einzelne beschränkter oder gar blos anregender Weise sich an der Entwickelung des Individuums betheiligen. Dagegen könnte der A n t h e i 1 d e s 8 p e r m a t o z o o n an d e r 0 n- togenese ein noch fast dem Ei ,,gleichwerthiger" sein, wenn z. B. durch die Richtung seiner Copulation mit dem Ei kern die noch fehlende eine Richtung zur Fixirung der Median- ebene und vielleicht sogar die Entscheidung über die Lagerung des Dorsal und Ventral bestimmt würde. Je nach der Entscheidung dieser Frage müsste sich auch unsere Auffassung über die erste Zeit und die Ursache der Entstehung der Doppelbildungen mit vollkommener und unvollkommener Verdoppelung der Axenorgane richten. Schon jetzt spricht aber gegen eine Bestimmung aller Axen des [10] Embryo vor der Befruchtung die wichtige Beobachtung H. Fül's^), dass er beim Eindringen von mehreren Spermatozoen in das Ei eine mehrfache Urmundbildung entstehen sah. Zu dem Versuche, diese fundamentale Frage am Frosch- ei zu entscheiden, waren besondere Vorrichtungen nöthig. Denn einmal bietet das Froschei keine geeigneten Differenzirungen dar, 1) H. FciL, Recherclies sur la fecondation et le commencemeiit de Tlienogenie chez divers animaux. 1879. I. Früheste Zeit der Bestimmung der Richtung der Medianebene. 289 welche zu eoiitrolliren gestatten, ob genau dieselbe Einstellung vor und nach der Befruchtung vorhanden ist; denn unter derselben Ein- stellung ist nicht blos die Neigung der Eiaxe, welche direct be- obachtet werden kann, zu verstehen, sondern auch die Erhaltung immer desselben „obersten" Meridianes. Um die Einstellung dieses Meridianes controlliren zu können, klebte ich an die Gallert- hülle des Eies ein Stückchen Haar. Damit nun aber das Ei sich nicht innerhalb dieser Hülle drehen könne, musste die Quellung der- selben in Schranken gehalten werden. Das Ei war daher in eine Flüssigkeit zu bringen, Avelche neben geeignet hohem specifischem Gewichte, um das Ei schwimmend zu erhalten, eine zu starke Quellung der Gallerthülle nicht gestattete und zugleich die Spermatozoen nicht schädigte. Nach mehreren Versuchen erwies sich folgende Methode als die brauchbarste. Das Ei wurde nur wenige Minuten in die Samen- flüssigkeit gethan und darin zugleich mit dem Haar armirt. Danach wdrd es unter sorgfältigster Vermeidung der Entstehung von Luft- bläschen am Ei in ein kleines Glas übertragen, welches am Grunde Quecksilber zum Zwecke der Spiegelung der Unterfläehe des Eies und darüber eine dicke Lösung von reinstem Gummi arabicum als Men- struum enthält. Leider wirkte die zum Schwimmen der Eier geeignete (nimmilösung direct wasserentziehend auf die Gallerthülle, so dass sich das Ei in Folge des gestiegenen specifischen Gewichtes zu Boden senkte, sofern nicht rechtzeitig noch dickere Lösung zugesetzt wurde; womit aber natürhch ein Circulus vitiosus eingeleitet war, w^elcher es ausserordentlich schwer machte, das Ei bis zum Eintritt der Furchung schwimmend zu erhalten, zumal die Gummilösung wohl auch auf [11] den Samen, selbst wenn er schon in die Gallerthülle eingedrungen war noch nachtheilig einwirkte, da sich die grosse JNIehrzahl der Eier nicht furchte. Nach der Uebertragung in das Menstruam nahm das schwimmende FA rasch eine bestimmte Stellung ein, zu welcher es auch, nach mehr- fachem Anstossen von verschiedenen Seiten her, immer wieder zurück- kehrte. Nach solcher Prüfung wurde sofort die Stellung durch Abbildung der oberen oder unteren Hemisphäre nebst Angabe der Dicke der Gallert- W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. ]I. 290 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. hülle und der Stellung des Haares abgezeichnet und weiterhin alle fünf bis zehn Minuten controllirt, um alle eventuellen Stellungsveränderungen rechtzeitig zu bemerken und gleichfalls zu fixiren. Anfänglich wurden die Eier nur zwei Minuten im Samen gelassen und dann sogleich in das Menstruum übertragen. Da sie sich aber nicht furchten, und da zugleich in den ersten zehn Minuten keine Aenderung bemerkt wairde, so Hess ich die späteren Eier vier Minuten im Samen, um die Samen- körper recht tief in die Gallerthülle eindringen zu lassen, ehe die schädliche Wirkung der Gummilösung begann, wurden die Eier noch zuvor vier bis sechs Minuten an der Luft gehalten, weil sie, zum Zw^ecke der Verhütung zu starker Quellung, nicht so lange im Samen verbleiben durften. Bei jedem Versuche wurden zum Vergleich ,,unbef ruchtete" Eier in der gleichen Weise behandelt und in ihrem Verhalten be- obachtet; nur dass sie statt in Samen in filtrirtes (Jderwasser gelegt wurden. Ausser den Eiern von Rana esculenta stellten auch die schwimmenden unbefruchteten Eier von „Rana fusca" sich mit ihren Eiaxen meist stark geneigt ein. Von 14 Eiern, deren erste Einstellung vier bis zwölf Minuten nach dem Momente der Einlegung in Wasser aufgezeichnet wurde, haben elf Stück in den ersten drei Stunden ihre Einstellung nicht geändert; bei den meisten fand sogar erst nach fünf, bei einigen erst nach zwanzig Stunden eine solche Aenderung statt. Zwei Eier dagegen haben sich fortwährend langsam gedreht; eines desgleichen, aber erst nach ein und einhalb Stunden. Die Aenderuugen betrafen sowohl die Neigungen der Eiaxe wie den obersten Meridian. In zwei Fällen änderte sich auch die Stellung der Eiaxe zum Haar, ein Zeichen, dass das Ei sich innerhalb der Gallerthülle drehen konnte. [12] Das Resultat ist also, dass bei ,, unbefruchteten" Eiern während der ersten Stunden nach dem Einlegen in Wasser zumeist keine innere Umordnung des ungleich specifisch schwereren Materiales stattfindet, w^elche zu einer Verlagerung des Schwerpunctes führt. In selteneren Fällen war dagegen eine stetige Umordnung wahrnehmbar. I. Früheste Zeit der Bestimmun.n- der Hirlitiuig der Mcfliancbene. 291 \\iii 47 Eiern, welelu' in Samen eino-elesit waren, bildeten blos acht die erste Furche, keines theilte sich weiter; ein Zeichen der starken Schädigung, welche durch die Gummilösung hervorgebracht wurde. Es wird von Interesse sein zu ermitteln, ob dies durch Schädigung des Samens in der Art bedingt ist, dass er blos noch den ersten primärsten Entwickelungsvorgang hervorzubringen vermag, so dass also gleichsam seine feineren Eigenschaften alterirt wurden und er daher blos eine „Partialhefrtichtung^' zu vollziehen im Stande war, oder ob eine dauernde Schädigung des Eies durch die Gummi- lösung stattfindet ; eine Frage, welche vielleicht durch baldiges Ueber- tragen des Eies aus der Gummilösung in Wasser zu erledigen sein wird. Es war deutlich bemerkbar, dass die Eier nach der Be- fruchtung viel rascher in ihre Einstellung zurückkehrten, wenn sie aus derselben entfernt worden waren, als vor der Be- fruchtung, wodurch meine erste bezügliche Mittheilung vervoll- ständigt wird [s. S. 261]. Der weisse Pol wurde nach der Befruch- tung meist sogar so rasch wieder nach unten gewendet, dass es schwer war, ihn überhaupt durch l)losses Umstossen des Eies sicht- bar zu machen. Also hatte sich der Unterschied im specifi- schen Gewichte der schwarzen und weissen Hemisphäre durch die Befruchtung ausserordentlich vergrössert^). Da- gegen kam es bei manchen ,, unbefruchteten" Eiern vor, dass sie überhaupt in jeder ihnen gegebenen Stellung sich schwim- mend erhielten; [ihr Schwerpunct lag also im Centrum des Eies]. Die später gefurchten Eier gehörten sämmtlich derRana ,,f usca" an und hatten anfangs eine Neigung ihrer Eiaxen von ca. 90°, 60°, 50*^, 50«, 30^ 20°, 20°, 20°; sie veränderten ihre Neigung schon 13 bis 30 Minuten nach der Besamung, einmal erst nach 90 Minuten, und zwar um zur ,,senkrech'ten" Einstellung der Eiaxe über- [13] zugehen, welche meist in Zeit von ein bis zwei Stunden, also noch vor der Copulation der beiden Pronuclei erreicht [1) Ueber das Principielle solcher Aenderungen siehe M. Verworx, die Fähig- keit der Zelle, activ ihr specifisches Gewicht zu verändern. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 53. 1892. S. 141. Hier dagegen beruht die Aenderung wohl wesentlich auf verstärkter Ansammlung des Bildungsdotters an einer (vorher bestimmten?) Stelle, s. S. 295]. 19* 292 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. war. Diese Einstellung erfährt dann, wie nach den Beobach- tungen an in Wasser befindlichen Eiern zu schliessen ist, auch während der Furchung keine Aenderung mehr. Ich hatte bei der Verwendung der Ranae fuscae gehofft, dass sich unter den vielen Eiern auch einige mit dauernder Schiefstellung der Eiaxe finden würden, da ich solches Verhalten im vorigen Jahre einige Male beobachtet hatte [s. S. 257]. Diese würden dann statt der Eier von Rana esculenta, von denen wegen ihrer grossen Em- pfindlichkeit gegen Schädlichkeiten sich leider keines gefurcht hat, haben erkeimen lassen, ob die schiefe Einstellung nach der ersten Furche mit derjenigen vor derselben identisch ist. Das Genauere der stattgefundenen Eibewegungen ist nicht leicht aus den Diagrammen der einzelnen Einstellungen zu entnehmen. Ich bediente mich zu diesem Zwecke einer zur Hälfte geschwärzten AVachs- kugel, an welche für jedes einzelne Ei ein Holzstäbchen, entsprechend der Stellung des Haares am Ei, angedrückt wurde, so dass durch Nachahmung der aufgezeichneten Einstellungen blosse Drehungen des Eies durch äussere Kräfte, Verschiebungen desselben innerhalb der Gallerthülle, und Drehungen des Eies durch Verlagerung des Schwer- punctes auseinandergehalten werden konnten. Die letzteren zerlegte ich der Uebersicht wegen in Stellungsänderungen eines charak- terisirten Eidurchmessers, der Eiaxe, und in Umdrehungen um diesen Durchmesser. Es zeigte sich, dass mit dem üeb er- gang der anfangs schrägen Eiaxe zur senkrechten Ein- stellung bei Rana fusca zugleich mehr oder weniger grosse Umdrehungen, im Maximum von 100°, um die Eiaxe ver- bunden waren, einBeweis, dass nicht eine einfache Senkung des unteren Endes der Eiaxe auf dem nächsten Wege stattfand. Die in Samenflüssigkeit befeuchteten Eier, welche sich nicht furchten, l)oten ehi sehr verschiedenes Verhalten dar, welches indess wohl mit Recht auf die beiden bisher kennen gelernten Fälle zurückgeführt werden muss. 18 von 39 Eiern [14] änderten nämlich ihre Einstellung mehrere Stunden lang gar nicht, verhielten sich so- mit ganz wie unbefruchtete Eier. Da wir nun in der Gummilösung eine Schädlichkeit kennen gelernt haben, und da die bezüglichen Eier I. Früheste Zeit der Bestiniiiumg dn- U'iclitiui;; der Modiiuiobcne. 293 immer die letzten jeder \Vr8Uchsserie bildeten, wo dei' iSamen schon gelitten hatte, so ist die Annahme wohl znlässii>-, dass diese VAev überhaupt nicht befruchtet worden waren. Die übrigen Eier änderten ihre Einstellung, doch zumeist erst nach ein bis zwei Stunden, nur eines schon nach 32 Minuten. Die Neigung der Eiaxe wurde zumeist vermindert, bei R. t'usca manch- mal bis zur senkrechten Einstellung, bei R. esculenta dagegen weniger; zugleich fanden häufig 60—80" betragende Umdrehungen um die Axe statt, so dass sich ein anderer Meridian nach oben einstellte als anfangs. Das Verhalten war also wesentlich wie bei den sich furchen- den Eiern. Nur eine unvollkommene Wirkung der Befruch- tung machte sich dadurch bemerkbar, dass sich die Eiaxe n der Ranae fuscae meist nicht bis zur senkrechten Einstellung drehten; und ausserdem fällt die Verzögerung in dem Beginne der inneren Umordnungen auf. Letztere ist indess vielleicht einfach aus der Schwächung der Samenkörper und dem dadurch ver- zögerten Eintritt des Samenkörpers in das Ei erklärbar, oder w^enn die darauf gerichtete weitere Untersuchung dies nicht bestätigen sollte, auf eine schwächere Wirkung und langsameres \'^ordringen des Samen- körpers innerhalb des Eies zurückzuführen. Umgekehrt ist bei den sich furchenden Eiern der baldige Ein- tritt der Stellungsänderung schon 15 Minuten nach dem Einlegen in Samen auffällig, da O. Hertwig ^) die Samenthierchen erst eine Stunde nach dem Einlegen in den Samen durch die dicke Gallerthülle hin- durch und oben in das Ei eingedrungen vorgefunden hat^). Man könnte danach mit Kupffer und Benegke ^) annehmen, dass schon par distance eine alterirende Wirkung zwischen Spermato- zoon und Ei stattfinde, oder aber dass je nach Umständen, viel- leicht bei [15] etwas höherer Temperatur (?), die Samenkörner rascher 1) 0. Hertwig, Beitr. zur Kenntn. d. Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Theil II. Morph. Jahrb. III, S. 46, 1877. [2) Newport (Philos. Transact. Roy. Soc. Bd. 144, S. 229, 1854) gieht an, dass erst 30 Minuten nach der Befruchtung der Samen die Gallerthülle des Froscheies durch- setzt habe.] iä) Kupffer, C. und B. Beneckk, der Vorgang der Befruchtung am Ei der Neun- augen. Königsberg 1878. 294 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. die Hülle durchdringen, oder dass das Durchdringen der Eirinde selber vom Momente der Berührung des Eies an längere Zeit in An- spruch nimmt. So lange erneute Versuche die letzteren Eventuali- täten nicht direct widerliegen, wird man ihnen wohl den Vorzug zu geben haben. Von hohem Interesse bleibt jedenfalls, dass wenn nicht schon früher so bereits von der ersten Berührung zwischen Samenkörper und Ei an solche Substanzumord- nungen vor sich gehen; und somit schon eine erhebliche ge- staltende Wirkung des Samenkörpers auf das Ei statt- findet, ehe noch die Copulation der Kerne sich vollzogen hat, welche nach 0. Hertwig') erst eine bis ein und eine halbe Stunde später vor sich geht. Ob man diese Gestaltung bereits als eine „befnieliteiide" Wirkung- bezeichnen will, wird davon abhängen, was man eigent- lich unter Befruchtung zu verstehen hat, wovon wir leider, abgesehen von den sichtbaren morphologischen Vorgängen der Copulation, nocii keine specielle, irgendwie durch Gründe vor anderen Möglichkeiten bevorzugte Vorstellung haben. Ich bin aber dafür, dass jede ge- staltende Wirkung, wie überhaupt jede Wirkung des Samen- körpers auf dasEi, als eine „befruchtende" zu bezeichnen ist, welche eine normale Bildung des Embryo oder die nothwendige Vorstufe einer solchen darstellt. Die Art der Entstehung dieser Wirkung angehend, so kann, nach der Lage der Pigmentstrasse des Samenkörpers im Eie (van Bambeke, G. Born) zu schliessen, da derselbe zwar an verschiedenen Stellen des schwarzen Poles eindringt, aber sich dann nach der Eiaxe hin bewegt, diese Umordnung der Eisubstanzen vielleicht mit dem Samenkörper setber, etwa mit einer Gruppirung des specifisch leichteren Bildungsdotters um den Samenkörper in Zusammen- hang gebracht werden; eine Auffassung, welche jüngst von O. Hertwig (loco cit.) auf Grund von vorliegenden Beobachtungen an Fischeiern und an den Eiern Wirbelloser näher begründet worden ist. I 1) 0. Hertwig. Welchen Einfiuss übt die Schwerkraft auf die Theilung der Zellen? .Jena 1884, S. 16. I. Früheste Zeit der Bestimmung der Kichtung der Medianebene. 295 Bezüglich der momentanen Conla et wirkling zwischen Ei und Samen ist ein Analogen aus dem ßereicho chemischer [16] Veränderungen zu erwähnen, darin bestehend, dass nach van Beneden ^) das Spermatozoon der Ascaris megalocephala in dem Momente der Berührung mit dem Ei schon sich derart chemisch verändert, dass es mit Carmin färbbar wird. Wenn nun auch gerade die Eier von Rana esculenta, die wegen der schiefen Stellung der Eiaxe für uns besonderes Interesse besitzen, sich nicht gefurcht haben, so dürfen wir doch wohl annehmen, dass sie sich im Falle der Furchung nicht in der Weise anders verhalten haben würden, dass sie sich etwa gleich den unbefruchteten Eiern gar nicht gedreht hätten, da doch immer die ersten befruchteten, wenn auch nicht gefurchten Eier jeder Serie sich gedreht haben. So- mit können wir also auch für Rana esculenta das an den Eiern der Rana fusca vollständig beobachtete Resultat aussprechen, dass die vor der Befruchtung bestehende Neigung der Eiaxe und Einstellung des obersten Meridianes in der Regel nach der Befruchtung nicht erhalten bleibt. Es stellt also diejenige physiologische schiefe Einstellung des Eies von Rana esculenta, welche für die Lage der ersten Furche und damit der Medianebene des Emhryo am Eie bestimmend wird, sich erst während der Befruchtung her 2). (Weiteres s. Nr. 21, S. 63.) ii Ed. van Beneden. Recherches sur la maturation de l'oeuf et la Fecondation Arcli. de Biologie 1883, T. IV. Auch separat erschienen. Leipzig 1883. [-) Zu dieser Verlegung des Schwerpunctes genügt schon das Vermögen, den Bildungsdotter unter den schwarzen Theil der Eirinde zu sammeln. Wenn dies auf allen Seiten gl eich massig geschieht, so muss der Schwerpunct in die „ Eiaxe " fallen, da diese ja blos die mittlere Verbindungslinie der schwarzen und weissen Eirinde darstellt. Ist diese Ordnung nicht auf allen Seiten gleich- massig, so resultirt eine entsprechende seitliche Verlagerung des Schwerpunctes von der Eiaxe und damit eine entsprechende Schiefstellung der letzteren. Diese Verhältnisse lassen sich also sehr leicht ableiten. Doch scheint bei der Rana escu- lenta sich auf der einen Seite eine besonders beschaffene Substanz zu sammeln rs. Nr. 21. S. 163 Anm. und 198). Bei Rana fnsca können wir also sagen: Die typische, um die Eiaxe nach allen Richtungen dem specifischen Gewichte nach gleiche An- ordnung der Dottersubstanzen des unbefruchteten Eies wird erst durch die „ V orwi rkung " der Besamung her- resp. wieder hergestellt. An Teleo stier eiern sehen wir die Keim Scheibe erst längere Zeit nach 296 Nr. 20. Bestimmung der Hauptriclitungen des Embryo etc. Die Stellungsänderungen sowohl der Eiaxe wie des obersten Meridianes waren bald gross, bald gering und standen beide in keiner Constanten Beziehung ihrer Grösse zu einander; es steht daher auch der Annahme nichts im Wege, dass eimnal blos eine Neigungsände- rung der Eiaxe oder auch diese nicht eintritt, trotz stattgehabter Be- fruchtung. Was dürfen wir aus diesem Ergebniss bezüglich unserer Frage nach der Zeit der Bestimmung der Richtungen schliessen? Hätte sich gezeigt, dass die Eieinstellung vor und nach der Befruchtung ganz dieselbe bleibt, so konnte positiv abgeleitet werden, dass das Dorsal und \^entral des künftigen Embryo schon am unbefruchteten Eie fest bestimmt sind. Bei dem negativen Ergebniss hin- gegen ist in dieser Hinsicht kein sicherer Schluss zuziehen. Denn wenn wir auch gesehen [17] haben, dass das leichteste resp. schwerste Material des Eies sich während der Befruchtung an einer anderen Stelle sammelt als vor derselben, so wissen wir doch nicht, ob nicht diese Stelle schon vorher bestimmt war. Letz- teres ist bezüglich der Anordnung des Materials zur Eiaxe bei li. fusca sogar evident der Fall, da sich hier der Schwerpunct in die Ei- axe einstellte oder doch mit wenigen Ausnahmen ihr entschieden zu- strebte. Man kann daher mit gutem Grunde die Vermuthung äussern, dass diese Umordnung vielleicht blos die Wiederherstellung der eigentlichen natürlichen Anordnung der Eisubstanzen sei; denn eine Ursache, welche vor der Befruchtung das Material aus seiner natürlichen Ordnung zu bringen strebt, ist fast bei allen Eiern vorhanden, da die Eier im Eierstock und Uterus sich in Zwangslage befinden, dabei aber mit ihren Eiaxen fast beliebig. der Befruchtung sichtbar werden; indem sich das vorher vertheilte Proto- plasma gegen eine Stelle der Peripherie zusammenzieht. Dasselbe geschieht, wie ich fand, auch erheblich eher nach der Befruchtung als normal (auch ohne Befruchtung?), in Folge von electrischer Reizung des Eies (s. Nr. 25, S. 105) ; es besteht somit auch hier eine Prädisposition zur Ansammlung des Bil- dungsdotters an einer Stelle; doch wissen Avir nicht, ob hier diese Stelle etwa erst durch die Befruchtung bestimmt wird. Beim Frosch dagegen ist diese Stelle schon vorher durch die braune Rinde der Hauptsache nach gegeben; doch kommt daneben auch der Befruchtung noch ein ordnender EinHuss zu (s. Nr. 21, S. 204)]. 1. Früheste Zeit der Bestinuming der liicbtuug der Mediauobene. 297 nur mit einem kaum sicher feststellbaren Ueberwiegcn der Abwärts- wendung der weissen Pole durcheinander gerichtet sind und bereits aus ungleich schwerem Material zusammengesetzt werden. Ich habe in Beitrag 2 (s. S. 260) mitgetheilt, dass selbst um-oife Eier von erst der halben natürhchen Grösse sich beim Schwimmen in Wasser- glas mit dem weissen Pole nach unten einstellen, und dass dasselbe auch mit jedem behebigen Stückchen des Eies, welches schwarze und weisse Substanz enthält, der Fall ist. Diese ungleich schweren JMaterialien müssen daher bei Zwangslage der Eier in schräger Stel- lung der Axe eine Neigung haben, sicli nach der Schwere zu ordnen ; dieses könnte um so vollkommeuer vor sich gehen, als das Weibchen vor der Befruchtung Tage lang ruhig sitzt. Es müssen somit im Eie Kräfte wirksam sein, welche schon zur Zeit der typischen Ordnung der ungleich schweren Substanzen ,,der Schwere entgegen" diese Ordnung herstellen und danach sie erhalten. Diese Kräfte wirken voraussichtlich auch während der Lagerung der Eier im Uterus noch ; sie sind aber vielleicht gegenüber der stetig in derselben Richtung umordnenden Tendenz der Schwere nicht ganz zureichend. Dieselben erfahren wohl, nach den mitgetheilten Versuchen zu schliessen, während der Befruchtung eine Steigerung^); [18] diese Steigerung ist indess ihrerseits wieder, wie wdr aus Born's Beobachtungen über die inneren Strömungen bei Zwangslage-) ersehen, keineswegs ausreichend, um das Material bei jeder Stellung der Eiaxe in normaler Anordnung zu erhalten. Die active Ordnung des Materiales während der Befruchtung, welche zugleich mit Erhöhung der Ungleichheiten des specifischen Gewichtes verbunden ist , 1j r a u c h t e i m M i n i m um b 1 o s in einer Sammlung der gleichartigen Substanzen zu bestehen und so, vielleicht entsprechend dem Verhalten bei Pana esculenta, [1) Andererseits ist auch vielleicht das protoplasmatische Gerüst des unbe- fruchteten Eies noch etwas weniger weichtiüssig, als nach seiner Anregung zur Thätigkeit im befruchteten Eie, sodass aus diesem Grunde trotz der tage- ja wochen- langen Zwangslage nicht annähernd so hochgradige Störungen im Innern entstehen, wie sie im befruchteten Eie bei gleicher Lage innerhalb weniger Stunden stattfinden (s. Nr. 21, S. 179).] ä) G. BoRX. üeber den Einfluss der Schwere auf das Froschei. Breslaucr ärztl. Zeitschr. Nr. 8. 1884. 298 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. keine besonders hervortretende Tendenz lial)eii, den Schwerpnnct gerade in die Eiaxe zu verlegen. Da letzteres aber bei Rana fusca ausgesprochen der Fall ist, muss hier eine besondere Prädis- position dazu vorhanden sein, welche entweder schon als solche im unbefruchteten Eie angelegt sein muss, oder vielleicht zunächst mit der Neigung des in grösserer oder geringerer Entfernung vom oberen Pole eindringenden Samenkörperchens, gegen die Eiaxe vorzudringen, in -Zusammenhang steht; wobei aber wieder die Ursache des letzteren Verhaltens eine frühere selbstständige, oder erst durch die Normirung der Stellung des weibhchen Pronucleus gegebene sein muss. Es ist wohl überflüssig, besonders zu erwähnen, dass die Lage- ander u n g d e s S c h w e r p u n c t e s, Avelche zu den beobachteten Stellungs- änderungen des Eies Veranlassung gegeben haben, nicht durch die ,, Schwerkraft", sondern „entgegen" derselben stattgefunden haben. Die Kraft, mit welcher sie vor sich gehen, lässt sich leicht für jedes Ei aus dem Moment des Auftriebes einer nn das Ei angehängten, geeignet grossen Luftblase berechnen, welche so situirt ist, dass sie das Ei zu seiner Ausgangsstellung zurückführt. Diese Grösse ist nach einigen im vorigen Jahre angestellten, allerdings noch sehr ungenauen Versuchen, ziemhch erhebhch, wenn schon sie, wie erwähnt, nicht ausreichend ist, um bei schräger Zwangslage der Eiaxe die innere Ordnung aufrecht zu erhalten. Durch diesen Befund wird das Resultat des Beitrages 2 (s. S. 271), dass die Entwickelung ohne die Schwerkraft stattfinden [19] kann, dahin erweitert, dass die ersten Entwickelungs Vorgänge die ord- nende Wirkung der Schwerkraft innerhalb gewisser Grenzen dir e et zu überwinden und in einer der Wirkung dieser Kraft entgegengesetzten Weise vor sich zu gehen vermöQ'en. II. Uel)er die „Ursache" der Bestimmung- der Riclitung- der ^[ediaiiebeiie. Da die vorstehend mitgetheilten Versuche die Frage , von wel- cher wir ausgingen, nicht zu entscheiden vermocht hatten, versuchte II. Ueber die „Ursache" der ßesthnmung der Richtung der Medianebenc. 299 ich es, direct zu ermitteln, ob, entsprechend einer schon in meiner ersten bezüglichen Arbeit (s. S. 121) geäusserten Vermuthung, der Samenkörper zugleich mit der Copulationsrichtung die Richtung der ersten Theilung zu bestimmen vermöge. Man könnte geneigt sein, in diesem Sinne bereits eine sehr sorg- fältige Beobachtung L. Auerbach's') zu verwerthen. Dieser Forsclier hat festgestellt, dass bei Ascaris nigrovenosa das Samenkörperchen immer an dem dem Uterus zugewendeten Pole des ovalen Eies ein- dringt, dass die Copulation beider Pronuclei in der Längsaxe des Eies erfolgt, worauf eine Drehung des Conjugationskernes um 90° statt- findet, nach welcher dann Kern und Zellleib sich rechtwinkelig zur Längsaxe theilen. Die Theilung des conjugirten Kernes erfolgt somit stets rechtwinkelig zur Copulationsrichtung der beiden Pronuclei. Aber beide Acte sind hier in ihrer Richtung schon am unbefruchteten Ei durch die Längsaxe des Eies fest bestimmt, so dass wir nicht wissen können, ob nicht dies erstere Verhältniss blos als in Abhängigkeit von Wirkungen des länglich gestalteten Zellleibes stehend aufzufassen und damit bereits vor der Befruchtung normirt ist. Durch solchen Einfluss des Dotters müssen wohl auch die conju- girten Kerne während ihrer Conjugation die Drehung um 90° erfahren. Die Entscheidung unseres Problems k a n n n u r a n einem Eie gewonnen werden, bei welchem die Copulations- richtung frei vom Experimentator bestimmt werden kann, und wo die Furchungskern- und erste Dottertheilung in constanter Beziehung zu dieser ,, willkürlich gewählten" Copu- lationsrichtung erfolgt; oder wo [20] dies wenigstens bezüg- lich der Theilung des Furchungskernes der Fall ist, wenn auch vielleicht schon bald nach dem erkennbaren Bestimmtsein der letzteren die ganze Kernspindel durch den Dotter soweit gedreht wird, dass die Kerntheilungsebene mit der schon prädestinirten Dotter- theilungs ebene zusammenfällt. In diesem letzteren Falle würde dann blos die Richtung der Kerntheilung von der Conj ugations- 1) L. Auerbach. Organologische Studien, 1874, Abschnitt 111, S. 212. 300 Nr. 20. Bestimmung der Haiiptrichtungen des Embryo etc. rieh tu 11g abhängig sein, was aber immerhin von grosser Bedeutung wäre, da wir in dem Kerne die Hauptqualitäten der Entwicke- lungsf ähigkeit zu vermuthen haben. Letzteres ist der Grund, warum wir der Feststehung der Bestimmungsursachen dieser Richtung besondere Aufmerksamkeit widmen, obgleich es denkbar ist, dass sie als die erste Richtung, nach welcher die späteren gerichteten Vor- gänge sich in gesetzmässiger Weise zu orientiren haben, vielleicht ge- rade, gleich der Wahl eines Coordinatensystemes, in ihrer eigenen Bestimmung am meisten variabel, von zufälligen Neben- umständen abhängig sein kann. Dies würde dann bedeuten, dass von diesem ersten gerichteten Geschehen aus die späteren Vorgänge erst bestimmt werden. Umgekehrt aber könnten auch Massenanordnungen, welche die Richtungen der Dotter- theilungen bestimmen, schon mehr oder weniger im unbefruchteten Eie präexistiren und daher auch die erste Theilungsrichtung schon ziemlich genau im Voraus bestimmen. Um den eventuellen ImhAuss des Samenkörpers auf die Be- stimmung der uns noch fehlenden Richtungen des Embryo direct zu prüfen, machte ich Versuche mit künstlicher ^) ,,localisirter Be- fruchtung" am Froschei, indem ich mit einer feinst ausge- zogenen Glascanüle Samen in die Gallerthülle nahe dem Aequator injicirte. Dies geschah in der Absicht, den Sperma- tozoen an der betreffenden Stelle einen ^^orsprullg zu verschaffen, so dass die Befruchtung des Eies von diesem bekannten Meridiane aus erfolgen musste. Damit sich der Samen innerhalb der Hülle nicht auf dem Ei ausbreiten könne, wurden die Eier sehr trocken gehalten. Der Versuch war nur bei R. fusca mit Aussicht auf Erfolg ausf ülir])ar, da wir nur hier durch senkrechte Aufstellung des Eies die natürliche Lage, welcher das Innere zustrebt, künstlich herstellen können; während l)ei Eiern mit normaler Weise schiefer [1) Da beim Froschei die Befruchtung normaler Weise blos durch ein einziges Spermatozoon bewirkt wird, so ist seine normale Befruchtung also überhaupt eine Jocalisirte". Das Wesen der künstlichen localisirten Befruchtung besteht danach darin, dass wir nach unserem Belieben den Meridian bestimmen, von dem aus die Befruchtung stattfindet.] Wirkung der Scliwerkratt auf die Eiiistolhnij? der KcnispiiuleJ. 301 Einstellung der Eiaxe uns die speeielle nalürliclie JMnstelluno- unbe- [21] kannt ist, und daher jede von _uns gegebene Lage meist eine Zwangslage sein wird. Dabei gerätli das Samenthierchen hcäufig in die unter solchen Umstcänden entstehende, von Bohn nachgewiesene innere Strömung und erfährt so eine uns nicht bekannte Richtungsänderung. Ich erwartete nun, dass vielleicht die erste Furche immer in dei-selben Weise zu diesem Befruchtungsmeridiane, entweder recht- winkelig zu ihm oder in ihm selber liegen werde, und dass letzteren Falles immer dieselbe Seite des Embryo an der Eintrittsseite des Samens in das Ei, die dorsale oder ventrale Seite sich entwickeln werde, woraus dann ein bestimmter Schluss hätte gezogen werden können. Es furchten sich aber von sehr vielen so behandelten Eiern nur vereinzelte und bei diesen war bis jetzt keine Beziehung der ersten Furche zu dem vermuthlichen Befruchtungsmeridian zu er- kennen. Erneute, analytische Versuche mit microscopischer Prüfung der Sicherheit der Methode in Bezug auf den Ort der Befruchtung und auf die Bahn der Spermatozoen im Eie werden vielleicht soviel Aufschhiss ergeben, um nach positiver oder negativer Seite hin einen sicheren Schluss zu gestatten. Wenn indess mit dieser Methode kein sicherer Auf schluss zu gewinnen ist, so werde ich mich bestreben, die Entscheidung an durchsichtigen runden Eiern ohne ]\Iicrophyle zu gewinnen^) III. Sonstige Momeute, welche die Iliclituiig- der ersten Fiirehc und damit die Richtung- der Medianebene des Embryo beeinflussen können. a) Bezüglich der Wirkung der S c h w e r e gilt als Regel, dass die erste Furche sowohl bei physiologischer Einstellung wie bei 1) Die diesjährigen (1885) Versuche an Rana fusca scheinen bereits die obige Vermuthung zu bestätigen. Die erste Furche und mit ihr die 3Iedianebene des Embryo ging bei senlirecht stellender Eiaxe in öO von 60 Fällen durch die von mir gewählte Eintrittsstelle des Samens in das Ei, und die Seite dieser Ein- trittsstelle Avurde in 10 von 11 Fällen zur ventralen [richtiger caudaleu] Seite des Embryo. Genaueres über diese fundamentale Beziehung wird in einem Nachtrage mitgetheilt werden (s. Nr. 21). [Die vorliegende Abhandkmg war auf Grund der Versuche des Jahres 1884 ver- fasst worden (s. S. 304) und nur einige Ergebnisse der Laichperiode des Jahres 1885 konnten während des Druckes noch aufgenommen werden.] 302 Nv. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. Zwangslage senkrecht steht. Doch ist es werthvoll für manche Schlüsse, zu beachten, dass, wie ich sah, dies bei Zwangslage nicht ausnahmslos richtig ist, indem unter diesen Umständen die erste Furche nicht selten stark [22] geneigt, ja sogar manch- mal wagerecht orientirt ist; zugleich schneidet sie dabei häufig nur ein kleines Stück des Eies ab, statt dasselbe zu halbiren. Solches Vorkomraniss zeigte sich besonders bei Rana esculenta gegen Ende der Laichperiode und alsdann manchmal an fast allen Eiern eines Weibchens und auch bei nur sehr geringem Zwange, sodass normale Furchungen nur vereinzelt vorkamen. Die meisten dieser sich so abnorm verhaltenden Eier bildeten blos diese erste Furche oder höchstens noch unregelmässige Bruchstücke der zweiten Furchung. Es wird von hohem Interesse sein, solche Eier genauer zu unter- suchen und zu ermitteln, warum die erste Furche sich nicht senk- recht stellte. Ich hoffe, an solchen Eiern die Entscheidung gewinnen zu können, ob die Kernspindeln für sich einem richtenden Einfluss der Schwere unterliegen ; wenn schon dies nur ein accessorisches Moment sein könnte, da, wie ich gezeigt habe, die Entwickelung auch olme jede richtende Wirkung dei- Schwere normal verläuft. b) Wirkung der Deformation der Eier auf die Theilungs- richtung. Weiter unten mitzutheilende electrische Versuche veranlassten mich, Eier in möglichst enge Glasröhren zu aspiriren. Bei dieser Gelegenheit beobachtete ich ein höchst auffallendes Verhalten schon in dem nicht electrisirten Theile der Röhren. Zunächst die Gestaltverhältnisse der so behandelten Eier angehend , so blieb ein grosser Theil der Eier kugelig, ein anderer Theil wurde in Richtung der Röhre verlängert, manchmal bis über das Doppelte des Querdurch- messers; andere Eier waren in Richtung der Röhre linsenförmig ab- geplattet, wieder andere hatten Kegelgestalt erhalten. Trotz dieser verschiedenen Gestalt theilteu sich fast alle Eier zuerst quer zur Röhre, so dass die verlängerten Eier ihrer klein- Wiikuni;- der Deformation der Kier ;iuf die 'riioilungsrichtuiiu;. 303 sten und oiii Tlieil der liiiscii U')rn\ i-;-oii Kicr ihrer ,,grüssteii" Durchschnittst' lache nach hal hirt wurden. ') Ikn nur wenigen Eiern stand die erste Furche in Längsrichtung der Röhre, desgleiclien war sie nur selten schräg gestellt; letzteres vorzugs- weise bei kegei- und keilförmiger Deformation des Eies. Die Längsrichtung der Furche fand sich am häufigsten bei den [stets quer zur Röhre stehenden] linsenförmigen Eiern, so dass also auch liier, wie bei den stark in Richtung der Röhre verlängerten Eiern, das Ei längs der ,, kleinsten" Dimensionen getheilt wurde. Da mit [23] den derartigen Deformationen gleichzeitig mehrere Umstände, welche vielleicht die Zelltheilungsrichtung beeinflussen, alterirt werden, so können wir die Ursache dieser Prädilections- richtungen uns zur Zeit noch sehr verschieden vorstellen. Es könnte der „kleinste Theilungs wider stand" eine Prädisposition abgeben, wogegen aber spricht, dass bei der zweiten Theilung der zuerst quer ge- theilten hnsenförmigen Eier die Theilungsebene der grössten Fläche folgte; dieser Einwand würde sich in gleicher Weise gegen die An- nahme richten, dass den Kernen Gelegenheit gegeben werde, sich möglichst weit von einander zu entfernen. A m w a h r s c h e i n 1 i c h s t e n erscheint m i r vor der Hand, dass die speciüsclie „Gestalt" der Protoijlasmaaiiliäufuiigen bei diesen differenten Eigestalten eine bestimmt richtende Eiinvirkuiig- auf die Kenispiiidel ausübt, und dass aus dieser fiestalt Prädilectious- richtung-eii folgten, unter welchen diejenige bevorzugt wird, welche der Richtung- am nächsten liegt, in welcher der Kern schon aus seinen eig-enen inneren Kräften sieh zu theilen tendirt [also welche der immanenten Theilungsrichtung des Kernes am nächsten liegt] (s. Nr. 20, S. 52 und Nr. 21, S. 203.) Besonderes Interesse boten die kegelförmigen Eier dar. Diese standen mit der Kegelaxe annähernd in der Längsrichtung der Röhre, theilen sich zumeist quer, also annähernd parallel zur Basalfläche ; und die erste Furche war immer der Basalfläche viel näher als der Spitze, so dass sich die Abstände etwa wie 1:2 oder 1:3 [1) Genaueres siehe Nr. 31, S. 274.] 304 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtuagen des Embryo etc. verhielten. Dies zeigt wiederum, dass nicht ein Bestreben der Kerne, in möglichst grosse Entfernung von der Theilungs- ebene zu gehingen, oder eine Tendenz, die kleinsten Flächen zu theilen, die Theilungsrichtung [allein] bestimmt. Die microscopischen Untersuchungen und Messungen werden bei den diesjährigen Wiederholungen dieser vorjährigen Versuche genaueren Aufschluss über die inneren Vorgänge bei diesen eigen- thümlichen Vorkommnissen geben, besonders bezüglich der Ver- theilung der beiden Dottermassen und der Stellung der Kernspindel zu denselben. Desgleichen wird es von Interesse sein, die eventuellen Alterationen des Furchungsschemas bei diesen D e f o r m a t i o n e n kennen zu lernen und ihre Ursachen auf- zusuchen. Das allgemeine Vorherrschen der Querstellung der ersten Thei- lung zur Glasröhre angehend, so kann der deformirende [24] ,,Druck an sich" nicht als directe Ursache in Anspruch genommen werden, da er bei den länglichen und linsenförmigen Eiern in verschiedenen, rechtwinkelig zu einander stehenden Richtungen wirken muss, während die Theilung beider oft parallel erfolgte. AVir stehen hierbei somit vor einem Käthsel, dessen Lösung ich indess glaube bereits auf der Spur zu sein. Auch ist es mir im vorigen Jahre bereits gelungen, das auffällige Ueberwiegen der Querstellung zu vermindern. Aus der letzten Publication E. Pflüger's^) ist zu ersehen, dass er gleichfalls im Frühjahre 1884 Eier künstlicli deformirt und den Einfluss dieser Alteration auf die Theilungsrichtungen beobachtet hat. Er presste die Eier zwischen verticale Glasscheiben und sah, dass dabei die erste Furche vorwiegend das plattgedrückte Ei rechtwinkelig zu den Glasplatten theilte und senkrecht stand. Pflügek nimmt an, dass die Streckung der Kernspindel in der Richtung erfolgt, welche ihr den kleinsten Streckungs widerstand bietet; der kleinste Streckungswiderstand liegt nach ihm in dem dünn- flüssigeren Eiinhalte und zwar in der grössten Dimension des- 1) E. Pfiä'ger. Ueber die Einwirkung der Schwerlvraft und anderer Beding- ungen auf die Richtung der Zelltheilung. Dritte Abhandlung. Pflüger's Arch. Bd. XXXIV, 4884. Wirkung der ^(i estalt' der Blastoinereii auf ihre Theilungsrichtung. 305 selben. Aus meinen obigen Mittheilungen geht hervor, dass PFLÜiiEi? blos eine der verschiedenen, wie es scheint entgegengesetzten Mög- hclikeiten beobachtet hat, wonach der Werth seiner blos dieser einen Thatsache angepassten „Theorie" sich von selbst ergiebt') (siehe Nr. 29, S. cm, Nr. 30 u. 31, 8. 274). [1) Im Frühjahr 1883 (s. S. 118) hatte ich die Vermuthung ausgesprochen, dass an Eiern von Ascaris geringe Pressung der Eier zwischen wagrechte Platten bedingen könne, dass die ersten Theilungsebenen recht- winkelig zu den Platten stehen. Im nächsten Frühjahr 1884 haben dann Pflüger und ich bezügliche Versuche angestellt; und 0. Hertwig hat im selben Jahre auf Grund vergleichender Betrachtung der normalen Furchung (s. unten S. 39) die Ansicht ausgesprochen, dass die Kernaxe bei der Theilung sich „in die Richtung der grössten Protoplasmaansammlungen der Zelle" stellt, und er erblickt den Nutzen oder Grund dieser Einstellung bei länglichen Eiern darin, dass dabei die Durchfurchung mit der geringsten Arbeit verbunden ist. Ich habe meine hier mitgetheilten Versuche, wie man sieht, erst nach diesen Autoren publicirt; glaube jedoch, dass meine Selbstständ igkeit genügend daraus hervorgeht, dass ich eine bezügliche Idee ein Jahr vor ihnen ausge- sprochen habe. Beide Autoren citiren auch im Jahre 1883 resp. 1884 diese Ab- handlung, Nr. 16, von mir. Weiteres siehe Nr. 30 und Nr. 31, S. 274 u. f. Die späteren Autoren, H. Driesch, G. Born, T. H. Morgan und H. E. Ziegler haben sich der Auffassung der Wirkung der „Gestalt" , der „grössten Dimension" angeschlossen; sie Hessen jedoch die zweite zugleich von mir hervorgehobene Com- ponente, welche allerdings die schwächere, seltener ausschlaggebende, gleichwohl aber doch zu berücksichtigen ist, unbeachtet. Das Princip der Theilung nach der „kleinsten F lache" wird von Berthold (in seinen ausgezeichneten Studien über Protoplasmamechanik, 1886, S. 219) vertreten. Eine eigene Auffassung äussert F. Braem (Ueber den Einfiuss des Druckes auf die Theilung der Zellen etc.. Biolog. Centralbl. 1894, Nr. 10), indem er dem Druck als solchem, nicht blos der durch ihn hervorgerufenen Gestalt der Zelle einen bestimmenden Einfluss auf die Theilungsrichtung zuerkennt und in diesem Sinne Pfi.üger's Princip des kleinsten Widerstandes verwendet. Man sieht, die Auffassungen und die Versuchsergebnisse sind noch sehr ver- schieden; und es sind noch weitere Deutungen möglich (s. Nr. 20, S. 52). Es em- pfiehlt sich also nicht, alles auf die „Richtung der grössten Proto- pl asmaraasse " zu schematisiren und das Abweichende todt zu schweigen; sondern jede neue, abweichende Thatsache ist zu beachten. Es ist dringend nöthig, dass die gepressten Eier im Nahrungs- und Bildungsdotter verschieden gefärbt, microtomirt und nach Born 's Plattenmodellir-Methode reconstruirt werden, um weiteren Aufschluss zu gewinnen. Die Erkenntniss dieser Nothwendigkeit (s. S. 39) und andererseits die Unmöglichkeit, diese überaus zeitraubende Arbeit neben meinen dienstlichen Obliegenheiten zu bewältigen, hat mich abgehalten, meine weiteren Pres- sungsversuche in entsprechender Weise zu veröffentlichen (s. Nr. 29, S. 605 und Nr. 31, S. 274 und 276 Anm.).] W. Roux. Gesammelte Äbliandluti'^'cn. If. 20 306 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungeu des Embryo etc. IV. Erfordernisse der Entwickeluii^ der „mehrzelligen" Organismen. Den weiteren Versuchen über die erste Farcliung lag eine andere Idee zu Grunde. Die analytische Betrachtung der Entwickelungs- probleme hatte mich zu der Möglichkeit geführt, dass die normale Ontogenese der „mehrzelligen" Individuen in ihren specifi- schen Unterschieden von der Ontogenese der „einzelligen" Wesen 1. auf einer VervoJll-onnnnung der „qtt al itativen'' Leistungen der indirecten h'ernthe il /in g beruhen könne in V-^erbindung 2. mit der neu hinzugekommenen Fähig- keit, dass die in Theilung begriffenen Bestandtheile der Zelle [25] sowohl sich gegeneinander bestimmt ordnen, wue auch iwn den bereits vorhandenen Nachhar seilen in ihrer Lager ung zu diesen heeinfl usst werden (s. unten S. 45). Diese , ,o r d n e n d e n' ' W i r k u n g e n könnten schon v o r, w ä li r e n d o d e r auch zum Theil erst nach der Theilung stattfinden und dürften zumeist wohl nicht blos einfach mechanisch durch den Massendruck der Theile vermittelt werden. In den Kern verlege ich die wesentlichsten (Qualitäten zur Individuenbildung, da für dessen Theilung besondere Vor- richtungen getroffen sind ; weiter unten ist ausserdem auf die Gründe verwiesen, welche bereits vor mir von anderen Autoren für dieselbe Auffassung geltend gemacht worden sind. Die indirecte Kern theil ung Ix'traclite ich [s. Nr. 17] als einen Mechanismus, welcher geeignet ist, die Theilung des Kernes nicht blos seiner Gesannntmasse , sondern auch der Masse seiner einzelnen Substanzen nach zu ermöglichen. Die einfachste Leistung dieses Mechanismus ist die „Halbirung" der Masse jedes dieser den Kern zusammensetzenden Bestandtheile; und diese Leistung wird für alle einzelligen Organismen, Protisten die einzig nöthige sein. Sofern nun bei den Metazoen der Vorgang der indirecten Kern theilung in der Weise vervollkommnet wurde, dass bei der Theilung jedes Mutterkornes in die beiden Tochterkörner nicht IV. Erfordernisse der Entwickelung „mehrzelliger" Organismen. 307 blos eine mecluiiiische Halbirimg, sondern eine „bestimmte qiuili- tative Sonderung" sieh vollziehen konnte, so war in Verbindung mit dem obigen Principe der Ordnung der Theilungsproducte ein Mechanismus geschaffen, welcher aus einem Stoff gern enge oder aus einer complicirten chemischen Resultante durch Zerlegung und bestimmte Anordnung der Theile ein Gebilde herstellen kann, dessen verschiedene Qualitäten, sobald sie in die Lage kommen, ihre Ungleichheit in der Wechselwirkung untereinander und mit anderen Agentien, z. B. Wärme, Sauerstoff oder anderen Nahrungsmitteln, zu be- thätigen, die mannigfachsten Qualitäten und Formen des Ganzen u n d d e r T h e i 1 e hervorbringen können. Diese Mannig- faltigkeit wird sich immer mehr compliciren, je öfter sich die Thätig- keit beider Principien wiederholt [Epigenesis]. Die so entstehenden complicirten Gebilde werden in Ge- stalt und Beschaffenheit in strengster Abhängigkeit von den ursprüng- lichen Qualitäten des Ausgangsgebildes [und deren Anordnung] stehen ; und gleiche A usgangsbildungen müssen gleiche Folgebild- uugen liefern (s. S. 8). [26] Wird ferner, wie innerhalb gewisser Grenzen aus den Untersuchungen und Ausführungen von Megznikow ^), Ncssbaum ^), Balbiam ^) und Weismanx *) zu folgern ist, von der ersten Theilung des Eies an bei jeder Theilung oder blos bei einer bestimmten Folge von Theilungen immer ein alle Qualitäten enthaltender Theil des Kernes „qualitativ halbirt" [das Material für die Rege- neration und sonstige ,,indirecte" Entwickelung nach Störungen der normalen Entwickelung s. Nr. 30 S. 3], während die übrige Substanz bald qualitativ ungleich oder gleich sich theilt, so enthält später jede dieser Zellen noch Material, welches unter geeigneten äusseren Be- dingungen wieder ein ganzes neues I n d i vi d u u m 1 i e f e r n k a n n ; wobei dann gleichfalls wieder eine Reservation von Material für künftige neue Individuen stattfinden wird. Beschränkt sich nach der ersten Theilung diese nebenherlaufende qualitative 1) Mecznikow. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XVI, 1866, S. 491. 2) NUSSBAUM. Arch. f. micr. Anat. Bd. XVJII, 1880. 3) Balbiani. Compt. rend. 1882, S. 927. ^j A. Weismann. Ueber die Vererbung. Ein Vortrag, Jena 1883, S. 6. 20* 308 Nr. 2Ö. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. Halbirung auf einige Zellen und ihre Abkömmlinge, so werden blos diese die Fähigkeit der Bildung neuer Individuen besitzen. Oder diese Reservirung von Material kann bei den übrigen Zellen in quali- tativ unvollkommener Weise vor sich gegangen sein, derart, dass jeder Zellart blos ein regeneratives Erzeugungsvermögen be- stimmter Gewebe oder Gewebegruppen mit beschränkter Gestal- tungsfähigkeit zukommt, welches unter geeigneten Umständen sich zu bethätigen vermag. Wir sehen, dass mit Hülfe unserer beiden Principien sich die allgemeinen Erscheiiningen der individuellen Entwickelung aus einem bestimmt qualificirten Keimmaterial ableiten lassen. Es wird nun meine Aufgabe sein, zu versuchen, ob sich die thatsächliche Wirk- samkeit des hierbei aufgestellten Princips der ,, richtenden" Wirk- ung des Zellleibes und der Nachbarzellen auf die Thei- lungsrichtung sich vermehrender Kerne resp. Zellen nach- weisen lässt. A. Richtige qualitative Materialscheidung. Ehe wir hier zu diesem Zwecke den ersten Schritt thun, will ich noch das andere, bereits früher von mir aufgestellte Princip der „qualitativen Kerntheilung" [s. Nr. 17] verth eidigen, da das- selbe von anderen Autoren [27] theils missverstanden, theils in seiner Zulässigkeit angezweifelt worden ist. Meine Deutung der Figuren [besser Gestaltungen] der indirecten Kerntheilung besagt, wie erwähnt, dass dieselben Mechanismen sind, welche [wenn sie in Thätigkeit gesetzt werden,] es ermöglichen, den Kern nicht blos seiner Masse, sondern auch der Masse und Be- schaffenheit seiner einzelnen Qualitäten nach in bestimmten Weisen zu theilen, s. S. 137. Der sichtbare Mechanismus der indirecten Kerntheilung, so wie wir ihn kennen, d. h. die Zerlegung eines Substanzgemenges in viele einzelne Theile [Mutterkörner], oder das Ausziehen desselben in einen sehr feinen also relativ langen Faden mit nachträglicher mechanischer ,, Halbirung" der Masse jedes Kornes oder der Dicke des Fadens in seiner ganzen Länge, und die nachfolgende ^^ertheilung der beiden A. Richtige qualitative Materialscheidung. 309 Prodiicte jeder Halbiruiig auf zwei verschiedene Seiten, ist ein Mechanismus, welcher für sich allein [d. h. beim Fehlen be- sonderer sondernder Kräfte in den Mutterkörnern während deren Th eilung] stets bewirken muss, dass auf beiden Seiten nicht blos gleiche Gesammtmengen, sondern auch [fast] gleiche Mengen der einzelnen Substanzen sich finden; eine Wirkung, welche ich als „qualitative Halbirung-" bezeichnet habe. Dies folgt aus der Noth- wendigkeit des Fehlerausgleiches bei öfterer Wiederholung einer Opera- tion, welche mit nach allen Richtungen hin gleich wahrscheinlichen Fehlern verbunden ist; [denn, wenn dabei auch an jedem Korn oder an jeder einzelnen Stelle eines langen Fadens bei genauer Halbirung der Masse die daselbst befindlichen verschiedenen Qualitäten ungleich ge- theilt worden sind, so werden sich doch diese Ungleichheiten bei hundertfacher oder tausendfacher Wiederholung dieser Fehler gegen- seitig ausgleichen , so dass die gewonnenen beiden Gesammtmassen gleiche procentische Zusammensetzung haben]. Je zahlreicher bei gleicher beabsichtigter Genauigkeit der qualitativen Halbirung eines Substanzgemenges die verschiedenen Stofie desselben sind, um so grösser muss nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung die Zahl der Theile sein, in welche dasselbe zu zerlegen ist. Die Zahl der Theile muss danach unter Umständen grösser sein als die Zahl der ver- schiedenen Substanzen. Die andeutungsweise Berücksichtigung dieser Noth wendigkeit kann allein in meiner Schrift Strasburger ^) und C. Rabl^) zu der irrthümlichen Annahme veranlasst haben, ich wollte in jede Microsomenscheibe nur eine einzige Qualität verlegen. Es leuchtet aber ein, dass auch bei Zerlegung des Substanzgemenges in \delmal mehr Theile, als es Stoffe enthält, doch jeder Theil seiner- seits noch von vielen oder sogar [28] von allen Stoffen enthalten kann, sofern nur von jedem Stoffe die nöthige Anzahl Molekel in dem Ge- menge vorhanden ist. Mit dieser Berichtigung wird Strasburger 's bezüglicher Einwendung der Boden entzogen; dieselbe würde aber 1) Ed. Straseurger. Die Controversen der indiiecton Kerntheilung. Bonn 1884, S. 53. 2) Carl Rabl. üeber Zelltheilung. Morphol. Jahrbuch. Bd. X. S. 327. 310 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. auch an sich nicht beweiskräftig sein; denn wenn Strasburcer inter- essanter Weise auch aus einer versprengten Microsomensclieibe ein normal gestaltetes Pollenkorn sich hat entwickeln sehen, so lässt sich aus der beobachteten Fähigkeit der Scheibe, sich zu einem normal- gestalteten Pollenkorn zu gestalten, noch nicht folgern, dass letzteres auch das Vermögen besessen habe, ein Ei zur Bildung eines normalen Pfianzenindividuums zu befähigen. Es ist sehr häufig, dass be- fruchtete Froscheier sich furchen und eine normal aussehende Gastrula anlegen, aber nicht im Stande sind, sich weiter zu entwickeln trotz, so viel wir sehen, ganz derselben äusseren Bedingungen, in denen ihre Nachbarn die normale Entwickelung ungehemmt durchlaufen ; ein Zeichen, dass nicht die äusseren Verhältnisse, sondern der Mangel der geeigneten Qualitäten zum Durchlaufen der höheren Entwickelungs- stufen die Ursache des Entwickelungs-Stillstandes jener Eier war. Und es ist zur Unannehmlichkeit des Experimentators leider nicht selten, dass normal gestaltete Spermatozoen nicht befruchtungs- fähig sind. Es ist weiterhin wohl ohne weitere Auseinandersetzung verständ- lich, dass die der Länge nach erfolgende Halbirung eines im Verhältniss zu seiner Dicke sehr langen Fadens annähernd die gleiche Wirkung haben muss, als wenn der Faden erst noch der Quere nach in Stücke zerlegt und dann erst jedes Stück halbirt wird. Ja, man könnte ohne grossen Nachtheil sogar die ganze Masse blos zu einer dünnen Scheibe ausbreiten und diese letztere der Fläche nach ,, allenthalben" in ihrer Dicke „halbiren." Denn das wesentliche Princip dieser Methode ist, dass je grösser bei gleicher Masse eines Gemenges die ,,Halbirungs fläche" ist, um so genauer, ceteris paribus , m i t d e r H a 1 b i r u n g d e r Gesa m m t m a s s e a u c h die Massen der einzelnen Best a n d - theile ,, halbirt" werden. Diese auf einer einfachen Folgerung der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhenden Theilungsmechanismen stellen also ein mechanisches Princip der „qualitativen" H a 1 b i r u n g V o n S u b s t a n z g e m e n g e n dar, welches, so viel ich von Technologen erfahren habe, [29] noch nicht technisch verwandt worden, also vielleicht auch überhaupt noch nicht bekannt gewesen ist. A. Richtige qualitativo Mateiialschcidunij;. 311 Sollen aber die (Qualitäten schliesslieli nielit aiil' beiden Seiten einander gleielien, sondern in iro-cnd einer t^-aiiz bestimmten Weise „ungleielie" sein, so schafft gleichwohl dieser selbe grobe Mechanismus hierfih' wenigstens sehr günstige Vorbedingungen, weil er das Material in viele, also entsprechend kleinere Theile zerlegt, welche von den dazu nöthigen inneren sondernden Kräften vollkommener beherrscht werden können als grössere Stücke, und weil er jedes von beiden Sonderungsproducten sicher der l)ei der Sonderung bestimmten Seite zuzuführen vermag. Bei der qualitativen „Halbirung" waren für die Theilung der Mutterkörner nur mechanisch theilende Kräfte nöthig, die höchst einfacher Natur sein können. Wenn z. B. in einer vollkommen homogenen Emulsion, [z. B. von ()el in dünner Lösung von kohlen- saurem KaH], in welcher die emulgirenden Kräfte allenthalben gleich stark waren und daher alle letzten Emulsionskörner fast vollkommen gleich gross sind (was mir allerdings künstlich nur selten annähernd herzustellen gelungen ist und auch nur mit den stärksten, mir nicht zu Gebote stehenden Objecten genau controUirt werden kann^), so wird eine nur eben zu weiterer Tlieilung ausreichende , durch eine Alteration des Emulgens oder Emulgenduni bedingte Erhöhung des Emulgirungscoefficienten jedes Korn in nur zwei und natürlich vollkommen gleich grosse Tochterkörner zerspalten. Bei der ,,ungleichon'' qualitativen Theilung der Mutter- körner sind dagegen besondere, sowohl die specifische Sonderung bewirkende wie die beiden Theilungsproducte richtig nach den beiden neuen Centren hinwendende Kräfte nöthig, von denen wir uns zur Zeit keine specielle Vorstellung machen können; die aber jeden- [ij Diese Methode scheint überhaupt schwer brauchbar, da ungleiche mecha- nische Bewegung die Theilungsgrösse beeinflussen wird und solche Ungleichheit immer bei der Emulgirung entsteht; sodass erst besondere Vorrichtungen für die Bildung gleich grosser Tropfen getrotfen werden müssten. Sind aber lauter, der Emulsionsfähigkeit der Lösung etc. entsprechende kleinste, also einander gleich grosse Tropfen vorhanden, dann werden sie natürlich bei genügender Erhöhung des Emulgirungscoefficienten alle h albirt werden und danach also wieder gleich gross sein.] 312 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. falls um SO exacter werden wirken können, je kleiner die auf einmal zu sondernde Masse ist. Dies sind die Ausführungen meiner Arbeit; und wenn dabei der Mechanismus der Chromatin -Theilung in den Vordergrund der Er- örterung gestellt worden ist, so wurde doch nicht unterlassen (S. 140), zugleich den Mechanismus der Achromatintheilung in der hier reproducirten Weise zu berücksichtigen und die Möglichkeit einer bleichen Deutuno- desselljcn zu erwähnen , soweit thatsächlich eine Längs-Spaltung dieser Fäden stattfindet. So lange dieser Mechanismus als der der indirecten [30] Kern- theilung anerkannt ist, kann Niemand behaupten, dass der Kerntheilungsmechanismus diese beiden Arten von Wir- kungen nicht ,, ermögliche". Mag uns die weitere Forschung in der erfreulichsten Weise mit Aufklärungen über die Functionen und Veränderungen des Zellkernes im Ganzen, sowie des Chromatin oder Achromatin im Besonderen überraschen, an dieser Auffassung des Mechanismus kann dadurch nichts geändert werden. (Weiteres s. Nr. 21, S. 187 und Nr. 27, S. 323). Ein Anderes ist es bezüglich der Frage, ob diese Bedeutung des Kerntheilungsmechanismus seine einzige, wesentlichste ist. So lange Niemand einen anderen Zweck nachweist, für welchen eben- falls alle Phasen dieses Mechanismus unerlässlich nöthig sind, ist sie jedenfalls die einzige, welche wir kennen, und ausserdem zugleich die erste, welche diese bisher so unverständlichen Vorgänge unter den Gesich tsp unc t eines wesentlichen Nutzens ge- bracht hat. Ed. Strasburger's Auffassung (loco cit. S, 58), dass die Kern- theilungsfiguren blos dazu da seien, die genaue Halbirung der Ge- sammt- Masse zu bewerkstelligen, würde l)los den einfachsten Special- fall des von mir angegebenen Zweckes darstellen; da derjenige Mechanismus, welcher die einzelnen Stoffe durch Fehlerausgleich mög- lichst genau halbiren muss, dies damit natürlich auch für dic^ Summe dieser Stoffe thut, was icli nicht besonders zu erwähnen für nöthig gehalten habe. Diese Auffassung Strasburger's scheint mir aber schon an sich unhaltbar. Denn was soll es bedeuten, dass genau A. Richtige qualitative Material Scheidung. 313 die Masse lialbirt werden soll, wenn es unwesentlich wäre, aus welchen Qualitäten sie bestünde? Dies könnte blos von Bedeutung sein, wenn eben auch blos die Masse als solche (vielleicht als Ballast?), nicht aber in ihren Qualitäten /Air Wirkung gelangte. Dann müsste man erwarten, dass die so sorgsam in ihrer Gesamrat-Masse bestimmte Substanz nun wenigstens auch constant dieselbe Menge behielte, nicht aber des Wachsthums fähig sei und ihr Volumen vielfach veränderte. Wohl aber kann es wichtig sein, dass von allen oder vielen Substanzciualitäten des Mutterkernes eine gewisse, vielleicht minimale Menge in jedem Tochterkerne sich finde, wenn schon einige oder viele der vorhandenen Substanzen des Kernes später [31] zeitweilig eine Vermehrung erfahren und eine besondere Function für den ZeJUeib vollziehen. Jüngst ist nun von C. Rabl (loco cit.) eine neue Hypothese über die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren aufgestellt worden. Rabl macht am Schlüsse des ersten Theiles seiner Untersuchung über die Zelltheilung die Annahme, dass in dem ruhenden Kern ein Rest der Kernfäden erhalten bleibe mit wesentlich derselben ^-'erl aufs weise wie in dem Knäuel (S. 323). Von diesen typisch um zwei Pole geordneten ,, primären Kernfäden" gehen nach einer zweiten Annahme Rabl's seitliche Fäden als seitliche Fortsätze aus und von diesen vielleicht noch tertiäre etc. Die einzelnen Fäden kchinen untereinander in Ver- bindung treten, und in den Knotenpuncten des dadurch entstandenen Netzes können sich gröbere Chromatinmassen zu nucleolenartigen Ge- bilden oder zu wirklichen Nucleolen sammeln. Beim Beginne der Theilung strömt nun nacli Rabl's weiterer Annahme die Ohromatin- substanz auf den so vorgebildeten Bahnen in die primären Kernfäden, wodurch in der einfachsten Weise wieder der Mutterknäuel aufgebaut werde. Die Theilung der chromatischen Substanz des Kernes sei in letzter Instanz auf eine Längsspaltung der somit stets vorhandenen Knäuelfäden zurückzuführen. Rabl bezeichnet danach diesen Modus der Kerntheilung als den denkbar einfachsten und sieht hierin den genügenden Grund, warum sich derselbe verwendet findet. Dem gegenüber frage ich, ist es wirklich einfacher, ehien bipolar centrirten Gomplex vieler Fadenschlingen in jedem seiner 314 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. Fäden der Länge nach zu halbiren und dafür zu sorgen, dass von jeder Mutterschlinge immer die eine TochterschHnge auf die eine, die andere auf die andere bestimmte Seite gebracht werde, olme dass bei diesem sehr wenig einfaclien Acte Verwirrung der Schhngen, welche den ganzen Mechanismus stört, oder auch nur ein Irrthum in der Vertheilung auf beide Seiten stattfindet. Wie viel wohlgeordnete, sehr exact zu einander passende Einzelhandlungen sind dazu nöthig 1 Es wird schwer werden, nachzuweisen, dass dieser complicirte, so leicht Störungen unterliegende Mechanismus den ursprünglich in dem Zellkern der zuerst sich in dieser Weise theilenden Zellen gelegenen [32] Kräften ,, leichter fallen" musste, als die Einschmelzung auch noch der primären Kernfäden und die einfache Halbirung der ganzen Masse nach Remak mit nachträglicher Neuerzeugung der, soviel thatsächlich bekannt ist, von der polaren Centrirung abgesehen, sehr atypischen Con- fisuration des ruhenden Kernes. Und sollen auch in den leichter zu übersehenden ^''erhältnissen derjenigen Protisten, welche sich gleichfalls indirect theilen, z. B. bei Actinosphaerium Eichhornii, entgegen den klaren Angaben R. Hertwig's, im ruhenden Kerne schon solche Sub- stanzanordnungen vorhanden sein, wie sie bei der Theilung entstehen? So interessant dieser Erklärungsversuch wegen der Verwendung des Principes der Einfachheit ist, so scheint er mir doch durchaus aussichtslos. Jedenfalls aber bedürfen die ad hoc gemachten An- nahmen der Existenz der polar geordneten Fadenschlingen mit ihren secundären und tertiären Fäden im ruhenden Kerne, und zumal die grössere Einfachheit, also die grössere Leichtigkeit der Erzeugung dieses Theilungsmodus für die ursprünglich in dem Kerne thätigen Kräfte gegenüber der REMAK'schen Theilung des besonderen Nachweises. Als ich meine Auffassung zuerst aussprach, musste ich gleich- falls zwei Hypothesen zu Grunde legen, von denen aber nur die eine ad hoc gemacht war. Diese bestand darin, dass die beiden Theilungs- producte jedes Mutterkornes normaler Weise immerauf die beiden neuen Centren vertheilt würden ^), wofür damals nur wenige Beob- I' i) Dies schliesst nicht aus, dass nicht pathologischer Weise Abweich- ungen von diesem, wie oben erwähnt, sehr conipHcirten Vertheilungsmodus zur Beobachtung kommen können, welclie dann als Störungen des Mechanismus aufzu- A. Richtige qualitative Materialscheidung. 315 achtungen FLEMMiNti's vorlagx'ii. Diese sind abei- clvirch die Beobacli- tungeu von Rabl, Heu.-^er, STRASBiiKiEu und FLEMMiN(i inzwischen er- heblich vermehrt worden. Dieselbe Annahme liegt ausserdem aber auch der i\.uffassung Rabl's zu Grunde. Die zweite, somit einzige meiner Ansicht eigene Hypothese, be- steht darin, dass [33] der Kern viele verschiedene Qualitäten enthalte, deren bestimmte Vertheilung auf die Tochter- zellen von Wichtigkeit sei. Diese Annahme findet ausser in dem oben von mir angegebenen Grunde ihre Stütze in der be- reits vor Decennien von Leudkart, später von Hi.s betonten Noth- wendigkeit, dass die Typus-, Gattungs- und Artcharaktere nebst den erbliehen Individualcharakteren der Eltern irgendwie stofflich im Eie enthalten sein müssen, in Combination ferner mit Beale's und Hasse's^) Auffassung von der Bedeutung des Kernes und mit der von O. Bütschli, (). Hertwig, W. Flemmixg u. A. begründeten neuen Lehre von der Be- fruchtung. Ich habe ausserdem in Beitrag 1 [s. S. 179] neue Thatsachen mitgetheilt, welche gleichfalls dafür sprechen, dass die specifischen Qualitäten mehr in dem Kerne als in dem Dotter des Eies liegen^'). fassen sind; dieselben können, wenn sie innerhalb eines schon differenzirten Gewebes vorkommen, vielleicht ohne jeden Nachtheil für das Individuum wie für das functionelle Leben der betreffenden Zelle ertragen werden; ingleichem, wie auch aus directen Theilungen innerhalb dieser Sphäre wohl kein Nachtheil für das Zellleben resultiren würde, während, wenn sie bei den Furchungen des Eies vorkämen, dadurch vielleicht zu Missbildungen oder zu gänzlicher Störung der Entwickel- ung Veranlassung gegeben würde. [Unregelmässige Vertheilung von Chromosomen wurde später nachgewiesen von Th. Boveri Ijei der Bildung von Richtungskörpern (Befruchtung der Eier von Ascaris megalocephala, Sitzgsber. d. Ges. f. Morph., München 1887, S. 77); von E. Klebs, und besonders von D. Hansemann (Die Speciticität, der Altruismus und die Anaplasie der Zellen, 1893, S. 88), welcher die Art der Kern- theilung für die Lehre von den Geschwülsten verwerthete (siehe auch Boveri in Nr. 27, S. 294); ferner von Val. Haeckeb, (Ueber generative und embryonale Mitosen, sowie über pathologische Ke^ntheilungsbilder. Arch. f. microsc. Anat. Bd. 43, 1894, S. 759 bis 787).] 1) C. Hasse. Morphologie und Heilkunde. Zweite Auflage, 1880, S. 12. [2) Diese sind: Die Beobachtungen, dass oft nach sehr grossen Dotter- substanzaustritten aus operirten Eiern kein Defect am Embryo entstand, während ceteris paribus nach sehr kleinem Substanzverlust (Kern) sehr grosse Defect e auftraten; und ferner, dass trotz der grossen Störung der nor- malen Anordnung der verschiedenen Dottersubstanzen, die durch die Operation am Ei und deren Folgen hervorgerufen wurde, gleichwohl dieEntwickelung möglich war.] 316 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. Aus diesen Gründen glaube ich, dass meine Auffassung der Leistungen der indirecten Iverntheilung , da sie den durch sie zu er- klärenden Thatsachen vollkommen entspricht und keine besonderen Hilfsannahmen mehr nüthig hat, auch dem wahren Wesen der in- directen Kerntheilung näher .steht, als die Auffassung Rabl's, welche zur Zeit jeder sie speciell stützenden thatsächlichen Unterlage entbehrt. Daher w^erde ich meine vorläufigen Ansichten über die Möglich- keiten der Entwickelungsvorgänge so lange auf dieser Grundlage aufbauen, als die Consec|uenzen dieser Auffassung nicht mit den neu entdeckten Thatsachen in unlösbaren Widerspruch treten, resp. so lange nicht von mir oder anderen eine Hypothese gefunden ist, welche den Thatsachen auf eine noch einfachere Weise gerecht wird. B. Herstellung der ,, richtigen Anordnung^' der qualitativ bestimmten Theile. Wenn also die Iverntheilung die Qualitäten richtig von ein- ander zu sondern vermag, so ist für die oben angedeutete Entwickelungs- möglichkeit noch erforderlich, dass diese Sonderungsproducte in die richtige Lagerung zu den verschiedenen Theilen des Zellleibes und zu den bereits vorhandenen Nachbar- zellen gebracht werden. Man könnte anzunehmen geneigt sein, dass diese Lagerung schon mit der chronologischen Theil u ngsordn ung in der Weise [34] fest verbunden wäre, dass aus inneren Gründen jede folgende Th eilung eine bestimmte Stellung zur Richtung der vorher- gehenden Theilung einnähuie, wofür das typische Furchungsschema der Thiereier und die Theilungsordnung an dem Vegetationskegel der Pflanzen zu sprechen scheinen. Solche starre Ordnung schlösse indessen jede „Selbst- regulation" aus; und durch einen einzigen Fehler würde die ganze folgende Reihe von Th eilungen in eine falsche Bahn gelenkt. Die Tliatsaclien beweisen indess, dass Furchungsanachronismen ohne Na cht heil ertragen werden. Und es ist, so viel ich weiss, noch keinem Forscher aufgefallen, dass bei grösseren Thieren der- selben Species die Zellen entsprechend grösser seien als bei Indivi- B. UerstoUung der , richtigen Auoixliiung" der qualitativ bestiimutcn Thcile. 317 duen, welche in Folge Nahrungsmangels kleiner geblieben shid; dem- nach würde die ungleiche Grösse der Individuen wohl mit einer ungleichen Zahl von Zelltheil ungen in Verbindung zu bringen sein, welche bei dem obigen Modus zu einer sehr wesentlichen Störung führen müsste^). Es sind nun im Speciellen verschiedene Selbstregulations- mechanismen denkbar. Von diesen werden, meiner Ansicht nach, diejenigen am meisten Wahrscheinlichkeit für sich haben, welche dem vorhandenen Bedürfniss nach Selbstregulation am vollkommensten genügen. Ich vermuthe also sowohl einen qualitativen und zugleich richtenden Causa Inexus zwischen der qualita- tiven Natur der Kern- und der Protoplasmatheilung einer- seits, wie auch dieser beiden mit der Beschaffenheit und Lagerung der Nachbarzellen. Letzterer Causalnexus hätte zu bewirken, dass bei einem lieber wiegen eines bestimmt ,,qualifi- cirten Sonderungsbestrebens" in einer Zelle von den Nach- barzellen aus bestimmt werde, welche ,, Richtung" die Kern- spindel bei dieser Sonderung einzunehmen haben; während vielleicht auch umgekehrt bei einer durch die Lage der Nachbarzellen mechanisch gegebenen Zwangslage für die Kernspindel (s. S. 303) mit der so von der Nachbarschaft bestimmten Theilungsrichtung auch zugleich ein gewisser, wenn auch vielleicht blos innerhalb prädisponirter Alternativen auswählender Einfluss auf die Qualität der sich vollziehenden Sonderung ausgeübt werden könne. Bei Zelltheilungen innerhalb gleichartiger Umgebung, also innerhalb eines geschlossenen Gewebe Stratums, würden sich [1) Daraus folgt also, dass die qualitative Differenzirung nicht „fest" an die „Zahl" der Zelltheilungen, also aucli nicht fest an die Zelltheilung selber gebunden sein kann^dass nicht mit „jeder" Zelltheilung an sich eine be- stimmte qualitative Veränderung verbunden sein kann in der Art, dass einer somatischen Zelle der 10., IL, 12., 20. und 50. Generation von der Eizelle her schon in Folge dieser Generationszahl eine bestimmte Qualität zukommt. Für die Ge- schlechtszellen ist dies vielleicht zum Theil anders; doch werden wohl auch da die im 40. Lebensjahr producirten Samenzellen höhere Generationen darstellen, als die im 30. Jahre producirten, ohne dass eine typische qualitative Verschiedenheit in ihren Leistungen sich bekundete.! 318 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. die Be- [35] Ziehungen erheblich vereinfachen und mechanische Mo- mente einen erhebhcheren Einfluss gewinnen können. Obgleich ich nicht angeben kann, wie durch die bekannten Formen von Energie diese Wirkungen vermittelt werden sollten, so würde ich es docli als eine durchaus unwissenschaftliche Concession an die Selbstgenügsamkeit unserer Zeit ansehen, wenn ich annehmen wollte, dass nichts geschehen könne, als was wir aus den zur Zeit bekannten Kraftformen abzuleiten vermögen. Bietet uns doch das organische Geschehen fast in jeder seiner Leistungen solche That- sachen dar. Icli habe daher schon im ersten Beitrag darauf hinge- wiesen, dass hier, im Organischen, durch millionenfache Aus- lese und Häufung von zufällig entstandenen Processen Com]»licationen geschaffen sind, die wir voraussichtlich zum grossen Theile nie künstlich nachahmen können; und in welchen daher auch V\^i r k u n g s w e i s e n vorkommen können, die von allem von uns künstlich Herstellbaren so verschieden sind, dass zu vielen nie eine das Specielle erklärende Brücke wird ge- schlagen werden können, ausser der durch das allgemeine Gesetz von der Erhaltung der Energie bereits gewonnenen. Gleichwohl dürfen wir nicht mit dem Streben nachlassen, stetig den Complex des U n b e k a n n t e n zu a' e r k 1 e i n e r n. Aus diesen Hypothesen erwächst uns zunächst die Aufgabe, thatsächlich festzu.stellen, ob solche richtende Wirkungen zwischen Zellkern und Zellleib, sowie von Zelle auf Zelle vorkommen, und weiterhin, ob in der That die formalen Leistungen der indivi- duellen Entwickelung, soweit sie in der Anordnung der Zellen be- ruhen, auf diese Weise vermittelt werden. Bezüglich der richtenden Wirkung von Zelle auf Zelle haben sich meine V^ersuche ausser den vorstehend (S. 302 u. f.) und den in Beitrag 1 (s. S. 1(33, 106 und 250) mitgetheilten mechanischen Beeinflussungen der Zellgestalt, welche bei dieser Frage mit von Bedeutung sein können, bis jetzt darauf beschränkt, zu i)ro- biren, ob die Zelltheilungsrichtung von aussen her durch derartige „fernwirkende" Kräfte beeinflusst werden kann. Wirkung dor Klootricität ;iuf die Kichtung der Zelltlieilung. 319 wie sie vielleicht als in den Zollen vorhanden vennuthet werden könnten. AVirknng der Electricität anf die Kichluno- der Zelltheilung. [36] Je grösser die Zelle ist, um so eher schien eine Beeinflussung durch unsere gröberen Mittel möglich; deshalb erschien mir das Froschei, als eine sehr grosse Zelle, auch für diesen Versuch sein- geeignet. Zunächst wollte ich den eventuellen Einfluss eines galva- nisch en Stromes auf die Richtung der ersten Ei-Theilung prüfen. Die Mittel dazu verdanke ich der Güte des Herrn Professor O. E. Meyer, welcher mir die ihm zur Verfügung stehenden Apparate mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit lieh. Ich aspirirte soeben be- fruchtete Frosch- und Kröteneier in möglichst enge Glasröhren und umwickelte jede der Röhren auf der Hälfte ihrer Länge in einer ge- schlossenen Lage mit einem dicken, übersponnenen Kupferdraht, durch welchen dann ein Strom von zwei grossen BuNSEN'schen Ele- menten bis zum Eintritt der ersten Theilung geleitet wurde. Das Verhältniss des Durchmessers des Stromkreises zur Länge der Kern- spindel, welche ich mir als den wohl am leichtesten von der ganzen Zelle beeinflussbaren Theil vorstellte, war danach etwa dasselbe, wie bei einer Tangentenbussole, sodass eine Wirkung des starken Stromes wohl hätte eintreten können, Avenn die umströmten Gebilde über- liaupt in einer richtenden Weise beeinflussbar waren. Solches schien nun auch gleich bei dem ersten Blick auf die sich furchenden Eier evident sich zu bekunden, denn fast alle Furchen standen quer zu der wagrecht liegenden Glas- röhre. Dasselbe zeigte sich aber auch, wie oben schon mitgetheilt, in dem nicht umströmten Theil der Röhre. Ich lernte nun zwar bald dieses letztere zu vermeiden, damit aber fand auch die gleich- artige Einstellung innerhalb des umströmten Theiles der Röhre ihr definitives Ende. Somit war keine Wirkung unseres Stromes vor- handen, welclie die innere Tendenz der Eier, die erste Furche in 320 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. einer an jedem Ei für sieh bestimmten Riehtmig zu bilden, vollkommen zu überzwingen und die Theilungen alle in annähernd die gleiche Rich- tmig zur Richtung des Stromkreises zu stellen vermocht hätte. Trotzdem aber konnte der Strom eine erhebliche richtende Wirkung ausgeübt haben, welche aber nicht wahrnehmbar wurde, da uns die eigenthche Ausgangsstellung unl)ekannt war. Um diese letztere zu kennen, stellte ich die Röhren bei einem weiteren Ver- suche senkrecht. Aber [37] es war gleichwohl keine Ablenkung der ersten Furche aus ihrer verticalen Richtuno: be- m e r k b a r. Dieses Resultat lässt indess immer noch keine sichere neg-ative Deutung, an welcher uns fast ebenso viel wie an einer positiven liegen muss, zu ; denn es konnte seinen Grund darin haben, dass die einstellende Wirkung der Schwere zufolge des, wie wir gesehen haben, bei befruchteten Eiern erheblich grösseren, ungleichen, specifischen Gewichtes der oberen und unteren Hemisphäre zu gross war, gegen- über der alterirenden Wirkung des Stromes, oder dass der Strom gerade tendirte, die Kernspindel in die Stromebene zu stellen, Avobei die erste Furche noch in ihrer verticalen Richtung bestärkt werden musste. Der darauf hin angestellte nächste Versuch mit schräger Stellung der Röhren ergab leider, wie schon viele ^^ersuche in früheren Jahren, kein Resultat, da die Eier sich nicht mehr furchten. Die Laichperiode des Jahres 1884 war zu Ende; und es blieb für dieses Jahr 1885 die Wieder- holung dieses letzten Versuches nebst dem weiteren Versuche der Um- strömung der Eier bei gleichzeitiger Aufhebung der richten- den Wirkung der Schwere durch langsame Rotation der um- strömten Eier in einer Verticalebene zu erledigen übrig, um zu einem bestimmten Schlüsse, sei es im positiven oder negativen Sinne, zu gelangen. Eine neue Versuchsmöglichkeit wird ferner gewonnen sein, wenn es mir gehngen sollte, durch „künstliche localisirte Befruch- tung'' die natürliche Theilungsrichtung sicher im Voraus zu bestimmen. Einige Male hatte ich auch ein Ei zwischen die Pole eines grossen Electromagueten an einem Coconfaden aufgehängt, um zu sehen , ob sich die erste Furche in bestimmter Richtung zu ihnen Strahlungen und Windungen im bol'iuchteten Ei. 321 einstelle; doch fehlte es an einer geeigneten Glashülle für den Apparat, so dass die Luftbewegung nicht einmal sieher zu beurtheilen gestattete, ob, wie zu erwarten ist, die Eier selber diaraagnetisch sind. Eier, welche sofort nach der Befruchtung in eine relativ weite Glasröhre aspirirt und zwischen die Pole d es Electromag- neten gelegt worden waren, Hessen gleich den von demselben Strom direct umströmten Eiern keine bestimmte Einstellung ihrer ersten Furche erkennen. [Weiteres siehe Nr. 25, S. 11, 26 u. 37.] Strahlungen und Windungen im befruchteten Ei. Bei den Umströmungsversuchen kamen noch einige Besonder- heiten zur Beobachtung. Bei einigen Eiern war die erste und zweite Furche abnorm gestaltet. Bei anderen , sich [38] nicht furchenden Eiern traten in der Umgebung der Eiaxe gleichzeitig mehrere weisse Flecken oben in dem schwarzen Felde auf, und diese weissen Theile entfernten sich alsdann radiär von ein- ander, so dass man den Eindruck erhielt, ein aufsteigender weisser Körper sei dicht unter der Oberfläche in Stücke zersprengt worden; und diese Theile entfernten sich auch noch weiter von einander, nachdem sie schon die Oberfläche erreicht hatten. Einige Male lagen in jedem der auf diese Art entstehenden sechs Strahlen mehrere weisse Puncte, und die Strahlen selber Avaren alle gleichmäs- sig um etwa 90° spiralig nach rechts gewunden. Durch diese gleichmässige Windung aller Strahlen um die vertical stehende Eiaxe unterscheiden sich dieselben evident von gelegentlich an b e f r u ch t eten Eiern in Zwangslage in den seitlichen Theilen der Oberfl.äche vor- kommenden hellen Spiralen, welche symmetrisch zur Sym- metrieben e der Pigment irung verlaufen und in ihrem Anf angs- theile der Richtung des aufsteigenden Stromes folgten, dann aber convolute^nartig sich abwärts einrollen. Einmal entstand bei zu starker Erwärmung der Spirale an einem absterbenden Ei auf der Mitte des braunen Poles ein weisser Fleck, welcher bald sechs Strahlen aussandte, von denen zwei in der Richtung des Stromes standen, während die vier anderen rechtwinkelig zu dieser Rieh tung orientirt W. Rous, Gesammelte Abhandlungen. II. 21 322 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embrj-o etc. _ waren. Man könnte danach zu vermuthen geneigt sein, dass ein ausgeprägter, irgendwie bestimmt charakterisirter electrotonischer Zu- stand im Sinne Faraday's in den umströmten Froscheiern entstehe. Dem entgegen muss ich aber zunächst erwähnen, dass ähnhche schein- bare Zerspaltung eines aufgestiegenen Stückes weisser Substanz auch einige Male an nicht electrisch beeinflussten Eiern, welche sich gleichfalls trotz der Befruchtung nicht furchten, wahrgenommen wurden. Unbefruchtete Eier dagegen liessen bei tagelangem Stehenbleiben allmählich ganz unregelmässig vertheilte Flecken ent- stehen. Danach haben wir also in den erwähnten Zeichnungen ,,be fruchtet er", aber nicht sich furchender Eier immerhin eine Thätigkeit besonderer, in gewisser Hinsicht typischer Weise gestaltender Kräfte zu erbhcken. Ich habe diese Eier auf- gehoben; und gedenke nach weiterer Aufspeicherung solchen Mate- riales, dasselbe im Zusammenhange zu bearbeiten. Abhängigkeit der Entwickelung von der Luft, Unabhängig- keit der Organanlage von der Lagerung der Luftquelle. Einige der Glasröhren mit befruchteten Eiern liess ich [39] zu weiterer Beobachtung liegen. Es ergab sich nach einigen Tagen, dass sich an jedem Ende der Röhre nur das nächste Ei ungehemmt weiter ent- wickelt hatte und zur Zeit der Beobachtung eine normale, eben im Schluss begriffene Rückenfurche darbot; während das zweitnächste Ei blos die Gastrula gebildet hatte und das dritte auf der Stufe der ganz oder fast vollendeten Blastula stehen geblieben war, gleich den übrigen zwischen beiden Enden gelegenen Eiern. War dagegen eine grosse Luft- l)lase zwischen den Eiern in der Röhre vorhanden, so entwickelten sich die ihr anhegenden Eier gleichfalls weiter; und zwar bildete sich der Urmund in keiner constanten Lage zur Berührungsstolle der Luftblase m i t der Blastula! Dieser interessante Befund ist wohl ein Zeichen, dass die ,, Furchung" noch bei sehr ge- ringer Gelegenheit zum Gasaustausch vor sich gehen kann, während zurBildung neuer Gestaltung durch, ,Wachs- thum" ein höheres Maass von Luftaufnahme nöthio- ist. Abhängigkeit der Entwickelung von der Luft etc. 323 Weiterhill ergicbt sich, dass dio „Lage" der Luftquelle zur Blastula keinen differenzirendn Einfluss von der Art ausübt, dass etwa immer dieselben Organe des Emi3ryo sich an der der Luft zugewendeten Seite entwickelten^). Bezüglich der gegenseitigen richtenden Wirkung zwichen dem sich theilenden Zellkerne und den Theilen des ihn umgebenden Zellleibes hoffe ich [entsprechend meiner bereits im Jahre 1883 (s. S. 118) geäusserten Vermuthung und den oben S. 303—305 mitgetheilten Versuchen (siehe Nr. 30)], an den künst- lich deformirten Eiern durch genaue Prüfung der Stellung der Kern- spiudel zu den von einander nnterscheidbaren Dottermassen die nöthige Aufklärung gewinnen zu können. Jüngst hat sich 0. Hertwig-) gleich- falls für eine solche richtende Wechselwirkung und zwar auf Grund vergleichend anatomischer und physiologischer Tliat- sachen ausgesprochen. Er sagt: „Der Furchungskern, von welchem auf das Protoplasma Kraftwirkungen ausgehen, wie die strahlen- förmige Anordnung der Plasmatheilchen um ihn lehrt, sucht stets die Mitte seiner Wirkungssphäre einzunehmen." S. 19. „x4.n dem Furchungskern bilden sich die zwei vor jeder Theilung auftretenden Kraftcentren in der Richtung grösster [40] Protoplasma-Ansammlung der Zellen." S. 20. Und ferner: „Dem Protoplasma und Kern, indem sie wechselseitig auf einander einwirken, kommt die Fähigkeit zu, ihr Lageverhältuiss zu reguliren." S. 21 [siehe hierzu Nr. 31, S. 276]. Diese Aussprüche erfolgen auf Grund der ihnen entsprechenden Kern- einstellung bei normalen, verschieden geformten Eiern. Die dadurch schon gewonnene „Wahrscheinlichkeit" kann aber zu einer ,,Gewissheit" erst erhoben werden, wenn es uns gelingt, dasselbe Verhalten in verschiedenartigen, von uns künst- lich erzeugten Bedingungen zu beobachten. Auf solches Verhalten weisen bereits ein weiter unten (S. 336) mitgetheiltes Vor- [') Esist vielmehr zu folgern, dass jede Seite der Blastula und Gastrula die Athmungsfunction übernehmen kann und dass von jeder Seite aus die Luft im ganzen Gebilde vertheilt werden kann.] 2) 0. Hertwig. Welchen Einfluss übt die Schwerkraft auf die Theilung der Zellen? Jena 1884. 21* 324 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. kommniss an in Zwangslage befindlichen Eiern sowie die vorn S. 303 mitgetheilten Deformationsversuche hin. y. Bedeutung: der ersten Furchungeii. Weitere Beobachtungen sollten mich über die Bedeutung der ersten F u r c h e noch sicherer unterrichten, als es bereits durch meine erste Untersuchung (Nr. 16) geschehen war. Als normales Verhalten hatte sich, wie schon erwähnt, ergeben, dass diese senk- recht sich einstellende Furche bei Rana esculenta das Bild der oberen Eihälfte, welches auf einer Seite durch einen hellen, sichel- förmigen Saum ausgezeichnet ist, symmetrisch theilt (s. Taf. IV), dass sie also in die Sjanmetrieebene der Pigmentirung bei der vor- handenen schiefen Einstellung des Eies fällt; ferner dass die Furchen der vierten Furchung normaler Weise gleichfalls dazu symmetrisch orientirt sind, und dass in gleicher Weise bei Rana esculenta wie fusca die Medianebene des späteren Embryo in die erste Furchungsebene fällt ^). 1) Diesem Zusammenhang liegt ein Furchungschema zu Grunde, welches in jenen wesentlichen Eigenschaften, die uns die Möglichkeit gewähren, die Hauptricht- ungen des Embryo am Eie schon nach der ersten Furche zu erkennen, zuerst von mir aufgestellt und als N ormalf urchungsscb ema der Rana esculenta bezeichnet worden ist (s. S. 113 u. f.). Bei dieser Gelegenheit bemerkte ich, dass dasselbe total verschieden ist von dem kurz zuvor seitens A. Raiber's für diese Species auf- gestellten Normal-Furchungsschema. Gegen diese Angabe erhebt dieser Autor Ein- spruch (Zoolog. Anz. 1883, S. 461 und Zoolog. Jahresber. 1883, Abth. IV, .S. 129), indem er behauptet, dass unser beider Schemata vollkommen übereinstimmten, und beschwert sich zugleich, dass ich seine Vorarbeit nicht anerkannt hätte. Nun aber gründet sich Raubkr's Normalschema auf die Anwesenheit einer Brechungs- furche (vergl. Morph. Jahrb. VIII, S. 262 u. 274), während das meine auf dem Fehlen einer solchen beruht, wodurch erstdie Beziehung zur künftigen Medianebene erkennbar wurde. Zweitens giebt R. bezüglich derjenigen Beziehungen meines Schemas, welche bereits von früheren Autoren, zuletzt von Rauber beschrieben worden sind, und für welche ich auf Rauber's Abbildung verwiesen habe, extra eine Vorschrift, wie dieselben aus der „Normalstellung" der Furchen seines Schemas ab- zuleiten seien (S. 275). Damit ist wohl der Einspruch R.'s genügend charakterisirt. Aber selbst, wenn R. diese vor ihm bereits bekannten Züge als die normalen hin- gestellt hätte, so würde dieses Schema damit für unseren Zweck noch gar nicht brauchbar gewesen sein, denn es fehlten noch alle dafür nöthigen Hauptmomente: erstens, dass bei diesem' Schema di e E iaxe schräg steht, wo- durch allein Vorn und Hinten so früh erkennbar werden; zweitens, dass die erste Furche durch die Sy m m etrieeb ene dieser Schiefstellung geht; drittens, dass die zweite V. Bedeutung der ersten Furchungen. 325 a) Beziehung zwischen „erzwungener" Stellung der Eiaxe und der Richtung der ersten, rcsp. zweiton Furche^). [4:1] Von allen den vorstehend genannten normalen Lage-Beziehungen der ersten Furchungen zu einander sowie zur Eiaxe und zur Medianebene sind mir im Jahre 1884 zahlreiche Abweichungen vorgekommen; die Beziehung zur Sym- metrieebene der Pigmentirung war sogar in der grossen Mehrzahl der Fälle verändert. Da es mir nicht wahrscheinlich schien, dass so fundamentale Verhältnisse ohne besondere Ursache in ihrem Wesen variiren, suchte ich nach einer solchen Ursache, und glaube sie darin erblicken zu dürfen, dass in diesem Jahre alle meine Eier behufs Verwendung der Mehrzahl derselben zu anderen Ver- suchen^) sich wenigstens einige Stunden lang, von der Be- fruchtung angefangen, in ,, Zwangslage" befanden (s. Nr. 22, S. 117 und Nr. 31, S. 250 und 251). Furche excentrisch und zwar normaler Weise immer derselben, dem Hinten entsprechenden Seite genähert ist. und viertens, dass auch die Furchen der vierten Theilung normaler Weise zur ersten Furchungsebene sym- metrisch orientirt sind. Bei Rauber's und seiner Vorgänger Beobachtungen dagegen fehlt jede Beziehung der Furchungsaxe zur Eiaxe, desgleichen die Be- ziehung der vierten Theilung auf die erste, da sie schon in diesem Stadium die erste und zweite Furche nicht mehr von einander unterschieden haben, und die Beziehung der Medianebene des Embryo auf die ersten Furchungsebenen (s. Nr. 21, S. 160). [1) Die hier verwendete, von Pflüger eingeführte Zwangslage durch un- genügende Quellung der Gallerthülle ist mit nur geringer Deformation der Eier verbunden, weshalb man sie als ,, einfache Zwangslage" bezeichnen kann. Gleichwohl weisen Vorkommnisse (die Abweichungen der ersten oder zweiten Furch- ungsebene aus der Symmetrieebene des Rindenpigmentes) darauf hin, dass die Rich- tung der ersten Furche dabei manchmal durch geringe Gestaltäude- rung beeinflusst ist. Stärker ist dies bei Eiern der Fall, welche durch starke Deformation (Aspiration in Glasröhren oder Pressung zwischen Platten bei geringer aber doch stärkerer Quellung der Gallerthülle) in erzwungener Lage erhalten werden; diese übrigens nicht so feste Zwangslage kann als Deformationszwangslage be- zeichnet werden. Die Zwangslage unterscheide ich weiterhin in .schiefe oder gerade, je nachdem die Eiaxe in abnormer oder normaler Richtung fi.xirt wird (s. Nr. 21, S. 195 Anm.).i [') Zu den in Nr. 18 mitgetheilten Anstechversuchen. Diese machen nöthig, dass das Ei beim Fassen seiner Hülle mit der Pincette und beim Anstechen sich in dieser Gallerthülle nicht drehen könne, damit man auch wirklich die beabsichtigte Stelle verletze.] 326 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. Diese Abweichung bekundete sich einmal, Avie schon oben erwähnt, darin, 0« zur Eiaxe; in gleicher Weise verhalten sich seine übrigen Zahlen. [Statt einer Abhängigkeit des Winkels der ersten Theilungsebene von dem willkürlich gewählten Neigungswinkel der Eiaxe wäre also rich- tiger eine vollkommene Unabhängigkeit beider von einander aus den Messungen Pflüger 's abzuleiten] ; und Pflüger spricht solches, ohne den vorstehenden Satz zu widerrufen, implicite selber aus, indem er in seiner dritten Abhandlung, S. 1, angiebt: ,,dass die Schwerkraft die Richtungen der Zelltheilungen in dem sich entwickelnden Ba- trachiereie beherrscht, so dass ,, keine" wesentliche Beziehung zwischen Lage der Eiaxe und der Richtung der Furchungen existirt." [Doch entspricht auch diese Angabe nicht meinen Erfah- rungen, wie jetzt dargethan werden soll.] Von 493 von mir im Jahre 1884 beobachteten, in Zwangslage [mit meist nur geringer erzwaingener Schiefstellung der Eiaxe] be- findlichen Eiern von Rana esculenta stand bei 106 Stück (21,5°/o) die erste Furche in Richtung der durch die Eiaxe gehenden verticalen Symmetrieebene, bei 56 (ll°/o) innerhalb 20° nahe dieser Richtung. Dagegen stand bei 173, also 35°/o der Eier, die erste Furche recht- winkelig zur Symmetrieebene, und bei weiteren 90 Stück (18 °/o) inner- halb 20° dieser Richtung genähert ; während in den noch verbleiben- den Raum von 50° zwischen diesen Extremen nur der Rest von 1) Pflüger's Arch. Bd. XXXII, S. 15. V. Bedeutung der ersten Furchungen. 327 68 Eiern (14 *\'o) fällt. Es zeigt sich also, wie aueli gleichzeitig College Born beobachtet liat, bei Zwangslage der Eier ein anf- fallend liäufiges reclitwinkelig Stehen der ersten Fnrche znr verticalen Symnietrieebene, welche ihrerseits durch die Eiaxe bestimmt ist. Ausserdem finde ich eine sehr ausge- sprochene Gruppirnng der Abweichungen, sowohl um diese Richtung, wie um die Symmetrieebene selber, so dass zusammen 8(5 "^/o der ersten Furchungsebenen diesen beiden Richtungen zu- gehören, während blos 14°/o in den ÖO*' umf assendenZwischen- raum zwischen diesen beiden Hauptgruppen fallen (s. S. 335 u. f.) Ich habe zugleich beobachtet, dass bei diesen letzteren von vor- stehender Regel abweichenden Eiern grösstentheils schon nach der zweiten Furche die Pi g mentvertheilung in der Eirindc der- artig umgearheilet ivar, dass nachträglich die J^ehereinstim- mnng mit einer der beiden Hanptrichtungoi [das heisst mit der Richtung der ersten oder zweiten Furche] sich hergestellt fand (s. S. 521). Damit ist ein für die Auffassung des Mechanismus der ersten Entwickelungsvorgänge höchst bedeutsamer Irrthum Pflüger's beseitigt, indem an die Stelle des „Fehlens" jeder [43] wesentlichen Beziehung der ersten Furche zur Eiaxe der,, Wechsel zwischen einer ganz bestimmten Alternative" tritt-), welchen wir, wie [1) Diese fundamentale, durch zahlreiche Wiederholungen sicher gestellte Beobachtung, welche auf sehr actuelle Beziehungen zwischen der pigmentirtenSubstanz der Ei rinde einerseits und der Anordnung des unter ihr liegenden Bildungsdotters und den Qualitäten des Zell- kernes andererseits, also zwischen der sogenannten primären Eiaxe und dem Eiinhalt hinweist, ist bis jetzt von keinem nachfolgenden Beobachter beachtet worden (s. Nr. 30). [^) Entsprechend der Ausführung auf Seite 109 wurden auch hier die Ab- weichungen als'^um Theil auf Versuchs- und Beobachtungsfehlern be- ruhend aufgefasst. Spätere Beobachtungen mit gleichem Resultat machen es wahrscheinlich, dass diese Abweichungen zu einem erheblichen Theil wirklich im Ver- alten der inneren Theile des Eies selber begründet sind und nicht blos auf nach- träglichen Drehungen des Eies beruhen (s. Nr. 20, S. 51). Alsdann hat an die Stelle des von Pflüger behaupteten Fehlens jeder Beziehung zwischen der Eiaxe und den beiden ersten Furchen, besser gesagt, zwischen dem „pigmentirten Rindentheil" und den durch die beiden ersten Furchungen gesonderten „inneren" Dottermassen bei schiefer 328 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. wir sehen werden, schon jetzt in seinen Ursaclien annähernd zu ver- stehen im Stande sind. b) Beziehung zwischen der Richtung der ersten Furche und der Richtung d er Medianebene bei „einfacher Zwangs- lage" (s. S. 325) der Eier. Die Feststellung der Bedeutung der ersten Furche für den späteren Embryo angehend, so wurde bei 75 von den erwähnten, in Zwangslage erhaltenen Eiern ausser der Stellung dieser Furche zur Symmetrieeljene der oberen Ansicht noch die Stellung der Rücken- furche resp. der Ort der ersten Urmundsanlage bestimmt. Davon fielen bei blos 15 Eiern, also 20 "/o, die erste Furche und die Medianebene des Embryo mit der Symmetrieebene der Pigmentirung zusammen, während bei weiteren 11, also 14°/o, dasselbe annähernd, mit Abweichungen inner- halb 20°, der Fall war. Diese 34*^/0 der Eier zeigten somit in der Zwangslage wesentlich dasselbe Verhalten als Eier, welche ihre physiologische Schiefstellung der Eiaxe durch Eigendrelmngen eingenommen haben. Bei 24 der Eier, bei welchen die erste Furche rein quer, bei 13, wo sie annähernd quer zur S^anmetrieebene stand, fiel gleich- wohl die Median ebene vollkommen resp. annähernd mit der Richtung der Symmetrieebene zusammen^). Diese Eier, zu- Zwangslage eine Beziehung zu treten, Avelche nicht so fest ist, wie oben ge- folgert wurde, sondern um zwei Prädi le cti on sr ic htungen variirt. Mit anderen Worten heisst dies : Bei Zwangslage, also bei dadurch veranlasster Störung der normalen Lage der pigmentirten Rindensubstanz zu den inneren Dotter Substanzen kommt „während" der beiden eisten Furchungen oft der normale Einfluss der p igm enti rten Rindensub- stanz auf die Bestimmung d e r „ R i c h t u n g " der ersten E i t h e i 1 u n g e n nicht voll zur (leltung, sondern der Einfluss der ,. inneren" Dotter- substanz e n auf die T h e i 1 u n g s r i c h t u n g überwiegt. Unsere zweite Beobachtung zeigt, dass alsdann, während und nach der zweiten Furchung. das R in d en pi gm e n t nachträglich zu einer der beiden ersten Theiluugen, also zu der durch die ersten Theilungen bewirkten Sonde- rung der inneren Dottersubstanzen „sj-m metrisch 'geordnet wird: und zwar geschieht dies, wie später mitgetheilt wird, fast ausnahmslos um diejenige der beiden ersten Furchen, mit welcher später die Median ebene des Embryo zu- sammenfällt. [') üeber das Verhalten bei Pressung der Eier zwischen wagrechte und senk- rechte Platten siehe Nr. 29, S. 607.1 V. Bedeutung der ersten Furchungen. 329 sammen 49''/o der beobachteten, stellen das W'i-halten dar, wek-lie von Räuber^) als das ausschliessliche Vorkommen unter normalen Verhältnissen hingestellt worden ist. Da aber Haihkü, nach seiner mündlichen Angabe, mit w e n i g a n gefeuchtet e n Eiern experimen- tirte, so war jedenfalls bei seinen Versuchen zumeist Zwangslage wie bei den meinigen vorhanden; und es ist blos zu verwundern, dass Rauber diese Einstellung als die ,, ausschliessliche" aufführt. Ich fasse dieses Vorkommniss als einen Anachroiiisinus der Furclumg-, als eine bei Zwangslage sehr häufig eintretende zeitliche Verwechselung der beiden ersten Furchen (siehe S. 117) auf-), wobei also die eigentlich zweite, normalerweise quer zur Symmetrieebene stehende Furche zuerst entstanden ist, ■wobei gleichwohl aber die Medianebene des Embryo in der Richtung der hier erst als zweite entstandenen, aber durch ihre Stellung in der Symmetrieebene und eben durch ihre genannte Beziehung zur Median- ebene Avohl charakterisirten, nor- [-1:4] maier Weise ersten Furche liegt. Dieser Möglichkeit war bereits in meiner ersten Arbeit auf Grund einer damals einzigen bezüglichen Beobachtung gedacht und ich habe auf der Naturforscherversammlung in ^Magdeburg Herrn Rauber diese Deutung entgegengestellt. (Sitzungsber. der Vers, der Naturf. 1884 S. 330.) Da aber Herr Rauber in seinem kurzen dem Drucke übergebenen Referat den bezüglichen Theil seines Vortrages ausge- lassen hat, so muss meine Er^^'iderung an jener Stelle wie aus der Luft gegriffen erscheinen. Die von mir gemachte Annahme wird durch zahlreiche beobachtete sonstige Anachronismen der typischen Furchungsordnung bei Zwangslage gestützt. In einer Glasschale mit 20 Eiern trat sogar bei 4 Eiern die dritte verticale Furche vor der ersten Aequa- torial furche au.^, wobei also sogar eine zeitliche Verwechselung einer wagrechten Furche mit einer senkrechten Furche stattfand. [Weiteres s. Nr. 22, S. 22.] Wenn somit die Reihenfolge der quali- ij Zool. Anz. 1883, S. 462. und Vortrag auf der Vers. d. Naturf. zu Magde- burg 1884. [-) üeber den Mechanismus dieses Anachronismus siehe Nr. 20, S. 52 und Nr. 21. S. 201.] 330 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. tativ verschiedenen Eitheilungen bei derselben Species so leicht alterir- bar ist, so wird es verständlicher, dass auch bei nahe verwandten Species darin Verschiedenheiten bestehen, wie A. Goette') es bezüglich der Würmer angiebt, wo die erste Furche bald die Medianebene darstellt, bald Vorn und Hinten scheidet. Dieser Autor erwähnt zugleich auch schon das Vorkommen von Fur- chungsauachronismen innerhalb derselben Species bei den Würmern. In diesem Wechsel ist aber nach meinen Erfahrungen bezüg- lich des Frosches das Wesentliche, Bleibende, dass die ersten drei Theilungen des Eies normalerweise in einer ,, festen Be- ziehung zu den Hauptaxen des Embryo" stehen, dass näm- lich eine dieser Furchen die Medianebene darstellt, eine Dorsal und Ventral, eine andere Kopf- und Schwanz wärts scheidet, und dass mit diesen Axenbestimmungeu auch schon die angehörigen ,, Qualitäten" , das Dorsal und Ventral, das Oral und Aboral von einander differenzirt und in ihrer Lage an jeder von beiden Hälften der betreffenden Axe normirt sind. Beiden übrigen 12 Eiern, also bei 16*^/0, wurde ein scheinbar abweichendes Verhalten beobachtet, dessenThatsächlichkeit indess erst [45] durch weitere Versuche geprüft werden muss, ehe zu einer Erklärung seiner eventuellen Bedeutung ge- schritten werden kann (s. Nr. 21, S. 196; Nr. 29, S. 608 u. Nr. 30, S. 4). Aehnliche Abweichungen kamen häufiger bei Eiern in Ztvangslage, iveJche nach der ersten bis vierten Furche umgedreht und in dieser Lage bis zum Auftreten der Rückenfurche erhalten worden waren, zur Beobachtung; doch sind hier auch die fehlererzeugenden Kräfte noch grössere. Da Pflüuer die in Zwangslage noch waltende Gesetz- mässigkeit der Lage der ersten resp. zweiten Furche zur Ei axe übersehen hat, er aber gleichwohl die Medianebene des Embryo durch die verticale Symmetrieebene der Eieinstellung bestimmt 1) A. GoKTfK. Abhandlungen zur Entwickelungsgeschichte der Thiere. Heft I, S. 7, Heft II, S. 56. EJntstehungsmöglichkeit der Doppelbildungen. 331 fand, wie ich es vorher schon l'ür (Ue normale ScliieistcHnng der Ei- axe mitgetheilt hatte, so konnnt er zu der Auffassung' (Abhandhnig TI, S. 31), dass bei Zwangslage die Ebene der ersten l*\irchung mit der Medianebene die verschiedensten Winkel mache, womit also jede Beziehung der ersten Furche zur Medianebene auf- gehört haben würde. Damit wäre auch das von mir und danach von Pflüger gefundene Gesetz, dass die erste (resp. nach vorstehen- der Erörterung gelegentlich zweite) Furche die Medianebene des Frosch- embryo darstellt, blos der Ausdruck eines zufälligen, leicht trenn- baren Zusammenfallens gewesen, und hätte demnach auch nur ge- ringe ontogenetische Bedeutung gehabt. Indem ich durch die vor- stehend mitgetheilten Beobachtungen und Ausführungen diese Auf- fassung als irrthümlich nachgewiesen habe, mache ich mir dies Ge- setz in seiner fundamentalen Bedeutung, dass die erste (resp. zweite) Furche bereits das Material der beiden Antimeren des künftigen Em- bryo scheidet, auf's Neue zu eigen'). Das Wesen der [normalen] Furchung besteht demnach, wie ich schon in meinen Arbeiten über die Bestimmung der Hauptrichtungen und über die Bedeutung der indirecten Kerntheilung angenommen habe, [abgesehen von der Zerlegung des Eies in kleinere Zellen] darin, dass sie das [durch die Befruchtung „activirte"] ^) Keimmaterial „qualitativ" scheidet und es zugleich in einer Weise zu einander „ordnet", welche die Lage der späteren diffe- renzirten Organe des Embryo im Voraus bestimmt. Diese qualitative Scheidung und bestimmte Lagerung betrifft „vorzugsweise" das „Kernmaterial" [46] und wird durch [1) Da indess die erzwungene Schiefstellung der Eiaxe in diesen Versuchen eine nur wenig von derVerticalen abweichende war, und sie gleichwohl so erhebliche Abweichungen von der Norm hervorbrachte, so ist vielleicht nicht mit Unrecht zu vermuthen, dass bei erzwungener stärkerer Schiefstell ungdie Procent- zahlen der Abweichungen noch grössere werden, und noch mehr wird dies wohl gesteigert werden können, wenn die Zwangslage, wie bei Pressung der Eier zwischen Platten oder bei Aspiration in enge Röhren noch mit starker „Deformation'- der Eier verbunden ist. (Nr. 29. S. 607 und Nr. 31, S. 265 u. f.)] [•-') Ueber die gemachte Einschaltung siehe Nr. 22, S. 138, sowie Nr. 27 u. 28.] 332 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. die ,,in(iirecte" Kerntheilung vermittelt [s. S. 306 u. Nr. 22, S. 138] 1). O. Hert\aig hat sich im iVnschluss an die von mir ausgesprochene Auifassmig der Bedeutung der indirecten Kerntheihmg jüngst in ähn- hcher Weise über die Bedeutung der Furchung geäussert und dabei zuerst und mit Recht auf die Wichtigkeit der gleichzeitig stattfinden- den Vermehrung des Kernmaterials hingewiesen. Er sagt-): „Als das Wesentlichste und Wichtigste der ersten Entwickelungs Vorgänge betrachte ich die Vermehrung, Individualisirung und gesetzmässige ^'ertheiluno• der Kernsubstanz". En tste hu ngsm ü glich keit der Doppelbildungen. Diese Bedeutung der Furchung beschränkt meiner Meinung nach, wie ich nicht unterlassen will bei dieser Gelegenheit nochmals her- vorzuheben (s. S. 122), die Möglichkeit der Anlage von „Doppelbildungen mit Verdoppelung von Axenorganen" auf die Zeit vor und bis zur Vollendung der ersten Furchung, wofür sich früher schon B. Schultze^),' Fol*) und F. Marchand ^) ausgesprochen haben. Letzterer sagt schon : ,,wir müssen annehmen, dass den beiden Embryonalanlagen auch zwei Furchungscentren entsprechen". f 1) Es war hier wie früher (s. S. 327 Anm.) angenommen, dass die beobachteten kleinen Abweichungen von den beiden Hauptrichtungen auf Versuchs- oder Beobach- tungsfehlern beruhen und dass also, von dem typischen Anachronismus abgesehen, das Entwickelungsgeschehen auch bei Zwangslage der Eier normal verliefe. Dasselbe wurde für die 16°,'o gröberer Abweichungen vermuthet. Daher bezog sich die hier gegebene Definition der Bedeutung der Furchung trotz der gleichzeitigen Berücksichtigung der Zwangslage doch nur auf normales Geschehen. Bei wirklichen Abweichungen des Geschehens wird in Folge frühzeitiger Activirung von Reserveidioplasson der Furchung andere Bedeutung zu- kommen (s. Nr. 28).] a) 0. HERTWKi, das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung. Jena 1884, S. 36. '■>) Bernh. ScHui/rzE, Ueber anomale Duplicität der Axenorgane. Virch. Arch., Bd. 7. 1854 und Sur les Monstres doubles. Compt. rend. 1856, I, Nr. 23. 4) loco cit. y) F. Marchand, Artikel: Missbildungen in Eulenburg's Realencyclopädie der Heilkunde, 1881, S. 16. Entstehungsmöglichkeit der Doppelbildungen. - 333 Die Doppelbil du HOCH mit Verdoppehniü; von Axen- organeii unterliegen in ilirer ,, Anlage" einem unnz be- sonderen Gesetze [s. S. 122J. Dies Gesetz, welches icli kurz das „Gesetz der doppelten Symmetrie der Orgajiaiilas:eii" nennen will, bestimmt, dass jede dieser Doppelbildungen in allen ihren Theilen symmetrisch zu einer Ebene, zur Hauptsymmetrieebene, angelegt ist, und dass ein Gleiches wiederum bei jeder der so gebildeten bei- den Antimeren der Fall ist, so weit in ihr Verdoppelung sich findet. Durch dieses Gesetz wird die Reihe der Möglichkeiten um ein mehr- fach Unendliches auf die in ihrer Gesammtheit aber immer noch un- endlich grosse [47] Mannigfaltigkeit von Bildungen in einer Weise beschränkt, welche wir uns am leichtesten dadurch vorstellen können, dass wir zwei gleich entwickelte Embryonen symmetrisch nebenein- ander legen und von den beiden einander zugewendeten Antimeren jeder derselben durch je einen ebenen Schnitt symmetrische Stücke abschneiden und die Schnittflächen beider Embryonen vereinigen; dabei ist es zugleich gestattet, die Embryonen vor dem Durchschneiden symmetrisch zu verbiegen, so dass der Schnitt eine Strecke weit der Medianebene jedes Embryo folgen und sie dann verlassen kann. Die Schnittebene kann hierbei natürlich an unendlich vielen Stellen und in unendlich vielen verschiedenen Richtungen geführt werden, und es scheint, dass keine der so umgrenzten Möglichkeiten von der Natur verschmäht werde ^). Dieses wunderbare Gesetz ist, wie ich mich an dem reichen, die seltensten Fälle enthaltenden Material der hiesigen Sammlung überzeugt habe, in der ,, An läge" der Organe ausserordentlich fein durchgeführt, wenn auch nachträglich durch ungleiches Wachsthum oder ungleiche äussere Begünstigung- erhebliche Asymmetrien entstehen. Dadurch, dass die Doppel- bildungen mit Verdoppelung von Axenorganen diesem Gesetze unter- liegen, bekundet siSi, dass dieselben causal und daher auch systema- tisch getrennt werden müssen, von allen anderen Doppelbildungen sowohl von den \"erdoppelungen einzelner nicht axialer Organe (der 1) Vergl. P. L. Panum, Beiträge zur Kenntniss der physiologischen Bedeutung der angeborenen Missbildungen. Virchow's Arch. 1878, Bd. 72. 334: Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. I Extremitäten etc.), wie aucli von den wenigen Missbildungen 'mit Verdoppelung der Axenorgane, welche diesem Gesetze nicht unter- liegen (Inclusionen) , was schon von B. Schultze (loc. cit.) mit Recht hervorgehoben, aber von späteren Autoren nicht genügend gewürdigt worden ist. Unserer Auffassung der Furchung nach würde also die Haupt - symmetrieebene der Doppelbildung einer normalen ersten Furche entsprechen, da sie das Keimmaterial quali- tativ halbirt; und es wird dadurch erklärhch, dass alles, was an- gelegt wird, symmetrisch zu dieser Ebene ist. Nun müsste aber für die Medianebene jeder dieser Antimeren noch einmal eine der ersten vergleichbare Furche entstehen, welche [48] wiederum das Material quali- tativ halbirt, aber nur so weit es halbirbar, also doppelt vorhanden ist^). Unerklärbar und tief bedeutsam ist es, dass das Material gerade so weit doppelt vorhanden sein müsste, um in der weiteren Ent- wickelung einen für sich vollkommen normal angelegten Theil einer Antimere bis an eine in jedem Falle andere, ebene Abgrenzungs- fläche auszubilden, wobei eine grosse Anzahl von Organen bis an diese Begrenzungsfläche normal angelegt werden, obgleich ihr übriges Stück von vornherein fehlt. Letzteres scheint auf eine sehr vollkommene ,,Selb stdif f erenzirung" der auch nur ein- zelnen Organtheilen entsprechenden Keimtheile hin- zuweisen; und diese Keimtheile müssten dann wohl von Anfang an schon entsprechend verschieden sein. Dagegen spricht nun aber die andere Thatsache, dass alle Theile der unvollkommenen Antimere bis zu ein und derselben Abgrenzungsebene vorhanden [1) Diese zweite F\irclie würde wohl bei einem normalen Ei rechtwinkelig zur ersten stehen, da auch hier die beiden Furchungszellen wie normal halbkugelig sind und daher die Gestalt des Bildungsdotters, Avelche ja die Richtung der Kern- spindel bedingt, auch die normale ist. Soweit eine besondere Vertheilung der Dottersubstanzen nöthig ist, müsste sie secundär um die Richtung der Kernspindel erfolgen, wie (s. S. 327 und S. 337) bei Zwangslage beobachtet Avorden ist. So würde sich erklären, dass G. Born (Ueber die Furchung des Eies bei Doppelbildungen, Breslauer ärztliche Zeitschr. 1887, Nr. lö) keine bestimmte äussere Abnormität im Verlaufe der Furchung an Eiern, welche Doppelbildungen lieferten , wahrnehmen konnte, wie ich bereits im Referate dieser Arbeit bemerkt habe (s. Hkrmann-Schwalbe's Jahresbericht der Anatomie und Physiologie, anat. Abthlg. 1887, S. 590).] VI. ,Causale Bedeutung" einiger Beziehungen etc. 335 sind, was seinerseits am einfacbsten von einer von der Me- dianebene ausgelienden Dif f erenzirnn g ableitbar zu sein scheint, wobei die ursprünglicheKeimsub stanz noch relativ einfache Beschaffenheit besitzen könnte und erst im Laufe der Entwickelung selber ihre grosse Mannigfaltig- keit erlangen würde'). Wir stehen bei diesen Doppelbildungen vor einem der grössten und interessantesten Räthsel, welchem wir auch unter Zuhülfenahme der Entstehung der partiellen Antimeren durch Regeneration von den nach Ansicht einiger Autoren durch eine äussere Einwirkung von einander getrennten vollkommenen Antimeren aus, nicht wesentlich näher treten würden, zumal da ein Ersatz der zur „Einheit" des Individuum fehlenden Theile ein für jetzt ebenso unlösbares Problem einschliesst. yi. „Causale Bedeutung'^ eiiiig'er Beziehungen der ersten Ent- Avickelungsvorgänge zu einander. 1. Ursache der ersten Theilung des Eies von ,,Rana escu- lenta" in Richtung der Symmetrieebene seiner Einstellung. Suchen wir nun zum Schlüsse uns eine vorläufige Auffassung der causalen Bedeutung einiger der bis Jetzt sicher gestellten Bezieh- ungen der ersten Entwickelungsvorgänge zu einander zu bilden, so ist zunächst zu erörtern, warum die erste Furche bei der physiolo- gischen Schiefstellung der Eiaxe von Rana esculenta in Richtung der Symmetrieebene dieser Einstellung steht. Diese Schiefstellung der Eiaxe ist der Ausdruck der Ansamm- lung der Hauptmasse der specifisch leichteren Substanz an einer Stelle ausserhalb der Eiax^, also ausserhalb der Verbindungslinie der Mitten der [49] braunen und weissen Eirinde. Demnach zieht sich die speci- fisch leichtere Masse, der Bildungsdotter, von der Oberfläche aus im Inneren nach derjenigen weissen Seite des Eies hin, welche sich in [1) Diese Eventualität wurde durch die späteren Versuche gestützt (s. Nr. 22, S. 287).] 336 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. Folge dessen etwas nach oben dreht. Der Bildungsdotter ist also etwas in die Länge gezogen und die senkrechte, dieser Längsrichtung paral- lele Mittelebene stellt sich als die Symmetrieebene dieser Massenanordnung dar. Die Richtung der ersten Furche, also der ,,Theilungsebene" des Zellleibes, welche in diese Symmetrieebene fällt, ist nach den bisherigen Erfahrungen über Zelltheilung als in fester Beziehung stehend zur , , T h e i 1 u n g s e b e n e " des Kernes aufzufassen, da beide Ebenen immer als z u s a in m e n f a 1 1 e n d beobachtet w o r d e n s i n d. (0 b d i e s e B e z i e h u n g eine cl u r c h - aus constante ist, werden uns, wie ich hoffe, die Untersuchungen von den oben erwähnten linsen-, kegel- und keilförmig deformirten Eiern lehren.) Der Kern selber bildet bei seiner Theilung eine längliche Figur, deren Axe rechtwinkelig zu seiner Theilungsebene orientirt ist. Wenn nun, wie oben angenommen worden ist, dieses Gebilde mit den Substanzen des Zellleibes in einer richten- den Wechselwirkung steht, so wird bei einer ursprünglichen Ab- weichung beider von ihrer Gleichgewichtslage zu einander das weniger massige und daher leichter bewegliche Gebilde von beiden, der Kern, natürlich die stärkere Ablenkung aus seiner Richtung erfahren, während der Zellleib, den vorliegenden Grössenverhältnissen beider entsprechend, kaum merkbar alterirt werden wird. Für die Einstellung der Kernspindel ergeben sich aus der länglichen symmetrischen Anordnung der verschiedeneu Dottermassen somit zwei Prädilectionsrichtungen, in welchen allein Gleichheit der Wirkungen von beiden Antimeren des Zellleibcs her auf die Kernspindel stattfindet, also eine gewisse Stabilität vorhanden ist. Eimnal die rechtwinkelige Einstellung der Kernspindel zur Symmetrieebene; in dieser- Stellung kommen beide Enden der Kernspindel unter beider- seits ganz gleiche Zehleibsubstanzen, weshalb sie für diejenige Thei- lung, welche das Material für die beiden Antimeren scheidet, die naturgemässe ist, da dabei auch der Kern seine Substanzen meiner Annahme nach qualitativ halbirt. Ist, wie aus der normalen Furchung zu schliessen, beim Froschei nach der Befruchtung zunächst eine Tendenz zu solcher qualita- Causale JJedeutung einiger Beziehungen etc. 337 [50] tiven Ilalbiruiio- im Korn und vielleicht auch im Dotter vorhanden, so wird sich diese Einstellung herstellen, sofern nach unserer An- nahme die ,,qualitative Natur der Theilung" des einen dieser Zelltheile einen ,, richtend en" Einfluss auf die Stellung zu dem anderen Zelltheile ausübt. Die zweite stabile Stellung der Kernspindel ist na- türlich ihre Lage in der Symmetrieebene. Hierbei werden aber die Enden der Kernspindel unter zwar für jedes einzelne Ende von den beiden Antimeren des Zellleibes her gleiche, aber für beide Enden verschiedene Einwirkung gelangen; und bei einer qualitativen Wechselwirkung zwischen Zellleib und sich tb eilendem Kern ist es naturgemäss, dass in dieser Stellung der Kern sich qualitativ ungleich theilt. Dass bei diesen beiden ersten Theilungen die Theilungs ebenen senkrecht, die Kernspindeln also wagrecht stehen, muss seinen Grund in der ,, Anordnung der Massen des Zell- leibes" durch die Schwere haben, da diese ja selber in der dem Eie durch die Schwerkraft gegebenen Einstellung im stabilen Gleich- gewicht sich finden. Wenig wahrscheinlich ist es dagegen, dass die Schwere „direct" die wagrechte Einstellung der beiden ersten Kern- spindeln als wesentliches Moment hervorbringt, da sich b e i R a n a fusca diese Kernspindeln auch bei langsamer Rotation der Eier in einer Verticalebene (Nr. 19) in gleicher Weise zur Eiaxe einstellen. Aus dem gleichen Grunde nehme ich auch für die Richtung der, bei Ruhestellung des Eies senkrecht stehen- den Kernspindel der dritten Theilung, wie für die Richtungen der Kernspindeln bei allen weiteren Theilungen an, dass sie durch die „Anordnung der Massen des Zellleibes" [resp. durch deren ,, Gestalt" s. S. 303], bestimmt werden. Die typische Stellung der Kernspindeln zur Richtung der Schwere hat ihren Grund demnach wesentlich darin, dass die Schwere bei Ruhelage des Eies entweder das ganze Ei oder, bei Befestigung der ,,Eirinde" durch sogenannte Zwangslage, die Hauptmasse des Eiinhaltes nach dem 99 W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II, ^^ 338 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. specifisclieii Gewicht der Dottersubstaiizen einstellt und diese Massen ihrerseits die Stellung der Kernspindeln be- stimmen. 2. Ursache der ersten Theilnng des Froscheies „quer" zur Symnietrieebene der erzwungenen Einstellung desselben. Die Einstellung schon der ersten Kernspindel in die Symmetrie- ebene erfolgt, wie wir gesehen haben, nur bei Eiern, welche sich in Zwangslage befinden. Hier sind aber wesentlich dieselben Ver- hältnisse wie bei den Eiern der Rana esculenta; nur ist [51] die läng- liche Gestaltung des Bildungsdotters wohl eine noch erheblichere; und an die Stelle der ,,äusserlich sichtbaren" Symmetrieebene tritt eine von der inneren Strömung abhängige und vielleicht manchmal etwas gekrümmte Fläche, welche wohl nicht immer ziemlich genau mit e r s t e r e r [also mit der senkrechten Symmetrie- ebene der Anordnung der pigmentirten und der hellen Rindensub- stanzen] zusammenfällt und dadurch die oben (S. 327) er- wähn ten,, Varia tio neu der ersten Furche um die Symmetrie- ebene" resp. um die verticale, rechtwinkelig zu dieser stehende Ebene bedingt. Es bedarf also nur einer besonderen Erörterung darüber, warum bei schiefer Zwangslage so häuf ig die Kernspindel sich in d i e S y m m e t r i e e b e n e stellt, während sie bei R. escul. ohne Zwangs- lage immer quer steht. Dies wird mit der in beiden Fällen ver- schiedenen Ursache der Schiefeinstellung zusammenhängen. Bei R. escul. bildet sich die schiefe Einstellung nach Seite 295 mit dem Eindringen des Samenkörpers aus ; und es liegt nahe, darin auch die Ursache zu erblicken; dies ist vorstellbar, indem wir einmal mit O. Hertwic, annehmen, dass das Protoplasma, der leichtere Theil, sich um diesen Körper sammelt, da es eine Strahlung um ihn bildet und zweitens, dass die Symmetrieebene der Einstellung normalerweise zu- gleich die Copulationsebene beider Pronuclei wird (eine ^^ermuthung [s. S. 121] welche ich in diesem Jahre auf ihre thatsächhche Richtig- keit prüfen werde [s. Nr. 21]. Wenn nun die erste Kern theil ungs- ebene stets in der Copula tionsrichtung gelegen w^äre. Ursache des Entstehens der , zweiten" Furche als erste. 339 was den möglichst einlticheu Fall der qualitativen Hal- birung vorstellen würde, so würde sich die erste Kernspindel quer zur Symmetrieebene und die erste Furche in die Symmetrieebene stellen. In Zwangslage dagegen findet gerade während des Ein- dringens des Samenkörpers eine durch die Schwerkraft erzwungene Strömung statt, welche diesen Körper erfasst und meiner Vorstellung nach je nach der Eintrittsstelle in diese Strömung verschieden umrichten wird. Hierbei müssen wieder zwei Prädilectionsrichtungen der Endeinstellung vorhanden sein; einmal in Richtung der aufsteigen- den Strömung, wenn der Samenkörper in der Nähe dieser Axe in das Ei eingedrungen war. Wenn der Samenkörper nahe einer dieser Stellen eindrang, so wird er durch die Strömung der Mitte dieser noch mehr genähert werden und so entsteht für die Copulation, und unter obiger Annahme daher auch für die erste Theilung eine Prädi- lection entweder in Richtung [52] der Sj^mmetrieebene oder quer zu derselben. Die relative Grösse dieser beiden Bezirke bedingt alsdann, welche erste Theilungsrichtung prävalirt. Eine ungefähre Anschau- ung von diesen Strömungen und von der Erfassung des Samen- körpers durch die aufsteigende Strömung habe ich durch einige Prä- parate gewonnen, welche College Born mir freundlicher Weise demon- strirte. Wenn ich die Selbstständigkeit der hier gemachten Ausfüh- rungen nachträglich aufgeben wollte, so würde ich jedenfalls durch die Einsicht in die soeben erschienene ausführliche Abhandlung Born's^) schon jetzt zu etwas bestimmteren Urtheilen gelangen können. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass auch schon die bei schiefer Zwangslage vorhandene, starke, bilateral symmetrische An- ordnung des Dottermaterials schon für sich allein die Ebene der äqualen und inäqualen Theilung dieses Mate- rial es bestimmen kann, und dass der Kern durch diese so be- stimmt gegebene Tendenz in seiner Stellung zum Dottermateriale derartig beeinflusst werden kann, dass er derjenigen der oben erörterten P rä di 1 e et ion sein Stellungen ,, ganz" zuge- 1) G. Born. Biologische Untersuchungen. I. Ueber den Einfluss der Schwere auf das Froschei. Arch. f. micr. Anat. Bd. 24, 1885. 22* 340 Nr. 20. Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo etc. wendet wird, deren Richtung er am nächsten steht, und dass dadurch dann auch die Natur der nächsten Kerutlieilung in Bezug auf äquale und inäquale Sonderung bestimmt werden kann [s. Nr. 21, S. 198 u. 204j. Das bei geringer schiefer Zwangslage des Eies manchmal seltene, manchmal (am Ende der Laichperiode?) häufigere Vorkommen einer in Mittelstellung zur Symmetrieebene der Eirinde und zur dazu rechtwinkeligen Richtung stehenden ersten Furche würde dann den Fall darstellen, wo von keiner Seite her ein solches Uebergewicht stark genug ist. Auffallend ist nur, dass in diesen Fällen gewöhnlich nachträglich so starke Umarbeitungen der A n o r d n u n g des braunen Rindenmateriales zu beobachten waren [s. S. 327], dass nach Vollendung der zweiten Furche schon eine der beiden Prädi- lectionsrichtungen nachträglich hergestellt war, [das heisst, dass die neue Anordnung des Rindenpigmentes symmetrisch zu einer der beiden ersten Furchen orientirt war. Nicht selten wurde diese ümord- nung auch schon v o r dem Beginn der zweiten Furchung vollkommen hergestellt] ^). Es machte so den Eindruck, als ob die Kerntheilungs- richtung fester eingestellt sei, als d a s Dottermaterial, so dass letzteres sich mehr der ersteren anpasste. In welcher Art die angenommene richtende Wechsel- wirkung zwischen Kern und Zellleib vorzustellen sei, ist zur Zeit nicht zu sagen, ob als d e r m a g n e t i s c h e n ^) vergleichbare [1) Da hier die erste Furche schief zur Symmetrieebene der oberflächlichen Pigmentanordnuug stand, so galt dasselbe natürlich auch für die Kernsiiindel dieser ersten Theilung und letztere war daher also nicht symmetrisch oder rechtwinkelig zu ersterer eingestellt. Ueber die Ursache dieses Verhaltens können wir vielleicht durch Microtomirung solcher Eier einigen Aufschluss gewinnen, indem wir die An- ordnung der „inneren" Do tter Substanzen studiren, und sehen, ob zu dieser Anordnung die erste Furche symmetrisch oder rechtwinkelig steht.] [^) Dieser Vergleich mit magnetischer Wirkung wurde später von 0. Hertwig aufgenommen und verwendet (s. Die Zelle und die Gewebe, 1892, S. 175), ohne dass jedoch von ihm versucht wurde, die Richtigkeit zu beweisen, was aller- dings auch überaus schwierig wäre und den Besitz genauester, eigens dafür gemachter Apparate voraussetzt, da die Fehlerquellen sehr grosse sind. Genauer äusserte sich jüngst H. E. Ziegler (Ueber Furchuug unter Pressung, Verhandl. d. anat. Ges. z. Strassburg, 1894, S. 140 Anm.) indem er sagt: Bei der Zelltheilung stellt sich die Kernspindel so, dass die von dem Protoplasma auf den Ableitung der normalen ontoa;enctischen Gestaltungen. 341 Fermvii'kung, ob vermittelt durch Diü'usionsströnuingeii etc. ; [53] nur secundäre oder untergeordnete Bedeutung aber möchte ich dabei in normalen Verhältnissen grob mechanischen Wirkungen zu- erkennen, (s. Nr. 31, S. 276 Anm.) Ausserdem braucht die Wirkung vom Zellleib auf die Kernspindel keine directe zu sein; sondern es könnten sich vielleicht unter Umständen zuerst im Zellleib Sonderungseentren bilden, zwischen welche sich dann erst secundär durch Beeinflussung die K e r n s p i n d e 1 einstellt. Nach der ersten Theiluug ist die ,,indiff er ente Kugelgestalt" für die weiterhin sich theiienden Zellen verloren und die ,,differente Zellgestalt" kann nun, indem sie mit bestimmter Anordnung der differenten Materialien des Zellleibes verbunden ist, als wesentlicher Factor die Zelltheilungsrichtung beeinflussen. In welcher Weise dies sich geltend macht, hoffe ich an den oben erwähnten kegel-, linsen- und pyramidenförmig deformirten Eiern ermitteln zu können. 3. Ableitung der „normalen" ontogenetischen Gestaltungen. Indem schon bei der zweiten Theilung bestimmt cjualificirtes Kernmaterial sich mehr dem weissen Pole, das andere mehr dem schwarzen Pole zuwendet, sofern durch schiefe Einstellung des Eies zu einer solchen \^erschiedenheit Gelegenheit gegeben ist, ist es verständlich, dass bei dieser schiefen Einstellung immer die- selbe (dorsale [richtiger cephale]) Seite des Embryo sich dem höher stehenden weissen Theile des Eies zugew^endet zeigt. Indem nun weiterhin nach unseren Principien qualitativ ungleiche Kern- und Zelltheilungen vor sich gehen und sich, ihren Qualitäten ent- sprechend, gegen einander richten, muss allmählich ein aus typisch geordneten Quantitäten bestehendes Gebilde hervorgehen, welches seine einfache Form verliert, sobald diese ungleichen Theile beginnen, formal: wachsend, schwindend oder blos sich umformend Pol der Spindel ausgeübte Anziehungskraft jederseits gleich ist. Doch bleibt hier zweifelhaft, was für Anziehungskraft der Autor meint (s. o. S. 305 Anm.). Vielleicht meint Z. gleich mir (Nr. 31, S. 276 Anm.) statt „Anziehung" blos „Ziehung" der Protoplasmafäden 342 Nr. 20. Bestimmung der HaiTptrichtungen des Embryo etc. oder umlagernd, ihre Ungleichheit zu bethätigen. Dieses Princip der „Gestaltung" aus „uugleiehen Qualitäten" durcli „Betliätiia:- ung" der Unglelehlieiten ist in der Einleitung zur Entwickelungs- niechanik ausführlicher erörtert worden (s. S. 9). Nächste Ursache der Gastrulation. Die erste evidente Wachsthumsthätigkeit ist die Bildung der dorsalen Urmundslippe. Der beimFrosche normalerweise als zweite stattfindenden T h e i 1 u n g wird es vorzugsweise zu verdanken sein, dass diese Lippe und damit auch das Medullarrohr sich bei schiefer Stellung der Eiaxe stets „auf Seite des höchsten Saumes des Weissen" anlegt (s. Nr. 29, S. 608). Mit dieser Auf- fassung von der Ursache der Gastrulation trete ich [54] in einen gewissen Gegensatz zu der Auffassung meines Collegen Born, da derselbe annimmt^), dass die Einstülpung an der höchsten Stelle deshalb beginne, weil hier die sich ausbreitende obere Kugelschale zuerst einen Ausbrei- tungswiderstand an der träger sich theilenden dickeren unteren Hälfte finde^). Während ich der Ansicht bin, dass hierher besonders quali- ficirtes Material durch die zweite und spätere Theilungen gebracht worden ist, welches zufolge dieser Qualitäten sowohl am frühesten zu W'achsen, wie auch das Medullarrohr mit seinen specifischen, histolo- gischen und chemischen Qualitäten zu bilden vermag^). [Bezüglich abnormer Verhältnisse siehe Nr. 28 S. 657 u. 661]. 1) G. Born, über den Einfluss der Schwere auf das Froschei. Breslauer ärztl. Zeitschr. 1884, Separatabdruck S. 11. '') Born's Auffassung könnte aber von Bedeutung werden in den von mir bei Zwangslage und bei Pressung der Eier zwischen Platten wiederholt beobachteten Fällen, wo die erste Anlagestelle des Urmundes nicht der Medianebene entspricht (s. Nr. 31, S. 266. Anm.), indem hier vielleicht die Anlage an der von Born be- zeichneten Stelle beginn t. [i) Es giebt Autoren, welche glauben, die In vaginationsgastrula ent- stünde durch den Luftdruck, indem die Oberflächenschicht mehr wachse als dem Inhalt entspricht. Wenn dies geschähe, müsste die Einstülpung an der dünnsten, am wenigsten festen Stelle erfolgen; dies wäre beim Froschei am Dach der Blas- tula. Solches habe ich einige Mal gesehen; es fehlte die Blastulahöhle als solche und ihr Inhalt ganz; das Dach lag dicht auf dem platten Boden der daher blos durch einen capillaren Spaltraum dargestellten Höhle, und nur ringsum am Rande war der dickere Grundtheil des Daches aufrecht stehen geblieben. Diese Missbildung ist aber nicht der Gastrulation vergleichbar. Eine auf diese Weise bedingte mecha- Ursache der Entwickelung der Eier bei schiefer Zwangslage. 343 4. Ursache der Entwickelung der Eier bei schiefer Zwangslage. Pflüger's Befund, dass er durch beliebig gegebene Zwangslage des Eies das Medullarrohr vermittelst der Schwere an jeder beliebigen Stelle des Eies, richtiger der „Oberfläche" desselben hervorbringen konnte, bedeutet bei der fast flüssigen Beschaffenheit und dem von mir nachgewiesenen ungleichen specifischen Gewichte der Theile des Eiinhaltes, welche in Folge dessen eben durch die Schwere umge- ordnet werden , nur, dass die Bildung des Medullarrohres von der Beschaffenheit der oberflächlich sichtbaren, durch den äusseren Zwang in ihrer Lage erhaltenen ,,,Ei rinde" un- abhängig verlaufen kann; nicht aber darf man schliessen, dass die Schwere direct differenzirende, ,,meridionalpolarisirende" Wirkungen, wie PflijGer annimmt, ausübe; sondern man darf ihr blos eine ,, ein- stellende Wirkung" auf die ungleich schweren Theile zu- erkennen, wie dies bereits in meiner ersten Arbeit 1883 (s. S. 113, 120 und weiterhin S. 262) geschehen ist. In Beitrag 1 zur Entwickelungs- mechanik habe ich Defect- Versuche mitgetheilt, s. S. 180, welche auf andere Weise zu noch viel weiter gehenden Folgerungen über eine gewisse Unabhängigkeit der Entwickelung von der Lage der Dottertheile Veranlassung geben, und welche bereits ein Jahr, bevor Pflüger in dieser Richtung zu experimentiren anfing, angestellt worden sind. Breslau, Mitte März 1885. nische Einstülpung Avürde aber auch nicht unterhalb des Aequators entstehen können, da hier die Wandung noch viel dicker ist, als am Dachgrunde. Die normale erste Anlage des Urmundes erfolgt unter Production ganz besonderer localer Structur, nämlich unter Bildung von einigen in der Oberfläche liegende^, die erste Anlage der dorsalen Urmundslippe darstellenden parallelen Cylinderzellen und unter radiärer Umgestaltung resp. Umordnung der nach abwärts davon gelegenen Dotterzellen zur Begrenzung eines kleinen wagrechten Spaltes. Daraus, dass ich die sogenannte Invaginationsgastrula von typisch localisirtem ungleichen Wachsthum der Wandungstheile der ßlastula ableite, folgt jedoch nicht, dass nicht durch physikalische Momente, wie stärkere oder schwächere Concentration des umgebenden Mediums die Bildung derselben wesentlich alterirt werden kann, wie dies Curt Herbst und Jabques Loeb gelungen ist.] Nr. 21. Beiträge zur Entwickelungsmechanik des Embryo. Nr. IV. Die Bestimmung der Medianebene des Froschembrvo durch die Copulationsrichtung des Eikernes und des Spermakernes ^). 1887. Mit Tafel V. Archiv für microscop. Anatomie. Bd. 29. Februar 1887. Inhalt. Seite Einleitung 345 Mögliche Fehler der früheren Versuche 358 I. Neue Versuche mit künstlicher localisirter Befruchtung bei nor- maler Einstellung der Eier . 354 Ihre Ergebnisse : Coincidenz des ersten Furchungsmeridianes und des Ein tr ittsmeri dian e s des Samenkörper s am Ei . 356 Nachweis desselben Gesetzes an nicht künstlich localisirten be- fruchteten Eiern 358 Methoden der „künstlichen" localisirten Befruchtung 350 IL Bedeutung der Coinc idenz des ersten Furchun gsnieridianes und des E intrittsmeridianes des Samenkörpei-s 363 1) Der Inhalt der die normalen Verhältnisse betreffenden Theile, Capitel I und II, wurde in der anatomischen Section der Naturforscherversammlung zu Berlin, am 23. Sept. 1886 vorgetragen. Einleituiia;. 345 Spito A. Nächste Ursachen der Coincidenz 364 a) Wirkung der D u r chbr ecli ungss te 1 1 e der Eirinde . . . 364 b) Wirkung der intra ovalen Bahn des Samenkürpers . . . 36r> c) W i r k u n g d e r C o p u 1 a t i o n s r i c h t u n g d e i- CJ e s c h 1 e c h i s • kerne 365 Mechanismus der Copulation 367 1. Penetrationsbahn 371 Kern schiebt des Eies 373 2. Copulationsbahn 376 Nächste Ursache der normalen Coincidenz des Sameneintritts- nieridians mit dem Verlaufs- und Copulationsmeridian . . . 381 Bestimmung der ersten T heilungsebene des Eies durch die Copulationslinie der Yorkerne 383 a) Erste Theilung des Furchungskernes 384 Kerntheilungsmechanismus: 384 „Sonderungsrichtung" und Theilungsrichtung 385 b) Erste Theilung des Dotters 388 c) Ursache der Coincidenz der K e r n - und derDotter theilungs- flächen 389 ß. Functionelle Bedeutung der Coincidenz 390 a) für die Theilung des Furchungskernes 390 b) für die Theilung des Dotters 394 III. Beziehungen zwischen der C opul ation srichtung und der Richtung der ersten Furche, sowie der Median ebene des Embryo bei „Zwangslage" 396 Ergebnisse localisirter Befruchtung bei Zwangslage 399 Alterationen des Copulationsmechanismus bei Zwangslage 404 IV. Concurrenz der Wirkung der Befruchtungsseite und der künstlichen Senkung des braunen Dotters auf die Bestimmung der caudalen Seite des Embryo . 407 Ursache der Bestimmung der caudalen Seite des Embryo im Ei . . 409 Ergebnisse 412 [157] Aus früher dargelegten Gründen habe ich die speciellen ent- wickehuigs-mechanischeu Untersuchungen des Embryo mit der Er- mittelung der Ursa'chen der allgemeinsten Gestaltungen des Wirbel- thierkörpers begonnen, indem ich die Richtungsursachen der Haupt- dimensionen desselben zu erforschen mich bestrebte [s. S. 96]. Da die Entwickelung des Wirbelthieres aus dem Ei eine Folge von Vorgängen darstellt, in welchen erst relativ spät die Richtungen des Embryo durch die Anlage der speciellen Organe erkennbar wer- 346 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. I den, so mnsste, nm mit Aussicht auf Erfolg nach den Ursachen suchen zai können, zunächst diejenige Phase der Eutwickelung er- mittelt werden, in der die wirkliche Bestimmung dieser Richtungen sich vollzieht. Meine Untersuchungen beziehen sich zunächst blos auf die Eutwickelung des Froschembryo. Schon von Baer war festgestellt worden, dass in der Zu- [138] sammensetzung des unbefruchteten Froscheies aus einem pigmentirten, unter natürlichen Befruchtungsverhältnissen des Eies nach oben sich einstellenden Pole (s. Hemisphäre) und einem weissen, nach unten gewendeten Pole eine Richtung des künftigen Embryo normirt ist, und zwar angeblich derart, dass die Verbindungslinie der Mittel- puncte dieser beiden Pole, die sogenannte ,,Eiaxe", in ihrer Richtung vom dunklen zum hellen Theile die dorsiventrale Richtung des Em- bryo kennzeichnet. Diese letztere Angabe ist indessen nicht richtig, sondern die Eiaxe entspricht in der Richtung vom schwarzen zum weissen Pole entweder einer cephalocaudalen, oder, umgekehrt als Baer annahm, einer ventridorsalen Richtung des Embryo. Ersteres, sofern man berücksichtigt, dass die Lage des ,, sichtbaren" Embryo unter partiellen aber grossen, während der Gastrulation vor sich gehenden, Materialumlagerungen ^) hervorgebracht wird, und wenn man dabei die ursprünglichen Materiallagerungen als Norm für die Bezeichnung der Lagerungsbezeichnung des künftigen Embryo auf das unbefruchtete Ei annimmt, was entwickelungsmechanisch natürlich das einzige Richtige ist. Vernachlässigt man dagegen diese Materialverschiebungen, so wird man aus der Thatsache, dass bei der „natürlichen" Einstel- lung des Eies mit dem weissen Pole nach unten, aber bei Fixation, welche jede spätere Umdrehung des Eies in toto [1) Diese Materialumlagerungen sind aber in der hier vorliegenden Abhand- lung auf Grund der Angaben 0. Hertwig's, als in cephalocaudaler Richtung erfolgend, angenommen worden. Da sich diese Angaben bei meinen weiteren, in Nr. 23 mitgetheilten Versuchen nicht als richtig erwiesen, so ist die hier gegebene Be- zeichnung der Lage des virtuellen Embryo auch entsprechend unrichtig. Die von mir auf eigene Beobachtungen gegründete Bezeichnung der Lage des reellen Embryo ist dagegen richtig, weshalb ich sie jetzt im Druck besonders hervorgehoben habe.] Einleitung. 347 verhindert^) das Medullarrohr in ganzer Länge auf der ursprünglich weissen Unterseite des Eies gebildet [') Ich hatte angenommen, Pflüokr habe schon diesen einfachsten, das Ei am wenigsten in abnormale Verhältnisse bringenden Versuch gemacht und hatte ihn daher nicht weiter geschildert. Pfi.ikjer hat jedoch, wie ich später fand, blos au von Anfang an in abnorme Stellung gebrachten und durch Zwangslage darin erhaltenen Eiern beobachtet, dass das Rückenmark auf der Unterseite des Eies liegt (Abhandlung 11, S. 60) und daraus (NB. unzutreffend) geschlossen, dass es aus der Substanz der weissen Hemisphäre entstehe (Abh. U, S. 47). Da Pflüger's Eier also vom Beginne der Entwickelung an in sehr abnormen Verhältnissen sich befanden, so ist der von Schultze erhobene Einwand (s. Nr. 23, S. 701 Anm.), dass diese abnormen Verhältnisse auch abnorme Entwickelungsweise, abnorme Lage des reellen Embryo zum Eie hervorgebracht hätten, nicht ohne Weitei-es als unberechtigt zu bezeichnen. Dieser Einwand trifft aber nicht zubeidem hiervon mir erwähnten Versuche, bei welchem die Eiaxe von Anfang an in normaler Stellung sich be- fand und erst die beim Beginne der Gastrulation eintretende Drehung des Eies ver- hindert wurde, da hier der Zwang erst zu wirken anfing, nachdem das Ei klein gefurcht, also unter normalen Verhältnissen in sehr viele Zellen zerlegt worden war. Dieser Versuch wird am einfachsten so angestellt, dass man einen Haufen Eier wie gewöhnlich in reichliche Samenflüssigkeit wirft und erst nach mehreren, 3 bis 6 Stunden, also lauge nachdem die Eier sich selber normal eingestellt haben, die Flüssigkeit abgiesst (damit die Hüllen für unseren weiteren Zweck nicht zu sehr quellen). Darauf lässt man die Schalen so lange (mehrere Stunden) offen stehen, bis die Hüllen genügend eingetrocknet sind, um die späteren Drehungen der Eier zu ver- hindern. Den nöthigen Grad dieses Eintrocknens kann man nur durch eigene Erfahrung an Eiern in Probeschalen ermitteln, die man umdreht und sieht, ob die stets mit ihren Hüllen am Boden fest angesaugten Eier sich noch innerhalb dieser Hüllen drehen. Zuerst wandte ich eine umständlichere und schon von Anfang an leicht mit etwas (wenn auch für das Resultat de facto unerheblichem) Zwang verbundene, ge- legentlich eines kritischen Referates (biolog. Centralbl. 1888. S. 408j mitgetheilte Methode an, die ich nebst der Schilderung des Verlaufes des Versuches hier gleich- falls folgen lassen will: „Ich setzte die einzelnen Froscheier (von Bana fiisca und -ß. esculenta) mit der Lanzette in normaler Weise, d. h. mit der Mitte der weissen Hemisphäre gegen den ebenen Boden der Glasschale auf, befruchtete sie mit so wenig Samenflüssigkeit, dass die Eier durch ungenügende Quelluug ihrer Gallerthülle der Möglichkeit beraubt waren, sich innerhalb dieser Hülle zudrehen. Wahrschein- lich nimmt die Gallerthülle bei dem Mangel äusserer Flüssigkeit 'das während de» Befruchtung vom Ei ausgeschiedene Perivitellin auf und presst daher, wie im unbefruchteten Zustande, die Oberfläche des Eies, so dass es sich nicht in derselben drehen kann. Die Gallerthülle ist ihrerseits bei diesem Versuche fest mit dem Boden der Glasschale verklebt ; und man kann sich nach Ablauf der ersten 5 Furchungen, ohne den Versuch zu stören, durch Umdrehen oder sonstige Stellungsänderung der Schale jederzeit überzeugen, dass das Ei auch im Laufe von einigen Stunden seine Stellung zu dem Boden des Gefässes nicht zu ver- ändern vermag, dass es also an jeder Drehung innerhalb der Hülle verhindert ist." „An diesen Eiern kann man dann, je nach der Temperatur des Raumes, nach 348 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrlchtung. wird, folgern, dass die Axe des Frosclieies in der Richtung; von oben nacli unten der ventridorsalen Richtung: des Embryo entspricht. ein bis zwei Tagen, beobachten, dass der Urmund, wie auch sonst, dicht unterhalb des Eiäquators angelegt wird, indem ein zuerst ganz schmaler, dann breiterer, hyper- bolisch gestalteter uud weiterhin hufeisenförmiger, schwarzer Saum entsteht; ferner, dass dieser schwarze Saum mehr und mehr nach unten auf die weisse Hemisphäre übergreift, dann durch Vereinigung der seitlichen Enden seiner Schenkel zu einem Anfangs weiten schwarzen Ringe sich zusammenschliesst, welcher mehr auf der der Anlagestelle des ürmundes entgegengesetzten Hälfte der Unterseite des Eies sich befindet und innerhalb dessen der noch nicht „bedeckte" Rest der weissen Hemi- sphäre (der Dotterpfropf) sichtbar ist. Dieser Ring verengt sich mehr und mehr von der Seite der ersten Urmundsanlage her, so dass schliesslich blos ein kleines Loch übrig bleibt, welches der Stelle der ersten Urmundsanlage fast entgegengesetzt situirt ist. Das von Pflüger gebrauchte und von anderen Autoren citirte Bild, dass der Urmund durch die weisse Unterseite des Eies „wie ein Schiff durch das Wasser" geht, ist daher kein glückliches und hat wohl mit Veranlass- ung zu einer missverständlichen Auffassung gegeben." ,,In dieser so gebildeten, an ihrer Aussenfläche schwarzen „Dorsalplatte". welche gegen den Boden des Gefässes gewendet ist und auf dem Durchschnitt sich zunächst nur als aus einer äussern und einer Innern Schicht gebildet erweist, ent- stehen dann die beiden MeduUarwülste in ihrer ganzen Länge und sind stets so orientirt, dass der quere Gehirnwulst etwa der Stelle der „ersten" Anlage des Urmundsaumes entspricht, während das hintere Ende der MeduUarwülste neben der Stelle des letzten Restes des Ürmundes gelegen ist." „Ich schloss aus diesem Befund, dass das Material des MeduUarrohres, sowie überhaupt der dorsalen Hälfte des Embryo über die weisse Unterseite des Eies von üben herabgeschoben wird und dass dabei der Urmund in cephalocaudaler Richtung verlagert und von den beiden Seiten her verengt wird." „Bei dieser Versuchsanordnung, verbunden mit sorgfältiger, oft wiederholter, auch nächtlicher Beobachtung ist eine Täuschung nicht möglich; und durch zu starke Quellung der Gallerthülle bedingte Drehungen des ganzen Eies können dem aufmerk- samen und mit dem Cyklus der Erscheinungen schon vertrauten Beobachter nicht entgehen." „Vielleicht aber kann es der üeberlegimg bedürfen, zu verstehen, warum das Ei in seiner Hülle nicht „drehbar" ist, gleichwohl aber die geschilderten Material- uralagerungen an seiner Oberüäche vollziehen kann. Die Erklärung ist indess nicht schwer. Bei einer Drehung des Eies müssen alle Puncto der Oberfläche des Eies, mit Ausnahme der beiden Axenpuncte der Drehung, sich zugleich und in der gleichen Richtung gegen die anliegende Innenfläche der Gallerthülle verschieben ; und dazu sind eben, wie die Probe zeigt, bei genügender Verhinderung der Quellung die Widerstände zu gross. Bei dem Herabwachsen des Materials der Dorsalplatte dagegen findet immer blos an einem Theil der Oberfläche Materialverschiebuug statt, indem zugleich die im Wege liegenden Dotterzellen (activ oder passiv?) den Platz räumen, um nach oben zu treten und die Furchungshöhle entsprechend zu verengen." „Hat man aber ein wenig zu viel Wasser zugesetzt, so sieht man während der zweiten Hälfte der Gastrulation das Ei sich mit dem Urmund nach der Seite der I Einleitung. 349 Erstere Bezeichnung drückt also die Lagerung des „virtuellen", letztere Bezeichnung die Lage des „reellen" P^mbryo zur Axe des „unbefruchteten" Eies aus. Obgleich nun die erstere Be- zeichnungsweise, entwickelungs-mechanisch gesprochen, die richtigere wäre und ich dieselbe aus diesem Grunde bereits eingeführt habe (Nr. 18 und 20), so sehe ich mich doch in Folge der zur Zeit noch herrschenden, an die äusseren Formen anknüpfenden Vorstellungs- weise veranlasst, in Zukunft, wenn nicht [159J ausdrücklich anders bemerkt ist, wenigstens eine „Mittelbezeichnung" zu gebrauchen, wonach die Axe des unbefruchteten Froscheies in ihrer Richtung vom ,, schwarzen zum weissen Pol" einer Rich- tung des Embryo vom ,,ventricephalen zum dorsicaudalen" Theile entspricht^). Aus den früher von mir beobachteten und mitgetheilten Varia- tionen (s. S. 257) in der Einstellung der Axe des ,, befruchteten" Eies geht bei der stets senkrechten Stellung der Furchun'gsaxe hervor, dass die Stellung des Embryo zur Axe des ,, unbefruchteten" Eies überhaupt eine etwas variable ist. Eine festere, wenn auch vielleicht durch Erhaltung des Eies „in künstlicher Schiefstellung noch ein ivenig zu variirenäe^' Besiehung besteht ztvischen der Lage des Emhryo und der „Furchungs- axe^^ des Eies, welche letztere, wie ich gezeigt habe, bei Rana es- culenta erst während der Befruchtung in ihrer Lage zur Eiaxe kenntlich wird. ,,Eine" Richtung des Embrvo ist also schon annähernd ersten Urmund sanlage drehen und so den bereits gebildeten Theil der Dor- salplatte des Embryo successive nach oben bringen. Es ist also im Eie eine Tendenz zu einer Drehung vorhanden, aber nicht derart, dass es sich mit der Ober- seite nach u,nten dreht, wie 0. Schültze zur Entwerthung meines Versuches an- nimmt, sondern im G^egentheil zu einer Drehung, welche die unten angelegten Theile nach oben wendet und so die umgekehrte Täuschung hervorbringt: diejenige Täusch- ung, auf der die Angaben sämmtlicher früheren Autoren beruhen. Diese Drehung hat schon Pflüger bei Bomhinatur igneus beobachtet; doch scheint sie nach seinen Angaben hier erst nach dem Ende der Gastrulation vor sich zu gehen."] [1) Diese .,C ompromissbezeichnung " wäre besser unterblieben, da sie die bereits bezüglich des ^.reellen" Embiyo von mir gewonnene richtige Vorstel- lung nur erschwert. Sie wurde daher später auch wieder ausser Gebrauch gelassen. Ich glaubte aber, sie beim Wiederabdruck dieser Abhandlung nicht entfernen zu dürfen.] 350 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. durch die Gestaltung des unbefruchteten Eies gegeben, und zu- gleich ist auch schon über die Qualität der beiden Seiten dieser Richtung entschieden. Danach fehlt zur vollkommenen Bestimmung der Lage des Embryo im Ei blos noch eine weitere Richtungsbestimmung und die Entscheidung über die Qualität zweier Puncte dieser Richtung. Durch die Ei- resp. Furclmngsaxe lassen sich in unendlich vielen Richtungen Meridianebenen legen. Es war nun die Frage, in welche dieser unendlich vielen Richtungen die Medianebene des Embryo zu liegen kommt, und welche von beiden Hälften dieser Medianebene zur ventricaudalen, resp. dorsicephalen Seite des Embryo wird; ferner wann und wodurch diese Bestimmungen ge- troffen werden^). [Wie früher (S. 300) bemerkt, könnte gerade diese erste Rich- tung als die Anfangsrichtung in ihrer eigenen Bestimmung am meisten variabel und von zufälligen Nebenumständen ab- hängig sein.] Daselbst habe ich Versuche mitgetheilt, aus welchen bezüglich des Zeitlichen dieser Bestimmungen hervorgeht, dass gleichfalls erst während der Befruchtung das Ei der Rana esculenta diejenige Schiefstellung der Eiaxe annimmt, d. h. diejenige innere Anordnung der ungleich schweren Eitheile ausbildet, mit welcher über die künftige Richtung der Medianebene des Embryo und über die Qualität ihrer Theile die Entscheidung getroffen ist, indem stets diejenige Seite des Eies, wo die weisse Hemisphäre am höchsten heraufreicht und gewöhnlich schon von oben sichtbar ist, zur dorsi- cephalen, die entgegengesetzte zur ventricaudalen Seite des Embrj^o wird. Die erste Furchungsebene theilt diese obere Ansicht des Eies von [160] Rana esculenta symmetrisch und stellt zugleich 'die Median- ebene des Embrvo selber dar 2)^). Das Letztere gilt in gleicherweise [1) Versuche über die Wirkung des electrischen Stromes auf die Richtung der ersten Furcbung, sowie auf die Besamungs- und Copulationsrichtung siehe Nr. 25. S. 37, 52 und 63.] 2) Dem erneuten Widerspruche Rauber's (Zool. Anzeiger 1886. S. 158) gegen diese von mir und gleich darauf von Pflüger festgestellte Thatsache kommt eine sachliche Bedeutung nicht zu. Ich habe die Fehlerquellen der Versuche dieses Autors Einleitung. 351 auch für Rana fusca, wo iiidess die Eiaxe sich gewühiihcli senkrecht einstellt und daher nicht durch eine Hoherstellung der weissen Hemi- sphäre auf einer Seite verräth, ob zur Zeit der ersten Furche bereits die Entscheidung über die dorsicephale und ventricaudale Seite ge- troffen ist. Gleichwohl glaubte ich, die Erfahrung an Rana esculenta auch auf diese Species übertragen zu dürfen, da ich wenigstens fest- steilen konnte, dass auch die Eier der Rana fusca ihre definitive Ein- stellung erst während der Befruchtung gewinnen. Die weiteren Aus- führungen werden zeigen, dass diese Annahme berechtigt war. Damit war die Zeit dieser zweiten Bestimmung der Median- ebene auf die Befruchtungsperiode oder auf das unbefruchtete Ei be- schränkt. Nunmehr erschien es möghch, die Entscheidung über diese Alternative zugleich mit der Ermittelung der speciellen Ursache zu gewinnen. Wenn die Bestimmung erst während der Befruchtung getroffen wird, so lag die V^ermuthung nahe, dass die Bestimmung auch an den Vorgang der Befruchtung selber geknüpft sei. Da die Copulation der beiden Kerne der wesentlichste bis jetzt erkannte morphologische Vorgang der Befruchtung ist und sich schliesslich wenigstens in einer bestimmten Richtung vollziehen muss; und da ferner die erste Theilung mit der Theilung des durch diese Copulation entstandenen Furchungskernes beginnt, so schien mir die Vermuthung bereits früher genügend angegeben (S. 329), und aus den weiteren Ausführungen dieser Abhandlung ist zu ersehen, dass ich im Stande bin, seine Resultate nach Belieben zu erzeugen. Räuber hat entweder die Technik, p]ier ganz zwang- los aufzusetzen, noch nicht ei-lernt, oder, trotz meiner Warnung, pathologische Eier vom Ende der Laichperiode zur beabsichtigten Feststellung des normalen Verhaltens verwendet. [3) Da beim Vorhandensein einer sogenannten Brechungsfurche (s. Nr. 28, S. 667), welche stets erst bei der Bildung der zweiten Furche aus der ersten Furche hervorgeht, der mittlere Theil derselben am weitesten von der ursprüng- lichen Richtung der ^rsten Furche abweicht, so ist es nach der Krkenntniss der wichtigen Bedeutung dieser ersten Furche ein directer Fehler, wenn die gegen- wärtigen Autoren, noch dem Beispiel Coste's folgend, in ihren Abbildungen die Eier so situiren, dass das Mittelstück der Brechungsfurche mit der alleinigen ersten Furche einer anderen Abbildung die gleiche Richtung erhält (so z. B. in 0. Hertwig's Lehrb. d. Entwickelungsgesch. 4. Aufl. 1893. S. 65). Der geringste Fehler wird gemacht, wenn man die gebrochene erste Furche mit der geraden Verbindungslinie ihrer beiden Enden zu der noch allein vorhandenen ersten Furche parallel stellt.] 352 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. der Prüfung werth , dass die Copulationsrichtung selber das Moment für die Bestimmung der ersten Theilungsrichtung und damit der Richtung der Medianebene des Embryo sei [s. S. 121]. In diesem Falle erschien es auch möglich , dass diese wichtige Bestimmung bei allen durch Befruchtung erzeugten, bilateral-symmetrischen Wesen [161] durch dieselbe Ursache getroffen werde. Die Entscheidung über die also motivirte Frage suchte ich durch künstliche locali- sirte Befruchtung der Froscheier, d. h. durch Befruchtung jedes Eies von einem beliebig von mir gewählten Meridian aus zu gewinnen ') und Seite 301 habe ich bereits das erste vorläufige Er- gebniss in einer Anmerkung mitgetheilt: „Die erste Furche und mit ihr die Medianebene des Embryo ging bei senkrecht stehender Eiaxe (von Rana fusca) in 50 von 66 Fällen durch die von mir ge- wählte Eintrittsstelle des Samens in das Ei, und die Seite dieser Ein- trittsstelle wurde in 10 von 11 Fällen zu immer derselben, nämlich ventralen [richtiger caudalen (s. S. 346 Anm.)] Seite des Embryo". Die genauere Bedeutung dieses Ergebnisses ist folgende. Der Raum, den ich bei dem immerhin groben Vorgange der localisirten Befruchtung des Eies als Eintrittsstelle des Samens ansehen musste, umfasste etwa 20 — 30*^ der Eiperipherie; und in diesem kleinen, von mir frei gewählten Bezirk lag also bei 75°/o der Eier die eine Seite der ersten Furche, während diese Furche nur bei 25 ^/o der Eier in die Strecke der übrigen 150 '^ der halben Peripherie zu liegen kam. Dieses günstige Verhäitniss wird noch dadurch gesteigert, dass in 10 von 11 Fällen, also in 90*^/o, diese Stehe zugleich eine bestimmte Qualität in Bezug auf den künftigen Embryo besass, so dass, wenn man dies Verhalten auf die ganzen 66 Eier ausdehnt, die 75°/o Treffer auf die 30*^ der Befruchtungsstelle gegenüber zu stellen sind den 25°/o Abweichungen auf die übrigen 330° der ganzen Ei- peripherie. Trotz dieser günstigen Zahlen glaubte ich doch das Resultat I [1) Da das Froschei normaler Weise blos von einem einzigen Samenthier be- fruchtet wird, seist seine normale Befruchtung immer eine localisirte, das heisst auf eine einzige Stelle des betreffenden Eies beschränkte. Bei der künstlichen localisirten Befruchtung aber wird diese Stelle von uns bestimmt.] Einleitung. 353 ntx-b nicht als vullkonimen gesichert anselien zu dürfen, und zwar aul" Grund eines Einwandes, den ich mir zu niachrn iüv nöthig hielt. Die üGEier, welche sich entwickelten, repräsentirten nämlich blos etwa den sechsten Theil aller derjenigen Eier, welche ich locahsirt zu befruchten versucht hatte. Fünf Sechstel der Eier hatten sich nicht entwickelt. Es Avar daher die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass nur diejenigen Eier sich entwickelt hätten, in denen ich bei der localisirten Be- fruchtung zufällig in die Gegend der eventuellen prä- formirten Sameneintrittsstelle gekommen war; und dies war um so eher möglich, als ich bei diesen Versuchen mich stets zugleich bestrebt hatte, eventuell an andere Stellen gekommenen Samen durch Berührung mit einer geeigneten Flüssigkeit seiner Be- fruchtungsfähigkeit zu berauben. Denn wenn [162] auch am Froschei keine besonders gestaltete Microphyle wahrnehmbar ist, und wenn auch VAN Bambeke und Borx den Samenkorper bei verschiedenen Eiern in sehr verschiedener Höhe zwischen der Mitte der schwarzen Hemisphäre und dem äquatorialen Rande derselben eingedrungen fanden, so folgt daraus doch noch nicht, dass nicht für jedes Ei eine besondere Eintrittsstelle vorgebildet sei. Da diese Autoren nicht an- zugeben in der Lage waren, aus welchem. Grunde der Samenkörper in verschiedener Höhe eingedrungen war, so könnte man diese That- Sache gerade in dem Sinne des Bestehens einer bestimmten Eintritts- stelle verwerthen. Ist aber jedes Ei mit einer bestimmten Eintritts- stelle versehen und geht die erste Furche stets durch diese Stelle, so vermögen wir nicht zu beurtheilen, ob dieses letztere Verhältniss durch die Copulationsrichtung oder nicht durch eine unsichtbare An- ordnung verschieden beschaffener aber gleich aussehender Eitheile schon vor der Befruchtung bedingt ist. Auch die oben (S. 295) angeführte Beobachtung, dass beiRanaescu- lenta erst während der Befruchtung die bleibende und für die Lage der Furchungsaxe sowie des Embryo zur Eiaxe bestimmende ,, Ein- stellung" des Eies hergestellt wird, giebt noch keine Sicher- heit dafür, dass auch die „Bestimmung" derselben erst während der Befruchtung und durch dieselbe getroffen W. Roux, Gesammelte Abhandlungeju. II. "^ö 354 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. wird; denn diese Einstellung könnte schon am unbefruchteten Ei ,, virtuell" normirt sein und durch den Befruchtungsvorgang nur erst reell geworden sein; eine Art des Verhaltens, für welche die gleichfalls schon erwähnte Thatsache angeführt werden kann, dass schwimmende unbefruchtete Eier der Rana fusca sich alle in sehr verschiedener Weise schief einstellen, während der Befruchtung aber die senkrechte Einstellung annehmen, das heisst ihre ungleich schweren Dottertheile derart umordnen, dass der Schwerpunct unter die INIitte der schwarzen Hemisphäre verlegt wird, also eine typische Bezieh- ung zu einer schon am unl^efruchteten Ei gegebenen Gestaltung ge- winnt (s. S. 296). Um also jeden Einwand gegen eine latente bilaterale Construction des Froscheies zu beseitigen, mussten so günstige Versuchsresultate mit der localisirten Befruchtung ge- wonnen werden, dass von einer stattgehabten ,, Auslese" keine Rede mehr sein kann. I. Neue Versuche mit küustlicli localisirter Befruclitung bei „uor- maler" Stelhiug der Eier. In diesem Frühjahr (1886) ist es mir nun gelungen, die Me- thode der localisirten Befruchtung in dem Maasse zu vervollkommnen, dass sich von je 12 Eiern einer Versuchsreihe mindestens 9, [163] manchmal 10 oder 11 entwickelten, so dass also die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Treffens der even- tuellen präformirten Eintrittsstelle nicht mehr existirt. Dabei war die Zahl der Treffer unter diesen sich entwickelnden Eiern zum Theil dieselbe, zum Theil eine noch höhere, als im vorigen Jahre, indem einige Male von 11 Eiern bei 10 die erste Furche durch die frei von mir gewählte Sameneintritts- stelle hindurchging. Zugleich gelang es mir in diesem Jahr auch zum ersten Mal, die künstliche localisirte Befruchtung bei ,,Rana esculenta" mit Erfolg auszuführen und dabei zu beobachten, dass die dieser Species eigene typische Schiefstellung der Eiaxe , d. h. die 20 — 30" be- tragende Senkung der schwarzen Hemisphäre stets nach I. Neue Versuche mit künstlich localisirter Befruchtung etc. 355 der Seite der Samencint rit tsstel 1 c hin erfolgte'). Da die Seite dieser Senkung stets zur vent ricaudal en [richtiger [1) Weiterhin fand ich (Biolog. Centralblatt 1888, Bd. VIII, S. 405), „dass bei Kana fusca kurze Zeit vor der Furchung auf der der „ Befruchtungsseite" gegenüberliegenden Seite der schwarzen Hemisphäre eine Pigment- wanderung vor sich geht, welche daselbst eine Aufhellung in Form eines halbmondförmigen hellgrauen Saumes hervor bringt. Da dieser helle Saum unmittelbar an die senkrecht nach unten gerichtete, weisse Hemisphäre anstösst, so wird jemand, der die Eier vorher nicht gesehen hat, ihn leicht mit zu dieser rechnen und annehmen, das Ei habe sich entsprechend gedreht, während jedoch die Eiaxe dabei senkrecht stehen geblieben ist, Avie man bei genauem Zusehen leicht daran erkennen kann, dass eben die wirklich weisse Hemisphäre noch rein nach unten gewendet ist. Wer die Eier vorher gesehen hat, dem wird es auch nicht entgehen können, dass die weisse Hemisphäre, wenn man diesen veränderten Theil der schwarzen mit dazu rechnen wollte, oft auf das Doppelte und darüber hinaus vergrössert worden wäre." „Bei den an Pigment ärmern Eiern von Eana esculenta sind diese Verhältnisse viel schwerer, sogar sehr schwer zu beurtheilen; doch ist es mir in diesem Jahre, gegen das Ende der Laichperiode, zu welcher Zeit das Pigment viel beweglicher wird, indem die Samenflecke sehr gross und deutlich werden und sogar typische concentrische Liniensysteme nicht selten auftreten, gelungen, an mehreren Eiern von Rana esculenta auch die erwähnten der Eana fusca entsprechenden Pigmentwanderungen sicher zu beobachten. Ich ver- mag danach jedoch nicht zu sagen, ob die bei letzterer Species typische hochgradige Schiefstellung der Hemisphären, welche sich, wie ich gezeigt habe, nach der Befruchtung ausbildet und die braune Hemisphäre stets nach der Befruch- tungsseite senkt, blos eine scheinbare ist und durch solche Pigmentwanderung, nicht aber durch Drehung und Schiefstellung der Eiaxe bedingt ist," Ein Autor, 0, Schultze, hatte (Biolog, Centralbl 1888, Bd. VII, Nr. 19) die Angabe gemacht, die erste Furche und dementsprechend die Medianebene des Embryo liefe in den meisten Fällen durch die Stelle, an welcher das Keimbläschen verschwunden ist, und hatte behauptet, „derjenige Punct des Pigmentrandes sive Aequators, welcher dem verschwindenden Keimbläschen am nächsten liegt, bezeichnete die Stelle der An- lage des Urmundes". Alle Richtungen des Embryo wären daher schon am unbefruchteten Eie bestimmt. 0. Hertwig rechnet (Einfluss der Schwerkraft, 1884, S. 22) schon vor Schultze mit der Möglichkeit, „dass die Austrittsstelle der Richtungskörper die Bildung der ersten Theilungsebene des Eies beeinflusst. " Darauf habe ich unter Hinweis auf die vorstehend und in Nr. 20 mitgetheilten Versuche noch Folg^pdes erwähnt (Biolog. Centralbl. 1888 Bd. VIII, S. 401): „Ich habe schon vor fünf Jahren dieses Lageverhältniss der ersten Furche zur „Fovea germinativa" beachtet und mich dabei bald überzeugt, dass eine ur- sächliche Beziehung, welche den Meridian der Furchungsebene bestimmt, darinnen nicht besteht. Diese Fovea germinativa stellt bei Rana esculenta einen hellen runden Fleck von ziemlich beträchtlicher Grösse, nämlich von ein Fünftel bis ein Drittel der Grösse des Radius des ganzen Eies dar, und ist meist derart ge- lagert, dass sie mit einem Puncte ihrer Fläche am obern „Pole" d. h. in der Mitte der braunen Hemisphäre, also am obern Ende der „Eiaxe" gelagert ist. Da die erste 23* 356 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. caudalenj Seite des Emb ry o wird, so ist damit zugleich die ent- sprechende vorjährige Beobachtung an Rana fusca nun auch für Rana esculenta gewonnen worden. An Rana fusca konnte ich sie in diesem Jahre nicht des Weiteren feststellen, da ich genöthigt worden bin, meine Versuche in hygienisch so ungünstigen Räumen der Ana- tomie anzustellen, dass fast alle Eier schon nach zwei Tagen durch Verschimmelung abstarben^). Auf Grund der mitgetheilten Versuche können jetzt mit Sicher- heit die folgenden Thesen aufgestellt werden : 1. Das Ei der Rana fusca und esculenta, ,,kann" -) von jedem beliebigen Meridian aus befruchtet werden. Furche durch die Eiaxe geht, wird sie alsdann natürlich hei jeder Stellung in einem der unendlich vielen, durch diese Linie legbaren Meridiane immer diesen Fleck schneiden ; die Lage dieses letzteren ist also nicht im Stande, einen Meridian zu be- stimmen. Dies wäre blos möglich, wenn die erste Furche durch die Mitte dieses grossen Fleckes ginge; man sieht aber ohne Mühe, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die erste Furche diesen Fleck an beliebigen Stellen, selten in der Mitte, durchschneidet. Wenn der Fleck stärker excentrisch gelagert ist, dann wäre noch bessere Gelegenheit gegeben, durch ihn den ersten Furchungsmeridian zu bestimmen. Jedoch nur relativ selten durchschneidet dann die erste Furche diesen Fleck und geht nur selten einmal durch die Mitte desselben ; und wenn nach Bildung der zweiten Furche (wie es bei Rana esculenta gewöhnlich der Fall ist) der Fleck noch sichtbar ist, so kann man von der Kreuzungsstelle beider Furchen aus leicht den Winkel bestimmen, den der erste Furchungsmeridian mit einem eventuellen Furchungsmeridum, der durch die Mitte der Fovea germinativa ginge, machen würde; derselbe beträgt häufig über 45'^ und selbst 80—90° ist nicht selten. Es ist also klar, dass der Meridian der Furchungsebene „nicht" durch die Lage der Fovea germinativa be- stimmt wird."] 1 ) Dies ist auch zugleich der Grund, warum ich meine Versuche über die E n t- wickelung angestochener Eier und über die besondere Entwickelung der dabei entstehenden Extraovate vorläufig nicht mit Erfolg habe fortsetzen können. [-) Daraus folgt noch nicht, dass von allen Meridianen die Befruchtung gleich leicht möglich ist; „denn es ist ja möglich, dass jedes Ei vielleicht eine Stelle hat, wo die Eirinde etwas weniger fest und so etwas leichter durchdringlich für den Samenkörper ist, so dass bei gewöhnlicher allseitiger Besamung von etwaigen gleich- zeitig an der Eioberfläche angekommenen Samenkörpern der an dieser Stelle befind- liche zuerst eindringt und die Befruchtung bewirkt. Dass hierin aber ein typisches Verhalten nicht vorliegt, bekundet sich wohl darin, dass auch bei Eiern, welche mit viel Samenflüssigkeit umgeben sind, auf den Schnitten die Sanienkörper in sehr verschiedener Höhe, in sehr verschiedenem Abstände vom Eiäquator eingedrungen sich zeigen. Danach hat schon das Vorhanden.sein „einer für normale Verhältnisse I. Neue Versuche mit künstlich localisirter Befruchtung etc. 357 2. Bei Eiern von Rana i'usea und esenlenta, welche keinem äusseren Zwang unterworfen sind, wird die Rich- tung der ersten Furche und der Medianebene des Embryo durch die beliebig gewählte Lage der Sameneintritts- stelle bestimmt; [beide Ebenen liegen in der durch die Ein- trittsstelle des befruchtenden Samenkörpers bezeichneten verticalen Meridianebene des Eies, in dem ,, Befruchtungsmeridian".] 3. Die vSeite der Eintrittsstelle des Samenkörpers in das Ei, die „Befruchtungsseite" des Eies^), wird (bei normaler Stellung der Eiaxe) zur ventricaudalen^) Seite des Embryo, (lieber die Ursache dieses Verhaltens, sowie über das Verhalten bei Zwangslage, siehe Nr. 21, Seite 205). Um die Ursache der auch bei den diesjährigen Versuchen noch vorgekommenen, wenn auch spärlichen, blos 10 — Ib^l^ be- tragenden Abweichungen zu ermitteln , habe ich alle diese Eier sofort nach dem Auftreten der ersten Furche durch Erhitzen auf 80*^ C. getödtet und theils frisch mit dem Gefriermicrotom, theils [164] erst später nach der Härtung in Alkohol parallel der Furchungsebene geschnitten. Die Aussicht, auf diese Weise noch etwas über die präformirten Sameneintrittsstelle, die in freier Natur stets gewählt werden würde ", wenig Wahrscheinlichkeit für sich : denn dann Avürde sie wohl eine typische Lagerung haben und auch durch eine typische Gestaltung dieser Stelle wie bei andern Eiern ausgezeichnet sein, wovon indess gleichfalls am Froschei nichts auffindbar ist. Wenn aber auch eine Prädilectionsstelle der Befruchtung vorhanden wäre, so würde das nach meinem Befunde, dass das Ei von jedem Meridian aus zu normaler Entwicke- lung befruchtet werden „kann", nur von ganz untergeordneter Bedeutung sein. Und das Grleiche gilt natürlich von der Bestimmung der Medianebene des Embryo durch die Copulationsrichtung. Da die Medianebene des Embryo selbst bei von uns frei gewähltem Befruchtungsmeridian durch diesen bestimmt wird, so wird dies um so wahrscheinlicher für die normalen Verhältnisse." „Zudem habe ich letztere Thatsache auch als für die normalen Verhält- nisse gilt ig bewiesen (S. 358), indem ich mit viel Samenflüssigkeit befruchtete und mit überschüssigem Wasser versetzte Eier nach dem Auftreten der ersten Furche tödtete und parallel derselben schnitt; wonach sich die Sameneintrittsstelle wie der Samenschweif in der Furchungsebene gelegen fand." (Biolog. Centralblatt, 1888, Bd. VIII, S. 406.) [1) Im Original findet sich der Ausdruck „Befruchtungsseite" zuerst auf Seite 204 und 208 dieser Abhandlung; es erschien mir aber zweckmässiger, ihn gleich hier in Verwendung zu ziehen.] [2) Richtiger , caudalen " Seite, s. S. 348, 349 Anm., Nr. 22, S. 5 u. Nr. 23, S. 701.1 358 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtuug. Befruchtungsrichtung ermittehi zu können, gründet sich auf die Beob- achtung Born's^), dass die zuerst von Bambeke beschriebene und in ihrer Bedeutung erkannte Pigmentstrasse, welche der Samenkörper im Froscheie hinter sich herzieht, oft noch zur Zeit der ersten Furche sichtbar ist. Die Schnitte zeigen deuthch, dass die erste Furchungs- ebene sowohl durch die Anfangsstelle der Pigmentstrasse an der Rinde, wie auch durch den weiteren Verlauf derselben, also durch die Bahn des Samenkörpers hindurchging, wie dies Fig. 1 auf Tafel V sche- matisch darstellt. Somit bildeten diese Eier keine Ausnahme von obiger Kegel 2, sondern es ist anzunehmen, dass nur die Localisation der Befruchtung auf die von mir vorher l)ezeichnete Stelle nicht gelungen war. Zugleich erhalten wir mit dieser Wahrnehmung eine leicht zu hand- habende Methode zur wenigstens partiellen Prüfung der Regel 2. Es muss auch bei dem nicht kün.stlich localisirt, sondern in ge- wöhnlicher Weise befruchteten (aber nicht in Zwangs- lage gehaltenen !) Eie in dem längs der ersten Furchungs- ebene geführten Schnitte die ,, Pigm ent Strasse" ange- troffen werden. Da durch Regel 1 definitiv festgestellt ist, dass der Samenkörper an jedem beliebigen Meridian eindringen kann, so kann ein solcher Befund an nicht localisirt befruchteten Eiern nun auch nicht gut mehr auf das Eindringen des Samens an einer präformirten Eintrittsstelle und auf eine präformirte Coincidenz der Lage derselben mit der Lage der ersten Theilungsebeue bezogen werden. College Born war so liebenswürdig, 25 Eier verschiedener Anurenspecies in der bezeichneten Richtung zu schneiden und mir zur Benutzung zu übergeben. Ich habe dann nach seiner Methode noch selber über 80 Eier, theils parallel der ersten Furche, theils rechtwinkelig zu ihr geschnitten und die gehegten E r w a r t u n g e n fanden sich in erfreulichster Weise bestätigt, soweit die Pigmentstrasse überhaupt noch zu sehen war; letzteres ist allerdings 1) G. Born, Biologische Untersuchungen. II. Weitere Beiträge zur Bastardir- ung zwischen den einheimischen Anuren. Archiv f. microsc. Anatomie. Bd. 27, S. 224. Methode der küustlicli localisirten Befruchtung der Frosclieier. 'ü59 bei (Itui wenig pigmentirten Eiern, besonders von Rana csenleiita, oft niclit mein' der Fall. Methode der künstlieli loealisirten Berrnclitung der Froscheier. [165] Znr \'ollziehung der loealisirten Befruchtung der Froscheier verwandte ich zwei verscliiedene Methoden, deren beider Voraussetzung die Annahme 0. Hertwicvs^) ist, dass unmittel- bar nach dem Eindringen des ersten Samenkörpers in die Eirinde normaler Weise Schutzmechanismen ausgelöst werden, welche das Eindringen weiterer Samenkörper verhindern. [Da sich diese Metho- den als geeignet erwiesen , so folgt aus diesem Ergebniss eine sichere Bestätigung der Annahme Hertwig's.] Bei der von mir zuerst und am meisten angewendeten Methode, welche sich jedoch nur für Rana fusca eignete (s. S. 300), gab ich den Samenkörpern an der beabsichtigten Befruchtungsstelle dadurch einen Vorsprung, dass ich entweder ein wenig Samen mit einer fein aus- gezogenen und leicht in die ( lallerthülle eingedrückten Glascanüle in die Substanz dieser Hülle injicirte, oder besser mit einer Scheere einen Schnitt längs eines senkrechten Meridianes in die Gallert- hülle machte und dann der Stelle ein wenig Samen mit dem Pinsel zusetzte. Da somit die Samenkörper an diesen Stellen einen kleineren Weg bis zur Eioberfläche zurückzulegen hatten, mussten sie hier auch zuerst ankommen, und das Ei also von dieser Stelle aus befruchtet werden. Letzteres war aber blos dann zu erwarten, wenn der Samen sich nicht in dem bei der Quellung der Hülle entstehenden Raum zwischen der Eioberfläche und der sogenannten Dotterhaut seitlich ausbreiten konnte. Um diese Ausbreitung zu verhindern , wurde in den ersten 30 Minuten nach der vorgenommenen Befruchtung nur wenig Wasser zugegeben; erst nach Ablauf dieser Zeit wurde reich- lich Wasser zugesetzt, um die Eier aus der Zwangslage zu befreien. Es erhellt, dass die Fehlerquellen dieser Methode derart sind, dass sie nur A b w e i c h u n g e n von dem erwarteten Resultat 1) Morpholog. Jahrbuch. Bd. III. 1877. S. 76. 360 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtunj bewirken, nicht aber fälschlicher A\'eise die Entstehung desselben begünstigen können. Die unbefruchteten Eier der Rana esculenta erwiesen sich jedoch als so empfindlich gegen die geringsten mechanischen Ein- wirkungen ^), dass die Befruchtung mit diesem Verfahren in keinem [166] Falle gelaug. Daher verwandte ich für die P^ier dieser Species eine andere Methode, Avelche zunächst auf der Ano-abe O. Hertwig's (loco cit.) und Born's^) beruht, dass die Samenkörper immer durch die schwarze Eiriude eindringen. Da der üebergang von der braunen zur weissen Beschaffenheit der Rinde ein allmählicher ist, so vermuthete ich, dass auch der Ein- dringungswiderstand mit der Nähe der weissen Hemisphäre nur all- mählich zunehme. Ausserdem hegte ich die Vorstellung, dass viel- leicht in Folge der Anhäufung der feineren Dottersubstanzen unter der Mitte der schwarzen Hemisphäre eventuelle, das Eindringen be- günstigende Kräfte derselben um so stärker auf den Samenkörper wirken würden , je näher letzterer der Umgebung der Mitte der schwarzen Hemisphäre sicli befinde. Daraus ergab sich die C'onse- quenz, dass die Leichtigkeit des Eindringens des Samenkörpers in das Ei von der Umgebung der Mitte der schwarzen Hemisphäre gegen den äcpiatorialen Rand derselben stetig abnehme, sodass ceteris paribus die Befruchtung von demjenigen Meridian aus er- folgen müsste, in welchem der Samen am nächsten der ,, Um- gebung" der Mitte des schwarzen Poles an die Eirinde [also am weitesten nach oben] gelangte. [Die ,, Mitte" selber dagegen scheint sich wieder weniger zur Befruchtung zu eignen, da man auch bei Zwangslage, wo dieselbe nicht oben steht, an ilir nur sehr selten den Samenkörper eingedrungen findet, s. S. 370.] Ich setzte daher 1) Es illustrirt sehr die Sicherheit und S el bst regula ti o u im Ab- laufe der Entwickelun gsme ch anism en, dass die „befruchteten" Eier grobe Deformationen, Erschütterungen und grosse Substanzverhiste erfahren können, ohne dass dadurch ihre Entwickelungsfähigkeit aufgehoben oder in falsche Bahnen gelenkt wird, während bei den unbefruchteten, unthätigen Eiern der genannten Species schon sehr geringe mechanische Einwirkungen die Entwickelungsfähigkeit vernichten. '-) Archiv f. microsc. Anatomie. Bd. 24. S. 522. Methode der künstlich localisirten Befruchtung der Froscheier. 361 die Eier der Raua escnlenta senkrecht auf und legte an jedes derselben ein Stückchen feinen Seidenfadens längs eines senk- rechten Meridianes derart an, dass das obere Ende des Fadens noch ein wenig von dem INIittclpmicte der schwarzen Hemisphäre entfernt blieb und gab dann von unten her etwas Samen zu [s. auch S. 174]. "Wie aus den schon oben niitgetheilten Resultaten hervorgeht, liat der Erfolg der Erwartung durchaus entsprochen. Der Faden muss aber rechtzeitig, spätestens 20 Minuten nach der Befruchtung, wieder entfernt werden, damit er nicht, bei der Abnahme der äusseren Samen- flüssigkeit durch die Quellung der Gallerthülle, das Ei presst und so zugleich die obere Hemisphäre etwas nach seiner Seite senkt, denn eine solche geringe Zwangslage vermag nach meinen frühe- ren Beobachtungen schon für sich allein die Richtung des Embryo [und die Lage der caudalen Seite desselben gegen den Faden hin] zu bestimmen. Um diese gefährliche Fehlerquelle ganz zu vermeiden, setzte ich das Ei ein wenig nach einer anderen Seite geneigt auf (s. Nr. 21 S. 204) und gab alle 5 Minuten ein wenig Wasser zu. Nach 30 Minuten wurde dann, wie bei Rana fusca, soviel Wasser zugesetzt, dass [167] das Ei sich bald innerhalb der Gallei't- hülle drehen konnte und damit jedem Zwange enthoben war. Die Einzelheiten der Ausführung und die A n o r d n u n g de r Versuche waren folgende. Aus dem eröffneten Uterus wurde das Ei mit einer kleinen gut polirten Präparirlancette , welche durch Ab- schleifen ihrer scharfen Kanten und ihrer Spitze beraubt war, heraus- gehoben und mit dem weissen Pol auf eine runde Glasplatte von 3,2 cm Durchmesser gesetzt, auf welcher ein Durchmesser durch einen eingeritzten Pfeil markirt war. Wenn das Ei bei Rana fusca nicht vollkommen senkrecht stand, oder wenn die Eiaxe bei Rana esculenta zu stark geneigt war, wurde die Glasplatte derart schief gehalten, dass die Schwerkraft das nur erst leicht adhärirende Ei durch eine geringe Rollung in die gewünschte Lage brachte. Dann wurde bei der ersten Methode das Ei der Rana fusca in dem parallel zum Pfeile gerichteten Meridian von der Fahnenseite des Pfeiles her in der ansres-ebenen Weise mit der Samencanüle oder der Scheere 362 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. behandelt, und letzteren Falles der klaffende Meridianschnitt ein wenig mit einem in Samen ^) getauchten Pinsel berührt, wonach dann mit dem Pinsel an den Fusspunct des Eies etwas Wasser zugesetzt wurde. Die das Ei tragende Platte wurde darauf in ein rundes flaches Glas mit 1,5 cm hohem Rande gelegt, an dessen Unterfläche ein rechteckig geschnittenes Papier angeklebt war. Nachdem der Pfeil der Objectplatte dem am Glase haftenden Rande des Papieres parallel gerichtet und derart gestellt worden war, dass die Pfeilspitze mir abgewendet und zugleich das Papier nach rechts vom Glase vor mir lag, wurde zunächst die Zeit der Befruchtung auf den Zettel notirt und die Objectplatte ringsum mit einem nassen Pinsel Ijefeuchtet, ohne dem Ei selber dadurch Wasser zuzuführen. Die Glasschale wurde mit einer an der Unterseite gleichfalls befeuchteten Glasscheibe be- deckt. Darauf wurde das nächste Ei in der gleichen Weise behandelt; und danach (etwa nach 2 Minuten) Avurde die Objectplatte des vorher befruchteten Eies aus der Schale genonnnen, von rechts nach links einen Moment umgedreht und die durch ungleiche Adhäsion bei der Befeuchtung gewöhnlich entstandene geringe Schiefstellung rasch durch einen kleinen, radiär zum Ei gestellten und mit der Spitze die Richtung des höchsten Standes des Weissen markirenden Pfeil mit einem sogenannten Porzellanschreibstift auf der Glasplatte markirt. Danach wurde das Ei [168] wieder zurück in die Schale gelegt und in der angegebenen Weise zum Papierrand orientirt, um nach dem soeben gemachten Pfeil die Richtung der Ablenkung aufzuzeichnen, und die Zeit dazu notirt. Diese Controlle wurde alle 5 Minuten wiederholt, notirt und jede ev. Stellungsänderung durch ein neues Bild fixirt. « [1) Es hat sieh bei der künstlich localisirten Befruchtung als sehr nützlich erwiesen, den Samen nicht mit reinem Wasser, sondern mit ^/s — \4pr0centiger Koch- salzlösung anzusetzen, da beim Ansetzen mit reinem Wasser nur wenige der besamten Eier sich entwickeln. Es scheint, dass die Spermatosomen, welche ja in halbprocentiger Kochsalzlösung zu leben gewohnt sind, durch reines Wasser etwas geschwächt werden. Bei Anwendung von stärkerem Kochsalzgehalt von 1 — 2°,o entstand künstliche Polyspermie (wie sie am Ende der Laichperiode nicht selten von selber vorkommt) offenbar durch Verlangsamung oder Abschwächung der Thätigkeit der Schutzmechanismen gegen das Eindringen weiterer Samenkörper nach dem Anlangen des ersten. II. Bedeutung dei gefundenen Coincidenz des ersten Furchungsmeridianes etc. 363 Wenn die Gallerthülle Flüssigkeit angezogen bat, ist das J^]i unverrückbar an der Glasplatte festgesaugt; und die nacb den ersten 5 Minuten später, gewöhnlich erst viel später noch eintretenden Stellungsänderungen sind daher auf Drehungen des Eies innerhalb seiner Hülle zu beziehen. Da der Wasserzusatz auch nach den ersten 30 Minuten immer noch ein etwas spärlicher war, so konnten solche Drehungen auch nach dieser Zeit nur langsam im Laufe von Minuten sich vollziehen; und die kurzen, nur etwa 5 bis 10 tSeeunden dauernden Umdrehungen zur Besichtigung der Unterseite hatten keinen Einfiuss auf die Stel- lung. Zur Vermeidung dieser Umdrehungen hatte ich im vorigen Jahre die Unterseite durch Spiegelung aufgenommen; diese Methode erwies sich jedoch als viel ungenauer, weil durch das unerlässliche seitliche Vorbeisehen an dem Eie stets schiefe Projectionen entstehen, aus welchen es, auch unter möglichst gieichmässigem Umkreisen des Eies mit dem Auge bei geringer Schiefstellung der Eiaxe, sehr schwer ist, die Richtung und den Grad dieser Schiefstellung genau zu ermitteln. Es gehört schon einige Uebung und strenges Einhalten einer bestimmten Ordnung in allen Manipulationen dazu, um 12 Eier in dieser Weise nach einander aufzusetzen und alle rechtzeitig auf ihre Einstellung und den Wassergehalt zu prüfen und keine Verwechse- luug vorkommen zu lassen. Im Ueberschuss zugesetztes Wasser wurde mit einer gebogenen und zugespitzten Glasröhre weggesaugt. II. Bedeutung- der gefundenen Coincidenz des ersten Furchungs- meridianes und des „Eintrittsnieridianes" des Samenkörpers. A. Nächste Ursachen der Coincidenz. Nachdem wir^die Thatsachen und die Art, wie sie gewonnen worden sind, kennen gelernt haben, liegt es uns ob, die specielle Ijc- deutung derselben zu ermitteln. Obgleich die Entwickelungsmechanik selber erst in den ersten Furchungen sich befindet, so ist es doch schon möglich, die Ent- stehung dieser Coincidenz in mehrere ursächlich verschiedene Vor- 364 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. [169] gäuge zu zerlegen und den causalen Werth jedes einzelnen der- selben für das gemeinsame Resultat zu prüfen. Analysiren wir den Vorgang der Befruchtung des Eies in unserem Bedürfniss entsprechender Weise, so können wir zunächst folgende Einzelvorgänge unterscheiden. Erstens die Durch- brechung der harten Eirinde durch den Samenkörper; zweitens den Verlauf desselben, resp. des aus ihm entstehenden Spermakernes d u r c h d e n Dotter; drittens die C' o p u 1 a t io n beider Vor kerne. Jeder dieser Vorgänge könnte vielleicht für sich allein das die Richtung der ersten Furche bestimmende Moment enthalten. a) Für die Wirkung der Durchbrechungsstelle der Ei- rinde durch den Samenkörper auf die Lage der ersten Furche kann man zwei in Beitrag 1 zur Entwickelungsmechanik s. S. 163 u. 166 mitgetheilte Beobachtungen anführen. Bei Frosch- eiern , welche schon die erste Furche gebildet hatten , sah ich nach dem Anstechen derselben mit einer feinen Präparirnadel die zweite Furche mehrmals durch die Anstichstelle hindurchgehen, auch wenn dadurch diese Furche schief, statt wie normal rechtwinke- lig, zur ersten zu stehen kam. Beim Anstechen nach Bildung der zweiten Furche kam es vor, dass die der Anstichstelle nächstgelegene Furche sich nachträglich soweit verschob, bis sie durch die Anstichstelle selber hindurchging. Man kann geneigt sein, diese Beobachtungen so zu deuten, dass die Theilung leichter an derjenigen Stelle des Zellleibes entsteht, wo der Sonde- rungswiderstand am geringsten ist oder ein Reiz das Protoplasma getroffen hat [s. dagegen S. 166 Anm.]. Dass die Eirinde durch ihre Härte der Theilung besonderen Wider- stand darbietet, sehen wir an den vielen feinen Falten, welche sich bei den ersten Furchungen an der Theilungsstelle bilden. Die Eirinde ist also fest und elastisch. Eine flüssige oder auch nur weiche und geschmeidige Substanz würde diese Erschei- nung nicht darbieten können. Gegen die Anwendung dieser Er- fahrung auf unseren Fall kann aber geltend gemacht werden, dass das Loch, welches der Samenkörper, trotz seiner anziehenden Wir- kung • auf die braune Dottersubstanz , in dieser harten Eirinde her- n. Bedeutung der gefundenen Coincidenz des ersten Furchungsmeridianes etc. 365 vorbringt, an Dnrchmesser miiulcstens lOnial, an Fläclic mindestens lOOmal kleiner ist, als die grobe mit einer 0,1 mm dieken Nadel eingestochene Oeffnung; nnd dass daher die Verminderung des Sonde- rungswiderstandes an der Eintrittsstelle des Samenkörpers zu gering sei, um entgegen eventuellen Tendenzen zur Sonderung an einem anderen Orte in Betracht zu kommen. Allerdings kann fl70] für die leiclitere Theilung an der Durchtrittsstelle des Samenkörpers noch die weitere Beobachtung angeführt werden, dass die Bildung der ersten Furche nicht blos in dem Durch trittsmeridian, sondern häufig auch auf derselben Seite der schwarzen Hemisphäre anhebt, auf wel- cher der Samenkörper eingedrungen war. Doch habe ich auch Aus- nahmen gesehen, in denen die erste Furchung auf der entgegen- gesetzten Hälfte des Eintrittsm eridianes begann. Und andererseits sieht man aufschnitten, welche eine halbe oder viertel Stunde vor dem Beginne der äusserlich sichtbaren Thei- lung quer zur präsumptiven Furchungsebene durch das Ei gelegt worden sind, dass bereits eine deutliche innere pigmentirte Sonderungsebene des Dotters ausgebildet ist. b) Für die Bestimmung der ersten Furche durch die ,, intraovale Verlaufsbahn'' des Samenkörpers resp. Samen- kernes kann geltend gemacht werden, dass dabei durch die An- ziehung des pigmentirten feinkörnigen Dotters, welcher als Pigmentstrasse dem Samenkern folgt, eine bilaterale Symmetrie in der Anordnung der Dottersubstanz hervor- gebracht wird, die zugleich bestimmend wirke für die Lage der Medianebene des bilateral-symmetrischen Embryo. Daran ist umso- mehr zudenken, als bei der durch zwangsweise Schiefstellung des Eies entstehenden künstlichen bilateralen Symmetrie der inneren Anord- nung der Dottersub^tanzen wohl die Medianebene des Embryo, aber nicht die erste Furche, fast immer in die Richtung der Symmetrie- ebene zu hegen kommt [s. S. 328 n. f.]. Auch haben wir oben (S. 358) gesehen, dass unter normalen Verhältnissen die erste Furch- ungsebene die Pigmentstrasse der Länge nach theilt. c) Für die bestimmende Wirkung des dritten unterschie- denen Vorganges, der Copulation der beiden Vor kerne, in 366 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. ihrer Richtung auf die Richtung der ersten Theilung des Eiesist bis jetzt blos anzuführen, dass die erste Furchungsebene auch das centrale Ende der Pigmentstrasse der Länge nach theilt, und dass dessen Verlaufsrichtung, wie ich mich mehrfach an vor der Furchung geschnittenen Eiern überzeugen konnte, auch die Richtung der Copulation beider Vorkerne an- deutet. Bei normaler Einstellung des Eies vollziehen sich, wie die Schnittbilder zeigen, alle diese drei Vorgänge inner- halb derselben, zugleich durch die Eiaxe gehenden senk- rechten Meridianebene, und diese wird, wie wir sahen, zur ersten Furchungsebene. Daher ist eine Unterscheidung der Wir- kungsweise jedes einzelnen dieser eventuellen Factoren in diesen Fällen nicht möglich. [171] Mein Bestreben war daher darauf gerichtet, diese Coincidenz gestört aufzufinden: und es gelang mir inderThat, an einigen Eiern festzustellen, dass die erste Furche nicht durch die Eintrittsstelle des Samenkörpers selber, sondern mehr oder weniger dicht an derselben vorbei ging. Hierbei waren zugleich zwei ver- schiedene Fälle zu unterscheiden : Die Furchungsebene verlief parallel neben der Pigmentstrasse und letztere führt dann in die Nähe von einem der beiden Furchungskerne ; die Copulation hatte also an diesem stark exaxial gelegenen Orte stattgefunden, aber die Theilung war wie gewöhnlich durch die Eiaxe, jedoch der Copulations- richtung parallel, erfolgt (Taf. V, ¥ig. 2). Im zweiten Falle stand die Pigmentstrasse mit ihrem Anfangstheil schief zur Furchungsebene, lief aber mit ihrem centralen Ende ihr parallel aus (Fig. 3). Die Begrenzung der ersten Furche stellt auf den parallel zu ihr durch sie geführten Schnitten eine schräge, durch gleichmässige, dichte Pigmentirung ausgezeichnete und durch zwei scharfe, einfach gebogene Contouren begrenzte Fläche an der schwarzen Randseite des Schnittes dar; die Stelle der Furche ist also an den Schnitten noch vollkommen deutlich zu erkennen. (N. B. Dies ist aber blos dann der Fall, wenn das Ei bei dem zum Zwecke der Abtödtung und der Mechanismus der Copulation. 367 Icicliteren Entfernung;- der ( iallortliiille nütliigen Erhit/,en niclit ülxn- 80° C. erwärmt worden ist; andernfalls schrumpft und faltet sieh die Eioberfläche, und die Furehe ist selbst für die Loupenbetrachtung kaum mehr sichtbar. Auch darf man, um diese schräge Fläche noch deutlich an den Schnitten sehen zu können, vor dem Einbetten zur Markirung nicht zu viel Farbe in die Furche geben, weil diese wegen ihrer Opacität sonst dieses wichtige Merkmal unsichtbar macht.) Da am Ende der Laichperiode vielfach Abnormitäten auftreten, so schnitt ich auch in dieser Zeit befruchtete Eier parallel der ersten Furche und war so glücklich, mehrere Eier zu finden, bei denen diese Furche weder durch die Eintrittsstelle des Samenkörpers, noch durch die sich anschliessende Strecke der Pigmentstrasse hin- durchging. Die Pigmentstrasse verliess in diesen Fällen die Meridian- ebene der Eintrittsstelle sogleich und vollzog allmählich eine seitliche Abweichung von 40 — 50°, um dann erst der Eiaxe zuzustreben; und nur diese Endstrecke des Verlaufes des Samenkörpers fiel in die Eichtung der ersten Furchungsebene (Fig. 4) [s. S. 203] ^). Mechanismus der Copulation. [172] Um die Bedeutung dieser Abweichungen im Ver- laufe des Samenkörpers von der Regel zu erkennen, ist es zu- nächst nöthig zu wissen, warum normaler Weise die unterschiedenen drei Vorsänge innerhalb derselben Meridianebene sich vollziehen. Diese Coincidenz ist, wie ich fand, eine Folge des eigenthüm- lichen Mechanismus der Copulation; und wir müssen daher diesen zunächst etwas genauer kennen lernen. [1) Gelegentlich eines Referates im biologischen Centralblatt (1888, Bd. VII J, S. 403) machte ich über solche Abweichungen die weitere Mittheilung: „Wenn näm- lich, wie es im Anfang des Versuches, ehe das Ei festgeklebt ist, sehr leicht geschehen kann, bei irgend einer Manipulation das Ei erheblich schief gestellt worden ist und nun 30 Minuten in dieser Lage bleibt, um erst danach aus ihr be- freit zu werden, so geht die erste Furche nicht durch den Befruchtungs- meridian. Diese Fälle bilden, wie ich mich bald überzeugt, da ich die Eier oft von unten besichtigte und ihre jeweilige Stellung abzeichnete, eben die Ausnahmen. An ihnen machte ich aber eine andere wichtige Entdeckung, näm- lich, dass bei diesen Eiern nicht, wie es „normal" der Fall ist, die Stelle der „ersten" ürmundsanlage in der Medianebene gelegen ist, worüber ich anderwärts ausführlicher berichten werde."] 368 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. Die Angaben über die speciellen Vorgänge der Copulation der Vorkerne im Froschei seitens der frülieren Beobachter sind nur mehr gelegentliehe, da es sich bei den Untersuchungen dieser Autoren zu- nächst darum handelte, überhaupt die Thatsache dieser Copulation festzustellen. Ch. van Bambeke, der Entdecker dev Thatsache, dass bei den Amphibien der Weg des Samenkörpers im Ei sich durch eine nachgezogene Pigments trasse markirt, sagt in seiner ersten dies- bezüglichen Arbeit^) von der Pigmentstrasse des Samenkörpers von Triton und Axolotl : ,,La longueur de celui-ci, y compris son renfle- ment terminal, sa direction varient. Cette derniere est generalement rectiligne, quand le conduit est court, mais celui-ci se prolonge-t-il davantage, sa direction est celle d'une iigne courbee ou d'ane ligne brisee; d'autrcs fois on observe une disposition en spirale ou ondulee liraitee ä une ])artie du conduit ou se montrant sur tout son trajet; ce dernier etat etait surtout evident sur un oeuf de Triton helveticus (fig. 11). Nous avons trouve comme plus grande longueur des con- duits, en mesurant une ligne menee de la base ä l'origine de la di- latation nucleaire, 264 //, soit ä peu pres le quart du diametre de l'fp.uf. Toute fois, par suite de la courbure des conduits, leur extre- mite interne est plus rapprochee de la peripherie que du centre du globe vitellin. Leur largeur, generalement plus considerable ä la base (16 /<), dimhiue apres un trajet plus ou moins long, pour conserver alors le menie diametre (en moyenne 8 /n) juscj[u'ä la dilatation terminale." In einer späteren Arbeit^) giebt van Bambeke an: ,,Le trajet de la trainee pigmentaire des Urodeles est generalement [173] represente par une ligne brisee"; und fügt bezüglich der Kröte hinzu: ,,Ün y remarque en efEet une ligne ä trajet egalement brise, plus foncee que la masse triangulaire qu'elle traverse". Wir finden in diesen Angaben die wesentlichen Bestandtheile 1) Ch. van Bambeke. Sur les trous vitellins que presentent les oeufs fecondes des Amphibiens, Bull, de l'Acad. roy. de Belgique, 2'ne serie. T. XXX 1870, S. 65. -) Derselbe, Recherches sur l'embryologie des Batraciens. Bull, de l'Acad. roy. de Belgique. 2'"e serie. T. LXI. 1876. S. 27. Mechanismus der Copulation. 369 des Verlaufes schon mit enthalten; aber einmal fehlt die ursächliche Beziehung der beobachteten Verschiedenheit auf die Lage der Ein- trittsstelle des Sameukörpers , andererseits sind einige seiner Beob- achtungen offenbar an abnormen Eiern gemacht. Er fand wiederholt mehrere solcher Pigmentstrassen im Ei, während ich in etwa 100 geschnittenen Eiern dies blos einmal beobachtete und dies Ei stammte vom Ende der Laichperiode, zu welcher Zeit Abnormitäten sehr häufig sind^). Zu diesen gehört auch, wenigstens meinen Erfahrungen am Froschei nach, der spiralig gewundene Verlauf der Pigmentstrasse. Ebenso deutet sein Befund eines zweiten, wurstförmig gebogenen Pigmentzuges im Ei der Kröte (Cra- paud commun) auf Befruchtung unter schiefer Zwangslage des Eies hin, Avas um so leichter der Fall gewesen sein konnte, als die Distinction der Zwangslage von der freien Einstellung erst sieben Jahre später, durch Pflüger, gemacht worden ist. Bezüglich der Eintrittsstelle des Samenkörpers in das Ei macht 0. Hertwig^) folgende Angabe: ,,Bei Rana temporaria erfolgt der Eintritt des befruchtenden Spermatozoon in den Dotter stets am schwarzen Pol zur Seite des schleierförmig ausgebreiteten Excret- körpers auf der vom Eikern abgewandten Eihälfte." Soweit durch diese letztere Angabe die Befruchtungsrichtung als schon vor der Be- fruchtung selber normirt anzusehen w^äre, ist sie bereits durch meine vorstehend mitgetheilten Versuche widerlegt. Ich kann [174] noch hinzufügen, dass ich au geschnittenen Eiern, selbst bei ungewöhnlich grossem Abstand des Eikernes von der Eiaxe, den Samenkörper manchmal auf derselben Eihälfte, in welcher der Eikern lagerte, von noch weit über den Eikern hinaus seitlich gelagerten 1) Meine Untersuchungen bestätigen also die Angaben von 0. Hertwig und Born, dass normaler Weise blos ein Samenkörper in das Froschei eindringt. Treten aber mehrere Samenkörper ^in, so zeigt entweder blos der erste oder gar keiner den unten zu schildernden typischen intraovalen Verlauf. Es ist von hohem Interesse wohl auch für die Pathologie der menschlichen Entwickelung und besonders für die Beurtheilung der Ursachen der „Sterilität", dass so leicht qualitative Veränderungen des Eies entstehen, welche die Entwickeluugsfähigkeit desselben aufheben oder in abnorme Bahnen lenken. -) 0. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Zweiter Theil. Morphol. Jahrb. Bd. III. 1877. S. 82. W. Koux, Gesammelte Abhandlungen. H. •^^ 370 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. Puncten eingedrungen gefunden habe. Daraus und aus Beob- achtungen an vielen anderen normal befruchteten und gestellten Eiern geht zugleich hervor, dass der Samenkörper mit seinem Eintritt nicht an die „nächste" Umgebung des am oberen Ende der Eiaxe gelagerten Excretkörpers gebunden ist. Wohl aber spricht sich sehr deutlich eine Prädisposition für den Eintritt des Samenkörpers ,,in der Nähe" des oberen Endes der Eiaxe aus. Diese Prädisposition muss um so stärker sein, als bei der an diesen Eiern vorgenommenen Einzelbefruchtung für jedes derselben der Same nur spärlich, kaum bis zur Benetzung der unteren zwei Dritttheile des Eies zugegeben wurde, sodass die gegen die Mitte des schwarzen Poles hinstrebenden Samenkörper die Gallerthülle in schiefer Richtung durchsetzen, also einen weiteren Weg zurücklegen mussten, als die den unteren Theilen zustrebenden. Da bei stark schief aufgesetzten Eiern dieses Verzögerungsmoment weg- fiel, so wunderte ich mich nicht, bei ihnen in noch evidenterer Weise diese Prädilection ausgesprochen zu finden; wenn schon die genaue Beurtheilung der Eintrittsstelle in Folge der Zusammenstauung der braunen Rinde nach aufwärts an Eiern in schiefer Zwangslage oft erschwert, manchmal unmöglich gemacht ist. Andererseits habe ich nur selten g e s e h e n (s. Fig. 7, Taf . V), dass die Pigmentstrasse den ,, oberen" weissen Dotter durchsetzte; somit scheint der Eintritt in der Mitte des schwarzen Poles durch die Darunterlagerung dieses weissen Dotters erschwert zu werden. Diese Beobachtungen an nicht localisirt besamten Eiern bestätigen also die oben von mir geäusserte Vermuthung, auf welche ich meine zweite Methode der künstlichen locahsirten Befruchtung gründete; und es müsste Verwunderung erregen, dass es mir bei der ersten Methode gelungen ist, auf andere Weise eine Prädilection zu schatfen, wenn nicht bei senkrechter Einstellung diese erste Methode zugleich immer auch mit der Benutzung dieser Art Prädilection verknüpft gewesen wäre, indem an der Einschnitt- oder Einstichstelle der Samen zugleich auch am weitesten in die Höhe und so der Mitte der schwarzen Hemi- 1. ^Penetrationsbahu" des Samenkörpers im Ei. 371 Sphäre am nächsten kam, und wenn ich niclit bei der locahsirten Befruchtung schief gestellter Eier stets besonders tief, bis etwa /.ur Mitte der Dicke der Gallert- [175] hülle, eingeschnitten hätte. lieber den Verlauf des Samenkörpers im Ei macht 0. Hertwic. keine besondere Mittheilung. Bobn's bezügliche Angaben beziehen sich auf Eier in künstlicher Schief läge und auf Bastard- befruclitung, sind daher für unseren Zweck der Feststellung der wesent- lichen Vorgänge des normalen Copulationsmechanismus gleichfalls nicht zu verwerthen. Die genauere Beobachtung des Verlaufes der Pig- mentstrasse des Samenkörpers bei verschiedenen Lagen der Eintrittsstelle desselben am Ei liess einen aus zwei typisch verschiedenen Vorgängen sich zusammensetzenden Mechanismus der Zusammenführung der beiden Vor- kerne erkennen. 1. ,, Penetrationsbahn" des Samenkörpers im Ei. Sehen wir von der extraovalen Bahn des Samenkörpers durch die Gallerthülle zum Ei ab, so ist als erster besonderer, wohl durch besondere Kräfte bedingter mechanischer Act der Befruchtung des Froscheies die Durchbrechung der starren Eirinde durch den Samenkörper und der sich anschliessende ,, erste intraovale Verlauf" zu unterscheiden. Letzterer führt den Samenkörper tief in das Ei hinein, in einer meist graden Rich- tung, welche annähernd rechtwinkelig zur Tangente der Eintrittsstelle der Peripherie steht, jedoch mit einigen typischen Variationen (vergl. Fig. 6 — 11). Genauer könnte man näm- lich sagen: der erste intraovale Verlauf des Samenkörpers strebt „geraden Weges^" der Eiaxe zu, da che Bahn fast mit wenigen Ausnahmen in der durch die Eintrittsstelle und durch die Eiaxe gegebenen Meridianebene gelegen ist. Aber der Zielpunct der Bahn ist sehr verschieden gelegen. Beim Eindringen in der Nähe der Mitte des schwarzen Poles liegt er manchmal am unteren Ende der Eiaxe (oder gar ausserhalb des Eies, also in der Verlängerung der 24* 372 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die CopulationsricMung. Axe); während er bei seitlicher, dem Aequator genäherten Eintritts- stelle dem Eicentrum näher liegt ^). Charakteristisch ist es für diese Verl aufs strecke, dass die Richtung derselben noch keine directe Beziehung zum Eikern erkennen lässt, sodass der erste Verlauf des Samenkörpers als „reine Penetrationsbewegung" in den ,, Zellleib" des Eies, in den Dotter sich charakterisirt. [176] Manchmal stellt der Anfangstheil der Pigmentstrasse einen breiten Pigmentkegel dar, in welchem es schwer ist, die eigentliche Bahn des Samenkörpers zu erkennen. Ich nahm alsdann für letztere die Linie dichtester Pigmen tauhäuf ung , welche auch gewöhnlich der Kegelaxe nahe lag. Diese grosse Pigmen tan häuf ung um den Anfangstheil der Bahn des S a m e n k ö r p e r s findet sich be- sonders gegen Ende der Laichperiode der Species; und sie geht da manchmal so weit, dass die Continuität der braunen Rinde zerrissen wird und ,,Extraovate" entstehen, sodass also zum Theil dieselben Vorgänge auftreten, wie sie Born bei Ba- stardirungen häufig angetroffen hat. Gegen das Ende der Laich- periode muss entweder die Pigmentsubstanz des Eies sehr beweglich werden, oder die dieselbe bewegenden Kräfte müssen sich erheblich verstärken. In anderen Fällen ist die Pigmentstrasse schon von Anfang an dünn; manchmal auch beginnt sie schief zur Oberfläche und erlangt erst im weiteren Verlauf die geschilderte annähe r n d r a d i ä r e Richtung; es wird dann zweifelhaft, ob hier noch das primäre Verhalten vorliegt oder ob nachträgliche Verschiebungen stattge- funden haben. Die Länge dieser ,,Peiietratioiisl}alm" des Samenkörpers variirt unter normalen Verhältnissen relativ wenig ; und da uns die Berück- sichtigung dieser Länge dem wahrscheinlichen, actuellen Ziel der [1) Dieses Verhalten wird besser durch folgende Fassung bezeichnet: Ent- sprechend dem rechtwinkelig zur Eirinde erfolgenden Eintritt des Samenkörpers und dem geraden Verlauf desselben im ersten Theil seiner Bahn ist der scheinbare Zielpunct dieser Bahn in Folge der Abweichung des Eies von der Kugel- gestalt, besonders aber in Folge der oben entstehenden Abplattung (s. S. 377 Anm.), ein mit der Lage der Eintrittsstelle am Eie wechselnder. 1. , Penetrationsbahn " des Saraenkörpers im Ei. 373 Bewegung näher führt, so seien hiei- einige an Eiern von Rana fusca angestellte Messungen derselben mitgetheilt. — ■ - — Mittlerer Abstand Zeit Lauge der Querdurchmesser Länge der Pene- der Copulations-Bahn nach der Eiaxe des Eies trations-Bahn von der Oberfläche BefruchtuDg des Eies mm mm mm mm 1 h. 40 Min. 1,55 1,52 0,292 0,390 ^ 1,53 1,66 0,275 0,357 1,56 1,53 0,325 0,390 2 h. 40 Min. 1,46 1,56 0,290 0,390 1,13 1,49 0,260 0,340 1,36 1,49 0,292 0,390 71 1,20 1,46 0,260 0,325 n 1,30 1,36 0,292 0,325 1,20 1,59 0,260 0,325 1,49 1,65 0,357 0,390 [177] ; 1,56 1,56 0,357 0,390 1,36 1,40 0,325 0,390 j» 1,43 1,-56 0,455 0,420 1,43 1,49 0,260 0,420 1,36 1,43 0,260 0,450 V 1,49 1.56 0,390 0,487 Die Variationen in der Länge der Penetrationsbahn des Samenkörpers bewegen sich also (bei der um V* wechselnden Eigrösse) zwischen 260 und 390 /^ nur einmal Averden 455 ^i er- reicht. Dieser Fall, wie die ihm benachbarten der letzten sechs Eier der Tabelle betrifft stark dem Aequator genäherten Eintritt des Samenkörpers. Dieser erste Verlauf führt den Samenkörper immer annähernd derselben Schicht des feinkörnigen Dotters zu. Bei Rana fusca ist diese Schicht deutlich braun gefärbt und stellt die obere Schicht des centralen braunen Dotters dar (s. Taf. V, K. Seh., Kernschicht, Fig. 5). Da dieser „centrale braune Dotter" oben mit dem „braunen Seitendotter" (br. S. Fig. 5) ringsum zusammen- hängt, so kann man diese Schicht auch als Verbindungsschicht des braunen Seitendotters ansehen. Sie liegt zugleich unterhalb des oberen 374 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. weissen Dotters imd kann bei mächtiger Entwickelung desselben direct an diesen angrenzen. In den Erläuterungen der sclieraatischen Figur 5, der Abbildung einer durch die Eiaxe gelegten Meridianebene des Eies von Rana fusca war ich genöthigt zum Zwecke genauerer Bezeichnung einige neue Termini einzuführen. An die Stelle des von Borx als „heiler Innentleck" bezeichneten Theiles, welcher unter der Mitte der braunen, daselbst verdünnten festen Eirinde liegt, führe ich den mehr die Substanz und ihre Lage bezeichnenden Namen „oberer weisser Dotter'' ein und habe ihn oben bereits entsprechend verwendet; dieser Dotter ist feinkörnig, halbflüssig und, wie sich ausser durch seine Lage im senkrecht eingestellten Eie auch noch durch seine Umlagerungen bei schiefer Zwangslage ergiebt, von geringerem specifischen Gewicht, als die übrigen Dottersubstanzen. Die anderen in [178] der Figurenerklärung gebrauchten Termini „brauner Seitendotter", ,, centraler brauner Dotter" sind ohne weiteres aus der Abbildung verständlich ^). Da, wie wir sehen werden, die zweite Strecke des intraovalen Verlaufes des Samenkörpers innerhalb der unter dem oberen weissen Dotter befindlichen Schicht, bis zu Avelcher der Samenkörper in den Dotter eindringt, gelegen ist; da ferner, sei es vor oder erst während der Befruchtung, der Eikern in dieselbe aufsteigt und auch der durch die Copulation gebildete Furchungskern in ihr gelagert ist und inner- halb ihrer sich theilt, so halte ich es für zweckmässig, dieser wi en- tigen Schicht einen besonderen Namen, den Namen „Kern- [1) Ein neuerer Autor, 0. Schultze, hatte bezüglich der Grösse der Dotter- körner die Angabe gemacht: „Je mehr wir nach dem höchsten Puncte des Eies gehen, um so mehr nimmt die Grösse der Uotterelemente ab und zwar so, dass bei nor- maler Einstellung in jeder Horizontalebene die Dotterkörner gleich gross sind." Dazu habe ich folgende Berichtigung gegeben (Biolog. Centralbl. 1888. Bd. 8. S. 406): „Es ist bekannt, dass im Allgemeinen die Grösse der Dotterkörner von unten nach oben abnimmt; aber es liegen Körner verschiedener Grösse nebeneinander und grössere über kleinern; ganz abgesehen von dem centralen braunen Dotter, der zwar oft fast nicht pigmentirt, immer aber ziemlich feinkörnig ist, während wagrecht neben ihm ringsum grosse Dotterkörner gelagert sind." „Ferner ist es nicht thatsächlich gestützt, wie der Autor vertritt, dass „„der höchste Punct des Pigmentrandes einer grösseren Protoplasmamenge entspricht, als die in der Horizontalebene gegenüberliegende Stelle des Eies"". (Weiteres s. S. 198 Anm.).] 1. ^Penetrationsbalui" des Sameiikörpers im Ei. 375 tichicJif" (h's Eies beizulegen. Icli tliue dies, obgleich ich /ur Zeit nicht anzugeben vermag, ob sie, abgesehen vom s])ecitischen Ge- wicht, aus besonders qualii'icirter Substanz besteht, oder ob die Localisation der genannten Gebilde und Vorgänge auf sie blos dadurch bedingt ist , dass sie den Ort der r e s u 1 1 i r e n d e n Wirkungen aller auf die Kerne wirkenden Dottertheile darstellt, oder ob der Samenkörper normaler Weise deshalb nur Vs des Dotterdurchmessers durchläuft, weil seine eventuellen Penetrationskräfte durch die inzwischen erfolgte Umwandlung zum Spermakern (van Bambeke, O. Hertwig) aufgehört haben. Da bei schiefer Zwangslage des Eies alle die unterschiedenen Eisubstanzen nicht durch ordnende Kräfte in ihrer relativen Lage er- halten werden, sondern sich unter dem Einfluss der Schwere, der Wirkung dieser entsprechend, verschieben, so kann man geneigt sein, solche ordnenden Kräfte überhaupt nicht als wesentlich bei der Er- haltung der normalen Anordnung des Eies nach der fertigen Bil- dung desselben betheiligt anzusehen, und anzunehmen, dass ,, wäh- rend der Bildung" die Anordnung derart getroffen wor- den sei, dass die Schwere bei normaler Stellung des Eies diese Anordnung allein erhalte. Dem entsprechend sei dann anzunehmen, dass die Lage der Kern schiebt des Eies blos durch das specifische Gewicht derselben bedingt sei, und dass auch nur aus einer Uebereinstimmung der specifischen Gewichte die Kerngebilde ihren Platz in ihr nehmen. Gegen eine solche einfache Art der Erhaltung der inneren Anordnung lassen sich aber schon gegenwärtig einige Gründe anführen, so z. B. der Umstand, dass die unbefruchteten Eier trotz der meist im Ovarium und im Uterus vorhandenen, Wochen, ja Monate lang dauernden Zwangslage in schiefer Stellung nur sehr geringe Umordnungen durch die Schwer- [179] kraft erleiden^) und [1) Um dieser Monate lang anhaltenden Wirkung der Schwerkraft activ zu widerstehen, müssten die ordnenden Kräfte im unbefruchteten Ei vielraal grösser sein, als im befruchteten Ei, da sie in ihm keine zwei Stunden zn widerstehen ver- mögen. P]s scheint daher annehmbarer, dass im unbefruchteten Ei das Protoplasma fester, rigider sei, trotz gleichen oder grösseren Gebaltes des Eies an Paraplasma wie nach der Befruchtung (s. S. 297 Anm.).] 376 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. dass, wie ich S. 298 gezeigt liabe, Avälireiid der Befrachtung Umord- nungen vor sich gehen, welche der Wirkung der Schwere entgegen- gesetzt sind. Wir müssen also wohl im unbei'ruchteten wie auch noch mehr im befruchteten Eie Ordnung erhaltende, resp. neu ordnende Kräfte als wirksam, annehmen, welche aber unter Umständen sich schwächer erweisen, als die Wirkung der Schwere auf die Eitheile von ungleichem specifischen Gewichte. Ueber die eigenthümliche dynamische Bedeutung der unter- schiedenen Kerns chic ht des Dotters ist daraus noch kein be- stimmtes Urtheil zu entnehmen, als dass sie nicht blos durch das specifische GcAvicht ihrer Bestaudtheile ihre Lagerung erhält und zum Aufenthaltsort der Kerngebilde wird. 2. „Copulationsbahn" des Samenkörpers im Ei. Wenn die erste Strecke vom Samenkörper durchlaufen ist, so wird, meist unter ziemlich schroffer Umbiegung, eine zweite Verlaufsrichtung eingeschlagen, welche den Samenkörper, oder richtiger den inzwischen aus ihm gebildeten Samenkern, grade n Weses dem Eikern nähert, und zwar meist ihm direet zuführt, daher sie „nucleopetale Verlaufsrichtung" und ihre Bahn die ,,Copulationsbahn" heissen soll^). In einigen Fällen jedoch war der Samen kern durch seine gerade fortgesetzte zweite Verlaufsrichtung ziemlich dicht, seithch, ober- oder unterhalb an dem Eikern vorbeigeführt worden, und bei einigen [1) RuD. FicK macht in .seiner sorgfältigen Untersuchung über die Reifung und Befruchtung des Axolotleies (Zeitschr. f. wiss. Zool. 1893. Bd. 56, S. 576) die Mit- theilung, dass die „Copulationsbahn" beim Axolotlei häufig nicht gleich von Anfang an gegen den Eikern hin, sondern sogar von ihm weggewendet ist. Andeutungen davon habe ich auch beim Froschei einige Male beobachtet und zwar bei Zwangslage. Ehe man annehmen kann, dass hier eine, besondere Bedeutung beanspruchende normale Erscheinung vorliegt, ist es also nöthig, die Axolotleier nach der Besam- ung recht rasch in die Möglichkeit zu versetzen, sich senkrecht einzustellen, oder besser, sie gleich von vornherein senkrecht aufzusetzen und viel Samenflü.ssigkeit zuzusetzen, um zu sehen, ob dann diese Erscheinung auch noch vorkommt. Dass eine innere Strömung im Ei den Samenkörper leicht passiv mitnehmen kann, ist verständlich; und zwar kann dies um so leichter geschehen, je geringer die Copu- lationskräfte sind (s. S. 181).] 2. „Copulationsbabn" des Samenküipers im Ei. 377 anderen hätte dasselbe geschehen müssen, wenn das Ei nicht /u i'iüli getödtet und die weitere Bahn in der bisherigen Richtung fortgesetzt worden wäre. Letzteren Fahes war der Samenkern dem Eikern schon bis fast an das Loth vom Eikern auf die zweite Verlaufsrichtung ge- nähert, ohne dass die Bahn eine Ablenkung nach dem Eikern zu darbot. Ich vermuthe, dass in diesen relativ seltenen Fällen Störungen des normalen Copulationsmechanismus vorlagen. Die zweite Verlaufsstrecke liegt annähernd parallel dem mitt- leren Tlieile der schwarzen Eirinde^); daher war es möglich, ihren Abstand von derselben anzugeben , wie es in der Tabelle auf S. 372 bereits geschehen ist. Man sieht, dass die Schwankungen dieses Ab- standes nur zwischen 0,32 und 0,48 mm, resp. zwischen 27 und 32°/o der Eiaxe sich bewegen und die Figuren (> bis 11 geben eine gute Anschauung davon. Wenn wir die verschiedenen zweiten Bahnen der Samenkörper aller geschnittenen Eier von Rana fusca zusammennehmen und [180] uns dabei vergegenwärtigen, dass der Eintrittsmeridian beliebig ge- wählt werden kann, so können wir alle diese Bahnen zu einer run- den Scheibe intregiren, innerhalb deren bei jedem Eie normaler Weise dieser zweite Verlauf sich vollzieht, und diese fällt dann mit dem zu- sammen, was oben als „Kernschicht" des Dotters bezeichnet wurde. Da diese Schicht also nicht bis zum Rande des Eies sich erstreckt, so würde sich der Name ,, Kernplatte" oder ,, Kern- scheibe" mehr für sie geeignet haben, wenn diese Bezeichnungen nicht zu sehr die Vorstellung erweckten, dass das betreffende Gebilde selbst aus Kernsubstanz bestehe, während die Bezeichnung Kernschicht schon eher andeutet, dass es sich blos um den Aufenthaltsort der Kerne handelt. Der Winkel, den die erste und zweite Verlauf sricli- tung miteinander machen, ist ein wesentlich verschiedener je [1) Das Ei ist in den Stadien der E'iguren 6 — 9 oben stark eben und fasl wagrecht abgeplattet; diese Abplattung entsteht jedoch, nach der blossen Erinnerung zu urtheilen, frühestens, etwa eine Stunde vor dem Beginne der Furchung, also zwei Stunden nach der Besamung, somit etwa erst zur Zeit oder kurz nach der Copulation der Geschlechts- kerne. Es giebt also frühere Stadien (Fig. 10 und 11), in denen die Abplattung noch nicht voi'handen, aber die Copulationsbahn schon weit ausgebildet ist.] 378 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. nach der Lage der Sameneintrittsstelle. Ist der Samenkörper in der Nähe der Mitte des oberen Poles eingedrmigen , so beträgt er einen rechten; je näher aber die Sameneintrittsstelle dem Aequator gelegen ist, nm so mehr nähert er sich einem gestreckten Winkel, wie gleich- falls die Figuren (3 — -11 zeigen. Dieses so deutlich ausgesprochene Verhalten war eben die Veranlassung, die Bahn des Samenkörpers in der angeführten Weise in zwei typisch verschiedene Bahnstrecken zu zerlegen. Die Länge der zweiten Verlaufsstrecke muss nach dem von der ersten ^Nlitgetheilten gleichfalls von der Lage der Eintrittsstelle abhängig sein und mit deren Entfernung von der Mitte des schwarzen Poles Avachsen. Die Umknickungsstelle der Bahn in Fig. 11 bei seitlicher Ein- trittsstelle des Samenkörpers bezeichnet meiner Auffassung nach den äussersten Rand der ,, Kernschicht" '). Die Pigmentstrasse erstreckt sich an der Umknickungsstelle vom ersten zum zweiten Verlauf manch- mal auch etwas nach der der zweiten Verlaufsrichtung entgegengesetzten Seite, und andererseits eilt sie dem Samen- körper manchmal etwas voraus. Letzteres sah ich indess blos in einigen wenigen Fällen, in denen die beiden Vorkerne einander schon sehr nahe waren, so dass man an eine gleichsam anziehende Wirkung des Eikernes auf die Pigmentsubstanz denken kann. Dies scheint um so mehr berechtigt, als sich in manchen Eiern eine zweite, aber nur kurze Pigmentstrasse findet, welche von der ,, Mitte" des schwarzen Poles, also von der Ausstossungsstelle der Pol- [181] körper aus radiär in den weissen oberen Dotter sich erstreckt und daher vielleicht als ,, Pigmentstrasse des rück kehr enden Eikernes" aufzufassen ist. Die Lagerung des Eikernes angehend, so fand ich im unbefrucliteten Ei ihn gewöhnlich etwas oberhalb des Cent rums des Eies, im Mittel ^/ä des Eiradius nach oben vom Centrum gerückt, sodass er also noch ^/s Radius von der Mitte des schwarzen Poles [1) Nacli der ausgezogenen Gestalt des , oberen" weissen Dotters zu urtheilen, befand sich das Ei dieser Figur etwas in Zwangslage, und in ganz geringem Maasse war dies auch bei dem Ei der Figur 10 der Fall.] 2. ^Copulationsbahn" des Samenkörpers im Ei. 379 entfernt blieb. Seine „Exaxialität" betrug gewöhnlicli nur 'ho bis V20 des Querdurchmessers des FAes, einmal aber l'and ich sie aul' V^ vergrössert. Zur Zeit der Copulation dagegen beiludet sich der Eikern stets in der V-^ ^^^'^ V^ Eiradius höher gelegenen ,, Kernschicht", zu welcher er also während der Befruchtung wieder aufgestiegen sein muss. Die Kernschicht muss man sich, nach den vorkommen- den Variationen in der Lage der beiden Kerne während der nucleo- petalen Bewegung des Samenkernes, als etwa ^/s Eiradius dick vor- stellen; und es wird in dieser Schicht der Eikern bald ober- halb bald unterhall) des Spermakernes gelagert gefunden. Unentschieden muss es zunächst bleiben , ob nicht doch nor- maler Weise noch eine dritte normale Verlaufsstrecke des Samenkörpers resp. Samenkernes zu unterscheiden ist, oder ob die wenigen Fälle, in denen die zweite Strecke an dem Eikern vorbei- führte, als pathologische, sei es durch abnorme Widerstände oder Strömnngen der Dottersubstanz bedingte, aufzufassen sind. Bei schiefer Zwangslage des Eies d. h. bei Fixation derselben in ab- normer Stellung, sieht man sehr häufig die Pigmentstrasse eine dritte, rückläufige Strecke darbieten; und wenn auch diese zweite Bie- gung der Pigmentstrasse zum Theil erst nachträglich durch die Strö- mung hervorgerufen sein kann, so kann diese Erklärung bei genauer Beurtheilung der speciellen Strömungsverhältnisse doch oft nur für einen Theil derselben in Anspruch genommen werden; während es unzweifelhaft ist, dass der Samenkörper häufig durch die Strömung erfasst und von ihr zunächst am Eikern vorbeigeführt wird, so dass dann erst eine rückläufige Bewegung zur Copulation führt. Ausserdem aber spricht in hohem Maasse für die directe nucleo- petale Tendenz der zweiten Strecke die Beobachtung, dass in den allerdings nur seltenen Fällen von schiefer Zwangslage, wo der Samenkern auch am Ende seiner zweiten Bahn nur innerhalb einer schwachen Strömung zu verlaufen hat, diese zweite Strecke deutlich eine rein nucleopetale, manchmal der Strömung [182] direct entgegenlaufende Richtung darbietet, trotz der stattgehabten starken Umordnung der verschiedenen Dottersubstanzen, insbesondere 380 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. auch der Kernschicht ; ein V^erhalten, welches deuthcli erkennen lässt, dass der Spermakern nicht etwa der Spitze des ,, weissen oberen Dotters" oder der ihr benachbarten Substanz der Kernschicht folgt, welche letztere ja normaler Weise der Sitz des Eikernes und damit auch der Ort ist, gegen welchen die zweite Strecke des Samenkörpers gerichtet ist. Und da bei normaler Stellung des Eies das Vorbeigehen des Sperraakernes am Eikern doch nur selten ist, so ist es wohl richtiger, dieses Vorkommniss auch unter diesen Verhältnissen als durch abnormale Umstände bedingt aufzufassen und keine dritte Verlaufsbahn des Samenkörpers, resp. seines Derivates des Samen kern es, als normalen Bestandtheil des Copu- lationsmechanismus anzunehmen. Es scheint, dass die nucleopetalen Kräfte der Vorkerne in ver- schiedenen Eiern sehr verschieden sind, sowohl an Intensität und Aus- dehnung wie auch in der Zeit, in der sie wachgerufen werden. Viel- leicht auch kommt den nach Hert^vig im Dotter vertheilten Theilen des Keimbläschens in manchen Fällen eine anziehende Wirkung auf den zum Spermakern modificirten Kopf des Samenkörpers zu. In einigen Fällen war aus der Richtung der Längsaxe des Ei- kernes und aus der Anordnung der umgebenden Dottertheile zu er- schliessen, dass auch der Eikern eine, wenn auch nur kleine, das Doppelte seiner Länge betragende [gegen den anderen Ge- schlechtskern gerichtete] Bewegung vollzogen hatte. Ueber die vollziehenden Ursachen dieser beiden typischen Verlaufsrichtungen des Samenkörpers im Ei kann ich zur Zeit keine Angaben machen. Doch hoffe ich durch die Untersuchung künst- lich deformirter Eier und unter Berücksichtigung der Eventualität, dass derBeginn d er nucleopetalen Verlauf srichtung viel- leicht mit der Vollendung der Umwandlung des Kopfes des Samenkörpers zum Spermakern zusammenfällt, einige Aufschlüsse gewinnen zu können. Es sei noch erwähnt, dass auch von der typischen Richtung der Penetrationsbalin Abweichungen, zumal kleine, nicht selten vorkommen. Dieselben variiren bei verschiedenen Eiern um die typische radiäre Richtung als Mittellage nach beiden Seiten, treten aber, wie Ursache der Coincidenz des Sameueintrittsmeridians etc. 381 es scheint, nur selten aus der Meridianelx'nu der Sameneintrittsstelle seitlich heraus. Als ein dritter besonderer xVct wird vielleicht die Copu- lation [183] im engeren Sinne, die Vereinigung der bereits bis zur Be- rührung genäherten Kerne zu einem einzigen Kerne, sofern solche Ver- einigung, entgegen den Beobachtungen van Beneüen\s an Ascaris mega- locephala, beim Frosch vorkommt, einschliesslich der speciell für diese Vereinigung, oder richtiger für die nächste Theilung, nöthigen vor- bereitenden Umänderung in der Structur und Beschaffenheit der noch isolirten Kerne, zu unterscheiden sein, üeber die hierher gehörigen Vorgänge habe ich am Froschei keine sichere Kunde gewinnen können. Ich kann blos angeben, dass ich in einigen Fällen in dem Spermakern, als er dem Eikern schon sehr nahe war, Gebilde wie die Chromatin- schleifen einer zerstörten Kerntheilungsfigur sah. Da die Präparate nicht für den Zweck derartiger Beobachtungen vorbereitet waren, so konnte ich keine Gewissheit darüber erlangen, ob hier analoge Vorgänge bei der Copulation sich in den Kernen abspielen, wie sie bei Ascaris megalo- cephala vorkommen, deren Kenntniss wir van Beneden verdanken. Ursache der Coincidenz des Sameneintrittsmeridians mit dem Verlaufs- und dem Copulationsmeridian. Wenn nun auch unsere Kenntniss der einzelnen Gopulations- vorgänge und ihrer Ursachen noch sehr gering ist, so genügt doch die gewonnene Kenntniss der typischen Natur dieser Vorgänge wenigstens für unseren nächsten Zweck, für die Erklärung der in der Regel stattfindenden Coincidenz des S a m e n e i n t r i 1 1 s m e r i - dians mit dem Verlaufs- und dem Copulationsmeridian und ebensowohl auch für die Erklärung der gelegentlichen Störung dieser Coincidenz. Da der Sani^nkörper zunächst radiär eindringt, so hat er die Richtung gegen die E i a x e hin, er bewegt sich also innerhalb der durch die Eintrittsstelle und die Axe gegebenen „Meridianebene" des Eies ^). Wenn er nun umbiegt, um direct dem Eikern zuzustreben. [1) Dieser Meridian könnte aber „schief" stehen und damit von dem der stets senkrecht stehenden ersten Furche abweichen müssen, sofern die Eiaxe 382 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtun^ SO wird er diese Ebene nicht zu verlassen brauchen, sofern der Eikern selber innerhalb dieser Axe gelegen ist. Dies ist nun nach meinen Messungen allerdings gewöhnlich nicht genau der Fall; aber ich fand die Abweichungen meist so gering, blos ^/i5— ^/so des Eidurchmessers betragend, dass die dadurch ent- stehende Abweichung aus der Eintrittsmeridianebene in die Fehler- breite unserer Beobachtungen fällt und daher nicht bemerkbar wird Wir haben es ja beim Froschei mit einem blos 1,5 mm grossen, nur annähernd runden und auch im Innern nur annähernd mit Rotationsstruktur versehenen Gebilde zuthun, dessen Eiaxe also [184] gar nicht genau bestimmt werden kann. Die Pigment- strasse des Samenkernes ist auch manchmal sehr dick und in ihrer braunen Substanz ungleich dicht, und stellen weise wie in Diffusion gegen den Nachbardotter begriffen, so dass ihre Mittellinie un- deutlich wird. Dazu kommen noch die unvermeidlichen Fehler bei der beabsichtigten derartigen Einstellung des Eies auf dem Microtom, dass die Schnittebene parallel der ersten Furchungsebcne liege. Ueb- rigens ist auch bei normaler Einstellung die Furchungsebene häufig gar nicht genau eine Meridianebene. Es kommen also eine grosse Zahl kleiner Abweichungen vor, die erst später, bei beabsichtigten Annäherungen zweiten Grades eingehende Berück- sichtigung finden können. Ist jedoch die seitliclie Abweichung des Eikernes aus der Eiaxe eine grössere, wie es bei längerer Retention der Eier im Uterus in Folge verspäteter Brunst vorzukommen scheint und leicht erklärlich ist, so wird die seitliche Abweichung der zweiten Strecke aus der Meri- dianebene der Eintrittsstelle auch entsprechend grösser. Die Winkel- grösse dieser Ablenkung ist natürlich zugleich von der Entfernung I schief steht, wie es bei Rana esculenta der Fall ist, und sofern zugleich die „Ein- trittsstelle" des Samenkörpers seitlich von der durch die schiefe Eiaxe gehenden senkrechten Meridianebene gelegen wäre. Letzteres ist aber, wie wir sahen (s. S. 163), nicht der Fall, sondern die Eiaxe neigt sich mit ihrem oberen Ende gegen die Eintrittsstelle des Samenkörpers hin. Deshalb steht die durch die Eintrittsstelle des Samenkörpers und durch die schiefstehende Eiaxe gehende Meridian- ebene gleichwohl senkrecht und kann deshalb auch mit der senkrechten ersten Furche zusammenfallen, da sie in ihrer sonstigen Richtung übereinstimmen.] Ursache der Coincidenz des Saiiieneintrittsineridians etc. 383 abhängig, in welcher schon die rein nucleopetale Bewegung beginnt. Je grösser diese Entfernung, um so kleiner ist ceteris paribus dieser Winkel, wie die Figuren 12 und 13, Tat". A"^ zeigen. Ausnahmen von der Coincidenz können natürlich auch entstehen, wenn eine andere Abweichung von dem normalen Verlaufe der Copulation vorkommt, wenn, wie z. B. in dem ersten von mir beobachteten Falle, der Samenkörper nicht radiär, sondern stark seit- lich aus der Eintrittsmeridianebene abgelenkt seine erste Bahn zu- rücklegt; ferner wenn die zweite Strecke aus unbekannter Ursache den Spermakern zunächst seitlich an dem Eikern vorbeigeführt hat; oder wenn besondere Kräfte die Kerne während der letzten Copu- lationsphase oder den durch sie gebildeten Furchungskern nachträg- lich herumdrehen, wofür wir weiterhin Beispiele kennen lernen werden. Für die bisher erwähnten, bei normaler Stellung der Eiaxe vorgekommenen Ausnahmen war es also nicht nöthig an Ur- sachen der letzteren Art zu appelliren; sondern wir sahen im Gegen- theil die erste Furchungsebene mit der Endstrecke der Verlaufsrich- tung des Spermakernes gegen den Eikern zusammenfallen. Da aber die Coincidenz der Furchungsebene mit den oben er- wähnten Momenten sich in den Fällen stärkerer Abweichungen auf den letzten Theil der Bahn des Samenkörpers beschränkt zeigt (s. auch Nr. 27, S. 203), so sind wir berechtigt, die ersteren Tlieile, [185] wenn sie überhaupt einen bezüglichen Einfluss ausüben, so doch als minderwerthig gegenüber dem letzteren Momente aufzufassen und zu sagen: Unter normalen Verhältnissen wird die ,,specielle Rich- tung" der ersten, stets senkrecht stehenden und durch den Mittel- punct des Eies gehenden „Theilungs ebene" des Froscheies durch die Richtung di^r „Copulationslinie" der beiden Vorkerne bestimmt und steht derselben parallel oder geht durch diese Linie selber hindurch. Zerlegen wir dies Ergebniss behufs Erörterung seiner speciellen Bedeutung, so sind zunächst zwei Componenten zu unterscheiden: Die Theilung des Furchungskernes und die Dottertheilung. 384 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. a) Richtung der ersten Tlieilung des Furcliungskernes. Für den Kern lautet der Satz: Die Richtung der normalen ersten Tlieilung des „Fur- chungskernes" wird durch die Copulationsrichtung der Vor- kerne bestimmt; die Theilung erfolgt in der durch die Copulationslinie gehenden ,,verticalen" Ebene. Zerlegen wir zunächst diesen Befund des Weiteren. Die Copulationsrichtung ist reell durch diejenige Linie gegeben, innerhalb deren sich die Massenmittelpuncte beider Vorkerne während der Copulation gegeneinander hinbewegen; dieselbe ist vor- stehend als „Copulationslinie" bezeichnet worden. Da die ,,Thei- lungsstelle" eines körperlichen Gebildes nicht blos eine Linie, sondern eine Fläche darstellt, so fehlen bei gegebener Copulationslinie, in deren Richtung die Theilung erfolgen soll, für die Theilung noch zwei be- stimmende Momente: die ,, Gestalt der Theilungsfläche", die ge- nauere Richtung dieser Fläche. Die Gestalt der Theilungsfläche ist unter normalen Verhältnissen die der Ebene; der Nützlichkeits- grund dieser Gestalt wird weiter unten im Zusammenhang mit anderen Erscheinungen, so weit es angeht, erörtert werden. Da durch eine gerade Linie unendlich viele verschieden gerichtete Ebenen gelegt werden können, so muss noch ein besonderes Moment die fehlende zweite Richtung bestimmen. Die Entscheidung über diese specielle Richtung ist derart getroffen, dass die ,,Kernthei- lungsebene" vertical steht. Es wird zu untersuchen sein, ob die bestimmende Ursache dieser Richtung im Kern selber liegt oder von der Lage der Dottertheile in irgend einer Weise abhängig ist. Es wäre denk- bar, dass bei der ersten (und zweiten) Theilung innerhalb des Kernes der- artig ungleich schwere Theile sich befänden, dass durch [186] die Wirkung der Schwere auf dieselben die Theilungsrichtung die senk- rechte Richtung erlangte. Andererseits könnte z. B. auch eine be- sondere Tendenz der Kernspindel, sich in den längsten durch den Kern gehenden Durchmesser des Protoplasmas, des Bil- dungsdotters einzustellen, in Anspruch genommen werden, da zu dieser Zeit der wagrecht durch den Furchunoskern gelegte Durchmesser 4 Richtung der ersten Theilung des Furchungskernes. 385 des Bilduiigsdotters in der Tliat der grüsste ist. Nur spricJii gegen die Verwendung dieses Principes, dass ich an linsenförmig defor- mirten Eiern die erste Furche durch den Linsenäquator gehen sah (S. 303), so dass die Kernspindel sich also gerade nach der kleinsten Dimension des Bildungsdotters eingestellt hatte. Die „Lagerung" der Kerntheilungs ebene ,,im liaume" ist nicht immer durch die primäre Lage der Copulationslinie der Vorkerne gegeben, sondern diese Ebene fällt normalerweise in eine durch die ,,Eiaxe" gelegte verticale Ebene, also in eine verti- cale ,, Meridianebene" des Dotters. Die räumliche Lagerung der Theilungsebene des Kernes wird somit vom Dotter bestimmt. Da die Theilungsebene des Kernes bei Halbirung der Masse desselben stets in der Mitte der Kernsubstanz gelegen ist, so ist also anzunehmen, dass der Kern mit seiner immanenten Copulationslinie dieser parallel, sei es vor oder erst während der Theilung, entsprechend im Dotter verschoben wird, wenn die Copulationslinie nicht die Richtung auf den verticalen Eidurchmesser hatte. Für das weitere Verständniss ist es nöthig , uns über die Be- deutung einiger Verhältnisse des Kerntheilungsmechanis- mus klar zu werden. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist es zunächst erforderlich, sich den Unterschied in der Bedeutung der Bezeichnungen „Theiluiig^s- richtuiig" und „Soiuleruiigsrichtung" des Kernes klar gegenwärtig zu halten. Da die ,,Theilungsfiäche" einer Masse den ,,Ort" aller bei der Theilung stattgefundenen einzelnen Zusammenhangstren- nuugen bezeichnet, so ist die ,,Theilungsrichtung" durch die Richtung (genauer durch die Richtungen) dieser Fläche gegeben. Die „Souderungsrichtung", reell vertreten durch die Axe der Kernspindel, giebt dagegen die Richtungen an, in fl87] welcher die beiden Theilstücke von einander ,,entfernt" werden; was normaler Weise rechtwinkelig zur Theilungsfläche geschieht. Da die Kerntheilung nicht nach dem REMAK'schen Schema der einfachen Durchtheilung einer einheitlichen Masse erfolgt, sondern "W. Roux, Gesammelte Abhandlungen, 11. 25 386 Nr. 21. Bestimmung der Mediauebene durch die Copulationsrichtuiig. einen complicirten , mit Spaltung vieler einzelner fadenartiger Ge- bilde verbundenen Mechanismus darstellt, so kann von einer „einheit- lichen" Theilungsfläche im eigentlichen Sinne nicht die Rede sein, sondern nur soweit, als das in mehrere Stücke zerlegte Kern- material vor der eigentlichen Theilung derart geordnet und die Thei- lung jedes Stückes derart vollzogen wird, dass in der That alle diese Theilungen dann in ein und dieselbe Ebene fallen. Es wird aber keine wesentliche Störung hervorrufen, wenn hiervon Abweich- ungen vorkommen. Erscheint schon dadurch die Richtung der Theilungsebene als nicht das Wesentlichste für die Richtung der Kernthei- lung, so spricht sich dies noch mehr dadurch aus, dass der Thei- lungs Vorgang auch nicht mit der Anordnung der zu theilenden Sub- stanz in dieser Ebene beginnt, sondern mit der ^"erlängerung des Kernes in der Sonderungsrichtung anhebt. Die„Sonderungsrichtung"ist also die primäre, wichtigere von beiden Richtungen. Indem bei der Vorbereitung zu diesem Sonderungsvorgang das Material symmetrisch zu einer rechtwinkelig zu dieser Richtung stehenden Ebene gruppirt Avird , erhalten wir als wesentliches Gebilde die „Symmetrieebene der Sonderungs- mechanismen". Die ,, Theilungsebene" fällt nun, sofern über- haupt alle Längsspaltungen der Schleifen in derselben Ebene erfolgen, die Schleifen also nicht verdreht oder verschoben sind, mit dieser Symmetrieebene der Sonderung zusammen. Dies muss als sehr zweckmässig erscheinen, sofern man die Bedeutung der Kerntheilung nicht blos in einer einfachen mecha- nischen Zerlegung des Kernmaterials in zwei Stücke, sondern ent- sprechend der von mir aufgestellten Hypothese (S. 138 und 311) in einer qualitativen Sonde rung desselben erblickt. Die specielle Art, wie die vielen verschiedenen Substanzen des Kernes qualitativ von einander gesondert werden sollen, kann je nach dem speciellen Falle eine sehr verschiedene sein, immer aber muss dafür gesorgt sein, dass das geschiedene, qualitativ l3estimmte Material jeder Schleife der- [188] jenigen Sonderungsseite zugeführt wird, der es zugehört; und dies wird am sichersten geschelion können, wenn es schon vor Richtung der ersten Theilung des Furchungskernes. 387 (1er Tlieiluni;- dieser Seite voUkoninion zugeweiulet ist; ist dies aber der Fall, dann wird die Theilungsebene mit der Symmetrieebene der Sondermig identisch sein. Obgleich somit diese „Sj^mmetrieebene der Sonderling" von den beiden, in Qualität und Ursachen ver- schiedene Vorgänge bezeichnenden aber normaler Weise zusam- menfallenden Ebenen die primäre und wichtigere ist, so wollen wir doch den bisher gebrauchten und allgemein angenommenen Aus- druck der ,,Theilungsel)ene" fernerhin für beide Vorgänge im Gebrauche bevorzugen, sofern es sich in der Erörterung nicht um den Sonderungs Vorgang an sich handelt. Der Nutzen des Umstandes, dass die Sonderungsmechanismen von einer Ebene aus nach entgegengesetzten Seiten hin wirken, leuchtet unmittelbar ein; denn es ist selbstverständlich, dass die son- dernden Kräfte leichter zu einer „Ebene" bestimmt orien- tirt werden können, als zu einer gebogenen Fläche. Gegen diese Ebene nun könnten die sondernden Kräfte in verschiedener Weise wirken, z. B. derart schief, dass die Sonderung jederseits schief zu dieser Ebene vor sich geht. Dann müssten die Kräfte für die Ueber- führung jeder einzelnen Chromatinschleife nach Grösse und Richtung besondere sein, und für jeden anderen solchen Sonderungswinkel müssten alle Kräfte neu normirt werden. Bei ,, rechtwinkeliger" Stellung der Sonderungsrich- tung zur Symmetrieeben e der Sonderung dagegen können die Kräfte alle die gleichen und ihre Anordnung bei allen Kerntheilungen dieselbe sein; dieser gewöhnliche Mechanismus der Kerntheilung ist also der regelmässigste und darum der einfachste, leichteste und sicherste. Und es können bei Constanz dieses Richtungsverhältnisses alle Kernthei- lungen mit eir\em und demselben „groben" Mechanismus vollzogen werden; natürlich abgesehen von den feineren intra- molecularen Sonderungsvorgängen, welche je nach der Natur der qualitiven Materialscheidung die Qualitäten der Mutterkörner und Chromosomen in verschiedener Weise von einander sondern. Die für jeden solchen Individualfall nöthigen speciellen Sonderungseinrich- tungen sind dann aber auf das Minimum, eben blos auf das In- 25* 388 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durcli die Copulationsrichtung. di vi du eile des Falles beschränkt; und die „grobe Sonderung" die Ueberführung der einzelnen Theilungsproducte nach den neueren Centren geschieht mit Hülfe des obigen „universellen Ueher- fn h r u n g s m ecJta n i s m u 6'. " b) Erste Theilung des Dotters. [189] Für die Theilung des Zellleibes sagt unser Gesetz: Die erste Theilung des Dotters erfolgt bei zwanglos gehaltenen Eiern gleichfalls in der, , Richtung" derCopulation der Vorkerne. Hierbei treffen wir wieder auf denselben noch vor- handenen Mangel an Bestimmung. Es fehlt noch eine Bestimmung der Richtung, ferner die Bestimmung der Gestalt der Theilungsfläche und der räumlichen Lagerung derselben. Die ,, Gestalt" der Theilungsfläche des Dotters ist (nor- maler Weise) gleichfalls die ebene; ob aus denselben Nützlichkeits- gründen wie beim Kern, ist nicht zu sagen; doch ist zugleich daran zu denken, dass hier eine einheitliche zusammenhängende Masse zu theilen ist, und dass die Ebene ceteris paribus die kleinste Trennungsfläche darstellt. Die reellen Theilungs Ursachen sind uns ebenso unbekannt wie bei der Kerntheilung. Die noch fehlende eine Bestimmung für die Richtung der ersten Dottertheilung ist wieder die verticale, aber nicht analog Pflügek's Auffassung in Folge einer geheimnissvollen ,,di£ferenzirenden" AA'irkung der Schwere, son- dern blos in Folge der Einstellung der, wie ich direct nachgewiesen habe, ungleicli specifisch schweren Dottertheile (s. S. 260). Dies ergiebt sich auch daraus, dass bei Zwangslage in abnormer Stel- lung des Eies die erste Theilungsfläche des Dotters, entgegen Pflüger's Angabe, häutig nicht ganz senkrecht, ja manchmal stark geneigt steht, und auch nicht ganz eben, sondern geknickt, gebogen oder windschief verdreht ist, weil die ümordnung der ungleich specifisch schweren Dottersubstanzen zur Zeit des Auftretens der ersten Furche oft noch nicht beendet ist. Die Lage der so in ihrer Richtung bestimmten ersten Dottertheilungsebene ist normaler Weise durcli den Mittelpunct des Eies gegeben. Bei Zwangslage Richtung der ersten Theilung des Dotters. 3S9 kommen auch liiervon häiiHg Abweichungen vor, /Aunnl weini eobaehtungen und Ausführungen naheliegendste Erklärung erscheint mir die, dass die durch die Strömung deut. lieh ,, bilateral-symmetrisch" geordneten Dottermassen der- art „drehend" auf den in seiner, blos annähernd querstehen- den Copulationsrichtung sich zu theilen tendirenden oder beginnenden Furchungskern wirken, dass diese Richtung voll- kommen quer steht, wonach die Theilungsproducte innerhalb der Sym- metrieebene der schwarzen und weissen Dotterhälfte zugeführt werden. [20-I-I Dass bei solchem annähernden Querstand der Theilungs- richtung die eigentlich zweite, das Material für ventricaudal und dorsi- cephal sondernde Furche in Folge der Beeinflussung der Theilungs- qualität des Kernes durch die ümordnung der umgebenden verschie- denen Dottermassen entsteht , haben wir oben scJion in einfacheren Fällen constatirt. Das Neue ist hier nur, dass diese Dottermassen zugleich ,, drehend" auf die Theilungsspindel oder auf den Furchungskern wirken; während umgekehrt die Richtung dieser Spindel auch umordnend auf die Dottermassen wirken kann. Warum bald dies, bald jenes eintritt, ist nicht sicher zu sao-en; aber es ist klar, dass wenn eine von beiden Richtungs- tendenzen stärker oder fester ist als die andere, sie die schwächere veranlassen wird, sich mehr nach ihr umzurichten. Wahr- scheinlich finden bei solcher Wechselwirkung stets beiderseitige Ablenkungen statt, von denen sich aber die geringeren unserer Wahrnehmung entziehen (s. S. 303, 327, 339). ^ IV. „Concurrenz" der Wirkung^ der „Befruchtiuigsseite" und der künstlichen Senkung- des braunen Dotters auf die Bestimniung- der „ventricaudalen" Seite des Embryo. Ich habe nun nocli einige weitere Experimente gemacht, um die Concurrenz der Wirkung der Befruchtungsseite und der durch die 408 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. Zwangslage hervorgebrachten t3^pischen Anordnung der Dotterniassen anf die Bestimmung der ventricaudalen Seite des Em)3ryo, sowie auf die Theilungsrichtung des Dotters zu ermittehi. Zunächst befruchtete ich Eier, welche in noch nicht ganz wage- rechter Stellung der Eiaxe fixirt waren, deren schwarzes Ende der Eiaxe also etwas nach aufwärts gewendet war; die localisirtc Be- fruchtung geschah in der Symmetrieebene, und zwar von oben her, in der Nähe des Aequators, also auf der Seite des höher stehenden Weissen. Da nach meinen früheren Experimenten die ,,Befruch- tungsseite" zur ventricaudalen Seite des Embryo wird (S. 355), Avährend die Seite des höher stehenden Weissen bei Rana escu- lenta n o r m a 1 e r Weise und im Falle schiefer Zwangslage bei allen f"'röschen stets der dorsicephalen Seite des Embryo entspricht, so musste hierbei ein ^^^iderstreit einander entgegensetzter Bildungsten denzen eintreten, der deuthch die Ueberlegenheit eines der beiden Momente bei dieser Eilage erkennen liess. Die Entscheidung fiel geo-en das Ueberwiegen der Wirkung des Samen kör- pers aus; die höchste Stelle des Weissen wurde stets zur dorsice- phalen Seite des Embryo. Es ist indess nach meinen Erfahrungen an Rana esculenta, wo unter normalen Verhältnissen der braune Dotter auf der ,, Befruchtungsseite" stets sich senkte, auch wenn er ursprünglich auf dieser Seite ein wenig erhoben war, ersichtlich, dass der Sieg einer der beiden Tendenzen von dem Grade der Nei- gung der Eiaxe abhängt. [Bei schiefer Zwangslage entsteht die ven- tricaudale Seite des Embryo gleichfalls stets auf der Seite des tiefer stehenden braunen Dotters, und das Wesen des jetzigen Versuches bestand also darin, dass zuerst durch Zwangslage der braune Dotter nach der einen Seite gesenkt war und dass versucht wurde durch Befruchtung auf der entgegengesetzten Seite die Bildung der ventri- caudalen Seite des Embryo dahin zu lenken.] Das gemeinsame Resultat beider Versuche der localisirten Befruchtung und der Zwangslage ist also dasjenige, dass stets die- jenige Seite des Eies, wo mehr ,, brauner" Dotter ist, zur ventricaudalen Seite des Embryo [205] wird. Dies geschieht nach Obigem deshalb, weil diese Masse bewirkt, dass bei der i Concurrenz der Wirkung der Befruchtungsseite und der Zwangslage. 409 Kei'iitlieiliing sich ihr das dieser KOrperhälfte entsprechen de Kernmaterial zuwendet, mag die hetreffende Theihnig nun als erste oder zweite vor sich gehen. Wenn aber die Einstellung des Eies derart ist, dass die Eiaxe ganz oder annähernd senkrecht steht, so ist die Ansamm- lung des feinkörnigen Dotters um den Saraenkürper gross genug, um stets diese Seite zur ventricaudalen zu machen. [Wir können also sagen : D i e B e f r u c h t u n g b e s t i m m t u n t e r ganz normalen Verhältnissen dadurch die ,, Richtung" der ersten F u r c h u n g s e b e n e und der M e d i a n e b e n e des Em- bryo „im Eileib", dass sie eine Abweichung der um die Eiaxe nach allen Richtungen gleichen Anordnung des Dottermateriales des unbefruchteten Eies bewirkt. Diese Anordnung des Dotters bewirkt, dass die erste Furche und die Medianebene des Embryo in die Symmetrieebene dieser Anordnung gebracht werden. Die so hervorgebrachte Anordnung des Dotters be- stimmt auch die caudale und cephale Seite des Embryo, indem die Seite des höherstehenden hellen Poles zur cephalen, die des tieferstehenden dunklen Poles zur caudalen Seite des Embryo wird. Da diese Anordnung des Dotters leicht künstlich, durch schiefe Zwangslage, geändert werden kann (s. S. 382), so ist der Einfluss der Befruchtungszelle auf die genannten Richtungen leicht zu ver- wischen und durch den der schiefen Zwangslage zu ersetzen.] [Das wesentliche Ergebniss also ist, dass das activirte unbe- fruchtete Ei einen um die Eiaxe nach allen Richtungen wesentlich gleichen Bau hatM und dass erst die durch [1) Dieser Bau des inactiven unbefruchteten Eies wird in Folge der Zwangs- lage der Eier im Mutterleibe, wie wir Seite 290 u. f. sahen, abgeändert, so dass es oft vor der Befruchtung nicht vorhanden ist. Wir ersahen aber an den schwimmenden Eiern von Rana fusca, dass nach der Besamung schon zur Zeit der ersten Berührung des Eies durch den Samenkörper diese typische Indifferenz wieder hergestellt wird, da jetzt die vorher schiefstehende Eiaxe sich senkrecht einstellte; so entsteht das typische activirte unbefruchtete Ei, mit dem wir in obigen Sätzen 410 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. die Befruchtung oder durch andere Momente hervorge- brachte Differenzierung in der Anordnung der Dottersub- stanzen die Lage der Medianel)ene des Embryo ,,im Ei- leibe" bestimmt wird. Der Umstand, dass bei Abweichungen der intraovalen Bahn des Samenkörpers aus der verticalen Meridian ebene der Samen- eintrittsstelle die erste Theilung statt durch diese Ebene durch die davon abweichende verticale, der Copulationsrichtung fol- gende Ebene geht, könnte so gedeutet werden, dass die immanente Theilungsrichtung des Furchungskernes im Conflictsfalle ein stärker die Richtung der ersten Theilung des Dotters bestimmendes Mo- ment ist als die nicht sehr grosse Differenzirung in der Anordnung des Dotters, welche durch den intraovalen Verlauf des Samenkörpers bedingt ist. Ob die Lage der Median ebene ,, innerhalb" des Ei- kernesnach der Copulation, also ,, innerhalb des Furchungskernes", auch so leicht durch äussere Einwirkung verändert werden kann, wie diejenige innerhalb des Ei leib es, ist zur Zeit ebensowenig be- kannt, wie es unbekannt ist, ob die ursprüngliche Lage- rung des Materiales des Spermakernes nach der Seite des Sameneintrittes hin mit an der Bestimmung der Lage- rung der Schwanzhälfte des Embryo nach dieser Seite hin betheiligt ist. Wir wissen beim Frosch überhaupt nichts von der Art der Vertheilung des Materiales des männlichen und weiblichen Kernes auf die Furchungszellen.] Im nächsten Versuche wurde die künstliche Schiefstellung der localisirt befruchteten Eier blos D/2 Stunden, also nur bis zur Copulation erhalten; dann wurden die Eier mit der Eiaxe senkrecht gestellt. Dabei ergaben sich jedoch dieselben Resultate in Bezug auf die Riclitung der ersten Furche, wie bei forterhaltener Zwangslage, jedenfalls, weil die vor sich gegangenen Umordnungen nicht so rasch wieder vollkommen rückgängig gemacJit wurden; ganz rechnen. Nach ihm erst, mit dem Eindringen des Samenkörpers in den Dotter, bildete sich die definitive Schiefstellung der Eiaxe bei Rana esculenta. und noch später hei Rana fusca die typische Aufhellung" der Eirinde an der der Be- fruchtungsseite gegenüberliegenden Seite aus, welche die Lage der künftigen Median- ebene erkennen lassen.] Concurrenz dei' Wirkung der Befruclitungsseite und der Zwangslage. 411 abgesehen von der \\'irknng der in der oben geschilderten Weise in eine Prädilectionsbahn gelenkten Copulationsrichtung. Lehrreicher ist der letzte Versuch, in welchem die Eier an- fangs zwar senkrecht standen, aber nach der Copulation stark schief, bis fast zn wagerechter Stellung der Eiaxe, aufgestellt wurden. Hier ergab sich das interessante Resultat, dass die erste Furche stets durch die Symmetrieebene hindurchging, mochte auch der Samenkörper in dazu rechtwinkeliger Rich- tung eingedrungen sein und die Copulation sich in dieser Rich- tung vollzogen haben ; und dass auch hierbei wiederum die Seite des höher stehenden AVeissen zur dorsicephalen wurde, mochte auch die localisirte Befruchtung auf dieser selben Seite vorgenommen worden sein. Wir ersehen also, dass eine starke, fast 90 '^ erreichende Nei- gung des Eies, resp. die dadurch bewirkte bilateral-symmetrische Anordnung der Dottermassen eine ausschlaggebende Wir- kung auf die Theilungsrichtung des Dotters hat. Man könnte vermuthen, dass sich diese Wirkung auch auf die Theilungsrichtung des Furch ungskernes erstrecke, derart, dass die Coincidenz der Co- pulationsrichtung und der Theilungsrichtung desselben aufgehoben sei. Dagegen spricht nun die von mir in mehr als 60 Fällen con statirte weitere Thatsache, dass bei ,, geringen" erzwungenen Schiefstellungen der Eiaxe bis im Maximum zu etwa 20'^ die Dottermassen entsprechend der durch die ,, Copulations- richtung" gegebenenTheilungsrichtung umgeordnet wurden; und dass eher die zweite Furche zuerst gebildet, als dass von dieser Beziehung [206] abgewichen wurde (s. auch S. 361). Eine neue Annahme ist aber überhaupt gar nicht nothwendig, da beide Beziehungen sich durch die oben S. 407 schon gemachte und begründete Annahme vereinen lassen, dass die durch die Zwangslage bilateral-symmetrisch geordneten Dottermassen einen ,, drehenden", bestimmt ,, einstellenden" Einfluss auf den Furchungskern, sei es schon während seiner Bildung oder nach derselben, ausüben; und dass dann der so eingestellte Kern, indem er sich in ,, seiner Copulationsrichtung" theilt, bewirkt, dass auch der Dotter sich in dieser Richtung theilt. Weniger möchte 412 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. ich folgern, dass etwa der bilateralsymmetrisch geordnete Dotter an sich eine Tendenz zur „Theihnig" in der Symmetrieebene oder recht- winkehg zu ihr habe .und deshalb, als der grössere , den anderen um- schliessenden Theil des Eies bewirke, dass auch dieser, der Kern, in der Theilungsebene des Dotters sich theilen müsse. Für meine Annahme spricht auch noch eine zuerst von Auerbach ^) an x'^-scaris nigrovenosa gemachte Beobachtung. Bei diesem Thier dringt der Samenkörper stets von einem spitzen Pol in das ovale Ei ein ; und während der Conjugation drehen sich die beiden aneinander gepressten Kerne um 00°, bis ihre mittlere Verbindungslinie quer zur Längsaxe des Eies steht. Der Furchungskern theilt sich dann in dieser durch Drehung nachträglich quer gestellten Copulationsrichtung, entspricht also zu- gleich meinem Gesetz. Da hier aber ein t y p i s c h e s Verhalten vor- liegt, so konnte man aus demselben nichts über die specielle Ursache der Richtung dieser Kerntheilung folgern. Nachdem es mir beim Froschei gelungen ist, das Ei, also auch den Dotter, in jeder von mir beliebten verticalen Richtung zur ersten Theilung zu veranlassen und als das bestimmende Moment eine directe ursächliche Bezieh- ung zwischen der Copulationsrichtung und der Theilungs- richtung des Furchungskernes festzustellen, so kann man nun wohl diese Deutung auch auf den Fall von Ascaris übertragen. Durch die Ausdehnung auf ein wirbelloses Thier erhält dann das Gesetz einen gewissen Anschein allgemeiner Geltung, deren wirklicher Um- fang indess nur durch bezügliche Untersuchungen an allen Thier- klassen ermittelt werden kann. Erg-ebiiisse. A. Unter normalen Verliältnissen, d. h. bei ,, zwangloser" Auf- setzung des normalen, nicht durch zu lange Verzögerung der Laie h u n g veränderten F r o s c h e i e s : [207] 1. Das unbefruchtete Froschei enthält nur eine Haupt- richtung der künftigen Medianebene des Embryo schon bestimmt; diese ist durch die bipolare Anordnung des Dottermaterials gegeben I M Organologische Studien 1873. Ergebnisse. 413 und hezeiebnet in der Iviclitnng der „Eiuxe" vom schwarzen zum weissen Pol die v e n t r i d o r s a l e Ivichtung des Embryo. 2. \\^n den unendlich vielen, verschieden gericliteten Meridian- ebenen, welche durch diese Eiaxe gelegt werden köimen, wird die- jenige zur Mediauebene des Embryo, in deren Richtung die Copulation der beiden Vorkerne erfolgt. 3. Die Copulationsrichtung ist keine feste, gegebene, sondern kann durch ,, künstliche localisirte Befruchtung" in jeden be- liebigen verticalen Meridian verlegt werden. 4. Die so beliebig gewählte ,,Befruclitungsseite" des Eies wird zur ventricaudalen Seite des Embryo, die entgegengesetzte zur dorsicephalen ^) Seite. Das Einzelne angehend ergab sich: 5. Die erste Theilung des durch die Copulation des Sperma- kernes und des Eikernes gebildeten Furchungskernes erfolgt in der Copulationsrichtung; die „Sonderung" der beiden Theilungs- producte von einander geschieht rechtwinkelig zur Theilungs- richtung. 6. Die functionelle Bedeutung des Zusammenfallens der Copulationsrichtung und der Theilungsrichtung des Furchungskernes besteht darin, dass nur in diesem Falle der Effect der Copu- lation bei der Theilung in keinem x\nthcile wieder rück- o-äno-io- o-emacht wird, sei dieser Effect nun blos eine bestimmte Aneinanderlagerung, oder eine wirkliche (aber unvollkommene) Vermischung der beiden Kernsubstanzen in der Copulationsrichtung. Ausserdem gewährt diese Theilungsrichtung die Möglichkeit einer ,,bestimmten" Sonderung der copulirten Massen mit einem iSliniraum von richtenden Kräften. Das Zusami^enfallen der Theilungsrichtung mit der Copulations- richtung stellt somit den „einfachsten Mechanismus" der Thei- lung durch Copulation verbundener, aber nicht vollkommen ver- mischter Massen dar. 7. Die erste Dotter theilung erfolgt in der der Copulations- richtung parallelen, durch die Eiaxe gehenden Meridianebene. [1) Richtiger blos: „caudalen" und „cephalen" Seite (s. S. 348, 425 u. Nr. 23).] ? 414 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. 8. Da die Copulationsriclitung beliebig gewählt werden kann, so darf aus den ermittelten eonstanten Beziehungen derselben zur [208] Tlieilungsrichtung ein directer Schluss auf die Urs ach e dieser letzteren Richtung gezogen werden, was an Eiern, wo die Samenein- trittsstelle eine vorher gegebene, also typische ist, oder wo die Tliei- lungsrichtung schon durch die Gestaltung des Eies vorher vollkommen bestimmt ist, nicht statthaft ist. Wir dürfen schliessen : a) Die erste Tlieilungsrichtung des Furchungskernes wird ,, durch" die Copulationsrichtung der Vorkerne, und zwar in der Weise bestimmt, dass sie mit ihr zu- s a m m e n f ä 1 1 1. b) Damit wird auch die erste Theilungsrichtung des Dotters durch die C-opulationsrichtung, und zwar in der Weise bestimmt, dass sie ihr parallel steht oder eventuell mit ihr zusammenfällt. c) Die specielle Lage des Embryo im Eie wird durch die Be- fruchtungsrichtung des Eies bestimmt, und zwar wird diejenige Seite des Eies, durch welche der Samenkörper eingedrungen ist (die Be- fruchtungsseite), zur ventricaudalen [caudalen] Seite des ]'] m b r 3^ o. 9. Der Copulationsvorgang der Kerne vollzieht sich in zwei typischen, verschiedenen intraovalen Verlauf s rieh tuiigen resp. -Bahnen des Samenkörpers: erstens in einer an die Durch- brechungsstelle der schwarzen Eirinde sich anschliessenden, annähernd radiären Richtung, welche den Samenkörper tief in das Ei, bis zur , Kern Schicht" des Dotters führt (die „Penetrationsbahn"), zweitens in einer iiucleopetalen Richtung, welche beide Kerne ein- ander, vorzugsweise aber den Samenkern dem Eikern, innerhalb der ,, Kernschicht" des Dotters zuführt (die „Copulationsbahn"). B. Bei Zwaiig-slago der Eier mit schiefer Einstellung der Eiaxe ergaben sich folgende Beziehungen : 10. Ist die erzwungene Neigung der Eiaxe gering, blos bis 20^* betragend, sind oft noch die Regeln Ausschlag gebend, welche bei normaler Stelluno- bestimmend wirken. Ergebnisse. 415 11. Das Dottermatei'ial wird letzteren Pralles derart umgeordnet, dass es symmetrisch zur ersten durch die Copulationsi'iehtung nor- mirten 'Pheilungsriehtimg steht. 12. Die bei starker, 20 — 30" übersteigender Neigung der Eiaxe, durch die Wirkung der »Schwere auf die speeihsch ungleich schweren Dottersubstanzen erzeugte symmetrische Anordnung der ver- schiedenen Dottermaterialien wirkt derart auf die erste Theilung des Eies, dass die Ebene dieser Theilung meist [also nicht immer] zu der Symmetrie- [209] ebene in bestimmter Weise orientirt ist, indem sie entweder in dieser Symmetrieebene selber liegt oder rechtwinkelig zu ihr steht. 13. Auch in diesen Phallen erfolgt, soweit es nachweisbar ist, die erste Kerntheilung in der Copulationsrichtung der Vor kerne. 14. Die Stellung des Eikernes wird durch die Schiefstellung der Eiaxe, die Bahn des Saraenkörpers wird durch die Strömung des Dotters derart beeinflus.st, dass die Copulation häufig in annähernd quer gestellter Richtung zur Symmetrieebene der Schiefstellung des Dotters erfolgen muss. Daraus ergiebt sich schon eine entsprechend häutige ,, annähernde" Querstellung der ersten Furche. 15. Da aber die erste Furche Ijei Zwangslage überwiegend häufig entweder „rein'' quer zur Symmetrieebene oder rein in Richtung derselben orientirt ist, so muss noch eine ,, drehende Wirkung" des symmetrisch angeordneten Dotters auf den F u r c h u n g s k e r n , während oder nach der Copulation, angenommen werden. Diese Drehung ist als derart erfolgend zu denken, dass der Furchungskern mit seiner immanenten Copulationsrichtung entweder der Symmetrieebene parallel oder rechtwinkelig zu ihr gestellt wird, und zwar je nachdem die Copulationsrichtung einer dieser beiden Richtungen näher steht. 16. Findet die Drehung des Furchungskernes mit seiner Copu- lationsrichtung in die Richtung der Symmetrieebene des Dotters statt, so scheidet die erste Kerntheilung das Material der bei- 416 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durch die Copulationsrichtung. den Antimereii des Embryo; die erste Theilmigsebeiie der Dotters wird damit 7Air Medianebeiie des Embryo. 17. Geschieht die Drehung des Furchungskernes derart, dass er mit seiner Copulationsrichtung rechtwinkelig zur Symmetrie- ebene des Dotters steht, so wird bei der ersten Kerntheilung das Kernmaterial, wie bei einer normalen zweiten Furchung, in solches für die caudale und cephale Seite des Embryo geschieden. 18. Bei starker zwangsweiser Schiefstellung der Eiaxe wird stets die Seite des gesenkten schwarze n Poles zur caudalen Seite des Embryo. Bei nur geringer Neigung der Eiaxe jedoch vermag auch im Widerstreit dieser Tendenz mit derjenigen der Befruchtungsrichtung (Regel 4 und 8 c) die Befruchtungsseite des Eies zur caudalen Seite des Embryo zu werden; dies aber nud dann, wenn die ,,Umordnung" des Dotters derart gelingt, dass zur Zeit [210] der zweiten Furche die Eiaxe mit ihrem schwarzen Polenach der Seite des Samenkörpers geneigt ist. 10. Das erste ursächliche Moment für die Anlage der caudalen Seite des Embryo auf der Seite der Neigung des oberen Endes der Eiaxe ist [sei es bei Zwangslage oder bei nor- maler Stellung des Eies] in der Anhäuf ung bestimmten Dotters auf dieser Seite zu vermuthen, und dadurch vermittelt vorzustellen, dass dieser Anhäufung sich die der caudalen Seite des Embryo zu- gehörigen Substanzen des Furchungskernes bei dessen Theilung zu- wenden. Nach der Vollendung des Satzes vorstehender Abhandlung ge- lano;te Herr Collea-e G. Born durch die Gunst des Zufalles in den Be- sitz der embryologischen Arbeiten G. Newport's, welche in den Philos. Transactions der Jahre 1850 — 54 vertheilt sind und eine Fundgrube bisher nicht bekannt gewordener ausgezeichneter Untersuchungen und wichtiger Ergebnisse darstellen. Ich nehme Gelegenheit, aus den- selben sofort diejenigen Ergebnisse, welche auf meine früheren Ar- beiten und auf die vorliegende Abhandlung Bezug haben, kurz nach- zutragen. Sie finden sich in den nachgelassenen, von G. V. Ellis im Ergebnisse. 417 Jahre 1854 lieraiiSi<;cü;eboneu Papieren Nfavpokt's: Kesearches oii tlie Impregnation of tlie Amphibia ; and on the Early Stages ol" Develop- ment of the Embryo. (Third Series.) By thc late GEOR(iF: Neavport, F. R. S., F. L. S. Selected and arranged from the Authors M. S. 8., GEORtiE ViNER Ellis, Prof. of Anatomy in University College, London. Connnnnicated by Sir John Forbes, M. D., F. R. S. Philos. Trans- act. 1854. G. Newport hat sehon gefunden, dass die erste Furchungsebene der Medianebene des Froschembryo entspricht, wie Pfliiger und ich entgegen Rauber neuerdings festgestellt haben. Nf.wport führte auch bereits an einigen Eiern localisirte Befruchtung aus, indem er die Eier mit einem in Samenflüssigkeit getauchten Stecknadelkopf be- rührte. Er beobachtete dabei, dass die erste Furche der Befruchtungs- stelle sehr nahe lag, und dass der Befruchtungsseite des Eies die ,, Kopfseite" des Embryo entsprach. Wenn nun auch diese letztere An- gabe nach meinen obigen Mittheilungen nicht zutreffend ist, so schliesst [211] sie doch bereits das richtige Ergebniss ein, dass der Embryo zur Befruchtungsseite eine ,, bestimmte" Lagerung hat. Newport hat also in Bezug auf diese wichtigen Experimente (he Priorität '), wenn schon seine Versuche noch nicht genügend zahlreich und nicht ge- nügend variirt waren, um die Ergebnisse vollkommen sicher zu stellen. Diese wie auch manche anderen wichtigen Beobachtungen Neavport's scheinen bei seinen Zeitgenossen kein Verständniss gefunden zu haben ') Da bei blossem Betupfen mit Samen stets Zwangslage des Eies ent- steht und da diese Lage, wie Pflüoer, Born und ich gezeigt haben, allein schon zur Bestimmung der Richtung der ersten Theilung und der Schwanz- resp. Kopfseite des P^mbryo genügt, so musste geprüft werden, ob Newport schon dies Moment gekannt hat. Denn wenn ihm dasselbe nicht bekannt war und er also nicht gleich mir be- sonders Sorgfalt darauf verwendete, das Entstehen und die Wirkung der Zwangslage direct zu vermeiden, so liegt es nahe, dass er beim Betupfen die noch nicht an der Unterlage haftenden Eier in eben derselben Ebene in der er befruchten wollte, etwas neigte, und danach ebensowohl wie durch localisirte Befruchtung durch Zwangslage zu demselben Resultat gekommen sein kann. Herr College Born hatte die Güte, von diesem Gesichtspuncte aus die bezüg- lichen Schriften Neuports durchzusehen; und es ergab sich, dass Newport die Zwangslage und ihre Bedeutung für die Bestimmung der Hauptrichtungen des Embryo nicht gekannt hat. Es muss daher zweifelhaft bleiben, ob Newport wirklich durch localisirte Befruchtung oder durch Zwangslage die Richtungen des Embryo bestimmt hat. W. Koiix, Gesanunelle Abhan(llnii<'eii. IJ. ^' 418 Nr. 21. Bestimmung der Medianebene durcli die Copulationsrichtung. und daher ganz der Vergessenheit anheim gefallen zu sein; denn sie finden sich in keinem der bekannteren embryologischen Werke er- wähnt. So ist es wohl gekommen, dass sie unfruchtbar für die Wissen- schaft geblieben sind und erst wieder aufgefunden wurden, nachdem die ihnen entsprechende Forschungsweise methodisch in Angriff ge- nommen und die Thatsachen selber aufs Neue ermittelt worden waren: Leider das gewöhnliche Schicksal vereinzelter, über den Vorstellungs- kreis der Zeitgenossen hinausgehender Leistungen. Breslau, Februar 1887. Erklärung der Figfiiren auf Tafel Y. Pig. 1 — 4. Schematische Darstellung der Lage der ersten Furche des Froscheies zur Pigmentstrasse des Samenk.'irpers. Pig. = Pigmentstrasse des .Samenkörpers. F. = erste Furche. Fig. 5. Meridianschnitt längs der Axe eines Eies von Rana fusca. ob. w. = oberer weisser Dotter (feinkörnig). br. S. = brauner Seiteudotter. c. br. — centraler brauner Dotter. u. w. = unterer weisser Dotter (grobkörnig). E. K. = P]ikern. K. Seh. = Kernschicht des Dotters. m. br. R. = mittlere, s. obere braune Rinde (dünn). s. br. R. = seitliehe, s. untere braune Rinde. w. R. = weisse Rinde. Fig. (5 — 11. Schnitte durch Eier von Rana fusca parallel der ersten Furchungsebene. Fig. 6 u. 7 bei fast mittlerer, Fig. 8 bei halb seitlicher, Fig. 9—11 bei dem Aequator nächster Lage der Eintrittsstelle des Sanien- körpers. Fig. 10 bei geringer, Fig. 11 bei stärkerer ursprünglicher Schiefstellung (Zwangslage) des Eies. Pen. 4" Cop. = Pigmentstrasse des Samenkörpers. Pen. = Penetrationsbahn i , „ i ^, /^ 1 ,• , , > des Samenkorpers. Oop. = Copuiationsbahn ) Fig. 12 und 13. Schematische Darstellung der Winkelgrössc der Ablenkung der ersten Furche von dem Eintrittsmeridian des Samenkörpers bei gleicher exaxialer Stellung des Eikenies aber ungleicher Länge der Copulationsbahn des Samenkörpers. Fig. 14-19, siehe Text S. 892-94. Nr. 22. Beiträge zur Entwiekelungsmeehanik des Embryo. Nr. V. Ueber die künstliche Hervorbringung „halber" Em- bryonen durch Zerstörung einer der beiden ersten Furchungs- zellen, sowie überdieNachentwickelung(Postgen erati on) der fehlenden Körperhälfte. 1888. Mit Tafel VI und VII. ViRCHOw's Archiv Bd. 114. Oktober 1888. Inhal t. Seite Einleitung: Ueber die Selbstdifferenzirung des Eies 421 Von der Lage der , Befruchtungsseite " am Eie abhängige Gestaltungen des Embryo ■ 425 Versuche über die Wirkung der Zerstörung einer Eihälfte auf die Entwickelung des Eies 428 Versuchsmethode 428 Conservirungsmethode 430 Ergebnisse der Versuche 432 I. Vorgänge an der „nicht'' operirteii Eiliälfte 433 A. Entstehung „seitlicher " Halbbildungen, Hemipoeesis late- ralis 433 1. Semimorula verticalis 434 2. Semiblastula verticalis 435 3. Semigastrula lateralis 435 4. Heniiembryo lateralis 437 Anachronismen der Entwickelung 438 27* 420 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Seite Seminiedulla lateralis 439 Semichorda dorsalis lateralis 441 Anentoblastia, Anenteria 442 Asyntaxia medullaris s. Diastasis medullaris .... 443 B. Entstehung „vorderer" Halbbildungen, Hemipoeesis an- terior 444 Seraigastrula anterior 445 Heniiembryo anterior 445 Hemitherium anterins 446 C. Ein vi ertel- un d Dreivi ert ei bildungen 446 D. „Obere" Theilbildungen . .' 448 Seniiblastulae superiores 448 Folgerungen: 448 a) Selbstdifferenziriing der Furchungszellen 448 b) Bedeutung der normalen Furchung 450 c) Ursache der bilateralen Symmetrie 451 d) Unabhängigkeit der Zelltheilung von den Nachbarzellen . . . 452 e) Active Umordnung und Gestaltung der Zellen 453 f) Bedeutung der Abweichungen der Halbbildungen von der Norm 453 g) Mechanismus der Gastrulation 454 Satz der „Mosaikarbeit" 455 h) Anlagestelle der Chorda, des MeduUarwulstes und des Mesoblast 456 i) Selbstloslüsung der Chorda. Medulla, des Ento- und Ectoblast von einander 457 k) Selbstgestaltung des ^ledullarrohres 458 H. Vorgänge in der ..operirten" Eihiilfte 459 A. Zersetzungs- und andere abnorme Vorgänge 461 1. Zersetzung des Dotters 461 Vacuolisation 462 2. Abnorme Veränderung der Kerne 462 Normale Beschaffenheit der Kerne 462 Abnorme Kerngebilde 464 3. Demarcation und Verbindung beider Eihälften 467 B. Reorganisation der operirten Eihälfte 468 1. Erste Art der Reorganisation 469 a) Nucleisation der operirten Eihälfte 469 1. durch Kernbildung in loco 470 2. durch Nucleitransmigration 471 Pigmentanordnung bei der Kerntheilung 478 b) Nachträgliche Cellulation der operirten Eihälfte .... 475 Sonnenbildung 475 multiple simultane Cellulation 475 2. Zweite Art der Reorganisation 479 3. Dritte Art der Reorganisation 481 Ueber dio tSelbsttliffcreiiziruiig des Eies. 421 Seite C. Postgeiieiation der „nicht gebildet gewesenen" Tlieiie des Knibryo 484 a) des Ectoblast • 485 1. der seitlichen Halbbildungen 485 Bedeutung der Thatsachen 492 Wachsthum des postgenerirten Ectoblast durch Unidiffe- renzirung der Dotterzellen 495 G esc li wulstkeime? 495 Störung der Richtung der Postgencration 495 — 500 Postgeueration von der Medullarplatte aus 499 „Unterbrechungsfläche" 498 2. Postgeneration des Ectoblast der vorderen Halbbildungen 500 bj des Mesoblast 501 Störung seiner Dift'orenziruiigsrichtung 503 c) des Entoblast 504 d) Folgerungen aus den Thatsachen 507 Entwickelung durch abhängige Differenzirung .... 508 Unterschied der Vorgänge der Postgeneration und der normalen s. directen Entwickelung 510 Unterschied von den Vorgängen der Regeneration . . . . 511 Theoretische Erwägungen 513 Neue Möglichkeit der Entstehung von Doppelbil- dungen 516 Zusammenfassung der Hauptergebnisse 518 Einleitung. Ueber die Selbstdiffereiiziruiig des Eies, [113] Die nachstehend mitzutheilenden Untersuchungen schKessen sich innig an vier meiner ))isherigen entwickehmgsmechanischen Ar- l3eiten an und setzen datier zum vollen Verständniss die Kenntniss wenigstens der Resultate dieser voraus. Da ich imn die Erfahrung ge. macht habe, dass^ meine bisherigen Arbeiten schon vielen speciellen Fachgenossen so gut wie unbekannt geblieben sind, so erscheint es an- gemessen, dieser, zum Theil für einen weiteren Leserkreis bestimmten Abhandlung, die bezüglichen Resultate kurz vorauszuschicken. Die folgende Untersuchung stellt einen Beitrag zur Lös- ung der Frage der ,,Selbstdiff erenzirung" dar [s. S. 15], d. h. zur Ermittelung darüber, ob, eventuell wie weit das befruchtete Ei, 422 Nr. 22. Die Heivorbiingung halber Embryonen. im Ganzen und in einzelnen Tlieilen desselben , sich für sich selbst- ständig zu entwickeln vermöge; oder ob im Gegentheil die normale Entwickelung nur unter „gestaltenden" Einwirkungen der Aussenwelt auf das befruchtete Ei, bezw. unter „diff erenziren- den AVechsel Wirkungen" der auf dem Wege der Zelltheilung (Fur- chung) von einander geschiedenen Eitheile auf einander sich zu voll- ziehen „vermag." [IIJ:] Für das Ei im Ganzen löste ich die Frage, indem ich Eier so langsam in einer senkrechten Ebene rotiren liess, dass die Centrifugalkraft nicht einstellend auf sie wirkte, und die Eier nur fortwährend ihre Richtung zur Schwerkraft, zum magnetischen Meridian, sowie zur Licht- und Wärmecj[uclle änderten; es ergab sich, dass dadurch die normale Entwickelung weder aufgehoben, noch alterirt, oder auch nur verzögert wurde. Wir schliessen daraus, dass die ,, typischen" Formenbildungen des sich entwickelnden Eies und Embryos zu ihrer Entstehung entsprechend gestaltender Ein- wirkung dieser äusseren Ageutien nicht „bedürfen," dass also die „formale" Entwickelung des befruchteten Eies in diesem Sinne als „Selbstdifferenzirung" betrachtet werden darf (s. S. 276). Indess bleiben doch noch einige Möglichkeiten von ,,äusse- ren" gestaltenden Einwirkungen, wenn auch nur sehr all- gemeinen Charakters, die durch diesen Versuch nicht ge- prüft sind; zum Beispiel die von His') gemachte Hypothese, dass manche Zellen eine Neigung haben, gegen diejenige Richtung hin- zuwandern, von welcher her der Sauerstoff eindringt, so dass sie deshalb die Oberfläche des Keimes vergrössern. Ebenso ist es denkbar, dass die oberflächhch liegenden Furchungskugeln der Blastula und Gastrula nur deshalb allmählich an ihrer nach aussen gewendeten Fläche sich mehr und mehr abplatten, weil von aussen her Ein w i r k u n g e n erfolgen, die ihre Um ä n d e r u n g z u f ungirenden Epithelien veranlassen und damit ein mechanisches Bestreben zu möglichst d i c h t e m Z u s a m m e n s c h 1 i e s s e n unter einander und zu möglichster Verkleinerung der nach aussen hingewendeten Fläche 1) W. His, Untersuchungen über die Bildung des Knochenfischembryo (Salmen), Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1878. S. 220. lieber die Selbstdifferenziruiu; des Eies. 423 licrvorrulVn, im (Gegensatz zu iliiH'iii Irülici-cii IJcstroben niüglichster Iviindiing jeder einzelnen Zelle. Diese J)enk- Mogliclikeiten werden noeh auf ihre Realität zu prüfen sein. Und ebenso ist nicht zu übersehen , dass die Einwirkung äusserer Agen- tien die unerlässliche „Vorbedingung" der Entwiekelung sein kann, wenn schon ihnen keine direct „gestaltende" Wirkung zu- kommt. 80 geht z. B. ohne eine gewisse Zufuhr von Wärme und später auch von Sauerstoff eine Entwiekelung überhau[)t nicht vor sich. Aber daraus darf nicht gefolgert werden, dass diese Agentien etwa bestimmten, welcher Theil des Eies [115J die Urmunds- anlage [s. S. 322J, oder die Medullarspalte , die Augen hervor- bringe, oder dass sie die Ursache für die speci fische Gestaltung der Theile seien, wenn schon bei abnormer Vergrösserung der Wärme- zufuhr nach Panum, Dareste und L. Gerlach abnorme Bildungen re- sultiren. 80 ist also die ,, formale" Entwiekelung des befruchteten Eies, von einigen ,, allgemeineren Gestaltungen" abgesehen, als ohne äussere „gestaltende" Kräfte sich vollziehend er- kannt, und wir haben daher die typisch gestaltenden Kräfte in dem Ei selber zu suchen; was der weiteren Untersuchung eine sehr angenehme Abgrenzung giebt. Nach (heser Einsicht schien es mir nüthig, zunächst zu ermit- teln, ob zur Bildung der normalen Gestaltungen in dem Ei alle oder viele Theile desselben zusammenwirken „müssen"; oder ob im (5}egentheil die durch die Furchung von einander gesonderten Theile des Eies unabhängig von einander sich zu entwickeln ,, vermögen"; eventuell welchen Antheil jedes dieser beiden Principien, das der dif f erenzirenden Wechsel - wirkune; der Theile auf einander und das der Selbstdifferen- zirung der Theile, an der normalen Entwiekelung nimmt. Im Sinne einer gewissen Selbstständigkeit der Entwiekelung der einzelnen Furchungskugeln konnte schon, wenn auch nicht mit Sicher- heit, die Thatsache verwendet werden, dass, wie von mir (Xr. IG) mid kurz darauf von Pflüger für das Froschei gefunden worden war, die erste Theilungsebene des Eies bereits die Medianebene des künf- 424 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. tigcii Embryo darstellt, so dass sie das Material der rechten und linken Körperliälfte scheidet; eine Thatsache, die unabhängig davon von VAN Beneden und Julin^) für die Ascidien festgestellt wurde; und danach machte M. v. Kowalewski -) Beobachtungen, welche auf ein gleiches Verhalten bei einem Knochenfisclie (Carassius auratus) hin- deuten. Zugleich fand ich, was weiter unten zu verwerthen sein ^\ird, dass die zur Medianel)ene des künftigen Thieres rechtwinkelig stehende, [116] normaler Weise erst als zweite auftretende Furche leicht schon als erste gebildet werden kann; und später gelang es mii-, diesen Anachronismus künstlich hervorzurufen (s. S. 329 u. 400). Ferner war bereits den älteren Autoren bekannt, dass die obere, schwarze ,, Hemisphäre" des Froscheies stets einer bestimmten Seite des Embryo entspricht, nach Angabe der Autoren der dorsalen Seite ; nach Pflüger's und meinen Untersuchungen konnte jedoch diese Auf- fassung nicht mehr für richtig gelten ; und neuerdings hal^e ich durch bestimmt localisirte Defecte am gefurchten Ei erwiesen , dass der mittlere Theil der schwarzen Hemisphäre des Froscheies, im Gegensätze zu der früheren Auffassung, das Material für die Oberfläche des Bauches des Embryo liefert [s. unten und Nr. 23 und Nr. 2(3, S. 32]. Ausserdem fand ich, dass auf dem Stadium der ersten Theilung des Froscheies auch schon die Kopf- und Schwanzseite des Embryo bestimmt und bei Rana esculenta, dem grünen oder Wasserfrosch, an einer Schiefstellung der Eiaxe auch bereits erkennbar sind; ein Verhalten, welches für die Ascidien wiederum selbstständig von van Be- neden und JuLiN und später von M. v. Ko^vALEwsKI (a. a. O.) für Ca- rassius festgestellt wurde (ohne dass jedoch letzterer Autor Veranlassung genommen hätte, seine Vorgänger in der Ermittelung dieses funda- mentalen Verhaltens an relativ nahestehenden Thierklassen zu nennen). Es ist zu erwähnen, dass bezügliche Beobachtungen sich bereits in dem 1854 veröffentlicliten Nachlass von G. Newport verzeichnet finden, 1) El». VAN Beneden et Cn. Julin, La segmentation chez les Ascidiens et ses rapports avec l'organisation de la larve. Arcli. de Biologie. T. V. 1884. -) Mtei:z. V. KowALEWsKi, üeber die ersten Entwickeliingsprocesse der Knochen- fische, Zeitschr. für wissensch. Zool, 1886. Bd, 43, S. 434, Ueber die Solbsklifferenziruiis des Eies. 425 wok'lie iiulc'ss keine Beaclitung gefunden liatten und erst naeliträglicli wieder aufgefunden worden sind (s. S. 417). Weiterhin zeigte ich (Nr. 21), dass normaler Weise die Entscheidung üher die Richtung der Medianebene und über die Lage der Kopf- und Schwanzseite des Embr3'o im Ei durch die C'o[)ulation des iSamenkernes und des Eikernes getroffen wird, indem die Medianebene in der Copulationsrichtung verläuft und indem diejenige Hälfte des Eies, welche der „männliche" Kern bei der Copulation durchläuft, zur ,,caudalen" Hälfte des Embryo wird, während aus der ent- gegengesetzten Eihälfte die cephale Hälfte des Embryo hervorgeht. Der directe Causalnexns war da- [117] durch zu erkennen möglich, dass es mir gelang, jedes Ei von einem beliebig gewählten Meridian aus zu befruchten; während bei anderen Thieren, wo zwar auch die Befruch- tungsseite des Eies mit einer bestimmten Seite des Embryo zusammen- fällt, wo aber das Samenthier an einer typischen Stelle in das Ei ein- dringt, ein solcher Schluss nicht mit Sicherheit gezogen, sondern höchstens in Form einer Vermuthung geäussert werden kann ^). So auch 1) Nach meinen bisherigen Untersuchungen sind beim Froschci „normaler" Weise folgende Gestaltungen in ihrer „Lage" durch die beliebig wähl- bare „Lage" der Befrnchtungsstelle bedingt: 1. Der Sanienkörper nimmt eine typische geknickte Bahn innerhalb der durch die Sameneintrittsstelle hindurchgehenden verticalen Meridianebene: innerhalb der „Befruchtungsebene". 2. Die Copulation der beiden geschlechtlichen Kerne erfolgt innerhalb der Be- fruchtungsebene. 3. Auf derjenigen Seite des Eies, welche der „Befruchtungsseite" gegen- überliegt, hellt sich bei Raua fusca die dunkle Hemisphäre in Form eines, der weissen Hemisphäre anliegenden halbmondförmigen grauen Saumes auf. Dieser Saum ist symmetrisch zu dem „Befruchtungsmeridian" orientirt. Beim grünen Frosch ver- schiebt sich gleichfalls, wenn vielleicht auch auf etwas andere Weise [durch innere Dotterumlagerung, welche eine Drehung des Eies bewirkt"?], das Pigment derart, dass auf der gleichen Seite die helle Eirinde weiter heraufreicht. 4. Die erste Surchung erfolgt in der Ebene des Befruchtungsmeridianes. [4a. Die erste Furchung beginnt oben am Ei und zwar zumeist deutlich an der der Befruchtungsseite gegenüberliegenden Seite des Eies, um von da oben gegen die Befruchtungsseite fortzuschreiten.] 5. Die erste Anlage des Urmundes erfolgt im Befruchtungsmeridian, und zwar 6. auf der der Befruchtungsseite gegenüberliegenden Hälfte des Eies, also auf derjenigen Seite (siehe 3), wo die helle resp. aufgehellte Eirinde höher heraufreicht und zwar bei Rana fusca, ungefähr an der Grenze des nachträglich aufgehellten Saunies, 426 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. I l)eini Hühnerei, wo ein solches Be- [118] stinnntsein der Lage des Embryo zu den Axen des ganzen Eies schon lange bekannt war, wenn aiicli die sichere Beziehung der Medianebene zur ersten Furche und die genauere Beziehung dieser zur Copulationsrichtung noch fehlt. A. von KöLLiKER hatte schon vermuthet^), dass der schneller sich furchende Theil der Keimscheibe des Hühnereies zum späteren hinteren Theil des Blastoderma sich gestaltet, in welchem die ersten Spuren des Embryo entstehen; und His^) hat des Weiteren gezeigt, dass in der Keim Scheibe des gelegten Hühnereies jeder Bezirk des äusseren Keimblattes einem bestimmten Theile des künftigen Thieres entspricht. Für die Hervorbildung dieser Theile aber nimmt His, im Gegensatz zur eventuellen ,,Selbstdifferenzirung der einzelnen Bezirke" mecha- nisch e W e c h s e 1 w i r k u n g e n des Entstehungsbezirkes mit der näheren oder ferneren Nachbarschaft derselben an. Für zwei dieser Gebilde, für das Medullarrohr [s. Nr. 22, S. 144] und das Darmrohr konnte ich indess, durch Abtrennung ihrer Anlagen von deren seithcher Um- gebung, nachweisen (s. S. 244 u. f.), dass solche Wechselwirkungen mit der Nachbarschaft n i c h t nöthig sind ; denn der Schluss derselben voll- zog sich trotz Isolirung ihrer Anlagen und zwar sogar abnorm rasch. Danach haben wir die gestaltenden Ursachen für die Bildung dieser Rohre in den das Rohr zusammensetzenden Theilen zu suchen; und die Nachbarschaft setzt der Bildung derselben eher einen, erst allmählich zu überwindenden Widerstand entgegen. Aus diesen Er- gebnissen ist natürlich nicht zu folgern, dass alle Organe ihre Form 7. Die seitlichen ürmundslippen entwickeln sich symmetrisch zum Befruch- tungsmeridian. 8. Die beiden Medullarwülste und der ganze spätere Embryo werden .sym- nietri.sch zum „ Befruchtungsmeridian " angelegt, also die Ebene des Befruchtungs- meridianes wird zur „ Medianebene " des Thieres. 9. Die „ Befruchtungsseite " des Eies wird zur caudalen Seite des Thieres. Um Einblick in die dieser vielfachen Coincidenz su Grunde liegenden Causal- zusammenhänge zu gewinnen, habe ich mich, und zwar mehrfach mit Erfolg, bemüht, durch abnorme Bedingungen künstliche Trennungen dieser Coincidenzen hervorzubringen (s. 8. 325, 408) und ich werde nicht unterlassen, anderweit darüber zu berichten (s. Nr. 32. S. 267). 1) A. KöLLiKER, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1879. '') His, Unsere ivörperform und das physiologische Problem ihrer Entstehung. 1874. üeber die Solbstdifforenzirung des Eies. 427 durch ,«Selbst(lifferenziniii,u- des C'omploxes der sie zusuiuinen- setzeiiden Tlieile" erlangen; vielmehr ist solches erst von Fall zu Fall zu ermitteln, und für viele Formen, z. B. für die der Gestalt der Leber, Lungen (His, Braune), Knochen (A. Fick), für die Bahnen mancher Gefässe (G. Schwalbe) u, a. ist es ausser allem Zweifel, dass sie durch meclianisehe Wechsehvirkungen mit Nachbartheilen hervorgebracht werden; wie ich denn auch durch Erzeugung einer künstlichen, [119] die dcformirende Einwirkung überdauernden Rautengrube am Medullarrohr gezeigt habe (s. S. 249), dass der Embryo eine sehr hochgradige ,, vitale" Anpassungsfähigkeit an passive Deformationen besitzt, so dass auch für die normale Rauten- grube entsprechend der Annahme von His die principielle Möglich- keit solcher Entstehung erwiesen ist. xA.usser diesen Thatsachen sprechen auch zahlreiche lliatsachen der Pathologie : Dermoidcystome etc., die ich loco ultimo cit. zusammen- gestellt habe (s. S. 203), für die ,,Selbstdiff erenzirung von Ei- theilen". Doch nur das directe Experiment am Ei kann uns über den wirklichen Antheil der Selb stdiff erenzirung der Theile des Eies an der normalen Eutwickelung eine vollkommen sichere Aufklärung verschaffen ; und ich habe schon vor Jahren ^) mich in diesem Sinne bemüht und im Allgemeinen dargethan, dass Operationen am sich furchenden und gefurchten P^i, welche einen Substanzaustritt setzen, nicht Aufhebung der Entwickelung oder allgemeine Ver- bildungen des Embryo bewirken, sondern dass normal gestaltete Embryonen mit nur einem cir cumscripten Defect oder einer circumscripten Verbildung die Folge davon sind. Um speciellere Kenntniss zu gewinnen, benutzte ich im Früh- jahr 1887 den •siach xlbschluss zeitraubenderer Versuche (s. Nr. 23) 1) „Vorläufige Mittheilung über causal-oiitogenetische Experimente", Vortrag gehalten am 15. Febr. 1884 in der Schlesisehen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Durch Versäumniss der Einsendung eines Referates meinerseits ist es bedingt gewesen, dass in dem betreffenden Jahresbericht der Schles. Ges. etc. überhaupt ein Vermerk über jenen Vortrag sich nicht vorfindet. Derselbe ist erst in Beitrag 1 z.ur Ent- wjckelungsmechanik, Zeitschr, für Biol. 1885, veröffentlicht worden (s. S, 153—186), 428 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. verbliebenen Rest der Laiehperiode zu geeigneten Experimenten, über welche ich im Folgenden l:)erichten will ^). Wenn nun auch, wie sich zeigen wird, das Ergebniss derselben ein reiches war, musste doch manche wichtige Frage, welche bei einer weiteren Fortsetzung und nur geringen Abänderungen der ^^ersuche leicht mit liätte entschieden werden können, vorerst noch unerledigt bleiben, so dass auch die vorliegende Abhandlung wieder nur eine ,, Abschlagszahlung" an das behandelte Thema der , S el b s td i f f e n z i r u ng " darstellt. Versuche über die AVirkuiig der Zerstörung einer Eihälfte auf die Eutwiekelung des Eies. \^ e r s u c h s m e t h o d e. [120] Die A n o r d n u n g d er \^ e r s u c h e war folgende : Bei den ersten Versuchen wurden die Eier vom grünen Frosch, [1) Die Hauptergebnisse derselben wurden zuerst in der Section für pathologische Anatomie der Naturforscberversammlung zu Wiesbaden am 22. Sept. 1887 unter Demonstration noch nicht microtomirter Hemiembryonen vorgetragen; in Folge Aufforderung Avurde der Vortrag mit der Demonstration in der vereinigten Section für Anatomie und Zoologie wiederholt. Die Präparate wurden nebst den Loupen herum gegeben und von den zahlreichen Anwesenden besichtigt (s. Tagblatt der Naturforschervers. S. 77, 78, 254, 272). Vergleiche Nr. 31, S. 248 und 260.] Der anatomische Anzeiger 1887, Nr. 25, brachte über diesen Vortrag folgenden Bericht: 1 . „Herr W. Roux ( Breslau ) spricht über S e 1 b s t d i f f e r e n z i r u u g der Furchungskugeln. Er verfolgte nach der Zerstörung einer der ersten beiden Furchungskugeln des Froscheies das Schicksal der überlebenden anderen Zelle. Dieselbe furchte sich, bildete eine Semimorula, dann eine Semiblastula, eine Semi- gastrula lateralis und schliesslich einen Hemiembryo lateralis. Im Aveiteren Verlaute der Entwickelung trat häufig Regeneration der ganzen bisher fehlenden Körperhälfte ein, so dass schliesslich ein normaler Embryo hervor- ging. Diese Regeneration vollzieht sich meist imter Auswanderung von Kernen aus der lebenden in die nicht entwickelte Hälfte und unter dadurch ver- mittelter secundärer Organisation dieser letzteren. In einigen Fällen blieb die Regeneration aus. Der Autor legte eine Anzahl entsprechender Präparate vor und fügte noch einige blos aus einer vorderen Hälfte bestehende Embryonen hinzu, die er durch Anstechen der ZAvei hinteren Furchungskugeln nach der zAveiten Furchung hervorgebracht hatte. Auch ZAvei „Hemiembryones posteriores" |s. dagegen S. 447] waren nach entsprechend variirter Operation entstanden. Die aus der operirten Zelle ausgetretene Eisubstanz, das Extraovat, macht gleichfalls einige Stufen von Entwickelung durch (wie der Autor schon früher, Zeitschr. f. Biologie 1885, mit- getheilt hat). Eine ausführliche Publication Avird nach Beendigung der microscopischen Untersuchung erfolgen.'' Versuclismethode. 429 Rana esculenta, in (ihisschalon einzeln aufgesetzt, dann während der Bildung der ersten Furche in Bezug- auf die Schiefstellung der Sehwarzen Hemisphäre und auf die Richtung der Furche abgezeichnet und danach eine der beiden ersten Furchungskugeln mit einer feinen Nadel ein- oder mehrmals angestochen. Darauf wurde die jetzige Stellung des Eies mit -der Zeichnung verglichen, bei Abweichung eine neue entworfen, und es wurden die Orte der Anstichstellen, sowie die Lage der durch dieselben ausgetretenen Eisubstanzen (Extraovate) [s. S. 155 und 1(32] in die Zeichnung eingetragen. Leider entwickelten sich die meisten Eier in diesen ersten Versuchen entweder gar nicht oder normal, trotzdem die an- gestochene Eizelle sich oft stark entleerte und durch Nachfluss von der Nachbarzelle wieder angefüllt wurde, so dass also jedenfalls ausser dem Substanzverlust noch eine sehr starke Um- ordnung der Eisubstanzen vorhanden sein musste. Ich konnte daher nur an wenigen Eiern die äusserlich sichtbaren A'' or- gäuge nach der Zerstörung blos einer Furchungskugel beobachten. Da an manchen der Eier, wie auch an den zu jedem Versuche angesetzten nicht operirten Probeeiern bereits vereinzelt Missbil- dungen auftraten, wie sie gegen Ende der Laichperiode sich einzustellen pflegen und von mir bereits früher kurz beschrieben wor- den sind [s. S. 159] ; da also mit jedem Tag die normale Ent- wickelungsfähigkeit der Eier ganz aufhören konnte, so operirte ich jetzt grosse Massen nicht isolirter, sondern in der Schale beisammen liegender Eier nacli Bildung der ersten Furche, um dann nach einigen Stunden oder am anderen Tage diejenigen auszulesen und ge_ sondert aufzustellen, bei welchen sich die operirte Furchungskugel nicht gefurcht hatte. Manchmal trat auch während der Operation der ersten Eier s^chon die zweite Furche auf, und ich stach dann zwei der neben einander liegenden, oder blos eine der vier Furchungskugeln an. Da selbst bei mehrfachem Anstechen einei* Zelle mit der einfachen feinen Nadel trotz grosser Extraovate sich die Zelle oft noch normal entwickelte, so machte ich vom dritten Tage ab die Nadel heiss, indem ich eine Messingkugel als Wärmeträger an ihr anbringen liess I 430 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. und diese Kugel entsprechend erhitzte. [121] Dabei wurde blos ,,ein" Einstich gemacht, aber die Nadel gewöhnlich so lange im Ei gelassen, bis eine deutliche hellbraune ^^erfärbung der Eisubstanz in ihrem Umkreise entstand. Diese Substanz haftete dann beim Herausziehen der Nadel etwas an derselben und bildete auch hinterher noch einen breiten, schwach vorspringenden Kegel ; ein Zeichen, dass sie fester geworden, also wohl halb geronnen war. In Folge dessen traten nun auch aus der Anstichstelle keine E x t r o v a t e mehr aus. Jetzt erhielt ich ein besseres Resultat; und zwar derart, dass bei etwa 20 "/o der operirten Eier blos die unversehrte Zelle den Ein- griff überlebte, während die Mehrzahl ganz zu Grunde ging und einige wenige, bei denen wohl die Nadel schon zu kalt gewesen war, sich normal entwickelten. Ich habe so im Ganzen über 100 Eier mit getödteter einer Hälfte zur Entwickelung gebracht und aufbewahrt; und davon wurden 80 ganz microtomirt. V^on den für letzteren Zweck ausersehenen Eiern wurden von Zeit zu Zeit mehrere herausgenommen und getödtet, von den früheren Stadien : der Morula und Blastula mehr als von den späteren, schon mit speciellen Organanlagen versehenen^). An den nicht operirten Probeeiern jedes Versuches wurde neben anderen Missbildungen gleichfalls, aber seltener, das Aus- bleiben der Entwickelung einer der beiden oder einer der vier ersten Furchungskugeln beobachtet. Diese Eier wurden zum Vergleiche mit den operirten gleichfalls ausgelesen und auf ver- schiedenen Stadien conservirt und microtomirt. Dasselbe geschah auch mit Eiern, w^elche sich trotz der Besamung, d. h. trotz des Ein- legens in die Samenflüssigkeit, nicht entwickelt hatten. Da die Behandlung der Eier behufs der Conservirung und Färbung für die Befunde an den Kernen von Bedeutung ist und auch an sich manche Schwierigkeiten darbietet, so will ich aucli darüber, soweit als für ersteren Zweck nöthig ist, und als ich in letzterer Hin- sicht von den früheren Autoren etwas abweichende Erfahrung ge- wonnen habe, kurz berichten. Die Abtödtung geschali^ in kleiner [1) (Jenaueres über die.sc MeÜiotlcn siehe Nr. 81.] Versuclismethode. 431 Abweichung von O. Hkutwk; nacli Wowx durch Emlcgen der Eier in Wasser statt von 100 ))los von 80'- (". während nur einiger Minuten, welche genügen, um nicht blos das Ei zu tödten und durch Clerin- nung ziemlich widerstandsfähig, [122] sondern auch um die Gallert- hülle leicht abschneidbar zu machen. Die Härtung und Aufbe- wahrung geschah nach Born in 70- bis 80 ^/oigem Alcohol, die Färbung au den ganzen Eiern nach 0. Schultze in Boraxcarmin mit Ausziehen in schwach salzsaurem Alcohol. Dann fand zum Zweck der Einbettung Uebertragung auf eine Nacht in Alcohol absol., einige Minuten in Toluol, mehrere Stunden oder nach Belieben auch Tage lang in altes ver- harztes dickes Terpentinöl statt. Aus letzterem auf Fliesspapier ge- bracht und durch Betupfen mit in Toluol getränktem Pinsel von dem oberflächlichen Terpentin befreit^ wurden die Eier, welche dann voll- kommen zum Zeichnen geeignet sind, trocken aufbewahrt. Aber man muss sich hüten , beim Abspülen zuviel Toluol zu verwenden , da sonst nicht genug Terpentinharz im Object bleibt, um dasselbe ge- schmeidig zu erhalten ; nach der Verflüchtigung des Toluols werden die Eier sonst steinhart und sind dann entsprechend spröde beim Schneiden. Ist dies doch geschehen, wie es mir leider mit der Mehr- zahl der in Wiesbaden auf der Naturforscherversammlung demon- strirten Präparate, in dem Bestreben, die Oberfläche recht vollkommen vom Terpentin zu reinigen, passirt war, so sind sie indess doch noch nicht ganz verloren. Sondern ich erweichte dieselben durch 2 — Stägiges Einlegen in eine 30°/oige Lösung von kohlensaurem Kali, worauf sie auf's Neue entwässert und mit Terpentin getränkt wurden. Ein Theil derselben blieb unversehrt und erwies sich nach dem Schneiden bei der microscopischen Besichtigung auch innerlich ziemlich wohl conservirt; aber mehrere waren aussen bereits so stark erweicht, ehe auch das Innerei genügend weich geworden war, dass sie bei den folgenden Manipulationen sich äusserlich abnutzten und ich blos noch Reste zum Schneiden zu verwenden hatte, welche indess glücklicher- weise gerade noch die wichtigsten Stellen darboten. Das Einschmelzen geschah in gesottenem Paraffin nach Spee, welches bei 50° flüssig wurde; ich habe das Einschmelzen über Nacht gegenüber kürzer dauerndem, blos lialbstündigem Einschmelzen für 432 Nr. 22, Die Hervorbringung halber Embryonen. besser befunden und auch von einer Steigerung der Temperatur auf 60° C. keinen Schaden gesehen. Die Gefahr des Hartwerdens der Eier finde ich nur im Tokiol, welches sicli total verflüchtigt, wonach dann, wie erwähnt, wenn nicht zugleich [1231 eine andere Flüssig- keit oder weiche Substanz, wie das Terpentinharz oder Paraffin, ein- dringt, die Eier steinhart werden. Die Erhaltung und Färbung der Kerne war in vielen der Prä- parate recht gut, und die mitotischen (iebilde daher gut zu sehen; in anderen scheinbar gleich behandelten, aber beim Tödten vielleicht doch zu sehr erwärmten Objecten war das feinere Ötructurdetail der Kerne nicht mehr recht erkennbar. Die unten gemachten Mittheiluugen über abnorme Kernformen sind schon ihrer Natur nach nicht auf etwaige Veränderungen durch die Behandlung der Eier zurückzuführen; und ausserdem fanden sie sich auch in solchen Präparaten, welche anderen Ortes recht gut con- servirte normale Kerne zeigten. In manchen Embryonen waren trotz o-uter Conserviruug; der Structur der ruhenden Kerne so ausserordent- lieh wenig Kerntheilungsfiguren wahrneliml)ar, dass ich mit Flemminc; annehmen muss, die Melu'zahl der bei der stetig fortschreitenden Ent- wickelung jedenfalls zahlreich stattfindenden Kerntheilungen wurde während des Abtödtens der Eier durch Erwärmen entweder zur Kuhc- form zurückgebildet oder rasch vollendet. Ergebnisse der Versuche. Die Versuche selber bestanden, wie angegeben, darin, dass nach dem Auftreten der ersten Furche am befruchteten Ei ') die (124] eine 1) Von J. Dewitz ist jüngst (Biolog. Centralblatt. 1887. S. 93) mitgetlieilt worden, dass unbefruchtete Fr osch eier zur „ F ii rch ung " angeregt werden könnten und zwar durch Einlegung in S ubl im at 1 ös ung. Die angekündigte ausführliche Mittheilung steht noch aus; gleichwohl ist diese Angabe schon unbe- anstandet in verschiedenen Zeitschriften referirt worden. Ich versuchte dieselbe zu prüfen, indem ich unbefruchtete Froscheier in eine Reihe von 24 Schalen mit ver- schieden starken Sublimatlösungen (von 0,001— 1,4 "^o) legte. In den schwächsten Lösungen entstand, soweit überhaupt, erst nach stundenlangem Liegen eine Trübung der Gallerthlille und des Eiwassers. Etwas stärkere Lösungen bewirkten in kürzerer Zeit grössere Trübungen der Gallerthülle und tlockige Gerinnung des Eiwassers. Dagegen bemerkte ich bei O.ö^'üiger Lösung, dass die Eier vielfach längs halber oder fast ganzer Meridiane aufplatzten, wobei entweder die Hrucli- A. Entstehung „seitlicher" Halbbildungen. 433 der gebildeten beiden Zellen durch eine Operation geschädigt und so ihrer Entwickelungsfähigkeit beraubt wurde. Indem wir jetzt zur Mittheilung der Ergebnisse der Versuche übergehen, seien zunächst die Vorgänge, welche sich nach diesem groben Eingriff an der nicht operirten Eihälfte abspielten, dargestellt. I. Vorgäiig-e an der „nicht" operirten Eihälfte. A. Entstehung ,, seitlicher" Halbbildungen, Hemipoeesis lateralis. In vielen Fällen war an der nicht operirten Zelle keine Ent- wickelungserscheinung wahrnehmbar; vielmehr traten die früher von mir geschilderten Absterbeerscheinungen (s. S. 157), graue Ver- färbung und Fleckenbildung, auf. In anderen Fällen machte diese Furchungskugel einige weitere Furchungen durch , um dann , wie gleichfalls a. a. O. geschildert, unter maximaler, bis zum Schwund der äusseren Furchen führender Abplattung der Zellen an ein- ander, wiederum abzusterben. Auf Grund der sogleich zu schildern- den dritten Art des Verhaltens sind wir berechtigt anzunehmen, dass in diesen ersteren beiden Fällen die äusserlich anscheinend unver- sehrt erhaltene Zelle doch mit von dem operativen Eingriff direct betroffen worden war und deshalb starb, nicht aber in Folge des Fehlens der Mitwirkung der anderen Zelle ihre Entwickelung einge- stellt hatte. Im dritten, bei den letzten Versuchen etwa 20°/o der ope- rirten Eier erreichenden Falle lebte die nicht operirte Zelle weiter. ränder scharf, leicht gezackt und körnig in Folge starker Gerinnung des Dotters waren; oder, wenn die Gerinnung zur Zeit des Aufplatzens der zuerst geronnenen und dabei geschrunr«)ften Oberflächenschicht noch nicht' tief genug eingedrungen war, so drang flüssiger Dotter in feinen Linien aus dem Spalt, um dann gleich- falls zu gerinnen. Gelegentlich standen solche Spalten auch annähernd recht- winkelig zu einander und boten so bei flüchtiger Betrachtung ein den ersten Furch- ungen ähnliches Bild dar. In anderen Fällen erfolgte das Aufplatzen des P]ies nicht in grössten Kreisen desselben oder überhaupt nicht in Kreislinien, sondern in unregel- mässig schief zu einander stehenden Linien. Solche Gerinnungserscheinungen darf man jedoch nicht als „ Furchungen " und damit als vitale Vorgänge von ganz bestimmter entwickelungsmechanischer Dignität bezeichnen. AV. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. 28 434: Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Man konnte dabei verschiedenerlei Folgen erwarten, z. B. dass abnorme Vorgänge sich abspielen würden, welche zu absonderlichen Formen- bildungen führten; oder dass diese ,,eine" Eihälfte, da sie doch eine ganze Zelle mit einem nach manchen Autoren (welche, entgegen meiner wiederholt und deutlichst ausgesprochenen Meinung (s. S. 311), in dem Mechanismus der indirecten Kerntheilung gleichwohl angeblich ,,me- auctore" eine ,,nur" zur qualitativen Halbirung geeignete Einrichtung sehen) dem ersten Furchungskern in seiner [125] Qualität , , vollkom- men^'gleichen Kerne sich zu einem ganzen, nur entsprechend kleineren Individuum entwickeln werde. Statt derartiger Ueber- raschungen geschah indess das Allerüberraschende: Die „eine" Zelle entwickelte sich in vielen Fällen der Hauptsache nach zu einem normal gebauten ,, halben Embryo", derart, dass blos im Bereiche der unmittelbaren Nachbarschaft der ope- rirten Eihälfte kleine Abweichungen entstanden, welche in dem Abschnitte über das Verhalten dieser letzteren Hälfte mit zu erwähnen sein werden. 1. Semimorula verticalis. Durch fortgesetzte Theilungen der unversehrten Eihälfte wurde zunächst ein Gebilde hergestellt, welches den Namen einer Semimorula verticalis verdient, da es im Wesent- lichen wie die verticale Hälfte einer Morula gebaut war. Diese Be- zeichnung will besagen : es entstand ein halbkugeliges Gebilde, welches oben aus dichtgedrängten pigmentirten kleineren, unten aus nicht pigmentirten grösseren Zellen besteht [s. S. 156]. Indess, ein ße- standtheil der normalen Morula war bei den geschnittenen 11 Semi- morulae verticales nicht ordentlich ausgebildet: nämlich die Fur- chung sh oh le. Dieselbe hätte einen an der unentwickelten Hälfte an- liegenden, annähernd halbkugeligen, von dicht aneinander geschlossenen Zellen begrenzten Hohlraum darstellen müssen. Statt dessen aber sind die Zellen hmen blos locker gelagert und lassen mannigfache Zwischenräume zwischen sich; oder es ist ein grösserer, aber auch nicht scharf umgrenzter Hohlraum vorhanden, welcher durch eine Zellenlage auch von der unentwickelten Hälfte getrennt ist. Manch- mal fehlt jede Andeutung von Hohlraumbildung, also selbst die lockere Lagerung der Zellen. Ä. Entstellung „seitlicher" Halbbildungen. 436 2. Semiblastula verticalis. Das zunäclist folgende Stadium der Keimblase, der Blastula, ist formal durch keine scharfe Grenze von der Morula getrennt, da die Gestalt der Blastula aus der der Morula wesentlich durch weitere Zerkleinerung der Zellen und Vergrösserung der umschlossenen Höhlung hervorgeht unter allmählicher, aber bei den einzelnen Individuen ausserordentlich verschiedener Verdünnung des Daches der Höhle. Diesem Stadium entsprechend habe ich mehrere Semiblastulae verticales vorgefunden und microtomirt. Von Interesse ist dabei, dass auf dieser Stufe der Binnenhohlraum sich bei der Mehr- zahl durch dichtgelagerte Zellen wohl abgegrenzt [126] erweist, so dass im Vergleiche mit dem Verhalten der Semimorulae also eine nachträgliche Ordnung und dichte Zusamme|n- schliessung der Zellen stattgefunden haben muss. Die so ge- bildete Blastulahöhle liegt einige Male ganz in der entwickelten Hälfte eingeschlossen, d. h. sie ist von der nicht entwickelten durch eine ein- oder mehrfache Zelllage getrennt (Taf. VI Fig. 1); einige Male grenzte sie direct an die annähernd ebene Abgrenzungsfläche der unentwickelten Hälfte; ein Mal aber setzt sie sich auf diese Hälfte fort (Fig. 2) und hat somit annähernd die Form einer voll- kommenen Blastulahölile erlangt, was aber wohl nur durch abnorm grosse Ausscheidung von Flüssigkeit seitens der sich entwickelnden Hälfte bedingt war. In einem Falle fehlt jede Andeutung einer Hohl- raumbildung, indem die Zellen aller Orten dicht zusammengeschlossen liegen und so auch direct an die nicht entwickelte Hälfte grenzen. 3. Semig-astruiae verticales. Von der nächst höheren Entwicke- lungsstufe, von der Gastrulation, hatte ich, wie ich glaubte, eine sehr grosse Anzahl von Halbbildungen conservirt. Nach dem Micro- tomiren zeigte sich aber leider, dass die Mehrzahl noch auf der Blas- tulastufe sich befand, und dass eine beginnende Gastrulation nur durch eine leichte Einschlagung des freien Randes der Semiblas- tula gegen die operirte Eihälfte hin bei der äusseren Besich- tigung vorgetäuscht worden war. Ein anderer Tlieil dagegen bot in dem freien Randwulste bereits einer höheren Stufe zukommende Bil- 28* 436 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. düngen dar, so dass ich unter den microtomirten Eiern nur über drei wirklich der Gastrulastufe entsprechende Halbbildungen verfüge. Die normale Gastrula lässt bereits deutlich die Medianebene erkennen als diejenige durch den Mittelpunct des ganzen kugeligen Gebildes gelegte Ebene, welche zugleich den hufeisenförmigen Urmund und im Innern die sich an ihn anschliessende Urdarmhöhle sym- metrisch theilt. Die Urdarmhöhle ist nach aussen bedeckt von einer dünnen zweischichtigen äusserlich dunkel gefärbten Platte, deren huf- eisenförmiger Saum mit der anliegenden weissen Eimasse eben den Urmund formirt. Diese Platte lässt die dorsale Hälfte des Embryo hervorgehen, weshalb ich sie als ,, Dorsalplatte" bezeichnet habe. Die Mitte des hufeisenförmigen Saumes entspricht in ihrer Richtung der Kopfseite, die offene [127] Stelle des Bogens der Schwanzseite des Embryo. Später legen sich die beiden Hälften des huf- eisenförmigen Saums der Dorsalplatte, in cephalocauda- 1er Richtung fortschreitend, aneinander, um mit einan- der zu verschmelzen. Die Medianebene des Embryo theilt den hufeisenförmigen Saum normaler Weise symmetrisch. An den Halbbildungen dieses Stadiums ist es indess, vn.e erwähnt, wegen der Einschlagung des freien Randes der Hälfte ausserordentlich schwer, die bezüglichen Gestaltverhältnisse bei der äusseren Betrach- tung genau genug wieder zu erkennen, um beurtheilen zu können, ob man eine seitliche, vordere oder hintere Semigastrula vor sich hat. Fig. 3 auf Tafel VI stellt ein ziemlich altes Stadium dar, dessen Durchschnitt man geneigt sein könnte, auf einen Medianschnitt durch eine Semigastrula anterior zu beziehen. Da indess die Schnittrich- tung nicht rechtwinkelig zur Abgrenzungsebene der entwickelten und der unentwickelten Hälfte, sondern ihr fast parallel geführt war, und da die Dorsalplatte fast in ganzer Läno-e vorhanden ist, so erweist sich das Bild doch als Durchschnitt durch eine Semigastrula lateralis i); [1) Da Gastrula (von /; -//■".-.i^'j der Bauch), Blastula (von ö [i/.a^ro? der Keim), Morula (von -& ^cpov die Maulbeere, Brombeere) Wörter griechischer Abstammung sind, so wäre es trotz der ihnen von Haeckel angefügten lateinischen Endung doch vielleicht angemessener gewesen, auch die Namen dieser Halbbildungen gleich denen der Embryonen griechisch zu bilden und zu sagen Hemigastrul u, Hemi- blastula und Hemimorula.l A. Entstehung „seitlicher" Halbbildungen. 437 eine Diagnose, die in der geistigen Integration aller Durclischnitts- bilder ihre leichte und sichere Bestätigung findet. Das Urdarmlumen ist trotz seiner grossen Länge noch durchaus blos spaltförmig; das äussere Keimblatt, der Ectoblast, ist wohl abgesetzt gegen das innere Keimblatt, den Entoblast; die Blastulatiüssigkeit und damit die Blastulahöhle F ist noch erhalten, was normalerweise um diese Zeit nicht mehr der Fall ist. Ihre an den mehr seitlichen Schnitten erkennbare Lagerung auf der der Dorsalplatte entgegen- gesetzten, also ventralen Seite des Eies (sowohl in der ent- wickelten wie unentwickelten Hälfte) bekundet deutlich die Unrich- tigkeit der Auffassung der bisherigen Autoren, nach welcher die Seite der Blastulahöhle des Eies zur dorsalen Seite des Embryo werden soll. 4. Hemiembryoiies laterales. Die nächste Entwickelungsstufe bietet normaler Weise äusserlich die erste specielle Organanlage dar, die Anlage des Centrainer vensystems in Gestalt der Medullarplatte mit ihren zu den Medullarwülsten erhobenen beiden seitlichen Rändern. Die Medullarwülste stehen im Bereiche des Kopftheiles anfangs in grossem Abstand einander gegenüber und nähern sich dann allmählich bis fast zur Berührung (Taf. VII. Fig. 1 u. 2). In diesem [128] Stadium führt der Keim bereits den Namen Embryo. Wir haben nun zu fragen, was die nicht operirten Eihälften diesem Stadium Entsprechendes gebildet haben. Die Figuren 3 — 5 auf Tafel VII stellen drei der am normalsten ausgefallenen Bildungen von verschiedenen Graden der Ausbildung dar. Diese sowie Jioch vier andere entsprechende Gebilde, welche ich besitze, zeigen als Gemeinsames das Vorhandensein blos „eines" Medullarwulstes, der aber in ganzer Länge gebildet und von nebensächlichen Abweichungen abgesehen nor- mal gestaltet ist (s. S. 174). Dabei muss ich erwähnen, dass schon normaler Weise die For- men des Medullarwulstes auch auf den verschiedenen Alters- stufen keineswegs ganz stereotyp sich in der Weise wiederholen, wie sie von EcKER-ZiEGLER SO schöu modcllirt und von späteren Autoren mehr- fach abgebildet worden sind. Sondern es kommen hiervon ziem- 438 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. lieh hochgradige, zum Theil bereits von O. Hertwig^) und mir beschriebene [s. S. 193] Variationen vor, von denen manche Rück- schläge auf Vorgänge darzustellen scheinen, wie sie von Fischen her bekannt sind und welche wohl hauptsächlich nur auf Anachro- nismen in der Differenzirung und dem Wachstimm der verschiedenen Theile beruhen. Solche Anachronismen zeigen sich auch in der relativen Verzögerung oder Beschleunigung der Entwickelung der einzelnen Keimblätter gegeneinander, so dass z. B. bei noch ziemlich indifferenten Medullarwülsten manche sonst normalen Em- bryonen im Mittelblatt, im Entoblast und in Chorda dorsalis schon Formenbildungen aufweisen, wie sie normal erst gegen den Schluss des Medullarrohrs vorkommen. Es ist in diesen Fällen also eine deutliche Verzögerung der Entwickelung im Bereiche des Ectoblast im Verhältniss zur Entwickelung der beiden an- dern Keimblätter vorhanden. Solche Variationen können leicht zu Streitigkeiten unter den Beobachtern Veranlassung geben, sofern einer derselben aus einem zu geringen Materiale allgemeinere Folge- rungen ableitet. Auch in der Geschwindigkeit der Entwickelung der beiden „seitlichen" Körperhälften kommen Ungleich- [129] heiten geringeren Grades vor und bieten dann den Vor- theil dar, dass man zweierlei Entwickelungsstufen an demselben Object zu beobachten Gelegenheit hat. Gegen Ende der Laichperiode, sowie bei ungenügendem Luftzutritt, treten solche auf Hemmungen bezw. Verzögerungen mancher Vorgänge beruhenden formalen Abweichungen häufig auf, werden aber oft im weiteren Verlaufe der Entwickelung wieder ausgeglichen. Von den in Folge der obigen Operation erhaltenen Hernie m- bryones laterales, welche natürlich leicht als linke und rechte zu unterscheiden sind, habe ich sechs microtomirt. Die Besichtigung der Querschnitte erweist die Medullarplatte als blos halb vorhanden, was auf den älteren Stadien, wo schon der Medullarwulst gebildet ist 1) 0. Hertwig, Die Entwickelung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Jena 1883. Taf. V. Fig. 5. A. Entstehung „seitlicher" Halbbildungen. 439 und inne typische Structur besitzt, besonders deutlicli zu erkennen ist (Taf. VI, Fig. 4). Die typisclie Anordnung der Zellen des schon älteren Medullarrohres ist an manchen Präparaten schön ausgebildet, an anderen Stellen aber weniger ausgesprochen. Die älteren Embryonen zeigen im Kopftheil die Medullarsubstanz entsprechend verdickt und ausgestaltet. Der ursprünglich seitliche Theil des Ectoblast (das Hornblatt), welcher früher mit dem Seitenrande der Medullar- platte verbunden gewesen ist und bei der Bildung des Medullarwulstes mit ihm erhoben und der Medianlinie genähert worden ist, hat sich bei dem ältesten Embryo bereits von dem Medullartheil ge- sondert, obgleich hier keine Gelegenheit zur Verschmel- zung mit einer gleichen Lage der anderen Hälfte gegeben ist, und ragt zunächst frei gegen diese andere unentwickelte Hälfte. Dieser freie Rand wie auch der dorsale Rand der Seinimedulla late- ralis sind ventral eingebogen, was auch an normalen Embryonen vorkommt. Die Ur darmhöhle findet sich blos auf der entwickelten Hälfte ausgebildet und erstreckt sich gleichfalls nur bis zur Chorda. In ihrem Lumen ist sie öfter zu eng, noch spaltförmig; anderenfalls ist sie zwar etwas ausgeweitet, aber im Bereiche des Kopftheiles noch durch zu grosse Anhäufung von Dotter verengt. Der Entoblast zeigt sich normal beschaffen. Als neu kommt dieser Phase normaler Weise die Ausbildung des Mesoblast und der Chorda dorsalis zu. Auch unsere ,, halben" Em- bryonen haben diese Theile gebildet. Vom Meso- [130] blast habe ich kein Object der sehr kurzen Phase, in welcher über die Abkunft dieses Blattes Klarheit gewonnen werden kann. Es ist auf allen Prä- paraten schon vollkommen gesondert und zeigt in einigen Fällen ganz die normalen Querschnittformen und normale Anordnung der Zellen. An den älteren Embryonen ist die Scheidung in Seitenplatten und Ursegmentplatten im Gange oder schon vollzogen ; am ältesten Em- bryo sind die letzteren bereits in die ürsegmente zerlegt. Es ist also die eine seitliche Hälfte des Mesoblast normal entwickelt worden (vgl. Taf. VI, Fig. 4, Ms). 440 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Die Chorda dorsalis ist als medianes Organ von beson- derem Interesse in Rücksicht darauf, ob aucli sie blos halb oder etwa ganz gebildet worden ist. Um dies zu beurtheilen, ist eine genauere Besprechung des nor- malen Verhaltens nüthig. Ihre vollkommene Absonderung von den drei anderen Blättern erfolgt in dem mehr caudal gelegenen Theile später als mehr ee})hal und zwar zuerst vom Ectoblast, dann vom Mesoblast, zuletzt vom Entoblast ^). Gelegentlich ist in der Mitte noch eine Strecke der Chorda nicht ganz vom Entoblast gesondert, während sie weiter hinten schon vollkommen isolirt ist, um noch weiter hinten wieder ein jüngeres Stadium der Bildung darzubieten^). Sie ist an den Stellen ihrer vollkommenen Sonderung von rundem, oder ovalem, oder ob- longem Querschnitt und zeigt au verschiedenen Stellen ihrer Länge sehr verschiedene Dicke, letztere im Allgemeinen von hinten nach vorn ab- [131] nehmend; ein Verhalten, von dem aber aucli wieder evidente Ausnahmen vorkommen: Manchmal bemerkt man sclion eine regelmässig wiederkehrende An- und Abschwellung. Ausserdem ist diese D i c k e a u c h b e i v e r s c h i e d e n e n I n d i v i d u e n g 1 e i c h e r E n t wi c k e 1 u n g s s t u f e sehr verschieden, fast um das Doppelte in der Zahl der Zellen an annähernd entsprechenden Stellen schwankend. Unsere Halbbildungen nun zeigten an einigen Stellen die Chorda- zellenschicht noch mit dem Darmentoblast in Zusammenhang, und 1) Ich sah beim Frosch deutlich eine Metamerie bei der Abgliederung der Chorda dorsalis vom Mit telbl att ausgesprochen, indem auf jedem 3. oder 4. Schnitt die Scheidung noch kaum erkennbar ist, während an den zwischenliegenden Schnitten die Sonderung durch die Umordnung der Zellen sich bereits als eine voll- kommene zeigt; dies ist der Fall zur Zeit, wo die Chorda noch mit dem Entoblast in Zusammenhang steht, aber doch schon als ein erhobener Strang zwischen den beiderseitigen Mittelblatthälften gelegen ist, der nur an ganz wenigen Stellen auch noch mit dem Ectoblast in Verbindung steht, d. h. noch nicht durch Umord- nung seiner Zellen von ihm gesondert ist. -') Zugleich sieht man in diesem Bereiche der eben erst vollendeten Absonde- rung vom Entoblast, wie letzteres den so entstandenen Defect seiner Conti- nuität wieder schliesst. Dies geschieht nämlich zunächst genau so wie beim Beginn der Wundheilung durch Abplattung der Epithelzellen des Randes und so ve rmittelte Herüber schieb ung über den Defect. Erst nachträglich findet dann Vermehrung und Erhöhung der Epithelzellen statt. A. Entstehung „seitlicher" Halbbildungen. 441 dorsal abgebogen, wie bei der normalen Bildung, aber in der Aus- dehnung blos entsprechend einer seitlichen Hälfte der Anlage. Zu- meist aber ist die Chorda bereits ganz gesondert midist von rundem oder schwach ovalem Querschnitt. Es ist also nicht blos ein „Halboval" gebildet worden. Die Durchmesser erschienen mir nach Grösse und Zahl der Zellen etwas kleiner als bei den vollkommenen Embryoneu; doch war in Folge der erwähnten Ungleichheiten der normalen Dicke eine Sicherheit nicht zu gewinnen. Ich will daher blos erwähnen, dass die Peripherie ihres Querschnittes an den dünnsten Stellen aus fünf Zellen gebildet wurde , während in scheinbar ent- sprechenden Stadien und Stellen normaler Embryonen die volle Chorda gewöhnlich acht bis zehn, einige Male aber auch nur sechs Zellen zählte. Es sei aber an dieser Stelle gleich eingeschaltet, dass ich doch mehrere sicher erkennbare halbe Chordae, Semichordae dorsales laterales, an sogleich zu schildernden Präparaten vorgefunden habe (s. S. 443 und 447): Danach muss der gegenwärtige Befund fast vollkommener Chordae wohl nicht auf primäre totale Bildung, sondern elier auf sehr frühzeitige „Nachbildung" der fehlenden Seiten- hälfte bezogen werden^). Die Medianebene des Hemiembryo, welche bei unseren Halb- bildungen blos durch die Abgrenzungsflächen der entwickel- ten und der unentwickelten Hälfte des Eies gegeben ist^), stellte in manchen Fällen auf dem Querschnitt eine gerade Linie dar; das heisst die dorsale und ventrale Kante der Semimedulla, der Mittel- punct der Chorda, der dorsale und ventrale Rand des Ectoblast lagen annähernd in einer geraden Linie ; in cephalocaudaler Richtung aber war, wie schon gesagt, die Semimedulla lateralis nach d.er fehlenden Hälfte hin concav gebogen. [Also ist die normale gerade Haltung des Medullarwulstes keine vollkommene Selbstge- [1) Da dies auch der Fall war, wenn die operirte Eihälfte gar nicht in Zellen zerlegt war (s. unten), so liegt in dieser Ergänzung der Semichorda lateralis die erste Beobachtung von Postgeneration ohne Verwendung des Materiales der anderen Eihälfte vor.] [-) Dies Verhalten liefert einen neuen Beweis für die Richtigkeit der in Nr. 16 mitgetheilten Beobachtung, dass die erste Furchungsebene zugleich der Medianebene des Embryo entspricht.] 442 Nr. 22. Die Hervorbringuug halber Embryonen. staltung desselben, sondern wird unter der Gegenwirkung der anderen Seite hervorgebracht oder erhalten.] [132] Wohl gleichfalls in das Gebiet der durch das Fehlen einer Hälfte gestörten mechanischen Massencorrelationen gehörig ist eine einige Male beobachtete seitliche Verlagerung der Chorda dorsal is und ein entsprechendes Zurückbleiben des dorsalen Theiles des Entoblast gegen die durch die Semimedulla und die ventralen Theile bezeichnete Medianlinie. Es ist immerhin inter- essant, dass die axialen Theile in so erheblicher Verschie- bung gegen einander angelegt und ausgebildet werden können. [Denn es bekundet wieder (s. S. 187), dass die Entwicke- lung mancher Theile sogar der Haupttheile nicht an die richtige gegen- seitige Lagerungsbeziehung derselben gebunden ist, dass also die Ent- wickelung nicht an die „Form" als solche gebunden ist, dass der Embryo kein formelles Leben führt [s. Nr. 28, S. 663]. Asyntaxia medullaris und Anentoblastia. Anders begründet erscheint ein gleichfalls wiederholt beobachtetes Fehlen des Entoblast und der Urdarm höhle bei gleichzei- tigem Vorhandensein sowohl eines annähernd wohlgebildeten Medullar- wulstes, wie der Chorda und des halben Mittelblattes. Da ich diese Missbildung, die ich xViientoMastia nennen will, und aus der auf älterer Stufe wohl Aneiiteria hervorgehen wird, nicht blos an lateralen Hemiembryonen sondern auch an bilateral entwickelten, operirten und nicht operirten Embryonen mehrfach beobachtet habe, so ist die- selbe also nicht in so directe Beziehung zu unseren gegenwärtigen Experimenten zu setzen [s. Nr. 26, S. 34Anm.]. Ich werde sie daher anderwärts ausführlicher beschreiben und will hier nur noch einige, weiter unten zu verwerthende, Mittheilungen beifügen. Zunächst ist zu erwähnen, dass in den bilateralen Fällen diebeiden Medullarwülste weit auseinander gelegen sind^), indem sie die Seitenränder des eine längliche, fast ebene Platte darstellenden Embryo [1) Mehrere durch Operationen am Ei hervorgebrachte Fälle dieser Missbildung wurden bereits S. 167 — 177 erwähnt.] Asyntaxia medullaris und Anentoblastia. 443 einnehmen, und dass unter jedem Medullarwulst eine schöne, aber gleichfalls runde, durch die Zusammensetzung aus blos 3 bis 4 Zellen auf dem Querschnitt wohl charakterisirte ,,Semichorda dor- salis'' lateralis vorhanden ist[s. S. 447]. Aehnliches, aber geringeres Auseinanderstehen der Medullarwülste fand sich auch mehrfach blos partiell, besonders im Bereiche der hinteren Hälfte des Rückenmarkes. Hierbei war auf Schnitten das Vorhandensein vom Entoblast nachweisbar; andererseits aber war mit Leichtigkeit durch wieder- holte Beobachtung am lebenden Ei festzustellen, dass der grosse Spalt zwischen beiden Medullarwülsten den Urmund bezw. den Rest desselben darstellt. Da nun auch nach anderen Be- obachtungen von mir die jederseitige halbe Medullarplatte in der ,, seitlichen" Lippe des Urmundes angelegt, und die normale einheitliche Form durch Näherung und Verschmelzung dieser Lippen [133J hergestellt wird, so kann, wenn man genau sein will, das hier constatirte Ausbleiben dieser Vereinigung nicht gut mit dem für das bereits wiederholt an höheren Thieren beobachtete Resultat üblichen Ausdruck Rhachischisis hezeichnet werden, sondern wir müssen dafür Asyntaxia medullaris (von dovvra^ia, NichtVereinigung) gebrauchen oder rein das Resultat bezeichnend Diastasis medul- laris anwenden. Ich gebe ersterer Bezeichnung den Vorzug, da sie das Wesen andeutet. [Weiteres siehe S. 447 und Nr. 23, S. 700.] ') InFällen der Asyntaxia medullaris blos im mittleren und cau- dalen Theile des Embryo sah ich dann mit der Zeit öfter nachträglich eine weitere Näherung der Medullarwülste und zwar mehr auf der cau- dalen Seite stattfinden, so dass schliesslich nur noch ein Loch in der Mitte der Länge des Medullarrohres blieb, welches aber weiterhin auch noch geschlossen wurde. Es lag also hier nur eine Verzögerung des Herab Wachsens der jederseitigen halben Dor- salplatte vom Aequator des Eies her vor, während die qualitative [1) 0. Hertwig hat danach unter dem Titel „Urmund und Spina bifida" (Arch. f, micr. Anat. 1892. Bd. 39, S. 353—503) eine ausgedehnte Abhandlung über diese Missbildung verfasst, welche aber dem hier und in Nr. 23, S. 700 in wenigen Worten geschilderten Thatbe.stand kaum etwas Neues hinzufügt [s. Nr. 31, S. 269]: zugleich wird darin meine Ableitung der Gastrulation des Froscheies acceptirt und in einigen schematischen Figuren dargestellt (s. Nr. 23, S. 701 Anm.).] 444 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Differeiizirung, dadurch nicht gehemmt, die Medulhirwülste vor der Verschmelzung der Dorsalplattenhälften herstellte. Durch diese Form der Diastasis medullaris und die Ableitung des Spalt- raumes vom Urmund wird auf's Deuthchste eine Analogie der Bildung der Embryonalanlage bei Amphibien mit der- jenigen der Fische illustrirt und damit auch die Asyntaxia medullaris an die von Räuber') für die Knochenfische beschriebene „Verzögerung des Anschlusses der Keimringhalften zur Bildung der mittleren und hinteren Embryonalanlage" angeschlossen. Rauber ver- wendet dabei den Namen „Dehiscenz" der Embryonalanlage, der mir aus dem angeführten Grunde weniger gut erscheint, als die von mir gebrauchten Ausdrücke. Desgleichen halte ich auch den von ihm für das Resultat dieser Verzögerung gewählten Ausdruck „Hemidi- dymus" blos so lange für geeignet, als noch die frühere Zusammen- werfung dieser Bildungen mit wirklichen Doppelbildungen zu be- kämpfen war; was indess gegenwärtig nach von v. Regklixghausen's^) gründhcher Erörterung der Frage wohl nicht mehr nöthig ist. Zu- gleich gewinnt mit [IS-l] unserer Deutung der an Fröschen beob- achteten Diastasis medullaris die von v. Recklinchausen ausgesprochene Auffassung der Rückenmarkspaltbildungen eine weitere Stütze. B. Entstehung „vorderer" Halbbildungen, Hemipoeesis anterior. Ausser den ,, lateralen" Halbbildungen habe ich nun noch einige andere unvollkommene Bildungen [also Theilbil düngen] zu scliildern, welche zum Theil gleichfalls bei Operation nach der ersten Furche er- halten worden sind und sich dann an eine nicht seltene Variation in der Zeitfolge der, wie wir sahen, eine bestimmte Dignität für den künftigen Embryo habenden ersten Furchungen anschliessen. Manchmal entsteht, wie ich früher entgegen Rauber und Pflüger dargethan habe, die ') Rauber, A., Formbilduug und Formstörung in der Entwickelung von Wirbel- thieren. Leipzig 1880. S. 35 und 123. 2) V. Recklinghausen, Untersuchungen über die Spina bifida. Berlin 1886 u. ViRCHOw's Archiv Bd. 105. B. Entstehung , vorderer* Halbirungen. 445 eigentlich zweite, köpf- und scliwanzwärts scheidende, Furche als erste ^) ; und von solchen Eiern war zu hoffen, dass durch das Operiren nach dieser ersten Furchung, wenn die nicht operirte Zelle der Entwicke- lung fähig war, anders situirte Halbbildungen hervorgehen würden. Das Gleiche suchte ich nach der zweiten Furchung durch Anstechen der beiden cephalen vorderen oder hinteren (caudalen) Zellen zu erreichen. Es ist mir nun in der That gelungen, auf diese Weise vordere und hintere Halbbildungen hervorzubringen. So habe ich eines Tages eine erhebliche Anzahl von Seinigastrulac anteriores hervorgebracht und sie zur weiteren Entwickelung stehen lassen. Es entwickelten sich daraus schöne vordere halbe Embryonen, Heiniembryoiies an- teriores, von denen mir indess bei der weiteren Entwickelung die grosse Mehrzahl durch ein im zweiten Theil zu schilderndes Vorkomm- niss [Postgeneration s. Nr. 22, S. 261] als Halbgebilde in Verlust ge- rieth, so dass ich gegenwärtig [135] blos über vier conservirte vordere halbe Embryonen verfüge. Die Figuren 6 un d 7 Taf . VH stellen zwei dieser Hemiembryones anteriores äusserlich dar; und man sieht, dass Fig. 6 blos die vordere Hälfte der beiden Medullarwäilste besitzt. Zum Vergleiche können die zwei in Fig. 1 und 2 dargestellten normalen Embryonen dienen, wenn sie auch etwas andere Entwickelungsstufen darstellen. Die beim Embryo von Fig. 6 in frontaler, bei dem von Fig. 7 in nicht ganz quergestellter Richtung geführten Durchschnitte bekunden den 1) Meine Auffassung dieses Vorkommnisses der abweichenden Stellung der Medianebene des Embryo von der Ebene der ersten Furchung als blos eines Ana- chronismus wird durch weitere Beobachtungen von Anachronismen gestützt. So habe ich sogar statt der ersten „ wagerechten" Furchung, welche als dritte Furchung aufzutreten pflegt, noch eine „dritte senkrechte" Furchung am ganzen Ei oder blos in einer Hälfte desselben beobachtet und danach normale Embryonen hervorgehen sehen (s. S. 324 Anm.). Die dritte und vierte „senkrechte" Furchung sind, wie sich bei Rana esculenta nach dem von mir angegebenen Furchungsschema leicht feststellen lässt, sehr häufig ver- tauscht; und dies geschieht auch wieder oft blos an „Theilen" eines Eies. In diesem Jahre (1887) habe ich auch durch künstliche Deformation des Eies und ohne Nachtheil für die Entwickelung bewirkt, dass die die Medianebene darstellende Furche erst als dritte und zwar nach der Horizontalfurchung gebildet wurde (s, Nr. 29, S. 605, Nr. 31, S. 266). 446 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. normalen inneren Bau der Medullarplatte mit ihren Medullarwülsten, sowie der Chorda, des Mittelblattes und des Entoblast, welcher letztere aber eine nur spaltförmige, also für den Kopftheil dieser Entwicke- lungsstufe zu enge, Urdarmhöhle umschliesst; dies ist jedenfalls da- durch bedingt, dass die normaler Weise in caudiventraler Richtung erfolgende Verschiebung des Dotters hier durch den Widerstand der unentwickelten hinteren Eihälfte unmöglich gemacht war. Die hintere Körperhälfte fehlt wie abgeschnitten; bei Fig. 11 b ist schon ein Theil ,, nachgebildet" (siehe unten). Ich will noch erwähnen, dass die hiesige (Breslauer) anatomische Anstalt jüngst einen weit entwickelten, schon dem Ausgetragensein nahen Kalbsfötus erhielt, der in seinen äusserlich sichtbaren Theilen ein typisches „Heiiiitheriiiin anterius" darstellt; indem die ganze hintere Rumpfhälfte wie quer abgeschnitten fehlt. Die Eingeweide sind zur Zeit noch durch eine durchscheinende, vom Defectrande entspringende Haut bedeckt und gestatten daher keine genauere Beurtheilung ; doch wird diese hochinteressante, sich so augenfällig an meine vorstehend mitgetheilten Experimente anschliessende Missbildung seitens eines Doctoranden einer genaueren Beschreibung unterzogen werden [siehe Nr. 27, S. 288] 1). Von den entsprechenden hinteren Halbbildungen habe ich keine sicheren Exemplare. Eine der vier aufgehobenen Semi- gastrulae ist vielleicht wegen der Dicke und Kürze der Urmundslippe als eine Posterior anzusprechen. C. Ein viertel- und Dreiviertelbildungen. Bei einigen Eiern, welche ich nach der zweiten Furchung anstach, suchte ich theils blos eine der vier vorhandenen Furchungskugeln zu tödten, theils blos eine nicht zu tödten. Von letzteren Experimenten rühren einige v e r t i c a 1 e \M e r t e 1 m o r u 1 a e und Viertelblastulae her; von ersteren einige Drei viertelblastulae und zwei Dr el- vi er telembry onen. Letztere besitzen [136] die hintere Körper- hälfte und eine Seitenhälfte der vorderen Hälfte. Diese Embrvonen [1) P. EcKARDT, Ueber Hemitheria anterior. Diss. inaug. Breslau 1889.] C. Einviertel- und Dreiviertelbildungen. 447 hatte ich vor der Naturforscherversammhmg in Wiesbaden nur noch mit Terpentin benetzt gesehen und dabei über die zum ersten Male erbhckte hintere Halbbildung die beim einen zudem nur wenig er- hobene Fortsetzung des einen Medullarwulstes nach vorn übersehen, welche sich hinterher nach dem vollkommenen Abtrocknen und des Weiteren auf den Durchschnitten als eine ächte vordere Hälfte eines Medullarwulstes erwies. Deshalb wurde dieser beiden Embryonen auf jener Versammlung einfach als „hinterer Halbbildungen" Erwäh- nung gethan [s. S. 428 Anm.]. Der eine dieser Dreiviertelembryonen (Fig. 12) ist gut entwickelt, und ebenso lehrreich für uns, als es ein reiner Hemiembryo posterior sein würde. Denn, nachdem wir gesehen haben, dass die rechte und linke Körperhälfte sich jede für sich entwickeln ,,kann", so ist [vielleicht] anzunehmen, dass das auf der einen Seite allein vorhandene linke hintere V^iertel sich gleichfalls für sich aus der betreffenden Furchungszelle des Vierzellen- stadiums entwickelt habe. Die Figur lässt deutlich die Medullar- wülste erkennen, die vordere Hälfte des rechten ist äusserlich etwas abnorm gestaltet und weiterhin zeigt sich eine ausgesprochene Asyn- taxia medullaris (s. S. 442). Die Asyntaxia medullaris erklärt sich hier wohl einfach aus dem Fehlen einer ,, vorderen" Seitenhälfte. Da die Seiten- lippen des Urmundes sich normaler Weise zuerst vorn vereinigen, und die Vereinigung successive in der Richtung von vorn nach hinten, d. h. in cephalocaudaler Richtung, fortschreitet, so ist es leicht er- klärlich, dass beim Fehlen einer vorderen Seitenhälfte eine Asyntaxia medullaris statt hat. Die Querschnitte durch diesen Embryo zeigen die Medullarwülste im Innern wohl gebaut; ferner findet sich unter dem rechten Medi^Jlarwulst eine unzweifelhafte ,,Semichorda dor- salis lateralis." Die Diagnose ist hier dadurch unzweifelhaft, dass das Gebilde eine grosse Strecke weit blos von drei, manchmal vier, Zellen auf dem Querschnitt zusammengesetzt ist. Die Semichorda ist aber gleich den obigen, nicht ganz sicheren Semichordae, von ,, rundem" Querschnitt; [sie hat also keine „Halbgestal- tuug", sondern] die halbe Zahl der Zellen hat sich vollkommen 448 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. zusammengeschlossen und damit gegen die von einem anderen Keim- blatt gebildete Umgebung epithelartig abgeschlossen. Links ist die Chorda nicht deutlich erkennbar. In der hinteren Hälfte [137] ist die Urdarmhöhle vorhanden und wohlgestaltet. Vorn ist nur rechter- seits eine halbe Urdarmhöhle als schmaler Spaltraum angelegt. Von besonderem Interesse ist bei diesem Embryo die Per- sistenz der Blastulahöhle unter dem normalen Dach derselben. Die Blastulahöhle liegt in der Mitte der Länge des Embryo ; und man sieht daher deutlich, dass die Medullarwülste auf der dem Dach der Blastulahöhle „entgegengesetzten" Seite des Eies sich befinden, dass also das Dach der Blastulahöhle, welches der ursprünglich allein schwarzen, oberen Llälfte des Eies entspricht, entgegen den Angaben der älteren Autoren, zur ,, ventralen" Seite des Embryo wird. Es liegt wohl nahe, zwischen der Asyntaxia der Medullarwülste und der ausgebliebenen Obliteration der Blastulahöhle einen Causalnexus anzunehmen. D. „Obere" Theilbildungen. In meinem letzten Experiment versuchte ich bei einigen Eiern blos die oberhalb bezw. unterhalb der ,, ersten wagerechten" Furche gelegenen Zellen zu zerstören. Daher rühren einige deutliche Semiblastulae superiores, welche blos das Dach der Furchungs- höhle aus Zellen gebildet darbieten, während der Boden der wohlge- stalteten Blastulahöhle aus nicht cellulirter Substanz besteht. Die Fortsetzung dieser Versuche wird uns hoffentlich Genaueres über die weitere Entwickelung dieser letzteren Bildungen und damit über den genaueren Antheil der oberhalb und unterhalb der ersten, wagerechten Furche gelegenen Furchungskugeln an der Bildung des Embryo lehren. Folg-erung'en aus diesen Befunden. a) S e 1 b s t d i f f e r e n z i r u n g. Bezüglich des Allgemeinen ersehen wir aus diesen Befunden, dass jede der beiden ersten Furchungskugeln sich unab- hängig von der anderen zu entwickeln ,, vermag" und daher Selbstdifferenzirung. 449 ^vohl auch unter normalen Verhältnissen sich unabhängig entwickelt [s. Nr. 26, S. 28], und zwar geschieht diese selbst- ständige Entwiekelung in einer Weise, welche nur in über- raschend wenigen, grob mechanisch erklärbaren, Verhält- nissen von den normalen Bildungen abweicht. Diese Art der Entwiekelung wurde aufwärts verfolgt bis zur Ausbildung der Medullarwülste, zur Anlage der Gehirnblasen, zur Anlage der Chorda dorsalis und zur Bildung des Mesoblast sowie zur Abgliederung desselben in Ursegm entplatten und Seiten- platten, und zur Zer- [138] legung der Ursegmentplatten in die Ur- segmente. Ob mit diesem Grade der Entwiekelung die obere Grenze der selbstständigen Entwickelungsfähigkeit erreicht ist, vermag ich zur Zeit nicht zu sagen; es liegt aber auch zur Zeit nichts vor, was zu einer solchen Annahme nöthigt, so lange die Ernährung noch ohne Blut vor sich geht ; denn der bei seiner künstlichen Abtödtung am weitesten entw^ickelte Hemiembryo der Fig. 5 zeigte keinerlei Absterbeerschei- nungen, weder die von mir als Zeichen des beginnenden Absterbens beschriebene Framboisia embryonalis minor noch die major. Ueber das Verhalten nach der Bildung der Blutgefässe und des Herzens kann nur die directe Beobachtung entscheiden. Eine Selbstständigkeit der Entwiekelung kommt auch den beiden vorderen und den beiden hinteren Furchungskugeln [letzteren aber, wie es scheint, nur in geringerem Grade], „in der Gesammtheit ihrer Derivate" zu. Damit haben wir also eine neue Bestätigung unserer bereits früher gewonnenen Einsicht erhalten, dass die [normalen] Ent- wickelungsvorgänge nicht als ein eFolge der Zusammen- wirkung ,,aller^' Theile oder auch nur ,, aller'' Kerntheile des Eies betrachtet werden dürfen; sondern an die Stelle ,, solcher" [d. h. zwischen „allen" Theilen stattfindenden] diffe- renzirenden Wechselwirkungen aufeinander tritt die Selbstdifferenzirung der ersten Furchungsz eilen und des Complexes der Derivate jeder derselben zu einem be- stimmten Stück des Embryo. oq \V. Koux, Gesammelte Abhandlungen. II. ^^ 450 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Dies gilt sowohl, wenn die zuerst auftretende Furche, wie normal, die rechte und linke, als auch wenn sie ana- chronistisch die cephale und cauclale Hälfte von ein- ander scheidet. Jede d i e s e r F u r c h u n g s k u g e 1 n enthält a 1 s o n i c h t n u r das ,,BildungsmateriaF' zu dem entsprechenden Stück des Embryo, sondern auch die ,,differenzir enden und ge- staltenden Kräfte". b) B e d e u t u n g d er F u r c h u n g. Damit wird meine früher bezüglich der Bedeutung der normalen Furchung gemachte Annahme (s. S. 138 und 331) für die ersten Furchungon zur Gewissheit erhoben; wir können sagen: Die F u r c h u n g scheide t den die „directe ^) Eiitwickehing-" d e s I n d i V i d u u m s V o 1 1 z i e h e n d e n T h e i 1 des K e i m m a t e r i a 1 e s insbesondere des Kernmateriales ,, qualitativ" und be- stimmt mit der dabei stattfindenden ,, Anordnung" dieser verschiedenen gesonderten INI a t e r i a 1 i e n d a h er z u g 1 e i c h [139] die ., Lage" der späteren differenzirten Organe des Em- bryo (einschhesslich nachträglicher ,, typischer" Materialumlagerungen). Ueber die V^ertheilung desjenigen Idioplasmas da- gegen, welches erst bei der ,, Regeneration" und der weiter unten kennen zu lernenden ,, Postgeneration" in Thätig- keit tritt und vielleicht in jeder Zelle, bezw. in jedem Kern, sich mehr oder weniger vollkommen vorfindet, ist damit, wie ich aus- drücklich bemerke, nichts präj udicirt^). [1) Die „directe" Entwickelung, die hier zum ersten Mal bestimmt unter- schieden wird, ist zunächst die „normale" Entwickelung; doch kommen viele Vorgänge derselben auch noch unter manchen abnormen Verhältnissen vor. Beide Bezeichnungen sind aber nicht synonym, als welche sie manche Autoren seitdem gebrauchen; sondern die „directe" Entwickelung ist der weitere Begriff (s. Nr. 26, S. 58, Nr. 27, S. 303, Nr. 31, S. 279.] ■-) Wenn somit die ersten beiden Furchungskugeln das Material für die rechte und linke Körperhälfte enthalten, so ist es einleuchtend, dass bei der geringsten Un- vollkommenheit der „qualitativen Halbirung " die eine Körperhälfte früher oder später entsprechend anders werden muss [soweit nicht Correction durch Selbstregulation Ursache der bilateralen Symmetrie. 451 Und ebenso wenig soll »mit dieser Angabe der durch unsere Experimente bereits sicher erkannten Bedeutung der ersten Furch- ungen gesagt sein, dass im Für chungsstadium nicht noch andere Vorgänge wie z. B. etwa die Ausbildung vieler ver- schiedenen Qualitäten im Keimmaterial, die Vermehrung des specifisch diiTerenzirten Keimmateriales stattfänden^). I c) Ursache der bilateralen Symmetrie. Wenn danach die erste Furchung das Material der rechten und linken Körperhälfte von einander sondert, also das Keimmaterial „qualitativ halbirt", um mich dieses von mir eingeführten Aus- druckes zu bedienen, so ist dabei doch nicht ausser Acht zu lassen, dass dieses qualitativ, d. h. seiner chemischen und procen- ti sehen Zusammensetzung nach beiderseits gleiche Material nicht auch ,, morphologisch" gleich ist; denn seine Anordnung ist auf der einen Seite derart, dass eine rechte, auf der andern Seite derart, dass eine linke Körperhälfte daraus hervorgeht. In welchem Anordnungsverhältniss diese fundamentale Ungleich- heit, die die Grundlage der bilateralen Symmetrie dar- stellt, zur Zeit der ersten Furche begründet ist, ob etwa blos in der halbkugeligen „Gestalt" des Dottermateriales [s. Nr. 30, S. 149] und in deren ,, einstellender Wirkung" auf die eventuell verschiedenen Kernbestandtheile oder in der „selbstständigen"- Anordnung der Kernbestandtheile sind Fragen, [HO] welche für sich zu beantworten sein werden, und welche ich hier blos er- wähne, um zu verhindern, dass man mir wieder, in Folge zu eintritt] ixnd dass die Aenderung, wenn sie mediale Theile betraf, bis an die Median- ebene des Individuums sich erstrecken muss. So erklärt sich vielleicht die sogenannte Halbseitig keit mancher Bildungs- und Erhaltungsabweichungen bis zu dieser Ebene, z. B frühzeitiges Ergrauen der Haare einer Seite (bei sonst noimalem Ver- halten der Theile, in.sbesondere der Nerven) der Hemiatrophia facialis, Riesen- wuchs einer Kopfhälfte u. s. w. 1) Die Vermehrung der Qualitäten kann natürlich nur durch Wechsel- wirkung der vorher vorhandenen Qualitäten stattfinden. Die oben gemachte An- nahme schliesst also ditferenzirende Correlationen der Theile, Epigenesis ein. 29* 452 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. grosser Kürze meiner Ausführung, durchaus fremde An- sichten (s. S. 138) unterstellt^). Es liegt nahe, den obigen Schluss bezüglich der ,, qualitativen Materialscheidung auch auf die folgenden Furchungen" aus- zudehnen. Wie weit eine solche Ausdehnung berechtigt ist, hoffe ich durch weitere Versuche darthun zu können^); in Gleichem, wie auch zu entscheiden, ob bezw. wie weit die Nachkommen der ,, späterer Furchungskugeln" für sich selbst dif f erenzirungsfähig sind; oder ob die zur Bildung des„Embryo" fortschreitende Differenzirung doch an die Coexistenz einer grösseren Gruppe, etwa aller Nachkommen einer der „vier" ersten Furchungskugeln, gebunden ist, der so dass wir in jeder ,,vier" ersten Furchungszellen bereits die „kleinsten" selbstdifferen- zirungsfähigen Eit heile erreicht hätten, was ich indess trotz des scheinbar dafür sprechenden, sogleich zu erörternden Mechanis- mus der Gastrulation nicht vermuthe. Gehen wir nun zu den specielleren entwickelungsme- c hanischen Folgerungen aus den mitgetheilten Thatsachen über. d) Unabhängigkeit der Zelltheilung von den Nachbar- organen. Zunächst ist aus dem normalen Verlaufe der Entwickelung der unversehrten Furchungszelle [beim Fehlen der normalen Nachbar- zellen im Bereiche der nicht entwickelten Antimere] zu folgern, dass die soeben erörterte qualitative Scheidung des Zellleib- und des Kernmateriales, welche bei der Furchung stattfinden muss, ohne die Einwirkung der Nachbarzellen richtig vor sich gehen ,,kann, also wohl auch ,, normaler Weise" ohne diese vor sich geht; zweitens dass der Kern seine für die richtige [1) Diese Vorsicht hat indessen nicht den gewünschten Erfolg gehabt; sondern einige Autoren haben mir gleichwohl bestimmte einseitige Ansichten unterstellt, die sie dann zu widerlegen suchten.] [^) Dieser Ausspruch bekundet wohl, dass der Satz über die Bedeutung der Furchung als qualitativer Materialscheidung auf Seite 450 blos für die zwei ersten Furchungen als erwiesen angenonimen worden war; wenn schon es danach sehr nahe liegt, dasselbe Geschehen auch auf die weiteren Furchungen auszudehnen.] Active Umordnung und Gestaltung der Zellen. 458 Anordnung der geschiedenen Materialien wichtige , richtige Stellung in der Furchungszelle ohne eine an die Lebensthätigkeit der Nachbar Zellen geknüpfte Einwirkung derselben erlangt; und dass das Gleiche auch bei den späteren Theilungen innerhalb des Nachbarbezirkes der operirten Zelle der Fall ist; weshalb sich diese Unabhängigkeit vielleicht auch ohne einen Irrthum verallge- meinern lassen wird. e) Active Umordnung und Gestaltung der Zellen. Weiterhin folgere ich aus diesem Nichtnöthigsein der einen verticalen Eihälfte für die Entwickelung der anderen, dass die ßla- stulagestaltung ohne weitgehende Spannungen im Materials, also auch ohne weitaus sich erstreckende mechanische Wechselwirkungen der Theile vor sich geht; so dass ich dem- nach geneigt bin, die typische Blastulagestaltung auf ,,active Umordnung der Zellen" zurückzuführen; wobei [141] viel- leicht nach His eine Neigung mancher Zellen, der Oberfläche als der Zufuhrstelle des Sauerstoffs näher zu kommen, betheiligt ist. Ferner bekundet die schöne prismatische Gestalt der Epit hellen im Dache der Semiblastulahöhle bis nahe an den in manchen Fällen freistehenden, abgerundeten Rand derselben, die schon bei der dritten ja sogar zweiten Zelle, vom freien Rande aus gerechnet, sich vor- findet, dass auch diese Gestaltung n i c h t p a s s i v durch Zusammen- drängung vieler Zellen in einer geschlossenen Fläche, sondern durch ein „Bestreben der benachbarten Zellen, sich dicht zusammenzuschliessen"und vielleicht noch, sich zugleich rechtwinkelig zur Oberfläche zu verlängern, bedingt sein muss; sofern die Streckung nicht auch nur eine Folge der hohen In- tensität des ersteren> Bestrebens ist. f) Bedeutung der Abweichungen der Halbbildungen von der Norm. Die oben beschriebenen „Abweichungen" mehrerer Semi- blastulae von dem normalen Bau bewiesen, ebenso wie auch die 45i Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Abweichungen auf den anderen höheren Entwickelungsstufeu ,,neben" den unter den gleichen Bedingungen beobachteten „nor- mal" gestalteten Halbbildungen weiter nichts, als dass Abnormitäten bei den Halbbildungen leichter vorkommen können als unter normalen Verhältnissen; die speciellen Ur- sachen dieser Abweichungen und der durch die Unvoll ständig- keit des Keimes gegebenen Prädisposition dazu zu ermitteln, wird eine spätere, vielleicht sehr lehrreiche Aufgabe sein. [s. Nr. 27, S. 295 u. Nr. 28, S. 616]. g) Mechanismus der Gastrul ation. Die nächsten Bildungsvorgänge bewirken die G a s t r u 1 a t i o n. Mein e früheren (S. 342, 348 Anm.), sowie die vorstehend (S. 436) gemachten und die weiter unten noch folgenden (S. 457, Anm. 2 u. 460 Anm.) Angaben enthalten über diesen Vorgang für den aufmerksamen Leser schon ge- nügendes Material, um die bisherige, jüngst auf's Neue von 0. Schultze allerdings ohne Angabe eines sachlichen Grundes vertretene Auf- fassung, dass die Urdarmhöhle durch „Einstülpung" nach „oben" entstünde, und dass daher die ursprünglich schon schwarze obere Seite des Eies der Dorsalseite des Embryo entspreche, als irrig zu erkennen. Ich werde indess diesem Vorgang der Gastrulation, wel- cher sich mehr des Interesses der Fachgenossen erfreut, als meine entwickelungsmechanischen Bestrebungen, eine besondere Darstellung meiner Auffassung und der Widerlegung der gegnerischen Auffas- sung widmen, um die Fachgenossen nicht zu nöthigen, für die Be- friedigung ihrer Wissbegier in dieser einen Frage wider [1-1:2] Willen meine ganzen entwickelungsmechanischen Arbeiten lesen zu müssen [s. Nr. 23]. Wir ziehen hier daher nur folgende Schlüsse: Die Gastru- lation vollzieht sich in jeder Antimere selbstständig, und das Gleiche ist auch in der caudalen und cephalen Hälfte der Fall. Demnach gilt es auch für die betreffenden Viertel, und wir können mit Berücksichtigung der beobachteten Weiterent- wickelung dieser Viertel schliessen: Die Entwickelung der „Froschgastrula" und des zu- nächst" daraus hervorgehenden Embryo ist von der zwei- Satz der .Mosaikaibeit". 455 ten Furchung an eine Mosaikarbeit und zwar aus mindestens „vier" verticalen, sich selbst ständig entwickelnden Stücken [s. Nr. 27, S. 281]^). Wie weit nun diese Mosaikbildung aus mindestens ,,vier" Stücken bei der weiteren Entwickelung durch ein- seitig gerichtete Materialumlagerungen und durch ,,differenzirende Correlationen'' umgearbeitet und in der Selbstständigkeit ihrerTheile „beschränkt" wird, ist erst noch zu ermitteln ^). [Weiteres siehe Nr. 26, S. 34, s. auch S. 317.] Die bekannten Verlagerungen [1) Ueber die Beschränkung in der Ausdehnbarkeit dieses Satzes, welche viel- leicht durch die bei Amphioxus, Fundulus etc. nicht in genügendem Maasse von selber sich erhaltende „Gestalt" jeder der vier ersten Furchungszellen und deren aus- lösende Wirkung (s. S. 451) bedingt ist, siehe das „Nachwort" und Nr. 30, S. 148.] [-) Trotz dieser unmittelbar meinem Ausspruche über „die Mosaikarbeit der „Froschgastrula" und des nächsten Embryostadiums aus mindestens vier Stücken" angeschlossenen Beschränkung bezüglich der weiteren Entwickelung und trotz des Hinweises auf eventuelle „ differ enzirende Wechselwirkungen" ist mir unterstellt worden, ich hätte das Princip der Mosaikarbeit als „allgemeines Princip der Entwickelung" aufgestellt und den Antheil differen- zir ender Correlationen an der Ontogenese verleugnet; wonach dann zur Widerlegung dieser „Irrthümer" eine ganze Litteratur entstanden ist. Richtig ist, dass ich für den Anfang der Ontogenese die von mir nachge- wiesene Selbstdifferenzirung der ersten Furchungskugeln betont, auf die eventuelle Möglichkeit weiterer Ausdehnung dieses Principes auf kleinere Stücke hingewiesen, ausserdem aber erwähnt habe, dass vielleicht sogar diese Selbstdifferenzirung aus vier Stücken im Laufe der nächsten weiteren Entwickelung schon beschränkt wird und, dass innerhalb solcher, der Selbstdifferenzirung fähigen Stücke differ en- zirende Correlationen anzunehmen sind. Da über die Art dieser letzteren Corre- lationen zur Zeit nichts Sicheres bekannt war und nocli ist, habe ich mich nicht ein- gehender über sie geäussert, sondern mich begnügt, auf ihre Nothwendigkeit hinzu- weisen. Eine solche Beurtheilung entspricht aber, wie es scheint, nicht den Vorstell- ungen mancher Autoren; sondern sie nehmen als selbstverständlich an, dass ein Autor, der ein Wirkensprincip ermittelt hat, dasselbe statt als eine Componente als die einzige Componente hinstelle; und wenn letzteres nicht geschehen ist, so wird doch von ihnen die gemachte, aber nicht bei jeder einzelnen Gelegenheit wiederholte Ein- schränkung nicht gewürdigt , sondern eine einseitige Auffassung wird unterstellt und danach bekämpft. Da ich der qualitativen Kerntheilung den Hauptantheil an der typischen ontogenetischen Gestaltung zuerkenne, wird nach demselben Verfahren der von mir erbrachte Nachweis (Nr. 20, 21 u. 30) unbeachtet gelassen, dass unter normalen Ver- hältnissen die Befruchtung durch Hervorbringung einer gewissen Anordnung der verschiedenen Dotterbestandtheile darüber entscheidet, was köpf- und schwanzwärts am Froschei wird, indem die.se Anordnung ihrerseits bestimmt, welche Kerntheile ihr zugeführt werden. Damit ist ein Princip der Wirkung der Zell- 456 Nr. 22. Die Hervoibringung halber Embryonen. der Dotterzellen wäbrend der Gastrulatioii sind, sofern letztere nur Reservematerial darstellten, hierbei nur von untergeordneter Bedeu- tung. h) Anlagestelle der Chorda, des Medullarwulstes und des Me so blast. Die Hemiembryones laterales, sowie dieAsyntaxia me- dullär is belehren uns des Weiteren, dass in dem medialen Saum des U r m u n d e s der Semigastrula lateralis sich auch die seit- liche Hälfte der ,, Chorda dorsalis" anlegt, während an der angrenzenden Aussenfläche desselben die Medullarplatte mit dem Medullär wul ste gebildet wird. Ausserdem geht auch die Anlage des Mesoblast in der ,, Dorsalplatte" vor sich. Von Interesse ist, dass die Chorda und der Mesoblast [ob- schon sie normaler Weise vom Entoblast abstammen sollen und ob- schon dies für die Chorda auch bei unseren Halbbildungen zu be- obachten war] auch gebildet werden in den Fällen, wo der Därmen tob last fehlt, und sogar wenn der Darmentoblast ganz fehlt, wie die in einigen Fällen von Asyntaxia medullaris vorhandene A n - en toblas tie zeigt. Ferner ist es lehrreich, dass sich der seitliche Theil des Ectoblast und die Medullarplatte an dem Umschlagsrande auch bei unseren Halbbildungen von einander trennen, obgleich hier keiner dieser beiden Theile des ursprünglichen Ectoblast dann Ge- legenheit hat, sich mit seines Gleichen zu vereinigen, sondern zu- nächst mit einem freien Rande gegen die operirte Hälfte anstösst. i) Selbstloslösung der Chorda, Medulla, des Entoblast und Mesoblast von einander. ,, Selbstordnung" der Chordazellen. Die abweichende Gestalt der Semichorda von einer [143] „late- leibtheile auf den Zellkern für die Ontogenese ausgesprochen und für einen wichtigen Fall nachgewiesen, welches jetzt von anderer Seite als neu aufgestellt wird. Während ich weiterhin schon lange die Ontogenese als eine Comb i- nation von Evolution und Epigenesis (siehe diese) bezeichnet habe, hat ein Autor (H. Driesch, Analytische Theorie der organischen Entwickelung, 1894) jüngst bemerkt, dass diese Ansicht von ihm herrührt, weil er sich in bestimmterer (nach meiner Auffassung in vorläufig weit zu bestimmter) Weise über den Antheil differen- zirender Correlationen in den frühesten Stadien geäussert hat.l Selbstloslösung der Chorda, Medulla, des Entoblast etc. 457 ralen Halbbildung", die sich darin äussert, dass die Semichorda statt eines halbkreisförmigen einen runden Querschnitt zeigt, erklärt sich leicht bei Berücksichtigung der wirklichen Bildungsvorgänge. Die Bildung der Chorda des Froschembryo erfolgt nicht, wie ge- wöhnlich gesagt wird, durch „Abschnürung" der betreffenden Zellengruppe vom Entoblast, da gar keine äusseren Theile an der betreffenden Stelle sich finden, welche eine Abschnürung hervor- bringen könnten; sondern wir müssen- bei dem Fehlen jeder Vor- richtung zu einer solchen passiven Umformung schliessen, dass die Absonderung der Chordazellen von ihrer Nachbarschaft durch eine „active Umordnung und Umgestaltung" dieser Zellen sich vollzieht. Diese Nachbarschaft ist bei den late- ralen Halbbildungen nach aussen der Ectoblast, speciell dieMedul- larplatte, nach innen der Entoblast, denn das Chordaepithel stellt hier die Uebergangsstelle zwischen diesen beiden Schichten dar^) und lateral der Mesoblast. Nach der ,,ac- tiven Selbstloslösung" dieser Nachbartheile von ein- ander ordnen sich die freien Randzellen des Chordatheiles von beiden Seiten her zusammen, dass sie sich mit ihren Seitenflächen be- rühren und so einen in sich geschlossenen Strang formiren. Die so bekundete Tendenz der Chordazellen zu möglichst inniger Aneinanderlagerung derselben und somit zu vollkommenem epithelialem Abschluss gegen die Umgebung ist nun, nach unserem Befunde zu schliessen, nicht derart vertheilt, dass die Zellen jeder Hälfte sich für sich zu einem Halbrund ordnen, sondern dass sich die vorhandenen Zellen gleicher Art möglichst eng vereinigen und so nach aussen möglichst sich abschliessen. Da- nach scheint sehr rasch die oben beschriebene Verdickung der Semi- chorda^) vor sich zu gehen. [1) Dies ist auch der Grund, dass nicht selten Zellen der Chorda dorsalis gleich den Zellen des Ectoblast Pigment enthalten, wie ich gelegentlich mit- getheilt habe (Biolog. Centralbl. 1888, S. 412).] 2) Zugleich wirft diese Bildung der Semichorda auch ein Licht auf die grossen Verschiedenheiten der sogenannten „Abstammung" der Chordazellen vom Ecto-, Euto- oder Mesoblast, bei nahe stehenden Klassen, ja sogar Ord- nungen und Familien, wie sie wohl aus der Verschiedenheit der Angaben zahlreicher 458 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. k) Selbstgestaltung des Medullarrohres. [l-t-l] Beim Medullarrohr dagegen haben wir in vollkommenerer Weise die Zellen jeder Hälfte in den Hauptsachen annähernd die typische Form des halben Querschnittes herstehen sehen, wo- raus zu folgern ist, dass diesen Zellen eine besondere gestaltende, im Einzelnen ordnende Potenz eigen ist; dieselbe ist indess doch nicht ganz sufficient zur Herstellung der normalen Querschnitt- form, da wir die Semimedulla stark in dorsiventraler Richtung zu- sammengesunken fanden, wohl wegen des Fehlens der zugleich als Stütze dienenden anderen Hälfte. Eine neue Bestätigung finden wir da- mit für meine schon in der Einleitung [s.S. 426 u. 247] dargelegte Ansicht, dass die Erhebung des Medullarwulstes an dem Material der Medul- gewissenhafter Forscher als thatsächlich bestehend gefolgert werden niuss. Da die Chorda dorsalis aus dem Epithel des seitlichen freien Randes der seitlichen Urmunds- lippen gebildet wird, und sich diese Lippen normaler Weise schon während der Gastru- lation mit einander vereinigen derart, dass gewöhnlich zuerst das Ectoblast mit dem Ectoblast der anderen Hälfte verschmilzt und sich dabei meist zugleich voll- kommen von dem CLordaepithel sondert, so erscheint dann die Chorda mit dem Ento- blast in Zusammenhang und formirt eine Rinne, welche sich in die Urdarmhöhle öffnet. Da das Mittelblatt in dieser selben Uebergangsgegend der Blätter angelegt wird, so steht es anfangs mit dem Chordaepithel in Zusammenhang, welcher sich alsdann, wie ich oben mitteilte, in metamerer Weise löst. Erst wenn dies geschehen ist, sondert sich das Chordaepithel vom Entoblast durch Umordnung seiner Zellen und letzteres vereinigt sich von beiden Seiten her in der oben beschriebenen Weise. Nun kommen aber „kleine Anachronismen" in diesen dreierlei Trennungen beim Frosche vor, und dann „stammf*, nach der Auffassung der blos beschreibenden Embryologie, welche das Wesen der Vorgänge unberücksichtigt lässt, die Chorda bald vom Entoblast, bald vom Ectoblast, bald vom Mesoblast ab. Und auch bei Thierklassen, wo der Mechanismus der Gastrulation nicht mehr ein derartiger ist, sondern wo, wie ich gesagt habe [Nr. 23, S. 703], schon während der „Furchung" ein Theil der Arbeit der „Gastrulation" in der Material- lagerung geleistet wird, werden in Folge dieser urspünglich so geringen Unter- schiede auch schon relativ geringe, später typisch gewordene Variationen in der „Sonderung" genügen, um das Material der Chorda ganz oder theils zum Ecto-, Ento- oder Mesoblast zu schlagen. Ich bin mir wohl bewusst, mit diesen entwickelungsmechanischen Gedanken in hohem Maasse von der Auffassung der beschreibenden Entwickelungsgeschichte, insbesondere von dem in ihr herrschenden Dogma der vollkommenen ent- wickelungsgeschichtlichen Homologie der Keimblätter der Wirbel- thiere abzuweichen. Ich denke jedoch, dass meine Auffassung allmählich Anklang finden wird. Vorgänge in der ^operirten" Eihälfte. 459 larplatte nicht passiv durch lateral andrängende Seitentheile erfolgt; da bei einem solchen Vorgang zugleich die hier vorhandene eine seit- liche Hälfte der Medullarplatte nach der nicht entwickelten Seite hätte herübergeschoben werden müssen, wovon [145] nichts wahrnehmbar war. Die oben erwähnte Verlagerung der medianen Theile war wenig- stens nicht derart, dass sie auf diese Ursache zurückführbar wäre. II. Vorgänge in der „operirten" Eihälfte. Nachdem wir somit das Verhalten der unversehrten Furchungs- kugel kennen gelernt und in seiner entwickelungsmechanischen Be- deutung erörtert haben , wenden wir uns nunmehr zur anderen Ei- hälfte, zu dem Verhalten der operirten Zelle. Das Verhalten dieser Eihälfte zeigte grosse Mannigfaltigkeit schon für die äussere Betrachtung und noch mehr beim Studium des Innern an successiven Durchschnitten. Die dabei wahrgenommene Mannigfaltigkeit von Bildungen lässt auf eine ganze Reihe von Vor- gängen schliessen, welche ich in drei Gruppen scheiden will. Erstens Vorgänge in der Substanz der operirten Eihälfte, welche diese Substanz mehr oder weniger unbrauchbar machen und welche daher als ,,Z er Setzungsvorgänge" bezeichnet werden können, wenn man sich nicht daran stösst, dass darunter auch progres- sive Vorgänge, nämlich Kernvermehrungen mit einbegriffen werden, deren Producte aber ihrem weiteren Verhalten nach gleichfalls als abnorm aufgefasst werden müssen. Zweitens Vorgänge, welche verändertes Material der operirten Eihälfte wieder brauchbar machen und zugleich für eine nachträgliche Entwickelung des Weiteren vorbereiten. Diese sollen als ,, Reorgani- sationsvorgänge" zusammengefasst werden. Ihnen folgen dann drittens Vorgänge, welche durch nachträgliche Entwickelung die von vornherein fehlenden Körpertheile in ganz oder fast normaler Vollkommenheit herstellen. Diese Vorgänge werde ich aus weiter unten zu erörternden Gründen als Vorgänge ,, der Postgene- ration" bezeichnen und so von vornherein von der Regeneration entwickelt gewesener, aber in Verlust gerathener Körpertheile zu scheiden. 460 Nr. 22. Die Hervorbringuug halber Embryonen. Zu dem Speciellen übergehend, so ist zunächst vorauszuscliicken, dass viele der mit nicht erliitzter Nadel angestochenen Eizellen, trotz dieses groben Eingriffes und trotz grosser Extraovate, sich nor- mal entwickelten^); während in anderen [146] Fällen mit nur sehr geringem Substanzaustritt gleichwohl die Entwickelung ausblieb. Dies führt zu der Annahme, dass Substanzen sehr verschiedener entwickelungsmechanischer Dignität in der Furchungs- zelle enthalten sind; und zwar einmal Substanzen, welche für die Entwickelung nicht unerlässlich nöthig sind, und zweitens Substanzen, deren Austritt in sehr geringer Menge aus der Furchungszelle oder deren Störung der Anord- nung die Entwickelungsfähigkeit der letzteren aufhebt. Bei dem gegenwärtigen Standpuncte unserer Kenntnisse werden wir die letzteren Substanzen',, vorzugsweise" als Kernbestandtheile betrachten. Ich bemühte mich deshalb bei der Operation mit der kalten Nadel, den Kern durch mannigfache intraovale Bewegungen in der Anordnung seiner Theile zu stören, was mir aber, wie oben schon erwähnt, nur so selten gelang, dass ich es vorzog, fernerhin die Wärme noch als zerstörendes Agens zu Hülfe zu nehmen; wonach dann auch die gewünschte Wirkung eintrat. Die operirte und durch das Extraovat zum Theil entleerte Zelle füllte sich oft rasch wieder theilweise von der un- versehrten Nachbarzelle aus, was besonders deutlich bei An- stich blos einer der vier ersten Zellen nach der ^Weiten Furchung zu erkennen war [s. S. 156]. Die operirte Zelle erschien gewöhn- lich bald weisslich oder wenigstens, statt an der Oberfläche gleich- massig braun zu sein, blos noch dunkel gesprenkelt; und wir werden als Erklärung dieser Erscheinung das Pigment im Inneren um be- sondere Gebilde angehäuft finden. 1) Hinsichtlich der topographischen Beziehungen der Theile des Eies zu denen des Embryo ist es von Interesse, dass, wenn der Stiel des Extraovates mit dem Ei bezw. Embryo in Verbindung blieb und der Anstich an der schwarzen, , oberen" Hemisphäre erfolgt war, dann dieser Stiel später auf der „ventralen" Seite des Embryo sass [s. Nr. 23, S. 700, wo nicht das zweigetheilte Ei, sondern die Blastula mit dem gleichen Erfolg ,oben" angeschoben worden ist]. Zersetzungs- und andere abnorme Vorgänge. 461 A. Zersetzungs- und andere abnorme Vorgänge. Auch bei Anwendung der „heissen" Nadel verhielten sich die operirten Zellen noch sehr verschieden; und wir wollen zunächst diejenigen Fälle schildern, in denen die operirte Furchungs- kugel auch späterhin gar keine Entwickelungserschei- nungen darbot, weil in diesen Fällen die oben erwähnte erste Gruppe von Vorgängen, die Zersetzungsvorgänge am reinsten zur An- sicht gelangen. Es ist dabei nicht zu übersehen, dass ich, wie mit- getheilt, am Ende der Laichperiode also zu einer Zeit arbeitete, in der die Entwickelung schon an sich leicht in abnormer Weise vor sich geht und störende Einwirkungen weniger leicht ertragen werden [also die Selbstregulationsmechanismen sehr geschwächt sind]. Die Substanz der Furchuugskugel blieb auch in diesen extremen Fällen keineswegs unverändert, sondern sowohl der Zell- [147] leib wie der Kern gingen Veränderungen ein, welche um so weiter aus- gebreitet sich zeigten, je später ich das Ei nach der Operation auf- gehoben hatte, also zugleich auch, je weiter die nicht operirte Hälfte bereits entwickelt war; ohne dass ich indess mit dieser letzteren An- gabe einen Causalnexus zwischen dem Fortschritten der beiderseitigen Veränderungen andeuten möchte. 1. Zersetzung des Dotters. In dem Zellleib, also dem Dotter der operirten Zelle, finden sich rundliche oder ovale, von einem einfachen aber scharfen Contour umgrenzte Hohlräume in der Grösse von 10 — IbOj-i und in der Zahl von wenigen bis zu Hunderten schwankend. Der Inhalt dieser ,,Va- cuolen" ist i^j Boraxcarmin nicht gefärbt und überhaupt nicht wahr- nehmbar, wobei jedoch zu erwähnen ist, dass die Schnitte auf einem feingranulirten Eiweissunterguss liegen, so dass ähnliche Beschaffen- heit des ungefärbten Vacuoleninhalts an dünnen Schnitten oft nicht unterscheidbar sein würde; doch habe ich auch an dicken, blos in Canadabalsam liegenden Schnitten den Inhalt nicht wahrnehmen können. Da diese Gebilde dem Begriff der Vacuolen entsprechen, so will 462 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. ich den Vorgang ihrer Bildung als „Vacuolisation" des Dotters bezeichnen. Diese Vacuolisation findet sich sowohl im Bereich des mehr protoplasmatischen Bildungsdotters, wie in dem an Dotter- körnern reichen Nahrungsdotter, welche beide noch weniger scharf geschieden sind als gewöhnlich. Die ^^acuolisation ist oft so dicht, dass die einzelnen Vacuolen auf dem Querschnittsbilde stellenweise nur durch einen feinen protoplasmatischen Faden von einander ge- trennt sind; und manchmal sind von diesen Gebilden, die körper- lich betrachtet Trennungshäute darstellen, nur noch Reste vorhanden, so dass eine Communication oder Verschmelzung der Vacuolen sicht- bar sich ausspricht. Sind nur wenige ^^acuolen vorhanden, so liegen sie entweder zerstreut oder in Gruppen beisammen; und letzteren Falles sieht dann der übrige Dotter auf grosse Strecken hin nor- mal aus. Ausser dieser Vacuolisation finden sich im Dotter Stellen , wo das Protoplasma ein grob-, vorzugsweise aber ,,feinmaschiges Netz- werk" bildet, welches der Dotterkörner entbehrt und zuweilen durch Einlagerung zahlreicher braunschwarzer oder im durchfallenden Licht leicht in's Grünliche spielender Körnchen ausgezeichnet ist. 2. Abnorme Veränderung der Kerne. [148] In dem Zellleib der operirten Zelle finden sich nun des Weiteren Gebilde eingelagert, welche ich als Kerngebilde auffasse. a) Um diese Behauptung zu begründen, muss ich zunächst die Beschaffenheit der „normalen" Kerne des Froschkeimes schildern, wie sie sich nach der oben mitgetheilten Behandlung: Er- wärmung auf 80" C, Alcohol, Boraxcarmin etc., darstellt. Die Kerne bieten auch hier in den verschiedenen Entwickelungsstufen des Keimes, sowie in den verschiedenen hochgradig differenzirten Zellen derselben Stufe sehr verschiedene BeschalTenheit dar (ent- sprechend GoETTE, Ch. van Bambeke u. A.) In den Furchungskugeln der noch jungen Morulaform des Keimes zeigen sich die Kerne als gleichmässig feinkörnige, röthliche rundliche oder ovale, von einem einfachen Contour begrenzte Masse Abnorme Veränderung der Kerne. 463 von 10 — oO /< Durchmesser, welche in selir feinkörniges, zum Tlieil farb- loses, zuniTheil schwurz pio-mentirtes Protoplasma eingelagert ist. Ueber- wiegend häufig jedoch ist der Kern geschrumpft und es ist zwischen ihm und dem Protoplasma ein grosser leerer Hof; manchmal ist so- gar der Kern herausgefallen , sodass man blos den grossen durch mehrere Schnitte hindurcligehenden, aber durch die geschilderte proto- plasmatische Umgebung als Keruhöhle charakterisirten Hohlraum sieht. Gelegenthch fand ich auch eine in der regelmässigen Anord- nung ihrer gefärbten Theile wohl erhaltene, aber nur aus wenigen, kurzen, deutlich gekörnten Fädchen bestehende Aequatorialplatte. Die Figuren der anderen Kerntheilungsstadien scheinen, wie oben er- wähnt, während der Erwärmung gewöhnlich entweder rückgebildet oder rasch der Endstufe zugeführt zu werden, da sie nur sehr selten zur Beobachtung kommen. (Es ist zu erwähnen, dass den Chromatin- körnchen des Kerns gleichgefärbte Körnchen sich nicht selten zwi- schen je zwei Furchungskugeln in grösserer oder geringerer Anzahl angehäuft vorfinden); [die benachbarten Furchungsz eilen be- grenzen nämlich oft in der Mitte ihrer Berührungs- flächen eine mit Flüssigkeit erfüllte Höhle. Der Inhalt der Blastulahöhle ist oft in gleicher Weise gefärbt und körnchenhaltig als der dieser Höhle]. Ist die Umgebung des scharf abgegrenzten, rötli- lichen Kerngebildes stark mit braunen Körnchen durchsetzt, so hat der Kern ringsherum einen dunklen, bei der Besichtigung stark auf- fallenden Hof. Ist der Kern in Theilung begriffen, so findet sich die braune Körnchenmasse gegen das Ende der Theilung hin manchmal blos an den beiden Polen, also auf den distalen Seiten im Protoplasma angehäuft (s. weiter Seite 473). [149] In dem Blastulastadium zeigen sich die Kerne deut- lich durch eine^rothe, doppelt contourirte Wandung umgrenzt und stellen runde oder ovale Bläschen von 10 — 20 (.i dar, in deren Innern rothe Körnchen zerstreut oder zu einem weitmaschigen Faden- netz aufgereiht liegen; während der übrige Inhalt fast farblos und äusserst fein granulirt ist, so dass das ganze Gebilde nur blass rosa aussieht. Auf der Ga st rula stufe finden sich in den Dotterzellen 464: Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. noch wesentlich dieselben Kernbil düngen wie in der Blastula, auch noch ebenso blass, aber schon etwas kleiner, nur 8 — 12 /< im Durch- messer haltend. In den epithelialen Zellen der Keimblätter da- gegen fallen die hier noch kleineren Kerne von blos 6 — 8 i-i Durch- messer durch intensivere Rothfärbung, also durch Chromatin- reichthum auf; sie sind so dicht aus rothen Körnchen zusammenge- setzt, dass ein Kernnetz nicht zu erkennen ist und dass auch der doppelte Grenzcontour schwer zu sehen ist'). Nach der Bildung der Medullarwülste, also im ,,Embryo", fin- den wdr die Kerne von der Beschaffenheit derjenigen der Epithelien der Gastrulastufe. Die Kerne der Dotterzellen sind aber immer noch blasser und grösser als die der Epithel- zellen. b) In der operirten ,, nicht" entwickelten Furchungs- kugel finden sich nun folgende Gebilde, die ich als Kerngebilde ansprechen möchte: Erstens rundliche oder ovale Gebilde von 20 — 30 /<, manchmal bis 60 |f< Durchmesser, aus gleich massig, nur blass oder auch inten- siver roth gefärbter, äusserst feinkörniger Substanz, welche sich durch einen einfachen aber scharfen Co ntour von der Umgebung absetzt; sie entsprechen also, abgesehen von abnormer Grösse, in ihrer Beschaffenheit den Kernen der Morulastufe. Manchmal sind diese Gebilde, wohl wieder infolge von Schrumpfung, durch einen farblosen, halbmond- oder ringförmigen scharf umgrenzten Hof von der proto- plasmatischen Umgebung geschieden; und andererseits bilden in letzterer angehäufte, braunschwarze Körnchen nicht selten einen Pig- menthof um den Kern. [150] Diese Kerngebilde liegen meist soli- tär und schliessen sich ihrer Beschaff enlreit nach an die oben als sehr selten in einer Semimorula beobachteten, aus gleichmässig blass- roth gefärbter, einfach contourirter Substanz gebildeten Kerne an. Zweitens finden sich in diesem nicht in Zellen zerlegten Dotter Gebilde, welche an die bläschenförmigen Kerne der nächst älteren Entwickelungsstufe , der Blastula, sich anreihen und blos [1) Die Schilderung dieser normalen Kerne der Morula und Gastrula ist ge- legentlich des Wiederabdruckes etwas verbessert M'orden.] Abnorme Veränderung der Kerne. 465 durch ihre meist, aber nicht immer vorhandene ungewöhnliche Grösse von 40 — 60(^1 sich von ihnen unterscheiden. Sie be- sitzen eine doppelt contourirte Wandung aus gefärbter Substanz und zeigen im Inneren ein grobmaschiges, aus aneinander gereihten rotheu Körnchen gebildetes Fadengerüst; während die Hauptmasse des In- haltes wiederum äusserst feinkörnig und nur sehr blass roth oder ungefärbt ist. Neben diesen grossen Gebilden finden sich häufig eben solche von mittlerer Grösse (16 — 30 /ii) und sogar solche , welche mit blos 8 /< Durchmesser bis zur Grösse der Gastrula- und der Embryokerne herabgehen, und nur durch ihre Chromatin- armuthund durch dichte, haufenweise Zusammenlagerung sich von den kleinen normalen Kernen dieser Stadien unterscheiden. Solche ,,Kernnester" vereinigen oft Kerne der verschiedensten Grösse und können aus 6 — 30 Kernen bestehen. Einige dieser Kerngebilde haben auch wieder einen braunschwarzen Pigmenthof, welcher oft auch das ganze Kernnest umgiebt. Diese beiden Formen schliessen sich also an normale Kernfor- men an, und sind blos durch ungewöhnliche Grösse, und die erstere Form noch durch tiefere Färbung von auch im normalen Keime vor- kommenden Formen unterschieden. Eine dritte Gruppe dagegen umfasst vom Normalen in höherem M a a s s e a b w e i c h e n d e B i 1 d u n g e n ; nämlich rundliche oder ovale Gebilde von 8 — 30 // aus tief dunkelroth gefärbter, nur äusserst schwach gekörnter, fast homogen erscheinender Substanz, welche mehr oder weniger zahlreiche, anscheinend leere, vacuolen- artig abgerundete Hohlräume einschliesst. Sie sind von einem ein- fachen, aber scharfen Contour umgrenzt. Diese scharfe, gerundete Umgrenzung und das grosse Vermögen Farbstoff aufzunehmen sind in diesem Falle die alleinigen Charaktere, welche mich veranlassen, diese Gebilde nicht dem Zellleib, sondern den Kerngebilden zuzu- zählen. Ist die Körnelung der rotheu [151] Substanz deutlicher und die Vacuohsirung derselben so hochgradig, dass die rothe Substanz im Inneren nur noch dünne Septa darstellt, so erhalten diese Ge- bilde (Taf. VI Fig. 2 K') ein der soeben beschriebenen zweiten Form etwas ähnliches Aussehen. Auch die dieser dritten Gruppe zuge- W. Roux, Gesammelte Abhandinngen. II. 30 466 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. hörigen Bildungen liegen oft zu mehreren, 3—6 und mehr, dicht bei einander, und bilden so gleich der vorigen Nester, welche gelegent- lich von mehr oder weniger reich angesammeltem, braunpigmentirtem oder unpigmentirtem Protoplasma umgeben sind (Fig. 2KN). Auch kommen in manchen Nestern die Gebilde beider Gruppen ver- mengt vor. Einige Male fand ich grosse Kerne von 30 — 40 f^i mit doppelt contourirter, rother Wandung, welcher letzteren im Inneren zunächst einzelne rothe Körnchen anlagen; während weiter einwärts zahl- reiche, verwirrt liegende, durch einfach aufgereihte Körnchen gebildete Stäbchen eine zweite Schicht bildeten, die nach innen noch einen grösseren farblosen Raum freiliess. Diese soeben geschilderten Kerngebilde der operirten Zelle finden sich in dem Dotter, ohne eine Prädilectionsstelle er- kennen zu lassen. Insbesondere finden sie sich nicht in grösserer Anzahl in der Nähe der entwickelten Hälfte des Keimes und sind dieser Hälfte auch nirgend derart genähert, dass anzu- nehmen wäre, sie seien aus derselben herübergetreten ^). Demnach verbleibt nur die Möglichkeit, sie von dem „Fur- chungskern" der ,, operirten" Furchungszelle herzuleiten. Für diese Annahme spricht auch, [dass dieselben Gebilde sich einige Male auch in Extraovat vorfanden (s. S. 468) und] dass dieser Kern ja bekanntlich eine grosse Neigung zur Vermehrung zeigt. Ueber die Ursache der Besonderheiten der in unseren Fällen gebildeten Kerne vermag ich nichts auszusagen. Dagegen ist es von hohem Interesse und zeugt gleichfalls für die Richtigkeit unserer Auffassung über die Abstammung dieser ab- normen Kerne, dass sich ganz dieselben drei Arten von Kern- gebilden (wie auch die oben beschriebene Vacuolisation des Dotters) bald nach der Befruchtung voii Eiern finden, welche, ohne operirt zu sein, blos in Folge lange Zeit verhaltener Laichung nach der Befruchtung sich nicht entwickelten. [1) Bezüglich der Behauptung eines Autors, es liege Polyspermie vor, siehe die frühere Angabe S. 470 Anm. und Nr. 31.] Demarcation und Verbindung beider Eihälften. 467 Wenn man sie hier von dem Eikern oder Spermakern ableiten wollte, von denen eine Tendenz zur Vermehrung bis jetzt nicht bekannt [152] ist, so würde man damit für dieselbe Bildung eine andere Ab- stammung annehmen müssen als in den normal getheilt gewesenen operirten Eiern, wo kein Ei- und Spermakern mehr vorhanden war. Und da in den im Ganzen entwickelten Eiern keine Gelegenheit zum Uebertritt aus einer entwickelten Hälfte gegeben ist, so ist das Ge- meinsame beider Fälle, welches als die gleiche Quelle der gleichen Bildungen angesehen werden kann, nur der Furchungskern. 3. Demarcation und Verbindung beider Eihälften. Yon Interesse und Wichtigkeit ist ferner das Verhalten beider Eihälften gegen einander. Häufig bildet sich eine schon äusserlich sichtbare Abgrenzung dadurch aus, dass die entwickelte Hälfte etwas grösser wird als die operirte und ihren Rand gegen die letztere etwas einzieht^), so dass auf dem Blastulastadium eine dem Urmundsaume ähnliche Furche entsteht. Auf dem Durchschnitte sieht man schon in frühen Stadien häufig eine deutliche Demarcationslinie als den Ausdruck einer be- sonderen ,,Demarcationsschicht^'. Diese stellt eine 4 — S /ii dicke Lage feinkörniger, also von Dotter körnern freier, theils farb- loser, theils schwach roth gefärbter und in der Nähe des oberen Randes zumTheil schwarzbraun pigmentirter Substanz dar, welche man für Protoplasma halten kann, das von einer der beiden Fur- chungskugeln abgeschieden worden ist. Ich vermuthe, dass sie von der operirten Zelle herstammt, da sie mit ihr in Continuität steht, und die Zellen der lebenden Hälfte sich an manchen Stellen durch eckigen Spaltraum gegen sie absetzen. Diese Demarcationsschicht geht gewöhnlich von der freien Oberfläche des Eies aus und dringt ungleich tief, manchmal bis zu einem Drittel des Eidurchmessers ein. [1) Dies bekundet also schon eine gewisse Tendenz, die Wunde zu schliessen, welche später H. Driesch an Seeigel-Halbbildungen und ich an älteren Halbbildungen des Frosches in höherem Maasse beobachtet haben (s. Nr. 26, S. 45)]. 30* 468 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. An den Stellen, wo diese Deniarcationsschicht fehlt, kommt es vor, sofern nicht die Zellen der entwickelten Hälfte sich in einem Spalt von der operirten absetzen, dass beide Eihälften unmittelbar sich berühren, und eine scharfe Grenze an diesen Stellen nicht erkennbar ist, weil die Zellen dieser Stelle der lebenden Hälfte auf der Seite nach der operir- ten Hälfte hin selber keine scharfe Umgrenzung darbieten, während dies an dem anderen Theil ihrer Peripherie doch ausge- sprochen der Fall ist. [153] Dies führt uns zu einem anderen Verhalten der operirten Zelle. Nur etwa bei einem Dritttheil aller microtomirten Halbbil- dungen sind die oben beschriebenen Veränderungen des Dotters und die abnormen oder wenigstens abnorm zusammengelagerten Vermeh- rungsproducte des Furchungskernes vorhanden (abgesehen davon, dass in manchen Fällen diese abnormen Derivate des Fur- chungskernes fehlten, sich aber im Extraovat vorfanden). B. Reorganisation der operirten Eihälfte. [246]. Schon bei vielen Eiern, welche die beschriebenen Ab- normitäten darbieten, finden sich in der operirten Hälfte zugleich Anzeichen von Vorgängen, welche auf eine nachträgliche Organisa- tion der operirten Eihälfte hindeuten und dannt die nachträgliche Bildung der fehlenden Körperhälfte [unter Verwendung des Materiales der operirten Eihälfte] anbahnen^); das Gleiche ist noch in höherem Maasse und schon in früherer Zeit der Fall bei Eiern, welche in der operirten Hälfte die beschriebenen Abnormi- täten vermissen lassen. Diese Reorganisationserscheiuungen in der operirten Zelle sind formal in dreierlei Weise aufgetreten. Es wird sich aber zeigen, dass zwei davon in ihrem Wesen nicht sehr von einander unterschieden sind; und wir werden aucli in der Lage sein, wenn [1) Ueber die Nachbildung der fehlenden Körperhälfte ohne Verwendung des Materials der operirten Eihälfte siehe Nr. 26 S. 45]. Erste Art der Reorganisation der oporirten Eihälfte. 469 auch nicht die Ursachen der ^^org•ä^g•e selber, so doch die Ursachen ihrer Verschiedenheiten anzusehen. 1. Erste Art der Reorganisation, a) Nucleisation. Neben allen oben beschriebenen Stufen von Halbbildungen aus der entwickelten einen Furchungskugel, von der Semimorula bis zum Hemiembryo finden sich nämlich in der operirten Zelle Zellkerne von normaler, den oben (S. 462) miterschiedenen Altersstufen ent- sprechender Beschaffenheit vor. Diese verschiedenen Altersstufen sind in der operirten Zelle derart vertreten, dass neben einer Semimo- rula nur die entsprechend jungen, nicht scharf contourirten , wenig Uhromatin enthaltenden normalen Formen vorkommen. Zugleich sind diese jungen Kerne der operirten Zelle häufig von einem relativ grossen Hof feinkörnigen Dotters umgeben, in welchem dicht um den Kern meist reichlich braune Pigmentkörnchen gelagert sind. Be- merkenswerth ist dabei, dass diese Kerne meist kleiner als die in der entwickelten Hälfte sind. [247] Bei älteren Keimen, neben Halbbildungen der Blastula- und Gastrulastufe findet man gleichfalls oft diese jugendlichen Kern- formen neben schon kleineren, schärfer contourirten und deutlich ge- färbten, also älteren Formen vor. Diese normal Iteschaffenen Kerne sind in dem Dotter der ope- rirten Zelle vertheilt und der Dotter selbst zeigt in vielen Fällen auch bei genauester Besiclitigung keine Scheidung in einzelne Zellen; während auf der entAnckelten Seite die einzelnen Zellen scharf ge- schieden sind. Von besonderer AA-'ichtigkeit ist nun die Frage nach der Her- kunft dieser Kerne. Dieselbe lässt sich durch die genaue Be- achtung ihrer Lagerung und die ^-^erwerthung einiger anderer Erschei- nungen mit ziemlicher Bestimmtheit lösen und auf zwei Quellen zurückführen. 470 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. 1 . N u c 1 e i s a t i o in 1 o c o. Erstens sprechen Tliatsachen dafür, dass diese Kerne von de m Furchungskern der operirten Zelle a))stammen können. Es wurde oben schon erwähnt, dass gegen Ende der Laichperiode partielle Entwickelung des Eies auch ohne Operation vorkommt. In mehreren solcher Eier waren sogar blos drei oder vier Zellen von der Beschaffenheit der Zellen im Stadium des üeberganges von der Morula- zur Blastulastufe vorhanden; während die ganze übrige Eimasse nicht in Zellen gegliedert war, aber an manchen Stellen mit den oben l)eschriebenen Formen abnormer Kerne, wie auch auf grosse Strecken, hin mit „jugendlichen", normal aussehenden Kernen in grosser Anzahl durchsetzt war. Manchmal war gerade in der Um- gebung der wenigen normalen Zellen die Eisubstanz so stark vacuo- lisirt, dass an einen Uebertritt von Kernen aus diesen nicht gedacht werden kann. Wir werden also anzunehmen haben, dass der Fur- chungskern theils abnorme, theils anscheinend normale Derivate ge- bildet habe, was ja in diesen Fällen mit Sicherheit schon daraus her- vorgeht, dass überhaupt alle Kerne von dem einen durch die Ver- einigung des Samen- und des Eikernes gebildeten ersten Furchungs- kern abstammen ^). [248] In den Fällen, in welchen ich diese im ungegliederten, das heisst nicht in Zellen zerlegten Dotter befindlichen, normal aus- sehenden Kerne von dem der betreffenden Eihälfte zugehörigen Fur- chungskern ableiten zu müssen glaube, sind die Kerne selber im Dotter unregelmässigvert heilt, manchmal liegen mehrere Kerne in einer Reihe und bilden mit ihren nach beiden Seiten lang ausge- zogenen Pigmenthöfen deutliche Bogen linien. Eine Beziehung zur Abgrenzungsebene gegen die entwickelte Eihälfte ist nicht wahr- nehmbar. 1) An Vielkernigkeit durch Polyspermie ist in den hier geschilderten Fällen, obgleich sie gelegentlich gegen Ende der Laichperiode am Froschei vorkommt, nicht zu denken; die Erscheinungen bei der Polyspermie sind trotz mancher Aehnlichkeit doch wesentlich andere. Erste Art der Reorganisation der operirten Eihälfte. 471 2. Nucleisatioii der operirten Eihälfte durch Niiclei- transmigration. Andererseits aber kommt es auch vor, dass die noch in geringer Anzahl vorhandenen, normal gestalteten, jugendlichen Kerne der operirten Eihälfte nahe an der entwickelten Hälfte liegen und in deren Nähe dichter gestellt sind, während sie in der distalen Seite noch fehlen. Gelegentlich findet man auch einen Kern gerade in oder unmittelbar neben einer, aber alsdann stets nur ganz dünnen ,,Demarcationslinie". Hinter einer dicken De- marcatiouslinie, oder an Stellen, wo die Zellen der entwickelten Seite durch einen Spalt von der operirten geschieden sind, desgleichen hinter der durch die heisse Nadel hervorgebrachten dicken Scholle von geronnenem Dotter, fehlen die normalen Kerne bei manchen Eiern auf dem Stadium der Morula und Blastula entweder ganz, oder es sind blos wenige Kerne in grossen Abständen vorhanden. Dies alles deutet schon auf einen U ebertritt von Kernen aus der entwickelten Hälfte hin, welcher an den Stellen erfolgte, wo keine hindernde Scheidung beider Eihälften stattgefunden hat. Ich habe nun noch zweierlei Beobachtungen gemacht, welche diese Vermuthung für manche dieser Kerne zur Gewissheit steigern. In der Gegenhälfte einer Semiblastula fand ich die wenigen vor- handenen Kerne in zwei lange Bogenlinien geordnet, welche letztere von dem Dache der Semiblastula ausgingen und durch die in der Richtung der Bogen zu langen Schweifen ausgezogenen schwarzen Höfe der Kerne noch deutlich die Bahnen der von der entwickelten Hälfte entfernteren Kerne erkennen liessen. In diesem Präparate ist von den Grenzzellen des Daches der Semiblastula gerade keine im Momente der Theilung fixirt, so dass der unmittelbare Kernübertritt nicht gesehen werden kann. Dies letztere ist mir nun aber an einigen anderen Präparaten aufzufinden gelungen. Auf der Morula- und jungen [249] Blastulastufe findet man, wie S. 468 erwähnt, manchmal Grenz z eilen der entwickelten Hälfte nur nach dieser letzteren Seite hin wohl abgegrenzt, während nach der operirten Hälfte hin die Grenze fehlt, so dass diese Zellen li 472 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. contiiiuirlich in die Substanz der unentwickelten Hälfte übergehen; ein Verhalten, wie es bekanntlich auch normal nach der ersten wagrechten Furche des Froscheies und noch weit länger bei den meroblastischen Eiern am Keimrande sich vorfindet. Enthalten diese Zellen in unserem Falle einen ruhenden Kern, so liegt der- selbe gegen die, durch eine benachbarte Spalte oder Demarcationslinie leicht zu ziehende, Grenzlinie beider Hälften hin, also nach der un- entwickelten Hälfte hin, verschoben: dies manchmal derart, dass der Kern auf diese Linie selber zu liegen kommt. In zwei Fällen waren aber solche Kerne gerade in Theilung; und man sah so die eine Kernhälfte 20—40 f.i weit in die unentwickelte Eihälfte hineinragen. Zugleich sah ich einmal, wie die dieser Kernhälfte zugehörige Hälfte des Pigmenthofes dem Kern selbst weit (20 ii) vor- ausgeeilt Avar; während an der anderen, in der Zelle verbleibenden Hälfte der halbe Pigmenthof, entsprechend der früher gemachten An- gabe, gleichfalls auf der distalen Seite des Kernes, aber letzterem näher gelegen war. Diese Erscheinungen des Uebertrittes von Kernsub- stanz aus der entwickelten in die operirte Hälfte habe ich sowohl auf der Blastula- wie auf der Gastrulastufe der ersteren Hälfte beobachtet. Somit ist erwiesen, dass eine Versorgung der operirten Eihälfte mit neuen Kernen von der entwickelten Hälfte aus, also eine „Nucleitrans- migration" vorkommt; und die obigen Mittheilungen machen es wahr- scheinlich, dass dieser Vorgang manchmal in ausgedehn- ter Weise stattfindet. Doch lässt sich natürlich später nichtnach- weisen, wie viele der anscheinend normal beschaffenen Kerne der operirten Hälfte diese Abkunft haben, wie viele dagegen von dem ursprünglichen Furchungskerne abstammen. Wahrscheinlich ist es dagegen, dass- die Transmigration der Kerne nur im An- s c h 1 u s s a n d i e K e r n t h e i 1 u n g innerhalb einer an die unentwickelte Hälfte austossenden Zelle vor sich geht, w^eil ohnedies die Zelle selbst ganz kernlos werden würde. Es ist vielleicht von Bedeutung, dass die normal beschaffenen, [250] als übergetreten aufgefassten Kerne mit einem feinkörnigen Erste Art der Reorganisation der operirten Eihälfte. 473 Protoplasmiihol' umgeben sind, von dem, nach dem direct beob- achteten Kernübertritt zu urtheilen, vielleiclit ein Theil aus der entwickelten Hälfte [nebst Centrosomen? s. Nr. 26, S. 34] mit übergetreten ist. Häutig beobachtete ich au den normal aussehenden Kernen der unentwickelten Eihälfte schöne K erntheilungsfiguren. An jugend- lichen, noch mit einem Pigmenthof umgebenen Kernen war dabei ein eigenthümliches Verhalten der Pigmentsubstanz wahrzunehmen. Zur Zeit der Aequatorialplatte ist das Pigment manchmal blos an den Seiten des Kernes, also neben der Aequatorialplatte als gerader Streif oder als Pigmentanhäufung vertreten, während die Um- gebung der Pole der Kernspindel vollkommen pigment- frei ist. Auf späteren Stadien der Theilung dagegen ist manch- mal das Pigment nur an den beiden „distalen" Seiten der Umgebung der Kernpole angehäuft. Zwischen diesen Extre- menkommen alle Uebergangsformen vor. Einmal sah ich auch einen blassen, in Theilung begriffenen und von Pigment umgebenen Kern sehr lang ausgezogen und zugleich in Form einer Halb- kreislinie gebogen. Auf späteren Stadien der Blastula oder Gastrula findet man die übergetretenen Kerne manchmal schon ziemlich gleichmässig in der operirten Eihälfte vertheilt, so dass anzunehmen ist, dass die über- getretenen Kerne allmählich tiefer in die noch nicht mit Kernen ver- sorgte Dottermasse eindringen, bis eine manchmal annähernd gleich- massige Vertheilung hergestellt ist. Und bei dieser Ve r theil ung der Kerne in einer nicht cellulirten Masse ist natürlich der oben (S. 472) für die Transmigration geltend gemachte Grund hin- fällig, zufolge dessen die Kernwanderung nur im Anschluss an eine Kerntheilung vor^sich gehen konnte. Vielmehr lassen die Beispiele der Wanderung des Keimbläschens vor der Bildung des ersten Richtungskörperchens, später die Rückwanderung, ferner die Wan- derung des Samenkernes im Ei, besonders während seiner blossen Penetrationsbahn, auf welcher er, wie ich gezeigt habe, noch nicht dem Eikern entgegengeht, sondern einfach in die Eimasse eindringt, daran denken, dass auch hier vielleicht eine von der Kerntheilung 474 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. unabhängige Ortsveränderung der Kerne stattfinden kann. [Es müssen also auch ohne gleichzeitige Kerntheilung energische attrac- tive und tractive Wechselwirkungen zwischen Zellkern und Protoplasma vor sich gehen.] Jedoch setzen die vacuoli- sirten Theile des Dotters und noch mehr die durch die heisse Nadel geronnene, [251] schwach gelblich schimmernde Dotter- scholle, sowie die unmittelbare Umgebung der Kernnester, dieser Wanderung der normal gestalteten Kerne einen besonderen Widerstand entgegen. In anderen Fällen sind auch neben einer ,,Semigastrula" in der operirten Eihälfte nur ,,wenige" und zugleich noch ,, neben" der entwickelten Hälfte gelegene, normale Kerne walirnehmbar ; so dass also zu vermuthen ist, dass der U ebertritt in diesen Fällen erst in späterer Zeit erfolgt oder nur sehr langsam vor sich gehen konnte. Desgleichen scheint auch die Vertheilung der bereits über- getretenen Kerne in dem Dotter der operirten Zelle manchmal langsam vor sich zu gehen. Wir werden im Weiteren sehen, dass die als normal beschaffen bezeichneten Kerne weitere Stufen der Entwickelung durch- machen, während die abnorm beschaffenen oder nur abnorm zu Nestern zusammengelagerten Kerngebilde dieser Entwickelung so lange Widerstand entgegensetzen, bis sie von weiter entwickelten Zellen eingeschlossen und allmählich verzehrt worden sind. Von Interesse ist auch, dass die abnorm gestalteten, sowie die annähernd normal gestalteten, aber zu Nestern zusammenliegenden also gleichfalls ein abnormes Verhalten darbietenden Kerne schon die rothe bläschenförmige Beschaffenheit darbieten, während die anderen, von mir für normal gehaltenen, im Dotter verth eilten Kerne noch die fast farblose Jugendform mit Pigmenthof zeigen ; und ferner, dass manche dicht neben einer Semigastrula gelegenen Kerne gleichfalls diese Jugendform darbieten und mit einem grossen Pigmenthof um- geben sind, während in der Gastrula selber solche Kerne nicht mehr sich vorfinden; so dass es scheint, als habe die übergetretene Kern- hälfte sich in dem Dotter der unentwickelten Hälfte zu einem früheren Stadium verjüngt [?]. Weiteres siehe Nr. 30, S. 3. Erste Art der Reorganisation der operirten Eihälfte. 475 b) Nachträgliche Cellulation der operirten Eihälfte. Erörtern wir nun das Verhalten des Dotters zu den in in ihm vertheilten, scheinbar normal beschaffenen Kernen. Während in der entwickelten Hälfte zur Zeit der Morula und Blastula die Gliederung in Zellen meist sehr leicht sichtbar ist, indem auf den Durchschnitten deutliche Linien feinkörniger, an Dotterkörnern freier Substanz an den Berührungsflächen der Zellen die Zellgrenzen markiren, und während an vielen anderen Stellen durch einen feinkörnigen Saum sich abgrenzende, stark gerundete, also in beginnender Framboisia minor be- griffene [252] Zellen Lücken zwischen sich lassen, so erscheint auch nach der Vertheilung normal beschaffener Kerne im ganzen Dotter der operirten Hälfte derselbe oft noch als eine einzige zusammenhängende und nirgends durch die beschriebenen Linien in Zellterritorien gesonderte Masse. Doch ist in manchen Präparaten, wohl als Vorläufer einer solchen Sonderung in Zellen, eine Zunahme der Menge des fein- körnigen Bildungsdotters um die Kerne wahrnehmbar ; und ausserdem treten Radiationsfiguren, sogenannte Sonnen, um die Kerne auf (s. Tafel VI Fig. 1). Diese Radiationen bestehen darin, dass auf dem Durchschnittsbilde radiäre Züge von feinkörnigem Dotter die Masse der groben Körner des Nahrungsdotters in radiär geordnete keilförmige Segmente zerlegen, und dass an den- jenigen Stellen, wo diese Dotterstrahlen sehr dünn sind, die meist ovalen Dotterkörner mit ihrer Längsaxe in Richtung des Radius gestellt sind. [Centrosomen waren bei der angegebenen Vorbehandlung der Objecte nicht wahrnehmbar.] Zwischen benach- barten Sonnen ist fast immer ein Streifen nicht radiirter Substanz wahrnehmbar. Diesem Stadium der Bekernung oder Nucleisation des Dotters folgt dann die wirkliche Zerlegung der Dottermasse in den einzelnen Kernen zugehörige Zellleiber, die Cellulation. Diese Sonderung bekundet sich durch die Ausbildung der feinkörnigen, an Dotterkörnern freien Trennungslinien und stellenweise auch durch 476 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. das Vorhandensein von Lücken zwischen den abgerundeten Seiten benachbarter Zellen. Diese Cellulation des Dotters geht ebenso wie die Nucleisation desselben zu sehr verschiedenen Zeiten vor sich. Sie kann neben einer Semigastrula noch fehlen und neben einer jungen Semimorula oder Semiblastula schon in demMaasse vorhanden sein, dass die Zellen nur wenig grösser sind als in der normalen Hälfte [s. Nr. 26, S. 45]. Die Ausbreitung dieser Cellulisation im Räume zeigt ein typi- sches Verhalten, welches von besonderer Wichtigkeit ist: Die nach- trägliche Cellulation der operirten Eihälfte beginnt stets unmittelbar neben der entwickelten Hälfte und schreitet von da aus continuirlicli fort^), [kann aber um mehrere Kerne gleichzeitig stattfinden. Siehe auch Nr. 26, S. 35.] [253] Einige Male habe ich eine isohrte Zelle in ringsum noch nicht cellulirter Substanz aber in der Nähe der entwickelten Hälfte liegend gesehen. Die Zellen, in welche die operirte Furchungskugel auf diese Weise nachträglich zerlegt wird, sind von sehr verschiedener Grösse innerhalb desselben Präparates: meist etwas, manchmal aber auch mehreremale grösser als die Dotterzellen der entwickelten Hälfte; ver- einzelt kleiner; grosse und kleine Zellen liegen unmittelbar neben einander. Gelegentlich sah icli Theilungserscheinungen an den grösse- ren Zellen, so dass also die durch secuudäre Zerlegung des bekernten Dotters gebildeten Zellen auch der weitereu Zerlegung durch Theilung fähig sind, gleich den Furchungs- 1) Solclie Eier bieten alsdann ein ähnliches Verhältniss dar. wie erst am Ende der Laichperiode befruchtete nicht operirte Froscheier. Die Durchfurchung bleibt nämlich gegen Ende der Laichperiode auf der unteren, weissen Hälfte manchmal lange aus; und noch ausgesprochener ist dies auch schon zur normalen Zeit an „Riesen eiern" vom 2 — 2'/2fachen des normalen Durchmessers. Daselbst ist die mittlere Hälfte der Unterseite des Eies oft noch ganz ungefurcht, während die obere, schwarze Seite schon in ganz feine Theile zerlegt ist. Diese Rieseneier „be- weisen" also direct die HAECKEL-BAi.FouR'sche Hypothese, dass die partielle Furch- ung durch die Anhäufung grösserer Mengen von Dotter im Ei bedingt sei; während dei'selbe Effect an Eiern von normaler Grösse gegen Ende der Laich- periode wohl auf eine Abnahme der sondernden Kräfte zurückzuführen ist. Erste Art dor Reorganisation der operirten Kiliälfte. 477 kugeln. Zu derselben Annahme gelangen wir (Ivu'cli die Beobach- timg, dass auf dem Stadium des Hemiembryo der einen Hälfte die andere, operirte Hälfte, wenn oder -so weit sie überhaupt cellulirt ist, meist aus kleinen Zellen gebildet sich zeigt. Worin eigentlich die Reorganisation innerhalb der anscheinend mit Abkömmlingen des der operirten Eihälfte zugehörigen Furchungs- kernes versorgten Dotterpartien besteht und an welchem von beiden Theilen sie sich vollzieht, wissen wir nicht. Wir sahen blos, dass die mit der Kerntheilung normaler Weise verbundene Dottertheilung in Zellen ausgeblieben war, vermögen aber nicht zu beurtheilen, ob dies durch Veränderung des Dotters oder der Kerne oder beider bedingt war. Und deshalb entzieht es sich uns zugleich, durch w^elches Theiles Reorganisation nun die nachträgliche Radiation und Cellulation des Dotters ermögHclit wurde, und auf welchen Wirkungen und Ursachen sie beruht. In denjenigen Theilen, welche mit transmigrirten Kernen versehen worden sind, könnte man vermuthen, dass der Einfluss dieser normalen Kerne eine Reorganisation des Dotters bewirkt habe. Und da die Cellulation stets nur in Berüh- rung mit [254] schon cellulirtem Material vor sich ging, so liegt es nahe, in dieser Berührung einen zu höherer vitaler Gestaltung anregenden Einfluss anzunehmen. Die soeben geschilderte Art der nachträglichen Cellulation des Dotters erstreckt sich, in Gleichem wie oben von der Nuclei- sation desselben berichtet wurde, nur auf die nicht sichtbar ver- änderten, nicht vacuolisirten und nicht mit abnormen Kernen versehenen Theile; w^ährend die in dieser Weise abnor- men Partien durch einen weiterhin zu schildernden, abweichenden Modus und zwa;; erst später wieder verwendbar gemacht werden. Die in dem Dotter der unentwickelten noch nicht cellulirten Ei- hälfte zerstreuten Kerne erinnern auf dem Stadium grösserer Proto- plasmaansammlung um sie mit ihren radiärsn Protoplasmaausläufern etwas an die plasmodienartigen Zellen, welche Kupffer und Gensgh') in dem Dotter der Knochenfische beobachtet haben , und des- 1) H. Gensch, Die Blutbildung auf dem Dottersack bei Knochenfischen. Arch. f. micr. Anat. 1881. Bd. 19. S. 146. 4:78 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. gleichen an die ähnlichen Bildungen, die Rückert^) bei Sela- chiern neben dem Rande der Keimscheibe gefunden undMerocyten genannt hat. Die Merocyten Rügkert's sind durch ungewöhnliche Grösse oder durch grössere Zahl der Kerne ausgezeichnet^), während hier bei uns die übergCAvanderten Kerne die normale Grösse haben. Gemeinsam aber ist den von diesen Autoren beschriebenen Bil- (^lungen und den unseren, dass sie sich für die Verwendung der Dotter- masse zum Aufbau des Organismus nützHch erweisen, wie wir bezüglich der unseren aus der weiter unten zu schildernden Postgeneration ersehen werden. Dagegen bekunden die von mir beobachteten abnorm be- schaffenen, durch ihre Grösse jedoch den grossen Kerngebil- den dieser Autoren entsprechenden Kerne in Bezug auf Nützlich- keit, so viel ich bis jetzt sehe, zunächst das entgegengesetzte Ver- halten, indem gerade an denjenigen Stellen, wo sie lagern, die Cellulation ausbleibt; [255] ja manchmal werden sie ganz an den Rand gedrängt, durch geordneten Zusammenschluss der unterliegenden Zellen abgesondert und so eliminirt, also ganz von der Verwendung zum Aufbau des Organismus ausge- schlossen. Die erste Art der Reorganisation der operirten Eihälfte bestand in der Versorgung derselben mit einer ,, grösseren Anzahl" von Kernen, und in der ,, nachträglichen" Abgliederung von Zellterritorien um jeden dieser vielen Kerne. Auf diese Weise werden aber, wie erwähnt, nur die nicht sicbtbarlich veränderten Partien des Dotters reorganisirt , und auch diese nicht immer, denn mehrere Male sah die nicht entwickelte Gegenhälfte einer Semiblastula auf den optischen Durchschnittsbildern norinal aus und war auch nicht allenthalben durch eine Demarcationslinie von ersterer geschieden, und gleichwohl waren keine Kerne in ihr auffindbar. 1) F. RüCKERT, Zur Keimblattbildung bei Selachiern. München 1885. 2) Dies legt den Gedanken nahe, dass vielleicht manche meiner „Kernnester " mehr den Merocyten Rückert's entsprächen, und dass deshalb die Kernnester so lange persistiren , nämlich bis alle hochgradig veränderte Dottersubstanz wieder assimilirt wäre. Doch scheint mir dies in Folge des oben angeführten Verhaltens weniger zu- treffend. Zweite Art der Reorganisation der operirten Eihälfte. 479 2. Zweite Art der Reorganisation der operirten Eihälfte. Die vacuolisirten Partien des Dotters und die Bezirke mit den abnormen Kernen bleiben l)ei dieser ersten Art der Wiederver- wendung stets un betheiligt. Wo diese Substanzen unmittel- bar neben der lebenden Hälfte liegen, ist der Uebertritt von Kernen lange Zeit ganz gehemmt; und frühestens am Ende der Blastulastufe fand ich Bilder, welche auf eine zweite Art der Reorganisation hindeuten, und zwar auf eine Reorganisation, die sich vorzugsweise auf diese hochgradig abnormen Sub- stanzen erstreckt. Neben einer solchen Semiblastula sieht man eine oder wenige vollkommen abgegrenzte, rundliche Zellen jenseits der Median- ebene in die noch an Dotterkörnern reichere Partie zwischen den Vacuolen eingelagert und halb oder fast ganz von dieser Substanz umschlossen. Diese Zellen weichen durch ihre rundliche Gestalt, wie auch durch verschiedene bald etwas erheblichere, bald geringere Grösse und durch grösseren Gehalt an Dotterkörnern von den polyedri- schen Zellen der normalen Nachbarschaft in der entwickelten Hälfte ab; aber sie führen immerKerne vonderselben Beschaffen- heit als diese normalen Zellen. Nur äusserst selten habe ich noch jenseits dieser rundlichen, im Verhältniss zu den durch Modus I gebildeten Zellen kleinen Zellen noch einen freien Kern in der Dottersubstanz gesehen. Derselbe Modus ist auch neben Semigastrula und Hemi- embryones zu beobachten, und geht auch von den Dotter- zellen [256] dieser Gebilde aus und kann sich tiefer in die un- entwickelte Hälfte hineinerstrecken. Ich glaube ^iese Erscheiimng so auffassen zu müssen, dass die schon weiter entwickelten, kleineren Zellen oder ihre Kerne fähig sind, auch in höhergradig veränderten Dotter einzu- dringen und ihn ,, wieder zu beleben"; bestehe diese Wieder- belebung nun darin, dass die Zelle an der Grenze den an- liegenden Dotter ,,als Nahrung aufnehme" und bei der Theilung dieser Zellen dann die eine der Tochterzellen in dem ur- 480 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. sprünglich fremden Gebiete liegt; oder dass bei einer Theilung, wie beim ersten Modus, der Kern mit sehr wenig Protoplasma übertritt, mit dem Unterschied jedoch, dass er dann aber nicht weiter wandert und sich nicht eher theilt, als bis die Umgebung durch seinen Einfluss wieder so weit belebt ist, dass er sie um sich zu einer abgeschlossenen Zelle gruppirt. Welches von beiden das Richtige ist, ob Verdauung und neue Assimilation auch dos Bildungsdotters, oder directe Wieder- belebung [des Nichtlebenden aber noch Lebensfähigen], ist vor- läufig nicht zu sagen ^). Diese zweite Art des Reorganisation ist vielleicht ähnlich der von Rügkert bei Selachiern beschriebenen normalen Verwendungs- weise von Kernen zum Aufbaue des Embryo, indem daselbst die [1) Diese Stelle ist sehr missdeutet worden, besonders von 0. Hertwig (Ueber den Wertli der Furchungszellen für die Organbildung des Embryo. Arch. f. micr. Anat. Bd. 42. 1893/94). Meine Auffassung beruht auf der von W. Preyer betonten und von mir, wie ich sehe, mit Unrecht als allgemein bekannt vorausgesetzten Unterscheidung von „Nicht mehr Lebendem, aber noch Lebensfähigem" und wirklich „Todtem". nichtwiederzußelebendem. Welcher Grad von Veränderungen die Grenze zwischen beiden darstellt und ob resp. woran dieses Grenzstadium microscopisch zu erkennen ist, ist unbekannt; daher wäre es müssig, hier bei dieser Gelegenheit bestimmte Unterscheidungen machen zu wollen. Jedenfalls lag es mir fern, wirkHch Todtes im Sinne Preyer's direct (nicht durch Verdauung und neue Assimilation) wiederbelebt werden zu lassen (Weiteres siehe S. 79 „reparative Assi- milation"). Von „todter" Substanz spreche ich hier, das heisst in diesem Abschnitt, wo es genauer darauf ankommt, blos beim dritten Modus der Reorganisation, welcher bei sichtbar veränderter Substanz stattfindet und erwähne dabei zugleich (S. 484), dass diese Reorganisation „zweifellos auf dem Wege der Verdauung und Assimilation" durch die Zellen vor sich gehe. In den früheren Abschnitten dagegen habe ich allerdings oft statt von der „ihrer eigenen Entwickelungsfähigkeit beraubten Eihälfte" kurz von der „operirten" oder der „getödteteu" Eihälfte gesprochen. Es kann aber überhaupt als zweifelhaft aufgefasst werden, ob das Ausbleiben der Cellulation des mit Kernen versehenen Dotters wirklich auf „Nichtleben" des Dotters beruht und vielleicht sogar auch, ob es bei dem Voi'handensein sichtbarer Veränderungen des Dotters durch diese bedingt ist, oder ob nicht etwa der Mangel anCentrosomen oder dieSch wache derselben die Ursache ist ; in diesem Falle wäre dann nicht eine „Wiederbelebung" des „nichllebenden" Protoplasmas nöthig, sondern eine Vermehrung und Vertheilung resp. Activirung von Centrosomen. Diese Auf- fassung ist aber wieder davon abhängig, ob Kernvermehrung ohne Centrosomen mög lieh ist. Wir kommen also bei jeder Deutung auf Unbekanntes.] Dritte Art der Reorganisation des Materiales der operirten Kihälftc 481 kleinen, neben der Keimscheibe sich findenden Kerne mit ihrem kleinen Protoplasmamantel sich vom Dotter alhnähiich ablösen und neue Zellen bilden. In beiden Fällen findet Abgliederung des Ma- teriales gleich in ,, kleine Zellen, allmähliches Vorrücken" dieses Prozesses im nicht ganz belebten Materiale und Verwendung für den Organismus statt. Auf diese Weise sah ich grössere Strecken der ope- rirten Hälfte wieder belebt; neben einer Semiblastula fand sich bereits die ganze zweite Hälfte des Daches durch solche, noch un- regelmässig gestaltete, meist rundliche Zellen gebildet, während der übrige Theil der operirten Purchungskugel noch nicht cellulirt war. Zwischen den neuen wohlabgegrenzten Zellen waren auch Reste noch nicht verwendeten Dotters vorhanden. Diese Art der Reorganisation vervollkommet viel- fach das Werk, welches die zuerst geschilderte Art nicht zu vollenden vermochte. Es ist ferner daran zu denken, dass in späterer Zeit, wenn die auf erstere Art gebildeten Zellen schon durch Theilung [257] kleiner geworden sind, derselbe Process, statt von den Zellen der „entwickelten" Hälfte, auch von ihnen ausgehen und die in ihrem Bereiche liegenden abnormen Massen , besonders die Kern- nester, „aufzehren" kann. Darauf deuten Stellen hin, wo einzelne nicht grosse Zellen in eine Gruppe von den oben geschilderten ab- normen grossen, rothen Kernen eingedrungen sind. An manchen Stellen der wiederbelebten Hälfte findet man auch viele dunkelrothe Schollen die Intercellularräume ausgussartig erfüllen. Man könnte dieselben wohl für die Reste abnormer Kerne ansehen mögen ; gleich aussehende Bildungen finden sich indess auch gelegentlich in der normal entwickelten Hälfte auf mehreren Schnitten an den einander entsprechenden Stellen. 3. Dritte Art der Reorganisation des Materiales der ope- rirten Eihälfte. Diesen beiden Arten der Ausdehnung der Wirkungssphäre der Zellen der entwickelten Hälfte auf die operirte und zugleich der W. Ronx, Gesammelte Abhandlungen. II. "-^ 452 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Wiederbelebung und Verwendung ihres Materiales für den künftigen Organismus reiht sieh noch eine dritte Art der Reorganisation an, welche unter „Umwachsung" der „todten" Hälfte von der äusseren Schicht der entwickelten Half te aus sich voll- zieht. Dieser Modus findet sich in Präparaten, wo der Dotter der operirten Eihälfte in deren Innerem, insbesondere an der Abgrenzungs- fläche gegen die entwickelte Hälfte hin, ganz vacuolisirt oder mit vielen abnormen Kernen durchsetzt ist. Ob diese Zersetzung und die abnorme Kernbildung allein durch die Operation hervorge- rufen ist, oder ob sie durch die abnorme Retention der Eier im Uterus (da ich ja am Ende der Laiehperiode operirte) bedingt ist, ist für unseren gegenwärtigen Zweck ohne Bedeutung. In anderen Fällen weniger ausgedehnter und vielleicht auch qualitativ geringerer Zersetzung findet sich der dritte Modus neben dem zweiten zu- gleich vor. Die Erscheinungen dabei sind folgende. Von allen oder manchen Th eilen der Peripherie der ent- wickelten Hälfte ausgehend erstreckt sich eine pigmen- tirte Zelll age auf die unentwickelte Hälfte mehr oder weniger weit fort; diese Lage ist an ihren der entwickelten Hälfte näheren Partien in ihrer Dicke aus zw^ei oder drei annähernd denen der Nach- barschaft der entwickelten Hälfte gleichenden Zellen gebildet, während sie gegen den freien, die Grenze des bereits Ueberzogenen darstellen- den Saum einige oder mehrere Zellen w^eit [258] manchmal blos aus einer Zelle in der Dicke dargestellt wird. Und während erstere Zellen mehr rundlich oder cubisch sind, zeigen sich letztere platt und sind zum Theil gegen den freien Saum noch zugeschärft, verhalten sich also wie auch sonst Epithelien, wie selbst hohe Cylinderepithelien bei der Ueberhäutung eines Defectes. (gelegentlich sind jedoch auch einige der Randzellen dick und springen erheblich über den noch nicht umwachsenen Nachbartheil vor. An man- chen Stellen sind die untersten Zellen dieser Umschliessungsschicht oder auch die einschichtig gelagerten Randzellen gegen die umschlos- sene Masse convex gestaltet und ruhen dann in entsprechenden Grübchen der nicht cellulirten Dottersubstanz. In Verbindung mit Dritte Art der Reorganisation des Materialos der operirteu Eihälfte. 483 der Tliatsache, dass die Aiissenfläche der übcrhäuteten Partien nicht nur nicht der Dicke des mehrscliichtigen Theilos der Umwachsungs- schicht entsprechend, sondern überhaupt fast gar nicht über den regelmässig gekrümraten Bogencontour der unentwickelten Hälfte sich erhebt, ist mit Sicherheit zu folgern, dass die hier gelagerten Um Schliessungszellen den Raum früherer Dotter Substanz einnehmen und es liegt daher nahe, anzunehmen, dass sie sich auch auf Kosten der von ihnen umschlossenen Substanz „ernähren", vergrössern und vermehren. Die Abstammung dieser U m s c h 1 i e s s u n g s z e 1 1 e n aus der entwickelten Ei- hälfte kann nicht zM'eifelhaft sein, da in manchen Fällen sonst nirgends Zellen oder normale Kerne in der operirten Hälfte sich finden. Wir haben also drei Modi kennen gelernt, auf welche von der entwickelten Hälfte aus die operirte wieder belebt und damit, wie wir sehen werden, zugleich zu ihrer Verwendung zur Entwickelung vor- bereitet wird. Der erst er e Modus fand offenbar blos bei geringer Veränderung des Material es der operirten Hälfte statt und be- wirkte wohl eine „directe Wiederbelebung" des [„nichtleben- den" aber] nur wenig veränderten Dotters, welcher dann eine Abgliederung in gesonderte Zellterritorien nachfolgte ; die Wiederbeleb- ung geht dabei zwar auch successiv, aber doch sehr rasch vor sich und es sind oft schon im ganzen Bezirk Kerne vertheilt, ehe die Cellulation um die der entwickelten Hälfte unmittelbar benachbarten Kerne beginnt und von da aus dann rasch auf die übrigen Theile sich fortsetzt. Die beiden anderen Modi dagegen sind fähig, auch in höhe- [259] rem Maasse veränderte Substanz wieder zum Aufbau brauchbar zu machen. S^e sind mit früherer Cellulation verbunden, schreiten aber nur langsaiu im Räume fort. Der eine davon vollzog sich im Inneren der operirten Zelle; und es war un gewiss, ob er die ver- änderte Substanz direct wieder belebt oder erst auf dem Wege der Aufnahme als Nahrung und der Assimilation in lebende Substanz überführt. Der letztere Modus dagegen ging von der Oberflächen- schicht der entwickelten Hälfte aus, umschloss die veränderte Masse 31* 484: Nr. 22. Die Hervorbiingung halber Embryonen. von aussen und führte sie wohl zweifellos auf dem Wege der „V e r d au u n g" u n d A s s i m i 1 a t i o n meder in lebende Substanz über. Alle drei ]\Iodi der Reorganisation kommen häufig neben ' ein- ander vor; der zweite steht dem dritten offenbar sehr nahe und stellt vielleicht zugleich eine Zwischenform zwischen dem ersten und dritten dar, sofern bei dem zweiten Modus der U ebertritt einzelner Kerne wirklich zum Wesen desselben gehört; andererseits Avürde er mit dem dritten Modus in seinem Wesen identisch sein und blos eine durch die räumlichen Verhältnisse bedingte kleine Modification desselben darstellen. C. „Postgenenition" der „nicht gebildet gewesenen" Theile des Embryo. An den wiederbelebten Massen der operirten Furchungskugel vollziehen sich weiterhin Vorgänge, welche ich den blossen Reorgani- sationsvorgängen als Vorgänge der „Nacherzeugung" der „nicht ge- bildeten' ' Theile des Organismus, als „P o s t g e n e r a t i o n s v o r g ä n g e" gegenüberstellen möchte, da die Verhältnisse auf einen diese Schei- dung begründenden principiellen Unterschied zwischen ihnen hindeuten. Die Postgenerationsvorgänge stellen, wie wir sogleich sehen werden, die fehlende Körperhälfte her. Da diese Hälfte aber über- haupt noch nicht gebildet war, so kann für diese ihre nachträgliche Bildung der Name ,, Regeneration" schon aus diesem Grunde keine Verwendung finden. Und da eine derartige h o c h g r a d i g e R e g e- neration, welche eine ganze halbe Körperhälfte wieder ersetzt, für Wirbelthiere überhaupt nicht bekannt ist, so muss es zweifelhaft bleiben, ob die Vorgänge einer solchen Rege- neration mit den jetzt zu schildernden der Postgeneration identisch sein würden (s. S. 511). Von vorn herein kann eher ein gewisser Unterschied erwartet werden, weil bei der [hier zu schildernden] Postgeneration ein T h e i 1 d e s u r s p r ü n g 1 i c h e n , der fehlende n Körperhälfte zugehörigen Bildungsmateriales, der Bil- dungs- und Nahrungs [260] dotter und ein Theil des Kernmateriales bei Modus I wieder belebt und direct verwendet wird. (Eine andere Art s. Nr. 26, S. 45.) Postgeneratiou des Ectoblast 485 \'^on dem dritten Reorganisationsmodus, wie er für sich am ganz zersetzten Dotter vorkommt, liabe ich zur Zeit nicht genügend vorgeschrittene Übjecte, um zu wissen, ob das durch ihn wiederbe- lebte Material auch zur Postgeneration verwendet werden kann; von dem zweiten Modus kann ich das auch nur vermuthen, so dass also die im Folgenden zu schildernden Postgenerationser- scheinungen zunächst nur als auf die ,,erste" Reorgani- sationsweise folgend aufzufassen sind. a) Postgeiieration des Ectoblast. 1. Der ,,seitlichen" Halbbildungen. Die Postgeneration beginnt ausser lieh mit einem Vorgang, welcher dem des dritten Reorganisationsmodus ähnlich erscheint, nämlich mit der rmschliessung der operirten Hälfte durch eine besondere, pigmentirte, mit dem Ectoblast der ent- wickelten Hälfte in Continuität stehende Zellschicht. Der Unterschied zwischen beiden zeigt sich aber auf den Durch- schnitten und besteht einmal darin, dass im letzteren Falle die wei- teren, zur Bildung eines typischen Ectoblast führenden Dif f erenzirungen sogleich einsetzen, während ich ersteren Falles Derartiges, wie erwähnt, trotz grosser Ausdehnung der Um- schliessungsscliicht noch nicht beobachten konnte. Die Um Schliessung der nachträglich cellulirten Eihälfte durch eine schwarze Ectoblastschicht geht hauptsächlich in cephalo- caudaler und ventridorsaler Richtung vor sich, so dass bald nur noch ein weisses Loch am caudalen Theil des Em- bryo neben dem vorhandenen einen Medullarwulst in dem schwarzen oder braunen Ueberzuge sich findet (Taf. VH Fig. 4 u. 3). Dieses ge- rundete Loch sieht ähnlich aus wie die Hälfte eines noch weiten Ur- mundes oder Urafters. An der Bildung desselben ist auch eine Umschliessung in caudicephaler Richtung betheiligt, welche indess nur bis zur Stelle des normalen Urafters sich erstreckt. Diese ganze Umschliessung verläuft also für die äussere Betrachtung ähn- lich wie die normale Gastrulation. 486 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Ausserdem ündet sich manchmal längs neben dem Medullar- wulst und mit der Meduharplatte in Kontinuität ein schmaler schwarzer Saum, welcher der Umschhessung in cephalocaudaler Richtung vorausgeeilt ist und auf ein directes Fortschreiten der Ectoblastbildung von der Medullarplatte der ent- wickelten Hälfte aus zu [261] beziehen ist. Oft schon nach erst halber Umschhessung der nachcelluhrten Eihälfte, manchmal erst später nach ganzer Umschhessung, folgt dann die Ausbildung des zweiten fehlenden Medullar- wulstes nach und geht, soviel ich bis jetzt gesehen habe, bei den ,, seitlichen" Halbbildungen stets in cephalocaudaler Richtung vor sich. Dieser letztere Vorgang vollzieht sich innerhalb weniger Stunden und ein halber Tag oder eine Nacht genügt oft vollkommen, um einen Hemiembryo lateralis in einen ganzen Embryo mit zwei schönen Medullarwülsten zu verwandeln [s. Nr. 31, S. 253] 1). Das Entsprechende geschieht bei den Hemiembryones „ante- riores"; und eben durch diese rasche Postgeneration der hinteren Körperhälfte sind mir die meisten meiner vorderen halben Embryonen in dem Bestreben möglichst alte Exemplare zu gewinnen, als solche in Verlust gerathen. Die Postgeneration der fehlenden hinteren Körperhälfte geht, wie ich beobachtete, gleichfalls von der entwickelten Eihälfte aus und schreitet stetig nach hinten fort, und zwar ge- wöhnlich an der ganzen Abgrenzungslinie des Defectes nicht ganz gleichmässig, sondern auf der dorsalen Seite rascher. Fig. 7 b zeigt einen Fall, wo die Postgeneration blos von den Medullarwülsten und deren Nachbarschaft ausgegangen und schon ziemlich weit fortgeschritten ist. Einer Verwechselung mit einem etwaigen blossen Anachronismus der Entwickelung der vor- [1) 0. Hertwiü, welcher diese Angabe nicht beachtet hat, hat Hemiembryonen nicht sehen können und verneint daher ihr „Vorkommen" (s. Nr. 31). Er hat erst die schon fast vollkommen ergänzten Embryonen mit blos einem Defect am hinteren Ende gesehen ; dieses Stadium ist viel dauerhafter, weil bei der vorzugsweise in cephalo- caudaler Richtung fortschreitenden Postgeneration das durch die heisse Nadel geronnene Dottermaterial an diese letzte Steile verschoben wird und nun der Aveitereu Ditferen- zirung einen lange dauernden, wohl erst durch YerniitteluDg des langsamen Modus 3 der Reorganisation allmählich zu überwindenden Widerstand entgegensetzt fs. S. 499)]. Postgeneration des Ectoblast. 487 , (leren und hinteren Hälfte, also mit einer blos verspäteten, aber sonst normal sich vollziehenden Bildung der hinteren Hälfte wird, abge- sehen von den inneren Vorgängen, schon durch dieses „successive" Fortschreiten ihrer Bildung von dem bereits Entwickelten aus vorgebeugt. Findet diese Postgeneration bei Hemiembryones ,, laterales" statt, so holt sie in der Bildung des zweiten Medullär wulstes die andere Hälfte ein^) und die Entwickelung schreitet dann in beiden Antimeren weiter, das Medullarrohr wird geschlossen, der Kopf und Schwanz und die Ursegmente des Rumpfes werden beiderseits zu normaler Gestalt ausgebildet. Zum Theil entstehen dabei muntere, zum Theil aber auch bei äusserlich normaler Gestaltung matte, schwächliche, leicht absterbende Kaulquappen. Manchmal auch ist die Postgeneration unvollkommen oder [262] sie bleibt ganz aus, wie in Fig. 4 und 5, während sich die entwickelte Hälfte weiter differenzirt. In diesen ältesten meiner Fälle ist die Cellulation der operirten Hälfte im Inneren noch unvollendet; neben dem Medullarrohr liegt ein grosser Block fein- körniger, schwach gelblicher, wahrscheinlich geronnener Substanz, der der Zerlegung Widerstand geleistet und wohl auch die äussere Umwachsung gehemmt hat. Die Besichtigung von Durchschnitten durch solche in Post- generation begriffene Hemiembryonen lässt nun weiteren Einblick in die Vorgänge der Postgeneration gewinnen. Zunächst ist zu erwähnen, dass bei der Postgeneration der einen Körperhälfte eine Furchungshöhle und dem entsprechend auch später eine Blastulahöhle nicht gebildet wird. [Hierbei ist natürlich anzusehen von dem oben mitgetheilten nicht seltenen Fall, wo die Furchungshöhle der Semiblastula wohl durch zu grosse Flüssigkeitsausscheidung in die noch gar nicht cellulirte operirte Hälfte sich hineingebildet hatte. Und desgleichen entsteht manchmal [1) Geht die Postgeneratioii dabei rascher vor sich als die normale Entwickelung, oder wird die Entwickelung der normalen Hälfte in Folge des Fehlens einer gleich entwickelten anderen Hälfte verzögert?] 488 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. eine grosse Höhle von etwa 300 (.i Durchmesser an anderer Stelle *), welche leicht eine Furchungshöhle vortäuschen kann, sofern sie nahe der Oberfläche liegt und, wie es vorkommt, diese oberflächliche Grenz- schicht bereits nach dem zweiten Modus cellulirt worden ist. Die genauere Betrachtung ergiebt dann durch die feineren Unterschiede die richtige Deutung.] Die Durchschnitte zeigen an den Stellen der Um Schliessung der operirten Eihälfte mit einer besonderen braunen Zellschicht auf den ersten Blick wiederum ähnliche Bilder, wie bei der Umwachsung der durchaus zersetzten, nicht cellulirten Eihälfte ; und ich muss es, wie oben gesagt, in Zweifel lassen, ob letzterer Vorgang nicht eine Vor- stufe der Postgeneration sein kann. Die zu schildernden ^'^orgänge dieser letzteren habe ich indess bis jetzt blos an Eiern beobachtet, wo schon der grösste Theil des Inneren der operirten Furchungskugel cellulirt war und nur [263] noch wenige abnorm beschaffene, nicht cellulirte Stellen vorhanden waren ; während ich die Reorganisation durch Umwachsung nur an fast durchaus abnorm gewordenen Ei- hälften vorgefunden habe. Bald aber stellen sich charakteristische Unterschiede in der Um- schliessung durch Postgeneration von derjenigen durch Reorganisation nach dem dritten Modus ein. Falls keine störenden veränderten Massen im Wege liegen, sind zunächst die Umschhessungszellen regel- mässiger gestaltet und formiren eine in ihrem Bau dem normalen Ectoblast der primär entwickelten Hälfte entsprechende Schicht. Diese steht ., stets" mit letzterem in continuirlichem Zu- sammenhang. Der Ectoblast der normal entwickelten Eihälfte wird an den seitlichen und ventralen Theilen des Embryo auf der Stufe der noch nicht vereinigten Medullär wülste durch zwei einander be- rührende Zeflschichten dargestellt, von denen die äussere aus einer einfachen Reihe etwas platter, nur an manchen Stellen schon 1) Eine Neigung zur Flüssigkeitsabscheidung nach innen scheint übei- haupt vorhanden zu sein, denn die beschriebene Vacuolisation ist wohl auch da- rauf zurückzuführen ; und selbst unbefruchtete Eier bilden am Ende der Laichperiode in einigen Tagen während des Imwasserliegens diese Veränderung aus. i'ostgeueration des Ectoblast. 489 fast cubischer Zellen gebildet wird. Dieselben bestehen aus fein- körniger, aussen braun pigmentirter Zellleibsubstanz und aus grossen, tief rotli gefärbten Kernen. Diese Zellen formiren in ihrer Gesammt- heit mit ihrer schwach convexen Aussenfläche einen der Oberfläche des ganzen Eies entsprechend gebogenen einfachen Contour, während sie nach innen zu in Folge ihrer ungleichen Höhe mehrfache unregel- mässige Zacken bilden. Die innere Schicht des Ectoblast ist gleichfalls aus einer in den seitlichen und ventralen Partien des Em- bryo einfachen Lage aber sehr platter Zellen dargestellt, welche gleichfalls noch aus feinkörniger Substanz, aber doch von etwas gröberem Korn, gebildet sind und etwas kleinere, gleichfalls tief roth gefärbte Kerne einschliessen, Die.se Zellen schliessen sich nach innen zu zur Bildung eines glatten, nur der Biegung der ganzen Schicht entsprechend gebogenen Contours zusammen; mit ihrer unregel- mäsigeu Aussenfläche dagegen schmiegen sie sich in die Unregel- mässigkeiten der Jnnenflächeder äusseren Schicht ein. Durch diesen glatten Contour scheiden sich also die Zellen des Ecto- blast vollkommen scharf von den unter ihnen liegenden, von ihnen bedeckten Th eilen. Die Umschliessungsschicht der operirten Eihälfte ist nun [264] nach der Seite der entwickelten Hälfte hin in gleicher Weise gebildet, so dass ich nicht anstehe, diese Schicht hier gleich- falls als Ectoblast aufzufassen; zumal da sie auch in der weiteren Entwickelung sich als solches bewährt. Doch sind in je grösserem Abstände von der normalen Hälfte und um so näher dem freien Rande dieses neugebildeten Ectoblastes die Zellen desselben noch um so unregelmässiger gestaltet und um so weniger geordnet. Zum Theil auch sind diese Zellen grösser, und besonders die der inneren Schicht sind durch Reich- thum an grossen Dotterkörnern ausgezeichnet. Stellenweise fehlt auch die vollkommene Zusammenschliessung derselben zu einem glatten Ab grenzungs contour gegen die von ihnen umschlossene Masse. Letztere besteht aus den secundär gebildeten grossen Zellen, die ich als „Dotterzellen" bezeichnen will, weil sie durch ihre 4.90 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Grösse, sowie durch ihre Anfüniiiig mit grossen Dotterkörnern und ihren grossen bläschenartigen, schwach rothgefärbten Kern den nor- malen Dotterzellen gleichen. Obgleich die Kerne der tiefen Lage des neuen E ctoblast schon kleiner und dunkelroth gefärbt und die Zellen selber schon deutlich langgestreckt sind, so stellen diese Zellen durch ihre be- deutendere Grösse und noch unregelmässige polyedrische ({estalt und ihre unvollkommene Ordnung Uebergänge zu den noch grösseren, an Dotterkörnern reicheren , und noch weniger typisch geordneten „Dotterzellen" dar, deren Kerne in den neben dem Ectoblast gelegenen Zellen nicht selten gleichfalls kleiner und tiefroth sich zeigen. Gegen den freien Haum des neuen Ectoblast hört dann an manchen Präparaten jede Abgrenzungsmöglichkeit des Ectoblast gegen die Dotterzellen auf. Die Zellen bieten blos noch nach aussen hin einen einfachen glatten Abgrenzungscontour dar, was indess bei den oberflächlichen Dotterzellen auch der Fall ist; und dieser erstere äussere Contour läuft meist ohne jede Knickung in den von den Dotterzellen gebildeten über, so dass also die Ectoblastzellen nicht als eine nachträgliche Auf- lagerung auf die Unterlage sich darstellen, wie es theilweise l)ei der „Umwachsung" der todten Eihälfte dar Fall war, sondern dass sie durchaus das unterliegende Dotterzellmaterial substituiren. Das Pigment ist in den äusseren Zellen des Ectoblastrandes blos noch in der aus s ersten dünnen Rinde der Zellen gelagert, gleich wie [265] aucli in den sich anreihenden noch ganz grossen, aber mit schon stärker gefärbten Kernen versehenen Dotterzellen. Weiter hinaus vom Umschliessungsrande folgen dann nichtpigmen- tirte Dotterzellen mit den blassen Kernen^). Die am Umschliessungsrande gelegenen Ectoblastzellen sind zugleich auch grösser als die anderen und haben keine typische Gestalt, zum Theil sind sie sogar rund und liegen locker, Lücken [< ) Dieser ganzen Schilderung entsprechende Befunde erhielt D. Barfurth bei seiner sorgfältigen Untersuchung über die ,.Regeneration der Keimblätter." Siehe Anat. Hefte 1893, S. 311-354.] Postgeneration des Ectoblast. 491 zwischen einander lassend wie Dotterzellen der Blastula und haben grosse rothe Kerne. Führen wir uns diese Avichtigen Befunde noch einmal zu- sammenfassend und in ihrer Reihenfolge von den indifferen- ten Dotterzellen zu dem vollkommen formirten Ectoblast vor, so finden wir zunächst am weitesten die Veränderung der Kerne v o r g e s c h r i 1 1 e n , indem in sonst vollkommen unver- ändert aussehenden Dotterzellen schon tief rothe Kerne sich finden. An der Oberfläche ist damit zugleich verbunden die Pigmentbil- dung; diese erstreckt sich noch auf grosse, in ihrer Gestalt ganz unveränderte Dotterzellen, so weit sie schon einen tiefroth gefärbten Kern haben. Dann folgt die Zerkleinerung der grossen Zellen durch Theilung bei noch vollkommen unregelmässiger An- ordnung und Gestalt derselben. In der nächsten Zone findet Zu- sammenschliessung und Formung der Zellen zu einer auch gegen die Unterlage hin schon etwas abgeschlossenen Schicht statt; und danach erst formiren beim weiteren Zusammen- schluss die Zellen die beiden typisch gestalteten, oben geschilder- ten Schichten. Während so z. B. in der Mitte der Uebergangsschicht die Zellen zwar klein geworden sind und rothe Kerne haben, aber noch nicht die richtige Gestalt und Anordnung besitzen, also noch nicht vollkommene Ectoblastzellen sind, vermögen sie doch schon den Reiz zu der ihnen gleichen Bildung weiter zu geben, und sie selber werden erst dann, wenn schon mehr geordnete und typischer gestaltete Zellen neben ihnen liegen, auch ver- anlasst, diese specielleren Veränderungen vorzunehmen. Also die vollkommene Einordnung in den Schichten- verband und danach die typische Gestaltung sind die erst zuletzt eintretenden Vorgänge. Die Einordnung ist aber das Frühere vor der typischen Gestaltung, denn ich finde die tiefe Lage des Ectoblast an manchen Stellen schon für sich formirt, aber noch aus abnorm grossen und dicken Zellen gebildet. Da diese Vorgänge, [266] Kernumwandlung, Pigmentbildung, Zelltheilung, Zellordnung, Zellgestaltung hier bei der Postgeneration 492 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. o-esondert vorkommen, so sind sie als in gewissem Maasse voneinanderunabliängige, besondere Vorgänge' zu betrachten, von denen jeder demnach auch seine besondere Ursache haben muss. Wie weit diese Unabhängigkeit geht, insbesondere, ob die früher angeführten Stufen stets die Vorbedingung der nächstgenannten sind, vermag ich vorläufig nicht 7Ai sagen (s. S. 509). Morphologische Bedeutung dieser postgenerativen Ver- grösserung des Ectoblast. Fragen wir nimmchr sogleich nach der morphologischen Be- deutung dieser Befunde, d. h. suchen Avir aus ihnen den „Vorgang" dieser postgenerativen Ausbildung des Ectoblastes nicht nach seinen Kräften seil. Ursachen, sondern als gest alt lieh und qualitativ veränderndes Geschehen abzuleiten. Zunächst könnte man denken, die Ausbreitung des Ectoblast auf der operirten Seite geschehe durch Flächenwachsthum des Ectoblast auf der normalen Hälfte und durch der Vergrösserung entsprechen- des Her über schieben nach der operirten Eihälfte. Da wir aber den Ectoblast ganz den Raum der Dotterzellen substituiren sahen, so müssten hierbei grosse Verschiebungen der letzteren vor sich gehen, die, wenn sie rein passiv erfolgten, mit hochgradigen Stauungen und entsprechenden Umformungen der Dotterzellen verbunden sein müssten. Dass bei ,,passiven" Verschiebungen von Zellen letztere in ihrer Gestalt entsprechend der mechanischen Defor- mationstendenz verändert werden können, davon habe ich mich in einigen Fällen direct-. überzeugen können. Einmal sah ich die Zellen einer noch einschichtigen regenerirten Ectoblastlage neben einer sehr grossen, der Oberfläche genäherten Vacuole zu beiden Seiten derselben genau so gestaltet, wie es geschehen raüsste, wenn eine einfache Lage von cubischen weichen Gebilden durch eine an- drängende Blase auseinander gedrängt würde; das heisst, die Zellen waren in Richtung des Druckes abgeplattet, in dazu rechtwinkliger Richtung verbreitert; und da bei einer sich ausdehnenden Blase diese Richtung die radiäre ist, so war diese ^'eränderung entsprechend Morphologische Bedeutung dieser Postgeneratiori des Ectoblast etc J:98 verschieden gerichtet: in der Mitte der Berührungsfläche war eine Zelle einfach platt, an den beiden Seiten dagegen waren die Zellen entsprechend schief verlagert und deformirt, derart, dass die so ge- bildeten, der Kugel angeschmiegten Zellen der [267] beiden Seiten mit ihren gepressten Enden entsprechend divergirten. In einem an- deren Falle fanden sich in der Gegenhälfte einer Semiblastiila die schwarzen oberen Zellen am Aequator neben einem daselbst liegenden Klumpen veränderter, gelblicher, wahrscheinlich geronnener Substanz so abweichend gestaltet, wie auch weiche Gebilde von der Gestalt der daneben liegenden normalen Zellen hätten werden müssen, wenn sie gegen einen nicht nachgebenden Klumpen gepresst worden wären. Obgleich nun in unserem Fall trotz der Substitution des Raumes der Dotterzellen durch Ectoblastzellen keine solchen Deformationen vorhanden sind, so wollen wir doch daraus noch kein Argument gegen die Verdrängung der Dotterzellen durch die Ectoblastzellen entnehmen. Denn da bei der normalen Gastrulation durch den vorwachsen- den Saum des ürmundes gleichfalls eine solche räumliche Substitution vorkommt, ohne dass in der Mehrzahl der Fälle zugleich eine solche passive Deformation der ausweichenden grossen Dotterzellen erkennbar ist, so könnte die hierfür zu machende An- nahme, dass die Zellen schon bei dem leichtesten stetigen ein- seitigenDruck zu einer Art ,,activer" Umor dnung, activer Räumung des Feldes veranlasst werden könnten, auch hier in Anspruch genommen werden. Und wenn wir einmal solches Ver- mögen annehmen, dann kann auch das in unserem Falle vorhandene Fehlen einer Höhle (der Furchungshöhle), in welche die ver- drängten Zellen wie bei der Gastrulation ausweichen könnten, nicht als absolutes Hinderniss aufgefasst werden. Es müsste die Um- lagerung dann^nur eine viel allgemeinere werden. Sicherer aber spricht gegen die Umschliessung der operirten Eihälfte durch „Herüberschieben" des Ecto- blastes von der entwickelten aus das Fehlen einer scharfen Grenze des Ectoblast an seinem freien Rande gegen die Dotter- zellen. Dagegen zeugen die gerade an dieser Stelle sich findenden 494 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Uebergangs zeilformen zum mindesten ohne Weiteres für eine A^ergrösserung des Ectoblast von seinem freien Rande aus. Dieses Kandwachsthum des Ectoblast könnte aber an sich auf sehr verschiedene Weise vor sich gehen. Einmal durch Vermehrung der schon vollkommen difTerenzirten Ectoblastzellen unter Aufzehrung der daselbst liegenden Dotterzellen. Doch fand ich an dieser Stelle nicht die Bilder, die man sonst bei der Aufzehrung [268] von grösseren Zellen durch kleinere, z. B. bei der Aufzehrung von quergestreiften Muskelfasern durch weisse Blutzellen nach Aufhebung derBlutcirculation, hndet; nämlich dass die auf zehrende Zelle in die aufgezehrte mit einem ,,convexen" Rande mehr oder weniger tief eindringt. Im Gegentheil grenzen sich hier die Zellen gewöhnlich ziem- lich „eben" gegeneinander ab; was ich für ein wichtiges Zeichen dafür halte, dass jede derselben gegen den „Druck" des Naehbargebildes gleich hräftig ihre Gestalt zu ivahren vermag. Hier und da sieht es manchmal aus, als dränge eine Ectoblast- zelle mit ihrer Spitze zwischen die vor ihr liegenden Dotterzellen ein, aber wenn auf diese Weise die Vergrösserung erfolgte, dann brauchte nicht eine vollkommene Reihe von üebergangsformen zwischen Dotter und Ectoblastzellen vorhanden zu sein, sondern eine typische Art von Vordringungszellen am freien Rande des neuen Ectoblast Avürde genügen. Eine weitere Möglichkeit wäre die, dass zwar die Hauptmasse der Ectoblastzellen, die Zellleiber, nicht wandern, dass aber die fortschreitende Differenzirung durch Kernwanderung, durch Uebertritt von soeben durch Kerntheilung gebildeten Kernen, mit oder ohne einen kleinen Proto- plasmahof [incl. Centrosoma] aus den Ectoblastzellen in die Dotter- zellen vermittelt werde. Wenn ich nun weiter unten auch Dotter- zelleu, welche gerade im Differenzirungssaum gelegen sind und zwei verschiedene Kerne enthalten, als in dieser Zone vorkommend zu be- schreiben haben werde, so werden wir doch auch zugleich erkennen, dass der zweite kleinere Kern hier sicher als ein Abkömmling des daneben liegenden grösseren Kernes der Dotterzelle, nicht aber als ein von aussen eingewandertes Gebilde zu betrachten ist. Dagegen habe ich imr ein Mal einen Kern scheinbar auf der Grenze zweier Zellen Morphologische Bedeutung dieser Postgeneration des Ectoblast etc. 495 liegen sehen, aber häufig constaüren können, dass an der Grenze der Differenzirungszone grosse Dotterzellen blos einen, aber schon ,,tiofrothen," oder auch erst nur ein wenig tiefer rothen Kern enthielten, als die entfernteren Dotterzellen, denen sie sonst glichen, so dass also auch Uebergangsstufen zwischen den Kernen sich finden. Weisen wir somit diese Möglichkeiten zurück, so spricht da- gegen das \^orhandensein der allmählichen, in typischer Reihen- [269] folge mit dem grösseren Abstände von dem bereits vollkommen differenzirten Ectoblast auf einander folgenden Uebergangsformen von den typisch gestalteten und geordneten Ectoblastzellen zu den typischen Dotterzellen direct dafür, dass die Vergrösseruug des Ectoblast an seinem freien Rande auf der operirten Eihälfte durch ,, Umwandlung" der Dotterzellen in Ectoblastzellen sich vollzieht. Ich schliesse also: Der Ectoblast wächst auf der „nachcellulirten" und sich ,, nachentwickeln- den" Hälfte des Eies durch Fortschreiten der Differen- zirung im ,,ruh enden" Dotterzellen-Materiale und zwar unter direct er, mit Theilung verbundener ,,Um Wandlung" der Dotterzellen in Ectoblastzellen. Die hier gezogenen Folgerungen werden nun in einigen Puncten bestätigt und erweitert durch Beobachtungen, die ich bei Gelegen- heit von Störungen des normalen Verlaufes dieser Post- generation des Ectoblastes machen konnte. Manchmal befinden sich nämlich auf der reorganisirten Seite unter den Dotterzellen mit den grossen blassrothen bläschenför- migen Kernen noch grössere Zellen mit den oben beschriebenen jugendlicheren farblosen, noch von einem Pigmenthof umgebenen Kernen, wie sie n«r der Morula und jungen Blastula normaler Weise zu- kommen (Tal VI, Fig. 4 J). Diese Zellen bleiben dann undifferen- zirt^) und setzen der fortschreitenden Dif ferenzirung ein 5) Diese in Schichten höher entwickelter Zellen vereinzelt sich findenden, weniger differenzirten Zellen (siehe Taf. VI, Fig. 4, J.) erinnern an das Bild, was ich mir nach Virchow"s und Cohxheim"s Hypothese von den ,,Gesch\vulstkeimeii" gemacht habe. Damit soll natürlich nicht angedeutet sein , dass Körpertheile , in 4.96 Nr. 22. Die Heivorbringung halbei- Embryonen. Hemm- [270] niss derart entgegen, dass die weitere Bildung von kleineren Zellen mit tiefrotlien Kernen entweder in zwei Lagen gespalten an ihnen vorbeigeht; oder, wenn eine solche Zelle selber am äusseren Rande des Eies liegt, die Ectoblastbildung von der Oberfläche etwas in die Tiefe abgelenkt wird. Auch hierbei sind wieder alle die geschilderten Uebergangsformen von den fertigen, typisch geordneten und gestalteten Ectoblastzellen bis zu den unveränderten Dotterzellen wahrnehmbar, und zwar auf Bahnen, welche keineswegs von vornherein zur Ectoblastbildung be- stimmt gewesen sein können. Dagegen fehlt es aucli hier wieder welchen Geschwülste entstehen, deshalb als postgenerirte aufzufassen seien; obgleich Ausbleiben der primären Entwickelung einiger Furchungskugeln und Postgeneration der fehlenden Theile vielleicht bei Säugern ebensowohl spontan, d. h. ohne Operation, nur in Folge verspäteter Befruchtung des reifen Eies u. s. w. vorkommt, wie bei Fröschen. [Aber die Postgeneration ist bei den Säugern viel geringer (s. Nr. 27, S. 289)J. Der Anblick solcher in der DifFerenzirung hinter ihrer Umgebung zurückgebliebener Zellen regte in mir den Vorsatz an, meine gegenwärtigen und alle zukünftigen Schnittserien von Embryonen auf solche eventuellen Geschwulst- keime durchzusehen und für ältere Stadien nach Färbungsmethoden zur Differenzirung derselben zu suchen. Wenn alle anderen Autoren, welche gleichfalls über derartiges Material verfügen, dasselbe thun wollten — und diese Anmerkung soll eine Anregung dazu geben — so würden wir wohl in absehbarer Zeit wissen, ob solche „Keime" bei so vielen Individuen und im einzelnen Individuum in so grosser Anzahl sich vor- finden, dass wir alle oder einen erheblichen Antheil der nach acuter oder chro- nischer Reizung an der Reizstelle auftretenden „Geschwülste" auf die „zufällige" Anwesenheit solcher Keime zurückzuführen vermögen (NB. sofern sie sich „dauernd"' erhalten). In einem sonst normalen Frosch- embryo mit bereits geschlossenem MeduUarrohre habe ich acht solcher nicht differen- zirter Zellen von Mer Beschaftenheit der Zellen des Morulastadiums, d. h. grosse, meist runde Zellen mit nicht färbbarem , aber von schwarzem Pigment umgebenen Kerne, in alle drei Keimblätter zerstreut, aufgefunden. [Da diese Notiz bei den Pathologen, ausgenommen von A. HA^'A^• und C. ScHuoHARDT, ganz unbeachtet geblieben war, habe ich entsprechende Präparate auf der Naturforscherversammlung zu Wien 1894 in der pathologischen Section demon- strirt und allgemeines Interesse dafür gefunden. Ich zeigte solche Furchungszellen auch in älteren sonst normalen Embryonen. Besonders häufig sind sie nach verzögerter Laichung, so dass die Möglichkeit der gleichen Entstehungsursache in Folge verspäteter Befruchtung des reifen Eies im Uterus beim Menschen nicht ohne Weiteres abzuweisen ist. Ob diese Zellen aber später die embryonale Fähigkeit weiterer Dilferenzirung sowie längere Zeit dauernder Vermehrung und entsprechenden Wachsthums noch bethätigen können und also unter geeigneten Umständen sich als wirkliche „Geschwulstkeime" verhalten, ist ihnen natürlich nicht anzusehen. Ueber das electrische Verhalten siehe Nr. 25, S. 218. (Siehe auch Bd. I, S. 300 u. f.)]. Morphologische Bedeutung dieser Postgeneration des Ectoblast. 497 vollkommen an Stauungserscheinungen und an Erscheinungen des Aufgefressenwerdens der Dotterzellen. Die kleinen, weder schon typisch gestalteten noch geordneten Zellen sc hl i essen sich schon frühzeitig gegen die Unterlage, also annähernd recht- winkelig zurRichtung der f ortschreitendenDifferenzirung, zu einer ,, glatt contourirten" Schicht zusammen und son- dern sich damit bereits von der Unterlage ab, zu einer Zeit, wo im Innern des Stratums selber noch keine typische Ordnung und Gestaltung der Zellen sich findet. Dieselbe Störung des regelmässigen Fortschreitens der Ectoblastbildung kann durch das Vorhandensein der oben beschriebenen, aus abnormen Kernen und der sie umgebenden fein- körnigen Substanz gebildeten Massen bedingt werden, welche schon der Cellulation widerstanden haben. In einigen solchen Fällen sah ich die Ectoblastzellen in der Tiefe gegen diese nach aussen davon gelegenen Massen zu einem glatten Ab grenz ungs conto ur zusammen geordnet, so dass diese fremd gewordene Substanz durch den epithelialen Zusammenschluss der Zellen direct ausgeschlossen worden war. Manchmal sieht man auch die Ectoblastbildung durch eine noch grosse, an sich normal aussehende [271] Dotterzelle mit dem schon schwach rothen Kerne gestört, d. h. etwas nach der Tiefe abgelenkt; es muss also diese Zelle trotz ihrer scheinbar normalen Beschaffen- heit zur Differenzirung ungeeignet gewesen sein und dadurch die fortschreitende Differenzirung abgelenkt haben. Hinter ihr kehrt dann aber die Ectoblastbildung sofort wieder zur Oberfläche zurück, und nur die Verdickung des Ectoblast an dieser Stelle nach der Tiefe zu bekundet uns die Ablenkung der Differenzirungsrichtung. Bei einem vier ersteren Fälle von Störung des Fortschreitens der Ectoblastbildung in der normalen Richtung durch einige jung ge- bliebene Zellen mit farblosen Kernen beobachtete ich zugleich in dem äusseren Nebengebiete neben der etwas in die Tiefe abgelenkten P^ctoblastbildung innerhalb mehrerer Dotterzellen ausser dem grossen, blassrothen, bläschenartigen Kern noch einen kleineren von etwa V4 — '/^ des Durchmessers des ersteren. W. Roux, Gesammelte Abhandlunijeii. II. B2 498 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Dieser zweite Kern war tiefer rotli gefärbt, während der grössere etwas blasser aussah, als jene in den Nachbarzellen mit blos einem Kern. Der zweite Kern lag dicht am grösseren und war einmal an seiner freien Seite von einer radiären Anordnung der Dotterkörner umgeben. Einige Male sah ich ihn noch nicht vollkommen von dem grossen Kern gesondert, so dass er wie eine Abschnürung desselben er- schien, gegen welche sich die noch im grossen Kern vorhandenen wenigen Chromatinfäden radiär ordneten, während die Hauptmasse des Chromatins in den zweiten Kern übergetreten war. Was diese eigenthümlichen Bildungen bedeuten, vermag ich zunächst nicht zu sagen; ich lioiTe, im nächsten Frühjahr (1888), wenn ich die Conser- virung nicht mehr wie bisher blos dem Zwecke der Gewinnung einer ersten Uebersicht über die gröberen formalen Vorgänge nach der Ope- ration am Ei anpasse, sondern bei der Conservirung mehr Rücksicht auf die Erhaltung der Kerne nehme, darüber, wie über manche andere in dieser ersten Abschlagszahlung an das grosse Thema nur flüchtig berührte Frage, Aufschluss zu gewinnen. Die vorstehende Schilderung bezog sich nur auf die Bildung neuen Ectoblastes von der „ventralen" Seite der primär entwickelten Hälfte aus; und von dieser Seite aus wird, wie er- wähnt, der grösste Theil des Ectoblastes geliefert [abgesehen von dem erwähnten Wachsthum des am cephalen Theil neugebildeten Ecto- blasts in cephalocaudaler Richtung]. Von der ,, dorsalen" Seite des Embryo her, also von der Medullarplatte aus, findet dagegen eine Umschliessung zunächst blos im Be- [272] reiche desjenigen Theiles derselben statt, an dem bereits Ecto- und Entoblast sich geschieden haben, und die Keimblätter also mit einem ,, freien seitlichen Rande" endigen, wie an einem künstlichen Defect, was an der ventralen Seite von vornherein der Fall ist. Da hier ein allgemeineres Verhalten vorliegt, so will ich für den „freien seitlichen Rand" der Schicht einen besonderen Namen einführen und ihn als „Uiiterbrecliuiigsfläclie", das heisst als Fläche, welche die Fortsetzung der Schicht unterbricht, bezeichnen [s. S. 507 und Nr. 26, S. 37 und Nr. 27, S. 294]. Morphologische Bedeutung dieser Postgeneration des Ectoblast. 499 Diese Sonderling- vollzieht sich auf der Dorsalseite des Hemi- embryo zuerst am Kopftheil und schreitet dann in cephalocaudaler Richtung fort. Ausserdem aber findet sich diese Bedingung öfter auch ganz hinten am Embrj^o erfüllt, sofern daselbst eine Ento- blastbildung an der Innenseite des Medullarwulstes noch nicht vor sicli gegangen ist und also die Urdarmhöhlenanlage noch fehlt. Auch hier erstreckt sich in Folge dessen die Ectoblastbilduug herüber auf die andere Eihälfte. Bei denjenigen Halbbildungen, welche bereits einen wohlent- wickelten ganzen Medullarwulst haben, ohne dass auf der anderen Seite wenigstens eine Anlage seines Pendant erkennbar ist, wo also die Reorganisation und damit auch die Postgeneration derart gehemmt worden ist, dass „ältere" wirkliche Halbbildungen sich vor- finden, da liegen als Ursache dieser Hemmung neben dem ent- wickelten Medullarwulst auf der operirten Eihälfte eine oder mehrere Schollen von noch nicht oder noch nicht vollkommen cellulirtem, schwach gelblich schimmerndem Dotter, welche wahrscheinlich das durch die heisse Nadel direct zur Gerinnung gebrachte Dottermaterial darstellen. Für diese letztere Auffassung spricht auch, dass um den Stiel des Extraovates, also um die Anstichstelle, häufig ein Hof ungefurchter ähnlich beschaffener Substanz übrig- bleibt. An Objecten, wo kein solches Hemmniss sich findet, oder wo dasselbe doch so schwach war, dass es schon früher, vermuthlich auf die zweite oder dritte Reorganisationsweise überwunden wurde, konnte ich die Resultate der von der „Medullarplatte" aus fortschreitenden Postgeneration verfolgen. Diese Lamelle erstreckt sich manchmal etwas verjüngt auf die operirte Eihälfte herüber und ist daselbs? aus mehrschichtigem Cylinderepithel gebildet; weiter lateral ist die Formation keine [273] geschlossene mehr, und wir finden alle die oben beschriebenen Uebergangsstufen zu den Dotterzellen. Bedeckt ist diese Schicht nach aussen von einer einzelligen Lage braun pigmentirter cubischer Zellen, die als Fortsetzung des Ectoderm sich darstellt und an ihrem freien Seitenrande in ganz platte Zellen übergeht. 32* 500 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. An einigen Stellen, wo wieder, wie schon an der ventralen Seite beobachtet (S. 495), durch eingelagerte junge Dotterzellen mit farblosen Kernen die fortschreitende Differenzirung nur an einer kleinen Localität gehemmt wurde, finden sich, an die halbe Medullar- platte sich anschliessend, einige entsprechend hohe, pigmentirte Cylin- derzellen auf der operirten Hälfte bis zu dem Hinderniss; über dieses hinaus sind dann wieder blos einige zunächst kleine, dann grössere Dotterzellen mit schon tief rothen Kernen vorhanden. Auch in einigen noch ganz grossen Dotterzellen der anschliessenden Ge- gend mit grossen Kernen ist die mit Carmin färbbare Substanz stark vermehrt, so dass diese Vermehrung der chromatischen Substanz somit als der erste Vorgang der beginnenden neuen Differenzirung der Dotterzellen aufzufassen ist. Auch durch eventuell vorhandene Lücken zwischen der veränderten, noch n ic h t cell ulirtenSubstanz dringt dann die Differenzirung mit Vermehrung der chroma- tischen Kernsubstanz und Zerlegung der grossen Dotter- zellen vor und bildet wiederum eine von der Oberfläche ausge- schlossene Fortsetzung der Ectoblastanlage. Manchmal scheinen hier- bei solche junge Ectoblastzellen isolirt zu liegen, aber auf dem nächsten Schnitte findet man dann die Continuität mit der Schicht hergestellt. Es ist interessant zu sehen, wie grosse Strecken weit oft die blosse Bildung kleiner Zellen mit tiefrothen Kernen und noch weiter die Chromatinvermehrung der Kerne in den grossen Dotter- zellen der eigentlichen Ectoblastbildung, die in der Herstellung einer zusammengeschlossenen Schicht geordneter Zellen besteht, vorausgeht. 2. Postgeneration des E ctoblast der „vorderen" Halbbildungen. Bezüglich der Postgeneration der hinteren Körperhälfte von der vorderen aus kann ich zu dem auf Seite 486 Mitgetheilten nach den Befunden an nur zwei in Sagittalschnitte zerlegten Embryonen blos hin- zufügen, dass der noch nicht weiter differenzirte, also der seitliche TheildesEctoblast sich in der gleichen Weise weiter bildet wie bei der Postgeneration der lateralen Körperhälf te. Postgeneration des Ectoblast der „vorderen" Halbbildungen. 501 Dagegen geht die Post gen eration der hinteren Hälfte der M edullarplatte, welche, [274] wie wir oben sahen, so ausser- ordentlich rasch erfolgt (Taf. VII, Fig. 7 b), nicht durch Umwandlung in der Fortschreitungsrichtung gelegener Dotterzellen vor sich. Der Ecto- und Entoblast gehen am hinteren Rande der Medullarplatte conti- nuirlich in einander über; es stossen daher in diesem Bereiche die Keimblätter nicht mit einer Unterbrechungsfläche au die Dotterzellen, und die geschlossenen Schichten sind stets durch einen Spalt von der Dottermasse der hinteren Hälfte geschieden. Da trotzdem Post- generation stattfindet, so müssen d i e b e t r e f f e n d e n Z e 1 1 e n a 1 s o in der Schicht selber producirt werden, und das dazu nöthige Material also von den Seiten her genommen werden. Diese Postgeneration vollzieht sich also in einer der Regeneration entsprechenden Weise, wovon unten des Weiteren gehandelt werden wird. b) Postgeneration des Mesoblast. Unter dem Ectoblast findet sich vielfach schon eine weitere, besonders differenzirte Schicht, welche stets mit dem Mesoblast der normalen Hälfte im Zusammenhang steht und den gleichen Namen verdient. Der normale Mesoblast besteht im ventralen und lateralen Theil des Mittelstückes des Embryo, auf dem Stadium des nahen oder eben vollendeten Schlusses des Medullarrohres, abgesehen von aller- dings nicht seltenen Variationen, wie der Ectoblast gleichfalls aus zwei einzelligen Lagen, w^elche aber an manchen Stellen nicht scharf geschieden, son(^ern durch Ineinandergreifen der Zellen zu einer ein- zigen Schicht vereinigt erscheinen. Nach aussen und innen aber bietet der Mesoblast glatte Abgrenzungscontouren dar. Die Zellen sind erheblich grösser, dicker und an Dotterkörnern reicher als die des Ectoblast und führen kein Pigment ; sie besitzen aber gleichfalls tief roth gefärbte, also chromatinreiche Kerne. Die innere Schicht des Mesoblast besteht vorwiegend aus abgeplatteten Zellen. 502 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Diese Mesoblastschicht setzt sich nun von manchen Hemiem- bryones laterales auf die operirte und nachträglich cellulirte Eihälfte fort. Ihre Zellen sind dabei nach aussen hin meist schon zu einem glatten Abgrenzungscontour zusammengeschlossen, sofern daselbst bereits Ectoblast gebildet ist; wenn jedoch die Bildung dieses letzteren, durch Widerstand leistendes Material verzögert, noch nicht so weit vorgedrungen ist, finde ich den Mesoblast nach aussen noch nicht scharf abgegrenzt. Desgleichen ist nach [275] innen zu vielfach keine scharfe Grenze vorhanden, indem Zellen des Mesoblast noch mit ihren Ecken mehr oder weniger tief zwischen anliegende Dotter- zellen eingreifen und umgekehrt. Nicht selten auch besitzt eine solche anliegende Dotterzelle einen eben solchen, intensiv rothen, kleineu Kern als die Mesoblastzelle ; und manche dieser innen anliegenden Dotterzellen sind gleichfalls klein. Diese Uebergangaformen und die unvollkommene Abgrenzung der Schichten nach innen vermehren resp. verstärken sich gegen den freien Rand des Mesoblast hin und finden sich auch an ihm selber. Je näher diesem Rande, um so weniger sind die Zellen des neuen Mesoblast zu zwei getrennten Lagen gesondert, sondern die äusseren und inneren Zellen greifen tief zwischen einander ein, oder es liegen gar noch dritte Zellen zwischen ihnen. Die Vorsprünge der Zellen des neugebildeten Mesoblast nach iimen bekunden uns wieder, dass die Ausbreitung desselben nicht durch Wachsthum an Stellen, welche vom freien Rande ent- fernt liegen und unter Vorschieben des distal davon befind- lichen Theiles vor sich gehen kann, sondern dass das Wachsthum der Schicht am freien Ende selber stattfinden muss. Erscheinungen von Massenverschiebungen, von Aufzehren der Dotter- zellen durch die specifischen Zellen, oder von Kernübertritt aus letz- teren in die Dotterzellen sind gleichfalls nicht wahrnehmbar ; so dass wir also auf Grund der beschriebenen Uebergangsformen, wie beim Ectoblast, annehmen müssen: die Bildung und das Wachsthum des Mesohlast auf der operirten und reorganisirten Ei- hälfte erfolgt durch „Fortschreiten der Differenzirung^^ im „ruhenden" Dotter seil enmateriale und zwar unter Postgeneration des Mesoblast. 503 directer, mit Theilniig verbunclener Um Wandlung der d u r c li n a c h t r ä g 1 i c h e C c 1 1 11 1 a t i o n g e b i 1 d e t G n D o tt e r z e 1 ] e n. Diese Umwandlung vollzieht sich auch liier wiederum wie beim E c t o b 1 a s t b 1 o s da, wo die D o 1 1 e r z e 1 1 e n von schon weiter als sie selber dif f erenzirten Mesoblast- zellen berührt werden. Obgleich aber diese Berührung auch mit den nach innen zu gelegenen Zellen erfolgt, so schreitet die Mesoblastbildung doch nur in Richtung der Fläche fort. Manchmal aber sieht man, dass nach innen vom Mesoblast eine Dotterzelle in Kern und Grösse die Beschaffenheit einer Mesoblastzelle erlangt hat, gleichwohl aber vom Mesoblast ausgeschlossen ist. Wenn also beim Vorschreiten der Differen- [276] zirung mehr als zwei Zellen (quer zur Fläche gezählt) in Grösse und Kern die Beschaffenheit von Mesoblastzellen erlangt haben, so werden doch blos die beiden ,, äusseren" dem Meso- blast verbau de eingefügt, die inneren dagegen bleiben ausge- schlossen (s. Taf. VI Fig. 4). Dies gilt indess blos für die ventrale und laterale Gegend. Ist dagegen die Regeneration schon bis zu den mehr dorsal gelegenen Theilen vorgeschritten, so wird wunderbarer Weise entsprechend der grösseren Dicke des Mesoblast an dieser Ge- gend in der normalen Hälfte auch hier eine dickere, aus mehr als zwei Zellen gebildete Mesoblastschicht hergestellt. Es müssen also noch die besondere Gestaltung bestim- mende Kräfte am rechten Orte vorhanden sein oder zur Wirkung gelangen, um die dieser Gegend des künftigen Embryo zugehörige specifische Formation herzustellen: Kräfte und Vorgänge, für welche uns jede Ahnung eines Verständnisses fehlt. Die pos^generative Mesoblastbildung geht auch in d o r s i - ventraler Richtung vor sich, und zwar unter wesentlich denselben Erscheinungen, wie sie soeben geschildert worden sind, nur in ent- sprechend dickerer Lage. Sie findet aber wiederum blos von solchen Stellen aus statt, wo Ecto- und Entoblast schon von einander getrennt sind und daher die Chorda unmittelbar neben der operirten Hälfte liegt. 504 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Auch bei der Mesoblastpostgeneratioii ist zu bemerken, class jüngere Dotterzellen mit noch nicht färbljaren Kernen, sowie auch Reste von noch nicht cellulirter Substanz, die Differen- zirung hemmen und so die Mesoblastbildung an ihnen vorbei in die Tiefe ablenken oder die Bildung in zwei Schichten trennen ; aber nach der Umgehung eines solchen Hindernisses schlägt die weitere Differenzirung bald wieder die richtige Bahn ein : wiederum ein in seinem Wesen durchaus räthselhafter \^organg. Da die Mesoblastbildung bald hinter der Ectoblastbilduug zurückgeblieben, bald ihr vorausgeeilt angetroffen wird, je nach den zufälligen Hindernissen durch im Wege liegende nicht differenzirungs- fähige Zellen, welche die eine oder andere Schicht zu überwinden bezw. zu umgeben hat, so ergiebt sich, dass beide Differenzi- r u n g e n u n a b h ä n g i g von e i n a n d e r v o r sich g e h e n k ö n n e n. Die „Uebergangs Zellen" von den typischen Mesoblast- Zellen zu d e n D o 1 1 e r z e 1 1 e n haben d a s s e 1 b e A u s s e h e n wie die „Uebergangszelleu" [277] zwischen den Ectoblast- Zellen und D o 1 1 e r z e 1 1 e n ; man kann daher, Avenn keines von beiden dem anderen vorausgeeilt ist, nur durch ^^erfolgen des An- schlusses der Reihe der Uebergangszelleu an eines dieser Keimblätter erkennen, welchem derselben sie zugehören, da ja, wie wir sahen, auch Ectoblastzellen in die Tiefe eindringen können. c) Postgeiieratiou des Eiitoblast. Wir kommen nun zur Postgeneration des Entoblast in der operirten Eihälfte und zur Bildung der von demselben umschlossenen U rd arm höhle. Da die äussere Umwachsung der operirten Hälfte mit Ectoblast der Hauptsache nach in den Richtungen der normalen Umschliessung der weissen Unterseite des Eies, also wie bei der Gastrulation, erfolgte, so lag es nahe, zu vermuthen, dass dieser Vorgang der Postgeneration eine Wiederholung der normalen Gastrulation darstelle; dass also bei der Umschhessung der operirten Eihälfte mit Ectoblast an der Innen- seite desselben zugleich eine innere Epithellage, der Entoblast, ge- bildet, und damit zugleich aucli ein Spalt zwischen dem Entoblast Postgeneration . des Entoblast. 505 niid der von ilini bedeckten Eiobcrflüche als Anlage der Urdarmhöhle hergestellt werde. Die Besichtigung der Schnitte zeigte nun aber gerade das Ge- gentheil. Es wurde bei der Umschliessung der operirten Ei- hälfte mit Ectoblast kein Entoblast gebildet; sondern der Ectoblast blieb, wie wir schon gesehen haben, unmittelbar dem unter- liegenden Dotter angeschmiegt, so weit nicht zugleich der Mesoblast gebildet wurde. Die fehlende Hälfte des Entoblast und die von ihm umschlossene Urdarmhöhle werden vielmehr nur von dem schon gebildeten Entoblast des Hemiembryo aus postgenerirt. Als Vorläufer dieser Postgeneration macht sich seitens der Dotterzelien der operirten Eihälfte eine radiäre Anordnung der Dotter Zellen um die mediale dorsicephale Ecke der Urdarmhöhle der entwickelten Hälfte bemerkbar. Diese Anordnung ist zugleich mit entsprechend keilförmiger Gestaltung der Dotterzellen verbunden und durchsetzt manchmal die ganze Dottermasse der operirten Ei- hälfte, soweit diese noch nicht in die beiden äusseren Blätter diffe- renzirt ist. Darauf zeigt sich als nächstes Stadium eine Fortsetzung der Urdarmhöhle von der dorsicephalen Ecke aus in Form einer [278] queren Spalte in die andere Hälfte hinein. Dies bekundet sich dadurch, dass jetzt die Zellen zu beiden Seiten dieses Spaltes dicht zur Bildung eines glatten Abgrenzungscon- tours zusammengeschlossen sind, wobei die der Medianebene nächsten Zellen auch schon rechtwinkelig zu diesem Contour sich aus- dehnen, während die mehr seitlichen noch zum Theil die schiefe, radiäre Anordnung erkennen lassen. Um die seitliche Ecke dieses Spaltes sind dann di^ übrigen Zellen radiär geordnet, wie dies ja auch während der ersten Bildung der normalen Urdarmhöhle am Fundus derselben der Fall ist. Es geht also eine eigenthümliche ordnende und ge- staltende Wirhung von der Urdarmliölile oder deren Wan- dung aus. Die Zellen, welche den Spalt begrenzen, sind sehr hoch und dick, und diejenigen Zellen, welche die dorsale Wandung der 506 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Urdarnihöhle bilden, haben auch, wie auf der normalen Hälfte, tief- rothe Kerne, während in der ventralen Wandung die Kerne in beiden Hälften blass sind. Die Entobl astzellen der postgenerirten Seite grenzen sich wie die der norroalen Seite, mit annähernd ,,geraden" Flächen gegen einander ab, so dass also wiederum nichts von einem Auf- gefressenwerden durch diejenigen der normalen Hälfte wahrnehmbar ist. Da auch wieder die Erscheinungen von Massenverschiebungen und Stauungen fehlen, so schliesse ich, dass die vorher schon am Ort befindlichen Zellen sich umgeordnet und umgeformt haben; und da diese Differenzirung auch hier wieder nur in Con- tinuität mit dem Entoblast der anderen Hälfte vor sich geht, so nehme ich wiederum an, dass der Diff er enziru ngreiz von den be- reits diff erenzirten Zellen ausgeht und in dem ruhenden Dotterzellenmaterial sich ausbreitet und die Differenzi- rung desselben veranlasst. Diese Postgener'ation des Entoblast geht ferner, ent- sprechend dem Verhalten der anderen Keimblätter, blos von dem T heile des Entoblast aus, der schon vom Ectoblast getrennt ist, der also mit einem freien Rande, mit einer ,, Unterbre- chungsfläche", wie bei einem Substanzverlust, endet und mit diesem an das Material der operirten Hälfte anstösst. Ausserdem vermisse ich die Postgeneration des Entoblast noch an mehreren jüngeren Präparaten, wo diese Trennung bereits vollzogen ist, die Medullarrohranlage im Kopftheil aber noch wenig specifische [279] Differenzirung aufweist. Erst an älteren Objecten, bei welchen diese Differenzirung schon sehr ausgesprochen ist, finden sich auch Erscheinungen der Postgeneration des Entoblast; dieselbe setzt also erst ziemlich spät ein. Allmählich wird dann die auf die geschilderte Weise angelegte spaltenförmige Urdarmhöhle vergrössert und ausgeweitet. Aus den auf diese Weise postgenerirten Keimblättern formen sich dann im weiteren Verlaufe, wie oben erwähnt, normale Or- gane; den Modus dieser weiteren Nachentwickelung habe ich indess noch nicht des Genaueren verfolgt. Folgerungen aus den vorstehenden Thatsachen der Postgeneration. 507 (1) Folgerungen aus den vorstehenden Thatsachen der Postgeneration. Fassen wir das Ergebniss unserer Schlüsse über die Vor- gänge der postgenerativen Bildung der Keimblätter zu- sammen, so konnten wir folgende Arten des Geschehens als für alle drei Keimblätter gültig feststellen '). Erstens: die Postgeneration der Keimblätter der Halb- bildungen geht immer von den schon differenzirten Keim- blättern der normal entwickelten Eihälfte aus; sie greift erst dann auf die nachträglich cellulirte Dottermasse über, wenn, resp. wo ein solches Keimblatt mit einer „Unterhrecliungs- fläclie" [also mit den ,, Seitenflächen" seiner Zellen (s. Nr. 26, S. 37)] an diese Masse grenzt. Die an diesen Stellen begonnene Bildung setzt sich stets „continuirlich" in der Dottermasse der unentwickelten Eihälfte fort. Gegen den freien Rand der fortschreitenden Keimblattdifferenzirung finden sich stets all- mähliche ,,Uebergangsstufen" zwischen den indifferenten Dotterzellen und den Zellen des bereits vollkommen dif- ferenzirten Keimblattes. Unter Zurückweisung anderer Möglich- keiten kommen wir daher zu dem Schlüsse, dass sich diese fort- schreitende Differenzirung in dem schon vorher am Orte befindlichen und während der Differenzirung daselbst ver- bleibenden Materiale, also im „ruhenden" Dotterzellenmate- riale durch directe Umbildung der Dotterzellen (bei dem Ecto- und Mesoblast zugleich unter Theilung derselben) vollzieht. Bezüglich der Oertlichkeit der Ursachen dieser Vor- gänge lassen sich nun weiterhin einige Schlüsse ableiten: Da das auf die erwähnte Weise nachträglich zu Keimblättern differenzirte Dotterzellenmaterial in seinem den ,,Leib" der Zellen bildenden Material durch die Operation vielfach in Un- [280] Ordnung gebracht worden war, und da auch das Kern- 1) Das in einem Puncte abweichende Verhalten bei der Postgeneration der hinteren Hälfte des Medullarrolires der vorderen Halberabryonen wird im Zusammenhang mit der Regeneration seine Erörterung finden (s. S. .512). 508 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. material der aus ihm nachträglich gebildeten Zellen nicht durch eine „typische" Vertheilung seinen Platz erhalten hatte, sondern von dem Furchungskern theils der operirten, theils der nicht operirten Eihälfte abstammend zufälligen Momenten seine Lagerung verdankt, so konnte die für die ,, normale" Ent- wickelung denkbare Annahme, dass an ,, typischen" Orten immer ,, typisches", zu ganz bestimmter selbstständiger Entwickelung befähigtes Material gelagert sei, und dass deshalb eine ordentliche Keimblattbildung vor sich gegangen sei, in diesem Falle nicht zulässig erscheinen. Sondern wir müssen schliessen, dass die Ursache für diese ..typische'"'' Weiterhildmig der Keimhlätter der primär ent- ivichelten Hälfte innerhalb der operirten Eihälfte auf Kräften heruht, ivelche von den KeimhJättern der ersteren Hälfte ausgehen. Es kann auch Jemand behaupten, dass trotz dieser Um Ord- nung das Material der operirten Hälfte sich ,, selbstständig" zu normalen Bildungen entwickelt habe, und dass gleichsam blos zu- fälhg diese Entwickelung immer in Berührung mit dem bereits Ent- wickelten sich vollziehe und blos zufällig von da aus stets continuir- lich sich ausbreite. Hierbei müsste es aber von vornherein in jeder Zelle liegen, dass sie ein klein wenig später ihre Umwandlung voll- ziehe, als die in der Diiferenzirungsrichtung hinter ihr und etwas früher als die in dieser Richtung vor ihr gelegene Zelle. Es wäre zu verwundern, wenn ohne einen die räumliche Continuität der Differenzirung sichernden Causalnexus nicht Anachronismen (wie ich sie doch sonst häufig bei der Entwickelung beobachtet habe) und daraus resultirende Störungen der Continuität vorkommen sollten. Deshalb und Aveil es in unserem Falle von „abnormen" Bil- dungen durchaus wunderbar wäre, woher die prästabilirte Harmonie der Differenzirungsfolge kommen sollte, glaube ich hier, wo immer die Continuität im Fortschreiten, selbst bei im Wege liegenden Störungen gewahrt war, einen directen Causalnexus annehmen zu müssen. Folgerungen aus den vorstehenden Thatsachen der Postgeneration. 509 Welcher Art dieser Cansalnexus aber im Speciellen ist, vermag ich natürlich nicht zu sagen. Ich habe die Möglichkeit zurückgewiesen, dass in unserem Falle das differenzirte Material selber durch Wachsthum und Vermehrung der differenzirten Zellen, sei es auch blos am freien Rande, fortschreite, oder in anderen [281] Worten dass die Vergrösserung des dii^erenzirten Gebildes durch Assimilation in die Zellen aufgenommener Nahrung vor sich geht. Sondern ich nehme dagegen an, dass die fortschreitende JDifferenzirung bei unserer Postgeneration durch directe assimilirende und äifferensirende WirJcung differensirter Zellen auf andere ihnen unmittelhar henachharte, iveniger differen- zirte Zellen sich im Räume ausbreitet. Bei diesem letzteren Vorgang sind aber sehr verschiedene Grade der Einwirkung möglich. Es kann z. B. von den differenzirten Zellen eine die Differenzirung blos ,, auslösende" Wirkung ausgehen, während nach diesem Anstoss die ganze Reihe der nöthigen Veränderungen sich von selber vollzieht ; oder es kann um- gekehrt „jede" dieser einzelnen Veränderungen von der diffe- renzirten Zelle nicht blos „veranlasst," sondern auch durch- aus „bewirkt" werden; und zwischen diesen Extremen sind zahl- lose Zwischenstufen denkbar. In Folge der ,, atypischen An- ordnung des hier in „typischer" Weise differenzirten Mate- ria les bin ich aber geneigt, die Einwirkung der differenzirten Zelle auf die nicht differenzirten nicht als eine blos auslösende oder blos anregende zu denken. Da wir ferner festgestellt haben, dass die fünf von mir unter- schiedenen Veränderungen der Dotterzellen bei der Bil- dung des Eciioblast an ihnen: Chromatinvermehrung in den Kernen, Pigmentbildung, Zelltheilung , Zellorduung und Zellgestal- tung von der Stelle der vollkommenen Differenzirung aus verschie- den weit sich fortpflanzen, so ist also zu schliessen, dass für jeden dieser Vorgänge eine besondere differenzirende Einwirkung stattfinden muss, und dass diese verschiedenen Einwirkungen, abgesehen von der Einhaltung der angegebenen 510 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Reihenfolge, unabhängig von einander vor sich gehen und sich selber ungleich weit fortpflanzen können (s. S. 491). Dieser im Wesentlichen ,,assimilirenden" Wirkung der di fferenzirten Zellen auf andere Zellen bei der postgenerativen Ausbreitung der Keimblätter müssen natürlich bei der weiteren Postgeneration, bei der Bildung der einzelnen typischen Organe aus diesen Blättern in anderem Sinne ,,differenzirende" Wir- kungen folgen; denn es ist wohl ebenfalls nicht annehmbar, dass die verschieden gelagerten Zellen des postgenerirten Keimblattes da- mit schon die Fähigkeit zu ,, typisch" verschiedener „selbstständiger" Entwickelung erlangt haben sollten, eine Eventualität, welche, wie ich hoffe, der directen experimentellen Prüfung zugänglich sein wird. Freilich schliessen [282] auch diese weiterhin anzunehmenden difie- renzirenden, an jedem Orte eine typische Bildung hervorbringenden Einwirkungen für uns zur Zeit unlösbare Probleme ein. Unterschied der Vorgänge der Postgeneration und der nor- malen s. directen Entwickelung. Es war nun wichtig, durch Vergleichung mit den normalen Vorgängen der Keimblattbildung festzustellen, ob die Vorgänge der postgeuerativen Bildung derselben ganz neue Arten der Bildung darstellen, oder ob nicht vielmehr in ihnen blos eine kleine Variation oder gar blos eine Heterotopie und Heterochronie von Arten von Vorgängen, welche auch bei der normalen Bildung sich vollziehen, vorliegt. Bei der Aus- führung eines solchen Vergleiches hemmt uns aber die Unsicherheit unserer Kenntnisse über die normalen Vorgänge. Ich will daher die eingehende Discussion dieser Frage auf eine spätere Abhandlung verschieben, in welcher ich Erfahrungen und Schlüsse über die wirk- lichen Vorgänge, nicht blos über den formalen Schein der Bildung der Keimblätter mittheilen werde. Gegenwärtig sei blos erwähnt, dass meine derzeitigen Beobach- tungen mich auf die Seite derjenigen Autoren, z. B. Scott, Osborn, Bambeke, Calberla u. A. verweisen, welche die Ausbreitung der Unterschied derVora;änge der Postscneration u. dci normalen Entwickelung. 511 ein Mal angelegten Keimblätter nicht blos durch Nachkom- men der Zellen dieser ersten Anlage, sondern auch unter Aufnahme und Differenzirung neuer, anliegender Zellen vor sich geht; so dass also darin eine Uebereinstimmung mit der Ausbreitung des postgenerirten Keimblattes sich bekundet [s. Nr. 26, S. 49]. Ein evidenter Unterschied spricht sich jedoch in der „An- lage" der primären und der postgeneriten Keimblätter darin aus, dass die Ursachen für die Anlage der ersteren in der sich entwickelnden verticalen Eihälfte, bezw. wie wir sahen, so- gar blos in dem verticalen Eiviertel, in dem sie angelegt werden, selber sich befinden, während wir bezüglich der postgenerativen Keimblätter anläge schhessen mussten , dass sie blos in Ab- hängigkeit von den Keimblättern der primär entwickel- ten Hälfte vor sich geht. Aus diesem ersten Unterschied war ein zweiter abzuleiten, derjenige, dass Ecto- und Entoblast nicht wie bei der Gastrulation beide im Zusammenhang ange- legt und vergrössert wurden, sondern dass jedes dieser Blät- ter ohne jede Verbindung und Beziehung zu dem anderen gebildet wurde. Unterschied der Vorgänge der Postgeneration und der Re- generation. Vergleichen wir nun die Vorgänge der Postgeueration noch nicht gebildeter Theile mit denen der Regeneration gebildeter, [283] aber in ^'erlust gerathener Körpertheile , so tritt uns wieder unsere Unkenntniss zum Theil hemmend entgegen; denn Regeneration der eigentlichen ,, Keimblätter", das heisst Regeneration an so jungen Em- bryonen, weicht^ noch aus den eigentlichen, nicht bereits weiter differen- zirten Keimblättern gebildet sind, ist mir nicht bekannt (s. S. 490 Anm.). Indess lassen sich vielleicht die an älteren Individuen gewonnenen Ergebnisse in einer Hinsicht auf so. jugendliche Stadien übertragen und so mit der beschriebenen Postgeneration der Keimblätter ver- gleichen. Nämlich die allgemein festgestellte Thatsache, dass ver- letzte Gewebe sich nur aus den Nachkommen ihrer eige- 512 Nr. 22. Die Hervorbriiigung halber Embi-yonen. nen Elemente regeneriren'). Sofern dann dies auch für früh- zeitige embryonale Regeneration gilt, so ist dadurch ein funda- mentaler Unterschied von der hier von uns beobachteten Art der Postgeneration ausgesprochen, bei welcher ja, wie wir gesehen haben, das Zellmaterial „nicht" von den Elementen des sich postgenerirenden Blattes abstammt, sondern zum Theil durch das sehr durcheinander gekommene Kern- und Dotter- material der operirten Eiliälf te, zum Theil durch nur an z u f ä 1 1 i g e n Stellen übergetretenes und dann vertheiltes Kernmaterial der primär entwickelten Hälfte gebildet wird^). Eine wichtige Uebereinstimmung zwischen Postgeneration und Regeneration spricht sich jedoch darin aus, dass beide nur von den schon präexistirenden Gewebsschichten und nur nach Plerstellung von Unterbrechungsf lachen (s. o. S. 498) vor sich gehen. (NB. Das Bindegewebe — blos das lockere? — macht davon eine Ausnahme, seiner Function als Gewebe zur Ver- bindung der Theile und damit zugleich als Lückenbüsser entspre- chend, indem es schon wuchert, wenn nur seine normale seitliche Ab- grenzungsfläche der Abgrenzung durch eine anliegende Schicht anderen Gewebes beraubt wird. Ob aber auch, wenn es dabei zugleich voll- kommen vor fremden Einwirkungen geschützt wäre?) Wir dürfen aber nicht versäumen, daran zu erinnern, dass bei der Postgeneration der hinteren Hälfte des Embryo von der vorderen aus im Bereiche des medullären Abschnittes der Dorsal- platte die Vorgänge anders, anscheinend gerade umgekehrt [284] als bei der sonstigen Postgeneration verlaufen, indem hier Ecto- und Entoblast im Zusammenhang bleiben, also keine „freien" Seitenräder vorhanden sind (s. Nr. 28, S. 657 u. 661), weshalb auch die Differenzirung nicht auf das anliegende Dottermaterial über- greift, sondern die Aufnahme oder Bildung neuer Zellen von anderer Seite her vor sich gehen muss (s. S. 501). 1) Vergl. P. Fraisse, Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbelthieren, besonders Amphibien und Reptilien. Berlin 1881. S. 153. fä) Vergleiche dazu die mir später gelungene Heranziehung ganzer Frosch- embryonen blos aus je einem halben Ei ohne Verwendung der operirten Eihälfte Nr. 26, S. 45.1 Theoretische Erwägungen. 513 Icli bin überzeugt, dass die soeben erwähnten Verschiedenheiten dev Postgeneration von der Regeneration und beider von der nor- malen Ent Wickelung nicht in dem Sinne aufzufassen sind, dass bei der Post- und Regeneration wesentlich „neue" bei, der normalen Entwickelung nicht vorkommende specielle Bildungsvorgänge stattfinden. Denn ich halte es für durch- aus unwahrscheinKch , dass es bei demselben Individuum zwei oder drei in dem Wesen ihres Mechanismus verschiedene Arten der Erzeugung derselben Körpertheile gebe; sondern man wird vermuthen, dass die Nachbildung und die Wiederbildung in der Art ihrer Grund Vorgänge blos unter minimalen, durch den Charakter des Ersatzes fehlender Theile von der Abgrenzungsfläche des Defectes aus bedingten, Abweichungen von der normalen Ent- wickelung sich vollziehen, während im Uebrigen die Grundvorgänge dieselben seien. Ja es könnte sehr lehrreich sein, umgekehrt aus der Thatsache der Regeneration, Postgeneration in Verbindung mit diesem vermutheten Principe ihrer Vollziehung durch dieselben Grundvor- gänge wie die der normalen Ontogenese, abzuleiten, w^elche Arten von Grundvorgängen allein diese dreierlei Bildungsarten zu liefern vermöchten [Etwas einschränkend siehe S. 520 und Nr. 2ß, S. 49, Nr. 27, S. 303, Nr. 31, S. 279 u. f.]. Theoretische Erwägungen. Es regt sich nun weiterhin die Frage, woher das Material, in welchem sich die Postgeneration vollzieht, dieFähigkeit zu dieser, wenn auch nur abhängigen Differenzirung hat. Man kann zunächst daran denken, dass in dem Dottermaterial der operirten Eihälfte, w^elches ja bei den nachentwickelten Gebilden nach der Nucleisation wieder belebt, cellulirt und zum Aufbau verwendet worden ist, die Ursache der specifischen, wenn auch nur abhängigen Differenzirungsfähigkeit zu typischen Gebilden gelegen sei. So kämen wir zu der allgemeinen Frage, ob die Ursache der Entwickelung mehr im Zellleib oder im Zellkern zu suchen sei. Ich will indess nicht auf diese Frage im Allgemeinen eingehen, da das Für und [285] Wider in letzter Zeit zur Genüge behandelt worden ist, zuletzt W. Roux, Gesammelte Abhaadlungen. U. "J" 514 Nr. 22. Die Hervorbringuns halber Embryonen. zusammenlassend von C. Weigert^) in dem Sinne der Majorität der Autoren, dass die idioplastischen Functionen an den Kern geknüpft sind, und jüngst von G. Platner^) mit der Auffassung, dass dem Protoplasma der hervorragendste Antheil an der Gestaltbildung bei der Entwickelung zukommt, während dieser Autor sich ,,die Rolle des Kernes nur den Diensten analog denkt, welche dem Chemiker die Hitze leistet". Ich will blos sogleich erwähnen, dass letzterer Autor Born und mir die Ansicht, dass der Kern allein die Differenzirung bewirke, mit Unrecht als ein von uns ,,als selbstverständlich voraus- gesetztes Axiom" zuschreibt. Eine solche Auffassung hat keiner von uns irgend wo ausgesprochen. Neben den von Fol, Strasburger, van Beneden, Nussbaum, Gruber u. A. gelieferten Thatsachen habe ich auch meinen eigenen Versuchen ein Argument für die im Verhältniss zum Zell- kern untergeordnete idioplastische Bedeutung des Proto- plasmas entnommen; nämlich die Thatsache, dass trotz mehr- fachen U m r ü h r e n s des Inhaltes einer der beiden ersten Furchungs kugeln mit einer eingestochenen Nadel, sowie trotz grosser, bis ein Fünftel des Eiinhaltes betragender, Extra- ovate und trotz der bei diesem Austritt nothwendig entstehenden Umordnung der verschiedenen Dottersub.stanzen vielfach normal gestaltete Embryonen gebildet wurden [s. S. 179]. Dies scheint mir die grössere gestaltende Bedeutung des Kernes [und eventuell mit ihm eng verbundener Theile des Zell- leibes (Centr(^somen)] für die Entwickelung zu beweisen [siehe Nr. 24, S. 2]. Das Gleiche folgert Born mit Recht aus seinen Ver- suchen über die Einwirkung der Schwere auf die Froscheier ^), indem er zeigte, dass bei der Zwangslage der Eier hochgradige innere Um- ordnungen des Dottermateriales entstehen, ohne dass dadurch die Entwickelung in abnorme Bahnen gelenkt wird ; und ich möchte von diesem allgemeinen Befunde noch besonders hervorheben, dass nach 1) C. Weigert, Neuere Vererbungstheorien. Schmidt's Jahrbücher Bd. 115. S. 89 u. f. 2) G. Platxer. Korn und Protoplasma. Habilitationsschrift. Breslau 1887. 3) G. Born, Ueber den Einfiuss der Schwere auf das Froschei. Archiv f. micr Anat. Bd. 24. S. 533. Theoretische Erwägungen. 515 Born's deutlicher Abbildung diese ubuoniie AiioiMluuiig der ver- schiedenen Dottersubstiinzen noch nach der dritten [286] Fur- chung sehr augenfällig vorhanden ist, so dass also den acht Furch ungskuge In eine dem normalen Verhalten nicht ent- sprechende Mischung der verschiedenen Dottersubstanzen zugekommen ist und dass diese Abnormität nunmehr wohl auch nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Gegen das Bedingtsein der postgenerativen Gestaltungsfähigkeit der Masse der operirten Eihälfte durch die specifischen Qualitäten des mitverwendeten Dottermateriales der operirten Eihälfte scheint mir direct zu sprechen, dass dieses Dottermaterial vielfach so hoch- gradig verändert war, dass schon die ganze Masse mit zahlreichen, zwanzig und mehr. Kernen durchsetzt war, ohne dass um einen ein- zigen derselben eine Abgliederung des Zellleibes erfolgt war ^), während in anderen Fällen schon um den dritten und vierten Kern eine solche Abgliederung und zwar einer dann entsprechend grösseren Masse stattgefunden hatte; und ich habe entsprechende Unterschiede der nachträglichen Cellulation auch von aussen an Halbbildungen beob- achtet, welche später durch Postgeneration sich vollkommen ergänzten. Danach hätten wir also die Ursache der Fähigkeit des Materiales der operirten Eihälfte zur Nachentwickelung vorzugsweise in dem ,, Kernmaterial" derselben zu suchen, soweit sie nicht, wie dargethan, als abhängige Differenzirung von den differenzirenden Qualitäten der Theile der primär und selbst- ständig entwickelten Eihälfte zu betrachten ist. Wie viel idioplastische Fähigkeiten der abhängige Theil bei dieser letzteren Art der Gestal- tung mitzubringen hat, ist nicht zu sagen; das wesentliche zur Zeit Erkennbare war nur, dass die operirte Eihälfte trotz des Ueber- trittes von Kernen aus der normal sich entwickelnden Hälfte nicht selbstständig entwickelungsfähig ist, also kein Voll- idiopla sm a [Weigert] oder keine Biff er ensirung snr z eilen enthält. Und andererseits ist es von hoher Bedeutung, dass die unver- sehrte Eihälfte, während sie selber noch in rascher typi- scher Differenzirungsfolge begriffen ist, Zellkern- und viel- [1) Siehe S. 480 Anm.l. 33* 516 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. leicht auch Zellleibmaterial abgeben kann, ohne dass dadurch in dem Gange ihrer Entwickelung eine erkennbare Störung eintritt. Diese Abgabe von Kernmaterial ist indess kein besonderer Vorgang, denn er findet am Rande der Keimscheibe der mesoblastischen Eier normaler Weise statt; und auf ihn glaube ich oft auch die Fur- chung der gestielten Extraovate zurückführen zu müssen. [287] Nach den mitgetheilten Beobachtungen über die successive Nachbildung der durch die Operation am Ei schon in ihrem Anlage- material zerstörten bezw. alterirten Theile des Embryo können wir nun auch die Bedeutung meiner in einer früheren Arbeit [S. 180] gemachten Angabe, dass nach diesen Operationen im Ganzen normal gestaltete Embryonen mit nur einem circumscripten Defecte oder einer circumscripten Verbildung resultiren, bezüglich der Bedeutung eines Theiles der als Verbildungen bezeichneten Vorkomm- nisse etwas genauer präcisiren. Zum Theil waren in jenen Fällen wirkliche schrumpfungsartige Verbildungen der Oberfläche im betref- fenden Bezirk vorhanden, deren Verständniss mir noch fehlt. Zum Theil aber, und dies bezieht sich besonders auf Kopf- und Rücken- theile schon weit differenzirter Embryonen, waren es Bildungen, welche früheren Stadien der normalen Entwickelung immerliin ähnlich waren, und aus welchen allmählich auch normale, denen der anderen Kör- perhälfte gleichende Bildungen hervorgingen ; so dass also diese Art der damals gesehenen ,, Verbildungen" wohl als Formen der ,,nach- träglichen Bildung", der Postgeneration aufzufassen sind. Neue Möglichkeit der Entstehung von symmetrischen D o p p e 1 b i 1 d u n g e n. Mit der im Vorstehenden festgestellten, noch vor wenigen Jahren von mir selber für unmöglich gehaltenen [s. S. 122] Thatsache, dass von der, auf dem Wege der Selbstdifferenzirung, primär gebildeten seitlichen Hälfte des Embryo aus die fehlende Hälfte durch ab- hängige Differenzirung aus einem nicht selbstdifferenzirungsfähigen Eimateriale nachgebildet werden kann, haben wir vielleicht eine neue Möglichkeit erworben, die Entstehung von Doppel- Neue Möglichkeit der Kntstehung von symmetrischen Doppelbildungen. 517 bilduiigeii abzuleiten'). Hierbei ist wichtig, dass [288j die nach- trägliche Bildung von den freien, der eigentlichen Medianebene entsprechenden seitlichen Rändern der Keimblätter ausgeht, und dass die Postgeneration successive und so weit fortschreitet, als zur a))- hängigen Dit^erenzirung fähiges Material vorhanden ist. Die Möglichkeit solcher Entstehung von Doppelbildungen ist zugleich geknüpft an die Präexistenz einer anderen Missbildung, nämlich an die unvollkommene oder ganz ausgebliebene Vereinigung der beiden Medullarwülste, also an die oben kurz erwähnte Asjai- taxia medullaris totalis bezw. partialis. Hierbei endigen das Hornblatt, die Semimedulla, die Semichorda und unterhalb der Chorda das ]\Iittelblatt frei. Sofern nun, im Bereiche des weiten Auseinanderstehens der Entoblast noch eine Zeit lang fehlt und die genannten Organe sich nicht zu sehr einrollen, so stossen diese Halborgane direct ^n Dotter- zellen, in welchen dann nach obiger Erfahrung die abhängige Diffe- renzirung vor sich gehen könnte. Jede Antimere würde in dem Dotter unter Umwandlung desselben, räumlich successive fortschreitend so weit ein Stück der anderen Hälfte postgeneriren, bis beide Bildungen in der Medianebene des ganzen Eies zusammenstossen. In dieser Berührungsebene müssen dann die nachträglich gebildeten Stücke von seithchen Körperhälfteu mit einander entsprechenden Th eilen zusammentreffen, sofern die Bildung von beiden Seiten her annähernd gleichmässig erfolgt. V\'iv erhielten dann also auf eine secundäre 1) Dagegen kann ich Leo Gerlach's Angabe, dass er durch IJeberfirnissen der HühuereierDoppelbildungen hervorgebracht habe, noch jetzt und so lange nicht zustimmen, als er, wie bis jetzt, im Ganzen blos zwei unzweifelhafte Doppelbildungen (auf 60 in dieser Weise beeinflusste Eier) erhalten hat. Das kann sehr Avohl Zufall sein. Ich habe als Student unter 200 bebrüteten Eiern drei ausgesprochene Duplici- tates anteriores erhalten, während doch die Mittelzahl von Dareste aus 10 000 Eiern nur eine Doppelbildung auf 250 Eier ergiebt, also 4 mal kleiner ist. Wenn Gterlagh bei weiterer, aber leider seit 6 Jahren unterlassener Fortsetzung seiner Versuche mindestens 30 Doppelbildungen (auf etwa 500, von verschiedenen Höfen stammende Eier) erhalten haben wird, dann werde ich an einen causalen Zusammenhang des Resultates mit seiner Versuchsweise glauben; eher aber halte ich die Annahme einer causalen Beziehung zwischen beiden nicht für zulässig. [Der Autor hat danach selber (mündlich) zugegeben, dass sein Schluss unzu- treffend war; womit nun wohl diese selbst von R. Virchow (sein Arch. Bd, 103, S. 33) als erwiesen angesehene Angabe definitiv eliminirt ist.] 518 Nr. 22. Die Hervorbringung halber Embryonen. Weise unvollkommene Doppelbildmigen, welche dem in der Sache schon von Megkel deutlich beschriebenen, von mir benannten Gesetz der „doppelten Symmetrie der Organanlagen" entsprechen. Namentlich würde auf diese Weise die noch nicht während ihrer Ent- stehung beobachtete Duplicitas dorsalis hervorgehen können, und zwar häufiger die Duplicitas dorsicaudalis, seltener dorsi- cephalica^). Bei einem Erfolge würde dann auch die Prüfung der AHLFELD'schen Hypo- [289] these der Erzeugung solcher Doppelbil- dungen durch Spaltung des Embryo längs der Medullarfurche wieder aufzunehmen sein. Ergebnisse. Nach Zerstörung einer der beiden ersten Furchungszellen,, vermag' ' die andere Furchungszelle sich auf dem normalen Wege zu einem im WesentUchen normalen halben Embryo zu entwickeln. Auf diese Weise erhielten wir Hemiembryones laterales und anteriores nebst den entsprechenden Vorstufen der Semimorula, Semiblästula und Semigastrula. Auch wurden Dreiviertel-Embryonen mit Fehlen einer seitlichen Kopfhälfte durch Anstechen des Eies nach der zweiten Furchung gewonnen. Es konnte daher der Satz aufgestellt werden: Die Entwickelung der Gastrula und des zunächst daraus hervorgehenden Embryo ist von der Viertheilung des Eies an eine Mosaik arbeit aus mindestens vier verticalen, im Wesentlichen selbstständig sich ent- wickelnden Stücken (S. 454). Ferner sahen wir an der Missbildungsform der Anentoblastia, dass das äussere und das mittlere Keimblatt auch beim Fehleu des Darmentoblast ihre specifischen Einzelbil- dungen zu diff erenziren vermögen, und zwar auch dann, wenn die Form des ganzen Embryo in Folge obigen Fehlens eine abnorme wird. Desgleichen wird hierbei jederseits die Semichorda dorsalis lateralis gebildet (S. 442). [1) Die hier ausgesprochene neue Möglichkeit der l^ntstehung von Doppel- bildungen wurde von F. Klaussner (Mebrfachbildungen bei Wirbelthieren , eine tera- tologische Studie, München 1890) in ausgedehnter Weise verwerthet und von H. Endres (Anstichversuche an Froscheiern, Jahresber. d. Schles. Ges. f. vaterl. Cultur, Sitzg. V. 15. Nov. 1894 u. Arch. f. Entwickelungsmechanik Bd. II 1895) experimentell als richtig erwiesen.] Ergebnisse. 519 Die durch die Operation ihrer Entwickelungsfähigkeit beraubte Furchungszelle kann aUmähhch wiederbelebt werden (S. 480). Diese Reorganisation erfolgt zum Theil unter Uebertritt einer grösseren Anzahl von Zellkernen (nebst Protoplasma?) aus der normal entwickelten Eihälfte, unter Vertheilung der eingewanderten Kerne in der ganzen Dottermasse, soweit diese nicht schon durch Abkömmlinge des ihr zukommenden Furchungskernes mit Kernen versehen ist, so- wie unter nachträglicher Vermehrung dieser beiden Arten von Kernen. Dieser Bekernung oder Nucleisation der operirten Furchungskugel folgt später eine Cellulation nach, indem um jeden Kern eine Zellenabgliederung des Dotters vor sich geht. Hochgradig veränderte Theile widerstehen dieser Art der Wiederbelebung, werden jedoch in späterer Zeit auf etwas modificirte Weise gleichfalls wieder verwend- bar gemacht (S. 468—484). Der Reorganisation der operirten Eihälfte schliesst sich eine [290] nachträghche Entwickelung, eine „Postgeneration" derselben an, welche zu einer vollkommenen Ergänzung der fehlenden Seiten- hälfte oder hinteren Hälfte des Embryo führen kann (S. 484 — 513). Diese Postgeneration erfolgt nicht auf dieselbe Weise wie die normale Entwickelung der primär gebildeten Hälfte; sie ist daher nicht blos als verspätete, aber normaler Weise sich vollziehende Ent- wickelung anzusehen (S. 510). Dies spricht sich darin aus, dass die Postgeneration der Keimblätter in der nachgebildeten Hälfte nicht wie bei der primären Entwickelung durch selbstständige erste Anlage der Keimblätter vor sich geht, sondern dass die Postgeneration nur von den bereits in der entwickelten Hälfte gebildeten Keimblättern aus stattfindet. Dies geschieht jedoch nur von solchen Stellen aus, wo die Keimblätter der primär entwickelten Hälfte des Embryo schon derart von einander geschieden sind, dass jedes Keimblatt mit einem freien Seitenrande, mit einer,,Unterbrechungsf lache", wie bei einem künsthchen Defect, an die nichtentwickelte Eihälfte an- stösst (s. S. 498). In Folge dieser Bedingung findet bei der Er- gänzung der lateralen Halbbildungen keine eigentliche Gastrulation statt (s. S. 511). 520 Nr. 22. Die Hervorbi'ingung lialber Embryonen. Die postgenerative Bildung der Keimblätter geht in dem durch die nachträgliche Cellulation gebildeten Zellmateriale vor sich, indem der Process der Diff erenzirung in dem „ruhen- den" Zellmateriale fortschreitet. Die zur Bildung eines Keim- blattes nöthigen verschiedenartigen Differenzirungen pflanzen sich hierbei mit ungleicher Geschwindigkeit in dem noch indifferenten Zellmateriale fort (S. 507—510). Da die verschiedenen Dottermaterialien und die Zellkerne der operirten Eihälfte keine typische Lagerung haben, sondern in ihrer Lagerung durch zufällige Momente bestimmt werden, so konnte nicht an- genommen werden, dass die typische Ausbreitung und die typischen Resultate der Postgeneration durch eine typische Ordnung bestimmt qualificirter , der „Selbstdiff erenzirung" fähiger Substanzen bedingt sind. Wir glauben daher schliessen zu müssen, dass bestimmte diff erenzir ende Einwirkungen von dem bereits differen- zirten Materiale auf das ihm anliegende noch indifferen- tere Zellmaterial ausgehen (S. 507). Während durch unsere Befunde die ,, primäre" s. ^^directe^' Entivichelung (s. S. 450) der ersten Furchungszellen als „Selbst- diff erenzirung" [291] derselben, bezw. des Complexes ihrer Nach- kommen sich erwiesen hat, sind die reorganisirten Eitheile nur einer ,, abhängigen Diff erenzirung" durch Einwirkung schon differenzirter Theile fähig (S. 508). An einer neuen Form von Missl)ildungen , der ,,Asyntaxia medullaris", dem Ausbleiben der normalen Verschmelzung der beiden seitUchen Hälften der Medullarrohranlagen, welche gewöhnlieh mit entsprechendem Mangel des Darmblattes (Anentoblastia) ver- bunden ist, konnte weiterhin eine selbstständige Entwickelungsfähigkeit des äusseren und mittleren Keimblattes beim Fehlen des inneren Keimblattes constatirt werden. Breslau, Januar 1888. Erklärung der Abbildungen. 521 Erklärung' der Abbilduiijj^eii. Tafel VI und VII. Sämmtliche Figuren stellen Froscliembryonen (von Rana fusca und escu- lenta) dar. F Furcliungsliöhle. Ec Ectoblast (äusseres Keimblatt). En Entoblast (inneres Keimblatt). Ms Mesoblast (mittleres Keimblatt). Ch Chorda dorsalis. Md Medullar- wulst. U Urdarmhöhle, in Fig. 8 Taf. VII Urmund. D Dotterzellen. V Vacuolen. Tafel VI. Fig. 1. Semiblastula verticalis, senkrechter Meridianschnitt. Die Zellen schema- tisirt gezeichnet, a Eine blos nach der entwickelten Seite des Eies hin ab- gegrenzte Zelle. Fig. 2. Semiblastula verticalis, Schnitt desgl. Ausdehnung der Furchungshöhle in die unentwickelte Hälfte des Eies. KN Kernnest. K' Sehr grosser Kern mit Netzstructur. Fig. 3. Semigastrula lateralis, schräger Längsschnitt. Fig. 4. Hemiembryo sinister, Querschnitt. S — S Die Medianebene. Die rechte Hälfte des Eies ist bereits vollkommen nachcellulirt; die Postgeneration der Keimblätter hat begonnen. Chorda dorsalis bereits zur normalen Grösse des Querschnittes nachentwickelt. J Zwei jugendlich gebliebene Dotterzellen (Furchungszellen). Tafel VII. Fig. 1. Rückenfläche eines normalen Froschembryo mit noch auseinander stehenden Medullarwülsten. Fig. 2. Desgl. mit schon vereinigten Medullarwülsten. Fig. 3. Hemiembryo dexter, mit schon fast vollendeter Postgeneration des äus- seren Keimblattes. Fig. 4. Desgl., älter, aber mit geringerer Postgeneration. Fig. 5. Hemiembryo sinister, noch älter, fast ohne Postgeneration. Fig. 6. Hemiembryo anterior, bereits in Postgeneration begriffen. Fig. 7. Hemiembryo anterior, älter, a Ventrale Seite, h Haftnapf, b Dorsale Seite. Die Postgeneration der MeduUarwülste schon Aveit fortgeschritten. Fig. 8. Dreiviertel Embryo mit Asyntaxia medullaris (Roux). Die linke Kopfhälfte ist nicht entwickelt, der Ectoblast jedoch im Bereiche derselben bereits postgenerirt. U Offen gebliebener Theil des Urmundes. Nr. 23. Ueber die Lagerung* des Materiales des Medullar- rohres im gefurchten Frosehei'^. 1888. Bericlit der anatomischen Gesellschaft über die Versammlung zu Würzburg im Mai 1888, anatom. Anzeiger, Bd. 3, Nr. 23. Mit 4 Textfiauren. Inhalt. Seite Lage des Embryo im Ei 528 Gastrulation : Wanderung des Urmundes 525 Asyntaxia medullaris 526 Ei-gebnisse des Anstichs der normal situirten Blastula 527 Verschiedenheit der Gastrulation bei den Wirbelthierclassen 584 Verschiedenheit der Materialsonderung während der Furch ung bei den Wirbelthierclassen 585 Die Pnrchung der höheren Vertebraten leistet Arbeit der Gastrulation bei den niederen Classen 536 Verschiedenheit der Massen des „entwickelten" und „unentwickelten" Materiales der Blastula der Wirbelthierclassen 537 1) Diese Abhandlung hat in der Publication die Priorität vor der ihr voran- gesetzten Nr. 22 ; doch sind beide gemeinsam auf Grund von Experimenten des Früh- jahres 1887 entstanden. Dies ist auch die Veranlassung, dass in der vorgesetzten Abhandlung schon dieselben Erfahrungen über Gastrulation und Asyntaxia medullaris verwerthet werden. Lagerung des Materiales des MeduUarrohres. 523 [697J Meine Herren ! Ich möchte kurz über einige Versuche berich- ten, die ich anstellte, um einen Einblick in dieMassen Verschiebungen zu gewinnen, welche bei der Gastrulation des Froscheies vor sich gehen, und um so einen Aufschluss darüber zu erhalten, welchen „Gegenden" der ,, Morula" resp. „Blastula" das Ma- terial des MeduUarrohres entstammt. Der mit Hülfe der PFLücER'schen Zwangslage von mir ange- stellte Versuch (s. S. 347) an Froscheiern, welche in ,, normaler" Weise mit ihrer schwarzen Hemisphäre nach oben, also mit der weissen Hemisphäre nach unten auf eine Glasschale aufgesetzt und durch ungenügende Quellung der Gallerthülle verhindert worden waren, die sonst während der Gastrulation stattfindende Drehung innerhalb ihrer Gallerthülle auszuführen, hatte in Uebereinstimmung mit einem anders gewonnenen Schlüsse Pflüger's ergeben, dass die Medullarwülste normaler Weise nicht, wie bisher angenommen worden Avar (s. S. 524 Fig. 2), auf der oberen, schon von vornherein schwarzen Hälfte des Eies zur Anlage kommen, sondern dass, entsprechend Fig. 3, die^ Medullarw^ülste in ,, ganzer" Länge ,,auf" der ,, unteren", ursprünglich weissen, erst während der Gastrulation schwarz gewordenen Eihälfte gebildet werden. Die Prüfung, ob diese Methode wirklich jede Drehung des ganzen Eies verhindert, ist jederzeit während des Versuches durch Umkehr oder Schiefstellung der Glasschale, an deren Boden das Ei mit seiner Hülle festhaftet, leicht anzustellen; und es kann daher ein Zweifel an der Sicherheit der Methode im einzelnen Falle nicht bestehen; wenn dagegen in einem Falle, durch zu starke Quellung der Gallerthülle, das Ei noch drehbar geblieben ist, dann dreht sich die Gastrula schon vor der Bildung der Medullarwülste derart, dass die Medullarwülste nach ihrer Anlage entweder nicht oder nur noch mit ihrem hinteren Ende auf der nach u n t e n gewendeten Seite des Eies sichtljar sind. Es war nun die Frage, von woher dieses Material der auf der Unterseite des Eies angelegten ,,Medullarp]atte" der Gastrula 524 Nr. 23. lieber die Lagerung des Materiales des MeduUarrohres etc. [6981 FiiT. 1. Fi£i-. 2. 02. Fii?. 3. F i g u r e n e r k 1 ä r u 11 g : Schemata der Lage des ür- niimdes und der Medullarwülste des Frosches zur ursprünglich oberen schwarzen Hemisphäre des Eies, ü' Stelle der ersten Anlage des Urmuudes. U- Stelle des letzten Restes des Urmundes. G querer Gehirnwulst, resp. Stelle der Anlage desselben. Fig. 1. Blastula im Beginne der Gastrulation. Fig. 2. A eitere Auffassung von der Lage der Medullar- wülste. Fig. 3. Wirkliche Lage der Medullarwülste. Fig. 4. Lage des rechten Me- dullarwulstesbei Asyntaxia me- dullaris totalis (Roux) (die bei dieser Missbildung vorhandene Abplattung des Keimes als aus- geblieben gedacht). Fig. 4. Asyntaxia medullaris. 525 [699] stamme'), l^ie ausführliche Schilderung, welche Üscah Hkhtwk; iu seiner Arbeit über die Entwickeluno- des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere, 1881, S. 10, bezüglich der bei der Gastrulation des Tri- toneies von oben her gegen den Urmund hin stattfindenden Materialverschiebung macht, schien vollkommen für die Erklärung der neuen Beobachtung auszureichen, sofern man imr nicht, gleich Hertwig, das Material sich am Urmundrande nach innen umschlagen, sondern an der Aussenfiäche weiter über die Unterseite sich fortschieben liess. Damit würde zugleich auch die über die ganze Unterseite hin erfolgende, Fig. I von U' bis U^ verlaufende, etwa 170° be- tragende Verschiebung des Urmundes ihre Erklärung finden. Weiterhin schien damit zu stimmen, dass ich beim Anstechen des Aequators der Morula an der Stelle der künftigen ersten Urmunds- anlage wiederholt einen circumscripten Defect in der Mitte des Me- dullarrohres erhielt. Ich hatte also Veranlassung, anzunehmen, das Material des künftigen Embryo sei in der Morula und Blastula derart vertheilt, dass das Material der Kopf half te des Embryo der oberen Eihälfte entspreche, dass also der virtuelle Embryo gleichsam senk- recht, mit dem Kopfende oben, in der Blastula stehe. Auf diese [ Weise glaubte ich zugleich eine Erklärung gefunden zu haben, w^elche l von der bisherigen Auffassung, dass das ganze Material der Rücken- hälfte ursprünglich oben sei, möglichst wenig, blos um die Hälfte, abwich (s. S. 185). Die Versuche des nächsten Jahres aber belehrten mich schon, dass der circumscripte Defect in der Mitte des Medullarrohres kein ,,primäres" Bildungsphänomen ist, sondern dass er nur das vorletzte Phänomen eines Reparationsvorganges darstellt, dessen entwickelungsmechanische Erklärung ich unten (Seite 528) ange- deutet habe. Zugleich aber beobachtete ich, ohne dass ein Eingriff am Ei stattgefunden hatte, mehrfach eine typische Form von Missbil- dung, welche einen weiteren Aufschluss gewährte. Ich fand nämlich im Ganzen 10 Embryonen, bei welchen der Urmund sich nicht [1) Pflüger hatte geschlossen, dass das Material des Medullarrohres aus der Substanz der weissen Hemisphäre stamme (s. seine Abh. II, S. 47).] 526 Nr. 23. Ueber die Lagerung des Materiales des Medullarrohres etc. verengte, sondern die ganze weisse Unterseite des Eies noch sehen liess, während schon die Differenzirung der schwarzen Seite so weit vorgeschritten war, dass am Aequator des Eies neben dieser weissen Masse jederseits ein wohlausgebildeter Medullär wulst sich fand, der nur vorn und hinten mit dem der anderen Seite in Verbindung stand (Fig. IV). Die durchaus schwarze Oberseite liess dabei nach innen von den den Seitenrand bildenden Medullar- [700] Wülsten die wohlgebildeten Urwirbelsegmente und die Haftnäpfe erkennen. Die Querschnitte durch diese Missbildung zeigen unter jedem der beiden Medullarwülste eine durch die halbe Anzahl der sie zusammensetzenden Zellen charakterisirte Semichorda dorsalis und lassen zugleich erkennen, dass der En toblast fehlt. Diese Miss- bildung deutete ich so, dass in Folge des Fehlens des Entoblast das normale Herabwachsen der beiden seitlichen Hälften der Medullar- platte von dem Aequatorrand der Blastula her, und damit auch die Vereinigung dieser beiden Hälften in der Medianlinie auf der Unterseite ausgeblieben ist. Deshallj nannte ich diese Missbildung Asyiitaxia medullaris (s. 8. 443) von dowraHa, NichtVereinigung)') resp. AiientoTblastia (Darmblattlosigkeit) (s. S. 442 u. Nr. 31, S. 269). Ich habe dieselbe in meiner Arbeit über die künstlich erzeugten halben Embryonen (s. S. 442 u. 447) bereits kurz beschrieben. Die Richtig- 1) 0. Hertwjg hat sich in der Deutung dieser Missbildung ganz an meine Auffassung, dass hier ein „Ausbleiben" der normalen Vereinigung der beiden seitlichen Medullaranlagen vorliegt, angeschlossen. Gleichwohl bestrebt er sich, einen anderen Namen statt des obigen, das Wesen bezeichnenden dafür einzuführen, indem er in seinen Abhandlungen den älteren Namen „Spina bifida" darauf anwendet. Das mit letzterem Ausdrucke von Alters her Benannte ist aber in ver- schiedene Missbildungen als: Rachischisis, Myelocele, Meningocele etc. zerlegt worden (s. v. Recklingh.\usen, Untersuchungen über Spina bifida, Berlin 1886, 170 S. 2 Taf.), von denen keine unserem Befunde des Ausbleibens der ventralen Ver- einigung der Medullaranlagen entspricht. Da die Asyntaxia medullaris bereits vor der Anlage der Wirbelsäule, der Columna spinalis, entsteht, wäre etwas richtiger als Spina bifida die Bezeichnung Medulla bifida; doch liegt, wie wir sahen, auch keine Spaltung vor, sodass auch das Beiwort bifida unzutreffend ist. Aus diesen P]rwägungen habe ich den neuen bezeichnenden Namen Asyntaxia medullaris gebildet und glaube daher, dass er sich trotz der nicht mitgetheilten (wie es scheint auch nicht rein sachlichen) Gegen- gründe des genannten Autors einbürgern Avird. Lagerung des Materiales des Medullarrohres. 527 keit obiger Deutung wurde nun durch die diesjährigen Versuche, in welchen ich unter anderem aucli diese Missbildung „künstlich" erzeugte, bestätigt ^). In diesem Jahre verletzte ich die Morula und Blastula, nach gegen früher verbesserter Methode, zunächst in der Mitte der oberen Hälfte, also am schwarzen Pole des Eies, Nach der bisherigen Annahme der Autoren, dass das Rückenmark auf der oberen Hälfte des Eies angelegt werde, musste der eventuelle Defect, resp. die Narbe, alsdann in der Mitte der Länge des Medullarrohres sich linden, siehe Fig. 2. Es zeigte sich aber, wie ich nach dem Mitgetheilten nun schon mit Sicherheit erwartete, dass der Defect oder die Narbe ausnahmslos auf der Bauchseite, und zwar speciell blos auf dem Bauche des Embryo sich vorfand. Daraus geht also mit Sicherheit hervor, dass die mittleren Furchungskugeln der „schwazen oberen" Hemisphäre, also des sogenannten an i- malen Poles, der Morula und Blastula die ,, Bauchgegend" des Embryo aus sich hervorgehen lassen [s. S. 460 Anm. und Nr. 20, S. 32]. Weiterhin zerstörte ich die erste Anlage der ürmunds- lippe (Fig. 1 U^). Nach der älteren Auffassung hätte dann der Defect am hinteren Körperende sich finden müssen; es fand sich aber ein Bildungsdefect im queren Gehirnwulst, entsprechend Fig. 3 G. Es entspricht also die erste mediane Anlage der Urmunds- lippe dem queren Gehirnw^ulst des Embryo^), Verletzte ich die Blastula oder die schon beginnende Gastrula [1) Diese Erzeugung geschah einmal durch Anstich, wie auf S. 701 und früher S. 162, 167 u. f. mitgetheilt ist, weiterhin aher auch durch Pressung der Eier vom Beginn der Entwickelung an bis zur Bildung der Medullarwülste zwischen senk- rechten Platten, wobei eine Form entsteht, die ganz der Textfigur Nr. 4 (S. 524) entspricht (siehe ^r. 29 S. 607). Dieser letztere Versuch beweist direct die Richtigkeit meiner Auffassung, dass das Material des späteren Medullarrohres an der Blastula ringförmig das Ei und zwar annähernd in der Aequatorgegend umgiebt; durch die starke Pressung wird das Herabwachsen verhindert.] [2) Da kleine Brennmarken rasch ahgestossen oder resorbirt werden, müssen die Marken, welche bis nach Bildung der Medullarwülste bleiben sollen, etwas tief und gross sein. Meine Versuche sind daher, wie ich schon gelegentlich eines Vor- trages von W. His auf der Naturforscherversammlung zu Nürnberg (1893) mittheilte, 528 Nr. 23. lieber die Lagerung des Materiales des MeduUarrohres etc. seitlicli am Aequator, so zeigte sich später ein Dei'ect annähernd in der Mitte eines Medullarwulstes^). Verletzte ich das Ei bei beginnender Gastrulation an der der Urmundsanlage gegenüberhegenden Stehe des Aequators, Fig. 1 U ^, [701] so Avar ein Defect am caudalen Körperende die Folge, ent- sprechend Fig. 3 U^, während er nach der älteren Auffassung, siehe Fig. 2, hätte am Kopfende sich finden müssen. Fand die Verletzung unten in der Mitte des weissen Poles statt, so war später äusserlich kein Defect w^ahrnehmbar. War die Verletzung mehr excentrisch auf der Unterfläche, so war mehr oder weniger ausgedehnte Asyntaxia medullaris die Folge; deren in vielen Fällen erfolgende nachträgliche Heilung öfter derart vor sich ging, dass die beiden Medullarwülste sich vorn und hinten ein- ander näherten und mit einander verschmolzen, so dass vor der voll- kommenen Vereinigung nur noch ein Loch in der ,, Mitte" des MeduUarrohres vorhanden war. Dieselbe Bildung entsteht öfters auch, wenn man unmittelbar neben der ersten Urmundsanlage die weisse Hemisphäre in der Medianlinie (Fig. 1 unterhalb U^) ange- stochen hat; und so erklärt sich meine eingangs (S. 525) mitgetheilte frühere bezügliche Beobachtung nacli dem Anstechen der Morula an der entsprechenden Stelle. [Es ist ein gelegentlich beim Frosch vorkommender kleiner Anachronismus, dass die bilaterale Epibolie nicht, wie in der Norm rein in cephalocaudaler Richtung fortschreitet, sondern dass am cau- dalen Ende bereits Vereinigung der beiden seitlichen Theile statt- findet, wenn die Vereinigung von der cephalen Seite erst bis zur Mitte gelangt ist, alsdann sieht man bei genauer Verfolgung, dass der nicht so fein, dass ich auf Grund des hier berichteten Befundes der Angabe dieses Forschers entgegentreten könnte, dass der quere Gehirnwulst nicht in der ersten Anlage der dorsalen Urmundslippe, sondern unmittelbar vor derselben liege und seinerseits selber nicht durch Concrescenz entstehe. Eben deshalb habe ich meine verschiedenen Marken um 90'^ auseinandergelegt, da es sich, wie die ganze Arbeit zeigt, in ihr nicht um ein feines Detail, sondern entsprechend dem seinerzeitigen Nicht- wissen um die Hauptlagerungsverhältnisse handelte.] [1) Dieselben Ergebnisse erhielt neuerdings am Ei von Siredon pisciformis D. Barfurth (Ueber die organbildenden Keimbezirke und künstlichen Missbildungeu des Amphibieneies. Mkrkel-Bonnet's anat. Hefte 1893, S. 35.5—389).] (iastriilation des Froscheies durch bilaterale Epibolie. 529 Blastoporus gegen Schliiss desselben iiiclit hinten, sondern nahe der Mitte des Medulhirrohres liegt; Viel- leicht kommen solche zeitHch geringen, aber in ihren descriptiven Folgen sehr bedeutend seheinende Abweichungen bei anderen Thieren häufiger vor, und es beruhen darauf manche bezüglichen Differenzen der Autoren. (Vergl. S. 457 Anm. 2.) Nach Asyntaxia medullaris kommt, wie erwähnt, diese Art der Verschliessung oder Verengerung des Blasto- porus häufiger vor.] Durch diese Versuche ist wohl ausser Zweifel gestellt, dass die ältere Auffassung, welche noch jüngst von 0. Sghultze') sehr ent- schieden vertreten worden ist, nicht richtig ist. Wir haben uns vielmehr vorzustellen, dass das Material zur späteren Bildung der Medullarplatte jederseits durch seitliches Herab wachsen vom Aequatorr ande aus auf die Unterseite des Eies geschoben wird, und dass diese von beiden Seiten her einander entgegen wachsenden Platten unten in der Medianebene miteinander verschmelzen. Diese Verschmelzung findet successive und zwar in cephalocaudaler Richtung statt. Auf diese Weise erklärt sich zugleich die in der gleichen Richtung erfolgende Wanderung des ürmundes um etwa 170*^ über die Unterfläche des Eies (Fig. 1 von U^ nach U"). Die Gastrulation des Froscheies vollzieht sich also wesentlich durch Ueberwachsung der weissen, unteren Hälfte des Eies von den beiden Seitenhälften des Aequators aus, also durch „bilaterale Epibolie" [s. S. 454 u. 183). Eine Einstülpung kommt dabei ])los insoweit vor, als das Nahrungsdottermaterial der unteren Hälfte zugleich nach oben gegen das Dach der Furchungshöhle hin- wandert oder verdrängt wird bis zur vollkommenen Berührung des Daches, also bis zum Schwunde der Furchungshöhle^)^). 1) 0. ScHü^TZE, Zur ersten Entwickelung des braunen Erdfrosclies; in der Gratulationsschrift für A. von Kölliker, Leipzig 18S7 und Biologisches Centralblatt 1S87 Bd. 7, Nr. 19. ['■i) Diese Auffassung von der Gastrulation und Concrescenz der Amphibien hat vielfache Zustimmung gefunden. In dem Umstände, dass 0. Hertwig sie später (NB. unter Berufung auf vor- stehende Untersuchung) in populärer Weise dargestellt und illustrirt hat, haben einige andere descriptive Autoren Veranlassung gefunden, diese Auffassung ihm zuzu- schreiben, so z. ß. Charles Sedgwick Minot (Lehrb. d. Entwickelungsgesch. d. Menschen W. Eoux, Gesammelte Abhandlungen. 11. 34 530 Nr. 23. üeber die Lagerung des Materiales des Medullarrohres etc. Gut gefärbte Schnitte durcli eine beginnende Gastrula zeigten mir dementsprechend auch die Mitosen in der Aequatorgegend, 1894 S. 168) und J. Kollmank (Spina bifida und der Canalis neurentericus, Verhandl. d. auat. Ges. 1893). Ich habe mehrfach die Erfahrung gemacht, dass die Ergebnisse experi- menteller Arbeiten von descriptiven Anatomen erst beachtet worden sind , nach- dem und nur soweit als ein anderer descriptiver Forscher sie verwerthet hat; ein Zeichen davon, wie wenig die betreffenden Autoren über den Werth des Experimentes unterrichtet sind (s. S. 89). Auf dieser Verkennung beruht es weiterhin, dass sie Abhandlungen, die unter dem Namen Entwickelungsmechanik erscheinen, nicht für lesenswerth halten. W. His, der schon seit lange die bezügliche Concrescenz für die Fische auf- gestellt und vertreten hatte, hat sich gleichfalls meiner Auffassung von der Concres- cenz bei den Amphibien angeschlossen (s. Arch. f. Auat. u. Physiol., 1894, S. 326). RicH. Semon theilt mit (Die äussere Entwickelung des Ceratodus Forsten, Abdr. aus Semon, zool. Forschungsreisen in Australien etc. Jena. 1893, S. 83), dass seine Beobachtungen an Ceratodus für die Richtigkeit der Gastrulation durch „bilaterale Epibolie" sprechen. Th. Morgan berichtet, nachdem er früher abweichende Resultate erhalten hatte, neuerdings (The Formation of the Embryo of the Frog, anat. Anz. 1894. Bd. IX, S. 697 — 705), dass er die hier von mir geschilderten Versuche mit wesentlich demselben Ergebniss nachgemacht hat. F. Keibel dehnt die auf die bilaterale Epibolie sich stützende „Concrescenz- theorie" auch auf einen Säuger aus (Studien zur Entwickelungsgeschichte des Schweines, in G. Schwalbe's Morphol, Arb. Bd. III. 1893, S. 117).] Doch fehlt es auch nicht an Gegnern (siehe Anm. 3). [3) Diese Auffassung von dem geringen Antheil einer , Einstülpung" an der Gastrulation findet sich bereits vor dieser Abhandlung in einem kritischen Referat von mir vertreten (s. biolog. Centralblatt 1887, Bd. VII, S. 425). üebrigens ist noch beizufügen, dass vielleicht der allererste, durch Um- ordnung und Umgestaltung von Zellen sich vollziehende Anfang derUrmundbildung (s. S. 342, Anm. 3) auch eine „Einstülpung" darstellt; doch müsste um dies festzustellen , uachgev/iesen werden , dass bei dieser Umordnung oberflächlich am Ei gelagerte Zellen in die Tiefe gelangen, was schwer zu er- mitteln sein wird. In einem im gleichen Jahre (1888) erschienenen Referate sage ich weiterhin über den Vorgang der hier oben kurz geschilderten Gastrulation durch bilaterale Epibolie folgendes (biolog. Centralbl. Bd. 8, S. 410): „Die oben (S. 346) geschilderte Thatsache, dass der Urmund von seiner Anlagestelle aus über die ganze Unterseite des Eies wandert und die dabei statt- findenden Formänderungen desselben sind nach dem Resultate der Anstechver- suche so aufzufassen, dass nach der ersten Anlage des Urmundes die beiden Seiten- schenkel seines Saumes von den Seiten her, zunächst neben der Anlagestelle bis zur Berührung und sofortigen Verschmelzung einander entgegen wachsen; und es ist zu schliessen, dass dies auch weiterhin in cephalocaudaler Richtung vor sich geht, abgesehen von einer späteren selbststäudigen, aber nicht sehr ausgedehnten Ver- schmelzung beider Seitenlippen am „hintern" Ende". Gastrulation des Froscheies durch liihiterale Epibolie. 531 also der Götte'scIioh Randzono, am häufigsten, immer 2 — 3 in jedem Schnitt; während auf der scliwarzen Hemisphäre blos auf jede 8. bis 0. ScHULTZE vertritt dagegen eine andere Auffassung, die nebst meiner Ent- gegnung hier Platz finden möge (loco cit. S. 411 u. f.): SoHiLTZE handelt nur von z\y anglos aufgestellten Eiern und sagt: „„Die von dem dunklen Eiabschnitt ausgehende, in allen Meridianen nach unten erfolgende Zell- verschiebung findet etwas unterhalb der zur Zeit der Entstehung des Urmundes höchst gelegenen Stelle der hellen Hemisphäre, d. i. dicht unter dem Aequator zuerst Widerstand (Born), weshalb sich hier die Wachsthumsrichtung in eine anfangs radiär nach innen gerichtete umändert. Von diesem Augenblicke an werden an der dorsalen Innenfläche oberhalb des Urmundes die Dotterzellen nach aufwärts verschoben , und wird hierdurch naturgemäss der Schwerpunct des Eies nach dem spätem Rücken hin verlagert. Da das Ei in den Hüllen beweglich ist, muss sich demgemäss der Urmund senken, und beginnt nun das Ei seine erste Rotation um eine Horizontalaxe, welche senkrecht auf der Medianebene steht. Diese dauert entsprechend der nach aufwärts gerichteten, zunehmenden Verschiebung der Dotterzellen fort, bis dieselben in dem höchsten Punct der Eikugel angelangt sind. Nunmehr tritt zugleich mit der Er- weiterung des Urdarms ein Abwärtssinken der Dotterzellen, die mittlerweile in der Gegend des spätem Kopfes angelangt sind, au der dem Urmund gegenüberliegenden Innenfläche ein ; und die natürliche Folge dieser stets symmetrisch zur Medianebene erfolgenden Zellverschiebung ist, dass das Ei nunmehr in demselben Bogen, in welchem es vorher unter Senkung des Ürmunds rotirte, um eine gleiche Horizontalaxe in rückläufiger Drehung unter dem Einfluss der Schwere sich bewegt."" Dazu bemerkte ich : „Bei diesem Nachweis bleibt nach meiner Meinung noch Folgendes zu fragen: Woher weiss der Autor, dass die Zellen an der Stelle der ersten Urmundsanlage einen derartigen AViderstaud finden (denn Born hat diese Ansicht blos als Vermuthung ge- äussert und einen Beweis nicht erbracht), dass zufolge dessen sich hier die Wachs- thumsrichtung in eine nach innen gerichtete umändert? [s. S. 342 Anm.2]. Meint er, dass dieses Wachsthum nach innen keine Widerstände zu überwinden habe? Woher weiss er, dass der Urmund blos deshalb sich senkt, weil die Dotterzellen nach oben treten und dass diese Senkung durch eine Drehung des Eies bedingt ist? Woher weiss S., dass nicht entsprechend meiner Annahme der Vorgang eher der umgekehrte ist, dass im Gegentheil eine mechanische Tendenz zur „Aufwärts- drehung" auf diese Seite vorhanden ist, weil die protoplasmatischen, also specifisch leichteren Zellen zuerst auf dieser Seite (am ruhend ge- dachten Ei) „herabwachsen" (statt durch Drehung des ganzen Eies nach unten zu kommen), dass aber dieser Drehungstendenz durch die eine Strecke weit in die Höhe Avandernden,! specifisch schwereren Dotterzellen anfangs mehr oder weniger voll- kommen das Gleichgewicht gehalten wird? Woher weiss S., dass die spätere direct nachgCAviesene, seiner angeblich vorausgegangenen, aber nicht thatsächlich festgestellten, entgegengesetzt gerichtete Drehung durch ein Herabsinken dieser vordem Dotterzellen, und nicht, wie nach Pflüger's und meinen Thatsachen zu schliessen ist, durch (active oder passive?) Aufwärts - Verlagerung der hintern grössern Dotterzellmasse bei der Ausweitung der Urdarmhöhle bedingt ist? Woher weiss S. ferner dasjenige, was die Grundlage seiner Anschauung bildet, dass der untere Saum des Urmundes immer dieselbe Lage zur Hauptmasse des Eies einnimmt, 34* 582 Nr. 23. Ueber die Lagerung des Materiales des Mediillarrohres etc. 11. Zelle eine Kerntheilungsfigiir kam und in der unteren weissen Hälfte noch nicht in jedem Schnitte eine einzige auffindbar war (vergl. Anmerkung ^) auf S. 533). und dass niclit im Gegentheil, wie Pflüger angenommen hat und ich oben darge- than habe, der Urnnind sich stetig gegen die Hauptmasse des Eies verschiebt? Alle diese Alternativen hätte S. durch beweisende Beobachtungen oder durch zwingende Schlüsse aus solchen in seinem Sinn zur Entscheidung bringen müssen. Dies ist aber in keinem Falle versucht worden." „S. hätte meiner Meinung nach die drei Beobachtungen: dass beim zwanglos aufgesetzten Froschei der Urmund sich zunächst um 80" senkt, dann um 90° sich in rückläufiger Bewegung wieder hebt, und dass beim Beginne der Gastrulation eine relativ kleine Gruppe von Dotterzellen auf der Seite der Urmundsanlage sich über das Niveau des Bodens der Furchungshöhle erhebt (Stricker), voranstellen und danach unbefangen prüfen müssen, zu welcher Auffassung sie zwingen: dabei würde es ihm wohl nicht haben entgehen können, dass seine Deutung nicht die einzig mögliche ist, sondern dass die soeben von mir kurz angedeutete, meist entgegen- gesetzte Auffassung ebenfalls möglich ist. Letztere hat aber den Vorzug, dass sie alle Thatsachen, auch die von Pflüger und mir angegebenen erklärt, während die seinige diese Thatsachen negiert." S. hat sich durch diese Einwendungen nicht beeinflussen lassen, sondern hat in einer weiteren Abhandlung („Ueber die Entwickelung der Medullarplatte des Frosch- eies". Zeitsehr. f. wiss. Zool. 1882, Bd. 47) seine frühere Auffassung aufs Neue ver- treten; wogegen ich (im Jahresber. von Hofmann-Schwalbe, anat. Abth. 1889, S. 610) folgende weiteren Einwendungen gemacht habe: „Dem gegenüber, dass S. die von mir constatirte Verschiebung des Urmundes des Froscheies gegen die weisse Hemi- sphäre des Eies (um etwa 170") als ganz irrthümlich bezeichnet, ist daran zu erinnern, dass S. selber bereits eine Verschiebung von 105° beobachtet hat. Dazu kommt noch bei der Streckung der ersten Anlage der Medullarwülste, welche S. dabei nicht berücksichtigt hat, eine Verschiebung des Urmundes von etwa 25" nach hinten, wonach dann die Angabe S.'s blos noch 40" von meinen ab- weichen. Auch für diese geringe Differenz findet sich in meinen Arbeiten bereits die Erklärung." „S. beobachtete ferner ein Feststehen oder nur geringes Verschieben des Urmundes gegen kleine a b n o r m e Prominenzen der schwarzen Hemisphäre des Eies und schliesst daraus, dass der Urmund gegen die „Hauptmasse des Eies" feststeht, obschon er dies nur gegen die oherßächlichste Ze Hinge dieses sich stark verändern- den Eitheiles wahrgenommen hat; während ich mit dickeren, durch mehrere Zelllagen hindurchgehenden, also wohl relativ festeren Marken arbeitete. Uebrigens lassen sich auch viele Beobachtungen S.'s mit den meinen in Einklang bringen, wider- sprechen ihnen also nicht." „Ausserdem glaubt S. die Resultate von meinen Versuchen, in denen ich die Eier einen Tag länger, als es von selber geschieht, in ihrer anfänglichen senk- rechten Einstellung erhalten hatte (S. 347) als pathologisch ganz für die Beurtheilung des normalen Geschehens verwerfen zu müssen, obgleich dabei die Entwickelung ohne Verzögerung unter vollkommen den normalen Formenbildungen und unter Entstehung normaler Embryonen blos mit anderer Lage zur Erdaxe sich vollzog. S. ist daher genöthigt anzunehmen, ein so geringer, auf Gastrulation des Froscheies durch bilaterale Epibolie. 533 [702j Diese Auffassung der Gastrulation des Frosche ies stellt keineswegs isolirt da, sondern es liegen im Gegentlieil Beobachtungen die ganze EioberHäche gleichmässig vertheilter, auf das schon klein gefurchte Ei Avirkender Zwang veranlasse, dass das MeduUarrobr, statt wie nach S., normaler Weise auf der oberen, nun pathologischer Weise auf der unteren Hemisphäre des Eies angelegt werde. Da ich ferner nach Anstich der Mitte der oberen Hälfte der Blastula den dadurch hervorgebrachten kleinen und scharf umgrenzten Defect auf dem Bauche des Embryo fand, so müsste durch diesen localen Eingriff wieder- um die Medullarrohrbildung von ihrer angeblich normalen Stelle nach der entgegen- gesetzten Seite des Eies vertrieben worden seien. Mit gleichem Rechte oder besser Unrechte wäre anzunehmen, dass S/s Eier Abnormitäten darstellten, welche keinen Rückachluss auf das Normale gestatteten; denn sie zeigten anormale Bildungen gerade im Ectoblast, um den es sich handelt, und mehrere Eier entwickelten sich nicht weiter. Schliesslich ist von Bedeutung, dass die von S. verwendete Methode der Verwerthung zufälliger Pigmeotanhäufungen an der Oberfläche von mir selber her- rührt und mir dasselbe Ergebniss lieferte (s. S. 114), wie ihm; dass aber später von mir, nachdem ich die Fehlerquellen der Methode [das Verschwinden solcher Flecke und die gleichzeitige Bildung neuer Flecke, sowie die Pigment Wande- rung auf dem Ei] erkannt hatte, das mit ihr gewonnene Resultat als unrichtig verworfen wurde." Jüngst hat B.asilius Lwoff (Die Bildung der primären Keimblätter und die Entstehung der Chorda und des Mesorderms bei den Wirbelthieren. Moskau 1894.) über die Gastrulation der Amphibien gehandelt und gegen die von mir ermittelten Thatsachen weitläufig polemisirt. J]s ist ihm jedoch unbekannt, dass ich die Wanderung der dorsalen Urmundslippe nicht erdeutet, sondern beobachtet habe, dass ich bei zwischen senkrechten Platten gepressten Eiern vollkommene Asyntaxia raedullaris erhielt (s Nr. 29, S. 607), dass die von ihm auf Seite 525 vermisste Auf- klärung sich auf Seite 528 findet, dass meine Marken durch mehrere Zelllagen tief- dringend waren, dass bei beginnender Gastrulation an den Seiten noch die Lage- rungsverhältnisse der Blastula vorhanden sind, dass ich das Material des Medullar- rohres nicht blos in die jeweiligen Urm und slippen verlege, mit der Verschmelzung der Urmundslippen nicht die (NB. dorsale) Verschmelzung der M e d u 1 1 a r w ü 1 s t e geschehen lasse (über welche Verschmelzung er mir eine nicht von mir geäusserte An- sicht unterstellt), dass nur bei heilender Asyntaxia medullaris die Schliessung des Blastoporus mit der (NB. ventralen) Vereinigung der Medullarwülste zusammenfällt. Zu seiner Aufklärung sei noch bemerkt, was allerdings aus meinen früheren Mit- theilungen schon hervorgeht, dass ich schliesse, dass der quere Gehirnwulst zum Theil aus demjenigen Material der Blastula oder beginnenden Gastrula entsteht, in welchem diejenige Marke gemacht war, welche sich später in diesem Wulst liegend zeigt, und dass manches dieser Materialien festliegt, z. B. des queren Ge- hirnwulst oder des oberen Pol, während die seitlich am Aequator angebrachten Marken und ihre Umgebung sich verschieben. Die „Verbesserung" meiner Methode gegen die in Nr. 18 berichteten ersten Orientirungsversuche an der Blastula und Gastrula bestand in besserer Erhaltung der Eier in Zwangslage während der Operation (nach S. 347 Anm.), in genauerer Ausführung der Operation und in baldiger und wiederholter Controlle des unmittelbaren Effectes derselben (s. S. 171 Anm. u. Nr. 31).] 1) Aus diesen Beobachtungen ergiebt sich also, wie schön S. 348 angegeben. 531 Nr. 23. Ueber die Lagerung des Materiales des Medullarrohres etc. vor, welche auf ein gleiches Geschehen bei der Gastrulation von Fischen hindeuten. So hat z. B. His schon im Jahre 1874 in seiner Schrift „Ueber unsere Körperform" und weiterhin 1876 auf Grund seiner Beobachtungen am Salmenkeim folgende Schluss- folgerung über die Anlage des Rumpfes ausgesprochen: ,,Die Masse, aus welcher die Rumpfanlage hervorgeht, ist im Randwulst der Keimscheibe aufgespeichert; und sie gelangt dadurch an ihren Ort, dass je weilen die dem hinteren Ende des bereits abgegliederten Embryo zunächst liegenden Strecken an diesen sich heranschieben und ihn nach rückwärts verlängern. Ist der Dotter bis auf einen kleinen Rest umwachsen, so ist vom Randwulste nur noch ein kleiner das hintere Körperende bildender Ring übrig, dessen Hälften schliess- lich gleichfalls sich verbinden." Diese Angabe über die Bildung eines Knochenfischembryo steht, wie man sieht, durchaus in Uebereinstimmung mit den Folge- rungen, die aus meinen Versuchen am Frosch ei sich ergeben haben. Und desgleichen hat auch Rauber im Jahre 1880 eine von ihm, aller- dings wenig gut, als „Dehiscenz" der Embryonalanlage bezeich- nete Missbilduug von Fischembryonen beschrieben, welche einem un- vollkommenen Grade meiper ,,Asyntaxia medullaris" zu entsprechen scheint. Wir können daher den Satz aufstellen: Die schwarze, am Ei- äquator angelegte Urmundslippe des Froscheies entspricht dem Randwulste der Knochenfische. Das Material für die Me- dass die Eiaxe des befruchteten Eies bei , normaler Einstellung des Eies in ihrer Richtung vom schwarzen zum weissen Pol der ventridorsaleu Richtung des „reellen" sichtbaren Embryo entspricht. Danach entspricht weiterhin die „Be- fruchtungsseite" des Eies (s. S. 355) der caudalen, die gegenüberliegende Seite des Eies (des „höherstehenden Weissen") der cephalen Seite des „reellen" Embryo. Der , virtuelle" Embryo dagegen ist als aus zwei, mit ihrer „Dorsalseite" um 180" von einander getrennten und damit den Aequator der Blastula einnehmenden, jbauchwärts" aber vereinigten und „oben" am Ei gelegenen Hälften gebildet vorzu- stellen (s.Fig. 4, S. 524); die Lage seiner caudalen und cephalen Seite dagegen entspricht wesentlich der Lage derselben Seite des reellen Embryo, da das Herabwachsen über die untere Eihälfte nicht, wie ich früher nach 0. Hertwig annahm, wesent- lich in cephalocaudaler Richtung, sondern wesentlich von beiden lateralen Seiten her erfolgt. Leistung von Arbeit der Gastrulation durch die Furchung. 535 (liillarplatte des Froscheies liegt „in", und wohl noch auf- wärts „neben" dem „ganzen", das Ei „rings" umziehenden Umschlagsrande des Epiblast in den Hypoblast. Die Abweichung bei den Elasmobranchiern lässt sich von diesem Verhalten ableiten, wenn man sich vorstellt, dass das Plus an Nahrungsdotter dieser Eier in der Mitte des caudalen Theiles des Ringes der Randzone angehäuft worden sei, dass damit der Ring des Bild ungsmateriales hinten in der Mitte gesprengt und das Bil- dungsmaterial jederseits längs der Randzone nach der Kopfhälfte hin verschoben worden sei. Das Verhalten der Amnioten ergiebt sich durch eine Steigerung wesentlich derselben Verhältnisse bis zur fast vollkoinmenen Zu- sammenlagerung des rechten und linken Schenkels dieses Bildungs- materials zur Berührung beider Theile in der künftigen Medianebene. Für die placentalen Säuger ist blos die Besonderheit an- [703] zunehmen, dass diese Anordnung, nachdem sie einmal von den Reptilien erworben und dann auf die niederen Säuger überge- gangen war, geblieben ist, obgleich die ursprüngliche Ver- anlassung, die grosse Anhäufung von Nahrungsdotter wieder geschwunden war. Diese Vorstellungen sind jedoch blos anschauliche Hülfs- vorstellungen und sollen und können durchaus nicht den ,, phylo- genetischen Entwickelungsmechanismus" bezeichnen, wel- cher noth wendigerweise ein ganz anderer gewesen sein muss. Be- zügHch desselben ist vielmehr zu denken, dass die grosse An- häufung von Nahrungsdotter andere ontogenetische Me- chanismen nötig machte, welche an die Stelle der unmöglich gewordenen Herüberschiebuug der beiden lateralen Hälften der Me- dullarplatte über die grosse Nahrungsdottermasse, bis zur gegenseitigen Berührung der Hälften, eine andere Ordnung des Bildungs- dotters, sowie des K e r n m a t e r i a 1 s , während der F u r- chune: setzten. Diese Mechanismen können wir uns nach Darwin als durch lang fortgesetzte Selbstauslese von kleinen zufällig in dieser Richtung liegenden Abweichungen der Bildungsmechanismen 536 Nr. 23. Ueber die Lagerung des Materiales des MeduUarrohres etc. gezüchtet denken, und zwar natürlich als zweimal, fürElasmo- branchier und Reptilien gesondert, erworben. Das Wesentliche dieser neuen Mechanismen besteht darin, dass sie das Keimmaterial ,, schon während der Furchung" derart ordnen, dass z. B. bei den ,,Amnioten" das Material der beiden Antimeren der Medullarplatte schon von vorn- herein unmittelbar nebeneinander gelagert wird und nicht erst durch die Gastrulation zusammengeführt zu werden braucht. Wir sehen also, dass das, was bei den Fischen (mit Aus- nahme der Elasmobranchier) und wohl auch beim Am[)hioxus, sowie bei den Amphibien in Bezug aui die Material läge rung die ,, Gastrulation" zugleich mit der Bildung der Keimblätter leistet, bei den anderen Vertebraten grossentheils schon während der Furchung hergestellt wird, womit ein Theil der Function der Gastrulation über- flüssig geworden ist und die Gastrulation selber nunmehr entsprechende Vereinfachung erfahren konnte. [Kurz gefasst können wir sagen: Die „Fnrchnng" der liöheren Vertehraten leistet in Be- zug cotf die Materiallagernng bereits Arbeit, ivelche hei den niederen Vertebraten erst diirch die „GastrtfJation" ge- leistet tvird.J Da ferner nach der hochgrachgen \''erminderung des Nahrungs- dotters bei den Ptaeen taten dieser Bildungsmodus natürhch erst recht ausreichte, so war keine Veranlassung, ja keine Mög- lichkeit vorhanden, nachträglich durch Auslese einen anderen, etwa wieder dem früheren gleichen, Mechanis- mus zu züchten; im Gegentheil trurden noeli einige weitere Vereinfachungen der Gastrulation möglich. Noch wichtiger als die ,, formalen" Verschiedenheiten der Furchung: als äquale und inäquale, totale und j^artielle Furchung, sind somit für die typisch verschiedene Anordnung des Keim- [704] materiales in Bezug auf die spätere Organi- sation bei den verschiedenen Wirbelthierclassen resp. Ordnungen die q u a 1 i t a t i v e n Vei'schiedenheiten der M a t e r i a 1 s c h e i d u n g , w e 1 c h e Verschiedene Bedeutung des Eimateriales bei den Wirbelthierclassen. 537 bei jeder einzelnen Furcliung vor sich geht. Nur bei der „normalen" ersten Theilung findet vielleicht bei allen Klassen die- selbe Materialscheidung, nämlich die qualitativ gleiche Theilung, die Scheidung des Materiales der beiden Antimeren, statt. Bei dem Ueberblick über die Materiallagerung im Klastulu- Stadium der Wirbelthiere springt zugleich ein anderes Verhalten in die Auge] 1, nämlich der bei den ,, niederen" Klassen relativ grosse, ja bedeutend überwiegende Antheil, den das Material der künftigen „Bauchwandung" des Embryo im Verhältniss zu dem Bildungsmateriale des ganzen übrigen Körpers ausmacht; während dieser Antheil des „Bauclimateriales" hei den „höher en'-'- Wirhelclassen auf dem der Blastula ent- sprechenden Enttvickelnngsstaditim ein immer geringerer ivird unter gleichseitiger Zunahme des Materiales für die „dorsale Hälfte'''' des Embryo. Dies Verhalten ist meiner Meinung nach so zu verstehen, dass bei den niederen, der Gastraea näher stehenden Klassen das Ma- terial der Bauchwandung" auf der Blastulastufe schon viel ,, weiter entw^ickelt" ist als das Material der medullären Hälfte des Embryo, welches vielmehr nur erst als unentwickeltes Material in der Uebergangszone des Epiblast in den Entoblast auf- gespeichert ist. So stellt die Froschblastula in ihrem überwiegenden Antheile bereits ziemlich weit entwickeltes Material des Ecto- und Ento- blast der Bauchw^andung des Embryo dar; während später aus dem kleineren, in und neben dem Ring der Randzone gelegenen Materiale, wenn auch unter Aufzehrung des dem Entoblast einge- lagerten Dotters, der ganze übrige Embryo hervorgeht. Auch bei den Elasmobranchiern liefert der überwiegende Antheil der Keim- scheibe blos Material der Bauchwandung. Bei den „iVmnioten" findet jedoch nur ein, je höher um so kleinerer, „Randtheil" der Keimscheibe zur Bauchwan- dung, und zwar ausnahmslos zum vorderen, kopfwärts gewende- ten Theile der Bauchwandung V e r w e n d u n g. Also b e i d e n h ö h e r e n 538 Nr. 23. Ueber die Lagerung des Materiales des Medullarrohres etc. Klassen ist auf der „Blastulastufe" das Material der Bauch- wandung mehr erst ^^implicite'"'- d. h. noch weniger ent- wickeltvorhanden, während das „dorsale" Material schon mehr „explicite" (s. S. 401) sich vorfindet, als bei den niederen Klassen. Diese Unterscheidung von mehr und weniger entwickeltem Ma- teriale der verschiedenen Theile des Eies einer und derselben Ent- wickelungsstufe , also früherer und späterer Entwickelung der Theile erweist sich bei gebührender Würdigung auch bei der Beurth eilung manches anderen auffallenden quantitativen Verhaltens, z. B. der relativen Grösse der Primitivrinne, als nützlich. Nr. 24. Ueber die Entwiekelung des Extraovates der Froseheier. 1889. Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Wanderversammhme zu Kattowitz am 29. und 30. Juni 1889. [1] Sticht man eiiiFroschei, welches sich bereits ge- furcht und bis zur Blast u last ufe entwickelt hat, mit einer behufs Desinfection unmittelbar vorher erhitzten Nadel an, so tritt eine mehr oder weniger grosse Anzahl von Zellen aus dem Ei aus, sammelt sich in der Gallerthülle zu einem Körper von pilzförmiger Gestalt an und lebt noch eine Zeit laug weiter. Interessant ist, dass die ausgetretene Eisubstanz, das Extraovat, nicht gleichmässig aus Zellen besteht, sondern dass es gewöhnlich eine mehr oder weniger dicke Rinde von blos aus Dotter gebildeter Substanz besitzt. Der braune Farbstoff ist im Extraovat unregelmässig vertheilt. Einige Tage nach der Operation findet man das Extraovat oft noch in seiner ursprünglichen Farbe erhalten, also nicht verfärbt, sondern wohl noch lebend. Auf dem Durchschnitt trifft man noch die anfängliche Unordnung in der Lagerung der verschiedenen Be- standtheile: de^ gefärbten und ungefärbten Dotters, sowie der Zell- kerne. Zellgrenzen sind meist nicht wahrnehmbar. Die Zellkerne dagegen sind kleiner und enthalten mehr Chromatin, d. h. sie färben sich intensiver als die Kerne der Blastula zur Zeit der Operation. Es hat also eine Vermehrung und qualitative Weiterent- wickelung derZellkerne,,aber keine Ordnung derselben und des Dotters um dieselben stattgefunden. 54:0 Nr. 24. lieber die Entwickelung des Extraovates der Froscheier. Operirt man dagegen das Froschei kurze Zeit nach der Befruchtung: nach der Bildung der ersten Furche, so ent- wickelt sich das Extraovat meist nicht ; und das Gleiche gilt oft auch für die angestochene Eihälfte. Ein Zellkern ist in diesen Fällen im Extraovat nicht nachweisbar. In wenigen Fällen findet jedoch eine Entwickelung statt. Das Extraovat wird in anfangs wenige Zellen mit deutlichen Grenzen zerlegt. Das vorher unregelmässig ver- theilte Pigment ist jetzt in der Peripherie der Zellen, besonders an der freien Seite der oberflächlich gelegenen Zellen ange- ordnet. Danach finden weitere Zelltheilungen statt. Das höchst entwickelte Extraovat bietet sogar eine Entwickelungsstufe dar, die der [2] G a s t r u 1 a in den wesentlichsten Puncten entspricht. Es sind zwei deutlich durch einen glatten, continuirlich über viele Zellen weglaufenden Contour geschiedene Schichten gebildet, von denen die äussere, dem Ectoblast entsprechende, oberflächlich aus einer ein- fachen Lage stark pigmentirter Plattenepithelien besteht, unter welcher unregelmässig gestaltete, aber dicht zusammen gedrängte kleinere Zellen in ein- bis dreifacher Zahl sich finden und mit ihrer innersten Lage den erwähnten glatten Abgrenzungscontour bilden. An der einen Seite zieht sich der glatte äussere Oberflächencontour im Bogen in die das Innere bildende Zellenmasse hinein; und der so gebildete, der Anlage der Urdarmhöhle entsprechende Spaltraum ist von grösseren dotterreicheren Zellen begrenzt. An einer Stelle zeigen sogar an diesem Uebergangsrande des äusseren in das innere Blatt die Zellen des Ectoblast eine Anordnung, welche deutlich an die Ver- hältnisse bei der Bildung der Medullär a n 1 a g e der H e m i e m b r y o n e s laterales erinnert [Genaueres siehe S. 798]. Es zeigt sich also, dass Extraovate, in welche nur ein einziger Kern, und zwar die Hälfte oder ein Viertel des Furchungs- kernes übergetreten ist, in hohem Maasse und in einer an normale Bildung erinnernden Weise e n t w i c k e 1 u n g s- fähig sind^). [i) Weiteres über die Entwickelung des Extraovates siehe in der schönen Arbeit D. Barfurth's: Experimentelle Untersuchung über die Regeneration der Keim- blätter bei den Amphibien. Merkel-Bonnet's anatom. Hefte 1893. Heft 9. S. 311—354.] Nr. 25. Beiträge zur Entwiekelungsmeehanik des Embryo. Nr. VI. Ueber die „morphologische Polarisation" von Eiern und Embryonen durch den electrischen Strom sowie Ueber die Wirkung des electrischen Stromes auf die Richtung der ersten Theilung des Eies^). 1891. Aus dem k. k. anatomisclien Institute zu Innsbruck. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathem.-naturw. Classe; Bd. CI. Abth. III. Vorgelegt in der Sitzung vom 17. Dezember 1891. Mit Tafel VIU— X. Inhalt. A. Morphologisch polarisirende Wirkung des electrischen Stromes auf „lebende" Objecte. I. Abschnitt. Seito 1. Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Eier von Rana fusca: . 545 auf ein parallel contourirtes Band von Laich 546 auf eine runde Scheibe von Laich .549 bei wechselnder Durchströmungsriclitung 551 auf schwimmende Eier 552 auf unbefruchtete Eier 552 auf mecha^iisch insultirte Eier 552 auf getheilte Eier : Morula, Blastula und Gastrula 552 [-) Unter „morphologischer Polarisation " sind im Folgenden die von mir beobachteten polar localisirten, sichtbaren, bleibenden eigenartigen Ver- änderungen lebender Objecte (aus dem Stamm der Wirbelthiere) bei intraelectro- lytärer electrischer Durchströmung verstanden (s. S. 545 Anm. 1). Der erstere Theil des Haupttitels hätte daher auch umgekehrt lauten können : Ueber polar localisirte, eigenartige, bleibende sichtbare Reactionen von Eiern und Embryonen auf den electrischen Strom bei intraelectrolytärer Durchströmung.] 542 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Seite 2. Polarisirende Wirkung eines „Gleichstromes" auf Froscheier . . . 554 3. WirTct der „Wechselstrom" auf die Richtung der ersten Ei- theihing ? 556 beim Durchströmen 556, beim Umströmen 557 II. Abschnitt. 1. Weitere polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Eier von Eana fusca: auf Eierstockseier 558 auf trocken gehaltene Eier 558, auf in Salzlösung gelegene Eier . . 559 bei wechselnder Durchströmungsrichtung 560 Wirkung sehr schwachen Stromes 560, verschiedener Stromdauer . . 561 Grösse der Polfeder 561 Verhalten deformirter Eier 562 Veränderungen der Eier nach der Durchströmung 562 Dauer der Polarisationsfähigkeit 562 Aufhebung derselben durch Erwärmung 563 Wirkung auf „Embryonen" von Rana fusca 563 Einfluss der Differenz des Leitungsvermögens von Ei und Electrolyt 567 2. Weitere polarisirende Wirkung des Gleichstromes: auf Froscheier und Embryonen 569 3. Wirkt der „Gleichstrom" auf die Richtung der ersten Ei- theilungf . 571 4. Polarisirende Wirkung des AVechselstromes auf Organe des erwach- senen Frosches 572 auf die Gallenblase 572 auf das Froschherz 574 auf andere Organe 575 III. Abschnitt: Weitere polarisirende Wirkungen auf lebende Objecte. Einleitung : . . 576 Erläuterung von Termin i s technicis 579 Wirkung des Wechselstromes auf: Aethalium septicum 582 Hydra fusca 583 Wirkung auf Rana esculenta: 1. Wirkt der „Wechselstrom" auf die Besamungsrichtung? . . 583 auf die Copulaiionsrichtung? 584 2. Polarisirende Wirkung sehr schwachen Stromes auf das Ei ... . 585 3. Polarisirende Wirkung auf Eierstockseier 586, auf reife Eier .... 586 auf deformirte Eier 588, auf Extraovate, . . , . . . . 589 auf einander sehr nahe Eier 590 4. Polarisirende Wirkung auf in Zellen getheilte Eier 591 a) Specialpolarisation 591 b) Generalpolarisation 595 5. Polarisirende Wirkung auf Embryonen 597 Inhalt. 543 Seite 6. Einfluss der Wärme auf die Polarisationsfälligkeit 600 Einfluss der Carbolsäure auf die Reactionsfähigkeit ungetlieilter Eier 601 7. Prüfung des Leitungsvermögens der Eier 601 8. Polarisation bei Ablenkung der Stromfäden 602 Wirkung auf von Metall umschlossene Eier 602 Wirkung auf von Dielectricis umschlossene Eier 603 Wirkung des Gleichstromes auf Rana esculenta: 603 auf die Eier 604 auf das Herz und die CTalleublase 606 Wirkung des AVechselstromes auf Triton alpestris: auf ungetheilte Eier 608 auf in Zellen getheilte Eier 611 a) Specialpolarisation 611 b) Generalpolarisation 612 Art des Vorganges der Polarisation 613 Variationen der Polarisation 614 Wirkung auf Extra ovate 619 auf isolirte Zellen 620 auf innere Theile der Gastrula 623 Wirkung des AVecliselstromes auf Telestes Agassizii: auf die Eier, Morulae vind Embryonen 625 auf Herz imd Gallenblase ■ 682 Wirkung des Wechselstromes auf Lacerta agilis: auf die Eier 683 auf die Gallenblasse 634 auf die Embryonen 634 Wirkung des AVechselstromes auf Gallus domesticiis 686 Wirkung des galvanischen Stromes auf Hühnerembryonen .... 642 Wirkung des AVechselstromes auf Sängethiere: auf Eier und Embryonen 646 auf die Gallenblasen 647 Vorkommen des Stromschatten 650 Durch den AVechselstrom „nicht" morphologisch polarisirbare Organe 653 [Nachtrag: Morphologisch polarisirende Wirkung der Schläge der Ley dener Flasche auf Eier und Embyonen] 656 I B. Polare Localisation der Wirkung des electrischen Stromes an „nicht lebenden" Intraelectrolyten. IV. Abschnitt. 1. Wirkung des Gleichstromes auf Gallerte 659 2. Wirkung auf Quecksilber 660 3. Wirkung des Wechselstromes auf „feste" metallische Intraelectrolyten Definition des Intraelectrolyten 668 544 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Seite Wirkung auf kugelige Gebilde 674 Verhalten einander sehr naher Kugeln 676 auf platte Gebilde 679 Verhalten des rechten Winkels 680 der Kupferscheibe 684 auf Draht 686 auf einen Kugelschalenabschnitt 689 auf unvollkommene Intraelectrolyten 689 Wirkung des Gleichstromes auf feste metallische Intraelectro- lyten 692 Wirkung auf metallische Intraelectrolyten von der Gestalt der unter- suchtenorg an ischen Gebilde 701 Wirkung bei besser als der Intraelectrolyt leitenden Medien: 703 scheinbare „Aeqiiatorisation" 703 Methode, jedes beliebig e Gebilde seiner Gestalt und seinem Lei tvng SV ermö'g en entsprechend reactionsfähig auf den electrischen Strom zu machen 703 Bedingungen der „Polarisation" 705 Methode der der directen Ermittelung des Verlaufes der Strom- fäden gegen e inen Intraelectrolyten 707 Verlauf gegen metallische Intraelectrolyten : im Wechselstrome 708 im Gleichstrome 710 gegen organische Intraelectrolyten 712 Abnahme der intraelectrolytären Wirkung des galvanischen Stromes mit der Zunahme des Abstandes von den Electroden trotz gleich bleiben- den Querschnittes der Strombahn 714 C. Erklärungsversuche und Zusammenfassung. 1. Ursache der polaren Localisation der Veränderungen 727 2. Ursache der scharfen Begrenzung der Aequators 731 3. Ursachen der speciellen Gestaltungen der Polfeder: 733 a) Stromschatten 733 b) Bestimmung der Richtung der Grenzlinien der Polfelder . . . 737 c) Unterschiede der Localisation der Polfeder bei metallischen und bei lebenden Intraelectrolyten 740 4. ZtLsamme'nstellung der specif ischen R eactionsweiscn der lebenden embryonalen Objecte auf den electrischen Strom 741 5. Bedingungen der beschriebenen polaren Reactionen der lebenden Objecte 747 Verhalten der lebenden Objecte bei nicht intraelectr oly tärer Durchströmung 748 6. Ursachen der Specialpolarisation der Zellen des getheilten Eies. . 752 7. Ursachen der Generalpolarisation des in Zellen getheilten Eies . 759 Figurenerklärung 763 Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier. 545 A. Morphologische polarisirendeWirkung des electrischen Stromes auf „lebende" Objecte als Intraelectrolyten ^). I. Abschnitt^). 1. Polarisirende Wirkung des „Wechselstromes" auf Frosclieier. [27] Vom 5. bis 9. April d. J. (1891) machte ich Versuche an Eiern des bramien Grasfroscbes (Rana fusca) mit dem Wechselstrom, der zur electrischen Beleuchtung des k. k. anatomischen Institutes zu Innsbruck dient. Der verwendete transformirte Strom hat eine Span- nung von 100 Volt, die in einigen Versuchen mit wesentlich dem gleichen Erfolg, durch Umschaltung am Transformator, auf 50 Volt herabgesetzt war. Darauf wurden auch Versuche mit einem Gleich- strom von 43 Volt angestellt. Der Zweck der Versuche war: fest- zustellen, ob der electrische Strom die Richtung der ersten Theilung des Eies zu beeinflussen vermag. [28] Die Beantwortung dieser Frage schien mir von Bedeutung, da wir mit ihrer Entscheidung im positiven oder negativen Sinne eine Andeutung darüber erhielten, ob bei den morphologischen Vorgängen der indirecten, mitotischen Kerntheilung elec- trische Wirkungsweisen einen wesentlichen Antheil haben oder nicht. Denn es ist klar, dass diese typischen Gestaltungen durch den electrischen Strom alterirt werden müssen, sofern sie selber durch electrische Kraftwirkungeu vermittelt werden. Ein sicheres negatives Ergebniss musste diese Eventualität als unzutreffend erweisen^), ein positives zu weiteren Untersuchungen [1) Als „Intraelectroly t'' bezeichne ich einen bei seiner electrischen Durch- strömung rings ton einem Electrolyten umschlossenen, also die Electroden nicht berührenden Körper (s. Nr. 25, S. 145).] ■'J) Ein Bericht über die in Abschnitt I mitgetheilten Beobachtungen wurde am 11. April, über die des Abschnittes II am 7. Mai 1891 der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien verschlossen eingereicht und durch ßeschluss vom 16. April resp. 14. Mai gütigst in Depot genommen. [•^) Obgleich, wie wir sehen werden, selbst die Anwendung m aximaler, eben noch vom Zellleib ertragener Ströme ein negatives Ergebniss lieferte, so ist gleich- wohl die aufgeworfene Frage, ob bei der indirecten Kerntheilung electrische Wirkungen AV. Rous, Gesammelte Abhandlungen. II. gg 546 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. darüber auffordern, ob die beobachtete Wirkung des electrischen Stromes eine directe Wirkung auf die mitotischen Theiluugsvorgänge ist oder durch Einwirkung auf den Zellleib vermittelt wird, beides gleich wichtige Eventualitäten. Aus diesen Gründen hatte ich schon im Jahre 1885 (s. S. 319), die gleiche Frage geprüft, aber ein negatives Ergebniss erhalten. Doch musste der mir damals zur Verfügung stehende Strom, ein Gleichstrom von drei BuNSEN'schen Elementen, viel zu schwach er- scheinen, um eine sichere negative Folgerung zu gestatten. Zur Ab- leitung eines solchen Schlusses mussten Ströme von einer Stärke an- gewendet worden sein, die der deletär wirkenden Stromstärke benach- bart war. Da zu vermuthen war, dass der Strom meiner jetzigen Anstalt die genügende Stärke haben werde, und da zudem bei den früheren Versuchen die in eine Glasröhre aspirirten Froscheier nur von einer aussen umgewundenen Spirale aus umströmt, nicht aber die Eier selber durchströmt worden waren, so nahm ich diese Ver- suche wieder auf und begann zunächst mit der noch nicht verwen- deten Methode der directen Durchströmung. Sogleich bei dem ersten, an einem Sonntag Nachmittag (den 5. April) behufs Orientirung ül^er die etwa nöthige Versuchsanordnung angestellten Versuche trat ein evidentes Resultat der Einwirkung des Wechselstromes hervor. [29] An einem 2 cm breiten und 4 cm langen, der Länge nach durchströmten, wagrecht orientirten Bande von Froschlaich aus vor zwei Stunden befruchteten Eiern bemerkte ich bei einer, nach zehn Minuten vorgenommenen Besichtigung schon an jedem Eie eine senkrecht stehende, das Ei halbirende Furche, welche betheiligt sind, damit noch nicht als sicher im negativen Sinne entschieden zu betrachten; denn es könnten innerhalb des Kerns local so hohe Spannungen pro- ducirt werden, dass sie durch den schwachen Wechsel- und galvanischen Strom, welcher bereits zerstörend auf die Eintrittsstelle am Zellleib wirkt, nicht wesentlich, d. h. die formalen Vorgänge sichtbar ändernd, beeiuflusst würden. Selbst die An- wendung der hochgespannten Electricität der Leydener Flasche würde bei negativer Wirkung keine Entscheidung bringen, da sie bei ihrer höheren Spannung auch eine entsprechend stärkere Tendenz hat, die Oberfläche der Leiter einzunehmen, wes- halb es uns nicht gelingt, sie in erheblicher Spannung in den Zellkern hineinzuleiten.] Polarisirendo Wirkuni;- des Wechselstromes auf Froscheier. 547 an allen Eiern rechtwinkelig zur Stromriclitung orien- tirt war. Ich glaubte natürlich, die fragliche richtende Wirkung des Stromes auf die Eithciluug gefunden 7A\ haben; nur wunderte mich, dass die erste Furche eine ganze halbe Stunde eher, als ich nach der Zimmertemperatur erwartet hatte, aufgetreten war. Als ich diese Furche jedoch mit der Loupe besichtigte, fiel mir sogleich auf, dass sie ein wenig weiter war, als normale Theilungsfurchen des Froscheies zu sein pflegen, und dass sie sich nach der Tiefe zu nicht verengte, nicht sich zu einem engen Spalt verjüngte. Dies Hess erkennen, dass hier eine ganz andere Erscheinung vor- lag; und die nächsten sogleich vorgenommenen, etwas variirten Ver- suche bestätigten diesen Schluss. Die neue Erscheinung erregte durch ihre typischen Gestaltungen mein Interesse derart, dass ich ihr eine Zeitlang ausschliesslich nach- ging. Diese Sachlage ist der Grund, dass in den folgenden Mit- theilungen zwei in ihrem Wesen verschiedene, aber theil- weise in der nöthigen Versuchsanordnung und dem Versuchsmateriale übereinstimmende Themata zugleich behandelt werden, und dass ich überhaupt eine Gruppe von Erscheinungen bearbeitet habe, die, wie sich bald herausstellte, mehr in das Gebiet der jetzigen Physio- logie, als in das der Entwickelungsmechanik gehört. Die nächsten Versuche ergaben im Wesentlichen nachstehende Resultate. Beim Durchströmen eines geraden Bandes Froschlaich von 5 bis 9 cm Länge, 2 bis 2,5 cm Breite und einer einzigen Eilage Höhe, in Richtung der Länge des Bandes, von 1,7 cm breiten Platinelec- troden aus, entstand an jedem der vor ein bis drei Stunden be- fruchteten Eier innerhalb 15 bis 30 Secunden eine deutliche Schei- dung der annähernd kugeligen Oberfläche in drei Felder, welche durch zwei einander parallele kreisförmige [30] Grenzlinien gesondert sind, nämlich in zwei einander gegenüber liegende, den Electroden zugewendete „Polfelder" mit veränderter Oberfläche und ein zwischen ihnen gelegenes ,, äquatoriales Gürtelfeld" ohne solche Verän- derung. Diese Scheidung der Oberfläche erfolgt gewöhnlich zunächst durch Aufhellung im Bereiche des Polfeldes unter anfänglichem Ent- 35* 548 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. stehen einer netzartigen oder punctirten helleren Zeichnung; manch- mal treten auch schon, ehe eine Verfärbung der Oberfläche erkennbar ist, auf der unteren, hellgrauen, oft fast weissen Hemisphäre des Eies die beiden Parallelkreise als schwärzliche Linien auf und be- wirken so die erste sichtbare Scheidung in die drei Abschnitte. Bei weiterer Einwirkung des Stromes vertieft sich nach ein bis zwei Minuten die Stelle dieser beiden Parallelkreise zu je einer deutlichen, oben tieferen Ringfurche, und in derselben treten oben weisse Flecken, durch Aus- tritt von Eisubstanz bedingt, auf. Längs der Mitte des Aequator- g ü r t e 1 s entsteht unter vollkommener A u f h e 1 1 u n g s e i n e r R ä n d e r auf der helleren Unterseite des Eies nicht selten eine schwärzliche Linie mit oder ohne scharfe seitliche Grenzen, also eine Pigmentanhäufung. An der schwarzen, oberen Hemisphäre des Eies sieht man, wenn die Polfelder sich nicht genügend aufhellen, nur die beiden Ringfurchen. Während somit im Einzelnen das Bild der Veränderungen, und zwar je nach der Dauer und Stärke des wirkenden Stromes und wohl auch nach der Beschaffenheit der Eier selber, ein etwas verschiedenes st, so ist das Wesentliche der Erscheinungen vollkommen constant, nämlich die Theilung der Eioberfläche in zwei den Electroden zuge- wendete sichtbar veränderte Polfelder und einen sie trennenden, nicht veränderten, oder nur schwach in anderer Weise veränderten Aequatorgürtel; und zwar sind diese drei Felder bei der erwähnten Anordnung des Versuches durch zwei fast oder ganz parallele, continuirlich (ungezackt) verlaufende, rechtwinkelig zur Stromrichtung orientirte Ringlinieii gegen einander abgegrenzt. Der Abstand dieser beiden Grenzlinien von einander ist an Eiern, welche in der Nähe der Electroden stehen, am geringsten und nimmt gegen die Mitte des Stromfeldes allmälich zu. Ist der Strom durch Einschaltung grosser Widerstände geschwächt, so vergrössert sich der Abstand ; arbeitete ich, wie gerade beim [31] ersten Versuche, ohne solche Widerstände, so treten die sich erhebenden Ränder der beiden Polfelder oben einander so nahe, dass der von ihnen begrenzte, tiefer liegende Aequatorgürtel blos als der schmale Grund einer ein- zigen Furche erscheint. Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier. 549 Ueber die Stellung der beiden Grenzlinien 7A\ einander und zur Richtung der Stromlinien erfuhr ich Weiteres durch eine Aende- rung der Versuchs-Anordnung, indem statt der Verwendung eines parallel contourirten Bandes von Froschlaich, die ganze „runde" Schale gleichmässig mit einer einzigen Lage von Frosch- eiern ausgefüllt und dies Material von zwei, einander ent- gegengesetzten Stellen des Randes der Schale aus und unter Benutzung schmälerer Electroden d u r c h s t r ö m t w u r d e. Die Gesammtheit der beiden Linien von allen Eiern markirt alsdann typische Curven, die leichter zu erkennen sind, wenn man die Schale nach Beendigung des Versuches umdreht und die hellen unteren Hemisphären betrachtet, als bei Besichtigung der schwarzen Furchen auf der schwarzen oberen Eihälfte. Da die Frosch- eier durch ihre dicken Gallerthüllen von einander geschieden sind und nicht in den Curven entsprechenden Reihen liegen, so bilden die beiden Grenzlinien aller der etwa 200 Eier einer Schale keine conti- nuirlich gezeichneten Curven; sondern man muss sich die Curven aus den vielen nebeneinanderliegenden Bruchstücken selber integriren, was aber bei Benutzung einer schwachen Loupe nicht schwerfällt. Das Bild, welches man so gewinnt, ist folgendes: Die Curven be- ginnen, entsprechend dem zuerst mitgeth eilten Versuche, alle recht- winkelig zu der mittleren geraden Verbindungslinie der Electroden und wenden sich dann, die ,, nächste" Elec- trode im Bogen umziehend, unter allmählicher Vergrösse- rung ihres Ab stand es gegen den Rand der Schale, um daselbst in rechtem Winkel zur Umrandung zu enden. Die Krüm- mung der Curven ist daher unmittelbar neben den Electroden am stärksten und nimmt bis zu der in gerader Richtung verlaufenden mittelsten Linie allmähch ab. Beide Grenzlinien der drei Felder jedes Eies entsprechen dieser Schilderung; es sind also beide blos gegen die nächste Electrode concav; nur an den in der recht- winkelig zur Stromrichtung orientirten Mittellinie der Schale liegen- den Eiern ist jede von beiden Grenzlinien gegen eine andere Elec- trode concav. [32] Auch stehen nur an den durch diese Mittellinie halbirten Eiern und an den in der geraden Verbindungslinie der 550 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Electroden sich befindenden Eiern die Grenzlinien symmetrisch zu einem Eimeridian, wenngleich dies der flüchtigen Betrachtung an vielen Stellen so scheinen mag. Bei genauer Betrachtung der für diese Unterscheidung charakteristischen Stellen an vollkommen normalen Eiern kann kein Zweifel bestehen, dass die Richtung dieser Linien ihrem Wesen nach nicht zu einer im Ei selber gelegenen Linie typisch bestimmt ist, sondern dass die Bestimmung von aussen her, in je nach der zufälligen Lage der Eier zu den Electroden und zur Gesammtform des electrischen Eeldes verschiedener Weise getroffen wird. Desgleichen hängt auch der Abstand dieser Grenzlinien wesent- Hch von den genannten äusseren Umständen ab (mit der Einschrän- kung, dass bei grösseren Eiern sie vielleicht ceteris paribus weiter von einander entfernt sind, worüber ich in Ermangelung von Riesen- eiern noch keine Beobachtungen machen konnte). Ich halte die durch diese Grenzlinien markirten Flächen für Potentialniveauflächen, also für äquipotentiale Flächen des ganzen electrischen Feldes. In der Ueberzeugung, dass meine Vorstellung von der Gestalt der äquipotentialen Flächen die zutreffende ist, will ich die erwähnten Grenzlinien des durchströmten Froscheies weiterhin als „Niveauringe" bezeichnen; doch will ich die Möglichkeit nicht als ausgeschlossen hinstellen, dass die Physiker bei genauerem Vergleiche kleine typi- sche Abweichungen obiger Niveauringe von den von ihnen berech- neten Niveaulinien ermitteln werden; Abweichungen, die aber dann wohl nur durch secundäre Momente bedingt sind und den Haupt- charakter unserer Niveauringe als äquipotentialer Linien nicht alteriren werden. An manchen Eiern, an denen die Polfelder sehr grobkörnig wurden, war die Grenze letzterer auch nicht continuirlich gerichtet, sondern gezackt, und die Gesammtkrümmung der Grenzlinien ent- sprach dann auch nicht vollkommen dem Durchschnitt von Niveau- flächen des electrischen Feldes durch die Eioberflächen. Diese im Anfange der Versuche an den [33] frischen Eiern nicht vorgekommenen Fälle halte ich indess für abnorm, für bedingt durch die künstliche Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier. 551 Verzögerung der Laichuiig, wobei auch schon am normalen Furchung s- schema viele Abweichungen vorkommen. Noch charakteristischer als bei der letzterwähnten Versuchsan- ordnung, noch evidenter nur äquipotentialen Flächen entsprechend, werden die durch die Niveauringe gebildeten Curven, wenn man die Electroden nicht an den Rand, sondern entfernt vom Rande der runden Schale und auf die Fläche der Froschlaichlage aufsetzt. An den Eiern, welche alsdann von oben aus durchströmt werden, liegen die beiden Niveauringe fast wag recht, während sie an den wagrecht durchströmten entfernteren Eiern senkrecht stehen. Es ist vollkommen deutlich, dass die durch die beiden Niveau- ringe markirten Flächen rechtwinkelig zu den Stromlinien stehen. (Vergl. Fig. 2, Taf. X nebst der Figurenerklärung.) An den bei dieser letzteren Anordnung seitlich im Stromfeld befindlichen Eiern entstehen im Bereiche des, bei ihnen brei- teren Aequatorgürtels häufig nachträglich, im Laufe von Stunden oder Tagen vielfache Zersetzungen, grössere weisse und schwarze Flecken, sowie auch intensiv sch'Warze Puncte von zum Theil regel- mässiger, sternförmiger Anordnung, während im Bereiche der Pol- felder nach der Durchströmung keine nachträglichen Veränderungen zu erkennen sind. Wenn man Eier, die schon längere Zeit durchströmt worden sind, nachträglich in anderer Richtung, z. B. rechtwinkelig zur früheren Richtung durchströmt, so findet keine neue, dieser Stromrichtung ent- sprechende Ringbildung, überhaupt keine äusserlich erkennbare Aende- rung des zuerst erzeugten Bildes statt (s. Nr. 25, S. 41). Wird dagegen die wagrecht stehende Schale mit den Eiern während der Durchströmung continuirlich gegen die am Rand ein- tauchenden feststehenden Electroden gedreht, so entsteht statt der beidenPolf eider ein ,,Polgürter' und statt des Aequator- gürtels ein oberes und ein unteres rundes Feld. Werden die Eier während der Durchströmung auch noch aus der wagrechten Ebene gebracht, z. B. in einer hohen mit Wasser gefüllten Schale zwischen den Electroden nach allen Richtungen in ihrer Lage ver- 552 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. ändert, so tritt keine Sonderung in abgegrenzte Felder mehr auf. [34] Schwimmen die Eier in einer FKissigkeit von geeignet hohem specifischen Gewicht (Wasserglas oder Lösung von Gummi arabicum), so behalten dieselben während der Durchströmung ihre vorher eingenommene zufällige Anordnung bei und drehen sich auch nicht um eine Axe ; desgleichen tritt auch nach der Bildung der Pol- felder während der weiteren Durchströmung sowie nach dem Auf- hören derselben eine Aenderung der Anordnung ohne äusseres Zu- thun nicht ein. Werden die mit Polfeldern versehenen schwim- menden Eier gegeneinander verschoben, oder um ihre verticaleu Axen verdreht, so behalten sie die ihnen gegebene Anord- nung bei, selbst wenn auf's Neue ein Strom durch die Schale ge- leitet wird. Unbefruchtete aber reife, der Gebärmutter entnommene, in Wasser gequollene Eier reagiren in ähnlicher Weise auf den Wechselstrom. Auch hier entstehen zwei Niveauriuge an jedem Ei; die Polfelder werden hell und netzförmig gezeichnet. Doch sind in der Beschaffenheit der Oberfläche kleine Unterschiede vorhanden und die Reaction geht viel langsamer vor sich. An mechanisch, durch Drücken mit den Fingern oder durch Pressen zwischen Glasplatten insultirten und de formirten Eiern entstehen zum Theil keine, zum Theil mit ihren Niveauringen von dem gewohnten Anblick abweichende Stellungen einnehmende Polfelder. Von besonderem Interesse ist bei diesem Verfahren das Verhalten der entstandenen Dotterhernien, der Extraovate. Der Reife nahe, aber noch unreife Eier aus der Bauchhöhle und vom Eierstock standen mir noch nicht zur Verfügung. Kleine unreife Eierstockeier für das nächste Jahr zeigten keine Reaction auf den Wechselstrom, auch wenn sie schon eine schwarze und weisse • Hemisphäre ausgebildet hatten (s. Nr. 25, S. 39). Geschieht die Durchströmung nach der Anlage oder Vollendung der ersten Furche, also während der ersten Theilung des Eies, so findet gleichwohl die Scheidung in die beiden Polfelder und den Aequatorgürtel statt. Doch ist das Bild nur dann dem früheren, am Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier. 553 noch uDgetheilten Eie gewonnenen, wesentlich gleich, wenn die erste Furche zufällig ganz oder annähernd rechtwinkelig oder ganz parallel zu den Nivauflächen steht. Weicht die erste Furche dagegen etwa 10—45" von der Richtung der gedachten Niveauflächen des ganzen Eies ab, dann erfährt [35] der jeder von beiden Zellen zukommende Antheil am Aequatorgürtel eine deutliche Verwerfung gegen das Aequatorstück der anderen Zelle; auch sind die der Thei- lungsfurche des Eies anliegenden Theile des Aequators stark von der Richtung der Niveaulinien des homogen ge- dachten electrischen Feldes abgelenkt; s. Taf. VIII, Fig. 7 u. Nr. 25, S.69. Nach der Entstehung der zweiten Furche wird das Bild dieser Verwerfungen oft noch etwas complicirter ; doch ist auch hier die Bildung zw^eier Polfelder am Eie und einer Aequatorialzone voll- kommen deutlich. War das Ei zur Zeit der Durchströmung schon in mehr Zellen zerlegt, also im Morula Stadium befindlich, so entstand wieder ein continuirlicher, durch zwei Niveauringe begrenzter Aequatorialgürtel ; aber ausserdem traten, diesem letzteren ziemlich parallel, auf den Polfeldern jederseits 2—3 helle Ringe auf, die anscheinend durch Austritt von Dottersubstauz aus den den Niveauflächen an- nähernd parallelen normalen Furchen (Zellgrenzen) entstehen, aber zum Theil wohl auch durch weisse Verfärbung der Oberfläche (im Bereiche der unteren Hemisphäre des Eies) bedingt sind, worüber erst die microscopische Untersuchung genaueren Aufschluss geben kann. Die in noch kleinere Zellen zerlegte Blastula liess ausser den beiden Niveauringen noch mehr solcher secundärer Parallel- kreise hervorgehen, deren Zahl wiederum der Zahl der vorhandenen Zellreihen entsprach (s. Nr. 25, S. 69 u. f.). Im Stadium der Gastrula traten kaum noch äusserlich sicht- bare polare Veränderungen auf. Alle durch den Strom in der geschilderten Weise alterirten Eier entwickelten sich nicht weiter; auch drehten sich dieselben nach Auf- wärtswenduug des Bodens der Schale, an welchem die Eihüllen an- haften, selbst im Verlauf von 24 Stunden nicht wieder mit der hellen Seite nach unten, wie dies befruchtete Eier in wenigen Minuten, 554 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. unbefruchtetein 2 — 3 Stunden thun. Das Ausbleiben letzterer Erschei- nung beruht jedoch nicht auf Vermengung der Eisubstanzen ungleichen specifischen Gewichtes (des Nahrungs- und des Bildungsdotters), son- dern nur auf Befestigung des Eies gegen die Gallerthülle; denn mit dieser Hülle herausgenommene Eier nahmen, wenn man sie in Wasser- glas schwimmen liess, rasch die normale Stellung mit dem hellen Theile nach unten wieder ein. [36] Am Dotter eines gelegten Hühnereies, sowde an den Eier- stockseiern zweier Tauben konnte ich, nach Anwendung des mir zur Verfügung stehenden Stromes bei äusserer Besichtigung keine denen der Froscheier entsprechenden Veränderungen wahrnehmen. 2. Polarisireiide AVirkung des „(xleichstromes*« auf Froscheier. Die Kunstmühlenbesitzer Herren Gebrüder Rauch in Mühlau gestatteten mir am 8. April freundlichst die Benutzung des mit der kleineren ihrer Dynamomaschinen unter einer Tourenzahl von 1200 per Minute erzeugten Gleichstromes von 43 Volt Spannung; ich verwendete von demselben nur eine schwache Stromschleife. Um möglichst verschiedene Stromdichten zugleich zu prüfen, setzte ich die Electroden einander nahe im ßinnenraume des runden Strom- feldes auf. Bei diesem Strom zeigte sich eine Verschiedenheit der von beiden Electroden ausgehenden Wirkungen zunächst schon an der Gallert- hülle. Während beim Wechselstrom die Gallerthülle un- verändertblieb, entstand hier um die durch stärkere Gasent Wicke- lung ausgezeichnete, also negative Electrode zunächst eine Auf- hellung der Gallerthüllen, der später beim Kochen eine opak- weis se Trübung folgte; in der Umgebung der Anode dagegen entstand ein bläulich hyaliner Schimmer in der ihr zugewende- ten Substanz der Gallerthüllen, der sich nach dem Kochen noch erhielt. An reifen u n h efr u chteten Eiern entwickelte sich in weiter, die quere Mittellinie des electrischen Feldes überschreitender Um- gebung der positiven Electrode an den Eiern blos ein grosses grau verfärbtes, des Anode zugewendetes und demnach der Kürze Polarisirende Wirkung des Gleichstromes auf Froscheier. 555 halber als auodisclies oder positives zu bezeichnendes Pol fei d mit einer deutlichen Niveauringfurche als Grenze. An den weiter gegen die negative Electrode hin gelegenen Eiern trat danach eine kathodenwärts liegende Niveauringlinie hinzu als einzige Marke der Scheidung auf dieser Seite des Eies ; und b 1 o s die der Kathode nächsten zwei Reihen Eier hatten ein verfärbtes, aber grosses kathodisch gelegenes Polfeld unter Fehlen eines anodischen. Die seitlich im Stromfeld liegenden Eier boten vielfach zwei schwach verfärbte Polfelder und zwischen ihnen einen unverfärbten Aequatorgürtel dar ; aber an manchen Eiern fand sich nur anodenwärts ein verfärbtes Polfeld, kathodenwärts da- gegen wieder blos eine Niveauringlinie. Die Richtungen und [37] Krümmungen der Niveauringe entsprachen wieder durchaus der ihnen gegebenen Bezeichnung. An befruchteten, zwischen den Electroden gelegenen Eiern zeigten sich nach kurz dauernder Durchströmung zwei Niveauringe von deutlicher Schärfe; das anodische Polfeld war gross und nur wenig verfärbt; das kathodische zeigte sich an manchen Eiern etwas verfärbt, an anderen gleich dem Aequatorgürtel unverf ärbt, und war i n derStromrichtung verlängert und in verticaleLängsfalten ge- bogen. Im seitlichen Theile des Stromgebietes war im Bereiche des Aequatorgürtels der Eier nach einigen Stunden vielfache Zersetzung, wie oben beim Wechselstrom beschrieben, wahrnehmbar. Weit seitlich und nach hinten von den Electroden waren die Eier unverändert und theilten sich später normal. Am Uebergang zwischen beiden letzt- genannten Abschnitten fanden sich Eier mit zwei sehr kleinen verfärbten Polfeldern; an diesen Eiern bildete sich später im breiten Aequatorgürtel die typische erste Furche und stand auffallend häufig in Richtung der mittleren Ver- hindungslinie heider Pole. Es ergab sich also ein deutliches Ueberwiegen der Wirkung dieses Gleichstromes auf der anodischen Seite der Eier, im Uebrigen aber doch eine doppelseitige, wenn auch schwächere Wir- kung als beim Wechselstrom. Bei dem Versuch an unbefruchteten Eiern zeigte sich deutlich eine Abnahme der anodischen und katho- 556 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. dischen Wirkung mit dem Abstände der Eier von der gleichnamigen Electrode. 3. Wirkt der „AVechselstrom" auf die Riclituiig- der ersten Theiluiig- des Frosclieies? Von Bedeutung war mir die Wahrnehmung, dass bei dieser hohen Spannung von 43 Volt die seitlich gelegenen Eier schon keine Polfelder mehr bildeten, dass ich also schon an der unteren Grenze dieser Wirksamkeit angelangt war. Ich suchte daher, unter Einschal- tung eines grossen Widerstandes, auch mit dem höher gespannten Strom meiner Anstalt diese Grenze und versuchte, die Eier mit dem stärksten, nicht mehr deletär wirkenden Strom zu be- einflussen. Dadurch wurde möglich, endgiltig zu prüfen, oh der Wechselstrom eine Wirl'ung auf die Bichfung der ersten Theilnng des Eies ausüht, welche, wie ich (Nr. 16) und bald [38] darauf Pflüger^) festgestellt haben, die Medianebene des Frosch- embryo darstellt, so dass sie also das Eimaterial qualitativ und quan- titativ halbiren muss und daher meiner Meinung nach eher auf den Wechselstrom reagiren könnte, als auf den Gleichstrom, der sich mehr für die zweite, nach meinen Beobachtungen köpf- und schwanzwärts son- dernde Theilung zu qualificiren scheint. Damit war ich zum Ausgangs- problem der vorstehend mitgetheilten Versuche zurückgelangt. Dahin fülirte auch die der vorigen Seite erwähnte Beobachtung, dass an Eiern mit zwei sehr kleinen Polfeldern die erste Furche auffallend häufig in der mittleren Verbindungslinie beider Polfelder lag. Durch Aspiration von Eiern in enge Glasröhren (wodurch die Eier verlängert werden) und darauf folgende Durchströmung längs der Röhre hätte sich sogleich entscheiden lassen, ob diese Richtung der Furche als besondere Wirkung des Stromes oder blos der Ver- kleinerung des Eies in eben dieser Richtung durch Wegfall der an den Polen befindlichen, veränderten Substanz bedingt sei; denn Pflüger und ich haben experimentell nachgewiesen, dass die ersten 1) E. PflL'ger, Ueber den Einfluss der Schwerkraft auf die Theilung der Zellen. Pkllger's Arch. f. Physiologie 1883. Bd. XXXI. Wirkt der Wechselstrom auf die Richtung der ersten Theilung etc. 557 Tlieilungeu des Froscheies gewöhnlich in den kleinsten Richtungen des Zellleibes erfolgen (s. S. 303). Da jedoch schon bei den Versuchen des 8. April an den Probe- eiern Zeichen von der entwickelungsstörenden Wirkung der künstlich verzögerten Laichung aufgetreten waren, sah ich mich veranlasst, eine dieser beiden Fragen zu bevorzugen, um wenigstens noch eine Frage erledigen zu können, und wählte die erstere, principiell wichtigere. Ich schwächte den Wechselstrom von über 20 Ampere Stärke und 100 Volt Spannung in Ermanglung eines Rheostaten durch den Widerstand einer halbprocentigen Kochsalzlösung in einem Glasrohre von 81 cm Länge und 7 mm Durchmesser so stark ab, dass nach Aufsetzung der Electroden nahe der Mitte der 7—9 cm im Durch- messer haltenden Schalen nur die den Electroden nächsten Eier Pol- felder bildeten. Mit diesem Wechselstrom wurden nun Eier in ver- schiedenen Phasen, nämlich während der Copulation der beiden Geschlechtskerne, während der Existenz des Furchungskernes und während der [39] Theilung des letzteren durchströmt. Als die erste Furche aufgetreten war, zeigte sich, das die Richtungen dieser Furchen an den etwa 200 — 250 Eiern einer Schale keine Beziehung zu den Niveauflächen oder Kraftlinien erkennen Hessen. Zu einem vollen Resultat fehlt jedoch noch die Prüfung an einem maximalen ertragenen Gleichstrom (s. Nr. 25, S. 52). Schliesslich wiederholte ich auch den schon vor sechs Jahren mit einem schwachen Gleichstrom erfolglos angestellten Versuch der Um Strömung der Eier jetzt mit dem Wechselstrom. Es wurden frisch befruchtete Eier in eben noch so weite Glasröhren aspirirt, dass sie keine Pressung in denselben erlitten, und darauf bei wag- rechter Lage der Röhre mit dem zur Vermeidung zu hoher Erwär- mung durch eine eingeschaltete Schale von schwacher Kochsalzlösung genügend abgeschwächten Wechselstrom stundenlang in dicht, aber blos in einer Lage um die Röhre gewundenen Spiraltouren um- strömt. Jedoch auch bei dieser Versuchsanordnung war keine richtende Wirkung des Stromes auf die erste Theilung des Eies, also keine Wirkung einer dynami- schen Induction zu erkennen; die erste Furche der verschie- 558 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. denen Eier stand weder durchweg quer zum Solenoid oder längs des- selben oder wagrecht, sondern, wie sonst bei zwangloser Aufsetzung der Eier, allenthalben senkrecht, aber in den verschiedensten Rich- tungen. [Der Wechselstrom vermag somit als solcher, weder bei Durch Strömung noch bei Umströmung der Eier eine richtende Wirkung auf die Eitheilung aus- zuüben.] (Weiteres siehe Seite 63). IL Abschnitt^). 1. Weitere polarisirende Wirkung- des „Wechselstromes" auf Froscheier und -Embryonen. Zunächst habe ich zu erwähnen, dass es mir durch eine zur Verstärkung der Stromwirkung führende Aenderung der Versuchs- anordnung gelungen ist, auch an noch im Eierstock befind- lichen Froscheiern Veränderungen hervorzurufen, die den an unbefruchteten Uteruseiern mit dem Wechselstrom gewonnenen zum Theil entsprechen. An dotterkörnerhaltigen Eierstockseiern, welche mehrere Stunden in Wasser gelegen hatten, entstanden unter nur sehr geringer Verfärbung der Polfelder zwei deutliche Niveauringfurchen, welche wie mit einer Nadel eingeritzt erschienen. Bei den Eiern von erst der halben Grösse reifer Eier, war der von diesen Niveaufur- ch e n begrenzte A e q u a t o r g ü r t e 1 nicht nur [40] relativ, sondern auch absolut breiter, als bei den daneben befindlichen fast reifen, grösseren Eiern. Danach gelang es mir auch an frischen Eierstöcken, welche nicht in Wasser gelegen hatten, aber in Wasser durchströmt wurden, feine Niveaufurchen nach der Durchströmung an den Eiern wahrzunehmen ; doch sind sie in Folge des Mangels jeder Verfärbung schwer zu sehen. Die Substanz ausgewachsener, in V2 "^/o Kochsalzlösung zer- quetschter und zerschnittener Eierstockseier liess andern so ge- wonnenen Saft weder bei Verwendung des schwachen, noch des starken 1) Vergl. die Anmerkung 2 am Beginne des ersten Theiles. Weitere polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier. 559 Wechselstromes eine besondere Wirkung des Stromes oder eine be- sondere Reaction der Substanz erkennen. AVenn der geschlossene Uterus mit seinen eingeschlossenen Eiern direet durchströmt worden war, konnte ich keine Bildung von Polfeldern wahrnehmen, auch nicht, wenn die Eier nach der Durchströmung in Wasser gelegt worden waren. Bei Lagerung von Eiballen zwischen zwei Stücke gequollenen Laiches wurden dagegen durch Punctirung auf der hellen Hälfte des Eies zwei Polfelder markirt, die einen mit helleren Rändern versehenen Aequatorgürtel begrenzten. Wurden die trockenen Uteruseier jedoch einzeln zwischen die ge- quollene, aber durch Fliesspapier abgetrocknete Gallerthülle anderer Eier gelegt, so zeigten sich beim Durchströmen schon nach vier Mi- nuten deutliche Niveauringe. Während dieser Zeit aber waren die Gallerthüllen der trockenen Eier schon deutlich erkennbar gequollen. Also ein gewisses Minimum von Wasser ist für die beschrie- bene Reaction nöthig. Unbefruchte Eier, welche aus dem Uterus in vier- und mehr- procentige Kochsalzlösung gelegt worden w^aren, und eine Stunde darin verweilt hatten, gaben selbst bei sieben Minuten dauernder Durchströmung nicht die specifische Reaction; gleiche Eier in 2°/o Lösung Hessen erst spät zwei den Niveauringen entsprechende Reihen von Puncten wahrnehmen; auch sogleich in l^jo Kochsalzlö- sung übertragene Eier reagirten noch trag. Eier, w^elche 1 V* Stunde in 4*^/0 Kochsalzlösung verweilt hatten, darauf in Wasser übertragen worden waren und nach 1 — 15 Stunden fünf Minuten lang durch- strömt wurden, zeigten keine Reaction. [41] Dagegen bildeten Eier mit in Wasser gequollenen Gallerthüllen, wenn sie in gesättigte Kochsalzlösung oder dergleichen Borsäure-, Boraxlösung versetzt und sogleich darin durch- strömt wurden, schön die Polfelder und Niveauringe. Im Anfang durchströmte ich die Eier viel länger als mierläss- lich nöthig war, um die Polfelder- und Niveaulinienbildung hervor- zurufen, weil die Reaction auf der schwarzen, oberen Eihälfte bei Rana fusca viel später sichtbar wird, als auf der hellen Unterseite des Eies. Aus dieser Zeit stammt auch der im ersten Abschnitt mit- 560 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. getheilte Versuch (s. S. 551), in welchem die zweite, in anderer Rich- tung als die erste bewirkte Durchströmung ohne sichtbaren Erfolg blieb, weil die Reactionsfähigkeit der Eier schon erschöpft war. Wenn man dagegen die erste Durchströmung nur während des Minimums der zur Bildung der Niveaulinien aj.if der Unterseite nöthigen Zeit oder Weniges darüber durchströmt und darauf die Stromrichtung ändert, entstehen zu den schon vorhandenen, neue dieser Rich- tung entsprechende Niveaulinien und Polfelder. Durch- strömt man zuerst mit schwachem Strom bis zur Bildung der Niveau- linien, darauf mit starkem Strom in der gleichen Richtung wie früher, so wird der vorher breite Aequator verschmälert, indem zugleich zwei weisse Bänder auf Kosten des früheren Aequators ent- stehen. Verwendet man zuerst den starken und danach den schwachen Strom in zur früheren gekreuzter Richtung, so kann man bei geeignetem Verhältniss in der Zeitdauer beider Wirkungen noch einen zweiten Effect hervorbringen. Bei sehr geschwächtem Strom (durch Einschalten einer Wassersäule von 129 cm Länge und 7 mm Durchmesser) ist nach 5 Minuten noch keine Wirkung an den befruchteten Eiern erkennbar; selbst bei Ersetzung des Wassers durch V4°/o Kochsalzlösung war nach 11 Minuten unten blos ein leicht gedunkelter Aequatorgürtel mit helleren Rändern, oben keine Aenderung zu sehen. Nach Ver- kürzung dieser Röhre auf 81 cm dagegen entstanden minimale, bei Rana fusca nur aus einem oder wenigen Flecken, bei Rana es- culenta deutlich aus kleinen Extr ao v at e n^) (s. S. 155) be- stehende Pol f eider und zwar nur [42] an den in der Nähe der Electroden befindlichen Eiern ; manchmal fand sich nach der näheren Electrode zu ein etwas grösseres, nach der entfernteren Elec- trode ein kleineres Polfeld oder auf letzterer Seite gar keines. Bei der gewöhnlich verwendeten, reichlich starken Anordnung dagegen bieten sich beide Polfelder jedes Eies beim Wechselstrom für die einfache Besichtigung gleich gross dar. Nicht selten jedoch glaubt man an einem Eie, bei Besichtigung der noch in ihrer Hülle und in der Glasschale befindlichen Eier mit der Loupe, deutlich eine grosse Differenz der Polfelder wahrzunehmen; nach der Ausschälung Weitere polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier etc. 561 jedoch ist meist kein oder nur ein geringer Grössenunterscliied vor- handen, der auf Ungleichmässigkeit in der Suhstanz der Hälften des betreffenden Eies beruhen muss, wenn, wie gewöhnhch bei gleich- massiger Anordnung der Eier, die Eier der Umgebung solche Unter- schiede nicht darbieten. Bei nicht gleichmässiger Vertheilung der Eier in der Schale, beim Vorhandensein von Lücken oder Brücken im Eistratum wird die Breite der Aequatorgürtel neben einander liegender Eier manchmal erheblich verschieden, und die oft stark divergir enden Richtungen der beiden den Aequator begrenzenden Niveau ringe entsprechen natürlich nicht mehr den Richtungen der Niveaulinien eines homogenen d. h. gleichleitenden, die ganze Glasschale einnehmenden electrischen Feldes. Kurzdauernde Einwirkung des Stromes auf befruchtete Eier bildet blos die Polfelder ohne Niveauringe aus. Selbst bei wenig längerer Durchströmung kommt es vor, dass erst nach der Unterbrechung des Stromes die besondere Färbung und manch- mal doppelte Contourirung der Niveauringe entsteht. Bei längerer Dauer der Einwirkung eines starken Stromes dagegen steigern sich die Veränderungen eine Zeit lang; es treten grössere Flecken auf, und selbst auf der oberen schwarzen Hemisphäre entstehen grosse, weisse Flecken (Extraovate) , die von den Niveau- linien sich auf das Gebiet des Aequatorgürtels überlagern können. Die Grösse der Polfelder hängt auch an reifen, befruchte- ten und unbefruchteten Eiern ceteris paribus von der Qualität der Eisubstanz ab; dies macht sich am Ende der [43] Laichperiode, wo die Eier schon etwas gelitten haben, besonders bemerkbar ; indem in denselben Niveauflächen neben einander liegende Eier gleicher Grösse erhebliche, unregelmässige Ungleichheiten in der Breite des Aequatorgürtels darbieten. Diese Verschiedenheiten sind jetzt am Ende der Laichperiode von Rana fusca so gross, dass sie den Ver- such, die Wirkung der Grösse der Eier auf die Grösse der Polfelder festzustellen, erfolglos machten, indem an durch einander gesäten Eiern verschiedener (aber blos zwischen 1,8 bis 2,5 mm wechselnder) Grösse keine constante Verschiedenheit sich feststellen liess. W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. , 36 562 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. An zwischen Glasplatten zusammengepressten, unbe- fruchteten Eiern entstehen auch bei erheblicher Deformation noch die Polfelder; aber ihre Ränder bieten, wie im ersten Theil bereits erwähnt, von den normalen Niveaucurven eines homogenen Feldes mannigfach ab weichende Richtungen dar. Bei dem Pressen platzt das Ei oft auf ; an den so entstandenen, in der Gallert- hülle eingesclilossenen, mit dem Eie noch zusammenhängenden Ex. traovaten konnte ich jedoch keine sichere Polarisation wahrnehmen, weder eine selbstständige, vom Eie unabhängige, noch eine mit ihm in Verbindung stehende, wie sie zu erwarten wäre, wenn die Niveau- linien des Eies gerade die Richtung auf das Extraovat hin hatten (s. S. 589). Die früher mitgetheilten, beim Durchströmen während der ersten oder zweiten Furchung entstehenden Verwerfungen der Theile des Aequatorgürtels gegen einander werden um so geringer, je stärker der Strom ist. Auch längere Zeit nach der Durchströmuug der Eier finden noch mannigfache Veränderungen in den Eiern statt, die als Folgen der Durchströmung aufzufassen sind. So zersetzte sich zumBeispiel die Substanz der Aequatorscheiben unter Vacuoli- sirung und Fleckenbildung in einer Weise, wie sie auch sonst, aber nur an älteren Eiern vorkommt ; bei noch jungen Eiern fand sie sich blos an den mit Polfeldern versehenen Eiern, während andere Eier derselben Schale, die am Rande der Schale standen und keine Pol- felder gebildet hatten, drei Tage lang ihr normales Aussehen behielten. Die Polfelder selber dagegen erscheinen weniger veränderlich; im Bereiche der geraden Stromlinie sind sie nach der Behandlung der Eier mit starkem [44] Strome ganz unveränderlich, also wohl todt; während, wie früher mitgetheilt, an d e n b r e i t e n A e q u a t o r g ü r t e 1 n in derselben Schale seitlich stehender Eier sogar noch die erste Furchung stattfand. Die Aequatorscheiben stellen also die am wenigsten veränderte Substanz dar. Die Fähigkeit der Eier in der beschriebenen Weise auf den Strom zu reagiren, erhält sich an den aus dem Körper ent- nommenen Eiern ziemlich lange. So boten in Wasser versetzte, Weitere polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier etc. 5ß3 unbefruchtete Eier sie noch nach l'/a Tagen dar. Und Eier von vor drei bis vier Tagen getödteten und mit eröffnetem Leibe gelegenen Weibchen, deren Eier zum Theil an die Uteruswandung angetrocknet waren, bildeten noch die Niveauringe, obgleich die zur Probe besamten aber nicht durchströmten Eier sich nicht furchten, also nicht mehr entwickelungsfähig waren. Dagegen verlieren die Eier durch vier Minuten langes Einlegen in Wasser von 45—4(3° dies Vermögen auf den Strom zu reagiren; wohl ein Zeichen, dass gleichwohl diese Reaction an Lebenseigenschaften dieser Eier gebunden ist. Die während der vorstehend mitgetheilten Versuche entwickelten Embryonen gaben Gelegenheit, auch an weiteren Entwickelungsstufen die Wirkung des ^\^echselstromes zu studiren. Es zeigte sich, dass an noch in ihrer Gallerthülle befindlichen Froscliemhryonen, sei es mit noch oifenem oder mit schon geschlossenem Medullarrohr , ja auch sogar an schon seit seinigen Tagen ausgeschlüpften freien Em- bryonen der Wechselstrom scharf abgegrenzte veränderte Pol- felder hervorbringt, die durch einen anscheinend unveränderten Aequatorgürtel getrennt sind. Doch bleibt bei schon ausgeschlüpften Embryonen manchmal die scharfe Begrenzung der Polfelder gegen das Aequatorfeld aus. Im Bereiche der Polfelder tritt leichte graue Verfärbung auf, die anscheinend auf Rundung der Epithelzellen, be- sonders der farblosen, und auf allmählichem Abfall derselben beruht: eine dem Tode des Embryo vorausgehende Veränderung, die ich als Framboisia embryonalis finalis minor bezeichnet habe (s.S. 151). Diese Veränderung setzt sich auch nach dem Auf- [45] hören der Durchströmung noch fort unter Verschärfung der Abgrenzungslinien der Polfelder gegen den unveränderten Aequator- gürtel. Hat man bei starker Anordnung zu lange durchströmt, so greift die Framboisia minor, wie sonst beim Absterben, rasch auf den ganzen Embryo über, und man übersieht alsdann leicht die zuerst vorhanden gewesene polare Localisation der Veränderung. Werden jüngst ausgeschlüpfte oder durch Scheerenschnitt etwas vor der Zeit zur Welt gebrachte Embryonen in dicke Lösung von Gummi arabicum gethan und durchströmt, so sieht man an den 36* 56i Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. den Electroden nächsten Stellen die Zellen sich runden, aber nur wenige abfallen; eine deutliche Grenze der veränderten Theile gegen ein unverändertes mittleres Feld ist jedoch nicht wahrnehmbar, ob- gleich gieichalterige Embryonen derselben Abkunft, zur Probe in Wasser durchströmt, ein scharf begrenztes Aequatorfeld darbieten. In Wasserglas gelegte Embryonen bilden auch ohne Durchströ- mung sofort starke universelle Framboisie. Ist das Wasserglas aber beim Einlegen des Embryo schon durchströmt, so ist die alsdann auch in längerer Zeit eintretende Epithelablösung nur gering, so dass zu schliessen ist, die Epithelzellen werden jetzt meist sofort getödtet, ehe sie noch Zeit hatten, sich in sich selber zusammenzuziehen. Die bei der Framboisia minor von den Embryonen abgefallenen Epi- thelzellen werden gewöhnlich durch typische Strömungen an zwei Stelleu der Umgebung des Embryo angehäuft, nämlich in der Umgebung der Schwanzspitze und in der Umgebung der beiden, dicht bei einander befindlichen Haftnäpfe. Die Breite des Aequatorgürtels der Embryonen wächst ceteris paribus mit der in Richtung des Stromes gemessenen Länge des Embryo, (also mit 1. cos. a, wenn a den Winkel zwischen Stromrichtung und Embryo bezeichnet); dieses Wachsthum ist aber keineswegs proportional dieser Länge; das geht auch schon daraus hervor, dass der Aequator meist parallel contourirt ist, obgleich die Embryonen an beiden Seiten convex sind. Die Breite des Aequa- torgürtels steht also nicht etwa in einem bestimmten Ver- hältniss zu der von jedem Stromfaden durchsetzten intra- embryonalen Länge, sondern mehr zu Verhältnissen der äusseren Configuration. [46] Die Breite des Aequatorgürtels der Embryonen nimmt ferner mit Abnahme der Stromstärke zu. Bei schwächerem Strom werden also ceteris paribus die Polfelder kleiner, während der Aequatorgürtel entsprechend an Breite gewinnt, so dass schliesslich blos noch die beiden äussersten, den Electroden zugewandten Enden die Framboisie darbieten. Bei weiterer Stromschwächung ist dann keine „morphologische" Wirkung, also keine gestaltliche Ver- änderung mehr wahrnehmbar, sondern es finden an schon Weitere polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier etc. 565 genügend weit entwickelten Embryonen b 1 o s Z u c k u n gen statt. Dieses dem früher über die Eier Mitgetheilten entsprechende Verhalten der Embryonen bekundet also wiederum, dass nur Ströme von gewisser Stärke die geschilderte morphologische Polarisation der bezüglichen durchströmten organischen Körper hervorbringen, während schwächere Ströme ohne eine solche deletäre Polarisation zu bewirken diese Körper durchfliessen. Die Breite des Aequatorgürtels ist aber ausser- dem auch erheblich von der Gestalt des Embryo abhängig. Für die Lage des Aecjuatorbandes am Embryo zeigt sich unter Anderem von Bedeutung, dass das mit einer Spitze gegen die nächste Electrode gerichtete, caudale Polfeld in Richtung des Stromes länger ist, als das eine stumpfere Form der Electrode zuwendende andere, cephale Polfeld. Die Wirkung dieser Componente ist sehr bedeutend. Die Intensität der im Bereiche der Polfelder stattfindenden Veränderungen ist ausser durch die Intensität des Stromes und die Dauer seiner Einwirkung wesentlich wiederum durch die Gestalt, sowie durch die Richtung der Flächen zu den Stromfäden bestimmt. Gegen die Electrode gewendete Spitzen werden eher und stärker ver- ändert als stumpfere Flächen. Wenn man sich die Richtung der Stromfäden von einer Elec- trode aus vorstellt, so sieht man, dass die dieser Electrode zugewen- deten Flächen des nach ihr hin gelegenen Stückes des Embryo, welche also direct von den aus der Flüssigkeit in den Embryo „eintretenden" Stromfäden getroffen werden, eine stärkere Veränderung erfahren, als die hinter Vors prün gen des Embryo gelegenen, demselben Polfeld zugehörigen Oberflächen. Dieser Stromsc haften beweist zugleich, dass die im Bereiche der Polfelder beobachteten Veränderungen durch den Ein- resp. Austritt [47] der Stromfäden veranlasst werden. Der Strom- schatten ist sehr ausgesprochen ; aber die räumliche Ausdehnung seines Gebietes entspricht nicht dem Schatten, den die zuerst von den Strom- fäden des Electrolyten getroffenen Flächen in Richtung dieser Fäden werfen würden ; sondern das der geringeren Veränderung nach als im Stromschatten befindlich zu erkennende Gebiet ist kleiner, was auf den 566 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Eintritt seitlicher Stromfäden, also auf Ablenkung derselben von ihrer eigentlichen Richtung liinweist. Auch mehrere bis zur Berührung zusammengedrängte und quer oder schräg zur Richtung der Berührungsflächen durchströmte Em- bryonen werfen auf einander einen Stromschatten. Die Richtung des Aequatorgürtels, respective seiner beiden Grenzlinien weicht bei den complicirter gestalteten Embryonen sehr erheblich von den Niveaulinien des umge- benden homogenen electrischen Feldes ab; diese Abweichungen sind bei jungen, noch schwanzlosen aber cephal und caudal verdickten, sowie an schon mit dem Schwanzstummel versehenen, aber in Folge Raummangels in der Gallerthülle seitwärts gebogenen Embryonen erheblicher als bei etwas älteren, freien, schon gestreckten und ausser den Kiemen keine grösseren Verwölbungen besitzenden Embryonen. Letztere lassen bei Stellung in Richtung der Stromlinien oder der Niveauflächen wieder deutlich die Annäherung der Aequatorränder an die bei ,, kugeligen" Gebilden (Eiern, Morulae und Blas- tulae) gewonnenen Potentialniveaucurven erkennen; bei diesen Stellungen gewinnt man auch an den complicirter gestalteten jüngeren Embryonen noch bezüglich gerichtete Aequatorgürtel ; aber die Ab- weichungen sind doch schon erheblicher. Bei schiefer Lage der Embryonen zu den Stromlinien erhält das Aequatorband mannigfach gebogenen Verlauf. Es können ferner an einem in der Mitte eingeschnürten Embryo zw^ei wohl contourirte nicht sichtbar veränderte Aequatorbänder auf- treten. Auch Stücke von lebend zerschnittenen Embryonen zeigen eine den mitgetheilten Regeln annähernd entsprechende Polari- sirung und in den Polfeldern die Framboisia minor; aber wenn die Schnittfläche der Electrode zugewendet ist, wird von der Seitenfläche fast blos der anstossende Epithelrand verändert. Desgleichen bieten unvollkommen zertheilte Embryonen ausserordent- [48] lieh mannigfach gestaltete Polfelder dar. Das Genauere dieser Verhältnisse kann nur an der Hand von Ab- bildungen mitgetheilt werden und verdient vorher noch weitere Be- obachtung. Wesentlich ist noch, dass an Embryonen mit umgebogenem Weitere polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Froscheier etc. 567 Schwänze, die Umbiegungsstelle in ihrem, auf den mittleren Strom- faden bezogen, lateralen Theil kein Aequatoralband enthält, was wiederum wohl durch seitlich eindringende Stromfäden bedingt ist. Da bei der polarisirenden Wirkung des Stromes voraussichtlich auch die Differenz des Leitungsvermögens der organischen Körper und des Menstruums von Bedeutung ist, so variirte ich letz- teres, indem ich es mehr der Leitungsfähigkeit der Eier zu nähern suchte. Ich verwandte zunächst, wie schon oben mitgetheilt, gesättigte Lösungen von Kochsalz, von Borsäure und von Borax ; in all diesen Lösungen ging an vorher in Wasser gelegenen, noch in ihrer Gallerthülle befindlichen Froscheiern die Bildung der Pol- felder vor sich. Da aus ihrer Gallerthülle ausgeschlüpfte Embryonen beim Einlegen in Wasserglas oder in auch nur ö^'/oige Kochsalz- lösung auch ohne Durchströmung sofort universelle Fram- boisia minor ausbilden, so sind sie zur Prüfung der Wirkung des Stromes bei diesem Menstruum nicht zu gebrauchen. Die gesättigte Kochsalzlösung hat von den angewandten Lö- sungen das beste Leitungs vermögen. Aber es ist wohl daran zu denken, dass die an verschiedenen Salzen so reichen Eier vielleicht noch besser leiten ; daher versuchte ich 30 °/oige Schwefelsäure, die ein drei Mal besseres Leitungsvermögen als gesättigte Kochsalz- lösung und überhaupt das beste Leitungs vermögen von allen wässe- rigen Flüssigkeiten hat. Wenn die Schwefelsäure erheblich besser leitet als die Eier, dann durfte meiner Meinung nach keine Polari- sation an ihnen entstehen. Beim Versuch ergab sich zunächst, dass die Schwefelsäure, ein starkes Gift für das Ei, schon nach 30 Secunden die 2 — 3 mm dicke gequollene Gallerthülle durchsetzt. Daher ver- stärkte ich die Versuchsanordnung ad maximum, so dass an Eiern, welche in Wasser durchströmt wurden, schon nach 5 Secunden die Polfelder zu sehen waren. Danach Hessen befruchtete Eier von Rana fusca, 20 Secunden lang in 30 vol. procentiger Schwefelsäure durchströmt, keine sicher feststellbare Polarisation er- kennen, obschon [49] sie bei gleich darauf vorgenommener Durch- strömung in Wasser innerhalb kürzerer Zeit schön ausgeprägte Pol- felder, aber nur von einer für diese starke Anordnung auffallenden 568 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Kleinheit entwickelten. Wenn ein in 30 vol. procentiger Schwefel säure schwimmendes Ei mit seiner Gallerthülle direct die Electrode berührt, so scheint eine Spur der Polfelderbildung an ihm statt- zufinden. Auch bei eine Minute dauernder Durchströmung in 30, ebenso wie noch in 5 vol. procentiger Schwefelsäurelösung entsteht keine deutlich sichtbare Polarisation. In 4 vol. procentiger Schwefelsäure scheint schon eine schwache Polfelderbildung aufzutreten. In 2 vol. procentiger Schwefelsäurelösung werden dagegen nach längerer Durchströmung deutliche, grobgefleckte, aber für die ange- wandte Stromstärke nur sehr kleine Polfelder gebildet. Es war nicht zu beurtheilen, ob die Polfelder so klein sind, weil nur so wenig Stromfäden aus dem Menstruum in das Ei treten, oder weil die Eier durch die Schwefelsäure gelitten haben. In blos 1 vol. procentiger Lösung entstehen die Polfelder noch langsam ; die wieder grobe, weisse F 1 e c k u n g breitet sich sehr allmählich von den den Electroden zugewendetsten Theilen der Eier aus, und die am Rande des Polfeldes befindlichen Flecke verlängern sich in zum Pole radiärer Richtung und bilden so einen typi- schen Kranz. A m A e c[ u a t o r zieht s i c h w i e d e r d a s P i g m e n t von den Rändern gegen die Mitte zurück. Die Polfelder ent- wickeln sich aber seitlich am Eie meist nicht mehr bis zu der den Niveaulinien entsprechenden Ausdehnung und stellen somit zwei um die Pole selber centrirte Kappen des Eies dar, ein Verhalten, welches ich wieder, wie schon früher an durch verzögerte Laichung geschä- digten Eiern, für eine abnorme Reactionshemmung halte. In ^/2 vol. procentiger Schwefelsäure zeigt sich wesentlich das gleiche Verhalten. — Messungen des Leitungsvermögens der Eier im Vergleich mit dem Leitungsvermögen der 5 vol. procentigen Schwefelsäure können er- kennen lassen, bei wie viel grösserem Leitungsvermögen des Men- struums als dem der Eier die Polarisation derselben in Folge Durch- strömung mit einem Strome von an sich geeigneter Stärke eben noch entsteht (s. S. GOl). Weitere polarisirende Wirkung des galvan. Stromes auf Froscbeier etc. 569 2. Weitere polarisirende Wirkung- des „jj^alvanischen" Stromes auf Froscheier und -Embryonen. [50] Herr College Wassmuth, der interimistische Leiter des k. k. physikalischen Institutes, war so freundlich, mir 15 Bunsen'sche Ele- mente von 20 cm Höhe zu leihen. Der mit diesen Elementen erzeugte Strom wurde auf die jetzt allein vorhandenen, im Allgemeinen viel empfindlicheren Eier des grünen Wasserfrosches, Rana esculenta, an- gewandt und liess bei Nebeneinanderschaltung, wie erwartet, auch bei starker ^^ersuchsanordnung (kleine Schale, Abstand der Electroden von blos 1,6 cm) innerhalb drei Minuten keine Wirkung, weder auf die Eier noch auf die Gallerthüllen derselben erkennen. Daher wurde weiterhin nur noch mit hintereinandergeschalteten Elementen experimentirt unter Gewinnung folgender Ergebnisse: Die Wirkung dieses Stromes auf die Gallerthüllen und auf die befruchteten Eier entspricht wesentlich der früher mitgetheilten Wirkung des mit der Gleichstrom-Dynamomaschine erzeugten Stromes. Zuerst entstehen wieder die gegen die positive Electrode (Anode) hin gewendeten anodischen oder positiven Polfelder. Von oben ge- sehen, wird der Bereich dieses Feldes am noch ungetheilten Eie auf einmal leicht graulich, trüb, darauf sogleich hellbraun, und grenzt sich oben durch eine deutliche Furche ab; darauf steigt ein, gewöhn- lich zungenförmiger Strom der hellbraunen Substanz auf und breitet sich oben bohnenförmig aus, verschwindet aber einige Zeit nach der Stromunterbrechuug oder beim sofortigen, behufs Fixation vorgenom- menen Kochen in den meisten Fällen, wohl durch Vertheilen der aus- getretenen Substanz im Eiwasser, wieder. Die Besichtigung der aus der Hülle ausgeschälten Eier zeigt das positive Polfeld unten mit hellen Flecken bedecl^t, die durch ein eckig-maschiges Netz schwarzbrauner Linien getrennt sind. Dieses anodische Polfeld stellt in seiner Gestalt einen Kugelal)schnitt dar und setzt sich durch seinen oberen, vor- springenden Rand von dem übrigen, oft in Richtung des Stromes d e u 1 1 i c h V e r 1 ä n g e r t e n , mit einigen leichten L ä n g s f u r c h e n und ent- sprechenden Wülsten versehenen Theil des Eies ab. Au letzterem Theil 570 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. findet sich, dem positiven entgegengesetzt, das oft kleinere, der negativen Electrode zugewendete ,, negative" oder ,, kathodische" Polfeld. Dasselbe entsteht später als das positive und ist durch noch rund- liche helle Fleckchen, die kleiner sind als [51] die zuletzt eckigen Flecken des anodischen Feldes, charakterisirt ; es hat meist keine deut- liche Grenze; selten ist unten am Eie als Grenze eine dunkle Linie oder eine Reihe von Flecken vorhanden. Die Veränderungen sind viel geringer als am positiven Felde. Zwischen beiden Polfeldern liegt der in seiner Farbe meist unveränderte Aequatorgürtel. Das Ei ist oben manchmal abgeplattet. An unbefruchteten Eiern ist die AVirkung des Gleichstroms wesentlich die gleiche; doch ist die ,, positive" Niveaulinie ge- wöhnlich weiss und der austossende Aequatorrand um so dunkler; manchmal ist jedoch auch eine schwarze anodische Niveaufurche vorhanden. Das anodische Polfeld kann rosettenartig ausge- bogen sein. Das kathodische Polfeld ist mit weissen runden Flecken versehen und kann einer scharfen Grenze entbehren. Nach der Ausschälung und Härtung sah ich am Aequator und katho- dischen Theile des Eies von dem einen auf den andern Theil über- tretend, durch seichte Furchen getrennte Längswülste, von denen die beiden obersten in Richtung des Stromes, die mehr seitlichen aber etwas nach der Seite concav verliefen, beiderseits aber symmetrisch zu einander geordnet waren. Manchmal hat das kathodische Polfeld eine deutliche Grenze und ist auch eine besondere negative Niveaulinie vorhanden. Die Summe der Niveaulinien bildet bei gleichmässiger Zusammenlagerung der Eier in der Schale wiederum deutliche Potential- niveaufiächen. Setzte ich die Electroden zuerst im ßinnenraume der Schale auf und sodann am Rande derselben, wobei die neu zwischen die Elec- troden gelangten Stellen in zur früheren fast umgekehrten Richtung d u r c h s t r ö m t wurden, so zeigten die Eier dieser Stellen dann jederseits ein Polfeld vom Charakter des anodischen Polfeldes, sodass sich also die beim Wechsel ström beobachteten Veränderungen leicht aus den alternirend in entgegengesetzten Richtungen erfolgenden Wirkungen des Gleichstroms ableiten lassen. Wirkt der ^Gleichstrom" auf die Richtung der ersten Eitheilung? 571 Die ursprünglich zwischen den Electroden gelegenen Eier dagegen Hessen durch den zweiten, geschwächten Strom keine diesem Strom entsprechende iVnsbildnng von neuen Niveauringen nach aussen von den früheren erkennen. Auch an Eiern, welche in der ersten und zweiten Theilung begriffen waren, traten wesentlich dieselben Veränderungen [52] durch den Gleichstrom auf; doch folgte der aufsteigende Substanzstrom den zufällig der positiven Electrode zugewendeten Furchen, und zwar zu- nächst getheilt als zwei Ströme, an jeder Wandungsfläche der Furche einen; später aber vereinigen sich die neben einander aufgestiegenen hellbraunen Massen. An Gastrulae bewirkte der Gleichstrom nur geringe Verände- rung: man sah ein leicht grau verfärbtes, aber grosses, kathodi- sches, ein anscheinend kleineres anodisches Polfeld, welche beide einen seine schwarze Farbe behaltenden, wenig scharf begrenzten Aequatorgürtel zwischen sich fassten. An den Polfeldern selbst entstand blos Rauhigkeit mit einigem Epithelabfall combinirt. Wenn bereits die Medullär platte an der Gastrula vorhanden ist, so durchsetzt der Aequatorgürtel mit seinen, Niveauringe darstellenden Grenzen diese Anlage des Centralnervensystemes ohne jede Unterbrechung oder Richtungsänderung. Durch besondere Veränderungen ausge- zeichnete Niveauriuge oder gar Niveaufurchen entstehen gleichfalls nicht im Bereiche der Anlage des Centralnervensystemes. Noch in der Gallerthülle befindliche Embryonen mit soeben ge- schlossenem Med u Harro hr zeigten dieselben Veränderungen, aber intensiver, mit stärkerem Epithelabfall. Das positive Polfeld wurde zuerst weisslich, das negative schien wieder grösser. Schon ausgeschlüpfte, sogar mit Kiemenfäden versehene Embryonen bekamen unter Wirkung des Gleichstromes die beim Wechselstrom ausführlich nach Ausdehnung, Lage und Richtung erörterten Erscheinungen der Framboisia minor im Bereiche der Polfelder. 3. Wirkt der „Gleichstrom" auf die Richtung der ersten Eitheilung? Zur Vervollständigung des früher (S. 556) über die Wirkung des Stromes auf die Richtung der normalen ersten Thei- 572 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. lungsebene des Eies mitgetheilteii , blos mit dem Wechselstrome angestellten Versuches, wiederholte ich jetzt dasselbe Experiment mit dem maximalen ertragenen Gleichstrom. Die Dm'chströmung begann zwei Stmiden nach der Befruchtung und dauerte VU Stunden bis zum Auftreten der ersten Furche. Der Strom war gerade so stark, dass die der Electrode nächsten Eier noch kleine Polfelder bildeten. Die ersten Furchen waren jedoch wieder wie beim Wechselstrom vollkommen atypisch gerichtet, und liessen somit trotz 1^4 stündiger Wirkungsdauer [53] in ihrer Richtung keine Beziehung zu den Kraftlinien des Stromfeldes er- kennen. Damit ist dargethan, dass auch der Gleichstrom als solcher^) auf die Richtung der ersten Theilung des Fur- ch ungskern es und des Eileibes eine bestimmende Wirkung nicht auszuüben vermag (s. S. 584). 4. Polarisireiide Wirkung- des Wechselstromes auf Org-ane des „erwachsenen" Frosches. Bei Ausdehnung der Versuche mit dem Wechselstrom auf andere organische Objecto ergab sich zunächst ein positives Resultat an der noch lebenden Gallenhl ase des Frosches. Dieses an- nähernd kugelig gestaltete, 5 — 7 mm grosse Gebilde lieferte nach Unterbindung des Ausführuugsganges, bei praller Füllung Polfelder, deren Grenzen typische Niveauflächen des umgebenden Electrolyten darstellen. Je nach der Dicke der Wandung kann man nach 1 bis 4 Minuten die den beiden Polen nächsten Theile durch grüne Farbe von dem blaugrauen Mittelstück sich abhelfen sehen ; bei fortgesetzter Durchströmung breitet sich die diesen Farbenwechsel bedingende Exosmose der Galle weiter aus; die grünen Polfelder werden allmählich grösser, um dann, bei nicht zu starkem Strome auf gewisser Grösse stehen zu bleiben, so dass das zwischen ihnen gelegene unveränderte Aequatorband eine constante Breite [1) Bei so starker Anwendung, dass etwas grössere Polfelder entstehen, ist es aber möglich, dass die dadurch veränderte Gestalt des übrigen, noch lebenden Theiles des Zellleibes die Theilungsrichtung beeinflusst (s. S. 555, 556, sowie 803).] Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf „erwachsene" Organe etc. 573 erhält, welche in einem umgekehrten Verhältniss zur Stromstärke steht. Ist die Anordnung sehr stark, so verschmelzen beide Polfelder zuletzt in der Mitte mit einander. Ist umgekehrt der Strom sehr schwach, so bleiben die Polfelder sehr klein, um bei gewisser Schwäche des Stromes überhaupt nicht zu entstehen. Ein so schwacher Strom durchfliesst dann also wieder den Gegenstand, ohne ihn in der beschriebenen sichtbaren Art zu polarisiren. Ist das Wasser ein wenig mit Schwefelsäure, wenn auch nur sehr schwach eingesäuert, so vollzieht sich die ganze Veränderung in wenigen Secunden und die Polfelder werden statt dunkel-, hellgrün. Durchströmt man eine in Wasser durchströmte, bereits polarisirte Gallenblase zum zweiten Male rechtwinkelig zur frühe- ren Richtung, so bildet sich, aber erst nach längerer Durchströmung als vorher, auf den jetzt polaren Seiten des Aequatorgürtels ein grünes Feld, jedoch blos in der Mitte des Aequatorbandes aus; die seit- lichen Eänder, also die den Polfeldern der ersten Durch- strömung anliegende Zone des Aequators, bleibt blaugrau, sie wird also nicht mehr diifusibel durch den Strom. Während Er- wärmen einer lebenden Gallenblase auf [54] 52° C, wohl durch Tödtung des Epithels, bewirkt, dass schon nach 4 Minuten die ganze Gallen- blase grün ist, waren auch dadurch die letzterwähnten, bei der zw^eiten Durchströmung unveränderlich gebliebenen Niveauringe nicht mehr für die Galle diffusibel zu machen (s. Taf. VIII, Fig. 12). Die gleiche Eeaction giebt die prallgefüllte, unterbundene Gallen- blase ganz junger Kaninchen^ Avenn man sie quer oder schräg zum Strom stellt. Diese Gallenblasen sind länglich (9 — 11 mm lang, 2 — 3 mm dick). Bei Längseintheilung derselben im Strome konnte ich mit meinem Wechselstrom keinen scharf abgegrenzten Aequator mehr hervorbringen, wohl aber in den anderen genannten Einstellungen. Bei schriiger Einstellung entsteht das Polfeld jederseits zuerst an der der Electrode nächsten Stelle des gewölbten Endes der Blase und breitet sich von da aus längs der Seitenkanten sowie nach oben und unten aus, ohne aber das andere Ende der Blase zu 574 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. erreichen. Daraus ergiebt sich, class an jedem seitHchen Ende blos ein Polfeld vorhanden ist, und dass der Aequator daselbst eine Stelle einnimmt, welche fast direct gegen eine Electrode gewendet ist. Die einander parallelen Grenzen der Polfelder ent- sprechen dabei nicht mehr, wie an der runden Gallenblase und an den runden Eiern des Frosches, den Niveaulinien des umgebenden electrischen Feldes, sondern sie entsprechen dem oben für die läng- lichen, aber sonst einfach gestalteten Embrj'onen Mitgetheilten. Die Gallenblasen von Hühnern und Tauben sind sehr dickwandig; darauf beruht es vielleicht, dass ich auch nach Ver- kleinerung der Blase durch Abschnüren von Theilen derselben, keine deutlich abgegrenzten Polfelder erhielt, selbst nicht, nachdem ich ihre Wandung durch Einlegen in warmes Wasser geschwächt hatte. Auch das Frosch herz lässt bei derselben Versuchsanordnung eine polar localisirte Reaction erkennen. Die Polabschnitte werden tonisch contrahirt und sind daher blass, die nicht contrahirte rot he Aequator Scheibe lässt annähernd die Richtung von Niveau- flächen hervortreten, besonders deutlich, wenn man drei Herzen zu- gleich in concavem Bogen um eine Electrode gruppirt. Das Herz mag seine Spitze, Basis oder eine Seitenfläche der Electrode zuwenden, die drei Aequatorscheiben , von denen jede durch die ganze Herz- substanz durchgeht, bilden zusammen [55] ziemlich gut die Krüm- mung der Potentialniveauflächen dieser Stelle des electrischen Feldes. Doch liegt hier keine morphologische, dauernde, sondern nur eine functionelle polar localisirte Veränderung vor, beruhend auf der polaren Muskelerregung im Sinne von Hering, Biedermann u. A. Immer- hin ist für uns die übereinstimmende Localisation von Interesse, wenngleich diese Localisation zum Theil anders bedingt sich zeigt, indem sie auch auf die Schattenseiten übergreift. (Ueber die Methode dieses Versuches siehe S. 606.) Nach diesen Befunden lag natürlich die Vermuthung nahe, dass vielleicht auch in anderen organischen, lebenden oder todten Gebilden, wenn nicht auch in anorganischen Körpern der electrische Strom bei geeigneter Spannung und Stärke für die Qualität und Grösse des durchströmten Objectes und für die Grösse der Differenz des Leitungs- Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf „erwachsene" Organe etc. 575 verinögeiis zwischen Menstriumi und Object eine der beschriebenen entsprechende sichtbare Polarisation unter Zerlegung des Objectes in zwei Polabschnitte intensiverer Wirkung und einen zwischen ihnen gelegenen Abschnitt geringster Wirkung, eventuell noch unter beson- derer Aeusserung an den oberflächlichen Grenzlinien der drei Ab- schnitte hervorbringt. Es ist aber nicht zu erwarten, d a s s alle lebenden O b j e c t e vermögen, so sichtbar darauf zu r e a- giren, wie die Froscheier es durch Bildung veränderter Polfelder und Bildung besonders gefärbter Niveaugrenzlinien, resp. wirklicher Furchen thun, wie es ferner die jungen Froschembryonen durch das Verhalten der Epithelzellen, sich in sich zu contrahiren und daher den epithelialen Verband zu lösen bekunden, wie sie die Wandung der Gallenblase durch ihre Eigenschaft im Bereiche der Polfelder sehr diffu- sibel, im Bereiche der Niveaulinien aber impermeabel zu werden erkennen lässt, und wie es das Froschherz durch Con- traction im ganzen Bereiche der Polabschnitte thut. Obschon zu vermuthen ist, dass alle Organe des erwachsenen Frosches und anderer erwachsener Wirbelthiere von den Physiologen dem electrischen Strom unterworfen worden sind, ohne dass jedoch ein hieher gehöriges Resultat mir bekannt wäre, so veranlasste mich doch der neue Befund an der Gallenblase, diese Prüfung mit meinem Strom und meiner Versuchsanordnung nochmals vorzunehmen. Ich durchströmte daher mit dem Wechselstrom die Milz, Stücke der Leber, der [56] Haut, der Nerven und das Auge, ohne dass eine ,, sichtbare" polare Veränderung auftrat. Um eventuell entstandene unsichtbare Verschiedenheiten nach- träglich sichtbar zu machen, legte ich die Organe in die zur Färbung der Gewebe üblichen Farbstoff lösungen, indess ohne Erfolg. Auch wenn die Organe schon während der Durchströmung in der Farbstofflösung lagen, war keine polare Färbungs- differenz bei der blossen Loupenbesichtigung wahrzunehmen. Die microscopische Untersuchung der Objecte steht noch aus. Desgleichen liessen mit Farbstofflösung prall gefüllte abgeschnürte T h e i 1 e der Harnblase und der Lunge des 576 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Frosches nach der Durchströmung keine pohir localisirten Ver- ändern n g e n erkennen. III. Abschnitt. Weitere polarisireiide Wirkungen auf leibende Objecte. Einleitung. Nachdem in den vorstehenden beiden Mittheilungen einige neue Erscheinungen in der Reihenfolge ihrer Ermittelung vorgeführt worden sind, ist es unsere Aufgabe, ihnen ihren Platz unter den Gruppen bereits bekannter Erscheinungen anzuweisen. Da kann wohl kein Zweifel sein, dass wir es in diesen typisch gestalteten Reactionen der Froscheier und -Embryonen auf den electrischen Strom mit Verände- rungen zu thun haben, die sich trotz mannigfacher neuer, fremder Züge auf's Engste an die Entdeckung W. Kühne's ^) anschliessen, dass die Protisten durch den electrischen Strom polar erregt und even- tuell auf der Polseite zerstört werden. Reizte Kühne eine Amöbe mit dem Gleichstrom, so wurde der der Anode zugewendete Theil der Amöbe trüb und verwandelte sich in eine wie körniger Sago aussehende Substanz. Der der Kathode zugewendete Theil dagegen zeigte in seinem Innern und an seiner Ober- fläche vielfache Blasenbildung. Auch die von Kühne beobachtete, nicht deutlich polare Reaction der Amöbe auf den Inductions ström ist für uns von Bedeutung. Wurde eine Amöbe wiederholt mit nicht zu starken Inductionsströmen gereizt, so contrahirte sie sich zu einer bewegungslosen Kugel, welche undurchsichtig und trüb wurde und endlich einen kugelig geronnenen Klumpen darstellte. Bei Reizung mit einem [57] starken Strom platzte dasThier und entleerte seinen Inhalt zum grossen Theil. Noch bedeutsamer sind für uns die Beobachtungen W. Kühne's an Actinosphaerium Eichhornii (loco cit. S. 56 u. f.). Auf Einwirkung 1) W. Kühne, Untersuchungen über das Protoplasma und die Contractilität. Leipzig 1864. Weitere polarisirende Wirkungen auf lebende Objecte. 577 eines sclnvacheii Inductionsstromes werden bei diesem Protist blos die gegen die Electroden gewendeten Fortsätze eingezogen, während die seitlich am Thier entspringenden, rechtwinkehg zum Strom orientirten Fortsätze unverändert bleiben. Auch zerplatzen nur auf den Pol- seiten des Thieres die Blasen der Rindensubstanz desselben. Wo der Strom eintritt, ist selbst bei minimaler Reizung die Erscheinung ebenso wie da, wo er austritt; und nur diejenigen Randtheile, deren Strahlen rechtwinkelig zur Stromrichtung stehen, bedürfen mächtigerer Reizungen, um in Bewegung zu gerathen (S. 59). Im Gleichstrom wird der der Anode zugewendete Theil des Organismus eingeschmolzen, zerfällt zu einem Brei, während der kathodische Theil (beim Ein- schleichen in den Strom) unverändert bleibt. Beim raschen Strom- schluss sowie beim Unterbrechen des Stromes fand an diesem Theile Einziehung der Pseudopodien und Platzen einiger Blasen statt. Die zum Strome rechtwinkehg stehenden Strahlen bleiben jedoch auf dem wohlerhaltenen seitlichen Rande des Protist stehen, sofern nicht be- sonders starke Ströme verwendet werden. Ausser der Einziehung der Pseudopodien, dem Zerplatzen der Blasen führt Kühne auch den Zerfall auf der Anodenseite des Thieres auf Contraction des Proto- plasmas zurück. Auch für Nerven und Muskeln ist die polare Localisation der elec- trischen Erregung dargethan. Pflüger, v. Bezold, Engelmann, Hering, Biedermann u. A. haben das Gesetz erwiesen, dass die Erregung bei der Schliessung des galvanischen Stromes von der Kathode , bei Oeffnung von der Anode ausgeht. Der in diesen Angaben sich aussprechende Gegensatz zwischen der specifischen Localisation der Schliessungs- und Oeffnungserregung an den Polen bei dem erwähnten Protist gegenüber dem Verhalten der Nerven und Muskeln wurde bestätigt durch eine jüngste Arbeit Max Verworn's^), welcher [58] Autor an einer ganzen Reihe von Protisten die Angabe Kühne's bestätigte. Doch fand er auch einige Flagellaten und Ciliaten, welche nebst den Bacterien auf der Kathoden- i) M. Verworn, Die polare Erregung der Protisten durch den galvanischen Strom. Pflüger's Archiv für Physiologie Bd. 45 u. 46. W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. IL 37 578 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Seite die Schliessungserregung darbieten. Bei Anwendung des In- ductionsstromes beobachtete Verworn gleich Kühne auf beiden Pol- seiten einen körnigen Zerfall, während der mittlere Theil des ein- zelligen Organismus zunächst unverändert blieb. Meine mitgetheilten Versuche mit dem Gleichstrom zeigten, dass die F r o s c h e i e r ä h n 1 i c h A c t i n o s p h ä r i u m bei geschlossenem Strome zuerst und am stärksten auf der Anodenseite al- terirt werden, und dass erst erheblich später eine weniger starke und oft weniger scharf begrenzte ^'^eränderung auf der Kathodenseite stattfindet. Ueber die besondere Wirkung des Stromschlusses, respective der Stromunterbrechung habe ich keine Versuche gemacht, was bei der von mir beobachteten Reactionsweise wohl auch schwerer möglich gewesen wäre, immerhin aber durch Ein- und Ausschleichen hätte geschehen können. Meine V e r s u c h e sollen nicht die Beispiele über die specielle LocaHsation der Schliessungs- oder Oeffnungsveränderung auf die Kathoden- oder Anodenseite vermehren ; sondern d er Sc h av e r p u n c t derselben liegt in d e r n e u e n A r t d e r R e a c t i o n e i n e s a u c h noch nicht als reactionsf ähig bekannt gewesenen leben- den Materiales, besonders aber in der scharf umgrenzten, typisch gestalteten Localisation dieser Reaction, w^elche letztere bei unserem Material so scharf umschrieben, so bestimmt ge- staltet auftritt, dass sie unwillkürlich zur eingehenderen Betrachtung und zur Frage nach ihren Ursachen auffordert und vielleicht auch den Physiologen Gelegenheit geben wird, den Ursachen der po- laren Natur der electrischen Erregung etwas näher zu treten. Es wird zunächst unsere Aufgabe sein, die Ausdehnung des Vorkommens bezüglicher Veränderungen des Weiteren zu ermitteln und zugleich festzustellen, ob etwa noch Varia- tionen der Art und Localisation auftreten, welche uns einen weiteren Blick in das Wesen der Vorgänge zu thun gestatten. Da jedoch die besprochenen Reactionen embryonaler Protoplasten auf den electrischen Strom mit denjenigen "\^orgängen, auf welchen die mich speciell angehenden, normalen Gestal- [59] tungen der Orga- Erläuterung einiger Termini technici. 579 nisiiicn beruhen, nur in geringer Beziehung zu stehen scheinen, so beabsichtige ich nicht, die neuen Erscheiniingen bis in's Letzt- möffhche zu verfolgen. 'ö' Erläuterung einiger T e r m i n i technici. Ehe \Yir weiterschreiten, seien einige Termini erläutert, deren (ge- brauch die Darstellung in diesem grösseren Abschnitte verkürzen wird. Unter den Polen eines durchströmten Gebildes wird jederseits die der Electrode dieser Seite nächste, also gegen die Electrode vor- springende Stelle verstanden. Die Polseiten sind die gegen die Electroden gewendeten Seiten eines Gebildes. Als Polmeridiane werden die über die Oberfläche des betreffenden Gebildes von Pol zu Pol gezogenen Linien minimaler Krümmung benannt. Das Polfeld bezeichnet den Pol und dessen Umgebung, wenn, respective sow^eit die Theile durch den Strom polar verändert worden sind. Pol an- schnitt sei der Abschnitt des durchströmten Objectes, der etwa durch eine Fläche minimaler Krümmung abgetrennt wird, welche durch die Grenzlinie oder, \venn sie vorhanden ist, durch die Grenzfurche des Polfeldes hindurch gelegt werden kann. Die beiden Flächen fassen zwischen sich die Äeqnatorscheihe. Wenn vom Äequator gesprochen wird, so ist immer der von den Polfeldern flankirte mittlere Theil der Oberfläche des durchströmten Gebildes, also genauer der electri sehe Äequator gemeint; und unter der Breite des Aeqüators verstehen wir seine Ausdehnung in Richtung des Stromes. Da letzterer bei unserer wagrechten Anordnung der Electroden zu einander, und bei der wagrechten Stellung unserer Schalen immer in wagrechter Richtung verläuft, so ist der Äequator, soweit er Niveauflächenrichtung des ganzen Feldes hat, immer senkrecht orientirt. Bei Anwendung des Gleichstroms wird das der Anode zuge- wendete Polfeld als positives oder anodisches, das der Kathode zugewendete als negatives oder kathodisches Polfeld der Kürze halber bezeichnet, ohne dass damit irgend etwas über die anodische oder kathodische Natur dieser Polfelder angedeutet sein soll. Das- selbe gilt von der Bezeichnung der beiden Polseiten eines Gebildes. 37* 580 Ni\ 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Von dem „electrischen Aequator" ist zu nnterscheiden der Ei- äquator, worunter man am Frosch- und Tritonei die, bei [60] ge- wöhnlicher Einstelhing des Eies wagrechte Grenzzone des oberen, pig- raentirten: braunen oder schwarzen, mehr protoplasmatischen und daher specifisch leichteren Eiabschnittes gegen den unteren, hellen, mehr aus den specifisch schwereren Dotterkörnern gebildeten, bald grösseren, bald kleineren Eiabschnitt versteht. Diese beiden, gewöhn- lich ungleich grossen Eiabschnitte werden als obere, braune oder dunkle, und untere oder helle Hemisphäre bezeichnet. Unter Eiaxe versteht man die gerade Verbindungslinie der Mittelpuncte der Ober- flächen beider Hemisphären. Ferner seien noch einige Termini der ersten Entwickelungsstufen kurz erläutert. Das in eine grössere Zahl von abgerundeten und ent- sprechend nach aussen sich vorwölbenden Zellen zertheilte Ei führt wegen seiner Aehnlichkeit mit einer Maulbeere den Namen Morula. Es hat in seinem Innern eine kleine Höhle. Ist diese Höhle gross geworden, so heisst das Ei Keimblase s. Blastula; dabei sind zu- gleich die Zellen mehr aneinander und nach aussen abgeplattet und so klein, dass man sie mit unbewaffnetem Auge nicht mehr gut erkennt. Das nächste, gleichfalls noch kugelig gestaltete Stadium heisst Bauchlarve s. Gastrula und entsteht unter Bildung einer neuen, mit der Aussenwelt communicirenden Höhle im Innern; die Mündung dieser Höhle heisst derUrmund. Danach wird aussen eine lange Furche am Ei gebildet, die M e d u 1 1 a r f u r c h e , deren beide tländer sich einander nähern, schliesslich vereinigen. Das so aus der inneren Wandung der Furche hervorgegangene Rohr ist das Med ul- larrohr, die Anlage des Centralnervensystems. Diese Entwickelungs- stufc führt bereits den Namen Embryo. Derselbe ist nicht mehr kugelig, sondern länglich und an den Seiten abgeplattet; er besteht schon aus drei Keimblättern, dem äusseren oder E c t o b 1 a s t , dessen das Medullarrohr bildender Tlieil als Med ullarplatte bezeichnet wird, zweitens dem inneren oder En toblast, welches die Aus- kleidung des Darmcanals und seiner Derivate bildet; und zwischen diesen beiden Blättern findet sich das mittlere Keimblatt oder das Mesoderm. Die weiterhin mitgetheilten Versuche an Froscheiern er- Methode zur Gewinnung von Gleichstrom aus Wechselstrom. 581 strecken sich allein auf den grünen Wasseri'roscli (Rana escu- lenta), der aus dem Etschthal bezogen war, da die zu den Versuchen der früheren Mittheilungen fast ausschliesslich [ftl] verwendeten Eier des brauneu Grasf rösches (Rana fusca) nicht mehr brauchbar waren. Für gewöhnlich wurde mit dem Wechselstrom gearbeitet; daher ist immer da, wo einfach von Strom die Rede ist, der Wechsel- strom gemeint. Da die Herrichtung der BuNSEN'schen Batterie natür- lich besondere Umstände und Kosten verursachte, so wurden mit diesem Gleichstrom nur wenige Versuche gemacht. Erst später gelang es mir, eine Einrichtung zu treffen, mn aus dem mir zur steten Verfügung stehenden Wechselstrom einen Gleichstrom zu gewinnen; was eine grosse Bequemlichkeit darstellt. Indess besitzt der Apparat noch Mängel, deren Beseitigung zunächst anzustreben ist '). Die Durcliströmung fand, wenn nicht anders vermerkt, in runden Glasschalen und in Wasserleitungswasser statt. Das In- strumentarium bestand in Platinelectroden, einem Stromschalter, einem etwas trag reagirenden Federbart-Galvanoscop, welches nur grobe Schätzungen der Stromstärke von ^/lo Ampere uud darüber gestattete, so dass es bei den grossen Widerständen meiner Objecto [ij Die Entdeckung dieser Methode der Gewinnung eines Gleich- stromes aus einem Wechselstrom knüpft an eine zufällige Beobachtung an. Ich hatte in den starken Wechselstrom meines Institutes zur Abschwächung eine Schale mit schwacher Kochsalzlösung eingeschaltet und bemerkte in der Beobachtungs- schale auf einmal, dass der metallische Intraelectrolyt blos auf einer Seite ein dunkles Polfeld bildete, während gleichzeitig von den Electroden der ersteren Schale in Folge von Erhitzung ein Ton ausging. Ich leitete daher zur Verbesserung der Anordnung den Wechselstrom durch einen WAGNER'schen Hammer und fand bald mit der Schraube eine Einstellung des- selben, bei welcher die Umgebung des einen von beiden in Phenolphthalleinlösung getauchten Electroden sich röthete. Der so gewonnene Gleichstrom ändert aber leicht seine Ricjitung, zumal bei plötzlicher Aenderung des Leitungswiderstandes. Dieser Fehler wird gemildert, wenn man den Wechselstrom durch z wei WAGNER'sche Hämmer laufen lässt. Die Messung mit Amperemeter und Voltameter ergaben, dass der Wechselstrom beim Passiren des Hammers um 32°'o geschwächt wurde und dass von dem übrigen Strom 57 °o Gleichstrom aber 43 "/o noch Wechselstrom waren. Man gewinnt also mit dieser Methode keinen reinen Gleichstrom, auch ist er intermittirend ; aber vielleicht hat er physiologisch interessante Wir- kungen?] 582 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. meist Dicht reagirte, und einem Amperemeter mit Theilmig von 1 — 12 Amperes. Die Verwendmig letzterer beiden Instrumente, sowie der BuNSEN'schen Elemente verdanke ich der Güte des Herrn Collegen Wass- MUTH, des interimistischen Vorstandes des k. k. physicalischen Institutes der Universität. Leider erst gegen den Schluss der Untersuchungen Hess ich mich herbei, ein Horizontalgalvanometer von Reiniger, Gebbert und Schall in Erlangen, welches von Vio— 5 Milliampere getheilt ist, sowie oblonge Glas schalen anzuschaffen, womit dann manche, neuen Aufschluss gewährende Versuche ermöglicht wurden. Wirkung des Wechselstromes auf Aethalium septicum. An Protisten begonnene Versuche gab ich sofort als unnöthig auf, nachdem ich die oben citirteu ausgedehnten Untersuchungen Veravorn's kennen gelernt hatte. Ich theile daher nur einige Versuche an dem gleichfalls von Verworn geprüften Aethalium septicum mit, obschon ich von diesem Materiale noch nicht das geeignete Ent- wickelungsstadium angetroffen hatte , und daher nur einige , zum Theile eigentlich nicht hieher gehörige Beobachtungen an ihm ge- macht habe. Ich fand, dass die aus der Lohe nach dem Regen entnommenen Theile der Lohblüthe sich sehr verschieden gegen den (62] Wechsel- strom verhalten. An Stückchen mit amöboiden Fortsätzen w^urde manchmal beim Stromschluss die Rinde jedes freien Fortsatzes ge- sprengt, und während der Dauer des Stromes fand ein Ausströmen von Inhalt statt, welches mit der Stromunterbrechung cessirte, mit dem neuen Schlüsse wieder einsetzte. Bei anderen, anscheinend gleichen Fortsätzen blieb jedoch diese Re actio n aus. Bios einmal trotz vieler Versuche beobachtete ich an zwei solchen Fortsätzen auf der, einer Electrode zugewendeten Seite unmittelbar nach dem Stromschlusse eine Bildung von Kerben und danach von glänzenden Körnern von S,ö fi Grösse an dieser Stelle der 35 — 70 /^i messenden Fortsätze eines Klumpens von 0,4 mm Durchmesser. Später trat blasige Entartung dieser Fort- sätze ein. Die Protoplasmakörnchen mancher Fortsätze Averden Wirkt der Wechselstrom auf die ßefruchtungsrichtung? 583 während des Durchströmens stärker sichtbar, unscheineiid durch Aui"- liören eines nach der Durchströmung vorhandenen minimalen Zitterns der Substanz. AehnUcli giebt W. Kühne (1. c. p. 31) an, dass bei der Durchströmung der Amöben mit dem Inductionsstrome die Körnchenbewegung in denselben aufhört. Nicht selten findet man durch dunkle Körner schwach bräunlich gefärbte Protoplasmakugeln von 84—100 f.i , die sich während der Durchströmung durch zwei parallele Furchen einschnüren, sodass ein der unten mitgetheilten Anfangsreaction der Fischeier sehr ähnliches Bild entsteht; jedoch kommen bei Aethalium diese Bildungen auch ohne Durchströmung häufig vor. Wirkung des Wechselstromes auf Hydra fusca. Von wirbellosen Metazoen prüfte ich nur das Verhalten der Hydra fusca an einigen Exemplaren, Avelche ich der Güte des Herrn Collegen VON Lendenfeld verdanke. Sie reagirten gleichfalls deutlich polar. An den direct bestrahlten Pol selten fand Contraction der Zellen unter Entleerung ihres Inhaltes statt; ein Vor- gang, dessen allmähliches, von beiden Polen ausgehendes räumliches Weit er seh reiten am Thiere bei wiederholten momentanen Strom- schh essungen deutlich verfolgt werden konnte. Die Zellen der Aequatorgegend blieben längere Zeit unversehrt. In den Polfeldern fand zuerst eine Schichtensonderung statt, welche genauere Unter- suchung verdient. Wirkung des „Wechselstromes" auf Raua esculeiita. 1. Wirkt der „Wechsels trom" auf die Besamungsrichtung #und auf die Copulationsrichtung? [63] Zu den Amphibien zurückkehrend, sei zunächst als Fort- setzung der Ausgangsbestrebungen der vorliegenden Untersuchung über einige Versuche zur Ermittelung eventueller Einwirkung des Wechselstromes auf die Besamungsrichtung des Eies, sowie auf die Copulationsrichtung des Eikernes und Samenkernes berichtet, wobei 584 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. zugleich auch eine für unsere zweite Aufgabe wichtige Beobaclitung gemacht wurde. Um nicht etwa einen Einfluss des Wechselstromes blos auf die Bewegung der Samenkörper innerhalb der Gallerthülle der Froscheier festzustellen, da das „zuerst" an der schwarzen Eirinde ankommende Samenthierchen das Froschei befruchtet, sondern um den Einfluss d e s S t r o m e s auf d i e B e s a m u n g d e s E i e s zu ermitteln, wurden Eier des grünen Frosches erst zehn Minuten nach der Begiessuug mit Samen (also zu einer Zeit, da die Samenkörper die Gallerthülle schon bald durchdrungen haben und an das Ei selber gelangen) mit dem, durch Einschaltung der 81 cm langen, mit Vrlängerung des Eies in der Strom- richtung zwei seichte Furchen im Abstand von etwa Vs Eidurchmesser, rechtwinkelig zur Stromrichtung ; diese Furchen vertiefen sich und nähern sich etwas einander und ihre sich erhebenden Seitentheile knicken sich fast rechtwinkelig gegen den electrisclien Aequator des Eies ab. Die durch die Furchen abgegrenzten Polabschnitte vergrössern sich und überhöhen somit ringsum den allmählich schmaler und auch im Ringdurchmesser kleiner werdenden Aequator, so dass schliesslich der Aequator in der Tiefe zwischen den beiden einander genäherten Polfeldern fast verschwindet und das Ei anscheinend durch eine einzige tiefe Furche getheilt ist. Der Profilcontour des Aequators ist nach aussen convex oder auch gerade und wird seitlich durch die rechtwinkelig zu ihm sich erhebende Innenfläche der Polabschnitte begrenzt. Die Keim- scheibe dehnt sich dabei mit ihren mittleren Theilen allmählich, am meisten jederseits längs des electrisclien Aequators und der Niveau- kanten gegen den Dotter nach abwärts aus. Um den Vorgang auf das beim Froschei beobachtete Geschehen Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Fischeier. 627 zu beziehen, so entstehen Niveaufurchen, welche viel [104] tiefer einschneiden als beim Froschei, und die Polabschnitte ver- grössern sich dabei entsprechend mehr auf Kosten der Sub- stanz der Aequatorscheibe. Im Bereiche der Keimscheibe kommt noch eine ausgesprochene Trübung des Protoplasmas des Polab- schnittes hinzu. Aus dem Polfeld wird auch hier etwas Substanz ausgeschieden, aber nur als ein zarter Schleier, also nicht an- nähernd so viel, als beim Frosch- und Tritonei durch die Rinde der Pol- felder hindurchtritt. Der Abstand der Polabschnitte ist, gleich wie beim Froschei, im Bereiche des Bildungsdotters (seil, der Keim- scheibe) wieder etwas grösser als im Bereiche des Nahrungs- dotters. Auch hier überdauert der Ablauf der Veränderungen, be- sonders die Abschnüruug der Polabschnitte von der Aequatorscheibe, die Durchströmung, wenn diese von nur kurzer Dauer war. Steht die Axe des Eies annähernd in Richtung der Strom- linien seines Ortes im electrischen Felde, so schnürt sich die Keimscheibe etwas vom Dotter ab und wird für sich in zwei trübe Polabschnitte und einen zwischen ihnen liegenden, hell bleibenden Aequator von Niveauflächenrichtung zer- legt; aber diese drei Theile scheiden sich nicht durch Furchen von einander, siehe Taf. IX Fig. 19. Die beobachteten Abw^eichungen in den Richtungen der Grenz- furchen der Polabschnitte von den Richtungen der Niveauflächen des electrischen Feldes lassen sich vielleicht auf die unverkennbare mecha- nische Tendenz des Eies, die Furchen annähernd durch die Mitte sowohl der Keimscheibe wie des Dotters hindurch zu bilden, zurückführen, obgleich geringe Abweichungen nicht selten sind. Verläuft der durch die Mitte der Keimscheibe gehende Aequator im Dotter stark excentrisch, so findet bald eine Abknickung der Aequator schreibe und ihrer Grenzfurchen statt. Ueberhaupt folgt der Aequator der Keimscheibe strenger der Richtung der Niveauflächen, als der Aequator des Dotters, der auch bei geeigneter Stellung der Eiaxe oft etwas schief zur bezüglichen Niveaufläche des Mediums verläuft. Bei schief mit der Keimscheibe gegen eine Electrode stehen- den Eiern kommt es auch vor, dass die Niveauringfurchen zu- 40* 628 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. uäclist rein auf dem Dotter entstehen und dann sich seitHch gegen die Keimscheibe verschieben. Hier hat sich also wohl das Rinden-[105]protoplasma des Dotters im Bereiche des Niveau- ringes zuerst contrahirt, und dann erst hat sich die Contraction auf die Keimscheibe fortgesetzt. Die trüb gewordenen Polabschnitte der Keimscheibe sind (in Folge einer Contraction ?) e r h e b 1 i c h fester a 1 s i h r e U m- gebung, wie man beim Zerreissen wahrnimmt. Hat sich der zur Keimscheibe gehörige Bildungsdotter vor der Durchströmung noch nicht vom Nahrungsdotter abgesondert, so geschieht diese Sonderung rasch beim Durchströmen und erinnert so an die Bildung eines protoplasmatischen und eines die Dotterkörner enthaltenden Polabschnittes an den Zellen der durch- strömten Gastrula des Triton. Auch an blos amöboiden Fortsätzen der Keimscheihe, wie sie nach der Auslösung des lebenden ungetheilten Eies aus seiner Hülle entstehen, ebenso wie an durch S cheerenschnitt isolirten Stückchen selbst blos von Vs der ungefurchten Keimscheihe bilden sich die trüben Polfelder und zwischen ihnen bleibt ein heller, parallel contourirter, scharf begrenzter Aequator . An grösseren, von beiden Seiten bestrahlten Stücken erfolgt auch noch Abschnürung der Pol- abschnitte. An ganz nackten Eiern sieht man, dass auch am Dotter im Bereiche der Niveaufurche die oberflächliche Protoplasma- rinde trüb wird, gleich dem Protoplasma in den Polabschnitten der Keimscheihe. Bei eventueller Quercontraction zur Eiaxe bleiben die in und neben der Eiaxe verlaufenden parallelen Säulen von Dotter- körnchen, die durch Protoplasma von einander getrennt sind, er- halten, werden aber gedehnt. Bei geringer Erwärmung der Fi seh ei er erfolgt ebenfalls wie beim Frosch die Re actio n auf den Strom rascher. Nach fünf Mi- nuten langer Erwärmung der Eier auf 40 " C. jedoch bleibt bereits das sonst rasch vorübergehende Stadium der starken Ueberhöhung des Aequators mit noch weit offener Aequatorfurche lange Zeit bestehen. Polarisirende Wirkuns des Wechselstromos auf Fischeier. 629 Nach vier Minuten langer Erwärmung aui' 4G ° C. ist die Kcimsclieibo schon trüb und reagirt gewöhnhch nicht mehr ; im Bereiche des Dotters jedocli fand bei einigen Eiern noch eine geringe Einschnürung statt. An schon ein- oder mehrfach getheilten Fischeiern entstehen trübe Special polfelder, welche meist den für die [106] Frosch- eier gegebenen, durch die Bestrahlung bedingten Regeln entsprechen. Ist jedoch die Keimscheibe im Morulastadium gegen die Electrode gewendet, so schnürt sie sich zuerst wie am noch ungetheilten Ei durch eine tiefe, in Niveauflächenrichtuug stehende Furche vom Dotter ab, wird dadurch selber etwas ab- geplattet kugelig und zeigt später zwei durch einen unveränderten Aequator getrennte, aus theilweise polarisirten Zellen gebildete Pol- seiten, aber keine Niveaufurchen. Da bei diesen Eiern die Zerlegung in Zellen nur einen kleinen Abschnitt der Eikugel ergreift, so ist Gelegenheit zu einigen weiteren, über die am in toto zerlegten Frosch- und Tritonei hinausgehenden Beobachtungen gegeben. Leider hinderte Mangel an Material, diese Möglichkeit genügend auszunutzen. Zwei Mal sah ich, dass die schief zu den Electroden stehende , getheilte Keim Scheibe auf der einen Seite im Profilcontour drei mit je einem Polfeld versehene Zellen enthielt; darauf folgte eine einzige, trotz ihrer auf eine r Seite der Electrode direct zugewendeten Fläche unver- änderte, also den Aequator repräsentirende Zelle, wäh- rend die allein noch übrige anstossende Zelle der anderen Seite, welche nur von der anderen Electrode bestrahlt wurde, mit ihrem einen Polfeld zugleich die ganze zweite Polseite der Profilansicht der Keim- scheibe repräsentirte. Dies Verhalten lässt sich kaum noch auf die vom Frosch und Triton bekannten Verhältnisse beziehen; und ich habe auch Vertheilungen der Polfelder gesehen, die dies noch weniger als möglich erscheinen lassen, also eine eigene Deutung erfordern werden. So beobachtete ich z. B. eine Morula mit schief zu den Niveauflächen stehendem, also anscheinend von einer Seite her be- strahltem Aequator, der von zwei einander gleich grossen, aber anscheinend auch von einer und derselben Electrode bestrahlten, aus gesondert polarisirten Zellen bestehenden Polfeldern flankirt wurde. 630 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Grössere und kleinere Stücke der Morulakeimscheibe bilden gleichfalls zwei Polfelder, ohne sich jedoch dabei sichtbar zu contrahiren. Bei Besichtigung mit Zeiss' Objectiv E sieht man, dass viele der 29 — 35 /< grossen Zellen durch reichlichen Gehalt an kleinen und grossen Körnchen ganz trüb sind. [107] Vier Tage alte, durchscheinende Emhryonen dieser Fisch- art, welche das Rückenmark geschlossen und den kugeligen Dotter schon zu */ö umwachsen hatten, bildeten auch noch Polfelder und einen scharf begrenzten annähernd parallel contourirten Aequator. Zuerst wurde die epitheliale Bedeckung des Dotters, dann das äussere Epithel des Embryo trüb im Bereiche der Polfelder. Bei Durchströmung in sagittaler Richtung, also parallel zur Median- ebene des Embryo verschmälerte sich das Rückenmark in trans- versaler Richtung und erhöhte sich dem entsprechend erheblich in dorsi-ventraler Richtung, und im Bereiche der Polfelder wurde eine geringe Menge fast flüssiger klarer Substanz von ihm ausgeschieden. Die Rückenmarkssubstanz selbst blieb durchscheinend, schien also nicht polarisirbar zu sein; doch wurden wegen der geringen Zahl der Embryonen die Versuche nicht genügend variirt, um dies als sicher auffassen zu dürfen. Vorspringende bestrahlte reagirende Theile werfen wieder einen Schatten auf die in der Stromrichtung hinter ihnen hegenden Theile desselben Polabschnittes, so dass diese Theile erst später trüb werden. Auch S tu che von Embryonen reagiren polar; an ihnen zieht sich während der Reaction zugleich die den Dotter umschhessende Schicht derart zusammen, dass der Dotter aus der Schnittstelle zum Theil ausgepresst wird. Die Schnittfläche des Dotters selber erlangt, so weit sie bestrahlt ist, nur geringe, punctirte oder fadenförmige Trübung, wohl entsprechend der geringen Protoplasmavertheilung im Dotter. Die durchscheinende Beschaffenheit des Fischeies hätte Gelegen- heit geboten, uns über eventuelle, beim Durchströmen im Bereiche des Aequators vor sich gehende moleculare Veränderungen durch die Beobachtung eines hindurchgesandten polarisirten Lichtstrahles zu Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Fischembryonen. 631 nnteiTiebtcii ; doch Avar icli zu dieser Zeit noch zu sehr mit der Ueber- sicht über die Hauptformen der vorkommenden gröberen Verände- rungen beschäftigt, um schon an die Ermittehmg der feineren Ver- häknisse zu gehen ; imd später konnte ich kein weiteres Fischmaterial erhalten. An noch durchscheinenden Eierstochseiern bis aufwärts zu einer Grösse von etwa 0,5 mm bringt der Wechselstrom mannig- [108] fache, aber nicht polar localisirte Veränderungen hervor, die jedoch selbst bei neben einander liegenden Eiern des Eierstockes oft verschieden sind. Fast ausnahmslos indess entsteht in dem mit einer klaren Flüssigkeit erfüllten, grossen, von einer Membran umschlossenen .,Keimljl üschen", an dessen Innenwand eine Anzahl glänzender Körnchen (Nucleolen) liegen, rasch eine starJce Vermehrung dieser Körnchen; danach entsteht weiterherin eine protoplasmaähnliche, dichte, feinliörnige, gelhlichbrännliche, trnhe Masse, in der die glänzenden grösseren Körner liegen, die sich dann allmählich re- trahirt, manchmal zu einer Scheibe mit vielen zackigen, kantigen Ausläufern. Den Zwischenraum zwischen der Kernmembran und dieser compacten Kernmasse füllt klare Flüssigkeit aus. In wenigen Zellen ver dicht sich rasch die Kernmemhr ctn um das Drei- bis Sechsfache. Im „Zelileib" scheiden sich der Eimembran an- liegende, nicht glänzende (paraplasmatische) grosse halbkugelige Tropfen von etwa 34 in aus, die selten sich zu runden Tropfen ab- lösen und dann die äusserliche Zellschicht vacuolisirt erscheinen lassen. Das vorher helle Protoplasma sondert sich bei etwa ein Zehntel der Eier in eine äussere, gelbliche homogene und eine innere feinkörnige Schicht, die beide zusammenhängen. Bei Eiern, welche schon einige Dotterkörner enthalten, werden dieselben zwischen diesen beiden Schichten angehäuft. Diese Veränderung Erfolgt in 10 — 15 Minuten; während nichtdurchströmte Eier, 24 Stunden nach dem Tode desselben Fisches der Bauchhöhle entnommen, noch normales Aussehen darbieten. In Wasser liegende, nicht durchströmte unreife Eier behalten lange ihr wässeriges Keimbläschen, scheiden aber bald Flüssigkeits tropfen gegen die Eihaut hin aus, und zwar in grösserer Zahl als die durch- 632 Nr. 25. Morphologisclie electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. strömten Eier dies thun. Ist diese Ausscheidung bei durchströmten Eiern zAifällig an zwei gegenüberhegenden Stellen localisirt, so kann es den Anschein einer Polarisation erwecken; doch berichtigt die va- riable Richtung dieser Pole zur Stromrichtung sofort diese Auffassung. Auch die erwähnte Sonderung des homogenen Protoplasmas kann sich in dieser Weise anscheinend polar localisiren. lieber diese besondere Structuren producirenden, also „morphologisch" wichtigen Veränderungen durch den electrischen Strom, gedenke ich genauere Untersuchungen anzustellen. [109] Das Herz des erwachsenen Telestes bildet im Wechselstrom zwei blasse, tonisch contrahirte Polabschnitte und eine rothe Aequator- scheibe, letztere annähernd in Richtung der Niveaufläche des Ortes. Der Tonus der Polabschnitte überdauerte die Durchströmung. Auch die Vorhöfe betheiligten sich an dieser Reaction; und man^kann bei Aenderung der Stromrichtung das zuerst erhaltene Reactionsbild um- arbeiten lassen. Die G all enhl äsen dieses Fisches sind dünnwandig und re- agiren daher sehr schnell: schon nach 30 Secunden sind die Rol- fe Id er sichtbar. Zuerst entstehen auf dem dunkelgrünen Grund an dem Pole rundliche, dann eckig werdende und mit einander zu- sammenfliessende hellgelbe Flecken, die annähernd gerundete Maschen einschliessen. Dieser Vorgang breitete sich von den Polen aus und führte bei der von mir gewöhnlich angewandten Stromstärke schliesslich unter steter Verschmälerung zum Verschwinden des Aequators. Bei Durchströmung der Blase in Längsrichtung geht die Vergrösserung der Polfelder manchmal unter Vor aussen düng gelber Zacken gegen den Aequator vor sich. Bei äusserst ge- schwächtem Strom blieben die Polfelder auch während 25 Minuten langer Durchströmung nur kleine Käppchen. Anhängende Lebersubstanz beeinflusst in keiner er- kennbaren Weise den Verlauf der sichtbaren Niveaulinien an der Gallenblase; dagegen wirft das angewachsene Fett als sehr schlechter Leiter natürlich einen kräftigen Schatten und alterirt so die Gestalt der Polfelder, indem an der Stelle 'dieses Schattens die Veränderung ausbleibt. Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Eidechseneier. 633 Polarisircndc Wirkung des Wechselstromes auf Lacerta agilis. Von Reptilien untersuchte ich nur Eidechsen (Lacerta agilis). Die von einem dicht anliegenden Follikelepithel umschlossenen jungen Eierstockseier, also die Eierstochsfollikel ergaben bei Be- handlung mit dem Wechselstrom folgende Resultate: Durchscheinende Eierstocksfollikel von 0^5 bis 1,5 mm Grösse, deren Eier erst sehr wenige Dotterkörner enthalten, bilden deutlich trübe Polfelder; diese beginnen als isolirte trübe [110] Puncte am Pole, dann confluiren die Puncte, während am Rande neue solche Puncte auftreten, sich weiter ausbreiten und eckig-maschige Netze bilden von 21 — 30 i-i Maschenweite. Mit Zeiss' Objectiv C sieht man an Eiern von 0,9—1,0 mm Grösse, dass die trüben Puncte und Netze aus feinkörnigem Protoplasma mit eingeschlossenem Kern bestehen, also getrübte Follikelepithelzellen sind. Diese Polfelder wachsen noch erheblich nach dem Aufhören des Stromes; ja bei kurz dauernder Durchströmung treten sie über- haupt erst mehrere Minuten danach auf; durch Einlegen in Chrom- säure werden sie deutlicher und scharf begrenzt. Nicht isolirte Eierstocksfollikel bilden blos je ein Polfeld, nämlich blos auf der ganz freien, vom Wasser umgebenen Seite, nicht auf der anderen zum Theil durch benachbarte Follikel bedeckten Seite, obgleich die benachbarten Follikel durch eine tiefe , mit dem Men- struum erfüllte Furche getrennt sind. Beim Durchströmen eines solchen umgestülpten Eierstockes tritt demnach die beschattende Wirkung des reactionsfähigen Substrates in ähnlich ausge- sprochener Weise hervor, wie sie oben für querstehende Furchen am Pole der Morula des Wasserfrosches und des Triton beschrieben worden ist. An blos mit einem Polfeld versehenen Eierstocksfollikeln breitete sich nach dem Durchströmen beim Liegen in Wasser die Trübung vom Polfelde allmählich während einer halben Stunde über das ganze Ei aus, aber mit vom Pole aus abnehmender Intensität. An grossen, dotterkörnerhaltigen Eiern von 7 mm Durch- 634 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. messer vermochte ich nach der Durchströmung keine Polarisation zu sehen oder durch Chromsäure sichtbar zu machen. Die GallenhJase der Eidechse verhält sich im Wesentlichen wie die der übrigen untersuchten Thiere. Die Polfelder werden grün, in verdünnter Schwefelsäure rasch opak gelb; obschon die ausfliessende Galle selber nicht opak gelb wird. Auch an den Emhryonen der Eidechse wurden einige bezüg- liche Beobachtungen gemacht. Es standen blos von drei schwangeren Eidechsen Embryonen zur Verfügung, welche in den beobachteten Stadien noch durchscheinend waren und daher gestatteten , das Ver- halten einiger inneren Organe kennen zu lernen. [111] An diesen Eidechsen-Embryonen mit schon stark vor- l springendem Mittelhirn (und mit Extremitätenstummeln) reagirte I vorzüglich das Gehirn auf den Strom. Durchströmt man mit \ starkem Strom in cephalocaudaler Richtung, so bildet die vorspringende Blase des Mittelhirns zuerst ein kleines trübes Polfeld an dem der Electrode nächsten Theil, welches in 3 Minuten schon fast die halbe Kugel einnimmt; danach entsteht auch an der gleichfalls direct bestrahlten dorsalen Wandung des Hinter- hirns, Z w i s c h e n h i r n s und V o r d e r h i r n s eine Trübung. Gleich- zeitig wird die ausgedehnte, entgegengesetze basale Seite des ganzen Gehirnes trübe; und zwischen diesen beiden Polfelderu l)leibt ein grosser, annähernd parallel contourirter Streifen des Gehirns vollkommen durchscheinend : nur im Bereich der ventralen Wandung der Mittelhirnblase, welche in Folge der kugeligen Gestalt der Blase noch besonders bestrahlt wird, entsteht dem grossen dorsalen Polfelde gegenüber ein besonders abgegrenztes kleineres, etwas weniger trübes aber vollkommen deutliches Polfeld. Die scharf begrenzten polaren Trübungen der Gehirnwandung werden auch nach der Unterbrechung der Durchströmung des Embryo noch eine Zeit lang intensiver; Avährend der schmale Aequator selbst nach längerer Durchströmung noch durchscheinend bleibt. Der gleichfalls unter günstigem Winkel bestrahlte Anf angstheil des Rückenmarkes bekommt nur e i n e s c h w a c h e T r ü b u n g. Ferner wird der schlingenf örmige Herz- schlauch an den Polseiten trüb. Das Gleiche gilt von den Pol- Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Eidechsenembryonen. 635 Seiten der Kiemenbogcii und der Exti emitätenstummel; sie werden ebenfalls oberflächlich trüb; doch konnte ich an ihnen » keinen deutlichen Aequator wahrnehmen. Durchströmt man einen Eidechsen-Embryo des gleichen Stadiums in der Richtung vom Stirnhirn zum Nachhirn, so sind die trüben Polfelder in der Hirnwandung entsprechend anders vertheilt, aber ebenfalls scharf begrenzt; am Stirn-, Zwischen- und Mittelhirn ist je ein vorderes Polfeld ; am Mittelhirn, durch hellen Aequator ge- trennt, ein hinteres Polfeld, und daran schliesst sich die trübe Hinter- hirndachplatte; letzterer ventral gegenüber liegt der stark trübe, dicke ventrale Theil des Nachhirns. Am Rückenmark sind die Ver- änderungen wieder ]112] weniger deutlich; dagegen sind sie wieder vollkommen ausgesprochen an den derzeitigen Pol selten des Herz- schlauches. Auch die G e h ö r b 1 ä s c h e n bilden polare, aber unscharf begrenzte Trübungen. Auf einem etwas jüngeren Stadium reagirte das noch sehr dünne Dach des Zwischenhirns und vierten Hirnbläschens nicht erkennbar, so dass bei geeig- neter Stromrichtung den betreffenden Abschnitten das zweite Polfeld fehlte, wie es übrigens im Bereiche des Nachhirns vorher schon der Fall war. Die Hirnwandung der Emhryonen verdicht sich im Be- reiche der Polfelder schon während des Durchströmens und noch nach demselben innerhalb einer Viertelstunde sehr stark, stellenweise auf das Vier- bis Sechsfache unter Bildung von gleichfalls trüben, soliden Höckern und Wülsten, die zum Theil regelmässig angeordnet sind, und in den Binnenraum der Hirn- blase vorspringen; manchmal ist ihre Bildung schon in einer halben Stunde so stark, dass sie sich von den beiden Polfeldern aus in der Mitte berühren und so den durchscheinenden Aequator unterlagern. Anfangs solide Wülste können später zu Falten der Hirnw^andung Averden, indem sich der äussere Theil der Wandung mit einstülpt. Die Falten sind in Richtung des Stromes gelegen. Zum Theil ähnliche, aber natürlich nicht polar localisirte Ver- änderungen der Hirnwandung erhält man ohne Durchströmung, je- doch viel langsamer, wenn man die Hirnblase aufschneidet und die G36 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. verwendete wässerige, mit wenig Va^/oiger Kochsalzlösung versetzte Menstruumflüssigkeit eindringen lässt. Hierdurch wird die Hirnwan- dung unter Quellung von innen aus trüb. Das Herz der Embryonen reagirt langsamer als das Gehirn und schlägt gewöhnlich noch, wenn schon am Hirn die Polfelder ent- wickelt sind. Auch die ÄU anfois liess deutlich polare weissliche Trü- bung erkennen, besonders ausgesprochen auf der Höhe der nach aussen vorspringenden direct bestrahlten Falten, in den Furchen nicht deutlich. Ist die Allantois prall gefüllt, so sind die Polfelder etwas deutlicher umgrenzt, und daher auch ein parallel contourirter Aequator eher zu erkennen; aber nie [113] ist der Uebergang vom trüben Polfeld zum durchscheinenden Aec^uator ein so plötzlicher wie am Gehirn desselben Embryos. Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Em- bryonen des Huhn (Gallus domesticus). Ferner reagiren sehr gut Hiilin er e mhry onen von 2V2 bis 7 Brüttagen auf den Wechselstrom, während die schon früher geprüfte ebene Keimscheibe keine Polfelder hatte erkennen lassen. Da dieses Material gut durchscheinend ist und fast zu jeder Zeit be- schafft werden kann, so wurden an ihm die Beobachtungen etwas weiter ausgedehnt, als dies an den Embryonen der drei Eidechsen möglich war. Die Embryonen wurden in ^s^^/oiger Kochsalzlösung von 35°— 39° C. durchströmt. Schon nach 3 bis 5 Minuten tritt an jeder Polseite der Hirnhlasen eine scharf umgrenzte Trübung der Wandung, ein deutliches Polfeld auf, welches wieder je nach der Lage des Embryo zu dem Electroden verschieden situirt ist, wie dies bereits von den Eidechsen-Embryonen geschildert worden ist. Die durchscheinende Beschaffenheit gestattet, mit schwachen Objectiven, Zeiss A und C, zu beobachten, und lässt erkennen, dass es die innere Schicht der HirnhJnsenunindung ist, welche trnh wird. Bald entstehen im Bereiche der Polfelder, besonders am Mittelhirn, ausgesprochene, wieder in Strom rieht im;/ ge- Jeyene Wülste nnd Falten der Wandung, siehe Taf. IX, Fig.20, Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Hühnerembryonen. 637 und zwar vorzugsweise nach innen gegen den Binucnraum zu; während der scharf begrenzte Aequator jeder Hirnblase klar durchscheinend und ungefaltet bleibt, und zwar klarer durchscheinend als der bezüg- liche Theil des bei jedem Versuchsbeginne zum Vergleiche in 37 bis 39° C. warme gleiche Kochsalzlösung eingelegten gleichalterigen Probe- Embryos. Letztere werden allmählich etwas trüb, während die durch- strömten Embryonen zunächst durchscheinender werden, als sie waren, so weit sich nicht Polfelder an ihnen bilden. Erst nach einer Viertel- bis halben Stunde breiten sich die Trübungen der durchströmten Embryonen auch über die Aequatortheile aus und werden etwas hyalin; damit wird der durchströmte Embryo nicht durchströmten, in nicht mit Salz versetztem Brunnenwasser liegenden Embryonen ähnlich, welche allgemein trüb, etwas hyalin schimmernd werden, aber ihre ungefalteten Hirn- [114] Wandungen behalten. Die Hirnwulstungen oder Faltungen der durchströmten Embryonen bilden dann einen leicht sichtbaren Unterschied. An in V2°/oiger Kochsalz- lösung ohne Durchströmung liegenden Embryonen dagegen w^erden viele verschiedene Schichten trüb, andere bleiben Tage lang durch- scheinend, so dass die Differenzirung viel mehr sichtbar wird, als im Leben und als an electrischen Embryonen. Die polaren Trübungen linden sich wieder auch an der basalen Seite des Gehirns in entsprechender Weise, obgleich hier die Hirn Wandung nicht so frei liegt wie dorsalerseits, sondern vom Kieferbogen, vom Mittelblattgewebe und vom Kopfdarai bedeckt ist. An dem dünnen Dach des vierten Ventrikels ist die Trübung nur an den Rändern ganz deutlich. Die primäre Augenhlase reagirt wie das Gehirn. Die sec'undäre, schwarz pigmentirte Augenhlase reagirt sehr trag mit Faltungen und Abschnürungen, besonders an den Polen, und mit Verfärbung und Hellwerden, gleichfalls besonders an den Polseiten, siehe Taf. IX, Fig. 20. Doch entstehen keine scharf abgegrenzten Polfelder und dem entsprechend auch kein solcher Aequator. Die Linse zeigt auch Veränderungen. Die Wandung der Gehörhläschen wird gleichfalls trüb, event. gefaltet, aber wieder nur mit undeutlicher polarer Begrenzung der Veränderung. 638 Nr- 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Auch das RücJxenmarl' liess in seinem cephalen Theil polare Trübung, aber wenig deutlich erkennen. Manchmal glaubte ich auch polare Trübung im freien Theil des äusseren Keimblattes, im äusseren Ueberzug des Körpers zu erkennen; doch war die Abgrenzung keine scharfe, und ist bei der Zartheit dieser Epithelschicht das Urtheil unsicher. Nur ist eine starke, jedoch wie bei den Eidechsen-Embryonen, nicht deutlich polar begrenzte Trüb ung des Epithels der Extremitätenstummel, sowie der sehr direct von Stromfäden getroffenen Ob erfläch en- theile der Schhcndhögen zu erwähnen. An jungen Embryonen von 2—2^2 Tagen, an denen mit dem Microscop ohne vorherige Microtomirung der Kopfdarm sichtbar ist, sah ich eine starke, in manchen Fällen deutlich polar localis irte Trübung seines Epithels, also des Entohlast. Das Epithel der Rachenmembran und der inneren Seiten der [115] Schlundbögen ist auch ohne Durchströmung schon trüb; diese Trübungen aber werden er- heblich verstärkt bei geeigneter Lage der Electroden. Auch andere stark durchstrahlte Theile des Entoblast, besonders der vorspringende Umschlagsrand der vorderen Darmwand zum Dottersack, werden bei Durchströmung in geeigneter Richtung auf den Polseiten deutlich trüb. An dem noch S-förmigen Herzen wird gleichfalls auf den Pol- seiten eine Trübung durch den Wechselstrom hervorgebracht. Weiterhin entstehen an den Seitenplatten des mittleren Keimblattes, sowie an den Ursegmenlen des Kopfes, Halses und vorderen Rumpfes polare Trübungen. Manchmal bekommt jedes Ursegment je eine, bei Längsdurchströmung proximale und distale, weisslich trübe Grenzscheibe, bei Querdurchströmung ein mediales und ein laterales weisses Feld ; andere Male ist die polare Localisation der Trüb- ungen undeutlich. Ein Mal sah ich nach einer nicht bis zur Polfeldbildung an den Ursegmenten fortgesetzten Durchströmung innerhalb einer Stunde an der ganzen lateralen Seite jedes Rumpf Segmentes ein schmales Stück sich abschnüren und einige davon sogleich mit dem davor und dahinter liegenden Stück zu einem einheitlichen Strang sich verbinden. Erwähnenswerth ist, dass vor der Abschnürung Polarisirende Wirkung des Wechselstromes auf Hühnerembryonen. 639 jeder laterale Rand des Ur Segmentes sich Avie durch transver- sale Einschnitte, welche aber wohl durch Umordnung der Epithcl- zellen bedingt waren, in 4 oder 5 Sprossen sonderte, dass diese sich vom Urscgment absclmürten und dann zu dem Längsstrang sich vereinigten. Es ist die Bildung des Urnierenganges, die ich da direct von der Dorsalseite des Embryo aus beobachtet habe; ob dieselbe durch die electrische Behandlung beschleunigt war, oder ob sie für gewöhnlich so rasch verlauft, müssen erst weitere Beob- achtungen darthun. Im Bereiche der polaren Trübungen der Ursegmente scheint der Zellverband gelöst, denn man sieht mit Zeiss C nur noch viele Zellkerne von 7 i-i Grösse; also hat wohl Framboisia interna stattgefunden wie beim äusseren Epithel der Frosch-Embryonen. Aehnliches sieht man auch an den Polfeldern von Stücken des Rückenmarkes und Gehirnes, sowie an der Chorda dorsalis; doch ist Genaueres erst nach der Microtomirung der Ob- jecte festzustellen. Dies gilt auch [116] allgemein für die zwischen den epithelialen Gebilden gelegene Bindesubstanz, an welcher ich in frischem Zustande keine Veränderung wahrnehmen konnte. In getrübten Stellen des Entoblast sieht man schon mit Zeiss C viele glänzende Kügelchen von 1,4 — 3,5 {.i Grösse. Diese sind es wohl, welche die Trübung bedingen. Am Mittelhirnbläschen entsteht auch manchmal eine be- sondere Niveaulinie, welche dunkler ist als der benachbarte Theil des Polfeldes, dessen Grenze sie darstellt. Der Aequator beträgt bei der angewandten Stromstärke an der Mittelhirnblase etwa ^/s der Ausdehnung des Gebildes in Richtung des Stromes; bei den beiden Grosshirnbläschen ist er breiter. Die Aequatoren der Mittelhirn blase, der Zwischenhirnblase und der Gross- hirnbläschen sind nicht einander parallel, sondern es ist, wie bei den schief zur Stromrichtung stehenden Gallenblasen der Kaninchen, eine Ablenkung des Aequators von der Niveauflächenrichtung des Men- struums nach der grössten Ausdehnung der bezüglichen Blase wahr- nehmbar; dies gilt daher besonders für die Grosshirnbläschen und für das Zwischenhirn, siehe Taf. IX Fig. 20. Es gelten hier über- 640 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler (lehilde etc. haupt die früher von der Localisation der Polfelder an Froscheiern und -Embryonen und an Gallenblasen aufge- stellten Regeln von der directen Bestrahlung und vom Strom- schatten. Das das Hirn umgebende, selber nicht erkennbar re- agirende Mittelblatt-Getvele beeinflusst nicht die Anordnung der Polfelder an den von ihm eingehüllten Organen; die Hirn- blasen verhalten sich, als ob ihre bestrahlten Formen unverhüllt da lägen. So Hess auch die Einhüllung in das Amnion keine die Locali- sation alterirende Wirkung erkennen, von einer geringen Verzögerung der Polfeldbildung abgesehen, welche ich zu bemerken glaubte. Am Hers schlauch des Hühnerembryo bilden die beim Durch- strömen sich trübenden Theile den äussersten Theil der Wan- dung und stellen, bei Zeiss C gesehen, eine gelbliche, dichte, die einzelnen Zellen nicht mehr recht erkennen lassende Schicht von zum Beispiel 21 /n dar; während man an den nicht polarisirten Stellen der Rinde die einzelnen 7 — 14 /^i grossen Zellen deutlich unter- scheiden kann. Die polarisirten trüben [117] Stellen scheinen aus dicht gedrängten Zellkernen von 7 f.i Grösse zu bestehen. An einem blos durch Liegen in warmer, ^/4"/oiger Kochsalzlösung getrübten Herzschlauch war diese Schicht nicht auffindbar. Alle bisher durchströmten Gebilde, mit Ausnahme der Stücke von Froschembryonen, waren durch gerundete oder auf andere Weise nach aussen vorspringende Flächen begrenzt. Es ist daher die Ver- muthung zu prüfen, ob diese Gemeinsamkeit der Formen nicht viel- leicht Veranlassung zu der gefundenen Gemeinsamkeit in der Loca- lisation der Veränderungen aus zwei durch einen unveränderten Aequa- tor getrennte Polfelder ist. Da in den Hirnblasen Hohlgebilde mit nicht collabirender Wandung vorhanden sind, war Gelegenheit gegeben, diese Vermuthung zu prüfen. Ich zerschnitt daher den Kopf von Hühnerembryonen und Hess in die offene Höhlung des Stückes vom Vorder- und Mittelhirn den Strom direct eintreten. Es zeigte sich, dass jetzt nicht etwa ein trüber Polriug am offenen Rande, eine Polkappe am blinden Ende und zwischen beiden ein unveränderter Aequator, Polarisireiide Wirkung des Wechselstromes auf Hiilmt'reier. 041 an dem eine halbe Kugelsehale darstellenden Gebilde entstanden, sondern das ganze bestrahlte Gebilde wurde trüb. Zugleich sah mau jetzt sehr deutlich, dass nur die innere Schicht der Hirn Wandung sich trübt und zunächst allein die wieder in Richtung des Stromes gelegenen Wülste bildet. Ist da- gegen das direct in seine Höhlung bestrahlte Hohlgebilde relativ lang, sackartig, dann sieht man, dass die Umgebung des Ein- ganges und der Fundus viel trüber werden, als der zwischen ihnen gelegene mittlere Theil. Wird aber ein so gestaltetes Hohl- gebilde parallel der Schnittfläche durchströmt, so reagirt es, als wenn es noch geschlossen wäre, also wie irüher beschrieben. Ein zwei Tage bebrütet es Hühner ei wurde ,,/ei den Versuchen Kühne's und Verwokn's an Protisten angewendet worden, worauf die Ueberein- stimmung in der Localisation der von ihnen beobachteten Wir- kungen mit den obigen beruht^). Fand dagegen keine vollkommene Eintauchung statt, wie wir das bei einer Gallenblase gesehen haben, oder war der Eintritt von Stromfäden aus dem Electrolyten gehindert, wie an den Berührungs- stelleu der Intraelectrolyten mit dem Boden oder der Seitenwand des Glasgefässes, so blieben auch die betreffenden Stellen unverändert, obgleich sie selbstverständlich vom Strome durchflössen wurden. Bei den gewöhnlichen physiologischen Versuchen mit Auflegen des Objectes auf die Bäuschchen oder mit Aufsetzen der uupola- [215] risir- baren Electroden auf das Object wird die Ein- und Austrittstelle des [1) Es kann vielleicht als zweifelhaft erscheinen, ob es den genannten Autoren schon ganz bewusst war, dass das Besondere der auch von ihnen beobachteten polaren Localisation der Reaction der Protisten durch die hier angegebenen Compo- nenten bedingt ist.] 748 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Stromes vom Experimentator bestimmt ; und nur von diesen Puncten uus kann sich der Strom noch innerhalb des Objectes in bestimmter Weise vertheilen, aber immerhin noch zum Theil ähnhch wie in der Wasserschale. L. Hermann hat hervorgehoben, dass Muskeln und Nerven aus Fäden, umgeben von indifferenten Leitern, bestehen, und hat daraus die von ihm zur Erklärung der Wirkung des electrischen Stromes herangezogene innere Polarisation abgeleitet. Da auch das Proto- plasi"!;ia wässerige Flüssigkeit, das Paraplasma, zwischen seinen Fäden, Häutchen oder Körnchen enthält, so sind also alle auf den electri- schen Strom reagirenden lebenden Substrate in gewissem Maasse selber als ,,Intraelectrolyten" zu betrachten. Die Selbstbestimmung der Eintrittsstellen der Stromfäden durcli die Objecte ist, wie oben dargethan wurde, um so grösser, je grösser die Leitungsdifferenz von Electrolyt und Litraelectrol^'t ist, und dabei bis zu einem gewissen Grade auch, je grösser die vom Eleetrolyten einge- nommenen Zwischenräume zwischen benachbarten reagirenden Intra- electrolyten sind. Verhalten der lebenden Objecte bei ,, nicht intraelec tro- 1 y t ä r e r' ' I) u r c h s t r ö m u n g. Um zum Ueberfluss das Verhalten embryonalen Materiales bei nicht intraelectrolytärer Durchströmung direct zu beob- achten, setzte ich an frei, ohne Flüssigkeit in einer Glasschale liegende junge Hühnerembryoneu die Nadelelectroden direct auf; es entstand, wie zu erwarten, blos an der Berührungsstelle der Anode und danach in der Umgebung derselben weisse Trü- bung, die sich allmählich weiter ausbreitete, und, wie der nachher gemachte Durchschnitt zeigte, auch in's Innere einge- drungen war und alle anwesenden Organe, aber die verschiedenen Organe in nicht ganz gleicher Stärke und nicht ganz gleicher Aus- dehnung von der Electrode aus, weisslich getrübt hatte. Da wir bisher gesehen haben, dass diese Wirkung nur an der Berührungsstelle der reagirendenSubstanz mit einemElectro- lyten stattfindet, so istaus diesem Eindringen in'sinnere zuschliessen. Verhalten d. lebenden Objecto bei „nicht intraelectrolytärer" Durchströmung. 749 (lass die in unserem Sinne pohirisirte ( getödtet e) orgu- nisclie Substanz sich gegen noch unpolarisirte lebende wie ein Electrolj't verhält; und andererseits, dass die noch unveränderte, lebende Suhstanz keinen Electrolyten in dem, Sinne, dass er zur Veranlassung unserer morphol ogi- [216] sehen Reactioncn ausreichte, darstellt oder auch nur einen solchen enthält, trotz des Faraplasmas, welches allent- halben sich findet und leicht dafür zu halten wäre. An der Kathode fand so starke Gasentwickelung statt, dass man erst nach dem Aufhören der Durchströmung und Wegspülung der Blasen das Feld besichtigen konnte; es war heller, durchscheinender und weicher geworden und dehnte sich gleichfalls in's Innere des Embryo aus; an den Geliirn- blasen aber wurden die innersten Theile der Wandung etwas trüb. Danach wollte ich prüfen, ob vielleicht dieses Verhalten der Hühnerembryonen keine vital vermittelte Reaction, sondern auf Seite der Kathode blos kataphorische Wirkung und auf Seite der Anode Gerinnung sei, ob sie also Veränderungen darstellen, wie sie auch an todten organischen Substanzen vorkommen, zumal da das anodische Aveisse Feld durch Aufsetzen der Kathode wieder hell durchscheinend wurde. Um zu ermitteln, ob die beobachtete Reaction an das Leben der Gewebe gebunden sei, legte ich ein Stück des vorigen Embryo drei Minuten lang in ^'3 ''/o ige Kochsalzlösung von 50 °C. um es zu tödten, und durchströmte es dann in derselben Richtung als früher; er wurde an der Anode noch weiss, aber reagirte viel träger. Daher verstärkte ich die Wirkung der Wärme durch drei Minuten langes Erwärmen eines anderen frischen Embryo auf 60° C. , wodurch derselbe schon ein wenig trüb wurde; beim Durchströmen trübte sich sodann auf den Anodenseiten, aber nur sehr langsam, das Innere der Embryo; während eine Oberfläche^schicht von etwa 0,7 mm Dicke nicht mehr trüber, sondern im Gegentheile hell durchscheinend wurde. Dies deute ich so, dass die zunächst erwärmte oberflächliche Schicht voll- kommen getödtet worden war und daher ihre Reactions- fähigkeit verloren hatte, während die tieferen Theile nur noch schwach reagirten. Zu weiteren Versuchen waren wegen der Jahres- zeit keine Embryonen mehr zu erlangen. 750 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. Um dies an Embryonen bei directer Aufsetzung der Electroden beobachtete Verhalten mit dem Verhalten ern-achsener Organe zu vergleichen, wurden die Electroden desselben, nicht starken gal- vanischen Stromes auf die Muskeln, den Darm, die Leber des erwach- senen Frosches aufgesetzt; es entstand jedoch keine, mit der an den Embryonen [217] beobachteten, vergleichbare Trübung; und des- gleichen iDheb eine entsprechende Reaetion aus bei gleicher Anwen- dung des mindestens dreimal stärkeren Wechselstromes, welcher bei geringem Electrodenabstand nur durch starke Erwärmung allmäh- lich eine Trübung, Gerinnung hervorbrachte. Beim Durchströmen der ( 1 a 1 1 e n b 1 a s e n des erwachsenen Frosches jedoch entstand bei directem Aufsetzen der Drahtelect roden an der Anode ein allmählich auch auf deren Umgebung sich aus- dehnender hellgrüner Fleck, aber blos, wenn wässerige Flüssig- keit, so auch schwache Kochsalzlösung, an der Berührungsstelle sich vorfand; wenn dies nicht der Fall war, so bildete sich blos ein trockener, dunkler Fleck. Diese Versuche haben also die Annahme, dass die in den Abschnitten I— IV mitgetheilten Localisationen der electrischen Wir- kung durch die intraelectrolytäre \^ersuchsanordnung bedingt sind, auf's Neue bestätigt. Wenn wir diese und die früheren Beobachtungen zusammen- nehmen, so kann wohl kein Zweifel bestehen, dass den genannten Eiern, Embryonen und den Gallenblasen eine besonders leicht eintretende, zum Theil eigenartige Reactionsfähigkeit auf den electrischen Strom zukommt, sowie dass der Ort und die Gestalt dieser durch den Strom veranlassten polaren Veränderungen von derEintrittsstelle resp. (Austrittsstelle) der Stromfäden in das noch lebende Substrat abhängig ist, und dass die Wirkung sfähigke it an die Berührung mit einem Electrolyten gebunden ist. Es ist ferner zu vermuthen, dass die bezüglichen Verän- derungen nur an der ,, Oberfläche" der ,, lebenden" Substanz vor sich gehen und erst nach dem Absterben der Oberflächen- schicht sich bei einigen Gebilden auch auf die nächst tiefer liegende Schicht und so fort in die Tiefe ausdehnen können. Verhalten d. lebonclen Objecte bei ,.nicht intraelectrolytärer" Durchströmung. 751 Wenn sich somit ero-chcn hat, dass diese so auf fähig gestaltete Localisation der beobachteten Veränderungen nichts den betreffen- den Objecten Specifisehes, sondern eine Folge der Versuchsanordnung und der (lestalt der \^ersuchsobjecte war, so treten diese doch int mev polar JocaJi sirten Veränderungen^ sowolil durch ihre ttiorpli oloiiischen Ch(traktere, als: Fi gmenfn-anderung, Extra- ovate, grobe Trähiingen und durch ihre Beschränkung auf eine „Oherflächenschiclit" oder tvenigstens durch [218] * Ar Ausgehen von derselben unter Freilassen mindestens einer Aequatorscheibe in einen Gegensatz zu der von Peltier 1834 entdeckten und von du Bois-Reymond und L. Hermann u. A. weiterhin untersuchten inneren Polarisation thierischer Gebilde^ welche nicht sichtbar ist und sich auf die inneren Oberflächen der lebenden Theile, angeblich im ganzen Bereiche der durch- flossenen Strecke ausdehnt. Um sie von letzterer Polarisation zu unterscheiden, habe ich die Entstehung dieser neuen polaren Veränderungen nach dem einen ihrer unterscheidenden Hauptcliaraktere als ,,m o rp holo g i seh e" Fo 1 a r i- sation bezeichnet. Es muss den Physiologen überlassen bleiben, die Ursache nach- zuweisen , warum die beschriebenen V e r ä n d o r u n g e n n u r von der ,, Über fläch e " ausgehen, obgleich im Inneren der lebenden Gebilde ebenfalls Gelegenheit sowohl zur Abscheidung von Jonen, welche nach Bernstein als das die Veränderungen ver- mittelnde Agens anzusehen sind, wie zur Brechung von Strom- fäden gegeben ist; so dass in Folge dessen die Zelle trotz solcher inneren Structur nur von „aussen'' her und somit als ,, ein- heitliches Ganzes'' entsprechend ihrer äusseren Gestalt polarisirt tv^rd. Es ist ferner zu erforschen, worin die specielle Natur der Veränderungen und der Mechanismus derselben besteht.- So weit es richtig ist , dass beim e 1 e c t r i s c h e n Durch- strömen carcinomatöser Körpertheile gerade die Car- cinomz eilen alterirt werden und absterben, kann man auf Grund der vorstehenden Versuchsergebnisse darin eine Bestätigung ihrer von ViRCHOw und Cühnheim vermutheten embryonalen Natur 752 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Grebilde etc. erblicken; eine Annahme, welcher ich eine weitere Unterlage gegeben habe, indem ich mehrfach in Embryonen Zellen, welche abnormer Weise auf viel niederer Stufe der Differenzirung als die der Um- gebung stehen geblieben und nicht an das umgebende Gewebe mor- phologisch angeschlossen waren, an den verschiedensten Stellen auf- gefunden habe (s. S. 496 Anm. u. I, S. 302). 6. Ursache n d e r Specialpolarisatioii der Zellen des Eies. Es erübrigt zum Schlüsse, uns eine Meinung über das zwei- fache Verhalten des schon in mehrere Zellen getheilten [219] Frosch- und Tritoneies, über die an diesen Gebilden beobachteten beiden verschiedenen Localisationen der polaren Reac- tionen auf den electrischen Strom zu bilden. An der lehenskräftigen Morula, Blastula und jüngeren Gastrula bildete ^ er? e einzelne Zelle ein besonderes „Spe- ciidpolfeld'", respective deren sivei, und einen eigenen „Special- äqf(((tor'' (s. S. 591 und 611). An der yeschiv ächten Morula oder Blastula dagegen ent- standen zwei giOQ&Q „Generalpolfelder'' am ganzen Ei, die einen über die Aequatorgegend des ganzen Eies weggehenden ,, Gener al - äquator" begrenzten. (Ueber ein etwaiges bezügliches, zweifaches Verhalten auch der älteren Gastrula und der Embryonen liegen genügende Beobachtungen zur Zeit nicht vor; doch schien es, dass bei letzteren die oberflächlichen Zellen durch Contraction gerundet and ausserdem zur Abscheidung von Flüssigkeit (Schleim ?) angeregt wurden ; bei älteren Gastrulae wurde sowohl Zellcontraction , siehe S. 615, sowie auch Zell-Polfeldbildung gleich wie an der jüngeren Ga- strula beobachtet, siehe S. 614.) Es ist die Frage, was jede der beiden obigen, an denselben Objecten vorkommenden verschiedenen Reactionsweisen bedeutet, und worin die Verschiedenheit, ja Gegensätzlichkeit derselben ihren Grund hat. Bei derGeneralpolarisation verhält sich das in vieleZellen zerlegte Ei wie das ungetheilte Ei; bei der Specialpolari- sation der einzelnen Zellen dagegen reagirt jede Zelle des Eies Ursachen der Specialpolarisation der Zellen des Eies. 753 für sich. Fragen wir zunäclist, worauf das letztere Verhalten be- ruhen kann. Die Zellen der Morula und Blastula sind normaler Weise jede für sich nach aussen convex gewölbt. Es w^ar daher mein erster Gedanke, dass dieses Moment vielleicht wesentlich zu dem Effecte beitrage; und da bei Schwächung des Eies durch längere Durch- strömung die Zellen sich abplatten, bevor dann die Generalpolarisatiou des Eies eintritt, schien diese Annahme sich zu bestätigen; diese wTchselndeu Gestaltverhältnisse schienen also eine ausreichende Er- klärung für den Wechsel der Reaction zu geben. Um diese Auffassung zu prüfen, wurden mehrere Experimente gemacht. Ich fand zwei unget heilte Eier, welche abnormer Weise eine grosse Furche gebildet hatten, die einen gewölbten, zungen- [220] förmigen Theil des Zellleibes unvollkommen abson- derte. Diese Eier wurden sogleich in einer Richtung durchströmt, welche den Zungenlappen gegen eine Electrode wendete. Obgleich nun dieser Lappen durch eine Furche abgeschnürt und durch in sie eingedrungene Flüssigkeit vom Haupttheil des Eies zum Theil gesondert und für sich gewölbt war, bildete er sogleich ein die ganze bestrahlte Fläche einnehmendes Polfeld als Theil des Generalpolf eldes dieser Seite, aber kein zweites Polfeld und keinen eigenen Aequa- tor. Es trat also trotz vollkommen geeigneter Form keine Special- polarisation ein. Weiterhin hatte ich beobachtet, dass durch Carbolsäuredämpfe getödtete Morulae ihre nach aussen gewölbten Zellformen behielten, also nicht wie sonst die Eier vor dem Absterben ihre Oberflächen- zellen abj)latteten. Daher vergiftete ich Morulae in geringerem Maasse mit Carbolsäure, so dass sie noch reactionsfähig blieben; beim Durchströmen zeigte sich dann, dass sie trotz Erhaltung ihrer Zellrundung rasch die beiden Generalpolfelder bildeten. Ein weiteres Argument boten schon die normalen Morulae dar. Die helle Unterseite des getheilten Frosch- und Tritoneies hat immer zur Kugel fläche des Gesammteies abgeplattete, ober- W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. 48 754: Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. flächlich nur durch feine seichte Furchen von einander getrennte Zellen; gleichwohl reagirten auch diese Zellen jede für sich. Das Gleiche war einige Male bei durch Eis geschwächten Eiern auch an den dadurch abgeplatteten Zellen der schwarzen oberen Hemisphäre der Fall. Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, dass die Glie- derung der äusseren Oberfläche in viele gerundete Wo 1 - bungen nicht, wie es bei den Gehirn blasen und eingeschnürten Gallenblasen der Fall war, die Ursache der Special Polari- sation der die Morula zusammensetzenden Zellen ist. Ein entsprecliendes Verhalten zeigte auch die am Rande mit halb- runden Vervvölbuugen versehene Metallplatte beim Durchströmen. Dem wirklichen Grunde werden wir zugleich mit der Unter- suchung der Ursachen des speci eilen Verhaltens der Zell- polarisation näher treten. Dies Verhalten bot folgende Hauptzüge dar : die Polarisation der einzelnen Zellen dehnte sich auf alle Zellen der Morula und Blastula, auch auf die in der Gegend des sonstigen electrischen [221] Eiäqua- tors gelegenen, also von aussen am wenigsten bestrahlten Zellen aus. In gewissem Gegensatz dazu bildeten die näher dem Pole gelegenen, mit ihrer Aussenfläche fast rechtwinkelig gegen die Stromfäden gewendeten, also anscheinend dicht bestrahlten Zellen nur relativ kleine, oft kaum die Hälfte dieser äusseren Fläche einnehmende Polfelder aus, während der andere, polifugal gelegene Theil als Aequator der Zelle unverändert blieb. Es ist daher die Reaction der schwach bestrahlten äquatorialen Zellen lebenskräftiger Eier nicht einfach auf eine Herabsetzung der Reizschwelle gegenüber den mit diesen Zellen nicht reagirenden, der Generalpolarisation unterliegenden, geschwächten Eiern zu beziehen. Nur die in der Gegend der Mittellinie des electrischen Eiäquators liegenden Zellen bildeten zwei äusserhch sichtbare Polfelder, alle anderen Zellen Hessen an ihrer Oberfläche blos ein einziges Polfeld erkennen. Die Deutung dieser Erscheinungen ergiebt sich aus den oben mitgetheilten analytischen Experimenten an Metallen und Gallenblasen. Ursachen der Specialpolarisation der Zellen des Eies, 755 Wir haben au ck'ii im Electrolyten vertlieilten lUei- und Messing- kugeln gesehen, dass von allen durch den Electrolyten von einander getrennten metallischen Gebilden jedes für sich je zwei Polfelder und einen Aequator bildete. Dabei sind zwei sondernde Momente zugleich vorhanden: die Einschaltung eines schlechteren Leiters zwischen bessere und die Benetzung der Überfläche des Metalls mit dem Elec- trolyten. Wir müssen daher den eventuellen Antheil jedes dieser Momente an der selbstständigen Polarisation uns klar machen. Die Leitungsdilförenz des Electrolyten und der Intraelectrolyten kann nur den Ort des Ein- und Austrittes der Strorafäden beein- flussen ; aber dieser Ein- oder Austritt hat nur dann eine polarisirende Wirkung, wenn er aus dem , respective in den Electrolyten erfolgt. Wenn zwei Kugeln sich metallisch leitend berühren, geht der Strom an der Berührungsstelle aus einer Kugel in die andere, ohne dass Polfelder daselbst entstehen. Also die doppelte Polfeldbildung beruht beim Metall sicher auf der vollkommenen Um- schliessung mit dem Elec trolj^ten. Aber die Ausdehnung der einander zugewendeten Polfelder sehr naher Intraelectrolyten ist im hohen Maasse von [222] der Leitungsdifferenz zwischen ihm und dem Electrolyten abhängig. Au den einander nahen Metallkugeln wurden die einander zugewendeten Polfelder im Wechselstrom mit dem Maasse der Näherung immer kleiner. Wenn jedoch der Electrolyt fast ebenso gut leiten würde als das Metall, so würden die Stromfäden im Innern der Kugel nur schwach gegen den der anderen Kugel nächsten Punct convergiren; sie würden in höherem Maasse durch die seitlichen Theile der ein- ander zugewendeten Flächen beider Kugeln gehen; die bezüglichen Polfelder würden also sogar trotz einer continuirlichen Verbindung der Kugeln fast ebenso gross werden als die äusseren, wie dies aus dem gleichen Grunde bei den eingeschnürten Gallenblasen der Fall war. Alis der gesonderten Folarisation, aus der „SpeciaJ- X)olarisation'^ der einzelnen Zellen der gansen Morula und Blastula ist also zu schliessen, dass jede Zelle, ivenn nicht 48* 756 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. aUentlialhen so doch grösstentheils, durch electrolytische Suh- stans in unserem Sinne von den Nachharz eilen gesondert ist. „Electrolytische Substanz" in unserem Sinne ist ein Electrolyt, der zur Vermittelung der an den Zellen wahrgenommenen morphologischen Polarisation der von ihm berührten, in dieser Weise reactionsf ähigen lebenden Substanz geeignet ist ; unsere electro- lytische Substanz ist also eine andere Substanz als diejenige, welche zu der „inneren Polarisation" der Physiologen ausreicht, da unser Electrolyt primär blos an der Oberfläche der Zellen, letztere aber im ganzen Inneren der Bionten vorhanden ist. Polari sirbare Oberfläche einer Zelle ist demnach in unseren Versuchen die Berührungsfläche der lebenden Substanz der Zelle mit einem solchen Electrolyten ; mag sie nun an der äusseren Fläche der Morula oder i n der Morula zwischen den Zellen oder gar in der Zelle selber liegen, welch' letzteres aber in unserem Falle primär nicht der Fall war, sondern bei einigen Objecten erst von der Oberfläche aus durch Absterben im Polabschnitt allmählich sich ausbildete. Der gleiche Grund tvie für diese Specialpolarisation der Zellen gilt natürlich auch hesüglich der gesonderten Polari- sation der Unvirdel, des Darmrohres und der hasalen Theile des Gehirnes, von denen ja trotz ihrer Umschliessung und Ver- einigung durch ein anderes Gewebe jedes seine besonderen Polfelder bildete; die unmittelbare Umgebung dieser Theile verhielt sich also zu ihnen wie ein Electrolyt. Das ist bei den epitheli- alen Organen nicht zu verwundern, da sie alle zu dieser Zeit durch Lymph- [223] spalten von den Theilen des umgebenden inter- stitiellen Gewebes getrennt sind oder, wie das Gehirn, im Binnen- raum mit Flüssigkeit erfüllt sind. Für diese Auffassung spricht auch das Verhalten der reifen und unreifen Froscheier, welche bei vollkommener Trocken- haltung nicht erkennbar reagirten. Beim Herzen reagirten die Vorhöfe und die beiden Arterien, auch wenn sie gegen die Electroden zu gelegen waren, mit dem Ventrikel gemeinsam als eine Einheit, obgleich sie doch durch faseriges Bindegew^ebe von ihm geschieden Ursachen der Specialpolarisation der Zellen des Eies. 757 sind, von welchem man wohl verniuthen könnte, tlass es als Electrolyt fungiren würde; dieses Verhalten des Herzens bedarf daher heson de rer Un tersu c h n u g. Es bleibt ferner zunächst unbekannt, worin hei der Morula der intercelhflare Electrolyt hesteht, ob in der Kittsubstanz, der Zellrinde oder einer nach innen von ihr gelegenen Schichte. Nach der bisher gewonnenen Einsicht sind die Erscheinungen der Specialpolarisation der Zellen der Morula und Blas- tula, soweit sie die Breite und Lage der Polfelder resp. des Aequa- tors angehen, analytisch auf folgende Momente zurückzuführen. Erstens auf die Aenderung, welche die Breite des Aequators einer Kugel erfährt, wenn sie durch eine rechtwinkelig zum Strome stehende electrolytische ebene Halbirungsfläche zerlegt wird. Sind dann die durch die entstehenden beiden inneren Polfelder bedingten zwei Aequatoren zusammen breiter als der frühere einfache Aequator? Da unsere entsprechend zerlegten Eier immer neben der Theilungs- fläche abgerundete Kanten hatten, waren wir nicht in der Lage, Beobachtungen über diesen Fall anzustellen. Wir sahen vielmehr im Grunde der ersten Furche an beiden Theilstücken einen veränderten Saum, der die Grösse und Lage des Aequators beeinflussen musste. Zweitens: Wird, wenn die Scheidungsflächen nicht eben sondern gegen jede der Hälften concav sind, der Aequator durch die Aus- dehnung der mittleren Polfelder nach aussen hin, also auf Kosten der äusseren Polfelder verschoben? Diese Frage ist an den eingeschnürten Gallenblasen in zustimmendem Sinne beantwortet worden. Drittens: Treten die Wirkungen 1 und 2 auch bei unvollkom- mener Scheidung und zwar in mit der Zunahme der Scheidung stärkerem Maasse auf? Bei Metallen war solches [224] nicht bemerkbar, weil die geringste ifietallisch leitende Verbindung der Gebilde zur Fort- führung aller Stromfäden verwendet wurde in Folge des millionenmal besseren Leitungsvermögens der Metalle als der Flüssigkeiten. Bei den eingeschnürten Gallenblasen dagegen konnten wir diese Frage bejahen, denn wir sahen, dass der Strom theils durch den zunächst nicht polarisirten Verbindungsstrang, theils durch den Electrolyten unter Polarisationswirkung an der Aus- 758 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. und Eintrittsstelle ging, beide Wege unmittelbar neben einander ohne eine trennende Zone nehmend. Also können auch die Zellen der Morula theils durch Electrolyten getrennt, theils, dazwischen verstreut, durch leitende Nicht-Electrolyten, wie etwa protoplasmatische Intercellularbrücken verbunden und so die anzunehmenden inneren Polfelder durch viele nicht ver- änderte Stellen unterbrochen sein. Viertens ist von Bedeutung die oben für lebendes und metal- lisches Material festgestellte Thatsache, dass kleine Kugeln-relativ kleinere Polfelder, also einen relativ grösseren Aequator bilden als grössere Kugeln. Dazu käme noch ein weiterer Factor, den wir aber weder bei den ungleich grossen Eiern noch bei den frischen und bei den geschwächten Morulis ermitteln konnten, näm- lich die eventuelle Ungleichheit der Reactionssch welle der Zellen. Wenn wir auch nicht sicher wissen, wodurch bei den Eiern der Aequator bedingt war, ob allein durch zu geringen Stromfäden- einfall für die Höhe der Reizschwelle oder durch einen Polarisations- strom, so haben wir doch die feststehende Thatsache gefunden, dass immer zwischen der Ein- und Austrittsstelle des Stromes eine freie Zone bleibt, welche der Bedingung 4 entspricht. Dagegen zeigt ein Versuch mit einer Gruppe dicht zusammenstehender, sich aber nicht berührender Metallkugeln, dass eine Kugel, welche blos ein einziges Eintrittsfeld hat, mehrere von einander voll- kommen getrennte Austrittsfelder und umgekehrt haben kann, und dass die gleichartigen dieser Felder bei entsprechender äusserer Veranlassung continuirlich i n e i n a n d e r ü b e r g e h e n k ö n n e n . In demMaasse, als zwischen den Zellleibern Electro- lyten vorhanden sind, werden daselbst „fwwere" d. h. an der inneren „Oberfläche" der Zellen befindliche Polfelder auftreten; und sobald diese gross genug sind, werden [225] sie nach Moment 2 den mit ihnen zugleich entstehenden Zelläquator auf die Aussen- fläche treiben. Da die Zellen mit ihren Nachbarflächen sich an einander abplatten, so stossen sie mit einander parallelen Flächen zusammen. Dies ist ein weiteres, die Grösse der inneren Polfelder und damit die Lage { Ursachen der Generalpolarisation des in Zellen getheilten Eies. 759 des Aeqiiators beeinflussendes Moment. Entsprechend geschnittene und ohne, dass sie sich berühren, zusammengelegte Blei- kugeln zeigen beim Durchströmen ausser dem äusseren kleineren Polfeld, dass die inneren Polfelder die ganzen einander gleich nahen Flächen einnehmen, mögen dieselben quer oder schief zum Strom stehen. Dasselbe wird auch bei nicht metallischen Gebilden der Fall sein. Da diese inneren Oberflächen der Zellen bei mehrfach getheiltem Ei mit steigender Theilungszahl einen immer grösseren Theil der ganzen Zelloberfläche, sehr bald aber schon über die Hälfte einnehmen, so werden also die ,,inn er en Pol f eider" den grössten Theil jeder Zelloberfläche einnehmen, damit den Aequator auf die äussere Oberfläche treiben und zugleich die Grösse des äusseren Polfeldes beschränken. Ferner könnte die "Wirkung einer Aspiration der Stromfäden durch die Zellen auf die Grösse des Zelläquators hier sehr erheblich sein, da die Zellen unmittelbar neben einander liegen und die kleinen Polfelder also einander sehr nahe sind, so dass die Stromfäden des Electrolyten sich vollkommen auf letztere vertheilen könnten, sofern nur irgend eine erhebliche Leitungsdifferenz zwischen den Zellen und dem Electrolyten besteht. Der Umstand endlich, dass die in der Gegend des electri- schen Aequators des ganzen Eies liegenden Zellen „zwei" äussere Polfelder darbieten, erklärt sich einfach daraus, dass sie allein, als seitlich vorspringend, von beiden Eectroden aus durch den äusseren Electrolyten hindurch direct von Stromfäden getroffen werden, während alle anderen Zellen die Stromfäden der einen Elec- trode nur erst nach dem Durchgehen derselben durch die Morula erhalten und daher durch deren Eintritt innere, von aussen nicht sichtbare Pollelder bilden werden. 7. Ursachen der Generalpolarisation des in Zellen getheilten Eies. Nachdem im Vorstehenden neben den Ursachen der speciellen Localisation zugleich dargelegt worden ist, auf was für einem Ver- hältniss meiner Meinung nach die Special- [226] polarisation 760 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. der Zellen der Morula beruhen muss, ist zu erörtern, wodurch es bedmgt ist, dass au denselben Gebilden unter Umständen, sei es nach vorausgegangener Specialpolarisation oder sogleich beim Durch- strömen eine G e n e r a 1 p o 1 a r i s a t i o n auftreten kann , wobei uns freilich die noch mangelnde Einsicht in das Innere des Eies wieder fühlbar werden wird. An denjenigen frischen Morulae, welche nach anfänglicher Zell- polarisation in Folge längere Zeit fortgesetzter Durchströmung zur Generalpolarisation übergehen, scheint dieser Wechsel leicht ver- ständlich. Denn da bei der Zellpolarisation Zellinhalt nach aussen durch die Zellrinde hindurchtritt, kann man denken, derselbe Vorgang finde auch im Innern statt ; die Zellrinde, respective die mini- male Kittsubstanz wären die Electrolyten gewesen, und sie würden durch den hindurchtreteuden Zellinhalt ihrer Eigenschaft, als Electrolyten zu wirken, mehr und mehr enthoben, da die sich Id e r ü h r e n d e n Zellen jetzt durch Z e 1 1 i n h a 1 1 in d i r e c t e , nicht „morphologisch" polarisirbare Verbindung gelangen und daher fast wie ein Ganzes reagiren ; ähnlich wie zwei Metallkugeln, die sich leitend berühren , nur dass bei den organischen Gebilden die Verbindungsbrücken in dem Maasse ausgedehnter sein müssen, als ihre Substanz nicht erheblich besser leitet als der sie noch theil- weise trennende Electrolyt. Im Falle das geschwächte Protoplasma vielmal besser leitete als die nicht protoplasmatischen Trennungstheile der Zellen, könnten diese fast vollkommen umgangen werden. Indess sind diese hypothetischen inneren Substanzdurchtritte noch nicht gesehen worden; ausserdem wäre auch die auf sie sich gründende Erklärung nicht auf diejenige Generalpolarisation anwendbar, welche nach der Erwärmung der Morula auf 40° C. und nach der Vergiftung mit Gar hol säure sogleich beim Durchströmen eintritt. Je stärker die Erwärmung oder Ver- giftung war, um so rascher ging die beim Beginne der Durchströmung auftretende Zellpolarisation unter Wachsthum der Polfelder und Xer- schwinden der Zelläquatoren im Bereiche der Polseiten des Eies in die Generalpolarisation über; bei den höchsten Graden derartiger Beeinflussung geschah dieser Uebergang sogar so schnell, dass man Ursachen der Geiieralpolarisation des in Zellen gelheilten Eies. 761 kaum die initiale Zellpolarisation walirnehnien konnte. Dabei stand die Intensität der sichtbaren Veränderungen in umge- [227] kehrtem Verhältniss zur Geschwindigkeit ihres Auftretens und zu ihrer Ausbreitung; zuletzt trat blos noch eine schwache Verfärbung auf, kein erkennbarer Durchtritt von Substanz durch die Rinde. Und diese grössere Geschwindigkeit der Ausbildung der Generalpolarisation bei minimaler Intensität der V e r ä n d e r u n g steht wieder in einem Gegensatz zu dem h o c h - gradigen Substanzdurchtritt bei Durchströmung lebens- kräftiger Eier, an welchen trotz dieser diffusen Extracellulate erst nach mehreren Minuten und erst, nachdem die Niveau- linien der äusseren Theile aufgeplatzt waren und nachdem dies schon einige Zeit bestanden hatte, der Uebergang zur General- polarisation stattfand. Daraus ergiebt sich schon, dass die, erstere Annahme zur Erklärung der vorliegenden Erscheinungen nicht zutreffend ist. Man kann nun an andere Momente denken: z. B. an eine Ab- nahme der Widerstandsfähigkeit der Zellen durch die schädigende Wirkung der Vergiftung, der Erwärmung oder der länger dauernden Durchströmung, und zwar in Anknüpfung an die vorher relativ kleineu Polfelder der Zellen und an den grossen, fast die Hälfte der freien Oberfläche vieler Zellen einnehmenden Aequator. Besonders weist auf einen initialen Widerstand der lebenskräftigen Morula hin, dass der Aequator vieler Zellen hier fast rechtwinkelig gegen die Stromfädeu gerichtet ist, also dicht von ihnen getroffen werden muss, sofern nicht die lebenskräftigen Zellen vielmal besser leiten als die geschwächten und daher die Stromfäden vollkommen mit den der Electrode nächsten Stellen aufnehmen. Wenn dief Aenderung des Verhaltens der Morulazellen nach Erwärmung oder Vergiftung aber auf einer Schwächung ihres Wider- standes gegen den Strom beruhte, dann müsste die Veränderung auch an den im Bereiche des Generaläquators liegenden Zellen weiter schreiten. Da an diesen Aequatorzellen die Veränderung jedoch nicht weiter schritt, ist diese Annahme also gleichfalls unzutreffend. Dasselbe gilt auch für eine eventuelle Schwächung der Widerstands- 762 Nr. 25. Morphologische electrische Polarisation embryonaler Gebilde etc. fäbigkeit durch fortgesetzte Durchströmung. Hierdurch würden zwar die Aequatorzellen weniger alterirt werden, da sie viel weniger dicht von äusseren Stromfäden getroffen werden. Diese durch die Dichtig- keit der äusseren [228] Bestrahkmg bedingte Schwächung müsste aber von der Aequatorregion gegen die Pole hin nur ganz allmählich zunehmen; demnach müsste auch die Erscheinung der Vergrösserung der Polfelder vom Aequator her continuirlich zunehmen. Statt dessen entsteht jederseits am Ei ein einheitliches, durch eine braune Niveau- linie vollkommen scharf begrenztes Polfeld und ein einheitlicher all- gemeiner Aequator, innerhalb dessen die früher vorhandenen kleinen Polfelder nicht nur nicht wachsen, sondern rückgebildet, eliminirt werden. Die Morula reagirt jetzt ganz wie ein ungetheiltes Ei, also wie ein einheitliches Gebilde. Da unsere Erörterung über die möglichen speciellen Ursachen des Ueberganges der Specialpolarisation der einzelnen Zellen des get heilten Eies zur Generalpolarisation des ganzen Eies in Folge der uns noch mangelnden Einsicht in die inneren Vorgänge zur Zeit nicht weiter geführt werden kann, müssen wir bei der experimentell abgeleiteten Folgerung stehen bleiben und sagen : Die am normal beschaffenen, in Zellen getheilteti Ei als vorhanden erschlossene, vollkommene oder unvollkommene Treww« Ferner stellt Driesch sein Resultat in einen fundamentalen Gegen- satz zu His' Princip der organbildenden Keimbezirke; und er glaubt, die Unrichtigkeit dieses Principes wenigstens für die Echino- dermen folgern zu müssen, da z. B. das Randmaterial einer linken Semimorula normaler Weise Substanz der Mediangegend liefern würde, während es nach dem Zusammenschluss des Randes zur Bildung einer 794 Nr. 26. Entwickelungsmeclianisches Vermögen jeder kleinen ganzen Blastula (Microholoblastula) auf die reclite Flanke des späteren Pluteus kommt. Im Anschluss daran betont Driesch : „Man kommt über die ganz fundamentale Verschiedenheit der Rolle, welche dasselbe Keim- material, je nachdem eine Ganz- oder zwei „Theilbildungen" aus dem Ei entstehen — und eben dies kann man künstlich bewirken — zu spielen berufen ist, nicht heraus." Dieser Auffassung möchte ich unter diesen Umständen zunächst die Frage entgegenstellen, ob wirklich ganz dasselbe Keimmaterial hierbei thätig ist, ob nicht vielmehr Idioplasma in Thätigkeit tritt, welches an der normalen Entwickelung sich nicht betheiligt [s. S. 450]. Eine weitere Folgerung des Versuches von Driesch ist, dass, weipi beide ersten Furchungszellen durch das Schütteln getrennt werden, ohne dass eine davon verletzt wird, jede derselben sich zu einer Ganz- bildung entwickeln wird , dass also d u r c h die Trennung Zwil- lingsbildung aus einem Ei veranlasst werden kann, was [44] ihm auch auszuführen gelungen ist. Wenn dasselbe geschehe, auch bei nicht vollkommener Trennung der beiden Eihälften, dann könnten auf diese Weise auch Doppelbildungen entstehen ; und das scheint Driesch wenigstens in einem Falle erreicht zu haben. Bei diesen Versuchen kam zugleich ein ganz besonderes Verhalten zur Beobachtung. Von vielen nach der ersten Theilung geschüttelten Eiern wurden in manchen Fällen die beiden Hälften nicht völlig getrennt, sondern unter starker Dehnung der Eihaut der sonst im Zweizellenstadium ziemlich enge Contact der Furchungszellen nur gelockert. Von diesen Eiern bildeten sechs je eine eingeschnürte Morula, welche sich zu ein- geschnürten Blastulae weiterhin entwickelten. An denBlastulaeerst bildeten sich die Einschnürungen weiter aus bis zum Zerfall in zwei gleiche Microh oloblastulae. Auch Theilung einer Blastula in eine Dreiviertel- und eine Einviertelblastula wairde beobachtet. Driesch spricht sich über dieses auffällige Verhalten nicht weiter aus. Ich deute dasselbe in folgender Weise: Die einge- I i der beiden ersten Furchungszellen. 795 sclinürte Morula bestund aus zwei Halbbildungen oder sonstigen zwei Theilbildungen eines Ganzen. Da beide Theile zu weit von einander entfernt waren und sich nicht in der normalen Weise und Ausdehnung berührten, erwachte in jedem Theil das Postgenerationsvermögen; jeder Theil änderte sich innerlich zu einer Ganzbildung, zu einem ^licroholoplasten um, und auf der Vollendung dieser Stufe lösten sich beide von einander [s. Nr. 27, S. 204 und Nr. 28, S. 657; Nr. 30 S. 150, Anm.]. In einem Falle jedoch theilte sich eine zuerst nicht eingeschnürte Blastula nicht ganz durch ; und indem jeder von beiden verbundenen Theilen sich weiter entwickelte, entstand eine Doppelgastrula, eine doppelte Prismengastrula, darauf schliesslich ein doppelter PI uteus: also eine echte Doppelbildung mit bleibender Verbindung beider Individuen. Vergleichen wir die Ergebnisse an Echinodermen mit den am Frosche und an A sei dien gewonnenen, so stimmen sie im Principiellen mit ihnen überein. Aus jeder der beiden Blastomeren entsteht wieder zunächst eine typische Halbbildung, eine wohlgestaltete halbkugelige hohle S e m i - morula. Bei den Echinodermen aber tritt auf dieser frühen Stufe schon Zusammenschluss zu einem Ganzen auf, und darauf erfolgt Weiterbildung als Ganzes zu einer typischen kleinen Ganzlarve. Die Unterschiede der Ergebnisse an Fröschen, Ascidien und Seeigeln sind also blos zeitliche und quantitative, a b e r k e i n e p r i n ci p i e 1 1 e n. Die P o st g e n e r a t i o n findet bei Echino- dermen sehr frühzeitig statt (auch beim Frosch kann sie, jedoch nur bei Verwendung des Dotters der [45] operirten Seite [sofern derselbe nur wenig verändert worden ist und daher die Wieder- belebung sehr rasch erfolgt (s. S. 790 und 476)] schon auf der Morulastufe beginnen und wird eine vollkommene, wie gleich- falls beim Frosche M. [1) Auch F. Keibel (Studien zur Entwickelungsgeschichte des Schweines, in Schwalbe's morph. Arh. III, 1893, S. 120) spricht sich dafür aus, dass bei der Er- gänzung der Halbbildungen der Seeigel Re- resp. Postgeneration vorliege.] 796 Nr. 26. Entwickelungsmechanisches Vermögen jeder Ich habe niln meiner früheren Arbeit nachzutragen, dass es mir gehmgen ist, auch beim Frosch aus einem halhen Ei ohne Betheilignng der anderen, operirten Fvrclinngsze'lh' einen ganzen Embryo, also einen richtigen Hemiooholoplasten, H all) e i-G an z emh r y 0 , heranzuziehen. Noch in dem für mich gegründeten en twickelungs mechani- sch en Institut der Universität zu Breslau versuchte ich, die eine der beiden ersten Furchungszehen des Froscheies ganz zu entleeren, indem ich mit einer feinst ausgezogenen Glascanüle eine Furchungs- kugel und die Gallerte durch und durch stach, darauf die Spitze der Canüle bis in die Zelle zurückzog und den Zelhnhalt mit halbprocentiger Kochsalzlösung ausspülte. Es zeigte sich jedoch, dass, wie ich schon aus den früheren Anstechversuchen erschlossen hatte, beiniFroschei die beiden ersten Furchungszellen nicht genügend vonein- ander gesondert sind, um ,,eine" allein entleeren zu können. Meine Hoffnung nach vollkommener Entleerung der einen Zelle die andere sich runden zu sehen, wurde zwar zunächst [zum Theil] erfüllt, doch füllte sich bald die anhängende Rinde der anderen Zelle zum Theil und keines der so operirten Eier entwickelte sich. So musste ich es aufgeben, die früher geäusserte Vermuthung [s. S. 451] zu prüfen, ob aus dem einen der beiden Blastomeren, sofern es sich zur Kugel runden könne, sogleich eine Ganzbildung hervorgehe; was nach dem Ergebnisse Chabry's am Ascidienei, dass die eine der beiden Zellen sich fast zur Kugel rundete, aber gleichwohl eine Semimorula bildete, auch nicht mehr wahrschein- Hch war. [Genaueres siehe im Arch. f. Entwickelungsmechanik Bd. I, S. 597 u. f.] Dagegen hatte ich schon zur Zeit meiner ersten Arbeit einige Male Andeutungen erhalten, dass zu späterer Zeit, von der weit entwickelten „Halbbildung" aus, frühestens von der Semigastrula Schritte eingeleitet wurden, welche bei weiterer Fortsetzung zu einer Tjniivandhing der Halhhildting in eine GanzhiJdnng ohne Betheilignng der operirten Eihälfte führen konnten. Es ent- stand nämlich einige Male eine vom Ectoblast ausgehende Ueber- häutung der Unterbrechungsfläche der Halbbildung. Ich habe diese ilcr 1)oi(leii ersten Furchuiigszelloii. 797 Beobachtung damals niclit iiiitgetheilt, weil ich diese Arbeit überhaui)t nur als eine „Abschlagszahlung" an das behandelte Thema aui'fasste und bezeichnete und daher beabsichtigte, l)ald eine ergänzende Abhand- lung ihr folgen zu lassen, ein Vorsatz, welcher aber durch meine Uebersiedelung in den Hintergrund gedrängt wurde. Jedoch habe ich noch in Breslau melir er e H alhei-G anz emhry onen gezogen und das Experiment in diesem Frühjahr mit Erfolg wiederholt. [•46] Seltener schon an Semigastrulae, häufiger erst an Hemi- embryones laterales, welche mehrfach mit der Pincette etwas gedrückt worden waren, um die Berührung der Halbbil- dung mit der todten Eihälfte zu lösen, wölbten sich später die Randtheile der Halbbildung gegen einander unter „Wachsthum" des äusseren, später auch des mittleren Keimblattes. Im Fort- schreiten dieses Vorganges wurde schliesslich derDefect, zuletzt gewöhn- lich etwas caudal von der urprünglichen Mitte desselben, geschlossen. Schon ehe dies geschehen war, ging von dem Kopftheil der Semimedulla eine Postgeneration der fehlenden Gegen- hälfte unter Bildung einer zunächst dünneu Abschlussplatte vorsieh, welche sich dann in cephalo-caudaler Richtung aus- dehnte, während gleichzeitig die früher postgenerirten Tlieile sich verdickten und die Beschaffenheit der an d eren Hälfte annahmen; auch die Gehörblase der postgenerirten Seite ist an meinem ältesten Embryo schon in normaler Grösse ausgebildet, des- gleichen der postgenerirte Haftnapf, wie Sie an der hier gegebenen Abbildung und an dem herumgereichten Quersclmittspräparate sehen werden. Ich habe in Breslau vier und in diesem Frühjahre bei einem einzigen Versuche acht solche Halbei-Ganzbildungen erhalten und auf verschiedenen Stufen der Entwickelung getödtet ^). Genaueres werde ich in^iner besonderen Publication nach weiterer Vermehrung des Materiales mittheilen (s. Nr. 31, S. 255 Anm.) Einen entsprechenden Befund, Hernie mbryo lateralis mit Postgeneration habe ich (S. 540) auch an dem Extraovat 1) Zwei solcher Halbeiganzbildungen des Frosches wurden unter dem Demonstrationsmicroscop herumgegeben; die eine war noch in Contact mit der nicht entwickelten Eihälfte. Nr. 26. Entvvickeluiig.sniechanisches Verniögeii jeder eines nach der ersten Furchung mit der kalten Nadel ange- stochenen Froscheies gemacht: Die angestochene Zelle selber hatte sich nicht entwickelt; dagegen hatte das Extraovat, in welches jedenfalls der Zellkern übergetreten war, einen bei der Conservirung bereits in Postgeneration befindlichen Hemieembryo late- ralis gebildet, denn es war die der Medianebene entsprechende Seite des Hemiembryo schon grösstentheils durch die Ecto- und Meso- blastschicht bedeckt. Von Interesse wäre es nun, die Ursache zu ermitteln, warum die rein hemiooplastische Postgeneration beim Frosch so viel spcäter als bei den Echinodermen einsetzt. Dies kann ein Mal bedingt sein durch das Anhaften der operirten Eihälfte an der zur Halbbildung entwickelten anderen ; unter diesen Umständen hat auch Chabry ältere unzweifelhafte Halbbildungen gewonnen, so die in Fig. 75 und 76 abgebildete rechte Halbbildung mit bereits entwickelter Chorda dorsalis. Zweitens liegt es nahe, an die wesent- liche V^erschiedenheit beider Eier im Dotterreichthum anzuknüpfen; die Echinodermen- und die Ascidieneier unterliegen bei ihrem geringen Dottergehalt der totalen, fast gieichmässigen Furchung; die Zellen sind alle [47] mehr gleich gross, also wohl auch annähernd gleich mobil und können sich somit leichter gegeneinander wölben, als bei dem zwar auch total aber stark inäqual gefurchten nahruugsdotter- reichen Froschei, in welchem eine grosse träge Masse von, meiner Meinung nach noch indifferenten Dotterzellen, grösseren vitalen, zumal atypischen Umgestaltungen einen erheblichen Widerstand ent- gegensetzt. Man könnte denken, wenn auch auf früher Stufe der Entwicke- lung schon die Folgen des Defectes „zuerst'^ in den an der „Unterbrechungsfläche" selber gelegenen Zellen alteri- rend eintreten, und die schlummernden Postgenerations- fähigkeiten der bezüglichen Kernbestandtheile (oder auch des Centrosomay) zur Thätigkeit erwecken, so sind doch die von dem trägen Dotterzellmateriale gesetzten Widerstände für die erfolgreiche Bethätigung dieser Mechanismen noch zu gross; schon deshalb, weil für die erfolgreiche hemiooplastische Postgenera- der beiden ersten FurcliiuiKSzellen. 799 tionstliätigkeit eine Einbiegung der Defectränder gegeneinander hin nütliig 7A1 sein scheint. So lange diese nicht stattgefunden hat, Avurde an den Hemiembryonen des Frosches kein Plus von Organ- anlagen gebildet. Man könnte annehmen, es hätte doch die Bildung- fehlender Theile auch frei nach aussen durch Sprossung erfolgen können. Dass aber andererseits Verschluss der Unterbrechungsfläche nicht nöthig ist, bevor weitere Organanlagen erfolgen, zeigen die Fälle mit starker Ergänzung der Medullarplatte bei noch nicht ganz geschlosse- nem Defect. Die Gegeneinanderkrümmung der Unterbrechungsränder beweist, dass die Theile sich nicht mehr wie bisher auseinanderzu- halten vermögen, sondern dass sie zusammenstreben. Dies zeigt besonders deutlich die halbkugelschalenförmige Semimorula der Seeigel, an welcher plötzlich die Selbsterhaltungsfähig- keit dieser Form aufhört und eine neue Gestaltung beginnt, die rasch zum Abschluss gelangt. Dass früh schon das Fehlen dej normalen Nachbar- schaft in den zunächst betheiligten Zellen sich bemerkbar macht, ersehen wir aus der Postgeneration unter Verwendung des Dottermateriales der operirtenEihälfte: Es kann schon zur Zeit der jüngsten Semimorula Kernmaterial in die operirte Hälfte übertreten und dieselbe in grosse Stücke zerlegen, sofern die operirte Hälfte nicht erheblich verändert ist (s. S. 795). Je stärker dieses Dottermaterial verändert war, um so später erst fand Kernübertritt statt, und um so kleiner waren die danach immer zuerst neben der entwickelten Hälfte abgegliedertenZ eilen. Es ist also zweifellos, dass die älteren Kerne und Zellen in höherem Maasse die Fähigkeit haben, differentes Material und Widerstände zu überwinden. Die Postgeneration unter Verwendung des Dottermateriales ist [48] offenbar ein viel leichterer Vorgang; da er auf den frühesten Stufen einsetzen kann, vielleicht deshalb, weil er in der Dotterfurchung ein physiologisches Vorbild hat. Die Postgeneration der Halbbildungen unter Verwen- dung von Material der operirten Eihälfte ist aber, wie ich schon gesagt habe, nicht principiell von der rein hemioopla- gOO i^r. 26. Entwickelungsmeclianisches Vennögeii jeder s tisch eil Postgeiieration verschieden. Dies geht auch daraus hervor, dass vollkommene Postgeneration unter blos theil- weiser Verwendung von Dotter der anderen Hälfte vor- kommt. Ich besitze alle U eh er (j an gs stufen von der Postgene- ration unter „voll k ommener'^ Verivendung des Dotters der anderen Hälfte, durch die Stufe „h.alher'-'- Verivendung des- selben his zu keiner Verivendung dieses Materiales. Die auf diese verschiedenen Weisen gebildeten Embryonen unterscheiden sich wesenthch nur der Grösse nach ; abgesehen von einer Abplattung nach der Seite der operirten Eizelle, welche Abplattung um so stärker ist, je mehr Dotter nicht verwendet ist, da beide Theile gemeinsam in dem durch die Gallertliülle begrenzten runden Raum eingeschlossen sind. Das Bemerkbarwerden des D e f e c t z u s t an d e s innerhalb des Hemi- embryos denke ich mir weniger bedingt durch das Fehlen des Gegen- druckes au der Unterbrechungsfiäche , denn dieser ist ja bei dicht anhegender todter Eihälfte wie auch bei der Regeneration verlorener Theile nach der Ueberhäutung des Defectes wieder vorhanden ; sondern es fehlt entweder den Zellen eine auf die Dauer für die Stabilität der Verhältnisse nöthige normale qualitative Wechselwir- kung auf einer Seite bei offenem Defect noch ganz oder, nach Ab- schluss des Defectes aber bei noch nicht vollkommen normaler Nachbarschaft, theilweise; oder wenn derartige Wechselwirkungen zur normalen Erhaltung nicht nöthig sein sollten, so finden viel- leicht von der abnormen Nachbarschaft aus abnorme Einwirkungen statt, welche die post- resp. regenerativen Vorgänge in den normalen Zellen auslösen und so lange unterhalten, bis jede Zelle wieder vollkommen die normale Nachbarschaft hat. Die Bethätigung der auf solche Weise „ausgelösten" Postgene- rationsthätigkeit kann mechanisch durch eine den „Differenzirungs- f lachen", also den „Seitenflächen" der Epithelien anhegende jNIasse gehemmt werden. Ist die anliegende Masse geeignet zum Kernübertritt bei der Theilung der Zehen, so erfolgt der Uebertritt, auch weim die Masse niclit (oder noch niclit) zur Cellulation sich eignet. der beiden ersten Furcliungszellen. 801 Bei der ^^hemioopl astischen Postg euer af ton" werden ebenso wie bei der „Regeneration" in erheblicher Aus- dehnung vom Defectrand ausgehend, bisher am Aufbau bestimmter Organe oder Keimblatttheile betheihgte Zellen eine andere Ver- wendung erhalten; und die so in ihrem Zellbestand geschmälerten Gebilde werden durch Aufnahme distal vomDefect liegender Zellen wenigstens [49] theil weise sich wieder completiren u. s. w. Dieselben Zellen dienen also hei der Postgeneration und nicht durch Sprossung bewirkten Regeneration nacheinander- zum Aufhau verschiedener Organe oder Or gantheile. Es ist die Frage, ob das principiell neue, der normalen Ent- wickelung fremde Vorgänge sind. Es scheint zur Zeit nicht unbedingt nöthig, dies anzunehmen. Schon von C. Vogt, C. Kupffer, Stricker, His, GoETTE, Räuber u. a. sind Formenänderungen des Keimes auf active Zellumlagerungen zurückgeführt worden; und es liegt nahe, zu ver- muthen und verdient eingehende Prüfung, ob nicht bei dem normalen Massenwachsthum centraler Tlieile des Embryos, beson- ders meroblastischer und inäqual sich theilender holo- blas tischer Eier (vor dem Beginn der Blutcirculation) ursprüng- lich periphere Zellen des Keimes nacheinander zum Auf- bau immer mehr centraler Theile verwendet werden, wobei dieselben Zellen nacheinander zum Aufbau verschiedener Theile dienen, gleichwie bei der Post- und Regeneration [s. S. 511]. Daraus würde sich zugleich ergeben, dass formal oder qualitativ specifisch differenzirte Theile sich nicht hlos durch directe Nachkommen dieser differenzirten Zellen zu vergrössern brauchen, sondern dass dies auch unter Aufnahme von mehr oder weniger differenzirten Zellen anderer Abkunft geschehen kann. Bezüglich der Differenzirung des „ivan- dernden" [besonders aber des in nicht vorher g^nau nor- mirter Weise wandernden] Materielles der normalen Ent- wickeln ng wird es dann wenig wahrscheinlich, dass die- selbe ,,Selbstdiff erenzirung" sei; sondern man wird eher annehmen, dass, wie es für die Post- und Regenerationsvorgänge W. Roux, Gesammelte Abhandinngen. IL 51 802 Nr. 26. Entwickelungsmeclianisches Vermögen jeder wegen ihrer zeitlichen und örtlichen Atypie nöthig ist, hier abhängige Bifferenzirung vorliege. Wenn sich solche Vorgänge bei der normalen Entwickelung bestätigen, würden die Vorgänge der Post- und Regeneration wenig- stens nach dieser Seite hin, nicht principiell von den normalen Bildungsvorgängen abweichen ^). Es soll übrigens nicht behauptet werden, dass die Post- generationsvorgänge vollkommen ebenso exacte Resultate lieferten als die normale Entwickelung, dass postgenerirte Froschembryonen ganz ebenso lebensfähig wären als vollkommen durch directe Entwickelung hervorgebrachte Individuen. Die vor- stehenden Mittheilungeu über die Postgeneration beziehen sich blos auf die grobe Formung der Organe. Bezüglich des Feineren habe ich schon auf kleine Störungen, auf das häufig von mir beob- achtete Vorhommen in der Differenzirnng surüchge'bJie'bener Zellen, welche vielleicht später unter geeigneten Umständen [50] zu GeschwulstJceimen werden können, hingewiesen (S. 495.) Wir kommen nun zu den Mittheilungen 0. Hertwig's (4). Dieser Autor erörtert in seiner vor einem Monat erschienenen Arbeit über„Urmund und Spina bifida" (s. oben S. 526 Anm.) zunächst, im An- schlussan eine Beschreibung der zuerst von mir charakterisirten, und als Asyntaxia medullaris bezeichneten Froschmissbildung, die Gastru- lation der Amphibien in einem, meinen bezüglichen Mittheilungen sich anschliessenden Sinne und knüpft daran interessante Verallgemeine- rungen. In einem späteren Abschnitt behandelt er theoretisirend aus- führlich die Entstehung der Doppelbildungen. Während es mir sehr erfreulich ist, bezüglich der ersten Frage mich mit 0. Hertwig in Uebereinstimmung zu sehen, muss ich in Bezug auf dieses letztere Thema grossentheils abweichende Anschau- ungen vertreten und bin zugleich genöthigt, mehrfach mir irrthümlicher- weise unterstellte Ansichten zurückzuweisen. Ich gehe hier nur soweit ') Vergl. auch D. Barfurth's interessante Abhandlung ,Zur Reorganisation der Ge\vebe^ Arch. f. microsc. Anat. Bd. 37, S. 406—491, 1891. der beiden erfeten Furchungszellen. 803 auf die Besprechung dieser Erörterungen Hep.twig's ein, als sie in den engeren Kreis unseres Themas gehören. 0. Hertwict sieht in dem Ergebnisse Driesch's, dass aus einem halben Seeigelei stets schliesslich ein ganzer Pluteus hervorging, eine Bestätigung seiner „Vererbungstheorie", nach welcher „jedes T heil- stück der Eizelle durch den Kerntheilungsprocess nach Quantität und Qualität gleichviel Erbmasse in ihrem Kern erhält" (loc. cit. S. 476). Er verallgemeinert sogleich das Ergebniss Driesch's vom Echinodermenei bis zum Froschei und meint: ,,wenn es möglich wäre, bei einem in zwei Halbkugeln getheilten Froschei die eine derselben ohne jede Beschädigung der anderen vollständig zu entfernen, so müsste sich aus der Theilhälfte eine vollständige normale, nur etwas kleinere Froschlarve züchten lassen. Die Theil- hälfte würde sich, nachdem sie sich weiter gefurcht hätte, zu einer normalen Keimblase, einer normalen Gastrula etc., „in der- selben Weise" wie das ganze Ei umbilden und Avürde nur an Grösse reduzirt sein". In diesem Satze drückt wohl das Wort ,, müsste" ein zu grosses Vertrauen in die derzeitige Sicherheit bezüglicher Ableitungen aus. Das Specielle angehend, so haben wir (S. 796) gesehen, dass die Bil- dung eines ganzen Embryos aus einem halben Froschei nicht ,,in der- selben Weise" vor sich ging, wie bei der Bildung aus einem ganzen Ei; denn es wurde keine normale Blastula und Gastrula, sondern eine Semiblastula und Semigastrula und ein Hemiembryo gebildet. [51] Hertwig's Annahme trifft auch nicht einmal für das Echinidenei zu, da auch bei diesem zunächst eine typische Halbbildung, eine Semi- morula entstand. 0. Hertwig fährt fort: „Wenn es ferner möglich wäre, zwischen die beiden Furchungszellen eines Froscheies in ihrer Berührungs- ebene einen Isolator dazwischen zu schieben, der jede Beziehung zwischen ihnen aufhebt, so müsste sich aus jeder Hälfte einzig und allein in Folge ihrer Isolirung ein ganzer normaler Embryo bilden. Aus dem Ei würden Zwillinge hervorgehen". Auch diesem Satze vermögen wir aus den gleichen Gründon nicht einfach zuzustimmen; denn zunächst entstünden unter diesen 51* 801 Nr. 26. Entwickelungsmechanisches Vermögen jeder Umständen, wie wir aus unseren Befunden wohl ableiten dürfen, zwei Hemiembryonen ; und wenn die Ränder der Keimblätter an dieser Isolirungsplatte hafteten, dann würde, so viel wir bis jetzt sehen, eine Postgeneration dieser Hälften 7A1 Ganzbildungen viel- leicht gar nicht eintreten. Da O. Hert\vig über die von mir beschriebene Postgeueration nach Uebertritt von Kernen aus der unversehrten Eihälfte nicht infor- mirt ist, glaubt er, den angeblichen Gegensatz zwischen meinen Ergeb- nissen einerseits und denen Driesch's und seiner Auffassung anderer- seits beseitigen zu müssen und greift zu einem zwar einfachen, aber doch nicht ganz gewaltlosen Mittel. Zunächst übergeht er die Thatsache mit Stillschweigen, dass Driesch (und auch Fiedler) aus dem halben Echinidenei zunächst eine typische Halbbildung, eine Semimorula resp. auch Semiblastula erhalten haben. Ich glaube nicht, dass diese Halbbildungen etwa nichts zu bedeuten haben; denn es deutet doch auf ganz typische Zeilord- nungsmechanismen hin, wenn aus einer Zelle, die halbkugelig ist, ja sogar durch Abrundung auf der Seite der fehlenden Gegenzelle sich der Form einer ganzen Kugel nähert, unter vielfacher Theilung dieser Zelle nicht ein Zellhaufen von der Gestalt der frühe- ren einzigen Zelle, sondern eine hohle halbe Kugelschale gebildet wird, welche nach Fiedler aus den typischen Zellhalb- kreisen mit typisch verschieden grossen Zellen bestellt. Beiden Thieren, w^o die Semimorula sich zu einer Semigastrula und einem Hemiembryo entwickelte, bekundete sich dann auch das typisch verschiedene entwickelungsmechanisch e Vermögen der verschiedenen Stellen dieser Halbbildung (s. Nr. 28, S. 616). Bezüglich meiner Halbbildungen aber nimmt Hertwig, wie schon oben erwähnt, an, ich hätte „gar keine Halbblastula, Halb- gastrula oder einen Halbembryo erhalten, sondern eine ganze Blastula, eine ganze Gastrula, einen ganzen Embryo, die allerdings [52] in Folge der ihnen zugefügten Schädigung aus einem normal und einem anormal entwickelten Theile bestanden". Sie, meine Herren , haben sich an den demonstrirten Objecten, wie ich glaube überzeugt, dass die operirte Hälfte nicht anormal der beiden ersten Furchungszelleu. 805 entwickelt ist, dass sie keine durcheinander gekommenen oder miss- geformten Organanlagen, auch keine, sei es auch ungeordneten Keim- blätteranlagen enthält, dass sie überhaupt nicht in Zellen zer- legt, ja nicht einmal mit normalen Kernen versehen ist, dass sie also einfach unentwickelt, ja vielfach blasig zersetzt ist. Hertwig sieht nach seiner Auffassung ,, durch meine Anstech- versuche nur das eine bewiesen, dass bei einem ungestörten Verlauf der Entwickelung das Zellmaterial der einen Körperseite hauptsäch- lich von einer der beiden ersten Furchungszelleu abstammt", eine Thatsache, die wir oben schon in präciserer Weise daraus abgeleitet haben, dass normaler Weise die Trennungsebene der beiden ersten Furchungszelleu zur Medianebene des Embrj^o wird, und dass die An- lage der Organe sj^mmetrisch zu derselben erfolgt. Des Weiteren findet Hertwig „durch die Roux'schen Versuche nicht den Cardinalpunct be- wiesen, dass sich aus der hnken B'urchungszelle nichts anderes als die linke Körperhälfte unter allen Umständen entwickeln müsse, weil sie nur für diese die diiferenzirenden und gestaltenden Kräfte enthielte", eine Auffassung, die von mir auch nicht geäussert worden ist [siehe im Gegentheil S. 450, 508 u. 796]. „Nach Roux würden, wenn wir uns die beiden ersten Furchungs- zelleu des Froscheies in der Theilungsebene durch einen Isolator getrennt denken, aus der linken und rechten Furchungszelle, da jede nur die differenzirenden und gestaltenden Kräfte für die linke und rechte Körperhäifte des Embryo enthält und diff erenzirende Wechselwirkungen überhaupt in Abrede gestellt werden, zuerst eine linke und rechte Blastulahälfte, Gastrulahälfte und schliess- lich zw^ei vollständige Körperhälften entstehen". In diesem letzten Citat sind die von mir durch gesperrten Druck der Wörter hervorgehobenen Gedanken irrthümlich mir unter- geschoben. Insbesondere bin ich verwundert zu lesen, dass von mir „diff erenzirende Wechselwirkungen überhaupt in Abrede gestellt wer- den", nachdem ich eine Schrift über diff erenzirende Wechselwirkungen im Organismus (s. Bd. I Nr. 4) und mehrere Abhandlungen über func- tionelle Anpassungen (Nr. 7—9), die ja auf differenzirenden Correlationen beruhen, verfasst habe, nachdem ich fernerhin in meinem ersten Beitrag 806 Nr. 26. Entwickelungsmechanisches Vermögen jeder zur Entwickelungsmeclianik (s. Nr. 1ischen und atypischen s. reg enerativen Entwickelung: Stellung der Knospung 843 Beurtheilung der Auffassungen 0. Hertwig's über Mosaikarbeit und Core- relationen ' 847 Isotropie des Eies , 848 DifFerenzirende Correlationen. 819 Seile „Ac tu eile Eiaxe" 849 Wahre Bedeutung des „Principes der organbildenden Keim- bezirke 850 UnvoUkommenheitderlsotropiedesEies 851 Beziehungen zwischen den ersten Furchungen und den Hauptrichtungen des Embryo 852 Anachronismen der ersten Furchungen 855 Halbbildungen 856 Beweise gegen die Entwickelung des Organismus durch die Wechsel- wirkung „aller" Theile des Ganzen untereinander 856 Beweise der Selbstdiffere nzirung: Doppelbildungen 859 Nothwendigkeit , sondernder " Kräfte bei der M icr o somen- theilung 862 Einschränkung der Epigenesis durch iudirecte Kerntheilung 863 Einsteilende Wirkung der Gestalt der Zelle auf die Kernspindel . . . 866 Richtige qualitative Sonderung des Idioplasson 867 Nothwendigkeit der Annahme activen und inactiven Idioplassons 868 Herstellung der ,C ont in ui tat typischer Ungleichheiten": actueller: durch die Entwickelung 869 inactiver: durch das Keimplasson 869 [279] Bevor noch das von mir auf der Anatomenversammlung zu Wien erstattete Referat ,,über das entwickelungsmechanische Vermögen jeder der beiden ersten Furchungszellen des Eies" im Druck vorlag, sind bereits mehrere weitere bezügliche Publicationen erschienen : ein erfreuliches Zeugniss von dem wachsenden Interesse an dem Gegenstand. Es sind experimentelle Untersuchungen von H. Driesch (1) und Edmund B. Wilson (2) sowie zwei theoretische Abhandlungen 0. Hertwig's (3 und 4). Aus diesen Publicationen geht hervor, dass eine Auffassung an Boden gewinnt, der ich nicht zustimmen kann. Ich nehme daher Veranlassung, diese neuereu Arbeiten nach- stehend zu besprechen, um die ihnen meiner Meinung nach zukommende Bedeutung darzulegen. Zugleich möchte ich einige Puncte meiner früheren bezüglichen Erörterungen, die irrthümlich interpretirt worden sind, ausführlicher darstellen und die neuerdings von einem der genannten Autoren 52* 820 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypotliesen. gemachte Unterstellung, dass von mir ein Antheil gestaltender Wechselwirkungen an der Ontogenese in Abrede gestellt worden sei, ergänzend noch weiterhin widerlegen, als es schon in dem erwähnten Referate gegen die gleiche Unterstellung O. Hertwig's geschehen ist. Zu letzterem Zwecke citire ich zunächst die Thesen meiner Habilitation als Privatdocent ; dieselben lauteten: [280] 1. „Die Leber hat und braucht keine selbstständige äussere Gestalt." 2. ,,Die acinöse Gliederung der Leber ist in ihrer Anordnung und Gestaltung durch die Blutgefässe bedingt." 3. Die Leber der Säugethiere durchläuft in ihrer embryonalen Entwickelung ein Stadium, in welchem sie in allen wesentlichen (gestaltlichen) Eigenschaften der des Ammocötes gleicht. 4. Die Venen verlaufen im Allgemeinen an den Stellen geringsten Druckes. 5. Die Gestalt und Richtung des Lumens der Blutgefässe an den Verästelungsstellen wird durch die Wirkung der hämo- dynamischen Kräfte bestimmt. Von diesen fünf Thesen haben also vier „gestaltende Wirkungen von Theilen des Organismus auf einander" zum Gegenstand. Meine Antrittsvorlesung handelte: , ,Ueber die gestaltenden C o r r e 1 a t i o n e n im thierisehen Organismus." Der Inhalt derselben wurde grösstentheils in das 4. Capitel meiner Schrift: ,,Der Kampf der Theile im Organismus" aufgenommen, welche die gestaltenden und ciualitativ differenzirenden Correlationen aus- führlicher erörtert. Auch in der Einleitung zu meinen Beiträgen zur Entwickelungs- mechanik (Nr. 18) habe ich die gestaltenden Correlationen nochmals kurz behandelt und im ersten Beitrag (s. S. 211 — 255) eine annähernde Uebersicht der zur Zeit bekannten Correlationen gegeben. Ausser- Differeuzirende Correlationen. 821 dem habe ieli mehrere Specialmitersuchiingen über solche pubHcirt (Nr. 7 — 9, siehe auch Nr. 20 und 21, sowie das Sachregister). Meine biologischen Untersuchungen gingen also von gestaltenden Correlationen , welche die Theile des Organismus auf einander aus- üben, aus; und ich habe keine Veranlassung gehabt, die in diesen Schriften vertretenen Auffassungen zu verwerfen. [281] Diese früheren Untersuchungen und Erörterungen be- handeln nur spätere Stadien der individuellen Entwickelung. Eine andere Reihe von Untersuchungen, welche sich auf frühere, ja auf die frühesten Vorgänge der individuellen Entwickelung beziehen, liess Wirkungen eines entgegengesetzten Entwickelungsprincipes, das ich als das der ,,Selbstdifferenziruug" bezeichnete, in den Vorder- grund treten. Unter ,,SeIhstd ifferenzirnng^^ in der Entwickelung eines ,, Organismus" resp. eines ,,Theiles" desselben verstehe ich, dass eine Veränderung oder eine ganze Folge von Veränderungen dieses Or- ganismus, resp. dieses Theiles desselben, sich durch gestaltende oder qualitativ differenzirende Energien vollzieht, welche in dem „veränderten Ganzen", resp. in dem „veränderten Theile" selber gelegen sind. Entsteht ein Ganzes aus mehreren oder vielen sich selbst- ständig differenzir enden T heilen, so wird es, ähnlich einer Mosaik, aus einzelnen für sich gebildeten Theilen zu- sammengesetzt; diese Art der Bildung habe ich als „Mosail- arheit" bezeichnet. Die Selbstdifferenzirung steht also der ahhängigen oder correlativen JDifferensirung gegenüber; letztere findet statt, wenn, resp. soweit bei der Gestaltung oder qualitativen Veränderung eines Gebildes^ also eines umgrenzten Theiles oder Ganzen, ausser- halb desselben gelegene differenzirende Ursachen mitwirken. Die Unterscheidung dieser beiden Entwickelungsweisen gründet sich somit allein auf den Sitz der differenzir enden, im Spe- ciellen also der die specifische Natur sowie die Oertlichkeit und Zeit der Gestaltungen oder qualitativen Veränderungen bestimmenden Ursachen, nicht aber auf den Sitz der Quelle der blos als Vor- 822 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. bedingiing zu diesen Veränderungen etwa nöthigen Spannkräfte oder lebendigen Kraft [s. S. 14 und 208]. Dieser bleibt hierbei ab- sichtlicli ausser Betracht, um die Behandlung der Probleme zu er- leichtern und die Bezeichnungen zu vereinfachen; auch ist es für das Wesen der Entwickelungsvorgänge , dessen Ermittelung unsere Hauptaufgabe ist, von untergeordneterer Bedeutung, ob die [282] zu den specifischen Veränderungen zwar nöthigen aber nicht die spe- cifische Natur und auch nicht Ort und Zeit der Ent- W' icke lungs Vorgänge bestimmenden Kräfte in dem ver- änderten Theile selber, z. B. als Nahrungsdotter aufgespeichert sind oder, wie gewöhnlich der Sauerstoff, das Licht und die Wärme, von aussen her zugeführt w'erden ; wohl aber kann auf einem weiteren Stadium unserer Kenntnisse die stete Berücksichtigung dieses Momentes von grosser, insbesondere auch von practischer Bedeutung werden. Um Irrthümern vorzubeugen ist stets gegenwärtig zu halten, dass es Selbstdif f ereji zirung im „analytischen" Sinne, also in Bezug auf das „Geschehen" selber, auf die Ver- änderung blos des gerade veränderten Theiles nicht giebt und nicht geben kann, da entsprechend dem Beharrungs- gesetz nichts von selber seinen Zustand zu verändern vermag [siehe S. 14]. Die E n t w i c k e 1 u n g besteht also ihrem Wesen nach in Wechselwirkungen, in gegenseitigen Beeinflussungen, was ich in der Einleitung zu meinen Beiträgen zur Entwickelungs- mechanik zu erwähnen nicht unterlassen habe. Nur indem auf das Eine ein Anderes einwirkt, kann eine Ver- änderung an diesem hervorgebracht werden. Betrachten wir das Andere für sich, so ist die Veränderung desselben abhängige Diffe- renzirung; betrachten wir beide Theile als ein System, so ist diese Veränderung Selbstdifferenzirung ,, dieses Systemes", wobei von der vorausgegangenen, vielleicht äusseren Ursache abgesehen wird, welche den zweiten Theil plötzlich in die Lage brachte, auf den ersten wirken zu können. Die Verwendung dieser Bezeichnungen hat also im rein dyna- mischen Sinne nur sehr untergeordneten Werth, denn sie bezeichnet Selbstdiffereiizirung von Eitheilen. 823 im Grimde blos willkürliche Arten unserer Betrachtung und beruht zudem auf der ausschliesslichen Berücksichtigung [283] der gestaltenden oder qualitativ differenzirenden Ursachen; aber gleichwohl hat es Wertli für unsere Erkenntniss zu ermitteln, ob, resp. wie weit ein bestimmt ,, abgegrenztes" Gebilde z. B. ein Organ, ein Keim- blatt, ein ganzer Organcomplex seine Gestalt resp. Beschaffenheit in ihm selber liegenden oder äusseren „gestaltenden" Ursachen verdankt. Das reife Ei ist ein Mechanismus, der blos einer einmaligen äusseren Einwirkung (der Befruchtung) bedarf, um dann, wie ich gezeigt habe (Nr. 19), aus in ihm selber hegenden Gestaltungs- ursachen eine grosse Anzahl von typischen Veränderungen in typischer Reihenfolge sich abspielen zu lassen, so dass die nach dieser Einwirkung vor sich gehenden Veränderungen in ihrer Gesammtheit als Selbstdifferenzirungen ,,des Eies^' be- zeichnet werden können. Durch was für ein Moment bei der Partheno- genese die Entwickelung veranlasst wird, wissen wir nicht ; wir dürfen uns diese Ursachen aber äusserst einfach, vielleicht als blosse ,,Aus- lösung" vorstellen, ähnlich der Anzündung eines lang dau- ernden Wechsel vollen Feuer^verkes, ohne deshalb die specielle Einrichtung des Eies mit derjenigen eines Feuerwerkes in Parallele stellen zu wollen. Obgleich also die Selbstdifferenzirung kein actives, son- dern blos ein topographisches Princip ist, wird uns der Nach- weis seines speciellcn Antheiles an der normalen Ontogenese gleich- wohl ein nicht zu unterschätzendes Maass von erster Einsicht in die Entwickelungsvorgänge gewähren; und ausserdem wird uns dasselbe als Hilfsprincip für die erste entwickelungsmechanische Forschung äusserst dienlich sein. Ich habe daher nicht ohne besonderen Grund es allgemein als die erste Aufgabe entwickelungsmechanischer For- schungen bezeichnet (Nr. 13), zunächst stets den Antheil jedes der beiden genannten, im erörterten Sinne einander entgegengesetzten Principien an der formalen oder qualitativen Veränderung jedes der entwickelungsmechanischen Untersuchung unterworfenen Gebildes oder Theiles festzustellen. [284] Darin sehe ich den Weg, der uns 824 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. eine erhebliche Strecke weit stetig und direct unserem Ziele zu- führt. Und die nachstehend zu erörternden Differenzen der Auf- fassungen beziehen sich wesentlich auf diese Frage. „Der Ausfall der Antwort über unsere Alternative (seil. Selbst- differenzirung oder abhängige Differenzirung) wird für die Auf- fassung mehrerer fundamentaler Fragen von bestimmender Be- deutung sein : „Es erhellt zunächst, dass wenn viele „Theile" des Eies sich rein aus den eigenen, in ihnen selber liegenden gestaltenden Kräften differenziren, und auf diese Weise die spätere grosse Mannigfaltigkeit entsteht, dass alsdann das Ei schon von vornherein aus entsprechend vielen verschiedenen Theilen zusammengesetzt sein muss, dass die Entwickelung also wesentlich Metamorphose von Mannigfaltigkeit, Evolution in imserem Sinne ist, trotz der formalen Epigenesis C. F. Wolff's; ferner dass bei der Furchung, welche das Material nicht blos zerkleinert, sondern wesentlich zugleich auch in gewissem Maasse fest localisirt, diese differenten Materialien zugleich in einer der späteren Entwickelung entsprechenden Weise geordnet werden müssen, was nm* durch bestimmte qualitative Sonderung bei der Zell- theilung in der nach einem typischen Schema verlaufenden Fur- chung möglich erscheint. Damit werden die causalen Bedingungen der Entwickelung vorzugsweise in das Moleculargeschehen verlegt und entziehen sich vorderhand grossentheils unserer weiteren Er- forschung. Das ganze gefurchte Ei ist alsdann vielleicht blos die Summe dieser selbstständigen Theile, und es findet während der Periode dieser selbstständigen Differenzirung der Theile kein einheitliches Zusammenwirken zu einem Ganzen statt; daher kann dann auch das Ganze normaler Weise keinen regulirenden, gestaltenden Einfiuss auf die Theile ausüben. W. His' Frincip der „organbildenden Keim- bezirke" erhält dann neben seiner descriptiven zugleich auch eine einfache causale Bedeutung und lässt sich [285] in dieser Bedeutung zurück bis auf das eben befruchtete, vielleicht zum Theil auch noch auf das unbefruchtete Ei ausdehnen. Die Doppelbildungen müssen zur Zeit der ersten Furchungen schon angelegt werden." Antheil der Selbstdift'erenzirung und abhängigen Differenzirung. 825 ,,Wenii dagegen die Entvvickelung wesentlich durch Wechsel- wirkungaller oder vieler T heile vor sich geht, so braucht umgekehrt das befruchtete Ei nur aus wenigen verschiedenen Theilen zu bestehen, welche durch wechselndes Zusammenwirken nach und nach grosse Complicationen schaffen. Die Entwickelung ist dann wesentlich Pro- duction von Mannigfaltigkeit, Epigenesis in unserem Sinne. Es findet ein wechselseitiges Zusammenwirken der Theile zu einem Ganzen statt, wobei ein reguHrender Einfluss von dem Ganzen auf die Theile rück- wärts ausgeübt werden kann; und uns ist in der Feststellung dieser Correlationen ein reiches Feld mit den Mitteln der Zeit in ansrilf- nehmbarer Forschung gegeben. His' Princip der organbildenden Keim- bezirke hat dagegen dann nur insofern eine causale Bedeutung, als es die Orte der Res ultantenbil düng mannigfacher AVechselwirkungen bezeichnet ; und es ist von nur untergeordnetem W e r t h e , diese Orte schon vor der Zeit des Eintrittes dieser Wirkungen auf das noch indifferente Keimmaterial des ungetheilten oder unbefruchteten Eies zu projiciren. Die Doppelbil- dungen können alsdann vielleicht noch zu einer Zeit angelegt werden, in welcher durch Correlation die Differenzirung der Axenorgane stattfindet." ,, Desgleichen wird unsere Auffassung von dem speciellen Wesen der Befruchtung und von der Art der Antheilnahme des Samens und des Eies an der Bildung des Embryo, sowie rück- wärts folgernd auch die Auffassung des speciellen Mechanismus der Vererbung von dem Ausfall der Antwort auf diese Frage bestimmt werden ; und wir können über diese Probleme wohl über- haupt nur von diesem Puncte aus allmählich eine gewisse Sicherheit erlangen." [286] „Schliesslich aber können Selbstdif f erenzirung und abhängige Differenzirung der Theile und damit Evo- lution und Epigenesis sich, wie im anorganischen Geschehen, in mannigfachem Zusammenwirken combiniren; und es wird dann unsere Aufgabe sein, bei der Deutung unserer Beob- achtungen doppelte Vorsicht und doppelten Scharfsinn aufzuwenden, 826 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. um die Antheile jedes beider Principien richtig von einander zu sondern." In diesen der Einleitung zu meinen Beiträgen zur Entwicke- lungsmechanik entnommenen AV^orten [s. S. 19 und 20] habe ich mich wohl nicht vorzugsweise oder gar ausschliesslich für die Selbstdifferen- zirung ausgesprochen, insbesondere nicht für das Vorhandensein vieler Qualitäten im Dotter des unbefruchteten Eies. Sondern es erhellt, dass von mir von vornherein die verschiedenen Möglichkeiten gleich massig in Erwägung gezogen worden sind; ein Verhalten, von dem ich in den Arbeiten 0. Hertwig's keine sicheren Anzeichen finde. Erst auf Grund der besonderen Erwägung bereits bekannter und der eigenen Ermittelung neuer Thatsachen habe ich mich danach über den wirklichen Antheil der Selbstdifferenzirung geäussert und mich dabei den vorliegenden Thatsachen augeschmiegt und nahe liegende aber vorzeitige Verallgemeinerungen unterlassen, da es mir darum zu tliun ist, dass zunächst ein möglichst solides Fundament für das einstige Gebäude der Entwickelungsmechanik gelegt werde. Von den in dem erwähnten Wiener Referat (Nr. 26) ausführlich erörterten Thatsachen, welche für Selbstdifferenzirung sprechen, seien hier blos die w^esentlichsten kurz mitgetheilt. Nach Defecten am gefurchten Ei erhielt ich circumscripte Defecte am Embryo (Nr. 18). Nach Tödtung einer der beiden ersten Furchungskugeln (Nr. 22) entwickelte sich die überlebende andere Furchungskugel zu einem halben linken oder rechten Embryo mit blos einem Medullarwulst, einem Ohrbläschen etc.; die operirte Eihälfte kann dabei unverändert bleiben oder sich zer- [287] setzen; entsprechende microscopische Präparate wurden dem Auatomen-Congress demonstrirt. Manchmal schon auf der Semigastrulastufe, gewöhnlich erst auf der Hemiembryostufe begann eine „Postgeneration" d. h. eine nachträgliche Bildung der noch nicht gebildet gewesenen fehlenden Hälfte des Embryo ohne Benutzung des Materiales der getödteten Eihälfte (s. S. 796 u. 800). Findet Benutzung des Materiales der ge- tödteten Eihälfte statt, so beginnt die Postgeneration oft viel früher. Ich hatte ferner beobachtet, dass die vier ersten Furchungs- zellen des Froscheies sich jede für sich zu einer Viertelgastrula, und I HalbbildungoTi. 827 je zwei dieser vier Zellen sich noch weiter '/a\ einem rechten oder linken, vorderen oder hinteren halben Embryo zu entwickeln ver- mögen. Dies Ergebniss habe ich in die Worte gefasst: „Die Ent- wickelung der Froschgastrula und des zunächst daraus her- vorgehenden Embryo ist von der zweiten Furchung an eine Mosaikarbeit, und zwar aus mindestens vier verticalen, sich selbstständig entwickelnden Stücken". Für die Zellen des Achtzellenstadiums habe ich angegeben (S. 782), dass sie die Gastrulation nicht mehr in den groben Formverhältnissen richtig zu vollziehen vermögen. Chabry (5) machte entsprechende Befunde an Ascidieneiern; doch fand die hier stets ohne Benutzung der operirten Eihälfte ver- laufende und nur- unvollkommene Postgeneration früher als beim Frosche statt. C. Fiedler (6) sah aus einer der beiden ersten Furchungskugehi des Seeigeleies eine Semimorula und die Semiblastula in Form einer halben hohlen Kugelschale hervorgehen. H. Driesch (7) fand am gleichen Material dasselbe: sah dann aber weiterhin, dass die Semi- morula oder Semiblastula ihren Defectrand zusammenschloss und einen ganzen, normal gestalteten, aber entsprechend kleineren Fluteus bildete. Chux (s. S. 808) sah aus halben Ctenophoren-Eiern je eine halbe [288] Larve hervorgehen, welche erst nach der Geschlechtsreife die fehlende Hälfte postgenerirte. Alle Experimentatoren haben also aus dem halben Ei zuerst eine typische Halbbildung erhalten; und beim Froschei liess sich von vornherein bestimmen, ob eine rechte oder linke Embryohälfte entstehen werde. Eine Verschiedenheit bekundete sich nur darin, dass bei Fröscheti und Cölenteraten erst auf einer späteren Stufe als bei Ascidien und Echinodermen die Postgeneration begann. Die Ursache dieses Unterschiedes erbhcken Chun und ich in dem grösse- ren Dotterreichthum der ersteren Eier als der letzteren (s. S. 810 Anm.) Es ist ferner an die von P. Egkhart (21) beschriebene Kalbs- missbildung eines Hemitherium anterius zu erinnern, welche äusser- lich genau die vordere, wie mit dem Messer abgeschnittene Hälfte g28 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. eines fast ausgetragenen Kalbes darstellte, während das Amnion an dem äusseren Defectrand entsprang und der Darmtractus wenig mehr als die Hälfte darbot. Diese seltene Form von Missbildung, die Hemitheria anterior^) bekundet, dass, obwohl die der hinteren Kör- perhälfte entsprechenden ersten Furchungszellen zu Grunde gegangen sind^), die vorderenFurchungszellenvon untergeordneten Störungen abgesehen, sich normal entwickeln können, ohne dass eine ero-änzende Postgeneration einzutreten braucht oder eingetreten wäre; und der vorliegende [289] Fall zeigt, dass diese Theilentwickelung auch bei einem Säugethier und zwar sogar fast bis zur Geburtsreife des Embryo möghch ist und dass, offenbar erst in viel späterer Zeit, als bei den Froschembryonen die vollkommene Postgeneration ein- setzt, hier eine unvollkommene Postgeneration eines Stückes des Darm- rohres stattgehabt hat. Es gehören vielleicht auch einige Formen 4es Acardius, welche gleichfalls hochentwickelte Theilbil- dungen von Säugethieren und Menschen darstellen, hierher; so der typische Acephalus dipus und manche Acormi, wie sie vielfach beschrieben worden sind. "Wenn bei so abgegrenzten Defecten wie diesen letzteren auch die Zurückprojicirung auf das gefurchte Ei schwieriger ist, besonders auch, weil offenbar erheblicher nachträg- licher Schwund von gebildet gewesenen Theilen stattgefunden hat, und die Entstehungsursache als später wirkend anzunehmen ist, so 1) Diesen Namen hatte ich der von mir aufbewahrten Missbildung auf der Etiquette beigelegt (s. S. 446), um diesen hohen Grad der Fortentwickelung einer Halbbildung als solcher zu unterscheiden von den von mir künstlich hervorgebrachten Hemiembryonen des Frosches, welche immer schon auf früher Entwickelungsstiife durch Postgeneration als Halbbildungen zu existiren aufhörten. Der an sich be- zeichnende Ausdruck hat jedoch den Nachtheil, dass er bei der Aussprache nicht von den Hemiterien, halb Missgebildeten Js. Geoffroy-Saint-Hilaire's zu unter- scheiden ist; doch glaubte ich, dass dies bei der vollkommen verschiedenen Bedeutung beider Ausdrücke nicht zu Missverständnissen Anlass geben werde. Herr Eckhart hat dann bei seiner Beschreibung den Namen von der Etiquette her ohne Kenntniss des Autors und seiner Gründe in Verwendung gezogen. ['-) Ueber die Ursache des Zugrundegehens der hinteren Furchungszellen wissen wir natürlich nichts und ebensowenig, ob die primäre Ursache gleich den ganzen hinteren Theil betraf, oder ob nach directer Zerstörung blos eines Theiles der hinteren Furchungszellen der andere Theil derselben secundär zu Grunde ging, weil etwa blos die „Gesammtheit" der Derivate einer der vier ersten Furchungszellen so hochgradiger Selbstdifferenzirung fähig ist (s. S. 452 und 779).j Mangel an Postgeneration bei Säugethierembryonen. 829 beweisen sie doch gleichfalls eine hohe Selbstclifferenzirungs- fähigkeit von embryonalen T heilen und zugleich wieder den relativen Mangel an Postgenerationsfähiffkeit der Säuger in diesen speciellen Fällen und damit die ^^beschränkte ge- staltende Potenz'' der erhaltenen Furchungszellen und deren Nachkommen, entgegen den Auffassungen Driesch's und 0. Hertwig's. Ich habe früher bereits (S. 205) auf eine bezügliche Aeusse- rung Panum's, dass die in Rede stehenden Missbildungen ,,dem Begriffe eines Organismus nicht entsprechen" und auf die Verallge- meinerung F. Marchanü's (20), dass schon der normale Embryo in seinen früheren Stadien dem Begriffe eines Organismus nicht ent- spricht, hingewiesen. Ferner wurde zugleich die bezügliche Bedeutung der von W. Zahn entdeckten, von S. Leopold und E. Fischer weiterhin verfolgten selbstständigen Weiterentwickelung transplan- tirter embryonaler Organe, sowie der Nebenmilzen und Neben- lebern und der Geschwülste, insbesondere der zahntragenden Dermoid- cystome erörtert und bereits folgender Schluss abgeleitet: ,,Wir ersehen aus den angeführten Beispielen, dass viele ,,T heile" des Embryo unter günstigen Ern ährungsum- ständen sich unabhängig von ihrer näheren oder ferneren Umgebung ge weblich und formal zu differen- ziren vermögen, und dass dies [290] zum Theil sogar in an- nähernd normaler Weise geschehen kann. Daraus geht hervor, dass die Differenzirung dieser Theile an sich nicht eine Function der Wechselwirkung zwischen ihnen und den anderen Theilen ist. Also eine gewisse gewebliche und formale Selbst differen- zirung vieler ,, Theile" des sich entwickelten Eies ist sicher vorhanden. Ich werde durch besondere Specialuntersuchungen im Einzelnen festzustellen suchen, welche kleinsten Theile sie betrifft, in welcher Periode der Entwickelung sie anfängt, wie weit sie geht, und ob Complexe dieser kleinsten Theile sich wiederum weiter zu differenziren vermögen als die einzelnen Theile für sich." Darauf habe ich die formale Selbstdifferenzirung und die qua- litative Selbdifferenzirung des Weiteren erörtert. Ich sehe jedoch von weiteren Selbstcitaten ab , denn es ist schhesslich einfacher und auf 830 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. die Dauer doch nicht ganz zu umgehen, dass die Herren, welche über die von mir behandelten Probleme sich äussern und zu meinen Auffassungen Stellung nehmen wollen , zum Aeussersten greifen und meine bezüglichen Arbeiten derart lesen müssen, dass sie von ihrem Inhalte Kenntniss haben. In der Entwickelung eines halben Embryo aus dem halben Ei bekundet sich , dass in diesem halben Ei nicht b 1 o s das Material, sondern auch die d i f f e r e n z i r e n d e n gestalten- den Kräfte zur Bildung der betreffenden Körperhälfte enthalten sind; dass die Entwickelung derselben also von der anderen Eihälfte unabhäugig, also Selbstdifferenzirung ist. Weiterhin bekundet sich: dass hei diesen Eiern die ,, durch die HefrucJituuff activh'ten Enerfßien"' jeder der ersten beiden Fur- chungskugeln und ihrer Derivate IjIos auf die Bil- dung eines „halhen'-'' Individutims eingestellt sind; dass dagegen die ..Energien sur Postgeneration'' des Fehlenden zwar ..potentiell"' vorhanden und durch die Befruchtung in die Möglichleit gebracht sind, zur Thätigkeit veranlasst werden zu können, [291] dass aber zu dieser Activirung derselben erst noch ein besonderes Moment, eine Störung, nöthig ist; und dass der Auslösung oder der ersten erkennbaren Bethätigung dieser letzteren Energien ein bei verschieden beschaffenen Eiern verschieden lang dauerndes Stadium der latenten Reizung resp. der latenten Thätigkeit vorausgeht. Diesem Stadium haben wir es zu verdanken, dass wir über- haupt zweierlei Entwickelungsarten, eine normale, directe [s. typische], und eine indirecte, regenerative [atypische, s. regula- ['jAIle Pathologen werden bei ihren täglichen Erfahrungen an den Tumoren (besonders den Dermoidcystomen) und den Doppelbildungen für dieSpeci- ficität der Zellen eintreten. Dasselbe that jüngst ausführlich D. Hansemakn (Die Specificität, der Altruismus und die Anaplasie der Zellen, 1893), ohne sich jedoch seiner Uebereinstimnuing mit den hier vertretenen Auffassungen voll bewusst zu werden (vgl. S. 138 Anm. 2).] Actuelles und potentielles , Ganzes". 831 torische] zu unterscheiden vermögen (s. S. 811 — 814). Erstere vollzieht sich eine Strecke weit unter Selbstdifferenzirung der ersten Furcli- ungszellen und des Complexes der Derivate jeder derselben; letztere setzt tiefgehende Correlationen dadurch voraus, dass gerade die zu einem typischen, aber zur Zeit nicht bestehenden, mehr oder weniger w^eit entwickelten Ganzen fehlenden Theile nachgebildet werden. Würde die Postgeneration sofort nach der Isolirung einer der zwei oder vier ersten Furchungsz eilen ein- setzen, und somit das Ei auf dieser niedersten Entwicke- lungsstufe schon aus dem Stadium des hios ,,potentiellen Ganzen" zum ..actneUen Ganzen'''' erhöhen ivorden sein, so hätten wir das „Selbstdiff erenzirung svermögen jeder dieser Zellen" zu einem entsprechenden Stück des Em- bryo gar nicht zu erkennen vermocht, sondern wir würden geschlossen haben, dass die vier ersten FurchungszeJlen „actuell" {statt hlos „potentiell'''' einander gleich seien. In diese Lage wären wir gekommen , wenn die neuen Ver- suche von Edmund Wilson (2) an Amphioxus die ersten in dieser Sache gewesen wären ; und wir hätten darin verweilen müssen, bis bei einer Thierclasse das oben erwähnte Verhalten beobachtet worden wäre. Wilson sah nach Isolirung einer der beiden oder einer der vier ersten Furchungszellen des Amphioxuseies diese Zelle sich t heilen wie eine ganze Eizelle und direct eine voll- [292] kommene, aber entsprechend kleinere Gastrula bilden. Hier ist also das ,,Latenz- stadium" bis zur erkennbaren Activirung der zur Ergänzung dienenden Kräfte so kurzdauernd, dass wir nicht zweierlei Entwickelungsmodi unter- scheiden können; auch kann die Postgeneratiou hier anscheinend sehr einfach vor sich gehen. Wenn die Activirung der potentiellen Energien zur Herstellung einer Ganzbildung hier wirklich sogleich nach dem ersten äusserlich sichtbaren Schritt der normalen Ent- wickehmg, nach der ersten Furchung stattfindet, wäre es gewiss das Einfachste, dass aus dem ,,inactiven" Idioplasson [s. Reserve- idioplasson] sogleich die der fehlenden ,,actuellen" Körperhälfte entsprechenden „potentiellen" Idioplasson- «32 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. tbeile „kinetisirt" und so das ^^actuelle Ei'' completirt würde '). Bezüglich einer Furchiingszelle des Achtzellenstadiums beobachtete Wilson am Amphioxusei, wie ich am Froschei (S. 782), dass sie unfähig ist, eine Gastrula zu erzeugen; also ist ihr Postgene- rationsvermögen ein unvollkommenes und die ^^potentielle Toti- potens" der Zellen des Vierzellenstadiums hier anscheinend schon zu Ende. In der Bethätigung ihres „Vermögens zur typischen s. directen Enttvichelung'''' eriveist sich jede der ersten Furchungs- sellen des Frosches, der Ascidie, des Seeigels und der Ctenophoren von der andern s pect fisch verschieden', denn jede liefert für sich ein be- sonderes Stück der Blastula resp. der Gastrula und des zunächst aus ihr hervorgehenden Embryo ; in der Bethätigung Wives ,, Vermögens zur Postgeneration" d. h. zur atypischen s. regulatorischen Ent- wickelung, dagegen zeigen sich die vier ersten Furchungs- zellen gleich vermögend und zwar „totipotent". Soweit diese beiderlei besonderen „Leistungen" an be- sonderes ,, Material" gebunden sind, werden wir, (worauf ich schon in meiner ersten bezüglichen Arbeit hingewiesen habe, s. S. 450) also annehmen müssen, dass dasjenige ,, Material" (Idioplasson) der Furchungszellen, welches die typische Entwickelung desselben veranlasst resp. bestimmt, in den verschiedenen Zellen speci- fisch verschieden ist; während dasjenige Material, durch dessen Thätig- [293] keit die Postgeneratioii verursacht wird, das Reserveidioplasson in den vier ersten Furchungszellen gleich vermögend und zwar „totipotent" ist. Als das [Haupt-] Depot des Idioplasson sehen wir den Kern an, von welchem aus aber dasselbe vielleicht nach Bedarf in den Zellleib übertritt. Das durch die Befruchtung activirte Idioplasson der ,, typischen" Ent- wickelung wird also durch die Furchung „qualitativ un- gleich'-\ das nicht activirte Reserveidioplasson der Post- und Regeneration zunächst ,,qualitativ gleich'' getheilt. 1) Genaueres siehe in: Roüx, lieber die verschiedene Entwickelung isolirter erster Blastomeren, Arch. f. Entwickelungsmechanik Bd. I, S. 596-618. I Activirung der Energien zur atypischen s. regulatorischen ?]ntwickelung. 833 Ob wirklich mit dem Achtzellenstadium diese letztere Gleichheit zu Ende ist, bedarf wohl noch der weiteren Untersuchung, um eine Hemmung der Entwickelung dieser Zellen durch Schädigung mit Sicherheit ausschliessen zu können. Es läge nahe, zu vermuthen, dass diese ,, Ungleichheit" in der Scheidung des Post- und Regenerationsmateriales, also des Reserveidioplasson erst mit der Scheidung des Materiales der ,, Keimblätter" von ein- ander einträte, und dass dann noch eine Zeitlang „innerhalb jedes Blattes" dieses Idioplasson wieder ,, qualitativ gleich" getheilt würde, so dass durch die Zusammenwirkung beliebiger, iD3 Embryo oder voll entwickeltem Thiere (z. B. Hydra) neben einander liegender Stücke der beiden primären oder auch der drei resp. vier Blätter noch das Ganze regenerirt w^erden könnte. Die Möglichkeit solchen Zusammenwirkens von Zellen mehrerer Keimblätter würde auf bestimmte Arten der Entwickelungsmechanismen hinweisen. Durch die Befruchtung werden also nach meiner Auf- fassung zunächst ,, kinetische" Energien der ,,directen s. typischen" Entwickelung producirt oder ausgelöst. Durch ,,i)e/ec2!" oder vielleicht auch durch ,,Älteration der Anordnung'' der Theile wird, früher oder später, Activirung der nach der Befruchtung zunächst blos potentiellen Energien zur regenerativen s. atypischen Entwickelung veranlasst; letzteres geschieht auch noch nach dem sogenannten Abschlüsse der Entwicke- lung beim Erwachsenen; aber bei den höheren Thieren alsdann nur in sehr geringem Grade. Es würde als ein Beweis der Richtigkeit meiner Auffassung ge- [29-1:] deutet werden können, wenn man an den von einander getrennten Blastomeren des durchscheinen- den zweigetheilten Amphioxuseies nach der Trennung sehen könnte, dass ein Theil^des Kernes bei der nächsten Mitose unbe- theiligt bliebe^), also wohl derjenige, der das Material zur typischen Entwickelung der erhaltenen Körperhälfte darstellt, während blos das [1) Einen Anfang zur Beobachtung solcher Ungleichheit der Kerntheilung stellt bereits die fundamentale Beobachtung Th. Boveri's von ungleichem Verhalten des Chromatins bei der Bildung von Geschlechtszellen imd von somatischen Zellen dar (Entstehung des Gegensatzes zwischen somatischen und Geschlechtszellen. Sitzgsber. d. Ges. f. Morph., München, Bd. VIII, 1892).! W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. öo 834 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. Reserveidioplassoii sich theilte; und wenn dann bei der weiteren nächsten Theikmg der so gebildete, anfänglicli chromatinarme Kern ebenso viel und ebenso grosse und dicke Schleifen bildete als der der anderen Zelle. Doch das ist blos eine dem gegenwärtigen Stande unserer Auffassung angepasste Vorstellungsweise. Das die Regeneration auslösende Moment braucht nicht blos wirkhcher ,.Befect" zu sein; sondern in ähnhcher Weise kann anscheinend auch eine ^.Störung der normalen Anord- nnng'' der Zellen wirken (s. Nr. 28, S. 657); wobei man allerdings annehmen kann, dass dadurch viele Zellen „ihrer normalen Naclihar Schaft heranht'- werden, so dass also von mir so genannte ,,Unterhrechungsflächen^^ (s, S. 498 und 784) vorhanden sind, ,, selbst wenn schon andere Zellen den Platz der ver- drängten vollkommen eingenommen haben" und in Folge dessen keine ,,S palten" mehr bestehen. Aber selbst ein noch viel geringerer Grad von Störung der Anordnung, bei welchem keine Zelle mit ihrer normalen Nachbarschaft fremden Zellen in Berührung zu kommen braucht, kann schon Re- resp. Postgeneration auslösen. Das geht, wie mir scheint, aus Versuchen Driesch's und Wilson's hervor, in denen aus Seeigel- und Amphioxuseiern , welche Avähreud der ersten Furchung geschüttelt und daljei statt zertheilt, blos recht winkelig zur normalen Theilungsebene stark ge dehnt wo r den waren, Doppelindividuen entstanden (s. S. 794 u. 800). Eine ähnliche Bedeutung haben wohl auch die Beobachtungen Trembley's und Nussbaum's (14), dass umgestülpte Hydren, welche auf einer durchge- steckten Borste fixirt waren, gewöhnlich zweiköpfige Hydren lieferten. Von der Regeneration mancher Protozoen, z. B. Stentor, [295] Stylonichia, Vorticellinen und Metazoen (Naideen), welche schon vor der Selbsttheilung dieser Thiere stattfindet, muss es zunächst zweifel- haft sein, wie weit sie etwa durch eine eventuelle geringe Streckung und Einschnürung also doch durch Alteration der Lage der Theile ausgelöst wird, oder wie weit hier noch besondere, die vorzeitige Regeneration auslösende Momente vorhanden sind. Gehen wir nun zu der Besprechung der neueren Publication Aetivirung der Energien zur atypischen s. regulatorisclien Entwickelung. 835 H. Driesch's (1) ül)er. Dieser Autor vernaclilüssigt neuerdings naeli dem Vorgänge 0. Hertwig's (9) die von Fiedler (6) und von ilnn selber (7) festgestellte Thatsache, dass oft aus dem halben Seeigelei zunächst eine deutliche halbe Morula und halbe Blastula in Form einer „halben Hohlkugel" entsteht. Er folgert, ohne noch von Wilson's Ergebnissen Kenntniss zu haben, bereits aus der darauf- folgenden Bildung eines normal gebauten ganzen Pluteus, den omni- potenten Charakter der Furchungsz eilen" und stellt die Sätze auf: ,,dass die Furchung ein gleichartiges indifferentes Material liefert, von dem jedes Element, wenn isolirt, den ganzen Organismus liefern kann". ,,Ein völlig unbekanntes Correlations- priucip beherrscht die Formbilduug" ^). Melleicht hat ihn zu dieser Vernachlässigung der Semimorula die gleichfalls am Seeigelei von ihm, wie früher von mir am Froschei beobachtete Thatsache veranlasst, dass nicht selten statt der ,, hohlen" Halbkugel ein ,, solider", beim Seeigel rundlicher Zellhaufen gebildet wird. Diesem soliden rundlichen Zellhaufen können wir aber nicht ansehen, ol) er der Ausdruck davon ist, dass die kinetische Energie in diesen Fällen von der Isolirung der Fur- chungszellen an auf die Bildung eines Ganzen eingestellt war, oder ob seine Entstehung nicht blos auf Störung der auf die Production einer hohlen Halbkugel, einer richtigen Semimorula gerichteten Kräfte jjeruht. Selbst wenn erstere Annahme richtig wäre, was ich aljei bezweifle, so würde in Folge des neben diesen Fällen sicher constatirten Entstehens von [296] wirklichen „Halbbil- dungen" aus einem ,, halben Ei" (s. Nr. 28, S. 616) blos geschlossen werden dürfen , dass die bereits für verschiedene Thierclassen fest gestellten Ungleichheiten in der Geschwindigkeit der Aus- lösung und Bethätigung der Postgenerationsmechanismen auch schon bei ein und derselben Art vorkommen kömien (s. S. 81], u. Nr. 33). Driesch legt bei seinen Folgerungen Ijesonderen Werth darauf, dass das vorhandene ISIaterial, welches während der Furchung eine [1) Im Sinne von Driesch hat sich Aveiterhin geäussert C. Herbst, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 55, S. 462.] 53* 836 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Eutwickelungshypothesen. offene hohle Halbkugel ist, sich einfach durch Zusammenlegung seiner Ränder zu einer ganzen Blastula schliesst, ohne dass das fehlende Furchungsmaterial etwa durch Zellenknospung ergänzt wird. Er folgert: „Von Regeneration ist keine Rede." Diese Folgerung halte ich nicht für richtig. Trembley giebt an, dass die Ränder der beiden Theile einer der Länge nach halbirten Hydra binnen einer Stunde verwachsen. Nüssbaum (10) nimmt an, dass dabei die Zellen amöboid werden, mit ihren Leibern zunächst zusammenfliessen , um sich später wieder in normale Zellterritorien zu gliedern. Au viel kleineren Stücken sah NUSSBAUM, dass jedes zunächst, wie bei der embryonalen Entwickelung der Polypen, eine geschlossene Blase bildete, an der je nach der Grösse verschieden schnell die Tentakel und der Fuss sich neu bildeten. Da diese Thiere während der Regeneration keine Nahrung aufnehmen, muss also all dieses durch „Umordnung" der vor- handenen Zellen, mit oder ohne Verkleinerung derselben durch Theilung vor sich gehen ; und dabei muss eine entsprechende „ U m - diff er enzirung" schon differenzirter Zellen stattfinden^). Der Vorgang dieser Regeneration von Stücken der erwachsenen Hydra ist also sehr ähnlich dem der Postgeneration einer Semiblastula des Echinodermen. Es giebt also eine Regener afion durch ausschliessliche oder überwiegende ,,Um o r dnun g"" und „ Umdifferoi- zirung'-'' von Zellen^ ohne oder mit nur geringer [297] ,. Proliferation" bei der Regeneration. Bei den e r w" a c h s e n e n höheren T h i e r e n ü 1) e r w i e g t umgekehrt die Proliferation bei der Regeneration. [') Bei dieser Thatsaclie der Regeneration eines kleinen Stückes der erwachsenen Hydra ohne Nahrungsaufnalnne zu einer entsprechend kleinen aber ganzen Hydra scheint es mir nicht angänglich, „den Begriff der Regeneration auf „„reine Spros- sungsvorgänge"" zu bescLränken" (s. Driesch im Arch. f. Entw.-Mech. I. S. 400); sondern die hier eingeführte Unterscheidung einer Regeneration durch Umordnung und Unidifterenzirung der Zellen ist unerlässlich nöthig; auch kommt Gleiches bei der Postgeueration vor (s. S. 498, 508, 785).] Regeneration durch Unidifleroiizirung von Zellen. 837 Aber Cmordnuiig und Umdif f erenzirung von Zellen findet bei jeder Regeneration, aucli der höheren Wirbeltliiere, statt. Die Unterschiede dieser beiden von mir unterschiedenen , , R e g e n e r a t i o n s a r t e n " sind also wesentlich q u a n t i t a t i v e . (s. S. 511 und 801.) Dass bei jeder Regeneration Umänderung der Anordnung und von der früheren verschiedene \^erwendung von Zellen stattfindet, ist leicht zu erschliessen, bestünde sie auch blos in der nicht normalen Proliferation: diese letztere Beschränkung ist aber nicht einmal zu- treffend. Denn wenn es Regeneration ohne andere Verwendung bereits differenzirter Zellen gäbe, so müsste in diesen Fällen die Regeneration ausschliesslich von undifferenzirten Zellen des Indi- viduums besorgt werden, also ähnlich, wie man es früher als durch die weissen Blutzellen geschehend annahm, was von P. Fraisse (11), GöTTE, Carriere, D. Barfurth (12) u. A. als irrthümlich erwiesen ist. Wir müssten somit in den Geweben allenthalben besondere für die Regeneration aufgesparte, bisher gar nicht verwendete und nicht dilferenzirte Zellen haben, was gleichfalls nicht zutrifft. Nach den vorliegenden Thatsachen und unter ^^erwendung meiner Beobachtungen über die Postgeneration der Semigastrulae und Hemiembryonen des Frosches dürfen wir ferner schliessen, dass bei den „höheren Thieren" während des früheren Emhryo- naUehens die Post- resp. wohl auch die Regeneration mehr durch Umordnnng und Umdifferenzirimg von Zellen, im erwachsenen Zustande dagegen mehr durch Neubildung von Zellen sich vollzieht^). Aber selbst bei der Regeneration der ältesten Individuen findet, wie die Beobaditung der Wundheilung zeigt, zunächst Umordnung mehrerer, an die Untersuchungsfläche angrenzender respect. ihr be- nachbarter Zellreihen statt. Die Embryonen der höheren Thiere [1) Dieser Unterscheidung einer Regeneration durch Umordnung und Umdifferen- zirung einerseits und durch Proliferation andererseits hat sich auf Grund eigener Beobachtungen D. Barfurth angeschlossen (Ueber organbildende Keimbezirke und künstliche Missbildungen des Amphibieneies. Anatom. Hefte 1893, S. 375).] (Weiteres siehe Nr. 28, S. 621 u. 657). 838 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. [298] bieten also wieder vorübergehend ein Verhalten dar, wie es bei den niederen Thieren das bleibende ist. Ich erinnere dabei an das von mir entdeckte entsprechende Verhalten von Wirbelthier- embryonen gegen den electrischen Strom, welches in früher Zeit dem Verhalten der Protisten entspricht (s. S. 745). Driesch stützt sich bei seiner Folgerung der Gleichwerthigkeit und Indifferenz der Furchungszellen weiterhin auf Beobachtungen an durch Druck hochgradig abgeplatteten Eiern, welche auf dem acht- zelligen Stadium statt aus zwei Zelllagen zu je vier Zellen blos aus einer einzigen Zelllage zu acht Zellen bestand. Er nimmt an, wenn in den verschiedenen Furchungszellen verschiedenes idioplastisches Material enthalten sei, so müsse dies dabei in abnorme Lagerung zu einander gebracht worden sein. Da gleichwohl normale Embryonen gebildet werden, sei die Gleichheit und Omnipotenz evident. Ich habe schon vor Jahren Froscheier vor und während der Furchung [in verschiedenen Richtungen] platt ge- drückt und dabei statt der zweiten senkrechten, normalerweise recht- w^inkelig zur ersten stehenden Furche eine zweite, der ersten parallele Furche, ferner statt der ersten wagrechten Furchung, welche als dritte Furchung aufzutreten pflegt, noch eine dritte senkrechte, der normalen vierten entsprechende Furchung erhalten und danach normale Em- bryonen entstehen sehen (s. S. 445 Anm. und Nr. 29, S. G05). Bei mir war jedoch die aehtzellige Platte aus zwei vierzelHgen Lagen ge- bildet, da die dritte senkrechte Furchung nicht, wie die beiden ersten, rechtwinkelig zu den pressenden Glasplatten, sondern annähernd parallel zu ihnen gestellt war. Somit ist in Driesch's Fall in der That eine wesentlich höhere Abweichung von der Norm vorhanden gewiesen. Aber ich meine, es müsste die weitere Entwickelung dieser Eier erst auf's Genaueste verfolgt und mit der normalen Entwicke- lung vergHchen werden, und es müssten wohl auch sonst noch weitere allgemeinere entwickeluugsmechanische Erfahrungen gewonnen werden, ehe eine specielle Deutung dieses Versuches möglich sein wird, ehe [299] man insbesondere behaupten kann, dass er weder auf Anachronismus , also auf leichten Varietäten der normalen Entwickelung, noch auf Vorgängen der vorstehend charakteri- Totipotenz der ersten Furehungszellen. 839 sirteii Arten der regulatorischen Entwickelnng beruhe, sondern dass hier noch die ,,typische" Entwickelung vorHege^). [Nicht eine ,,Omnipotenz" (Driescih) wohl aber] die „Totipotenz" der ersten Furehungszellen ist von mir vertreten worden, aber nicht ihre ,,Gleicliheit". Die Zellen im Ganzen sind un- gleich, denn jede bildet für sich ein anderes Stück des Embryo; un- gleich sind ihre die normale s. typische Entwickelung bestimmen- den Theile; gleich und toti potent ist blos das ausserdem in ihnen vorhandene Reserveidioplasson. Die Einsicht, dass bei der Re- und Postgeneration völlig unbekannte Correlationen vorkommen müssen, ist nicht neu. Wir werden erst ermitteln müssen und auch können, ob diese bei der Re- und Postgeneration stattfindenden Corre- lationen blos anfangs oder während der ganzen Dauer der Regene- ration stattfinden; ferner ob, eventuell bei welchen Thieren, sie vom ganzen defecten Gebilde oder blos von Theilen desselben, etwa den die Unterbrechungsfläche bildenden Zellen, [letztere im weiteren Sinne s. S. 834J, oder von Ganglien etc. ausgehen, ehe wir beurtheilen können, ob O. Hertavig's weiter unten eingehender zu besprechender Ausspruch, dass alle einzelnen Theile des Organismus sich stets in Beziehung zu einander entwickeln, dass die Entwickelung eines Theiles stets abhängig von der Entwickelung des G a n z e n i s t (3), auch nur für die Post- und Regeneration Richtiges enthält. Dagegen spricht aber schon jetzt in gewissem, einschränkendem Sinne die Thatsache, dass die Regeneration bei Tritonen nach Spallaxzani (21) auch stattfindet, wenn alle vier Extremitäten zugleich abgeschnitten worden sind; woraus zu folgern ist, dass zur Bildung neuer Ex trejaii täten der einen Antimere die Anwesenheit der anderen Extremitäten wenigstens , , n i c h t n ö t h i g " ist, dass also von ihnen zu dieser Bildung keine gestaltenden Corre- lationen auszugehen „brauchen". Es ist schon mehrfach die 0. Hertwig's Auffassung ent- [300] [1) In ähnlichem Sinne äusserte sich gleichzeitig F. Braem (Das Princip der organbildenden Keimbezirke und die entwickelungsmechanischen Studien von H. Drie-ch, biolog. Centralblatt, März 1893, S. 146-151).] 840 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. gegengesetzte Ansicht ausgesprochen worden, dass das Begreuzungs- material jedes Durchschnittes, an dem Regeneration eines Thieres erfolgt, selber die gestaltenden Ursachen enthalte, um die pheripher von ihm gelegenen Theile zu reprocluciren. Wenn wir diese Auffassung ent wickelungsmechanisch formuliren wollten, müssten wdr sagen, dass jede Zelle noch von demselben Material enthielte , welches sie befähigte , ihre normalen Nachkommen und deren Anordnung bei der Ontogenese zu produciren, und dass zufolge dessen jede einen Defect begrenzende Zelle auf's Neue zur Wieder- holung ihrer früheren normalen Leistung befähigt sei, und dass sich auf diese Weise die Regeneration vollziehe. Bei unvollkommener Entfernung der Nachkommen einer Zellgruppe, also bei blossen um- schriebenen Substanzverlusten müsste dann entweder eine zweite Bildung des im entvvickelungsmechanischen Sinne peripheren, d. h. descendirenden Theiles, also eine Doppelbildung stattfinden, oder die noch vorhandenen Theile müssten die Fähigkeit haben , die weitere Production neuer Theile zu verhindern ; was in dem gedachten Falle vielleicht einfach mechanisch durch räumhche Behemmung sich voll- ziehen könnte. Sehen wir davon ab, dass diese Hypothese eine Entwickelung durch fast vollkommene Selbstdifferenzirung voraussetzt, welche nicht erwiesen ist, so spricht gegen die Richtigkeit dieser Auf- fassung erstens, dass bei circumscripten Defecten der Extremitäten, bei Wunden mit grossem Substanz verlust der Ersatz deutlich erkenn- bar nicht überwiegend in centrifugaler Richtung vor sich geht, wie es sonst wohl zu erwarten sein müsste, sondern, bei ge- nügender Ernährungsgelegenheit von der Peripherie her, in gleichem Maasse auch von ihr aus stattfindet. Bios bei den Cerebrospinal- nerven ist die Regeneration centrifugal gerichtet; ein Verhalten, welches wohl mit Recht von dem Einfluss der central gelagerten, den Nervenfasern zugehörigen Ganglienzellen abgeleitet wird. Ferner widerspricht der Wiederholung der embryonalen Zell- folge bei der Regeneration auch dei' Vorgang der Regeneration [301] abgeschnittener Extremitäten, da die Ueberhäutung der Wunde durch Epithelien und deren Nachkommen geschieht, welche am Embryo Totipoteiiz der ersten Furchungszellen. 841 diese Zellen nicht geliefert haben; denn das Ectoderm des Embryo ist von Anfang an allenthalben continuirlieh angelegt und wird an den Stellen des vorsprossenden Extremitätenstunnnols nicht erst durch Ueberwanderung und Verniehrnng von Randzellen dieser Stelle nach- träglich producirt. Entsprechendes gilt für den Mesodermantheil der Extremitäten. Es liegen vielmehr bei der Regeneration wieder Fälle vor, in denen, wie ich mich anderwärts ausgedrückt habe (S. 52 und 93), die geformten P r o d u c t e c o n s t a n t e r sind als die speciellen Arten ihrer Herstellung^). Drittens vollzieht sich, wie wir gesehen haben, die Regeneration überhaupt nicht blos durch Bildung neuer Zellen, sondern auch durch Umordnung und andere Verwendung, also Umdifferen- zirung (s. Nr. 28, S. 657) bereits differenzirter Zellen; diese Art der Regeneration nun kann von denselben Zellen in ver- schiedenen, sogar in entgegengesetzten Richtungen aus- gehen. Halbiren wir z. B. eine Hydra durch einen Querschnitt, so bildet der orale Querschnitt den aboralen Körpertheil, der aborale den oralen Theil. Schneiden wir bei einem anderen Individuum einige Zellen- breiten mehr oral durch, so l)ilden die jetzt am aboral gelegenen Querschnitt befindlichen Zellen den oralen Theil des Thieres, obgleich sie im vorigen Experiment den aljoralen Theil durch Umgruppirung dargestellt haben. Wenn, wie Avir bei Amphioxus sahen, schon eine einzige, und nur bis auf die erste Stufe entwickelte Zelle das ganze fehlende Stück ersetzt, oder wenn im ISIinimum drei Zellen aus den drei Leibes- schichten der entwickelten Hydra dadurch, dass andere Theile des entwickelten Individuums fehlen, zur Entwickelung eines ganzen In- dividuums angeregt werden, so wirken also „Theile" eines mehr oder weniger, immer aber bereits etwas ,, entwickelten" Indi- 1) E. Hertwig und jüngst F. von Wagner (Einige Bemerkungen über das Yer- hältniss von Ontogenie und Regeneration. Biolog. Centralbl. 1893, Bd. 13, S. 287—296) haben auf die Verschiedenheit in der Betheiligung der Keimblätter an der normalen Ontogenese und an der Regeneration resp. Knospung bei Wirbellosen hingewiesen, also sogar auf viel gröbere Unterschiede zwischen beiden Bildungsarten, als sie hier vertreten worden sind; gleichwohl aber entstanden auch in diesen Fällen dieselben typischen Producte wie bei der geschlechtlichen Vermehrung. 842 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. vidiuims auf das in ihnen selber enthaltene Reserve- Idio- [302] plasson fast wie eine Befruclitnng auf das Ei. Nur wird blos das dem Ganzen der jeweiligen Entwickelungs- stufe Fehlende gebildet. Diese Wirkungen können meiner Meinung nach nicht blos durch den Wegfall des Seit endrucke s nach Weigert „ausgelöst" sein. Es müsste vielmehr das in einem mehr oder weniger entwickelten Zustande vorhandene Stück die Bildung des zu dem, zur Zeit nicht vorhandenen, entwickelten Ganzen Fehlenden veranlassen. Diese Fassung hat indess ein m e t a p h y s i s c h e s G e p r ä g e. [Denn wie soll das Vorhandene die Bildung eines anders Beschaffenen Fehlenden veranlassen ; oder wie soll etwa gar das Fehlende , also dasjenige, was nicht da ist, seine eigene Bildung in einem Anderen veranlassen? Man könnte ferner sagen: Wie soll ein Ganzes ent- stehen, welches blos ideell vorhanden ist? Diese Annahme wäre aber nicht richtig, denn das Ganze ist in dem defecten Individuum wohl r e e 1 1 V o r h a n d e n , aber in unentwickelte m Zustande, im Reserve- idioplasson der Zellen; defect ist blos das „entwickelte" Ganze.] Wir vermeiden den metaphysischen Schein und ge- winnen eine mehr mechanische Auffassung, wenn wir an- nehmen, es werde (vielleicht durch das Fehlen normaler qualitativer AVirkungen von der Seite des Defectes her) in den die Unterbrechungs- fläche bildenden oder ihr benachbarten Zellen oder Zellschichten die volle Thätigkeit des in diesen Zellen enthaltenen, zur Veranlassung der Bildung eines ganzen Individuums der Species befähigten Reserve- Idioplasson ausgelöst; aber das entwickelt, also schon differenzirt Vorhandene hemme durch seine Anwesenheit und Wirkung die Bil- dung der ihm entsprechenden Theile ; oder es würden in dem zur Bildung eines ganzen Individuums oder eines bestimm- ten Stückes befähigten Reserveidioplasson überhaupt blos diejenigen Theile zur Thätigkeit angeregt, welche noch nicht in entwickeltem Zustande sich vorfinden (s. S, 78 und Nr. 28, S. 658 u. f.). Bei dieser mechanischen Fassung des Problems müssen wir aber neben ausgedehnter Selbstdifferenziruug vieler Theile Corre- lationen supponiren , die uns zur Zeit ihrer speciellen Natur nach Charaktere der directen s. typischen Entwickehing. 843 vollkommen unbekannt sind ; doch solche Annahme konnten wir nach obiger Darlegung auch bei der metaphysischen Fassmig nicht vermeiden. Ueber diese Correlationen habe ich mich schon in dem citirten Referat (s. S. 814) andeutungsweise ausgesprochen; da es sich jedoch zur Zeit blos um allgemeinste, vielleicht von der Wahrheit sehr weit entfernte Ver- [303J muthungen handeln kann, halte ich es nicht für angezeigt, dieselben hier zu wiederholen (s. Nr. 28). Welcher Art nun die Correlationen bei der regenerativen s. regulatorischen Entwickelung auch sein mögen, so sind wir doch nicht berechtigt, dieselben ohne weiteres auch der nor- malen s. typischen Entwickelung zuzuschreiben, wie es seitens H. Driesch's und 0. Hertwig's geschieht, indem sie die nach Defecten am Ei auftretenden V^orgänge nicht von den Vorgängen der typischen Entwickelung sondern. Diese Identification ist nach der bei der typischen Entwickelung constatirten Selbstdifferen- zirung der ersten Furchungskugeln unzulässig, obschon die Regeneration der Hauptsache nach unter denselben „Formen" sich vollzieht, wie sie bei der normalen Entwickelung vorkommen, und obschon gewiss auch mancherlei Bildungsvorgänge beiden Ent- wickelungsarten gemeinsam sein wTrden, trotz der bei der Regene- ration nöthigen Correlationen. Diese beiden Entwickelungsarten knüpfen an die beiden Hauptarten der Vermehrung der Individuen an: die regene- rative s. regulatorische Entwickelung schliesst sich an die Ver- mehrung durch ,,Theilung" des „entwickelten" Individuums unter Regeneration jedes Theilstückeszu einem Ganzen an; die directe s. typische Entwickelung dagegen schliesst an die Vermehrung durch Theilung einfacher, d. h. äusserlich nicht oder wenig differenzirter Zellen, der ,, Fortpflanzungszellen" der Metazoen, der ,, ruhenden Zelle" der Protozoen an. Zusammenfassend ist daher zu sagen: Die directe s. typische Entwiclcelung des Metazoen- Individuums gellt aus von einer einfach erscheinenden ganzen Zelle von typischer Abkunft, der Eizelle. Der Beginn dieser Entwickelung setzt meist mit einer Befruch- tung ein. In ihrem Verlaufe ist sie formal charakterisirt durch die 844 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. typische Ganzfurehung, die Bildung einer ganzen Morula, Blastula, Gas- trula und durch die sonstigen bekannten, für jeden Thierstamm resp. jede Species typischen äusseren und inneren Formenwandlungen. Ent- wickelungsmechanisch ist sie bis jetzt charakterisirt in den ersten Stadien [(beim Frosch) durch die Bestimmung der ersten Theilungsebene durch die Befruchtungsebene, durch die Anlage der Schwanzseite des Embryo auf der Befruchtungsseite des Eies, durch die Lage der Medianebene in der ersten Furchungsebene etc. s, S. 425 Anm.] ferner [304] durch die erwähnte Selbstdif f erenzirung der ersten Furchungszehen zu bezüglichen Theilstücken der Morula, Gastrula und des Embryo, in etwas späteren Stadien gleichfalls durch einige wenige von mir nachgewiesene Selbstdifferenzirungen (Selbstschluss des Medullär- und des Darmrohres) , (s. S. 246) ferner durch einige aus den Missbildungen erschlossene Selbstdifferenzirungen (s. S. 203, 828), sowie durch mehrere bereits ermittelte Arten von Correlationen (s. S. 211 u. 253). Ihr Wesen ist bezeichnet vornehmlich durch stets denselben typischen Ausgang von einer [ihrer Herkunft und Beschaffenheit nach typischen], äusserlich ,,undifferenzirten" ganzen Zelle und (von geringen Variationen und ihnen entsprechenden directen Anpassungen, Selbstregulationen hier abgesehen, s. Nr. 28, S. 667 und Nr. 31, S. 279) durch in allen Fällen denselben typischen Verlauf. Eben in Folge dieses immer gleichen Anfanges konnte der Verlauf dieser Entwickelung etwas Typischeres, mecha- nisch Festeres, in bestimmte Bahnen Eingeengtes, wie es in der Selbstdif f erenzirung grösserer oder kleinerer Theile sich ausspricht, und so für die Production grösserer Complication Ausreichenderes und wohl auch Kürzeres erlangen, als es die zweite Entwickelungsart darbietet. Die (itypische üixq post- oder regenerative s. i^'g'KJatorisclie l^ntwicJieh(ng dagegen kann von einem atypisch grossen ,, Stücke" eines mehr oder weniger „entwickelten", differenzirten Orga- nismus ausgehen, wobei die Differenzirung bereits ihr höchstes Stadium erreicht haben oder, wie bei der Postgeneration eines zweigeth eilten Eies, eben erst begonnen haben kann (s. auch S. 834). Ihr Mechanis- mus muss in jedem Specialfalle je nach der mehr oder weniger differen- ! Charactere d. atypischen, s. regulatorischen, s. regenerativen Entwickelung. 845 zirten Ausgangsbeschaffenheit sowie nach der verschiedenen relativen Grösse und Lage des fehlenden Theiles [oder nach der Ausdehnung ev. Art der sonst stattgehabten „Störung"' (ö. 834)] ein äusserhch und mehr noch innerlich verschiedener sein. Die regulatorische Entwickelung hat also atypische Ausgänge, von denen aus sie aber gleichwohl zu typischem^) Ende führt. In Folge dieser ver- schiedenen Ausgänge kann trotz des typischen Endproductes der Ver- lauf kein ganz typischer sein; sondern in jedem besonderen Falle müssen seiner Besonderheit angepasste [305] Kegu- lationsmechanismen sich bethätigen (s. Nr. 31, S. 281). Diese Anpassung kann nach meiner Vorstellung nur durch, zur Zeit noch unbekannte, Correlationen vermittelt w^erden, sei es nun, dass die- selben ausschliesslich oder vorwiegend beim Beginne der Re- und Post- generarion, bei der ersten Activirung von Idioplassonten oder auch noch in späteren Phasen der Bildung sich bethätigen. Da die entsprechenden beiden Vermehrungsarten nicht blos bei den Metazoen, sondern auch bei den Protozoen vorkommen, so ist das Gleiche wohl auch bezüglich der Entwickelungsarten dieser letzteren der Fall. Die typische Entwickelung, welche nach der Theilung der vor- her vereinfachten, sogenannten ruhenden Zelle einsetzt, geht dann aus von den durch diese Theilung gebildeten einfach erscheinenden Sporen, Schwärmsprössliugen oder sonstigen Theilsprösslingen der Spo- rozoen, Radiolarien, Flagellaten und holotrichen Ciliaten. Die rege- nerative Entwickelung geht aus von der, neben der vorigen vor- kommenden (Flagellaten, Ciliaten) oder besonderen Abtheilungen (Rhi- zopoden, Heliozoen) fast allein dienenden Vermehrungsweise der Selbst- theilung des differenzirten hidividuums. Hierbei ist gewöhnlich der Anfang ei» typischer, wie auch bei der Selbsttheilung der Meta- zoen, indem die Theilung eine Halbirung darstellt oder eine typische Ungleichheit setzt, und bei mancher Ordnung stets in Quer- bei anderer in Längsrichtung erfolgt. Aber das Experiment an den bezüg- lichen Meta- und Protozoen ergiebt bekanntlich, dass auch nach jeder [i) Es ist aber wichtig, dass dieses typische Ende oft doch nicht ganz erreicht wird, sondern dass Fehler, Störungen vorkommen, und dass lebendes Material dabei eliminirt wird, auf welch ' letzteres Geschehen besonders M. NUSSBAUM aufmerksam gemacht hat.l 846 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. beliebigen andereD, bei den Protozoen den Zellleib und Zellkern gemeinsam treffenden Tlieilung vollkommene Regeneration beider Stücke stattfindet ; so dass der typische Aiisgangspunct bei der Selbsttlieilung l)los ein Specialfall aus der unendlichen Reihe der Möglichkeiten ist ^). Die der Theilung des differenzirten Individuuius folgende regenerative Entwickelung knüpft somit an das Lebende in seinem fertigen Znstande an und könnte insofern primärer scheinen, als die typische Entwickelung, welcher wenigstens bei [306] Protisten erst die Rückbildung des differenzirten Individuums zu einem äusserlich ein- facheren Zustande vorausgeht. Bei den Metazoen haben wir aber nach Weismaxx u. A. das Fortplianzungsmaterial nicht mehr als von den differenzirten somatischen Zellen produzirtes Material, sondern als in seinen wesentlichen Theilen von vornherein vom befruchteten Eie reservirtes, auf dem Wege vollkommener Assimilation (s. Bd. I, S. 452) gebildetes und vermehrtes, undifferenzirt gebliebenes Material zu betrachten. Des Weiteren ist die ,,t3q3isclie" Entwickelung als Fortbildung von einem stets typischen Anfangsganzen auf typischem Wege zu einem typischen Endganzen für uns leichter verständlich und erscheint uns daher auch selber leichter zu sein. Da wir Menschen zu den höheren Organismen gehören, bei welchen die ,, typische" Entwickelung die ,, normale", die regulatorische s. „regenerative" und postgenerative aber die ,, ab- norme" ist, und da die letztere nach den bekannten Erfahrungen über unsere Regeneration und nach den Befunden an der hochentwickelten Halbbildung des Kalbes (Hemitherium anterius, Roux) und denAcephalis und Acormis des Menschen, selbst wenn sie schon während der ersten Furchungen einsetzt, nur in sehr beschränktem Maasse Ersatz zu liefern vermag, so gewinnt die weitere Verfolgung der Unter- scheidung der beiden Entwickelungsarten des Individuums ein mehr actuelles Interesse; [ganz abgesehen davon, dass die ') Aber auch für die Protisten ist erst nocb ^^■ie für die Metazoen zu ermitteln, ob nicht durch, sei es grössere oder nur geringe, Abstossungen von Material nach künstlichen Defecten doch ein irgendwie typisch begrenztes Stück ge- schaffen wird, von dem aus dann die Regeneration vor sich geht, obschon andererseits bei der Regeneration der Extremitäten der Amphibien eine solche Ab- stossung jedenfalls nur sehr gering sein könnte. His' Princip der organbildenden Keimbezirke. 847 causale Forschung an sieh uns nüthigt, möglichst zu analy- siren, und auch, wenn beiden Entwickelungsarten \''ieles gemein- sam ist, doch dieses Gemeinsame elienso wie das Unterscheidende genau zu ermitteln und selbst, wenn die typische Ent Wickelung in Folge der nie ganz ausbleibenden Störungen nie ganz rein für sich vorkommt, doch ihr Wesen und ihre Ursachen festzustellen (s. Nr. 31, S. 279)]. Welcher von beiden ,, extremen" Entwickelungsarten nun die bei der Vermehr tou/ durcli Knospirng vorkommende Entwicke- lung am nächsten steht, ist wohl allgemein nicht zu sagen, da die Arten der Knosp ung selber erhebliche Verschiedenheiten darbieten. Soweit die Knospe in ihrer anfänglichen Differenzirung eine niederere Entwickelungsstufe einnimmt, als das Mutterthier, muss sie sich ent- wickeln; soweit sie schon entwickelt ist und bei der Ablösung noch einen ,,Defect" des Entwickelten besitzt, muss sie sich postgeneriren. Nach dieser Erörterung der neuen Thatsachen und nach der Begründung meiner Auffassung von ihrer Bedeutung wollen wir zur Beurtheilung derjenigen theoretischen Ausführ- [307] ungen 0. Hertwig's übergehen, welche sich gleichfalls um die Alternative: differenzirende AVechselwirkung oder Mosaikarbeit von Th eilen des Eies oder Embryos bei der Ontogenese drehen. Hertwig verwirft in seinem Vortrage über ,, ältere und neuere Entwickelungstheorien" nach dem Uebergang zu den neueren An- sichten zunächst His' Princip der organbildenden Keimbezirke. His (22) führt die Gestaltungen der Ontogenese auf ungleiches Wachs- tlium zurück iind nimmt an, ,,dass die Keimscheibe des Hühnchens die Anlagen der Organe in flacher Ausbreitung vorgebildet enthält" und dass innerhalb eines jeden dieser Bezirke den Theilen eine Wachs thums er regung innewohnt, die sie bei ihrer Ablösung vom Gesammtkeime als Mitgift mit sich nehmen. Und er fügt hinzu: ,,Wenn wir consequent sein wollen, haben wir diese Bestimmung (seil, des Ortes der Organanlagen) auch auf das eben befruchtete und selbst auf das unbefruchtete Ei auszudehnen". 848 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. Gegen dies Princip der organbildenden Keimbezirke führt O. Hertwig die von Pflüger (23) so genannte „Isotropie des Eies", das soll heissen, die gieichwerthige Beschaffenheit der ,, Dotter - theile" des Eies an, welche in gewissem Grade aus Pflüger 's, Born's und meinen Versuchen zu folgern ist. 0. Hertwig hält sich jedoch rein au Pflüger und stellt daher den beweisenden Sachverhalt nicht richtig dar. Pflüger setzte Frosch- eier vor der Befruchtung, entgegen der normalen Eieinstellung, mit dem weissen Pol nach oben auf und Hess durch beschränkten Wasser- zusatz die Gallerthülle nur so wenig Cjuellen, dass sich die (am Glas angeklebte, also aussen fixirte) Gallerthülle dauernd fest auf die Ei- oberfläche presste und ' so eine Drehung verhinderte ; gleichwohl erhielten oft nach der Befruchtung die beiden ersten Furchungen die normale senkrechte, die dritte die normale wagrechte Richtung, und das Medullarrohr wurde in derselben Stellung zur Schwerkraft wie unter normalen Verhältnissen, hier aber auf der der normalen An- lagestelle am Ei entgegengesetzten, statt auf der weissen auf der schwarzen [308] Seite des Eies gebildet; und Pflüger folgert daraus, ausser der Isotropie des Dotters , dass nicht die Lage des schwarzen und weissen Dotters, sondern die Schwerkraft die Lage des Medullar- rohres bestimme, indem diese Kraft eine „meridional polarisirende Wirkung" auf die obersten Dottertheile ausübe. Nachdem ich die Arbeit Pflüger's gelesen hatte, habe ich so- gleich ausgesprochen und es später an geeigneter Stelle drucken lassen (s. S. 262 u. 343), dass Pflüger bei diesem Versuche nicht das Ei, das heisst den Ei in halt, sondern blos die „Ei rinde" fixirt habe, und dass der halbflüssige Eiinhalt sich umgeordnet habe, indem der, wie ich experimentell festgestellt hatte, specifisch schwerere Nahrungsdotter (S. 261) sich senkte, der leichtere Bildungs- dotter aufstieg. Es war also aus dem Versuche Pflüger's zunächst blos zu folgern, „dass die Anlage der Organe unabhängig von der weissen oder schwarzen Eirinde ist" [oder sein kann.] Born (16) hat unabhängig von mir diese Umlagerungen durch (Urecte Beobachtung an microtomirten Eiern nachgewiesen und Unvollkommene Isotropie des Dotters. 849 gezeigt, dass auch der Zellkern mit dem ihn umgebenden Bildungs- dotter aufsteigt. Die beiden Hauptmassen des Dotters und des Kerns nehmen also wieder die normale Anordnung ein, bevor die Furchung beginnt. Statt der „Eiaxe" der Autoren, der bedeutungslosen Verbindungslinie der Mittelpuncte der schwarzen und weissen Ei- rinde, hat somit die aetuelle Eiaxe nach meiner Definition , die Ver- bindungslinie des Massenmittelpunctes des Nahrungs- und des B i 1 d u n g s d 0 1 1 e r s , wieder fast ganz die normale Stellung erlangt. Pflüger's Schlussfolgerung war also nicht berechtigt. GleichAvohl war sie bezüglich der Isotropie nicht ganz unrichtig ; denn Born zeigte, dass, wenn auch die Hauptmassen wieder die normale Lagerung an- nehmen und die Einstellung der Kernspindel bestimmen , doch im Einzelnen noch mannigfache abnorme Vermengungen von [309] schwarzem und von grob- und feinkörnigem farblosem Dotter zur Zeit der dritten Furchung bestehen, so dass also viele spätere Furchungs- zellen eine abnormale Mischung dieser drei Dottersubstanzen enthalten, während gleichwohl die Entwickelung normale Eudproducte liefert. In gleicher Weise war ein gewisses Maass von Isotropie des Dotters aus Versuchen von mir (Xr. 18) zu ersehliessen, in denen ich das befruchtete Ei vor und nach der ersten Furchung mit der kalten Nadel ausstach , wobei ein grosser Theil des Eiinhaltes , bis etwa \/5 desselben ausfloss und gleichwohl sehr oft (jedenfalls , wenn der Kern unverletzt blieb), normale Entwickelung folgte. Hier hatte also erstens ein grosser Defect verschiedener Dottersubstanzen statt- gefunden, und zweitens mussten die zurückgebliebenen Theile abnorm gemischt sein; gleichwohl war keine Alteration der Entwickelung als Folge dieser Aeoiderungen zu erkennen. Daraus folgt mit Sicherheit, dass beim Froschei die Theile des Dotters bestimmten Organen des Embryo nicht der Art entsprechen, dass mit dem Verlust dieser Dotter- theile auch bestimmte spätere Organe fehlen, und dass mit der abnormen Anordnung derselben auch spätere Organe entsprechend abnorm gelagert würden. Ein gewisses hohes Maass von Isotropie des E i - W. Roux. Gesammelte Abhandlungen. II. ' 54 850 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungsliypotliesen. dotters ist also erwiesen und damit die Zurüclvverf olgung des Principes der organbildenden Keimbezirke auf das ,,ung etil eilte" Ei in dem Sinne, dass jeder Theil des Dotters be- stimmte Wachsthumsgrösse besitze und einem bestimmten Organ entspreche, als nicht zutreffend erkannt. (Umgerecht zu urtheilen, müssen wir uns aber erinnern, dass His den bezüglichen Ausspruch bereits im Jahre 1874 gethan hat, also zu einer Zeit, wo die fundamentalen Untersuchungen, die uns von der überwiegenden gestaltenden Bedeutung des Kernes über die des Protoplasmas belehrt haben, noch nicht vorlagen.) Immerhin aber wäre es möglich, bei der normalen Ent- wickelung, die ein typisch festgeordnetes System von Vor- [310] gangen darstellt, die einzelnen Organe auf bestimmte Dottertheile des noch ungetheilten , aber schon befruchteten Eies (s. Nr. 21) zu projiciren; es liätte aber, wie ich früher (S. 20) dargethan habe, das Ergebniss dieser grossen j\Iühe keinen besonderen Werth. Aber für das geth eilte Ei, für die Keimscheibe resp. für die Morula und Blastula hätte diese Projicirung einen grösseren Werth, selbst in dem Falle, dass die den einzelnen Organen entsprechenden Bezirke nicht auch die wesentlichen besonderen Kräfte zu ihrer Diffe- renzirung enthalten; es wäre damit, wenn auch keinem causalen, so doch einem topographischen Interesse gedient. Wir haben aber gesehen , dass das durch die Furchung geschiedene Material jeder der ersten und daher wohl auch noch, wenn auch vielleicht in beschränkterem Maasse, späterer Furchungszellen selbstdifferenzirungsfähig ist; sodass also durch dies Princip nicht blos feste, d.h. bei der normalen Ent- wickelung unveränderliche t o p o g r a p h i s c h e B e z i e h u n g e n , son- dern auch directe causale Beziehungen bezeichnet werden. Das Princip der organbildenden Keimbezirke be- ginnt somit erst mit der Furchung eine „feste" Bedeu- tung zu erhalten; dieselbe ist nicht blos eine topogra- phische, sondern auch eine causale; und sie wird mit dem Fortschreiten der Furchung eine immer speciellere, denn mit der Furchung werden verschieden werthige, der „typischen" Ent- Bestimmende Wirkungen der Anordnung der Dottersubstanzen. 851 Wickelung dienende Idioplassouten mehr und mehr von einander geschieden und in typischer Anordnung localisirt. 0. Hertwig jedoch folgert allgemein die Unrichtigkeit des Principes der organbildenden Keimbezirke, auch für das get heilte Ei. Die Isotropie des Dotters ist aber trotz der Ergebnisse obiger Experimente keine vollkommene. Ein Mal ist von einigen Autoren angegeben worden, dass sie in noch unbefruchteten Eiern be- stimmter Thiere gefärbte Körner gesehen haben, die später eine typische Lagerung in dem Embryo erhielten (s. S. 98), indem sie immer in demselben Organ, der Leber oder [311] dem Auge sich wiederfanden. Daraus ist aber noch nicht zu folgern, dass diese Theile den Ort der Anlage oder gar die Anlage des betreffenden Organes bestimmen; sondern es kann auch blos sein, dass sie bei normalem Ablaufe der Entwickelung stets dahin geführt werden. Ein Anderes wäre es, wenn bei Störung der normalen Anordnung des Dotters des unge- furchten Eies dann auch das bezügliche Organ eine entsprechend anormale Lagerung erhielte. Doch das müsste erst bewiesen werden, ehe wir damit zu rechnen haben. Weiterhin aber steht bei den telolecithalen Froscheiern das Lageverhältniss des Nahrungs- und Bildungsdotters mit der Lage der Hauptrichtungen des Embryo im Eie in einem „festen causalen" Zusammenhang. Erstens kommt allgemein bei den telolecithalen Eiern der Nahrungsdotter stets dem Entoblast anzuliegen, sodass mit der Lagerung dieses Dotters eine Richtung vom Ento- zum Ecto- blast, beim Frosch die dorsi ventrale Richtung des Embryo schon am unbefruchteten Ei bestimmt ist (s. Nr. 23). Zweitens halje ich für Rana esculenta (s. Nr. 16) festgestellt erstens, dass das Ei nach der Befruch- tung sich derart schief einstellt, dass auf einer Seite die weisse Hemi- sphäre etwas höher steht, ferner, dass die Medianebene des Embryo diese Ungleichheit der Einstellung symmetrisch theilt, sodass also die Richtung der Medianebene mit dieser Dottereinstellnng schon bestimmt wird; und schliesslich, dass die Seite der höher stehenden weissen Hemisphäre stets zur cephalenSeitedes Embryo wird, womit nor- 54* 852 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. maier Weise alle HauptrichtungeD des Embryo im Ei fest bestimmt sind. Pflüger hat darauf entsprechendes für Zwangslage beobachtet, woraus unter Berücksichtigung der Untersuchung Born's zu schliessen ist, dass das geringe Maass von nicht durch die innere Umordnung ausgeglichener Dotteranordnung diese Entscheidung über köpf- und schwanzwärts bedingen kann; während normaler Weise diese Einstellung und Bestimmung des Kopf- schwanzw^ärts durch die Befruchtung bedingt wurd, in- [312] dem, wie ich zeigte (Nr. 21), auch bei beliebig localisirter Befruch- tung die schwarze Hemisphäre sich auf der Eintrittsseite des Samen- körpers senkt, und an der gegenüber liegenden Seite die weisse Hemi- sphäre weiter nach oben sich ausdehnt. Ich habe dann dargethan (S. 327, 335, 404 u. f.), dass bei Zwangslage die Anordnung des Nahrungs- und Bildungsdotters die Einstellung der ersten Kern-Theiluugsspindel des Furchungskernes beeinflusst, und habe auf Grund des weiteren Verhaltens erschlossen, dass damit zugleich auch auf die Qualität der ersten Kerntheilung eine Einwirkung stattfindet derart, dass bei Einstellung dieser Kernspindel in der Symmetrieebene der Dottermasse die ihrer Qualität nach normalerweise als zweite auf- tretende Furchung unter diesen Umständen als erste stattfindet. Wenn also das Dottermaterial auch nicht derart verschieden ist, dass es den einzelnen Organen des Embryo entspricht, so: vermag (Joch bei den telolecithalen Froscheiern eine passiv liervor- (jehraclite Anordnung der heiderlei Dottermassen, des Bil- dungs- und des Nahrungsdotters, alle „Hanptrichtungen des Embryo" im Ei zu hestimmen. Nach der Verwerfung von His' Princip der organbildenden Keim- bezirke wendet sich Hehtwig zur Besprechung meiner Versuche. Er bezweifelt unter Nennung blos meines Namens als Autoren zunächst die Angabe, dass ursächliclie Beziehungen zwischen den drei ersten Theilungsebenen des Eies und den Haupt- richtungen resp. den einzelnen Körperregionen des ent- wickelten Organismus bestehen, dass die erste Theilungsebene bei manchen Thieren die Medianebene darstellt (Nr. 16), und dass dies bei anderen durch die zweite Furchungsebene (Nr. 20 und 21) geschieht. Zeit der ßestimimnig der Hauptriclitungeu des Embryo. 853 BezÄigliche Thatsaclien sind nicht allein von mir, sondern noch von vielen anderen Autoren festgestellt. So haben ausser [313] mir selbst- ständig Newport sowie Pflüger für den Frosch^) erwiesen, dass die erste Furche normalerweise schon die Medianebene des Embryo darstellt; ebenso konnten Seeligeu sowie van Beneden und Julin bestimmen, dass auch bei Ascidien die erste Furche der Medianebene des Embryo ent- spricht, und dass die dritte Furche das Ecto- und Entodermmaterial von einander scheidet; welch' letzteres von M. v. Davidoff für das von ihm untersuchte Object, Distaplia, bestätigt wird. Für die Achordaten liegt gleichfalls eine grosse Anzahl entsprechender Beobachtungen vor (17), welche die festen Beziehungen zwischen den Hauptrichtungen des Em- bryo und den ersten Furchungsebenen darthun : Bei den Cölente raten stellt die Durchschnittslinie der beiden ersten Furchungsebenen des Eies zugleich die Hauptaxe des Thieres, die Verbindungslinie des oralen und aboralen Poles dar; und die dritte, dazu rechtwinkelig stehende Furche scheidet Ectodermmaterial von Entodermmaterial. Bei den Ctenophoren entsprechen ausserdem die beiden ersten Furchungsebenen den beiden gekreuzten Symmetrie- ebenen des Embr^^o. Bei den Polycladen entstehen durch die beiden ersten Furchen zwei kleine, dem aboralen und zwei grosse, dem oralen Pole entsprechende Zellen; und von den beiden letzteren entspricht die grössere dem Hinterende, die kleinere dem Vorderende des Thieres. Bei den Ortho- ne ctiden und Dicyemiden ist gleichfalls vorn und hinten gleich anfangs zu unterscheiden. Bei den Nematoden scheidet die erste Furche den Ectoderm- theil des Eies vom Meso- und Entodermtheil; und bei Rhabditis [314] nigrovenosa isrnach Götte zu dieser Zeit auch schon die ventrale und dorsale Seite sowie das Vorder- und Hinterende des Embryo charakterisirt. 1) Das abweicliende Resultat von Frl. Cornelia Clapp an Eiern von Batrachus Tau, in welchem von 33 Fällen die erste Furche nur drei Mal mit der Medianehene zusammenfiel, hat schon Born (in Ergehnisse der Anatomie und Entwickelungsge- schichte von Merkel u. Bonnet, I. Bd., S. 602) auf die bei dem Versuche an diesen Eiern vorhandenen Fehlerquellen zurückgeführt; und es bedarf nur geringer Versuchs- fehler, um beim Frochei fast ebenso unrichtige Zahlen zu erhalten (siehe auch Nr. 31, S. 269 Anm.). 854 Nr. 27. ^Vlosaikarbeit und neuere Entwickelungsliypothesen. Bei den Rotatorien sind nach der zweiten Furchung schon alle drei Richtungen des Embryo als bestimmt erkennbar; und die grösste der vier Zellen liefert das Ento- und Mesoderm. Bei den Polychäten liefern die nach der dritten Furchung vorhandenen oberen , kleineren Zellen das Ectoderm , die unteren, grösseren das Entoderm. Bei den Oligochäten sind nach der dritten Furchung schon alle Hauptrichtungen des Embryo kenntlich. Die Eier der Hirudineen haben eine Axe mit kenntlichem animalen Pol, und schon nach der ersten Furchung sind alle Hauptrichtungen normirt. Bei Bai an US (Crustaceen) entsteht an dem länglichen Ei zuerst eine Furche , welche eine vordere , protoplasmatische , den Ectoblast liefernde Zelle, von der hinteren, Dotterkürner haltigen, dem Entoblast entsprechenden Zelle scheidet. Bei Cirrhipeden (Policipes) entspricht nach NussBAüM das Kopfende des Nauplius dem stumpfen Eipole, das Schwanzende dem spitzen oder Befruchtungspole. (Das Insectenei dagegen lässt schon vor der Befruchtung an seiner Gestalt drei Hauptrichtungen erkennen, welche der dorsalen und ventralen Seite sowie dem Kopfende und Hinterende und den lateralen Seiten entsprechen ; so dass alle Hauptebenen des Embryo schon vor der Befruchtung bestimmt sind) [siehe aber S. 118, 299 und 414, 8]. Ich glaube , das angeführte Material dürfte genügen , um un- zweifelhaft darzuthun, dass trotz der Zweifel 0. Hertwig's solche feste Beziehungen zwischen den Hauptrichtungen des Embryo und den ersten Furchungsebenen des Eies und damit auch zwischen entspre- chenden Abschnitten des Embryo und den Furchungszellen bestehen; ebenso wie bei manchen Eiern solche festen Beziehungen schon zwischen besonders charakterisirten Richtungen des unbefruchteten Eies und den Hauptrichtungen [315] des Embryo vorhanden sind. Es ist selbstverständlich, dass diese ,, festen" Bezieh- ungen nicht zufällige, sondern causale sind. Durch die oben- stehend mitgetheilten Experimente mit localis irter Befruchtung, Zwangslage und Zerstörung erster Furchungszellen sind diese ursächlichen Beziehungen als ganz directe dar- gethan. Hertwig bezweifelt weiterhin die von mir erwiesene und auch Anachronismen der Furchung. 855 aus den Versuchen Rauber's ab/Aileitonde Thatsache, dass beim Frosche häufig eme zeitliche Verwechselung der beiden ersten Furchen vorkommt, ^h\n kann nämlich, wie ich gezeigt habe (Nr. 20 u. 21), experimentell hervorrufen, dass die als erste auftretende Furche quer zu derjenigen Ebene steht, welche die aus schwarzer und einem Saum weisser Hemisphäre zusammengesetzte obere Ansicht des Eies sym- metrisch theilt, und dass sie dabei ko]3f- und schwanzwärts des Em- bryo von einander scheidet: beides die Merkmale der normalen zweiten Furchung. Die darauf folgende Furchung steht dann in Richtung der genannten Symmetrieebene und stellt die Medianebene des Embryo dar: beides die Charaktere der normalen ersten Fur- chung des Froscheies; so dass wohl hier an einen Irrthum nicht zu denken ist. Götte (18) hat ferner beobachtet, dass von nahe ver- wandten Gattungen der Würmer die erste Furche bei den einen die Medianebene darstellt, bei andern aber rechtwinkelig zur Medianebene steht, also der zweiten Furche ersterer Thiere entspricht. Gegen den unzweifelhaft von mir festgestellten Anachronis- mus der beiden ersten Furchen beim Froschei wendet sich Hertwig wieder nicht mit Thatsachen, sondern mit einer Frage: ,, Sollte die Natur, wo es sich um fundamentale Geschehnisse handelt, sich solche Anachronismen erlauben^)? Oder [316] haben wir nicht in diesen Anachronismen einen Beweis für die Unhaltbarkeit des v^on Roux aufgestellten Gesetzes zu erblicken? Lehren sie uns nicht vielmehr, dass zwischen den ersten Furch ungsz eilen und den späteren Körperabschnitten des Embryo die ursäch- lichen Beziehungen eben nicht bestehen, die von Roux ange- nommen und als ,, Sonderungen des Bildungsmateriales mit den difi'e- renzirenden uijd gestaltenden Kräften'' bezeichnet werden?" Darauf äussert Hert^vig auf's Neue Zweifel bezüglich der von mir aus einem halben Froschei nach Abtödtung der zweiten Furchungs- 1) Bei diesen Anschauungen 0. Hertwig's ist es wohl nicht überflüssig, daran zu erinnern, dass bei dem fundamentalen Geschehniss der Furchung noch grössere Variationen als ein blosser Anachronismus zweier Furchungen vorkommen; so finden sich bei verschiedenen Species der Gattung Gammarus verschiedene Furchungs- typen, und bei den Cladoceren Aveisen sogar das Sommer- und das Wintere! des- selben Thieres verschiedene Furchungstypen auf. 856 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypotliesen. zelle erhaltenen Halbbildungen. In seiner Arbeit: „Ui'mund und Spina bifida" hatte er die Annahme gemacht, ich hätte gar keine Halbl;>il- duusen sondern Ganzbildungen mit einer normal und einer anormal entwickelten Hälfte hervorgebracht. Diesen Einwand habe ich dadurch widerlegt , dass ich auf dem Anatomen-Congress zu Wien im Micro- scop eingestellte Querschnitte bezüglicher Objecte während meines ^"ortrages circuliren liess, an welclien zu ersehen war, dass die zweite Hälfte unentwickelt , ja bei manchen Objecten blasig zersetzt war. Vermuthlich in Folge des Berichtes von Theilnehmern am Congresse macht Hertwig jetzt einen anderen Einwand. Er führt nämlich die Verschiedenheit meiner und Driesch's Resultate jetzt auf den Umstand zurück, dass in meinen Versuchen die die Operation überlebende Hälfte nicht wirklich isolirt war. ,,Denn neben ihr ist in der Eihülle, die durch das Anstechen mit heisser Nadel geschädigte Eihälfte zurück geblieben, eine Dottermasse, welche sich weiter verändert mit der ge- sunden Zel-lenhälfte in Berührung Ijleibt und zur Ursache wird, dass diese sich in mehr oder weniger monströser Weise fortentwickelt/' Dem muss ich entgegenhalten, dass die unversehrte Hälfte sich oft zu einem so normalen halben Embryo entwickelt hat, dass von monströser Entwickelung keine Rede sein kann. Und selbst, Avenn solche normale Entwickelung auch nur in einem einzigen Fall vorgekommen wäre , so würde dieser Fall a 1 1 e i n schon die ,, Möglichkeit" [317] der Selbstentwickelung der einen Furchungskugel zu einem halben Embryo dargethan haben. Wie stellt es Hertwig sich aber vor, dass eine ihrer Entwickelungs- fähigkeit gänzlich beraubte unentwickelte, oft blasig zersetzte Eihälfte die andere befähigen soll, sich zu einem halben Embryo, ja sei es auch nur zu einer etwas missgebildeten Embryohälfte zu entwickeln? In den Versuchen Chun's (8) aber waren beide Eihälfteu von einander getrennt und lieferten gleichwohl sogar geschlechtsreife Halbbil- dungen. Hertwig fragt dagegen: ,,Was müssten es für wunderbare Processe sein, wenn sich eine wirkliclie hallje Blastula, eine wirkliche halbe Gastrula und eine wirkliche Halblarve bilden sollte?" Zunächst scheint berücksichtigungswerth, dass diese Halb- bildungen sich wirklich gebildet haben. Und „wunderbar" er- I Umordnung der Furchungszellen. 857 ■scheint mir das niclit; selbst nicht, wenn, wie es beim Seeigelei und den Ascidien in der That der Fall war, nach Entfernung der getödteten Eihälfte die andere Furchungszelle sich fast zur Kugel abrundete; denn das geschah bei diesen Thieren zu einer Zeit, in der die Post- generatiousmechanismen noch nicht in Thcätigkeit versetzt waren, so lange also die Mechanismen der typischen Entwickelung allein arbeiteten. Da konnte sich nach meiner Auffassung dies Geschehen fast ganz wie normal vollziehen. Beim Seeigel sind die zwei ersten (NB. soliden, nicht ausgehöhlten) Furchungskugeln schon normaler Weise stark ab- gerundet und jede bildet gleichwohl unter ,,Um Ordnung''- des Materiales der Furchungszellen eine halbe Morula, in Form einer halben HohlkugeP) (s. Nr. 28, S. 614). Hat sich nun eine isolirte erste Furchungszelle ganz gerundet, so sind entweder diese Ordnungsmechanismen ein wenig mehr thätig, oder wenn sie es nicht sind, so erhalten wir eine Semimorula, welche ein klein wenig von der normalen [318] halbenHohlkugelform abweicht; eine Differenz, die so gering sein wird , dass wir sie bei der Weichheit des Materiales kaum sicher feststellen könnten. Nachdem Hertwig so diese von mir und anderen ermittelten, zu seiner Theorie nicht passenden sicheren Thatsachen auf dialectische Weise beseitigt zu haben glaubt, spricht er sich ganz im Sinne der oben mitgetheilten und widerlegten Auffassung Driesch's von der Gleichheit der Furchungszellen aus. Schliesslich hat Hertwig auch selber ein Experiment, am Tritonei, gemacht und gefunden : ,,man ,, könnte" aus demselben höchstens schliessen : Bei den Tritoneiern wird durch die erste Theilungsebene das Bildungsmaterial für die Kopf- und für die hintere Rumpf hälfte gesondert. Bei Tritonen und Fröschen würden sich danach aus den beiden ersten Furchungskugeln ganz verschiedene Körpergegenden entwickeln, bei den Tritonen die vordere und die hintere, bei den Fröschen die linke und rechte." Dieser scheinbar tiefgreifende Unterschied verliert sich sofort, wenn wir den Zustand beider Eier nach der zweiten Furchung betrachten; 1) Dieser fast allgemeine Vorgang der Selbstumordnuug der Furchungszellen findet bei Turbellarien (Polycladen und Tricladeu) in besonders hohem Grade statt. <258 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. dann hat jedes dieser Eier vier Zellen, welche in gleicher Weise den vier Vierteln des Embryo entsprechen. Der gänzliche Wegfall dieses angeblichen Gegensatzes beruht ein- fach darauf, dass ein solcher Gegensatz gar nicht besteht; sondern dass blos eine zeitliche Vertauschung der beiden ersten Furchungen vor- liegt. Hertwig's einzige bezügliche Beobachtung fügt sich somit vollkommen in die von mir ausgesprochene Auffassung. Hertwig fährt jedoch fort: ,,Ein derartiges Endergebniss, meiine Herren, ist wohl ein deutlicher Beweis, dass wir auch in dieser neueren Phase der Präformationstheorie auf einen Abweg gerathen sind." Im Anschluss an die letzte Besprechung meiner Arbeiten folgt dann das Endurtheil: [319] ,,Der Fehler, in welchen schon so viele Forscher bei ihren Speculationen über das Wesen der Entwickelung verfallen sind, besteht darin, dass sie Merkmale des ausgebildeten Organismus auf die unge- theilte Eizelle einfach zurück zu projiciren suchen und so die Dotter- kugel mit einem System kleinster Theilchen bevölkern, die gröberen Theilen des Organismus qualitativ und auch in räumlicher Anordnung entsprechen sollen." Dass diese x4.eusserung auf mich Bezug haben soll, hat für mich und wohl auch für jeden , der meine Arbeiten kennt , etwas Ueber- raschendes. O. Hertwig fährt fort: ,.Bei diesem Verfahren wird übersehen, dass das Ei ein Or- ganismus ist, der sich durch Theilung in zahlreiche, ihm gleich- artige Organismen „vermehrt", und dass erst durch die "Weelisel- Avirkungeii „aller" dieser zahlreichen Eleineiitarorganismeii auf jeder Stufe der Entwickelung sich der Gesammtorganismus allmählich fortsei n-eitend gestaltet. Die Entwickelung eines Geschöpfes ist daher nimmermehr eine Mosaikarbeit; vielmehr entwickeln sich „alle" ein- zelnen Theile „stets" in Beziehung zu einander oder die Ent- wickelung eines Theiles ist stets abhängig von der Entwickelung des Ganzen." (Die gesperrt und fett gesetzten Wörter sind von mir her- vorgehoben). Nach dieser Aeusserung 0. Hertwig 's wäre also die Frage, die Falsche Epigenesis. 859 ich vor sieben Jahren als Alternative mit im Speciellen unendlich vielen UebergangsmögHchkeiten formnlirt habe (S. 20), und zu deren Lösung ich die Arbeit mindestens von Decennien für nüthig hielt, bereits definitiv entschieden und zwar im extremen Sinne der universellen Weclisel Wirkung: ,,dass alle einzelnen Theile des Organismus sich stets in Beziehung zu einander entwickeln, oder dass die Entwickelung eines Theiles stets abhängig von der Entwicke- lung des Ganzen ist." Ergänzend äussert er sich in ,,Urmund und Spina bifida !" : .,Nur dadurch entwickelt sich normalerweise die [3201 linke F u r c h u n g s z e 1 1 e zur linken K ö r p e r h ä 1 f t e , dass sie zu einer rechten F u r c h u n g s z e 1 1 e in Beziehung gesetzt ist." Wie sich diese Auffassungen 0. Hertwig's mit der Thatsache der von mir beobachteten xinachronismen in der Entwickelung der Keimblätter, oder gar mit dem Fehlen des unteren Blattes (Anentoblastia) bei wesentlich normaler Anlage der Theile der beiden anderen Blätter (S. 442) und mit der Bildung der halben Embryonen vertragen, kann wohl dem eigenen Urtheil der Leser überlassen bleiben. [Auch der flüchtigste Leser wird erkennen, dass diese Thatsacheu mit Hertwig's Auffassung unvereinbar s i n d ; denn wenn so grosse Theile in der Entwickelung zurück bleiben oder gar fehlen können, ohne dass die anderen Theile dadurch in ihrer Entwickelung gestört werden, so folgt mit Sicherheit, dass die Entwickelung dieser letzteren nicht an die Wechselwirkung mit den fehlenden Theilen gebunden ist, dass sie also nicht durch die Wechselwirkung aller Theile des Ganzen sich vollzieht.] Ferner spricht direct gegen den Vollzug der indivi- duellen Entwickelung durch allgemeines Avechselseitiges gestaltendes Zusammenwirken ,, aller" Theile zum Gan- zen die weitere Thatsache, das bei der Hauptclasse der Doppel- bildungen, also bei denjenigen Doppelbildungen, welche dem von mir formulirten Gesetz der ,, doppelten Symmetrie der Organanlagen" {S. 333) entsprechen, dass bei diesen das jedem von beiden In- dividuen in symmetrisch gleicher Weise fehlende Stück 860 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. wirklich jedes „beliebige'', „eben" abgegrenzte Stück sein kann; und dass bei ihnen fast alle Organe bis zu der Vereinigungsebene in „normaler Gestaltung" vorhanden sind, so, als wenn erst von entwickelten geburtsreifen Zwillingen nachträglich in ebener Trennuugsfläche symmetrische Stücke ab- geschnitten, und die Kinder mit den Schnittflächen zusammengefügt worden wären. Diese normale Gestaltung defecter Organe bis zu einer beliebigen Abgrenzungsebene, z. B. die einer 8 ähnliche Doppel- Cornea oder Doppel-Linse des dritten gemeinsamen Auges, spricht ebenso sehr für das \^ e r m ö g e n von S e 1 b s t d i f f e r e n z i r u n g sogar von ,,Theilen" dieser Organe, wie die gleichzeitige Ent Wickelung von zwei so ausgedehnt vereinigten Ge- Id i 1 d e n zu K ö r ]) e r n , von denen jeder in sich s e 1 1d e r c e n - trirt ist, das ,, Fehlen" des Thätigseins allgemeiner, sie zu einem ,, Ganzen" zusammenfassender Wechselwir- kungen d i r e c t bekundet. Die Grundlage dieser ganzen Ansichten Hertwig's bildet seine von ihm so genannte „Vererbungstheorie" (Nr. 9, S. 476), nach welcher „jedes [321] ,,Theil stück" der Eizelle durch den Kern- th eilungsprozess nach Quantität und Qualität ,, gleich viel" Erbmasse in ihrem (soll heissen: seinem) Kern enthält." Das ßeweismaterial für diese gieichwerthige Vertheilung der Erb- masse auf alle Zellen des Organismus findet sich in seinem jüngst erschieneneu Buche „Die Zelle und die Gewebe", Seite 277 zusammen- gestellt und besteht in Folgendem : erstens darin, dass jeder Organis- mus zahlreiche Ei- und Samenzellen hervorbringt; zweitens, dass bei vielen Pflanzen und ebenso auch bei vielen niederen Thieren fast jeder kleinste Zellcomplex des Körpers im Stande ist, das Ganze aus sich zu reproduciren. Bezüglich des Unvermögens der höheren Thiere, sich so vollkommen zu regeneriren, sagt er im Anschluss an Jon. Müller „deswegen ist man aber nicht zu der Folgerung gezwungen, dass die Zellen der höheren und niederen Organismen insoferne ver- schieden wären, als die letzteren alle Eigenschaften derart im latenten Zustand, also die Gesammtheit der Erbmasse, die ersteren dagegen nur noch Theile von ihr enthielten. Denn ebenso nahe liegt der Specification der Kernsubstanz bei der typischen Entwickelung. 861 Schluss, dass bei den höheren Thicreii das Unvermögen der meisten Zehen , latente Eigenschaften zu entfahen , an den äusseren Beding- ungen Hegt, z. B. an der zu grossen Differenzirung des Zehkörpers, in welche die Erbmasse eingeschlossen ist und an anderen derartigen Verhältnissen." Dagegen ist zunächst zu erwähnen, dass auch bei den niederen Thieren, z. B. bei Hydra nicht „fast jeder kleinste Zellencomplex" des Körpers im Staude ist, das Ganze aus sich zu reproduciren ; sondern dass dazu nach Nussbaum alle drei Zellschichten, also die Derivate beider Keimblätter nöthig sind ; dass dagegen grössere Zellen- complexe blos der äusseren oder inneren Schicht dies Vermögen nicht besitzen. Doch das ist ein für das gegenwärtig behandelte Problem unwesentlicher Punct. Das Wesentliche liegt darin, dass 0. Hertwig folgert, weil in den Geschlechtszellen vollkommenes Material zur Ver- [322] meh- rung der Individuen und in allen oder vielen somatischen Zellen voll- kommenes Material zur Regeneration sich finde, sei überhaupt in allen .somatischen Zellen vollkommen das gleiche Idioplasson, so dass auch die normale typische Entwickelung des Individuums aus dem Ei von diesem in allen Zellen gleichen Kern- mate riale abgeleitet werden müsste. Sachliche Gründe für diesen Schluss werden wieder nicht beigebracht. Ich halte denselben weder logisch noch sachlich für berechtigt. Ich halte vielmehr dafür, dass die oben erörterten Thatsachen der Halbbildungen etc. uns zu der Annahme nöthigen, dass durch die Befruchtung Idioplasson activirt wird, M^elches bei den Furch- ungen qualitativ ,,ungleich" sich theilt; das ist das Material, welches die typische Entwickelung des Individuums bedingt; wäln*end gleichzeitig bei den ersten, eventuell auch bei späteren Ei- theilungen Vollkesimplasson cj[ualitativ halbirt wird, welches der eventuellen Post- und Regeneration dient. Das Idioplasson zur Bildung der männlichen resp. weiblichen Geschlechtszellen dagegen wird, so weit es nicht der ,, Entwickelung" dieser Zellen als solcher, das heisst ihres männlichen oder weiblichen Charakters, sondern der späteren Ent- 862 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. Wickelung des Denen Individuums dient, von kleinsten Varia- tionen abgesehen, meiner Meinung nach vom befruchteten Ei an bis zur Bildung der Richtungskörperchen immer qualitativ halbirt. Als das ,, Hauptdepot" dieser beiderlei idioplastischen Materiahen (s. S. 874), in welchem aber auch „gearbeitet" wird, betrachte ich den Zellkern; und das idioplastische Material desselben vermuthe ich vorzugsweise in der bei der mitotischen Theilung der Längs- spaltung und danach der Vertheilung auf die beiden neuen Centra unterliegenden Substanz. Der Mechanismus der indirecten s. mitotischen Kerntheilung vermag nun sowohl der von mir so genannten qualitativen Hal- birung, d. h. der Halbirung der Masse jeder einzelnen Qualität, wie auch jeder in bestimmter Weise cj^ualitativ un- [323] gleichen Theilung (s. S. 138 und S. 311) zu dienen; und ich habe daselbst auch schon umgekehrt dargethan, dass jede dieser beiclgn Theilungs- weisen des Mechanismus der indirecten Theilung bedarf. Wenn 0. Hertwig annimmt, dass alle Kerntheilungen nach meiner Terminologie ,,c[ualitative Halbirungen" seien, so stützt sich diese Annahme nicht darauf , dass die indirecte Theilung nur diese zu leisten vermöchte. Der Unterschied beider Theilungen liegt blos in der Verschiedenheit der vor und während der Längs Spal- tung der Kernfäden wirkenden, sondernden Kräfte. Solche besonderen sondernden Kräfte sind sowohl bei der qualitativen Halbierung wie bei der qualitativ un- gleichen Theilung der Kernsubstanz, also in beiden Fällen nöthig. Ich habe zwar dargethan, dass bei genügend grosser Auf- reihung der Kernsubstanz in viele lange Fäden und Halbirung dieser Fäden an jedem ideellen Querschnitt derselben, eine geringe Anzahl von Qualitäten, welche in vielfacher Wiederholung in den Fäden vorgekommen, rein durch die Wahrscheinlichkeit des Fehler- ausgieiches an so vielen Halbirungs stellen beim Fehlen beson- derer sondernder Kräfte auch in der Masse jeder einzelnen Qualität halbirt werden muss. Gleichwohl halte ich doch unter Berücksichti- gung der geringen Anzahl von Fäden vieler Eizellen im Verhältniss zu den selbst bei sehr epigenetischer Ent- Einschränkung der Epigenesis durch die indirecte Kernth eilung. Avickelung, (d. li. wenn man die Eutwiekeliing des Individuums vorzugsweise als wirkliche Production von Mannigfaltigkeit durch AVechselwirkung einer geringen Zahl verschiedener Theile auf ein- ander auffasst) zur Uebertragung der elterlichen Eigenschaften noch nothigen Anzahl verschiedener Qualitäten dafür, dass auch schon für eine „qualitative Halbirung" dieses Materiales entsprechende „sondernde" Kräfte thätig sein müssen. Dies auch deshalb, weil es bei genauer Erwägung wenig wahrschein- lich ist, dass in den zu spaltenden Kernfäden des Eies jede Qualität so vielfach enthalten sei, um durch mechanischen Fehlerausgleich hal- birt werden zu können. Ein fernerhin bei der Erwägung des Antheiles der verschiedenen [32J-] Entwickelungsmöglichkeiten zu l:)erücksichtigender Umstand ist das a 1 1 g e m e i n e A" o r k o m m e n der indirekten Kerntheilung an den Stellen, wo es sich um Vermehrung vonZellen handelt, die sich noch in besonderer Weise ,,idiop lastisch " be thätig en sollen. Diese Thatsache schränkt, wie mir scheint, die mög- lichen Arten ,, gestaltender Wechselwirkungen innerhalb der Zelle" und vielleicht auch der Zellen unter einander [also die epigenetische Entwickelung s. S. 5] nicht unerheblich ein. Denn zur typischen Entwickelung durch gestaltende Wechsel- wirkungen von nur wenigen verschiedenen Theilen auf einander, müssen die jeweilig gestaltend thätigen Theile ein typisches festes System von Richtungen bilden, und dies muss vom Beginne der typi- schen individuellen Gestaltung an der Fall sein ^). Bei jeder indirecten Kerntheilung erhält jedoch das Idioplasson eine neue, von seinem Ruhestadium -wesentlich verschiedene Anordnung; gestaltende "W'ir- kungen, die .si^h auf die frühere Anordnung gründeten, müssen daher durch die neue Anordnung gestört resp. unterbrochen werden. Es [1) Nach meiner Auffassung beginnt die ,,individuelle'' Gestaltung s. Entwickelung, abgesehen von der individuellen Vorentwickelung (s. S. 280 u. 74), mit oder sofort nach der Befruchtung und wird äusserlich sichtbar mit der ersten Furchung, resp. schon vorher z. B. mit der typischen schiefen Einstellung des Froscheies, mit der Sonderung des Bildungsdotters vom Nahrungsdotter beim Fischei. Nach Driesch und 0. Hertwig beginnt die individuelle Entwickelung erst auf dem Stadium der Morula oder B 1 a s t u 1 a.] 864 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. müsste, so weit die bezüglichen gestaltenden Wirkungen von der A n- Ordnung des Ruhestadiums abhängig sind, nach jeder Theilung wieder wesentlich die gleiche Anordnung oder zur Weiterbildung eine typisch von der früheren Anordnung abweichende Anordnung- hergestellt werden; und EntsiDrechendes müsste mit der Anordnung der Substanztheilchen in den Kernfäden bei der Theilung geschehen, so- weit während der Theilung typisch gestaltende Wechselwirkungen statt- finden. Daher scheint mir der hohe Wechsel in der ,, Anord- nung" des Idioplasson daraufhinzuweisen, dass die g estalte n- Wechselwirkungeu nicht sehr von der gröberen, sicht- baren Anordnung des im Kern enthaltenen Idioplasson abhängig sind; dadurch wird ihr wahrscheinlicher Wirkungsumfang erheblich eingeengt und zugleich angedeutet, dass ihre Wirkungen melir innerhalb kleinster Theile des Idioplasson sich voll- ziehen; wodurch Avir weiterhin zur Annahme einer grösseren Anzahl verschiedener kleiner Theile, also zur Vergrösserung des Antheiles der Evolution an der individuellen Entwickeluug ge- führt werden. O. Hertwig lässt, wie wir vernahmen, das idioplas tische [325] Kernmaterial aller Theilstücke des Eies, also aller Zellen des In- dividuums vollkommen gleichartig sein; und aus einem Com- pl exe solcher gl eich beschaff euer Zellen müssen dann nach ihm, von einem nicht näher bezeichneten Momente an, durch „Wechselwirkungen" alle die ,, typischen" Differenzie- rungen, welcher jeder Classe, Gattung und Art zukommen, in Gleichem wie der übertragene Theil der den Eltern eigenthümlichen individuellen Eigenschaften entstehen. Im Anschluss an Nägeli, de Vries u. A. nimmt Hertavig an, „dass im Allgemeinen jede Zelle eines Organismus den ganzen Anlagecomplex von der Eizelle empfängt und ihre besondere Natur nur dadurch bestimmt wird , dass je nach den Bedingungen aus dem Anlagekomplex einzelne Anlagen oder Idioblasten in Wirksamkeit treten, während die anderen latent bleiben". In welcher Weise aber können einzelne Idioblasten activ werden, und so die Natur einer Zelle bestimmen? In Bezuo- darauf giebt Unzulänglichkeit der „Entwickelungstheorie" 0. Hertwig's. 865 0. Hertwig der Hypothese \x>n de Vries vor der von Nägeli den Vorzug. Jener nimmt eine Beeinflussung des Zellcharakters auf ma- teriellem "Wege an. de Vuies denkt sich, dass in der Anlagesubstanz, während die meisten Pangene (sive Idioblasten 0. Hertwig) inactiv bleiben, einige in Wirksamkeit treten, wachsen und sich vermehren. Dabei wandert ein Theil von ihnen aus dem Kern in das Protoplasma aus, um hier ihr Wachsthum und ihre Vermehrung in einer der Function entsprechenden Weise fortzusetzen. Das Verlassen des Kerns kann aber stets nur derart geschehen, dass alle Arten von Idioblasten vertreten bleiben. Nehmen wir an , diese Art der Bildung wäre an sich richtig, so genügt es für die Entwickelung eines typischen, den Eltern ent- sprechenden Organismus jedoch nicht, das ,, einige" oder „ein Theil" von Idioblasten auswandern; sondern es ist nöthig, dass [326] immer am rechten Ort zu rechter Zeit die rechten Idio- blasten activirt werden. Wie und wodurch soll dies nun an einem Haufen oder einer Schichte vollkommen aus „gleichem" Material bestehender Zellen bewirkt werden? Denn nicht blos die Zellkerne sind nach Hertwig einander gleich, sondern auch die Zell- leiber sind von vornherein einander wesentlich gleich, da ja nach ihm das Dottermaterial vollkommen isotrop ist. Eine entsprechende typi- sche Ungleichheit der Gestalt der Zellen von Anfang an, von wel- cher wohl typische grössere Gestaltungen sich ableiten Hessen, nimmt er auch nicht an ; allerdings sind auch die Ungleichheiten der Gestalt der Zellen der Blastula oder der Keimscheibe so gering, dass nur wenige tj^pische Gestaltungen davon ableitbar wären. Und auch gegen die typische Ausbildung dieser Ungleichheit der Zellgestalt würde sich bei den Grundannahmen der qualitativen Gleichheit des Idioplasson aller Zellen und der ursprünglichen Gleichheit der isotropen Zellleiber, ebenso wie gegen die typische Activirung von Idioblasten die Frage richten: woher und wodurch? Wodurch kommt das System an ,, typischer" Gestal- tung in die ganze, nach 0. Hertwig vollkommen „gleich- artige" Zellenmasse? W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. et 366 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere EntwickelungshYpothesen. Die Zell- und Kerntheilung sind, wie ich dargethan habe, an sich dazu geeignete Vorgänge; sie können als bestimmt gerich- tete mid qualitativ sondernde Vorgänge ,, typische" Ver- schiedenheiten und „typische" Ordnung produciren und so nach und nach ein äusserst complicirtes System typisch geordneter verschiedener Theile schaffen; und das wesentliche Urgeschehen künf- tiger typischer Gestaltung vollzieht sich dabei im Kerumateriale [s. S. 306, 311 u. 451]. Hertwig traut der Kern- und Zelltheilung in Bezug auf Richtung vielleicht deshalb nicht viel zu, weil er für die Furchung die Regel aufgestellt hat (19), dass ,,die beiden Pole des sich theilenden Kernes sich in der Richtung der grössten Protoplasmamassen einstellen", Avodurch allerdings die mit diesem Principe zu [327] producirende Mannigfaltigkeit in ein sehr enges Schema gepresst und daher be- schränkt wäre. Diese von Hertwig nicht exact bewiesene und nicht in ihrem Geltungsbereich festgestellte, sondern wohl blos aus den bekannten Gestalten der durch die ersten Furchungen gebildeten Zellen abge- leitete Regel ist indess nach meiner Auffassung auch nur für die ersten, wenig differenzirtenZellen „annähernd" bezeichnend; nach den ersten Theilungen treten andere richtungsbe- stimmende Momente auf und kommen mit zur Geltung; und später kann man an entwickeltem, hochzelligem , einschichtigem Cylmderepithel oft sehen, dass die Kern Spindel nicht in Längs- richtung der Zelle sondern der Querstellung genähert sich einstellt, obgleich zu dieser Möglichkeit der Raum von vorn herein fehlt und erst unter Verdrängung von Nachbarzellen besonders ge- schaffen werden muss, und trotzdem oft noch erheblich kleiner bleibt als der Raum in der Längsrichtung der Zelle [s. Nr. 31, S. 276]. Es ist also in der Wirklichkeit reichliche Gelegenheit zu den mannigfachsten Anordnungen der bei der Kerntheilung geschiedenen Idioplassonten gegeben. Da von den von Anfang der Entwickelung an nach Hertwig einander vollkommen gleichen Kernen tj^pische, ungleiche, „gestaltende" Wirkungen zur Bildung des Individuums nicht aus- Unzulänglichkeit der „Entwickclungstheorie" 0. Hertwig's. 867 gehen können, so widerspricht Hertwig somit seiner eigenen ,, Vererbungstheorie", nach welcher alle gestaltenden Eigenschaften durch das Kernmaterial übertragen werden. Das Gleiche wäre der Fall, wenn Hertwig sich entschlösse, ent- gegen seiner Isotropie des Dotters anzunehmen, dass die Zellen von vornherein typiscJi ungleiche Zellleiber hätten und dass dadurch die typische Verschiedenheit bei der Gleichheit aller Zellkerne bewirkt würde; denn dann würden die primären idioplastischen Eigenschaften, entgegen seiner Vererbungstheorie, statt im Kern im Zellleib liegen. Nach seinen Prämissen muss O. Hertwig die Ursachen der typischen Gestaltungen nach aussen von den Zellkernen und [328] den Zellleibern, also ganz nach aussen vom Ei legen. Ich habe aber (Nr. 19) durch langsame, in einer verticalen Ebene erfolgende Rotation von Eiern nachgewiesen , dass äussere gestaltende Einwirkungen zur Entwickelung des befruchteten Eies nicht nöthig sind; auch würden diese nicht die den Eltern entsprechenden Gestaltungen bewirken können. Weiterhin kann Hertwig sich nicht denken, dass ,,bei der indirecten Kerntheilung" die richtige qualitative Sonderuug des Materiales sich vollzöge. Kann er es sich deutlicher vorstellen, dass sie bei der Einwanderung des richtigen Kernmateriales in den Zellleib vor sich geht? Oder ist dabei keine besthnmte typische qualitative Materialscheidung nöthig? Wie diese nach seiner und meiner Annahme nöthige qualitative Materialscheidung im Speciellen vor sich geht, wissen wir beide nicht. Nach meiner Annahme aber geht diese typische Sonde- rung gerade in derjenigen Phase vor sich, in der die gestaltende K-ernsubstanz in typische Gebilde von kleinem Dickendurchmesser zerlegt und aufgereiht ist, welche dünnen Gebilde leichter von sondernden Kräften in ganzer Aus- dehnung beherrscht werden können als grössere Massen. Das ist die Grundlage der von mir angenommenen und von vielen anderen Autoren gebilligten Bedeutung der indirecten Kerntheilung. Entschliesst sich O. Hertwig, um den Haupttheil seiner „Ver- erbungstheorie" aufrecht zu erhalten, zu derx4.nnahme, dass die typischen 55* 868 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. V'erschiedenheiten in der Auswanderung von Idioblasten in letzter Instanz doch von besonderen Beschaffenheiten der Zellkerne der verschiedenen Zellen abhängen, so muss er seiner Behauptung der vollkommenen Gleichheit aller Zellkerne widersprechen ; bleibt er bei der Gleichheit aller Zellkerne, muss er das Wesentlichste seiner Ver- erbungstheorie, die Uebertragung der Gestaltung durch das Kern- material fallen lassen. Das ganze Dilemma löst sich, sobald Hertwig mit mir von Anfang der individuellen Entwickelung an ,,actives" und „in- [329] actives" Idioplasson unterscheidet und ersteres, welches der directen s. typischen Entwickelung des Soma dient, von Anfang an in typischer Weise ungleich, letzteres aber eine Reihe von Zelltheilungen hindurch gleich getheilt werden lässt. Ueber die spätere Gleichheit oder Ungleichheit der Theilung des Regene- rations- s. Reserveidioplassons mit Hertwig gegenwärtig schon etwas Bestimmtes zu sagen, halte ich für verfrüht. Das Ergebniss unserer Kritik der „Entwickelungstheorie" O. Hertwig's ist, class in derselben nur für die Keimzellen und für [das allgemeine Vermögen zur Post- und Regene- ration, nicht für die speciellen gestaltenden Vorgänge der Post- und Regeneration und der directen oder normalen Entwickelung der Individuen gesorgt ist. Aber doch ist die Existenz typisch gebauter und, von kleinen Abweichungen abgesehen, durch Fortpflanzung in dieser „typi- schen" Weise ,, wiedererzeugter" Individuen so sicher gestellt, dass sie wohl von Niemanden, sell)st nicht von einem Autor, mit dessen ,, Theorie" sie sich nicht vereinbaren lässt, in Abrede gestellt werden kann. Wir müssen daher bei unseren Entwickelungstheorien auch für die sichere Uebertragung entsprechender typischer Ge- staltungsweisen sorgen. Denn genau genommen sind doch von allem Lebenden die Individuen die Hauptsache; ohne diese hat weder das Keim-, noch das Regeneration splasson einen Wert. Nur weil und soweit die Zellen von der Eizelle ver- schieden geworden sind, stellen sie Theile eines ohne Her- Nothwendigkeit der Continuität typischer Gestaltungen. 869 vorbringung eines Det'ectes niclit t heilbaren (lanzen, also eines „Individuum" dar; und wohl nur dadurch können sie nach Ver- lusten in der obenstehend erörterten Weise veranlassen, dass die diesem, zur Zeit nicht mehr „actuell" vorhandenen Ganzen fehlenden Theile wieder aus dem Reserveidioplasson ge- bildet werden. Da ich in den ersten Furchungszellen und 'später in vielen Zellen gleiches Post- und Regenerationsplasson annehme, obgleich die Leistungen desselben je nach der Lage und Grösse des Defectes sehr ungleich sind, so kann man mir einwenden, [330] dass ich selber gleich Hertwig eine Activirung von „verschiedenen" Idio- plassontheilen aus ,,gleichem" Grundidi oplasson voraus- setze. Ich halte auch keineswegs die Activirung von ruhenden K er nbestandt heilen bei der normalen Entwickelung für unmöglich oder überflüssig ; sondern meine Differenz mit Hertwig be- zieht sich darauf, dass diese ungleichen Activirungen, soweit es sich um typische Vorgänge der normalen Entwickelung handelt, auf mit dem „Anfang" der individuellen Entwickelung begin- nenden ,,typi sehen" Ungleichheiten des activen Theiles der Kerne und daraus resultirenden typischen Ungleichheiten ihrer Wirkungen beruht. Indem ihrerseits diese mit dem Beginne der i n d i v i d u e 1- len Entwickelung anhebenden ,,actuellen" Ungleichheiten auf „inactiven" Ungleichheiten in dem, resp. den Fortpflan- zungskörpern beruhen, stellt die ,, Continuität des Keim- plasson" auch die Continuität der typischen Ungleich- heiten der Individuen her. Bei der Post- und Regeneration wird die Verschiedenheit der Auslösung in der (S. 842) erörterten Weise von den typisch ver- schiedenen Zellen des sich post- oder regenerirenden , in mehr oder weniger entwickeltem, d. h. differenzirtem Zustande befindlichen Stückes des Individuums bewirkt. Es ist also in jedem Falle ein ,, typisch Ungleiches" vorhanden, w^elches daher auch aus „gleichem" Bildungs- materiale typisch Ungleiches activiren kann. 870 Nr. 27. Mosaikarbeit und neuere Entwickelungshypothesen. Ich kDÜpfe somit bei allem individnellen Geschehen au die actuellen Ungleichheiten an, deren Production mit den ersten ontogenetischen Entwickelungsvorgängen beginnt und während der ganzen Entwicke- luug fortgesetzt wird. So bleibt die „Continuität typischer Un- gleichheit" des activen Kernmateriales vom „Beginne der individuellen Entwickelung" des befruchteten oder parthe- nogenetisch sich entwickelnden Eies an bei allen späteren Vor- gängen, auch bei der Regeneration erhalten und wirksam (s. S. 104). Nach Hertwig dagegen ist eine solche Continuität typischer Ungleichheiten nicht vorhanden; sondern erst später soll aus vielen vollkommen unter [331] sich gleichen Theileu durch nicht typisch vermittelte, unbekannte Ursache plötzlich typisch Ungleiches entstehen. Möge es mir gelungen sein, im Vorstehenden die behandelten schwierigen Probleme sachlich und klar genug darzustellen, um den aufmerksamen Leser zu einem richtigen Urtheil über den gegen- wärtigen Stand derselben zu befähigen. Innsbruck, im Dezember 1892^). 1) Beim Abschluss vorstehender Abhandlung erhielt ich das neue grosse Werk Weismann's : „Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung". Die ausgebaute Theorie dieses hervorragenden Forschers kann nicht in wenigen Worten besprochen werden. Die bisher nur flüchtige Durchsicht des inhaltreichen, geistvollen Buches zeigt mir, dass unsere beiderseitigen Anschauungen in Bezug auf mehrere grundlegenden Ver- hältnisse übereinstimmen. In manchen Puncten zieht Weismann behufs der Aufstel- lung seiner Theorie weitere Consequenzen aus den vorliegenden Tbatsachen, als ich es in obenstehender Erörterung, die nur den Zweck hat, die Bedeutung unserer gegenwärtigen Kenntnisse über die behandelnden Probleme klarzu- stellen und dadurch eine Grundlage für weitere Experimente zu gewinnen, für angezeigt gefunden habe. Da ich gleich Weismann die wesentlichen Ansichten ein- gehend begründet habe, so ist auch ohne besondere Darlegung der Leser der beiden Publicationen in den Stand gesetzt, die abweichenden Auffassungen (z. B. bezüglich des Mechanismus der Regeneration s. S. 840) gegeneinander abzuwägen. Literaturverzeichniss. 871 Literat urverzeichniss. 1. H. Driesch, Entwickelungsmechanisches. Anatom. Anzeiger 1892, Nr. 18. "2. El'M. B. Wilson, On Multiple and Partial development in Amphioxus. Anatom. Anzeiger 1892, Nr. 23. 3. 0. Hertwig, Aeltere und neuere Entwickelungs-Theorien. Rede, Berlin 1892. 4. Derselbe, Die Zelle und die Gewebe. Grundzüge der allgemeinen Anatomie und Physiologie, 9. Capitel. Jena 1892. 5. L. Chabry, Contribution ä l'embryologie normale et pathologique des ascidies simples. Paris 1887. 6. C. Fiedler, Entwickelungsmechanische Studien an Echinodermeneiern. In der Fest- sclirift der Univers. Zürich f. Hrn. v. Nägeli u. Hrn. v. Kölliker, 1891. 7. H. Driesch, Entwickelungsmechanische Studien I. Der Werth der beiden ersten Furchungszellen in der Echinodermenentwickelung. Experimentelle Erzeugung von Theil- und Doppelbildungen. Zeitschrift f. wissensch. Zool. Bd. 53, 1891. 8. Chun, briefliche Mittheilung, publicirt in meinen ges. Abhandl. Nr. 26, S. 54. [Siehe auch die inzwischen erschienene Originahnittheilung : C. Chun, Die Dissogonie, Eine neue Form der geschlechtlichen Zeugung. Kap. 7: Zur Entwickelungsmechanik der Ctenophoren. Festschrift f. Rud. Leuckart. Leipzig 1892.] 9. 0. Hertwig, Urmund und Spina bifida. Arch. f. microsc. Anat. Bd. 39, 1892. 10. M. NUSSBAUM, Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. H. Mittheilung, Bei- träge zur Naturgeschichte des Genus Hydra. Arch. f. micr. Anat. Bd. 29, 1887. 11. P. Fraisse, Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbelthieren, besonders Amphibien und Reptilien. Berlin 1885. 12. D. Barfurth, Zur Regeneration der Gewebe. Arch. f. micr. Anat. Bd. 37. 1891. 13. P. Eckardt, Ueber Hemitheria anterior. Diss. inaug. Breslau 1889. 14. W. His, Unsere Körperform und das physiologische Problem ihrer Entstehung. Leipzig 1875. 15. E. Pflüger, Ueber den Einfluss der Schwerkraft auf die Theilung der Zellen und auf die Entwickelung des Eies. Arch. f. d. ges. Physiologie 1883, Bd. 32. 16. G. Born, Biologische Untersuchungen I: Ueber den Einfluss der Schwere auf das Froschei. Arch. f. microsc. Anat. Bd. 24, 1885. 17. E. KoRSfiHELT u. K. Heider, Lehrbuch der vergleich. Entwickelungsgeschichte der wirbellosen Thiere. 2 Theile. Jena 1890—1893. 18. Alex. Götte, Abhandlungen zur Entwickelungsgeschichte d. Thiere. II. Heft, 1884. 19. 0. Hertwig, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte, I. Aufl., S. 39. 20. F. Marchand, fiealencyclopädie der gesammten Heilkunde von Eulenburg 1881. Artikel Missbildungen. 21. Spallanzani, Prodrome di un opera da imprimersi sopra le riproduzioni animali. Modena 1768. Nr. 28. üeber die Speeifieation der Furehungszellen und über die bei der Postgeneration und Reg'eneration anzunehmenden Vorgänge. 1893. .Biologisches Centralblatt\ Bd. XIII. Nr. 19—22, ausgegeben am 15. September 1893. Mit 3 Textfieuren. Inhalt. Seite I. Ueber die Speeifieation der Furchungszellen 873 Typische Ordnung des Eimateriales bei der Bildung der Semimurala 876 Definition der „Selbstdiff erenzirung' 881 Die normale Furchung ist Selbstdifferenzirung des Eies 882 .Theilbildungen", Definition 884 Hervorbringuug gleicher Producta durch verschiedene Bildungs- reisen . . ' 885 Entwickelung während der ersten Furchungen hochgradig deformirter Eier 885 Vorgänge bei der Ergänzung der Halbbildungen 888 Entwickelung erst nach der Furchung deformirter Eier . . . . . 891 Differenzirung durch Nachbar schafti^wirkung en 891 Tl. Ueber die bei der Re- und Postgeneration nach Defecten und nach sonstigen Störungen anzunehmenden regulatorischen Mechanismen und diflferenzirenden Wechselwirkungen 894 Bei Störungen der Anordnung und bei Deformation 896 u. 901 Specification der Furchuiigszellen. 873 Seite Auslösungsmonieute der Regeneration 897 Analyse der Correlationen der Re- und Postgeneration ..... 904 Functionelle Correlationen 904 Gestaltliche Correlationen 904 Lageeigenschaften 905 DifFerenzirung, Definition derselben 906 Differentiatio sui, SelbstdifFerenzirung 907 Differentiatio ex alio, abhängige Differenzirung 907 Passive Diiferenzirung 908 Vollkommene, unvollkommene] Permanente, temporäre / ^^l^«*' ^"^^^ abhängige Differenzirung 908 Anderdifferenzirungsgcbilde 910 Alleindi/ferenz irnngsgebilde 910 Differenzirungs-Hawptgehilde 910 Differenzirungs-Nebengebilde 910 Concurrenz diff er en zir ender Wirkungen 910 Variationen als Ursache der Züchtung „regulirender " d iffenzirender Correlationen (der indirecten Entwickelung) 911 BedeiUung der „Lage" der Zellen 913 Bedingungen der Wiederholung typischer Gestaltungen .... 913 Abhängige Differenzirung der Mesenchymzellen 914 Directe s. typische Entwickelung 915 Indirecte s. atypische Entioi ckelnng 915 Ueber die Entstehungsweise der Metazoen aus den Protisten . . . 916 I. UeTber die Specification der Furcliung^szelleii. [612] Es wird jetzt von zwei Autoren der Versuch gemacht , eine Reihe von Thatsachen, die ich experimentell ermittelt habe, in wesent- lich anderer Weise zu deuten , als es von mir geschehen ist. Ich habe aus den bezüglichen Thatsachen gefolgert, dass die .,norniale" in- dividueUe E^ttvickeJ iing „von Anfang an'''' ein System be- stimmt gerichteter Vorgänge ist, welches in ..festen"" Bezieh- ungen zu den Hauptrichtungen des sp eiteren Embryo steht, derart , dass jede der ersten vier Furchungszellen nicht blos einem bestimmten Viertel des Embryo räumlich entspricht, sondern auch für sich im Stande ist, dieses Viertel hervorzubilden. Letzteres schloss ich daraus, dass ich aus halben resp. Viertel- und Dreivierteleiern halbe resp. Viertel- und Dreiviertel-Embryonen erhielt. Diese Art der Bil- 374: Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. duDg des Embryo aus einzelnen selbstständig sich entwickelnden Stücken habe ich als Mosaiharheit bezeichnet'). Jede dieser ersten Furchungszellen erhält daher nach meiner Meinung einen dieser besonderen Leistung entsprechenden Theil desjenigen läiopJasson , tvelches durch die Befruchtung „activirt^' tvorden ist. Dieses Material ist nach meiner Auf- fassung vorsugsiveise im Zellkern enthalten und wird, soweit letzteres der Fall ist, durch die „indirecte" Kerntheilung in entsprechender Weise qualitatir ungleich getheilt. Die beiden Annahmen dieses letzteren Satzes sind jedoch nicht unerlässlich nothwendige Glieder meiner in ihren „wesentlichen" Theilen „experimentell" erwiese- nen Auf fassung; [das heisst, ich halte nur den direct experimentell begründeten Theil meiner theoretischen Auffassungen für sicher, den nicht in gleicher Weise fundirten Theil für hypothetisch, also für variabel]. [613] Gegen diese Deutung von mir und danach noch von anderen Autoren ermittelter bezüglicher Thatsachen hat H. Driesch auf Grund seiner Deutung der an sich sehr werthvollen Ergebnisse von ihm an Echinodermeneiern angestellter Versuche und 0. Hertwig^) ohne eigene thatsächliche Unterlagen auf Grund früherer Speculationen und in Anlehnung an Driesch's Einwendungen erhoben; wobei jedoch beide Autoren genöthigt waren und auch nicht Anstand genommen haben, die vorliegenden Thatsachen theilweise zu vergewaltigen. Die darauf bezüglichen Verhältnisse sind bereits von mir aus- führlich dargelegt worden (Nr. 27); und die neuen seitdem er- mittelten Thatsachen passen durchaus zu der von mir vertretenen Auffassung, so dass keine Veranlassung vorliegt, dieselbe abzuändern. Es ist nicht möglich, die vielen Thatsachen und iln-e Deutung 1) Dies ist eine kurze Zusammenfassung. Die den Thatsachen genauer ange- passte, mit allerhand Einschränkungen versehene genauere Fassung ist in der Original- abhandlung nachzusehen (s. S. 446—448, 455 u. f.). -) Jüngst hat 0. Hertwig versucht, seinen Widerspruch nachträglich durch thatsächliches Beweismaterial zu stützen (Sitzungsber. der k. preuss. Acad. derWiss. zu Berlin, Mai 1893); hierüber s. Nr. 29. J Specification der Furchungszellen. 875 in der Kürze, die diese Zeitschrift vorschreibt, nochmals zu schildern und kritisch zu erörtern. Aus dem gleichen Grunde halte ich es auch nicht für der Sache dienlich, dass Driesgh jüngst eine vorläufige Mittheilung über seine derzeitige Auffassung (Nr. 9 dieser Zeitschrift) publicirt hat, in welcher er ebenso willkürlich wie mit deu Thatsachen auch mit den Gegen- gründeu verfährt, noch dazu ohne dieselben mitzutheilen, so dass der Leser auf Driesch's ürtheil angewiesen bleibt. Dies veranlasst mich zu einer Entgegnung. Bei der hier nöthigen Kürze kann es jedoch nicht der Zweck der folgenden Zeilen sein, den Leser, über den ganzen Stand der Streitfragen zu orientiren; sondern ich beabsichtige blos einige Puncte dieser Aeusserungen Driesch's richtig zu stellen und ein Argument von mir etwas weiter auszuführen, als es bisher geschehen war. Da die Discussion aber fundamentale Fragen der Entwickelungs- mechanik der Organismen betrifft, so darf auch eine so eng beschränkte Behandlung des Themas Interesse beanspruchen; Und gerade durch den Widerspruch und das dadurch veranlasste Ziehen weiterer Consecjuenzen wird das Wesen der vorliegenden Probleme be- leuchtet und dem allgemeinen Verständnisse näher gebracht. Zunächst sind einige angebliche Berichtigungen Driesch's zu berichtigen. Driesch stellt gegen Weismann, Wilson und mich in Abrede, dass er aus einem halben Echinodermenei eine halbe ,,Blastula'' erhalten habe. Die genannten Autoren haben dies wohl gleich mir den hier (s. S. 878) reproducirten Figuren 5 und 6 seiner Arbeit (s. 2) ^) entnommen, indem sie dabei das Wort ,,Blastula", übereinstimmend mit Selenka's [614] Anwendung desselben auf Echinodermen (s. 3, Taf. VIII, Fig. 60 nebst Erklärung), in der allgemeinen Bedeutung als ,, Keim- blase", d. h. als rundliches Gebilde mit relativ grosser Höhle und entsprechend dünner Wandung gebrauchten, wie es auch bei Ver- gieichung zwischen verschiedenen Thierclassen allein verwendbar ist. Ein Stadium, welches der viel späteren, von Driesch unter Abweichung 1) Die Verweisungen durch eine Zahl aber ohne vorgesetztes Nr. beziehen sich auf das dieser Abhandlung am Schlüsse angefügte Literaturverzeichniss. g76 Nr. 28. lieber die Specification der Furchungszellen etc. von Selexka ausschliesslich als „Blastula" bezeichneten Bildung ent- spricht, giebt es z. B. bei Amphibien nicht, so dass diese nach Driesch gar kein Blastulastadium hätten. Die Bezeichnung ,, typische Morula" will Disiesch jetzt ebenfalls willkürlich auf „das letzte der Blastulabildung (letztere in seiner eben erörterten Auffassung genommen) vorhergehende Furchungsstadium" beschränken; ein Vorgehen, welches wieder zu „Miss Verständnissen" und ,, Berichtigungen" Veranlassung geben kann, da dadurch diejenige Bildung, welche von den genannten Autoren und mir als Blastula be- zeichnet wurden ist, nach Driesgh noch nicht einmal eine Morula wäre. Weiterhin findet Driesch es unzutreffend, dass ich bei der Bil- dung der normalen und der halben Morula von ,, Umord- nung" des Eimateriales [also für die ganze Morula von Umord- nung des Materiales des ganzen noch ungetheilten Eies, für die halbe Morula des Materiales einer der beiden ersten Blastomeren] spreche (s. S. 804 u. S. 857); er sagt: „Was soll die Semimorula mit Umlagerung zu thun haben, wo sie doch gerade die 1^'olge des Liegen bleib ens der Zellen am Orte ihrer Entstehung ist". Ich ersuche daher den Leser, die linke Hälfte der hier (S. 878) reproducirten Fig. G Driesch's mit der rechten Hälfte, welch' letztere die nicht weiter getheilte, nur vielleicht beim Absterben ein wenig mehr gerundete andere Zelle des Zweizellenstadiums darstellt, zu ver- gleichen. Mir scheint, es muss bei der Umbildung der früheren linken fast ebenso gestalteten Zelle zu der dargestellten entwickelten Form der linken Eihälfte mit der Furchung zugleich eine sehr erhebliche und zwar in ihrem Endresultat ,, typische" Materialumlagerung vor sich gehen, da die einfache Zelle solid und nicht entsprechend der entwickelten Form ausgehöhlt ist. Von einem Entstehen der Semi- blastula durch Liegenbleiben des ,, Materiales der entsprechenden Zelle des Zweizellenstadiums", um welches es sich hier handelt, kann also wohl nicht die Rede sein. Ob diese typische Materialumlagerung blos während der einzelnen Zelltheilungen oder noch unter nachträg- lichen typischen Verschiebungen der bereits vollkommen ge- sonderten Zellen stattfindet, ist hier ohne Bedeutung. In dieser „typischen" Materialumlagerung zu einer höh- Gegen die Gleichheit der Furchungszellen. 877 len Halbkugel bekundet sich nach meiner Meinung siclier das Vermögen dieser einen Zelle eine wahre Halbbildung zu pro- duciren. "Wenn nach Driesch und Hertwk; jede der beiden ersten Furchungszellen beide einander ,, vollkommen" gleich sind, und es unter normalen Verhältnissen allein durch die Wech- selwirkung dieser beiden Zellen aufeinander bedingt ist, dass jede der Zellen blos eine halbe Morula hervorbringt, so müsste nach Tödtung oder nach Entfernung der einen von beiden Zellen, die andere sich sogleich zu einer ganzen Hohlkugel [615] entwickeln, wie es nach Wilson beim Amphioxns im gleichen Falle gescliieht (ohne dass jedoch aus letzterem Verhalten sicher zu folgern wäre, dass beim Amphioxus diese Zellen schon unter ,, normalen" Verhältnissen voll- kommen einander gleich wären; sondern dieses Verhalten kann auf frühzeitigerem Inthätigkeittreten von nicht durch die „Befruchtung", sondern erst durch den „Defect" acti- virtem Idioplasson, also des Reserveidioplasson, oder auch blos auf abnormer Verschiebung der Zellen beruhen ; s. u. S. 879 (und S. 832). Aus Driesch's angeblicher Berichtigung gewinnt der Leser weiter- hin den Eindruck, dass die für die Deutung der ersten Entwickelungs- vorgänge so wichtige Angabe, beim Seeigel entstehe aus dem halben Ei eine echte Semimorula von der Form einer ,,hohlen" Halbkugel, eine ihm von mir gemachte falsche Unterstellung sei ; denn die Nicht- hohlheit der Semimorula resp. Semiblastula ist die Grundlage seiner ganzen bezüghchen Erörterungen, ohne welche dieselben keinen Sinn haben; auch sagt er jetzt S. 304 direct: „Die Semimorula ist also ein als Form-in toto gar nicht gekennzeichnetes Gebilde". Um dem Leser die Möglichkeit zu einem eigenen Urtheile zu gewähren, habe ich Driesch's bezügliche Figuren 5 und 6 hier repro- ■duciren lassen und zwar nach den aus seiner Tafel ausgeschnittenen, dem Manuscripte beigefügten Originahen. Ein Blick auf diese Figuren wird über die Berechtigung des Begin- nens Driesch's belehren. Zudem hat Driesch früher (2, S. 167) gesagt: • ,,Die Furchung isolirter Furchungszellen des 2-Z eilen- 878 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchimgszellen etc. Stadiums von Echinus microtuherculatus ist also eine Halbbil- d ung , wie sie von Roux für operirte Froscheier beschrieben ■worden ist." Es war aber der Kernpunct meiner Beobachtungen, dass die [616] Semimorula des Frosches hohl war. Und vorher findet sich bei Driesch die Stelle, ,,5^/2 Stunden nach der Befruchtung beginnt das eigentliche Interesse des Versuches; indem nämlich im Sinne ab- soluter Selb stdiff er enzir ung die letzterwähnte Theilung eine typische Hälfte des S echzehnzellenstadiums, wie es oben Fis. 1. Fis. 5. Fig. 6. Nach Driesch reproducirt. (Fig. 1) dargestellt ist, in Erscheinung treten lässt". Diese Figur Driesgh's ist hier unter gleicher Nummer reproducirt und stellt die junge Morula mit grosser Furchungshöhle dar; also ist wohl zu vermutheu, dass die „typische Hälfte" davon auch hohl gewesen sei. Dbiesch sagt ferner: „der Halbkeim bot das Bild einer vielzelligen offenen Halbkugel dar, wenn auch die Mündung etwas verengt erschien". In seiner letzten Publication dagegen sagt er (1, S. 303); „Fig. 2 zeigt Bilder der Halb- furchung eines EcJiimts-Eies^ bei welcher von einer Semimorula,. d. h. einer Halbkugel gar keine Rede sein kann, und bei Sphaerechinus ist das immer s o" ^). 1) Ueber die Bedeutung dieses verschiedenen Verhaltens siehe meinen Aufsatz : Ueber die verschiedene Entwickelung isolirter erster Blastomeren. Arch. für Ent- wickelungsmechanik 1895, Bd. I, S. 596 u. f. Bedeutung der Semimorula. 879 Wenn Driesch diese iraliercn, thatsächlichen Angaben desavou- iren will und nach so deutlichen Aussprüchen und Abbildungen die Semimorula der Echinodermen als ,,ein als Form in toto gar nicht gekennzeichnetes Gebilde" bezeichnet, so weiss ich nicht, welche seiner anderen thatsächlichen Angaben wir als so sicher an- sehen dürfen, dass er sie nicht^ auch widerruft'). Und ich habe schon (S. 454 und 835) betont, dass das Vor- kommen solider, rundlicher Semimorulae ,, neben dem Vorkommen hohler halbkugelförmiger" für unsere Frage ohne Bedeutung ist; da die letstereBildung die tijpische, be- sondere gestaltende Kräfte hekundend e Form darstellt, statt welcher durch geringe Störungen der Thätigkeit dieser Kräfte, wie sie bei Halbbildungen leicht vorkommen können, die nichts besonderes repräsentirende, e r s t e r e , solide runde Form hervor- gehen kann. Wenn bei Amphioxus und Spaerechinus die ersten Furchungszellen etwas weniger fest aneinander haften als bei anderen Eiern, können geringe Erschütterungen stets die Bildung einer Semi- morula verhindern, auch wenn die Tendenz zu letzterer vorhanden ist. Für Driesch dagegen ist jetzt (2, S. 304) „die Halbkugel [das heisst die hohle halbkugelige Semimorula] ein in g e w^ i s s e m Sinne zufälliges Resultat", das dadurch entsteht, dass die Zellen der betreffenden Eier ,, weniger stark an einander gleiten" als in den an- deren Fällen , so dass sie an dem Orte liegen bleiben , w^o sie ent- standen sind. Es würde richtiger gewesen sein zu sagen: die annähernd kugelige solide Semimorula ist ein in gewissem Sinne zu- fälliges Resultat, welches dadurch entsteht, dass die Zellen durch abnormes A neinander gleiten von dem Orte hinweg gekommen sind, an den sie durch die, eine typische Halbbildung producirenden Kräfte hhigelagert worden wären. Um sich von der Nothwendig- k ei t besonderer, gestaltener resp. ordnen der Kräfte bei der 1) Driesch theilt neuerdings mit (Analytische Theorie der Entwickelung, 1894), dass er nicht diese Thatsachen in Abrede stellen, sondern ihnen blos eine andere Deutung als früher beilegen Avollte. 880 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Production einer „hohlen" Halbkugel aus emer soliden, sich wiederliolt theilenden abgerundeten Halbkugel (wie Fig. 6 linke Hälfte) zu überzeugen, empfehle ich Driesch, aus Thon diese Vor- gänge nachzumodelliren und zu [617] versuchen, zu welchem Resultat er allein mit dem Mechanismus [atypisch gerichteter] Halbirung und Abrundung der Stücke gelangt^). Aber wenn auch Driesch das wesentlichste Characteristicum der Semimorula resp- Semiblastula , die halbe Kugelschalenform jetzt in Abrede stellt, so bleibt doch noch die gleichzeitige und vollkommen selbständige, ebenfalls auf Echinodermen (Echinus microtuberculatus) bezügliche Beobachtung von K. Fiedler (4), welcher aus einer der beiden ersten Furchungszellen, noch dazu nach vollkommener Entfer- nung der and eren Zelle, in zwei Fällen je eine ,, halbe Blastula" gewonnen hat, von der er sagt: ,,die überlebende der beiden ersten ßlastomeren lieferte eine aus zahlreichen kleinen Zellen bestehende ,, hohle Halbkugel". Die anfangs weite ,,Oeffuung" verengte sich nach einigen Stunden zusehends, worauf leider Absterben eintrat"^). Die Umdeutung, welche Driesch zu Gunsten seiner Auffassung mit den Ergebnissen L Chabry's an Ascidien vorgenommen hat, ist bereits von D. Bärfurth als unzutreffend (5) dargelegt worden. Ebenso rasch fertig wie hier mit Thatsachen ist Driesch auch auf theoretischem Gebiete, welches wir jetzt betreten. Die Argumen- tationen des Gegners bezeichnet er einfach als unzutreffend und er- setzt ■ den Mangel an Beweisen dafür sowohl wie für seine eigene Auffassung durch apodictisch geformte Aeusserungen. Er engagirt 1) Genaueres siehe in der auf S. 878 Anni. citirten Abhandlung. 2)Neuerdings(s.S.879Anm.,S. 17— 19) führt D. die Thatsache,dass aus einzelnen der beiden ersten Blastomeren des Seeigels resp. aus Achterzellen des Amphioxus (Wilson) Theilbildungen, halbe resp. Achter-Klastulae hervorgehen, auf „Störung" der normalen Entwickeluug dieser Zellen zurück. Dagegen Avird die Ganzfurchung und Ganz-Entwickelung von Eitheilen als das Normale bezeichnet; während die Bildung desjenigen, was im normalen ganzen Ei, also unter wirklich normalen Verhältnissen aus diesen Eitheilen hervorgeht, sofern diese Bildung in den isolirten Eitheilen stattfindet, als Folge von Störung, von Hindernissen aufgefasst wird. Damit ist dann der wirkliche Thatbestand umgekehrt. Selbstdifferenzirung. 881 sich überhaupt noch viel zu sehr für Unbekanntes durch bestimmte Aussprüche über dasselbe ^). ^^on zahlreichen, auf zu flüchtiger Redaction beruhenden Unzu- treffendheiten im Ausdruck, welche Driesch's Publicationen , besonders für einen Gegner seiner Auffassungen trotz nicht zu condensirter Darstellung und übersichtlicher Anordnung des Stoffes, schwerver- ständlich machen und viel guten Willen sowie reichliche Zuthat eigenen Salzes seitens des gewissenhaften Lesers erfordern, um nicht zahlreiche Widersprüche in ihnen zu finden, sowie von nebensächlichen unrich- tigen Reproductionen meiner Auffassungen sehe ich ab und begnüge mich, die Puncte zu erörtern, denen ein allgemeineres Interesse zu- kommt. Aus den Beobachtungen von Pflüger, mir und Driesch, dass durch Druck auf das sich theilende Ei und aus Driesch's eigener Wahrnehmung, dass auch durch Einwirkung abnormer Wärme auf das Ei die Furchung in abnorme Bahnen gelenkt werden kann, folgert Driesch (Nr. 2, S. 55) jetzt, im Gegensatz zu seiner früheren Meinung, dass „die normale Furchung keine Selbstdifferenzirung(R,oux) ist". Dies Urtheil beruht auf ungenügender Kenntniss der von mir gegebenen Definition des Begriffes der „Selbstdifferenzirung". Da ich wiederholt bemerkt habe, dass die richtige Anwendung dieses, i) Diese Einwendungen gelten auch noch für die neueren Schriften dieses be- gabten und eifrigen jungen Forschers. Quellen fortgesetzter Missverständnisse scheinen bei seinen Abhandlungen und bei ihm selber einerseits aus seiner trotz schroffer Form nicht selten unbestimmten mehrdeutigen Diction und andererseits daraus zu fliessen, dass er noch zu sehr von seinen eigenen Gedanken in Anspruch genommen ist, um fremde Gedanken leicht aufnehmen und im fremden Sinne beurtheilen zu können, und dass ihm schon kleine Unterschiede von seinen Auffassungen so erheblich erscheinen, dass er darüber das Uebereinstimmende nicht bemerkt. Bezüglich einiger Einzelheiten siehe I, S. 377, 11,^. 455 Anm. 2; einige wesentliche Diflferenzpuncte sind in Nr. 33 näher behandelt. Gegenüber der auffallenden, auch von 0. Hertwig reproducirten Angabe, dass ich für die normale Entwickelung keine „differenzir enden Correlationen" der Theile annähme, sei auf die im Sachregister vermerkten Stellen verwiesen, iu denen über dieselben verhandelt wird und wo sogar von regulatorischen ge- staltenden Correlationen für die noch als normal bezeichnete Entwickelung (s. Nr. 31 S. 279) Gebrauch gemacht Avird. Zudem trennen diese Autoren typische und atypische Entwickelung nicht oder nicht genügend und müssten daher im Gegen- theil noch die von mir für die atypische Entwickelung angenommenen differenzirenden und regulatorischen Correlationen mit heranziehen. W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. 56 882 Nr. 28. lieber die Specification der Furchungszellen etc. für unsere causaleu Forschungen nothwendigen Begriffes einige Schwie- rigkeiten in sich birgt, so will ich ihn hier nochmals erläutern. Das Wort Selbstdiifereiiziruiig und sein Gegentheil die abhängige Differenzirung beziehen sich auf den Sitz der Veränderungssursachen [618] eines räumlich oder blos in Gedanken abgegrenzten, sich verändernden Gebildes. Liegen die Ursachen dieser Veränderungen in dem so abgegrenzten Gebilde selber, so bezeichne ich die Veränderung als Selbstdiff erenziruug ,, dieses Gebildes", und zwar dies auch dann, wenn zu dieser Veränderung die Zufuhr von Energie, sei es in Form von Wärme, Sauerstoff, flüssiger oder fester Nahrung etc., von aussen her nöthig ist, sofern nur durch diese Zufuhr nicht die Art und Oertlichkeit der Gestaltung bestimmt wird (s. S. 821). Der Ausdruck SeJhstdifferensirung soll sich hlos auf die ^,speci fischen''' Ursachen der Veränderung , auf die Ursachen der Art und Oertlichkeit ev. auch der Zeit und Intensität der Veränderung eines Gebildes beziehen (s. S. 908). Werden diese Eigenschaften der Veränderung nicht durch diese Zufuhr von aussen bestimmt, so stellt diese Zufuhr blos eine, vielleicht unerlässliche, Vorbedingung der Veränderung, aber nicht die spe- cifische Ursache derselben dar; diese Zufuhr kann alsdann auch schon lange vorher stattgefunden haben, ohne dass die Verände- rung stattfindet. Ich habe nun früher gezeigt, dass die aus typisch gestaltenden und qualitativ sondernden Vorgängen sich zusammensetzende normale Furchung beim Frosch eie auch dann normal verläuft, wenn das Ei auf einer senkrecht stehenden, langsam rotirenden Scheibe fixirt ist, so dass also Schwerkraft, Erdmagnetismus, Licht- und Wärmestrahlen in stetig wechselnder Richtung auf das Ei wirken, also keine typisch gestaltenden Wirkungen an ihm hervorbringen können. Es sind somit zum normalen Verlaufe der Furchung keine gestaltenden äusseren Einwirkungen nöthig; die n o r m a 1 e F u r c h u n g d e s E i e s ist daher als Selbstdiff erenzirung zu bezeichnen, ob- gleich z. B. ein gewisses Maass von Wärmezufuhr unerlässliche Vor- bedingung ist. Der normale Ablauf der Furchung ist ferner abhängig Selbstdifferenzirung. 883 von der normalen Gestalt des Eies (s. S. 303); da das Ei diese früher erlangte Gestalt aber gleichfalls ohne äussere gestalt- tende Einwirkungen einhält, sind solche wiederum zur normalen Furchung nicht nöthig; die normale Furchung ist also Selbst- differenzirung des Eies. Daraus aber, dass Druck und höhere Wärme den gestalt- lichen und damit vielleicht auch qualitativen Verlauf der Furchung zu ändern vermögen, kann nicht geschlossen werden, dass die specifischen Ursachen der ,, normalen", gestalt- lichen und qualitativ sondernden Vorgänge der Furch ung „nicht" im Eie selbst gelegen seien. Driesch's Widerspruch ist somit hinfällig. Wenn man von Seih stdifferenzirung spricht, muss man immer das Ganze oder den TJieil nennen, auf w eichen sich die Aeiisserung bezieht. Man kann nicht sagen: ,,die Ent- wickelung ist Selbstdifferenzirung", denn diese Aeusserung bezieht sich nicht auf ein abgegrenztes Gebilde oder Stück, sondern auf die Vorgänge der Entwickelung; jede Ent wickeln ng ist Ver- ändern n g ; und jede Veränderung beruht auf Wechsel- wirkung, da nichts seinen Zustand von selbst ändern kann (s. S. 14 und 822). Es ist daher auch nicht richtig ausgedrückt, wennDRiEscH, angeblich um mir zu opponiren, (Nr. 1, S. 303) sagt: „die directe (seil, nor- male) ,, Entwickelung" ist keine Selbstdifferenzirung sondern correlative Differenzirung" ; [619] er hätte sagen müssen: die directe Entwickelung (NB. des Eies) ist keine Selbstdifferenzirung der einzelnen Blasto- meren; oder wenn seine Opposition eine allgemeine sein soll, hätte sie lauten müssen: bei der directen Entwickelung des Eies kommt keine Selbstdifferenzirung einzelner Zellen oder Zellcomplexe vor. Das würde dann im Sinne von 0. Hertwig heissen: Die directe Ent- wickelung des Eies findet nur unter Wechselwirkungen aller Zellen desselben unter einander statt. Es ist ferner nicht zweckmässig und muss zu Missverständnissen führen, dass Driesgh fortfährt, entgegen dem Sprachgebrauche die aus einem halben Ei hervorgegangenen ,,ganzen" Embryonen als Theil- 56* 884 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. bildungen zu bezeichnen, zumal nachdem ich dem Sprachgebrauche entsprechend als „Theilbildungen" (Meroplasten) halbe, Viertel- und Dreiviertelembryonen bezeichnet habe (S. 792). Man nennt nicht ein „ganzes fertiges" Haus, das aber blos aus der Hälfte des ursprünglich dazu be- stimmten Materiales erbaut ist, ein Theilge bilde, ein Th eil ha US. Die von mir eingeführten Bezeichnungen Halbei-Ganz- bildungen (Hemioohololasten) , Dreiviertelei-Ganzbildungen sind voll- kommen bezeichnend und schliessen daher jedes Missverständniss aus. Ich werde daher bei ihrer Verwendung verbleiben und glaube, dass die Verwirrungen, die durch Driesch's Bezeichnungsweise ent- stehen, ihm zur Last fallen. [Als allgemeinen Namen für die aus „ T h e i 1 e n" eines Eies entstehenden Gebilde empfehle ich die Bezeichnung Eitheil-Gebilde, z. B. Eitheil-Gastrulae, Ei theil- Embryonen. Diese können sein (s. S. 792): a) Theilgebilde , Meroplasten: z. B. Halbbildungen, Viertel- bildungen, Dreiviertelbildungen, und zwar Halbgastrulae, Halb- embryonen etc., b) G a n z b i 1 d u n g e n : z. B. Halbei-Ganzbildungen , Viertelei- Ganzbildung. Diese Ganzbildungen können nachträglich aus Halbbildungen durch Postgeneration hervorgehen, oder viel- leicht auch bei einigen Thieren sogleich primär entstehen (siehe hierüber Roux Arch. f. Entwickelungsmechanik Bd. I, S. 597 u. f.)l. Die hauptsächlichste theoretische Differenz zwischen Driesch sowie 0. Hertwig einerseits und mir andererseits besteht darin, dass erstere Autoren behaupten, die ersten (8 resp. 16 oder 32) Furchungszellen seien in ihrem Wesentlichen vollkommen gleichwerthig, nur in Unwesentlichem von einander ein wenig verschieden; jede gliche also wesentlich noch der ganzen Eizelle. Driesch folgert dies daraus, dass aus jeder einzelnen der 2 resp. 4 ersten Furchungszellen in Folge Tödtung oder Entfernung der anderen Bildung gleicher Producte durch verschiedene Vorgänge. 885 Blastomereu (aber, wie wir sahen, meist erst nach vorgängiger Pro- ductiou einer deuthehen Halbbildung) gleichwohl ein ganzes Indi- viduum entsteht; besonders aber leitet er dasselbe aus seinen jüngsten Versuchen ab, in welchen durch Pressen von Echinodermen- eiern während der ersten Furchungen die Furchungskugeln , wie er angiebt, so abnorm gelagert waren, dass unter vielen Ver- suchen jede Zelle neben jeder anderen zu liegen kam [?] , mit dem Er- folg , dass gleichwohl daraus eine normal gestaltete Pluteuslarve entstand. Driesch nimmt auf Grund dieses normal gestalteten ,,Pro- ductes" ohne jeden Beweis als selbstverständlich an, dass auch die „Bildungsweise" desselben die normale sei, dass also die uns unbekannten inneren Vorgänge bei dieser Entwickelung mit den Vorgängen bei der normalen Entwickelung im Wesen identisch seien. Er thut dies, obgleich es genügend bekannt ist, dass gleichgestaltete Producte auf verschiedenen Wegen hervorgebracht wer- den können, dass z. B. bei der Regeneration nach Selbsttheilung er- [620] wachsener Thiere oder nach künstlichem Defect derselben, von bereits Dif f erenzirtem aus die fehlenden Tlieile wieder und daher nothwendiger Weise unter wesentlich anderen Vorgängen producirt werden, als bei der Entwickelung aus dem nicht differen- zirten Ei (s. S. 52 und 93) ; eine Thatsache, die mich zur Unterschei- dung zweier Entwickelungsarten (S, 812 u. 843) veranlasst hat: der directen s. typischen, bei den höheren Organismen allein die normale Art darstellenden Entwickelung aus dem nicht erheblich sichtbar differenzirten Ei, und der indirecten s. atypischen s. regulatorischen Entwickelung oder der Entwickelung fehlen- der Theile eines* Organismus von l^ereits „entwickelten" T h e i 1 e n desselben aus. Wenn Driesch den Nachweis erbracht hätte, dass die Vorgänge dieser Gestaltungen wirklich die normalen seien (was aber nicht ohne die Ermittelung dieser Vorgänge möglich gewesen wäre), so wäre sein und 0. Hertwig's Schluss, dass die ersten 8 — 32 Furch ungsz eilen nicht specifisch differenzirt, sondern gleichwerthig seien, vielleicht als zutreffend zu bezeichnen. Nr. '28. üeber die Specification der Furchungszellen etc. Dann bliebe aber absolut unverständlich, dass ich schon vor der ersten Furchung am normal gehaltenen Froschei alle Haupt- richtungen des Embryo sicher vorausbestimmen konnte, und dass bei Operationen am zweigetheilten Froschei nach Zerstörung der von mir als rechte oder linke, bei Anachronismen als cephale oder caudale Furchungszelle erkannten Zelle stets, wie vorausgesagt, ein linker resp. rechter, c au dal er resp. cephaler halber Embryo entstand. Dass ich dies mit Sicherheit voraussagen konnte, beweist, von allen anderen Argumenten abgesehen, ab- solut sicher, dass diese Bestimmungen bereits getroffen waren, dass also schon die beiden ersten Theilzellen des Eies nicht mehr ,,gleichwerthig" w^aren. Es ist selten, dass die Beweiskraft so unwiderleglicher Argu- mente nicht erkannt wird. Warum entstand ferner nicht ein einziges Mal ein schief zu den Hauptrichtungen abgegrenzter halber Embryo? Ja, was müsste überhaupt aus einer typischen halben, hohlen Semimorula, die sich nicht schliesst, entstehen, wenn alle Zellen derselben gleich- wie r t h i g sind ? Sehen wir für jetzt davon ab, dass es noch ganz unbekannt ist, welche wahre Bedeutung die unter „starken" Deforma- tionen des Eies gebildeten Furchungszellen in ihrem ,,acti- virten" Idioplasson zu dem activirten Idioplasson (s. S. 830) der normalen Furchungszellen der Stadien mit gleicher Zellen- zahl haben, — für etwas geringere Deformationen habe ich nachgewiesen (Nr. 20 u. 29 und S. 838), dass eine der drei ersten Furchen noch der Medianebene entspricht — so wäre es die Hauptaufgabe Driesch's zur Stütze seiner Auffassung gewesen zu be- weisen , oder zum Mindesten auf Grund von Thatsachen wahrscheinlich zumachen, dass die Entwickelungs Vorgänge die normalen seien; ohne dieses stehen alle seine, in apodictischer Form geäusserten Folgerungen vollkommen in der Luft; sie beruhen auf einer petitio principii. [621] Driesch begnügt sich jedoch damit, für die von mir und Chun aus halben Frosch- und Ctenophoren - Eiern erhaltenen halben I ActiviruDg der regulatorischen Entwickelung. 887 Embryonen eine Ableitung /ai versuchen, die, wie früher gezeigt wurde, an sich schon hinfälhg ist und selbst, wenn sie für diese Thiere zu- treffend wäre, auf mein Hemitherium anterius des Kalbes (s. S. 827) und auf die Halbbildungen von Echinus und von Ascidien (C'habry) nicht anwendbar wäre. Der Versuch , die Echinodermen- Halbbildungen auf die oben dargelegte Weise zu beseitigen, ist ebenso missglückt wie derjenige, die Halbbildungen der Ascidien auf dem Wege der Umdeutung zu eliminiren ^). Ich vertrete dagegen die Ansicht (S. 830 u. f.), dass bei ah- normen Verhältnissen halber oder stark gepresster, wie durch manche chemische Mittel, z. B. Borsäure^), Strychnin (Roux) geschädigter Eier früher oder später „ahnorme Bildungs- vorgänge stattfinden'-'', Gestaltungs Vorgänge, die nicht durch die „Befruchtung" als solche veranlasst sind, sondern welche mehr oder weniger mit Vorgängen übereinstimmen, die bei der Re- und Postgeneration vorkommen und durch den De- fect resp. durch die „Störung^' der normalen „Änordmtng''' aus- gelöst werden, Vorgänge, bei denen somit idioplastisches Ma- terial activirt wird und in herrschende Thätigheit tritt, das [1) Desgleichen kommt, Avie ich Arch. f. Entwickelungsmechanik Bd. I, S. 598 u. f. dargethan habe, den Versuchen Driesch's (Arch. f. Entwickelungsmech. Bd. I, S. 398) an Ascidien eine solche vermeintliche, die Angaben Chabry's widerlegende Bedeutung nicht zu.] [2) Im Jahre 1889 prüfte ich Arzneimittel am Embryo, besonders die sogenannten Plastica, um ein das Wachsthum anregendes Mittel zu finden und dies zur Erzeugung von Missbildungen und zum Studium der dabei gestörten gestaltenden Correlationen anzuwenden. Darüber ist bis jetzt blos eine mit Demonstration von microscopischen Präpa- raten verbundene Mittheilung auf der Naturforscherversammlung zu Wien publicirt worden, dei-en kurzer (unvollständiger) Bericht lautet (Verh. d. Ges. deutsch. Naturf. und Aerzte 1893,''Theil 2, Bd. II, S. 364): ,An der Gastrula bewirkt die Borsäure Rundung der Zellen der „Medullar- platte" (Framboisia minor, Roux) mit nachfolgendem Abfall des Epithels derselben. Doch gelang es nicht, Embryonen ohne Centralnervensystem zu erzeugen, da Regene- ration eintrat. Nach Schluss des Medullarrohres angewendet, bewirkte die Borsäure- (resp. Borax-)lösung Wachsthum des Riechepithels, statt nach innen, nach aussen, so dass die Geruchsorgane an derStirne teleoscopisch vorspringen. Ausserdem schädigt sie die Bildung des Blutes und der Kopfsomiten und stört be- sonders die Zellkerne". Die ausführliche Publication wird im Archiv f. Entwickelungsmechanik erfolgen.] 888 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. hei der normalen Enttvichelung nur in minimaler, reguli- render Weise tliätig ist (s. S. 663, 667, 669, Nr. 31, S. 279). Wir haben ersteren Falles typisch ausgebildete, unzweifelhafte Halbbildungen, die auf einem, bei den einen Thieren früheren, bei den anderen späteren Stadium auf ein Mal beginnen, sich zu einem Ganzen zu completiren: ob das zunächst blos durch nachträgliche ZJmlagerung und entsprechend nöthige Umdifferensirung oder auch sogleich mitunter Proli- feration Yon Zellen geschieht, macht keinen wesentlichen Unterschied; diese Umlagerungen und Umdiff erenzirungen müssen stets zusammen vorkommen und sind das Wesentlichste des Geschehens, ja bei der Regeneration der Hydra und der Post- generation des Seeigels das ganz oder fast ganz Ausschliessliche; die gleichzeitige Vermehrung von Zellen, die Proliferation, kann daher nur als ein dabei qualitativ nicht wesentlicher Nebenvorgang betrachtet werden (s. S. 836 u. f.). Driesch, der, wie sich inzwischen gezeigt hat, ebenfalls die Ent- stehung von Ganzbildungen aus Furchungsbruchtheilen unter die Gesichtspuncte der ümlagerung und Proliferation gebracht hat, ver- steht jedoch darunter erheblich Anderes als ich, so dass unsere Diffe- renz nicht, wie er meint, blos eine scheinbareist. Driesch erklärt nämlich diese beiden Vorgänge als principiell verschieden und nimmt an, die Ganzbildung, aus Furchungsbruchtheilen durch Ümlage- rung käme blos bei den einen (Echinodermen, Ascidien, Amphi- oxus), die Postgeneration durch Prolife ration bei den anderen Thieren (Frosch, Ctenophoren) vor; und die Ergänzung durch Ümlagerung rechnet er, wie sich aus seinen weiteren Folge- rungen ergiebt, willkürlich zur normalen s. typischen Ent- wickeln ng. [622] Der Gegensatz zwischen den beiderseitigen Ansichten wird noch dadurch illustrirt, dass Driesch auch beim Amphioxus die Halbei Ganzbildung durch ümlagerung entstehen lässt, obgleich er Wilson's Angabe annimmt, dass bei Amphioxus aus dem halben Ei gar nicht zuerst eine Halbbildung intendirt werde, sondern von der ersten Theilung der Halbeizelle an die Zellordnung einer ganzen Activirung der regulatorischen Entwickelung. Morula vorhanden sei, so dass eine nachträgliehe Umordnung der ge- bildeten Zellen gar nicht nöthig wäre. Dasselbe Geschehen wie bei Amphioxus nimmt Driesch, da er jetzt die Halbbildung, die ächte Semimorula der Echinodermen verleugnet, auch für diese an. Wir beide verwenden also dieselben Bezeichnungen in wesentlich verschie- dener Weise. Driesgh's ,, Umordnung" dieser Furchungszellen ist ein ,,melir zufälliger Act", ein ,, stärkeres Gleiten der Zellen an einander", wodurch ein rundlicher Zellhaufen entsteht und wodurch allein nach Driesch's Auffassung schon die Bedingung zu einer Ganz- bildung gegeben ist. Nach meiner Auffassung handelt es sich dagegen bei dem Schluss der Semimorula oder Semiblastula ebenso wie des Hemi- embryo um ein in Thätigkeittreten ganz neuer, durch die Wirkung des Defectes activirter Gestaltungsmechanis- men, oder mit anderen Worten um Thätigwerden des Post- und Regenerationsplasson s. Reserveidioplasson ; und es müssen dabei mit der Umordnung der Zellen entsprechende innere, eventuell auch äussere Umdif f erenzirungen der bisher activen Theile stattfinden. Das Wesentliche der Verschiedenheiten der beider- seitigen Auffassungen wird besonders deutlich, w^enn wir die Consequenzen derselben ziehen: Nach Driesch müsste aus der hohlen Semimorula des Frosches, wenn wir ihren Defectrand durch Zusammenlegen auch nur passiv geschlossen und auf diese Weise eine in Driesch's Sinne ganze Morula aus der halben gemacht hätten, diese letztere sich in Folge der jetzigen Lage der Zellen zu einander ohne Weiteres zu einer ganzen Gastrula und einem ganzen Embryo entwickeln. Nach meiner Meinung dagegen würde daraus ein halber Em- bryo mit zusammengelegtem Defectrande entstehen, sofern nicht inzwischen die Postgenerationsmechanismen thätig geworden sind. Schliesst dagegen eine typische hohle Semimorula oder Semi- blastula auf ein Mal ihren Defectrand von selber, so ist das nach ineiner Meinung schon der Ausdruck der geweckten Postgenerations- thätigkeit. 890 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Wäre aber der scheinbare Selbstsehluss nach Driesch blos durch ein zufäUiges capillares Zusammengleiten der Zellen (das viel- leicht durch zeitweiliges Einbringen in ein geeignetes Mittel wie 1 proc. Kochsalzlösung auch künstlich veranlasst werden kann), bedingt, so entstünde, wenn nicht die Postgenerationsmecha- nismen geweckt werden , nach meiner Meinung ebenfalls nur ein [in seiner Bildung etwas gestörter] Hemiembryo mit zusammengelegtem Defectrand, nicht ein ganzer Embryo. Driesch lässt unter den nach seiner Auffassung nicht specificirten, einander vollkommen gleichwerthigen ersten 8—16 oder 32 Furchungszellen durch Entstehung etwas stärker gespannter Zellen oder einer sonstigen physikalischen Ungleichheit eine Differenz eintreten und [623] damit erst Richtung in das bisher richtungslose Geschehen kommen; und von dieser nach seiner eigenen jNIeinung ,, unwesentlichen" protoplasmatischen ^) Veränderung geht nun das ganze gerichtete Geschehen der Bildung des Embrj^o aus, indem es dabei vollkommen von der Lage aller Zellen zu diesen zuerst diffe- renzirten Zellen abhängt, was aus jeder wird. Driesch bezieht sich dabei auf rechtwinkelige also feste Coordinaten, so dass geradezu die räumliche Lage der Zellen zu einander als solche und damit die ,, Gestalt des ganzen Zellcomplexes'', die Gesammtconfigu- ration des Gebildes von wesentlichster Bedeutung für die Gestaltungs- und Differenzirungsvorgänge desselben wäre. 1) Da man jetzt anfängt, ein Mal wieder die gestaltlichen Leistungen des Zellleibes bei der Entwickelung im Gegensatz zu denen des Kernes hervorzuheben, ja bereits zu überschätzen, so sei an die von mir ermittelten Thatsachen erinnert (s. Nr. 20 und 21), welche darauf hinweisen, dass die Hauptriclitungen des Embryo bei Zwangslage zum Theil durch die Gestalt sowie durch die An- ordnung der verschiedenen Arten des Protoplasma s bedingt sind, indem dasselbe nicht blos einstellend auf die Kernspindel wirkt, sondern, entsprechend der Längs- oder Querslellung der Spindel zur Symmetrierichtung des Protoplasmas, die qualitative Natur der ersten Kerntheilungen be- stimmt und so bewirkt, dass zum richtigen Protoplasma der Kopfseite auch das richtige Idioplasson des Kernes kommt. Zugleich aber erwiesen seltene Ausnahmen, dass dem Kernmaterial bei diesen Wechselwirkungen doch die grössere dif- Jerenzirende Bedeutung zukommen muss, da einige Mal die Kopfseite des Embryo nicht der normaler Weise entsprechenden Protoplasma- anhäufung zugewendet war, sondern 90° seitlich dazu oder noch seltener ge- radezu entgegengesetzt stand. Weiteres siehe Nr. 30. A Wirkung der Deformation bereits vielfach getheilter Eier. 891 Demnach könnten annähernd richtige Differenzirungen nur bei normaler äusserer Gestalt eines Gebildes vor sich gehen; und Driesch scheint zu glauben, mit dieser Betonung der eventuellen differenzirenden Bedeutung der Lage von Zellen zu anderen Zellen ein -wesentlich neues Gestaltungsprinci}) aufgestellt zu haben. Ich glaube jedoch, so weit dasselbe Richtiges enthält, ist es bereits von jedem vertreten worden, der einmal ernstlich über die Regeneration nachgedacht hat. Driesch kündigt eine ausführliche Abhandlung über seine bezüglichen Vorstellungen an. Ich sehe daher von einer Kritik seiner bisher vorliegenden kurzen Aeusserungen ab und werde nur Veranlassung nehmen, weiter unten meine ):)ezüglichen, auf die Thatsachen der Post- und Regeneration sich stützenden Auf- fassungen etwas ausführlicher darzulegen, als es bereits andeutungs- weise (S. 484 u. f.) in meiner Schilderung der Postgeneration der fehlenden Froschhälfte unter Verwendung des Materiales der getödteten Eihälfte geschehen ist. Zunächst seien einige Thatsachen in Erinne- rung gebracht resp. neu mitgetheilt. Ich habe schon im ersten Beitrag zur Entwickelungsmechanik (S. 187 u. 192) darauf hingewiesen und es danach weiterhin verfolgt (s. Nr. 29, S. 609), dass „nach'' der Furchung deformirte Eier trotz entsprechend abnormer Gestaltung des [624] Ganzen, von einigen localen, mechanisch erklärbaren Störungen abgesehen, einen inner- lich so wohl gebildeten Embryo liefern^ als iväre der Embryo erst „nach" seiner EntivicTielung allmählich jpassiv zu seiner jetzigen äusseren Gestalt deformirt ivorden. Ich werde die bezüglichen Versuche ausführlicher darstellen. Aus ihnen geht her- vor, da.ss eine derartige differenzirende Wirkung der räumlichen Lage der Zellen, wie sie Driesch anzunehmen scheint, nicht besteht, sondern dass die richtigen Differenzirungen wesentlich von Wir- kungen per continuitatem et contiguitatem, also von „Nachhar- srhafts Wirkungen"' ah hängen. Gegen erstere Auffassung von derWirkung der Gesammt- gestalt vielzelliger Gebilde auf die Differenzirung derselben spricht auch, wie ich schon (S. 859) erwähnt habe, die grosse Gruppe derjenigen Doppelbildungen, welche dem von mir 892 Nr. 28. lieber die Specification der Furchungszellen etc. formulirten Gesetze der doppelten Symmetrie der Orgaii- anlagen folgen, indem hier in jedem der beiden mit einander ver- schmolzenen Individualgebilde alle Organe bis zur Vereinigungs ebene so normal gestaltet sind, wie an einem normalen Individuum, welchem erst nachträglich die fehlenden Theile abgeschnitten wurden ; ein Verhalten, in welchem [von den Wirkungen der functionellen An- passung natürlich abgesehen] keine Wechselwirkung der entfernten Theile beider so ausgedehnt mit einander vereinigter unvollkommener Individualanlagen zu einem Ganzen erkennbar ist, sondern nach welchem vielmehr jedes unvollkommene Individuum sich im Wesentlichen für sich entwickelt zu haben scheint. Ehe ich zur Darlegung meiner eigenen Argumentation in Sachen der behandelten Hauptfrage übergehe, sei noch ein unrichtiger Schluss Driesch's zurückgewiesen. Driesch schliesst folgendermassen (Nr. 2, S. 301): ,,Der Satz Roux', dass die directe normale Entwickelung in den ersten Stadien durch S e 1 b s t d i f f e r e n z i r u n g der ersten Für chungsz eilen charakterisirt ist, ist widerlegt durch die Ver- lagerung der Furchungszellen mit nachfolgender normaler Ent- wickelung". (Driesch musste richtiger sagen: mit nachfolgender Lie- ferung späterer normal gestalteter Producte.) Da Driesch jedoch jetzt selber die sichere Thatsache der Ent- stehung halber Frosch- und C* t e n o p h o r e n - E m b r y o n e n aus halben Eiern nicht mehr bestreitet und er auch nicht mit Pflüger annimmt, dass diese Gestaltung der Embryonen durch von aussen einwirkende Kräfte erfolge , so muss er auch zugeben , dass die gestaltenden Kräfte zur Bildung des halben Embryo in dem halben Ei vorhanden sein müssen ; also muss auch nach Driesch's Auffassung die Entwickelung dieser isolirten halben Eier ,,Selbst- diff erenzirung" derselben sein. Driesch's Widerspruch gegen meine Auffassung schliesst also einen logischen Widerspruch ein. Auf Grund dieses irrthümlichen Schlusses folgert Driesch nun weiter: ,,Ist aber die directe Entwickelung in ihrem Beginne keine Selbstdifferenzirung sondern correlative Differenzirung (zu ergänzen ist : der ersten Furchungs- [625] zellen, s. o. S. 883), dann fällt auch jeder (!) Mängel der Auffassungen 0. Hertwic's und H. Driesch's. 893 Unterschied zwischen ihr und der Totogeneration beim Seeigel, Ani- phioxus, Ascidie und Siphonophore weg". Diese Totogeneration lässt Driesch durch die oben erwähnte mehr „zufällige" Umlagerung der einander angeblich gleichwerthigen Furchungszellen zu einem rundlichem Zellhaufen mit nachfolgenden differenzircnden Wechsel- wirkungen entstehen. Selbst w^enn die directe Entwickelung wirklich keine Selbst- differenzirung der ersten Furchungszellen wäre, woraus folgert Driesch, dass dann auch jeder Unterschied zwischen ihr und der von ihm angenommenen Art der Totogeneration wegfällt? Driesch müsste, nach Eliminirung des oben nachgewiesenen logischen Widerspruches , von seinem Standpuncte aus sagen : blos isolirte erste Furchungszellen entwickeln sich durch Selbstdifferen- zirung, die sich berührenden aber nicht ; sondern bei diesen geschieht die Entwdckelung blos durch gestaltende Wechselwirkungen aller Zellen unter einander. Dabei müsste er also für die Ent- wickelung der „isolirten" Blastomeren zu Körperstücken einen ganz neuen, von der normalen Entwickelung durchaus abweichenden Modus annehmen^); und dazu käme als dritter besonderer Modus derjenige der nachträglichen Postgeneration dieser Stücke des Frosch- und Ctenophorenembryo zu ganzen Em- bryonen. Driesch's Auffassung erweist sich also, in ihre Conse- cpenzen verfolgt, auch nicht als eine Vereinfachung. Den Modus der Entwickelung einzelner Blastomeren zu Körper- stücken denkt sich Driesch allerdings überaus einfach. Er sagt (Nr. 1, S. 306): „Bei Frosch und Ctenophore ist die Blastula eine Halbkugel, die eine Ordinate ist ein Durchmesser, die andere ist d^r auf ihr senkrechte Radius: daher bildet sich hier ein Halbembryo, denn in der anderen Hälfte des Ordi- natenfeldes liegt gar kein Material, auf das dieses bestim- mend w^irken könne". Gewiss eine sehr einfache Art des Ent- [1) Dies ist ein Argument, auf welches ich besonderen Werth lege, da ich es nicht für Avahrscheinlich halte, dass dieser neue Bildungsmodus ein so einfacher sein könne, wie ihn Driesch sich vorstellt, wenn auch die Auslösung desselben auf einfachen Verhältnissen beruhen kann (siehe Nr. 33, das „Nachwort").] 894 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Stehens eines halben Organismus, welche aber wohl auf einer entweder zu einfachen oder zu früh resignirenden Auffassung von der Ent- wickelung beruht. II. üeber die bei der Re- uud Postgeiieration nach Defecten und nach „sonstigen Störungen" anzunelimeuden regulatorischen Mechanismen und dilferenzirenden AVechselwirkungen. [656] Es sei nun meine Argumentation dem Leser zur Beur- theilung dargelegt; ich werde mich dabei nur über die bei der Re- und Postgeueration im Allgemeinen anzunehmenden Mechanismen etwas ausführlicher verbreiten. In früheren und späteren meiner Arbeiten habe ich wiederholt die Probleme der Re- und Postgeneration berührt und mich in kurzen Bemerkungen über die dabei nöthigen Vorgänge ausgesprochen (s. S. 484 u. f.). Da ich jedoch nicht gerne mehr Hypothesen ausspreche, als für den gerade vorliegenden Zweck un- bedingt nöthig ist, so habe ich es bisher unterlassen, meine bezüglichen hypothetischen Auffassungen ausführ- licher darzustellen. Jetzt dagegen ist es durch den Widerspruch O. Hertwig's und H. Driesch's gegen die Deutung meiner Versuchsergebnisse nöthig geworden, die Verschiedenheit der beiderseitigen Meinungen bis in ziemlich ferne Consequenzen hinein zu verfolgen, und dabei besonders auch die Mechanismen der Regeneration zu berücksichtigen. Ich argumentire: da sich bei Fröschen, Ctenophoren, Ascidien und einem Seeigel die isollrten ersten Furchungszellen zu einzelnen Stücken des Emhryo entivicheln Itöiinen^ so ist zu vermiithen, dass sie dies auch unter normalen Verhält- nissen, d. h. tvenn alle Furchungszellen in nornialet' Weise heisammen sind, thun'^). [1) Dass die Entwickelung der isolirten Halbei-Blastomeren zu Halbembryonen unter den normalen Vorgängen sich vollzieht, dafür spricht, dass dabei aus jeder weiteren Theilzelle dieser Elastomere dasselbe Stück des Embryo hervor- geht, welches bei der normalen Entwickelung des ganzen Eies aus dieser gleichen Zelle gebildet wird.l Activirung der regulatorischen Entwickelung. 895 Dass bei den einen dieser Tliiere früher, bei den anderen erst später die Ergänzung der Theilbildung beginnt, beruht auf früherer resp. späterer, durch den Defect bedingter erfolgreicher Activirung der Postgenerationsmechanismen. Die Thatsache der von mir beschriebenen Postgeneration steht über jedem Zweifel^). Es scheint mir nach den obigen Darlegungen passender, dass wir aucli die Ergänzung der typischen Halbbildungen der Ecliino- dermen und Ascidien nicht nach Driesch blos auf zufälliges stärkeres Aneinandergleiten von Zellen, sondern auf Postgeneration , als Aus- druck der Thätigkeit auf die nachträgliche Herstellung des Ganzen gerichtete Mechanismen, zurückführen, [657] obschon die Ergänzung hier bereits auf der Blastulastufe stattfindet und mit dem Schluss der Defectränder beginnt. Für diese Annahme spricht besonders, dass dieselbe Art der Ergänzung, welche mit dem Schluss der Defectränder unter Bildung einer Blase beginnt, nach Nussbaum auch bei der Regeneration zerschnittener erwachsener Hydrae stattfindet^). Dass Driesgh neuerdings (nach privater Mittheilung) auch aus den acht unteren und aus den acht oberen Zellen des 16zelligen Echinodermen-Keimes eine ganze Gastrula erhielt, beweist weder für noch gegen die Specificität des entwickelten Theiles dieser Zellen etwas; sondern es bekundet nur, dass diese Zellen noch Voll-Post- generationsplasson enthalten. Ich habe nun weiterhin fi-üher (S. 834 und 795) bereits die 1) Der Umstand, dass 0. Hertwig die Postgeneration der Froschembryonen ebenso wie die vorher vorhandenen Halbbildungen nicht hat sehen können (s. Nr. 31), beruht nur darauf, dass er letztere verpasst hat oder richtiger, dass er nicht darauf gepasst hat, indem seine täglichen Beobachtungen, wie ich erfahre, durch je eine 17 Stunden lange Pause unterbrochen waren (s. Nr. 31, ö. 255 Anm.). Und obschon seine Abbildungen unmittelbar zeigen, dass die von ihm erhaltenen, fast ganzen Embryonen nicht einem halben Ei, sondern fast dem ganzen Ei entsprechen, worauf so- gleich von mir darauf hingewiesen wurde (s. Nr. 31, S. 255), haben doch viele Autoren sich durch seine bezüglichen, unzutreffenden Angaben irrleiten lassen. [2) Eein zufälliges, also atypisches Gleiten der Zellen der halben hohlen Semiblastula würde wohl auch nicht einfach zum Schlüsse des Randes der Oeffnung unter Erhaltung der Hohlheit führen, sondern viele Zellen würden dabei in das Innere gelangen, und mannigfache Unregelmässigkeiten in der Dicke der Wandung würden entstehen.] 896 Nr. 28. lieber die Specification der Furchungszellen etc. Vermuthimg ausgesprochen, ohne ihr die Begründung beizufügen, dass ivesentlich dieselben Mechanismen wie hei der He- und Postgeneration ancli oline einen „Defecf"^ in Thätigkeit treten, wenn, sei es durch verzögerte Laichung, also durch innere Ursachen oder bei hochgradiger künstiicher Deformation der sich furchenden Eier, die Furchung hochgradig abnorm ver- laufen ist, derart, dass nicht zusammen passendes Kernmate- rial, eventuell auch Zellleibmaterial in benachbarten Zellen neben einander sich findet, somit gleich oder ähnlich, als wenn die richtig gebildeten (differenzirten) und gelagerten Zellen nachträglich durcheinander gebracht, also in ihrer ,,An Ordnung" gestört worden wären. Versuchen wir zur Begründung dieser Annahme jetzt uns vorzu- stellen, was für Correlationen bei der Re- und Postgeneration im Allgemeinen stattfinden müssen, und welches wohl das „aus- lösende Moment" dieser Vorgänge sein kann. Bei der von mir beobachteten Postgeneration z. B. des Rücken- markes eines Hemiembryo anterior zu dem eines ganzen Em- bryo (s. S. 500) müssen die am Defectrande und noch in einigem Abstand von demselben gelegenen Zellen Leistungen übernehmen, die sie unter normalen Verhältnissen nicht vollbracht haben würden ; denn sie produciren eine hintere Körperhälfte. Dabei müssen nicht blos,, Umlagerungen^\ sondern auch „Umdifferenzirungen'''' schon differenzirter Zellen stattfinden, wie bei der von mir neben der Regeneration durch „Proliferation'''' unterschie- denen Regeneration durch „Umdifferenzirung" (S. 836). Bei der Postgeneration einer fehlenden seitlichen z. B. linken Körperhälfte von einer rechten aus ohne Verwendung des Materiales der operirten Eihälfte (s. S. 796) hat principiell Aehnliches wieder in anderer Weise zu geschehen. Schneiden wir ferner zwei Hydrae, die eine etwas oberhalb der Mitte, die andere etwas unterhalb der Mitte quer durch, so schliesst zunächst jedes der vier Stücke den Wundrand durch Zusammenlegen desselben und regenerirt sich dann in einem Tage ohne Nahrungsaufnahme zu einer voll- kommenen, aber dem Materialverlust entsprechend kleineren Auslüsungsursache der Regeneration. 897 Hydra. An den beiden grösseren Stücken wird ])ei diesen Experi- menten die der ursprüngliehen Mitte des Tliieres entsprechende Zone in dem einen Falle den fehlenden Kopftheil im anderen den Fusstheil durch Umlagerung und UmdilTerenzirung produciren. [658] Es hängt also von der Lage des Defectes zum Ganzen resp. von der Lage der Zellen zum Defect ab, was aus den an der Re- und Postgeneration b etil eiligten Zellen hervorgeht. Wodurch wird nun die Re- und Postge neration ,. aus- gelöst"? Eine besonders aus Pathologen gebildete Gruppe von Autoren erblickt in dem durch den Defect hervorgebrachten Wegfall des Seitendruckes an der „Unterbrechungsfläche" (s. S. 498) das ursächliche Moment der Regeneration (s. S. 834). Bei der Hydra aber ist nach Schluss der Wundränder ebenso wie bei dem bereits ül)erhäuteten Stumpf einer abgeschnittenen Extremität des Triton oder überhaupt gewöhnlich nach der Ueberhäutung eines Wund- defectes der Seitendruck wieder hergestellt und gleichwohl finden danach die specifischen Vorgänge der Regeneration : die Um- differenzirung und Umordnung der bisher andersartig verwendeten und beschaffenen Zellen zu den fehlenden Organen, ohne oder mit gleichzeitiger Proliferation des Weiteren statt. Der Wegfall des Seitendruckes könnte also blos für die erste Auslösung herangezogen werden, während für die Auslösung und Direction der folgenden Vorgänge ein anderes Moment in Anspruch o-enommen werden muss. Es ist wohl natürlicher, dieses zweite Mo- ment, sofern es von Anfang an wirksam sein kann, auch für die erste Auslösung- schon in Anspruch zu nehmen. Es scheint mir auch ohne diese tha.tsächliche Widerlegung schon an sich wahrscheinlicher, dass die ^.Auslösung"' der Regenerations- und Pos tg euer ationsme chani sm 671, resp. die Activirung des Reser veidioplasson nicht durch solch ein qualitativ un- wesentliches Moment, wie den blossen Wegfall des Seiten- druckes an der Unterbrechungsfläche, sondern durch das Wesent- lichste des Vorganges, durch den Wegfall der specinsch differenzirten W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. 57 898 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Zellen, und somit d n r c h d a s Fe h l e n n o r m a 1er spec ifi s c h e r JSfachhar schaff S'wirkttn g en oder mindestens durch Eimvir- Icung ahnormer Reize in Folge der neuen Nachbarschaft bedingt ist. Die Vermindennig des Seitendruckes, also das Vorhandensein des zum Ersatz des Fehlenden nöthigen Raumes ist dabei nur in dem Falle als eine nnerlässliche Vorbedingung, aber nicht als Ur- sache der Regeneration anzusehen, wo, wie bei den bereits voll ent- wickelten Individuen der höheren Organismen, wie bei uns, die Regeneration viel weniger unter Umdii'f erenzirung der bereits vorhandenen differenzirten Zellen des regenerirenden Gebildes als vorzugsweise unter Bildung neuer, besonderen Raum einnehmender Zellen, also unter Proliferation vor sich geht (s. S. 836). In diesen Fällen kann durch Wegnahme des durch den Defect gesetzten Raumes, z. B. durch Vernähung einer am Rumpfe gelegenen Defect- wunde der Ersatz des fehlenden Stückes fast ganz gehindert werden. Doch ist bei diesen Organismen die Regeneration überhaupt quantitativ und besonders qualitativ gering, soweit sie nicht ein- fach in Activitätshypertrophie besteht. [659] Nach dieser meiner Annahme findet in Folge des Fehlens der normalen Nachbarschaft oder in Folge der abnormen äusseren Einwirkungen zuerst am Defectrand , also an den die Unterbrechungsfläche begrenzenden Zellen eine Veränderung statt, die zuerst eine Weckung der Regenerationsmechanismeu in ihnen veranlasst, der dann Umdifferenzirung und Umordnung dieser Zellen folgt. Sobald und in dem Maasse als eine Zellreihe verändert ist, tvirTit nun sie seih er aus den gleichen Gründen, als es vorher geschah, ivie eine ..Unterbrechung sfläche^' alterirend auf die bisher noch normale, vom Defectrand abgewendete nächste Reihe von Zellen; und solche Veränderungen schreiten dann stetig vom Defectrande aus fort. Die Summe der zu einer Zeit noch nicht veränderten Zellen stellt den Stammcomplex von normal verbliebenen Zellen des Individuums dar. Dieser wird also eine Zeit lang stetis vom Auslösung und Direction der Regeneration. 899 Defectrande aus durch Umdifferenzirung verkleinert, bis in grösserer Entfernung vom Defectrande die Veränderung der Nachbarschaft so gering ist, dass sie nicht mehr auslosend wirkt. Bei relativ sehr grossen Defecten dagegen z. B. bei der Regeneration blos eines kleinen Stückchens der Hydra zu einem ganzen Thier kann der Stamm- complex zeitweilig vielleicht fast ganz (oder ganz?) schwin- den, so dass vielleicht blos noch eine einzige Zelle dem Zustande des ursprünglichen entwickelten Individuums entspricht und die ihr entsprechende Nachbarschaft besitzt (s. S. 911). Neben dem Ersatz des Fehlenden findet also bei der Post- und Hegeneration durcli hlosse ^.Umdifferenzirung"' eine sehr ausgedehnte Umbildung des Organismus statt. Dies ist ein Nachtheil der Methode, der um so bedeutender werden muss, je diff erenzirter der Organismus ist. Damit steht es vielleicht im Zusammenhang, dass die höher dif f erenzirten Organismen Rege nerations weisen erworben haben, welche mit sehr starker ,, Proliferation" bei entsprechend eingeschränkter Umdifferenzirung einhergehen, Mechanismen, die sich aber bei den höheren Organismen auch erst bethätigen, nachdem das Individuum diese entsprechend höhere Stufe seiner Eutwickelung er- reicht hat. Zur Umgehung metaphysischer Vorstellungen habe ich ange- nommen (S. 842), dass bei der Regeneration in dem Regenerations- plasson, welches nach einem stattgehabten Defect allein noch das ganze Individuum, aber nur potentia repräsentirt , in Folge von Einwirkung des noch entwickelt und unverändert vorhandenen Theiles blos diejenigen Regenerationsmechanismen in Thätigkeit treten, welche das nfcht mehr im entwickelten resp. unveränderten Zu- stande Vorhandene herzustellen vermögen. Ich muss daher an- nehmen, dass diese Regenerationsthätigkeit von dem im normalen resp. normaleren Zustande Vorhandenen aus bestimmt und fort- während geleitet wird, wobei neben ,, seit lieh en " Wirkungen die ,,cen trif ugale" Wirkungs-Richtung überwiegen wird, sofern man den vom Defectrand entferntesten Punct des Individuums als Centrum bezeichnet. Die genauere Bestimmung dessen, 57* 900 Nr. 28. Ueber die Specification der Furcliuugszellen etc. [660] was zu „geschehen" hat, findet also vorwiegend in umgekehrter Richtung statt als die Ausbreitung der ersten ,, Anregung" zur Re- oder Postgeneration. Ist die Fähigkeit zur Auslösung und Bethätigung von Regene- ration nicht an alle Zellen gleich vertheilt, sondern giebt es besondere Zellen, welchen allein oder vorzugsweise die Auslösung und Leitung der Regenerationsmechanismen zukommt, wie z. B. vielleicht dem Schlundganglion der Schnecke bei der Regeneration des abgeschnittenen Kopfes, so liegen die Verhältnisse complicirter; doch eignet es sich nicht, dieselben bei unserer Unkenntniss des Thatsächlichen hier des Weiteren zu erörtern. Verbleiben wir daher bei dem zuerst besprochenen, wohl wesent- lich auf die Postgeneration unserer Halbbildungen passenden Fall, dass alle Zellen derselben Leibesschicht annähernd gleich stark zur Auslösung und Bethätigung der Regeneration befähigt sind, und dass die Regeneration überwiegend durch Umdifferenzirung erfolgt; dabei wird die verschiedene Art dieser Bethätigung im Einzelfalle blos von der speciellen Lage des Defectes und damit von der Lage der Zellen zu dem neuzubildenden Stück abhängen. Wir haben uns dann Folgendes vorzustellen: Jede distal vom jeweiligen Stammcomplex gelegene Zelle wird von der proximal gelegenen, sei es direct oder indirect, diff erenzirend beeinflusst, unterliegt also der ab- hängigen D i f f e r e n z i r u n g ; ^v ä h r e n d sie selbst zugleich auf die mehr distal gelegene Zelle diff erenzirend wirkt. Ein Gleiches wird in geringerem Grade auch zugleich in seit- licher oder gar auch in umgekehrter Richtung stattfinden. In jedem folgenden Momente der Umdifferenzirung müssen diese Nachbarschaftsdifferenzen sich ändern, anfangs sich ver- grössern, später kleiner werden, um schliesslich zu schwinden. Dabei müssen die gröberen, formalen und daher sichtbaren Regenerationsveränderungen sich „successive" vom Defect- rand ausbreiten, wie es den Thatsachen entspricht. Die für unsere jetzige Hauptfrage wichtigste Thatsache ist bei den ganzen Vorgängen die, dass regenerative Mechanismen nicht I Ausgleich anderer „Störungen" durch die Kegenerationsmechamsmen. 901 blos an den Defectrand begrenzenden Zellen, sondern auch, je nach der relativen Grösse des Dei'ectes und in umgekehrtem Verliältniss zur Betheiligung von Proliferation an der Regeneration resp. Post- generation in mehr oder weniger grosser J^ntfernnng von dem Defectrande und damit zum TheiJe auch in Zellen ausgelöst werden, ivelche ihre bisherige Nachharschaft fast ganz oder ganz behalten haben; nur ist diese Nachbarschaf t als quali- tativ geändert anzusehen. Nur durch diese abnorme Qualität der Nachbarschaft ist es als vermittelt vorstellbar, dass (bei den niederen Thieren oder bei nie- deren ontogenetischeu Entwickelungsstufen höherer Thiere) so lange Regenerationsthätigkeit ausgelöst und dirigirt wird, bis wiederu m j ede Zelle normale Nachbarschaft hat. [661] Die specielle Art und Wirkungsweise dieser regenerativen Vorgänge liegt zur Zeit weit ausserhalb des Vorstellbaren. Auf tvesentlich die gleiche Weise wie diese unter Umord- nung und ümdifferenzirung von Zellen stattfindende Regeneration kann nun meiner Ansicht nach auch ohne das Vorhandensein eines „JD efectes'-', bei den Eiern, ivelche in Folge von „Pres- su7ig'^ sich hochgradig abnorm gefurcht Jiaben, die Bildung eines normal gestalteten Embryo vermittelt iverden. Bei diesen abnorm gefurchten Eiern liegt, wenn auch nur erst wenig differenzirtes, so doch in Folge der abnormen Furchung wohl nicht ganz zusammenpassendes Material neben einander; dann ist hier eine principiell ähnliche Sachlage vorhanden , wie bei der Regeneration in einiger Entfernung vom Defectrande. Es ist also anzunehmen, dass daher auch die gleichen Mechanismen, und zwar bei dem gleicl*en Material und nicht zu grossen Abweichungen gleich- falls bis zur Erreichung desselben Endproductes , d. h. eines normal gestalteten Embryo , thätig werden , resp. thätig bleiben. An den äusseren Formen der Gebilde kann man dies leider nicht erkennen; aber bekanntlich verläuft auch die Regeneration oft unter den äusseren Formen der normalen s. typischen Entwicke- lung, selbst bei der Entwickelung aus dem Stücke eines bereits hoch differenzirten Organismus unter Verwendung dieses ,,differenzirten" 902 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Materiales, obgleich die inneren Vorgänge dabei noth wendig in mancher Beziehung wesentlich andere sein müssen, als bei der normalen Entwickelung aus dem nichtdif ferenzirten Ei oder seinen, typische normale Vorstufen des zu Bildenden darstellenden Furchungszellen. Da wir oben erfahren haben, dass thatsächhch bereits jede der beiden ersten Furchungszellen der Frösche, einer Ctenophore, Ascidie und eines Echinodermen erkennbar von der anderen verschiedene Gestaltungsfähigkeit hat, indem sie einen bestimmten, rechten oder linken halben Embryo bildet, und. da beim Frosch bereits ebensolche Gründe für die gleiche Annahme bezügliche der darauf gebildeten vier Zellen vorliegen, so müssen wir auch bei der Verlagerung dieser Fur- chungszellen gegen einander in der eben dargelegten Weise damit rechnen. Bei Driesch's und O. Hertwig's Annahme von der vollkommenen Gleichheit dieser ersten Furchungszellen müssen übrigens die nor- malen Entwickelungsvorgänge noch verschiedener von denen der Regeneration sein, obgleich sich beide unter denselben äusseren Formen vollziehen; Driesch's Schluss ,,von gleichen Producten auf gleiche Bildungsweisen" muss somit direct als unzu- treffend bezeichnet werden; womit seine ganze weitere Schluss- reihe ihre angebliche sichere Basis und damit ihre eigene Sicherheit verliert (s. S. 893). Da wir somit mit denselben Mechanismen, welche wir für die Re- und Postgeneratiou anzunehmen triftigen Grund hatten auch die Entwickelung bei den gleichsam ver- lagerten oder nicht normal specificirten Furchungszellen „stark" (s. Nr. 29, S. 707) gepresster Eier ableiten können, also ohne eine besondere Annahme für diesen Fall zu machen, so scheint mir diese Ableitung [662] derjenigen Driesch's, welche ganz besondere Annahmen machen muss und sogar das fundamentale P r i n c i p ,,der Continuität der Gestaltungen von Anfang der Ent- wickelung an" (s. S. 913 und S. 869) durchbricht, vorzuziehen, ganz abgesehen davon, dass Driesch's und 0. Hert-\vig's Auf- fassung mit unumstösslichen Thatsachen in directem Widerspruche steht. Meine Auffassung dagegen steht mit allen Ausgleich aller Arten von Störungen durch Regenerationsmechanismen. 903 bezüglichen bekannten Thatsaclien im Einklang, ohne es nöthig zu haben, ihnen irgend Gewalt anzutlmn. Wer sich über die Sachlage genauer zu inforniiren wünsclit, den ersuche ich, die in manchem Punctc ausführlichere Abhandlung Nr. 27 einzusehen. Es erhellt, dass die dargelegte Auslösungs- und Be- thätigungs weise der Be- und Postgenerationsniechanismen derart ist, dass diese Mechanismen überhaupt durch .Jede'' iiichi unter der Beizschivelle liegende ,, Störung'' der Anord- nung und Beschaffenheit von Zellen in Thätigheit gesetzt werden müssen, einerlei durch welche innere oder mechanische, chemische, thermische, electrische äussere Ursache diese Störung selber hervorgebracht worden ist. [Doch sind natürlich die repara- torischen Leistungen von der bei verschiedenen Lebewesen und ihren Organen und Geweben sehr verschiedenen Leistungsg rosse dieser Mechanismen abhängig.] Immerhin verkenne ich nicht und habe ich nicht verschwiegen, dass auch das Besondere meiner Auffassung noch viele Probleme einschliesst ; und ich erkenne an, dass der Widerspruch bei der Be- handlung so fundamentaler und schwieriger Fragen an sich nützlich ist. Er vermindert aber seinen Nutzen und sein Verdienst, wenn er sich in apodictischen Aeusserungen und in Vergewalti- gung der Thatsaclien ergeht, statt alle Argumente, auch die der eigenen Auffassung widersprechenden, eingehends zu prüfen und gegen einander sorgfältig und möglichst objectiv abzuwägen. Ich hoffe, die Zukunft wird befinden, dass meinem eigenen Streben nach dieser letzteren Richtung hin der Erfolg nicht versagt war. Da^sich die Entwickelungsmechanik wohl fernerhin mehr und eingehender als bisher mit den wichtigen und schwierigen Problemen der Regeneration resp. Postgeneration zu befassen haben wird, so scheint es zeitgemäss, dass wir versuchen, uns die bezüg- lichen Vorgänge noch ein wenig genauer vorzustellen und die zu 904 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Grunde liegenden Correlationen mehr sn analysiren ; zumal da auch unter „normalen'-^ Verhältnissen gleiche oder ähn- liche Wi r /.' u n g sie eise n [wenn auch in beschränkterer Localisation] vorhommen iverden, [ganz abgesehen von den Verhältnissen bei den häufigen kleinen, noch als normal aufgefassten Variationen oder k 1 e i n e n Störungen der Entwickelung , welche die Selbstregu- lationen auslösen (s. S. 911 und Nr. 31. S. 279)]. Ausserdem ist die genauere Erörterung nöthig, um die Aufstellung neuer Alternativen anzubahnen, über welche auf experimentellem Wege eine Entschei- dung gewonnen werden kann. Wir haben nach dem vorstehend Dargelegten bei allen regene- rationsfähigeu Organismen, soweit als die erörterten Eegenerations- wechseUüirkungen der Theile gehen, neben den functionellen Wechselbeziehungen der Theile noch gestaltliche Wechselwir- kungen der Theile untereinander als möglich anzunehmen. Während des Ablaufes der normalen Entwickelung kommen dazu noch die normalen ge- [663] staltenden Wechselwirkungen. Wie weit beide letzteren Wirkungsarten identisch, und worin sie von einander unterschieden sind, ist vorläufig nicht zu sagen. Aber beim Anfange der vollkommen normalen Entwickelung aus dem Ei nehmen die den regenerativen Wechselwirkungen entsprechenden Wirkungs- weisen, wie es scheint, keinen so grossen gestaltenden Antheil, wenigstens nicht an dem Aufbaue des Organismus aus den einzelnen ,, Vierteln", da jede der vier ersten Zellen sich eine Strecke weit zu einem besonderen Viertel des Embryo selbstständig entwickeln kann (siehe S. 454). Da aber, wenn ein Stück des, wenn auch nur erst sehr wenig- weit entwickelten aber immerhin bereits entsprechend differen- zirten Ganzen fehlt, rascher oder langsamer die Mechanismen zur Ergänzung des defecten Entwickelten in Thätigkeit treten, so müssen troig dieser selhstständigenJEnttvickelungsfähigJceit der Viertel doch „gestaltliche^) Wirkungen''' zivischen diesen Theilen mög- lich sein. [') r^estaltliche" Wirkungen brauchen uocb nicht , gestaltend" zu sein; sondern die Bezeichnung gcstaltliche Wirkungen soll hier nur eine Beziehung aus- i , Gestaltliches Leben" der Theile. 905 Von derartigen Wirkungen wissen wir aber nicht, wie weit sie im Allgemeinen schon unter .^normalen'"' Verhält- nissen stattfinden, oder ob sie überhaupt erst bei ,, Stö- rungen" : Defecten, Verlagerungen etc. actuell werden. Ausserdem müssen ebenso räthselhafte Besiehung en ziüischen den „entwickelten Zellen"' und dem von ihnen einge- schlossenen Regenerationsplasson s. Reserveidioplasson möglich sein; diese werden vielleicht auch erst durch die Störung, durch die Veränderung, die das Fehlen eines Theiles, resp. die Anwesenheit abnormer Nachbarschaft setzt, geweckt. Da die typisclie Structur und Gestalt der Organe sich aus sehr vielen einander functionell gleichen Zellen zu- sammensetzt, so liann das Q.ngQdiQMieiQ ,,gestaltliche Lehen"'' nicht tvesentlich an die heim „fuiictionellen Lehen'' thätigen Qualitäten den entwickelten Zellen geknüpft sein; sondern es müssen in functionell gleichenZellen nochVerschiedenheiten vorhanden sein, welche in gewisser Weise und innerhalb ge- wisser Grenzen der Lage der Zellen unter den Nachbarn und dieser im ganzen Organ und eventuell des Organes im Organismus entsprechen. Diese ,^Lageeigenschaften'' entsprechen nun aber, wie ich oben (S. 891) für den auf früher Entwickelungsstufe sehr regenerations- fähigen Froschembryo dargethan habe, nicht einer einzigen ,, festen" räumlichen Lage jedes Theiles zu den anderen; sondern nicht unmittelbar benachbarte Zellen können, wie zu folgern war, ohne die wesentlichen Differenzirungsen erkennbar zu stören, sehr gegeneinander verschoben sein und ein sehr von der normalen G^talt abweichendes, aber dieser Abweichung proportional im Innern normal ausgestaltetes Gebilde aus sich produciren. Dabei werden die Zellen selbst auch entsprechend deformirt sein, be- halten aber, und das ist wohl das Bedingende, jede ihre nor- drücken, welche eventuell gestaltend thätig werden kann; wie z. B. bei ganz normalen Verhältnissen manche Nachbarzellen, von blosser Druckwirkung abgesehen, sich vielleicht nicht gestaltend beeinflussen, aber doch in Wechselwirkungen stehen, durch deren Wegfall die Regeneration, also gestaltende Thätigkeit ausgelöst wird.] 906 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchimgszellen etc. male nächste berührende ,, Nachbarsch aft", resp. auch ihre normale „Continuität" mit entfernteren Theilen. Ans der bezüglichen Thatsache eben erschlossen wir, dass die o-estaltlichen Beziehungen der Theile des Embryo nicht [664] wesentlich räumliche, an feste gegenseitige Lage in den drei Dimensionen des Raumes gebundene (s. S. 187, 204 u. 442), sondern wesentlich per contiguitatem et continuitatem vermittelte, von mir so genannte Nachbarschaftswirkungen sind, zu welchem auch eventuelle cli emotac tische (Nr. 32), electrische u.a. anscheinende Fern Wirkungen gehören. Wenn dagegen diese Nachbarschaftsbeziehungen gestört würden, dann würde auch die normale Gestaltungsthätigkeit selber gestört und dies erkennbar werden, soweit die Störungen nicht durch die Regene- rationsmechanismen sogleich ausgeglichen werden. Ich verkenne nicht, dass die oben S. 891 berichtete, der äusseren Deformation des Embryo ,, entsprechende", Umgestaltung innerer Theile, welche sich nach dieser Auffassung einfach mecha- nisch aus der passiven ,,räumlichen" Verlagerung bei Erhaltung der normalen Contiguität und Continuität der Zellen und aus den Druckwirkungen der wachsenden Theile auf einander ergiebt, auch unter Verwendung eines ,, mystischen" Principes räumlicher Lage- wirkungen aus den Aenderungen der Gesammtconfiguration abge- leitet werden kann ; nur scheint es mir nicht augebracht, dies bei dem Vorhandensein der anderen Möglichkeit anzunehmen. Wir wollen nun noch die verschiedenen gestaltenden Be- ziehungen unter den thätigen Theilen des Organismus etwas genauer präcisiren und behufs späterer Verwendung mit besonderen Bezeichnungen belegen. Unter ^.Differenzirung'''' verstehen wir dabei blos „mor- phologische Veränderung en^\ also formale, structurelle sowie sogenannte qualitative [wie die chemischen Differenzen der Gewebe, die ja im Wesen auch structurelle sind], immer aber mehr oder weniger lange Zeit „bleibende" (resp. bei fortschreitender Differen- zirung eine Vorstufe anderer bleibender Aenderungen darstellende) Definition der Selbstdifferenzirungsgebilde. 907 VeränderiiDgen , im Gegensatz zu den blos ,.fnnctionellen", einer kurz vorübergehenden Leistung dienenden und danach sogleich wieder rückgebildeten Veränderungen (s. I, S. 321 u. 316 Anm). Da jedoch die rein functionellen Veränderungen bei längerer Dauer oder öfterer Wiederholung z. B. in Form der Activitätshypertrophie und der qua- litativen functionellen Anpassung auch zu bleibenden, also morpho- logischen Veränderungen (somit zu Differenzirung) führen (s. Nr. 4 und 7), so fallen soweit auch an sich rein functionelle Corre- lationen in den Bereich unserer causalmorphologischen s. entwickelungsmechanischen Forschung. Es sind zunächst die oben (S. 882) erörterten Unterscheidungen der Vorgänge der Selhstclifferenzirung, differentiatio sui, und der abhängigen Differenzirung , differentiatio ex alio, auf die dabei thätigen Theile zu übertragen (s. S. 16). Als Selhstd iffe r e n zirung sg ehilde (Organe, Zellen oder active Zelltheile (letztere s. S. 83) resp. active Zellderivate) sind zu bezeichnen Gebilde, welche, resp. soweit sie aus in ihnen selber liegenden Ursachen sich verändern. Dabei ist abgesehen von nöthigen äusseren Einwirkungen, welche blos als Vorbedingungen aufzu- fassen sind, wie Zufuhr von Nahrung, Sauerstoff und Wärme; dies gilt also nur [665] sofern resp. soweit diese äusseren Einwir- kungen nicht das specifische Verhalten: die Qualität, den Ort, die Zeit und Grösse der Veränderung bestimmen ; die Zeit bestimmen sie nicht, wenn die bezügliche Veränderung nicht früher als normal stattfindet, obschon diese Vorbedingungen bereits früher erfüllt sind; den Ort nicht, wenn sie ausgedehnter verbreitet sind als die bezüg- liche Aenderufig; die Intensität nicht, wenn trotz Schwankungen dieser äusseren Bedingungen die Grösse der Veränderungen nicht geändert wird; die Qualität nicht, wenn es sich um gestaltende Aenderungen handelt und bei sogen, qualitativen Aenderungen, wenn die Vorbedingungen nicht stoffliche, sondern blos thermische, mecha- nische etc. sind. Dagegen wird natürlich der Sauerstoff oder anderes' Material, welches mit organischen Theilen in chemische Verbindung tritt, die Qualität dieser Verbindung mitbestimmen , wenn oft auch 908 Nr. 28. Ueber die Specification der Furcliungszellen etc. nur zu einem verhältnissmässig kleineren T heile, als es bei an- organischen Verbindungen geschieht. Als abhängige Bifferenzirungsgeljilde sind Gebilde so lange resp. soweit zu bezeichnen, als ihre Veränderung ganz oder zu einem wesentlichen Theile, d. h. nach Art, Zeit, Ort oder Intensität der Veränderung, von ausserhalb des Gebildes bestimmt wird. Sind Art, Ort, Zeit und Grösse der Veränderung eines Gebildes alle von aussen her bestimmt, ist also die Differenzirung desselben ähnlich wie die aus einem Marmorblock gemeisselte Gestalt voll- k 0 m m e n von den äusseren Einwirkungen abhängig, so kann dieser höchste Grad abhängiger Veränderung wohl qXq passive Differen- zirung und das Gebilde qIq passives Differenzirungsgehilde bezeichnet werden. Da Art, Ort, Zeit und Intensität einer Veränderung jedes durch eine andere Ursache bedingt sein und jede derselben entweder in dem betreffenden Gebilde selber liegen oder ihm von aussen zugeführt werden kann, so kann auch eine und dieselbe Veränderung in Bezug auf eine oder einige dieser Eigenschaften eine Selb st differenzirung und in Bezug auf andere zugleich eine abhängige Differenzirung des ver- änderten Gebildes sein, so dass wir vollliommene und un- voUhommene Selhstdifferenzirung^ differentiatio siii perfecta et imperfecta zu unterscheiden haben ^). Durch diese vielen Möglich- keiten wird unsere Aufgabe der vollständigen Erforschung aller Ursachen jeder morphologischen Veränderung überaus schwierig und complicirt. Ferner kommt es vor, dass „dasselbe Gebilde" sich nach ein- ander bald mehr oder ganz durch Selbstdifferenzirung, bald mehr durch [1) Eine Veränderung eines Gebildes, welche nach der einen oder einigen dieser vier Eigenschaften jeder Veränderung, z. B. nach ihrer Art, ihrem Ort von innen, nach anderer Eigenschaft z. B. nach Zeit oder Intensität von aussen bestimmt wird, kann als „gemischte Differenzirung", Differentiatio raixta, von der „unvollkommenen Selbstdifferenzirung" unterschieden werden, welche letztere alsdann nur noch den Antheil innerer und äusserer Componenten bei der Veränderung blos nach einer und derselben dieser vier Eigenschaften jeder Veränderungen bezeichnen würde. Doch ist diese Distinction wohl zu fein, um auf allgemeine Verbreitung Aussicht zu haben, und vielleicht auch nicht unerlässlich nöthig.l Ditfereiiziruiigs-Definitioncn. 909 abhängige Differenzirung verändert; und dies nicht blos bei verschiedenen Veränderungen, sondern auch bei späteren, aber unter anderen Ver- hältnissen sich vollziehenden Wiederholungen scheinbar derselben Veränderung. Dasselbe Gebilde kann also bald Selbstdiffe- renzirungs-, bald abhängiges Differenzirungs-Gebilde, bald beides zugleich sein. [666] So kann für die meisten Organe, z. B. Knochen, Muskeln, Drüsen eine erste Periode der Anlage und des ,,selbst- s tändigen" Wachsens und Erhaltens von einer späteren Periode des ,,f u n c t i o n e 1 1 e n L e b e n s" unterscheiden, in welcher letzteren weiteres Wachsthum und dauernde Selbsterhaltung nur unter dem Einfluss der Ausübung der Function stattfinden: eine practisch z. B. besonders orthopädisch überaus wichtige aber gewöhn- lich nicht berücksichtigte Verschiedenheit (s. I, S. 348 und II, S. 281). Ferner ist oft die Gestaltung eines Organ es theils von innen theils von aussen her bedingt. So ist z. B. die Entwickelung der specifischen Structur der Leber wohl als Selbstdifferenzirung der Leber aufzufassen, die Leber also nach dieser Richtung hin ein Selbstdifferenzirungs- Gebilde ; während ihre gleichzeitig ausgebildete äussere Gestalt bei gegebener Masse des Organes blos einen Abguss des Raumes zwischen den Nachbarorganen, also eine passive Differenzirung darstellt. Aehnliches gilt z. B. für Lungen und Nieren, weniger für Gehirn und Muskeln und zum Theil auch noch für die Knochen (s. I, S 734). Im Gegensatz zu den in der Selbstständigkeit ihrer Differen- zirung wechselnden Gebilden, den tempoi' ären Selhstdifferen- zirungsgehilfden und den tempor är ahhäng igen Differen- zirnng s g ehilden kann es nun Gebilde, z. B. Zellen oder Zelltheile, geben, welche stets der Selbstdifferenzirung unterliegen. Diese seien als pe r m anente Selhstd iff e r en 2 ir un g s g eh i I d e , ihr Gegentheil 3i\s permanent abhängige Bifferenzirungsgehilde bezeichnet. Von Wichtigkeit ist ferner noch neben der Bezeichnung des ab- hängig differenzirten Gebildes die Bezeichnung des diese Thätigkeit ausübenden, resp. veranlassenden Gebildes. 910 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Gebilde, welche auf andere differenzirend wirken, will ich Anderdifferenzirnngsge'bilde (z. B. Anderdifferenzirungszellen) nennen. Die differenzirende Wirkung kann von einer gleichzeitigen oder eben vorausgegangenen, selbstständigen oder unselbstständigen Aende- rung des differenzirend wirkenden Gebildes abhängen. Es ist aber auch denkbar, dass Gebilde auf andere differenzirend wirken, ohne sich selber dabei morphologisch zu verändern oder unmittelbar vorher verändert zu haben; solche Gebilde würden bei ihren gestalten- den Einwirkungen blos aufgespeicherte Energie verbrauchen, ohne ihre eigene Structur dabei zu ändern. Selbstdifferenzirungsgebilde, welche, resp. so lange sie nicht auf andere diÖerenzirend wirken, seien als Alleinselbstdifferenzirungsgebilde oder kürzer als AUeindifferenzirungsgehilde^) (z. B. Allein- differenzirung SS eilen) bezeichnet. Es wird ferner nöthig werden, den relativen Grad differen- zirender Wirkungen verschiedener Gebilde (z. B. von Zellen oder Zell- .theilen), welche Theile eines und desselben organischen Gebildes sind, zu unterscheiden. [667] Die stärker differenzirend wirkenden Gebilde seien als Differenzirungs-Hauptgebilde (z. B. Differensiriings-Haupt- z eilen), die schwächeren als Differenzirungs- Nebengebilde (z. B. Bifferensirungs-Nehensellen) bezeichnet. Da z. B. nach Entfernung des Zellkerns der Zellleib der Pro- tisten nicht regenerationsfähig ist, so weist dies darauf hin, dass dem Kern der Rang eines Differenzirungs-Hauptgebildes gegen- über dem Zellleib zukommt. Schon bei der Beurtheilung der normalen Bildungsvorgänge wird es wichtig sein, die verschiedene Grösse des Wirkungsfeldes- und der Wirkungsintensität der Diff erenzirungs-Haupt- zellen und der Differenzirungs-Nebenzellen zu kennen. Besonders wichtig wird aber diese Distiuction unter abnormen Verhältnissen; denn dann wird oft eine directe Concurrenz 1) Dies sind wenig schone Bezeiclmungen , für welche ich gern in Vorschlag gebrachte bessere acceptiren würde. Regulatorische Dirt'erenzirungen bei der typischen Entwickeking. 911 zwischen den verschiedenen Anderdifferenzirungszellen vor- kommen, in welcher gewöhnUcli die Differenzirnngslianptzellen über Diäerenziruugsnebenzellen, unter abhängiger Umdifferenzirung letzterer siegen werden. Doch ist es denkbar, dass auch ein Complex von Differenzirungsnebenzellen über eine oder einige, in seinen Wirkungs- bereich gerathene Differenzirungshauptzellen siegt und sie der eigenen differenzirenden Einwirkung unterwirft. Sok'herlei Vorgänge müssen , wie wir oben (S. 898) sahen , in ausgedehntem Maasse bei der Re- und Postgeneration ange- nommen werden (s. auch S. 500 u. f.). Die dem Stammcomplex der zerschnittenen Hydra näher liegenden Zellen werden bei der wirklichen Regenerationsthätigkeit im Allgemeinen sich als Differen- zirungshauptzellen zu den distalen Nachbarn verhalten; diese somit als Differenzirungsnebenzellen zu betrachtenden Gebilde werden aber gleichzeitig auf die weiter distalen , dem Defect näheren Zellen , als Differenzirungshauptzellen wirken ; während vorher bei der Auslösung der Regeneration der Prozess der Umänderung die umgekehrte Rich- tung einschlagen musste. Solche WirJcnngen müssen meiner Meinung nach auch schon innerhalh der Breite der ,, normalen^' Entiüichelung in Folge der häufigen „Variationen" nöthig sein; dies hann der Grund der phylogenetischen Züchtung dieser regulirenden differenzirenden WechseUvirlcungen geivesen sein (s. auch Nr. 31, S. 279). So habe ich schon vor Jahren beobachtet, dass nicht selten nach der dritten, wagrechten s. äquatoriellen Furchung des Froscheies die vier kleineren oberen Furchungszellen sich gegen die vier unteren grösseren um 20 — 45^ verschieben, wodurch das obere Stück det" ersten Furchungsebene, welche die Mediauebene des Embryo darstellt, entsprechend gegen das grössere untere Stück ver- dreht wird. [Zu diesen Störungen gehört schon die Bildung der Brechungsfurehe bei der zweiten Furchung (s. S. 351 Anm.) und die schon auf Seite 111 erwähnten nachträglichen Verlagerungen kleinerer Furchungszellen, ferner die Drei- statt Zweitheilung des Eies, wobei nach Born auch normale Embryonen entstehen^).] [') Jüngst hat V. von Ebner (Die äussere Furchung des Tritoneies und ihre Be- 912 Nr. 28. Ueber die Specification der Fiirclningszellen etc. Es schien mir aus den vor Jahren, etwa 1886, angestellten Be- obachtungen hervorzugehen, dass bei diesen Verschiebungen der vier oberen P^urchungszellen (s. S. 270) gegen die vier unteren (1 i e M e d i a n e b e n e des s p ä t e r e ii Embryo der R i c h t u n g des ,, unteren" Stückes der Furchungsebene folgte, wonach die unteren vier Zellen die Differenzirungshauptzellen bei dieser Bestim- [668] mung, die oberen dagegen nur Differenzirungsnebenzellen dar- stellen würden [s. Nr. 31, S. 267]. Wird, wie bei sehr starker Pressung der Eier während ihrer Furchung wohl anzunehmen ist, die Abnormität in der Lagerung oder Beschaffenheit der Furchungszellen sehr stark, so können wir nicht olme darauf gerichtete genaue Beobachtungen beurtheilen, welche Gruppe von Zellen die weitere Entwickelung überwiegend bestimmen wird; es ist aber nicht zu verwundern, wenn dabei die Median- ebene nicht mehr mit einer der drei ersten Furchungs- ebenen zusammenfällt (s. S. 923 Anm. u. Nr. 31, S. 269). Aehnliches kann mutatis mutandis bei den durch abnorme Wärme veranlassten Abnormitäten der Furchung (s. Nr. 6, S. 12) der Fall sein. Auch hier entzieht sich jedoch das Wesentliche des einzelnen Falles vorläufig unserer Beurtheilung, so dass zur Zeit dieses ßeobachtuno-smaterial weder zur Stütze für noch Ziehung zu den Hauptrichtungen des Embryo, in der Festschrift für A. Rollett 1893) Beobachtungen über starke, schon normaler Weise vorkommende Verschie- bungen der Furchungszellen an Tritoneiern gemacht, wobei gleichfalls die Ebene der ersten resp. zweiten Furchung , die Medianebene überschritten wurde. Dieses häufige Vorkommniss kann aber, wie hier oben angedeutet, die Ur- sache der phylogenetischen Züchtung von Regulationsmechanismen gewesen sein, welche diese Störungen, sei es durch Umdifferenzirung oder zum Theil auch vielleicht durch nachträgliche ümordnung, wieder ausgleichen. Im letzteren Sinne spricht sich auch v. Ebner unter Berufung auf meine Beobachtungen in Nr. 32 aus. Die normalen Störungen selber sind, wie ich zeigen werde, zum Theil mechanisch bedingt, (lieber die Bedeutung der Variationen der relativen Grösse der Furchungszellen für den formalen Charakter des Furchungsschema, siehe Archiv für Entwickolungsmechanik, Bd. II). W. Patten (Artificial Modification of the Segmentation and Blastoderm of Limulus Polypheraus. Zool. Anz. 1894, S. 72 u. f.) fand sogar, dass die Eier von Limulus in der freien Natur, wo sie hin- und hergedreht werden, sich an der ganzen Oberfläche furchen, während sie in einer Glasschale, wo sie am Boden ankleben, sich nur auf der oberen Seite furchen.] Nothwendigkeit der Continuität , typischer" Gestaltungen. 913 gegen eine der beiden einander entgegenstehenden Auf- fassungen verwendet werden kann. Infolge dieser Correl ationen ist es natürlich vielfach von der „Lage'''' der Zellen su anderen Zellen abhängig^ ivas aus ihnen wird. Wenn abhängige DifSerenzirungszellen neben andere Anderdiffe- renzirungszellen zu hegen kommen, als es normal geschieht, so wird etwas Anderes aus ihnen als bei der normalen Nachbarschaft^), Sofern ein Complex zusammenpassender Differenzirungs- nebenzellen unter Umständen stärker differenzirend wirken kann, als eine geringere Anzahl oder einzelne Diff erenzirungshauptzellen , so kann bei Verlagerung letzterer neben oder unter erstere Zellen diese Lageänderung zur Folge haben, dass selbst aus Differenzirungs- hauptzellen etwas Anderes hervorgeht als unter normalen Verhältnissen aus ihnen entstanden wäre. Neben diesen vielfachen differenzirenden Wechselwirkungen dürfen wir aber nicht ausser Acht lassen, dass complicirte ,, typische" Ge- staltungen der Organismen nur von „typischen" Gestaltungen aus reproducirt werden können. Die typische Wieder- holung organischer Gestaltungen setzt [von einfachen, auch im Anorganischen in gleicher AVeise und aus gleichen Ursachen vor- kommenden Gestaltungen abgesehen] eine ununterhrochene Con- tinuität typischer Gestaltungen voraus. Zum Wesen einer typischen Gestaltung eines Organis- mus gehört typische Beschaffenheit, typischer Ort und typische rela- tive Zeit der betreffenden Gestaltung. Solche Gestaltung kann daher blos entweder aus „lauter" typisch beschaffenem und gelager- tem Materiale^ oder zweitens, bei Verwendung atypisch be- schaffenen oder gelagerten Materiales, unter dem bestimmen- den gestaltenden Einfluss von TjqDischem auf dieses aty- pische Material hervorgebracht werden. [1) Oder mit anderen Worten: das Schicksal nicht ganz selbstdifferen- zirungsfähiger, sondern irgendwie der abhängigen Differenzirung unterliegender Zellen ist eine „Function der Lage" dieser Zellen zib anderen, auf sie diiferenzirend wirkenden Zellen.] W. Eoux, Gesammelte Abhandlungen. II. 58 914 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Zum Beispiel kann aus Mesenchymzeilen, welche atypische Bahnen gewandelt sind, typische Gestaltung nur unter dem gestaltenden Einfluss typisch gelagerter Zellen (der epithelialen Keimblätter oder des Mesenchyms) ent- stehen. Oder wenn Friedr. Dreyer die Gestaltung des Radiolarien- gerüstes als durch die Kräfte der Blasenspannungen, also wesentlich einfach physicahsch bedingt auffasst, so müssen doch, soweit als diese Gestaltung in specieller [669] Beschaffenheit und Lage bei den Nach- kommen in der gleichen Weise wiederholt wird, die diese typische Wiederholung bestimmenden Momente vererbte sein, [womit wiederum das wesenthch Bestimmende im Organismus selber hegt und der anorganischen Componente nur ein relativ unter- geordneter Antheil zukommt]. Ueberblicken wir schliesslich die vorstehend behandelte Haupt- frage, so könnte es scheinen, der Kampf der Meinungen fände in letzter Instanz darüber statt, ob es wesentlich blos eine einzige Art der Eut- wickelung der Individuen giebt, aus welcher dann alle vorliegenden Thatsachen abgeleitet werden können, oder ob zwei wesentlich ver- schiedene Arten der individuellen Entwickelung vorkommen. Von der Vermehrung durch Knosp ung etc. haben wir in unserer Erörterung abgesehen (s. S. 843). Es hat sich aber gezeigt, dass 0. Hertwig und H. Driesgh „drei" wesentlich verschiedene Entwickelungsarten für dieselbe Species annehmen {s. S. 893) und zugleich mehrere Thatsachen verleugnen müssen, insbesondere die, dass man beim Frosch unter normalen Verhältnissen ausnahmslos bereits vor der ersten Furch ung die drei Hauptrichtungen des Embryo bestimmen kann, sowie dass man sicher vorhersagen kann, ob eine der beiden ersten Furchungszellen nach Zerstörung der anderen Zelle einen rechten oder hnken, vorderen oder hinteren halben Embryo liefern wird. Diese Auffassung kann demnach nicht richtig sein. Die verschiedenen, nicht von einer einzigen Bildungsweise ab- leitbaren Thatsachen haben mich dagegen veranlasst, zwei ent- Typische und atypische Entwickelung. 915 sprechend verschiedene Bildungsmodi aufzustellen (s. S. 811 und 843): Erstens einen Bildungsmodus für die normale Entwickelung, den ich als Modus der directen s. typischen Enttvichelung bezeichnete, weil er typisch verläuft; derselbe ist, von speciellen Einzelheiten abge- sehen, besonders durch hochgradige Selbstdifferenzirung einiger oder vieler „Theile" des gefurchten Eies, resp. Theile des Embryo charak- terisirt und stellt von Anfang an ein typisches System bestimmt gerichteter differenzirender Vorgänge dar, welches in festen Beziehungen zu den Hauptrichtungen des späteren Embryo steht. Zweitens den Modus der indirecten s. atypische s. regu- latorische Entwich elung, welcher bei unserer früheren Kenntniss blos für die Re- und Postgeneration anzunehmen war, dem sich aber, wie oben dargelegt, auch die Entwickelung bei hoch- gradig abnormer Furchung nach sehr starker Pressung der Echinodermen- und Froscheier und bei sonstigen Störungen ein- fügt. Diese atypische Entwickelung ist im Gegensatz zu ersterer charakterisirt durch entsprechend atypischen aber von einem stets vorhandenen, wenn auch nur kleinen, „typischen" Theile aus geleiteten Verlauf und wird vermittelt durch hoch- gradige regulirende gestaltende Correlationen der Theile unter einander. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass beiden Entwickeln ngs- arten mannigfache Arten von Correlationen gemeinsam sind; im Gegentheil die normale s. typische Entwickelung bedarf hei den häufig vorkommenden kleinen Abweichungen sogar der „regulirenden'^ Gorrelationen; so kommen auch bei beiden Entivickelungß arten Umdifferenzirungen von bereits Diffe- renzirtem vor. [670] Soweit es angemessen ist, für verschiedene Ur- sachen auch verschiedenes Material, also für verschiedene Energie auch verschiedenen Stoff als Sitz resp. Quelle derselben an- zunehmen, nehme ich zweierlei Hauptbildungsstoffe an; das Idioplasson der typischenEntiv ickelung ^ welches gewöhnlich durch die Befruchtung, bei Parthenogenesis durch ein anderes, 58* I 916 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. unbekanntes Moment, activirt wird; und das Idioplasson der aty- pischen Entwiclielting [s. Beserveiäioplasson) welches bei der typischen Entwickelung zeitweise, besonders am Beginn der individuellen Entwickelung, qualitativ halbirt, später bei manchen Thieren zeit- und theilweise qualitativ ungleich getheilt wird, und welches erst durch einen Defect an dem bereits mehr oder weniger ent- wickelten Ganzen oder durch Störung der Anordnung oder Qualität der entwickelten Theile activirt wird. Normalerweise herrscht das Idioplasson der typischen'EiB.i^Ack.Q- luug über die nicht selbst differenzirungsfähigen Theile des Eies. Ist das Reserveidioplasson activirt, so vermag es als temporäres Diffe- renzirungshauptplasson die Herrschaft über bereits Diffe- renzirtes zu übernehmen und Umdifferenzirung desselben zu veranlassen^). Wir wollen versuchen, noch einen etwas weiteren Einblick in das Wesen der beiderseitigen Auffassungen zu gewinnen, indem wir die zu Grunde liegenden Verschiedenheiten vom Ontogenetischen in's Phylogenetische zurück verfolgen und sie auf die Entstehung der Metazoen aus den Protisten anwenden. Die Protisten sind gleich der befruchteten Eizelle der Haupt- sache nach vollkommen selbstdifferenzirungsfähig, denn in demselben Tümpel, also unter wesentlich denselben äusseren Bedingungen, ent- wickeln sich die verschiedensten Protistenformen neben einander, jede in ihrer typischen Weise. Auch Protisten sind einer directen s. typischen Entwickelung, ausgehend von einer bestimmten Art der Selbsttheilung des encystirten, vereinfachten Individuums fähig; daneben kommt allgemein die Regeneration des entwickelten Individuums, sei es nach typischer Selbsttheilung desselben oder nach zufälligem Defect [1) Von beiden Idioplassonarten vermuthe ich, dass, so lange sie ruhen, also soweit sie nicht activirt sind, sie vorzugsweise im Zellkern angehäuft sind und dass, soweit letzteres der Fall ist, ihre richtige Vertheilung bei der Zelltheilung durch die indirecte Kerntheilung bewirkt wird.] Ableitung der Metazoen aus den Protisten. 917 vor. Die Verschiedenheiten zwischen beiden Entwickeknigsarten mögen dabei quantitativ viel geringer sein als bei den Metazoen; qualitativ aber besteht wieder der Gegensatz zwischen tj^pischer Entwickelung des typisch DifFereuzirten aus einem Einfacheren einerseits und Ergänzung eines in bestimmter Weise Dii^erenzirten aber atypisch Defecten von dem bereits differenzirten Zustande aus. Wir haben also auch in diesen Fällen schon die oben (S. 916) unterschiedenen zwei Arten von Idioplasson anzunehmen. Ein vielzelliges Wesen, ein Metazoon, konnte aus diesen einzelligen selbstdifferenzirungsfähigen Protisten entstehen, indem die Nachkommen einer Zelle zusammenblieben und sich dabei, w^ohl zu- nächst an den Berührungsflächen, nicht mehr so voll aus differenzirten, wie es beim einzelnen Freileben jeder Zelle geschah. Also durch das Zusammenbleiben wurde veranlasst, dass sich jede der gleich werthigen Zellen nicht mehr zu einem ,, Ganzen" entwickelte. Vielleicht war eine ähnliche Vorstellung die erste Veranlassung zu der Ansicht O. Hert-wig's. [671] Für die hochentwd ekelten Metazoen indess, für welche O. Hertwig (s. 7 u. 8) diese Entwickelungsart behauptet: für Am- phibien und Echinodermeu wie auch für Ctenophoren, Ascidien und Amphioxus ist die Sachlage meiner Meinung nach eine wesentlich andere. Wir dürfen nicht annehmen, dass alle die Eigenschaften dieser hochentwickelten Thiere blos durch ,, Hemmung" der Ausbildung von Eigenschaften der Protisten, also durch Rückbildung entstanden sind; das würde zu der Auf- fassung führen, dass wir blos degenerirte Protisten seien. Im Gegen- theile, diese Entwickelung geschah, wenn auch auf Kosten der Viel- seitigkeit der einzelnen Zellen jedenfalls durch Erwerbung vieler neuer Eigenschaften: der specifischen Gewebsqualitäten und neuer typischer Gestaltungen durch den Aufbau aus vielen Zellen. Wir stehen somit nun auf's Neue vor der Frage, auf was für allgemeinen Entwickelungsmechanismen die der Ausbildung dieser 918 Nr. 28. Ueber die Specification der Furchungszellen etc. Qualitäten und Gestaltungen zu Grunde liegenden Mechanismen beruhen. Denkbar sind sehr verschiedene Weisen, wenn auch ihre Zweck- mässigkeit sehr ungleich ist; und alle werden mit „Selbstregu- lation" innerhalb gewisser Breite behufs Correction un- ausbleiblicher Störungen arbeiten müssen. Wir wollen aber ermitteln, was thatsächlich geschieht. Beim Beginn meiner entwickelungsmechanischen Studien habe ich deshalb die bezüglichen Möglichkeiten: Correlation, Selbstdifferen- zirung und Combinationen beider erörtert und dann experimentell Schritt für Schritt den Antheil jedes beider Principieu an der wirk- lichen Entwickelung bereits eine Strecke weit geprüft. 0. Hertwig dagegen hat sich bei seinem jüngsten, ersten entwickelungsmechanischen Versuch unter Uebergebung der bereits vorliegenden That- sachen sogleich apodictisch und ausschliesslich für die absolute Correlation ,,aller" der Theile des Eies unter einander ausge- sprochen. Durch sehr frühzeitige Auslösung der Postgenerations- thätigkeit nach dem experimentellen Eingriff wird die gesonderte Prüfung der normalen s. typischen Entwickelung bei manchen Thieren, so bei Echinodermen und Amphioxus, sehr erschwert; während Frösche und Ctenophoren den Verlauf der ,, typischen Ent- wickelung" eine grössere Strecke weit für sich zu verfolgen gestatten und daher für unser bezügliches Studium sich mehr eignen und zuver- lässigere Schlüsse gestatten als erstere Thiere, auf deren Verhalten sich H. Driesch vorwiegend, genau genommen ausschliesslich stützt^). 1) Während der Drucklegung vorstehender Mittheilung sind neue entwicke- lungsmechanische Studien H. Driesch's, Nr. VII — X (in den Mittheilungen aus der zoologischen Station zu Neapel, Bd. XI, Heft 1. u. 2) erschienen. [In denselben hat der Autor einige seiner Ansichten in etwas den meinigen sich nähernder Weise modificirt.] Literatur. 919 Literatur. 1. Driesch, Hans, Zur Theorie der thierischen Formbildung. Biol. Centralbl. 1893, S. 296—312. 2. Derselbe, Entwickelungsmechanisclie Studien I und II. Zeitsclir. für wiss. Zoologie LIII, 1, 1891. 3. Selenka, Emil, Studien über Entwickelungsgeschichte der Thiere. Heft II : Die Keimblätter der Echinodermen. Wiesbaden 1883. 4. Fiedler, Karl, Entwickelungsmechanische Studien an Echinodermeneiern. In der Festschr. d. Univers. Zürich für die HH. von Naegeli und von Kölliker. Zürich 1891. 5. Barfurth, Dietrich, Halbbildung oder Ganzbildung in halber Grösse. Anat. An- zeiger 1893, Nr. 14. 6. Driesch, H., Entwickelungsmechanische Studien III — IV. Zeitschrift für wiss. Zoologie LV. 1, 1892. 7. Hertwig, Oscar, Urmund und Spina bilida. Arch. f. micr. Anatomie. Bd. 89, 1892 8. Derselbe, Aeltere und neuere Entwickelungstheorien. Rede. Berlin 1892. Nr. 29. lieber die ersten Theilungen des Froseheies und ihre Beziehungen zu der Organbildung des Embryo. 1893. Anatomischer Anzeiger. Bd. VIII. 1893. Nr. 18. Inhalt. Seite Compression sich furchender Eier: 921 zwischen horizontalen Platten 922 zwischen verticalen Platten 922 Künstliche Asyntaxia medullaris totalis 922 Beziehung zwischen den ersten Furchen und der Medianebene des Embryo 923 Künstliche Bestimmung der Lage des Urmundes 925 Entwickelung bei hochgradiger Deformation des gefurchten Eies . . 926 [605] Unter dem obigen Titel hat O. Hertwig jüngst eine Mit- theilung in den Sitzungsberichten der König], preussischen Academie der Wissenschaften publicirt, in welcher er über bezügliche Versuche berichtet. Diese Versuche bestehen in passiven Deformationen des Eies durch Pressung zwischen wagrechten oder senkrechten Platten oder durch Aspiration in Röhren [s. oben S. 302] ; dabei wurde zunächst auf die Beeinflussung der Richtung der ersten Furche geachtet, darauf des Wei- teren der abnorme Verlauf der Furchung festgestellt; und in besonderen Versuchsreihen wurde die Richtung der ersten Furchung markirt, Entwickelung gepresster Eier. 921 um nach dem Auftreten der Medullari'urche prüfen zu können, ob ihre Richtung in der von mir für normale Verhältnisse ermittelten (s. Nr. 16) festen Beziehung zu der ersten Furchungsebene steht. Es soll sich dabei um die wichtige Frage handeln, ob durch die ersten Furchungen bereits das speeifisch beschaffene Material für die „typische" Entwickelung (s.S. 811 und 915) der rechten und linken, resp. der cephalen und caudalen Haupttheile des Körpers fest ge- schieden wird. Zu dieser vorläufigen Mittheilung Hertwig's möchte ich gleichfalls einige Worte vorläufig bemerken. Zunächst habe ich zu erwähnen, dass ich ganz dieselben Versuche ohne Ausnahme in den Jahren 1885—1887 (s. S. 445 Anm.) (neben anderen bereits [606] publicirten) wiederholt angestellt habe. Ich habe ihre Ergebnisse bisher aus zwei Gründen nicht im Speciellen publicirt: einmal, weil die Ergebnisse nichts enthielten, was nicht schon in den von mir in den Jahren 1883 und 1884 angestellten und publicirten Fundamentalversuchen (Nr. 16 und 20) im Wesen ent- halten gewesen wäre ; deshalb schien mir die Publication nicht so eilig; zweitens hatte ich das gewonnene Versuchsmaterial zu einer grösseren Arbeit für eine eventuell sich meldende jüngere Kraft bestimmt; es sollte unter Microtomirung und Reconstruction durch Plattenmodellirung Genaueres über die von mir, auf Grund der 1884 angestellten Versuche bereits in Nr. 20 ausgesprochenen Beziehungen (s. S. 302) zwischen der Gestalt der Protoplasmaanhäufung und der Richtung der Kernspindel ermittelt werden ; andererseits sollten die bei Deformation des gefurchten Eies vielleicht vorkommenden Aende- rungen der inneren Entwickelungsvorgänge studirt werden. Nachdem sich bis jetzt niemand für die Bearbeitung dieses Materials gefunden hat (wohl weil in Oesterreich keine Doctorarbeiten gemacht w^erden), und da jetzt die bezüglichen Fragen wieder beregt worden sind, werde ich die Ergebnisse meiner damaligen Versuche demnächst so w^eit publiciren, als sie durch äussere Besichtigung der Objecte und die früher schon vorgenommene Microtomirung einiger Serien mir bereits bekannt sind. Ich glaube dabei das Erscheinen von O. Hertwig's definitiver Abhandlung nicht abwarten zu müssen, 922 Nr. 29. Ueber die ersten Theilungen des Froscheies etc. da mein Versuchsmaterial so reich ist, dass 0. Hertwig in dem einen Frühjahre dieses Jahres kaum etwas gesehen haben dürfte, was mir im Laufe mehrerer Frühjahre nicht vorgekommen w^äre (s. Nr. 31). üeber die Resultate 0. Hertwig's will ich, gestützt auf die meinigen, jetzt blos Weniges bemerken. Bei Compression der Eier zwischen zwei horizontalen Platten kommt die dritte, normaler Weise äquatoriale Furchung nicht, wie Hertwig angiebt, in Wegfall; sondern sie wird um eine Furchung ver- schoben (vergl. auch S. 329) ; es findet (w^ie ich früher schon berichtet habe) als dritte eine verticale, annähernd radiäre Theilung statt, und ihr folgt, wie bei der gleichfalls platten Keimscheibe meroblastischer Eier, au den hier abgeplatteten Froscheiern eine senkrechte, aber annähernd tangentiale s. circuläre Theilung, die der sonst wagrechten dritten Furche wohl im Hauptsächlichen entsprechen kann ^). Durch bis zur Entwickelung der Medullarwülste anhaltende starke Pressung der Froscheier zwischen parallele verticale Platten gelingt es, das seitliche Herabwachsen der Urmundslippen ganz zu verhindern; die Medullarwülste formiren dann einen den Aequator [607] des Eies rings umziehenden Gürtel (künstliche Asyntaxia medullaris totalis) [s. S. 89 u. 526]. Bezüglich der von mir für nicht deformirte also ,,nor- male" Eier ausgesprochenen ursächlichen Beziehungen zwischen den ersten Furch ungen und der Medianebene des Embryo, insbesonders bezüglich des Zusammenfalles der ersten oder zweiten (bei Pressung 1) Auf der Versammlung der Anatom. Gesellsch. zu Strassburg im Mai 1894 machte ich in der Discussion zu einem bezüglichen Vortrage H Ziegi.er's folgende Mittheilung (siehe Verband!, d. anat. Gesellsch. 1894, S. 153): ,,An Eiern vonßombinator igneus, welche nach der Befruchtung zwischen wagerechte Platten gepresst worden waren, sah ich nach den beiden ersten, senkrechten, rechtwinkelig zu einander stehenden Furchen bei der dritten Theilung statt der von Ziegler er- haltenen Theilung in senkrechter radiärer Richtung gleichfalls senkrechte Furchen auftreten, welche aber die Peripherie des Eies nicht erreichten, sondern die beiden früheren Fur.chen schräg oder quer verbanden und daher bei ihrer gleich- zeitigen verticalen Stellung in ihrer Richtung mehr der normalen dritten, äqua- torialen Furche der meroblastischen Eier entsprachen. Diese Ver- schiedenheiten in den Befunden sind wohl von Verschiedenheiten in dem Grade der Pressung und in der relativen Menge des Bildungs- und Nahrungsdotters, d. h. von der durch diese Componenten bedingten „Ge- stalt des Bildungsdotters" der betreffenden Furchungzellen abhängig^ Entwickelung gepresster Eier. 923 zwischen senkrechten Platten der ersten oder dritten) ^) Furchungs- ebene mit der Medianebene des Embryo hat 0. Hertwig aus den Ver- suchs-Ergebnissen seiner abnorm behandelten Eier keine Bestätigung meiner Auffassung entnehmen können, schliesst aber, dass sich das „Fehlen" dieser unter normalen Verhältnissen beobachteten ur- sächlichen Beziehung auch für die normalen Verhältnisse er- geben habe. Dem entgegen haben meine, denen Hertwig's äusserlich gleichenden Versuche eine sichere Bestätigung meiner für die ,, normale" Entwickelung aufgestellten Auffass- ung auch für manche abnormen Verhältnisse ergeben (s. auch Nr. 31, S. 266]. lieber die Ursachen dieser Differenz bin ich nicht im Zweifel. Abgesehen von den Verschiedenheiten, welche wie erwähnt durch die Ungleichheit in der Stär-ke der Pressung be- dingt werden können, schliesst die bei diesen Versuchen angewendete Methode der Zwangslage viele Fehlerquellen ein, welche man erst nach vielen, wohl kaum in einem einzigen Frühjahr zu erwerbenden Er- fahrungen alle kennen und theilweise vermeiden, theilweise in ihrer Wir- kungsweise und Grösse richtig beurtheilen lernt. Es giebt keine Fehler- quelle, welche zu veranlassen vermöchte, dass die Anlage der Medullar- wülste parallel den zur Zeit der ersten Furchungen auf einen den pressen- den Glasplatten angeklebten Zettel gemachten Strichen erfolge. Wohl aber wird jede Fehlerquelle Abweichungen von dieser Rich- 1) In den Fällen von so stai'ker Pressung zwischen senkrechten Platten, dass die dritte Furchung auch noch rechtwinkelig zu den Platten und erst die vierte Furchung zu ihnen parallel steht, wo aber die Medianebene gleichwohl die Richtung dieser Platten hat oder ihr nahe steht, können wir nicht mehr normale, s. typische Entwickelung annehmen, für welche meine Sätze von den „festen" Richtungsbeziehungen, d. h. von dem „directen"Causalnexus zwischen den ersten Furchungen und der Medianebene des Embryo und von der „ Sebstdiff erenzir ung" der ersten Furchungsz eilen aufgestellt und erwiesen worden sind. In diesen Fällen müssen, ebenso wie bei den starken Verlagerungen der Furchungszellen an Seeigeleiern durch Driesch, wie ich schon (S. 834) ausgesprochen habe und des Weiteren darthun werde (S. 901 u. Ol'i), Mechanismen in Thätigkeit treten, wie sie bei der Post- und Regeneration auch thätig sind, Mechanismen, welche das Wesen der von mir der typischen Entwickelung gegenübergestellten „atypischen" Entwickelung ausmachen. 924 Nr. 29. lieber die ersten Theilungen des Froscheies etc. tungs - Coincidenz hervorbringen; und das Erste, was man bei diesen Versuchen erhält, sind daher stets die [608] Abweichungen, bis bei Vervollkommnung der Technik und der Beurtheilung die Constanz allmählich hervortritt. Da ich trotz dieser ungiyistigen Umstände schliesshch 80 Procent Uebereinstimmungen erhalten habe, so ist an einer ,,causalen Beziehung" zwischen den Richtungen der ersten Furchungen und der Medianebene des Embryo auch unter diesen abnormen Verhält- nissen geringer Pressung nicht zu zweifeln ^). Diese Versuche schliessen sich also bestätigend und erweiternd an meine früheren Versuche mit normal gehaltenen, sowie mit blos durch Trocken haltung (wobei, aber erst später, auch immer erhebliche Deformationen stattfinden) in Zwangslage gehaltenen Eiern an, welche letzteren einen höheren Procentsatz von Uebereinstimmungen zwischen erster resp. zweiter Furchungsebene und der Medianebene ergaben, sowie an die Resultate der Eioperationen an, wobei nach Zerstörung einer der beiden ersten Furchungszellen des Frosches die andere Zelle sich genau zu einem rechten oder linken halben Embryo [1) Es bleiben also 20 °/o Abweichungen unter diesen hochgradig abnormen Verhältnissen. Auf Seite 330 und 398 habe ich schon bei einfacher Zwangslage von 12 Abweichungen berichtet, und betont, dass festzustellen ist, ob dieselben that- sächliche Abweichungen sind oder auf Versuchsfehlerquellen beruhen. Da nun jüngst auch G. Born (üeber Druckversuche an Froscheiern. Anatom. Anz. Bd. 8, 1893, S. 610 — 627) bei besonders darauf gerichteter Aufmerksamkeit solche Abweichungen gefunden hat, so scheint also bei hochgradig abnormen Verhältnissen eine Abweichung von der Coincidenz der Medianebene des Embryo mit einer der beiden ersten Furchen in der That vorzukommen (s. S. 349), wofür ich schon S. 896 u. f. und 912 eine Erklärung gegeben habe. Die überwiegende Procentzahl der Uebereinstimmung bekundet jedoch, dass auch unter diesen Verhältnissen noch eine ,causale Beziehung" besteht; die Abweichungen dagegen bekunden, dass die Beziehung nicht mehr so „fest" ist, als unter normalen Verhältnissen (s. S. 349). Vielleicht ist die Abweichung der Medianebene des Embryo von einer der ersten Furchungsebenen bei Eiern, welche während der ersten Furchungen gepresst Avurden, umso grösser und häufiger, je stärker diePressung und damit die Abweichung von der normalen Furchung war und je abnormer daher die Configuration des Nahrungs- und Bil- dungsdotters ist, welche ja nach meinem Nachweis (S. 400 und 409) die Lage der Kopf- und Schwanzseite bestimmt (siehe auch Nr. 31, S. 266).] Entwickelung gepresster Eier. 925 entwickelte (was neuerdings von Barfurth am Axolotl [diese Zeitschr. S. 497] bestätigt worden ist). Ich zweifle nicht, dass O. Hertwig, wenn er, gleich mir die bezüglichen Versuche drei Frühjahre nach einander bei nicht zu starker Pressung [und sorgfcältiger Beobachtung, s. S. 895 Anm.] wieder- holt haben wird, auch zu denselben Resultaten gekommen sein wird. Das Gleiche gilt übrigens in gleicher Weise bezüglich mehrerer anderer von mir gemachter V^ersuche, insbesondere von der künstlich localisirten Befruchtung, w^elche vielleicht nun auch nachgemacht werden, nach- dem man angefangen hat, sich mit diesen früheren Versuchen von mir zu beschäftigen. Ich werde in meiner angekündigten Abhandlung die Fehlerquellen der auf unser vorliegendes Thema bezüglichen Ver- suche und die Art ihrer Elimination oder Minderung angeben. Schliesslich bemerkt Hertwig: ,,Es schien mir möglich zu sein, durch experimentelle Eingriffe den Ort der ersten ürmundsanlage beeinflussen zu können, nämlich dann, wenn man die comprimirenden Glasplatten schräg geneigt aufstellt." Von 16 Eiern entstand dabei fünfzehnmal die erste Urmuudanlage an dem oberen Theil der schräg- stehenden Peripherie des Dotterfeldes. Diese Lage der ersten ürmundsanlage ist für normale Verhält- nisse zuerst von mir 1883 an Rana esculenta (s. S. 113, 164 u. 342), und die Möglichkeit der künstlichen Bestimmung durch erzwungene schiefe Eisteilung darauf von Pflüger im Jahre 1883^) entdeckt und sicher nachgewiesen und bereits 1884 von G. Born und mir bestätigt ge- funden worden 2) [und ich habe dasselbe ohne Zwangslage durch künst- lich localisirte Befruchtung an der der Befruchtungsseite des Eies gegenüberliegenden Seite hervorgebracht, s. S. 357 u. f. und 409]. Während der Entwickelung dieser Eier, welche vom Anfang an in abnormer Lage oder Form erhalten worden sind, entstehen sehr häufig [gleich wie bei den operirten Eiern (siehe Nr. 18) als Zeichen abnormer Vorgänge] abnorme, aber blos locale Auswüchse, welche 1) Ueber den Einfluss der Schwerkraft etc. IL Abhandlung S. 56. Pflüger's Arcb. Bd. 32. 2) Trotz obenstehender Berichtigung schreibt H. Driesch (analyt. Theorie der Entwickelung, Leipzig 1894) neuerdings diese Entdeckung 0. Hertwig zu. 926 Nr. 29. Ueber die ersten Theilungen des Froscheies etc. später wieder schwinden [Zeichen des stattfindenden Ausgleichs durch regulatorische Vorgänge]. Gleichwohl zeigen (abgesehen von den, von mir ebenfalls [609] verfolgten Störungen d u r c h d e n mit diesen Versuchen in höherem oder geringerem Grade verbundenen Luft- mangel) auch bei stärkerer Abplattung, Verbiegung oder Fal- tung der „Blastula" und ,,Gastrula", sofern nur der allerdings häufig ausbleibende Urmundschluss richtig vor sich gegangen ist, die daraus hervorgegangenen Embryonen selbst bei stärkster Verbie- gung derselben bis zur Berührung von Kopf und Sch^^anz in ihren Organen sich äusserlich und innerlich so normal angelegt, als ob die Entwickelung unter den normalen äusseren Formen stattgehabt hätte, und der Embryo erst nach Anlage dieser Organe nachträg- lich allmählich so verbogen worden wäre. Daraus geht her- vor, dass die normalen Entwickelungsvorgänge nicht an eine typisch feste Lagerung der Theile zu einander im Raum gebunden sind, sondern dass sehr erhebliche Abweichungen von der normalen räumlichen Anordnung der Theile zulässig sind [s. S. 187, 192, 891 und 905]. H. Driesch, welcher gleich 0. Hertwig ein Gegner meiner Auf- fassungen von den ersten Furchungen des Eies als qualitativen Schei- dungen des zur typischen Entwickelung der einzelnen Körper viertel dienenden Eimateriales und von der normalen Selbstdifferenzirung dieser ersten Furchungszellen zu entsprechenden Vierteln des Embryo ist, hat gleichfalls neuerdings (Biolog. Centralbl., Nr. 9) Einwendungen publicirt. Dieselben beruhen jedoch, wie ich gelegentlich darthun werde, zum Theil auf thatsächlichen Irrthümern, zum wesenthchsten Theile auf einer petitio principii (s. Nr. 28). Nr. 30. lieber richtende und qualitative Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern. 1893. Zoologischer Anzeiger. 1893. Nr. 432. [1] Da die Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern neuerdings mit Recht mehr Beachtung und Studium finden, so will ich darauf hinweisen , dass bereits früher einige solche Beziehungen von mir ermittelt worden sind, was den neueren Bearbeitern dieses Themas entgangen zu sein scheint, da sie blos einen untergeordneten Theil meiner Angaben berücksichtigen. Auf Grund im Frühjahr 1884 angestellter Versuche habe ich 1885 die Auffassung ausgesprochen (S. 303), dass aus der ,, Gestalt der Protoplasmaanhäufungen" bei den Ei- und Furchungszellen eine bestimmte richtende Wirkung auf die Kernspindel folgt und dass spec^ell aus einer symmetrischen Gestalt unter Umständen zwei Prädilectionsrichtungen der Kerneinstellung sich ergeben können, von welchen diejenige bevorzugt wird, welche der Richtung am nächsten liegt, in welcher der Kern schon aus seinen eigenen inneren Verhältnissen sich zu Theilen tendirt. Diese Richtungen sind die Richtung der Symmetrieebene, welche zugleich die gros st e Dimen- sion besitzt und die auf ihr rechtw^nkelis; stehende Riclituna:. Weiteres über diese Prädilectionsrichtungen findet sich Seite 335—340 928 Nr. 30. Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern. und wird von mir in Verbindung mit neueren Beobachtungen ausführ- licher besprochen werden^). O. Hertwig hat in seiner 1884 erschienenen Arbeit über den Einfluss der Schwerkraft auf die Theihmg der Zellen wie danach in seinem Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte blos eine, die meist [2] ausschlaggebende dieser Richtungen, ,,die Richtung der grössten Protoplasmamassen", wie er sich ausdrückt, berücksichtigt und sich dabei blos auf die „normalen" Vorgänge der Furchung, also auf Vorgänge gestützt, aus welchen wir in Folge der unübersehbaren Complication der bei ihnen gleichzeitig in typischer AVeise thätigen Componenten nie einen ,, sicheren" Schluss auf den spe- c i e 1 1 e n A n t h e i 1 einer einzigen dieser Componenten ziehen können, so dass ihnen gegenüber meine experimentell begründeten und als solche beweiskräftigeren Folgerungen wohl eine nicht unwesentliche, erwähnenswerthe Vermehrung unseres Wissens darstellen. Gleichzeitig habe ich (S. 327, 340 und 402) auf Fälle von ge- ringer schiefer Zwangslage der Froscheier aufmerksam gemacht, in denen in Folge von Einstellungen des Furchungskernes und ent- sprechender Einstellung der ersten Theilungsebene des Eies, welche von diesen beiden Prädilectionsrichtungen abweichen, nachträg- lich eine symmetrische ümordnung des ,, Rindenpig- ment es" des Eies zu dieser, resp. zu der ihr folgenden, rechtwinkelig dazu stehenden Theilungsrichtung sicht- bar wird. Diese Thatsache weist, meiner Meinung nach, auf tief- greifende ordnende Beziehungen zwischen den verschie- denen Materialien des Zellleibes und denen des Kernes hin, derart, dass bei „gegebener" Richtung und Qualität der Kerntheilung die verschiedenen Materialien des Zell- 1) Gegenüber diesem Einflüsse der Gestalt des Leibes der ^Furchungszellen" auf die Einstellungsrichtung des in Theilung begriffenen Zellkernes, welche Gestalt normaler Weise wesentlich durch die Zahl, Lage und Ausdehnung der Berührungs- flächen mit anderen Zellen bedingt ist, sei sogleich mitgetheilt, dass nach dem Er- gebnisse daraufhin von mir angestellter Experimente die „Berührungsfläche" zweier Furchungszellen als solche keinen „richtenden" Einfluss auf die Einstellung der Kernspindeln in „diesen" Zellen ausübt. Concurrenzwirkung zwischen Dotter und Kern. 929 1 e i b e s in dazu passender Weise geordnet werden, wäh- rend für gewöhnlich der Kern das beweglichere, vom Zellleib richtend beeinflusste Gebilde darstellt [Weiteres siehe S. 407] i). Diese Beziehungen Avurden weiterhin dadurch illustrirt (S. 337), dass die Entscheidung darüber, ,, welche" qualitative Kern- th eilung von zwei prädisponirten Theilungsarten zuerst stattfindet, von der Einstellung des Kernes mit seiner immanenten Theilungs- richtung in eine dieser beiden Prädilectionsrichtungen und von der damit gegebenen Einstellung zu den verschiedenen Protoplasma- massen abhängt; dies geschieht im Speciellen derart, dass das Kern- material für die beiden Antimeren des Froschembryo den beiden symmetrisch und qualitativ gleichen Protoplasmahälften des Eies zugetheilt wird, wogegen das activirte Kernmaterial für die Kopfhälfte des Embryo demjenigen besonderen Dottermaterial, welches unter dem hellen Halbmond der Oberseite des Eies sich sammelt, das activirte Kernmaterial der Schwanzhälfte dem entgegengesetzten Theile des Eies zugeführt wird (s. S. 402 u. 408). Ausnahmen von dieser Regel kommen unter normalen Verhält- nissen nicht vor und sind auch bei Zwangslage sehr selten; sie beweisen aber alsdann, dass bei ausgebliebener Herstellung der Har- [3] monie zwischen Zellleib und Zellkern, somit im Conflictsfalle das gesonderte Kernmaterial ausschlag gehender für die Bestimmung der TheiJe des Emhryo im viergetheilten Eie, für die Lage der rechten und linken, der Kopf- und Schwanzseite des Embryo sein kann, als die Verschieden- [1) Doch ist zugleich zu berücksichtigen, dass diese Fälle noch nicht genauer untersucht sind und dass wir daher nicht wissen, ob die von der Symmetrieebene der Rinden Substanz abweichende erste Furche deshalb abweicht, Aveil die An- ordnung der inneren Dottersub.stanzen nicht derjenigen der Rinde entsprach, und weil der Kern natürlich der einstellenden Wirkung der Anordnung der ihn direct umgebenden verschiedenen Dottersubstanzen mehr folgte,, als derjenigen der entfernteren Rindensubstanz; es wäre also möglich, dass die nachträgliche Umordnung der Rindensubstanz nicht oder weniger durch die Wirkung der Qualität und Richtung des Kernes, als vielmehr durch die Wirkung der inneren Dottersubstanzen auf die äusseren (Rindensubstanzen) bedingt war.] W. Roux, Gesammelte Abhandinngen. IL 59 930 Nr. 30. Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern. heiten des Protoplasmamaterials des Eies, ein Verhalten, welches zugleich auf eine erhebliche Unabhängigkeit der Kernent- wickelung vom Zellleib und auf eine starke Abhängigkeit der Differenzirung des Zellleibes vom Zellkern hinweist (siehe aber auch S. 929 Anm.). Die vorstehend den bezüglichen experimentellen Thatsachen untergelegte Bedeutung beruht auf der von mir durch verschieden- artige Versuchsergebnisse gestützten und von vielen anderen Autoren mit Zustimmung aufgenommeneu Annahme, dass beiden indirecten Kerntheilungen in den Furchungszellen das der ,,nor malen s. ty- pischen" Entwickelung (nicht aber das der Vermehrung der Individuen und der Re- resp. Postgeneration) dienende Kernmaterial entsprechend den späteren verschiedenen Körper- theilen qualitativ ungleich getheilt wird. Die neuerdings von 0. Hertwig und H. Driesch gegen diese Auffassung ausgesprochenen Einwendungen habe ich in zwei eingehenden Abhandlungen (Nr. 27 und 28) unter gleichzeitiger Beseitigung der scheinbar vorliegenden Schwierigkeiten, wie ich glaube, genügend geprüft und als nicht zutreffend dargethan, so dass w^ir ohne Gefahr in Irrthum zu beharren oder in ihn zu gerathen, auf der mit dieser Hypothese betretenen Bahn weiter schreiten dürfen (siehe Nr. 33). Im Gegensatz zu den innigen Beziehungen zwischen Zell- kern und Zellleib bei ,, normalen" oder nur wenig davon ab- w^eichenden Verhältnissen zeigte sich in hochgradig abnormen Verhältnissen oft eine noch weitere Unabhängigkeit der Ent- wickelung des Zellkernes vom Zellleibe, als wir sie oben schon sich bekunden sahen : ^) Nach Anstich einer der beiden ersten Furchungszellen des Froscheies findet man häufig neben einem Hemiembryo in der vacuoHsirten, also abnorm beschaffenen, operirten Eihälfte (siehe S. 463 u. f.), weit ab von der entwickelten Hälfte in dem im Uebrigen kernlosen, nicht in Zellen zerlegten Dotter, einige Haufen von Zell- 1) Ueber eine gewisse Unabhängigkeit der Richtung und Qualität der Kern- theilung von den Nachbarzellen siehe S. 452 und 491. Unabhängigkeit der Kernentwickelung von der Dotterentwickelung. 931 kernen, welche letzteren die Charaktere der älteren, grossen einfach contourirteu , ans feinen rotlien Körnchen gleich- [4] massig dicht gebildeten Morulakerne , ja oft der bläschenartigen Blastula- kerne besitzen. Diese Kerne glaube ich mit Sicherheit vom Furchungskern der operirten Zelle ableiten zu können, sofern beide Eihälften durch eine Demarcationslinie getrennt sind oder sofern, wie es häufig der Fall ist, in der Nähe der entwickelten Hälfte keine Kerne sich vorfinden. Der Furchungskern der operirten Ei hafte hat sich also V i e 1 m a 1 g e t h e i 1 1 und zugleich qualitativ weiter ent- wickelt, obgleich sich der Dotter nicht mitget heilt hat. Daraus geht hervor, dass in einem Zellleibmaterial, welches zur Zer- legung in Zellen ungeignet ist, welches ausserdem zum Theil abnorm verändert (vacuohsirt) ist, und gewöhnlich noch das Pigmentmaterial (das normaler Weise auf der Blastulastufe schon fast verbraucht ist) neben einem Hemiembryo noch ganz unvermindert enthält, dass also in einem Dottermateriale, welches sich wohl nicht in der normalen Weise entwickelt hat, die Zellkerne sich anscheinend normal, im Maximum bis zur bläschenartigen Stufe des Kernes der Blastula zu entwickeln und dabei zu theilen vermögen. Daneben kommen aber allerdings (s. S. 464 u. f.) auch abnorme Kernveränderungen oft vor; besonders häufig findet sich abnorme Grösse der Kerne der Morula- und Blastulastufe, was also auf Ausbleiben der Kerntheilung nach genügendem, ja nach abnorm starkem Wachsthum der differen- zirten Kerne hindeutet. Diese obere Grenze der EntwickeLungsfähigkeit des Kernes in nicht cellulatipnsfähigem Zellleibmaterial weist andererseits zugleich wieder auf eine Abhängigkeit der Entwickelung des Zellkernes von der Beschaffenheit des ihn umgebenden Zellleibes hin. Wir dürfen also schhessen : Kerne der Furchungszellen des Froscheies können sich [unter nicht näher bekannten Umständen] eine gewisse Folge von Veränderungen weit unabhängig von den normalen [?], ja von eventuellen pathologischen Veränderungen des Protoplasmas dieser Zellen entwickeln. 59* 932 Nr. 30. Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern. A n h a n g. Aiitheil der Gestalt und iimereii Anordnung des Dotters an der Entstehung: Yon Halb- und Doppelbildung-en. [iiu diese Mittheilung über differenzirende Correlationen zwischen Zellleib und Zellkern sei gleich eine specielle An- wendung derselben angeschlossen, die ich auf dem Anatom en- congress zu Strassburg 1894 machte. Herr 0. Schultze hatte mitgetheilt (Verhandlungen der anat. Ges. 1894 S. 127—132), dass er durch Umkehr von in Zwangslage erhaltenen Froscheiern nach der ersten Furche Doppelbildungen erhalten hat. Dazu bemerkte ich (loco cit. S. 147 — 149) Folgendes : ,,Herr Schultze giebt an, dass die beiden Medullarwülste auf jeder Eihalfte gleichzeitig entstanden; demnach entstehen nicht erst Hemiembryonen aus jeder Eihalfte mit nachfolgender Postgeneration der fehlenden Hälfte. Während ich nach Tödtung einer der beiden ersten Furchungszellen aus der anderen Zelle zuerst einen typischen Hemiembryo erhielt, der, sei es mit oder ohne Verwendung von Material der anderen Eihalfte, die [148] fehlende Embryohälfte post- generirte , entsteht hier also sogleich eine Ganzbildung , ein Holoplast aus jeder Eihalfte." ,,Ich kann der Meinung 0. Sghultze's, dass die Entstehung dieser Doppelbildungen auf einer Theilung des Schwerpunctes des Eies in zwei Theile beruhe^), nicht zustimmen, sondern glaube, den Unterschied unserer beiderseitigen Resultate nach meinen früher ausge- sprochenen Auffassungen (Nr. 28) in folgender Weise ableiten zu können: Ich habe gezeigt (Nr. 21), dass man bei schiefer Aufsetzung des Froscheies künstlich veranlassen kann, dass die normale zweite, köpf- und schwanzwärts scheidende Furche des Froscheies zuerst 3) Diese von ihm in Strassburg geäusserte Ableitung hat 0. Schultze in dem gedruckten Bericht über seinen Vortrag nicht mehr vertreten, und in der ausführ- lichen Abhandlung leitet er die Entstehung dieser Doppelbildungen vielmehr „von einem gegenseitigen ünabhängigkeitsverhältniss oder von dem Fehlen der regulirenden Wechselbeziehungen der Theilproducte" ab (siehe Arch. f. Entwickelungsmechanik I, 1894. S. 269—306). Halb- und Doppelbildungen bedingt durch Anordnung des Dotters. 933 entsteht; dies geschieht, wenn man das Ei ganz seitlich von der Symmetrieebene der willkürlich gegebenen schiefen Einstellung be- fruchtet. Der Furchuugskern hat nach meinen Versuchen die Tendenz, sich in der Copulationsrichtung zu theilen, wobei die Theilungs- producte und die Kernspindel rechtwinkelig zu dieser Ebene sich ein- stellen. Vorliegenden Falles kommt dabei das eine Ende der Spindel gegen diejenige Seite des Eies, wo der weisse Pol höher steht, das andere Ende gegen die mehr schwarze Seite des Eileibes: und die entsprechenden Verschiedenheiten der Zellleibsubstanzen veranlassen nun, dass auch der Kern sich entsprechend „qualitativ ungleich" theilt, dass er von den prädisponirten zwei ersten Theilungen die normal als zweite auftretende Theilung zuerst ausführt. Erfolgt dagegen die Befruchtung in der Symmetrie- ebene, so stellt sich die Kernspindel rechtwinkelig zu dieser Fläche; beide Enden sind dabei symmetrisch gleich beschaffenem Dotter- material zugewendet, und der Kern theilt sich daher auch symme- trisch gleich. Die Anordnung des Dottermateriales übt also unter Umständen einen grossen Einfluss auf die Qualität der Kerntheilung aus." ,,Bei 0. Schultze's Versuchen der Umkehr der Eier nach der ersten Furchung bildet sich, wie er mittheilt, in der Furche zwischen beiden ersten Furch ungszellen ein heller Ring. Ich schliesse daraus, dass der durch die Umdrehung nach oben gebrachte helle, specifisch schwerere Nahrungsdotter in jeder von beiden Zellen absinkt, zum Theil neben der Trennungsebene, im Ganzen aber wohl ähnlich, wie es Born bei sogleich nach der Befruchtung, also noch vor der ersten Theilung fast umgekehrt aufgesetzten Eiern beobachtet hat, wobei zur Zeit der ersten Furchung der B il d u n gs d o 1 1 e r , ,o b e n" angesammelt war in einer die Entwickelung des ganzen Eies zu einem normal gestalteten Embryo gestattenden Weise. Die Anord- nung der verschiedenen Dottermassen war dabei also wohl in der ,, bestimmenden" Hauptsache ähnlich der eines nor- malen, ungetheilten Eies geworden. V'ielleicht ist dies auch bei Schultze's Umkehrung derEiernach der ersten Theilung in einigenFällen zufällig in,,ieder"von beidenZellen geschehen. 934 Nr. 30. Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern. Alsdann lagert also indem, in der Anordnung seiner verschiedenen Dottersubstanzen im Wesentlichen einem ganzen Ei entsprechenden Leib jeder von beiden Furchungszellen von der vorausgegangenen ersten Theilung her ein Kern, der in seinem activirten Material den Kern eines halben Eies (für eine rechte oder linke Körper- hälfte, resp. für eine Kopf- oder Schwanzhälfte) darstellt." [149] ,,Es ist also ein Widerstreit, ein abnormes Verhalten zwischen Zellleib und Zellkern, eine Störung vorhanden; damit werden die regulirenden Fähigkeiten resp. das Regenerations- s. Reserve- idioplasson geweckt, activirt (s.S. 901 u. f., und Nr. 31, S.279), welches ja, wie wir wissen, noch in Zellen späterer Entwickelungsstadien des Froschembryos das Vermögen zur Bildung aller Theile des Ganzen enthält. Dies Plasson wird in Thätigkeit versetzt und zwar in einer Weise, welche der einem ganzen Ei der Hauptsache nach ent- sprechenden Anordnung der Dottersubstanzen entspricht: es entsteht ein Ganzes; ob wirklich sogleich in vollkommener Weise oder doch erst allmählich, ist wohl noch durch besonders darauf gerichtete Beobachtungen festzustellen. Die Entwickelung ist aber dabei keine normale s. typische, d. h. blos mit dem ,, durch die Befruchtung activirten Kernmaterial" sich vollziehende, sondern eine atypische, unter ßethätigung des Regenerationsplassons stattfindende." ,,In meinen Anstechungs versuchen dagegen ist die Sach- lage eine wesentlich andere. Das Ei, dessen eine von beiden Fur- chungszellen getödtet worden ist, nimmt seine normale Stellung ein, der Kern der lebenden Hälfte passt daher nach der Operation wie vor derselben zudem ihn umgebenden Zellleib; das heisst z.B., wenn eine wirkliche erste Furche gebildet worden war, der Kern entspricht in der Anordnung und Beschaffenheit seiner Substanzen einer Symmetriehälfte und der Zellleib desgleichen *). In der erhaltenen Fur- chungszelle ist also an sich Alles normal, und blos die Lebenswirkung der anderen Eihälfte fehlt. Da sich, wie wir sahen, jede Eihälfte [1) Hierbei sei noch auf meine frühere Aeusserung (S. 451) des Inhaltes verwiesen, dass vielleicht die „halbkugel ige Gestalt des D ottermateriales einer der beiden ersten Blastomeren die Ursache seiner Entwickelung zu einem Hemiembryo sei".] Halb- und Doppelbildungen bedingt durch Anordnung des Dotters. 935 für sich zu einem Hemiembryo entwickeln kann, ist diese Wirkung der einen Eihälfte auf die andere wohl sehr gering, und ihr Fehlen komrüt, sofern das Material der operirten Hälfte stark verändert ist, oft erst ziemlich spät zur Geltung. Ist dagegen das Dottermaterial der operirten Zelle noch lebendig und wesentlich blos der Kern getödtet, so wirkt es gleich auf den resp. die sich t heil en- den Kerne der noch nicht vollkommen abgesonderten unver- sehrten Eihälfte einstellend und veranlasst frühzeitig Uebertritt von Kernmaterial in die operirte Eihälfte, womit wiederum die aty- pische Entwickelung einsetzt." ,,Ich bin also nicht genöthigt, zur Ableitung des neuen, inter- essanten [150] Ergebnisses Sghultze's neue principielle Annahmen zu machen, sondern komme mit den früher zur Ableitung meiner eigenen Beobachtungen gemachten Annahmen aus; der wesentliche Un- terschied in den beiderseitigen Ergebnissen lässt sich somit auf entsprechende Verschiedenheiten der bezüg- lichen Versuchsverhältnisse zurückführen." Ich hatte in Strassburg noch hinzugefügt (was im Bericht zu erwähnen von mir vergessen worden ist), dass ich aus Sghultze's Angabe, es entstehe zwischen beiden ersten Blastomeren ein heller Streifen, schliesse, dass der zwischen beiden Zellen sich in abnorm grosser Weise anhäufende Nahrungsdotter die Einwirkung beider Zellen auf einander erschwere, resp. verhindere und so die selbstständige Entwickelung jeder derselben begünstige. Denn wenn auch, wie ich nachgewiesen habe, zwischen den beiden ersten Blastomeren differenzirende Wechselwirkungen zur normalen Entwicke- lung jeder derselben nicht nöthig sind, so ist damit nicht gesagt oder erwiese», dass nicht, wenn diese Zellen dicht bei ein- ander sind, sie sich beeinflussen wenigstens derart, dass jede nicht so leicht sich ,, selbstständig" für sich zu einem ,,Ganzen" entwickelt. Nach dem Erscheinen der ausführlichen Abhandlung Sghultze's (Arch. f. Entwickelungsmechanik B. I, S. 269 — 306) habe ich noch einiges nachzutragen. 936 Nr. 30. Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern. Zunächst sei bemerkt, class ich bereits im Jahre 1884 (s. S. 330) Froscheier, welche dm'ch ungenügende Quelking ihrer Gallerthülle in Zwangslage erhalten waren, nach der ersten Furche umge- dreht habe, jedoch ohne Doppelbildungen zu erhalten; desgleichen habe ich dessen Versuch nach 0. Schultze's Vortrag vom 8. — 10. Juni 1894 an 45 Eiern von Rana esculenta wiederholt und in jeder neuen Phase gezeichnet. Es zeigte sich an ihnen keine Spur einer Anlage von Doppelbildungen in irgend einem Stadium; sondern das Ergebniss war folgendes: Der dritte Theil dieser Eier drehte sich nach der Umkehr wieder mit dem dunklen Pol nach oben , war also nicht genügend fixirt ; diese Eier entwickelten sich zumeist ganz normal. Von den andern furchte sich die Mehrzahl blos 2 — 5 Mal, um dann abzusterben. Die anderen Eier lieferten T h e i 1 b i 1 d u n gen, indem blos die eine der beiden ersten, oder drei oder blos eine der vier ersten Furchungs- zellen sich weiter entwickelten. So entstanden Halb-, Dreiviertel-, Ein- viertel-Morulae, -Blastulae, von denen mehrere abstarben; die sich weiter entwickelnden lieferten Semigastrulae und 5 producirten wohlgebildete Hemiembryones: 3 laterales und 2 anteriores. Das Ergebniss ist also: in vielen Eiern starben beide ersten, oder eine, 2 oder 3 der vier ersten Furchungszellen ab, und der überlebende Theil entwickelte sich weiter, wie bei Tödtung der Blastomeren durch Anstich; aber bei vielen hörte diese Entwickelung frühzeitig schon auf der Blastula- und Gastrulastufe auf; und auch die Hemiembryonen starben bald unter Framboisia ab , nur einer vollzog Postgeneration. Bei der Beurtheilung dieses Resultates ist zu berücksichtigen, dass ich am Ende der Laichperiode experimentirte, wo Störungen des normalen Verlaufs der Entwickelung nicht mehr leicht über- wunden werden, wo die Regulationskräfte geschwächt sind, aber die ungestörte Entwickelung noch normal sich zu vollziehen vermag. 0. SciiuLTZE dagegen hat bei seinen Versuchen an 10 bis 50 ^lo der behandelten Eier vollkommene oder (meist) unvollkommene, zum Theil recht wohl entwickelte Doppelbidungen erhalten. (Die anderen Eier gingen zu Grunde oder bildeten nicht weiter bezeichnete I Halb- und Doppelbildungen bedingt durch Anordnung des Dotters. 937 Abnormitäten [vielleicht zum Theil auch Halbbildungen ?]). Aus diesem so auffallend abweichenden Resultat ist wohl zu folgern , dass bei seinen A'^ersuchen noch ein besonderes Moment betheiligt war; denn auch er experimentirte zum Theil am Ende der Laichperiode und gerade zuletzt erhielt er 50*^/ü Doppelbildungen. Dieses neue Mo- ment sehe ich in dem Abweichenden seiner Methode. Schultze giebt an, dass er die Eier durch Pressen zwischen wagrechte Platten in Zwangslage brachte, während ich sie nur durch unge- nügenden Wasserzusatz in ihrer Hülle fixirte, wobei sie annähernd ihre Kugelgestalt behalten. In dieser starken Abplattung der Eier Schultze's kann man nun wohl ein Moment sehen, welches die Ent- stehung von Doppelbildungen bei C o m b i n a t i o n mit U m d r e h u n g begünstigte (obschou diese Pressung allein keine Doppel- bild u n g e n b e w i r k t). Durch die so bewirkte Abplattung wurde die beide Eihälften trennende Schicht vom Nahrungsdotter, (also von dem weniger activeu Theil) grösser, die Selbstständigkeit beider also vergrössert, d. h. die eventuellen vitalen Wirkungen beider aufeinander schwächer. Im gleichem Sinne konnte die durch die Ab- plattung bewirkte grössere Entfernung der Massenmittelpuncte beider Zellen wirken. Beides war auch in dem Versuche Ed. Wilson's der Fall, in welchem er Amphioxuseier auf dem Zweizellenstadium etwas, aber nicht ganz aus einander zerrte (s. Nr. 31, S. 282, Anm.) und da- nach Zwillingsgastrulae erhielt (s. auch S. 794). Schultze fand dieser meiner Annahme ganz ent- sprechend sogar, dass der Urmund statt nach „unten", gegen diese verticale Dotterplatte hin gebildet wurde; dieselbe verhielt sich also, wie die durch den Nahrungs- dotter gebi<^dete Unterseite des normal situirten Eies, und die „reelle Eiaxe" jeder von beiden Eihälften stand somit also ganz oder annähernd wagrecht. Die beiden Furchungszellen ver- hielten sich also wie zwei ganze Eier, die sich einander ihre hellen Pole zuwenden. Diese so bedingte „Selbstständigkeit" der Blastomeren aber kann ich nicht als die alleinige Ursache der Ganzbil- 938 Nr. 30. Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern. düngen ansehen; da an meinen nach der ersten Furche operhten Eiern die nicht getödtete Eihälfte gleichfalls in diesem Sinne „selbst- ständig" war, und da dies noch mehr bei den isolirten Blastomeren des Seeigels (Fiedler und Driesgh) der Fall war, und gleichwohl Halbentwickelung stattfand. Zur Ganzentwickelung jeder Elastomere gehörte somit noch die vorstehend schon erwähnte innere ümordnung des Dottermaterial es. Diese führte, nach den Resultaten zu schliessen, in einer Anzahl Fälle zu der wesentlichen, d. h. bestimmenden Anordnung der verschiedenen Dottersubstanzen wie im ganzen Ei, wenigstens in der Umgebung des Kernes (s. S. 929 Anm.), aber bei hier ganz oder annähernd wagrecht liegender reeller Eiaxe (unter dieser die Avirksame Verbindungslinie von Bildungs- und Nahrungsdotter, nicht die mittlere Verbindungslinie der hellen und dunklen Ei rinde verstanden). In anderen Fällen geschah dies nicht; und von diesen gingen viele Eier zu Grunde, andere bildeten unvollkommene Doppelbildungen. Letztere sind die lehr- reichsten Producte von Sghultze's Versuch, denn sie weisen wohl darauf hin, dass die Anordnung des D o ttermateriales nicht blos den Mechanismus von typischen Gebilden, den Halb- oder Ganzbildungen auslösen kann, sondern dass von ihr aus sogar die Bildung in den verschiedenen Fällen sehr verschieden abgegrenzter Stäche des Körpers ausgelöst resp. bestimmt werden Jcann; eine Leistung, welche für die iVnhäuger der Auffassung O. Hertwig's, dass alle Furch ungszellen im Wesen isotrop seien, erheblich schwerer zu verstehen ist als für die Anhänger meiner Auffassung, dass die Fur- chungszellen typisch verschiedenes Material enthalten. Nach meiner Auffassung wird durch diese abnorme neue Anordnung das Res er ve- idioplasson in der Dotteranordnung entsprechender Weise activirt; die Gegner nehmen gleichfalls an, dass neues Kern- raaterial activirt werde, nur ist es kein Reservematerial, sondern ein Theil des allen Furchungszellen in gleicher Weise zukommenden Gesammtmateriales. Vielleicht auch ist das letztere Moment der Anordnung der Dottersub stanzen um den Kern, zu welchem die Abplattung Halb- und Doppelbildungen bedingt durch Anordnung des Dotters. 939 der Zellen im Verein mit der Umdrehung besondere Gelegenheit giebt, die hauptsächlichste oder gar für sich allein ausreichende Ursache der Entstehung der Doppelbildungen; und die Entfer- nung der Massenmittelpuncte beider Zellen, sowie die Berührung der beiden ersten Blastomeren blos mit Nahrungsdotter sind an dem Effect nicht betheiligt. (Weiteres siehe : W. Roux, Ueber die ver- schiedene Entwickelung isolirter erster Blastomeren, Arch. f. Entw.- Mech., Bd. I, S. 597 u. f.). Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung' halber Froseh- embryonen und zum Nachweis der Beziehung der ersten Furehungsebenen des Froseheies zur Median- ebene des Embryo. 1894. Anatomischer Anzeiger, Bd. IX, Februar 1894. Inh alt. Seite 1. Methode der Gewinnung von Hemierah ry on en durch rechtzeitige A u s- lese aus den nach der ersten B^irche beliebig angestochenen Eiern . 943 Versuchsfehler 0. Hertvvig's 948, 964 la. Selbstentstehung von Heraiembryonen am Ende der Laichperiode 953 2. Methode zur Hervorbringung „bestimmter" (rechter, linker oder vorderer) Hemiembryonen 954 Priorität bezüglich der Defectversuche am Ei 957 3. Wirkung der Deformation sich furchender Eier auf die Stellung der Medianebene des Embryo zu den ersten Furchen ..... 960 Pressung zwischen senkrechten Platten 960 Pressung zwischen wagrechten Platten 962 Fehlerquellen 962 „Primäre" Lagerung der Medianebene 962 In Glasröhren aspirirte Eier 966 4. Methode zur Ermittelung der normalen Beziehung zwischen der Richtung der ersten Furche und der Medianebene 967 Berichtigung der Behauptung, dass bei Störungen die Entwickelung „normal" verlaufe 971 Aufbewahrung der brünstigen Thiere. 941 Soite 5, Einfluss der , Gestalt" der Zelle auf die Theilungsrichtung . . 972 Zusammenfassung: 978 Normale s. typische Entwickelung 980 Atypische, s. regulatorische Entwickelung 981 [Anhang: Neueste bezügliche Literatur] 984 [248] In einer soeben erschienenen ausgedehnten Abhandlung über den Werth der ersten Furchungszellen für die Organbildung des Embryo theilt O. Hertwig^) mit, dass es ihm nicht gelungen ist, aus halben Frosch eiern halbe Embryonen hervorgehen zusehen; son- dern er fand stets ,, ziemlich normal beschaffene, nur mit Defecten an untergeordneten K ö r p e r g e g e n d e n ver- sehene Embryonen". Dementsprechend hat er auch keine Postgeneration einer fehlenden Hälfte beobachten können und verneint in Folge dessen das Vorkommen von Hemiembryonen und deren Postgeneration mit Bestimmtheit. Sofern ein Medullarwulst und die ganze rechte oder linke Reihe der Urwirbel ,, untergeordnete Körpergegenden" wären, könnte man 0. Hertwig zum Theil Recht geben; doch entspräche das nicht der gewöhnlichen Auffassung. Die Besucher des Anatomencongresses inWien, darunter hervorragende Forscher auf dem Gebiete der Entwickelungs- geschichte, haben meine Querschnittspräparate von reinen Hemi- embryonen gesehen (s. S. 804) und sich, wie ich, da kein Widerspruch erfolgte , wohl vermuthen darf, meiner Darlegung gemäss von dem Fehlen dieser Organe und der Keimblätter auf einer ganzen Hälfte überzeugt; mejirere Herren haben mir nach Besichtigung der Präparate ihre V^erwunderung über die präcise Halbheit der entwickelten Hälfte ausgesprochen; und dasselbe war nach der Demonstration nicht micro- tomirter halber Embryonen in der pathologischen und in der ver- einigten anatomischen und zoologischen Section der Naturforscher- versammlung zu Wiesbaden im Jahre 1887 geschehen (s. S. 428 Anm.). 1) Arch. f. micr. Anat. 1894, Bd. 42, S. 662-806. 942 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. Inzwischen hat auch D. Barfurth beim Axolotl aus einem halben Ei einen halben Embryo hervorgehen sehen ^)^). Obgleich ich früher schon das Wesentliche meiner Versuchs- methode in den bezüglichen Arbeiten kundgegeben habe (s. S. 154, 429 und 773), halte ich es [249] doch, nach diesem vergeblichen Ver- suche Hertwig's, meine Versuche mit Erfolg nachzumachen, zur Er- leichterung der Nachuntersuchung durch andere Autoren für ange- messen, diese Methode noch ein Mal und zwar derart detaillirt zu publiciren, dass der Nachuntersucher mit ziem- licher Gewdssheit auf Erfolg rechnen kann, auch wenn ihm bisher noch keine eigene Erfahrung auf diesem Gebiete zu Gebote steht. [Ich habe nach der Publication in Nr. 22 diese Versuche oft wieder- holt und dabei die Methode etwas verbessert.] Es empfiehlt sich, die Versuche gleich mit dem Anfang der Laichperiode zu beginnen; denn es ist gut, wenn man dieselben mehrmals wiederholen kann, ßana fusca laicht in Deutschland bei warmem Frühjahr manchmal schon Ende Februar, gewöhnlich Mitte oder Ende März; Rana esculenta 4 — -6 Wochen später; Bombinator igneus im Juni oder .Juli. Die Eier von Rana fusca reifen unter der Umarmung des Männchens auch in der Gefangenschaft, die von Rana esculenta dagegen nicht; sie müssen also bei letzterem Tliiere schon zur Zeit der Gefangennahme im Uterus sein, wovon man sich beim Fange sogleich durch Tödten und Aufschneiden einiger Weibchen zu überzeugen hat. Die gefangenen Paare werden getrennt, und Männ- chen und Weibchen in verschiedene Korbe mit feuchtem ]\Ioos ver- packt, und an einem dunklen kühlen Ort aufbewahrt, um die Laich- ung zu verzögern, so dass man länger Versuchsmaterial hat (Pflüger, Born). Damit diese Männchen aber wieder Samen bilden, werden sie am Tage vor ihrer Verwendung in einem Glase mit etwa 2 cm hohem 1) Anat. Anzeiger 1893, S. 497, u. Merkel u. Bonnet, Anat. Hefte IX, S. 379. '-) Auf dem Anatomencongress zu ötrassburg 1894 theilte Herr Prof. H. E. Ziegler mit, dass er nach den nachstehend von mir gegebeneu Vorschriften Versuche habe anstellen lassen, wobei 24 seitliche und 1 vordere Halbbildung erhalten wurden; die Postgeneration verlief gleichfalls, wie von mir angegeben, vorzugsweise in cephalo- caudaler Richtung. Siehe H. Endres, Anstichversuche an Eiern von Rana fusca. Arch. f. Entwickelungsmech. Bd. II, 1895, S. 88—51.] 1. Methode des beliebigen Anstechens und nachfolgender Auslese. 943 Wasserstand zu Weibchen gesetzt, am besten 3 Männchen zu 2 Weib- chen, um C'oncurrenz anzuregen. Ich empfehle, über die Entstehung halber Embryonen zweierlei Experimente zu machen. 1. Gewinnung von Halbbildungen durch rechtzeitige „Auslese" aus den nach der ersten Furche in beliebiger Weise angestochenen Froscheiern. Ein leichteres Experiment dient blos, um überhaupt aus halben P~' r o s c h e i e r n halbe Embryonen zu ziehen, ohne jede besondere Technik im Operiren und ohne vorher zu bestimmen, w^as für ein Hemiembryo entstehen wird. Der Versuch beginnt am Morgen , da man dann den Tag zu allerhand Besorgungen vor sich hat. Man zerschneidet nach der Decapitation und Zerstörung des Rückenmarkes des brünstigen Frosches die Hoden desselben in einer flachen Schale mit Wasser und giesst die gewonnene Flüssigkeit in eine frische Schale ab, um den Bodensatz zu entfernen; oder, w^enn die Samenbläschen prall mit der trüben, milchigen Samenflüssigkeit gefüllt sind, entleert man blos diese in das Wasser. In drei flache Schalen von 6 — 10 cm Durchmesser, etwa 1,5 cm Randhöhe und ebenem Boden wdrd Wasser etwa 2 mm hoch gethan, darauf etwas Samenflüssigkeit zugesetzt und umgerührt. Dem deca- pitirten Weibchen werden die vorderen und seitlichen Bauchwau- dungen und der Darm ausgeschnitten, das Thier danach auf doppel- tes Fliesspapier gelegt und der Uterus vorsichtig ohne Quetschung von Eiern [250] mit der Scheere weit eröffnet. Mit einem trockenen Spatel enthebt man ihm einen Klumpen Samen, bringt ihn in eine der drei Schalen unter mittelraschen seitlichen Bewegungen , wobei durch die Oberflächenspannung der niedrigen Flüssigkeitsschicht die Eier zu einer einfachen Lage ausgebreitet werden. Der Spatel muss nach jedem einzelnen Gebrauch an Fliesspapier abgestrichen und mit dem trockenen Handtuch abgewischt werden. Nachdem die drei Schalen auf diese Weise bestellt sind, wird auf einer Etiquette 944 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. an jeder derselben die Zeit der Befruchtung, richtiger der Besamung vermerkt. Der Sauberkeit wegen und um leiclit auftretender späterer Verschimmekmg etwas vorzubeugen, wird nach 6 — 10 Minuten der Samen abgegossen; darauf werden die Eier mehrmals mit aufgegossenem Wasser abgespült und schliesslich wird Wasser bis doppelt so hoch, als die Eier zur Zeit sind, darauf gethan, mit welchem die Schalen stehen bleiben; adhärirende Luft wird abgepinselt; danach werden die in Folge von Quellung der Gallerthüllen bei festem Haften am Boden des Gefässes sich pressenden Eier mit einem biegsamen Micro- scopirspatel vom Boden abgelöst, damit sie sich ausbreiten können; danach muss die Schale ruhig stehen, damit die Eier wieder am Boden ankleben. Ich sehe danach an der Dicke der Gallerthülle, wann es Zeit ist, das Wasser wieder abzugiessen; da dies Verhalten mit Worten nicht genügend zu schildern ist, empfehle ich, das Wasser in der einen Schale 20 Minuten, in der anderen 25 Minuten, in der dritten 30 Minuten nach der Besamung abzugiessen , etwas abtropfen und darauf die Schalen offen stehen zu lassen, damit die Gallerthülle äusserlich wieder dichter wird. Eine Schale bleibt im Zimmer, eine kommt in das kühlere Vorzimmer, die dritte in einen noch kühleren Raum; dies damit sie nicht alle gleichzeitig die erste Eurchung durchmachen. Haben sich auch in der dritten, am läng- sten mit Wasser versehenen Schale eine Stunde nach der Besamung viele Eier noch nicht mit dem weissen Pol abwärts gedreht, so waren entweder die Eier oder der Samen schlecht, und man thut gut, der Sicherheit halber gleich auf's Neue zu befruchten ; doch furchen sich manchmal trotzdem noch viele der Eier und sind für unseren Zweck verwendbar. Die Eier bleiben bei dem angegebenen Verfahren ein wenig in Zwangslage (s. S. 325). Nach 2'/2 — 3 Stunden beginnt an der im Zimmer stehenden Schale die Furchung ; 20 Minuten danach kann man operiren ; da die zweite Furchung etwa 30 Minuten nach der ersten beginnt, hat man 10 Minuten zur Verfügung. Jedoch ist auch zu dieser Zeit die Trennung beider Zellen noch so unvollkommen, dass aus der nicht angestochenen Zelle leicht Substanz in die operirte Zelle überfliesst. Ich habe es als gut [251] befunden, nach dem Beginn der zweiten Einfachste Methode. 945 Furchiiiig die Operation fortzusetzen mit der Modification, dass man die Nadel in Richtung auf die beiden Kerne der eben in Trennung- begriffenen Zellen führt, um beide durch Wärme zu zerstören. Als Instrument dient eine etwas dicke, microscopische Präparir- nadel, an welche derartig eine etwa 7 mm dicke Messingkugel als Wärmeträger gesteckt ist, dass das Spitzenende der Nadel unterhalb der Kugel etwa 12 mm lang bleibt. Die Operation geschieht unter stehender Loupe, so dass beide Hände disponibel bleiben. Rechts vom Loupentisch steht eine mittel- grosse Gas- oder Spiritusflamme in bequemer Entfernung für die rechte Hand; rechts daneben liegt ein kleiner, sauberer, grobkörniger Schleifstein, ohne Hinsehen bequem mit der Nadel erreichbar. Zur Operation hält man zunächst behufs Desinfection zuerst ein wenig die Spitze, darauf länger die Kugel der Anstichnadel in die Flamme, fasst danach mittels der linken Hand mit einer groben anatomischen Pincette ein unter der Loupe eingestelltes Ei derb an seiner Gallerthülle, um es zu fixiren, und sticht mit der Nadel parallel der ersten Furche in einigem Abstand von dieser Ebene in eine der beiden Furchungszellen in Richtung auf den oberhalb der Mitte liegenden Furchungskern und verweilt einige Secunden mit der Nadelspitze im Ei. Man sorge, die andere Zelle nicht mit anzustechen und nicht anzusengen, was O. Hertwig gewöhnlich gethan zu haben scheint ; dies schliesst zwar ihre Entwickelung , wenn der Kern unverletzt blieb, nicht aus , macht jedoch die Bildung eines normal gestalteten Hemiembryo unmöglich. Die Nadel wird langsam, beim Haften an der Hülle unter Drehung um ihre Längsaxe , zurück- gezogen. Die Nadel^ war so heiss gemacht, dass beim Anstechen des ersten Eies die Gallerthülle einige Bläschen bildete. Nach dem Herausziehen der Nadel aus dem ersten Ei sticht man sogleich, ohne auf's Neue zu erwärmen , in 2 — 3 weitere Eier. Auf diese Weise werden ver- schiedene Wärmegrade angewendet, von denen gewöhnlich einer zu- sammen mit der 2 — 6" betragenden Dauer des Verweilens der Nadel im Ei die richtige Wirkung der Tödtung blos einer der beiden Zellen hervorbringt. Nach jeder neuen Erhitzung der Nadel schleift man ihre W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. OÜ 946 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. Spitze durch 3—4 Striche unter Drehung auf dem Stein fast ohne hin- zusehen. Klebt beim Herausziehen aus dem Ei Substanz der Gallert- hülle an der Nadelspitze , so hält man blos die Spitze in die Flamme, um die Gallertsubstanz zu verbrennen , und glättet danach wieder auf dem Stein. Unsere wie oben vorbereiteten Eier befinden sich etwas in Zwangs- [252] läge; man kann daher durch Fassen der Gallert- hülle das ganze Ei fixiren, so dass es sich nicht oder nur wenig beim An- stechen dreht. Innerhalb In Minuten kann man bei einiger Uebung 30 — 40 Eier operiren, da auf besondere Sorgfalt nicht viel ankommt, denn man hat Material im Ueberfluss, und was zu stark geschädigt wird, geht meist ganz zu Grunde, kann also keine Fehler machen; was zu wenig geschädigt ist, so dass die operirte Hälfte sich theilweise entwickelt, wird später ausgesondert. Bios die Eier, bei denen die andere Zelle mit angesengt ist, können zu Irrthümern führen. Einige brauchbare, blos halb sich entwickelnde Eier finden sich gewöhnlich, bei mir zuletzt bis 20 Procent. So werden die drei Schalen der Reihe nach operirt. Eine davon ist nach dem Quellungsgrade der Gallerthülle die günstigste für die Fixation des Eies beim Operiren , ohne zugleich durch zu starke Pressung des Eies ein zu grosses Extraovat zu veranlassen, was leicht tödtlich wird, da dabei auch aus der nicht operirten Zelle Substanz nachfliesst. Nach der Operation bleiben die Schalen eine halbe Stunde offen stehen, werden dann aber mit einer Glasplatte ganz zugedeckt, um die Entwickelung zu beschleunigen und dem Staubeinfall und dadurch bedingter Verschimmelung vorzubeugen; 2 Stunden nach der Operation kann Wasser aufgegossen werden bis zum Ueber- stehen über die Eier, diese bleiben von nun an bedeckt und im war- men Zimmer. Abends werden unter der Loupe diejenigen Eier sammt ihrer Gallerthülle mit der Scheere ausgeschnitten und in eine besondere Schale mit über die Eier überstehendem Wasser gethan, an denen sich bis jetzt blos die eine Hälfte gefurcht hat. Einfachste Methode. 947 Am anderen Morgen geschieht aus diesen Eiern eine zweite gleiche Auslese. Die auch jetzt noch blos in einer Hälfte gefurchten Eier, Semiblastulae, werden in ihrer operirten Hälfte weiterhin gewöhnlich nur langsam reorganisirt. Sie allein können das Material für die Beobachtung der Entwicke- ln ng einer „einzigen Eihälfte" zu Hemiembryonen abgeben. Wenn man sicher gehen will, kann man am Abend des zweiten Tages nochmals auslesen; die auch dann erst zur Hälfte in Zellen zerlegten Eier, Semigastrulae, geben, bei genügender Wärme im Zimmer während der ganzen Versuchszeit (22 ^ C), schon in der folgen- den Nacht typische Hemiembryonen; war das Zimmer kühl gehalten, so kann es einen bis zwei Tage länger dauern. Da unsere Eier anfangs etwas in Zwangslage sich befanden, so wird bei vielen zufolge des von mir dargelegten Mechanismus (siehe S. 396 u. f.) [253] die normale zweite Furche zuerst gebildet; und man erhält daher nach Zerstörung einer der beiden ersten Furchungs- zellen ausser Hemiembryones laterales mit einem einzigen Medullarwulste von normaler Länge auch Hemiembryones an- teriores mit zwei im Bogen vereinigten Medullarwülsten von blos halber Länge. Da oft die Postgeneration der halben Embryonen sehr rasch verläuft (s. S. 486 u. 501) und daher bei genügender Wärme und bei dem Fehlen eines geronnenen Brockens am Kopfende neben seitlichen Halbembryonen, oder in der Mitte der Dorsalseite des Eies hinter vorderen Halbbildungen, in 5 — 6 Stunden die fehlende Hälfte ganz na eher zeugt wird, so muss man natürlich in der kritischen Zeit eigentlich continuirlich, aber wenig- stens alle SJ;unden einmal Tag oder Nacht beobachten; sonst ist zu gewärtigen, dass man das Stadium der reinen Halbbildung verpasst (s. S. 949 Anm.). Hat man Hemiembryonen gefunden, so zeichnet man sie rasch ab, um nach 3 und 6 Stunden eine weitere Skizze von ihnen zu machen und so den Verlauf der Postgeneration zu verfolgen ; der zweite Medul- larwulst eines Hemiembryo lateralis wird in cephalocaudaler Richtung- gebildet. 60* 948 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. Hertwig's Figuren 7 und 12 auf Tafel 44 stellen Embryonen mit schon weit fortgeschrittener Postgeneration des zweiten Medullarwulstes dar; je nach der Temperatur des Zimmers waren dieselben wahrscheinlich vor 5 — 10 Stunden reine Hemiem- bryones laterales, sofern sie nicht gar der demnächst zu besprechenden anderen Gruppe, nämlich den von vorn herein aus mehr als einem „h alben" Ei hervorgegangenen Embryonen angehören. Doch war offenbar nicht gut operirt und die zweite Zelle etwas mit angesengt. Beim Embryo der Figur 12 ist, wie die dazu gehörigen Quer- schnittbilder Tafel 43, Fig. 2, 8 und 9 zeigen, bereits ein sehr grosser Theil der zweiten Eihälfte mit zur Bildung des Embryo verwendet; er ist somit kein aus blos einem halben Ei hervorgangen es Gebilde, keine Halbeibildung mehr, sofern er überhaupt früher eine solche war. Taf. 44, Fig. 4 zeigt einen ,,Hemiembryo anterior", der dorsal erst wenig, ventral schon mehr postgeuerirt ist ; bei Fig. 2 derselben Tafel ist das Umgekehrte der Fall. Das Durchschnittsbild eines noch ziemlich reinen Hemiem- bryo lateralis zeigt Tafel 43, Fig. 1, aber ventral bereits etwas postgeuerirt; da keine Totalansicht gegeben ist, kann der Beschauer nicht selber beurtheilen, ob der Embryo in der ganzen Länge so beschaffen oder etwa cephal bereits zu zwei Medullarwülsten post- geuerirt ist; doch [254] sagt 0. Hertwig S. 762 über ihn: „links sehen wir eine halbe Medullarplatte, Chorda und mittleres Keimblatt entwickelt ; die zerstörte Dottermasse nimmt in grosser Ausdehnung auch die Gegend ein, in der sich bei den anderen Embryonen der Embryoualwulst (wohl Druckfehler statt Medullarwulst,Rx.) der anderen Seite angelegt hat." Demnach hat 0. Hertwig also einen richtigen ,,Hemiembryo late- ralis" mit blos dem linken Medullarwulst, blos linkem Mittelblatt, linker Darmhöhle erhalten, der nur erst ein wenig im ventralen Bereiche des Ectoblast postgeuerirt ist, und mit geringerer innerer Cellulation der anderen Eihälfte. Es ist sehr zu bedauern , dass Hertwig gerade von diesem einzigen Embryo, den er noch im Stadium der fast reinen Hemi- Versuchsfehler 0. Hertwig's. 949 plasia augetroffen hat, keine FlJiclienabbildung gegeben hat; dieser Hernie mbryo würde mit seinem einen Medullarwulst eine sehr in die Augen fallende Widerlegung von HertwuVs Folgerungen abgegeben haben. Hertwig ordnet ihn zu meinen Asyntaxiae medulläres ; da aber erst sehr wenig mehr als die Hälfte eines Embryo und zwar blos ventral vorhanden ist, aber gar nichts von einem zweiten Medullar- wulst sich vorfindet, welcher also auch nicht vom anderen „absteht", so ist dies sachlich durch nichts gerechtfertigt, und also wohl blos ein Versuch, diesen Hemiembryo lateralis ,,als solchen" zu beseitigen^). "Was wird nun aus den operirten Eiern , die schon am Abend des ersten oder am Morgen des zweiten Tages in der operirten Hälfte ganz oder theil weise n a c h g e f u r c h t s i n d ? Diese Eier repräsentiren natürlich schon auf entsprechend früherem Stadium Jceine „Halhhüdungen^^ mehr. Je früher diese nachträg- liche Cellulation vor sich ging, um so weniger bleibt auch die weitere Entwickelung der anderen Eihälfte hinter der normalen Hälfte zurück; und es können die beiden Medullarwülste solcher Eier ganz oder fast ganz gleichzeitig auftreten, wie ich das in meiner Arbeit Nr. 22 mitgetheilt habe. Vielleicht hat O. Hertwig solches Vorkommniss beobachtet und gründet darauf seinen irrthümlichen Ausspruch, dass es keine Postgeneration gäbe. Jedenfalls hat er dabei wieder den Fehler gemacht, dass er ein Gehilde, tvelches ans „mehr^'' als dem Halhei entstand, als eine „Halheibildung'''' henrtheiUe. O. Hertwig's irrthümliches Urtheil über die Entwickelung der „halben Froscheier" beruht somit auf zweierlei Fehlerquellen: Erstens hat er nicht oft genug beobachtet und daher das Stadium 1) H. Driesch hat jüngst (Analyt. Theorie der Entwickelung, S. 16) versucht, die Ganzbildung eli 0. Hertwig's als dir e et entstanden zu erklären, indem er ohne Beweis als sicher annimmt, die Eier hätten sich bald nach der Operation gedreht, dadurch wäre eine neue Anordnung des Dotters entstanden wie bei einem ganzen Ei und deshalb seien sogleich Ganzbildungen entstanden ähnlich, wie ich es (S. 933) bezüglich der von 0. Schultze durch ümkehrung der Eier erzeugten Doppelbildungen annehme. Dazu ist zu bemerken, dass die operirten Eier sich erst nach beendeter Furchung, während der Gastrulation in entsprechender Weise drehen (s. S. 780). Daher sind auch die von Driesch aus seiner Annahme gezogenen Folgerungen hin- fällig. Genaueres siehe in W. Roux, üeber die verschiedene Entwickelung isolirter Blastomeren. Arch. f. Entwickelungsmechanik, Bd. I. S. 597 u. f. 950 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. der reinen Halbeibildiing , des reinen Hemiembryo gänzlich versäumt. Dafür spricht ausser seinen abge- [255] bildeten Embryonen und meinen positiven Befunden, dass er blos angiebt, er habe operirte Eier am ersten, zweiten, dritten und vierten Tage aufgehoben ; hätte er Tag und Nacht beobachtet, würde er diesen in unserem Falle wichtigsten, ja ent- scheidenden Umstand gewiss mitgetheilt und dann auclr von demselben Embryo mehrere Entwickelungsstadien abgezeichnet oder wenigstens mit Worten geschildert haben ^). Zweitens hatHEiiTwiG, sofern er an einigen der operirten Eier wirklich das gleichzeitige Auftreten beider Medullarwülste (von Hemi- embryones anteriores, bei denen es selbstverständlich ist, abgesehen), beobachtet hat , nicht beaclitet, dass nicht blos das „halbe Ei" an ihrer Bildung betheiligt war. Drittens ist meiirfach an seinen Eiern diejenige Hälfte, welche unversehrt bleiben sollte, mit der heissen Nadel beschädigt w^orden, was Störungen in der regelmässigen Entwdckelung dieser Eihälfte bedingt hat. Nur vom halben Ei des Frosches habe ich behauptet, dass aus ihm nach Abtödtung der anderen Eihälfie zunächst Hemi- embryones hervorgehen, und dass danach erst die fehlende Hälfte des Embryo gebildet, postgenerirt wird^). Von allen Embryonen, die Hertwig abgebildet hat, ist keiner mehr auf dem Stadium der reinen Haibeibildung (Embryo Taf. 43, [1) Da es wesentlich zur Aufklärung der Sachlage dient und da viele Autoren trotz der hier erfolgten Darlegung der Fehlerquellen durch die bestimmten Behaup- tungen 0. Hertwig's sich haben irre führen lassen, so halte ich es im Interesse der Wissenschaft zur Verbreitung der Wahrheit für das geringere Uebel, die Indiscretion zu begehen und statt seiner mitzutheilen , dass 0. Hertwig, nach mir von com- petenter Seite gewordener Information, gewohnter Weise, auch zur Zeit di eser Ver- suche allein von 8 — 3 Uhr täglich im Institute anwesend war, dass seine täglichen Be- obachtungen also durch je eine 17 Stunden lange Pause unterbrochen waren (siehe übrigens auch S. 964). Damit erklärt sich denn, dass er blos in einem Falle zu- fällig das Stadium der fast reinen seitlichen Halbbildung erblickt hat, da, wie ich S. 486 mitgetheilt hatte, in wenigen Stunden aus einem typischen . Hemiembryo ein ganzer Embryo werden kann. Bei bestimmter Temperatur und Befruchtungszeit kann es vorkommen, dass das Stadium des reinen Hemiembryo immer auf die Nachtzeit fällt; wie man es bei einiger Erfahrung andererseits auch in der Hand hat, dieses Stadium durch Regulation der Temperatur auf die Zeit des Tages zu verlegen.] Versuchsfehler 0. Hertwig's. 951 Fig. 1, wie erwähnt, fast ausgenommen, da dieser noch einen zicmhch guten Hemiembryo sinister darstellt); bei allen ist in dem Maasse, als mehr als ein „halber^^ Emhryo vorhanden ist, Material und Raum der „ziveiten'"'' Eihälfte in Verivendung gekommen; dies s])richt sich auch darin aus, dass das Plus an Oberflächenepithel auf der ÜHSseren Oherfläche der zweiten Eihälfte sich findet, statt auf der Grenzfläche zwischen beiden ersten Furchungszellen, wie es bei meinen reinen Halbei-Ganzbildungen der Fall ist, die ich in Wien demonstrirt habe (s. S. 796 u. f.)^)^). 1) Es ist bemerkenswerth, dass weder 0. Hertwig noch seine Anhänger (z. B. H. Driesch) diesen direct augenfälligen Beweis, dass Hertwig's Ganz- embryonen überhaupt nicht einem ^halben" Ei angehören, selber bemerkt oder auch nur den vorstehend gegebenen Hinweis darauf (S. 948 — 950) in seiner Bedeutung zu würdigen vermocht haben. Von der etwas defecten zweiten Hälfte des Embryo, welche, soweit sie überhaupt vorhanden ist, stets „an Stelle des Materiales" der „zweiten" Eihälfte sich findet, behaupten somit diese Autoren, sie sei direct (nicht erst durch Postgeneration) entstanden und zwar aus dem Materiale der nicht operirten Eihälfte. Das entsprechende Material der operirten Eihälfte müsste dann in der entsprechenden Menge ausgetreten sein, und die unversehrte Eihälfte müsste so vielMaterial neu aus Nichts hervorgebracht haben und zwar auch gleich primär von Anfang an: Eine in unserem Zeitalter etwas gewagte Annahme. Meine wirklichen Halbei-Ganzembryonen dagegen (S. 796 u. f.) bekunden nicht so wunder- bare Eigenschaften; sondern sie liegen stets blos an Stelle des entsprechenden halben Eies und sind daher von halber, nicht wie die Hertwig's (vergl. die Figuren der Tafeln 42 und 43 mit Figur 6 und 7 auf Taf. 43) von ganzer Eigrösse; und die operirte Eihällte liegt daneben. [2) Auf Seite 796 u. f. ist berichtet, dass ich aus wirklich „halben" Froscheiern durch Postgeneration „ganze" Embryonen gezüchtet habe; hier wurde betont, dass 0. Hertwig ganze Embryonen wie früher ich (s. Nr. 22) unter Verwendung von Material der zweiten Eihälfte erhalten hat. M. Verworn berichtet dagegen hierüber (Allgemeine Physiologie, Jena 1895, S. 516, Capitel über Entwickelungsniechanik) : „Gegenüber den Beobachtungen von Roux stellte 0. Hertä'ig fest, dass auch aus einer einzigen Furchungshälfte der Eizelle noch ganze Embryonen sich entwickeln". Ebenso gewissenhaft sind die weiteren Angaben Verworn's. Meine Abhandlungen Nr. 27 und 28 einerseits, Nr. 13 und 18 anderseits sind Verworn offenbar unbekannt, was ihn jedoch nicht abhält, über die darin nieder- gelegten Auffassungen zu berichten und z. B. zu sagen: „Roux's Theorie der Ontogenese ist im Wesentlichen nichts Anderes, als die alte Präformationslehre Haller's in modernem Gewände". (Vergl. dazu die Stichwörter Epigenesis und Involution des Registers und den dazu gehörigen Text.) Diesem Grade von Gewissenhaftigkeit entspricht weiterhin auch der Werth 952 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. Ob an den Eiern dieser Embryonen Hertwig's ursprünglich die ganze zweite Eihälfte zerstört war und erst später wieder mit in Verwendung gezogen worden ist, oder ob schon frühzeitig diese Theile der zweiten Eihälfte mit in die Entvvickelung einbezogen wurden, lässt sich bei dem Fehlen jeder Angabe über die individuelle Ge- schichte dieser Eier nachträglich nicht mehr beurtheilen. Gleichwohl resumirt Hertwig Seite 791 § 10: „Bei vollständiger Zerstörung" von „einer der beiden ersten Theilhälften" des Eies (durch eine erwärmte Nadel oder durch den gal- [256] vanischen Strom) entwickelt sich die überlebende „Hälfte" zu einem ziemlich normal beschaffenen , nur mit Defecten an untergeordneten Körper- gegenden versehenen Embryo", und Seite 792 § 14: „Es findet weder eine Wiederbelebung^) der zer- störten Eihälfte noch der von Roux beschriebene Process der Post- generation statt." Ich habe auf dem Anatomencongress in Wien Querschnitte von Hemiembryones laterales unter dem Demonstrationsmicroscop herum- gegeben, an welchen die eine Eihälfte noch ganz unentwickelt war und die entwickelte sich noch ganz eben gegen dieselbe abgrenzte. An einem Objecte hatte sich der Complex der Dotterzellen der entwickelten Hälfte bereits etwas gerundet und in die todte Hälfte vorgewölbt; dies wurde hinterher von einem Collegen erwähnt. Man ersieht daraus, wie genau beobachtet wurde; und ich glaube kaum, dass Jemand es übersehen haben würde, wenn mehr als das halbe Medullarrohr und als eine Antimere des Mittelblattes vorhanden gewiesen wäre ; und ich selber würde das wohl auch kaum übersehen haben. Und nur zu oft haben sich zu meinem Bedauern solche reinen Hemiembryonen, indem ich sie möglichst alt der .sachlichen Urtheile und der Einsicht des Autors in die Natur der Probleme der Entwickelungsmechanik. So erfreulich und wünschenswerth es ist, dass Physiologen anfangen, in ihren Lehrbüchern und sonstigen allgemeineren Darstellungen auch die Entwickelungs- mechanik zu berücksichtigen, so ist es doch nicht genügend, dass dies, wie im vor- liegenden Falle, wesentlich durch Excerpiren einer der flüchtigen, halb populären Darstellungen gescliehe, wie sie jetzt leider schon von einigen Autoren verbreitet werden.] 1) Siehe Seite 480 Anm. Natürliche Entstehung von Hemiembryonen des Frosches. 953 züchten wollte, um zu sehen, wie weit die heniiplastische Ent Wickelung gehen kann, zu ganzen Embryonen post- g e n e r i r t. Es muss ferner als ein besonders günstiger Umstand an- gesehen werden, dass beim Amphibien- und Ctenophoreuei die Postgeneration so verzögert ist, dass wir eine grosse Strecke weit erkennen können, was die „normale s. typische" Entwickelung für sich leistet; denn da bei den meisten anderen Thieren die Entwickelungsmechanismen , welche die Wie derber Stellung eines defecten Ganzen anbahnen, viel früher, zum Theil schon fast sogleich nach dem Defect activirt werden, w^ürden wir ohne dieses Verhalten der ersteren Gruppen die besonderen Leistungen der „ty- pischen" Entwickelung gar nicht haben erkennen können (s. S. 830). Mit den unzweifelhaften Hemiembryones laterales und ante- riores ist auch das Vorkommen der gleichfalls von Hertwig geleugneten, ihnen entsprechenden echten Semigastrulae wohl bereits sehr wahrscheinlich gemacht; doch habe ich auch davon nach der Publication meiner Abhandlung von 1888 (Nr. 22) noch mehrere Objecte im richtigen Stadium gefasst, microtomirt und zwei davon in Wien demonstrirt. La) Natürliche Entstehung von Hemiembryonen. [257] Auch derjenige, dem es nicht gelungen ist, künstliche Hemiem- bryonen auf diese einfache Weise zu erhalten, braucht deshalb noch nicht auf ihre Wahrnehmung zu verzichten, denn es giebt ■ auch eine natürliche Entstehung von Hemiembryonen. Am Ende der oft durch anhaltende Kälte im Frühjahre, oder der künstlich (durch das oben erwähnte getrennte Aufbewahren der weiblichen und männ- lichen Frösche) verzögerten Laichung stirbt nämlich häufig bei der Entwickelung eine der beiden ersten (resp. eine oder zwei der vier ersten) Furchungszellen von selber ab; und man braucht blos wie oben 24—30 Stunden nach der Befruchtung die wirklich blos halb- gefurchten Eier auszulesen, um dann aus ihnen die schönsten und 954 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. ältesten Hemiembryonen hervorgehen zusehen; letzteres da bei diesen Eiern oft die Postgeneration unter Verwendung der nicht ent- wickelten Eihälfte in Folge Zersetzung derselben, erst später, ja viel später ein, als bei den am Anfang der Laichperiode operirten Eiern eintritt. Gegen Ende der Laichperiode erhält man auch durch Operation viel leichter reine Hemiembryonen. Dies weist darauf hin, dass entweder das Selbstregulationsvermögen, wel- ches die Bildung normaler Producte trotz stattgehabter Störungen ermöglicht (wozu auch die Fähigkeit der Postgeneration gehört) durch die mit der Verzögerung der Laichung eintretende Schädigung ,,früher'" vermindert wird, als die Fähigkeit der ,, normalen" Ent- wickeln ng oder einfacher, dass in Folge von Verzögerung der Laichung der Zellkern und Dotter leichter zum Absterben resp. zur Zersetzung neigt, als an noch jugendfrischen Eiern, so dass der Dotter auch der Reorganisation resp. seiner Wiederverwendung, sei es auch blos als Nahrungsmittel, mehr widersteht. IL Hervorbringung im Voraus ,, bestimmter" Hemiembryonen. Ich habe ferner angegeben, dass man im Voraus bestimmen kann, ob aus einem Ei, dessen eine der beiden ersten Furchungszellen zerstört wurde, ein rechter oder linker oder vorderer halber Embryo hervorgehen wird. Diese Bestimmung beruht auf der im Jahre 1883 für die normale Entwickelung von Rana esculenta durch mich (s. S. 925), im selben Jahre für Eier in Zwangslage durch Pflüger gemachten Beobachtung, dass diejenige Seite des Eies, an der der helle Pol weiter aufwärts reicht, einer bestimmten Seite des Embryo, uämhch der Anlagestelle des Urmundes und damit der cephalen Seite entspricht. Die Ermitte- lung dieser fundamentalen, von Born und mir noch hundertfach bestätigten Thatsache, an welche in verschiedenen meiner Arbeiten angeknüpft wird, ist jedoch O. Hertwig ganz unbekannt gebheben; wie daraus hervorgeht, dass er sie selber erst in diesem Jahre neu entdeckt zu haben glaubt (Sitzungsbericht der kgl.preuss.Acad. d.Wiss., 1893,XXIV). [258] Ich hal)e zu dieser Vorausbestimmuno- der Natur der Halb- II. Hervorbriugung im Voraus „besürainter" Halbbildungen. 955 bildungen zwei Methoden verwendet, eine einfachere und eine um- ständHehere; letztere hat aber den Vorzug grösserer Sicherheit. a. Die einfachere Methode ist folgende: Da von den nach der oben angegebenen Weise behandelten Eiern in Folge des frühzeitigen Abgiessens des Wassers viele etwas in Zwangslage geblieben sind, so hat man auch, selbst wenn man mit Rana fusca arbeitet, immer eine Anzahl Eier, an welchen der weisse Pol an einer Seite des Eies von oben sichtbar ist, was bei diesem Frosch normal gewöhnlich nicht der Fall ist. Stellt man nach der ersten oder zweiten Furchung diese die Kopfhälfte des Embryo darstellende Hälfte des Eies bei Besichtigung von oben distal von sich, so entspricht dann die nach unserer rechten Seite gelegene Ei- hälfte der linken Antimere des Embryo; theilt die erste Furchung dies Oberflächenbild symmetrisch, so kann man durch entsprechende Zerstörungen rechte oder linke halbe Embryonen hervorbringen; steht die erste Furche quer, so sticht man die oben dunkle Eihälfte an, um aus der anderen Hemiembryones anteriores zu erhalten; die oben schwarze, also caudale Eihälfte dagegen entwickelt sich nach Zerstörung der anderen Hälfte nur sehr selten bis zum Er- kennbarwerden der Medullarwülste an ihr, also zu Andeutungen von Hemiembryones posteriores (s. S. 447). Manmuss also jetzt beim Anstechen genau auf die vorherige Stellung des Eies achten und das Ei nach der Operation sogleich ausschneiden und in die entsprechende von drei vorher zurecht gestellten und auf rechte, linke und vordere Haibeibildungen etiquet- tirte Schale legen. Die übrige Behandlung der Eier erfolgt genau, wie oben angegeben wurde. Ist das Ei schon zweimal gefurcht, so hat man diö' Wahl, welches der neben einander liegenden Zellpaare man anstechen will. Dabei kommen aber doch noch leicht Irrthümer vor, da der Erfolg der Operation nicht selten ein anderer ist, als man beabsich- tigte ; ein Mal, weil eine Zelle, die getödtet werden sollte , nicht oder nicht ganz abstarb; oder indem eine Zelle, die unversehrt bleiben sollte, angesengt oder durch Druck zum Theil entleert wurde und sich gar nicht oder nur theilweise entwickelte. Diese Abweichungen 956 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. können besonders bei Anstich nach der zweiten Furchung zu groben Irrthümern Veranlassung geben. Zur Verhütung dieser ist es nöthig, die einzelnen Eier getrennt zu halten und das besondere Geschehen an jedem derselben durch häufige Beobachtung festzustellen. Diesem Zwecke dient die zweite von mir angewandte Methode. Zu dieser sind nöthig: runde Glasscheiben von 3 cm Durch- messer, von denen jede nahe der Mitte einen mit dem Diamant gezogenen [259] Pfeil eingeritzt enthält ; ferner Glasschalen mit innen und aussen ebenem Boden, in welche diese Scheiben mit der Pincette bequem hineingelegt werden können und w a g r e c h t aufliegen. Aussen ist an jede dieser Schalen auf dem Boden, etwas seitlich, ein oblonger Papierstreifen, etwa von halber Handgrösse, geklebt, den Boden nur zu einem Viertel seiner Breite bedeckend. Auf jede solche Glasplatte wird, bevor sie in die Schale gelegt wird, ein Ei, das mit einer gut polirten, nach jedem einzelnen Gebrauch stets frisch am Handtuch abgewischten Lancette vorsichtig ohne jede Quetschung dem Uterus enthoben ist, so aufgesetzt, dass seine Eiaxe annähernd wagrecht, mit dem hellen Pol etwas abwärts geneigt steht. Darauf wird mit einem feinen Haarpinsel ein grosser Tropfen Samen zugesetzt und um das Ei ringsum am Boden vertheilt, derart, dass das Ei hinterher noch ein gut Theil Weisses nach oben wendet. Nachdem man etwa 6 Eier so aufgesetzt hat, wird mit einem grossen Pinsel allen der Reihe nach Wasser in mehreren Tropfen zugesetzt; 10 Minuten nach der Besamung wird in jede Schale Wasser so reichlich zugegossen, dass es über dem Ei übersteht ; weiterhin wird das Ei in Bezug auf Wasser und Bedeckung etc. so behandelt, wie oben angegeben wurde. Eine Stunde nach der Besamung wird jedes Ei zum ersten Mal gezeichnet. Dazu wird die Glasschale so gedreht, dass der Zettel nach unserer rechten Hand liegt ; die Glasscheibe wird vor jeder Zeichnungsaufnahme so gedreht, dass der Pfeil die Spitze immer nach ein und derselben Seite, z. B. distal von uns, wendet und parallel dem angeklebten Rande des Papieres steht. Die Zeich- nung giebt die Ansicht des Eies von oben, mit Wiedergabe der Ver- theilung der scliwarzen und weissen Theile. Nach dem Beginn der Historisches der Methode der Hervorbringung von Ha]b})ildungeii. 957 ersten Fiirchung wird eine neue Zeichnung aufgenommen und die Richtung der ersten Furche genau in dieselbe eingetragen. Nach der Vollendung der Operation wird die jetzige Einstellung verglichen mit der früheren, bei eingetretener Aenderuug der Einstellung ein neues Bild aufgenommen und die Ein- und auch Ausstichstelle sowie etwaige durch ^^erfärbung kenntliche Versengungen und die Stellung des Extra- ovates in das Bild eingetragen. Sehr nützlich erweist es sich, das Ei auch von unten zu besichtigen und zu zeichnen; zu diesem Zwecke wird ein Spiegelglas untergelegt und ein Tropfen Wasser daraufgegeben, ehe die Schale darauf kommt; in die Schale kommt gleichfalls ein Tropfen Wasser. Einige Stunden, sowie Abends und am nächsten Morgen nach der Operation werden neue Zeichnungen angefertigt und dabei besonders darauf geachtet, ob wirklich die Zerstörung unserer Absicht ent- sprochen hat; denn nur bei denjenigen Eiern, bei welchen dies der [260] Fall war, kann unsere Prognose sich nach der Medullarwulst- bildung bestätigen. Zugleich sei eine historische Bemerkung über die Methode der Zerstörung von Furchungszellen durch Anstich gestattet. Hertwig sagt Seite 739: „Chabry stellte seine Experimente (1887) am Ei von Ascidien an, indem er bestimmte Furchungszellen durch Anstechen mit feinsten Glasnadeln vernichtete." ,,Bald darauf hat Roux entsprechende Experimente am Froschei ausgeführt." Hertwig citirt diese Methode danach unter dem Namen ,,das CHABRY-Roux'sche Experiment". Dies Vef halten Hertwig 's deutet an, dass ich in diesem Versuche der Nachfolger Chabry's gewesen wäre. Ich habe jedoch die ersten Anstichversuche am Froschei im Jahre 1882 (s. S. 154) gemacht und das Hauptergebniss derselben, dass circumscripte Defecte am Ei blos circumscripte Störungen, besonders circumscripte Defecte am Em- bryo zur Folge haben, am 15. Februar 1884 in der schlesischen Gesell- schaft für vaterländische Cultur mitgetheilt. Diese und die darauf im Frühjahre 1884 gewonnenen Versuchsergebnisse wurden im Dec. 1884 958 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. der Zeitschrift für Biologie übergeben; Ende Juni 1885 erhielt ich die Separatabzüge, von denen einer Herrn G. Pouchet zugesandt wurde. Herr Pouchet dankte per Postkarte für die Zusendung der „inter- essanten Abhandlung". Chabry, welcher bei Pouchet arbeitete, publi- cirte 1887 eine umfängliche Abhandlung unter dem Titel: ,,Contribution ä l'embryologie normale et teratologique des Ascidies simples" ^), deren Untersuchungen nach S. 4 in den Jahren 1885 und 1886 ausgeführt wurden. Die Ascidien laichen im April bis September. Im Jahre vorher hatte er schon (nach S. 72) wiederholt ,, abnorme Furchungen" am Ascidienei gesehen. Da der aus einer Titelübersicht mir bekannt gewordene Titel von Chabry's Abhandlung auf keine Beziehung zu meiner im Jahre 1888 veröffentlichten zweiten Abhandlung über die halben Embryo- nen hindeutete, habe ich dieselbe damals nicht eingesehen. Als ich jedoch später aus einem Referat von dieser Beziehung Kenntniss erhalten hatte, erbat ich die an einem für mich schwer zugänglichen Ort abgedruckte Arbeit von ihrem Autor. Nach ihrer Leetüre war ich erfreut über die mit den meinen übereinstimmenden Ergebnisse derselben, andererseits aber etwas erstaunt darüber, dass Chabry meiner [261] Priorität nicht gedenkt und angiebt, mit diesen Versuchen ,,ein ganz neues Gebiet eröffnet zu haben" (vergleiche oben S. 154), obschon sein Lehrer meine Abhandlung kurz nach dem Beginne von Chabry's Untersuchung erhalten hatte. Wenn Chabry diese ausgedehnte Arbeit mit der mitgetheilten Untersuchung der normalen Entwicke- lung begonnen hat, dann liegt chronologisch die Möglichkeit vor, dass er überhaupt erst durch meine Abhandlung zu seinen Anstichversuchen angeregt worden sei ; doch spricht gegen diese Sachlage, dass er meine Arbeit in seiner Publication nicht erwähnt. Jedenfalls aber ist meine Priorität in Bezug auf diese Versuchsweise ausser Zweifel. Gegenwärtig bin ich, wohl nicht mit Unrecht, verwundert, dass 0. Hertwig diesen ersten Beitrag zur Entwickelungsmechanik (Nr. 18) (vom Jahre 1 885), in welchem auf 25 Seiten über solche Anstichversuche 1) Theses pr^sentees h la faculte des sciences de Paris. Serie A. Nr. 90. Paris 1887. Historisches der Methode der Hervorbringung von Halbbildungen. 959 am Ei in allen Stadien von der Befruchtung V)is /.um Embryo von mir berichtet wird^), niclit kennt, obgleich diese Arbeit auch ihm zugesandt wurde und in mehreren Abhandlungen von anderen Autoren und mir darauf Bezug genommen worden ist; den Titel führt er jedoch in dem Litteraturverzeichniss seiner jüngsten Abhandlung auf. Ich habe es O. Hertwig schon ein Mal nahe gelegt (s. S. 830), meine Arbeiten mit mehr Sorgfalt zu lesen, soweit er auf demselben Gebiete mit mir arbeitet; damit er sowohl über das bereits Ermittelte nnterrichtet sei, als auch, um nicht weiterhin irrthümliche Behaup- tungen über meine Ansichten zu verbreiten. Seine jüngste Arbeit veranlasst mich, diese Bitte zu wiederholen, durch deren Erfüllung manche Differenz und nachträgliche Ausein- andersetzung in Zukunft vermieden werden würde. Zunächst verwahre ich mich gegen die bereits zwei Mal zurück- gewiesene (s. Nr. 26 und 27) irrthümliche Angabe Hertwig's, dass ich reiner ,,Evolutiouist" sei. Ich habe es von Anfang meiner Untersuchungen an als eine Aufgabe derselben bezeichnet, den Antheil sowohl der ,,correlativen Dif f erenzirung" wie der ,,Selbstdifferen zirung" an der individuellen Ent- wickelung zu ermitteln, und habe auch beiderlei Vorgänge nachgewiesen. Ich nehme daher eine Mittelstellung zwischen Weismanx, dem reinen Evolutionisten , und 0. Hertwig, dem reinen Epigenetiker, ein. 0. Hertwig hat übrigens bereits eine Schwenkung nach meiner Seite hin gemacht; allerdings wieder ohne meiner dabei entsprechende Erwähnung zu thun. Die jetzt von ihm ausgesprochene Ansicht, dass eine epigeuetische Theorie sich mit einer [262] tieferen Aiilffassung der Evolutionslehre wohl vereinbaren lässt" (S. 662), ist bereits in der Einleitung meiner Beiträge zur Ent- wickelungsmechanik im Jahre 1885 (s. Nr. 13) ausführlich begründet worden. [1) Trotz der besonderen Schwierigkeiten, Avelcbe gerade dieses Material für solche Versuche darbietet (s. S. 788), wurde bereits in dieser ersten Abhandlung auch schon über einige erhaltene reine Halbbildungen: Semimorulae und Hemi- embryones berichtet (s. S. 161 u. 174j.] 960 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. III. Wirkung der „Deformation" in der Furchung begrif- fener Eier auf die Stellung der Medianebene zu den ersten Furchungsrichtungen. [265] Der andere Versuch, auf dessen Ergebniss O. Hertwig seine, der meinen entgegengesetzte, Auffassung einiger Vorgcänge der ersten Ent- wickelung begründet, besteht darin, dass er wie früher Pflüger und ich (s. S. 838) Eier zwischen wagrechte, senkrechte oder schief- stehende Platten p r e s s t e , die Richtung der ersten Furche mar- kirte und später beobachtete, dass die Richtung der Medianebene nicht damit übereinstimmte; während ich an „normal" aufge- setzten und durch reichlichen Zusatz von Wasser zw^ anglos ge- haltenen also nicht deformirten Eiern im Jahre 1883 eine Ueber- einstimmung beider Richtungen beobachtet und publicirt hatte (Nr. 16). Mein damaliger Befund hat sich bei späteren mehrfachen Wieder- holungen dieses Versuches stets bestätigt. [266] Schon auf die vorläufige Mittheilung O. Hertwig's hin habe ich in Bd. VIII, S. 606 dieser Zeitschrift (s. Nr. 29) mitgetheilt, dass ich die gleichen Deformations- Versuche wie jüngst Hertwig bereits in den .lahren 1885—1887 gemacht habe, zuletzt mit 80 Proc. Ueber- einstimmungen zwischen der Richtung der Medianebene des Embryo ; ich habe aber hinzugefügt, dass bei diesen Versuchen mehrere nicht ganz zu beseitigende und durch eingehende Erwägung und Abrechnung aller störenden Componenten nur theilweise zu reducirende Fehler- quellen vorhanden sind. Zu der angekündigten ausführlicheren Mit- theilung über diese Versuche bin ich in Folge anderweiter Inanspruch- nahme noch nicht gekommen. Dieselbe erscheint mir jetzt auch weniger dringlich, weil inzwischen G. Born (in derselben Nummer dieser Zeit- schrift, in welcher meine kurze Mittheilung erschien), eine Arbeit publi- cirt hat, in der über die gleichen Versuche ausführlich berichtet wird (Ueber Druckversuche an Froscheiern, anat. Anz. 1893, S. 609 — 627). Dieser gewissenhafte Forscher fand bei Eiern , welche durch senkrechte parallele Platten comprimirt waren, gleich mir eine Beziehung zwischen der Lage der Medianebene des Embryo und der ersten Furche, indem die Medianebene meist annähernd 111. Wirkung der Doformation des Eies auf die Medianebene. 961 rechtwinkelig zur Ebene der ersten Furche stand (s. S. 924, Anm.). O. Hertwig hat dasselbe gefunden , unterlässt es aber , diese Uebereinstimmung mit meiner Auffassung zu constatiren und bei seinen Folgerungen entsprechend zu berücksichtigen , in gleicher Weise, wie er dies mit dem einzigen Hemiembryo, den er nach An- stechen des Eies zufällig zur richtigen Zeit beobachtet und so noch als solchen w^ahrgenommen hat, unterlassen hat^). [1) In diesem Jahre (1894) hat dagegen G. Born (Neue Compressionsversuche an Froscheiern, vorläufige Mittheilung, Sitzgsber. d. Schles. Ges. f. vaterländ. Cultur, 10. Mai 1894) an einer grösseren Zahl gleichfalls wieder zwischen senkrecht stehenden Platten comprimirten Froscheiern bei ganz besonders darauf gerichteter Sorgfalt nicht mehr das im vorigen Jahre gesehene Verhältniss wahrnehmen können; sondern er fand jetzt ebenso wie bei Eiern, die zwischen geneigten Platten gepresst waren, „absolut keine Beziehung zwischen der Lage des Meridianes des Urmunds- anfanges rcsp. der Meridianebene und der ersten Furche." Die Richtigkeit dieses „absolut keiner Beziehung" könnte jedoch nur durch Messung der Winkel zwischen der ersten Furche und der Medianebene festgestellt werden und wäre blos dann erwiesen, wenn diese Winkel sich auf alle Decaden von 0° — 90° gleich vertheilten; Born erwähnt aber solcher Winkelmessungen nicht. Es scheint mir daher doch noch nicht ganz erwiesen, ob nicht auch in diesen „abnormen" Verhältnissen, wie er und ich 1884 für einfache Zwangslage ohne besondere Deformation ermittelt haben (s. S. 328), bei dieser Deformation noch ein, wenn auch vielleicht geringeres Vor- herrschen der Winkel um 0° und um 90° vorkommt (s. S. 331 Anm. u. S. 923); dafür spricht schon, dass er selber, ebenso wie ich und 0. Hertwig bei einer geringeren Anzahl von Beobachtungen zunächst ein solches Verhalten entnommen hat. Ein solches Vorherrschen könnte aber theoretisch, von sehr erheblicher Bedeutung werden, denn gerade von diesen feinen Unterschieden hängt jetzt die ganze Deutung der ersten Entwickelungs Vorgänge ab (siehe S. 903 u. 912). Born sagt ferner (S. 2): „dass der Meridian des Urmundsanf anges mit der Medianebene des Embryo zusammenfällt, kann als vollkommen gesichert gelten, da er solches Zusammenfallen auch in diesen Deformationsversuchen beim Auftreten der Rückenwülste bestätigt gefunden hat. Dem entgegen muss ich aufrecht erhalten, dass ich wiederholt bei Zwangslage, besonders bei Combination mit Pressung, Abwei- chungen des Meridianes der „ersten" ürmundsanlage von der Richtung der durch die Medullarfurche bezeichneten Medianebene durch sehr häufige, unbemerkte Drehungen des Eies ausschliessende, Beobachtungen sicher constatirt habe (s. S. 267), und dass die Richtung dieser secundären Medianebene in manchen Fällen der Richtung der ersten resp. zweiten Furche näher kam als der erstere Meridian ; doch viel häufiger war das umgekehrte Verhalten, und das Nachtwachen, um die Stelle der Avirklich ersten Ürmundsanlage zu sehen, wurde durch grosse Uebereinstimmung belohnt. Ueber eine eventuelle Ursache abnormer e r s t e r Urmundsanlagestelle siehe S. 342 Anm. 2 W. Roux, Gesammelte Abhandlungen. II. ■ Ql 962 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. Von meinen Versuchen mit Eiern, welche zwischen senkrechte Platten gepresst worden waren, sei hier noch mitgetheilt, dass ich die erste Furche häufig, statt senkrecht, stark, bis 25°, geneigt und die zweite Furche zwar rechtwinkelig zu dieser Rich- tung, aber stark schief zu den Glasplatten fand. Diese Ab- weichungen von der Norm rühren wohl von stärkerer Schiefstellung der Eiaxe beim Beginne meiner Versuche und von stärkerer Compression als bei den Eiern Born's her. Bei Compression der Eier zwischen ,,wagrechte'^ Platten fand Born gleich O. Hertwig keine Beziehung mehr zwischen der Richtung der ersten Furche und der Medianebene ; er leitet aber daraus wohlbedachter Weise, nicht wie Hertwicx, das Fehlen jeder solchen Beziehung ab, sondern führt dies Verhalten unter Berück- sichtigung entsprechender Fehlerquellen auf Dreh u n g e n der Eier Es scheint mir ferner zweifelhaft, ob die neue Beobachtung 0. Schultze's über die Möglichkeit, die primäre Meridianebene an symmetrischer Ordnung und Grösse der Zellen der Blastula zu erkennen (s. S. 965 Anm.), auch unter diesen abnormen Verhältnissen die primäre Medianebene genau genug sich erweisen wird, da hiebei häufig schon anfangs asymmetrische Furchung vorkommt. Doch müsste dann erst ermittelt werden, wie sich diese primäre Medianebene zur secundären verhält, und worauf eventuelle Abweichungen beider von einander beruhen, ehe so weitgehende Folgerungen, dass die Richtungen der ersten Furchungen unter abnormen Verhältnissen gar keine Beziehungen zur secundären Medianebene hätten, gezogen werden können, und dass dieAnordnung der , verschiedenen" Dottersubstanzen „ganz unumschränkt", ganz unbe- einüusst durch die Richtungen der ersten Eitheilungen, die Richtungen der Medianebene bestimme, statt blos mit den von mir auf Grund der damals von mir gemachten Beobachtungen angegebenen Einschränkungen (s. S. 335 u. f. und 408). Und selbst wenn sich die diesjährige Angabe G. Born's in den bezüglichen Theilen vollkommen bestätigen sollte, so wüssten wir darob noch nicht, avo durch diese unter abnormen Verhältnissen hervorgetretene Unabhängigkeit vermittelt wird, ob auf normale Weise, d. h. dadurch, dass nach Driesch und 0. Hertwig überhaupt die ersten Furchungen das durch die Befruchtung activirte Kernmaterial qualitativ halbiren oder dass, wie ich es aus mannigfachen Gründen (s. Nr. 27 u. 28) für wahrscheinlich halten würde, in diesen so abnormen Verhältnissen alsdann auch sogleich abnorme mit Activirung von Regulationsmechanismen also von Reserve- idioplassonten verbundene Vorgänge eingeleitet werden (s. S. 911 und 928). Mir scheint jedoch, dass die Entscheidung bei diesen Versuchen in die Ver- suchs-und Beobachtungsfehler-Breite fällt, und dass wir daher die definitive Entscheidung über die beregte wichtige Frage bei anderer Gelegenheit zu gewinnen suchen müssen. (Siehe Nr. 33 und W. Roux, Ueber die verschiedene Bedeutung isolirter Blastomeren, Arch. f. Entwickelungsmechanik, Bd. I, S. 597 u. f.)]. III. Wirkung der Deformation des Eies auf die Medianebene. 963 zurück. Darin kann ich ihm nur beistimmen, denn es ist mir ge- [267j hingen, durch sehr häufige Beobachtungen am Tage und bei Nacht diese Drehungen in der Periode der Urmundbil- dung zu constatiren. Ausserdem wird auch die Richtung; der ersten Furclie während der zweiten und dritten Thei- lung oft nocli erheblich geändert. Da ferner, wie icli sah, dabei die centralen, mehr den normal oberen entsprechenden Zellen sich gegen die peripheren, mehr den normal unteren entsprechenden Zellen verschieben, und man diese Verschie- bungen bei diesen Versuchen besonders gut sieht, scheint diese Ver- suchsanordnuug sehr geeignet, um zu ermitteln, ob die unter- halb der ersten wagrechten Furche gelegenen Zellen ausschlaggebender für die Bestimmung der Medianebene sind als die oberhalb davon gelegenen , wie mir dies nach einigen früheren Beobachtungen, deren Aufzeichnungen aber leider in Verlust gerathen sind, in der Erinnerung haftet (s. S. 912). Doch ist bei diesen Versuchen noch eine nicht vermeidbare Fehlerquelle vorhanden, die auch den sorgfältigen Beobachtungen Born's entgangen zu sein scheint. Die Richtung der Medianebene wird unter normalen Ver- hältnissen am frühesten an der Lage der ,, ersten" Urmunds- anlage erkennbar, indem die erst nach Ausbildung der Medullarwülste direct erkennbare Lage der Meridianebene dem durch diese Stelle gehenden verticalen Eimeridiane entspricht ; hat man den Moment der ersten Urmundsanlage verpasst, so darf man ohne wesentlichen Fehler an so normal gehaltenen Eiern diesen Meridian durch die Mitte des Urmunde^ legen. Ich habe nun gefunden, dass bei den Versuchen mit Pressung der Eier zwischen Platten die Stelle der „ersten" Urmunds- anlage oft nicht der Median ebene entspricht, ja Abweich- ungen bis 30*^ von derselben darbietet, und zweitens, dass die Ver- grösserung des Urmundes nicht immer symmetrisch weder zur Stelle der „ersten" Urmundsanlage noch zur Richtu'ng der späteren Medianebene erfolgt. Auf diese 61* 96i Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. Abnormitäten habe ich früher schon kurz hingewiesen (s. S. 398, 426 Anm. und S. 342, Anm. 2). Eine Ursache dieses abnormen VerhaHens erbhcke ich darin, dass, wie ieii nachgewiesen habe, die Gastrulation des Froscheies durch bilaterale Epibohe, durch Ueberwachung der einen, liehen Seite des Eies von der anderen, pigmentirten Seite aus erfolgt. Die Pressung der Eier kann nun leicht dieses Herabschieben von Material mecha- nisch hindern (s. S. 922); und da, w^ie ich experimentell ermittelt habe (Nr. 23), diese Epibolie von beiden Seiten her gegen die Medianebene hin erfolgt, so kann diese Hinderung des Herab Wachsens leicht in asymmetrischer Weise erfolgen. Letzteres zeigt die weitere Entwickelung, bei welcher uicht selten ein Medullarwulst weit zurückbleibt und die verticale Meridianebene nicht erreicht, während der andere durch compensatorisches Wachsthum diese Ebene später überschreitet. In Folge des ungleichen specifischen Gewichtes der neuge- [268] bildeten Zellen und der Dotterzellen ist damit auch zugleich eine Ursache für die asymmetrische Drehung der Eier gegeben. 0. Hertwig hat selber Hemmung bei der Bildung des UrmUndes gepresster Eier beobachtet (S. 704). Kurz vorher macht Hertwig die für die Beurtheilung seiner Versuche wichtige Mittheilung (S. 691), dass ihm ,,die Müsse zu einer continuirlichen, über einen längeren Zeitraum ausgedehnten Unter- suchung fehlte" ; ferner erwähnt er S. 692 : „Als am Nachmittage des anderen Tages die Präparate wieder durchgemustert wurden, hatte der Urmund" u. s. w. Hertwig giebt hier also selber an, dass seine Beobachtungen durch sehr grosse Pausen, sogar von mehr als einer Nacht unterbrochen waren. Es ist daher natürlich, dass er das, was inzwischen geschehen war, nicht wahrgenommen hat. Aber es ist wohl zu verwundern, dass Hertwig gleichwohl über die Vorgänge während dieser Zeit, insbesondere über das Aus- bleiben von Verschiebungen der Eier u. s. w. bestimmt urtheilt und auf so lückenhafte eigene Beobachtungen hin in Fällen, bei denen alles davon abhing, dass keine eventuelle Verschiebung der Wahrnehmung entging, Angaben eines anderen Autors als unrichtig bezeichnet. III. Wirkung der Deloniiation tles Eies auf die Medianebene. 965 Wenn Hertwig öfter beobachtet hätte, würde er auch öfter die Asymmetrien der Urmundbildung bei diesen Versuchen wahrgenommen haben , die h i n t e r h e r oft nicht mehr von aussen zu erkennen sind. Asymmetrische Entwickehmg hat er beim Microtomiren von Embryonen dieser Versuchen selber gefunden, es aber unterlassen, die für die Deutung seiner Versuche nöthige. Folgerung daraus zu ziehen. Vielleicht bestehen noch andere Ursachen für das erwähnte ab- norme Verhalten. Es ist sehr zu bedauern, dass wir keinen Anhalt haben, um schon auf dem Blastulastadium das Material des künftigen rechten und linken Medullarwulstes von aussen sicher unterscheiden und daran die primäre Lagerung der Median- ehene vor dem Eintreten der erwähnten, so leicht störbaren Material- umlagerungen und daher unabhängig von ihnen erkennen zu können ^). Diese Verschiebungshemmung habe ich in höchstem Grade bei der Pressung der Eier zwischen verticalen Platten in Gestalt vollkommener Asyutaxia medullaris beobachtet, wobei die Medullarwülste einen das Ei am Aequator rings umziehenden Gürtel bildeten (s. S. 922, ganz wie in Fig. 4, S. 524). Bezüglich der bei dem höchsten Grade der Asyntaxia [269] medullaris vorkommenden Anentobla stia sei erwähnt, dass 0. Hertwig diese letztere Bezeichnung von mir als unzutreffend commentirt, weil stets die Dotterzellen, also Entoblast vorhanden wäre. Es ist ihm somit entgangen, dass meine Bezeichnung sich auf den diff erenzirten Entoblast bezieht, welcher bei der normalen Gastru- lation entsteht ; als solcher sind aber die Dotterzellen doch wohl nicht anzusehen. Diese nicht differenzirten Dotterzellen sind auch schon an der Blastula vorhanden ; es ist aber nicht üblich , dieselben bereits als Entoblast zu bezeichnen (siehe auch S. 782 Anm.). 1) 0. ScHULTZE hat hierzu neuerdings berichtet (Arch. f. Entwickelungsmech. Bd. I, S. 293), dass es ihm gelungen ist, durch genaue Berücksichtigung der Anord- nung und Grösse der Zellen der Morula und Blastula die Medianebene an diesen Stadien zu erkennen. Es wäre eine wesentliche Hülfe, wenn sich diese Methode genau und sicher genug für unsere Zwecke auch unter solch' abnormen Verhältnissen erweisen würde (s. S. 962 Anm.). 966 Nr. 31. Die Methoden zur Hervorbringung halber Froschembryonen etc. Dieselben störenden Ursachen wie bei Pressung des Eies zwischen Glasplatten können auch an den von Hertwig wie früher von mir (S. 302) in Glasröhren a s p i r i r t e n , und dadurch in abnorme Formen gepressten Eier Abnormitäten und Drehungen hervorbringen. Es muss auch bei diesen Versuchen zunächst durch sehr häufige Beobachtungen unter mehrfacher Abzeichnung der Eier der Einfluss der Drehung und einseitigen Gastrulationshemmung für jedes einzelne Ei geprüft und danach entsprechend durch Interpretation eliminirt werden , wie ich dies seiner Zeit an den zwischen wagrechte Platten gepressten Eiern gethan habe mit dem Ergebniss , dass als- dann statt blos 50 — 60 Proc. doch noch ung bei der Gastrulation des Frosches II 525, 530. Eiuriertelbildungen II 446. Einwirkungen, äussere, differenzirende Wirkungen derselben auf das Ei II 422 ; störende Wirkungen II 423. „Einziger Fall", Bedeutung eines solchen für die „Möglichkeit", z. B. bei Halb- bildungen II 856. Eirinde des Froscheies, Beschaffenheit II 156, 364; rasche Anpassungsfähigkeit an neue passive Formen II 246; Unab- hängigkeit der Entwickelung von ihrem Dotter II 848. Kitheil-Bildungen II 793. Elasticität der Gastrulaschiehten II 190. Electricität, Einfluss auf dieZelltheilungs- richtung II 319 ; ihre Nichtbetheiligung an der embryonalen Formbildung II 149; trophische Wirkung derselben I 244. Elementarorgane, letzte 11 84; Anto- kineonten II 84; Isoplassonten ' II 84. Elementarorganismen, letzte II 83; s. Antonierizonten II 84; Idioplas- sonten II 85. Elimination abnormer Zellkerne etc. durch epithelialen Zusammenschluss der Umgebung mit glattem Abgrenzungs- contour II 478, 497; E. lebenden Materiales bei der Regeneration II 845 u. f. ; E. von Dotter der operirten Ei- hälfte II 783; siehe auch Ausmerzung, Theilauslese, Kampf der Theile. Ellipsoidgelenlv, Ursache 1 376. Embryo, inneres Gleichgewicht seiner Theile II 245; Anpassung an defor- mirende Einwirkungen II 245 u. f. ; Elasticität II 245—250; Operationen am £. II 196; reeller und virtueller Em- bryo 11 349; Lage zum Ei II 349; variable Lage zur Furchungsaxe bei Zwangslage II 349; siehe letztere Sach-Recister zu Band I und II. 1049 Lage zur Axo des imbefruchteten Eies II 349; siehe auch Medianebene, caudal, cephal; morpliologische electrische Po- larisation der Embryonen II 563, 597, 634, 642, 646. Embryonal, Definition I 203, 207. Embryonale Gebilde, ihre morphologische Polarisirbarkeit 741, 752, 655. Embryonales Lieben, Periode des- selben jeden Organes, siehe Lebens- perioden. Energien der normalen s. typischen Entwickelung ; ihre Activirung H 830; der atypischen s. regulatorischen Ent- wickelung; Activirung derselben durch eine „Störung" II 830; functionelle 11 282. En face Minimum der Gefässe I 37 u. f. Entoblast, seine feste Lage zum Nah- rungsdotter II 851, 285; Postgeneration 11 504; Unabhängigkeit vom Ectoblast II 505; Dotterzellen sind noch keine Entoblastzellen II 782 A., 965. Entstehung, succesive, des ersten Lebens I 409—416, II 85. Entwickelung, organische, ihr Wesen II 4, I 224, 332 ; sie beruht auf Wechsel- wirkung (Correlation) II 14, 822; a) in dividu eile Arten derselben ;a)Epi- genesis 11 5 (siehe diese und Selbst- differenzirung) ; b) Evolution II 5 (siehe diese und abhängige Differenzirung, Correlationen); c) Combination beider II 20, 202—253, I 331-382; d) Meta- morphose von Mannigfaltigkeit II 8; Zeit des Beginnes der individuellen E. II 863, 869 ;-Periode der selbstständigen oder organbildenden E. II 281, 909, I 348; der functionellen E. II 281, 909, I 348; structurelle E. 1 214 A. ; chemische E. I 214 A. ; E. durch Be- thätigung ungleicher Qualitäten II 341, 306. Sie ist im Hauptsächlichen Selbst- differenzirung ,des Eies" I 422, II 276 (siehe Selbstdifferenzirung) ; typische, (s. normale, directe) und atypische s. regnlatorische s. regenerative E. II 94, 450, 520, 811 u. f., 843, 981; Gemeinsames beider II 915; Unterschied beiderll 840; Verwechslung beider 11 885, 971, 1007, 1011, 1029; typische E. kommt nicht ganz rein vor II 981 ; festere Mechanisirung derselben II 815; Verzögerung der E. nach Operationen am Ei II 159; vorzeitiger Stillstand II 159; Vorzug der Frösche zum Studium der typischen E. II 918; Fehlen der E. bei niederen Organismen II 13, 35; 2. phyle tische E. siehe Stammes- geschichte. Entwickelnngsenergien , besondere II 188, 282. Entwickelnngsfunctionen I 409 A.; II 979. Entwickelungsmechanik , Definition II 4, 27—29; Aufgaben II 14, 28, 74, 86; Nutzen II 47 u. f., 52, 60 u. f., 69, I 441, 443; Methode I 213, II 13, 22, 30, 35—37; Ermittelung einfacher und complexer Componenten 1182; Un- sicherheit causaler Folgerungen aus Be- obachtungen des „normalen" Geschehens II .30, 75; ontogenetische und phylo- genetische E. II 60, 73; vergleichende I 441 ; Erklärung des „biogenetischen" Grundgesetzes I 443-447. Epibolia bilateralis der Gastrulation II 529 u. f., 183. Epidermis, functionelle Anpassung I 169. Epigenesis II 5, 9, 20, 74, 148, 186, 287, 451 A., 959, 1023, I 101, 201 u. f., 207, 214 A., 224, 332, 385, 422 A.; unrichtige E. II 858, 864-868; Com- bination mit Evolution II 20, 456 A., 202—257; 1 331—382; siehe auch ab- hängige Difterenzirung, Correlationen; Einschränkung der E. durch die indirecte Kerntheilung II 863 ; E. bei der Fur- chung II 451 Anm.; specieller Antheil der E. an der Bildung der Delphin- schwanzflosse I 567. Epiphysen, Entstehungsursache II 228; I 811; Ursache der Grösse und Locali- sation II 228, 18; der Gestalt I 720 A. ; Ursache ihrer anderen Structur als der Diaphyse I 719. 1050 Sach-Register zu Band I und II. Epithelialgewebe, ihre ontogenetisehen Entstehungsursachen I 333 u. f. ; Ent- stehung durch äussere Ein Wirkung II 422; durch Selbstdiiferenzirung, siehe diese; differenzirendü Wirkung blos der „Sei- tenflächen", nicht der Oberfläche und der basalen Fläche 11 785, 800; Ab- scheidung von Kittsubstanz erst beim Absterben II 600. Epitlielzellen, Bestreben sich dicht zu- sammenzuschliessen II 453; bei em- bryonalem Defect II 440; am freien Rande des Stratum II 482. Erblichkeit functioneller Anpassungen? I 189 u. f., 199 Anm.; 207, 214 Anm. Erdmagnetismus, Nichtnöthigsein des- selben zur Entwickelung des Eies II 274. Ererbt, Definition I 203, 207. Erhaltung unthätiger Theile I 346, 348, 721 A. Erhaltungsäquivalout zwischen Sub- stratmenge und Reizgrösse I 554. Erhaltiingseoef'ficient des Bindege- webes I 559, 806. Erhaltungscorrelationen II 72. Erhaltungsfunotionen I 409 A. , II 980. Erhalliingsmecliauik der Organismen II 29. Erklärung, mechanische, der functionellen Anpassung I 377, Anm. Erklärungsarten der Organismen II 58. Erlernung von Bewegungen: Wichtigkeit „controllirender Ausführungsgefühle" I 565. Ernährung ist activ, nicht passiv I 307 u. f., 311, 805. Erregung I 391 ; siehe auch Auslösung. Erschütterung, Entwickelung fördernde Wirkung derselben I 243. Erworbene BiUlungcn I 200; siehe auch Vererbung. Evolution, II 5, 9, 20, I 201 u. f., 207, 332, 582; II 283 u. f. 288, 959, 1023; siehe auch Selbstdift'erenzirung ; Com- bination mit Epigenesis II 20, 456 A.; 302—253; I 331-382. Excretion, ihre Züchtung I 259. Exostosen, ihre Erhaltungsursachen 346, 760; functionelle Structur I 762. Experiment, analytisches, Bedeutung für die Entwickelungsmechanik II 32; combinirte Experimente II 89, 1015. Explieite vorhandene Theile im Froschei II 401. E.vplicites Material auf der Blastula- stufe bei höheren und niederen Verte- braten typisch verschieden II 538. Extracellulate , electrische , an der Gastrula II 615. Extraovat, Entwickelung desselben II 155, 162, 5.39 u. 540; Furchung 11 516; electrische Polarisation II 619. Fadenpilz ähnliche Gestaltungen aus Furchungszellen II 994; F. in Knochen I 792. Faltungen sind keine „einfachen" Vor- gänge II 37. Fascien, functionelle Structur I 180; Entstehung derselben I 282, 359; F. palmaris und plantaris; siehe Aponeu- rosis. Femur, individuelle Verschiedenheit seiner Structur je nach dem Gebrauch I 677 ; Ausbildung zweckmässiger Structur in neuen Verhältnissen I 662 — 713; func- tionelle Vielseitigkeit seiner Structur I 727—729. Fernwirkung zwischen Samen und Ei II 293 ; zwischen Kern und Dotter? II 341 ; differenzirende F. ? II 187, 189. Festigkeitsconstructionen, allgemeine Gesetze derselben I 509; Arten der- selben I 678 u. f. Fettaufspeicherung nach Inanition, be- dingt durch innere Umzüchtung des Organismus zur Sparmaschine I 236 A. Fettkörper, subcutaner, des Delphin, Structur I 563. Fibroblasten, reactive gestaltliche Leis- tungen I 550. Fibula, functionelle Structur und Gestalt in neuen Verhältnissen 1 165. Fieber, chronisches, innere Umzüchtung des Organismus dabei I 236 A. Fiederung der Muskeln ; Entstehung durch Selb-stregulation I 269, 174; 596, 621, 813; Anordnung der Sehnen 1586. Sach-Register zu Band I und II. 1051 Fläche, neutrale, d. Biegungsconstniction I 512. Flamme, Vergleich mit den Organismen I 896; Kampf derselben II 218. Flossenflü^yel des Delphin I 467. 470. Flüsslgkeitsstoss, Autheil desselben an der Gestaltung der Gefässe I 80 u. f. Flüssigkeitsstrahl , Gestalt des frei ausspringenden I 48. Form eines Systems II 238; Bedeutung der F. für das Leben des Embryo 11 187 u. f. Formales Lieben, s. Leben, gestaltliches. Formcharactere , zweiter, dritter Ord- nung II 88; ihre causale Bedeutung II 93; grössere Constanz derselben als der Art ihrer Herstellung II 93. Fortsetzung des Stammes, der Arterien I 11; Richtung I 11 u. f.; Ursachen I 80—98 u. f. Frainboisia eMibr.youalis finalis, minor II 151, 198; major 11 152, 198; nach Operationen II 475; electrische Erzeugung II 564, 567 (vergl. 599); Reaction auf den electrischen Strom bei Fr. minor II 621; F. minor interna II 151, 172 u. f., 887; major II 152, 198 u. f. Froschei, Abplattung nach der Befruch- tung II 377; schwere Auslösung der Ganzbildung aus Eiteilen II 1010, 1012 ; electrisches Leitungsvermögen II 601. Function der Organe. 1. Erhaltungs- functionen: a) Selbsterhaltungsfunc- tion des Organes II 213, 979 u. f.; b) „specifische Function" (zur Erhaltung des Ganzenf II 213, 216, I 397 u. f.; automatische und reflectorische I 398. 2. Entwickelungsfunctionen I 409 A., II 213, 979 u. f.; Verschiedenheit der F. in den verschiedenen Dimensionen der Organe 1 171 ; trophische Wirkung der „Erhaltungsfunctionen" I 437, 760; gestaltende Wirkungen s. functionelle Anpassung. Fnnctionelle Anpassung, Definition 1157 A.. 462, II 115, 149; Allgemeines I 546 u. f , 757-768, 804, II 211-216; ilirc Leistungen I 122 u. f., 164-187; a) rein fiinetionolle oder vorüber- gehende (siehe Selbstregulation, functio- nelle) I 321, 316 Anm., 377 Anm., 406; b) morphologische I 321, 316 Anm. 877 Anm., 40(5; quantitative I 173, 757; qualitative I 166, 758; mecha- nisch vermittelte II 214; trophisch vermittelte I 278—382, 11 215 (siehe auch Wirkungsweisen , gestaltende) ; Princip der Selbstlöhnung II215; Kinwen- dungenI386, 719Anm.; morphologisches Gesetz der F.A. 1 166 und 173; physiolo- gisches Gesetz derselben I 175 u. f. ; un- erlässliche Vorbedingung ibrer umge- staltenden Wirkung I 703; Wirkung auf die Structur der Organe I 178; Besonderes ihrer Leistungen gegenüber der Zuchtwahl I 198; Beginn ihrer Wir- kung im Embryo 1201 ; Wirkung auf die höchste Ausbildung des Zweckmässigen I 382; empirischer Wirkungsumfang I 384 u. f. , an der typischen Ontogenese I 385; Ausbildung ihrer phylogenet. Producte durch „Selbstdifferenzirung" in der Ontogenese II 231; nachtheilige Wirkung der F. A. I 352; F. A. der Knochen I 606, 644—718, 739, 741, 753, 811 (siehe auch Knochen, functionelle Structur) ; bindegewebiger Organe I 385, 464, 537—568, 808 ; der Muskeln I 576 bis 658, 813, siehe auch Drüsen, Niere, Netzhaut , Nerven etc. , siehe auch Anpassung, Correlationen. Functionelle Correlationen s. functio- nelle Anpassung, Correlationen. Functionelle Gestalt I 690, 700 u. f., 736 u. f., 763, 361, 436, II 213, 221, siehe auch I 83, 100, 353, 361, 435, 561 ; F.G. der Zellen der Gastrula 11 218. a) sta- tische F.G. I 736 A., b) dynamische I 786, 761,766; der Knochen 1863, 690, 436, 701, 716, 721 A., 753, 761 u. f.; Abwei- chung von ihr II 737 ; der Bänder I 361 ; der Delphinflosse, Entstehung I 560 u. f. ; Functionelle Hypertrophie s. Activi- täts-Hypertrophie I 172. Functionelle Linien I 463. 1052 Sach-Register zu Band I und IL Fuiictioiielle Orthopädie II 160, I 766. Eunctionelle Reize, trophische Wirkung derselben I 278—330; gestaltende Wir- kung I 281 u. f. Fuuctioiiolle Selbsfgestaltnng des sogen. Zweckmässigen, Princip I 363; nötbige Zeit I 371, s. auch Gestaltung. Fiinctioiielle Strtictur, Definition I 462, 357 ; a) s t a t i s c li e der Knochen ei c. I 357, 878, 436, 462, 678, 682, 690, 701, 716, 721 Anni., 736, 753, 761—764; ihre Entstehung in neuen Verhältnissen I 547, 662-713, 716; Ursache ihrer Entstehung im Knochen I 356 u. f., 281, 434, 753, II 221, 806 u. f. ; im Bindegewebe I 349, 546—552, siebe auch ZerfäUung ; Beschränkung der F. S. I 716 u. f., 721 Anm., 765; b) dy namisch e I 168, 368, 736, 807; ihre Abhängigkeit von der „Gestalt" des Ganzen I 378; ihre Rückwirkung auf die Gestalt I 561, 573; sie ist feiner als die Capillar- maschen I 312, 327. II 216; Vorkommen im Sirenenknochen I 738; in bindege- webigen Organen bei wechselnder Zug- richtung I 360. FiiuftionolIeTrauspInntation 1 404. Fnncti<»uining der Organe, ihr Beginn im Embryo II 213. Furclmiig des Eies, ihre functionelle Be- deutung II 331, 450 u. f.; innere Son- derung vor der äusseren II 365 ; die F. der höheren Vertebraten leistet Arbeit der Gastrulation der niederen Verte- braten II 536; normale F. ist Selbst- difFerenzirung des Eies II 881 u. f., 892; erste F., Beziehung zwischen ihrerRich- tung und der Anordnung des Dotters n 327; Beziehimg ihrer Richtung zu den Hauptrichtungen des Embryo II 110, 163, 186, siehe Medianebene und Hauptrichtungen; Ursache der mero- : blastischen F. II 31, 32, 476; Anachro- nismen der F.[n 117 u. f., 164, 329; F. bei Deformation des Eies II 302-305, 921, siehe auch Deformation; Bestim- mung der Medianebene dabei II 382, 923; Fehlerquellen 923 u. f.; Pressung bewirkt keine Doppelbildung II 937; F. bei Doppelbildung II 334; abnorme F. , Auslösung des Reserveidioplasson durch dieselbe II 896; Entwickelung dabei II 911 u. f.; angebliche F. unbe- fruchteter Eier durch Einlegung in Sublimat II 432. Furchiiiigsaxe, variable Lage zum Em- bryo II 349. Fiirchniigskerii , Bestimmung seiner ersten Theilungsrichtung II 384. Fui't'luingsschema für Rana esculenta II 112, 324; Abweichungen davon II 325, siehe auch Zwangslage. Fui'clmngszelleii, ihr Rundungsbestreben 11 156, 423; isolirte F., ihre Ent- wickelung II 428 u. f., 876—893, 1008, 1028; entwickelungsmechanisches Ver- mögen II 766 — 814, siehe auch Selbst- differenzirung, Halbbildungen, Theilbil- dungen. Unvollkommene Sonderung der F. im Froschei II 156, 460; actiielle Ungleichheit u. potentielle Gleich- heit II 831; Totipotenz 11839; angeb- liche „actuelle" Gleicbheit 11835, 865 u. f., 1005. LTrsache ihrer Umwandlung zu Epithelien 11422; Pseudopodien II 992 u. f.; Amoeboidwerden 11994; Selbst- ordnung der F. 11 987-995; Näherung gegen einander, C'.ytotropismns II 988-993; Chemotropismus II 995 ; faden- pilzähnliche Anordnung II 994; nachträg- liche Verschiebung II 111, 769, 911; ihre Entwickelung danach 11911; Abhängig- keit ihrer Theilungsrichtung von der „Ge- stalt" der Zelle 11303; Verhalten der F. sogleich nach dem Anstechen II 156, 158 u. f.; Zersetzungsvorgänge II 461; Vacuolisation II 462; Kernvermehrung 11464; Reorganisation, Modus I: II 468 ; IVncIeisation II 469, 480; nachträg- liche Cellulation II 475; Reorganisation, Modus H: II 479; Modus HI: II 481. F. als Gesch wulstkeim el 302, II 495, s. Geschwulstkeime. Die „Berührungs- fläche" der F. als solche hat keinen Einfluss auf die Theilungsrichtung Sach-Register zu Band I und II. 1053 II 928; differenzirende Beeinflussung sieb berührender F. II 935. Für-Sidi-Sein der Lebewesen 1389,11218. Gallenblase, ihre morphologische elec- trische Polarisation II 572, 606, 632, 634, 647. Gallei'thiille des Froscheies, ihre Quel- lung II 100; ihre chemischen Wirkungen II 165; theilweiser Parallelismus ihrer Ausweitung mit der Entwickelung des Embryo II 100 A. Galliis (lomesticus, electrische Polaj-isa- tion der Embryonen 11 636. Ganglienzellen, Ursache ihrer Gestalt I 365 u. f. Gauzbildnngen, Definition II 884; G. aus halben Eiern, secundäre II 796. primäre siehe Furchungszellen, isolirte; angebliche 0. Hertwig's II 949 u. f.; G. infolge runden Dotters 11 1002, 1009. Ganzes, actuelles II 831; poteu- tielles II 831. Gastrula, Operationen II 186; Elastici- tät II 190; morphologische electrische Polarisation II 623. Gastnilation des Froscheies II 88 u. f. ; nächste Ursache II 342; Ort des Be- ginnes II 342 ; Gestaltung beim Beginn derselben II 343 A. ; angebliche Wir- kung des Luftdruckes II 342 ; Vorgang II 182-185, 493; G. ist Mosaikarbeit II 455; durch bilaterale Epibolia II 183, 436, 629 u. f. ; der Elasmobranchier II 535; der Amnioten II 535; der Säuger II 535 ; ihr theilweiser Ersatz durch die Furchung bei den höheren Vertebraten II 536 ; unvöflkommene G. der Achtelei- Blastomeren II 782; Asymmetrische G. II 964 ; abnorme Schlussstelle II 529 ; Fehlen der G. bei der Postgeneration der seitlichen Hemiembryonen II 519; siehe auch Urmund. Gebärmutter, Ursache ihrer complicirten Faserung beim Menschen I 369. Gebrauch und Nichtgebrauch, Wirkung desselben s. Anpassung functionelle. Gedächtniss, mechanisches I 389. Gefässe. functionelle Structur I 183; di- recte .Anpassung ihrer functionell ge- stalteten Lichtung I 186; siehe auch Blutgefässe. Gefässverlaufswinkel I 94. GegenabKcheeriiii«; an den Epiphysen II 228. Gehirn, Ursache seiner Gestalt I 355; electrische Polarisation II 634, 636 u. f.; innere Anpassung I 367. Gekrösarterieu I 25, 87. Gelenke, Entstehung durch Selbstdiffe- renzirung I 885 ; Ursachen I 734 Anm., 812, II 231; ihre Anpassung an die Variation der Muskeln I 353, 376 ; Ge- lenkpfanne, Ort ihrer Entstehung I 354. Ursache der Gelenkformationen I 354, II 231. Gelenkvariation, Wirkung auf die Mus- keln I 354, 376. Gemischte DifTerenzirung, siehe Dif- ferenzirung. Generalpolarisatiou, morphologisch- electrische,getheilterEierII595,612,759. Generatio si)ontanea durch „successive" Züchtung I 409-416. Gepresste Eier, siehe Deformation. Gesclilechtsbestimmung- durch äussere Einwirkung I 454. Gesclileclitsorg-ane, zweierlei Bildungs- ursachen I 378. Geschlechtszellen, Theilung ihres Idio- plasson II 861. Geschwülste, künstliche Production II 196, 201 ; Ursache des seltenen Vor- kommens an Nerven und Muskeln, des häufigen Vorkommens bei Bindesub- stanzen I 206, Entstehung nach Opera- tionen am Ei II 171, 176, 453 u. f., 472, 474, 476; Ursache des häufigen Vorkommens im Alter I 653. Geschwnlstkeime, Furchungszellen in dififerenzirten Organen I 302 , II 495 ; Erhaltungsfähigkeit I 374; Verhalten gegen den electrischen Strom II 751. Gesetze , specielle , organischer Gestal- tungen I 802-816, II 1025—1031. Gestalt, fuuctionelle, statische, dynamische: siehe functionelle Gestalt. 1054 Sach-Register zu Band I und 11. Gestalt der Individuen, ihre angebliche Bedeutung für die Diflferenzirung II 890, 893; G. des Organes: bedingt durch die Nachbarn I 378; ihre Rückwirkung auf die Structur I 573; G. der Zelle, ihr Einfluss auf die Theilungsrichtung II 302, 973, siehe Deformation des Eies. Gestaltende Kräfte II 503, siehe auch Ursachen; Sitz derselben II 772, 776; Selbstdifferenzirung. Gestaltende AVirkungen qualitativer Aenderungen I 379. Gestaltende Wirkungsweisen 1802 bis 816, II 1025—1031 ; der Gewebe I 96 u. f.; beständige sive homogene II 82, 187, 1018; gestaltliche W. 904 A.; siehe auch Wirkungen. Gestaltliclies L.eben der Theile II 44 187, 192, 905, 926, 1002; siehe auch Leben. Gestaltung", organische, direct aus chemi- schen Processen I 208 A., 214 A.; aus dem Stoffwechsel unterliegenden Pro- cessen I 412 ; aus Reactions-Qualitäten I 261; durch Druck der Organe I 220, 268; Bestimmung der specitischen Ge- staltung durch die specifisch fungiren- den Theile I 83; functionelle Selbst- gestaltung des Zweckmässigen I 178, 350 — 382; mehrfache Bestimmung der- selben Gestaltung I 507, 530. Gestaltungscorrelationen siehe Corre- lationen. Gestaltungsfunctionen I 409 A., siehe Function. Gestaltungsgesetze, nöthige Unbe- stimmtheit derselben I 225. Gestaltungsprincipien siehe Gestaltung. Gestaltungsreize siehe Reize. Gewebe , ontogenetische Entstehungs- ursachen I 332, phylogenetische Ent- stehung I 332 u. f.; Stabilität ihrer Reactionen II 45; epitheliale G. , Selbst- differenzirung derselben I 333; Binde- substanzen, zum Theil abhängige Diffe- renzirung derselben I 333, 334, siehe abhängige Differenzirung, Correlationen, Selbstdifferenzirung; Kampf der G. I 261—266. Gewöhnung an Schädlichkeiten, Gifte etc., durch innere Umzüchtung I 235, 539, 656, 659, II 223. Gifte, Gewöhnung an sie durch Theilaus- lese, siehe Gewöhnung. Gleichgewicht, vitales, zwischen den Geweben, Züchtung desselben I 261; Störung desselben I 262 ; labiles G. im Organischen I 336; inneres G. der Theile des Embryo II 245 und 246; G. zwischen benachbarten Zellen, Zeichen desselben II 494 ; G. zwischen Function und sie voll- ziehendem Substrat nach Grösse und StructurI 252, 266, 269, 113, 553, 562, 630, II 222, siehe Aequivalente. Gleichheit organischer Producte bei Wechsel ihrer Herstellung; Constanz des Aussehens bei verschiedener unsicht- barer Structur II 1005 ; s. Metastructur. Gleichstrom, polarisirende Wirkung auf embryonale Objecto II 542 u. f. ; Wir- kung auf die Richtung der Befruchtung und ersten Eitheilung II 571. Gleitbewegung der Furchungszellen II 991. Glycerin bewirkt Framboisia embryonaiis II 152. Granula der Zellen, ihre Bedeutung II 85. Granulationsgeschwülste , trophische Reiz Wirkung als Ursache I 303. Grösse der Organe, Selbstgestaltung der fnnctiouellen G. I 252, 266, 269, 280, 553, 636; der Knochen, ihre Ursache I 680 A. ; der Zellen, bedingt durch den Kampf der Theile um den Raum I 234; um die Nahrung 1235; durch die raschere Assimilation I 232. Grundgesetz , biogenetisches , entwicke- lungsmechauischeBegründung 1443—447. Gymnastik siehe Uebung, functionelle Anpassung; G. des weiblichen Becken- bodeus I 362 A. Gynäkologie, Wichtigkeit der functio- nellen Anpassung für dieselbe I 362 A. Halbbilcluiigen II 792, 810 ; bei Fröschen II 428—458; bei Ascidien II 788; Echino- Sach-Register zu Band T und 11. 1055 dermen II 790 ; Ctenophoren II 808 ; Unter- schiede von einander II 795; Methode der Hervorbriuguug beim Frosch II 429. 941—959; ihre Bildung 434; Zurück- weisung von Einwendungen gegen sie II 803—805, 856, 948 - 951, 964 ; typische Umordnung des Einiateriales bei der Bil- dung II 876; H. ist durch die Anordnung dos Dotters bedingt II 932—939, 1009; Erklärung der H. II 1007 ; Ursache der Auslösung im Dotter II 1008; Ursache der Bildung im Kern II 1008, 1029; H. aus „halben" Eiern ist das „Normale" II 894, 1007, 1011; Bedeutung ihrer Ab- normitäten II 454, siehe auch Hemi- embryonen, Semigastrula, Semiblastula, Semimorula. Halboi-Bildmigeu II 792. Halbei • Ganzbildniigen , Definition II 884, 793; des Frosches II 796; der Echinodermenll 794 ; angebliche O.Hkrt- wig's II 949 u. f., 895 A. Halbgebilde II 792, siehe Halbbil- dungen. Halbiruug, qualitative II 129 u. f., 308 u. f. , 862 ; mechanische , durch Emulgirung II 311 ; Folgen der Störung der qualitativen H. II 450; Nothwendig- keit sondernder Kräfte in den Chromo- somen II 862. Halbseitige Abnormitäten als Folge gestörter qualitativer Halbirung bei der ersten Eitheilung II 451. Halitherinm, functionelle Knochenstruc- tur I 738; zu geringe Inactivitätsatrophie I 738. Harmonie der Theile, functionelle, bei Variationen einiger Theile, ihre Ursache I 123, 377, 561, II 216. Hani)tbahnen der Blutgefässe, Definition I 19 ; Bedeutung ihrer Entstehung I 67 ; Ursache ihrer Lage I 68. Hauptbewegung der Schwanzflosse des Delphin I 502. Hanptrichtiingen des Embryo vom Frosch : Zeit ihrer Bestimmung im Ei II 97—124, 184, 286—295, 534; ihre Beziehung zu den ersten Furchungs- richtungen beim Frosch II 330 ; bei ver- schiedenen Thierstämmon II 768, 853 u. f.; Abweichungen 11 330; Bestimm- mung geschieht durch die Anordnung des Dotters II 413—415, 852; nach- trägliche Aenderungen II 185, 398, 923 u. f. ; siehe auch Medianebene, caudal, dorsal, Copulationsrichtung. Haut, abhängiges Wachsthum I 567. Heilung der Knochenbrüche I 357, 732, 749—753; Ursache der Gewebsdifferen- zirung dabei II 227-232, 808 u. f. ; H. der Wunden am Embryo : per primam in- tentionem II 196, 200, 440 A. Hemiatropliia facialis, Ursache II 451. Hemicormns s. Hemiembryo. Hemiembryo lateralis ranae II 174. 186, 437; Störungen daran II 441; H. anterior II 161, 444; H. posterior? II 446, 447 ; Methoden ihrer Erzeugung II 429, 941—959; Selbstentstehung II 953; H. lat. aus einem Extraovat II 540, 798; siebe auch Halbbildungen, Postgeneration. Heniiooliolopl asten, Definition II 884 ; s. Halbei-Ganzbildung. Hemiooplasten II 792, 796, siehe Haibeigebilde. Hemiplasten II 810, s. Halbgebilde. Hemipoesis lateralis, Production der- selben II 433. Hemitheria, II 828. Hemitherinni anterius II 446, 828. Herz, dynamische Gestalt und Structur I 184, 766; Ursache derselben I 369; functionelle Anpassung 1 168 ; electrische Polarisation bei intraelectrolytärer Durchströmung II 574, 606, 632. Herzarterien, Verästelung I 25, 87. Heterogenesis durch „successive" Züch- tung I 409—416. Hoden. Atrophie, nach Nervendurch- schneidung I 286; compensatorische Hypertrophie I 321 ; chemischer Thätig- keitsreiz I 342. Hohlmnskeln, ihre functionelle Anpas- sung I 168, 368. 1056 Sach-ßegister zu Band I und II. Homogenität, ihre Züchtung durch Theil- auslese 1249, 275; scheinbare H. organi- scher Gebilde II 142, 1005. Homologie, Definition und Wesen I 440; Nutzen der vergleichenden Entwicke- lungsmechanik für die Ermittelung der Homologien I 441, 443. Höi'substaiizen, ihre Züclitung I 336 bis 341. Humerus, Torsionsstructur I 762, 765; Ursache des Sulcus intertubercularis II 31. Hunger als mechanisches Princip der Selbstregulation der Ernährung I 400; seine den Organismus zur „Spar- ma seh ine" umzüchtende Wirkung I 236, 658, II 224. Hydra fusca, electrische Polarisation, II 583; Regeneration II 841. Hydrops der Gastrula II 160; der Hals-, der Bauchgegend des Embryo II 160. Hyiierämie, functionelle, I 141; ge- staltende Wirkung I 151, 160, 304 bis 329; Unmöglichkeit, die functionelle An- passung durch sie zu erklären I 305 u. f., 548. Hypertrophie, compensatorische 1 322 u. f. Hyperthrophie, functionelle I 128. Identität der Bildungen selbstständiger Wachsthumsgesetze mit den functio- nellen Linien oder der Wachsthums- trajectorien mit den Spannungstrajec- torien I 553, 568; I. von functionellem und Entstehungsreiz mancher Gewebe I 343, II 229. Idioplasson II 85, 1231 A.; verschiedene Beschaffenheit bei gleichem Aussehen II 1005; Hauptdepot im Kern II 315, 862; actives und inactives II 831, 868; durch die Befruchtung activirtes II 874; richtige Activirung II 865, 869 ; I. der directen, der indirecten Entwickelung II 915, 307; Activirung jedes derselben II 916; I. in den Blastomeren II 460; richtige qualitative Sonderung des I. II 867. Iliocostalis, Selbstregulation der Mus- kel- und Sehnenlänge I 620. Immunität, Entstehung durch innere Um- züchtung I 147, 235, II 223. Implantation, „functionelle" und ihre Theorie I 404. Imi>lantirte Gebilde, Nervenversorgung derselben I 565. Iniplicatio , Zurückverwandlung somatogener Eigenschaften aus dem entwickelten in den unentwickelten Zustand I 214 Anm., II 61, 62, 1023. Implicite vorhandene Theile imFroschei II 401 ; implicites Material der Blas- tula ist typisch verschieden bei ver- schiedenen Wirbelthier-Abtheilungen II 538. Impulse, irradiirte, trophische Wirkung derselben I 647, 648. Inactivitätsatrophie , diniensionale I 173; I. der Muskeln I 631; Ursachen I 639; I. nach Durchschneidungen I 295; I. ist nicht durch Blutmangel bedingt I 325—328 ; I. der Knochen , Folgen ihrer Langsamkeit I 721 A.; Fälle des Ausbleibens der I. I 362 A. luanition, Urazüchtung des Oi-ganismus zur Sparmaschine dadurch I 236 A. Indirecte s. atypische Entwicke- lang II 111, 983; Charakterisirung II 844 u. f., siehe auch Entwickelung; Idioplasson derselben II 307 : ihre Acti- virung durch Defect, „Störung" der An- ordnung etc. II 833; siehe auch Corre- lationen, abhängige Differenzirung. Individxialauslese, siehe Personalauslese. Individuen giebt es nicht I 404 A. Infection der Eier II 157. Infectionsgeschwülste, trophische Reiz- wirkung als Ursache I 303. Injection von Farbstoffen in das Ei II 158. Injectionsmassen zur Corrosion I 2. Innervation , morphologische , durch Selbstversorgung I 565. Insertionsstellen der Muskeln, Züchtung günstiger etc. I 353, 654. Intima der Gefässe, gestaltende Reac- tionen derselben I 98. Intraelectrolyt, Definition II 672, 545 ; Reaction II 541-759; lebender II 545 Sach-Register zu Band I und II. 1057 bis 656, 727—759; nicht lebender II 659—726. Isoplasson II ö4, I 231 A., 389. Isotropie des Dotters, meridionale des Froscheies II 358, 848 u. f.; Beschrän- kung derselben II 850 u. f. Kami)f derTheile im Organismus, 1. als zerstörendes Princip I 428; 2. als einfach mechanisch gestaltendes Princip 1429; 3. als züchtendes Princip I 99 u. 100, 216—266, 429, 651-656, II 218 u. 219; Zeitliches desselben I 225; allgemeine Begründung I 216 — 225, II 218; directer K. I 250^, II 219; in- directer II 219; Kampf unter Flammen II 218; Arten und Leistungen 1 230—277, spec. 248, 272 u. f., 803; a) K. unter den lebensthätigenZe 11 th eilen I 231—250, 803; um den Raum I 217, 234, 100, 432; um die Nahrung I 236, 430; b) unter den Zellen I 251—260, 99; c) unter den Geweben 1261 — 266; d) unter den Organen I 267 — 271. Wirkung zur höchsten Ausbildung des Zweckmäs- sigen (Dauerfähigen) I 382; direct ge- staltende Wirkung I 260; Bedeutung für die Physiologie I 146, für die Pa- thologie I 147, für die Orthopädie I 148; Fehlen des Kampfes um den Raum : Erhaltung inactiver Theile I 645, 759, siehe auch Theilauslese, abhängige Dif- ferenzirung. Karyoiiinese, siehe Kerntheilung. Kegelförmig deformirte Eier II 302, siehe Deformation. Keimbläsclien, sein angeblicher Einfluss auf die RicStung der ersten Eitheilung II 355. Keimblätter, Anachronismen ihrer Son- \ derung II 458. Keimplasma II 73; Beruhen seiner Con- tinuität auf reiner Assimilation I 451; Selbstdifferenzirung desselben I 453; Personaltheil desselben I 453 ; genereller Theil desselben I 454. Heimplasüioii, Definition II 73 ; Con- iinuität II 61, I 451 ; Persoualisatioii desselben II 62 u. f. AV. Eoux, Gesamnielto Abhaudlangen. II. Kern, Mannigfaltigkeit seiner Qualitäten II 141, 309; seine idioplastische Bedeu- tung I 254, II 143, 300, 306, 315, 514 u. f., 874, 890 A., 999, 1015; seine ev. Function für den Zellleib II 313 ; Selbst- regulation seiner Functionen I 255; züchtende Theilauslese in ihm I 251, 254; normale Beschaffenheit der Kerne bei der ersten Entwickelung des Frosch- eies II 462; unabhängige Entwickelung vom Zellleib II 930 u. f.; Wechsel- wirkung zwischen Kern und Dotter II 317, 327 u. f., 336 u. f., 340 u. f., 400 u. f., 407, 916, 927-939, 1009 u. f., 1018. Kernbestandtlieile, Bedeutung ihrer An- ordnung für die Bildung der Körper- hälften II 451. Kernmaterial, eine richtige Vertheilung bei der normalen Ontogenese II 306, 316; Selbstregulation dabei II 316. Keruuester, in operirten Blastomeren II 465, 478. Kernschicht des Eies II 374, 377. Kernspindel, Einstellung derselben durch die Gestalt des Zellleibes II 118, 299, 303 u. f., 336 u. f., 340, 866, 927, 972 bis 975: Einstellung durch die Schwer- kraft? II 302, 337; Einstellung in die kürzeste Richtung des Protoplasma II 973 ; rechtwinkelig zur Copulationsrich- tung II 383-388; Vergleich der Ein- stellungswirkung mit magnetischer Wir- kung II 340. Kerntheilung, indirecte, ihre functio- nelle Bedeutung II 125—143. spec. 138 308—316, 337,860,862; K. ist angebliche qualitative Halbirung in den Furchungs- zellen II 1005; Mechanismus, electrische Vermittelung?II545 u.f.; „Molekulare Theilung" und^Massenson derung" II 140; Theiluugsrichtung II 385 u. f. ; S 0 n d e r u n g s r i qh t u n g , Defin. und ihre Bedeutung II 385 u. f. ; Ueber- führungsmechanismus II 388; Nothwen- digkeit sondernder Kräfte in den Chromo- somen II 862. Abnormitäten der K.II 314 ; Bedeutung für die Ontogenese der Metazoen II 306; Ursache ihrer „Rich- tung" und Qualität II 927—933, 975; 67 1058 Sach Register zu Band I und II. Beziehung zwischen Richtung und Quali- tät der Theilung II 317, 827, 336 u. f., 840, 400 u. f., siehe auch Zelltheilungs- richtung; Pigmentanordnung hei der K. II 473. Kerntheiliiiigsfläehe II 385; Ursache ihres Zusammenfallens mit der Dotter- theilungsfläche II 389. Kernübei'wandeniug I 472—474. Kind, ist das Geschwister der Eltern I 456; Ursache der Aehnlichkeit mit den Eltern II 332 A., siehe Vererbung. Kinderlähmun«?, spinale I 290. Kiueniatik der Entwickelung II 2. Kiuetik der P^ntwickelung II 3. Kleinste Fläche, als Zelltheilungsfläche II 303. Kniescheibe, Function I 700. Knochen, Substantia spongiosa, statische Elemente und Formationen derselben nebst ihrer functionellen Bedeutung I 703 u. f., 719 A., 729 A.; Entstehung entsprechend neuen statischen Verhält- nissen I 712; Substantia compacta, ihre statischen Elementartheile 1711; Func- tion der Knochen 1 120, 195, 294, 720, 736, 759 — 763; relative Beanspruchung 1 680 ; mögliche Arten der Beanspruchung 1678-682; Druckknochen I 760; Zug- knochen I 760 ; Festigkeit gegen Druck- spannung I 280; gegen lebendige Kraft I 281 A. ; drei Knochenbildungscoeffi- cienten des Körpers I 281 A. , 357; grosseWiderstandsfähigkeitgegenDruck von den „ü berknorpelten' Flächen aus I 761 ; deren gestaltliche Bedeutung I 762 ; geringe Widerstandsfähigkeit gegen Druck auf das Periost I 761, 763; f unctiouelle »«.statische Structur und deren Entstehung I 100, 165, 172, 176. 179, 281, 356 u. f., 434—436, 682, 690, 700, 7k2, 731, 753, 761 u. f., 812, II 221; siehe auch Trajectorien ; Ab- neigungen davon I 721 A., 737, 765, II 232; UnZweckmässigkeit in der Ver- wendung der statischen Elementartheile I 716 — 718; siehe auch Substantia spon- giosa und compacta; rnnctiouelle Gestalt II 690, 701, 715, 721 A.; Röhrenknochen l 363, 435, 690, 728, 758 u. f ; functionelle Anpassung s. functionelle Stuctur und Gestalt. Grösse der Knochen I 680; Länge I 758, 749; siehe auch Markhöhle. Activitätshyper- trophie, Ort derselben I 758 u. f.; In- activitätsatrophie 1 351, 732, 758 u. f.; interstitieller Schwund ? 1 749 ; trophisehe Wirkung der Function I 731; Erhaltung durch Muskelwirkung I 294; Ursachen der embryonalen und jugendlichen Form I 734, II 48, spätere Form I 731, 205; Ort der stärksten Aenderung der Struc- tur bei Aenderungen der Beanspruchung I 736; Regeneration und Heilung I 732, 749 — 758 ; angebliches Streben zur Her- steilung der Function I 732; Trans- plantation I 404 A.; verschiedene Be- anspruchung d. K. beim Wasser- und Landleben I 120; Zerstörung d, K. durch Algen und Pilze I 769-802. Knochenbrnch, Heilung und Ausbildung neuer statischer Structur I 357, 732 749-753, II 227-232. Knochendicke, von der Function unab- hängige I 386 A. Knoclienform, Ursachen I 434 — 436, 753, II 48; Knochenlänge I 758, 749; siehe auch Knochen. Knochengewebe, abhängige Entstehung I 334, 343; phylogenet. Entstehungs- bedingung II 228, 230, 810; ontogenet. Selbstditferenzirung desselben II 231 ; un- zweckmässige Verwendung des lamel- lösen K. I 716, 718. Knochenwachsthum : appositioneJles I 357, 758 u. f. ; gegen expansives K. I 741 bis 749: Wachsthum infolge von Hy- perämie I 295: siehe a. Knochen. Knoi'pelgewebe , phylogenet. Entste- hungsbedingung 11 228 810; ontogenet. Selbstditferenzirung II 231, 810; Ge- staltung aus ihm II 48; Bedeutung für die Beanspruchungsrichtungen des unter- liegenden Knochens I 685 A., 708. Knospnng, Art der Entwickelung dabei II 841. 847. Kochsalzlösung-, das Gleiten der Zellen befördernd II 899. Sach-Register zu Band I und II. 1059 Komplexe Honipoiienteii. II 82. Kopfwärts, siehe cephal. Korrelation, korrelative Differenzierung: siehe Correlation. Kräfte, gestaltende: Sitz derselben in jeder Furchimgszelle II 503, 772, 776. Kraftmaschine, zugleich Arbeitsmaschine (Herz) I 370 A. Krahnenconstrnction, I 727. Kugelgelenk, Ursache I 876. Kyphosis, Regulation der Muskellänge dabei; sehnige Metamorphose der Enden der Muskelfasern I 605, 613, 616 u. f. Lacerta agilis, electrische Polarisation der Eier und Embryonen 11 633. Lähmungen, periphere, trophiscbe Stö- rungen dabei I 296. Länge, specifische der Muskeln I 284 A. ; der Knochen, siehe diese; nachträgliches Kleinerwerden I 749. Lage der Zellen, Einfluss auf die folgende Differenzirung II 891, 897, 913, s. a. abhängige Differenzirung; Lage des Embryo zum Ei: siehe Hauptrichtungen, Medianebene, cephal, caudel, ventral, dorsal; Variation derselben bei Zwangs- lage, siehe diese; Beziehung zwischen Lage und Function der Theile des Or- ganismus II 187. ,,Lageeigenscliaften*' der Zellen II 1905. Laichung, Folgen ihrer Verzögerung II 355, 367, 461, 936; Polyspermie II 362, 470; Missbildungen II 159, 429, 438; Halbbildungen II 953; meroplas- tische urchung II 476; Geschwulst- keime? I 302, II 496 A.; mindert den Cytotropismus II 994. Laniellae staticae I 704; ihre func- tionelle Bedeutung I 704. Latenz: Stadium der latenten Reizung bei Activirung der Regeneration und Postgeneration II 830; ihre Bedeutung für die Erkennung der Specification der Zellen II 831. Leben, Wesen I 405 u. f., 415, 420, 152, II 69 A., 76 u. f., 141, 217; Besonder- heit des L. II 318; seine Grundfunctionen I 406 A., 11 76 u. f.; Dauerfähigkeit I 392 u. f. ; Möglichkeit der ersten Ent- stehung durch successive Züchtung der Grundfunctionen 1409—416, II 85 ; functionelles und solbstständiges L. der Theile I 348, II 281, 905, 909, siehe auch Perioden; goxtaltliche!« Li. II 44, 187 u. f., 192, 905, 926, 1002; Wir- kung der Deformation auf letzteres II 190, siehe auch Deformation ; primäres und secundäres Geschehen im Organischen I 83, 214, 506, 561. II 29. Lebensi)erio(len von Theilen: des selbst- ständigen Lebens I 348, 804, II 281, 909 ; abhängigen, speciell functionellen Lebens I 345, 804; II 281, 909. Lebensstructur, unsichtbare und sicht- bare I 406 A., II 1005; Metastructur II 143, 283, 1005, 1024, I 187, 406 A.; siehe Continuität. Leber, Selbstdifferenzirung ihrer Structur II 207, 909; abhängige Differenzirung ihrer Gestalt I 134, 268, 11 909; Ur- sache ihrer acinösen Gliederung I 134; reactive Production ihrer specifischen Structur I 220 ; Ursache ihres Fach- werktypus I 370, 813; chemischer Thä- tigkeitsreiz I 342. Leberzelle, Ursache ihrer Structur 1134, 219, 813. Leistung, Definition, Nutzen I 397 u. f. Lernen ist functionelle Auffassung I 767, 175, 165 ; siehe letztere. Licht, gestaltende Wirkung I 242, II 18; Nichtnöthigsein zur Hervorbringung des Typischen der Gestaltungen aus dem Ei II 274. Ligamenta, siehe Bänder; L. cutanea 1 181 ; siehe Aponeurosis palmaris und plantaris. liinien, fanctionelle, I 463. Linsenförmig deformirte Eier; ihre Theilungsrichtung II 302, 972. Localisation der Entwickelungsursachen im Ei II 772 ; siehe Selbstdifferenzirung. L.ocalisirte Befruchtung, künstliche, Methode II 300, 359—363; ihre Wir- kung siehe Copulationsrichtung. Locomotionsarten der Fische und Del- phine I 493. 67* 1060 Sach-Register zu Band I und IL Longissimus dorsi , Selbstregulalion seiner Länge I 619. Lordosis embryonalis ranae II 160, 168, 177; Heilung durch functionelle Orthopädie II 160. Luft, Nothwendigkeit zur Entwickelung II 322; nicht local differenzirende Wir- kung II 328. Liiftmangel, Entwickelungsstörungen II 438. Lutein, Bildung im Embryo aus Berliner- blau II 154. Lymphdrüse , functionelle Anpassung 1 170 ; compensatorische Hypertrophie I 323. Magnetische Wirkung zwischen Kern und Dotter? II 340. Mais, Aenderung des Blüthenstandes bei Aenderung der Nahrung I 379. Marken, natürliche am Ei, Verschiebung derselben II 99, 115. Markhöhle der Knochen , Abweichungen von der functionellen Gestalt 1 737. Maschenweite der Spongiosa ossea , Ur- sache I 710 A., 764. Massencorrelation, mechanische II 214, 232-252; Definition II 240 u. 253; Vorkommen im Embryo II 240; experi- menteller Nachweis II 245 ; gestörte bei Hemiembryonen II 442; siehe auch Cor- relation, abhängige Differenzirung. „Ulassensonderuug'^bei der indirecten Kerntheiking II 140. Materielles System, Definition II 233. Maus, electrische Polarisation der Em- bryonen II 646. Maximum - Minimum - Priucip der Construction l 509 ; ihre allgemeinen Gesetze I 509. Mechanik, teleologische, von Pflüger, I 408, 148 A.; 1019 u. f. Mechanisirung, feste, der Entwickelung der höheren Organismen II 815. Medianebene des Embryo, Bestimmung ihrer Richtung II 102, 110, 164, 185, 286—295, 441 A., 768; Abweichungen II 325 u. f. ; 340; Bestimmung durch das obere oder untere Stück der ersten Furchungsebene II 912, 969; Bestim- mung durch die Copulationsrichtung bei künstlich localisirter Befruchtung II 301, 355—358; bei nicht künstlich localisirter Befruchtung II 357 Anm. 358, Abweichungen davon 357; Bestimmung der Richtung bei Zwangslage der Eier II 328, 398 (Abweichungen 398); bei Pressung der Eier II 912, 923, 960—967 (Abweichungen II 1014); primäre M. II 962, 965; secundäre M. 11961 A.; Me- thode zur Ermittelung ihrer Beziehung zu den ersten Furchen II 99 u. f.; 967. Medullarrohr, Selbstschluss II 247,458; relative Biegsamkeit II 243. Medullarwülste, Lage zur EiaxelI347; Bestimmung dieser Lage II 347 ; An- lagestelle am Froschei II 456, 529, 534, 1033; Variationen der Anlage II 193; Selbstdifferenzirung II 192 u. f. ; Post- generation eines Medullarwulstes bei seitlichen Halbbildungen II 486; Ge- schwindigkeit II 486; die M. bei vorderen Halbbildungen siehe Hemieembryo. Mehrfachbestimmung, causale,desselben Structurverhältnisses I 507. Merkmale zweiter und dritter Ordnung, ihre causale Bedeutung II 93. Meroplast, Definition II 792, 884. Mesenchymzellen , abhängige Differen- zirung II 914. Mesoblast des Froschembryo, normaler Bau II 501; Postgeneration II 502; Unabhängigkeit vom Ectoblast II 504. Messungsmethode der Blutgefässver- zweigungen I 26, 46. Metaplasie 11 10. Metastructur organischer Gebilde II 143, 283, 1005, 1024, 1 187, 406 A. Metazoen , hypothetische Erfordernisse ihrer Ontogenese II 306 ; ihrer beiden Entwickelungsarten : directe und in- directe II 843; Eutstehungsweise aus den Protisten II 916. Methoden: 1. Zur Ermittelung der Avahren Gestalt und Winkel des Lumens der Ge- fäss Verzweigungen I 2 — 7. Sach-Register zu Band I und II. 1061 Methoden: 2. Zur Ermittelung der modelliren- den Wirkung des in verzweigten Röhren fliessenden Stromes I 61 A., 55. 3. Zur Ermittelung der Zunahme des R e i b u n g s w i d e r s t a n d e s in Röhren bewegter Flüssigkeiten bei Zunahme der Stromgeschwindigkeit I 61. 4. Zur mechanischen Selbstdar Stel- lung der Druck-, Zug- und Ab- scheerungstrajectorien 1673. 5. Zur Prüfung, ob die Schwerkraft für die Entwickelung des Eies n ö t h i g ist II 265, 272. 6. Zur Bestimmung der normalen Be- ziehung der ersten Furchung s- ebene zur Medianebene des Embryo 11 98—101, 106, 107. 7. Zur Ermittelung der Zeit der Be- stimmung der Richtung derMe- diauebene sowie der Caudal- resp. Cephalseite des Embryo im Ei II 289, 290, 292. 8. Zur willkürlich localisirten Be- fruchtung des Froscheies II 300, 359—363. 9. Zur Selbstcopulation schwim- mender Tropfen II 34. 10. Zur Prüfung der Wirkung des elec- trischen Stromes auf dieBefruchtungs- richtung und Theilung des Eies II 319, 556, 571, 583. 11. Zur Ermittelung der Gestaltungs- fähigkeit von Theilen des Eies II 148, resp. zur Production halber Embryonen aus halben Frosch- eiern II 154, 429-431, 773, 942-947, 953, 954-958. 12. Zur Hervorbringung eines ganzen Froschembryo aus einem halben Ei II 797. 13. Zur Ermittelung eines eventuellen Antheils der Vertheilung freier Electricität an der Gestal- tung des P]mbryo II 147. 14. Zur Prüfung, ob die Anlagestelle mancher Organe des Embryo von der Stelle des Luftzutritts abhängig ist U 322. 15. Zur Bestimmung der Lagerung des Mate riales des Medullar- r 0 h r e s am gefurchten Ei TI 347 A., 527. 16. Zur Ermittelung des Ortes der beim Schluss des Medullarrohres und des Darmrohres thätigten Kräfte II 244, 247, 251. 17. Zur künstlichen Hervorbringung von Rautengruben amMedullarrohr II 248. 18. Zur Ermittelung der Wirkung der Gestalt des Zellleibes des Eies auf die Theilungsrichtung des- selben II 302. 19. Zur qualitativen Halbirung eines Stoffgemenges ohne vorausge- gangene Analyse desselben 11 310. 20. Zur Ermittelung des Cytotropis- mus derFurchungszellen It 987 u. f. 21. Zur Ermittelung des Selb st Ord- nungsvermögens sich berühren- der Furchungszellen II 987 u. f. 22. Zur Demonstration des unbewussten Kampfes von Selbste r ha I- tungsprocessen II 217. 23. Zur Ermittelung des Verlaufsder electrischen Stromfäden im Electrolyten II 707. 24. Methode, jedesbeliebigeGebilde seiner Gestalt und seinemLeitungsver- mögen entsprechend reactions- fähig auf den electrischen Strom zu machen II 703. 25. Methode, vollkommen abgeschlif- fenePrägung metallischer Gebilde wieder sichtbar zu machen II 696. 26. Methode, aus einem Wechselstrom einen Gleichstrom zu gewin- nen II 581. JVIicrohoIoplasten II 792. Microsonien enthalten verschiedene Qua- litäten 11 309. Milchdrüse, chemischer functionellerReiz I 342. 1062 Sach-Register zu Band I und IL Milz, functionelle Anpassung I 170, che- mischer functioneller Reiz I 342. Missbildungen, Folgerung von Selbst- differenzirung aus ihnen II 204, siehe auch Doppelbildungen ; ihre Entstehung: siehe Laichung verzögerte, Luftmangel. Mitose, functionelle Bedeutung derselben II 125—143, 862, speciell des „Fadens" II 133, 310; siehe auch Kerntheilung. Nothwendigkeit sondernder Kräfte in den Chromosomen II 862; ungleiche M. bei Activirung des Reserveidioplasson ? II 833. ..Moleculare Theilung" bei der in- directen Kerntheilung II 140. Molekel, lebensthätige I 231; züchtender Kampf derselben unter einander I 231 bis 251. Morphologie der Organismen, Definition II 27. Morula, Defectversuche an ihr II 172; morphologische electrische Polarisation derselben II 552, 591. Iflosaikarbeit. in der embryonalen Ent- wickelung II 455, 821, 1010; Correla- tionen dabei II 445 ; siehe auch Selbst- differenzirung. Müiidungskegel der Venen I 45. Muskeln, quergestreifte, functionelle Anpassung I 167, 173, 367, 376; .Ver- werfungen" der Faserbündel I 582, „Verlaiifsliiiie" I 584; Selbst- regulation der „relativen liänge" I 576—658; Gesetze derselben I 588; Selbstregulation a) durch Zurückbleiben im Wachsthum I 603 ; durch Schrum- pfung I 605, 615; durch sehnige Meta- morphose der Enden I 605, 613 u. f.; Anpassung an die Excursionsgrösse der Befestigungspuncte I 583—623, 813; an die mittlere Grösse der Impulse (un- gleiche relative Länge) I 284, 589 A. ; Anpassung an langdauernde Con- tractionen I 638; morphologische 91uskellänge I 623; Selbstregulation der Dicke I 631; Art der trophischen Wirkung der Function I 635; Bil- «luugsgleichgewicht I 636; Erhal- tiiiig!«glciehgewicht I 636; Ausbil- dung der dimensionalen Activitätshyper- trophie I 285, 637; der Inactivitäts- atrophie I 639; Züchtung günstiger Richtung I 353; günstiger Insertionen I 353, 654; Ursache zweckmässiger Lagerung I 566 ; Erhaltung vom Nerven- system aus I 284, auch schon in der Jugend I 291; Atrophie nach Nerven- durchschneidung 1 284; qualitative An- passung durch Theilauslese I 655, 344 bis 348 ; Ursache der Variation I 204 u. f.; Anpassung an die Variation der Gelenke I 353 ; erhaltende Wirkung der M. auf die Knochen I 293; glatte Muskeln, Entstehung ihrer functionellen Anordnung im Darm I 368. Muskelarterien, Verästelungsgesetze I 11, 14. Muskelfasern, siehe Muskeln ; functionelle od. dimensionale Metastructur I 188. Muskellänge, ihre Selbstregulation etc. siehe Muskeln. Muskelnerveneintritt , ursächliche Ab- leitung der Regel Schwalbe's I 366. Muskelschrumpfung I 600, 608, 613, 615 u. f. Muskelvariationen I 582; topische I 582; functionelle I 587 u. f.; Gesetze der letzteren I 588; Wirkung auf das Gelenk I 376. Musculus i)almaris brevis, seine Func- tion I 348; M. iliocostalis, longissimus bei Kyphosis, siehe diese; M. quadri- ceps femoris bewirkt Zug entspannung der Knochen I 700. Mycelites ossifragus, im Knochen lebender Pilz 769-802. Nachahmung, unbewusste,beim Schreiben I 215; künstliche N. vitaler Gestal- tungen und Vorgänge II 33, 91; der Copulation der Geschlechtskerne II 34. BJachbarschartswirkiingen, differen- zirende, ihr Antheil an der Ontogenese II 891, 906 ; Folgen ihrer Störung II 834. Nachbarzellen, differenzirende Wir- kungen auf einander II 306 — 308. Nacbfurchung der operirten Eihälfte II 475, 783. Sach-Register zu Band I und II. 1063 Nachweis der züchtenden Tlieilauslese I 277. Nälieruu$;.sabstaiiulatiou<«baliu II 376. Säuifethiere, hohe Selbstdifferenzirung, geringe Postgeneration II 982; schwere Auslösung der Ganzbildung aus Ei- theilen II 1010, 1012. Säule, hohle , ihre statische Begründung I 690. Scelettlieile, Ursache ihrer Variationen I 204 u. f., siehe Knochen, Knorpel. Schädliche Substanzen, umzüchtend anpassende Wirkung derselben "Auf die Theile des Organismus I 235, 539. Schädliche Wirkung, eventuelle, der functionellen Anpassung I 352. Scheerung, Scheerfestigkeit I 505, 678. Schlagbewegung des Delphin I 495. Sclileimbeutel, Ursache I 364. Schraubengeleuk, Ursache I 376, 354, 734; siehe Gelenkform. Schrumpfungscoefficieuten des Binde- gewebes I 555. Schub, s. Scheerung. Schwanzflosse des Delphin I Nr. 7, siehe Delphin. Schwanzwärts, Bestimmung desselben, siehe caudal. Schwerkraft, richtende Wirkung auf das Ei 11^ 257—260, 274; Nichtnöthigsein derselben zur Hervorbringung des Ty- pischen der Gestaltungen aus dem Ei H 264 u. f., 271, 17 u. f.; Wirkung der- selben bei der Entwickelung des Eies II 113, 120; umordnende Wirkung auf den Dotter II 404; Umordnung des Dotters entgegen der Schwere im Ei 11297,298; Ursache ihrer einstellenden Wirkung auf die Zelltheilung II 337. Scplrosis, ihr Bildungsvorgang II 48; siehe auch Zwischenwirbelscheibe I 182. Sehnen, Ausbildung ihrer Structur I 358, 360; functionelleMetastructur I 187; functionelleAnpassung 1168, 174; Selbst- regulation ihrer Länge bei der Regu- lation der Muskellänge I 596, 614, 610, durch Wachsthum I 622; durch „seh- nige Metamorphose der Muskelfasei- enden" I 616 u. f., durch Schrumpfung I 629, 555; ihre Lage 813. Sehnenknochen der Vögel I 760 A. Sehncuröhreu im Schwänze des Del- phin 1 489. Sehnenscheiden, Ursache I 364. Sehnenschrumpfung bei Muskelatrophie I 629, 555, 807. Sehnerv, Folgen der Durchschneidimg • I 290. Sehnige Metamori^liose der Muskel- faserenden zur Regulation der Muskel- länge I 605, 613, 616, 621. Sehsubstanzen, ihre Züchtung I 336, 341. ,, Seitenfläche" d«r Epithelien, ihre dif- ferenzierende Wirkung II 785. Selbst, eigenes, der Organismen, Wesen desselben II 218, siehe a. Selbstnütz- lichkeit. Selbstassimilatiou II 76. 78, 79. Selbstausmerzung von Theilen im Or- ganismus I 218, 224; im Stoffwechsel I 232 u. f. Selbstbewegung II 77. Selbstbewusstsein, Entstehung desselben I 414. Selbsttliffereiiziruug I 422, II 15, 96. 201, 234, 881 ; Mängel der S. I 582 ; formale S. II 208; qualitative S. II 209 u. f.; unvollkommene 11 209; S. bei mechanischen Störungen der Form II 204; ontogenetische S. von in der Phy- logenese durch functionelle Anpassung entstandenen Bildungen II 231 ; S. von Gestaltungen, welche durch functionelle Anpassung entstehen könnten I 385; S. siehe auch Mosaikarbeit; S. des Keimplasson I 453; des ganzen Eies II 96, 264, 276, I 333 A., II 423, 772; des Extraovates II 102; von Theilen des Eies II 202-211, S. des Gastrula II 190; S. des Medullarrohres II 192; 1068 Sach-Reerister zu Band I und II. 201, 247; des Darmrolires 11 251; anderer Theile des Embryo 11 149, 166, 426; S. epithelialer Gewebe I 333; S. der Furcbungszellen II 156, 448, 770 u. f.; verschieden abgegrenzter Stücke des Eies II 983; hohe S. bei Säugern II 982 ; S. bei normaler Entwickelung II 979; Zusammenstellung von Thatsachen der S. II 826—830. Selbstclifferenzirungsgebilde II 907 : a) temporäre, b) permanente II 909 ; kleinste II 452, 779. Selbstelimination, siehe Theilauslese. Selbsterhaltung 1 405 u. f., II 77, siehe auch Selbstnützlichkeit; Selbsterhal- tungseigenschaften, allgemeine I 254, ihre Züchtung I 247, 260; Selbster- haltungsfähigkeit der Orgaue, ihr Ver- lust I 346, 372. Selbsterhaltungsprocesse , das Wesen des Organischen darstellend II 217 u. f.; Kampf derselben untereinander 1 218 u. f. Selbstgestaltiing des zur Erhaltung Nöthigen, als Wesen des Organischen 1405u. f., 1178; functioneUe S. des Selbstnützlichen (sog. Zweckmässigen) I 178, 278—330, 350—382, spec. 357 u. f., 560 ; die Assimilation als erste S. I 395, II 1023; S. hydrodynamisch ge- stalteter Blutgefässe I 65 u. f., 75, 97; S. der Zellen II 453, 457. Selbstlöhnung im Organismus, der dem Ganzen geleisteten Arbeitsgrösse ent- sprechende II 215. Selbstloslösung, active, der Chorda, MeduUa, des Entoblast und des Meso- blast von einander II 456; von Fur- cbungszellen II 989. Selbstnützlichkeit sive Antophe- lia, als allgemeine Eigenschaft des Organischen 1 393—415; statt Zweck- mässigkeit n 58 u. f ., 78, siehe auch Selbst- regulation. Selbstordnung der Eisubstanzen ent- gegen der Schwerkraft 11 297; des Rindendotters bei Zwangslage II 327 ; S. der Zellen II 435, 453, 457, 493; s. a. Zcllordnung der Furcbungszellen 11 987 bis 995. Selbstregulation als eine wesentliche Eigenschaft des Organischen I 400, 405 bis 411, II 69 A., 78, 217, 981 u. f.; Beschränkung derselben II 202; S. zur Erhaltung labilen Gleichgewichts I 336; S. der Assimilation 1 222, 224; S. als Ursache der Stabilität der Art I 224, 336, 337, 455; quantitative S. I 130 u. f., 350; functioneUe S. (der Erhal- tungsfunctionen) 1 321, 316 A., 381, 400 bis 409 ; morphologische Selbst- regnlatioii(derGestaltungsfunctionen) I 321, 316 A., 409 A., II 1022; am An- fange der individuellen Entwickelung II 360 A., 401; ihre Schwächung am Ende der Laichperiode II 461, 1010; S. im Stoffwechsel, ihre Züchtung durch Theilauslese I 237 ; normale S. im Em- bryo I 220. 224; S. nach Anachronis- men II 445 A.; prästabilirte S. bei den ersten Eitheilungen II 401 ; während der Furchung II 316; bei der Verthei- lung und Ordnung der Kernbestandtheile in der Ontogenese II 316; morphologische nach Umordnung der Furcbungszellen II 911 ; Züchtungsursache dieser Art II 912, 918; Reflexthätigkeit ist S. I. 399; S. der Muskellänge 1 576-658, speciell I 583—623, Nothwendigkeit derselben I 582; S. der Sehnenlänge I 596, 621; der Gestalt der Muskeln (durch Fiederung) 1 596; S. derWeite der Blutgefässe I 316; nervöse Regu- lation I 319; morphologische Regulation 1 316, 318; allgemeine gestaltende Reactionsfähigkeit der Blutgefässe I 319, siehe auch Entwickelung, atypische. Selbstschluss des MeduUarrohres II 247; des Darmrohres II 251. Selbstschutz des Embryo II 982. Selbstständigkeit der Theile des Orga- nismus in ihrer Erhaltung, Variation etc. 1 219 u. f. Selbststeuerung im Organismus I 409. Selbstvariation 11 62. Selbstwachsthum II 77; siehe auch Wachsthum. Selection siehe Züchtung. Seleetionstheorie, Einwendungen gegen Sach-Resister zu Band I und II. 1069 sie II 66; Wegzüchtung nicht ge- brauchter Theile II 68; ihre jüngsten (leüner II 68. Jsioiiiiblastiila Ranae II 43.j; siiperior II 448; von Echinodermen II 791 ; siehe auch Halbbildungen; electrische Polari- sation II 618. Souiivliorda «lorsnlis lateralis II 441. 443, 447, 526, s. Halbbildungen. SeiuigaMlriila Ranae II 435, 953; anterior II 445; der Ascidien II 788; s. Halbbildungen. Semiliinai'klappen, functionelle Structur I 182. Sciuiiuodulla lateralis II 439. Seiniuioriila II 434, 156; Charaktere II 877, 879; Zellordnung II 804; Bil- dung durch Umordnung des Eimateriales II 857, 876, 888; nach Rundung der isolirten Blastomere II 857, 835; S. der Ascidien II 788 ; von Echinodermen II 791. Seiuispinalis, nmsciilus, Selbstregulation der Muskel- und Sehnenlänge I 619. SensibiHtät I 391 ; implantirter Gebilde I 565. Sesambeine, functionelle Structur 1387 A., 762. Sieg des „stärker fungirenden" I 100. Sinnesorgane, zweierleiBildungsursachen I 378 ; Antheil der Züchtung I 339 ; der functionellen Anpassui.i- I 170, 175. Sinnessnbstanzen, ihre Züchtung I 336, 341 ; ihr Fehlen für manche Formen von Energie I 839. Sinus Valsalvae, Ursache derselben I 68. Sirenen, functionelle Knochenstructur I 442, J38; geringe Inactivitätsatrophie I 443, 738. Sunderangsrichtung bei der Kern- theilung II 385 u. f. SiJannung, nutritive, ihre Bedeutung im Kampfe der Zellen I 257. Spannnngstrajectorien I 546; Fall der Identität mit den Wachsthumstrajec- torien I 553, 568. Sparniaschine, innere Umzüchtung des Organismus dazu durch Bunger I 236, 658, II 224. Specialpularisation, morphologische, electrische, der Morula und Blastula II 591, 611, 752. Specification der Furchungszellen II 830 832, 835, 884—893 ; siehe a. Furchungs- zellen; S. der Keimblätter II 200. Speciflsches Gewicht, ungleiches der Dottersubtanzen II 113, 120, 260 bis 262; Wirkung desselben auf die Ent- wickelung II 260; Aenderung durch die Befruchtung II 291. Spermatozoon, Antheil an der Richtungs- bestimmung des Embryo im Ei, siehe Copulationsrichtung, Hauptrichtungen. Sphaerechinus , Entwickelung isolirter Blastomeren II 878 u. f. Spina bifida II 526; siehe Asyntaxia medullaris. Spiralgelenk, Ursache I 376, 354, 734. Spongiosa der Knochen, Ursache ihrer Maschenweite I 710 A., 764; Formen der S. I 704—711; S. globata. Vorkommen und Bedeutung I 685 A., 706, 709 u. f., 729; rectangulata I 706; tubnlosa I 705, Vorkommen 1708; Maschenweite I 710; siehe auch Knochen, functionelle Structur; statische Elementartheile I 703 - 704. Sprossung der Nerven in neue Organe I 565. Stabilität der Organismen, Ursache I 224, 336, 337, 455. Stanimaxen- Radialebene der Ge- fässe I 9. „Staninicouiplex" von Zellen bei der Re- u. Postgeneration II 898. Stammesgeschichte, II 61-69, 231, 440 u. f. , 1023 ; s. biogenetisches Grundge- setz, Homologien; Zerstörung ihrer knöchernen Urkunden I 801. Staniinverlaufswinkel der Gefässe I 15. Stauiinwinkel der Gefässe = Stammur- sprungswinkel I 15. Stehen: Wirkung auf die Knochenstruc- tur I 719 A.; St. auf einem Bein, Bean- spruchung des Schenkelhalses dabei I 682 A. Sterilität, eine Ursache II 369. 1070 Sach-Register zu Band I und II. Stillstand der Entwickeliing nach Operation während der Furchung II 159. Störung, mechanische Natur ihres Aus- gleiches im Organismus II 1022; St. der Entwickelung, Verlauf der weitereu Ent- wickelung II 971; St. der Anordnung oder Qualität: Auslösung des Reserve- idioplasson durch dieselbe II 887, 896 bis 903; an den Halbbildungen, ihre all- gemeine Bedeutung II 775. Stoffwechsel seine Bedeutung für die innere Züchtung I 222, 231—238, 251; St. atrophischer Organe I 285. Stossbewegiiiig des Delphin I 493. Stoss des Blutes, seine gestaltende Wir- kung I 97. Streckung, nachträgliche der Medullar- wülste II 532. Stromfäden, electrische, Methode zur directen Ermittelung ihres Verlaufs II 25, 152. Stromschatten, electrischer II 565, 650. Structiir, statische, dynamische, siehe runctiouelle Structur. Stützorgane, ihre von der Anordnung der Capillaren unabhängige Structur I 312, 327; siehe functionelle Structur. Stützsubstanzen : vererbte und abhängige Bildung derselben I 205 ; siehe auch Bindesubstanzen, Knochen. Knorpel. Subcutanes Bindegewebe , Züchtung desselben I 555. Subduralraum, Ursache I 364. Substantia conipacta ossea, ihre stati- schen Elementartheile I 711, siehe auch Knochen, S. spongiosa, siehe Spongiosa. Symmetrie, bilaterale, ihre Ursache II 451. „Symmetrieebene der Sonderung" II 386. Sympathicus - üurchschneidung , ihre Folgen I 295, 309. System materieller Theile II 233; seine Configuration II 233 ; seine Form II 233, seine Structur 11 233. Teleologie 1 145, 148 Anm., 153 u. f., 408, 11 78, 842, 1018; teleologisch gestaltende Wirkungen der functionellen Anpassung I 381. Telestes Agassizii, electrische Polari- sation der Eier II 625. Telescopform der Nase, künstliche, durch Borsäure II 887 A. Theilanslese oder Partialanslesc im Organismus, züchtende I 217 u. f., 222, 235, 542, 546 u. f., 651—656, 804, II 216 u. f. ; nicht züchtende T. I 222, 235, II 220; höchste Ausbildung des Zweck- mäs,sigen durch T. I 382; siehe auch Kampf der Theile. Theilbildiiug oder Theilgebilde, Definition II 792, 884, 1012; ihre Ur- sachen II 1009—1013; siehe auch Semi- morula , Semigastrula , Hemiembryo, Halbbildungen. Theilungsfliiche, Definition II 384 u. f. Theiluugsricbtung, Definition II 385 u. f. ; T. der Zelle, Wirkung der Gestalt auf die Theilungsrichtung II 299, 337, 973, 975 ; erste Theilungsrichtung des Eies: sie ist die variabelste II 300; ihre normale Ursache, siehe Copulations- richtung, Hauptrichtungen , Median- ebene; Wirkung einer Anstichstelle des Eies auf die T. II 364; Wirkung ge- ringsten Widerstandes II 305, 364, 973; Wirkung des electrischen Stromes auf dieselbe II 556, 571, 583. Theiluugswiderstand der Zelle, gering- steril 166 ; bestmimt nicht die Theilungs- richtung II 973. Thiere, höhere und niedere , ihre ver- schiedene Leistungsfähigkeit I 403. Tibia, Bedeutung ihrer Gestalt I 737 ; neue functionelle Structur in neuen Ver- hältnissen I 662 — 713. Topographie der organ. Gestaltungs- ursachen, Aufgabe, sie zu ermitteln II 16, 37, 87, 233, 254, siehe auch Selbstdifferenzirung und abhängige Dif- ferenzirung, Correlationen. Torsion I 683; Torsionsconstruction I 683. Torsionsstructur des Humerus I 762 A., 765. Sach-Register zu Band I und II. 1071 Totipotcnz der Furchungszellen, poten- tielle II 831, 839. Trabeoulac osseae I 704; ihre functio- nelle Bedeutung I 704. Tractiis ossei I 707. Trajeotorien, Bedeutung I 678 u. f.; Ableitung derselben für Druck I 678; für Zug 1682; Torsion I 683; Biegung! 683 u. f.; Methoden der mechanischen Selbstdarstelluug der Trajeotorien I 673; T. der Spannung und des Wachsthums I 546; Fall der Identität beider I 553, 568. Transformatioiisgesetz Jul. Wolff's, bezeichnet functionelle Anpassungen I 725. Trauslatio elterlicher Eigenschaften auf das Keimplasson II 61, 1023; siehe Vererbung. Transplantation, „functionelle" und ihre Theorie I 404. Ti'ansi)lantationsfähigkeit, Bedeutung für den Kampf der Theile I 219. Transversale Stellung der Delphin- Schwanzflosse, ihre Bedeutung I 498. Trennungskeil der Blutgefässverzwei- gungen I 85. Triton alpestris , electrische Polarisa- tion der Eier II 608. Trommelfell, functionelle StructurI 182; Ursache I 359. Trophische Nerven I 292—299; ihre an- geblichen Functionen I 292; ihr Unver- mögen functionelle Structur auszubilden I 568. Tropliische Wirkung der functio- uellen Reize I 100, 151, 240 u. f., 278-330. 544-552, 806; gestaltende \Yirkung der Function I 548. Tubuli"ossei I 703; ihre functionelle Bedeutung I 703. Tumoren, siehe Geschwülste. Typische Gestaltungskräfte, ihre Noth- wendigkeit II 28 Anm., 72. Tyi)isehe oder direete Entwickelung, personelle : Herstellung der richtigen An- ordnung des verschiedenen Materiales II 316; Selbstregulation dabei II 316; Charakterisirung II 844 u. f.; nicht voll- kommen reines Vorkommen II 847, siehe auch atypische Entwickelung. Typisch reproducirte Gestaltung, Verständlichkeit derselben bei Ent- stehung auf typischem Wege II 40; Bedingungen II 8 A., 228 A., 868, 913, siehe Entwickelung ; bei atypischem Aus- gang II 41 ; bei atypischem Wege II 52. Uebercompensation des Verbrauches I 396; ü. im Ersätze I 396; ihre Züch- tung durch Theilauslese I 237 ; U. in der Activitätshypertrophie I 280; der Blutgefässe I 280; des Knochen I 280. Ueberdelinung des Bindegewebes hat Atrophie zur Folge I 554. Üebergang vom Wasser zum Luft- resp. Landleben I 119. II 64. ,,Uebertragung" vom Elter erworbener Eigenschaften auf denlveim, s.Translatio. Ueberwindung mechanischer Componen- ten durch vitale II 91. Hebung I 461, 766. Ist nicht bedingt durch Hyperämie I 324; embryonale ü. I 555 ; motorische U. im Centralnerven- system I 122, 174; U. der Muskeln I 353, 364, 367. Umarbeitung des Pigmente^ der Ei- rinde, symmetrisch zur ersten oder zweiten Furche II 328. Umbildungen durch geänderten Gebrauch, Beschränkung derselben I 374, durch embryonale Variation I 375; vitale U. durch mechanische Massencorrelation II 253. UnKliftereuzirung von Zellen, nach Störung II 896, 899, bei Re- und Post- generation n 801, 896, 899; Verlauf derselben II 899; von Dotterzellen durch differenzirte Zellen II 495; siehe auch: abhängige Dififerenzirung, Correlationen. Umformung, siehe Umbildung. Umkelirnng in Zwangslage gehaltener Eier II 330; Entstehung von Doppel- bildungen danach II 932 u. f., 936. Umordnung von Zellen II 491, 497, 505 u. f. Anregung dazu II 493; von Fur- chungszellen II 857. 1072 Sach-Register zu Band I und II. Umstände äussere, direct das Zweck- mässige schaffende Wirkung derselben I 130. Umwachsung der todten Eihälfte II 482. Ungleichheit, atypische, der Theile des Organismus I 222, 225 ; Bedeutung derselben für den züchtenden Kampf der Theile I 222, 225. Unterbrechuugsfläche einer Zell- schicht: Bedeutung für die Postgene- ration II 498, 506, 507, für die Re- generation II 512, 897 u. f. Unzulässigkeit causaler Ableitungen aus den Beobachtungen des typischen organischen Geschehens II 75 u. f., 239. Urdarmhöhle, von ihr ausgehende ord- nende Wirkung auf die Zellen II 505. Urmiind des Froscheies II 164; Ort seiner ersten Anlage II 398; nächste Ursache II 342; die erste Anlagestelle fällt nicht immer in die Medianebene des Embryo II 399, 867 A., 961 A., 963; künstliche Bestimmung seiner Lage II 925; Wanderung des U. II 347 u. f., 525 ; abnorme Schlussstelle II 529. Ursachen der sichtbaren organischen Ge- staltungen, Ermittelbarkeit derselben I 406 A.; primäre ü. der Gestaltung I 543; Causae summandi I 538; U. der Zeit, des Ortes, der Richtung, Grösse und Quali- tät des organischen Geschehens II 87, 87,96; verschiedene Ursachen mit gleichen Wirkungen II 92, siehe auch „Constanz" der Producte; die einfach- sten Ursachen nicht immer im Organi- schen die wahrscheinlichsten II 242; Ursache und Folge im Organischen I 88 ; Trennung der specifischen Ursache von der Vorbedingung I 306, 325; Ursachen der speciellen Entwickelung, ihre Locali- sation im Ei II 772, siehe auch Knochen u. a. Organe. Urspruii(;!«kogel der Blutgefässe: des Astes I 36, 43; der „Fortsetzung des Stammes" I 45; Selbstgestaltung des- selben aus dem Wandungsmateriale I 55; Variationen desselben II 71. Urzeugung durch „successive" Züch- tung der Gr undfunctionen des Lebens I 409-416. Uterus , Ursache seiner complicirten Structur beim Menschen I 369. Vacuolisation des Dotters II 462, 488. Variabilität, der Theile des Organismus I 222, 225; Bedeutung derselben für den züchtenden Kampf der Theile I 222, 225 ; V. infolge unvollkommener Selbst- regulation I 455; V. durch Einwirkung der äusseren Lebensbedingungen I 105; Bedingtheit der Variabilität I 116; Corre- lative V. I 108, 131 , II 255; ihre Ur- sache I 372 ; V. des Keimplasma I 455, II 62—67, Variationen oder Varietäten, ihre Ur- sachen I 217 A. ; zeitliche V. als Ursache morphologischer Varietäten II 114 u. f. ; ihre Bedeutung für die descriptive Entvvickelungsgeschichte II 51; V. des Keimplasma: Entstehung aus inneren oder äusseren Ursachen II 62. Succes- sive Variation II 63; sprungweise V. II 63; Freiheit des V. II 64, 67, I 116; Unfreiheit I 204, II 67 ; Beziehung zwi- schen den V. des Keimplasson und den V. der entwickelten Theile II 65; Selbst- variation der Theile II 65; gleiche V. mehrerer Theile II 67 ; gleichzeitige nützliche V. verschiedener Theile II 64; Leistung embryonaler Variationen 1 368, 375; V. machen abhängige Ditferenzi- rung nöthig II 918 ; machen morphologi- sche Selbstregulation nöthig II 913, 981 ; Werth der V. für die causale Forschung II 31, 93 ; V. der M u s k e 1 n I 582—591 topische I 582; functionelle I 587 Regulation der Länge dabei I 591 — 620 der Scelettheile I 204 u. f. Vasa vasornni, ihre unzureichende Be- deutung für die Gestaltung I 313. Vasomotorische Störungen, ihre tro- phischen Folgen I 295. Vater ist der Bruder seiner Kinder I 456. Vena i)ortae, Verzweigungsregeln I 10, 17, 22, 81, 73. Venen, Entstehung an Stellen geringsten Druckes I 184, 564; Gestalts verhält- Sach-Register zu Band I und IL 1073 nisse des Lumens au den Vereinigungs- stellen s. I Nr. 1 und 2. Ventral des P^nibryo, seine Bestimmung am Ei II 347, 349, 408, 424, 437, 448, 460 A., 527, 534. 780. Veränderung, specifische Natur der- selben: Qualität, Ort, Zeit, Grösse IT 907, s. Differenzirung. Verästelnngswinkel der Arterien, Definition I 15; bestimmende Regeln 1 15 u. f. Verbrauch, züchtende Wirkung desselben I 233, 399. Yereinignngsebene der Venen, Defi- nition und bestimmende Regeln I 13. Vererbt Definition I 200—203, 207. Vererbting: angebliche, vom Individuum erworbener Eigenschaften I 140, 383, 444, II 61, 1023; Bedingung der Ver- erbung I 451 u. f., II 62; Vererbungs- theorie, angebliche II 860; siehe auch Keimplasson ; vererbte Selbstditferen- zirungs-Charaktere, geringe nöthige Zahl derselben I 201, 567. Vergiftung, chronische, umzüchtende Wirkung derselben auf die Theile des Organismus I 235, 658. Vergleichende Anatomie II 70. Verlanfslinie der Muskelfasern I 584. Verlanfswinkel der Gefässe I 15, 35, 94; ihre Bedeutung für Ermittelung der Wachsthumsgesetze I 94. Verschiedenheit gleich aussehender Theile II 1005. Verschmähung vermehrter Nahrungsauf- nahme durch die Zellen I 309. Vertheilnng, electrische, Fehlen auf dem Embryo II 149. Verwer&mgen der Muskelfasern, Be- deutung für die Selbstregulation der Muskellänge I 582 u f. Verzögerte Laichung, ihre Folgen, siehe Laichung; Schwächung der Selbst- regulation II 1009. Verzögerung der persönlichen Entwicke- lung durch Abkühlung 11 101; nach Operation des Eies II 159. Verzweigungen der Blutgefässe 1 W. Roux, Gesammelte Abhandlunfjen. II. Nr. 1 und 2; Richtungsverhältnisse 1 9u. L ; Gestaltungsverhältnisse I 36 u. f. Verzwoigiingsebcne der Gefässe 1 9. ..Verzwoigungsstelle" der Arterien, Definition 1 12. Viertelei-Gebilde II 793. Viertelmornlae und Blastulae 11 446. Vorbedingungen der Diff'erenzirung H 210; ihre Unterscheidung von der spec. Ursache I 306, 325 Nr. 13, 27, 28. Vorentwickelnng 1 409 A., 453, II 74; Definition II 280; ontogenetische, per- sönliche, unpersönliche, accessorische II 280; phylogenetische II 74, 280. Vorkerne, Wirkung ihrer Copulations- richtung auf die Medianebene II 366. Waalthiere , eigenthümliche substantia spongiosa ossea I 708. Wachsthum, Züchtung desselben durch Theilauslese 1 237 ; züchtende Wirkung desselben im Organismus I 222 , 232 ; Nutzen desselben I 396; Arten des W. : actives I 391, II 77, passives II 77; Massenwaclisthnm II 81 ; blosdi- nieusionales W. II 81 ; embryonales selbstständiges I 207 A. , 311 ; W. beruht auf qualitativer u.quantitativerNahrungs- wahl der Theile I 314; W. infolge von Hyperämie 1 295, 310 ; W. des Embryo unabhängig von electrischer Vertheilung II 147; W. der Arbeitsorgane I 311; der Stützsubstanzen und Deckepithelien I 311; des Knochens: Deutung des Ringversuches I 742; des Markirver- suches I 746; W. von Organen durch Aufnahme und Um differenzirung frem- der Zellen II 801. Wachsthiimsarchitectur 11 232; siehe auch Wachsthumstrajectorien. Wachsthumskräfte, auf die Herstellung der normalen Formen eingestellte II 245 ; Wirkung zeitlicher Hemmung der- selben II 245. Wachsthumsperioden: l.des selbststäu- digen Wachsthums der Theile 1 311; Wirkung der Hyperämie dabei I 311; 2. des functionellen Wachsthums 1 311; siehe auch Perioden. 1074 Sach-Register zu Band I und IL AVaclistlnimstrajectorien I 546; Fall der Identität mit den Spannungstrajec- torien I 553, 568. Wärme, trophisclie Wirkung derselben I 242, II 18. Wänne.strahlniig Nichtnöthigsein der- selben zur Hervorbringung des Typi- schen der Gestaltungen aus dem Ei II 274. Wanderung der Bänder bei örtl. Aen- derung der functionellen Verhältnisse I 606 : der Z ä h n e im Knochen I 268, 747. AVaiulerzellen, abhängige Differenzirung II 801, 914. AVechsel der Beanspriicluingsrichtung, Einfluss auf die Knochenstructur I 706, 719. Wechselstrom, Wirkung auf die Rich- tung der Eitheilung II 556 ; auf die Be- samungsrichtuug und Copulationsrich- tung II 583 ; polarisirende Wirkung auf embryonale Objecte II 542 u. f. AVechselwirkung ist der Grundvorgang der Entwickelung II 14, 822 ; siehe auch Correlationen, abhängige Differenzirung. Wellenbewegung der Delphin I 496. Wesen des Organischen I 152, 387 bis 416, 11 69 A., 76, 141, 217; siehe auch Leben. Wettbewerb II 223. Widerstandsfähigkeit lebender Körper, ihre iSteigerung durch Theilauslese bei schlechten Existenzbedingungen I 237 ; mechanische W.: Arten derselben I 505, (>78; der Knochen: gegen Druck von überknorpelten Flächen aus I 735; gegen Druck vom Periost aus I 735. Widerstandsznnahme in Röhren beweg- ter Flüssigkeit bei Zunahme der Strom- geschwindigkeit, neue Methode ihrer Ermittelung I 61. Wiederbelebung II 477, 480; siehe Re- organisation. Windungen im befruchteten Ei II 321. W^irkungsäquivalent : siehe Aequivalent, Gleichgewicht. Wirkungen, gestaltende im Organischen II 904 A.; unvollkommene Kenntniss derselben II 93; daraus folgende Ein- schränkung der Anwendbarkeit des Satzes: gleiche Wirkungen haben gleiche Ursachen II 92; gestaltende W. per continuitatem et contiguitatem, differen- zirende II 891. AVirkungsweisen, gestaltende bestän- dige n 82, 187, 1018, I 804-816, II 1025 — 1031 ; besondere im Organischen II 189, 318; statt Naturgesetze II 39. AVundernetze , Entstehung durch ver- erbte Gefässweite I 326 A. AA^mdheilung im Embryo: II 196, 200, 440 A.; siehe Heilung. AA'undpigmentirung am Embryo II 150, 195, 197. AVundreaction junger Froschembryonen n 149, 196. Zähne, seitliches Wandern derselben I 268, 747. Zeit der Bestimmung der embryonalen Gestaltungen II 95 u. f., II 286; der Hauptrichtungen II 95—124, II 286 u. f.; Z. der Gestaltungsursachen II 37, 87. Zelläquator, electrischer II 593. Zelle, Selbstständigkeit II 40, Beschrän- kung der Selbstständigkeit II 41, 806; Kampf resp. züchtende Auslese unter ihnen I 251—260, II 494. Richtende Wirkung auf Nachbarzellen II 318; Um- differenzirende AVirkung aufeinander bei der Postgeneration II 491, 495, 502, 506, 507, 509, 510, Reihenfolge der Vorgänge dabei II 491, 500, Ablenkung der Differenzirungsrichtung 496 u. f., 500, 504. Zellgestalt, ihr Einfluss auf dieTheilungs- richtung; siehe Zelltheilungsrichtung. Zellgranula II 85. Zellkern, siehe Kern. Zellleib, seine Function 1254 ; siehe Dotter ; gestaltende Wirkung II 890 A., 932—939, 1009 u. f.; gestaltende Correlationen mit dem Kern II 927—939, 474; siehe auch Kern; züchtende Theilauslese in ihm I 231-250. Sach-Register zu Band 1 und II. 1075 Zollordnnn;?, active II 453, 457, 804, 987 — 995: siehe auch Zellwandeiung, Cytotropisnitis, Clieniotropismus. Zellpollelder, electrische II 593. Zelltlioiluiiii". selbstständige qualitative Materialschcidung II 452; richtige An- ordnung, selbstständige II 453; nicht notlnvendig di f ferenz irende Wir- kung derselben II 317 A.; Verschiebung der Theilungsstolle in die Anstichstelle II 166; Beginn an der Anstichstelle II 163. Zelltheiliingsriclitung , Abhängigkeit von der „Gestalt" der Furchungszelle II 118, 303 u. f., 336, 339 u. f., 407, 866, 890, 927 u. f., 972 u. f.; Unab- hängigkeit von der Gestalt II 866; bei Zwangslage II 302, 336; Einfluss der Electricität II 319, 556, 571 ; siehe auch Kerntheilungsrichtung. Zellwaiidemngen beim Wach sthum der Keimblätter II 801; bei der Re- und Postgeneration II 801; siehe auch Zell- ordnung. Zei'fällung verschieden gerichteter Wir- kung auf rechtwinkelige, stärkste Com- ponenten in der Structur der Organe I 180, 181 Anm. 2, 183, 359, 368, 510 u. f., 679 u. f.; siehe auch functionelle Structur. Züchtung, unter den Personen I 116, 155, s. a. Peraonalauslese ; unter den „Theilen- des Organismus, durch den Stoifwechsel 1232; Bedingungen 1276; Wirkungsgrösse I 382 ; siehe auch „Kampf der Theile" und „Theilauslese", Kern, Zellleib; Wegzüchtung nichtge- brauchter Theile II 68; successive Z. der Grundfunctionen des ersten Lebens I 409, II 1022. Ziichtungslehre, ihre Mängel I 425 II 66, ihre jüngsten Gegner II 68. Zuchtwahl, Leistungsgrösse derselben I 116, 123, 159, Beschränkung I 184; Mangel ihrer Wirkung auf das Greisen- alter I 653. Zug I 678, als functioneller Reiz und als Ent.stehungsreiz des Bindegewebes II 227; Zug findet im Knochen statt I 681. Zugconstruction I 682. Zugfasern des Bindegewebes I 513. Zugknochen I 760 A. ; reiner, fehlt den Säugern I 745. „Zurückverwandlung" aus dem ent- wickelten in den unentwickelten Zustand I 214 A., II 61, 62, 1023. Zwang bei der organischen Gestaltung II 245. Zwangslage des Froscheies : einfache II 325; schiefe II 325, 396; gerade II 325, 396; Methode II 347, 396 u. f.; ihre Wirkung II 165, 177, 343, auf die Co- pulationsrichtung II 367, 399, 404, auf die Theiluugsrichtung II 325 u. f., 339, 399, 406. Erste Furche nicht senkrecht II 326; Wirkung auf die Richtung der Medianebene II 403, siehe Medianebene ; Bedeutung von Pflügers Versuch II 262, 343, 848; Z. der Froscheier im Mutter- leib II 290, 409. Zweck, wirkt nur indirect, durch func- tionelle Anpassung „gestaltend" im Oi'- ganismus II 1020. Zweckmässigkeit der organischen Ge- staltungen, siehe D auerf ähi gk eit, Selbstnützlichkeit; feine innere Z. der Organismen I 137, 155; ihre Entstehung s. Selbstgestaltung, functio- nelle Anpassung. Zwischeuwirbelscheiben, Function als hydraulische Presse und Bedeutung ihrer Structur I 182. , „ (jesilblnuidl iih. Enli\-ükelun(f.siiicc/ianik , B(//J. N9 /(>. Tn\- n: Fupchungsschrnia von Ran a csculenta. 5. 7&2 VrUvers-Druekatl v H. StUrtz, Afejr^ Vorlacj V. Wilh. Kiuipliiiann in I.olpy.uf \V. Roux-. ffes.Ahhandl. iih. Entwickelunffsmechanik, Bd. II. N9 21. y2. i ^, I ./ /'/. 1.5. /O'. J7. 18. IQ. A— W. R.ÜUX dd Verlay v.Wilh.Fii /5. Taf V. 10 ^^BIB^ //. lann in I.eip/.icj l^gl VrUyers-Drjxkerel v ff. Stürt?,, WurziiUjf W'.koii.n:. (/CS . Ih/ifuull üb. /■.'rttni • -1/ M W Roiix del Verlag v.Wilh. Engelmann in Leipzig 7^. Vmvers-Drud'i W.Roiior. (fes. Ih/itindl ii'h /•.'ritui, Jt^ C — ) ^ ^m///mh. Mi .V. .-,- '^'- i (— ) (+) M '■■ Urävers.-Driuk.erei v H. StürU, Wiirsburg. Verlag v Wilfi. Engeliiiann in Leipzu ]V. Rou.r. (jes.. IMa/ui/. iib. h'nlwKh'liiru/.snicc/iamk . Md IJ. .VP2S. Taf. X. O /# 1 — m"'Wm 2¥. t>|<2>' f{. a. 28. ^t^-*^ _i L. 20. 30. 26. -EE - O ,0' W. Roiix del Kgi. Inivers -Drudxrel v ff. Stüftz, Mrzburcf VpTlag V Willi. F.ngelmann in Leipzig ^^^^'■:' ^*^